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German Pages 270 Year 2010
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Band 54
Handelsliberalisierung im Bereich audiovisueller Medien Die welthandelsrechtliche Beurteilung von Quotenregelungen und finanziellen Fördermaßnahmen für Film und Fernsehen
Von
Harm-Randolf Döpkens
Duncker & Humblot · Berlin
HARM-RANDOLF DÖPKENS
Handelsliberalisierung im Bereich audiovisueller Medien
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Armin Hatje, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen †, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter
Band 54
Handelsliberalisierung im Bereich audiovisueller Medien Die welthandelsrechtliche Beurteilung von Quotenregelungen und finanziellen Fördermaßnahmen für Film und Fernsehen
Von
Harm-Randolf Döpkens
Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-2435 ISBN 978-3-428-13348-2 (Print) ISBN 978-3-428-53348-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83348-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 * ∞
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde 2009 von dem Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Herzlich danke ich meinem Doktorvater Prof. Dr. Stefan Oeter für die fachliche Betreuung der Arbeit. Herzlicher Dank gebührt auch Prof. Dr. Armin Hatje für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Dank gilt weiter dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, mit dessen finanzieller Unterstützung ich 2006 einen viermonatigen Forschungsaufenthalt in New York verwirklichen konnte. Für die Bearbeitung des international zugeschnittenen Themas waren die damit eröffneten Recherchemöglichkeiten an den exzellenten Forschungseinrichtungen der New York University und der Columbia University von unschätzbarem Wert. Die Arbeit berücksichtigt Literatur und Rechtsentwicklung bis Juni 2008. Hinzuweisen ist seither insbesondere auf die im September 2008 erschienene Arbeit Öffentliche Kulturförderung und Welthandelsrecht von Niklas Conrad. In ähnlicher Weise wie die vorliegende Arbeit kommt auch Conrad zu dem Ergebnis, dass die Regelungen des Warenhandelsabkommens GATT-1994 im Bereich der audiovisuellen Medien neben den dienstleistungsrechtlichen Vorschriften des GATS grundsätzlich uneingeschränkt Anwendung finden. Diese Sichtweise wird zumindest mittelbar auch durch die Entscheidungen der WTO-Streitentscheidungsorgane in dem Fall China – Measures affecting trading rights and distribution services for certain publications and audiovisual entertainment products aus dem Jahr 2009 bestätigt. Dort wird der Handel mit Filmkopien für die Vorführung von Kinofilmen im Zusammenhang mit den von China im Rahmen des Beitrittsprotokolls übernommenen Handelsverpflichtungen ausdrücklich als Warenhandel qualifiziert. Ob und in welcher Weise diese Entscheidung vor dem Hintergrund der weiter stockenden Verhandlungen der Doha-Runde zu einer Neubelebung der Diskussion über die welthandelsrechtliche Beurteilung der audiovisuellen Medien führen kann, bleibt abzuwarten. Berlin, im September 2010
Harm-Randolf Döpkens
Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Die Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation und die Diskussion um eine allgemeine kulturelle Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
I. Die Entstehung der Welthandelsorganisation (WTO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
1. Das GATT-1947 als Vorläufer der Welthandelsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
2. Die Uruguay-Runde zur Gründung der Welthandelsorganisation . . . . . . . . . . . .
25
II. Das GATT / WTO-System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
1. Das WTO-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
2. Die drei materiellrechtlichen Säulen des WTO-Systems – Anhang 1 . . . . . . . .
28
a) Die multilateralen Übereinkommen zum Warenhandel – Anhang 1A . . . .
29
b) Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen – Anhang 1B . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
c) Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums – Anhang 1C . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
3. Das Streitbeilegungsverfahren – Anhang 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
4. Der Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik – Anhang 3 . . . . . . . . .
33
5. Die plurilateralen Handelsübereinkommen – Anhang 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
III. Die Welthandelsorganisation als institutioneller Rahmen einer fortschreitenden Handelsliberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
1. Fortschreitende Handelsliberalisierung als Ziel der Welthandelsorganisation
34
2. Der institutionelle Rahmen der fortschreitenden Handelsliberalisierung . . . . .
36
3. Die Verhandlungen der Doha-Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
IV. Die Diskussion um eine allgemeine kulturelle Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
1. Die Behandlung der audiovisuellen Medien unter dem GATT-1947 . . . . . . . . . .
41
2. Der Konflikt um die Fernsehrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft . . . . . .
42
a) Die Verhandlungen im Rahmen der Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
8
Inhaltsverzeichnis b) Das „Agreement to Disagree“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
c) Die audiovisuellen Medien in den Verhandlungen der Doha-Runde . . . . . .
46
3. Das UNESCO-Abkommen zum Schutz kultureller Vielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
a) Die Zielrichtung des UNESCO-Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
b) Das Verhältnis des UNESCO-Abkommens zu den Regelungen des Welthandelsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
49
V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
C. Die Dogmatik der welthandelsrechtlichen Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungshandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
I. Die Liberalisierung des Warenhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
a) Tarifierung und fortschreitende Absenkung des Zollniveaus . . . . . . . . . . . . .
56
b) Weitere Instrumente zur Liberalisierung des Warenhandels . . . . . . . . . . . . . .
57
2. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung im GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
a) Das Prinzip der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 . . . . . . . . . . . .
58
b) Das Prinzip der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 . . . . . . . . . . . aa) Innerstaatliche fiskalische Maßnahmen nach Art. III:2 GATT-1994 . . . bb) Innerstaatliche nicht-fiskalische Maßnahmen nach Art. III:4 GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60 61
c) Der Begriff der Gleichartigkeit der Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
63
3. Subventionsrechtliche Regelungen im Bereich des Warenhandels . . . . . . . . . . .
67
a) Die Entwicklung der subventionsrechtlichen Regelungen im Bereich des Warenhandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
b) Das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen . . . . aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Anwendungsbereich des SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Definition des Subventionsbegriffs in Art. 1 SCM . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 1.1(a)(1) SCM . . . . . . . . . . .
69 69 71 71 71 73
(a) Finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(i) SCM . . . .
73
(b) Finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(ii) SCM . . . .
74
(c) Finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(iii) SCM . . . (3) Gewährung eines Vorteils im Sinne des Art. 1.1(b) SCM . . . . . . . . dd) Der Begriff der Spezifität nach Art. 2 SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Nach Art. 3 SCM verbotene Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
75 75 76 77 77
62
Inhaltsverzeichnis (2) Ausfuhrsubventionen nach Art. 3.1(a) SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Subventionen für die Substitution von Einfuhren nach Art. 3.1(b) SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9 77 78
ff) Nach Art. 5 f. SCM anfechtbare Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Schädigung eines inländischen Wirtschaftszweiges nach Art. 5(a) SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Zunichtemachung oder Schmälerung aus dem GATT-1994 erwachsender Vorteile nach Art. 5(b) SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die ernsthafte Schädigung der Interessen eines anderen Mitglieds nach Art. 5(c) SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78 78
(a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
(b) Einfuhr- und Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(a) und (b) SCM . .
80
(c) Preisunterbietung und Zunahme des Weltmarktanteils nach Art. 6.3(c) und (d) SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
4. Ausnahmevorschriften im GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
b) Regionale Integration nach Art. XXIV GATT-1994 als Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
79 79 80
aa) Die Voraussetzungen für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit regionaler Handelsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
bb) Das Notifikations- und Prüfverfahren nach Art. XXIV:7 GATT-1994
85
cc) Art. XXIV GATT-1994 als Ausnahmevorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
c) Die Bereichsausnahmen in Art. III:8 und 10 GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . .
90
aa) Die Bereichsausnahme für die Gewährung von Subventionen in Art. III:8(b) GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
bb) Die Bereichsausnahme für Spielzeitkontingente für Kinofilme in Art. III:10 i. V. m. Art. IV GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
II. Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
2. Der Anwendungsbereich des Übereinkommens nach Art. I GATS . . . . . . . . . . .
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3. Marktzugang nach Art. XVI GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
a) Der konkrete Inhalt der Marktzugangsverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
95
b) Die Ausgestaltung des Marktzugangs als spezifische Verpflichtung . . . . . .
96
4. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung im GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
a) Das Prinzip der Meistbegünstigung nach Art. II GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
aa) Der konkrete Inhalt der Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
bb) Die Anlage zu Ausnahmen von Artikel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
10
Inhaltsverzeichnis b) Das Prinzip der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) Der konkrete Inhalt der Inländerbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 bb) Die Ausgestaltung der Inländerbehandlung als spezifische Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Der Begriff der Gleichartigkeit von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 5. Subventionsrechtliche Regelungen im Bereich des Dienstleistungshandels . . 105 6. Ausnahmevorschriften im GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Regionale Integration nach Art. V GATS als Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Die Voraussetzungen für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit regionaler Dienstleistungsabkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 bb) Das Notifikations- und Prüfverfahren nach Art. V:7 GATS . . . . . . . . . . 108 cc) Art. V GATS als Ausnahmevorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 III. Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von GATT-1994 und GATS . . . . . . . . . 109
D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 1. Quotenregelungen für Kinofilme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 2. Quotenregelungen für Fernsehprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 II. Finanzielle Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Nationale und regionale Fördermaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Fördermaßnahmen auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 E. Die welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme in der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Die welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme . . . 133 1. Die nach der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Films differenzierende Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Die Vereinbarkeit mit dem Warenhandelsabkommen GATT-1994 . . . . . . . . 133 aa) Die Anwendbarkeit der Diskriminierungsvorschriften des GATT-1994
134
bb) Die Bestimmung der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Films im Sinne des Warenhandelsabkommens GATT-1994 . . . . . . . . . . 135
Inhaltsverzeichnis
11
cc) Die Vereinbarkeit mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 (1) Die konkrete Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (a) Einheimische Filme und Filme aus anderen WTO-Mitgliedern als gleichartige Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 (b) Spielzeitkontingente als wettbewerbsrelevante innerstaatliche Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die konkrete Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtfertigung nach Art. III:10, IV GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
144 145 146 147
(a) Einführung der Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme vor oder bei Schaffung der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . 148 (b) Die Vereinbarkeit der Europäischen Gemeinschaft mit den Anforderungen des Art. XXIV:5 und 8 GATT-1994 . . . . . . . . . 150 (c) Die Erforderlichkeit der Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme zur Schaffung der Europäischen Gemeinschaft
153
(d) Keine Rechtfertigung der faktischen Vorzugsbehandlung spanischsprachiger Filme aus Lateinamerika nach Art. XXIV GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (5) Die Behandlung von internationalen Koproduktionen . . . . . . . . . . . 156 b) Zur parallelen Anwendbarkeit der diskriminierungsrechtlichen Vorschriften des Dienstleistungsabkommens GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Die regionale Bindung bestimmter Atelier- und Postproduktionsarbeiten . . . . 160 a) Zur Anwendbarkeit von GATT-1994 und GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 c) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 aa) Die Anlage zu Ausnahmen von Artikel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 bb) Rechtfertigung nach Art. V GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Die Bedeutung des Welthandelsrechts für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 1. Die welthandelsrechtliche Beurteilung bei Qualifizierung des grenzüberschreitenden Handels mit Fernsehprogrammen als Warenhandel . . . . . . . . 167 a) Die konkrete Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 b) Die konkrete Anwendung der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
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Inhaltsverzeichnis c) Rechtfertigung nach Art. III:10, IV GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 d) Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 e) Die Behandlung von internationalen Koproduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Die welthandelsrechtliche Beurteilung bei Qualifizierung des grenzüberschreitenden Handels mit Fernsehprogrammen als Dienstleistungshandel . . . 175 a) Die Bestimmung der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Fernsehprogramms im Sinne des Dienstleistungsabkommens GATS . . . . . 175 b) Die Vereinbarkeit mit dem dienstleistungsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 (1) Die konkrete Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (2) Die Ausgestaltung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS als spezifische Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die konkrete Anwendung der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Anlage zu Ausnahmen von Artikel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Rechtfertigung nach Art. V GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Behandlung von internationalen Koproduktionen . . . . . . . . . . .
178 179 179 181 182
3. Zur Anwendbarkeit der Diskriminierungsvorschriften des GATT-1994 beziehungsweise des GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Der Fernsehprogrammhandel als maßgeblicher Anknüpfungspunkt . . . . . . 183 b) Die verschiedenen Ansätze zur Bestimmung und Abgrenzung von Waren- und Dienstleistungshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 aa) Die ökonomischen Unterscheidungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 bb) Der eigentliche Zweck der Transaktion als Abgrenzungsmerkmal . . . 186 cc) Die notwendige Form der Transaktion als Abgrenzungsmerkmal . . . . 188 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 c) Systematik, Entstehungsgeschichte und Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 aa) Die Situation vor Abschluss der Uruguay-Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Die Situation nach Abschluss der Uruguay-Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 (1) Zur Anwendbarkeit des GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 (2) Die Koordination der Anwendungsbereiche von GATT-1994 und GATS im Bereich der audiovisuellen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199
Inhaltsverzeichnis
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F. Die welthandelsrechtliche Beurteilung der Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb bestimmter Filmund Fernsehproduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 1. Die Vereinbarkeit mit dem warenhandelsrechtlichen Subventionsabkommen SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 a) Die Anwendbarkeit des SCM auf die Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 b) Der Subventionsbegriff des Art. 1.1 SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Finanzielle Beihilfe einer Regierung nach Art. 1.1(a) SCM . . . . . . . . . (1) Die staatsferne Ausgestaltung der Filmförderung . . . . . . . . . . . . . . . (2) Die Finanzierung durch Sonderabgaben der Film- und Fernsehindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Finanzierung durch freiwillige Beiträge der öffentlichrechtlichen und privaten Fernsehveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Die Zurechenbarkeit der Förderprogramme auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
205 207 209 211 213
bb) Gewährung eines Vorteils nach Art. 1.1(b) SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 c) Der Begriff der Spezifität nach Art. 2 SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 d) Verbotene Subventionen nach Art. 3 SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 e) Anfechtbare Subventionen nach Art. 5 und 6 SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa) Schädigung des inländischen Wirtschaftszweigs nach Art. 5(a) SCM 219 bb) Zunichtemachung oder Schmälerung von Vorteilen nach Art. 5(b) SCM . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 cc) Ernsthafte Interessenschädigung nach Art. 5(c) SCM . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Die Vereinbarkeit mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 aa) Die konkrete Anwendung des Grundsatzes der Inländerbehandlung . . 225 bb) Rechtfertigung nach Art. III:8(b) GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 b) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Die konkrete Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung . . 229 bb) Entsprechende Anwendung des Art. III:8(b) GATT-1994 . . . . . . . . . . . . 231 cc) Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232
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Inhaltsverzeichnis 3. Die Vereinbarkeit mit dem dienstleistungsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 aa) Die konkrete Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 bb) Die Ausgestaltung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS als spezifische Verpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 b) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die konkrete Anwendung der Meistbegünstigung nach Art. II GATS bb) Die Anlage zu Ausnahmen von Artikel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtfertigung nach Art. V GATS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
237 237 238 239
II. Die Vorschriften zur Territorialisierung der Fördermittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 1. Die regionale Bindung bestimmter Atelier- und Postproduktionsarbeiten . . . . 241 2. Die regionale Bindung eines bestimmten Anteils der Produktionsgesamtkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 G. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 Anlage 1: List of Article II MFN Exemptions – European Community 12 . . . . . . . . . . 256 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267
A. Einleitung Die Verhandlungen der sogenannten Uruguay-Runde endeten 1994 mit der Gründung der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, WTO). Damit wurde das den Warenhandel betreffende GATT-1947 (General Agreement on Tariffs and Trade) samt der dazu ergangenen Zusatzabkommen in den institutionellen Rahmen einer internationalen Organisation überführt und materiell vor allem durch das GATS (General Agreement on Trade in Services), betreffend den internationalen Handel mit Dienstleistungen, und das TRIPS (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights), betreffend den Schutz geistigen Eigentums, ergänzt. Nach Erwägungsgrund 3 der Präambel des WTO-Übereinkommens ist Ziel der Welthandelsorganisation die nachhaltige Wohlstandssteigerung in den Mitgliedstaaten durch einen wesentlichen Abbau der Zölle und anderer Handelsschranken sowie die Beseitigung der Diskriminierung in den internationalen Handelsbeziehungen. Die WTO-Rechtsordnung ist dabei auf eine fortschreitende Handelsliberalisierung im Zuge sukzessiver Verhandlungsrunden angelegt. Trotz dieses formalen Bekenntnisses der inzwischen mehr als 140 WTO-Mitglieder zu einer fortschreitenden Liberalisierung des Welthandels sind deren Tempo und konkrete Ausgestaltung im Einzelnen jedoch häufig umstritten und Gegenstand teilweise heftig geführter Auseinandersetzungen. Soziale Verwerfungen sowohl in den Entwicklungs- und Schwellenländern als auch in den Industrienationen haben dazu geführt, dass dieser häufig als Globalisierung bezeichnete Prozess und die damit verbundenen Fragen der globalen und gesellschaftlichen Wohlstandsverteilung eine weitreichende und massenwirksame öffentliche Resonanz gefunden haben. Das auf der vierten WTO-Ministerkonferenz in Doha / Qatar 2001 beschlossene Verhandlungsprogramm für eine weitere Liberalisierung des Welthandels sieht einen entwicklungspolitischen Schwerpunkt vor, der gewährleisten soll, dass die Entwicklungs- und Schwellenländer einen den Anforderungen ihrer wirtschaftlichen Entwicklung entsprechenden Anteil am Wachstum des Welthandels erhalten. Trotz dieser Absichtserklärung erwiesen sich die Interessengegensätze zwischen den Entwicklungs- und Schwellenländern, die insbesondere einen Abbau der Agrarsubventionen in den USA und in der Europäischen Gemeinschaft fordern, und den Industrienationen, die vor allem einen weiter verbesserten Marktzugang für Industrieprodukte anstreben, jedoch als kaum überbrückbar. Auf Empfehlung von Generaldirektor Pascal Lamy hatte der Allgemeine Rat die Verhandlungen der DohaRunde aufgrund der Blockadehaltung bei diesen Verhandlungsthemen auf seiner Sitzung am 27. / 28. Juli 2006 sogar zwischenzeitlich ausgesetzt. Zwar wurden die Verhandlungen nach einer Mitteilung des Generaldirektors an den Allgemeinen
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Rat vom 7. Februar 2007 wieder aufgenommen. Ob die Doha-Runde zu einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden kann, erscheint jedoch weiterhin ungewiss. Angesichts dieser weitgehenden Konzentration der bisherigen Verhandlungen der Doha-Runde auf Agrarprodukte und Industriegüter sind andere umstrittene Fragen des Welthandelsrechts in der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre ein wenig in den Hintergrund getreten. Dies gilt auch für die Problematik der welthandelsrechtlichen Behandlung der audiovisuellen Medien, die zum Ende der Uruguay-Runde im Dezember 1993 noch unter großem Medienecho beinahe zu einem Scheitern der Verhandlungen insgesamt geführt hätte. Tatsächlich ist aber auch dieser Streitpunkt keineswegs beigelegt und wird im Rahmen der Verhandlungen der Doha-Runde oder sonst zukünftiger Welthandelsrunden mit Sicherheit erneut relevant. Die Situation auf den internationalen Märkten für audiovisuelle Medien ist geprägt von einer nahezu weltweiten Dominanz der US-amerikanischen Film- und Fernsehindustrie.1 Die großen Filmproduktionsunternehmen in den USA können auf Produktionsbudgets zurückgreifen, die die finanziellen Möglichkeiten der Filmproduzenten aus anderen Weltregionen – einschließlich der großen europäischen Filmnationen Frankreich, Deutschland, Spanien, Italien und Großbritannien – regelmäßig um ein Vielfaches übersteigen.2 Darüber hinaus verfügen sie über ein umfassendes Distributionsnetzwerk mit Tochterfirmen in Europa und in aller Welt.3 Zwar exportieren auch einige andere Länder, wie insbesondere Japan und Hong Kong, in größerem Umfang audiovisuelle Produkte. Allerdings zeigt eine Auswertung der Handelsstatistiken, dass die USA der einzige Nettoexporteur von audiovisuellen Produkten sind;4 d. h. allein in den USA übersteigt der Wert der audiovisuellen Exporte den der entsprechenden Importe, alle anderen Staaten weisen in diesem Bereich eine negative Handelsbilanz auf. In der Europäischen Gemeinschaft stieg das jährliche Außenhandelsdefizit gegenüber den USA im Audiovisionsbereich von ca. A 330 Mio. in 1984 auf fast A 7 Mrd. in 1998.5 Der Marktanteil US-amerikanischer Produktionen in den Kinos der EG-Mitgliedstaaten ist seit 1995 zwar insgesamt rückläufig, betrug aber auch 2004 in den großen europäischen Filmnationen noch zwischen 47,4% in Frankreich und 73,2% in Groß1 Vgl. dazu insgesamt: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 45 ff. 2 Vgl. dazu: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 39. 3 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 35 f. 4 UNESCO, World Culture Report, 1998, S. 421 ff.; Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 4. 5 Europäische Kommission, Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter. Mitteilung der Kommission an den Rat, das europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, vom 14. Dezember 1999, KOM(1999) 657 endgültig, S. 9.
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britannien.6 Für den Fernsehbereich sind ähnlich eindeutige Daten zu den Marktanteilen US-amerikanischer Produktionen nicht verfügbar. Nach Angaben der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle stammt aber der Großteil der von den europäischen Fernsehsendern ausgestrahlten importierten Serien und Spielfilme aus den USA. Zwischen 1999 und 2004 fiel deren Anteil auf hohem Niveau von 69,6% auf 62,9%.7 Die Filmindustrien in den europäischen Ländern sind demgegenüber insbesondere durch eine nur schwach entwickelte Auslandsdistribution gekennzeichnet. Zahlreiche Filme – insbesondere aus kleineren Ländern – werden ausschließlich in ihrem Ursprungsland und im Ausland allenfalls gelegentlich im Rahmen eines Festivals gezeigt.8 In den USA bewegt sich der Marktanteil europäischer Filme seit Jahren zwischen 1 und 3% und kann damit praktisch vernachlässigt werden.9 Entsprechendes gilt für die Fernsehproduktion in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft.10 Die Entwicklung dieser US-amerikanischen Vormachtstellung im Bereich der audiovisuellen Medien geht zurück auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, der zum Zusammenbruch der europäischen Wirtschaft und damit auch der bis dahin international erfolgreichen europäischen Filmindustrie geführt hatte. Durch konsequente Rationalisierung und vertikale Integration sowie eine frühzeitige Ausrichtung von Produktion und Distribution auch auf den transatlantischen Markt legte die US-Filmindustrie bereits in diesen Jahren den Grundstein für ihre Dominanz auch auf den europäischen Märkten, die bis heute im Wesentlichen unangefochten ist und sich auch auf den später eingeführten Distributionskanal Fernsehen niederschlug.11 Angesichts dieser wirtschaftlichen Ausgangslage ist es nicht verwunderlich, dass das Verhältnis der USA und der Europäischen Gemeinschaft hinsichtlich der handelsrechtlichen Behandlung der audiovisuellen Medien von einem grundsätzlichen Interessengegensatz geprägt ist. In den USA ist die Film- und Fernsehindustrie nach der Flugzeugbranche die umsatzstärkste Exportindustrie und damit für die US-Außenhandelsbilanz von erheblicher Bedeutung. 40 % ihrer Einnahmen erzielt die US-Unterhaltungsindustrie auf den Exportmärkten und davon wiederum 70% allein in Europa.12 Vor diesem Hintergrund dringen die USA grundsätzlich 6 Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Jahrbuch 2005, Band 3, Kapitel 12, S. 42 ff. 7 Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Jahrbuch 2005, Band 5, Kapitel 23, S. 104 f. 8 Nowell-Smith, in: Nowell-Smith, Geschichte des internationalen Films, 1998, 719, 721; vgl. dazu: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 35. 9 Screen Digest, in: UNESCO Kurier 9 / 2000, 48; vgl. die Angaben in: Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Jahrbuch 2005, Band 3, Kapitel 12, S. 50 f. 10 Ertel, Globalisierung der Filmwirtschaft, 2001, S. 220. 11 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 48 ff.; Pearson, in: Nowell-Smith, Geschichte des internationalen Films, 1998, 25 f.; Gomery, ebd., 43. 12 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 5.
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auf eine möglichst weitgehende Liberalisierung der internationalen Märkte für audiovisuelle Produkte. In Europa wird die faktische Dominanz der US-amerikanischen Film- und Fernsehindustrie hingegen vielfach sowohl wirtschaftlich als auch kulturell als Bedrohung empfungen. Bei den audiovisuellen Medien handelt es sich um einen bedeutenden Wachstumsmarkt, der bei dynamischer Entwicklung auch in der Europäischen Gemeinschaft die Schaffung einer Vielzahl von Arbeitsplätzen verspricht.13 Darüber hinaus wird auf die Bedeutung hingewiesen, die Filmen und Fernsehprogrammen als Kulturprodukten für Ausdruck und Wahrung der kulturellen Identität Europas zukommt und damit ein öffentliches Interesse an Erhalt und Förderung der europäischen Film- und Fernsehindustrie begründet.14 Gestützt sowohl auf wirtschafts- als auch kulturpolitische Erwägungen gab es daher in Europa bereits seit Ende der 1920er Jahre Versuche, der US-amerikanischen Dominanz auf den Film- und später auch den Fernsehmärkten durch verschiedene Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der europäischen Programmindustrie entgegenzuwirken. Diese Maßnahmen waren wiederholt Gegenstand von Auseinandersetzungen über ihre welthandelsrechtliche Zulässigkeit und Behandlung, ohne dass bisher aber eine Einigung oder eine abschließende Klärung durch die welthandelsrechtlichen Streitentscheidungsorgane erreicht werden konnte. In Reaktion auf den rapiden Anstieg der Marktanteile US-amerikanischer Kinofilme nach dem Ersten Weltkrieg führten zahlreiche europäische Staaten in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre Quotenregelungen zum Schutz der nationalen Industrien ein. Überwiegend handelte es sich dabei um Einfuhrkontingente, bei denen unmittelbar die Anzahl der für den Import zugelassenen ausländischen Produktionen beschränkt wurde. Teilweise waren aber auch Spielzeitkontingente vorgesehen, die einen bestimmten Anteil der Vorführzeiten inländischen Produktionen vorbehielten.15 Im Rahmen der Verhandlungen zum GATT-1947 forderten die USA eine umfassende Beseitigung dieser den Marktzugang US-amerikanischer Filmproduktionen zu den europäischen Märkten behindernden Regelungen. Ein Kompromiss wurde schließlich dahingehend gefunden, dass nach Art. III:10, IV GATT-1947 allein Spielzeitkontingente unter bestimmten Voraussetzungen als zulässige Beschränkungen des Marktzugangs anerkannt wurden, nicht aber Einfuhrkontingente.16 In den letzten Jahrzehnten haben Quotenregelungen für Kinofilme 13 Vgl.: Europäische Kommission, Grundsätze und Leitlinien für die audiovisuelle Politik der Gemeinschaft im digitalen Zeitalter. Mitteilung der Kommission an den Rat, das europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, vom 14. Dezember 1999, KOM(1999) 657 endgültig, S. 8. 14 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 5 f. 15 Gomery, in: Nowell-Smith, Geschichte des internationalen Films, 1998, 43, 49; Vasey, ebd., 51, 54. 16 Jarvie, Free Trade as Cultural Threat, in: Nowell-Smith / Ricci, Hollywood and Europe, 1998, 34, 38 f.; Nowell-Smith, in: Nowell-Smith, Geschichte des internationalen Films, 1998, 396.
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insgesamt an Bedeutung verloren. In der Europäischen Gemeinschaft bestehen Spielzeitkontingente für abendfüllende Spielfilme in Frankreich und Spanien aber weiterhin. Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen zahlreiche europäische Länder, ihre nationalen Filmindustrien in Ergänzung zu den bisherigen Quotenregelungen beziehungsweise stattdessen durch finanzielle Fördermaßnahmen in Form von Zuschüssen und /oder Steuererleichterungen zu unterstützen. Seit Ende der 1950er Jahre kamen insbesondere in Frankreich und Italien und etwas später auch in Deutschland neue vor allem an kulturellen Aspekten ausgerichtete Fördermechanismen der Herausbildung eigenständiger nationaler Kinematographien zugute, die sich bewusst als Gegenentwurf zur Ästhetik des Hollywoodkinos verstanden.17 In den 1960er Jahren waren die so entstandenen Filme auch wirtschaftlich erfolgreich, so dass die nationalen Filmindustrien der großen europäischen Filmnationen auf ihren jeweiligen Heimatmärkten zwischenzeitlich nicht unerhebliche Marktanteile von den US-Produzenten zurückgewinnen konnten.18 Als im Rahmen der Tokio-Runde des GATT 1973 – 79 über die Einführung eines verbindlichen Subventionskodex verhandelt wurde, führten die USA unter anderem diese Fördermaßnahmen zugunsten der europäischen Filmindustrie als Beispiel für die handelsverzerrenden Wirkungen staatlicher Subventionen an.19 In der Folge haben die europäischen Länder ihre Programme zur finanziellen Förderung der nationalen Filmproduktion jedoch weiter ausgebaut und vielfach auch auf den Fernsehbereich erstreckt. Ergänzt werden die nationalen Maßnahmenprogramme seit Ende der 1980er Jahre auf europäischer Ebene durch das MEDIA-Programm der Europäischen Gemeinschaft und das Eurimages-Programm des Europarats. Ebenfalls seit Ende der 1980er Jahre sind Quotenregelungen für Fernsehprogramme, wie sie bereits zuvor einige europäische Länder kannten, in der gesamten Europäischen Gemeinschaft vorgesehen. Im Rahmen der Bemühungen zur Stärkung der europäischen Programmindustrie wurde in die vom Europäischen Rat im Jahr 1989 verabschiedete Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“20 auf Betreiben Frankreichs eine Quotenregelung aufgenommen, wonach die EG-Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen haben, dass die Fernsehveranstalter den Hauptteil ihrer Sendezeit der Sendung von Werken europäischen Ursprungs vorbehalten. Diese Maßnahme führte erstmals zu einer offenen Eskalation des Streits um die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien. Im November 1989 richteten die USA an die Europäische Gemeinschaft ein insbesondere auf den Grundsatz der 17 Nowell-Smith, in: Nowell-Smith, Geschichte des internationalen Films, 1998, 396, 403; Ertel, Globalisierung der Filmwirtschaft, 2001, S. 207 ff. 18 Nowell-Smith, in: Nowell-Smith, Geschichte des internationalen Films, 1998, 421. 19 Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 115, 118. 20 Richtlinie des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (89 / 552 / EWG).
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Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT-1947 gestütztes formales Konsultationsersuchen.21 Die Europäische Gemeinschaft stellte sich demgegenüber auf den Standpunkt, das Warenhandelsabkommen GATT-1947 sei nicht anwendbar, da die Quotenregelung für Fernsehprogramme allein den internationalen Dienstleistungshandel betreffe.22 In der Folge sahen die USA von der Einleitung eines Streitentscheidungsverfahrens ab und strebten eine Lösung des Konflikts im Rahmen der laufenden Verhandlungen der Uruguay-Runde an. In der Sache war eine Einigung im Zuge dieser Verhandlungen jedoch nicht möglich und nur mit Mühe konnte ein Scheitern der Uruguay-Runde insgesamt an dem Streit über die Behandlung der audiovisuellen Medien verhindert werden. Die insbesondere im Zuge der Auseinandersetzung um die Quotenregelung der Fernsehrichtlinie teilweise sehr intensiv geführte politische Diskussion über die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien ist in der Wissenschaft nicht ohne Widerhall geblieben. Allerdings ermöglichen die bisher erschienenen Veröffentlichungen nur sehr eingeschränkt eine Beurteilung der konkreten Konsequenzen des Welthandelsrechts für die in der Europäischen Gemeinschaft vorgesehenen medienrechtlichen Regelungen. Dies liegt zunächst daran, dass sich viele Arbeiten in einer Darstellung der welthandelsrechtlichen Regelungen erschöpfen, gefolgt von Hinweisen, mit welcher Art medienrechtlicher Institute diese in Konflikt geraten können. Es fehlt also an einer detaillierten Auseinandersetzung mit den Spezifika der jeweiligen medienrechtlichen Regelungen. Zugleich bleibt dabei aber auch die Untersuchung der Normen des WTO-Rechts unvollständig. Denn die Probleme in der dogmatischen Struktur zeigen sich oftmals erst in der konkreten Anwendung. Des Weiteren haben sich die in den letzten Jahren veröffentlichten wissenschaftlichen Beiträge überwiegend der Frage nach möglichen – und wünschenswerten – Weiterentwicklungen des Welthandelsrechts im Bereich der audiovisuellen Medien zugewandt.23 Ziel der vorliegenden Arbeit ist dem gegenüber vorrangig eine Klärung des status quo der welthandelsrechtlichen Behandlung der audiovisuellen Medien auf der Grundlage einer dogmatischen Durchdringung der für die audiovisuellen Medien maßgeblichen welthandelsrechtlichen Bestimmungen und ihrer möglichst konkreten Anwendung auf die in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Regelungen. Dabei beschränke ich mich auf die bereits angesprochenen Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme sowie die Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung, die als unmittelbare Reaktion auf die faktische Dominanz der US-Medienindustrie beschrieben werden können. Die Problematik der 21 Garret, 19 North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation 1994, 553, 560; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 106. 22 Garret, 19 North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation 1994, 553, 560; Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1992, 323, 350 f. 23 Vgl. insbesondere: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003; Voon, Cultural Products and the World Trade Organization, 2007.
A. Einleitung
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welthandelsrechtlichen Behandlung des Bereichs der audiovisuellen Medien ist damit freilich noch nicht erschöpfend behandelt. Insbesondere werden im Rahmen der Verhandlungen über die weitere Entwicklung des Dienstleistungsabkommens GATS und der von den WTO-Mitgliedern insoweit übernommenen Verpflichtungen auch weitere medienrechtliche Institute wie Lizenzvergabe und Medienkonzentrationsrecht sowie die öffentliche Rundfunkfinanzierung in den Fokus des Welthandelsrechts geraten.24 Auf die sich dabei stellenden Fragen kann im Rahmen dieser Arbeit allerdings aus Platzgründen nicht eingegangen werden. Für den Aufbau der Arbeit ergibt sich aus den vorstehenden Überlegungen Folgendes: Zunächst wird in Abschnitt B. ein Überblick über die Entstehung und Struktur der Welthandelsorganisation sowie die insbesondere seit den Verhandlungen der Uruguay-Runde äußerst kontrovers geführte Debatte um eine allgemeine kulturelle Ausnahme gegeben. Dabei wird sich zeigen, dass die Europäische Gemeinschaft ihre Forderungen nach einer grundsätzlichen Sonderbehandlung des kulturellen Bereichs einschließlich der audiovisuellen Medien bisher nicht durchsetzen konnte und die welthandelsrechtlichen Bestimmungen sowohl des Warenhandelsabkommens GATT-1994 als auch des Dienstleistungsabkommens GATS damit grundsätzlich uneingeschränkt anwendbar sind. In dem darauffolgenden Abschnitt C. ist daher die Dogmatik dieser Vorschriften unter detaillierten Auswertung der bisherigen Spruchpraxis der welthandelsrechtlichen Streitentscheidungsorgane darzustellen. Dabei konzentriert sich die Darstellung bereits auf die für die Beurteilung der in den Blick genommenen Quotenregelungen und finanziellen Fördermaßnahmen maßgeblichen warenhandels- und dienstleistungsrechtlichen Vorschriften zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung und der Zulässigkeit von Subventionen, ohne aber bereits auf deren konkrete Anwendung auf diese medienrechtlichen Institute einzugehen. In Abschnitt D. werden die in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme sowie die Maßnahmen der finanziellen Film- und Fernsehförderung dargestellt. Vollständigkeit wird dabei angesichts der Vielzahl unterschiedlicher Regelungen in den EG-Mitgliedstaaten nicht angestrebt. Vielmehr sollen die durch gemeinsame kulturpolitische Traditionen und zunehmend auch durch gemeinschaftsrechtliche Vorgaben bedingten Gemeinsamkeiten der nationalen Rechtsordnungen und die Einzelheiten einiger typischer Regelungen herausgearbeitet werden. Die eigentliche Untersuchung der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit der Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme sowie der Maßnahmen der finanziellen Filmund Fernsehförderung in der Europäischen Gemeinschaft bleibt den Abschnitten E. und F. vorbehalten. Im Zuge der konkreten Prüfung kann und soll dabei auf die in den vorangegangenen Abschnitten herausgearbeiteten dogmatischen Grundsätze des WTO-Rechts einerseits und die Besonderheiten der medienrechtlichen Rege24 Vgl. dazu: König, ZUM 2002, 271, 278 ff., 281; Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 278 ff.
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A. Einleitung
lungen andererseits zurückgegriffen werden. Abschließend wird in Abschnitt G. auf Grundlage der gefundenen Ergebnisse ein Ausblick auf mögliche Weiterentwicklungen des Welthandelsrechts im Bereich der audiovisuellen Medien versucht.
B. Die Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation und die Diskussion um eine allgemeine kulturelle Ausnahme Im folgenden Abschnitt wird zunächst ein Überblick über die Entstehung der Welthandelsorganisation (dazu I.), deren Struktur (dazu II.) sowie den zugrundeliegenden Gedanken einer nachhaltigen Wohlstandssteigerung durch fortschreitende Handelsliberalisierung (dazu III.) gegeben. Im Anschluss wird auf die insbesondere seit den Verhandlungen der Uruguay-Runde zur Gründung der Welthandelsorganisation äußerst kontrovers geführte Debatte um die Einführung einer allgemeinen kulturellen Ausnahme eingegangen (dazu IV.).
I. Die Entstehung der Welthandelsorganisation (WTO) Das Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens zur Gründung der Welthandelsorganisation zum 1. Januar 1995 stellt sich als Ergebnis eines jahrzehntelangen internationalen Prozesses zu einer Neuordnung der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg dar.
1. Das GATT-1947 als Vorläufer der Welthandelsorganisation Eine wichtige politische Initiative zur Neuordnung der Weltwirtschaft im Sinne einer Förderung des Freihandels durch Abbau protektionistischer Maßnahmen der Nationalstaaten ging bereits von der am 12. August 1941 von dem amerikanischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und dem britischen Premierminister Winston Churchill verfassten Atlantik-Charta1 aus. In Fortsetzung früherer Ansätze – darunter auch Vorarbeiten im Rahmen des Völkerbundes – wurden hier Leitlinien zur Ablösung einer durch nationale Egoismen geprägten Ära, die letztlich zur Weltwirtschaftskrise von 1929 bis 1933 geführt hatte, durch ein System des rechtlich gebundenen Interessenausgleichs auf multilateraler Ebene entwickelt.2 Die Notwendigkeit einer verbindlichen multilateralen Neuordnung der Weltwirtschaft war auch Gegenstand der Konferenz von Bretton Woods, die – von den sich konstituieAbgedruckt in: Europa Archiv 1946 / 47, 343. Beise, Die Welthandelsorganisation, 2001, S. 35; Göttsche, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 4 Rn. 32; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 92. 1 2
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
renden Vereinten Nationen einberufen – 1944 planmäßig zum Abschluss der Übereinkommen über den Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund, IMF) sowie über die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank; International Bank for Reconstruction and Development, IBRD) führte.3 Die Schaffung eines multilateralen Freihandelsabkommens stellte sich demgegenüber in der Folge als ungleich schwieriger heraus. Zwar wurde unter der offiziellen Kurzbezeichnung „Havanna-Charta“ am 24. März 1948 auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Handel und Beschäftigung in Havanna der Vertrag zur Errichtung einer als Unterorganisation der UNO konzipierten Internationalen Handelsorganisation (International Trade Organization, ITO) von 54 Staaten unterzeichnet. Die ITO sollte durch den sukzessiven Abbau von protektionistisch wirkenden Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen der Förderung des internationalen Handels dienen.4 Darüber hinaus enthielt der Entwurf aber auch umfassende Regelungen zu Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung, des Arbeitsmarkts, des Rohstoffhandels sowie des Wettbewerbsrechts.5 Die Havanna-Charta zur Gründung der ITO ist nie in Kraft getreten. Obwohl die politische Initiative zum Abschluss eines umfassenden multilateralen Freihandelsabkommens ursprünglich von der US-amerikanischen Regierung ausgegangen war, scheiterte ihr Inkrafttreten gerade an der fehlenden Ratifikation durch die Vereinigten Staaten, in denen die Charta insbesondere wegen der über eine bloße Handelsliberalisierung hinausgehenden Regelungen zunehmend kritisiert wurde.6 Allerdings waren die an den Verhandlungen beteiligten Staaten bereits auf der ersten Vorbereitungskonferenz im Oktober 1946 in London übereingekommen, dass die konkreten Verhandlungen über gegenseitige Zollsenkungen und generelle Prinzipien im Zusammenhang mit tarifären Verpflichtungen zunächst gesondert von dem Statut für eine Internationale Handelsorganisation geführt werden sollten. Diese Verhandlungen führten schließlich am 30. Oktober 1947 in Genf zur Unterzeichnung des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (General Agreement on Tariffs and Trade, GATT) durch 23 Staaten.7 Da die Zukunft des Abkommens zur Gründung einer Internationalen Handelsorganisation zu diesem Zeitpunkt weiter ungewiss war und insbesondere das US-amerikanische Zollsenkungsangebot aufgrund der Bestimmungen des US-Handelsgesetzes Ende 1947 auslief, wurde dem GATT-1947 ein zweiseitiges Protokoll über die vorläufige Anwendung (Protocol of Jackson, The World Trading System, 1997, S. 36. Göttsche, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 4 Rn. 36. 5 Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 14; Beise, Die Welthandelsorganisation, 2001, S. 37. 6 Beise, Die Welthandelsorganisation, 2001, S. 36 ff.; Göttsche, in: Hilf / Oeter, WTORecht, 2005, § 4 Rn. 38; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 94. 7 Australien, Belgien, Brasilien, Burma, Ceylon, Chile, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Kanada, Kuba, Libanon, Luxemburg, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Pakistan, Rhodesien, Südafrikanische Union, Syrien, Tschecheslowakei, USA. 3 4
I. Die Entstehung der Welthandelsorganisation (WTO)
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Provisional Application, PPA) beigefügt. Auf diese Weise sollten die vereinbarten Zollsenkungen und allgemeinen tarifären Prinzipien bis zum Abschluss des gesamten ITO-Abkommens verbindlich gemacht werden, ohne dass es insoweit einer Ratifikation des Abkommens durch die nationalen Parlamente bedurfte. Das Protokoll sah ein vereinfachtes Verfahren zur Kündigung vor und stellte die Regelungen des Teil II des GATT-1947 – und damit insbesondere das Prinzip der Inländergleichbehandlung – unter den Vorbehalt, dass bei Inkrafttreten des GATT-1947 bereits bestehende abweichende nationale Regelungen unberührt bleiben (so genannte „grandfather rights“).8 Da es – wie gezeigt – zu einem Inkrafttreten der Havanna-Charta und damit zur Gründung der ITO jedoch nicht kam und auch die übrigen Versuche, eine endgültige Annahme des GATT-1947 zu erreichen, keinen Erfolg hatten, blieb es bis zur Gründung der Welthandelsorganisation und damit bis Ende 1994 bei der auf dieses provisorische Protokoll gestützten vorläufigen Anwendung der Regelungen des GATT-1947.9 Obwohl in Art. 25 WVK eine vorläufige Anwendung völkerrechtlicher Verträge durchaus vorgesehen ist, wurde die völkerrechtliche Verbindlichkeit des GATT-1947 aufgrund dieses provisorischen Status je nach politischer Opportunität wiederholt – insbesondere auch von US-amerikanischer Seite – in Frage gestellt.10 Ungeachtet dieses Geburtsfehlers entwickelte das GATT-1947 eine ungeheure Dynamik und war von großer Bedeutung für die Entwicklung des Welthandels nach dem Zweiten Weltkrieg. Zum einen erweiterte das GATT-1947 durch den Beitritt zahlreicher weiterer Staaten seinen räumlichen Geltungsbereich in großem Umfang. Zum anderen wurden in – einschließlich der Gründungskonferenz in Genf 1947 – sieben Welthandelsrunden11 erhebliche Zollsenkungen für gewerbliche Waren sowie auch der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse vereinbart.12
2. Die Uruguay-Runde zur Gründung der Welthandelsorganisation Trotz dieser Erfolgsgeschichte des GATT-1947 setzte sich in den 80er Jahren die Überzeugung durch, dass das Welthandelssystem einer grundlegenden Reform bedurfte. Die Regelungen des GATT-1947 wurden den Gegebenheiten des Welthan8 Vgl. dazu: Neugärtner, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 5 Rn. 4 ff.; Beise, Die Welthandelsorganisation, 2001, S. 36 ff.; Jackson, The World Trading System, 1997, S. 35 ff. 9 Jackson, The World Trading System, 1997, S. 41. 10 Jackson, The World Trade Organization, 1998, S. 36 f.; allgemein zur vorläufigen Anwendbarkeit völkerrechtlicher Verträge: Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, 2004, § 10 Rn. 30. 11 Diese fanden 1947 in Genf, 1949 in Annecy, 1950 / 51 in Torquay und 1955 / 56, 1961 / 62 (Dillon-Runde), 1964 – 67 (Kennedy-Runde) sowie 1973 – 79 (Tokio-Runde) jeweils wieder in Genf statt. 12 Neugärtner, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 5 Rn. 21 ff.
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
dels, insbesondere der wachsenden Bedeutung des Dienstleistungshandels, nicht mehr gerecht. Darüber hinaus wurden sie in ihrem allgemeinem Geltungsanspruch vielfach durch abweichende ausdrückliche und auch stillschweigende Übereinkünfte zwischen einzelnen Mitgliedstaaten überlagert. Auch das auf Konsens angewiesene Streitbeilegungssystem des GATT-1947 erwies sich in Zeiten einer verstärkten Rückkehr der Nationalstaaten zu protektionistischen Maßnahmen als nicht ausreichend effektiv.13 Auf nachdrückliches Drängen vor allem der Vereinigten Staaten wurde daher am 20. September 1986 durch die Ministererklärung von Punta del Este, Uruguay14 die achte Welthandelsrunde, die so genannte UruguayRunde, mit einer umfassenden und ambitionierten Verhandlungsagenda eröffnet. Die Ministererklärung von Punta del Este bestand aus zwei Teilen. Teil I der Erklärung bezog sich auf die Verhandlungen über den Warenhandel und stellte als wesentliche Ziele (1) die weitere Liberalisierung, (2) die Festigung des GATT, (3) die Anpassung des GATT-Systems an die sich wandelnde Weltwirtschaft und (4) die Stärkung konvergierender Maßnahmen der nationalen und internationalen Zusammenarbeit voran. Nach Teil II der Ministererklärung sollte in der UruguayRunde erstmals auch der Dienstleistungsverkehr Gegenstand der Verhandlungen sein, mit dem Ziel, den internationalen Handel auch in diesem Bereich durch einen multilateralen Regelungsrahmen zu liberalisieren und transparenter zu machen. Diese Zweiteilung der Ministererklärung hat ihren Niederschlag auch in den Verhandlungen der Uruguay-Runde gefunden. Unter der Gesamtverantwortung des zur Durchführung der Handelsrunde ermächtigten Ausschuss für Handelsverhandlungen (Trade Negotiations Committee, TNC) wurden je eine Verhandlungsgruppe für Waren (Group of Negotiations on Goods, GNG) und für Dienstleistungen (Group of Negotiations on Services, GNS) gebildet. Diese Verhandlungsgruppen koordinierten jeweils die verschiedenen Arbeitsgruppen zu den durch die Teile I und II der Ministererklärung vorgegebenen Verhandlungsthemen. Die Zweiteilung der Ministererklärung und damit der Verhandlungen wurde insbesondere von den Entwicklungsländern durchgesetzt, die einer Liberalisierung des Dienstleistungshandels zunächst äußerst skeptisch gegenüberstanden und eine institutionelle Verknüpfung mit den Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Warenhandels vermeiden wollten.15 Der ursprünglich für die Verhandlungen angestrebte Zeitrahmen von lediglich vier Jahren konnte aufgrund der Vielzahl der zu behandelnden Sachfragen und auszugleichenden Interessengegensätze nicht eingehalten werden. Insbesondere der Disput zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den USA über Fragen der Liberalisierung des Agrarsektors machte umfangreiche Sonderverhandlungen erforderlich. Die Verhandlungen konnten daher erst mit der Paraphierung der 13 Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 17; vgl. auch: Beise, Die Welthandelsorganisation, 2001, S. 63 f.; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 101. 14 GATT, Ministerial Declaration on the Uruguay-Round, MIN.DEC, 20. September 1986. 15 Footer, 29 The International Lawyer 1995, 453, 459 f.
II. Das GATT / WTO-System
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Schlussakte der Uruguay-Runde am 15. Dezember 1993 und der feierlichen Unterzeichnung am 15. April 1994 durch die inzwischen 125 Verhandlungsparteien in Marrakesch erfolgreich abgeschlossen werden.16 Aufgrund der zwischen der Europäischen Kommission einerseits und den Mitgliedstaaten andererseits bestehenden Uneinigkeit über die Zuständigkeit zum Abschluss des Übereinkommens wurde die Schlussakte sowohl von der Europäischen Gemeinschaft als auch von den EGMitgliedstaaten unterzeichnet. Der EuGH hat die Kompetenzfrage nachträglich dahingehend entschieden, dass eine Alleinzuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft zum Abschluss des WTO-Übereinkommens nicht bestanden hat. Der Gerichtshof ging vielmehr davon aus, dass in den durch GATS und TRIPS geregelten Bereichen der Dienstleistungen und des geistigen Eigentums die Mitgliedstaaten bis zu einer Kompetenzwahrnehmung durch die EG konkurrierend zuständig bleiben.17 Kernstück der Schlussakte der Uruguay-Runde18 ist das WTO-Übereinkommen, das sämtliche im Rahmen der Uruguay-Runde verhandelten Übereinkommen unter dem Dach der nach Art. I neu gegründeten Welthandelsorganisation zusammenfasst. Nach der Ratifikation der Schlussakte durch 76 Mitglieder – darunter die USA, die Europäische Gemeinschaft sowie die EG-Mitgliedstaaten – ist das WTOAbkommen zum 1. Januar 1995 in Kraft getreten. Damit wurde das den internationalen Warenhandel betreffende – und bis zuletzt nur „vorläufig“ anwendbare – GATT-1947 samt der dazu ergangenen Zusatzabkommen in den institutionellen Rahmen einer internationalen Organisation überführt und materiell vor allem durch das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS), betreffend den internationalen Handel mit Dienstleistungen, und das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS), betreffend den Schutz geistigen Eigentums, ergänzt.
II. Das GATT / WTO-System Die in Marrakesch unterzeichnete Schlussakte der Uruguay-Runde hat einen Umfang von gut 500 Seiten. Hinzu kommen weitere rund 26.000 Seiten Text, die die Zollzugeständnisse und Konzessionslisten der Mitglieder enthalten und eben16 Behrens, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 6 Rn. 6 ff.; eingehend zum Verhandlungsverlauf: Croome, Reshaping the World Trading System, 1999, S. 29 ff.; Beise, Die Welthandelsorganisation, 2001, S. 63 ff.; May, Die Uruguay-Runde, 1994, S. 23 ff. 17 EuGH, Gutachten 1 / 94 – WTO-Gutachten – Slg. 1994, I-5267 ff.; dazu: Hilf, 6 European Journal of International Law 1995, 245 ff. 18 World Trade Organization (WTO), Final Act Embodying the Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, (Marrakesh, 1994); abgedruckt in: 33 International Legal Materials 1994, 1140 ff.
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
falls einen integralen Bestandteil dieses Übereinkommens bilden. Da dessen Aufbau darüber hinaus nicht eben übersichtlich ist, soll zunächst ein kurzer Überblick über die Systematik dieses komplexen Vertragswerkes gegeben werden. 1. Das WTO-Übereinkommen Die Schlussakte enthält nach einer kurzen einseitigen Präambel zunächst das eigentliche WTO-Übereinkommen zur Gründung der Welthandelsorganisation. Die Vorschriften dieses lediglich 16 Artikel umfassenden Übereinkommens beschränken sich im Wesentlichen auf die Regelung der institutionellen Verfasstheit der nach Art. VIII:1 ausdrücklich mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Welthandelsorganisation und auf Bestimmungen, die die Mitgliedschaft in dieser internationalen Organisation betreffen. Seine umfassende Bedeutung erhält das WTOÜbereinkommen erst durch die vier Anhänge, mit denen die 46 Einzelübereinkommen und 25 Entschließungen der Uruguay-Runde zu einem einheitlichen Abkommen zusammengefasst werden. Nach Art. II:2 WTO-Übereinkommen bilden die in den Anhängen 1 bis 3 enthaltenen multilateralen Handelsübereinkommen einen integralen Bestandteil des WTO-Abkommens und entfalten Bindungswirkung gegenüber allen Mitgliedstaaten. Dieser so genannte „single-package-approach“ stellt eine der wichtigsten Neuerungen der Uruguay-Runde dar, mit der die Zersplitterung der Rechtsordnung unter dem alten GATT-1947 beendet werden sollte. Anders als unter dem GATT-1947 konnten die in den Anhängen 1 bis 3 enthaltenen Abkommen nur insgesamt angenommen oder abgelehnt werden. Damit konnte die Einheitlichkeit und Effizienz der WTO-Rechtsordnung entscheidend gestärkt werden.19 Die in Anhang 4 enthaltenen plurilateralen Handelsübereinkommen sind nach Art. II:3 WTO-Übereinkommen hingegen weiterhin nur für die Mitglieder verbindlich, die ihnen gesondert zugestimmt haben. Soweit die Bindungswirkung der plurilateralen Handelsübereinkommen reicht, sind aber auch diese nach Art. II:3 Bestandteil des WTO-Übereinkommens. 2. Die drei materiellrechtlichen Säulen des WTO-Systems – Anhang 1 Die multilateralen, also für alle Mitglieder verbindlichen, materiellen Regelungen des Welthandelsrechts finden sich in Anhang 1 des WTO-Übereinkommens. Dieser ist wiederum in drei Teile gegliedert, die auch als die drei Säulen des WTOSystems bezeichnet werden.20 19 Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 18; Jackson, The World Trade Organization, 1998, S. 38 f. 20 Behrens, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, Rn. 17.
II. Das GATT / WTO-System
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a) Die multilateralen Übereinkommen zum Warenhandel – Anhang 1A Anhang 1A enthält als erste Säule des WTO-Systems die Multilateralen Übereinkommen zum Warenhandel. Das wichtigste Übereinkommen stellt insoweit das Allgemeine Zoll- und Handelsabkommen 1994 (General Agreement on Tariffs and Trade 1994, GATT-1994) dar. Dabei handelt es sich nicht um ein einheitliches Dokument, sondern um mehrere Rechtsakte, die durch die Introductory Note zum GATT-1994 verklammert werden. Kern des GATT-1994 ist danach das durch Ziff. 2 der Introductory Note nur unwesentlich modifizierte GATT-1947 in der Form, die es vor Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens erhalten hat (Ziff. 1.a) Introductory Note). Ebenfalls in das GATT-1994 überführt werden die Protokolle und Listen zu den Zollzugeständnissen, die Beitrittsprotokolle, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des WTO-Übereinkommens noch wirksamen Ausnahmegenehmigungen sowie die sonstigen Entscheidungen der Vertragsparteien des GATT-1947 (Ziff. 1.b) Introductory Note). Die im Rahmen des GATT-1947 getroffenen Vereinbarungen behalten dabei im GATT-1994 den Status, den sie im GATT-1947 hatten, mit Ausnahme der Bestimmungen des Protocol on Provisional Application, die ersatzlos entfallen sind (Ziff. 1.b)ii) Introductory Note).21 Teil des GATT-1994 sind weiter sechs Interpretationsvereinbarungen, die sich auf einzelne GATT-Artikel beziehen und sich diesen direkt zuordnen lassen (Ziff. 1.c) Introductory Note) sowie das Marrakesh-Protocol, das als Annex die in der Uruguay-Runde ausgehandelten Listen der Zollzugeständnisse enthält (Ziff. 1.d) Introductory Note). Ebenfalls Teil des den Warenhandel betreffenden Anhangs 1A sind zwölf weitere spezielle Handelsübereinkommen, welche das GATT-1994 interpretieren, modifzieren und ergänzen. Einige dieser Abkommen beziehen sich speziell auf den Handel mit bestimmten Waren, wie beispielsweise das Übereinkommen über die Landwirtschaft (Agreement on Agriculture, AoA) und das Übereinkommen über Textilwaren und Bekleidung (Agreement on Textiles and Clothing, ATC). Andere beziehen sich hingegen sektorenübergreifend auf bestimmte Arten von Maßnahmen, die für den internationalen Warenhandel von Bedeutung sind, wie insbesondere das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (Agreement on Subsidies and Countervailing Measures, SCM). Nach der dem Anhang 1A vorangestellten Allgemeinen Auslegungsregel zu Anhang 1A sind die Regelungen dieser den Warenhandel betreffenden speziellen Zusatzübereinkommen im Falle eines Konflikts mit Regelungen des GATT-1994 vorrangig.22 Grundlegende Bedeutung für die Liberalisierung des Warenhandels im Rahmen der WTO kommt dabei zunächst dem im GATT-1994 verwirklichten Prinzip der Tarifierung der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen zu. Nach Art. XI:1 GATT-1994 Vgl. dazu: Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 110. Eingehend zum Verhältnis des GATT-1994 zu den weiteren Übereinkommen in Anhang 1A: Montaguti / Lugard, 3 Journal of International Economic Law 2000, 473 ff. 21 22
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
sind mengenmäßige Beschränkungen grundsätzlich unzulässig, so dass die nach Art. II:1(b) GATT-1994 an die während der Uruguay-Runde ausgehandelten Zollzugeständnisse gebundenen Zölle im Grundsatz die allein zulässigen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen darstellen. Ergänzt wird dieses Prinzip der Tarifierung der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen insbesondere durch den Grundsatz der Nichtdiskriminierung, dessen zwei Ausprägungen in Art. I GATT-1994 – Meistbegünstigung – und Art. III GATT-1994 – Inländerbehandlung – niedergelegt sind. Danach ist es den WTO-Mitgliedern grundsätzlich untersagt, Waren aus einem anderen WTO-Mitglied weniger günstig zu behandeln als Waren aus einem beliebigen Drittstaat oder inländische Waren. Erhebliche Bedeutung kommt daneben insbesondere den materiellen subventionsrechtlichen Regelungen des SCM zu.
b) Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen – Anhang 1B Anhang 1B enthält das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS). Dieses umfasst zunächst den operativen Text des GATS, der in sechs Teilen und 32 Artikeln die Rahmenvorschriften zur Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels enthält. Beigefügt sind dem GATS insgesamt acht Anlagen. Diese Anlagen enthalten allgemeine ergänzende Bestimmungen zur Anwendung einzelner Regelungen des GATS (Anlage zu Ausnahmen von Artikel II und Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, die im Rahmen des Übereinkommens Dienstleistungen erbringen) beziehungsweise Sonderregeln für bestimmte besonders umstrittene Dienstleistungssektoren (Anlage zu Luftverkehrsdienstleistungen, Anlage zu Finanzdienstleistungen, Zweite Anlage zu Finanzdienstleistungen, Anlage zu Verhandlungen über Seeverkehrsdienstleistungen, Anlage zur Telekommunikation, Anlage zu Verhandlungen über Basistelekommunikation). Die Anlagen sind nach Art. XXIX GATS wesentliche Bestandteile des GATS und dem Hauptteil damit gleichgeordnet. Darüber hinaus umfasst das GATS die nach Art. XX:3 GATS von jedem Mitglied zu erstellenden Konzessionslisten (Listen der verbindlichen Zugeständnisse), aus denen sich der gegenwärtig erreichte Stand der Handelsliberalisierung im Dienstleistungsbereich ergibt. Nach Art. XX:3 GATS sind auch diese Listen dem Übereinkommen als Anlagen beizufügen und bilden einen wesentlichen Bestandteil des GATS. Ergänzt werden die Vorschriften des GATS schließlich durch Ministerielle Entscheidungen zum Dienstleistungshandel und die Vereinbarung über Verpflichtungen bezüglich Finanzdienstleistungen, die ebenfalls Bestandteil der Schlussakte der Uruguay-Runde geworden sind. Dabei sind die Regelungen des GATS im Grundsatz weitgehend dem GATT1994 nachgebildet. Auch im Rahmen des GATS soll der Marktzugang durch ein
II. Das GATT / WTO-System
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grundsätzliches Verbot mengenmäßiger Beschränkungen nach Art. XVI GATS sichergestellt werden und kommt dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung – Meistbegünstigung nach Art. II GATS und Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS – entscheidende Bedeutung zu. Allerdings liegt dem GATS im Vergleich zum GATT-1994 insoweit ein einschränkendes Liberalisierungskonzept zugrunde. Die Grundsätze des Marktzugangs und der Inländerbehandlung gelten nicht allgemein für sämtliche Dienstleistungssektoren, sondern nur insoweit, als das jeweilige WTO-Mitglied in seiner Konzessionsliste entsprechende spezifische Verpflichtungen übernommen hat. Und das Prinzip der Meistbegünstigung gilt nur insoweit, als das jeweilige WTO-Mitglied nicht nach Art. II:2 GATS eine entsprechende Ausnahme angemeldet hat. Auch enthalten die subventionsrechtlichen Regeln in Art. XV GATS bisher noch keine materiellen Schranken für die Zulässigkeit von Subventionen im Bereich des Dienstleistungshandels.
c) Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums – Anhang 1C Mit dem in Anhang 1C enthaltenen Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (Agreement on Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights, TRIPS) wird der Schutz geistiger Eigentumsrechte im grenzüberschreitenden Handel als dritte Säule der WTO-Rechtsordnung etabliert. Detailliert wird der Schutz von Urheberrechten, Marken, geographischen Angaben, gewerblichen Mustern und Modellen, Patenten, Layout-Designs integrierter Schaltkreise und von Betriebsgeheimnissen und Know-how geregelt. Dabei stellt Art. 2:2 TRIPS klar, dass die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ) von 1883 und die Revidierte Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ) von 1886 als Vorgängerabkommen zum Schutz des geistigen Eigentums durch das TRIPS nicht außer Kraft gesetzt werden sollen. Vielmehr werden weite Teile dieser Abkommen mittels Verweisung über die Regelungen in Art. 2:1 beziehungsweise Art. 9:1 in das TRIPS inkorporiert und erhalten nunmehr Geltung für alle WTO-Mitglieder.23
3. Das Streitbeilegungsverfahren – Anhang 2 Den Anhang 2 bildet die nach Art. II:2 WTO-Übereinkommen für alle Mitglieder verbindliche Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten (Dispute Settlement Understanding, DSU). Damit sieht die Schlussakte der Uruguay-Runde erstmals ein integriertes und einheitliches obligatorisches 23 Vgl. einführend zum TRIPS: Michaelis / Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 24; Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 587 ff.; Stoll / Raible, in: Prieß / Berrisch, WTOHandbuch, 2003, B.III.
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
Streitbeilegungsverfahren vor, das nach Art. 1:1 DSU auf die Regelungen des WTO-Abkommens sowie die in den Anhängen 1 und 2 aufgelisteten multilateralen Handelsübereinkommen und bei entsprechender Vereinbarung auch auf die plurilateralen Handelsübereinkommen in Anhang 4 Anwendung findet. Diese Vereinheitlichung und Stärkung des Streitbeilegungsverfahrens gegenüber den unter dem GATT-1947 geltenden Regelungen wird als eine der bedeutendsten Errungenschaften der Uruguay-Runde angesehen und wurde von Generaldirektor Ruggiero im September 1996 als „Herzstück des WTO-Systems“ bezeichnet. 24 An dem an ein Konsultationsverfahren nach Art. 4 DSU anschließenden eigentlichen Streitbeilegungsverfahren sind drei Organe beteiligt. Verhandelt werden die Fälle vor den beiden quasigerichtlichen Organen der WTO, den jeweils ad hoc eingerichteten Panel (Art. 6 ff. DSU) und dem Appellate Body als ständigem Berufungsgremium (Art. 17 DSU). Diese fällen indes keine Urteile im technischen Sinne, sondern sprechen lediglich Empfehlungen aus, die von dem Dispute Settlement Body (DSB), das als übergeordnetes politisches Entscheidungsgremium nach Art. 6:1 DSU schon über die Einsetzung eines Panel zu beschließen hat, gem. Art. 16:4 DSU beziehungsweise Art. 17:14 DSU angenommen werden müssen. Nach diesen Vorschriften entscheidet das DSB in Abweichung von der Grundregel des Art. 2:4 DSU sowohl über die Einsetzung der Panel als auch über die Annahme der Empfehlungen der Panel beziehungsweise des Appelate Body nach dem Prinzip des negativen Konsenes; d. h. die Einsetzung eines Panel oder die Annahme des Berichts eines Panel oder des Appellate Body kann nur durch eine einstimmige Entscheidung des DSB verweigert werden. Ein solcher Fall ist bisher nicht vorgekommen und praktisch auch kaum vorstellbar. Denn das DSB ist nach Art. IV:3 WTO-Übereinkommen personell mit dem Allgemeinen Rat der WTO identisch, der sich nach Art. IV:2 WTO-Übereinkommen aus Vertretern aller Mitglieder, also auch der am jeweiligen Streitverfahren beteiligten Parteien zusammensetzt. Damit wurde de facto ein Automatismus geschaffen, der einen bedeutsamen Schritt zur weiteren Verrechtlichung des Streitbeilegungsverfahrens darstellt. Darüber hinaus enthält das DSU auch detaillierte Regelungen zu Umsetzung und Durchsetzung der vom DSB angenommenen Entscheidungen. Nach Art. 21:1 DSU ist das unterlegene Mitglied grundsätzlich zur unverzüglichen Umsetzung der vom DSB angenommenen Entscheidungen verpflichtet. Allerdings kann nach Art. 21:3 DSU ein angemessener, längerer Umsetzungszeitraum gewährt werden. Art. 22 DSU sieht für den Fall, dass es dem betreffenden Mitglied nicht gelingt, den WTO-rechtskonformen Zustand wiederherzustellen, die Möglichkeit vor, einvernehmlich Kompensationen festzulegen. Kommt es innerhalb von 20 Tagen nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht zu einer solchen einvernehmlichen Eini24 Zu einem Vergleich der Regelungen des DSU mit den Streitbeilegungsregeln des GATT-1947 vgl.: Read, Trade Dispute Settlement Mechanisms, in: Perdikis / Read, The WTO and the Regulation of International Trade, 2005, S. 29 ff.
II. Das GATT / WTO-System
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gung, ermächtigt das DSB nach Art. 22:2 S. 2 DSU auf Antrag die obsiegende Partei, einseitig vertragliche Zugeständnisse oder sonstige Pflichten nach Maßgabe der in Art. 22:3-8 DSU niedergelegten Grundsätze auszusetzen. Einen entsprechenden Antrag kann das DSB gemäß Art. 22:6 DSU nur im Wege des negativen Konsenses ablehnen. Insbesondere aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten der Verzögerung des Umsetzungsverfahrens hat sich dieses in der Praxis allerdings als gegenüber dem eigentlichen Streitbeilegungsverfahren weniger effektiv erwiesen.25
4. Der Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik – Anhang 3 Anhang 3 enthält die Regelungen betreffend den Mechanismus zur Überprüfung der Handelspolitik (Trade Policy Review Mechanism, TPRM). Danach führt die WTO auf regelmäßiger Basis eine Untersuchung der Handelspolitiken sämtlicher Mitglieder durch und nimmt dazu in Form eines Berichts Stellung. Dabei geht es weniger um die Prüfung der Einhaltung der welthandelsrechtlichen Regelungen durch die jeweiligen Mitglieder. Vielmehr sollen die grundsätzlichen Konsequenzen der Handelspolitik sowohl für den betreffenden Staat als auch für seine Handelspartner in den Blick genommen werden.26
5. Die plurilateralen Handelsübereinkommen – Anhang 4 In Anhang 4 waren bei Abschluss der Uruguay-Runde vier plurilaterale, also nur bei gesonderter Zustimmung verbindliche, Handelsübereinkommmen zusammengefasst. Davon sind gegenwärtig nur noch das Übereinkommen über den Handel mit Zivilluftfahrzeugen (Agreement on Trade in Civil Aircraft, TCA) und das Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Agreement on Government Procurement, GPA) in Kraft. Die optionale Geltung der in Anhang 4 enthaltenen plurilateralen Handelsübereinkommen stellt zwar eine Einschränkung der mit dem „single-package-approach“ der Uruguay-Runde angestrebten Einheitlichkeit der WTO-Rechtsordnung dar. Allerdings betreffen die gegenwärtig geltenden Übereinkommen des Anhangs 4 Sachbereiche, die ohnehin nicht für sämtliche Mitglieder von gleichermaßen großer Bedeutung sind. Darüber hinaus wird durch die Möglichkeit der Integration auch weiterer Abkommen mit beschränktem Geltungsbereich das WTO25 Vgl. insgesamt: Hilf, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 27; Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 416 ff.; Ohlhoff, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, C.I.2. 26 Das TPRM wurde ursprünglich 1989 im Rahmen des GATT-1947 geschaffen; vgl.: GATT, Functioning of the GATT System. Decisions of 12 April 1989, L / 6490, vom 13. April 1989.
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
System mit einem gewissen Maß an Flexibilität ausgestattet, das für seine Weiterentwicklung von entscheidender Bedeutung sein kann.27
III. Die Welthandelsorganisation als institutioneller Rahmen einer fortschreitenden Handelsliberalisierung 1. Fortschreitende Handelsliberalisierung als Ziel der Welthandelsorganisation Nach Erwägungsgrund 1 der Präambel des WTO-Übereinkommens liegt der Gründung der Welthandelsorganisation die Überzeugung ihrer Mitglieder zugrunde, „dass ihre Handels- und Wirtschaftsbeziehungen auf die Erhöhung des Lebensstandards, auf die Sicherung der Vollbeschäftigung und eines hohen und ständig steigenden Umfangs des Realeinkommens und der wirksamen Nachfrage sowie auf die Ausweitung der Produktion und des Handels mit Waren und Dienstleistungen gerichtet sind, gleichzeitig aber die optimale Nutzung der Hilfsquellen der Welt im Einklang mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung gestatten sollen, in dem Bestreben, den Schutz und die Erhaltung der Umwelt und gleichzeitig die Steigerung der dafür erforderlichen Mittel zu erreichen, und zwar in einer Weise, die mit den ihrem jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklungsstand entsprechenden Bedürfnissen und Anliegen vereinbar ist“.
Diese Zielbestimmung der Welthandelsorganisation stellt auf einen mehrdimensional verstandenen Begriff einer nachhaltigen Wohlstandssteigerung in den Mitgliedstaaten ab, der neben der Förderung des globalen Wirtschaftswachstums auch soziale und umweltweltpolitische Belange umfasst. Dieser mehrdimensionale Ansatz des WTO-Übereinkommens wird auch in Erwägungsgrund 2 der Präambel deutlich, der ausdrücklich die Notwendigkeit der Berücksichtigung der besonderen Belange der Entwicklungsländer anerkennt. Nach Erwägungsgrund 3 der Präambel streben die Mitglieder an, „zur Verwirklichung dieser Ziele durch den Abschluss von Übereinkünften beizutragen, die auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen auf einen wesentlichen Abbau der Zölle und anderer Handelsschranken sowie auf die Beseitigung der Diskriminierung in den internationalen Handelsbeziehungen abzielen“.
Diese Formulierung wurde wortgleich dem Erwägungsgrund 3 der Präambel des GATT-1947 entnommen, das in der Uruguay-Runde in leicht modifizierter Form als GATT-1994 in das WTO-Übereinkommen integriert wurde. Ein ähnliches Bekenntnis zum Grundsatz einer fortschreitenden Handelsliberalisierung findet sich auch in Erwägungsgrund 3 der Präambel des Dienstleistungsabkommens GATS.
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Jackson, The World Trade Organization, 1998, S. 40.
III. Welthandelsorganisation als Rahmen einer Handelsliberalisierung
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Damit bekennt sich das WTO-Übereinkommen einschließlich der zugehörigen Einzelabkommen grundsätzlich zu dem Ansatz der klassischen Freihandelstheorie, wonach ein möglichst unbehinderter Handel zwischen den Staaten allen beteiligten Volkswirtschaften nützt, auch wenn diese unterschiedlich leistungsfähig und unterschiedlich entwickelt sind. Kern dieser klassischen Freihandelstheorie ist die von David Ricardo Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte Theorie der komparativen Kostenvorteile. Danach führt die durch einen ungehinderten Freihandel zwischen den Staaten ermöglichte internationale Arbeitsteilung durch eine international optimierte Ressourcenallokation zu einer allgemeinen Produktivitätssteigerung und damit zu Wohlfahrtsgewinnen in sämtlichen beteiligten Volkswirtschaften. Diesen Gedanken des mit einer internationalen Arbeitsteilung einhergehenden allseitigen Wohlfahrtsgewinns hatte Ende des 18. Jahrhunderts bereits Adam Smith anhand der Theorie der absoluten Kostenvorteile modellhaft belegt. Das Modell von Smith beruhte auf der Annahme, dass zwei unterschiedliche Produkte jeweils von unterschiedlichen Ländern am effizientesten produziert werden können. Beschränken sich in dieser Situation beide Länder auf die Produktion des Produktes, das sie jeweils am effizientesten produzieren können, führt dies bei gleichem Ressourceneinsatz gegenüber der Produktion beider Produkte durch beide Länder für den jeweiligen nationalen Markt zu einer insgesamt höheren Güterproduktion und damit zu einem Wohlfahrtsgewinn für beide Länder. Ricardo hat diese Theorie entscheidend erweitert durch den Nachweis, dass eine internationale Arbeitsteilung auch dann mit Wohlfahrtsgewinnen verbunden ist, wenn eines der beiden Länder beide Produkte effizienter produzieren kann als das andere Land. Denn die gesamte Güterproduktion beider Länder kann auch dadurch gesteigert werden, dass sich das effizientere Land auf das Produkt spezialisiert, bei dessen Produktion sein Effizienzvorsprung am größten ist und das andere Land die Produktion des Produktes übernimmt, bei dem ein geringerer Effizienzunterschied besteht, bei dem es also komparativ – im Vergleich zum anderen Produkt – einen Kostenvorteil hat.28 Es ist offensichtlich, dass das Theorem von Ricardo eine stark simplifizierende Modellannahme darstellt. Dennoch handelt es sich – ungeachtet zahlreicher Ausdifferenzierungen durch die moderne neoklassische Handelstheorie –29 um den weiterhin maßgeblichen Erklärungsansatz zur Funktion des Welthandels, der auch der Konzeption des WTO-Übereinkommens einschließlich der zugehörigen Einzelabkommen zugrundeliegt.30
28 Einführend zu diesen Grundlagen der klassischen Freihandelstheorie: Göttsche, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 4 Rn. 10 ff. m.w. N.; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 20 f. 29 Vgl. dazu: Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 22 f. 30 Tietje, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, Rn. 8; vgl. auch: Jackson, The World Trading System, 1997, S. 11 ff.; differenzierend: Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 59 ff.
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
2. Der institutionelle Rahmen der fortschreitenden Handelsliberalisierung Der Gedanke der fortschreitenden Handelsliberalisierung stellt aber nicht nur eine in der Präambel des WTO-Übereinkommens und den zugehörigen Einzelübereinkommen niedergelegte Zielvorgabe des Welthandelsrechts dar. Vielmehr wurde dieser Grundsatz durch zahlreiche welthandelsrechtliche Bestimmungen weiter konkretisiert und institutionell verankert. Die Entscheidung, ob und in welchem Rahmen Verhandlungen über eine weitergehende Handelsliberalisierung aufgenommen werden, liegt nach Art. III:2 S. 2, IV:1 und X WTO-Übereinkommen grundsätzlich bei der WTO-Ministerkonferenz als politischem Leitorgan der Welthandelsorganisation. Allerdings haben die WTO-Mitglieder die Gegenstände zukünftiger Verhandlungen teilweise bereits in den Vertragstexten ausdrücklich vorgezeichnet. Von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der Handelsliberalisierung im Bereich des Warenhandels ist insoweit die Regelung des Art. XVIIIbis GATT-1994. Danach sind die WTO-Mitglieder aufgefordert, von Zeit zu Zeit über die weitere Absenkung tarifärer Belastungen des grenzüberschreitenden Warenhandels zu verhandeln. Ein verbindlicher Zeitrahmen für künftige Verhandlungen ist den Vertragsparteien insoweit zwar nicht vorgegeben. Dennoch konnten unter Geltung des GATT-1947 auf Grundlage dieser Vorschrift im Rahmen von – einschließlich der Gründungskonferenz von Genf 1947 sowie der Uruguay-Runde zur Gründung der Welthandelsorganisation – insgesamt acht Welthandelsrunden erhebliche Zollsenkungen für gewerbliche Waren sowie auch der Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse vereinbart werden. Daneben finden sich weitergehend die als „built in agenda“ bezeichneten Regelungen, die den WTO-Organen den Zeitplan für die Aufnahme von Verhandlungen über bestimmte Gegenstände verbindlich vorgeben. Derartige Vorschriften finden sich insbesondere im Bereich des Agrar- und Dienstleistungshandels. In Art. 20 AoA hatten sich die WTO-Mitglieder verpflichtet, spätestens zum 1. Januar 2000 in Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Handels mit Landwirtschaftsprodukten einzutreten. Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. XIX GATS, wonach die WTO-Mitglieder verpflichtet sind, spätestens fünf Jahre nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens – und danach in regelmäßigen Abständen – in Verhandlungen einzutreten, um schrittweise einen höheren Stand der Liberalisierung des Dienstleistungshandels zu erreichen. Diese Verhandlungen sind also grundsätzlich auf die Übernahme weiterer spezifischer Verpflichtungen nach Art. XX GATS, d. h. auf eine Ausweitung des sektoriellen Anwendungsbereichs der als spezifische Verpflichtungen ausgestalteten Prinzipien des Marktzugangs nach Art. XVI GATS und der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS gerichtet. Für die Verhandlungen über die von den WTO-Mitgliedern im Rahmen der Uruguay-Runde angemeldeten Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung ist ein solcher ausdrücklicher Zeitrahmen nicht vor-
III. Welthandelsorganisation als Rahmen einer Handelsliberalisierung
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gegeben. Ziff. 6 der Anlage zu Ausnahmen von Artikel II stellt aber klar, dass die Ausnahmen auf jeden Fall Gegenstand von Verhandlungen im Rahmen späterer Liberalisierungsrunden sind. Darüber hinaus enthält das Dienstleistungsabkommen GATS einige Vorschriften, mit denen den WTO-Mitgliedern die Weiterentwicklung bestimmter materiellrechtlicher Regelungen betreffend den Dienstleistungshandel aufgegeben wird. So verpflichtet insbesondere Art. XV:1 GATS die WTO-Mitglieder, Verhandlungen über die Entwicklung materieller subventionsrechtlicher Vorschriften für den Dienstleistungsbereich aufzunehmen, um handelsverzerrende Auswirkungen solcher Subventionen auf den internationalen Dienstleistungshandel zu vermeiden.
3. Die Verhandlungen der Doha-Runde Trotz dieser eindeutigen Vorgaben zugunsten einer fortschreitenden Handelsliberalisierung, konnten sich die WTO-Mitglieder seit Gründung der Welthandelsorganisation zum 1. Januar 1995 bisher nicht auf eine weitere Liberalisierung des Welthandels verständigen. Die im Jahr 2001 nach einigen Schwierigkeiten begonnenen Verhandlungen der Doha-Runde wurden aufgrund der gegenwärtig unüberbrückbar erscheinenden Interessengegensätze insbesondere der Entwicklungsländer einerseits und der westlichen Industrienationen andererseits auf Empfehlung von Generaldirektor Pascal Lamy auf der Sitzung des Allgemeinen Rats vom 27. / 28. Juli 2006 sogar zwischenzeitlich ausgesetzt. Hintergründe und Inhalt der Verhandlungen der Doha-Runde sollen im Folgenden kurz dargestellt werden. Entsprechend der zeitlichen Vorgaben der „built in agenda“ in Art. 20 AoA und Art. XIX GATS sollte die erste umfassende Welthandelsrunde nach Gründung der Welthandelsorganisation zum 1. Januar 1995 ursprünglich bereits auf der dritten WTO-Ministerkonferenz 1999 in Seattle eingeleitet werden. Begleitet von wütenden Protesten von 35.000 – teilweise gewalttätigen – Globalisierungsgegnern konnte in Seattle allerdings kein Konsens über ein Verhandlungsprogramm erzielt werden. Dabei wurde insbesondere ein grundsätzlicher Interessengegensatz zwischen den Entwicklungsländern einerseits und den westlichen Industrienationen andererseits deutlich. Die Entwicklungsländer sehen sich von der bisherigen Entwicklung des Welthandels weitgehend ausgeschlossen und fordern daher eine allgemeine Entwicklungsdimension der WTO. Neben einer Ausweitung der unter dem GATT-1947 üblichen Sonderbehandlung der Entwicklungsländer fordern sie insbesondere einen Abbau der Agrarsubventionen durch die Europäische Union und die USA sowie einen verbesserten Marktzugang in den Bereichen Landwirtschaft und Textilien. Die USA und die Europäische Union sind demgegenüber nur sehr begrenzt zu einer Einschränkung ihrer Subventionspraxis im Agrarbereich sowie zu einer Ausweitung des Marktzugangs in den Bereichen Landwirtschaft und Textilien bereit. Stattdessen streben sie vor allem einen weiteren Abbau traditioneller Handelshemmnisse im Bereich nichtlandwirtschaftlicher Produkte auch durch
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
die Entwicklungsländer sowie die Einführung von Sozial- und Umweltstandards im Rahmen des WTO-Rechts an.31 Aufgrund unzureichender Vorbereitung und mangelnder Kompromissbereitschaft der WTO-Mitglieder konnte dieser Interessengegensatz in Seattle nicht überbrückt werden und die Konferenz endete ohne Verabschiedung einer Ministererklärung. Einen Monat nach Scheitern der Konferenz von Seattle stellte der Allgemeine Rat der WTO daher lediglich die Verpflichtung zu Verhandlungen über den Agrarsektor und über Dienstleistungen aufgrund der insoweit verbindlichen Vorgaben der „built-in agenda“ nach Art. 20 AoA und Art. XIX GATS fest.32 Ein umfassendes Verhandlungsprogramm, das auch die bis dahin faktisch kaum begonnenen Verhandlungen über den Agrarsektor und über Dienstleistungen integrierte, konnte aber zwei Jahre später auf der vierten WTO-Ministerkonferenz 2001 in Doha beschlossen werden. Den Forderungen der Entwicklungsländer wurde dabei dadurch Rechnung getragen, dass die USA und die Europäische Union auf ihre bisherige Forderung, soziale Fragen – wie insbesondere die Integration arbeitsrechtlicher Normen in das WTO-Recht – in der Verhandlungsrunde zu behandeln, verzichteten33 und die Interessen und Belange der Entwicklungsländer insgesamt in den Vordergrund der Verhandlungsagenda gestellt wurden. In der Präambel der Doha-Ministererklärung heißt es dazu: „The majority of WTO Members are developing countries. We seek to place their needs and interests at the heart of the Work Programme adopted in this Declaration. Recalling the Preamble to the Marrakesh Agreement we shall continue to make positive efforts designed to ensure that developing countries, and especially the least-developed among them, secure a share in the growth of world trade commensurate with the needs of their economic development. In this context, enhanced market access, balanced rules, and well targeted, sustainably financed technical assistance and capacity-building programmes have important roles to play.“34
Trotz dieses entwicklungspolitischen Schwerpunkts sieht die Doha-Ministererklärung aber ein allgemeines und umfassendes Verhandlungsprogramm für eine weitere Liberalisierung des Welthandels vor. Zentrale Bedeutung kommt dabei den Verhandlungsthemen Landwirtschaft35 und Marktzugang für nichtlandwirtschaftliche Produkte36 zu. Daneben sieht die Ministererklärung Verhandlungen zu zahlreichen weiteren Einzelthemen aus sämtlichen Bereichen des Welthandelsrechts vor.37 Hinsichtlich der weiteren Liberalisierung des Dienstleistungshandels sieht Vgl. dazu: Hörmann, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 36 Rn. 7. Vgl. zur Konferenz von Seattle: Hörmann, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 36 Rn. 11 ff. 33 Hörmann, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 36 Rn. 26. 34 WTO, Ministerial Declaration vom 14. November 2001, WT / MIN(01) / DEC / 1, Rn. 2. 35 WTO, Ministerial Declaration vom 14. November 2001, WT / MIN(01) / DEC / 1, Rn. 13 f. 36 WTO, Ministerial Declaration vom 14. November 2001, WT / MIN(01) / DEC / 1, Rn. 16. 37 Einen Überblick gibt: Hörmann, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 36 Rn. 27 ff. 31 32
III. Welthandelsorganisation als Rahmen einer Handelsliberalisierung
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die Erklärung Verhandlungen zur Übernahme weiterer spezifischer Verpflichtungen nach Art. XIX GATS sowie über die Beseitigung bestehender Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Ziff. 6 des Anhang zu Art. II vor.38 Aus der auf der sechsten Ministerkonferenz 2005 in Hong Kong angenommenen Ministererklärung ergibt sich, dass darüber hinaus auch die ursprünglich unabhängig von der Doha-Runde begonnenen Verhandlungen über die Weiterentwicklung bestimmter materiellrechtlicher Regelungen betreffend den Dienstleistungshandel als Bestandteil der Doha-Verhandlungsrunde aufgefasst werden.39 Dies betrifft insbesondere die Verhandlungen nach Art. XV:1 GATS über die Entwicklung materieller subventionsrechtlicher Normen betreffend den Dienstleistungshandel. Schließlich sieht die Doha-Ministererklärung unter der Überschrift „WTO Rules“ auch Verhandlungen über eine Weiterentwicklung und Verbesserung der bestehenden Antidumping- und subventionsrechtlichen Regelungen betreffend den Warenhandel sowie der Regelungen für regionale Handelsübereinkommen vor.40 Nach der Doha-Ministererklärung sollten die Verhandlungen ursprünglich bis zum 1. Januar 2005 abgeschlossen sein.41 Schon früh zeigte sich aber, dass dieser Termin aufgrund der bestehenden Interessengegensätze in den Bereichen Landwirtschaft und Marktzugang für nichtlandwirtschaftliche Produkte kaum einzuhalten sein würde. Die Verhandlungen auf der fünften Ministerkonferenz in Cancún 2003 wurden aufgrund dieser Interessengegensätze letztlich ergebnislos abgebrochen.42 Einen gewissen Erfolg konnte der Allgemeine Rat mit der Verabschiedung des Doha Work Programme am 1. August 2004 erzielen.43 Dieses rechtlich unverbindliche Dokument konzentriert sich auf die wesentlichen Eckpunkte für die Bereiche Landwirtschaft, Industriegüter, Dienstleistungen, Entwicklung und Handelserleichterungen und sollte den WTO-Mitgliedern einen konkreten politischen Rahmen für die weiteren Verhandlungen setzen.44 Eine nochmalige Konkretisierung unter Setzung eines neuen Zeitrahmens erfuhr das Verhandlungsprogramm durch die auf der sechsten Ministerkonferenz in Hong Kong 2005 verabschiedete Ministererklärung. Der Abschluss der Verhandlungen wurde nunmehr für Ende 2006 vorgesehen.45 WTO, Ministerial Declaration vom 14. November 2001, WT / MIN(01) / DEC / 1, Rn. 15. WTO, Ministerial Declaration vom 18. Dezember 2005, WT / MIN(05) / DEC, Annex C Rn. 4 f. 40 WTO, Ministerial Declaration vom 14. November 2001, WT / MIN(01) / DEC / 1, Rn. 28 f. 41 WTO, Ministerial Declaration vom 14. November 2001, WT / MIN(01) / DEC / 1, Rn. 45. 42 WTO, Ministerial Statement vom 14. September 2003, WT / MIN(03) / 20; vgl. zum Verlauf der Ministerkonferenz in Cancún: Hörmann, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 36 Rn. 39 ff. 43 WTO, General Council, Doha Work Programme, angenommen am 1. August 2004, WT / L / 579. 44 Hörmann, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 36 Rn. 50. 45 WTO, Ministerial Declaration vom 18. Dezember 2005, WT / MIN(05) / DEC, Rn. 1. 38 39
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Im Juli 2006 wurde jedoch deutlich, dass aufgrund der weiter bestehenden Blockade bei den Verhandlungen über die Modalitäten in den Bereichen Landwirtschaft und Marktzugang für nichtlandwirtschaftliche Produkte auch dieser Zeitrahmen nicht einzuhalten ist. Auf Empfehlung von Generaldirektor Pascal Lamy setzte der Allgemeine Rat die Verhandlungen der Doha-Runde auf seiner Sitzung am 27. / 28. Juli 2006 daher zwischenzeitlich aus.46 Zwar wurden die Verhandlungen nach Bericht des Generaldirektors an den Allgemeinen Rat vom 7. Februar 2007 wieder aufgenommen.47 Ob die Doha-Runde jedoch tatsächlich erfolgreich zu Ende gebracht werden kann, erscheint weiter ungewiss.
IV. Die Diskussion um eine allgemeine kulturelle Ausnahme Im Bereich der audiovisuellen Medien ist die Diskussion um die Handelsliberalisierung trotz der dem WTO-Übereinkommen im Grundsatz zugrundeliegenden Überzeugung der wohlstandssteigernden Wirkung des Freihandels von gegensätzlichen Interessen der WTO-Mitglieder geprägt. Anders als etwa bei Fragen des Umweltschutzes und der Sozialstandards stehen sich hier aber nicht die westlichen Industrienationen einerseits und die Entwicklungsländer andererseits gegenüber, sondern verlaufen die Frontlinien der Diskussion quer durch den Block der westlichen Industriestaaten. Die USA, in denen die Film- und Fernsehindustrie nach der Luftfahrtindustrie die zweitstärkste Exportindustrie darstellt, drängen grundsätzlich auf einen möglichst uneingeschränkten internationalen Handel mit audiovisuellen Produkten. Die Staaten der Europäischen Union sowie Kanada sehen durch den umfangreichen Import audiovisueller Produkte aus den USA hingegen ihre nationale kulturelle Identität gefährdet und fordern daher eine Sonderbehandlung des kulturellen Sektors einschließlich und insbesondere der audiovisuellen Medien im Rahmen des Welthandelsrechts. Bereits das GATT-1947 sah mit Art. III:10, IV eine Sonderregelung für Spielzeitkontingente für Kinofilme vor, enthielt eine darüber hinaus gehende allgemeine kulturelle Ausnahme aber nicht (dazu 1.). Anlässlich der Auseinandersetzung über die mit der Fernsehrichtlinie eingeführte Quotenregelung für Fernsehprogramme versuchte die Europäische Gemeinschaft während der Uruguay-Runde im Rahmen des Dienstleistungsabkommens GATS Sonderregelungen für kulturelle Dienstleistungen durchzusetzen (dazu 2.). Im Anschluss wurde die Diskussion um eine kulturelle Ausnahme auf Betreiben insbesondere der Europäischen Gemeinschaft und Kanadas im Rahmen der UNESCO fortgesetzt und am 20. Oktober 2005 die „Con46 Vgl. die Mitteilung auf der Website der WTO unter: www.wto.org / english / news_e / news06_e / gc_27july06_e.htm. 47 Vgl. die Mitteilung auf der Website der WTO unter: www.wto.org / english / news_e / news07_e / gc_dg_stat_7feb07_e.htm.
IV. Die Diskussion um eine allgemeine kulturelle Ausnahme
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vention on the Protection and Promotion of the Diversity of Cultural Expressions“ von insgesamt 148 Staaten verabschiedet (dazu 3.). 1. Die Behandlung der audiovisuellen Medien unter dem GATT-1947 Bereits das GATT-1947 sah in Art. III:10, IV eine ausdrückliche Sonderregelung für den Bereich der audiovisuellen Medien vor. Nach dieser Vorschrift sind Spielzeitkontingente für inländische Kinofilme unter bestimmten Voraussetzungen von der Anwendung des Grundsatzes der Inländerbehandlung ausgenommen. Hintergrund dieser Regelung waren Bedenken zahlreicher Staaten, die dem Kino aufgrund seiner massenmedialen Wirkungen besondere gesellschaftliche Relevanz und dem Schutz der nationalen Produktion in diesem Bereich daher besondere Bedeutung beimaßen.48 Eine darüber hinausgehende allgemeine kulturelle Ausnahme, durch die der Bereich der audiovisuellen Medien dem Anwendungsbereich des Abkommens insgesamt entzogen würde, enthielt das GATT-1947 hingegen nicht. Die allgemeine Ausnahmeregelung des Art. XX GATT-1947 sah zwar neben Ausnahmetatbeständen zugunsten der öffentlichen Ordnung und des Gesundheitsschutzes auch die Vorschrift des Art. XX(f) GATT-1947 vor, wonach Maßnahmen der Vertragsparteien „zum Schutz nationaler Kulturgüter von künstlerischem, historischem oder archäologischem Wert“
gerechtfertigt werden konnten. Insoweit besteht allerdings weitgehende Einigkeit, dass es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine allgemeine Rechtfertigungsklausel für kulturpolitisch motivierte Maßnahmen handelt. Zunächst sind Ausnahmevorschriften im Rahmen des Welthandelsrechts nach der Praxis der Streitentscheidungsorgane grundsätzlich eng auszulegen.49 Zudem deuten sowohl Wortlaut als auch Entstehungsgeschichte der Vorschrift darauf hin, dass diese lediglich auf den Schutz des geschichtlichen, nationalen und kulturellen Erbes, nicht aber auf die Förderung aktuellen kulturellen Schaffens abzielt. Mit dieser Vorschrift sollte den Staaten ermöglicht werden, gegen den internationalen Handel mit historischen Kulturgütern vorzugehen, der in der Vergangenheit zu einem weitgehenden Transfer solcher Güter aus den Herkunftsstaaten insbesondere nach Westeuropa und in die USA geführt hatte.50 Nach Art. XX(f) GATT-1947 48 Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 110 ff.; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 130. 49 GATT Panel, United States – Customs User Fee, L / 6264, vom 25. November 1987, Rn. 84; GATT Panel, European Communities – Restrictions on Imports of Dessert Apples, L / 6491, vom 18. April 1989, Rn. 12.13; vgl. dazu: Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 58; ebenso: Herold, iris-plus (6)2003, 2, 3. 50 De Witte, Trade in Culture, in: De Burca / Scott, The EU and the WTO, 2001, 237, 242.
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sollten also insbesondere Exportbeschränkungen in Bezug auf historische Kulturgegenstände von nationaler Bedeutung gerechtfertigt werden, nicht aber Maßnahmen zur Förderung und Regulierung der audiovisuellen Medien.51 Aus diesem eingeschränkten Anwendungsbereich des auch in das GATT-1994 übernommenen Art. XX(f) erklärt sich auch, dass eine entsprechende Regelung in die Parallelvorschrift des Art. XIV GATS zu allgemeinen Ausnahmen im Rahmen des internationalen Dienstleistungshandels nicht aufgenommen wurde. Das Problem der Ausfuhr historischer Kulturgegenstände stellt sich im Rahmen des internationalen Dienstleistungshandels nicht. 2. Der Konflikt um die Fernsehrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft Nach Inkrafttreten des GATT-1947 ist der Interessenkonflikt hinsichtlich der Handelsliberalisierung im Bereich der audiovisuellen Medien erstmals im Rahmen der Tokio-Runde (1973 – 79) offen zutagegetreten, als die USA die Subventionierung der Film- und Fernsehindustrie in 21 GATT-Mitgliedstaaten, darunter zahlreiche Staaten der Europäischen Gemeinschaft und Kanada, als Beispiel für die handelsverzerrenden Wirkungen solcher Subventionen anführten.52 Zu einem ernsthaften Konflikt entwickelte sich der Disput über die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien, als die Europäische Gemeinschaft im Jahr 1989 die Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“53 erließ, die in Art. 4 eine Quotenregelung für Fernsehprogramme enthielt, wonach die EG-Mitgliedstaaten im Rahmen des praktisch Durchführbaren verpflichtet wurden, mit angemessenen Mitteln dafür Sorge zu tragen, dass die Fernsehveranstalter den Hauptteil ihrer Sendezeit – exklusive Nachrichten, Sportberichte, Spielshows sowie Werbe- und Videotextleistungen – der Sendung von in Art. 6 näher definierten europäischen Werken vorbehalten. Die USA sahen darin eine ungerechtfertigte protektionistische Maßnahme und eine unzulässige Einschränkung des Marktzugangs für die Produkte der exportstarken US-Film- und Fernsehindustrie. Im November 1989 richteten die USA an die Europäische Gemeinschaft ein formales Konsultationsersuchen nach Art. XXII GATT-1947 und rügten dabei die Quotenregelung der Fernsehrichtlinie als einen Verstoß insbesondere gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT-1947.54 In ihrer Erwiderung stellte sich die Europäische Gemein51 Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 751; Graber, Handel und Kultur im Audivisionsrecht der WTO, 2003, S. 173; Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 169. 52 Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 115, 118. 53 Richtlinie des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (89 / 552 / EWG). 54 Garret, 19 North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation 1994, 553, 560; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 106.
IV. Die Diskussion um eine allgemeine kulturelle Ausnahme
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schaft hingegen auf den Standpunkt, das Warenhandelsabkommen GATT-1947 sei auf die Quotenregelung für Fernsehprogramme nicht anwendbar, da diese lediglich den Handel mit Dienstleistungen, nicht aber den Handel mit Waren betreffe.55 Nach dem Scheitern dieser ersten Verhandlungen verfolgten die USA das Konsultationsersuchen nach Art. XXII GATT-1947 nicht weiter, sondern entschieden sich, eine Lösung des Konflikts um die Quotenregelung der Fernsehrichtlinie stattdessen im Rahmen der bereits im Jahr 1986 begonnenen Verhandlungen der Uruguay-Runde anzustreben.56 Dabei standen sich die Positionen der USA einerseits und der Europäischen Gemeinschaft andererseits von vornherein diametral gegenüber. Verhandlungsziel der USA war die Sicherstellung der uneingeschränkten Anwendbarkeit der Liberalisierungsregeln sowohl des Warenhandelsabkommens GATT als auch des im Rahmen der Uruguay-Runde erstmals verhandelten Dienstleistungsabkommens GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien.57 Der Europäischen Gemeinschaft ging es hingegen um die dauerhafte Absicherung der gemeinschaftsrechtlichen und nationalstaatlichen Maßnahmen zur Förderung der Film- und Fernsehwirtschaft in Europa gegen welthandelsrechtliche Beschränkungen. Auf dieses Verhandlungsziel wurde die EG-Delegation zum Ende der Uruguay-Runde nochmals ausdrücklich durch eine gemeinsame Erklärung der Kulturminister der EG-Mitgliedstaaten vom 5. Oktober 1993, die so genannte „Erklärung von Mons“ eingeschworen.58
a) Die Verhandlungen im Rahmen der Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen Die konkreten Verhandlungen über die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien wurden während der Uruguay-Runde im Rahmen der im Jahr 1990 durch die von der Verhandlungsgruppe für Dienstleistungen (Group of Negotiations of Services, GNS; dazu siehe oben I.2.) geschaffene Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen (Working Group on Audiovisual Services) geführt. Von europäischer Seite wurden dabei verschiedene Ansätze verfolgt, um das Verhandlungsziel einer dauerhaften Absicherung der gemeinschaftsrechtlichen und nationalstaatlichen Maßnahmen zur Förderung der Film- und Fernsehwirtschaft durchzusetzen. Diese unterschiedlichen Ansätze werden in der Literatur mit 55 Garret, 19 North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation 1994, 553, 560; Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1992, 323, 350 f. 56 Garrett, 19 North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation 1994, 553, 556; Grant, 70 Indiana Law Journal 1995, 1333, 1343. 57 Shao, 20 Yale Journal of International Law 1995, 105, 114; Garrett, 19 North Carolina Journal of International Law and Commercial Regulation 1994, 553, 555; Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 200. 58 Vgl. dazu: Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainment Law Journal 1997, 281, 294 f.
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nicht ganz einheitlicher terminologischer Abgrenzung überwiegend unter den Schlagwörtern „cultural exclusion“, „cultural exception“ und „cultural specifity“ behandelt.59 Von Vertretern der europäischen Film- und Fernsehindustrie sowie auch von Seiten der Kulturminister einiger EG-Mitgliedstaaten wurde teilweise die Forderung nach einem generellen Ausschluss des kulturellen Sektors einschließlich der audiovisuellen Medien vom Geltungsbereich des Welthandelsrechts erhoben („cultural exclusion“). Nur so könne die Umsetzung nationalstaatlicher Kulturpolitik effektiv gegen welthandelsrechtliche Beschränkungen geschützt werden.60 Von den Verhandlungsführern der Europäischen Gemeinschaft wurde diese Forderung im Rahmen der Uruguay-Runde aber zu keinem Zeitpunkt erhoben, da sie negative Auswirkungen einer derart weitgehenden Position auf die Verhandlungen in anderen Sektoren befürchteten.61 Die stattdessen verfolgten Ansätze der „cultural exception“ sowie der „cultural specifity“ erkannten die Erstreckung des Anwendungsbereichs des GATS auch auf den Bereich der audiovisuellen Medien hingegen grundsätzlich an, wollten den Besonderheiten dieses Sektors aber durch die Aufnahme bestimmter Sonderregeln Rechnung tragen. So sah der Kommissionsvorschlag zu einer „cultural exception“ vor, in die allgemeine Ausnahmevorschrift des Art. XIV GATS eine Regelung aufzunehmen, wonach die WTOMitglieder zur Erhaltung und Förderung lokaler, nationaler und regionaler kultureller Identitäten Maßnahmen zur Regulierung der audiovisuellen Medien vornehmen können.62 Der Ansatz der „cultural specifity“ setzte schließlich auf dem einschränkenden Liberalisierungskonzept des GATS auf. Durch die Ausgestaltung des Marktzugangs nach Art. XVI GATS und der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS als spezifische Verpflichtungen, die eine entsprechende ausdrückliche sektorspezifische Erklärung voraussetzen, sowie die Möglichkeit der Anmeldung von Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS hatten die WTO-Mitglieder faktisch die Möglichkeit, den Umfang der tatsächlichen Geltung dieser welthandelsrechtlichen Prinzipien für audiovisuelle Dienstleistungen zumindest vorerst weitgehend einzuschränken. Insoweit war die Strategie der Europäischen Gemeinschaft daher insbesondere darauf gerichtet, den Besonderheiten des kulturellen Sektors einschließlich der audiovisuellen Medien dadurch Rechnung zu tragen, diese von den Verpflichtungen zu Verhandlungen über eine fortschreitende Handelsliberalisierung durch Übernahme weiterer spezifischer Verpflichtungen (Art. XIX GATS), die Entwicklung subventionsrechtlicher Regelungen (Art. XV GATS) sowie die Rückführung von Ausnahmen 59 Vgl. dazu: Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 202 ff. 60 Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 114, 120. 61 Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainment Law Journal 1997, 281, 293; Falkenberg, The Audiovisual Sector, in: Bourgeouis / Berrod / Fournier, The Uruguay Round Results, 1995, 429. 62 Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainment Law Journal 1997, 281, 296 f.
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vom Grundsatz der Meistbegünstigung (Anhang zu Art. II GATS) auszunehmen.63 Die USA sind demgegenüber im Rahmen der Verhandlungen der Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen der Einführung jedweder kulturell begründeter Sonderregelungen in das GATS wiederholt entschieden entgegengetreten.64
b) Das „Agreement to Disagree“ Ein sachlicher Kompromiss zwischen diesen Positionen konnte im Rahmen der Uruguay-Runde nicht erreicht werden. Nachdem die Verhandlungsparteien sich lange Zeit ökonomisch bedeutsameren Themen wie insbesondere der Behandlung von Landwirtschaftsprodukten gewidmet hatten, eskalierte der Streit um die audiovisuellen Medien nochmals kurz vor Schluss der Verhandlungen. Frankreich drohte damit, die Unterzeichnung der gesamten Schlussakte der Uruguay-Runde zu verweigern, sollten seine nationalen Regulierungs- und Fördermaßnahmen im Bereich der audiovisuellen Medien nicht von den Regelungen des Dienstleistungsabkommens GATS ausgenommen werden. Die USA ihrerseits waren weiterhin nicht bereit, eine ausdrückliche Sonderbehandlung des audiovisuellen Sektors im Rahmen des GATS anzuerkennen.65 Ein Scheitern der gesamten Uruguay-Runde an dieser Frontstellung konnte wenige Stunden vor Verhandlungsschluss nur durch ein Vorgehen verhindert werden, dass von den Verhandlungsführern der Europäischen Gemeinschaft und der USA als „agreement to disagree“ bezeichnet wurde. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz erklärte Mickey Kantor, der Handelsbeauftragte der USA, in Anwesenheit von Sir Leon Brittan, seinem Gegenüber auf Seiten der EU: „We have agreed to disagree but our differences remain.“66
In der Praxis bedeutete dies einen faktischen Abbruch der Verhandlungen über die welthandelsrechtliche Behandlung des Bereichs der audiovisuellen Medien. In Konsequenz dieses Verhandlungsabbruchs enthält das GATS keinerlei Vorschriften, die den Dienstleistungen im Bereich der audiovisuellen Medien aufgrund ihres kulturellen Gehalts eine Sonderstellung einräumen. Grundsätzlich sind diese weder von der Geltung der welthandelsrechtlichen Prinzipien des Marktzugangs (Art. XVI GATS) und der Nichtdiskriminierung (Art. XVII GATS – Inländerbehandlung – und Art. II GATS – Meistbegünstigung) noch von den Pflichten zu Verhandlungen über weitergehende Handelsliberalisierungen (Art. XIX GATS hinFooter / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 114, 121. Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainment Law Journal 1997, 281, 297. 65 Kessler, 26 Law and Policy in International Business 1995, 563, 575. 66 Zitiert nach: Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainment Law Journal 1997, 281, 298. 63 64
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
sichtlich der Übernahme spezifischer Verpflichtungen, Art. XV GATS hinsichtlich subventionsrechtlicher Regelungen und Anhang zu Art. II GATS hinsichtlich der Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung) ausgenommen. Zugleich ließen die USA mit diesem Verhandlungsabbruch aber auch die zuvor an die Europäische Gemeinschaft gestellten Forderungen zur Übernahme spezifischer Verpflichtungen im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen fallen und akzeptierten faktisch für diesen Bereich die Anmeldung zahlreicher Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS. Dementsprechend haben die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten im audiovisuellen Sektor bisher keine spezifischen Verpflichtungen nach Art. XX GATS übernommen und nach Art. II:2 GATS entsprechende Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung angemeldet, soweit sie dies für die Absicherung der bestehenden Maßnahmen im Bereich der audiovisuellen Medien für erforderlich hielten.67 Da die audiovisuellen Medien aber wie gezeigt nicht von dem Grundsatz der fortschreitenden Handelsliberalisierung ausgenommen wurden, bleibt auch dieser Bereich in jedem Fall Gegenstand zukünftiger Verhandlungen über eine sukzessiv weitergehende Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels nach dem GATS.68
c) Die audiovisuellen Medien in den Verhandlungen der Doha-Runde Dementsprechend sind den audiovisuellen Sektor betreffende Verhandlungen über die Übernahme spezifischer Verpflichtungen und den Abbau bestehender Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung auch Gegenstand der DohaRunde. Die USA haben sich mit einer Mitteilung vom 18. Dezember 2000 erneut gegen Bestrebungen ausgesprochen, den audiovisuellen Sektor wegen seiner spezifisch kulturellen Aspekte grundsätzlichen Sonderregelungen zu unterstellen. Konkret schlagen die USA eine Neuklassifizierung der audiovisuellen Dienstleistungen vor und fordern die WTO-Mitglieder auf, ihre Liberalisierungsverpflichtungen in diesem Bereich substantiell zu erweitern. Des Weiteren regen sie die Ausarbeitung eines speziellen Subventionsabkommens für die audiovisuellen Medien an, das sich an den Regelungen des SCM orientieren sollte.69 Die Forderung nach einer weitergehenden Öffnung der Märkte für audiovisuelle Dienstleistungen wird auch von einigen anderen WTO-Mitgliedern unterstützt. So konnten die USA insbeson67 Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 204 f.; der Wortlaut der von der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen angemeldeten Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung wird in Anhang 1 wiedergegeben. 68 Falkenberg, The Audiovisual Sector, in: Bourgeouis / Berrod / Fournier, The Uruguay Round Results, 1995, 429, 433. 69 Communication from the United States, Audiovisual and Related Services, S / CSS / W / 21, vom 18. Dezember 2000, Rn. 10.
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dere Hong Kong, Japan, Mexiko und Taiwan für eine dahingehende gemeinsame Stellungnahme gewinnen.70 Auch Brasilien dringt auf die Übernahme weiterer Liberalisierungsverpflichtungen im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen und fordert dabei eine besondere Berücksichtigung der Interessen der Entwicklungs- und Schwellenländer.71 Demgegenüber lehnen sowohl die Europäische Gemeinschaft als auch Kanada die Übernahme von Liberalisierungsverpflichtungen hinsichtlich audiovisueller Dienstleistungen weiterhin kategorisch ab. Das aktuelle Verhandlungsangebot der Europäischen Gemeinschaft sieht spezifische Verpflichtungen im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen nicht vor. Und auch die insoweit angemeldeten Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung bleiben im Wesentlichen unberührt.72 Die während der Uruguay-Runde sichtbar gewordenen Interessengegensätze bestimmen damit auch die Verhandlungen der Doha-Runde.73
3. Das UNESCO-Abkommen zum Schutz kultureller Vielfalt Im Rahmen der Uruguay-Runde wurden die Verhandlungen um eine allgemeine kulturelle Ausnahme, wie gezeigt, letztlich ergebnislos abgebrochen. Damit war die Diskussion über die welthandelsrechtliche Behandlung des kulturellen Bereichs und insbesondere der audiovisuellen Medien jedoch keineswegs beendet. In Vorbereitung auf die Ministerkonferenz in Seattle gab die Europäische Gemeinschaft nunmehr das Konzept der kulturellen Vielfalt als politisches Ziel für die Verhandlungen über den Handel mit audiovisuellen Produkten aus.74 In der Folge wurde dieses Konzept auf Betreiben insbesondere der Europäischen Gemeinschaft und Kanadas im Rahmen der UNESCO weiterverfolgt.75 Zunächst konnte auf der 31. Generalkonferenz der UNESCO am 2. November 2001 in Paris die „Universal Declaration on Cultural Diversity“ verabschiedet werden.76 In Art. 9 dieser rechtlich unverbindlichen Erklärung wurde das Recht 70 Communication from Hong Kong China, Japan, Mexico, the Separate Customs Territory of Taiwan, Penghu, Kinmen and Matsu, and United States, Joint Statement on the Negotiations on Audiovisual Services, TN / S / W / 49, vom 30. Juni 2005. 71 Communication from Brazil, Audiovisual Services, S / CSS / W / 99, vom 9. Juli 2001. 72 Communication from the European Communities and its Member States, Conditional Revised Offer, TN / S / O / EEC / Rev.1, vom 19. Juni 2005; vgl. zur kanadischen Position: Communication from Canada, Initial Canadian Negotiating Proposals, S / CSS / W / 46, vom 14. März 2001. 73 Vgl. dazu insgesamt: Graber, Audio-Visual Policy, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 165, 167 ff. 74 Graber, 9 Journal of International Economic Law 2006, 553, 555. 75 Vgl. zur Entstehungsgeschichte des UNESCO-Abkommens: Voon, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 635, 636 ff.; Acheson / Maule, 28 Journal of Cultural Economics 2004, 243 ff.
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der Staaten betont, unter Berücksichtigung eventueller völkerrechtlicher Verpflichtungen im Rahmen der nationalen Kulturpolitik die nationale kulturelle Produktion durch Unterstützungsleistungen oder angemessene Regulierung zu fördern. Ausgehend von dieser Erklärung zur kulturellen Vielfalt wurden in den Folgejahren Verhandlungen über den Abschluss eines verbindlichen völkerrechtlichen Instruments zum Schutz der kulturellen Vielfalt geführt. Im Rahmen der 33. Generalkonferenz der UNESCO konnte am 20. Oktober 2005 schließlich die „Convention on the Protection and Promotion of the Diversity of Cultural Expressions“ von insgesamt 148 Staaten verabschiedet werden.77 Die USA, die sich von Beginn an unter Verweis auf eine eventuelle Derogation welthandelsrechtlicher Bestimmungen gegen den Abschluss eines solchen Abkommens gewendet hatten,78 haben dem UNESCO-Abkommen, gefolgt von Israel, die Zustimmung verweigert.79 Deutschland hat das Abkommen nach Zustimmung des Bundestages am 1. Februar 2006 am 12. März 2007 ratifiziert. Zu diesem Zeitpunkt lagen bereits 52 Ratifikationen, unter anderem auch durch die Europäische Gemeinschaft, vor. Nach Art. 29.1 ist das Abkommen am 18. März 2007 – drei Monate nach Hinterlegung der dreißigsten Ratifikationsurkunde – für die Staaten, die bis zu diesem Zeitpunkt ihre Ratifikationsurkunde hinterlegt hatten, in Kraft getreten.80 a) Die Zielrichtung des UNESCO-Abkommens Das UNESCO-Abkommen zum Schutz der kulturellen Vielfalt ist sowohl nach seiner Entstehungsgeschichte als auch nach seinen ausdrücklichen Zielsetzungen darauf ausgelegt, den Staaten mit Blick auf das Welthandelsrecht einen Freiraum für kulturpolitische Maßnahmen zum Schutz inländischer oder minoritärer kultureller Produktion zu erhalten.81 Nach seiner Intention soll das Abkommen gewissermaßen einen Ersatz für die im Rahmen der Verhandlungen der Uruguay-Runde nicht durchsetzbare kulturelle Ausnahme bereitstellen. 82 In Art. 1 lit. a) des Abkommens wird als Ziel zunächst der Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen genannt. Die weiteren Zielbestimmungen betonen insbesondere die Bedeutung eines gleichberechtigten kulturellen 76 UNESCO, General Conference, Universal Declaration on Cultural Diversity, vom 2. November 2001, CLT-2002 / WS / 09. 77 UNESCO, General Conference, Convention on the Protection and Promotion of the Diversity of Cultural Expressions, vom 20. Oktober 2005, CLT-2005 / Convention Diversite-Cult Rev. 78 Vgl. zur Kritik der USA: Neuwirth, ZaöRV 2006, 819, 849 ff. 79 Pressemitteilung Nr. 44 / 2005 der Deutschen UNESCO-Kommission e.V. vom 21. Oktober 2005. 80 UNESCO Press Release No. 2007 – 23, vom 13. März 2007. 81 Eingehend dazu: Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 326 ff. 82 Hahn, 9 Journal of International Economic Law 2006, 515, 533.
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Austauschs. Daneben wurde unter Buchstabe h) eine Bestimmung aufgenommen, wonach das Abkommen insbesondere darauf abzielt, „to reaffirm the sovereign rights of States to maintain, adopt and implement policies and measures that they deem appropriate for the protection and promotion of the diversity of cultural expressions on their territory“.
Dieser mit Blick auf das Welthandelsrecht formulierte Grundsatz der Kulturhoheit der Staaten wird in Art. 5 und 6 des Abkommens konkretisiert.83 In Art. 5.1 wird zunächst das Recht der Staaten bekräftigt, ihre Kulturpolitik zu formulieren und umzusetzen sowie Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der kulturellen Vielfalt zu beschließen. In Art. 4 wird deutlich, dass das Abkommen dabei einen weiten Kulturbegriff zugrundelegt, der ausdrücklich auch kulturindustrielle Produkte umfasst und damit auch für den Bereich der audiovisuellen Medien von Bedeutung ist. Nach Art. 6.1 hat jede Vertragspartei das Recht, innerhalb ihres Territorums Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen zu erlassen. Art. 6.2 enthält einen nicht abschließenden Katalog solcher Maßnahmen. Dabei werden ausdrücklich regulatorische Maßnahmen zur Förderung der kulturellen Vielfalt (Art. 6.2(a)), Maßnahmen zur Förderung einheimischer kultureller Produktion (Art. 6.2(b) und (c)) sowie Maßnahmen zur Kulturförderung durch öffentliche finanzielle Unterstützung (Art. 6.2(d)) genannt.
b) Das Verhältnis des UNESCO-Abkommens zu den Regelungen des Welthandelsrechts Diese Regelungen zielen grundsätzlich darauf ab, den Vertragsparteien die Möglichkeit von Schutzmaßnahmen zugunsten nationaler oder minoritärer Kulturproduktion zu erhalten, die aus Sicht des Welthandelsrechts als potentielle Handelsbeschränkungen anzusehen sind.84 Allerdings war die Frage nach dem konkreten Verhältnis der Regelungen des UNESCO-Abkommens zu den allgemeinen welthandelsrechtlichen Regelungen während der Verhandlungen über den Vertragstext besonders umstritten. Der von der UNESCO im Juli 2004 vorgestellte Entwurf des Abkommens85 enthielt dazu in Art. 19 zwei Varianten. Option A sah vor, dass Abweichungen von anderweitigen völkerrechtlichen Verpflichtungen – ausgenommen Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums – durch das UNESCO-Abkommen gerechtfertigt werden können, wenn anderenfalls eine erhebliche Schädigung oder Bedrohung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen entstünde. Diese Option hätte im Fall 83 Vgl. dazu: Hahn, 9 Journal of International Economic Law 2006, 515, 536 f.; Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 329 ff. 84 Schorlemer, UNESCO heute 1 / 2005, 49 f. 85 UNESCO, Preliminary Draft of a Convention on the Protection of the Diversity of Cultural Contents and Artistic Expressions, CLT / CPD / 2004 / CONF-201 / 2.
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einer ernsten Bedrohung für die kulturelle Vielfalt also einen rechtlichen Vorrang der Regelungen des UNESCO-Abkommens auch und insbesondere gegenüber welthandelsrechtlichen Regelungen bedeutet. Option B sah dagegen vor, dass die Verpflichtungen der Parteien aus anderweitigen völkerrechtlichen Verträgen ausnahmslos unberührt bleiben.86 Letztlich war keine dieser beiden Optionen politisch durchsetzbar.87 Vielmehr haben sich die Vertragsparteien auf eine Formulierung geeinigt, die die Gleichrangigkeit und die gegenseitige Berücksichtigung des UNESCO-Abkommens im Verhältnis zu anderweitigen völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Ausdruck bringen soll. Nach Art. 20.1 S. 1 erkennen die Vertragsparteien zunächst an, „that they shall perform in good faith their obligations under this Convention and all other treaties to which they are parties.“
In Art. 20.1 S. 2 wird nochmals klargestellt, dass das UNESCO-Abkommen anderen völkerrechtlichen Verträgen nicht untergeordnet wird. Davon ausgehend werden die Vertragsparteien verpflichtet, (a) die wechselseitige Unterstützung zwischen dem UNESCO-Abkommen und anderen Verträgen zu fördern und (b) die Bestimmungen des UNESCO-Abkommens bei der Auslegung und Anwendung anderer Verträge sowie bei Eingehen anderer internationaler Verpflichtungen zu berücksichtigen. Soweit in Art. 20.1 S. 1 und S. 2 (a) auf die Gleichrangigkeit des UNESCO-Abkommens mit anderen völkerrechtlichen Verträgen abgehoben wird, dürfte dieser Regelung vor allem psychologische Bedeutung zukommen.88 Konkrete Schlussfolgerungen für das Verhältnis der Regelungen des UNESCO-Abkommens zu anderen völkerrechtlichen und insbesondere welthandelsrechtlichen Verpflichtungen lassen sich daraus nicht herleiten. Größere Bedeutung kommt insoweit der Regelung des Art. 20.1 S. 2 (b) zu. Soweit die Vertragsparteien darin verpflichtet werden, bei Eingehen weiterer internationaler Verpflichtungen die Bestimmungen des UNESCO-Abkommens zu berücksichtigen, kann dies insbesondere bei den Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Welthandels im Rahmen der WTO eine Rolle spielen. Die Vertragsparteien des UNESCO-Abkommens sind aufgefordert, bei diesen Verhandlungen die Konsequenzen einer weiteren Handelsliberalisierung für die kulturelle Vielfalt zu bedenken.89 86 Vgl. zu diesen Optionen: Schorlemer, Impulsreferat zur zweiten Fachkonsultation der bundesweiten Koalition Kulturelle Vielfalt über das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz kultureller Vielfalt, 2004, S. 7 ff. 87 Graber, 9 Journal of International Economic Law 2006, 553, 565 f.; vgl. dazu auch: Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 335 ff. 88 Vgl. dazu: Schorlemer, Impulsreferat zur zweiten Fachkonsultation der bundesweiten Koalition Kulturelle Vielfalt über das UNESCO-Übereinkommen zum Schutz kultureller Vielfalt, 2004, S. 14. 89 Hahn, 9 Journal of International Economic Law 2006, 515, 541 f.; vgl. auch: Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 337.
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Unmittelbar das Verhältnis des UNESCO-Abkommens zu bereits bestehenden anderweitigen völkerrechtlichen Verpflichtungen betrifft hingegen die Verpflichtung des Art. 20.1 S. 2 (b), die Bestimmungen des UNESCO-Abkommens bei der Auslegung und Anwendung anderer Verträge zu berücksichtigen. Allerdings ist diese Regelung im Zusammenhang mit Art. 20.2 des UNESCO-Abkommens zu lesen, wonach durch dieses Abkommen keinerlei Rechte oder Verpflichtungen aus anderen völkerrechtlichen Verträgen modifziert werden sollen. Damit ist klargestellt, dass die Bestimmungen des UNESCO-Abkommens nicht herangezogen werden können, um nationale Maßnahmen zur Förderung der kulturellen Vielfalt zu rechtfertigen, die bei isolierter Betrachtung mit den Vorschriften des WTORechts unvereinbar sind. Im Verhältnis zu Staaten, die nicht Vertragspartei des UNESCO-Abkommens sind, folgt dies schon aus dem in Art. 34 WVK niedergelegten „non-tertiis“ Grundsatz, wonach die Bestimmungen eines völkerrechtlichen Vertrags Drittstaaten, d. h. Nichtvertragsstaaten, nicht entgegengehalten werden können. Da eine Unterzeichnung und Ratifikation des UNESCO-Abkommens durch die USA bis auf weiteres ausgeschlossen erscheint, beträfe dies insbesondere die besonders relevanten Fälle, in denen die USA als wichtigster Exporteur audio-visueller Produkte auf welthandelsrechtlicher Ebene gegen kulturpolitische Maßnahmen eines anderen WTO-Mitgliedstaates vorgehen.90 Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 20.2 UNESCO-Abkommen ist eine formale Derogation welthandelsrechtlicher Rechte oder Verpflichtungen aber auch im Verhältnis der Vertragsstaaten des UNESCO-Abkommens untereinander ausgeschlossen.91 Mit der expliziten Anordnung der Gleichrangigkeit wird die allgemeine vertragsrechtliche Regelung des Art. 30 Abs. 4 WVK modifiziert, wonach zwischen Staaten, die Vertragspartei sowohl des WTO- als auch des UNESCO-Abkommens sind, im Konfliktfall letzteres als lex posterior anzuwenden wäre.92 Im Übrigen erscheint fraglich, ob eine inter-se Modifizierung der welthandelsrechtlichen Verpflichtungen durch das UNESCO-Abkommen überhaupt zulässig gewesen wäre. In der Literatur wird teilweise vertreten, dass eine Modifizierung welthandelsrechtlicher Regelungen zwischen einzelnen WTO-Mitgliedern nach Art. 41 WVK unzulässig ist, da eine Änderung der rechtlichen Bedingungen für den Handel zwischen einzelnen Staaten zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Handelsbeziehungen zu den übrigen WTO-Mitgliedern hat.93 Darüber hinaus würde eine solche Modifikation des WTO-Rechts nur zwischen einigen WTO-Mitgliedern unter Umständen zu einer erneuten Zersplitterung des Welthandelsrechts führen, die durch den in der UruOeter, AfP 2005, 6, 12. Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 337 f.; Voon, 55 International and Comparative Law Quarterly 2006, 635, 647 ff.; Neuwirth, ZaöRV 2006, 819, 846 f. 92 Vgl. dazu: Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, 2002, S. 78 f. 93 Hahn, 9 Journal of International Economic Law 2006, 515, 544 ff. 90 91
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guay-Runde verfolgten „single package approach“ gerade vermieden werden sollte (siehe dazu oben II.1.). Von der danach ausgeschlossenen Möglichkeit einer formalen Derogation welthandelsrechtlicher Vorschriften durch das UNESCO-Abkommen ist die Frage zu unterscheiden, ob und inwiefern dessen Wertungen entsprechend der Regelung des Art. 20.1(b) bei der Auslegung des WTO-Rechts Berücksichtigung finden können. Voraussetzung für eine solche Berücksichtigung ist aus welthandelsrechtlicher Sicht nicht unbedingt, dass das UNESCO-Abkommen von sämtlichen WTO-Mitgliedern ratifiziert wurde. Der „non-tertiis“ Grundsatz gilt bei der Auslegung völkerrechtlicher Verträge nicht in gleicher Weise. Dementsprechend hat das Appellate Body in dem Fall US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products bei der Auslegung des Begriffs der „erschöpflichen Naturschätze“ auf völkerrechtliche Verträge im Bereich des Umweltschutzes Bezug genommen, obwohl nicht sämtliche am Verfahren beteiligten WTO-Mitglieder auch Vertragsparteien dieser umweltrechtlichen Verträge waren. Das Appellate Body hat dies damit begründet, dass die betreffenden Verträge von der gesamten Staatengemeinschaft geteilte Bedenken reflektieren.94 Eine quasi-universale Anerkennung des UNESCO-Abkommens vorausgesetzt, erscheint es auf Grundlage dieser Entscheidungspraxis des Appellate Body durchaus denkbar, dessen Wertungen bei der Auslegung welthandelsrechtlicher Normen zu berücksichtigen, auch wenn nicht sämtliche WTO-Mitglieder das UNESCO-Abkommen formal ratifiziert haben. Für eine solche quasi-universale Anerkennung reicht aber die bloße Unterzeichnung durch eine große Mehrheit der UNESCO-Mitglieder sicherlich nicht aus. Erforderlich wäre vielmehr ein Ratifikationsstand, der dem Geltungsumfang des WTOÜbereinkommens zumindest nahe kommt.95 Des Weiteren ist zu beachten, dass die WTO-Streitentscheidungsorgane nach Art. 1 und 11 DSU lediglich die Vereinbarkeit staatlicher Maßnahmen mit den welthandelsrechtlichen Vorschriften, nicht aber mit anderweitigen völkerrechtlichen Bestimmungen prüfen. Die Berücksichtigung der Wertungen anderer völkerrechtlicher Normen ist im Rahmen des WTO-Streitentscheidungsverfahrens methodisch daher nur bei Anknüpfung an einen auslegungsfähigen und -bedürftigen Begriff des WTO-Rechts möglich.96 Dabei sind insbesondere die Regelungen der Art. 3.2 und 19.2 DSU zu berücksichtigen, wonach die WTO-Streitentscheidungsorgane nicht befugt sind, die in den welthandelsrechtlichen Abkommen enthaltenen Rechte und Pflichten der WTO-Mitglieder zu ergänzen oder einzuschränken. Damit sind einer Rechtsfortbildung durch die Streitentscheidungsorgane im WTORecht enge Grenzen gesetzt. Anders als dem EuGH im Bereich des Gemein94 WTO Appellate Body, US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WT / DS58 / AB / R, vom 12. Oktober 1998, Rn. 129; vgl. dazu eingehend: Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, 2002, S. 172 ff. 95 Graber, 9 Journal of International Economic Law 2006, 553, 559. 96 Graber, 9 Journal of International Economic Law 2006, 553, 567.
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schaftsrechts ist es den WTO-Streitentscheidungsorganen daher verwehrt, Rechtfertigungsgründe zu entwickeln, die über die in den welthandelsrechtlichen Abkommen enthaltenen Bestimmungen hinausgehen. Vielmehr sind sie auf die Anwendung und Auslegung der ausdrücklich vorgesehenen Rechtfertigungsgründe beschränkt.97 In der Literatur wird teilweise vertreten, dass unter der Voraussetzung einer quasi-universellen Ratifikation des UNESCO-Abkommens dessen Wertungen insoweit im Rahmen der Ausnahmeregelung des Art. XX(f) GATT-1994 berücksichtigt werden könnten, wonach Maßnahmen zum Schutze nationalen Kulturgutes von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert zulässig sind. Als „Kulturgut“ in diesem Sinne könne unter Berücksichtigung der Wertungen des UNESCOAbkommens auch die Produktion aktueller Populärkultur verstanden werden, so dass auch Maßnahmen, die dem Schutz oder der Förderung der nationalen audiovisuellen Produktion dienen, über diese Vorschrift gerechtfertigt werden könnten.98 Allerdings zielt die Regelung des Art. XX(f) GATT-1994 wie gezeigt (siehe oben 1.) sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach ihrer Entstehungsgeschichte auf Maßnahmen zum Schutz des geschichtlichen nationalen kulturellen Erbes – insbesondere durch entsprechende Ausfuhrbeschränkungen. Dem entspricht, dass in das Dienstleistungsabkommen GATS eine entsprechende Regelung nicht aufgenommen wurde. Für eine Berücksichtigung der Wertungen des UNESCOAbkommens bleibt angesichts dieses eindeutigen Auslegungsergebnisses kein Raum.99 Da die Ausnahmeregelungen weder des Warenhandelsabkommens GATT-1994 noch des Dienstleistungshandelsabkommens GATS den Begriff der kulturellen Vielfalt kennen, ist daher davon auszugehen, dass es für eine allgemeine Rechtfertigung kulturpolitischer Maßnahmen unter Berücksichtigung der Wertungen des UNESCO-Abkommens durch die WTO-Streitentscheidungsorgane gegenwärtig an einem geeigneten Anknüpfungspunkt fehlt und eine solche erst nach einer entsprechenden Ergänzung der welthandelsrechtlichen Vorschriften möglich wäre.100 Auf die ebenfalls aufgeworfene Frage einer eventuellen Berücksichtigung der Wertungen des UNESCO-Abkommens bei der Beurteilung der Gleichartigkeit von audiovisuellen Produkten unterschiedlicher Herkunft101 wird im Rahmen der konkreten Prüfung der Maßnahmen zu Schutz und Förderung der audiovisuellen Industrie in der Europäischen Gemeinschaft eingegangen. 97 Graber, 9 Journal of International Economic Law 2006, 553, 571; vgl. dazu auch: Bartels, 35 Journal of World Trade 2001, 499, 506 ff. 98 Hahn, 9 Journal of International Economic Law 2006, 515, 547 f. 99 Ebenso: Graber, 9 Journal of International Economic Law 2006, 553, 568 f. 100 Graber, 9 Journal of International Economic Law 2006, 553, 571 f.; Krajewski, Auswirkungen des GATS auf Instrumente der Kulturpolitik und Kulturförderung in Deutschland, 2005, S. 35 f. 101 Hahn, 9 Journal of International Economic Law 2006, 515, 549 ff.
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B. Entwicklung und Struktur der Welthandelsorganisation
V. Zusammenfassung Wie gezeigt, konnte sich die Europäische Gemeinschaft im Rahmen der Verhandlungen der Uruguay-Runde mit ihrer Forderung nach Aufnahme einer allgemeinen kulturellen Ausnahme in das Dienstleistungsabkommen GATS nicht durchsetzen. Auch das Warenhandelsabkommen GATT-1994 enthält eine solche Vorschrift nicht. Die Regelung des Art. XX(f) GATT-1994 ist nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte auf die Rechtfertigung insbesondere von Ausfuhrbeschränkungen für historische Kulturgegenstände beschränkt. Und auch über das am 20. Oktober 2005 beschlossene UNESCO-Abkommen zum Schutz der kulturellen Vielfalt kann – selbst bei einer zukünftigen quasi-universalen Geltung – eine allgemeine Rechtfertigung kulturpolitischer Maßnahmen auf Ebene des Welthandelsrechts nicht begründet werden. Damit sind die materiell-rechtlichen Vorschriften sowohl des Warenhandelsabkommens GATT-1994 als auch des Dienstleistungsabkommens GATS, d. h. insbesondere die Prinzipien der Meistbegünstigung und Inländerbehandlung sowie die subventionsrechtlichen Vorschriften, auf den Bereich der audiovisuellen Medien grundsätzlich uneingeschränkt anwendbar. Dabei sind aber die Maßnahmen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zur Regulierung und Förderung der audiovisuellen Medien von der Anwendung der materiell-rechtlichen Vorschriften des Dienstleistungsabkommens GATS aufgrund der insoweit fehlenden Übernahme spezifischer Verpflichtungen nach Art. XX GATS und der Anmeldung entsprechender Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS zumindest gegenwärtig weitgehend ausgenommen. Allerdings kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass dieser status quo einer weitgehenden Freistellung der audiovisuellen Dienstleistungen von den Liberalisierungsvorschriften des GATS dauerhaft Bestand haben wird. Das GATS ist wie das Welthandelsrecht insgesamt auf eine fortschreitende Handelsliberalisierung angelegt. Mit ihrer Forderung, den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen von den auf eine solche weitere Handelsliberalisierung gerichteten Verhandlungspflichten auszunehmen, konnte sich die Europäische Gemeinschaft im Rahmen der Uruguay-Runde nicht durchsetzen. Dementsprechend ist auch der Bereich der audiovisuellen Medien im Rahmen der Doha- sowie auch späterer Verhandlungsrunden grundsätzlich Gegenstand der Verhandlungen über eine weitere Liberalisierung des Dienstleistungshandels.
C. Die Dogmatik der welthandelsrechtlichen Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- und Dienstleistungshandels Wie im vorigen Abschnitt dargestellt, sind die Versuche, eine welthandelsrechtliche Sonderbehandlung der audiovisuellen Medien beziehungsweise des kulturellen Sektors insgesamt durchzusetzen, erfolglos geblieben. Damit sind die welthandelsrechtlichen Vorschriften sowohl des Warenhandelsabkommens GATT-1994 als auch des Dienstleistungsabkommens GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien grundsätzlich uneingeschränkt anwendbar. Die Dogmatik dieser Vorschriften wird im Folgenden unter detaillierter Auswertung der Entscheidungspraxis der WTO-Streitentscheidungsorgane dargestellt. Dabei konzentriert sich die Darstellung der Liberalisierungsvorschriften des GATT-1994 (dazu I.) und des GATS (dazu II.) bereits auf diejenigen Normen, die für die welthandelsrechtliche Beurteilung der europäischen Quotenregelungen und Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung von Bedeutung sind. Dies sind jeweils die Vorschriften zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung in seinen beiden Ausprägungen der Meistbegünstigung (Art. I GATT-1994 beziehungsweise Art. II GATS) und Inländerbehandlung (Art. III GATT-1994 beziehungsweise Art. XVII GATS), die subventionsrechtlichen Vorschriften (SCM beziehungsweise Art. XV GATS) sowie die in diesem Zusammenhang relevanten Ausnahmeregelungen. Die übrigen Vorschriften des GATT-1994 sowie des GATS werden nur berücksichtigt, soweit dies für das Gesamtverständnis des Liberalisierungskonzepts dieser Abkommen erforderlich erscheint. Auf eine Darstellung der Regelungen des TRIPS-Abkommens zum Schutz des geistigen Eigentums, die für eine effektive Durchführung des internationalen Handels mit audiovisuellen Produkten insbesondere durch Eindämmung der Produktpiraterie ebenfalls von großer Bedeutung sind,1 kann an dieser Stelle hingegen verzichtet werden.
I. Die Liberalisierung des Warenhandels 1. Überblick Zur Durchsetzung des Zieles einer fortschreitenden Liberalisierung des Warenhandels sieht das GATT-1994, ergänzt und modifiziert durch die weiteren multi1
Vgl. dazu: Zampetti, WTO Rules in the Audio-Visual Sector, 2003, S. 19 ff.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
lateralen Warenhandelsübereinkommen in Anhang 1A, verschiedene Instrumentarien vor. a) Tarifierung und fortschreitende Absenkung des Zollniveaus Von herausragender Bedeutung für die rasante Entwicklung des internationalen Warenhandels seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war dabei insbesondere das Prinzip der Tarifierung der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen bei gleichzeitig fortschreitender Absenkung des Zollniveaus. Bei der Ein- und Ausfuhr von Waren erkennt das GATT-1994 im Grundsatz allein Zölle und zollgleiche Abgaben als zulässige – so genannte tarifäre – Handelsbeschränkungen an. Nach Art. XI:1 GATT-1994, der mit „Allgemeine Beseitigung von mengenmäßigen Beschränkungen“ überschrieben ist, sind „außer Zöllen, Abgaben und sonstigen Belastungen“ Verbote oder Beschränkungen „in Form von Kontingenten, Einfuhr- und Ausfuhrbewilligungen oder in Form von anderen Maßnahmen“ – vorbehaltlich der Ausnahmebestimmungen in Art. XI:2, XII GATT1994 – unzulässig. Der Begriff der mengenmäßigen Beschränkung wurde von den Streitentscheidungsorganen dabei, gestützt auf die offene Formulierung des Art. XI:1 GATT-1994, von Anfang an in einem sehr weiten Sinn verstanden.2 Diese Vorschrift enthält damit ein allgemeines Verbot unmittelbarer Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, die nicht in der Auferlegung von Zöllen oder zollgleichen Abgaben bestehen.3 Als Ein- oder Ausfuhrbeschränkungen sind dabei allerdings nur Grenzmaßnahmen, d. h. Maßnahmen, die unmittelbar an den Grenzübertritt einer Ware anknüpfen, aufzufassen, nicht hingegen innerstaatliche Maßnahmen.4 Durch diese Tarifierung der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen soll die Transparenz des internationalen Warenhandels erhöht werden. Aus ökonomischer Sicht stellen sich mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. XI:1 GATT-1994 als im Vergleich zu Zöllen und zollgleichen Abgaben schwerwiegendere Handelsverzerrungen dar.5 Da aber auch Zölle und zollgleiche Abgaben eine Beschränkung des internationalen Warenhandels darstellen, sieht Art. XXVIIIbis GATT-1994 vor, dass die WTO-Mitglieder in konsekutiven Verhandlungsrunden auf der Grundlage der Gegenseitigkeit und zum gemeinsamen Nutzen eine wesentliche Herabsetzung des allgemeinen Niveaus der Zölle und sonstiger Ein- und Ausfuhrbeschränkungen 2 Vgl. nur: GATT-Panel, Japan – Trade in Semi-Conductors, L / 6309, vom 24. März 1988, Rn. 104 ff.; WTO-Panel, India – Quantitative Restrictions, WT / DS90 / R, vom 6. April 1999, Rn. 5.128. 3 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 19 ff.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 146 ff. 4 Jackson, World Trade and the Law of GATT, 1969, S. 315. 5 Jackson, The World Trading System, 1997, S. 140; Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 222 f.; Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 18.
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vereinbaren. Im Zuge der – einschließlich der Uruguay-Runde – acht Welthandelsrunden seit Gründung des GATT-1947 konnte im Rahmen solcher Verhandlungen das durchschnittliche Zollniveau insbesondere für Industrieprodukte erheblich gesenkt und damit der Marktzugang für diese Produkte entscheidend erleichtert werden. Die im Rahmen der Verhandlungsrunden jeweils erreichten Zugeständnisse werden in länderspezifischen Konzessionslisten zusammengefasst, die nach Art. II:7 GATT-1994 integraler Bestandteil dieses Abkommens sind. Nach Art. II:1(b) GATT-1994 sind die in der Liste eines WTO-Mitglieds aufgeführten Waren bei der Einfuhr von allen Zöllen befreit, die die in der Liste vorgesehenen Zollsätze übersteigen. Die Konzessionsliste bewirkt also eine Bindung an die ausgehandelten Zollsätze, die nicht mehr überschritten, wohl aber unterschritten werden dürfen. b) Weitere Instrumente zur Liberalisierung des Warenhandels Neben dem Grundsatz der Tarifierung der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen bei gleichzeitig fortschreitender Absenkung des durchschnittlichen Zollniveaus enthält das GATT-1994, ergänzt und modifiziert durch die speziellen Warenhandelsabkommen in Anhang 1A, weitere Instrumentarien zu einer Liberalisierung des Warenhandels. Von besonderer Bedeutung ist insoweit zunächst das Prinzip der Nichtdiskriminierung mit seinen beiden Ausprägungen, der allgemeinen Meistbegünstigung nach Art. I:1 und der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994. Aufgrund der Bedeutung dieser Vorschriften für die welthandelsrechtliche Beurteilung der europäischen Quotenregelungen und Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung werden diese Regelungen in einem eigenen Abschnitt ausführlich dargestellt (dazu 2.). Daneben enthält das GATT-1994 in Verbindung mit den weiteren Übereinkommen in Anhang 1A verschiedene Vorschriften, die Sonderregeln für bestimmte Formen handelsbeschränkender Maßnahmen vorsehen, wie beispielsweise die Regelungen zu Antidumping- und Ausgleichszöllen (Art. VI GATT-1994 in Verbindung mit dem zur Durchführung dieses Artikels vereinbarten Zusatzabkommen) oder zu technischen Handelshemmnissen (vgl. das Übereinkommen über technische Handelshemmnisse). Für die welthandelsrechtliche Beurteilung der europäischen Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung sind insoweit allein die Regelungen zur Zulässigkeit staatlicher Subventionen (Art. XVI GATT-1994 und das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, SCM) relevant, die ebenfalls in einem eigenen Abschnitt ausführlich behandelt werden (dazu 3.).
2. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung im GATT-1994 In der Präambel des WTO-Übereinkommens ebenso wie in der Präambel des GATT-1994 wird die Beseitigung der Diskriminierung in den internationalen Be-
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
ziehungen jeweils gleichrangig neben dem Abbau von Zöllen und anderen Handelsschranken als eine der wesentlichen Zielsetzungen der Welthandelsorganisation genannt (vgl. jeweils den Erwägungsgrund 3). Dieser Zielsetzung entspricht das grundlegende Prinzip der Nichtdiskriminierung, das zwei Elemente enthält: die Meistbegünstigung (principle of most favoured nation treatment) und die Inländerbehandlung (principle of national treatment). Für den Bereich des Warenhandels sind diese Prinzipien grundsätzlich in Art. I:1 GATT-1994 – allgemeine Meistbegünstigung – und Art. III GATT-1994 – Inländerbehandlung – niedergelegt. Daneben finden sich spezielle Ausprägungen des Prinzips der Nichtdiskriminierung auch in zahlreichen Sondervorschriften.6 Nachfolgend werden zunächst die normativen Grundstrukturen der Regelungen zur allgemeinen Meistbegünstigung in Art. I:1 GATT-1994 (dazu a)) und zur allgemeinen Inländerbehandlung in Art. III GATT-1994 (dazu b)) dargestellt. Im Anschluss wird auf den sowohl für die Meistbegünstigung als auch die Inländerbehandlung bedeutsamen Begriff der Gleichartigkeit von Waren eingegangen (dazu c)). a) Das Prinzip der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 Im Grundsatz ordnet das Meistbegünstigungsprinzip in Art. I:1 GATT-1994 die nichtdiskriminierende Behandlung der WTO-Mitgliedstaaten im Bereich des Warenhandels an. Entgegen seiner Bezeichnung handelt das Meistbegünstigungsprinzip also nicht von einer besonders günstigen Behandlung bestimmter Länder, sondern schließt im Gegenteil eine solche Sonderbehandlung grundsätzlich aus. Nach Art. I:1 GATT-1994 a. E. „werden alle Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die eine Vertragspartei für eine Ware gewährt, welche aus einem anderen Land stammt oder für dieses bestimmt ist, unverzüglich und bedingungslos für alle gleichartigen Waren gewährt, die aus den Gebieten der anderen Vertragsparteien stammen oder für diese bestimmt sind.“
Die WTO-Mitglieder sind nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung also verpflichtet, Vergünstigungen aller Art, die sie aus einem bestimmten Land stammenden oder für ein solches bestimmten Waren gewähren, unmittelbar auf alle aus einem anderen WTO-Mitglied stammenden oder für ein solches bestimmten gleichartigen Waren anzuwenden. Dabei erfasst der Grundsatz der Meistbegünstigung nicht nur de jure Diskriminierungen, die bereits formal ihrem Wortlaut nach auf die Herkunft einer Ware abstellen, sondern nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body auch de facto Diskriminierungen, d. h. Maßnahmen, die zwar formal nicht nach der Herkunft einer Ware unterscheiden, aber tatsächlich dazu führen, 6 Spezielle Meistbegünstigungsverpflichtungen finden sich etwa in Vorschriften über interne Mengenbeschränkungen (Art. III:7 GATT-1994), Ursprungsbezeichnungen (Art. IX:1 GATT-1994), Maßnahmen im Zusammenhang mit Staatshandel (Art. XVII:1 lit. a) GATT1994) und über ausnahmsweise zulässige mengenmäßige Beschränkungen (Art. XIII GATT1994).
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dass Waren aus WTO-Mitgliedstaaten gegenüber Waren aus anderen Ländern schlechter gestellt werden.7 Das Meistbegünstigungsprinzip gilt nach Art. 1:1 GATT-1994 zunächst „[b]ei Zöllen und Belastungen aller Art, die anläßlich oder im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr oder bei der internationalen Überweisung von Zahlungen für Einfuhren oder Ausfuhren auferlegt werden, bei dem Erhebungsverfahren für solche Zölle und Belastungen [sowie] bei allen Vorschriften und Förmlichkeiten im Zusammenhang mit der Einfuhr oder Ausfuhr“.
Insoweit kann man das Meistbegünstigungsprinzip als Ergänzung des Konzepts einer Liberalisierung des Warenhandels durch Tarifierung der Ein- und Ausfuhrbeschränkungen bei gleichzeitig fortschreitendem Abbau des durchschnittlichen Zollniveaus begreifen. Insbesondere führt die Geltung des Art. I:1 GATT-1994 für Zölle und zollgleiche Abgaben dazu, dass die WTO-Mitglieder verpflichtet sind, bilateral vereinbarte Zollbedingungen, die günstiger sind als in der jeweiligen Konzessionsliste nach Art. II GATT-1994 vorgesehen, auf die Waren aus sämtlichen WTO-Mitgliedern anzuwenden. Dadurch wird der Liberalisierungseffekt bilateraler Zollvereinbarungen vervielfacht, wovon insbesondere die wirtschaftlich weniger einflussreichen WTO-Mitglieder profitieren, die in bilateralen Verhandlungen eine vergleichsweise schwache Verhandlungsposition haben.8 Des Weiteren findet der Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT1994 Anwendung „bei allen in Artikel III Absätze 2 und 4 behandelten Angelegenheiten“.
Damit gilt das Meistbegünstigungsprinzip also auch für die in diesen Vorschriften näher spezifizierten fiskalischen (Art. III:2 GATT-1994) und nicht-fiskalischen (Art. III:4 GATT-1994) innerstaatlichen Maßnahmen. Die WTO-Mitgliedstaaten sind also auch hinsichtlich interner Maßnahmen, die nicht unmittelbar an den Grenzübertritt einer Ware anknüpfen, verpflichtet, die aus einem anderen WTOMitglied stammenden beziehungsweise für ein solches bestimmten Waren nicht ungünstiger zu behandeln als die entsprechenden aus einem anderen Land stammenden beziehungsweise für ein solches bestimmten Waren. Art. I:1 GATT-1994 verpflichtet die Mitglieder, die von dem Meistbegünstigungsprinzip erfassten Vergünstigungen sämtlichen WTO-Mitgliedern „unverzüglich und bedingungslos“ zu gewähren. In der Praxis bereitet die Prüfung des Erfordernisses der „unverzüglichen“ Gewährung eines Vorteils kaum Schwierigkeiten. Es besagt schlicht, dass die Vergünstigung allen Mitgliedern gleichzeitig 7 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry, WT / DS139, 142 / AB / R, vom 31. Mai 2000, Rn. 78; vgl. dazu eingehend: Ehring, De Facto Discrimination in WTO-Law, 2001. 8 Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 118 f.; vgl. dazu auch: Langer, Grundlagen einer internationalen Wirtschaftsverfassung, 1995, S. 109 ff.
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und ohne Verzögerung zu gewähren ist. Eine zeitliche Differenzierung bei der Weitergabe von Vorteilen ist danach unzulässig.9 Aufgrund des Erfordernisses der „bedingungslosen“ Gewährung der Vergünstigung darf die Gewährung eines Vorteils grundsätzlich nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, die sich nicht unmittelbar auf die Beschaffenheit der betreffenden Ware bezieht.10 b) Das Prinzip der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 Das Prinzip der Inländerbehandlung, das in allgemeiner Form in Art. III GATT-1994 niedergelegt ist, verbietet im Grundsatz die diskriminierende Behandlung von Waren aus einem anderen WTO-Mitglied gegenüber inländischen Waren durch innerstaatliche Maßnahmen. Dabei erfasst das Prinzip der Inländerbehandlung wie das Meistbegünstigungsprinzip (siehe oben a)) nicht nur de jure Diskriminierungen, die Waren aus anderen WTO-Mitgliedern formal schlechter stellen als einheimische Waren, sondern auch bloße de facto Diskriminierungen, die ohne formale Unterscheidung tatsächlich zu einer ungünstigeren Behandlung von Waren aus anderen WTO-Mitgliedern führen.11 Insoweit kann auch das Prinzip der Inländerbehandlung als Ergänzung des Grundsatzes der Tarifierung der Handelsbeschränkungen aufgefasst werden. Es soll verhindern, dass innerstaatliche Maßnahmen eingesetzt werden, um – zusätzlich zu den tarifären Handelshemmnissen beim Grenzübergang in Form von Zöllen und zollgleichen Abgaben – weitere Handelsbeschränkungen zu bewirken, die die multilateral ausgehandelten Zollzugeständnisse faktisch bedeutungslos machen könnten.12 Die normative Struktur des Art. III GATT-1994 ist auf den ersten Blick nicht ohne weiteres offenkundig. Einigkeit besteht zunächst darüber, dass Art. III:1 GATT-1994, wonach innerstaatliche Maßnahmen „nicht derart angewendet werden sollen, daß die inländische Erzeugung geschützt wird“,
keinen eigenständigen Tatbestand der Inländerbehandlung enthält. Die einzelnen Tatbestände der allgemeinen Inländerbehandlung sind vielmehr in Art. III:2, 4 GATT-1994 niedergelegt, bei deren Auslegung und Anwendung allerdings auf die Regelung des Art. III:1 GATT-1994 Bezug zu nehmen ist.13
Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 95. WTO-Panel, Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry, WT / DS54 / R, vom 2. Juli 1998, Rn. 14.143; vgl. dazu im Einzelnen: Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 120 ff. 11 WTO Appellate Body, Korea – Measures Affecting Imports of Fresh, Chilled and Frozen Beef, WT / DS161, 169 / AB / R vom 11. Dezember 2000, Rn. 137. 12 Stoll / Schorkopf, WTO, Rn. 134; Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 127 f.; Jackson, 10 Michigan Journal of International Law 1989, 207, 209. 13 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 50; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 511; WTO Appellate Body, European Communities – Measures Affecting 9
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aa) Innerstaatliche fiskalische Maßnahmen nach Art. III:2 GATT-1994 Die Zulässigkeit innerstaatlicher fiskalischer Maßnahmen richtet sich nach Art. III:2 GATT. Nach Art. III:2 S. 1 GATT-1994 „[dürfen] Waren, die aus dem Gebiet einer Vertragspartei in das Gebiet einer anderen Vertragspartei eingeführt werden, [ . . . ] weder direkt noch indirekt höheren inneren Abgaben oder sonstigen Belastungen unterworfen werden als gleichartige inländische Waren.“
Und nach Art. III:2 S. 2 GATT-1994 „[ . . . ] darf eine Vertragspartei [auch sonst] innere Abgaben oder sonstige Belastungen auf eingeführte oder inländische Waren nicht in einer Weise anwenden, die den Grundsätzen des Absatzes 1 widerspricht.“
Diese Regelung des Art. III:2 S. 2 GATT-1994 wird durch die Bestimmungen in Anlage I des GATT-1994 dahingehend ergänzt, dass „[e]ine Abgabe, die dem Absatz 2 Satz 1 entspricht, [ . . . ] nur dann als mit Satz 2 unvereinbar [gilt], wenn die belastete Ware mit einer anderen unmittelbar konkurrierenden oder zum gleichen Zweck geeigneten, aber nicht mit einer ähnlichen Abgabe belasteten Ware im Wettbewerb steht.“
Art. III:2 GATT-1994 enthält damit hinsichtlich der Zulässigkeit interner Abgaben und sonstiger Belastungen zwei voneinander zu unterscheidende Tatbestände für gleichartige Waren im Sinne des Art. III:2 S. 1 GATT-1994 einerseits und für unmittelbar konkurrierende oder substituierbare Waren im Sinne des Art. III:2 S. 2 GATT-1994 in Verbindung mit Anlage I andererseits. Bedeutung hat diese Unterscheidung zunächst hinsichtlich der erforderlichen Erheblichkeit der Ungleichbehandlung. Im Rahmen des Art. III:4 S. 1 GATT-1994 ist nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body jede höhere Belastung von Waren aus anderen WTO-Mitgliedern unzulässig.14 Im Rahmen des Art. III:4 S. 2 gilt aufgrund der einschränkenden Formulierung in Anlage I hingegen eine Bagatellgrenze.15 Da Art. III:2 S. 2 GATT-1994 ausdrücklich auf die Regelung des Art. III:1 GATT-1994 Bezug nimmt, geht das Appellate Body darüber hinaus davon aus, dass im Rahmen dieser Vorschrift zusätzlich zu prüfen ist, ob die fragliche Maßnahme nach ihrer Zielsetzung und ihren tatsächlichen Auswirkungen („aim Asbestos and Asbestos-Containing Products, WT / DS135 / AB / R, vom 12. März 2001, Rn. 93 ff.; WTO Appellate Body, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS8, 10, 11 / AB / R, vom 4. Oktober 1996, Abschnitt G. 14 WTO Appellate Body, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS8, 10, 11 /AB / R, vom 4. Oktober 1996, Abschnitt H.1.b). 15 WTO Appellate Body, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS8, 10, 11 / AB / R, vom 4. Oktober 1996, Abschnitt H.2.b); GATT-Panel, Japan – Customs Duties, Taxes and Labelling Practices on Imported Wines and Alcoholic Beverages, L / 6216, vom 10. November 1987, Rn. 5.11.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
and effects“) auf den Schutz der inländischen Erzeugung im Sinne des Art. III:1 GATT-1994 angelegt ist. Da sich in Art. III:2 S. 1 GATT-1994 ein Verweis auf Art. III:1 GATT-1994 nicht findet, lehnt das Appellate Body eine eigenständige Prüfung der protektionistischen Natur der fraglichen Maßnahme im Sinne des Art. III:1 GATT-1994 in diesem Zusammenhang hingegen ab.16 bb) Innerstaatliche nicht-fiskalische Maßnahmen nach Art. III:4 GATT-1994 Die Zulässigkeit innerstaatlicher nicht-fiskalischer Maßnahmen ist in Art. III:4 GATT-1994 geregelt. Nach Art. III:4 GATT-1994 „[dürfen] Waren, die aus dem Gebiet einer Vertragspartei in das Gebiet einer anderen Vertragspartei eingeführt werden, [ . . . ] hinsichtlich aller Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften über den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland keine weniger günstige Behandlung erfahren als gleichartige Waren inländischen Ursprungs.“
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die deutsche Übersetzung einen missverständlichen Eindruck vom Anwendungsbereich des Grundsatzes der Inländerbehandlung bei nicht-fiskalischen innerstaatlichen Maßnahmen vermittelt. In der Übersetzung legt der Wortlaut des Art. III:4 S. 1 GATT-1994 nahe, dass nur Vorschriften erfasst werden, die unmittelbar und final den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, Verteilung oder Verwendung von Waren regeln. Demgegenüber stellt die englische Originalfassung auf „all laws, regulations and requirements affecting their [the products’] internal sale, offering for sale, purchase, transportation, distribution or use“
ab. Darin wird deutlich, dass es allein auf die tatsächlichen Auswirkungen der innerstaatlichen Maßnahme und nicht auf ihren ausdrücklichen und unmittelbaren Regelungsgegenstand ankommt.17 Die GATT- und WTO-Streitentscheidungsorgane haben von Beginn an ein sehr weites Verständnis dieses Tatbestandsmerkmals zugrundegelegt. Zunächst reicht es nach der Entscheidungspraxis aus, wenn eine innerstaatliche Maßnahme lediglich potentiell oder indirekt Auswirkungen auf den Handel mit einer bestimmten Ware hat.18 Des Weiteren wird die Aufzählung in Art. III:4 GATT-1994 nicht als abschließend verstanden. Unter Bezugnahme auf die Vorschrift des Art. III:1 GATT-1994, wonach innerstaatliche Maßnahmen nicht in einer Weise angewendet werden dürfen, dass die inländische Erzeugung geschützt wird, haben die Streitentscheidungsorgane schon früh auf den Oberbegriff der Wettbewerbsbedingungen 16 WTO Appellate Body, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS8, 10, 11 / AB / R, vom 4. Oktober 1996, Abschnitt H.1. 17 Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 70 f. 18 Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 150 m. w. N.
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abgestellt.19 Damit dürfen nach Art. III:4 S. 1 GATT-1994 Waren aus einem WTOMitgliedstaat hinsichtlich innerstaatlicher wettbewerbsrelevanter Vorschriften grundsätzlich nicht schlechter behandelt werden als gleichartige Waren inländischen Ursprungs. Da die Regelung des Art. III:4 GATT-1994 nicht ausdrücklich auf Art. III:1 GATT-1994 Bezug nimmt, lehnt das Appellate Body wie bei Art. III:2 S. 1 GATT-1994 eine zusätzliche Prüfung der protektionistischen Natur der Maßnahme im Sinne des Art. III:1 GATT-1994 ab.20
c) Der Begriff der Gleichartigkeit der Waren Das Merkmal der Gleichartigkeit der Waren bestimmt maßgeblich die Anwendungsbereiche sowohl des Grundsatzes der Meistbegünstigung (Art. I:1 GATT1994) als auch der Tatbestände der allgemeinen Inländerbehandlung (Art. III:2 S. 1, 4 S. 1 GATT-1994). Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann nur angenommen werden, wenn eine rechtlich oder tatsächlich diskriminierende Ungleichbehandlung der Waren aus einem WTO-Mitglied gerade im Verhältnis zu gleichartigen Waren aus einem anderen Land – im Falle der Meistbegünstigung – beziehungsweise im Verhältnis zu gleichartigen inländischen Waren – im Falle der Inländerbehandlung – besteht. Der Begriff der gleichartigen Waren findet sich darüber hinaus in zahlreichen weiteren Vorschriften des Welthandelsrechts, wie etwa in Art. II:2(a), VI:1, 4, IX:1, 2(c), XIII:1, XVI:4, XIX:1 GATT-1994. Dabei ist der welthandelsrechtliche Begriff der gleichartigen Ware an keiner Stelle ausdrücklich definiert. Die Konkretisierung dieses Begriffs war damit in der Praxis den Streitentscheidungsorganen überlassen. Diese bestimmen die Gleichartigkeit von Waren grundsätzlich im Rahmen einer einzelfallbezogenen Betrachtung ausgehend von den so genannten Border-Tax-Kriterien, die im Jahr 1970 von einer GATT-Arbeitsgruppe entwickelt wurden. Danach sind bei der Prüfung der Gleichartigkeit von Waren insbesondere (1) die Eigenschaften, die Natur und die Qualität der Ware, (2) der Endzweck der Ware, (3) der Verbrauchergeschmack und die Verbrauchergewohnheiten sowie (4) die Zolltarifklassifikation zu berücksichtigen.21 Dabei geht das Appellate Body allerdings davon aus, dass den verschiedenen welthandelsrechtlichen Vorschriften kein einheitlicher Begriff der gleichartigen Ware zugrundeliegt, sondern dessen Umfang jeweils im Einzelfall unter Berücksichtigung der konkret einschlägigen Regelung zu bestimmen ist: 19 GATT-Panel, United Kingdom Complaint on Italian Discrimination against Imported Agricultural Machinery, L / 833, vom 15. Juli 1958, Rn. 12; Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 71; Lal Das, The World Trade Organisation, 1999, S. 33; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 517. 20 WTO Appellate Body, European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT / DS27 / AB / R, vom 9. September 1997, Rn. 216. 21 GATT, Report of Working Party on Border Tax Adjustment, L / 3464, vom 20. November 1970, Rn. 18.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels „The concept of ,likeness‘ is a relative one that evokes the image of an accordion. The accordion of ,likeness‘ stretches and squeezes in different places as different provisions of the WTO Agreement are applied. The width of the accordion in any one of those places must be determined by the particular provision in which the term ,like‘ is encountered as well as by the context and the circumstances that prevail in any given case to which that provision may apply.“22
Die Notwendigkeit einer solchen differenzierenden Betrachtung zeigt sich insbesondere bei einem Vergleich der Regelungen in Art. III:2 und III:4 GATT-1994. Hinsichtlich innerer Abgaben und sonstiger Belastungen wird im Rahmen des Art. III:2 GATT-1994 – wie gezeigt – zwischen gleichartigen Waren und unmittelbar konkurrierenden oder substituierbaren Waren unterschieden. Nach Art. III:2 S. 1 GATT-1994 ist gegenüber gleichartigen inländischen Waren jede direkt oder indirekt höhere Belastung der Waren aus einem WTO-Mitglied unzulässig. Nach Art. III:2 S. 2 GATT-1994 ist die Anwendung innerer Abgaben und Belastungen darüber hinaus unzulässig, wenn sie den Grundsätzen des Art. III:1 GATT-1994 widerspricht. Dies ist nach der Erläuterung in Anlage I zum GATT-1994 nur der Fall, wenn die belastete Ware mit einer unmittelbar konkurrierenden oder substituierbaren inländischen Ware im Wettbewerb steht, die nicht mit einer ähnlichen Abgabe belastet ist. Das Appellate Body geht daher zu Recht davon aus, dass im Rahmen des Art. III:2 GATT-1994 die gleichartigen Waren im Sinne des S. 1 als Unterfall der im Wettbewerb stehenden unmittelbar konkurrierenden oder substituierbaren Waren im Sinne des S. 2 anzusehen sind: „,Like‘ products are a subset of directly competitive or substitutable products: all like products are, by definition, directly competitive or substitutable products, whereas not all ,directly competitive or substitutable‘ products are ,like‘.“23
Dementsprechend legt das Appellate Body bei der Anwendung des Art. III:2 S. 1 GATT-1994 ein enges Verständnis der Gleichartigkeit von Waren zugrunde,24 die somit in diesem Kontext nicht in jedem Fall schon bei Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen Waren aus einem WTO-Mitglied und inländischen Waren angenommen werden kann. Auch bei der Auslegung des Begriffs der unmittelbar konkurrierenden oder substituierbaren Waren im Rahmen des Art. III:2 S. 2 GATT-1994 in Verbindung mit Anlage I stellen die Streitentscheidungsorgane in Übereinstimmung mit den oben dargestellten Border-Tax-Kriterien auf die physischen Charakteristika, die übliche Endverwendung sowie die Tarifklassifizierung der Waren ab. Dabei hat das Appellate Body aber darauf hingewiesen, dass es bei der Prüfung, ob zwei Waren unmit22 WTO Appellate Body, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS8, 10, 11 / AB / R, vom 4. Oktober 1996, Abschnitt H.1.a). 23 WTO Appellate Body, Korea – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS75, 84 / AB / R, vom 18. Januar 1999, Rn. 118. 24 WTO Appellate Body, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS8, 10, 11 / AB / R, vom 4. Oktober 1996, Abschnitt H.1.a).
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telbar konkurrieren oder substituierbar sind, nach den Erläuterungen in Anlage I zu Art. III:2 S. 2 GATT-1994 entscheidend darauf ankommt, ob diese Waren miteinander in einem Wettbewerbsverhältnis stehen, d. h. ob sie aus Sicht der Endverbraucher gegeneinander austauschbar sind.25 Dabei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die Vorgehensweise des Appellate Body nicht mit der auch aus den nationalen Rechtsordnungen bekannten Methodik der wettbewerbsrechtlichen Marktabgrenzung gleichgesetzt werden kann. Vielmehr ist es nach der Spruchpraxis der Streitentscheidungsorgane aufgrund der unterschiedlichen Regelungszwecke des Wettbewerbsrechts einerseits und des internationalen Handelsrechts andererseits gerechtfertigt, im Rahmen des Art. III:2 S. 2 GATT-1994 unter Umständen eine weitere Marktabgrenzung – unter Berücksichtigung potentieller Wettbewerbsverhältnisse – vorzunehmen als nach Maßgabe des Wettbewerbsrechts.26 Hinsichtlich der nicht-fiskalischen innerstaatlichen Maßnahmen sieht Art. III:4 GATT-1994 eine solche Unterscheidung zwischen gleichartigen Waren einerseits und unmittelbar konkurrierenden oder substituierbaren Waren andererseits nicht vor. Daher entfällt im Rahmen des Art. III:4 GATT-1994 die Notwendigkeit einer einschränkenden Auslegung der Gleichartigkeit von Waren. Vielmehr ist der Begriff in diesem Kontext nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body in einer Weise auszulegen, die dem in Abs. 1 zum Ausdruck kommenden Regelungszweck des Art. III GATT-1994, den Schutz der inländischen Produktion durch wettbewerbsverzerrende innerstaatliche Maßnahmen zu unterbinden, Rechnung trägt. Mit dem Regelungszweck des Art. III:1 GATT-1994 wäre es nicht vereinbar, wenn die WTO-Mitgliedstaaten aufgrund eines signifikant engeren Anwendungsbereichs des Art. III:4 gegenüber Art. III:2 GATT-1994 die Möglichkeit hätten, Wettbewerbsverzerrungen für inländische Waren, die in Form von fiskalischen Maßnahmen durch Art. III:2 GATT-1994 untersagt werden, im Ergebnis durch nichtfiskalische Maßnahmen zu erreichen. Im Rahmen des Art. III:4 GATT-1994 ist daher von einem gegenüber Art. III:2 S. 1 GATT-1994 weiteren Begriff der Gleichartigkeit von Waren auszugehen, der primär auf das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Waren abstellt: „As products that are in a competitive relationship in the marketplace could be affected through treatment of imports ,less favourable‘ than the treatment accorded to domestic products, it follows that the word ,like‘ in Article III:4 is to be interpreted to apply to products that are in such a competitive relationship.“27 25 WTO Appellate Body, Japan – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS8, 10, 11 / AB / R, vom 4. Oktober 1996, Abschnitt H.2.a). 26 WTO-Panel, Korea – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS75, 84 / R, Rn. 10.81.; WTO Appellate Body, Korea – Taxes on Alcoholic Beverages, WT / DS75.84 / AB / R, vom 18. Januar 1999, Rn. 114 ff.; vgl.: Gerhart / Baron, 14 Indiana International and Comparative Law Review 2004, 505, 532 f.; kritisch zu dieser Entscheidung: Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 132 ff.; Emch, 32 Legal Issues of Economic Integration 2005, 369, 376 ff., 382 ff.; vgl. auch: Goco, 40 Journal of World Trade 2006, 315, 322 ff. 27 WTO Appellate Body, European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, WT / DS135 / AB / R, vom 12. März 2001, Rn. 99.
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Dabei hat das Appellate Body offengelassen ob der Begriff der Gleichartigkeit in Art. III:4 GATT-1994 exakt deckungsgleich ist mit dem gemeinsamen Bedeutungsgehalt der Begriffe der gleichartigen sowie der unmittelbar konkurrierenden oder substituierbaren Waren in Art. III:2 S. 1, 2 GATT-1994. Es hat lediglich klargestellt, dass der Anwendungsbereich des Art. III:4 GATT-1994 jedenfalls nicht über den kombinierten Anwendungsbereich der Sätze 1 und 2 des Art. III:2 GATT1994 hinausgehen kann.28 Hinsichtlich des Grundsatzes der Meistbegünstigung ist die ältere Streitentscheidungspraxis davon ausgegangen, dass aus dem Umstand, dass in Art. I:1 GATT1994 nur auf gleichartige, nicht aber auf unmittelbar konkurrierende oder substituierbare Waren Bezug genommen wird, folgt, dass der Anwendungsbereich des Meistbegünstigungsgrundsatzes gegenüber der Regelung des Art. III:2 GATT1994 enger ist.29 Darüber hinaus haben die Streitentscheidungsorgane in der Vergangenheit im Rahmen des Art. I:1 GATT-1994 bei der Beurteilung der Gleichartigkeit von Waren der Zolltarifklassifikation eine gegenüber anderen Gesichtspunkten hervorgehobene Bedeutung zugemessen.30 Für eine solche differenzierende Betrachtungsweise wird insbesondere angeführt, dass Sinn und Zweck der Regelungen in Art. I:1 GATT-1994 einerseits und Art. III GATT-1994 andererseits nicht identisch sind. Während Art. III GATT-1994 sicherstellen soll, dass die inländische Produktion nicht über die multilateral vereinbarten Zollbedingungen hinaus gegen Konkurrenz aus den WTO-Mitgliedstaaten geschützt wird, soll Art. I:1 GATT-1994 im Wesentlichen garantieren, dass Produkte aus WTO-Mitgliedern nicht schlechter behandelt werden als entsprechende Produkte aus einem anderen Land. Die effektive Umsetzung des Regelungszwecks des Art. III GATT-1994 setzt daher die Anwendung dieser Vorschrift in allen Fällen voraus, in denen Waren aus WTO-Mitgliedern mit inländischen Waren in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Dies gilt für die Regelung des Art. I:1 GATT-1994 nicht in gleichem Maße.31 Dennoch erscheint angesichts der neueren Entscheidungspraxis zu Art. III:4 GATT-1994 zweifelhaft, ob dieses einschränkende Verständnis des Begriffs der 28 WTO Appellate Body, European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, WT / DS135 / AB / R, vom 12. März 2001, Rn. 100; insoweit ungenau: Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 151 und Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 47. 29 GATT-Panel, EEC Measures on Animal Feed Proteins, L / 4599, vom 2. Dezember 1977, Rn. 4.2, 4.20; vgl. auch: WTO-Panel, Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry, WT / DS54 / R, vom 2. Juli 1998, Rn. 14.141. 30 Vgl. beispielsweise GATT-Panel, EEC Measures on Animal Feed Proteins, L / 4599, vom 2. Dezember 1977, Rn. 4.2; GATT-Panel, Canada / Japan: Tariff on Imports of Spruce, Pine, Fir (SPF) Dimension Lumber, L / 6470, vom 26. April 1989, Rn. 5.11 ff.; GATT-Panel, Spain – Tariff Treatment of Unroasted Coffee, L / 5135, vom 27. April 1981, Rn. 4.7 ff.; dazu eingehend: Davey / Pauwelyn, MFN Unconditionality, in: Cottier / Mavroidis, Regulatory Barriers and the Principle of Non-Discrimination in World Trade Law, 2000, 13 ff. 31 Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 119; vgl. auch: Lal Das, The World Trade Organisation, 1999, S. 34.
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Gleichartigkeit der Waren im Rahmen des Art. I:1 GATT-1994 aufrechtzuerhalten ist. In der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass auch bei der Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes nunmehr grundsätzlich von dem zu Art. III:4 GATT-1994 entwickelten weiten Verständnis des Gleichartigkeitsbegriffs auszugehen ist32 und bei der einzelfallbezogenen Beurteilung nicht primär auf die Zolltarifklassifikation abgestellt werden kann, sondern eine umfassende, kumulativ von den Border-Tax-Kriterien ausgehende Prüfung zu erfolgen hat.33 Nach meiner Einschätzung erscheint die Annahme eines gegenüber Art. III GATT-1994 eingeschränkten Anwendungsbereichs des Art. I:1 GATT-1994 zumindest insoweit nicht überzeugend, als Art. I:1 GATT-1994 über die ausdrückliche Verweisung auf Art. III:2, 4 GATT-1994 auch für innerstaatliche Maßnahmen gilt.
3. Subventionsrechtliche Regelungen im Bereich des Warenhandels a) Die Entwicklung der subventionsrechtlichen Regelungen im Bereich des Warenhandels Welthandelsrechtliche Vorschriften zur Regelung von Subventionen im Bereich des Warenhandels fanden sich erstmals in Art. XVI und VI des GATT-1947. Dabei verzichteten die Vertragsparteien des GATT-1947 jedoch auf eine ausdrückliche Definition des Begriffs der Subvention, sondern verließen sich auf den Grundsatz „I know one, when I see one“.34 Nach Art. XVI Abschnitt A GATT-1947 waren Subventionen zu notifizieren, die unmittelbar oder mittelbar die Wirkung haben, die Ausfuhr einer einheimischen Ware zu steigern oder die Einfuhr einer ausländischen Ware zu vermindern. Und im Falle der Feststellung, dass eine solche Subvention zu einer ernsthaften Schädigung der Interessen einer Vertragspartei führt oder zu führen droht, waren die Vertragsparteien zu einer Erörterung verpflichtet. Im Rahmen der Revision des GATT-1947 im Jahr 1955 wurde der Art. XVI um einen Abschnitt B ergänzt, der Sonderregeln für Ausfuhrsubventionen vorsah und dabei zwischen Ausfuhrsubventionen für Grundstoffe und solchen für andere Waren differenzierte. In der Praxis erwiesen sich diese Regelungen jedoch als weitgehend wirkungslos.35 Diese Regelungen zur Zulässigkeit von Subventionen wurden ergänzt durch die Regelung des 32 Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 124; Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 30; Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 94. 33 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 61, Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 94. 34 Collins-Williams / Salembier, 30 Journal of World Trade 1996, 5, 6. 35 Trebilcock / Howse, The Regulation on International Trade, 2005, S. 263; Rivers / Greenwald, 11 Law and Policy in International Business 1979, 1447, 1460; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 4.
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Art. VI:3 GATT-1947. Danach waren die Vertragsparteien berechtigt, auf die Ausfuhr von subventionierten Waren Ausgleichszölle in der Höhe der geschätzten Subventionierung der Ware im Ursprungs- oder Ausfuhrland zu erheben. Allerdings fehlte es insoweit an klaren Vorgaben für die Feststellung nachteiliger Auswirkungen der Subventionierung auf die Wirtschaft des Einfuhrlandes. Daher konnte durch die Vorschrift des Art. VI GATT-1947 die Praxis der Vertragsparteien bei der Erhebung von Ausgleichszöllen keiner effektiven Kontrolle unterworfen werden.36 Ein erster Versuch, diese Unzulänglichkeiten der subventionsrechtlichen Regeln des GATT-1947 zu beheben, wurde im Rahmen der Tokio-Runde (1973 – 79) unternommen. Nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen wurde im Jahr 1979 schließlich das Agreement on the Interpretation and Application of Articles VI, XVI and XXIII of the General Agreement on Tariffs and Trade, der so genannte Tokio-Subventionskodex, angenommen.37 DerTokio-Subventionskodex enthielt zunächst Regelungen zu den Voraussetzungen der Erhebung von Ausgleichszöllen durch die Vertragsparteien („track I“), die in prozeduraler und materieller Hinsicht über die Regelungen in Art. VI:3, 6(a) GATT-1947 hinausgingen. Daneben enthielt der Tokio-Subventionskodex auch weitergehende Regeln zum Abbau den internationalen Warenhandel beeinträchtigender Subventionen („track II“). Trotz dieser Neuregelungen blieb die praktische Wirksamkeit des Tokio-Subventionskodex allerdings sehr begrenzt. Dies lag zum einen daran, dass viele Entwicklungsländer aufgrund der weiterhin differenzierenden Behandlung von Grundstoffen und anderen Produkten eine Ratifikation ablehnten. Darüber hinaus erwiesen sich die Regelungen aufgrund der weiter fehlenden Definition des Subventionsbegriffs und der mangelhaften Effizienz des Streitbeilegungsverfahrens als nur schwer durchsetzbar.38 Aufgrund dieser auch nach Schaffung des Tokio-Subventionskodex weiter bestehenden Unzulänglichkeiten unternahmen die GATT-Vertragsparteien im Rahmen der Uruguay-Runde einen erneuten Anlauf zur Schaffung eines verfeinerten und effizienteren Subventionsregimes im Bereich des Warenhandels. Die Verhandlungen waren dabei wie schon in der Tokio-Runde von großen Interessengegensätzen geprägt. Während insbesondere die USA eine wirksame Kontrolle staatlicher Subventionen anstrebten, ging es zahlreichen anderen Ländern primär um eine Kontrolle der US-amerikanischen Ausgleichsmaßnahmen.39 Trotz dieser schwierigen Ausgangslage konnte im Rahmen der Uruguay-Runde schließlich das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (Agreement on Subsidies and Countervailing Measures, SCM) abgeschlossen werden. Dieses ist dem WTO-Übereinkommen im Anhang 1A als eines der multilateralen – und damit Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 5. Vgl. dazu ausführlich: Lehmann, Produktionssubventionen im Ausgleichszollrecht, 1990, S. 32 ff., 50 ff., 119 ff. 141 ff., 238 ff. 38 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 12 Rn. 7. 39 Vgl. dazu: Collins-Williams / Salembier, 30 Journal of World Trade 1996, 5 ff. 36 37
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gem. Art. II:2 WTO-Übereinkommen für alle WTO-Mitglieder verbindlichen – Übereinkommen betreffend den Warenhandel beigefügt. Neben dieser nunmehr umfassenden Verbindlichkeit stellt das SCM, das insbesondere erstmals eine verbindliche Definition des Subventionsbegriffs enthält, gegenüber dem Tokio-Subventionskodex auch inhaltlich eine entscheidende Weiterentwicklung dar, dessen Effektivität im Übrigen durch die Reformierung des Streitbeilegungsverfahren gestützt wird.40 Nicht vollständig geklärt ist das Verhältnis des SCM zu den Regelungen der Art. XVI und VI GATT-1947, die unverändert Eingang auch in das GATT-1994 gefunden haben.41 Da die Regelungen des SCM jedoch bei weitem ausführlicher sind als die subventionsrechtlichen Vorschriften im GATT-1994, wird man davon ausgehen können, dass dem SCM zumindest praktisch weitgehender Vorrang zukommt.42 Im Falle eines Widerspruchs zwischen den Regelungen des SCM einerseits und den Art. XVI und VI GATT-1994 andererseits ist nach der Allgemeinen Auslegungsregel zu Anhang 1A das SCM maßgeblich.43
b) Das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen aa) Überblick Den Regelungen des SCM liegt der sog. „traffic light approach“ zugrunde, der schon im Rahmen der Tokio-Runde diskutiert wurde, aber erst in den Verhandlungen der Uruguay-Runde tatsächlich umgesetzt werden konnte.44 Danach werden drei Kategorien von Subventionen unterschieden: verbotene Subventionen (Teil II des SCM – „red light“), anfechtbare Subventionen (Teil III des SCM – „yellow light“) und nichtanfechtbare Subventionen (Teil IV des SCM – „green light“). Allerdings galten die Regelungen des Teil IV, die bestimmte Forschungs-, Regionalund Umweltsubventionen betrafen, nach Art. 31 S. 1 SCM zunächst nur für einen Zeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens. Da ein Beschluss nach Art. 31 S. 2 SCM über eine Verlängerung ihrer Geltungsdauer nicht gefasst wurde, sind die Vorschriften über nichtanfechtbare Subventionen zum 1. Januar 2000 außer Kraft getreten. Damit unterfallen nunmehr auch diese bisher privilegierten Formen der Subventionierung ohne Einschränkung den Regelungen über anfechtbare Subventionen nach Teil III des SCM.45 40 Zu einer Bewertung des SCM aus US-amerikanischer Sicht vgl.: Rosenthal / Vermylen, 31 Law and Policy in International Business 2000, 871 ff. 41 Vgl. dazu: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 14 ff. 42 Jackson, The World Trading System, 1997, S. 290. 43 Vgl. auch: WTO Appellate Body, Brazil – Measures Affecting Desiccated Coconut, WT / DS22 / AB / R, vom 21. Februar 1997, Abschnitt IV.C. 44 Jackson, The World Trading System, 1997, S. 290.
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Den Regelungen zur Behandlung der verschiedenen Subventionskategorien vorangestellt finden sich in Teil I des SCM allgemeine Bestimmungen zum Begriff der Subvention (Art. 1 SCM) und zum Begriff der Spezifität (Art. 2 SCM). Die Bedeutung dieser Regelungen für die verschiedenen Kategorien von Subventionen ergibt sich aus Art. 1.2 SCM. Danach ist Voraussetzung für die Anwendung der Regelungen über verbotene Subventionen (Teil II) lediglich das Vorliegen einer Subvention im Sinne des Art. 1 SCM; es ist also nicht erforderlich, dass es sich um eine spezifische Subvention nach Art. 2 SCM handelt. Die Regelungen über anfechtbare Subventionen (Teil III) finden demgegenüber nur Anwendung, sofern eine Subvention im Sinne des Art. 1 SCM vorliegt, die nach Art. 2 SCM spezifisch ist. Vergleichbar dem Ansatz des Tokio-Subventionskodex sieht auch das SCM mit den in Art. 4 und 7 SCM für verbotene beziehungsweise anfechtbare Subventionen geregelten Abhilfemaßnahmen einerseits und den Ausgleichsmaßnahmen nach Teil V des SCM andererseits zwei verschiedene Mechanismen vor, den wettbewerbsverzerrenden Wirkungen von Subventionen zu begegnen. Die Abhilfemaßnahmen nach Art. 4 und 7 SCM regeln in Weiterentwicklung des so genannten „track II“ des Tokio-Subventionskodex ein beschleunigtes Streitbeilegungsverfahren, mit dem die WTO-Mitglieder die Beseitigung welthandelsrechtswidriger Subventionen betreiben können. Wird das Vorliegen einer verbotenen Subvention nach Art. 4.7 SCM beziehungsweise einer unzulässigen anfechtbaren Subvention nach Art. 7.8 SCM festgestellt, ist das subventionsgewährende WTO-Mitglied verpflichtet, die Subventionsgewährung einzustellen oder die Subventionspraxis entsprechend umzugestalten. Eine Pflicht zur Rückforderung bereits gezahlter Subventionen kennt das Welthandelsrecht hingegen nicht.46 Neben diesem beschleunigten Streitbeilegungsverfahren haben die WTO-Mitglieder die Möglichkeit, unter den Voraussetzungen des Teil V des SCM, dessen Vorschriften zu weiten Teilen dem so genannten „track I“ des Tokio-Subventionskodex entsprechen, den wettbewerbsverzerrenden Wirkungen unzulässiger Subventionen durch die Erhebung von Ausgleichszöllen entgegenzuwirken. Diese Regelungen über Ausgleichsmaßnahmen finden sowohl auf verbotene als auch auf anfechtbare Subventionen Anwendung. Zwar ist nach Art. 1.2 SCM Voraussetzung für die Anwendung der Regelungen des Teil V des SCM das Vorliegen einer spezifischen Subvention im Sinne der Art. 1, 2 SCM, während nach den obigen Ausführungen eine verbotene Subvention nicht notwendiger Weise spezifisch sein muss. Doch bestimmt in diesem Zusammenhang Art. 2.3 SCM, dass nach Art. 3 SCM verbotene Subventionen immer als spezifische Subventionen gelten. Im Zuge der Doha-Runde finden im Rahmen der Arbeitsgruppe „WTO Rules“ auch Verhandlungen über eine Weiterentwicklung und Verbesserung der Vorschrif45 Trebilcock / Howse, The Regulation of International Trade, 2005, S. 269; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 27. 46 Näher dazu: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 104 ff.
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ten des SCM statt.47 Bisher haben diese Verhandlungen jedoch keine konkreten Ergebnisse in Form eines Entwurfs für eine überarbeitete Fassung des SCM hervorgebracht.48 bb) Der Anwendungsbereich des SCM Wie bereits ausgeführt, ist das SCM dem WTO-Übereinkommen als Teil des Anhangs 1A – Multilaterale Übereinkommen zum Warenhandel – beigefügt. Damit gelten die Regelungen des SCM ausschließlich für den Handel mit Waren, nicht aber für den Handel mit Dienstleistungen, für den vielmehr die Regelungen des GATS maßgeblich sind. Bei der Unterscheidung, ob eine Maßnahme den Handel mit Waren oder den Handel mit Dienstleistungen betrifft, ist auf die Person des Subventionsempfängers abzustellen. Soweit es sich um einen Anbieter von Waren handelt, betrifft die Subvention den Warenhandel und ist das SCM somit anwendbar; unanwendbar ist das SCM hingegen, soweit der Begünstigte Dienstleistungen anbietet.49 Vom Anwendungsbereich des SCM weitgehend ausgenommen sind des Weiteren Subventionen im Agrarbereich, für die das Übereinkommen über die Landwirtschaft ein Sonderregime vorsieht.50 cc) Die Definition des Subventionsbegriffs in Art. 1 SCM (1) Überblick Mit der Regelung des Art. 1.1 enthält das SCM erstmals eine verbindliche und detaillierte Definition des welthandelsrechtlichen Subventionsbegriffs. Wie bereits ausgeführt, stellt dies eine der wichtigsten Weiterentwicklungen des im Rahmen der Uruguay-Runde ausgehandelten SCM gegenüber dem Tokio-Subventionskodex von 1979 dar. Die Verhandlungen über die Definition des Subventionsbegriffs waren dabei in besonderem Maße von den Interessengegensätzen der verschiedenen WTO-Mitglieder geprägt. So drangen insbesondere die Vereinigten Staaten auf einen möglichst weiten, allein auf die Gewährung eines Vorteils durch eine staatliche Maßnahme abstellenden Subventionsbegriff, um auch Mindestpreisregelungen und so genannte „regulatorische Subventionen“ erfassen zu können,51 konnten sich mit diesem Ansatz aber letztlich nicht durchsetzen. WTO, Ministerial Declaration vom 14. November 2001, WT / MIN(01) / DEC / 1, Rn. 28. WTO, Negotiating Group on Rules, Report by the Chairman to the Trade Negotiations Committee vom 27. Juli 2006, TN / RL / 19, Rn. 4. 49 Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 162. 50 Vgl. dazu: Jessen, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 19; Prieß / Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.2. 51 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 12 Rn. 12. 47 48
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Die Definition des Art. 1.1 SCM enthält vielmehr einen zweigliedrigen Subventionsbegriff, der voraussetzt, dass eine Regierung oder öffentliche Körperschaft im Gebiet eines Mitglieds eine finanzielle Beihilfe leistet (Art. 1.1(a)(1) SCM) und dadurch ein Vorteil gewährt wird (Art. 1.1(b) SCM). Finanzielle Beihilfe und Vorteilsgewährung sind also gesondert zu prüfende Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen, damit der Subventionsbegriff des Art. 1.1 SCM erfüllt ist.52 In dem Fall United States – Measures Treating Export Restraints as Subsidies hat das Panel ausdrücklich ausgeführt, dass die WTO-Mitglieder einem allein auf eine Vorteilsgewährung abstellenden Verständnis durch die Einführung des Merkmals der finanziellen Beihilfe in den Tatbestand des Art. 1.1 SCM grundsätzlich entgegengetreten sind.53 Während der Begriff der Vorteilsgewährung in Art. 1.1 SCM nicht näher erläutert wird, werden die verschiedenen Formen einer finanziellen Beihilfe in Art. 1.1(a)(1)(i) – (iii) SCM abschließend aufgezählt.54 Danach kann die finanzielle Beihilfe der Regierung in einem direkten oder potentiell direkten Transfer von Geldern oder Verbindlichkeiten (Art. 1.1(a)(1)(i) SCM), dem Verzicht auf normalerweise zu entrichtende Abgaben (Art. 1.1(a)(1)(ii) SCM) oder in der Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen, die nicht zur allgemeinen Infrastruktur gehören, beziehungsweise dem Aufkaufen von Waren (Art. 1.1(a)(1)(iii) SCM), bestehen. Indem Art. 1.1(a)(1) SCM auf die Regierung oder öffentliche Körperschaften im Gebiet eines Mitglieds abstellt, wird darüber hinaus klargestellt, dass auch finanzielle Beihilfen, die von staatlichen Stellen unterhalb der zentralstaatlichen Ebene oder sonst öffentlichen Stellen gewährt werden, vom Subventionsbegriff des SCM erfasst sind.55 Um eine Umgehung der Regelungen des Art. 1.1(a)(1)(i) – (iii) SCM zu verhindern, sieht Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM vor, dass eine finanzielle Beihilfe einer Regierung auch vorliegt, wenn „eine Regierung [ . . . ] eine private Einrichtung mit der Wahrnehmung einer oder mehrerer der in i) bis iii) genannten Aufgaben, [ . . . ], betraut oder dazu anweist [ . . . ]“.
Im Fall United States – Measures Treating Export Restraints as Subsidies hat das Panel den Begriff der privaten Einrichtung in Abgrenzung zum Begriff der öffentlichen Körperschaft in Art. 1.1(a)(1) SCM ausgelegt: 52 WTO Appellate Body, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / AB / R, vom 2. August 1999, Rn. 156; vgl. auch: Steger, 35 Journal of World Trade 2001, 799, 809. 53 WTO Panel, United States – Measures Treating Export Restraints as Subsidies, WT / DS194 / R, vom 29. Juni 2001, Rn. 8.38. 54 WTO Panel, United States – Measures Treating Export Restraints as Subsidies, WT / DS194 / R, vom 29. Juni 2001, Rn. 8.73; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 61; Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 129. 55 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 60 Fn. 158.
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„We believe that the term ,private body‘ is used in Article 1.1(a)(1)(iv) as a counterpoint to ,government‘ or ,any public body‘ as the actor. That is, any entity that is neither a government nor a public body would be a private body. Under this reading of the term ,private body‘, there is no room for circumvention in subparagraph (iv).“56
Darüber hinaus erfasst Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM auch Fälle, in denen staatliche Stellen zum Zwecke der Subventionsgewährung eine „Zahlung an einen Fördermechanismus“ leisten, der die eigentliche Auszahlung der Gelder an die Begünstigten durchführt. Zusammenfassend setzt der Begriff der finanziellen Beihilfe einer Regierung damit eine Vermögensverschiebung voraus, an der zumindest mittelbar eine Regierung oder eine sonst öffentliche Stelle beteiligt ist.57 In Art. 1.1(a)(2) SCM wird der finanziellen Beihilfe durch eine Regierung darüber hinaus jede Form der Einkommens-und Preisstützung im Sinne des Art. XVI GATT-1994 gleichgestellt, ohne dass diese Begriffe aber weiter erläutert werden. Dieser wohl als Auffangtatbestand konzipierten Regelung kam neben der umfassenden Definition der finanziellen Beihilfe eine praktische Bedeutung bisher nicht zu.58 (2) Finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 1.1(a)(1) SCM Wie bereits ausgeführt, sieht Art. 1.1(a)(1) SCM für das Vorliegen einer finanziellen Beihilfe der Regierung abschließend drei Fallgruppen vor, die in den gut zehn Jahren seit Bestehen des SCM durch die WTO-Streitentscheidungsorgane weiter konkretisiert worden sind. (a) Finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(i) SCM Nach Art. 1.1(a)(1)(i) SCM liegt eine finanzielle Beihilfe der Regierung zunächst bei einem direkten Transfer von Geldern sowie bei einem potentiell direkten Transfer von Geldern oder Verbindlichkeiten vor. Dabei nennt der Text des SCM ausdrücklich Zuschüsse, Kredite und Kapitalzufuhren als Beispiele für einen direkten Transfer von Geldern und Kreditbürgschaften als Beispiel für einen potentiell direkten Transfer von Geldern oder Verbindlichkeiten. In dem Fall Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft ist dabei insbesondere die Frage aufgeworfen worden, ob eine staatliche Kreditvergabe an ein Privatunternehmen auch dann eine Subvention darstellen kann, wenn durch die Kreditbedingungen die der Regierung ihrerseits entstehenden Zinskosten gedeckt sind, die Kreditvergabe also nicht mit Nettokosten für den Staatshaushalt ver56 WTO Panel, United States – Measures Treating Export Restraints as Subsidies, WT / DS194 / R, vom 29. Juni 2001, Rn. 8.49. 57 Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 155. 58 Ohlhoff, EuZW 2000, 645, 647.
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bunden ist.59 Sowohl das Panel als auch das Appellate Body sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Entstehen von Netto-Kosten für den Staatshaushalt in dieser Konstellation keine Voraussetzung für das Vorliegen einer Subvention im Sinne des Art. 1.1 SCM ist.60 Allerdings haben die Streitentscheidungsorgane diese Frage – systematisch wenig überzeugend61 – im Zusammenhang mit der Auslegung des Begriffs der Vorteilsgewährung im Sinne des Art. 1.1(b) SCM behandelt.62 (b) Finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(ii) SCM Nach Art. 1.1(a)(1)(ii) SCM liegt eine finanzielle Beihilfe der Regierung des Weiteren vor, wenn diese auf normalerweise zu entrichtende Abgaben verzichtet oder diese nicht erhebt. Dabei nennt das SCM ausdrücklich Steueranreize und Steuergutschriften als Beispiele für diese Form der finanziellen Beihilfe. Der Abgabenbegriff des Art. 1.1(a)(1)(ii) SCM ist dabei nicht mit dem eng umrissenen Abgabenbegriff der deutschen Rechtsdogmatik gleichzusetzen. Die authentischen Fassungen des SCM weisen vielmehr auf einen weiten Anwendungsbereich hin. Daher ist jede Geldleistung, zu der ein Unternehmen der Regierung gegenüber verpflichtet ist, als Abgabe im Sinne des SCM anzusehen.63 In der Praxis hat dabei insbesondere die Bestimmung Schwierigkeiten bereitet, unter welchen Umständen Abgaben „normalerweise“ zu entrichten sind. Nach den Entscheidungen der Streitentscheidungsorgane in dem Fall United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“ ist darauf abzustellen, ob sich die fragliche Regelung als Ausnahme von den allgemeinen Grundsätzen des Steuersystems des betreffenden Landes darstellt. Dafür ist es nicht unbedingt erforderlich, dass die Regelung auch formal gesetzestechnisch als Ausnahme ausgestaltet ist.64 59 Vgl. WTO Panel, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / R, vom 14. April 1999, Rn. 9.204 ff.; Hofley / Whitehead, 5 International Trade Law and Regulation 1999, 59; überblicksartig zu den verschiedenen Streitgegenständen des Verfahrens: Clough, 8 International Trade Law and Regulation 2002, 109, 110 f. 60 WTO Panel, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / R, vom 14. April 1999, Rn. 9.111 ff.; WTO Appellate Body, Canada Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / AB / R, vom 2. August 1999, Rn. 149 ff. 61 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 66; Slotboom, 36 Journal of World Trade 2002, 517, 535; Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 12 Rn. 13 Fn. 39. 62 WTO Panel, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / R, vom 14. April 1999, Rn. 9.112; WTO Appellate Body, Canada Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / AB / R, vom 2. August 1999, Rn. 154. 63 Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 232. 64 WTO Appellate Body, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT / DS108 / AB / R, vom 24. Februar 2000, Rn. 90 f.; WTO Panel, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT / DS108 / RW, vom 20. August 2001, Rn. 8.8 ff.; WTO Appellate Body – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT / DS108 / AB /
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(c) Finanzielle Beihilfe im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(iii) SCM Nach Art. 1.1(a)(1)(iii) SCM liegt eine finanzielle Beihilfe schließlich auch vor, wenn eine Regierung Waren oder Dienstleistungen, die nicht zur allgemeinen Infrastruktur gehören, zur Verfügung stellt oder Waren aufkauft. Den Warenbegriff im Kontext dieser Vorschrift hat das Panel in dem Fall United States – Preliminary Determinations with Respect to Certain Softwood Lumber from Canada in einem weiten Sinne verstanden und auch die Gewährung von Rodungsrechten als eine Bereitstellung von Waren im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(iii) SCM angesehen, obwohl die ungefällten Bäume als solche nicht Gegenstand von grenzüberschreitendem Warenhandel sein können.65 (3) Gewährung eines Vorteils im Sinne des Art. 1.1(b) SCM Der Subventionsbegriff des SCM setzt nach Art. 1.1(b) SCM weiter voraus, dass durch die finanzielle Beihilfe der Regierung auf Seiten des Empfängers ein Vorteil gewährt wird. Dabei stellt das Appellate Body auf einen rein marktwirtschaftlichen Maßstab ab: „In our view, the marketplace provides an appropriate basis for comparison in determining whether a ,benefit‘ has been ,conferred‘, because the trade-distorting potential of a ,financial contribution‘ can be identified by determining whether the recipient has received a ,financial contribution‘ on terms more favourable than those available to the recipient in the market.“66
Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Vorteilsgewährung ist damit auf einen Vergleich mit den normalen Marktbedingungen abzustellen.67 Damit trennt das Appellate Body die Frage der Gewährung eines Vorteils und damit des Vorliegens einer Subvention ausdrücklich von der Frage nach der Berechnung der Höhe der gewährten Subvention. Anhang IV des SCM sieht zwar vor, dass bei der Bestimmung, ob die wertmäßige Subventionierung einer Ware nach Art. 6.1 SCM eine ernsthafte Schädigung indiziert, auf die Kosten der Regierung abzustellen ist. Dies hat aber mit der vorgelagerten Frage des Vorliegens einer Vorteilsgewährung beziehungsweise einer Subvention im Sinne des Art. 1.1 SCM nichts zu tun.68 Eine RW, vom 14. Januar 2002, Rn. 91, 98 ff.; vgl. zu diesem materiellen Ansatz bei der Bestimmung des Vergleichsmaßstabs: Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 235 f.; Benitah, The Law of Subsidies under the GATT / WTO System, 2001, S. 188 ff.; Carmichael, 35 Vanderbilt Journal of Transnational Law 2002, 151, 180 ff., 190 ff. 65 WTO Panel, United States – Preliminary Determinations with Respect to Certain Softwood Lumber from Canada, WT / DS236 / R, vom 27. September 2002, Rn. 7.27 ff. 66 WTO Appellate Body – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT / DS108 / AB / RW, vom 14. Januar 2002, Rn. 157. 67 Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 691. 68 WTO Appellate Body, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT / DS108 / AB / RW, vom 14. Januar 2002, Rn. 159.
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Bestätigung seines Ansatzes sieht das Appellate Body in der Regelung des Art. 14 SCM, die für die Zwecke der Bestimmung der zulässigen Höhe der zu erhebenden Ausgleichszölle ausdrücklich auf den dem Empfänger erwachsenden Vorteil abstellt.69 dd) Der Begriff der Spezifität nach Art. 2 SCM Wie bereits ausgeführt, setzt die Anwendung der Regelungen über anfechtbare Subventionen nach Art. 1.2 SCM das Vorliegen einer im Sinne des Art. 2 SCM spezifischen Subvention voraus. Spezifisch ist eine Subvention nach dem Chapeau des Art. 2.1 SCM, wenn sie nur bestimmten Unternehmen – d. h. einem Unternehmen oder Wirtschaftszweig beziehungsweise einer Gruppe von Unternehmen oder Wirtschaftszweigen – im Zuständigkeitsbereich der gewährenden Behörde zugänglich ist.70 Trotz dieser im Grundsatz klaren Ausgangslage bereitet die systematische Erfassung der einzelnen Regelungen des Art. 2 SCM zu den Voraussetzungen des Vorliegens einer in diesem Sinne spezifischen Subvention erhebliche Schwierigkeiten. Vielfach wird angenommen, Art. 2.1(a) SCM, wonach ausdrücklich auf bestimmte Unternehmen beschränkte Subventionen spezifisch sind, stelle eine Art Grundtatbestand dar, von dem Art. 2.1(b) SCM eine Ausnahme mache für den Fall, dass die Subventionsgewährung allein von objektiven und klar festgelegten Kriterien oder Bedingungen abhängig ist und ein Ermessensspielraum der Behörde nicht besteht. Art. 2.1(c) SCM wiederum stelle ein Korrektiv dar für den Fall, dass sich die Subvention unter Berücksichtigung der tatsächlichen Vergabepraxis als de facto spezifisch darstellt.71 Entscheidungen der Streitentscheidungsorgane zur Systematik des Art. 2.1 SCM liegen bisher nicht vor. Eine genauere Analyse des Wortlauts der einzelnen Regelungen zeigt jedoch, dass zumindest die Annahme, Art. 2.1(b) SCM stelle eine Ausnahme vom Grundtatbestand des Art. 2.1(a) SCM dar, nicht zutreffen kann. Art. 2.1(a) SCM setzt voraus, dass eine Subvention ausdrücklich auf bestimmte Unternehmen beschränkt wird. Demgegenüber darf die Subventionsgewährung nach Art. 2.1(b) SCM nur von objektiven Kriterien oder Bedingungen abhängig sein. Dies schließt nach Fußnote 2 zu Art. 2.1(b) SCM eine Beschränkung auf bestimmte Unternehmen gerade ausdrücklich aus. Die Tatbestände des Art. 2.1(a) und (b) SCM können also nicht gleichzeitig erfüllt sein; damit kann aber Art. 2.1(b) SCM auch keine Ausnahme vom Tatbestand des Art. 2.1(a) SCM darstellen. 69 WTO Appellate Body, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT / DS108 / AB / RW, vom 14. Januar 2002, Rn. 155, 158. 70 Hoekman / Kostecki, The Political Economy of the World Trading System, 2001, S. 173. 71 Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommmen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 192, 201 ff.; Benitah, The Law of Subsidies under the GATT / WTO System, 2001, S. 88 f.; Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 12 Rn. 14.
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Damit sind die Regelungen des Art. 2.1 SCM dahin zu verstehen, dass zwei Arten von Subventionen als spezifisch im Sinne des Chapeau anzusehen sind. Dies sind zum einen Subventionen, die nach Art. 2.1(a) SCM durch die gewährende Behörde oder die Gesetzgebung ausdrücklich auf bestimmte Unternehmen beschränkt sind (de jure Spezifität) und zum anderen Subventionen, bei denen eine Untersuchung der tatsächlichen Vergabepraxis nach Art. 2.1(c) SCM ergibt, dass sie tatsächlich überwiegend von bestimmten Unternehmen in Anspruch genommen werden (de facto Spezifität). Art. 2.1(b) SCM definiert demgegenüber, unter welchen Voraussetzungen von der Nichtspezifität einer Subvention auszugehen ist.72 ee) Nach Art. 3 SCM verbotene Subventionen (1) Überblick Nach Art. 3.1 SCM sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Übereinkommens über die Landwirtschaft zwei Arten von Subventionen generell verboten: Ausfuhrsubventionen (export subsidies) nach Art. 3.1(a) SCM und Subventionen für die Substitution von Einfuhren (import substitution subsidies) nach Art. 3.1(b) SCM. Nach Art. 3.2 werden die Mitglieder derartige Subventionen weder gewähren noch beibehalten. Für Entwicklungs- und ehemals planwirtschaftlich organisierte Länder gelten nach Art. 27, 29 SCM bestimmte Übergangsfristen. Von der Anwendung des Art. 3.1(a) SCM ausgenommen sind nach Art. 27.2(c) SCM i.V. m. Anhang VII lediglich die am wenigsten entwickelten Länder. (2) Ausfuhrsubventionen nach Art. 3.1(a) SCM Ausfuhrsubventionen werden in Art. 3.1(a) SCM definiert als „Subventionen, die gesetzlich oder tatsächlich entweder für sich allein oder als eine von mehreren anderen Bedingungen einschließlich der in Anhang I genannten Bedingungen von der Ausfuhrleistung abhängig sind“.
Hintergrund dieser Regelung ist, dass solche Ausfuhrsubventionen eine Marktverzerrung bewirken, indem sie dazu führen, dass ausgeführte Produkte zu Preisen angeboten werden können, die unterhalb der Preise liegen, die im inländischen Markt für die gleichen Waren verlangt werden müssen.73 Nach der Entscheidungspraxis der Streitentscheidungsorgane ist im Rahmen des Art. 3.1(a) SCM dabei erforderlich, dass ein enger und direkter Kausalzusammenhang zwischen der Ausfuhrleistung und der Gewährung der Subvention besteht.74 Grundsätzlich unerheblich ist es, ob sich dieser Kausalzusammenhang aus der geÄhnlich: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 68 ff. Carmichael, 35 Vanderbilt Journal of Transnational Law 2002, 151, 160. 74 WTO Appellate Body, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / AB / R, vom 2. August 1999, Rn. 166 ff. 72 73
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setzlichen Regelung selbst ergibt (de jure Ausfuhrsubvention) oder aber erst aus den tatsächlichen Umständen (de facto Ausfuhrsubvention). Entscheidend kommt es darauf an, ob bei der Behandlung bestimmter Waren danach differenziert wird, ob diese ausgeführt werden oder nicht.75 Allerdings ist der Nachweis einer nur tatsächlichen Abhängigkeit einer Subvention von der Ausfuhrleistung, für den in Fußnote 4 zu Art. 3 SCM weitere Vorgaben enthalten sind, in der Praxis sehr viel schwieriger zu führen als der Nachweis einer unmittelbar gesetzlichen Abhängigkeit.76 Anhang I enthält eine Liste mit Beispielen für Ausfuhrsubventionen, die die Anwendung der Regelung des Art. 3.1(a) SCM erleichtern soll. Praktische Bedeutung hat dabei aber bisher lediglich die Regelung zu Ausfuhrkrediten in Buchstabe k) der Liste erhalten.77 Die Liste ist trotz des Wortlauts der Fußnote 5 zu Art. 3 SCM nicht abschließend.78 (3) Subventionen für die Substitution von Einfuhren nach Art. 3.1(b) SCM Verboten sind nach Art. 3.1(b) auch „Subventionen, die entweder für sich allein oder als eine von mehreren anderen Bedingungen davon abhängig sind, dass einheimische Waren Vorrang vor eingeführten Waren erhalten.“
Erfasst werden damit Subventionen, die davon abhängig sind, dass ein Unternehmen die benötigten Zulieferprodukte von inländischen Firmen bezieht, statt diese zu importieren.79 ff) Nach Art. 5 f. SCM anfechtbare Subventionen (1) Überblick Nach Außerkrafttreten der Regelungen über nichtanfechtbare Subventionen gem. Art. 31 SCM unterfallen nunmehr sämtliche spezifische Subventionen (Art. 1.2 SCM), die nicht nach Art. 3 SCM verboten sind, den Regelungen des Teil III über anfechtbare Subventionen.80 Vorbehaltlich der Regelungen des Übereinkommens über die Landwirtschaft soll nach Art. 5 SCM 75 WTO Panel, United States – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT / DS108 / RW, vom 20. August 2001, Rn. 8.67. 76 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 83; Trebilcock / Howse, The Regulation of International Trade, 2005, S. 269 f. 77 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 85. 78 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 84; Anderson / Husisian, The Subsidies Agreement, in: Stewart, The World Trade Organization, 1996, 299, 309. 79 Näher dazu: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 87 ff. 80 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 90; Anderson / Husisian, The Subsidies Agreement, in: Stewart, The World Trade Organization, 1996, 299, 304.
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„[k]ein Mitglied [ . . . ] durch die Verwendung von Subventionen gemäß Artikel 1 Absätze 1 und 2 nachteilige Auswirkungen auf die Interessen anderer Mitglieder verursachen“.
Der Begriff der „nachteiligen Auswirkungen auf die Interessen anderer Mitglieder“ wird dabei weiter in drei Einzeltatbestände aufgegliedert: „a) eine Schädigung des inländischen Wirtschaftszweigs eines anderen Mitglieds; b) eine Zunichtemachung oder Schmälerung der einem anderen Mitglied unmittelbar oder mittelbar aus dem GATT 1994 erwachsenden Vorteile, [ . . . ]; c) eine ernsthafte Schädigung der Interessen eines anderen Mitglieds.“
(2) Die Schädigung eines inländischen Wirtschaftszweiges nach Art. 5(a) SCM Zur weiteren Konkretisierung des Begriffs der „Schädigung des inländischen Wirtschaftszweigs eines anderen Mitglieds“ in Art. 5(a) SCM verweist Fußnote 11 zu Art. 5 SCM auf die Regelungen über Ausgleichsmaßnahmen in Teil V des SCM. Aus der Regelung des Art. 15.1 SCM ergibt sich insoweit, dass bei der Prüfung einer Schädigung eines inländischen Wirtschaftszweigs eines anderen Mitglieds nach Art. 5(a) SCM nur auf die Auswirkungen abgestellt werden kann, die die Einfuhr subventionierter Güter auf den inländischen Markt des betroffenen WTO-Mitglieds hat. Der Tatbestand der Schädigung eines inländischen Wirtschaftszweiges setzt also eine Beeinträchtigung gerade des Absatzes einheimischer Waren im Inland durch die Einfuhr von subventionierten Waren voraus.81 (3) Die Zunichtemachung oder Schmälerung aus dem GATT-1994 erwachsender Vorteile nach Art. 5(b) SCM Hinsichtlich des Begriffs der „Zunichtemachung oder Schmälerung aus dem GATT-1994 erwachsender Vorteile“ in Art. 5(b) SCM verweist Fußnote 12 zu Art. 5 SCM auf die entsprechenden Vorschriften des GATT-1994 und die dazu bestehende Anwendungspraxis. Dieser Verweis bezieht sich auf die Regelung des Art. XXIII GATT-1994 und seine bisherige praktische Anwendung.82 Danach kommt es entscheidend darauf an, ob die Gewährung einer spezifischen, nicht nach Art. 3 SCM verbotenen Subvention aus dem GATT-1994 erwachsende Vorteile, insbesondere die aus den Zollbindungen erwachsenden Vorteile beim Marktzugang, entgegen den berechtigten Erwartungen eines anderen Mitglieds zunichtemacht oder schmälert.83 81 Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 88. 82 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 92; Anderson / Husisian, The Subsidies Agreement, in: Stewart, The World Trade Organization, 1996, 299, 313. 83 Näher: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 92 ff.
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(4) Die ernsthafte Schädigung der Interessen eines anderen Mitglieds nach Art. 5(c) SCM (a) Überblick Der Begriff der „ernsthaften Schädigung der Interessen eines anderen Mitglieds“ in Art. 5(c) SCM umfasst nach Fußnote 13 zu Art. 5 SCM zunächst auch drohende ernsthafte Schädigungen und wird im Übrigen durch die komplexe Regelung des Art. 6 SCM weiter konkretisiert. Art. 6.1 SCM enthält vier klar umrissene Tatbestände, bei deren Vorliegen ursprünglich das Vorliegen einer ernsthaften Schädigung im Sinne des Art. 5(c) SCM – nach Art. 6.2 SCM widerleglich – vermutet wurde. Allerdings galt die Regelung des Art. 6.1 SCM nach Art. 31 SCM nur vorläufig für einen Zeitraum von fünf Jahren nach Inkrafttreten des WTO-Abkommens. Da ein Beschluss zur weiteren Anwendung nicht gefasst wurde, ist Art. 6.1 SCM damit zum 1. Januar 2000 außerkraftgetreten. Den darin vorgesehenen Tatbeständen kommt damit für die Feststellung einer ernsthaften Schädigung im Sinne des Art. 5(c) SCM lediglich noch indizielle Wirkung zu.84 Von maßgeblicher Bedeutung für die Konkretisierung des Begriffs der ernsthaften Schädigung im Sinne des Art. 5(c) SCM sind damit nunmehr vorrangig die in Art. 6.3 SCM vorgesehenen Tatbestände der Einfuhrstörung nach Art. 6.3(a) SCM, der Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(b) SCM, der Preisunterbietung nach Art. 6.3(c) SCM und der Zunahme des Weltmarktanteils nach Art. 6.3(d) SCM. Dabei spricht die offene Formulierung des Art. 6.3 SCM („kann in jedem Fall entstehen“) dafür, dass die nachfolgend geregelten Tatbestände in zweifacher Hinsicht nicht abschließend sind. Zunächst ist davon auszugehen, dass eine ernsthafte Schädigung im Sinne des Art. 5(c) SCM unter Umständen auch vorliegen kann, wenn keiner der Tatbestände des Art. 6.3 SCM gegeben ist. Und umgekehrt ergibt sich aus dieser Formulierung auch, dass bei Vorliegen eines oder mehrerer der Tatbestände des Art. 6.3 SCM nicht in jedem Fall zwingend eine ernsthafte Schädigung im Sinne des Art. 5(c) SCM vorliegen muss.85 Es ist aber zu beachten, dass Art. 5(c) SCM eine „ernsthafte“ Schädigung voraussetzt und damit eine gewisse Erheblichkeit der Beeinträchtigung der Industrie eines anderen WTO-Mitglieds erforderlich ist. (b) Einfuhr- und Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(a) und (b) SCM Die Tatbestände der Einfuhrstörung in Art. 6.3(a) SCM und der Ausfuhrstörung in Art. 6.3(b) SCM unterscheiden sich hinsichtlich des jeweils in den Blick genommenen Marktes. Eine Einfuhrstörung nach Art. 6.3(a) SCM liegt vor, wenn sich
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Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 96. Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 97 Fn. 245.
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„[d]ie Subvention [ . . . ] in einer Verdrängung oder Verhinderung von Einfuhren einer gleichartigen Ware eines anderen Mitglieds auf den Markt des subventionierenden Mitglieds aus[wirkt]“.
Eine Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(b) SCM liegt demgegenüber vor, wenn sich „die Subvention [ . . . ] in einer Verdrängung oder Verhinderung von Ausfuhren einer gleichartigen Ware eines anderen Mitglieds nach einem Drittlandsmarkt aus[wirkt]“.
Damit stellt Art. 6.3(a) SCM auf die Situation der im Inlandsmarkt des subventionierenden Mitglieds auf dessen subventionierte Produkte treffenden Importe aus einem anderen WTO-Mitglied ab, Art. 6.3(b) SCM hingegen auf die Situation der in einem Drittlandsmarkt auf subventionierte Produkte aus dem subventionierenden Mitglied treffenden Exporte eines anderen WTO-Mitglieds. Entscheidend kommt es dabei darauf an, ob die Subvention zu einer Verdrängung oder Verhinderung von Einfuhren beziehungsweise Ausfuhren aus einem anderen WTO-Mitglied führt. Nach Art. 6.4 SCM ist eine Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(b) SCM grundsätzlich anzunehmen, wenn für einen repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens einem Jahr eine Änderung der relativen Marktanteile zum Nachteil der nicht subventionierten Waren nachgewiesen wurde. Art. 6.7 SCM sieht eine Reihe von Ausschlusstatbeständen vor, bei deren Erfüllung nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Subvention zu einer Einbeziehungsweise Ausfuhrstörung im Sinne des Art. 6.3(a) beziehungsweise (b) SCM geführt hat. Diese Tatbestände regeln Fälle, in denen nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine „Verdrängung oder Verhinderung“ von Ein- beziehungsweise Ausfuhren eines WTO-Mitglieds durch andere Umstände als die durch ein anderes WTO-Mitglied gewährte Subvenionierung bedingt ist. In diesen Fällen fehlt es daher an der erforderlichen Kausalität zwischen der Subventionsgewährung und der geltend gemachten Beeinträchtigung der Exportindustrie.86 (c) Preisunterbietung und Zunahme des Weltmarktanteils nach Art. 6.3(c) und (d) SCM Ein Fall der Preisunterbietung nach Art. 6.3(c) SCM liegt vor, wenn sich „die Subvention [ . . . ] in einer bedeutenden Preisunterbietung durch die subventionierte Ware im Vergleich zum Preis einer gleichartigen Ware eines anderen Mitglieds auf demselben Markt oder in erheblichem Preisdruck, Preisrückgang oder Absatzverlust auf demselben Markt aus[wirkt]“.
Nähere Vorgaben zur Feststellung einer Preisunterbietung in diesem Sinne finden sich in Art. 6.5 SCM. Soweit der Tatbestand des Art. 6.3(c) SCM damit auf 86 Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 91; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 98 f.; Anderson / Husisian, The Subsidies Agreement, in: Stewart, The World Trade Organization, 1996, 299, 314.
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einen Absatzverlust abstellt, scheint eine Überschneidung mit den Fällen der Einfuhr- beziehungsweise Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(a) beziehungsweise (b) SCM nicht ausgeschlossen. Ein Fall der Zunahme des Weltmarktanteils nach Art. 6.3(d) SCM liegt schließlich vor, wenn sich „die Subvention [ . . . ] in einer Zunahme des Weltmarktanteils des subventionierenden Mitglieds bei einem bestimmten subventionierten Grundstoff oder einer subventionierten Ware im Vergleich zu ihrem durchschnittlichen Anteil während des vorangegangen Dreijahreszeitraum aus[wirkt], wobei diese Zunahme einem Trend entspricht, der über den Zeitraum, in dem Subventionen gewährt wurden, angehalten hat.“
Im Gegensatz zu den Varianten der Art. 6.3(a) bis (c) SCM wird hier also nicht auf einen bestimmten regional abgegrenzten Markt abgestellt, sondern auf die Entwicklung der relativen Marktanteile auf dem Weltmarkt insgesamt.
4. Ausnahmevorschriften im GATT-1994 a) Überblick Das GATT-1994 enthält eine Vielzahl von Vorschriften, die unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von den vertraglichen Verpflichtungen rechtfertigen können. Beispielhaft zu nennen sind hier neben den allgemeinen Schutzmaßnahmen nach Art. XX GATT-1994 insbesondere die Regelung zu Notstandsmaßnahmen bei der Einfuhr bestimmter Waren in Art. XIX GATT-1994 sowie die Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit in Art. XXI GATT-1994 und das so genannte allgemeine Präferenzsystem, dessen Ziel es ist, durch eine bevorzugte Behandlung den besonderen Entwicklungs-, Finanz- und Handelsbedürfnissen der Entwicklungsländer Rechnung zu tragen.87 An dieser Stelle werden lediglich die Ausnahmevorschriften näher dargestellt, die für die welthandelsrechtliche Beurteilung der europäischen Quotenregelungen und Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung von Bedeutung sind. Dabei handelt es sich im einzelnen um die Regelung zur regionalen Integration in Art. XXIV GATT-1994 (dazu b)) sowie die Bereichsausnahmen in Art. III:8(b) und 10 GATT-1994 (dazu c)). Dass die allgemeinen Schutzmaßnahmen nach Art. XX GATT-1994 insoweit nicht geltend gemacht werden können, wurde bereits im Zusammenhang mit der Diskussion um eine kulturelle Ausnahme dargelegt (siehe oben B.IV.1. und B.IV.3.b)).
87 GATT, Differential and More Favourable Treatment, Reciprocity and Fuller Participateion of Developing Countries, Decision of 28 November 1979, L / 4903; trotz des ungeklärten rechtlichen Status wird allgemein davon ausgegangen, dass diese „enabling clause“ auch nach Inkrafttreten des WTO-Übereinkommens weiter verbindlich ist, vgl. dazu: Jackson, The World Trading System, 1997, S. 164; Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 125.
I. Die Liberalisierung des Warenhandels
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b) Regionale Integration nach Art. XXIV GATT-1994 als Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung Obwohl die WTO grundsätzlich auf ein multilaterales, sämtliche WTO-Mitglieder umfassendes Welthandelssystem ausgerichtet ist, sieht es in Art. XXIV GATT-1994 die Schaffung auch regionaler Handelsabkommen vor. Die tatsächliche Bedeutung solcher regionalen Handelsabkommen hat in den letzten Jahrzehnten erheblich zugenommen.88 Insbesondere die USA und die Europäische Gemeinschaft betreiben mit Nachdruck den Ausbau ihrer Netzwerke regionaler Integration durch Erweiterung der bestehenden und Gründung neuer regionaler Handelsabkommen.89 Die folgende Darstellung erläutert zunächst die Voraussetzungen, die das GATT-1994 für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit solcher regionaler Handelsabkommen aufstellt (dazu aa)) sowie das spezielle Notifikations- und Prüfverfahren, das für regionale Handelsabkommen durch Art. XXIV:7 GATT-1994 vorgesehen ist (dazu bb)). Abschließend wird auf die in unserem Zusammenhang entscheidende Frage eingegangen, inwieweit Art. XXIV GATT-1994 als Ausnahmevorschrift geltend gemacht werden kann, um Abweichungen vom Grundsatz der Meistbegünstigung zu rechtfertigen (dazu cc)). aa) Die Voraussetzungen für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit regionaler Handelsabkommen Nach Art. XXIV:5 GATT-1994 schließt dieses Abkommen unter nachfolgend im einzelnen konkretisierten Voraussetzungen nicht aus, „dass Gebiete von Vertragsparteien zu Zollunionen oder Freihandelszonen zusammengeschlossen oder vorläufige Vereinbarungen zur Bildung solcher Unionen oder Zonen abgeschlossen werden“.
Die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Zollunion oder Freihandelszone in diesem Sinne werden dabei in Art. XXIV:8 GATT-1994 definiert. Nach Art. XXIV:8(a)(i) beziehungsweise Art. XXIV:8(b) GATT-1994 gilt sowohl für Zollunionen als auch für Freihandelszonen, dass zwischen den teilnehmenden Gebieten die Zölle und beschränkenden Handelsvorschriften für annähernd den gesamten Handel mit den aus den teilnehmenden Gebieten stammenden Waren beseitigt werden müssen. Das Vorliegen einer Zollunion setzt nach Art. XXIV:8(a)(ii) GATT-1994 zusätzlich voraus, dass die Mitglieder der Union im Handel mit nichtteilnehmenden Gebieten im Wesentlichen dieselben Zölle und Handelsvorschriften anwenden. Aufgrund der Unbestimmtheit und Vieldeutigkeit der Begriffe des „annähernd gesamten Handels“ und der „im wesentlichen“ gleichen Außenhandels88 Zu einer umfassenden Diskussion der Entwicklung der regionalen Integration aus welthandelsrechtlicher Sicht vgl.: Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT / WTO, 2002. 89 Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879 f.
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bedingungen hat sich die Anwendung dieser Voraussetzungen in der Praxis allerdings als ungeheuer schwierig erwiesen.90 Die weiteren Voraussetzungen für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit einer Zollunion oder Freihandelszone beziehungsweise einer auf Bildung einer solchen Organisation gerichteten vorläufigen Vereinbarung sind in Art. XXIV:5 GATT geregelt. Danach darf die Bildung einer Zollunion oder Freihandelszone beziehungsweise der Abschluss einer darauf gerichteten vorläufigen Vereinbarung nicht zu einer Verschlechterung der Bedingungen für den Handel mit an der jeweiligen Vereinbarung nicht beteiligten WTO-Mitgliedern führen. Ob eine solche Verschlechterung der Handelsbedingungen vorliegt, ist im Falle der Gründung einer Zollunion nach Art. XXIV:5(a) GATT-1994 durch einen Vergleich der nunmehr für das gemeinsame Zollgebiet geltenden Zölle und Handelsvorschriften mit der „allgemeine[n] Belastung durch Zölle und Handelsvorschriften, die in den teilnehmenden Gebieten vor der Bildung der Union oder dem Abschluss der vorläufigen Vereinbarung bestand“,
zu ermitteln. Im Falle der Bildung einer Freihandelszone ist hingegen darauf abzustellen, ob die nunmehr geltenden Zölle und Handelsvorschriften höher oder einschränkender sind, „als die entsprechenden Zölle und Handelsvorschriften, die in den teilnehmenden Gebieten vor der Bildung der Zone oder dem Abschluss der vorläufigen Vereinbarung bestanden“.
Für den Fall der Bildung einer Zollunion sieht Art. XXIV:5(a) GATT-1994 also eine Gesamtbetrachtung der vor und nach Bildung der Union in den teilnehmenden Gebieten geltenden Zoll- und sonstigen Bedingungen für den Handel mit Drittstaaten vor. Die Maßstäbe der danach vorzunehmenden komplexen ökonomischen Prüfung werden in Absatz 2 der „Vereinbarung zur Auslegung des Artikels XXIV des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994“ vom 15. April 1994 zwar weiter konkretisiert, bleiben in der praktischen Anwendung aber dennoch nur schwer handhabbar.91 Insbesondere ist ungeklärt, ob bei dem vorzunehmenden Zollbelastungsvergleich auf das arithmetische Mittel der vor und nach Schaffung der Zollunion erhobenen Zollsätze abgestellt werden kann oder vielmehr ein gewichteter Ansatz unter Berücksichtigung des Umfangs der tatsächlichen Handelsströme zugrundezulegen ist.92 90 Vgl. dazu: Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 236 ff.; Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 891 ff.; Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT / WTO, 2002, S. 234 ff.; eingehend dazu: Bobe, Die Vereinbarkeit von vertiefter (regionaler) wirtschaftlicher Integration mit dem Welthandelsrecht am Beispiel des EG-Binnenmarktes, 2006, S. 71 ff. 91 Vgl. dazu: Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 231 ff.; Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 894 ff. 92 Hipold, Die EU im GATT / WTO-System, 1999, S. 17; eingehend dazu: Bobe, Die Vereinbarkeit von vertiefter (regionaler) wirtschaftlicher Integration mit dem Welthandelsrecht am Beispiel des EG-Binnenmarktes, 2006, S. 76 f.
I. Die Liberalisierung des Warenhandels
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Da die Bildung einer Freihandelszone hingegen eine Harmonisierung der Außenhandelspolitik nicht voraussetzt, sieht Art. XXIV:5(b) GATT-1994 für den Fall der Bildung einer bloßen Freihandelszone eine solche Gesamtbetrachtung nicht vor. Vielmehr darf die Bildung einer Freihandelszone auch bei isolierter Betrachtung der teilnehmenden Gebiete nicht zu einer Verschlechterung auch nur einzelner Zoll- oder sonstiger Außenhandelsbedingungen führen.93 Vorläufige Vereinbarungen müssen gem. Art. XXIV:5(c) GATT-1994 darüber hinaus einen Plan und ein Programm zur Bildung der betreffenden Zollunion oder Freihandelszone innerhalb einer angemessenen Zeitspanne enthalten. Nach Absatz 3 der „Vereinbarung zur Auslegung des Artikels XXIV des Allgemeinen Zollund Handelsabkommens 1994“ vom 15. April 1994 soll diese angemessene Zeitspanne nur in Ausnahmefällen zehn Jahre überschreiten. bb) Das Notifikations- und Prüfverfahren nach Art. XXIV:7 GATT-1994 Zur Überprüfung der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit regionaler Handelsabkommen sieht Art. XXIV:7 GATT-1994 ein spezielles Notifikations- und Prüfverfahren vor. Nach Art. XXIV:7(a) GATT-1994 ist jedes WTO-Mitglied, das beschließt, einer Zollunion, einer Freihandelszone oder einer entsprechenden vorläufigen Vereinbarung beizutreten, verpflichtet, das jeweilige Abkommen den Vertragsparteien der WTO zu notifizieren. Durch die Notifikation wird das eigentliche Verfahren zur Überprüfung der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit des jeweiligen regionalen Handelsabkommens eingeleitet. Diese Prüfung bezieht sich nach den Absätzen 1 und 7 der „Vereinbarung zur Auslegung des Artikels XXIV des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994“ vom 15. April 1994 auf alle einschlägigen Bestimmungen des GATT-1994, insbesondere auf die in den Absätzen 5, 6, 7 und 8 des Art. XXIV GATT-1994 geregelten Voraussetzungen. Die konkrete Prüfung der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit von regionalen Handelsabkommen wird seit 1996 nicht mehr durch jeweils ad hoc eingesetzte Arbeitsgruppen, sondern von dem durch eine Entscheidung des Allgemeinen Rats der WTO (vgl. Art. IV:2 WTO-Übereinkommen) als ständiges Gremium geschaffenen Committee on Regional Trade Agreements (CRTA) durchgeführt.94 Die Beschlussfassung durch das CRTA, in das nach Ziffer 1 der Entscheidung vom 6. Februar 1996 jedes WTO-Mitglied einen Vertreter entsenden kann, hat nach Regel Nr. 33 der Verfahrensregeln des CRTA95 einstimmig zu erfolgen. Darüber hinaus be93 Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 231 f.; insoweit ungenau: Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 222. 94 General Council, Committee on Regional Trade Agreements, WT / L / 127, vom 6. Februar 1996. 95 Rules of Procedure for Meetings of the Committe on Regional Trade Agreements, WT / REG / 1, vom 14. August 1996.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
dürfen die Berichte des CRTA der Annahme durch das zuständige übergeordnete Gremium – im Fall eines regionalen Handelsabkommens betreffend den Warenhandel also durch den Rat für den Warenhandel, dessen Mitgliedschaft nach Art. XI:5 S. 7 GATT-1994 allen WTO-Mitgliedern offensteht. Damit kann eine Entscheidung im Verfahren nach Art. XXIV:7 GATT-1994 letztlich nicht gegen den ausdrücklichen Willen auch nur eines einzigen WTO-Mitglieds getroffen werden. Das Notifikations- und Prüfverfahren nach Art. XXIV:7 GATT-1994 hat sich in der Vergangenheit aufgrund dieses Einstimmigkeitserfordernisses als äußerst ineffektiv erwiesen. So wurde bisher nur in wenigen eindeutigen Fällen die Vereinbarkeit regionaler Handelsabkommen mit den welthandelsrechtlichen Vorschriften festgestellt;96 die Unvereinbarkeit eines regionalen Handelsabkommens mit den welthandelsrechtlichen Vorschriften wurde noch in keinem einzigen Fall festgestellt. Im Rahmen der Doha-Runde wird auch über eine Verbesserung des Notifikations- und Prüfverfahrens zu regionalen Handelsabkommen verhandelt.97 Die Negotiating Group on Rules hat am 29. Juni 2006 den Entwurf einer Entscheidung zur Verbesserung des Verfahrens vorgelegt.98 Der Entwurf konkretisiert die Notifikations- und Berichtspflichten der WTO-Mitglieder und sieht insgesamt eine Verfahrensbeschleunigung vor. Bis zu seiner endgültigen Annahme ist der Entscheidungsentwurf vorläufig anwendbar.99 cc) Art. XXIV GATT-1994 als Ausnahmevorschrift Aufgrund des Wortlauts des Art. XXIV:5 HS 1 GATT-1994, wonach „dieses Abkommen nicht aus[schließt], dass Gebiete von Vertragsparteien zu Zollunionen oder Freihandelszonen zusammengeschlossen oder vorläufige Vereinbarungen zur Bildung solcher Unionen oder Zonen abeschlossen werden“,
wurde in der Literatur schon seit langem die Ansicht vertreten, dass Art. XXIV GATT-1994 als Ausnahmevorschrift geltend gemacht werden kann, wenn im Zuge der Schaffung eines solchen regionalen Handelsabkommens von welthandelsrechtlichen Vorschriften abgewichen wird.100 Zumindest hinsichtlich des Grundsatzes Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 245 f. WTO, Ministerial Declaration vom 14. November 2001, WT / MIN(01) / DEC / 1, Rn. 28. 98 WTO, Negotiating Group on Rules, Transparency Mechanism for Regional Trade Agreements, Draft Decision vom 29. Juni 2006, JOB(06) / 59 / Rev.5. 99 WTO, Negotiating Group on Rules, Transparency Mechanism for Regional Trade Agreements, Draft Decision vom 29. Juni 2006, JOB(06) / 59 / Rev.5, Rn. 22. 100 Jackson, World Trade and the Law of GATT, 1969, S. 576; Allen, The European Common Market and the GATT, 1960, S. 2; Dam, 30 The University of Chicage Law Review 1963, 615, 616. 96 97
I. Die Liberalisierung des Warenhandels
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der Meistbegünstigung ist ein solches Verständnis des Art. XXIV GATT-1994 zwingend, da regionale Handelsabkommen definitionsgemäß darauf ausgerichtet sind, dass sich die Mitglieder im Handel untereinander Vorteile gewähren, die nicht in gleicher Form für die Waren aus Staaten gelten, die nicht Mitglied der jeweiligen Vereinbarung sind. Damit ist der Abschluss eines regionalen Handelsabkommens notwendig mit einer Abweichung vom Grundsatz der Meistbegünstigung in Art. I:1 GATT-1994 verbunden, der eine solche differenzierende Behandlung gerade ausschließt. Wenn Art. XXIV GATT-1994 regionale Handelsabkommen dennoch ausdrücklich zulässt, kann dies nur bedeuten, dass derartige Abweichungen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach dieser Vorschrift gerechtfertigt werden können.101 Den Charakter des Art. XXIV GATT-1994 als Ausnahmevorschrift hat das Appellate Body in seiner Entscheidung Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products aus dem Jahr 1999 ausdrücklich anerkannt und dessen Anwendung auch auf GATT-Verpflichtungen über den Meistbegünstigungsgrundsatz hinaus für möglich gehalten.102 Dabei hat das Appellate Body darauf hingewiesen, dass bei der Auslegung des Chapeau des Art. XXIV:5 GATT-1994 die Regelung des Art. XXIV:4 S. 2 GATT-1994 zu berücksichtigen ist, wonach „der Zweck von Zollunionen und Freihandelszonen sein soll, den Handel zwischen den teilnehmenden Gebieten zu erleichtern, nicht aber dem Handel anderer Vertragsparteien mit diesen Gebieten Schranken zu setzen.“
Nach den Ausführungen des Appellate Body kann Art. XXIV:5 GATT-1994 ohne ständige Bezugnahme auf diese Zweckbestimmung in Absatz 4 nicht zutreffend ausgelegt werden.103 Für die Rechtfertigung einer Maßnahme, die mit bestimmten Vorschriften des GATT-1994 unvereinbar ist, nach Art. XXIV GATT-1994 hat das Appellate Body dabei zwei konkrete Voraussetzungen aufgestellt: „First, the party claiming the benefit of this defence must demonstrate that the measure at issue is introduced upon the formation of a customs union that fully meets the requirements of sub-paragraphs 8(a) and 5(a) of Article XXIV. And, second, that party must demonstrate that the formation of that customs union would be prevented if it were not allowed to introduce the measure at issue. Again, both these conditions must be met to have the benefit of the defence under Article XXIV.“104 Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, Rn. 209. WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 45; vgl. dazu: Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 907 f. 103 WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 56 f.; eingehend zum Verhältnis des Art. XXIV:4 zu Art. XXIV:5 – 8 GATT-1994: Bobe, die Vereinbarkeit von vertiefter (regionaler) wirtschaftlicher Integration mit dem Welthandelsrecht am Beispiel des EG-Binnenmarktes, 2006, S. 68 ff. 101 102
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
Dem ersten vom Appellate Body aufgestellten Erfordernis wird zunächst vielfach entnommen, dass die nach Art. XXIV GATT-1994 zu rechtfertigende Maßnahme vor oder bei Abschluss des regionalen Handelsabkommens erfolgt sein muss; Maßnahmen, die erst nach Abschluss oder Inkrafttreten des regionalen Handelsabkommens eingeführt werden, sollen danach nicht über Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden können.105 Diese Ansicht stützt sich auf die Formulierung des Appellate Body, „that the issue is introduced upon the formation of a customs union“ (Hervorhebung nur hier) und auf die Regelung des Art. XXIV:5 GATT-1994, wonach das GATT die Bildung regionaler Handelsabkommen nicht verhindern soll.106 Des Weiteren ist nach der ersten vom Appellate Body aufgestellten Voraussetzung die Rechtfertigung einer den GATT-Verpflichtungen im Übrigen widersprechenden Maßnahme durch das Bestehen eines regionalen Handelsabkommens nur möglich, wenn dieses den Anforderungen in Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 (siehe oben aa)) voll entspricht. Damit hat das Appellate Body die lange umstrittene Frage, inwieweit die welthandelsrechtliche Zulässigkeit regionaler Handelsabkommen der Prüfung der Streitentscheidungsorgane im Rahmen des Streitbeilegungsverfahrens unterliegt, geklärt. Angesichts der in Art. XXIV:7 GATT-1994 ausdrücklich vorgesehenen Überprüfung der regionalen Handelsabkommen durch politisch besetzte, allen WTOMitgliedern offenstehende Gremien (siehe oben bb)), war lange Zeit zweifelhaft, ob die Streitentscheidungsorgane im Rahmen des Streitentscheidungsverfahren überhaupt befugt sind, zu prüfen, ob ein bestimmtes regionales Handelsabkommen insgesamt mit den welthandelsrechtlichen Vorschriften vereinbar ist.107 Diesen Zweifeln ist das Appellate Body entgegengetreten, indem es die Erfüllung der Voraussetzungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 ausdrücklich als Voraussetzung der Möglichkeit einer Rechtfertigung nach dieser Vorschrift ansieht. Eine Einschränkung der Prüfungsbefugnis der Streitentscheidungsorgane in dieser Hinsicht lässt sich der Entscheidung des Appellate Body in keiner Weise entnehmen.108 Es bleibt allerdings abzuwarten, in welcher Form die Streitentscheidungsorgane die danach geforderte komplexe ökonomische Prüfung tatsächlich durchführen 104 WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 58 (Hervorhebung im Original). 105 Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 910; Bender, in: Hilf / Oeter, WTORecht, 2005, § 9 Rn. 44; Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 223. 106 Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch 2003, B.I.1. Rn. 223. 107 GATT-Panel, European Communities – Tariff Treatment on Imports of Citrus Products from Certain Countries in the Mediterranean Region, L / 5776, vom 7. Februar 1985, nicht angenommen, Rn. 4.15; WTO Panel, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / R, vom 31. Mai 1999, Rn. 9.53; vgl. dazu: Weiß / Herrmann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 621 ff. 108 Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 907.
I. Die Liberalisierung des Warenhandels
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können.109 In dem Fall Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products hat das Appellate Body eine konkrete Prüfung der Voraussetzungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 nicht vorgenommen, da die Panel-Entscheidung insoweit nicht angegriffen worden war.110 Und in dem Fall United States – Definitive Safeguard Measures in Imports of Circular Welded Carbon Quality Line Pipe from Korea hat das Panel die von den Vereinigten Staaten vorgetragenen Informationen, die sich im Wesentlichen darauf beschränkten, dass im Rahmen der NAFTA innerhalb von 10 Jahren 97% der Warenzölle beseitigt werden sollten, als ausreichend angesehen, um prima facie von der Vereinbarkeit der NAFTA mit den Anforderungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 auszugehen, die von Korea nicht in ausreichender Weise widerlegt worden sei.111 Nach der zweiten vom Appellate Body aufgestellten Voraussetzung ist die Rechtfertigung einer den Regelungen des GATT-1994 im Übrigen widersprechenden Maßnahme nach Art. XXIV GATT-1994 des Weiteren nur möglich, wenn die betreffende Partei nachweist, dass die Schaffung des jeweiligen regionalen Handelsabkommens verhindert würde, wenn nicht die Einführung der betreffenden Maßnahme gestattet wird. Diese Voraussetzung wird allgemein als eine Art „necessity test“ verstanden, wonach es darauf ankommt, ob die Einführung der fraglichen Maßnahme für die Schaffung des regionalen Handelsabkommens erforderlich ist.112 Dies kann nur jeweils in einer einzelfallbezogenen Prüfung beurteilt werden.113 In der Entscheidung Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products ist das Appellate Body zu dem Ergebnis gekommen, dass die von der Türkei eingeführten mengenmäßigen Beschränkungen für Textilprodukte aus Indien für die Umsetzung der zwischen der Türkei und der Europäischen Gemeinschaft geschlossenen Zollunion nicht in diesem Sinne erforderlich waren und daher nicht nach Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden können. Dabei hat das Appellate Body darauf abgestellt, dass der Türkei mit der Einführung von Ursprungsregeln eine weniger handelsbeschränkende Möglichkeit zur Verfügung stand, um die befürchtete Umgehung der in der Europäischen Gemeinschaft bereits bestehenden Einfuhrkontingente für Textilwaren aus Indien zu verhindern. Des Weiteren hat das Appellate Body in diesem Zusammenhang nochmals auf seine Feststellung hingewiesen, dass den Parteien einer Zollunion hinsichtlich des Umfangs der Liberalisierung des internen Handels nach Art. XXIV:8(a)(i) GATT-1994 ein gewisser, wenn auch begrenzter Spielraum verbleibt, da diese Vorschrift die Skeptisch: Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 246. WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 60. 111 WTO Panel, United States – Definitive Safeguard Measures on Imports of Circular Welded Carbon Quality Line Pipe from Korea, WT / DS202 / R, vom 29. Oktober 2001, Rn. 7.144. 112 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 44; Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 224; Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 910. 113 Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 224. 109 110
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
Beseitigung der internen Handelsbeschränkungen nicht für den gesamten, sondern nur für annähernd den gesamten Handel verlangt.114
c) Die Bereichsausnahmen in Art. III:8 und 10 GATT-1994 Für den Grundsatz der Inländerbehandlung sieht das GATT-1994 ausdrückliche Bereichsausnahmen in Art. III:8 GATT-1994 und Art. III:10, IV GATT-1994 vor. Für den Bereich der audivisuellen Medien sind dabei die Bereichsausnahmen für die Gewährung von Subventionen (Art. III:8(b) GATT-1994) und mengenmäßige Beschränkungen für Kinofilme (Art. III:10, IV GATT-1994) von Bedeutung. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob diese Bereichsausnahmen auch auf den Grundsatz der Meistbegünstigung entsprechend angewendet werden können. Hinsichtlich der Ausnahme des Art. III:8(a) im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens entsprach eine solche analoge Anwendung auf die Meistbegünstigung unter Geltung des GATT-1947 der Praxis der Vertragsparteien.115 aa) Die Bereichsausnahme für die Gewährung von Subventionen in Art. III:8(b) GATT-1994 Nach Art. III:8(b) GATT-1994 schließt der Grundsatz der Inländerbehandlung nicht aus, dass inländischen Erzeugern Subventionen gewährt werden. Dabei stellt die Vorschrift im weiteren ausdrücklich klar, dass dies auch für aus Sonderabgaben finanzierte Zuwendungen und Subventionen in Form des staatlichen Ankaufs inländischer Waren gilt. Naheliegend erscheint es dabei zunächst, den Subventionsbegriff des Art. III:8(b) GATT-1994 mit dem des Art. 1.1 SCM (dazu oben 3.b)cc)) gleichzusetzen und damit Subventionen im Sinne des SCM grundsätzlich nicht an dem Grundsatz der Inländerbehandlung, sondern allein an den besonderen subventionsrechtlichen Maßstäben des SCM zu messen. Dies entspricht allerdings nicht der Entscheidungspraxis des Appellate Body, der in dem Fall Canada – Certain Measures Concerning Periodicals ein engeres Verständnis des Subventionsbegriffs in Art. III:8(b) GATT-1994 zugrundegelegt hat. Darin ist das Appellate Body – gestützt auf die Verwendung des Begriffs „Zuwendungen“ (im englischen Original „payments“) im zweiten Halbsatz des Art. III:8(b) GATT-1994 und auf die Entstehungsgeschichte der Norm – davon ausgegangen, dass eine Ausnahme vom Grundsatz der Inländerbehandlung nur für Subventionen gilt, die mit unmittelbaren finanziellen Aufwendungen der Regierung („expenditure of revenue by a government“) verbunden sind 114 WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 62; vgl. auch: Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 910 f. 115 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 37.
II. Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels
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und hat damit insbesondere Steuervergünstigungen und andere Formen „indirekter“ Subventionierung vom Anwendungsbereich des Art. III:8(b) GATT-1994 ausgenommen.116 Daher ist davon auszugehen, dass dem Art. III:8(b) GATT-1994 ein signifikant engerer Subventionsbegriff zugrundeliegt als dem Art. 1.1 SCM und damit die Regelungen zur Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 und die subventionsrechtlichen Regelungen des SCM gegebenenfalls nebeneinander anzuwenden sind. bb) Die Bereichsausnahme für Spielzeitkontingente für Kinofilme in Art. III:10 i.V. m. Art. IV GATT-1994 Nach Art. III:10 GATT-1994 schließt der Grundsatz der Inländerbehandlung nicht aus, „dass eine Vertragspartei innerstaatliche Vorschriften über mengenmäßige Beschränkungen für belichtete Kinofilme, die den Vorschriften des Artikels IV entsprechen, erlässt oder beibehält.“
Diese Vorschrift regelt damit ausdrücklich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit nationaler Quotenregelungen für Kinofilme. Eine nähere Untersuchung ihres Anwendungsbereichs und ihrer Voraussetzungen soll daher erst im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen nationaler Quotenregelungen in den Ländern der Europäischen Union erfolgen.
II. Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels 1. Überblick Die Regelungen des GATS zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels sind im Grundsatz dem Warenhandelsabkommen GATT-1994 nachgebildet. So enthält auch das GATS Vorschriften zur Beseitigung mengenmäßiger Beschränkungen (Art. XVI GATS) und zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung (Art. II, XVII GATS) sowie subventionsrechtliche Regelungen (Art. XV GATS). Allerdings bleibt das GATS hinsichtlich des tatsächlich verwirklichten Grads der Handelsliberalisierung insoweit hinter den Regelungen des Warenhandelsabkommens GATT-1994 zurück. Während insbesondere die USA auf eine möglichst weitgehende Liberalisierung auch des Dienstleistungshandels drangen, waren zahlreiche WTO-Mitglieder und insbesondere die Entwicklungsländer nicht bereit, ihren jeweiligen nationalen Handlungsspielraum hinsichtlich der traditionell einer 116 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, Abschnitt VII. nach Fn. 73; dazu: Scow, 7 Minnesota Journal of Global Trade 1998, 245, 272; Carmody, 30 Law and Policy in International Business 1999, 231, 302 f.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
intensiven Regulierung unterliegenden Dienstleistungswirtschaft durch umfassende welthandelsrechtliche Marktzugangsverpflichtungen weitgehend einzuschränken.117 Das GATS stellt sich als Komporomiss zwischen diesen Positionen dar, indem es den WTO-Mitgliedern im Rahmen seines grundsätzlich umfassend definierten Anwendungsbereichs eine weitgehende Kontrolle über den tatsächlichen Grad der Handelsliberalisierung in den einzelnen Dienstleistungssektoren belässt. Nach Art. I:3(b) schließt das GATS zunächst sämtliche Dienstleistungen in jedem Sektor ein und hat damit – wie von den USA gefordert – einen umfassenden Anwendungsbereich. Dieser Anwendungsbereich des GATS wird in Art. I:2 durch die Definition von vier verschiedenen Erbringungsmodalitäten näher definiert (dazu 2.). Schlüssel zum Verständnis des trotz dieses umfassenden Anwendungsbereichs einschränkenden Liberalisierungskonzepts des GATS ist die Regelung zum Marktzugang, die nach Art. XVI als spezifische Verpflichtung ausgestaltet ist; d. h. die Verpflichtung zur Gewährung des Marktzugangs nach Art. XVI:2 GATS gilt nicht automatisch für sämtliche Dienstleistungssektoren, sondern setzt entsprechende ausdrückliche sektorspezifische Verpflichtungserklärungen der einzelnen Länder voraus (dazu 3.). Ausgehend von diesem Ansatz lassen sich die übrigen Liberalisierungsverpflichtungen des GATS einteilen in allgemeine Verpflichtungen, die unabhängig von der Übernahme sektorspezifischer Marktzugangsverpflichtungen nach Art. XVI GATS gelten, und spezifische Verpflichtungen, die an eine solche ausdrücklich übernommene Marktzugangsverpflichtung anknüpfen. Von besonderer Bedeutung für die welthandelsrechtliche Beurteilung der europäischen Quotenregelungen und Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung ist insoweit auch im Rahmen des GATS der Grundsatz der Nichtdiskriminierung. Dabei ist das Prinzip der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS als an entsprechende sektorspezifische Marktzugangsverpflichtungen anknüpfende spezifische Verpflichtung ausgestaltet, das Prinzip der Meistbegünstigung nach Art. II GATS hingegen als allgemeine Verpflichtung, die allerdings unter dem Vorbehalt der Anmeldung von Ausnahmen nach Art. II:2 GATS steht (dazu 4.). Schließlich enthält das GATS in Art. XV auch einige – allerdings noch rudimentäre – subventionsrechtliche Regelungen (dazu 5.).
2. Der Anwendungsbereich des Übereinkommens nach Art. I GATS Der sachliche Anwendungsbereich des GATS wird in Art. I näher bestimmt. Nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body muss grundsätzlich festgestellt werden, dass die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorliegen, bevor die Vereinbar117
Trebilcock / Howse, The Regulation of International Trade, 2005, S. 357 f.
II. Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels
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keit einer Maßnahme mit einer speziellen Regelung des GATS geprüft werden kann.118 Bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des GATS ist von der Regelung des Art. I:1 auszugehen. Danach findet das GATS Anwendung „auf die Maßnahmen der Mitglieder, die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen.“
Angesichts des englischen Originaltextes, der auf „measures affecting trade in services“ abstellt, ist grundsätzlich von einem weiten Verständnis dieses Anwendungsbereichs auszugehen.119 Der Bedeutungsgehalt des Art. I:1 GATS wird durch die folgenden Absätze und die Begriffsbestimmungen in Art. XXVIII GATS weiter konkretisiert. Diese teilweise recht ausführlichen Regelungen beziehen sich insbesondere auf den sektoriellen Geltungsbereich des Abkommens und die verschiedenen Modalitäten des grenzüberschreitenden Dienstleistungshandels. Eine positive Definition des Dienstleistungsbegriffs selbst, insbesondere in Abgrenzung zum Warenbegriff des GATT-1994, fehlt hingegen (dazu unten III.). Zunächst wird in Art. I:3(b) GATS klargestellt, dass der Begriff der „Dienstleistung“ jede Art von Dienstleistung in jedem Sektor einschließt und das GATS damit einen den gesamten Dienstleistungsbereich umfassenden Anwendungsbereich hat. Ausgenommen sind nach Art. I:3(b) GATS lediglich Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden. Der Begriff der hoheitlichen Dienstleistungen wird dabei in Art. I:3(c) GATS dahingehend weiter konkretisiert, dass er jede Art von Dienstleistung erfasst, „die weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern erbracht wird.“
Ungeklärt ist zwar bisher, ob von einer fehlenden kommerziellen Zwecksetzung nur bei unentgeltlich erbrachten Dienstleistungen ausgegangen werden kann, oder insoweit die Dienstleistungserbringung im Allgemeininteresse ohne Gewinnerzielungsabsicht ausreicht.120 Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. I:3(c) GATS ist die Annahme einer hoheitlichen Dienstleistung aber in jedem Fall ausgeschlossen, wenn die betreffende Dienstleistung im Wettbewerb mit anderen Dienstleistungserbringern erbracht wird.121 Der Begriff der Maßnahmen der Mitglieder wird in Art. I:3(a)(i) – (iii) GATS in einem umfassenden Sinne definiert und erfasst unabhängig von der rechtlichen 118 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry, DS139, 142 / AB / R, vom 31. Mai 2000, Rn. 151 f. 119 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 9 Fn. 33; WTO Appellate Body, European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT / DS27 / AB / R, vom 9. September 1997, Rn. 220. 120 Vgl. dazu: Krajewski, 6 Journal of International Economic Law 2003, 341, 351 f.; Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22 Rn. 29. 121 Krajewski, 6 Journal of International Economic Law 2003, 341, 352; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 13.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
Ausgestaltung sämtliche Maßnahmen staatlicher oder mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteter nichtstaatlicher Stellen, die Auswirkungen auf den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel haben können. Von besonderer Bedeutung ist die Regelung des Art. I:2 GATS, wonach der Begriff des grenzüberschreitenden „Handels mit Dienstleistungen“ vier verschiedene Erbringungsarten oder -modalitäten erfasst. Zunächst liegt ein Dienstleistungshandel nach Art. I:2(a) vor, wenn die Dienstleistung „aus dem Hoheitsgebiet eines Mitglieds in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds“
erbracht wird. Diese Modalität erfasst also die Fälle, in denen sich Dienstleistungserbringer und Dienstleistungsempfänger in verschiedenen WTO-Mitgliedstaaten aufhalten und nur die Dienstleistung selbst die Grenze überschreitet. Damit entspricht diese als „cross-border supply“ bezeichnete Modalität der Situation des Grenzübertritts einer Ware im internationalen Warenhandel.122 Da zahlreiche Dienstleistungen aber die gleichzeitige Anwesenheit des Dienstleistungserbringers und -empfängers voraussetzen, lässt sich allein durch die Regelung zum „cross-border supply“ eine umfassende und effektive Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels nicht erreichen.123 Die Vertragsparteien haben den Anwendungsbereich des GATS daher ausdrücklich auf drei weitere Erbringungsmodalitäten erstreckt. Art. I:2(b) GATS erfasst Fälle, in denen die Dienstleistung „im Hoheitsgebiet eines Mitglieds an den Dienstleistungsnutzer eines anderen Mitglieds“
erbracht wird. In dieser als „consumption abroad“ bezeichneten Konstellation überschreitet also nicht die Dienstleistung die Grenze, sondern vielmehr begibt sich der Dienstleistungsempfänger in das Land des Dienstleistungserbringers, um die Dienstleistung zu konsumieren. Art. I:2(c) GATS erfasst die Fälle, in denen die Dienstleistung „durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels kommerzieller Präsenz im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds“
erbracht wird. Diese als „commercial presence“ bezeichnete Modalität stellt damit auf die Situation ab, dass der Dienstleistungserbringer eines WTO-Mitglieds im Hoheitsgebiet eines anderen WTO-Mitglieds eine kommerzielle Präsenz errichtet, um Dienstleistungen an dort ansässige Dienstleistungsempfänger zu erbringen. Hier übertritt also nicht die Dienstleistung selbst oder der Dienstleistungsempfänger die Grenze, sondern vielmehr der Dienstleistungserbringer. Dabei ist unter einer kommerziellen Präsenz nach Art. XXVIII(d) GATS jede Art geschäftlicher 122 123
Stoll / Schorkopf, WTO, 2002, Rn. 522. Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 15.
II. Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels
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oder beruflicher Niederlassung zu verstehen. Nach dem Recht des Aufnahmestaates gegründete juristische Personen gelten dabei nach Art. XXVIII(m)(ii) und (n) GATS als juristische Personen eines anderen Mitglieds, sofern sie im Eigentum natürlicher oder juristischer Personen des betreffenden anderen Mitglieds stehen oder von diesen beherrscht werden. Die Regelung des Art. I:2(d) GATS erfasst schließlich die Erbringung einer Dienstleistung „durch einen Dienstleistungserbringer eines Mitglieds mittels Präsenz natürlicher Personen eines Mitglieds im Hoheitsgebiet eines anderen Mitglieds.“
Diese als „presence of natural persons“ bezeichnete Modalität stellt damit darauf ab, dass sich natürliche Personen mit der Staatsangehörigkeit eines WTO-Mitglieds zum Zwecke der Dienstleistungserbringung (vorübergehend) im Hoheitsgebiet eines anderen WTO-Mitglieds aufhalten. Dies erfasst zwei Konstellationen. Zum einen können natürliche Personen als Angestellte eines Unternehmens zum Zwecke der Erbringung einer Dienstleistung in das Hoheitsgebiet eines anderen WTO-Mitglieds entsendet werden. Zum anderen erfasst Art. I:2(d) GATS aber auch die Dienstleistungserbringung durch selbständig tätige natürliche Personen im Hoheitsgebiet eines anderen WTO-Mitglieds.124 Nicht erfasst wird hingegen die Zuwanderung natürlicher Personen in das Hoheitsgebiet eines anderen WTOMitglieds zum Zwecke der Arbeitssuche. Dies wird durch Ziff. 2 der Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, die nach Art. XXIX GATS wesentlicher Bestandteil dieses Übereinkommens ist, ausdrücklich klargestellt.125
3. Marktzugang nach Art. XVI GATS Als zentrale Vorschrift zur Liberalisierung des Dienstleistungshandels ist die Regelung zum Marktzugang in Art. XVI GATS anzusehen. Aufgrund der in vielen Staaten traditionell intensiven Regulierung des nationalen Dienstleistungshandels und damit oftmals der (faktischen) Abschottung der nationalen Dienstleistungsmärkte, kommt der Durchsetzung eines effektiven Marktzugangs, d. h. der Zulassung auswärtiger Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer zu den nationalen Märkten, im Rahmen des GATS besondere Bedeutung zu. a) Der konkrete Inhalt der Marktzugangsverpflichtung Der Begriff des Marktzugangs selbst wird in Art. XVI GATS nicht ausdrücklich erläutert. Vielmehr beschränkt sich die Regelung darauf, in Art. XVI:2 GATS be124 Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22, Rn. 33; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 21. 125 Ausführlich dazu: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 22 ff.
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stimmte näher definierte Maßnahmen aufzuführen, die bei Bestehen einer entsprechenden Marktzugangsverpflichtung weder aufrechterhalten noch eingeführt werden dürfen.126 Anders als die vergleichbare Regelung des Art. XI:1 GATT-1994 für den Bereich des Warenhandels ist Art. XVI:2 GATS dabei nicht als offener Tatbestand formuliert, sondern enthält eine abschließende Aufzählung der mit der Gewährung des Marktzugangs unvereinbaren Maßnahmen.127 Die nach Art. XVI:2 GATS verbotenen Maßnahmen lassen sich weitgehend als bestimmte Formen von mengenmäßigen Beschränkungen auffassen.128 Die Regelungen in Art. XVI:2(a) – (d) GATS zielen auf Maßnahmen ab, die den Umfang eines nationalen Dienstleistungsmarktes beziehungsweise den Zugang einzelner Wettbewerber zu einem solchen Markt mengenmäßigen Beschränkungen unterwerfen. So sind nach Art. XVI:2(a) GATS Beschränkungen hinsichtlich der Anzahl der zugelassenen Dienstleistungserbringer in Form von Quoten, Monopolen, privilegierten Dienstleistungserbringern oder einer wirtschaftlichen Bedürfnisprüfung unzulässig. Die Regelungen in Art. XVI:2(b) und (c) GATS beziehen sich auf entsprechende Beschränkungen des Gesamtwerts der Dienstleistungsgeschäfte oder des Betriebsvermögens beziehungsweise der Gesamtzahl oder des Gesamtvolumens der erbrachten Dienstleistungen. Nach Art. XVI:2(d) GATS sind derartige Beschränkungen auch hinsichtlich der in einem bestimmten Dienstleistungssektor beziehungsweise von einem einzelnen Dienstleistungserbringer beschäftigten natürlichen Personen unzulässig. Die Regelungen in Art. XVI:2(e) und (f) GATS beziehen sich hingegen nicht auf mengenmäßige Beschränkungen im Hinblick auf das Marktvolumen oder den Marktzugang, sondern auf Maßnahmen, die die Zulassung von Dienstleistungsunternehmern von Beschränkungen hinsichtlich der Organisationsform beziehungsweise der Kapitalstruktur abhängig machen. b) Die Ausgestaltung des Marktzugangs als spezifische Verpflichtung Aufgrund der Ausgestaltung nach Art. XVI GATS als spezifische Verpflichtung gelten die dargestellten Marktzugangsverpflichtungen allerdings nicht ohne weiteres umfassend und uneingeschränkt für den gesamten Dienstleistungsbereich. Vielmehr setzt das Bestehen einer Marktzugangsverpflichtung in einem bestimmten Dienstleistungssektor zunächst die Aufnahme dieses Sektors in die Liste spezifischer Verpflichtungen des jeweiligen WTO-Mitglieds voraus (Art. XVI:2 GATS) 126 Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 119; Trebilcock / Howse, The Regulation of International Trade, 2005, S. 363. 127 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 106. 128 Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22, Rn. 51 f.; Trebilcock / Howse, The Regulation of International Trade, 2005, S. 363; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 106 ff.
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und steht des Weiteren unter dem Vorbehalt der in dieser Liste aufgeführten Bestimmungen, Beschränkungen und Bedingungen (Art. XVI:1 GATS).129 In der Praxis legen die WTO-Mitgliedstaaten ihren Listen weitgehend die während der Verhandlungen der Uruguay-Runde vom GATT Sekretariat erarbeitete Services Sectoral Classification List 130 zugrunde. Eine rechtliche Verpflichtung zur Gliederung der Listen nach dieser Klassifikation besteht allerdings nicht.131 Der tatsächlich gewährte Umfang des Marktzugangs in einem in der Liste eines WTOMitglieds aufgeführten Sektor ergibt sich erst nach Auswertung der für den jeweiligen Sektor geltend gemachten Vorbehalte und Beschränkungen. Die Listen der spezifischen Verpflichtungen folgen insoweit einem einheitlichen Aufbau, der die Vergleichbarkeit und Verständlichkeit erleichtern soll.132 Die Gliederung der Listen beruht zum einen auf der Einteilung in die verschiedenen Dienstleistungssektoren und zum anderen auf der Unterscheidung der vier Erbringungsmodalitäten nach Art. I:2 GATS. In den Listen sind die geltend gemachten Bedingungen und Beschränkungen dahingehend zu spezifizieren, für welche Dienstleistungssektoren und für welche Erbringungsmodalitäten sie gelten. Dabei sind die so genannten „horizontal commitments“ einerseits und die „sector-specific commitments“ andererseits zu unterscheiden. Zunächst haben fast sämtliche WTO-Mitglieder ihren Listen so genannte „horizontal commitments“ vorangestellt. Entgegen der missverständlichen Bezeichnung enthalten diese Listen aber nicht etwa positiv definierte, in sämtlichen Dienstleistungssektoren eingegangene Verpflichtungen, sondern im Gegenteil Beschränkungen und Bedingungen, die für sämtliche Dienstleistungssektoren gelten, die das jeweilige WTO-Mitglied in seine Liste spezifischer Verpflichtungen aufgenommen hat.133 Typischerweise beziehen sich diese horizontal – also allgemein – geltend gemachten Bedingungen und Beschränkungen auf die Erbringungsmodalitäten der „commercial presence“ und der „presence of natural persons“. In der Sektion der „sector-specific commitments“ sind hingegen – ebenfalls gegliedert nach den vier Erbringungsmodalitäten – die Bedingungen und Beschränkungen angegeben, die jeweils für einen bestimmten Sektor oder Subsektor gelten.
Vgl.: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 100 ff. GATT, Services Sectoral Classification List, Note by the Secretariat, MTN.GNS / W / 120, vom 10. Juli 1991; vgl. zu einem Überblick: Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22 Rn. 25 ff. Die Liste orientiert sich weitgehend an der Provisional Central Product Classification der Vereinten Nationen von 1991; 1998 wurde Version 1.0 der Central Product Classification erstellt. 131 Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22 Rn. 25; Trebilcock / Howse, The Regulation of International Trade, 2005, S. 363. 132 Vgl. dazu und zum Folgenden insgesamt: Guide to Reading the GATS Schedules of Specific Commitments and the List of Article II (MFN) exemptions, Download über die Website der WTO unter: www.wto.org / english / tratop_e / serv_e / guide1_e.htm. 133 Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 124; insoweit missverständlich: Trebilcock / Howse, The Regulation of International Trade, 2005, S. 363. 129 130
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Macht ein WTO-Mitglied dabei hinsichtlich einer Erbringungsmodalität keinerlei Bedingungen und Beschränkungen geltend, wird dies durch den Eintrag „none“ gekennzeichnet. Umgekehrt können die WTO-Mitglieder auch einzelne Erbringungsmodalitäten für bestimmte Dienstleistungssektoren oder auch horizontal gänzlich von den Marktzugangsverpflichtungen des Art. XVI GATS ausnehmen. Dies wird durch den Eintrag „unbound“ an der entsprechenden Stelle gekennzeichnet. Im Übrigen haben die WTO-Mitglieder bei der Eintragung einzelner Beschränkungen des Marktzugangs für bestimmte Erbringungsmodalitäten im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Zum einen können die WTO-Mitglieder an der entsprechenden Stelle ihrer Listen das Wesen der geltend gemachten Beschränkung darstellen und damit deutlich machen, welche Formen des Marktzugangs sie in dem betreffenden Sektor oder Subsektor ausschließen. Teilweise verfolgen die WTO-Mitglieder in ihren Listen aber auch einen umgekehrten Ansatz, indem sie nicht das Wesen der geltend gemachten Beschränkung darstellen, sondern stattdessen die zugelassenen Formen des Marktzugangs näher erläutern und eine Bindung im Übrigen ausschließen. Dieser Ansatz wurde häufig verwendet, um die Marktzugangsmöglichkeiten bestimmter Gruppen natürlicher Personen im Rahmen der Modalität „presence of natural persons“ zu spezifizieren.
4. Das Prinzip der Nichtdiskriminierung im GATS Herausgehobene Bedeutung kommt auch im Dienstleistungsabkommen GATS dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu, dessen grundlegende Säulen in Art. II GATS – Meistbegünstigung – und in Art. XVII GATS – Inländerbehandlung – niedergelegt sind. Besondere Ausprägungen des Prinzips der Nichtdiskriminierung finden sich daneben beispielsweise in den Regelungen der Art. VII:3, VIII:1 – 2, XII:2(a) GATS. Die Vorschriften zur Meistbegünstigung und zur Inländerbehandlung sind dabei im Grundsatz den entsprechenden Regelungen des Warenhandelsabkommens GATT-1994 nachgebildet. Allerdings liegt dem GATS ein im Vergleich zum GATT-1994 einschränkendes Liberalisierungskonzept zugrunde. Dementsprechend ist die Meistbegünstigung nach Art. II GATS zwar als allgemeine Verpflichtung ausgestaltet, steht aber nach Art. II:2 GATS unter dem Vorbehalt der bei Inkrafttreten des Übereinkommens von den einzelnen WTO-Mitgliedern notifizierten Ausnahmen. Die Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS ist als spezifische Verpflichtung ausgestaltet. Das Bestehen einer Verpflichtung zur Inländerbehandlung in einem bestimmten Dienstleistungssektor setzt daher wie der Marktzugang nach Art. XVI GATS die Aufnahme dieses Sektors in die Liste spezifischer Verpflichtungen des jeweiligen WTO-Mitglieds voraus und gilt nur unter den in dieser Liste festgelegten Bedingungen und Vorbehalten. Eine weitere Besonderheit der Nichtdiskriminierungsregeln des GATS ergibt sich aus den in Art. I:2 GATS definierten Erbringungsmodalitäten des internationalen Dienstleistungshandels, die nicht nur den Grenzübertritt der Dienstleistung selbst, sondern auch des Dienstleistungserbringers beziehungsweise -empfängers erfassen. Dementsprechend be-
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ziehen sich Meistbegünstigung und Inländerbehandlung im Rahmen des GATS nicht nur auf die Dienstleistung als solche, sondern ausdrücklich auch auf die Dienstleistungserbringer.134 Entsprechend der Darstellung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung im Rahmen des GATT-1994 werden nachfolgend zunächst die normativen Grundstrukturen der Regelungen zur allgemeinen Meistbegünstigung in Art. II GATS (dazu a)) und zur Inländerbehandlung in Art. XVII GATS (dazu b)) dargestellt. Im Anschluss wird auf den sowohl für die Meistbegünstigung als auch die Inländerbehandlung bedeutsamen Begriff der Gleichartigkeit von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eingegangen (dazu c)).
a) Das Prinzip der Meistbegünstigung nach Art. II GATS Der Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II GATS ist als allgemeine Verpflichtung ausgestaltet und findet daher grundsätzlich auf sämtliche Dienstleistungssektoren Anwendung, unabhängig von der Aufnahme eines Sektors in die Liste spezifischer Verpflichtungen. Allerdings steht die Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS unter dem Vorbehalt der bei Inkrafttreten des Übereinkommens von den einzelnen WTO-Mitgliedern notifizierten Ausnahmen. aa) Der konkrete Inhalt der Meistbegünstigung Der Tatbestand der Meistbegünstigung in Art. II:1 GATS entspricht strukturell weitgehend der Parallelvorschrift des Art. I:1 GATT-1994 (siehe dazu oben I.2.a)). Nach Art. II:1 GATS gewährt jedes Mitglied „den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds sofort und bedingungslos eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als diejenige, die es den gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Landes gewährt.“
Nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body erfasst der Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS wie die entsprechende Vorschrift des Art. I:1 GATT-1994 sowohl formal auf die Herkunft einer Dienstleistung oder eines Dienstleistungsempfängers abstellende de jure Diskriminierungen als auch trotz formaler Gleichbehandlung bestehende rein tatsächliche de facto Diskriminierungen.135 Hinsichtlich des Geltungsbereichs des Grundsatzes der Meistbegünstigung enthält Art. II:1 GATS entgegen dem komplexen und mehrschichtigen Tatbestand 134 Skeptisch zur praktischen Relevanz dieser Unterscheidung: Abu-Akeel, 33 Journal of World Trade 1999, 103, 109 f. 135 WTO Appellate Body, European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribuition of Bananas, WT / DS27 / AB / R, vom 9. September 1997, Rn. 232 f.
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des Art. I:1 GATT-1994 eine sehr einfache Regelung. Danach gilt dieser Grundsatz „hinsichtlich aller Maßnahmen, die unter dieses Übereinkommen fallen“.
Damit verweist Art. II:1 GATS auf die Regelung in Art. I:1 GATS, wonach das GATS auf alle Maßnahmen der Mitglieder Anwendung findet, die den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen (siehe dazu oben 2.). Soweit Art. II:1 GATS schließlich fordert, dass die Gleichbehandlung „sofort und bedingungslos“ zu gewähren ist, kann auf die Ausführungen zu der im englischen Originaltext identischen Formulierung des Art. I:1 GATT-1994 („immediately and unconditionally“) verwiesen werden (siehe dazu oben I.2.a)). bb) Die Anlage zu Ausnahmen von Artikel II Trotz der Ausgestaltung des Art. II GATS als eine von der Übernahme sektorspezifischer Verpflichtungen unabhängige allgemeine Verpflichtung gilt die Meistbegünstigung im Rahmen des GATS nicht vorbehaltlos. Vielmehr können die WTO-Mitglieder nach Art. II:2 GATS eine mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung unvereinbare Maßnahme „unter der Voraussetzung aufrechterhalten, dass diese Maßnahme in der Anlage zu Ausnahmen von Artikel II aufgeführt ist und die Bedingungen jener Anlage erfüllt.“
Durch diese einschränkende Ausgestaltung auch der Meistbegünstigung sollte insbesondere der so genannten „Freerider-Problematik“ begegnet werden, die sich aufgrund des sehr unterschiedlichen Liberalisierungsniveaus der WTO-Mitglieder im Bereich des Dienstleistungshandels im Rahmen des GATS in besonderer Weise stellt. Durch die Aufnahme entsprechender Ausnahmen vom Meistbegünstigungsgrundsatz kann ein WTO-Mitglied verhindern, dass es gezwungen ist, bilateral ausgehandelte Liberalisierungen des Dienstleistungshandels auch WTO-Mitgliedern zu gewähren, die ihrerseits zu einer Öffnung der Dienstleistungsmärkte nicht bereit sind.136 Die von den WTO-Mitgliedern jeweils geltend gemachten Ausnahmen werden in den Listen der Ausnahmen von Artikel II durch eine Beschreibung der Ausnahme, die Angabe der betroffenen Länder sowie die voraussichtliche Dauer der Ausnahme konkretisiert. Dabei ist davon auszugehen, dass die nach Art. II:2 GATS zulässigen Ausnahmen keinen besonderen inhaltlichen Voraussetzungen unterliegen. Grundsätzlich kann jede mit dem Meistbegünstigungsgrundsatz unvereinbare Maßnahme nach Art. II:2 GATS suspendiert werden.137 Einigkeit besteht aber dahingehend, dass 136 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 58; Trebilcock / Howse, The Regulation of International Trade, 2005, S. 360 f.; Arup, The New World Trade Organization Agreements, 2000, S. 111 f. 137 Wang, 30 Journal of World Trade 1996, 91, 101.
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sich aus der Formulierung des Art. II:2 GATS („aufrechterhalten“) ergibt, dass grundsätzlich nur bei Inkrafttreten des GATS bereits bestehende, konkrete Maßnahmen nach Art. II:2 GATS von der Anwendung der Meistbegünstigung ausgenommen werden können, nicht hingegen zukünftige Maßnahmen.138 Die in Art. II:2 GATS in Bezug genommenen Bedingungen der Anlage zu Ausnahmen von Artikel II sind hingegen rein formaler Art. So sind nach Ziff. 3 der Anlage alle Ausnahmen nach spätestens 5 Jahren durch den Rat für den Handel mit Dienstleistungen zu überprüfen. Eine Befugnis zur Unwirksamerklärung einer Ausnahme ergibt sich daraus allerdings nicht.139 Nach Ziff. 5 und 6 der Anlage ist in den Listen ein Zeitpunkt für das Auslaufen der Ausnahmen anzugeben und sollen derartige Ausnahmen grundsätzlich einen Zeitraum von zehn Jahren nicht überschreiten. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Ziff. 6 handelt es sich bei der Befristung auf zehn Jahre nicht um eine zwingende Vorschrift. Tatsächlich haben die WTO-Mitglieder die meisten Ausnahmen nach Art. II:2 GATS für einen unbefristeten Zeitraum angemeldet.140 b) Das Prinzip der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS Das Prinzip der Inländerbehandlung, das in allgemeiner Form in Art. XVII GATS niedergelegt ist, verbietet im Grundsatz die diskriminierende Behandlung von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern aus einem anderen WTO-Mitglied gegenüber inländischen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern. Allerdings ist die Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS als spezifische Verpflichtung ausgestaltet und gilt damit nicht ohne weiteres uneingeschränkt für sämtliche Dienstleistungssektoren. aa) Der konkrete Inhalt der Inländerbehandlung Auch die Regelung zur Inländerbehandlung im Rahmen des GATS wurde grundsätzlich der Parallelvorschrift für den Bereich des Warenhandels – Art. III GATT-1994 – nachgebildet, ist aber nach ihrer normativen Struktur bei weitem einfacher und übersichtlicher gehalten. Nach Art. XVII:1 GATS gewährt jedes WTO-Mitglied „den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds hinsichtlich aller Maßnahmen, welche die Erbringung von Dienstleistungen beeinträchtigen, eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die, die es seinen eigenen gleichen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern gewährt.“ 138 Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22 Rn. 77; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 57; Wang, 30 Journal of World Trade 1996, 91, 102; Lowenfeld, International Economic Law, 2002, S. 118. 139 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 60 Fn. 126. 140 Wang, 30 Journal of World Trade 1996, 91, 102.
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Die Inländerbehandlung findet nach Art. XVII:1 GATS Anwendung auf alle „Maßnahmen, welche die Erbringung von Dienstleistungen beeinträchtigen“.
Damit entspricht der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Inländerbehandlung dem in Art. I:1 GATS definierten Anwendungsbereich des Dienstleistungsabkommens insgesamt. Der Begriff der „nicht weniger günstigen Behandlung“ wird in Art. XVII:3 GATS unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den in der Streitentscheidungspraxis zu Art. III:4 GATT-1994 entwickelten Begriff der Wettbewerbsbedingungen (siehe dazu oben I.2.b)bb)) konkretisiert.141 Soweit die deutsche Fassung entgegen dem englischen Original („conditions of competition“) auf „Wettbewerbsbeschränkungen“ abstellt, handelt es sich um einen Übersetzungsfehler. Der Grundsatz der Inländerbehandlung verbietet nach Art. XVII:1, 3 GATS also Maßnahmen, die die Wettbewerbsbedingungen der inländischen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer gegenüber gleichen Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern aus anderen WTO-Mitgliedern verbessern. Auch der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS erfasst sowohl formal auf die Herkunft einer Dienstleistung oder eines Dienstleistungsempfängers abstellende de jure Diskriminierungen als auch trotz formaler Gleichbehandlung bestehende rein tatsächliche Diskriminierungen. Dies ergibt sich unmittelbar aus Art. XVII:2, 3 GATS, wonach allein darauf abzustellen ist, ob eine formal gleiche oder unterschiedliche Behandlung im Ergebnis zu einer Veränderung der Wettbewerbsbedingungen zugunsten einheimischer Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer führt.142 bb) Die Ausgestaltung der Inländerbehandlung als spezifische Verpflichtung Aufgrund der Ausgestaltung des Art. XVII GATS als spezifische Verpflichtung gilt der dargestellte Grundsatz der Inländerbehandlung, wie die Marktzugangsverpflichtungen nach Art. XVI GATS, aber nicht uneingeschränkt für sämtliche Dienstleistungssektoren. Vielmehr setzt die Anwendung des Prinzips der Inländerbehandlung in einem bestimmten Dienstleistungssektor nach dem Wortlaut des Art. XVII:1 GATS zunächst die Aufnahme dieses Sektors in die Liste spezifischer Verpflichtungen des jeweiligen WTO-Mitglieds voraus und steht des Weiteren unter dem Vorbehalt der darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalte. Dabei werden die spezifischen Verpflichtungen der WTO-Mitglieder hinsichtlich der Inländerbehandlung zusammen mit den Verpflichtungen zur Gewährung des Marktzugangs in einheitlichen Listen spezifischer Verpflichtungen nach Art. XX GATS festgehalten. 141 Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22 Rn. 69; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 112. 142 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 111.
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Der tatsächlich gewährte Umfang der Inländerbehandlung in einem in der Liste eines WTO-Mitglieds aufgeführten Sektor ergibt sich damit erst nach Auswertung der für den jeweiligen Sektor hinsichtlich der Inländerbehandlung geltend gemachten Bedingungen und Vorbehalte. Die Eintragung der Einschränkungen des Grundsatzes der Inländerbehandlung folgt dabei dem gleichen Schema wie bei den Marktzugangsverpflichtungen (siehe oben 3.b)), beruht also zum einen auf der Einteilung in die verschiedenen Dienstleistungssektoren und zum anderen auf der Unterscheidung der vier Erbringungsmodalitäten nach Art. I:2 GATS. Auch die Einschränkungen hinsichtlich der Inländerbehandlung sind also dahingehend zu spezifizieren, für welche Dienstleistungssektoren und für welche Erbringungsmodalitäten sie gelten. Zu beachten ist auch insoweit die Unterscheidung zwischen „horizontal commitments“, d. h. Einschränkungen, die für sämtliche in die Liste aufgenommenen Dienstleistungssektoren gelten, und „sector-specific commitments“, d. h. Einschränkungen, die nur für einen bestimmten Dienstleistungssektor gelten. Nach Art. XX:2 GATS werden Maßnahmen, die sowohl mit dem Grundsatz des Marktzugangs als auch mit dem Prinzip der Inländerbehandlung unvereinbar sind, in der Spalte der Beschränkungen des Marktzugangs eingetragen.
c) Der Begriff der Gleichartigkeit von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern Entsprechend der Situation im Warenhandelsabkommen GATS-1994 bestimmt das Merkmal der Gleichartigkeit von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern maßgeblich die Anwendungsbereiche sowohl des Grundsatzes der Meistbegünstigung (Art. II GATS) als auch der Inländerbehandlung (Art. XVII GATS). Ein Verstoß gegen diese Vorschriften kann nur angenommen werden, wenn eine rechtlich oder tatsächlich diskriminierende Ungleichbehandlung der Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer aus einem WTO-Mitglied gerade im Verhältnis zu gleichartigen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern aus einem anderen Land – im Falle der Meistbegünstigung – beziehungsweise im Verhältnis zu gleichartigen inländischen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern – im Falle der Inländerbehandlung – besteht. Der Begriff der Gleichartigkeit von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern wird dabei im Rahmen des GATS nicht ausdrücklich definiert und hat bisher auch in der Streitentscheidungspraxis noch keine systematische Konkretisierung erfahren. Einigkeit besteht aber dahingehend, dass zunächst bei der Auslegung des Begriffs der Gleichartigkeit von Dienstleistungen im Rahmen des GATS auf die Streitentscheidungspraxis zur Gleichartigkeit von Waren im Rahmen des GATT-1994 Bezug zu nehmen ist. Damit ist also – in entsprechender Anwendung der Entscheidungspraxis des Appellate Body zum GATT-1994 (siehe oben I.2.c)) – davon auszugehen, dass dem GATS kein einheitlicher Begriff der gleichartigen Dienstleistungen zugrundeliegt, sondern dessen Umfang jeweils im Einzelfall un-
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ter Berücksichtigung der konkret einschlägigen Regelung und unter entsprechender Anwendung der so genannten Border-Tax-Kriterien zu bestimmen ist.143 Nach den von einer GATT-Arbeitsgruppe im Jahr 1970 entwickelten BorderTax-Kriterien sind bei der Prüfung der Gleichartigkeit von Waren im Rahmen einer einzelfallbezogenen Betrachtung insbesondere (1) die Eigenschaften, die Natur und die Qualität der Ware, (2) der Endzweck der Ware, (3) der Verbrauchergeschmack und die Verbrauchergewohnheiten sowie (4) die Zolltarifklassifikation zu berücksichtigen (siehe oben I.2.c)). Die entsprechende Anwendung des Kriteriums der physischen Beschaffenheit scheidet aufgrund der Nichtstofflichkeit von Dienstleistungen aus. Statt auf die Zolltarifklassifikation kann bei Dienstleistungen auf die Untergliederung der Liste des WTO Sekretariats zur Einteilung der verschiedenen Dienstleistungssektoren abgestellt werden.144 Aufgrund ihres notwendig hohen Aggregationsgrades ist diese Klassifikation für die Bestimmung der Gleichartigkeit von Dienstleistungen allerdings nur von begrenztem Wert. Daher kommen dem Endverwendungszweck und den Verbrauchergewohnheiten bei der Bestimmung der Gleichartigkeit von Dienstleistungen hervorgehobene Bedeutung zu.145 Im Übrigen ist davon auszugehen, dass der Gleichartigkeitsbegriff des Art. XVII GATS im Wesentlichen dem des Art. III:4 GATT-1994 entspricht. Entsprechend Art. III:4 GATT-1994 unterscheidet Art. XVII GATS nicht zwischen gleichartigen Dienstleistungen einerseits und unmittelbar konkurrierenden oder substituierbaren Dienstleistungen andererseits. Dem Art. XVII GATS ist daher wie dem Art. III:4 GATT-1994 dadurch ein weiter Anwendungsbereich zu sichern, dass von dem Begriff der Gleichartigkeit auch solche unmittelbar konkurrierenden oder substituierbaren Dienstleistungen erfasst werden.146 Insoweit ist, wie bei Art. III:4 GATT-1994 vorrangig auf das Bestehen eines (potentiellen) Wettbewerbsverhältnisses abzustellen (siehe oben I.2.c)). Bei der Bestimmung des Begriffs der Gleichartigkeit von Dienstleistungen im Rahmen des Grundsatzes der Meistbegünstigung nach Art. II GATS ist hingegen vorrangig auf die entsprechende Regelung des Art. I:1 GATT-1994 abzustellen.147 Ob sich daraus tatsächlich materielle Unterschiede hinsichtlich des Gleichartigkeitsbegriffs ergeben, erscheint allerdings fraglich (siehe dazu oben I.2.c)). Hinsichtlich der nach Art. II und XVII GATS notwendigen Bestimmung der Gleichartigkeit von Dienstleistungserbringern kann hingegen nicht auf die Streit143 Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22 Rn. 67; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 46; Mattoo, 31 Journal of World Trade 1997, 107, 127 ff. 144 Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22 Rn. 67; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 48. 145 Mattoo, 31 Journal of World Trade 1997, 107, 127 f. 146 Mattoo, 31 Journal of World Trade 1997, 107, 127. 147 Insoweit nicht überzeugend: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 46.
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entscheidungspraxis zu den entsprechenden Regelungen des GATT-1994 zurückgegriffen werden. In dem Fall European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas ging das Panel davon aus, dass die Gleichartigkeit von Dienstleistungserbringern danach zu bestimmen ist, ob sie gleichartige Dienstleistungen erbringen.148
5. Subventionsrechtliche Regelungen im Bereich des Dienstleistungshandels An den subventionsrechtlichen Regelungen wird in besonderer Weise deutlich, dass der im Bereich des Dienstleistungshandel tatsächlich erreichte Grad der Handelsliberalisierung erheblich hinter dem des Warenhandels zurückbleibt. Nach Art. XV:1 S. 1 GATS erkennen die WTO-Mitglieder zwar an, „dass Subventionen unter bestimmten Umständen zu Verzerrungen im Handel mit Dienstleistungen führen können.“
Auf eine tatsächliche materielle Einschränkungen der Subventionspraxis im Bereich des Dienstleistungshandels konnten sich die WTO-Mitglieder im Rahmen der Uruguay-Runde aber nicht einigen. Gegenwärtig hat ein Mitglied, das sich durch eine Subvention eines anderen Mitglieds beeinträchtigt sieht, nach Art. XV:2 S. 1 GATS lediglich die Möglichkeit, dieses Mitglied um Konsultationen zu ersuchen. Dabei besteht nach Art. XV:2 S. 2 GATS nicht einmal eine Verpflichtung zur Aufnahme der Konsultationen, sondern ist ein solches Ersuchen lediglich wohlwollend zu prüfen. Allerdings haben sich die WTO-Mitglieder in Art. XV:1 S. 2 ff. GATS zur Aufnahme von Verhandlungen zur Ausarbeitung der für eine Vermeidung der handelsverzerrenden Wirkungen von Subventionen erforderlichen multilateralen Disziplinen verpflichtet. Grundsätzlich erscheint es naheliegend, ein solches subventionsrechtliches Abkommen für den Dienstleistungsbereich begrifflich und strukturell an dem für den Warenhandel entwickelten SCM zu orientieren.149 Bis zum Aussetzen der Doha-Runde im Juli 2006 haben die von der Working Party on GATS Rules geführten Verhandlungen allerdings noch nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt. Insbesondere hat die US-amerikanische Delegation die Frage aufgeworfen, ob die Gegebenheiten des internationalen Dienstleistungshandels unter Umständen eine Modifikation des im SCM definierten Subventionsbegriffs erforderlich machen. So sei insbesondere klärungsbedürftig, welche Auswirkungen die unterschiedlichen Erbringungsmodalitäten des internationalen Dienstleistungshandels nach 148 WTO Panel, European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT / DS27 / R / ECU, vom 22. Mai 1997, Rn. 7.322. 149 Bellis, Lack of Clear Regulatory Framework on Safeguards, Government Procurement and Subsidies, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 275, 298.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
Art. I:2 GATS auf die Definition des Subventionsbegriffs haben können. Daneben sei auch unklar, wie das Vorliegen einer Begünstigung zu beurteilen ist, wenn – wie beispielsweise im Gesundheits- oder Bildungswesen – ein Vergleich mit marktwirtschaftlichen Bedingungen nicht ohne weiteres möglich ist.150 6. Ausnahmevorschriften im GATS a) Überblick Ähnlich wie das GATT-1994 enthält auch das GATS ein umfangreiches System von Vorschriften, die unter bestimmten Voraussetzungen Abweichungen von den vertraglichen Verpflichtungen rechtfertigen können. Beispielhaft zu nennen sind hier neben den allgemeinen Ausnahmen nach Art. XIV GATS insbesondere die Beschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz nach Art. Art. XII GATS. An dieser Stelle werden lediglich die für die welthandelsrechtliche Beurteilung der europäischen Quotenregelungen und Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung bedeutsamen Regelungen zur regionalen Integration nach Art. V und Vbis GATS näher dargestellt (dazu b)). Den Regelungen der Art. III:8, 10 GATT-1994 entsprechende Bereichsausnahmen kennt das GATS nicht. Dass die allgemeinen Schutzmaßnahmen nach Art. XIV GATS für eine Rechtfertigung kulturpolitischer Maßnahmen nicht herangezogen werden können, wurde bereits im Zusammenhang mit der Diskussion um eine kulturelle Ausnahme dargelegt (siehe oben B.IV.). b) Regionale Integration nach Art. V GATS als Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung Auch im Bereich des internationalen Dienstleistungshandels kommt der regionalen Integration wachsende Bedeutung zu. Die welthandelsrechtliche Zulässigkeit regionaler Handelsabkommen im Dienstleistungsbereich wird dabei – in enger Anlehnung an die Vorschrift des Art. XXIV GATT-1994 – in Art. V GATS geregelt. Da Dienstleistungen aufgrund ihrer nichtstofflichen Erscheinungsform grundsätzlich nicht Gegenstand von Einfuhrzöllen sind, entfällt allerdings die in Art. XXIV GATT-1994 getroffene Unterscheidung zwischen Zollunionen und Freihandelszonen.151 Ergänzt wird die Regelung des Art. V GATS durch Art. Vbis GATS zu Übereinkünften über integrierte Arbeitsmärkte. Diese Sonderregelung war notwendig, da das GATS mit der Erbringungsmodalität der „presence of natural persons“ auch den grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen zu Erwerbszwecken berührt.152 150 WTO, Working Party on GATS Rules, Report of the Meeting of 21 June 2006, S / WPGR / M / 56, Rn. 28. 151 WTO Secretariat, Guide to the Uruguay Round Agreements, 1999, S. 166. 152 Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 70 f.
II. Die Liberalisierung des Dienstleistungshandels
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Entsprechend der Darstellung des Art. XXIV GATT-1994 im Bereich des Warenhandels werden im Folgenden zunächst die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines regionalen Handelsabkommens im Bereich des Dienstleistungshandels (dazu aa)) sowie das spezielle Notifikations- und Prüfverfahren nach Art. V:7 GATS erläutert (dazu bb)). Abschließend wird auf die Funktion des Art. V GATS als Ausnahmevorschrift eingegangen (dazu cc)). aa) Die Voraussetzungen für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit regionaler Dienstleistungsabkommen Die Voraussetzungen, unter denen regionale Handelsabkommen im Dienstleistungsbereich zulässig sind, werden in Art. V GATS in weitgehender Anlehnung an die Regelung des Art. XXIV GATT-1994 im einzelnen ausgeführt. Nach Art. V:1(a) GATS muss ein solches regionales Handelsabkommen zunächst einen beträchtlichen sektoralen Geltungsbereich haben. Diese Vorschrift entspricht funktional der Voraussetzung der Geltung für „annähernd den gesamten Handel“ im Rahmen des Art. XXIV GATT-1994 (siehe dazu oben I.4.b)aa)). Aufgrund der Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Voraussetzung des Art. XXIV GATT-1994 wurde die Regelung des Art. V:1(a) GATS durch die Fußnote 1 zu diesem Artikel dahingehend konkretisiert, dass bei der Beurteilung des sektoralen Anwendungsbereichs auf die Zahl der Sektoren, das betroffene Handelsvolumen sowie die Erbringungsformen abzustellen ist und insbesondere keine Erbringungsform von vornherein ausgeschlossen sein sollte. Art. V:1(b) GATS fordert die – vorbehaltlich der Regelungen in Art. V:2,3 GATS – grundsätzlich umfassende Umsetzung des Prinzips der Inländerbehandlung im Sinne des Art. XVII GATS zwischen den Parteien des regionalen Handelsübereinkommens durch die Abschaffung der bestehenden beziehungsweise das Verbot der Einführung neuer oder stärker diskriminierender Maßnahmen entweder bei Inkrafttreten der Übereinkunft oder auf der Grundlage eines angemessenen Zeitplans. Nach Art. V:4 GATS ist ein solches regionales Handelsabkommen so auszugestalten, dass der Handel zwischen den Vertragsparteien dieses Übereinkommens erleichtert wird, ohne dass für WTO-Mitglieder, die dem regionalen Übereinkommen nicht angehören „das allgemeine Niveau der Hemmnisse für den Dienstleistungshandel in den jeweiligen Sektoren oder Teilsektoren gegenüber dem vor Abschluss der Übereinkunft geltenden Niveau“
verschlechtert wird. Diese Regelung entspricht weitgehend der Vorschrift des Art. XXIV:5(a) GATT-1994 (siehe dazu oben I.4.b)aa)).153 Durch das Abstellen auf das „allgemeine Niveau“ der Hemmnisse für den Dienstleistungshandel wird deutlich, dass eine Gesamtbetrachtung der für den Dienstleistungshandel mit Dritt153
WTO Secretariat, Guide to the Uruguay Round Agreements, 1999, S. 166 f.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
staaten vor und nach Abschluss des regionalen Dienstleistungsabkommens bestehenden Handelsbedingungen vorzunehmen, die Verschlechterung einzelner Handelsbedingungen bei isolierter Betrachtung einzelner teilnehmender Gebiete also nicht ausgeschlossen ist.154 Eine Besonderheit ohne Parallele in Art. XXIV GATT-1994 stellt die Regelung des Art. V:6 GATS dar, wonach ein Dienstleistungserbringer eines anderen WTOMitglieds, der eine nach dem Recht einer Partei des regionalen Handelsabkommens gegründete juristische Person ist, Anspruch auf die in diesem Handelsabkommen vorgesehene Behandlung hat, sofern er im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien des regionalen Handelsabkommens in erheblichem Umfang Geschäfte tätigt. Diese Regelung soll sicherstellen, dass nach dem Recht des Aufnahmestaates gegründete Tochterunternehmen der Dienstleistungserbringer aus anderen WTO-Mitgliedern ebenfalls in den Genuss der im Aufnahmeland geltenden regionalen Dienstleistungsabkommen kommen.155 Praktisch werden solche Tochterunternehmen damit also entgegen der Regelung des Art. XXVIII(m)(ii) GATS wie Dienstleistungserbringer aus dem Aufnahmeland und nicht wie Dienstleistungserbringer aus dem Land des kontrollierenden Unternehmens behandelt. bb) Das Notifikations- und Prüfverfahren nach Art. V:7 GATS Entsprechend der Regelung des Art. XXVI:7 GATT-1994 unterliegt die Überprüfung der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit regionaler Handelsabkommen im Dienstleistungsbereich nach Art. V:7 GATS einem speziellen Notfikations- und Prüfverfahren. Nach Art. V:7(a) GATS sind die Mitglieder eines solchen regionalen Abkommens verpflichtet, dieses beim Rat für den Handel mit Dienstleistungen zu notifizieren. Durch die Notifikation wird das eigentliche Verfahren zur Überprüfung der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit des jeweiligen regionalen Handelsabkommens eingeleitet. Wie auch hinsichtlich der regionalen Handelsübereinkommen im Bereich des Warenhandels wird dieses Prüfverfahren seit 1996 nicht mehr durch ad hoc eingesetzte Arbeitsgruppen, sondern durch das eigens geschaffene Committee on Regional Trade Agreements (CRTA) durchgeführt. Das Verfahren entspricht dem bei der Prüfung der regionalen Warenhandelsabkommen und hat sich damit aufgrund des Erfordernisses der Einstimmigkeit in gleicher Weise als ineffektiv erwiesen (dazu oben I.4.b)bb)). Die Berichte des CRTA zu regionalen Dienstleistungsabkommen bedürfen der Annahme durch den Rat für den Handel mit Dienstleistungen.
Insoweit ungenau: Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 66. Self, General Agreement on Trade in Services, in: Stewart, The World Trade Organization, 1996, 523, 530. 154 155
III. Abgrenzung der Anwendungsbereiche von GATT-1994 und GATS
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cc) Art. V GATS als Ausnahmevorschrift Nach Art. V:1 GATS hindert dieses Übereinkommen die WTO-Mitglieder nicht daran, Vertragspartei eines regionalen Handelsabkommens im Dienstleistungsbereich zu sein oder ein solches Abkommen zu schließen. Da regionale Handelsabkommen aber definitionsgemäß darauf ausgerichtet sind, dass sich die Vertragsparteien im Handel untereinander Vorteile gewähren, die nicht in gleicher Form für die Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer aus Staaten gelten, die nicht Vertragspartei der jeweiligen Vereinbarung sind, beinhalten sie notwendig eine Abweichung vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II GATS. In der Literatur besteht daher Einigkeit, dass Art. V GATS als Ausnahmevorschrift zumindest hinsichtlich des Grundsatzes der Meistbegünstigung geltend gemacht werden kann.156 Entscheidungspraxis zu den konkreten Voraussetzungen der Anwendung des Art. V GATS als Ausnahmevorschrift liegt hingegen bisher nicht vor. Da die Regelung des Art. V GATS strukturell im Wesentlichen dem Art. XXIV GATT-1994 nachgebildet ist, kann aber davon ausgegangen werden, dass die Entscheidungspraxis des Appellate Body zu Art. XXIV GATT-1994 entsprechend auch auf Art. V GATS anzuwenden ist. In dem Fall Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products hat das Appellate Body ausgeführt, dass eine Rechtfertigung einer Maßnahme nach Art. XXIV GATT-1994 nur möglich ist, wenn die betreffende Zollunion oder Freihandelszone den Anforderungen des Art. XXIV:8, 5 GATT-1994 voll entspricht und die Schaffung der Zollunion oder Freihandelszone bei Nichtzulassung der Maßnahme verhindert würde (dazu oben I.4.b)cc)). Entsprechend ist im Rahmen des Art. V GATS zu prüfen, ob das betreffende regionale Dienstleistungsabkommen den Voraussetzungen dieser Vorschrift entspricht (dazu oben aa)) und die Schaffung des Abkommens bei Nichtzulassung der Maßnahme verhindert würde. Hinsichtlich der Auslegung dieser Entscheidung des Appellate Body kann auf die Ausführungen zu Art. XXIV GATT-1994 verwiesen werden (siehe oben I.4.b)cc)).
III. Die Abgrenzung der Anwendungsbereiche von GATT-1994 und GATS Die vorstehenden Darstellungen der welthandelsrechtlichen Vorschriften im Bereich des Warenhandels (siehe dazu oben I.) sowie im Bereich des Dienstleistungshandels (siehe dazu oben II.) haben gezeigt, dass das GATS hinsichtlich des tat156 Footer, 29 The International Lawyer 1995, 453, 466; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 63; WTO Secretariat, Guide to the Uruguay Round Agreements, 1999, S. 166; Self, General Agreement on Trade in Services, in: Stewart, The World Trade Organization, 1996, 523, 529; WTO Panel, Canada – Certain Measures Affecting the Automotive Industry, WT / DS139, 142 / R, vom 11. Februar 2000, Rn. 10.265 ff.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
sächlich verwirklichten Grads der Handelsliberalisierung in zahlreichen Punkten hinter den entsprechenden Regelungen des GATT-1994 zurückbleibt. Der Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Warenhandelsabkommens GATT-1994 und des Dienstleistungsabkommens GATS kommt bei der Beurteilung der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit von Maßnahmen der WTO-Mitglieder daher erhebliche praktische Bedeutung zu. Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass das GATT-1994 und das GATS unterschiedliche Regelungsbereiche haben. Das GATT-1994 regelt den internationalen Handel mit Waren, das GATS hingegen den internationalen Handel mit Dienstleistungen. Nach der Spruchpraxis der WTO-Streitentscheidungsorgane bedeutet dies jedoch nicht, dass das GATT-1994 und das GATS zueinander in einem Verhältnis der wechselseitigen Ausschließlichkeit stünden. Vielmehr können nach den in den Verfahren Canada – Certain Measures Concerning Periodicals und European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas entwickelten Grundsätzen das Warenhandelsabkommen GATT-1994 und das Dienstleistungsabkommen GATS auch nebeneinander Anwendung finden, soweit eine staatliche Maßnahme Auswirkungen sowohl auf den Waren- als auch auf den Dienstleistungshandel hat. Gegenstand des Falles Canada – Certain Measures Concerning Periodicals war unter anderem eine kanadische Regelung, wonach auf so genannte „split-run periodicals“ – d. h. Zeitschriften, die den redaktionellen Teil im Wesentlichen von einer Auslandspublikation übernehmen und lediglich den Anzeigenteil für den kanadischen Markt austauschen – eine Sondersteuer erhoben wurde. Nach der Entscheidung der Streitentscheidungsorgane stand der Anwendung des Art. III:2 GATT-1994 nicht entgegen, dass auf diese Maßnahme in ihrer Eigenschaft als Regelung von Werbedienstleistungen unter Umständen auch das GATS Anwendung finden könnte. Vielmehr haben sie insoweit ausschließlich darauf abgestellt, dass die fragliche Steuer im Sinne des Art. III:2 GATT-1994 direkt oder indirekt auf den Handel mit den als Waren zu qualifizierenden Zeitschriften erhoben wird. Dabei haben sich die Streitentscheidungsorgane zunächst auf den Wortlaut der Abkommen gestützt, die allein darauf abstellen, ob eine Maßnahme Auswirkungen auf den Handel mit Waren beziehungsweise auf den Handel mit Dienstleistungen hat: „The ordinary meaning of the texts of GATT 1994 and GATS as well as Art. II:2 of the WTO Agreement, taken together, indicates that obligations under GATT 1994 and GATS can co-exist and that one does not override the other.“157
Des Weiteren haben sie darauf hingewiesen, dass die Streitentscheidungspraxis zum GATT-1947 unter Art. III wiederholt staatliche Regelungen bestimmter Dienstleistungen in den Blick genommen hat, soweit diese Auswirkungen auf den 157 WTO Panel, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / R, vom 14. März 1997, Rn. 5.17; WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, bei Fn. 30.
III. Abgrenzung der Anwendungsbereiche von GATT-1994 und GATS
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Handel mit Waren hatten,158 und dass dieser Anwendungsbereich des GATT-1947 durch das Inkrafttreten des GATS im Rahmen der Uruguay-Runde nicht eingeschränkt werden sollte.159 Dieses Verständnis einer gegebenenfalls parallelen Anwendbarkeit von GATT-1994 und GATS haben die Streitentscheidungsorgane im Fall European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas ausdrücklich bestätigt und weiter konkretisiert. Gegenstand des Verfahrens war unter anderem eine Regelung der Europäischen Gemeinschaft, wonach die Einfuhr von Bananen unter den Vorbehalt einer entsprechenden Einfuhrlizenz gestellt wurde. Nach der Entscheidung der Streitentscheidungsorgane war die welthandelsrechtliche Zulässigkeit dieser Regelung nicht nur von ihrer Vereinbarkeit mit den warenhandelsrechtlichen Regelungen des Anhangs 1A abhängig. Vielmehr verstanden sie dieses Lizenzerfordernis zugleich als eine Regelung betreffend die Erbringung von Großhandelsdienstleistungen für Bananen, die daher auch dem Anwendungsbereich des GATS unterfiel. Im Rahmen dieses Verfahrens hatte die Europäische Gemeinschaft intensiv für eine wechselseitige Exklusivität von GATT-1994 und GATS argumentiert. Das GATS sei im Rahmen der Uruguay-Runde als ein Übereinkommen mit einem begrenzten Anwendungsbereich geschaffen worden, dass eine vom GATT-1994 grundsätzlich zu unterscheidende ratione materiae habe. Des Weiteren würde eine parallele Anwendung der Abkommen im Ergebnis zu nicht hinnehmbaren Unstimmigkeiten führen.160 Das Panel ist dieser Argumentation unter Hinweis auf den Wortlaut der Abkommen und die bei Annahme einer wechselseitigen Exklusivität bestehenden Umgehungsmöglichkeiten nicht gefolgt. Hinsichtlich der von der Europäischen Gemeinschaft angeführten Unstimmigkeiten hat das Panel lediglich festgestellt, dass ein derartiger Konflikt zwischen den Regelungen des GATT-1994 und des GATS im konkreten Fall nicht vorliegt und im Übrigen ausgeführt, dass solche Konflikte durch die Formulierung der Waiver und die in weiten Teilen parallelen Ausnahmeregelungen in GATT-1994 und GATS weitgehend vermieden werden können.161 Das Appellate Body hat diese Entscheidung des Panel bestätigt und sein Verständnis des Verhältnisses der beiden Abkommen wie folgt konkretisiert: „Given the respective scope of application of the two agreements, they may or may not overlap, depending on the nature of the measure at issue. Certain measures could be found 158 WTO Panel, Canda – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / R, vom 14. März 1997, Rn. 5.18. 159 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, bei Fn. 29. 160 WTO Appellate Body, European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT / DS27 / AB / R, vom 9. September 1997, Rn. 43 f. 161 WTO Panel, European Communitites – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT / DS27 / R / ECU, vom 22. Mai 1997, Rn. 7.283 ff.
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C. Vorschriften zur Liberalisierung des Waren- / Dienstleistungshandels
to fall exclusively within the scope of GATT 1994, [ . . . ]. Certain measures could be found to fall exclusively within the scope of GATS, [ . . . ]. There is yet a third category of measures that could be found to fall within the scope of both the GATT 1994 and the GATS. These are measures that involve a service relating to a particular good or a service supplied in conjunction with a particular good. In all such cases in this third category, the measure in question could be scrutinized under both agreements. However, while the same measure could be scrutinized under both agreements, the specific aspects of that measure examined under each agreement could be different. Under the GATT 1994, the focus is on how the measure affects the goods involved. Under the GATS, the focus is on how the measure affects the supply of a service or the service suppliers involved. Whether a certain measure [ . . . ] is scrutinized under the GATT 1994 or the GATS, or both, is a matter that can only be determined on a case-by-case basis.“162
Die Anwendungsbereiche sowohl des Warenhandelsabkommens GATT-1994 als auch des Dienstleistungsabkommens GATS sind nach dieser Spruchpraxis also unabhängig voneinander danach zu bestimmen, inwieweit eine Maßnahme den Handel mit Waren beziehungsweise den Handel mit Dienstleistungen betrifft.163 Versuche, auf der Grundlage dieser Entscheidung des Appellate Body für eine wechselseitige Exklusivität der Abkommen bei der Anwendung auf die unterschiedlichen Aspekte einer Maßnahme zu argumentieren,164 überzeugen nicht. Eine weitere Schwierigkeit bei der Bestimmung der Anwendungsbereichde von GATT-1994 und GATS ergibt sich daraus, dass die danach maßgeblichen Begriffe der „Ware“ beziehungsweise der „Dienstleistung“ weder im Warenhandelsabkommen GATT-1994 noch im Dienstleistungsabkommen ausdrücklich definiert werden. Und auch die Streitentscheidungsorgane sahen sich bisher nicht veranlasst, allgemeine Kriterien für die Bestimmung dieser Begriffe zu entwickeln. Weitgehende Einigkeit besteht jedoch darüber, dass insoweit im Grundsatz von der auch in den Wirtschaftswissenschaften bekannten Unterscheidung anhand der Stofflichkeit oder physischen Fassbarkeit auszugehen ist. Danach sind Waren stoffliche, physisch greifbare Gegenstände, die in dieser Form gelagert werden können. Dienstleistungen sind demgegenüber nichtstoffliche, d. h. physisch nicht greifbare Leistungen, die daher einer Lagerung grundsätzlich nicht zugänglich sind.165 Trotz dieser vermeintlich eindeutigen Kriterien ist die Abgrenzung von Waren und Dienstleistungen in der Praxis aber häufig äußerst schwierig und umstritten. Dies gilt – wie noch zu zeigen ist – insbesondere im Bereich der audiovisuellen Medien, 162 WTO Appellate Body, European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT / DS27 / AB / R, vom 9. September 1997, Rn. 221. 163 Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 9; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 7. 164 Gaffney, 12 Leiden Journal of International Law 1999, 135 ff. 165 Vgl. zu diesen Definitionsansätzen: Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 2; Michaelis, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 22 Rn. 2 Fn. 5; Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 7; Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.II. Rn. 11.
III. Abgrenzung der Anwendungsbereiche von GATT-1994 und GATS
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der durch das komplexe Zusammenspiel einer Vielzahl wirtschaftlicher Tätigkeiten sowohl bei der Produktion als auch bei der Verwertung audiovisueller Produkte geprägt ist.
D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der Europäischen Gemeinschaft Im folgenden Abschnitt werden die in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme (dazu I.) sowie die Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung (dazu II.) eingehend dargestellt. Dabei sollen die durch gemeinsame kulturpolitische Traditionen und zunehmend auch durch eine europarechtliche Vorprägung bedingten Gemeinsamkeiten der Regelungen in den verschiedenen EG-Mitgliedstaaten herausgearbeitet werden. Eine detaillierte Erläuterung der Regelungen sämtlicher Mitgliedstaaten ist hingegen aus Platzgründen nicht möglich. Vielmehr beschränkt sich die konkrete Darstellung grundsätzlich auf die Situation in der Bundesrepublik Deutschland, ergänzt um exemplarische Hinweise auf parallele oder abweichende Regelungen in anderen EG-Staaten. Eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Rechtslage in anderen EG-Staaten erfolgt nur dort, wo das deutsche System eine vergleichbare Regelung nicht kennt.
I. Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme Im Folgenden werden die in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Quotenregelungen dargestellt. Dabei ist zwischen Quotenregelungen für Kinofilme, wie sie einige Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft weiter vorsehen (dazu 1.), und den auf europäischem Richtlinienrecht beruhenden Quotenregelungen für Fernsehprogramme (dazu 2.) zu unterscheiden.
1. Quotenregelungen für Kinofilme In Reaktion auf den rapiden Anstieg der Marktanteile US-amerikanischer Kinofilme nach dem Ersten Weltkrieg führten zahlreiche europäische Staaten in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre Quotenregelungen zum Schutz der nationalen Filmindustrien ein. Überwiegend handelte es sich dabei – wie beispielsweise in Frankreich, Italien und Deutschland – um Einfuhrkontingente, bei denen unmittelbar die Anzahl der für den Import zugelassenen ausländischen Produktionen beschränkt wurde. Teilweise waren aber auch – wie in Großbritannien – Spielzeitkontingente vorgesehen, die einen bestimmten Anteil der Vorführzeiten für inländische
I. Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme
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Produktionen reservierten.1 Bemerkenswerterweise richtete sich die deutsche Einfuhrkontingentierung dabei nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr wie in Frankreich und Italien vorrangig gegen die übermäßige Einfuhr von US-Produktionen, sondern galt vielmehr ausschließlich für Produktionen aus Frankreich und Italien.2 Einfuhrkontingentierungen für Filmkopien gibt es in den Staaten der Europäischen Gemeinschaft, anders als beispielsweise in Indien,3 gegenwärtig nicht mehr. In Deutschland wurden die bis zum Schluss allein für französische und italienische Filme geltenden Quoten zum 1. Januar 1967 aufgehoben.4 Auch Quotenregelungen für Kinofilme in Form von Spielzeitkontingentierungen spielen im Medienrecht der meisten EG-Mitgliedstaaten keine Rolle mehr. In Großbritannien ist die entsprechende Regel bereits vor langer Zeit ersatzlos entfallen. Und auch in Italien wurde die zwischenzeitlich vorgesehene Spielzeitkontingentierung5 zumindest für abendfüllende Spielfilme wieder abgeschafft. Die dort nach Art. 13 des Filmgesetzes6 weiter bestehende Kontingentierung für Kurzfilme ist wirtschaftlich kaum von Bedeutung. Spielzeitkontingente für abendfüllende Kinofilme sehen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft gegenwärtig lediglich noch Frankreich und Spanien vor.7 In Frankreich ist eine Spielzeitkontingentierung für französische Filme nach Dekret Nr. 53-1294 vom 31. Dezember 19538 vorgesehen. In Art. 2 des Dekrets werden die Kinotheater verpflichtet, innerhalb eines Trimesters mindestens einen fünf Wochen der gesamten Spielzeit entsprechenden Anteil der Vorführung von französischen Filmen vorzubehalten. Durch Art. 1 des Dekret Nr. 67-367 vom 24. April 19679 wurde diese Regelung mit Wirkung zum 1. Januar 1967 (vgl. Art. 4) dahingehend erweitert, dass in die Quotenregelung auch Filme einbezogen werden, die die Nationalität eines oder mehrerer EG-Mitgliedstaaten haben. Diese Erweiterung der nationalen Quotenregelung auch auf Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten ging dabei auf gemeinschaftsrechtliche Vorgaben zurück. In seiner ursprünglichen Fassung sah der zum 1. Januar 1958 in Kraft getretene Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) vor, 1 Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 43 f.; vgl. auch: Gomery, in: Nowell-Smith, Geschichte des internationalen Films, 1998, 43, 49; Vasey, ebd., 51 ff. 2 Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 44. 3 Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 115, 126. 4 Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 77. 5 Vgl. dazu: Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 88. 6 Legge 4 novembre 1965, n. 1213, Nuovo Ordinamento dei Provvedimenti a Favore della Cinematografia, in der Fassung vom 30. Mai 1995. 7 Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 115, 124. 8 Décret n° 53-1294 du 31 décembre 1953, Décret relatif à l’exploitation en France des films cinématographiques impressionnés. 9 Décret n° 67-367 du 24 avril 1967, Décret relatif à l’exploitation en France de certains films étrangers en version doublée et aux quotas à l’écran.
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
dass die Beschränkungen des freien Waren- und Personenverkehrs bis zum Ende der Übergangszeit am 31. Dezember 1969 (vgl. Art. 8 EWGV = Art. 7 EGV a. F., entfallen mit der Neufassung durch den Vertrag von Amsterdam) zu beseitigen sind. Dementsprechend wurden nach Abschluss des EWGV allgemeine Programme zur Umsetzung der Grundfreiheiten beschlossen. Im Rahmen dieser Programme sollten die bei Abschluss des EWGV noch bestehenden Beschränkungen durch entsprechende Richtlinien schrittweise beseitigt werden.10 Die in den Gründungsmitgliedern der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Beschränkungen im Bereich des Filmwesens, wie insbesondere Einfuhr- und Spielzeitkontingente, wurden dabei als Beschränkungen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit aufgefasst. Dementsprechend sahen die allgemeinen Programme zur Umsetzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit die Aufhebung aller Beschränkungen vor, die in den Mitgliedstaaten für die selbständigen Tätigkeiten der Filmproduktion, des Filmverleihs sowie der Vorführung von Filmen bestehen.11 In Umsetzung dieser Vorgaben befasste sich Art. 5 der Zweiten Filmrichtlinie vom 13. Mai 196512 mit der Problematik der Spielzeitkontingente für einheimische Filmproduktionen. Danach wurden Mitgliedstaaten, die für Filmtheater eine Mindestzahl von Vorführtagen für inländische Filme je Kalenderjahr (sogenannte Spielzeitkontingente) vorschreiben, verpflichtet, bis spätestens zum 31. Dezember 1966 unter den gleichen Bedingungen wie inländische Filme zu diesem Kontingent auch Filme zulassen, die die Nationalität eines oder mehrerer EG-Mitgliedstaaten besaßen. In Spanien sind Spielzeitkontingente für einheimische Kinofilme durch das Gesetz 3 / 1980 vom 10. Januar 198013 vorgesehen. Im Zuge des Beitritts Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1986 wurde diese Spielzeitkontingentierung entsprechend den Vorgaben des Art. 5 der Zweiten Filmrichtlinie durch das Dekret 1257 / 1986 vom 13. Juni 198614 dahingehend geändert, dass sie nicht allein für einheimische Filme, sondern auch für Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten gilt. Nach Art. 1.2 des Gesetzes 3 / 1980 in der nunmehr geltenden Fassung sind die Filmtheater in Spanien verpflichtet, innerhalb eines Kalenderjahres einen bestimmten Anteil der Spielzeiten Gemeinschaftsfilmen vorzubehalten. Der Mindestanteil der Gemeinschaftsfilme wird dabei im Verhältnis zu synchronisierten Filmen aus Drittländern bestimmt. Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 47 ff. Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 57. 12 Zweite Richtlinie des Rates vom 13. Mai 1965 zur Durchführung der Allgemeinen Programme zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Filmwesens (65 / 264 / EWG). 13 Ley 3 / 1980, de 10 enero, de Regulación de Cuotas de Pantalla y Distribución Cinematográfica. 14 Real Decreto Legislativo 1257 / 1986 de 13 de junio, de adaptación de la Ley de 27 de abril de 1946 y de la Ley 3 / 1980, de 10 enero, a las normas de la Comunidad Europea, en materia cinematográfica. 10 11
I. Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme
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Entscheidende Bedeutung für die Anwendung dieser Spielzeitkontingente kommt der Frage zu, unter welchen Voraussetzungen ein Film als ein Film aus einem EG-Mitgliedstaat anzusehen ist. Für die spanische Regelung sieht insoweit Art. 1.1 des Gesetzes 3 / 1980 vor, dass als Gemeinschaftsfilm jeder Film gilt, der das Herkunftszeugnis eines Mitgliedstaates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat. Dies gilt auch für die französische Regelung, die darauf abstellt, ob ein Film die Nationalität eines oder mehrerer EG-Mitgliedstaaten hat. Ursprünglich war den EG-Mitgliedstaaten unmittelbar gemeinschaftsrechtlich vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen einem Film ein solches Herkunftszeugnis auszustellen war. Art. 2 der Zweiten Filmrichtlinie vom 13. Mai 1965 verweist insoweit auf die Regelungen der Art. 3 und 4 der Ersten Filmrichtlinie vom 15. Oktober 196315, die in Art. 11 ausdrücklich die Erteilung eines formalen Herkunftszeugnisses durch die Behörden der EG-Mitgliedstaaten vorsah. Nach Art. 3 der Ersten Filmrichtlinie galten zunächst solche Filme als Filme aus einem EGMitgliedstaat, die von in einem EG-Mitgliedstaat ansässigen Produzenten hergestellt wurden. Die Regelung stellte dabei bestimmte Voraussetzungen an die sprachliche Ausführung der Originalfassung des Films, den Ort der Durchführung der Atelieraufnahmen und die Herkunft der an der Produktion kreativ beteiligten Personen.16 Nach Maßgabe des Art. 4 der Ersten Filmrichtlinie konnten auch solche Filme als Filme aus einem EG-Mitgliedstaat gelten, die von im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft ansässigen Produzenten zusammen mit Produzenten aus Drittländern in Koproduktion hergestellt wurden. Dies betraf zunächst Koproduktionen, die im Rahmen eines zwischen den beteiligten Staaten bestehenden internationalen Koproduktionsabkommens hergestellt wurden. Darüber hinaus konnten nach Maßgabe der nationalen Vorschriften des betreffenden EG-Mitgliedstaates auch ohne Bestehen eines solchen internationalen Koproduktionsabkommens hergestellte Koproduktionen als Filme aus dem betreffenden EG-Mitgliedstaat anerkannt werden.17 Sowohl die Erste als auch die Zweite Filmrichtlinie wurden inzwischen jedoch durch Anhang B Teil 1 der Richtlinie 1999 / 42 / EG vom 7. Juni 199918 aufgehoben und sind damit nicht mehr in Kraft. Detaillierte gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für die Erteilung der Herkunftszeugnisse für Filme durch die EG-Mitgliedstaaten bestehen somit nicht mehr. Dessen ungeachtet sehen die nationalen Rechts15 Richtlinie des Rates vom 15. Oktober 1963 zur Durchführung der Bestimmungen des Allgemeinen Programms zur Aufhebung der Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs auf dem Gebiet des Filmwesens (63 / 607 / EWG). 16 Vgl. dazu: Gyori, Filmproduktion und -verleih in Europa, 2000, Europäische Filme, A.2. 17 Gyori, Filmproduktion und -verleih in Europa, 2000, Europäische Filme, A.2. 18 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Juni 1999 über ein Verfahren zur Anerkennung der Befähigungsnachweise für die unter die Liberalisierungs- und Übergangsrichtlinien fallenden Berufstätigkeiten in Ergänzung der allgemeinen Regelung zur Anerkennung der Befähigungsnachweise (1999 / 42 / EG).
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
ordnungen der EG-Mitglieder aber weiterhin die Erteilung solcher Herkunftszeugnisse unter Voraussetzungen vor, die in weiten Teilen den Vorgaben der Art. 3 und 4 der außer Kraft getretenen Ersten Filmrichtlinie entsprechen. In Deutschland wird das für die Zwecke der spanischen und französischen Quotenregelungen für Kinofilme verlangte Herkunftszeugnis durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) nach dem Runderlass Außenwirtschaft Nr. 14 / 2003 vom 7. August 2003 unter den gleichen Voraussetzungen erteilt, wie die Bescheinigung der Förderfähigkeit eines Films nach dem FFG. Maßgeblich sind damit die Regelungen der §§ 15 bis 16a FFG, die die Förderfähigkeit von Alleinproduktionen in Deutschland ansässiger Produzenten (§ 15 FFG), von Koproduktionen (§ 16 FFG) und von in Kofinanzierung produzierten Filmen (§ 16a FFG) regeln. Insoweit kann auf die unten stehenden Ausführungen verwiesen werden (siehe unten II.1.). 2. Quotenregelungen für Fernsehprogramme Während, wie dargestellt, Spielzeitkontingente für Kinofilme nur in Frankreich und Spanien bestehen, sind entsprechende Regelungen für Fernsehprogramme aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben in den Medienordnungen sämtlicher EGMitgliedstaaten vorgesehen. Im Rahmen der Bemühungen zur Stärkung der europäischen Programmindustrie wurde auf Betreiben Frankreichs nach einer kontrovers geführten Debatte, in der sich insbesondere Deutschland gegen eine verbindliche Regelung gewendet hatte,19 in die vom Rat im Jahr 1989 verabschiedete Fernsehrichtlinie20 eine Quotenregelung für Fernsehprogramme europäischen Ursprungs aufgenommen. Eine parallel konzipierte Regelung enthält das im Rahmen des Europarats verhandelte und im selben Jahr abgeschlossene Fernsehübereinkommen.21 Gestützt auf wirtschafts- und kulturpolitische Erwägungen sollte mit diesen Quotenregelungen verhindert werden, dass der Anfang der 1990er Jahre erwartete rapide Anstieg des Programmbedarfs der europäischen Fernsehveranstalter zu weiten Teilen mit US-amerikanischen Produktionen gedeckt würde, die aufgrund einer weitgehenden Amortisation bereits auf dem heimischen Markt in Europa sehr günstig angeboten werden konnten.22 In Art. 4 Abs. 1 S. 1 der Fernsehrichtlinie werden die Mitgliedstaaten verpflichtet, im Rahmen des praktisch Durchführbaren mit angemessenen Mitteln dafür Vgl. dazu: Bogdandy, EuZW 1992, 9, 10 f.; Frohne, ZUM 1989, 390. Richtlinie des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (89 / 552 / EWG); geändert durch: Richtlinie 97 / 36 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997. 21 Europäisches Übereinkommen über grenzüberschreitendes Fernsehen vom 5. Mai 1989; eine Liste der Vertragsstaaten ist über die Website des Europarats abrufbar (http: // conventions. coe.int / Treaty / Commun / ChercheSig.asp?NT=132&CM=8&DF=10 / 24 / 2006&CL=ENG). 22 Bogdandy, EuZW 1992, 9, 10, 12; Frohne, ZUM 1989, 390; Bogdandy, in: Grabitz / Bogdandy / Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, 1994, S. 577. 19 20
I. Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme
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Sorge zu tragen, dass die Fernsehveranstalter den Hauptteil ihrer Sendezeit – exklusive Nachrichten, Sportberichte, Spielshows sowie Werbe- und Videotextleistungen und Teleshopping – der Sendung von europäischen Werken vorbehalten. Grundsätzlich war diese Verpflichtung nach Art. 25 Abs. 1 Fernsehrichtlinie wie auch die übrigen Richtlinienbestimmungen bis spätestens zum 3. Oktober 1991 in nationales Recht umzusetzen. Allerdings wird diese zeitliche Vorgabe durch die Regelung des Art. 4 Abs. 1 S. 2 Fernsehrichtlinie relativiert, wonach dieser Anteil unter Berücksichtigung der Verantwortung der Rundfunkveranstalter gegenüber ihrem Publikum in den Bereichen Information, Bildung, Kultur und Unterhaltung schrittweise anhand geeigneter Kriterien erreicht werden soll. Der Begriff des europäischen Werks wird dabei in Art. 6 Fernsehrichtlinie näher definiert. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. a) und b) Fernsehrichtlinie gelten als europäische Werke zunächst Werke aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft sowie aus den Mitgliedstaaten des Fernsehübereinkommens des Europarats. Voraussetzung ist dabei nach Art. 6 Abs. 2 Fernsehrichtlinie jeweils, dass das betreffende Werk im Wesentlichen in Zusammenarbeit mit Autoren und Arbeitnehmern geschaffen wurde, die in diesen Staaten ansässig sind. Zusätzlich muss das Werk von einem oder mehreren in diesen Staaten ansässigen Herstellern geschaffen – Art. 6 Abs. 2 lit. a) – oder überwacht und tatsächlich kontrolliert – Art. 6 Abs. 2 lit. b) – worden sein. Koproduktionen, die in Zusammenarbeit mit Produzenten aus Ländern hergestellt werden, die weder Mitglied der Europäischen Gemeinschaft noch des Fernsehübereinkommens des Europarats sind, gelten nach Art. 6 Abs. 2 lit. c) Fernsehrichtlinie als Werke eines EG-Mitgliedstaates beziehungsweise eines Vertragsstaates des Fernsehübereinkommens, wenn die tatsächliche Kontrolle der Koproduktion bei Herstellern aus diesen Ländern liegt oder ihr finanzieller Beitrag mehr als die Hälfte der Gesamtproduktionskosten beträgt. Nach Art. 6 Abs. 1 lit. c) werden nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 3 Fernsehrichtlinie auch Werke aus europäischen Drittstaaten als europäische Werke im Sinne des Art. 4 Fernsehrichtlinie angesehen. Voraussetzung ist dabei zunächst, dass zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem betreffenden europäischen Drittland ein Abkommen im audiovisuellen Bereich, d. h. ein Koproduktionsabkommen, besteht. Des Weiteren muss die Produktion entweder ausschließlich durch Hersteller aus diesen europäischen Drittländern oder in Koproduktion mit Herstellern aus Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft oder des Fernsehübereinkommens des Europarats erfolgt sein. Ausgeschlossen sind also Koproduktionen mit Herstellern aus anderen – insbesondere außereuropäischen – Staaten. Schließlich muss das Werk im Wesentlichen unter Mitwirkung von Autoren und Arbeitnehmern geschaffen worden sein, die in europäischen Staaten ansässig sind. Art. 1 Ziff. 7 des Kommissionsvorschlags vom 13. Dezember 2005 zur Änderung der Fernsehrichtlinie23 sieht eine Neufassung des Art. 6 Abs. 1 lit. c) vor. Danach 23 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 89 / 552 / EWG des Rates zur Koordinierung be-
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
wäre einerseits nicht mehr nach Werken aus europäischen und sonstigen Drittländern zu unterscheiden und könnten andererseits nur noch im Rahmen eines entsprechenden Abkommens mit der Europäischen Gemeinschaft hergestellte Koproduktionen als europäische Werke im Sinne des Art. 4 Fernsehrichtlinie anerkannt werden. Nach Art. 6 Abs. 4 Fernsehrichtlinie werden schließlich auch Produktionen als europäische Werke betrachtet, die im Rahmen von bilateralen Koproduktionsabkommen zwischen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und – europäischen oder außereuropäischen – Drittländern hergestellt werden. Voraussetzung ist dabei, dass die Koproduzenten der Gemeinschaft einen mehrheitlichen Anteil der Gesamtproduktionskosten tragen und die Herstellung nicht von einem oder mehreren außerhalb der Europäischen Gemeinschaft ansässigen Herstellern kontrolliert wird. Angesichts des relativierenden Wortlauts des Art. 4 der Fernsehrichtlinie und einer Protokollerklärung des Rates, in der die Quotenregelung für Fernsehprogramme als lediglich politische Verpflichtung bezeichnet wurde, bestanden gewisse Zweifel an der gemeinschaftsrechtlichen Rechtsverbindlichkeit dieser Regelung.24 Darüber hinaus, gewährt die Fernsehrichtlinie den EG-Mitgliedstaaten auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Quotenregelungen einen vergleichsweise weiten Gestaltungsspielraum. So lässt Art. 4 Fernsehrichtlinie insbesondere offen, ob bei der Berechnung der Quote auf den einzelnen Fernsehveranstalter abzustellen ist oder aber auf den nationalen Durchschnitt insgesamt.25 Auch enthält die gemeinschaftsrechtliche Regelung keinerlei Vorgaben hinsichtlich der Frage, zu welchen Zeiten die Anforderungen der Quotenregelung durch Sendung europäischer Werke zu erfüllen sind.26 Dementsprechend weisen die von den EG-Mitgliedstaaten erlassenen Umsetzungsmaßnahmen erhebliche Unterschiede auf.27 Insbesondere die Staaten, die bereits vor Erlass der Fernsehrichtlinie auf nationaler Ebene Quotenregelungen für Fernsehprogramme vorgesehen hatten,28 haben bei der Umsetzung ein strenges Verständnis zugrundegelegt und sind teilweise über die Mindestanforderungen des Art. 4 Fernsehrichtlinie hinausgegangen. In Frankreich erfolgte die Umsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Quotenregelung für Fernsehprogramme durch Dekret Nr. 90-66 vom 17. Januar 1990.29 Danach stimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, 13. Dezember 2005, KOM(2005) 646 endgültig. 24 Vgl. dazu: Bogdandy, EuZW 1992, 9, 12 f.; Donaldson, 20 Fordham International Law Journal 1996, 90, 100. 25 Vgl. dazu: Bogdandy, EuZW 1992, 9, 11; Donaldson, 20 Fordham International Law Journal 1996, 90, 100 f. 26 Bogdandy, EuZW 1992, 9, 11; Frohne, ZUM 1989, 390, 393. 27 Vgl. zu einem Überblick: Gyori, Filmproduktion und -verleih in Europa, 2000, Europäische Filme, B.3. 28 Vgl. dazu: Frohne, ZUM 1989, 390, 391 f. 29 Décret n° 90-66 du 17 janvier 1990, Décret pris pour l’application de la loi n° 86-1067 du 30 septembre 1986 et fixant les principes généraux concernant la diffusion des œuvres
I. Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme
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sind die französischen Fernsehveranstalter verpflichtet, 60 % ihrer Sendezeit europäischen Werken vorzubehalten, und gilt diese Verpflichtung auch bei isolierter Betrachtung der näher definierten abendlichen Hauptsendezeit. Dadurch soll verhindert werden, dass die Fernsehveranstalter die Quotenregelung durch Sendung europäischer Werke vornehmlich auf unattraktiven Programmplätzen praktisch wirkungslos machen.30 Die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die der Einführung einer europäischen Quotenregelung für Fernsehprogramme von vornherein skeptisch gegenüberstanden, enthalten hingegen derartig strenge Vorgaben nicht. In Deutschland ist die entsprechende Vorschrift des Art. 6 Abs. 2 RStV nicht als verpflichtende Regelung, sondern als bloße Sollvorschrift ausgestaltet. Danach sollen die Fernsehveranstalter den Hauptteil ihrer insgesamt für Spielfilme, Fernsehspiele, Serien, Dokumentarsendungen und vergleichbare Produktionen vorgesehenen Sendezeit europäischen Werken entsprechend dem europäischen Recht vorbehalten. Einen entsprechenden Kontroll- oder Sanktionsmechanismus sieht das deutsche Recht nicht vor.31 Trotz dieser etwas unklaren Rechtslage und der teilweise erheblich divergierenden Umsetzungsmaßnahmen in den Mitgliedstaaten hat die Europäische Kommission auf Grundlage der nach Art. 4 Abs. 3 Fernsehrichtlinie vorgesehenen regelmäßigen Evaluation zuletzt 2006 eine ausgesprochen positive Bewertung der europäischen Quotenregelung für Fernsehprogramme vorgenommen. Im EU-Durchschnitt haben die erfassten Fernsehkanäle seit 2001 durchgehend mehr als 60% ihrer Sendezeit für europäische Werke verwendet. Zwar ist dieser Anteil nach der EU-Erweiterung 2004 leicht zurückgegangen; der mittelfristige Trend weist aber weiterhin nach oben. Dabei schwankte die durchschnittliche Sendezeit auf Ebene der Mitgliedstaaten 2003 zwischen 52,75 % (Irland) und 86,2% (Dänemark) und 2004 zwischen 49,12 % (Tschechische Republik) und 86,33% (Dänemark).32 Bei dieser Bewertung ist allerdings zu beachten, dass die von der Europäischen Kommission vorgenommene Evaluation Aussagen über die tatsächlichen Zuschauermarktanteile der gesendeten europäischen Werke nicht zulässt.
cinématographiques et audiovisuelles par les éditeurs de services de télévision; in der Fassung vom 30. Dezember 2004. 30 Vgl. dazu: Donaldson, 20 Fordham International Law Journal 1996, 90, 103 Fn. 66; Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1992, 323, 362; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 107. 31 Vgl dazu: Beucher / Leyendecker / v. Rosenberg, Mediengesetze, 1999, § 6 RStV Rn. 8. 32 Europäische Kommission, Siebte Mitteilung über die Anwendung von Artikel 4 und 5 der Richtlinie 89 / 552 / EWG „Fernsehen ohne Grenzen“ – in der Fassung der Richtlinie 97 / 36 / EG – im Zeitraum 2003 – 2004, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM(2006) 459 endgültig, vom 14. August 2006, Abschnitt 2.2.
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
II. Finanzielle Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung Bereits Ende der 50er Jahre entstanden in einigen europäischen Ländern in Reaktion auf die Dominanz der US-amerikanischen Filmindustrie Programme zur finanziellen Förderung der nationalen Filmindustrien. Insbesondere in Frankreich, Italien und später auch in Deutschland kamen an kulturellen Aspekten ausgerichtete neue Fördermechanismen der Herausbildung eigenständiger nationaler Kinematographien zugute, die sich bewusst als Gegenentwurf zur Ästhetik des Hollywoodkinos verstanden.33 Derartige, sowohl kulturell als auch ökonomisch begründete, Programme wurden in der Folge europaweit ausgebaut und auch auf den Fernsehbereich ersreckt. Heute stellen Systeme nationaler und regionaler Filmund Fernsehförderung – ergänzt durch die europaweiten Maßnahmenprogramme MEDIA und Eurimages sowie bi- und multilaterale Koproduktionsabkommen – einen bedeutenden Faktor für die europäische Film- und Fernsehindustrie dar. Nach Angaben der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle beliefen sich die nationalen und regionalen Fördermittel in den 25 Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 2004 auf mehr als A 1,2 Mrd. Mehr als 75 % dieser Mittel entfielen dabei auf die fünf bedeutendsten europäischen Filmnationen Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Spanien.34 Ohne die Inanspruchnahme solcher Fördermittel wäre die Refinanzierung eines Großteils der europäischen Filmwerke gegenwärtig nicht möglich.35 Dabei ist die Situation in der Europäischen Gemeinschaft durch eine fast unübersehbare Vielfalt an Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung gekennzeichnet, die sich auf sämtliche Stufen der Produktion und Auswertung audiovisueller Produkte – von der Konzeption und Stoffentwicklung über die eigentliche Produktion bis hin zu Vertrieb und Filmvorführung – erstrecken. An dieser Stelle kann daher nur ein Überblick über die wichtigsten Grundsätze und Strukturen der Film- und Fernsehförderung in der Europäischen Gemeinschaft gegeben werden, der sich darüber hinaus auf die Darstellung der ökonomisch besonders bedeutsamen Formen der Produktions- und Vertriebsförderung beschränkt.36 1. Nationale und regionale Fördermaßnahmen In den meisten EG-Staaten bestehen auf nationaler und / oder regionaler Ebene Programme zur Produktions- und Vertriebsförderung in Form direkter finanzieller Zuschüsse beziehungsweise bedingt rückzahlbarer Darlehen. Dabei kommt der 33 Nowell-Smith, in: Nowell-Smith, Geschichte des internationalen Films, 1998, 396, 403; Ertel, Globalisierung der Filmwirtschaft, 2001, S. 207 ff. 34 Europäische Audiovisuelle Informationsstelle, Jahrbuch 2005, Band 3 Kapitel 15, S. 97. 35 Schaefer / Kreile / Gerlach, ZUM 2002, 182. 36 Eine umfassende Übersicht über die europäischen Förderprogramme bietet die Datenbank der Europäischen Audiovisuellen Informationsstelle unter http: / / korda.obs.coe.int.
II. Finanzielle Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung
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Filmproduktionsförderung die größte Bedeutung zu. Fördermittel für den Filmvertrieb sowie für Fernsehproduktionen sind nur in geringerem Maße vorgesehen.37 Hinsichtlich des Umfangs und der konkreten Ausgestaltung unterscheiden sich die nationalen und regionalen Systeme der verschiedenen EG-Mitgliedstaaten erheblich. Gewisse Gemeinsamkeiten ergeben sich allerdings aus den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts, wonach solche Fördermittel grundsätzlich als Beihilfen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV aufgefasst werden, die allerdings nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EGV als Beihilfen zur Förderung der Kultur von der Kommission genehmigt werden können, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, das dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft. Anlässlich einer 1997 erhobenen Beschwerde zum französischen Fördersystem hat die Kommission in der Entscheidung N 3 / 98 vom 29. Juli 199838 konkrete Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Kulturausnahme nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EGV für nationale und regionale Förderungen der Filmproduktion entwickelt. Zur Gewährleistung der erforderlichen Rechtssicherheit hat sie diese Kriterien 2001 in eine Mitteilung zur Filmwirtschaft39 übernommen.40 Die zunächst bis zum Juni 2004 befristete Geltung dieser Kriterien hat die Kommission nachfolgend bis zum 30. Juni 2007 verlängert.41 Danach kann eine Genehmigung nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EGV für Maßnahmen zur Förderung der Filmproduktion nur erteilt werden, wenn sie dem Grundsatz der allgemeinen Rechtmäßigkeit sowie den spezifischen Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Filmfördermaßnahmen entsprechen. Im Rahmen der allgemeinen Rechtmäßigkeit prüft die Kommission, ob die fraglichen Regelungen mit den allgemeinen Bestimmungen des EGV, insbesondere den Grundfreiheiten vereinbar sind. Dabei hat sie darauf hingewiesen, dass es mit dem Grundsatz der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV unvereinbar ist, wenn nationale Fördermittel nur an Inländer oder nach inländischem Recht gegründete Unternehmen vergeben werden. Vielmehr müssen die Fördermittel auch für Filmproduzenten zugänglich sein, die ihren Sitz in einem anderen EG-Mitgliedstaat haben und in dem die Förderung gewährenden Staat lediglich eine Niederlassung oder Be37 von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 135. Kapitel Rn. 3. 38 Europäische Kommission, Entscheidung vom 29. Juli 1998, N 3 / 98 (régime français de soutien à la production cinématographique). 39 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken, 26. September 2001, KOM(2001) 534 endgültig. 40 Vgl. dazu eingehend: Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 132 ff. 41 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission über Folgemaßnahmen der Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken (Mitteilung zur Filmwirtschaft) vom 26. 9. 2001, 16. März 2004, KOM(2004) 171 endgültig, Abschnitt 2 Ziff. 9.
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
triebsstätte unterhalten.42 Nach den in der Entscheidung N 3 / 98 entwickelten spezifischen Kriterien kann die Genehmigung nach Art. 87 Abs. 3 lit. d) EGV nur erteilt werden, sofern die nationalen Regelungen sicherstellen, dass (1) nur kulturelle Produkte gefördert werden, (2) die Filmproduzenten mindestens 20 % ihres Budgets in anderen Mitgliedstaaten ausgeben können, (3) der Beihilfeumfang insgesamt grundsätzlich 50% der Produktionskosten nicht übersteigt und (4) keine Beihilfen für besondere Filmarbeiten wie beispielsweise die Postproduktion gewährt werden.43 In der Folge hat die Kommission anhand dieser Kriterien verschiedene nationale Fördersysteme, darunter auch das deutsche Filmförderungsgesetz FFG, genehmigt.44 Auf dieser Grundlage werden nachfolgend die wesentlichen Regelungen zur Förderung der Filmproduktion in Deutschland überblicksartig dargestellt. Ergänzend wird dabei exemplarisch auf parallele beziehungsweise abweichende Regelungen in anderen EG-Staaten Bezug genommen. Auf nationaler Ebene wurde in Deutschland nach § 1 Abs. 1 FFG die als unmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts geschaffene Filmförderungsanstalt (FFA) mit der Förderung der Struktur der deutschen Filmwirtschaft und der kreativkünstlerischen Qualität des deutschen Films als Voraussetzung für seinen Erfolg im Ausland betraut. Die FFA verfügt jährlich über einen Haushalt von rund A 76 Mio. und finanziert sich nach §§ 66 ff. FFG aus Filmabgaben der Kinobetreiber und der Videowirtschaft sowie aus vertraglich ausgehandelten Beiträgen der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter. Ähnliche Finanzierungsformen sehen auch die Fördersysteme anderer EG-Staaten vor. Teilweise werden die Fördergelder aber auch überwiegend oder ausschließlich aus staatlichen Lotteriegeldern (Großbritannien) beziehungsweise direkten Steuermitteln (z. B. Spanien, Italien) aufgebracht.45 Der weitaus größte Teil der Fördermittel der FFA entfällt auf die Produktionsförderung von Kinofilmen.46 Eine Förderung von Fernsehproduktionen durch die FFA ist – anders als in den nationalen Fördersystemen anderer EG-Staaten47 – 42 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken, 26. September 2001, KOM(2001) 534 endgültig, Abschnitt 2.3.a). 43 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken, 26. September 2001, KOM(2001) 534 endgültig, Abschnitt 2.3.b); vgl. zu den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben insgesamt: von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 33. Kapitel Rn. 13. 44 Vgl.: Nikoltchev / Cabrera Blázquez, iris-plus (4)2001, 2. 45 von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 135. Kapitel Rn. 4. 46 von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 105. Kapitel Rn. 1 ff. 47 So beispielsweise in Frankreich, vgl.: Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 59.
II. Finanzielle Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung
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nicht vorgesehen. Für Kinofilme sind die Regelungen der §§ 15 bis 16a FFG maßgeblich, die die Förderfähigkeit von Alleinproduktionen in Deutschland ansässiger Produzenten (§ 15 FFG), von Koproduktionen (§ 16 FFG) und von in Kofinanzierung produzierten Filmen (§ 16a FFG) regeln. Voraussetzung für die Förderfähigkeit einer Alleinproduktion ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 FFG entsprechend der gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben zunächst, dass der Hersteller seinen Sitz oder Wohnsitz in Deutschland oder, bei Sitz oder Wohnsitz in einem anderen EG-Mitgliedstaat oder EWR-Vertragsstaat, zumindest eine Niederlassung in Deutschland hat. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 FFG ist zumindest eine Endfassung des Films in deutscher Sprache herzustellen, ausgenommen der Dialogstellen, für die nach dem Drehbuch eine andere Sprache vorgesehen ist. Zusätzlich sieht § 15 Abs. 2 Nr. 5 FFG vor, dass der Film in deutscher Sprache in Deutschland oder auf einem Filmfestival als deutscher Beitrag uraufgeführt werden muss. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 FFG sind die Atelier- und Postproduktionsarbeiten grundsätzlich in Zusammenarbeit mit Firmen durchzuführen, die ihren Sitz in Deutschland, einem anderen EG-Mitgliedstaat oder einem Vertragsstaat des Europäischen Wirtschaftsraums haben. Eine Durchführung von grundsätzlich maximal 30% der Atelierarbeiten in anderen Staaten ist möglich, wenn dies durch die thematisch vorgegebene Durchführung von Außenaufnahmen in diesem Land angezeigt ist. In § 15 Abs. 2 FFG a. E. wird die Bundesregierung ermächtigt, die Erteilung des deutschen Herkunftszeugnisses durch Rechtsverordnung davon abhängig zu machen, dass inländische Ateliers, Produktionstechnik und für die Postproduktion technische Dienstleistungen bis zu einer Obergrenze von 80% der jeweils entstehenden Kosten genutzt werden. Von dieser Ermächtigung wurde bisher kein Gebrauch gemacht. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 4 FFG ist es weiter grundsätzlich erforderlich, dass der Regisseur des Films die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder dem deutschen Kulturkreis angehört oder Staatsangehöriger eines anderen EGMitgliedstaates oder EWR-Vertragsstaates ist. Sofern der Regisseur des Films diesen Vorgaben nicht entspricht, müssen nach Maßgabe des § 15 Abs. 3 FFG die übrigen Filmschaffenden diese Anforderungen im Wesentlichen erfüllen. Unter der Voraussetzung der Beteiligung eines nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 FFG in Deutschland ansässigen Produzenten und der Herstellung mindestens einer Endfassung nach § 15 Abs. 2 Nr. 2 FFG in deutscher Sprache sind nach Maßgabe der §§ 16 und 16a FFG auch internationale Gemeinschaftsproduktionen und Kofinanzierungen nach dem FFG förderfähig. Hinsichtlich internationaler Gemeinschaftsproduktionen unterscheidet § 16 FFG zwischen Produktionen, die im Rahmen eines bi- oder multilateralen Koproduktionsabkommens hergestellt werden, und Produktionen, für die ein solches Abkommen nicht einschlägig ist. Für die im Rahmen eines internationalen Koproduktionsabkommens hergestellten Produktionen verweist § 16 Abs. 1 Nr. 1 FFG auf die in dem jeweiligen Abkommen aufgestellten Anforderungen. Wichtigstes Übereinkommen ist insoweit das Europäische Übereinkommen über die Gemeinschaftspro-
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
duktion von Kinofilmen48 auf Ebene des Europarates. Daneben bestehen zahlreiche bilaterale Koproduktionsübereinkommen auch mit außereuropäischen Ländern.49 Diese Abkommen sehen regelmäßig einen Mindestbetrag für die finanzielle Beteiligung des minoritären Partners vor (in der Regel 20%), zu dem seine technische und künstlerische Beteiligung in einem angemessenen Verhältnis stehen muss. Daneben enthalten diese Abkommen eigene Anforderungen an die Herkunft der an der Produktion künstlerisch und technisch beteiligten Personen. Ist ein solches Abkommen nicht einschlägig, kann eine internationale Gemeinschaftsproduktion nach § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 FFG nur gefördert werden, wenn der finanzielle sowie technische und künstlerische Beitrag des in Deutschland ansässigen Produzenten mindestens 30% der Gesamtproduktionskosten beträgt und in entsprechendem Umfang an der Produktion auch Personen deutscher Herkunft oder aus einem anderen EG-Mitgliedstaat oder EWR-Vertragsstaat beteiligt sind. Nach § 16a FFG können auch Produktionen gefördert werden, die im Wege der internationalen Kofinanzierung hergestellt werden. Dies sind Filme, bei denen der nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 FFG in Deutschland ansässige Produktionspartner lediglich finanziell an der Produktion beteiligt ist, aber keinerlei künstlerische oder technische Produktionsbeiträge leistet. Die künstlerische und technische Verantwortung liegt also allein bei dem oder den Produzenten aus anderen Ländern. Voraussetzung für die Anerkennung der deutschen Herkunft eines solchen Films ist nach § 16a FFG, dass ein mit der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossenes bi- oder multilaterales Abkommen eine solche Beteiligung vorsieht und der finanzielle Beitrag des deutschen Produzenten dem in dem Abkommen festgelegten Mindestanteil entspricht. Eine derartige Regelung sieht beispielsweise Art. 9 des Europäischen Übereinkommens über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen vor. Danach hat der Finanzierungsbeitrag des oder der minoritären Partner mindestens 10% und höchstens 25 % zu betragen. Vergleichbare Vorschriften zur Förderfähigkeit von Alleinproduktionen, Koproduktionen und Kofinanzierungen sehen – mit unterschiedlicher Gewichtung – regelmäßig auch die Regelungen zur Förderung der Filmproduktion in den anderen EG-Mitgliedstaaten vor.50 Hinsichtlich der Mittelvergabe ist zwischen der Referenzförderung nach § 22 FFG51 und der Projektförderung nach § 32 FFG52 zu unterscheiden. Die in Form 48 Europäisches Übereinkommen über die Gemeinschaftsproduktion von Kinofilmen vom 2. Oktober 1992; deutsches Zustimmungsgesetz vom 20. Oktober 1994, BGBl. II, 1994, S. 3567 ff. 49 Eine Liste der von der Bundesrepublik Deutschland geschlossenen Koproduktionsabkommen ist über die Website des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien abrufbar. 50 Vgl. dazu: Gyori, Filmproduktion und -verleih in Europa, 2000. 51 Vgl. dazu: von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 117. Kapitel Rn. 1 ff. 52 Vgl. dazu: von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 118. Kapitel Rn. 1 ff.
II. Finanzielle Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung
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nicht rückzahlbarer Zuschüsse gewährte Referenzförderung nach § 22 FFG erfolgt automatisch nach Maßgabe eines am Erfolg eines vorgängigen Films des Herstellers ausgerichteten Punktesystems. Nach § 22 Abs. 2 und 3 FFG ist dabei neben der Berücksichtigung von Preisen und Erfolgen bei Festivals entscheidend auf die Zuschauerzahl des vorangegangenen Films im Inland abzustellen. Die in Form von bedingt rückzahlbaren zinslosen Darlehen gewährte Projektförderung nach § 32 FFG setzt hingegen eine an wertenden Kriterien ausgerichtete Förderentscheidung der FFA voraus, die nach §§ 7, 8 FFG durch eine unabhängige Vergabekommission unter Einbeziehung von Vertretern der Film- und Fernsehbranche erfolgt. Dieses System entspricht weitgehend der im französischen Recht vorgesehenen Unterscheidung von Aide Automatique und Aide Selective,53 wie sie auch die Fördersysteme weiterer EG-Mitgliedstaaten vorsehen. Hinsichtlich der Verwendung der von den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern auf vertraglicher Grundlage bereitgestellten Mittel sieht das deutsche Filmfördersystem einige Besonderheiten vor. Zunächst sind diese Mittel nach § 67b FFG zweckgebunden für die Projektförderung einzusetzen. Des Weiteren ergibt sich aus den zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen, dass die Beiträge der öffentlich-rechtlichen Sender für Projekte einzusetzen sind, an denen ein solcher Sender als Koproduzent oder durch Voraberwerb der Rechte beteiligt ist,54 und an der Entscheidung über die Vergabe der Beiträge der Privatsender ein Vertreter dieser Sender zu beteiligen ist.55 Ergänzt wird die Filmproduktionsförderung der FFA durch die Film- und Fernsehförderprogramme der Länder, die aufgrund der jeweiligen Förderrichtlinien zunehmend von privatrechtlich organisierten Fördergesellschaften durchgeführt werden, an denen neben den jeweiligen Ländern auch öffentlich-rechtliche und private Fernsehveranstalter beteiligt sind.56 Die Tätigkeit dieser Fördergesellschaften ist nach Maßgabe der jeweils anwendbaren Förderrichtlinien oder Vergabeordnungen auf die Förderung künstlerisch wertvoller Filme sowie die Unterstützung der regionalen Filmwirtschaft gerichtet.57 Ähnlich wie bei der Bundesfilmförderung werden sowohl zinsverbilligte oder zinslose, bedingt oder unbedingt rückzahlbare Darle53 Vgl. dazu: Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 59 ff.; von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 135. Kapitel Rn. 7. 54 § 7 Nr. 2 S. 2 des Abkommens der FFA mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, Download über die Website der FFA (www.ffa.de). 55 § 3 Nr. 3 S. 3 des Abkommens der FFA mit den privaten Fernsehveranstaltern, Download über die Website der FFA (www.ffa.de). 56 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 52 ff.; von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 133. Kapitel Rn. 1. 57 Vgl. dazu: Ziff. 1.1 Vergabeordnung MFG Baden-Württembert; Ziff. 1.1 Richtlinien FFF Bayern; Ziff. 1.1 Vergaberichtlinien Medienboard Berlin-Brandenburg; Ziff. 1.1 Richtlinien MDM Mitteldeutsche Medienförderung; Ziff. 1.1 Richtlinien MSH Schleswig-Holstein; Ziff. 1.1 Richtlinien Filmstiftung Nordrhein-Westfalen; Ziff. 1.1 Richtlinien Nordmedia Fonds; Ziff. 1.1 Richtlinien Filmförderung Hamburg.
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
hen als auch verlorene Zuschüsse gewährt.58 Im Unterschied zur Förderung nach dem FFG stehen die Länderförderungen vielfach auch für Fernsehproduktionen zur Verfügung59 und können teilweise auch von ausländischen Produktionen in Anspruch genommen werden, die nicht nach §§ 15 bis 16a FFG als deutscher Film zu qualifizieren sind. Die Förderwirkung für die regionale Filmwirtschaft soll insoweit allein durch den verbindlichen Regionaleffekt erreicht werden, wonach in der Regel 100 bis 150 % des Förderbetrages in der Region auszugeben sind.60 Finanziert werden die Länderförderungen größtenteils durch Haushaltsmittel des jeweiligen Landes. Dies gilt auch bei einer Abwicklung der Förderung durch privatrechtlich organisierte Fördergesellschaften. Die insoweit von den öffentlich-rechtlichen und / oder privaten Fernsehveranstaltern zusätzlich bereitgestellten Mittel bleiben deutlich hinter den Landesbeiträgen zurück.61 Grundsätzlich erfolgen die Förderentscheidungen durch unabhängige Vergabegremien.62 Teilweise sehen die Richtlinien der Fördergesellschaften für die Verwendung der von den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter bereitgestellten Mittel aber besondere Bedingungen vor. So sind die von den beteiligten Fernsehveranstaltern für die Produktionsförderung des Nordmedia Fonds (Bremen) bereitgestellten Mittel in der Regel für Produktionen zu verwenden, an denen der jeweilige Fernsehveranstalter als Koproduzent Nutzungsrechte erwirbt.63 Weitergehend erhält in Schleswig-Holstein der NDR an Produktionen, die mit von ihm zur Verfügung gestellten Mitteln gefördert werden, ohne weitere Vergütung ein einmaliges Sendenutzungsrecht.64 Teilweise werden den beteiligten Fernsehsendern hinsichtlich der Verwendung der von ihnen bereitgestellten Mittel im Rahmen der Vergabeentscheidung auch besondere Mitspracherechte eingeräumt.65 Darüber hinaus wurde zum 1. Januar 2007 auf Initiative des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien in Anlehnung an ein zum April 2006 eingeführtes Modell in Großbritannien der Deutsche Filmförderfonds als weitere Maßnahme zur Förderung der Filmproduktion in Deutschland aufgelegt. Grundlage ist die Richtlinie des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien „Anreiz zur Stärkung der Filmproduktion in Deutschland“ vom 21. Dezember 200666. Danach können Filmhersteller mit Wohn- oder Geschäftssitz in Deutschland beziehungsweise in einem anderen EG-Staat und Niederlassung in Deutschland (§ 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie) nicht Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 53. von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 105. Kapitel Rn. 9. 60 von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 133. Kapitel Rn. 5. 61 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 55 f. 62 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 55. 63 Ziff. 4.1.4 Richtlinien Nordmedia Fonds. 64 Ziff. 4.7 Richtlinien MSH Schleswig-Holstein. 65 Vgl. etwa Ziff. 1.3.1 Vergaberichtlinien FFF Bayern. 66 Download über die Website der Filmförderungsanstalt (www.ffa.de). 58 59
II. Finanzielle Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung
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rückzahlbare Zuwendungen (§ 13 Abs. 2 der Richtlinie) in Höhe von bis zu 20% der in Deutschland anfallenden Herstellungskosten (§ 4 Abs. 2 der Richtlinie) erhalten. Die Finanzierung des Fonds erfolgt aus allgemeinen Haushaltsmitteln (§ 1 Abs. 1 der Richtlinie); bis Ende 2009 werden insgesamt A 180 Mio. bereitgestellt.67 Im Rahmen der Verleihförderung vergibt die FFA nach § 54 FFG Fördermittel an Verleihunternehmen mit Sitz in Deutschland oder einem anderen EG- oder EWR-Mitgliedstaat. Auch insoweit wird zwischen der Gewährung nicht rückzahlbarer Zuschüsse im Wege der Referenzförderung (§ 53 FFG) und der Gewährung von zinslosen und gegebenenfalls bedingt rückzahlbaren Darlehen im Wege der Projektförderung (§ 53a FFG) unterschieden. Es kann nur der Verleih eines Filmes gefördert werden, der nach §§ 15 bis 16a FFG als deutscher Film anzusehen ist. Demgegenüber erfolgt die Verleihförderung in anderen EG-Staaten teilweise unabhängig von der Herkunft des vertriebenen Films, so beispielsweise in Frankreich. Die Fördermittel im Rahmen der Projektförderung werden teilweise gezielt für Maßnahmen im Zuge des Auslandsvertriebs wie insbesondere die Herstellung von Synchronfassungen (§ 53a Abs. 1 Nr. 2 FFG) und Maßnahmen zur Erweiterung bestehender und Erschließung neuer Absatzmärkte (§ 53a Abs. 1 Nr. 3 FFG) gewährt. Auch die Fördersysteme der Länder sehen Fördermittel für den Filmvertrieb vor, die häufig an die vorherige Gewährung von Produktionsfördermitteln der Landesgesellschaft geknüpft sind. Zahlreiche EG-Länder sehen als Ergänzung der direkten Fördermittel und teilweise auch als hauptsächliches Förderinstrument eine indirekte Förderung durch Steuervergünstigungen für die Film- und Medienbranche vor.68 Vergleichbare Regelungen gibt es in Deutschland nicht. Die so genannten deutschen Medien- oder Filmfonds, die in der Vergangenheit Kapital insbesondere für US-amerikanische Blockbusterproduktionen bereitstellten, profitierten von einer Besonderheit des allgemeinen deutschen Bilanzsteuerrechts. Durch eine Gesetzesänderung zum 11. November 2005 sind diese Finanzierungsformen weitgehend unattraktiv geworden.69 Exemplarisch für die indirekte steuerliche Förderung der Filmproduktion wird nachfolgend das französische SOFICA-Modell überblicksartig dargestellt. Um mehr privates Kapital für die Filmfinanzierung zu gewinnen, wurden in Frankreich 1985 spezielle Finanzierungsgesellschaften, sociétés de financement de l’industrie cinématographique et de l’audiovisuel (SOFICA), eingeführt, deren Anteilszeichner von verschiedenen Steuervergünstigungen profitieren. Die SOFICA beteiligen sich in der Form der S.A. als Anteilseigner an Produktionsunternehmen oder an einzelnen Produktionen bis zu einer Höhe von maximal 50 % des GesamtDazu eingehend: Geier, ZUM 2007, 178 ff. So etwa in Großbritannien, Frankreich, Irland, den Niederlanden und Belgien, vgl.: Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 90 f. 69 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 49 ff. 67 68
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
budgets. Dabei können die Steuervorteile grundsätzlich nur bei Investition in Produktionen von in Frankreich ansässigen Herstellern in Anspruch genommen werden. Höchstens 20% des jährlichen Investitionsvolumens dürfen in Filme investiert werden, die nicht in französischer Originalsprache, sondern in der Sprache eines EG-Koproduzenten gedreht werden.70
2. Fördermaßnahmen auf europäischer Ebene Ergänzt werden die nationalen und regionalen Förderprogramme auf europäischer Ebene durch das MEDIA-Programm der Europäischen Gemeinschaft sowie das auf Ebene des Europarates angesiedelte Eurimages-Programm. Mitte der 1980er Jahre reifte in der Europäischen Gemeinschaft die Überzeugung, dass die nationalen Programme zur Filmförderung durch europaweite Maßnahmen ergänzt werden sollten, um der Zersplitterung der europäischen audiovisuellen Märkte entgegenzuwirken und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Film- und Fernsehindustrie zu stärken. Aufgrund einer Mitteilung der Kommission an den Rat vom 12. Mai 1986 wurde daher zur Förderung der europäischen Film- und Fernsehindustrie das MEDIA-Programm (Mesures pour Encourager le Dévelopment de l’Industrie Audiovisuelle) zunächst mit einer Pilotphase von 1988 bis 1990 ins Leben gerufen. Mit Entschließung des Rates vom 21. Dezember 1990 wurde das MEDIA-Programm mit einer Laufzeit von 1991 bis 1995 und einem Gesamtbudget von ECU 200 Mio. offiziell gestartet. Unter stetiger Erhöhung der zur Verfügung stehenden Mittel folgten nach positiver Evaluation durch die Kommission die Programme MEDIA II (1996 bis 2000) und MEDIA Plus (2001 bis 2006).71 Das gegenwärtige Förderprogramm MEDIA 2007 mit einer Laufzeit vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2013 beruht auf dem Beschluss 1718 / 2006 / EG von Rat und Europäischem Parlament vom 15. November 200672 und ist mit einem Gesamtbudget von A 754.950.000 ausgestattet (Art. 2 Abs. 1 Beschluss 1718 / 2006 / EG). Dabei ist das MEDIA-Programm nicht auf Unternehmen und audiovisuelle Produktionen aus den EG-Mitgliedstaaten beschränkt. Vielmehr können unter der Voraussetzung der Bereitstellung weiterer Mittel auch bestimmte Drittländer an dem Programm teilnehmen. Dies betrifft neben den EWR-Staaten und den Beitrittsländern auch die westlichen Balkanländer, die Vertragsstaaten des Fernsehübereinkommens sowie weitere Drittstaaten, mit denen die Europäische Gemeinschaft Kooperationen im audiovisuellen Bereich unterhält (Art. 8 Beschluss 1718 / 2006 / EG). Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 64. Vgl. dazu: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 84 ff. 72 Beschluss Nr. 1718 / 2006 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. November 2006 zur Umsetzung eines Förderprogramms für den europäischen audiovisuellen Sektor. 70 71
II. Finanzielle Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung
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Zwar war das MEDIA-Programm der Europäischen Gemeinschaft im Zuge der unterschiedlichen Programmphasen erheblichen organisatorischen und auch inhaltlichen Veränderungen unterworfen. Die Grundstruktur des Förderprogramms blieb jedoch im Wesentlichen erhalten. Anders als die nationalen Fördersysteme setzt das MEDIA-Programm seinen Schwerpunkt nicht auf der unmittelbaren Förderung der Produktion audiovisueller Werke, sondern konzentriert sich vielmehr auf die der Produktion vor- beziehungsweise nachgelagerten Stufen von Stoffentwicklung und Vertrieb. Darüber hinaus soll die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen audiovisuellen Industrie insgesamt durch Fortbildungsmaßnahmen verbessert werden.73 Diese Konzeption liegt auch dem aktuellen Förderprogramm MEDIA 2007 zugrunde, das in Art. 1 Abs. 3 zwischen Fördermaßnahmen in der Vorproduktionsphase (Fortbildung und Entwicklung) und nach Produktionsschluss (Vertrieb und Absatzförderung) sowie entsprechenden Pilotprojekten unterscheidet. Herausgehobene Bedeutung kommt dabei der Förderung des Vertriebs von Film- und Fernsehproduktionen zu, für die 55% der Gesamtfördermittel vorgesehen sind (Beschluss 1718 / 2006 / EG, Anhang, Kapitel II Ziff. 1.4). Die Vertriebsförderung des MEDIA-Programms ist in besonderem Maße darauf ausgerichtet, die Auslandsdistribution des europäischen Films zu stärken. So sind Fördermittel insbesondere für europäische Verleih- oder Vertriebsunternehmen vorgesehen, die nach Maßgabe eines Referenzsystems bereits in der Vergangenheit einen europäischen Film erfolgreich in von dessen Ursprungsland verschiedenen Programmstaaten vertrieben haben. Darüber hinaus bestehen Fördermöglichkeiten, wenn sich Vertriebsunternehmen aus verschiedenen Programmstaaten zusammenschließen, um gemeinsam einen europäischen Film in mehreren vom Ursprungsland des Films verschiedenen Programmländern zu vertreiben. Dabei werden die Vertriebsunternehmen verpflichtet, die Fördermittel in Maßnahmen zur Weiterentwicklung der europäischen und internationalen Auslandsdistribution zu investieren (vgl. Beschluss 1718 / 2006 / EG, Anhang, Kapitel I Ziff. 3.1. und 3.2.). Für Fernsehprogramme ist eine Produktionsförderung vorgesehen, die allerdings nach ihrer Ausgestaltung primär die nachfolgende Ausstrahlung in mehreren Programmstaaten in den Blick nimmt. Förderfähig sind danach Produktionen unabhängiger europäischer Produzenten, wenn mindestens drei Sendeanstalten aus mehreren Programmstaaten als Koproduzenten oder durch Voraberwerb der Fernsehrechte an der Produktion beteiligt sind (vgl. Beschluss 1718 / 2006 / EG, Anhang, Kapitel I Ziff. 3.3.). Parallel zum MEDIA-Programm der Europäischen Gemeinschaft wurde auf Ebene des Europarats Ende der 1980er Jahre das Förderprogramm Eurimages entwickelt. Es handelt sich um einen durch ein partielles Abkommen des Europarates gegründeten Förderfonds, dem gegenwärtig 32 europäische Staaten, darunter die Mehrheit der EG-Mitgliedstaaten, angehören. Rechtsgrundlage ist die Resolution 73 Vgl. insoweit zu den Programmen MEDIA und MEDIA II: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 85 ff.
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D. Quotenregelungen und finanzielle Fördermaßnahmen in der EG
(88) 15 des Ministerkomitees des Europarates vom 26. Oktober 1988, die durch verschiedene nachfolgende Resolutionen ergänzt und geändert wurde.74 Die im Wesentlichen aus den jährlichen Beiträgen der Mitgliedsländer nach Ziff. 4.1.a) der Resolution stammenden Mittel in Höhe von ca. A 20 Mio. jährlich werden zu etwa 90% für die Produktionsförderung verwendet.75 Der Vertriebsförderung kommt im Rahmen des Eurimages-Programms nur untergeordnete Bedeutung zu. Damit verhält sich das Förderkonzept des Eurimages-Programms auf europäischer Ebene gewissermaßen komplementär zum auf den Vertrieb konzentrierten MEDIA-Programm der Europäischen Gemeinschaft.76 Nach Ziff. 5.1 der Resolution können Fördermittel in Form bedingt rückzahlbarer Darlehen nur Filmhersteller erhalten, die als natürliche oder juristische Personen der Rechtsordnung eines der Eurimages-Mitgliedstaaten unterliegen. Förderfähig sind nach Ziff. 5.3 der Resolution in Verbindung mit den Umsetzungsbeschlüssen des Vorstands Koproduktionen, an denen Produzenten aus mindestens zwei Mitgliedsländern beteiligt sind. Dabei muss nach Maßgabe der einschlägigen Koproduktionsabkommen der Film in allen beteiligten Mitgliedsländern als nationaler Film gelten. Eine minoritäre Beteiligung bis zu 30% von Produzenten aus Nichtmitgliedsländern steht der Förderung nicht entgegen.
74 Download der konsolidierten Fassung über die Website des Europarates unter: www. coe.int / t / dg4 / eurimages / About / default_en.asp. 75 von Hartlieb / Schwarz, Handbuch des Film-, Fernseh- und Videorechts, 2004, 137. Kapitel Rn. 2. 76 Vgl. zum Verhältnis von MEDIA und Eurimages: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 98 ff.
E. Die welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme in der Europäischen Gemeinschaft Nachfolgend wird die Bedeutung des Welthandelsrecht für die Quotenregelungen in der Europäischen Gemeinschaft untersucht. Dabei ist zwischen Quotenregelungen für Kinofilme (dazu I.) und Quotenregelungen für Fernsehprogramme zu unterscheiden (dazu II.).
I. Die welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme Bei der Untersuchung der Bedeutung des Welthandelsrechts für die in Frankreich und Spanien vorgesehen Quotenregelungen für Kinofilme sind zwei Aspekte dieser Regelungen zu unterscheiden. Zunächst stellt sich die Frage nach der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit der unmittelbar nach der Herkunft beziehungsweise der Nationalität eines Films differenzierenden Behandlung (dazu 1.). Davon zu unterscheiden sind die im Rahmen der Anerkennung der Gemeinschaftsherkunft eines Films gestellten Anforderungen an die (weitgehende) Durchführung von Atelier- und Postproduktionsarbeiten in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft (dazu 2.). 1. Die nach der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Films differenzierende Behandlung Soweit die Regelungen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme unmittelbar nach der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Films differenzieren wird nachfolgend zuächst ihre Vereinbarkeit mit den Vorschriften des Warenhandelsabkommens GATT-1994 untersucht (dazu a)). Im Anschluss wird zu der Möglichkeit einer parallelen Anwendung des Dienstleistungsabkommens GATS Stellung genommen (dazu b)).
a) Die Vereinbarkeit mit dem Warenhandelsabkommen GATT-1994 Im Rahmen der Untersuchung der Vereinbarkeit der französischen und spanischen Spielzeitkontingente mit dem Warenhandelsabkommen GATT-1994 ist zu-
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
nächst zu den Fragen der Anwendbarkeit des GATT-1994 (dazu aa)) und der Bestimmung der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Films im Sinne des GATT-1994 (dazu bb)) Stellung zu nehmen. Erst im Anschluss folgt die eigentliche Untersuchung der Vereinbarkeit der französischen und spanischen Spielzeitkontingente mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung (dazu cc)). aa) Die Anwendbarkeit der Diskriminierungsvorschriften des GATT-1994 Die in Frankreich und Spanien vorgesehenen Spielzeitkontingente für Kinofilme verpflichten die Filmtheater, einen bestimmten Anteil ihrer Spielzeit Gemeinschaftsfilmen vorzubehalten und differenzieren damit ausdrücklich nach der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Films (zu den Einzelheiten siehe oben D.I.1.). Damit stehen diese Regelungen in einem Spannungsverhältnis zum welthandelsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der eine solche nach der Herkunft oder Nationalität differenzierende Behandlung grundsätzlich verbietet. Fraglich ist aber, inwieweit die französischen und spanischen Regelungen in dieser Hinsicht an den Diskriminierungsvorschriften des GATT-1994 oder des GATS zu messen sind. Dies hängt davon ab, inwieweit der grenzüberschreitende Filmhandel als Warenoder als Dienstleistungshandel anzusehen ist. Soweit dieser Filmhandel welthandelsrechtlich als Warenhandel aufzufassen ist, ist eine nach der Herkunft dieser Ware differenzierende Behandlung an den Vorschriften zur Nichtdiskriminierung nach dem Warenhandelsabkommen GATT-1994 zu messen. Soweit hingegen dieser Filmhandel welthandelsrechtlich als Dienstleistungshandel anzusehen ist, finden die entsprechenden Vorschriften des Dienstleistungsabkommen GATS Anwendung. Die allgemeine handelsrechtliche Einordnung des Filmhandels ist äußerst umstritten. Eine eingehende Auseinandersetzung mit dieser Frage ist im Rahmen der welthandelsrechtlichen Beurteilung von Spielzeitkontingenten für Kinofilme jedoch jedenfalls im Hinblick auf die Anwendbarkeit des GATT-1994 nicht erforderlich. Denn insoweit ergeben sich aus dem Welthandelsrecht selbst eindeutige Vorgaben. Das Warenhandelsabkommen GATT-1994 sieht in Art. III:10, IV ausdrücklich spezielle Vorschriften zur Rechtfertigung von Spielzeitkontingenten für Kinofilme vor. Die Anwendbarkeit der Diskriminierungsvorschriften des GATT-1994 wird dabei notwendig vorausgesetzt. Daher besteht im Ergebnis weitgehend Einigkeit, dass zumindest für die Zwecke der welthandelsrechtlichen Beurteilung von Quotenregelungen für Kinofilme der Filmhandel als Warenhandel aufzufassen und insoweit das Warenhandelsabkommen GATT-1994 anzuwenden ist.1 Dem kann 1 König, ZUM 2002, 271, 281; Hahn, ZaöRV 1996, 315, 328 f.; Seelmann-Eggebert, Internationaler Rundfunkhandel, 1998, S. 117 ff.; Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 750; San-
I. Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme
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nicht entgegengehalten werden, dass im Rahmen der Uruguay-Runde die Verhandlungen über den Bereich der audiovisuellen Medien ausschließlich durch die von der Verhandlungsgruppe für Dienstleistungen geschaffene Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen geführt wurden (siehe dazu oben B.IV.2.a)) und sich daraus ergebe, dass der Bereich der audiovisuellen Medien nunmehr ausschließlich dem Anwendungsbereich des GATS unterfalle.2 Eine solche Betrachtungsweise stünde in offenem Widerspruch zum eindeutigen Wortlaut der Art. III:10, IV GATT-1994.3 Der Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens GATT-1994 kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der internationale Filmhandel aufgrund der technischen Entwicklung nunmehr auch per Satellitenübertragung und damit ohne Übergabe eines physischen Programmträgers abgewickelt werden kann. Zwar ist mangels eines körperlich fassbaren Handelsgegenstands die Anwendbarkeit des GATT-1994 auf solche Transaktionen äußerst fraglich. Die USA halten die Anwendung nach dem von ihnen vertretenen „virtual goods“-Ansatz für möglich; die Europäische Gemeinschaft geht insoweit hingegen von einer exklusiven Anwendbarkeit des GATS aus.4 Unabhängig davon betreffen die französischen und spanischen Spielzeitkontingente aber auch die – weiterhin überwiegenden – Fälle, in denen der Filmhandel mit der Übergabe eines physischen Programmträgers verbunden ist. Dies begründet angesichts der Regelung des Art. III:10, IV GATT-1994 die Anwendbarkeit des GATT-1994. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Vorschriften des Dienstleistungsabkommmens GATS auf die Quotenregelungen für Kinofilme parallel anzuwenden sind (dazu unten b)). bb) Die Bestimmung der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Films im Sinne des Warenhandelsabkommens GATT-1994 Fraglich ist allerdings, in welcher Weise bei der Anwendung der Diskriminierungsvorschiften des GATT-1994 die Herkunft eines Films zu bestimmen ist.5 Eindeutige Vorgaben enthält das Welthandelsrecht trotz der erheblichen Bedeutung dieser Frage insbesondere bei der Zollerhebung insoweit nicht. Im Rahmen der der, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 180; Graber, Audio-Visual Policy, in: Geradin / Luff , The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 165, 197 f. 2 So aber wohl: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 250 ff. 3 Hahn, ZaöRV 1996, 315, 332 f. 4 Vgl. dazu: Graber, Audio-Visual Policy, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 165, 209 f.; Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 7 f. 5 Vgl. dazu: Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 181 f.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
Uruguay-Runde wurde zwar das Übereinkommen über Ursprungsregeln (Agreement on Rules of Origin, ARO) als Teil des Anhang 1A beschlossen. Dieses stellt allerdings nicht selbst einheitliche Ursprungsregeln auf, sondern sieht vor, dass harmonisierte Ursprungsregeln erst noch erarbeitet werden. Die insoweit geführten Verhandlungen konnten jedoch bisher trotz wiederholter Fristverlängerungen nicht zum Abschluss gebracht werden.6 Des Weiteren gilt das Abkommen grundsätzlich nur für allgemeine nicht-präferentielle Ursprungsregeln. Davon zu unterscheiden sind präferentielle Ursprungsregeln, wie sie in Freihandelszonen und Zollunionen vorgesehen sind, um die Anwendbarkeit des Präferenzsystems zu bestimmen. Für derartige präferentielle Ursprungsregeln enthält das Übereinkommen in Anlage II lediglich einige Hinweise.7 Bei der Bestimmung der warenhandelsrechtlichen Herkunft eines Kinofilms könnte man daran denken, die von den EG-Mitgliedern für die Erteilung des im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente erforderlichen Herkunftszeugnisses gestellten Anforderungen als Ursprungsregeln in diesem Sinne aufzufassen. Eine nähere Analyse zeigt jedoch, dass die insoweit jeweils maßgeblichen nationalen Vorschriften weder als nicht-präferentielle, noch als präferentielle handelsrechtliche Ursprungsregeln angesehen werden können. Die Funktion von allgemeinen nicht-präferentiellen Ursprungsregeln können die von den EG-Staaten ausgestellten Herkunftszeugnisse für Kinofilme schon deshalb nicht erfüllen, da sie nicht dazu dienen, jedem Film für handelsrechtliche Zwecke eine eindeutige Herkunft zuzuweisen. Es wird lediglich geprüft, ob ein Film die nach dem nationalen Recht für die Erteilung eines Herkunftszeugnisses des jeweiligen EG-Staates gestellten Anforderungen erfüllt. Ist dies nicht der Fall, bleibt eine Entscheidung über die Herkunft des Films aus. Sinn allgemeiner nicht-präferentieller Ursprungsregeln ist es aber, jeder Ware insbesondere für die Zwecke der zollrechtlichen Behandlung eine eindeutige handelsrechtliche Herkunft zuzuweisen.8 Präferentielle Ursprungsregeln dienen hingegen allein der Entscheidung über die Anwendbarkeit des Präferenzsystems auf bestimmte Waren. Ergibt die Prüfung, dass eine Ware, aus keinem der an dem jeweiligen Präferenzsystem beteiligten Staaten stammt, ist eine weitere Bestimmung der handelsrechtlichen Herkunft nicht erforderlich.9 Der Funktion nach entsprechen die von den EG-Mitgliedstaaten anhand bestimmter Kriterien ausgestellten Herkunftszeugnisse damit solchen präferentiellen Ursprungsregeln. Denn mit der Erteilung eines Herkunftszeugnisses eines EG-Mitgliedsstaates ist ein Film im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente als ein Film aus dem betreffenden EG-Mitgliedstaat zu behandeln. Eine darüber hinausgehende Zuweisung einer handelsrechtlichen 6 Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 430 f.; Stranz, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 17 Rn. 16 ff. 7 Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 429. 8 Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 424; Koul, Guide to the WTO and GATT, 2005, S. 179 f. 9 Koul, Guide to the WTO and GATT, 2005, S. 179 f.
I. Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme
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Herkunft erfolgt hingegen nicht. Gegen eine Qualifikation der Herkunftszeugnisse der EG-Mitgliedstaaten als präferentielle Ursprungsregeln spricht jedoch, dass die insoweit maßgeblichen Kriterien nicht gemeinschaftsrechtlich vorgegeben, sondern dem jeweiligen nationalen Recht zu entnehmen sind. Präferentielle Ursprungsregeln werden demgegenüber regelmäßig in die dem jeweiligen Präferenzsystem zugrundeliegenden Verträge integriert.10 Damit ist die Herkunft eines Films für die Zwecke der diskriminierungsrechtlichen Vorschriften des GATT-1994 unabhängig von den in den EG-Mitgliedstaaten für die Erteilung eines Herkunftszeugnisses geltenden Anforderungen zu bestimmen. Auszugehen ist dabei von dem Grundsatz, dass im Rahmen des GATT-1994 für die Herkunft einer Ware der Ort der physischen Herstellung maßgeblich ist. So stellt die Regelung zur Inländerbehandlung in Art. III:2 und 4 GATT-1994 auf Waren ab, „die aus dem Gebiet einer Vertragspartei in das Gebiet einer anderen Vertragspartei eingeführt werden“. Im Rahmen der allgemeinen Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 wird auf Waren abgestellt, „die aus den Gebieten der anderen Vertragsparteien stammen“. Dem entspricht, dass in Art. 9.1(b) ARO für die Harmonisierung der nationalen Ursprungsregeln der Leitsatz aufgestellt wird, dass Ursprungsland das Land sein soll, in dem eine Ware gänzlich hergestellt worden ist oder – im Falle eines mehrstufigen Produktionsprozesses in verschiedenen Ländern – das Land, in dem die letzte wesentliche Beoder Verarbeitung stattgefunden hat.11 Wendet man diesen Grundsatz konsequent auf die Filmproduktion an, wäre die welthandelsrechtliche Herkunft eines Films danach zu bestimmen, wo die im Zuge des jeweiligen Handelsgeschäfts konkret übergebene Filmkopie physisch hergestellt wurde.12 Dieser Ort kann aber von dem Ort der ursprünglichen Filmproduktion sowie der Herstellung der so genannten Master-Kopie gänzlich unabhängig sein. Daher wird eine solche auf den Ort der physischen Herstellung der konkret gehandelten Filmkopie abstellende Betrachtungsweise den Realitäten der Filmwirtschaft nicht gerecht. Die wesentliche wirtschaftliche Wertschöpfung liegt bei der Filmproduktion nämlich nicht in der Herstellung der bloßen Kopie eines bereits fertiggestellten Films, sondern in der wirtschaftlichen und künstlerischen Organisation des Produktionsprozesses insgesamt. Eine sinnvolle Anwendung der diskriminierungsrechtlichen Vorschriften des GATT-1994 auf den Filmhandel ist daher nur möglich, wenn man bei der Bestimmung des Ursprungslandes an die Herstellung der Master-Kopie anknüpft.13 Aber auch die Herkunft dieser Master-Kopie lässt sich nicht immer ohne weiteres eindeutig bestimmen, wenn beispielsweise die Dreharbeiten und / oder die technischen Produktionsleistungen in verschiedenen Ländern durchgeführt wurStranz, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 17 Rn. 12. Vgl. dazu: Koul, Guide to the WTO and GATT, 2005, S. 182 ff. 12 So wohl: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 260 Fn. 906. 13 Vgl. dazu: Grant / Wood, Blockbusters and Trade Wars, 2004, S. 150 f. 10 11
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
den. Um eine möglichst klare und eindeutige Bestimmung der welthandelsrechtlichen Herkunft eines Films zu ermöglichen, bietet es sich daher an, auf den Sitz des verantwortlichen Produktionsunternehmens abzustellen. Dieses erbringt unabhängig von den Orten der Durchführung einzelner Produktionsarbeiten die wirtschaftlich bedeutsame Organisationsleistung des technisch-künstlerischen Produktionsprozesses insgesamt. Das Kriterium des Sitzstaates des verantwortlichen Produzenten entspricht im Grundsatz auch der Konzeption der in den EG-Staaten geltenden Regelungen, die bei der Erteilung eines Herkunftszeugnisses durchgehend die Beteiligung eines in der Europäischen Gemeinschaft ansässigen Produzenten verlangen (siehe oben D.I.1.). Daher wird auch in der Literatur bei der Anwendung des Warenhandelsabkommens GATT-1994 ohne weitere Erörterung häufig implizit die Bestimmung der Herkunft eines Films nach dem Sitz des Produzenten vorausgesetzt.14 Dieses Kriterium ermöglicht zumindest bei Alleinproduktionen eines Produzenten eine eindeutige Herkunftsbestimmung; auf die bei internationalen Koproduktionen auftretenden Fragen wird in einem eigenen Abschnitt eingegangen (siehe unten cc)(5)). Soweit die nationalen Regelungen der EG-Mitgliedstaaten die Ausstellung des Herkunftszeugnisses darüber hinaus von der überwiegenden Durchführung der Atelierarbeiten in einem EG-Mitgliedstaat und von der überwiegenden Beteiligung von Filmschaffenden aus einem EG-Mitgliedstaat abhängig machen (dazu oben D.I.1.), kann dies für die welthandelsrechtliche Bestimmung der Herkunft eines Films hingegen keine Rolle spielen. Diese Bestimmungen sind vielmehr als aus wirtschaftlichen und / oder kulturellen Gründen zusätzlich vorgesehene Voraussetzungen für die Vorzugsbehandlung eines Films im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente anzusehen, die mit der Beurteilung der welthandelsrechtlichen Herkunft eines Films nicht unmittelbar in Zusammenhang stehen. Auf die welthandelsrechtliche Bedeutung dieser Anforderungen wird in einem eigenen Abschnitt eingegangen (dazu unten 2.). cc) Die Vereinbarkeit mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung Die in Frankreich und Spanien vorgesehenen Quotenregelungen für Kinofilme verpflichten die Filmtheater, wie dargestellt (siehe oben D.I.1.), einen bestimmten Anteil ihrer Spielzeit der Vorführung von Gemeinschaftsfilmen, d. h. Filmen mit der Nationalität eines EG-Mitgliedstaates vorzubehalten. Damit werden sowohl jeweils einheimische, d. h. französische beziehungsweise spanische, Filme als auch Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten in die Quotenregelung einbezogen, nicht hingegen Filme aus übrigen WTO-Mitgliedern. Nachfolgend wird daher die Vereinbarkeit dieser Regelungen mit den Grundsätzen der Inländerbehandlung 14 Vgl. etwa: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 189 ff.
I. Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme
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(dazu (1)) und der Meistbegünstigung (dazu (2)) sowie mögliche Rechtfertigungen nach Art. III:10, IV GATT-1994 (dazu (3)) und Art. XXIV GATT-1994 (dazu (4)) untersucht. Den bei der Behandlung von internationalen Koproduktionen aufretenden Problemen ist ein eigener Abschnitt vorbehalten (dazu (5)). (1) Die konkrete Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 Soweit die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme jeweils auf einheimische, d. h. französische beziehungsweise spanische, Filme Anwendung finden, nicht aber auf Filme aus anderen WTO-Mitgliedstaaten, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung nach Art. III GATT-1994. Da es sich bei den Spielzeitkontingenten für Kinofilme nicht um eine innere Abgabe sondern um eine nichtfiskalische Maßnahme handelt, ist insoweit der Tatbestand des Art. III:4 GATT-1994 maßgeblich. Danach dürfen Waren aus einem anderen WTO-Mitglied „hinsichtlich aller Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften über den Verkauf, das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland keine weniger günstige Behandlung erfahren als gleichartige Waren inländischen Ursprungs.“
Wie gezeigt, legen die WTO-Streitentscheidungsorgane ein weites Verständnis dieses Tatbestandes zugrunde. Insbesondere verstehen sie die Aufzählung in Art. III:4 GATT-1994 nicht als abschließend, sondern stellen unter Bezugnahme auf Art. III:1 GATT-1994 auf den Oberbegriff der Wettbewerbsbedingungen ab. Damit dürfen nach Art. III:4 S. 1 GATT-1994 Waren aus einem WTO-Mitgliedstaat hinsichtlich innerstaatlicher wettbewerbsrelevanter Vorschriften grundsätzlich nicht schlechter behandelt werden als gleichartige Waren inländischen Ursprungs (dazu oben C.I.2.b)bb)). Zu prüfen ist also, ob die von den Kontingenten nicht erfassten Filme aus anderen WTO-Mitgliedstaaten gegenüber den einheimischen Filmen als gleichartige Waren anzusehen sind (dazu (a)) und die Spielzeitkontingente zu einer wettbewerbsrelevanten Ungleichbehandlung der Filme aus anderen WTO-Mitgliedern führen (dazu (b)). Da Art. III:4 GATT-1994 einen ausdrücklichen Verweis auf Art. III:1 GATT-1994 nicht enthält, ist eine zusätzliche Prüfung, ob die Quotenregelungen im Sinne des Art. III:1 GATT-1994 nach ihrer Zielsetzung und ihren tatsächlichen Auswirkungen („aim and effects“) auf den Schutz der inländischen Erzeugung ausgelegt ist, nicht erforderlich (siehe oben C.I.2.b)bb). (a) Einheimische Filme und Filme aus anderen WTO-Mitgliedern als gleichartige Waren Voraussetzung für die Anwendung des Art. III:4 GATT-1994 ist zunächst, dass sich die von den französischen beziehungsweise spanischen Spielzeitkontingenten
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
erfassten einheimischen, d. h. französischen oder spanischen Filme im Verhältnis zu den von diesen Regelungen nicht erfassten Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern als gleichartige Waren darstellen. Wie gezeigt, legen die WTO-Streitentscheidungsorgane im Rahmen des Art. III:4 GATT-1994 einen im Vergleich zu Art. III:2 S. 1 GATT-1994 weiteren Begriff der Gleichartigkeit der Waren zugrunde, der vor allem auf das Bestehen eines (potentiellen) Wettbewerbsverhältnisses zwischen den betreffenden Waren abstellt. Die konkrete Prüfung hat dabei von den im Jahr 1970 von einer GATT-Arbeitsgruppe entwickelten so genannten Border-Tax-Kriterien auszugehen. Danach ist insbesondere auf (1) die Eigenschaften, die Natur und die Qualität der Ware, (2) den Endzweck der Ware, (3) den Verbrauchergeschmack und die Verbrauchergewohnheiten und (4) die Zolltarifklassifikation abzustellen (siehe oben C.I.2.c)). Die Anwendung dieser Kriterien auf den internationalen Filmhandel spricht zunächst ohne weiteres für die Annahme einer Gleichartigkeit inländischer und auswärtiger Filme. Diese sind sowohl hinsichtlich ihrer physischen Eigenschaften als auch hinsichtlich ihres Endverwendungszwecks – nämlich der Filmvorführung – identisch. Auch das Merkmal der Zolltarifklassifikation lässt eine Unterscheidung zwischen inländischen und auswärtigen Filmen nicht zu. Denkbar wäre allerdings, das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses zwischen einheimischen Filmen und solchen aus anderen WTO-Mitgliedern unter Verweis auf die herkunftsabhängig inhaltliche Prägung dieser Produkte und einen entsprechend differenzierenden Verbrauchergeschmack abzulehnen. Insoweit wäre darauf abzustellen, dass französische beziehungsweise spanische Filme sich von Filmen aus anderen Ländern sowohl von der Thematik als auch von der Perspektive grundsätzlich unterscheiden und daher aus Sicht des Endverbrauchers nicht austauschbar sind. Entsprechend hatte Kanada in dem Fall Canada – Certain Measures Concerning Periodicals argumentiert, dass es sich bei kanadischen Zeitschriften und US-amerikanischen „split-run periodicals“, d. h. Zeitschriften, deren redaktioneller Inhalt von der USamerikanischen Ausgabe übernommen und lediglich mit einem auf den kanadischen Markt zugeschnittenen Anzeigenteil versehen wurde, nicht um gleichartige beziehungsweise unmittelbar konkurrierende oder substituierbare Waren im Sinne des Art. III:2 GATT-1994 handele. Aufgrund der unterschiedlichen inhaltlichen Prägung seien kanadische Zeitschriften und US-amerikanische „split-run periodicals“ auf den Lesermärkten nicht gegeneinander austauschbar.15 Die WTO-Streitentscheidungsorgane sind dieser Argumentation jedoch nicht gefolgt.16 Der Appellate Body hat vielmehr darauf abgestellt, dass gerade das Bestehen der kanadischen Schutzvorschriften zugunsten einheimischer Zeitschriften ge15 WTO Panel, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / R, vom 14. März 1997, Rn. 3.61 ff. 16 WTO Panel, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / R, vom 14. März 1997, Rn. 5.22 ff.; WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, Abschnitt VI.B.1.
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genüber US-amerikanischen „split-run periodicals“ dafür spricht, dass diese auf den kanadischen Märkten durchaus in einem Wettbewerbsverhältnis stehen.17 Diese Argumentation des Appellate Body ist entsprechend auf das Verhältnis von französischen beziehungsweise spanischen Filmen und Filmen aus anderen WTOMitgliedern anwendbar. Die Tatsache, dass Frankreich und Spanien den Schutz der einheimischen Filme durch Spielzeitkontingente für notwendig halten, spricht dafür, dass diese Filme auf den jeweiligen nationalen Märkten mit den Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern in einem Wettbewerbsverhältnis stehen und damit aus Sicht der Endverbraucher durchaus gegeneinander austauschbar sind. Allerdings kann bei der Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse auf den jeweiligen nationalen Märkten nicht ohne weiteres von einem einheitlichen Markt für Kinofilme ausgegangen werden. Vielmehr sollte auch bei der welthandelsrechtlichen Beurteilung die im nationalen Wettbewerbsrecht teilweise anerkannte Segmentierung des Filmmarktes in Arthouse-Filme und Mainstream-Filme berücksichtigt werden. Denn diese Filme richten sich grundsätzlich an ein unterschiedliches Publikum und werden auf unterschiedlichen Vertriebswegen gehandelt.18 In ähnlicher Weise ist auch das Appellate Body im Fall Canada – Certain Measures Concerning Periodicals nicht von einem einheitlichen kanadischen Zeitschriftenmarkt ausgegangen, sondern hat die thematische Zielgruppensegmentierung dieser Märkte berücksichtigt. Danach besteht das Wettbewerbsverhältnis kanadischer Sport-, Politik- oder Boulevardzeitschriften etc. also jeweils zu den demselben Marktsegment zugehörigen US-amerikanischen „split-run periodicals“.19 Auch diese Argumentation kann entsprechend auf die nationalen Filmmärkte übertragen werden. Damit ist davon auszugehen, dass die einheimischen französischen beziehungsweise spanischen Filme auf den zu unterscheidenden Märkten für Arthouse- beziehungsweise Mainstream-Filme jeweils mit den entsprechenden Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass es sich bei den aus anderen WTO-Mitgliedern importierten Filmen im Wesentlichen um US-amerikanische BlockbusterProduktionen handelt, während der Großteil der einheimischen französischen beziehungsweise spanischen Filme dem Marktsegment für Arthouse-Filme zuzurechnen ist. Es ist nämlich keineswegs so, dass aus den USA ausschließlich Mainstream-Filme nach Europa importiert werden und in Frankreich und Spanien ausnahmslos Arthouse-Filme produziert werden. Teilweise wird sogar davon ausgegangen, dass bei Regelungen, die wie die französischen und spanischen Spielzeitkontingente ausdrücklich nach der Herkunft einer Ware differenzieren, eine 17 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, Abschnitt VI.B.1. bei Fn. 52. 18 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 158 m.w. N.; vgl. dazu auch: Palzer, ZUM 2004, 279, 286 f. 19 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, Abschnitt VI.B.1. a. E.; vgl. dazu: Scow, 7 Minnesota Journal of Global Trade 1998, 245, 274.
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Untersuchung der Wettbewerbsverhältnisse auf den möglicherweise betroffenen unterschiedlichen Marktsegmenten nicht erforderlich sei. Aus der ausdrücklichen Differenzierung nach der Herkunft der Waren ergebe sich unabhängig von der Abgrenzung der konkreten Märkte automatisch eine Ungleichbehandlung von Waren aus anderen WTO-Mitgliedern gegenüber gleichartigen inländischen Waren.20 Auf der Grundlage dieser Spruchpraxis des Appellate Body ist damit davon auszugehen, dass es sich bei den von den französischen beziehungsweise spanischen Spielzeitkontingenten erfassten einheimischen, d. h. französischen oder spanischen, Filmen im Verhältnis zu den von diesen Regelungen nicht erfassten Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern um gleichartige Waren im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 handelt. In der Literatur wird allerdings teilweise argumentiert, dass nach einer umfassenden Ratifikation des UNESCO-Abkommens zum Schutz der kulturellen Vielfalt und damit dessen quasi-universaler Geltung zukünftig eine abweichende Beurteilung der Gleichartigkeit von kulturellen Produkten unterschiedlicher Herkunft durch das Appellate Body möglich wäre. Diese Ansicht beruht auf der jüngeren Spruchpraxis des Appellate Body, wonach bei der Auslegung der Begriffe des Welthandelsrechts auch Wertungen anderer umfassend anerkannter völkerrechtlicher Verträge berücksichtigt werden können21 (dazu oben B.IV.3.b)). Das UNESCO-Abkommen zum Schutz kultureller Vielfalt beruht auf der Überzeugung der Mitgliedstaaten von der herkunftsabhängig unterschiedlichen inhaltlichen Prägung kultureller Produkte. Unter Anerkennung dieser Wertung könne das Appellate Body daher zukünftig zu dem Ergebnis kommen, dass kulturelle Produkte mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund nicht als gleichartige Waren im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 anzusehen sind. Dogmatisch könne insoweit an das in der Entscheidung Border Tax Adjustment herausgearbeitete Kriterium der Verbrauchergewohnheiten angeknüpft werden. Aus Sicht der Verbraucher stellten sich kulturelle Produkte unterschiedlicher Herkunft nicht als gegeneinander austauschbare Produkte dar.22 In der Sache entspricht diese Argumentation der mangelnden Gleichartigkeit kultureller Produkte unterschiedlicher Herkunft der dargestellten und vom Appellate Body ausdrücklich zurückgewiesenen Argumentation Kanadas im Fall Canada – Certain Measures Concerning Periodicals. Die These, dass sich das Appellate Body durch eine umfassende Ratifikation des UNESCO-Abkommens zu einer Abkehr von dieser Spruchpraxis veranlasst sehen könnte, überzeugt nicht. Denn wie gezeigt (siehe oben C.I.2.c)), ist nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body bei der Beurteilung der Gleichartigkeit von Waren im Sinne des Art. III:4 GATT1994 primär darauf abzustellen, ob diese bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise in Gerhart / Baron, 14 Indiana International and Comparative Law Review 2004, 505, 536. Vgl. dazu: WTO Appellate Body, US – Import Prohibition of Certain Shrimp and Shrimp Products, WT / DS58 / AB / R, vom 12. Oktober 1998, Rn. 129. 22 Hahn, 9 Journal of International Economic Law 2006, 515, 549 f. 20 21
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einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Diese grundsätzlich rein wirtschaftliche Perspektive des Welthandelsrechts würde durch eine Berücksichtigung herkunftsbedingter inhaltlicher Unterschiede bei der Beurteilung der Gleichartigkeit kultureller Produkte in Frage gestellt. Insoweit hilft auch ein Verweis auf die Entscheidung European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, wonach asbesthaltige Baustoffe gegenüber asbestfreien Alternativprodukten nicht als gleichartige Waren anzusehen sind, nicht weiter. Zwar wird diese Entscheidung vielfach als Beispiel angeführt, dass das Appellate Body bei der Anwendung des Gleichartigkeitsbegriffs auch nicht-wirtschaftliche Kriterien wie insbesondere den Regelungszweck der angegriffenen Maßnahme berücksichtige.23 Eine genaue Analyse der Entscheidung zeigt aber, dass das Appellate Body auch in diesem Fall zumindest formal an einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise festgehalten hat. Entscheidend kommt es danach darauf an, ob die fraglichen Waren auf dem relevanten Markt in einem Wettbewerbsverhältnis stehen24 (dazu oben C.I.2.c)). Die Annahme eines solchen Wettbewerbsverhältnisse zwischen asbesthaltigen und asbestfreien Baustoffen hat das Appellate Body unter Anwendung der Border-Tax-Kriterien in der Folge abgelehnt. Dabei hat es die karzinogene Wirkung asbesthaltiger Stoffe als wesentlichen Unterschied hinsichtlich der physikalischen Beschaffenheit der zu vergleichenden Produkte aufgefasst, der zunächst gegen die Gleichartigkeit der Waren spricht.25 Vor diesem Hintergrund liegt die Darlegungs- und Beweislast für eine trotz dieser physikalischen Unterschiede bestehende Gleichartigkeit der Waren nach den Ausführungen des Appellate Body bei der Beschwerdeführerin. Diese hätte detailliert darlegen müssen, dass asbesthaltige und asbestfreie Baustoffe nach Verwendungszweck und Verbrauchergewohnheiten trotz der karzinogenen Wirkung asbesthaltiger Stoffe auf dem relevanten Markt in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. An einem entsprechenden Vortrag fehlte es aber, so dass die Annahme der Gleichartigkeit dieser Waren im Ergebnis abzulehnen war.26 Das Appellate Body ist also davon ausgegangen, dass sich die von asbesthaltigen Baustoffen ausgehende Gesundheitsgefährdung unmittelbar auf die Wettbewerbsbedingungen dieser Stoffe auswirken kann. Daher konnte dieser Gesichtspunkt auch im Rahmen einer rein wirtschaftlichen Beurteilung der Gleichartigkeit von Waren im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 berücksichtigt werden. Auf die Beurteilung der 23 Vgl. dazu: Wiers / Mathis, Legal Issues of Economic Integration 2001, 211, 223 f.; Regan, 36 Journal of World Trade 2002, 443 ff.; Verhoosel, National Treatment and WTO Dispute Settlement, 2002, S. 24 ff. 24 WTO Appellate Body, European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, WT / DS135 / AB / R, vom 12. März 2001, Rn. 99. 25 WTO Appellate Body, European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, WT / DS135 / AB / R, vom 12. März 2001, Rn. 111 ff.; 133 ff.; vgl. dazu: Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 518. 26 WTO Appellate Body, European Communities – Measures Affecting Asbestos and Asbestos-Containing Products, WT / DS135 / AB / R, vom 12. März 2001, Rn. 118 ff., 136 ff.
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Gleichartigkeit kultureller Produkte lässt sich diese Entscheidung nicht übertragen. Zunächst kann die herkunftsbedingt unterschiedliche inhaltliche Prägung kultureller Produkte nicht über das Kriterium der physikalischen Eigenschaften dieser Produkte erfasst werden. Darüber hinaus sprechen die Feststellungen des Appellate Body in dem Fall Canada – Certain Measures Concerning Periodicals dafür, dass die unterschiedliche Herkunft kultureller Produkte zwar inhaltlich von Bedeutung sein mag, bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Wettbewerbsverhältnis zwischen kulturellen Produkten unterschiedlicher Herkunft aber nicht ausschließt. Im Übrigen würde ein in dieser Weise einschränkendes Verständnis der Gleichartigkeit im Ergebnis dazu führen, dass durch ihren kulturellen Inhalt gekennzeichnete Waren umfassend von den Anwendungsbereichen sowohl der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 als auch der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 ausgenommen sind. Eine derart weit gehende Sonderbehandlung kultureller Produkte würde selbst über die von der Europäischen Union im Rahmen der Uruguay-Runde – letztlich erfolglos (siehe oben B.IV.2.) – erhobenen Forderungen noch hinausgehen. Daher erscheint es ausgeschlossen, dass das Appellate Body nunmehr im Wege der Auslegung des Gleichartigkeitsbegriffs einen umfassenden Ausschluss kultureller Produkte von den Prinzipien der Inländerbehandlung und Meistbegünstigung annimmt. Auch stünde die Annahme eines solchen grundsätzlichen Ausschlusses kultureller Produkte von Inländerbehandlung und Meistbegünstigung im Widerspruch zur Regelung des Art. III:10, IV GATT-1994. Denn danach sind lediglich Spielzeitkontingente für Kinofilme unter bestimmten Voraussetzungen vom Grundsatz der Inländerbehandlung ausgenommen. Dass es sich bei diesen Kinofilmen unterschiedlicher Herkunft um gleichartige Waren im Sinne dieser Vorschrift handelt, wird dabei vorausgesetzt. Damit ist davon auszugehen, dass auch im Falle einer quasi-universalen Anerkennung des UNESCO-Abkommens zum Schutz kultureller Vielfalt eine abweichende Beurteilung der Gleichartigkeit von französischen und spanischen Kinofilmen einerseits und solchen aus anderen WTO-Mitgliedern andererseits nicht angenommen werden kann. (b) Spielzeitkontingente als wettbewerbsrelevante innerstaatliche Vorschriften Des Weiteren müssten die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme innerstaatliche Vorschriften im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 darstellen, die zu einer wettbewerbsrelevanten Ungleichbehandlung der Filme aus anderen WTO-Mitgliedern führen. Die Spielzeitkontingente verpflichten Filmtheater in Frankreich und Spanien, einen bestimmten Anteil der Spielzeit für einheimische Filme und Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten vorzubehalten. Damit werden umgekehrt die Möglichkeiten zur Vorführung von Filmen aus anderen WTO-Staaten eingeschränkt. Diese einge-
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schränkte Verwertbarkeit kann sich negativ auf den Vertrieb von Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern in Frankreich und Spanien auswirken. Diese Filme werden damit durch die Spielzeitkontingente in Frankreich und Spanien in wettbewerbsrelevanter Weise weniger günstig behandelt als einheimische Filme. (2) Die konkrete Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 Soweit die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme auch auf Filme aus den übrigen EG-Mitgliedstaaten Anwendung finden, nicht aber auf Filme aus anderen WTO-Mitgliedern, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994. Der Grundsatz der Meistbegünstigung, wonach die WTO-Mitglieder verpflichtet sind, Vergünstigungen aller Art, die sie aus einem bestimmten Land stammenden Waren gewähren, unmittelbar auf alle aus einem anderen WTO-Mitglied stammenden gleichartigen Waren anzuwenden, gilt nach Art. I:1 GATT-1994 nicht nur für Zölle und zollgleiche Abgaben, sondern aufgrund ausdrücklicher Verweisung auch für die in Art. III:2 und 4 GATT-1994 behandelten Angelegenheiten (dazu oben C.I.2.a)). Nach Art. I:1, III:4 GATT-1994 sind die WTO-Mitglieder also auch verpflichtet, die Waren aus einem anderen WTO-Mitglied hinsichtlich innerstaatlicher wettbewerbsrelevanter Vorschriften nicht weniger günstig zu behandeln als gleichartige Waren aus einem beliebigen Drittland. Dass die französischen und spanischen Spielzeitkontingente dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT-1994 widersprechen, soweit sie auf einheimische Filme angewendet werden, wurde bereits festgestellt (siehe oben (1)). Auch wenn die tatbestandliche Struktur des Art. I:1 GATT-1994 mit der des Art. III:4 GATT-1994 nicht identisch ist, kann auf diese Ausführungen bei der Prüfung der Vereinbarkeit der Spielzeitkontingente mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung, soweit sie auch auf Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten angewendet werden, weitgehend verwiesen werden. Zwar ist angesichts der bisherigen Streitentscheidungspraxis unklar, ob im Rahmen des Art. I:1 GATT-1994 generell der maßgeblich auf das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses abstellende Gleichartigkeitsbegriff des Art. III:4 GATT-1994 anzuwenden ist oder aber ein engerer, vornehmlich auf die Zolltarifklassifikation abstellender Begriff (dazu oben C.I.2.c)). Allerdings erscheint eine parallele Auslegung des Gleichartigkeitsbegriffs in Art. I:1 und Art. III:4 GATT-1994 jedenfalls insoweit geboten, als Art. I:1 ausdrücklich auf Art. III:4 GATT-1994 verweist. Anderenfalls bestünde die Gefahr sachwidrig differenzierender Ergebnisse bei der Anwendung der Grundsätze der Meistbegünstigung und der Inländerbehandlung. Im Übrigen lässt auch das Merkmal der Zolltarifklassifikation eine Unterscheidung zwischen Filmen aus den EG-Mitgliedstaaten und solchen aus anderen Ländern nicht zu. Damit ist davon auszugehen, dass die von den französischen und spa-
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nischen Spielzeitkontingenten erfassten Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten im Rahmen des Art. I:1, III:4 GATT-1994 im Verhältnis zu Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern in gleicher Weise als gleichartige Waren anzusehen sind wie die von den Kontingenten erfassten einheimischen Filme im Rahmen des Art. III:4 GATT-1994 (siehe oben (1)(a)). Entsprechend den Ausführungen zu Art. III:4 GATT-1994 (siehe oben (1)(b)) ist auch davon auszugehen, dass die Spielzeitkontingente, soweit sie auf Filme aus anderen EG-Mitgliedern angewendet werden, nicht aber auf Filme aus anderen WTO-Mitgliedern, zu einer wettbewerbsrelevanten Ungleichbehandlung führen. Dies widerspricht der Verpflichtung des Art. I:1 GATT-1994 derartige Vergünstigungen sämtlichen WTO-Mitgliedern unverzüglich und bedingungslos zu gewähren. Damit widersprechen die französischen und spanischen Spielzeitkontingente dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1, III:4 GATT-1994, soweit sie auf Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten, nicht aber auf Filme aus anderen WTO-Mitgliedern angewendet werden. Die spanische Regelung zu Spielzeitkontingenten für Gemeinschaftsfilme ist darüber hinaus auch insoweit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1, III:4 GATT-1994 unvereinbar, als die Kontingente nach Art. 2 des Gesetzes 3 / 1980 lediglich im Verhältnis zu synchronisierten Filmen aus Drittländern berechnet werden (siehe oben D.I.1.). Filme aus Drittstaaten, die in spanischer Originalfassung gedreht wurden, können hingegen in spanischen Filmtheatern aufgeführt werden, ohne dass sich daraus ein Erfordernis zur Vorführung eines bestimmten Anteils von Gemeinschaftsfilmen ergibt. Obwohl die spanische Regelung insoweit nicht ausdrücklich nach der Herkunft eines Films differenziert, profitieren von dieser Bestimmung in der Praxis offensichtlich vor allem die Filme aus den spanischsprachigen lateinamerikanischen Ländern, zu denen aus spanischer Sicht auch heute noch eine besondere kulturelle Verbindung besteht. Aus welthandelsrechtlicher Sicht stellt sich diese faktische Vorzugsbehandlung der Filme aus Lateinamerika gegenüber Filmen aus sonstigen Drittstaaten allerdings als eine mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1, III:4 GATT-1994 unvereinbare de facto Diskriminierung nach der Herkunft einer Ware dar. (3) Rechtfertigung nach Art. III:10, IV GATT-1994 Soweit die französischen und spanischen Quotenregelungen für Kinofilme danach dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 widersprechen, kommt eine Rechtfertigung nach Art. III:10, IV GATT-1994 in Betracht. Nach Art. III:10 GATT-1994 schließt der Grundsatz der Inländerbehandlung unter den Voraussetzungen des Art. IV GATT-1994 ausdrücklich nicht aus, dass ein WTO-Mitglied innerstaatliche Vorschriften über mengenmäßige Beschränkungen
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für belichtete Kinofilme erlässt oder beibehält. Art. IV GATT-1994 stellt zunächst klar, dass derartige mengenmäßige Beschränkungen für Kinofilme nur in der Form von Spielzeitkontingenten, nicht aber in der Form von Einfuhrkontingenten zulässig sind. Die an solche Spielzeitkontingente zu stellenden Anforderungen werden in Art. IV(a) GATT-1994 weiter konkretisiert. Danach kann verlangt werden, „daß ein bestimmter Mindestanteil der Gesamtspielzeit, die innerhalb einer bestimmten Zeitspanne von mindestens einem Jahr zur gewerblichen Vorführung aller Kinofilme jeglichen Ursprungs tatsächlich aufgewendet wird, auf die Vorführung von Filmen inländischen Ursprungs entfällt; die Kontingente werden nach der Spielzeit je Theater und Jahr oder nach einer gleichwertigen Grundlage berechnet“.
Bei den französischen und spanischen Quotenregelungen für Kinofilme handelt es sich um Spielzeitkontingentierungen, die nach dieser Vorschrift gerechtfertigt werden können. Problematisch ist allerdings, dass die französische Regelung des Art. 2 des Dekrets Nr. 53 – 1294 vom 31. Dezember 1953 bei der Berechnung der Kontingente auf das jeweilige Trimester und damit entgegen den Vorgaben des Art. IV(a) GATT-1994 auf einen kürzeren Zeitraum als ein Jahr abstellt. Soweit die französischen und spanischen Regelungen aufgrund der Erstreckung der Spielzeitkontingente auf Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten auch dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 in Verbindung mit Art. III:4 GATT-1994 widersprechen, ist eine Rechtfertigung nach Art. III:10, IV GATT-1994 hingegen nicht möglich. Diese Vorschriften sind nach Wortlaut und systematischer Stellung auf den Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 beschränkt.27 Zwar entsprach es unter Geltung des GATT-1947 der Praxis der Vertragsparteien, die Ausnahme des Art. III:8(a) im Bereich des Beschaffungswesens auf die Meistbegünstigung zu erstrecken, obwohl auch diese Regelung nach ihrem Wortlaut nur für den Grundsatz der Inländerbehandlung gilt.28 Auf die Regelung des Art. III:10, IV GATT-1994 lässt sich dies aber nicht übertragen. Denn in Art. IV(b) GATT-1994 wird die Aufteilung der nach den Spielzeitkontingenten für einheimische Filme verbleibenden Spielzeiten nach Lieferländern ausdrücklich ausgeschlossen.29 (4) Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 Soweit die französischen und spanischen Spielzeitkontingente aufgrund der Einbeziehung der Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1, III:4 GATT-1994 verstoßen, kommt eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 in Betracht. 27 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 172 f. 28 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 37. 29 So auch: Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 56.
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Nach Art. XXIV:5 HS 1 GATT-1994 schließt dieses Abkommen nicht aus, dass Gebiete von Vertragsparteien zu Zollunionen oder Freihandelszonen zusammengeschlossen oder vorläufige Vereinbarungen zur Bildung solcher Unionen oder Zonen abgeschlossen werden. Da derartige regionale Handelsvereinbarungen definitionsgemäß darauf ausgerichtet sind, dass sich die Mitglieder im Handel untereinander Vorteile gewähren, die nicht in gleicher Form für die Waren aus anderen Staaten gelten, ist dafür zumindest die Gewährung einer Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 erforderlich. Dementsprechend hat das Appellate Body in der Entscheidung Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products den Charakter des Art. XXIV GATT-1994 als Ausnahmevorschrift ausdrücklich anerkannt und seine Anwendung darüber hinaus auch auf andere Verpflichtungen als den Grundsatz der Meistbegünstigung für möglich gehalten (siehe dazu oben C.I.4.b)cc)). In der Literatur wird teilweise ohne weitere Prüfung der einzelnen Voraussetzungen des Art. XXIV GATT-1994 davon ausgegangen, dass Quotenregelungen für audiovisuelle Produkte aus anderen EG-Mitgliedstaaten nach dieser Vorschrift gerechtfertigt werden können.30 Eine eingehende Auseinandersetzung mit den nach der einschlägigen Entscheidungspraxis zu stellenden Anforderungen findet dabei nicht statt. In der Entscheidung Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products hat das Appellate Body für die Rechtfertigung einer Maßnahme, die mit bestimmten Vorschriften des GATT-1994 unvereinbar ist, nach Art. XXIV GATT-1994, wie dargestellt (siehe oben C.I.4.b)cc)), zwei konkrete Voraussetzungen aufgestellt: „First, the party claiming the benefit of this defence must demonstrate that the measure at issue is introduced upon the formation of a customs union that fully meets the requirements of sub-paragraphs 8(a) and 5(a) of Article XXIV. And, second, that party must demonstrate that the formation of that customs union would be prevented if it were not allowed to introduce the measure at issue. Again, both these conditions must be met to have the benefit of the defence under Article XXIV.“31
Im Folgenden werden die danach zu stellenden Anforderungen auf die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme angewendet. (a) Einführung der Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme vor oder bei Schaffung der Europäischen Gemeinschaft Wie gezeigt (siehe oben C.I.4.b)cc)), wird dem ersten vom Appellate Body aufgestellten Erfordernis vielfach entnommen, dass die nach Art. XXIV GATT-1994 zu rechtfertigende Maßnahme vor oder bei Abschluss des regionalen Handels30 Vgl. etwa: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 178 f. 31 WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 58 (Hervorhebung im Original).
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abkommens erfolgt sein muss; Maßnahmen, die erst nach Abschluss oder Inkrafttreten des regionalen Handelsabkommens eingeführt werden, können danach nicht über Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden.32 Diese Ansicht stützt sich auf die Formulierung des Appellate Body, „that the issue is introduced upon the formation of a customs union“ (Hervorhebung nur hier) und auf die Regelung des Art. XXIV:5 GATT-1994, wonach das GATT die Bildung regionaler Handelsabkommen nicht verhindern soll.33 Geht man von diesem Verständnis aus, ist also zu prüfen, ob die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme vor oder bei Schaffung der Europäischen Gemeinschaft eingeführt wurden. Für die spanische Regelung ist dies unproblematisch. Denn dort wurde die für nationale Filme bereits zuvor bestehende Spielzeitkontingentierung unmittelbar im Zuge des Beitritts zur Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1986 auf Gemeinschaftsfilme erweitert (siehe oben D.I.1.). Fraglich ist allerdings, ob auch die französische Regelung als vor oder bei Schaffung des regionalen Handelsabkommens eingeführt angesehen werden kann. Denn der Anwendungsbereich der französischen Spielzeitkontingente wurde erst zum 1. Januar 1967 auf Filme aus anderen EG-Mitgliedstaaten erweitert. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft trat für Frankreich als Gründungsmitglied hingegen bereits zum 1. Januar 1958 in Kraft. Allerdings sah der Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft in seiner ursprünglichen Fassung für die Verwirklichung der Warenverkehrsund sonstigen Grundfreiheiten nach Art. 8 EWGV (= Art. 7 EGV a. F., entfallen mit der Neufassung durch den Vertrag von Amsterdam) eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 1969 vor. Daher kann man argumentieren, dass die Bildung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne des Art. XXIV:5 HS 1 GATT1994 erst mit Ablauf dieser Übergangsfrist abgeschlossen war und die Erweiterung der französischen Spielzeitkontingente auf Gemeinschaftsfilme zum 1. Januar 1967 damit in diesem Sinne vor oder bei Schaffung des regionalen Handelsabkommens erfolgte. Im Übrigen erscheint die Annahme einer grundsätzlichen zeitlichen Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. XXIV GATT-1994 aber ohnehin nicht überzeugend. Zunächst lässt sich weder dem Wortlaut des Art. XXIV:5 HS 1 GATT-1994 noch der Formulierung des Appellate Body zwingend entnehmen, dass nationale Regelungen, die erst nach Schaffung eines regionalen Freihandelsabkommens eingeführt werden, nicht nach Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden können. Darüber hinaus würde ein solches Verständnis die Gestaltungsmöglichkeiten der WTO-Mitglieder bei der Bildung regionaler Handelsabkommen unnötig einschränken. Zunächst können derartige Abkommen auf eine sukzessiv vertiefende Integration ausgelegt sein, ohne dass in jedem Fall erst bei Vollendung 32 Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 910; Bender, in: Hilf / Oeter, WTORecht, 2005, § 9 Rn. 44; Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 223. 33 Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch 2003, B.I.1. Rn. 223.
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dieses Prozesses von einer Freihandelszone oder Zollunion im Sinne des Art. XXIV:8 GATT-1994 ausgegangen werden kann. Nationale Maßnahmen im Zuge einer solchen fortschreitenden regionalen Handelsliberalisierung könnten dann aber nicht mehr nach Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden. Darüber hinaus liegt es im Wesen der in solchen regionalen Handelsabkommen regelmäßig vorgesehenen Diskriminierungsverbote, dass auch nachträglich eingeführte nationale Maßnahmen so ausgestaltet werden müssen, dass Waren aus den Mitgliedstaaten der teilnehmenden Staaten nicht weniger günstig behandelt werden als einheimische Waren. Daher kann das Bestehen eines regionalen Handelsabkommens eine dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 widersprechende Ausgestaltung erst nachträglich eingeführter nationaler Regelungen notwendig machen. Auch in diesem Fall muss nach Sinn und Zweck des Art. XXIV GATT-1994 aber eine Rechtfertigung möglich sein, so dass zumindest hinsichtlich des Grundsatzes der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 nicht davon ausgegangen werden kann, dass eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 für nachträglich ergangene nationale Maßnahmen ausgeschlossen ist. Dass die Annahme einer strikten zeitlichen Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art. XXIV GATT-1994 zu nicht haltbaren Ergebnissen führt, zeigt sich gerade am Beispiel der Spielzeitkontingente für Kinofilme. Art. IV GATT-1994 sieht ausdrücklich vor, dass solche Spielzeitkontingente nicht nur beibehalten, sondern auch neu eingeführt werden können. Hielte man eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 jedoch nur für nationale Maßnahmen vor oder bei Schaffung des regionalen Handelsabkommens für möglich, wäre den EG-Mitgliedstaaten die Neueinführung solcher Spielzeitkontingente aber tatsächlich nicht möglich. Denn die Einführung von auf einheimische Filme begrenzten Spielzeitkontingenten wäre nach dem europäischen Gemeinschaftsrecht unzulässig und der mit einer Erstreckung der Kontingente auf Gemeinschaftsfilme verbundene Verstoß gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung könnte auf welthandelsrechtlicher Ebene nicht nach Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden. (b) Die Vereinbarkeit der Europäischen Gemeinschaft mit den Anforderungen des Art. XXIV:5 und 8 GATT-1994 Aus der angeführten Entscheidung des Appellate Body im Fall Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products ergibt sich weiter, dass die Rechtfertigung einer Maßnahme nach Art. XXIV GATT-1994 nur möglich ist, wenn das regionale Handelsabkommen, in dessen Rahmen die Maßnahme erlassen wurde, insgesamt den Anforderungen des Art. XXIV:5 und 8 GATT-1994 entspricht. Damit hat das Appellate Body die angesichts der in Art. XXIV:7 GATT-1994 ausdrücklich vorgesehenen Überprüfung regionaler Handelsabkommen durch politisch besetzte, allen WTO-Mitgliedern offenstehende Gremien lange umstrittene Frage nach der Prüfungskometenz der Streitentscheidungsorgane eindeutig entschieden (siehe oben C.I.4.b)cc)).
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Voraussetzung für eine Rechtfertigung der französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme ist danach grundsätzlich, dass die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft beziehungsweise nunmehr die Europäische Gemeinschaft den Anforderungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 insgesamt entspricht. Teilweise wird demgegenüber allerdings davon ausgegangen, dass hinsichtlich der Europäischen Gemeinschaft eine Prüfung der Vereinbarkeit mit den Voraussetzungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 seit Gründung der Welthandelsorganisation nicht mehr erforderlich sei. Dabei wird auf die Regelung des Art. XI:1 WTO-Übereinkommen verwiesen, in der die Europäische Gemeinschaft ausdrücklich als WTO-Mitglied anerkannt wird.34 Dieser Schluss von der Anerkennung der Europäischen Gemeinschaft als WTO-Vertragspartei auf ihre Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 überzeugt nicht. Die Aufnahme der Europäischen Gemeinschaft als Vertragspartei des WTO-Übereinkommens bedeutet unmittelbar lediglich die Anerkennung der völkerrechtlichen Rechtsfähigkeit der Europäischen Gemeinschaft. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass die übrigen WTO-Mitglieder damit für die Europäische Gemeinschaft im Rahmen einer möglichen Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 tatsächlich auf die Prüfung der an regionale Handelsabkommen zu stellenden Anforderungen verzichtet haben. Dementsprechend wurde auch nach Abschluss des WTO-Übereinkommens hinsichtlich des Vertrages zur Erweiterung der Europäischen Union zum 1. Mai 2004 ein Verfahren nach Art. XXIV:7 (WT / REG170, S / C / N309) eingeleitet. Nachfolgend werden daher die Anforderungen des Art. XXIV:8, 5 GATT-1994 und die sich bei der Prüfung ergebenden Probleme dargestellt. Art. XXIV:8 GATT-1994 unterscheidet grundsätzlich zwischen Freihandelszonen und Zollunionen. Eine Freihandelszone ist nach Art. XXIV:8(b) GATT-1994 lediglich auf die weitgehende Beseitigung der internen Zölle und Handelsbeschränkungen gerichtet, während eine Zollunion nach Art. XXIV:8(a) GATT1994 zusätzlich eine weitgehende Angleichung der Zoll- und sonstigen Handelsbedingungen gegenüber Drittstaaten voraussetzt (dazu oben C.I.4.b)aa)). Die Europäische Gemeinschaft sieht im Rahmen des freien Warenverkehrs nach Art. 23 Abs. 1 EGV nicht nur ein Verbot der Ein- und Ausfuhrzölle und der Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten vor, sondern auch die Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs gegenüber Drittländern und ist damit auf die Bildung einer Zollunion gerichtet.35 Damit finden die nach Art. XXIV:8, 5 GATT1994 an die Bildung einer solchen Zollunion zu stellenden Anforderungen Anwendung. Nach Art. XXIV:8(a)(i) und (ii) GATT-1994 setzt die Bildung einer Zollunion zunächst voraus, dass zwischen den teilnehmenden Gebieten die Zölle und beschränkenden Handelsvorschriften für annähernd den gesamten Handel beseitigt 34 35
Berrisch, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.1. Rn. 212 Fn. 392. Vgl. dazu: Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 843 ff.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
werden und dass die Mitglieder der Union im Handel mit nichtteilnehmenden Gebieten im Wesentlichen dieselben Zölle und Handelsvorschriften anwenden. Die Vorschrift verlangt also einen gewissen Mindestumfang sowohl der internen Handelsliberalisierung als auch der externen Handelsharmonisierung. Nach Art. XXIV:5(a) GATT-1994 darf die Bildung der Zollunion des Weiteren nicht zu einer Verschlechterung der Bedingungen für den Handel mit den an der Union nicht beteiligten WTO-Mitgliedern führen. Ob eine solche Verschlechterung der Handelsbedingungen vorliegt ist dabei im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der vor und nach Bildung der Zollunion in den teilnehmenden Gebieten für den Handel mit Drittstaaten geltenden Zoll- und sonstigen Bedingungen zu beurteilen (dazu im Einzelnen oben C.I.4.b)aa)). In der Literatur wird teilweise ohne weitere Prüfung davon ausgegangen, dass die Europäische Gemeinschaft den danach zu stellenden Anforderungen entspricht.36 Eine eigenständige Prüfung kann insoweit angesichts der ungeklärten Auslegung der Mindestanforderungen des Art. XXIV:8(a)(i)(ii) GATT-1994 und der nach Art. XXIV:5(a) GATT-1994 erforderlichen komplexen ökonomischen Prüfung auch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht geleistet werden. Es ist aber zumindest darauf hinzuweisen, dass die für die Untersuchung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eingesetzte Arbeitsgruppe die Prüfung Ende der 1950er Jahre ergebnislos eingestellt hat. Im Abschlussbericht wird lediglich festgestellt, dass mangels ausreichender Informationen eine abschließende Prüfung der Vereinbarkeit des Vertrages mit den welthandelsrechtlichen Anforderungen gegenwärtig nicht möglich erscheint.37 Dabei wird teilweise davon ausgegangen, dass der Vertrag zur Gründung der EWG tatsächlich mit großer Wahrscheinlichkeit den welthandelsrechtlichen Anforderungen nicht in vollem Umfang entsprach und diese ergebnisneutrale Entscheidung nur unter dem Eindruck der Drohung der EWG-Vertragsstaaten zustandekam, im Falle der Feststellung der welthandelsrechtlichen Unzulässigkeit des EWGV das GATT-1947 zu kündigen.38 Vor diesem Hintergrund erscheint die ungeprüfte Annahme einer Vereinbarkeit der Gründungs- und Beitrittsverträge der Europäischen Gemeinschaft mit den Anforderungen des Art. XXIV:8, 5 GATT-1994 zweifelhaft. Angesichts des sehr hohen Integrationsniveaus der Europäischen Gemeinschaft ist es zwar naheliegend, dass die insoweit nach Art. XXIV:8 GATT-1994 an die interne Handelsliberalisierung gestellten Mindestanforderungen erfüllt sind. Dies sagt aber noch nichts darüber, ob durch die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beziehungsweise spätere Änderungs- und Beitrittsverträge im Sinne des Art. XXIV:5 GATT-1994 bei einer Gesamtbetrachtung eine Verschlechterung der Handelsbedingungen für Drittstaaten eingetreten ist.39 36 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 178 f. 37 Hafez, 79 North Dakota Law Review 2003, 879, 902 f. 38 Hoekman / Kostecki, The Political Economy of the World Trading System, 2001, S. 353. 39 Vgl. dazu insgesamt: Hipold, Die EU im GATT / WTO-System, 1999, S. 16 ff.
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Allerdings ist angesichts der bisherigen Streitentscheidungspraxis zu Art. XXIV GATT-1994 davon auszugehen, dass insoweit im Rahmen eines Streitentscheidungsverfahrens ein vollumfänglich substantiierter Vortrag zur Vereinbarkeit der Europäischen Gemeinschaft mit den Voraussetzungen des Art. XXIV:5; 8 GATT1994 nicht erforderlich wäre. In dem Fall United States – Definitive Safeguard Measures on Imports of Circular Welded Carbon Quality Line Pipe from Korea hat das Panel die von den Vereinigten Staaten vorgetragenen Informationen, die sich im Wesentlichen darauf beschränkten, dass im Rahmen der NAFTA innerhalb von 10 Jahren 97% der Warenzölle beseitigt werden sollten, als ausreichend angesehen, um prima facie von der Vereinbarkeit der NAFTA mit den Anforderungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 auszugehen, die von Korea nicht in ausreichender Weise widerlegt worden sei.40 Danach läge die Darlegungslast für die Unvereinbarkeit der Europäischen Gemeinschaft mit den Anforderungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 also im Wesentlichen bei der Gegenseite. Dabei hätte sich der Vortrag, dass die Europäische Gemeinschaft trotz des erreichten Integrationsniveaus den Anforderungen des Art. XXIV:5, 8 GATT- 1994 nicht entspricht, auf den gegenwärtigen Stand der innergemeinschaftlichen Liberalisierung des Warenhandels und der gegenwärtig für den Handel mit Drittstaaten geltenden Zoll- und Handelsbedingungen zu beziehen. Der Vortrag etwa, dass die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1958 mit einer Verschlechterung der Handelsbedingungen für Drittstaaten im Sinne des Art. XXIV:5(a) GATT-1994 verbunden gewesen sei, dürfte nicht ausreichen. Vielmehr müsste vorgetragen werden, dass eine solche Verschlechterung der Handelsbedingungen für Drittstaaten auch gegenwärtig noch nachweisbar ist. Dies dürfte angesichts der im Zuge der verschiedenen Welthandelsrunden vereinbarten Absenkung der Außenzölle der Europäischen Gemeinschaft schwierig sein. (c) Die Erforderlichkeit der Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme zur Schaffung der Europäischen Gemeinschaft Nach der zweiten vom Appellate Body im Fall Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products aufgestellten Voraussetzung ist des Weiteren nachzuweisen, dass die Schaffung des regionalen Handelsabkommens ohne Einführung der fraglichen Maßnahme nicht möglich wäre. Es kommt also darauf an, ob die Einführung der Maßnahme für die Schaffung des regionalen Handelsabkommens erforderlich ist. Dies ist im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung zu beurteilen (siehe dazu oben C.I.4.b)cc)). Die Anwendung dieses Erforderlichkeitstests auf die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme erweist sich als nicht ganz einfach.
40 WTO Panel, United States – Definitive Safeguard Measures on Imports of Circular Welded Carbon Quality Line Pipe from Korea, WT / DS202 / R, vom 29. Oktober 2001, Rn. 7.144.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
Das Appellate Body hat in der Entscheidung Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products im Zusammenhang mit der Erforderlichkeitsprüfung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass den Parteien einer Zollunion hinsichtlich des Umfangs der Liberalisierung des internen Handels ein gewisser Spielraum verbleibt, da Art. XXIV:8(a)(i) GATT-1994 lediglich die Beseitigung der internen Handelsbeschränkungen für annähernd den gesamten Handel verlangt.41 Dies könnte dahingehend verstanden werden, dass die Mitglieder einer solchen Zollunion im Rahmen der Prüfung der Erforderlichkeit einer Maßnahme unter Umständen darauf verwiesen werden können, bestimmte Bereiche von der internen Handelsliberalisierung auszunehmen, soweit diese für die Erfüllung der Anforderungen des Art. XXIV:8(a)(i) GATT-1994 nicht erforderlich sind. Bei einer solchen Betrachtung erschiene die Erforderlichkeit der Erstreckung der nationalen Spielzeitkontingente auf Gemeinschaftsfilme zweifelhaft. Denn die Bildung einer den Anforderungen des Art. XXIV:8(a)(i) GATT-1994 genügenden Zollunion wäre wohl auch möglich, wenn man den Filmhandel von der internen Handelsliberalisierung ausnähme. Allerdings kann der Entscheidung des Appellate Body ein derartiges Verständnis der Erforderlichkeitsprüfung nicht entnommen werden. Grundsätzlich sind die Voraussetzungen des Art. XXIV:8 GATT-1994 als Mindestanforderungen ausgestaltet. Sie sollen sicherstellen, dass die regionalen Handelsabkommen ein Mindestmaß an interner Handelsliberalisierung und – im Falle der Zollunion – an externer Handelsharmonisierung vorsehen. Keinesfalls sollen sie einer weitergehenden regionalen Integration Grenzen setzen.42 Auch wäre die Entscheidung, welche Bereiche die Parteien eines regionalen Handelsabkommens von der internen Handelsliberalisierung auszunehmen haben, nicht ohne Willkür möglich. Die Liberalisierung des Filmhandels ist für die Erfüllung der Anforderungen des Art. XXIV:8(a)(i) GATT-1994 nur solange entbehrlich, wie man davon ausgeht, dass annähernd der gesamte übrige Handel von der internen Handelsliberalisierung erfasst wird. Dies gilt umgekehrt aber auch für zahlreiche andere Handelsbereiche. Daraus wird deutlich, dass ein zutreffendes Verständnis der Ausführungen des Appellate Body nur vor dem Hintergrund der in dem konkreten Fall zu beurteilenden nationalen Maßnahme möglich ist. In der Entscheidung Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products ging es um die Einführung mengenmäßiger Beschränkungen für indische Textilimporte in die Türkei. Dadurch sollte eine Umgehung der seitens der Europäischen Gemeinschaft für den Textilhandel mit Indien bereits bestehenden mengenmäßigen Beschränkungen verhindert werden (siehe oben C.I.4.b)cc)). Die Türkei wollte also im Zuge der Schaffung der Zollunion mit der Europäischen Gemeinschaft eine Maßnahme erlassen, die unmittelbar 41 WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 62. 42 Mavroidis, The General Agreement on Tariffs and Trade, 2005, S. 228.
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zu einer Verschlechterung der Handelsbedingungen für Indien führte. Dies widersprach dem Grundsatz des Art. XXIV:4 S. 2 GATT-1994, wonach regionale Handelsabkommen den Handel zwischen den teilnehmenden Gebieten erleichtern, nicht aber dem Handel anderer WTO-Mitglieder mit diesen Gebieten Schranken setzen sollen. Das Appellate Body hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dieser Grundsatz bei der Auslegung des Art. XXIV GATT-1994 insgesamt zu berücksichtigen ist.43 Vor diesem Hintergrund sah sich das Appellate Body zu einer strengen Prüfung der Erforderlichkeit dieser Maßnahme veranlasst und hielt offenbar auch eine Einschränkung des Umfangs der internen Handelsliberalisierung innerhalb der angestrebten Zollunion zwischen der Türkei und der Europäischen Gemeinschaft für möglich, wenn damit die Einführung der unmittelbar den Handel mit Indien einschränkenden mengenmäßigen Beschränkungen vermieden werden kann.44 Auf Maßnahmen, die entsprechend dem Grundsatz des Art. XXIV:4 S. 2 GATT-1994 nicht zu einer unmittelbaren Beschränkung des Handels mit Drittstaaten, sondern lediglich zu einer Erleichterung des Handels zwischen den an einem regionalen Handelsabkommen teilnehmenden Gebieten führen, können diese Ausführungen des Appellate Body nicht übertragen werden. So verhält es sich mit den französischen und spanischen Spielzeitkontingenten für Gemeinschaftsfilme. Die Erstreckung der Kontingente auf Filme aus anderen EG-Staaten ist auf die Erleichterung des innergemeinschaftlichen Handels gerichtet. Eine unmittelbare Beschränkung des Handels mit Drittstaaten kann in der damit verbundenen Abweichung vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 nicht gesehen werden. Denn regionale Handelsabkommen sind definitionsgemäß darauf ausgerichtet, dass sich die Mitglieder im Handel untereinander Vorteile gewähren, die nicht in gleicher Form für die Waren aus anderen Staaten gelten. Der darin liegende Verstoß gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung ist somit notwendige Folge der durch das regionale Handelsabkommen angestrebten Erleichterung des internen Handels. Bei solchen Maßnahmen, die sich auf eine differenzierende Behandlung der Waren aus teilnehmenden Gebieten und Drittländern beschränken und daher lediglich eine Abweichung vom Grundsatz der Meistbegünstigung enthalten, bleibt es vielmehr bei dem Grundsatz, dass Art. XXIV:8 GATT-1994 lediglich Mindestanforderungen für den Umfang der internen Handelsliberalisierung vorgibt, eine weitergehende Integration aber nicht ausschließt. Bei der Prüfung, ob eine konkrete nationale Maßnahme für die Schaffung oder Umsetzung des regionalen Handelsabkommens erforderlich ist, ist dann allein darauf abzustellen, ob diese Maßnahme nach den Regelungen, die das betreffende regionale Handelsabkommen für die interne Handelsliberalisierung vorsieht, zwingend geboten ist. 43 WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 56 f. 44 Vgl. dazu: Bobe, Die Vereinbarkeit von vertiefter (regionaler) wirtschaftlicher Integration mit dem Welthandelsrecht am Beispiel des EG-Binnenmarktes, 2006, S. 83 ff.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
Wie bereits ausgeführt (siehe oben D.I.1.), werden Spielzeitkontingente für Kinofilme im Gemeinschaftsrecht anders als im Welthandelsrecht als Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit und nicht der Warenverkehrsfreiheit angesehen. Auf einheimische Filme beschränkte Spielzeitkontingente wären aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht daher mit der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV unvereinbar. Insofern ist die Erstreckung der französischen und spanischen Spielzeitkontingente auf Filme aus anderen EG-Staaten zwingend geboten, um den Anforderungen gerecht zu werden, die das Gemeinschaftsrecht für die interne Handelsliberalisierung aufgestellt hat. Die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme sind somit im Sinne des Art. XXIV GATT-1994 für die Schaffung beziehungsweise Umsetzung der Europäischen Gemeinschaft erforderlich. (d) Keine Rechtfertigung der faktischen Vorzugsbehandlung spanischsprachiger Filme aus Lateinamerika nach Art. XXIV GATT-1994 Wie gezeigt, führt die Berechnung der spanischen Spielzeitkontingente für Gemeinschaftsfilme im Verhältnis zu synchronisierten Filmen aus Drittländern zu einer faktischen Vorzugsbehandlung spanischsprachiger Filme aus Lateinamerika gegenüber Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern (siehe oben (2)). Der darin liegende Verstoß gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT1994 kann unabhängig vom Bestehen regionaler Handelsabkommen zwischen Spanien oder der Europäischen Gemeinschaft und den insoweit de facto begünstigten Ländern nicht nach Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden. Denn die faktische Vorzugsbehandlung der spanischsprachigen Filme aus Lateinamerika besteht nicht in einer Gleichstellung mit spanischen oder Gemeinschaftsfilmen und kann daher nicht mit eventuellen internen Diskriminierungsverboten eines solchen regionalen Handelsabkommens begründet werden. (5) Die Behandlung von internationalen Koproduktionen Die bisherige Darstellung hat sich darauf beschränkt, die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme insoweit zu untersuchen, als sie sich auf Filme beziehen, die durch einen im Inland oder in einem sonstigen EG-Mitgliedstaat ansässigen Produzenten in Alleinproduktion hergestellt wurden. Die französischen und spanischen Spielzeitkontingente erfassen unter bestimmten Voraussetzungen aber auch Koproduktionen, an denen neben einem Produzenten aus einem EG-Mitgliedstaat auch ein oder mehrere Produzenten aus anderen Ländern beteiligt sind (dazu im Einzelnen oben D.I.1.). Die welthandelsrechtliche Beurteilung dieser Regelungen hängt entscheidend davon ab, wie die welthandelsrechtliche Herkunft solcher internationaler Koproduktionen zu bestimmen ist. Wie oben bereits herausgearbeitet (siehe oben bb)), ist die Herkunft eines Films für die Zwecke der diskriminierungsrechtlichen Vorschriften des GATT-1994 unab-
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hängig von den in den EG-Mitgliedstaaten für die Erteilung eines Herkunftszeugnisses geltenden Anforderungen zu bestimmen. Damit kann aus der Erteilung eines Herkunftszeugnisses eines EG-Mitgliedstaates für einen in internationaler Koproduktion hergestellten Film nicht geschlossen werden, dass es sich auch im welthandelsrechtlichen Sinn um einen Film aus dem betreffenden EG-Mitgliedstaat handelt. Allerdings ist auch das für Alleinproduktionen herausgearbeitete Kriterium des Sitzstaates des verantwortlichen Produzenten auf internationale Koproduktionen nicht ohne weiteres anwendbar. Denn an diesen sind definitionsgemäß mehrere Produzenten aus verschiedenen Ländern beteiligt. In Abwandlung des für Alleinproduktionen entwickelten Kriteriums wird man insoweit darauf abzustellen haben, in welchem Land das mehrheitsbeteiligte Produktionsunternehmen seinen Sitz hat. Denn aus diesem Land wird der größte Teil der künstlerisch-technischen Organisationsleistung erbracht. Abgesehen von vollkommen paritätisch ausgestalteten Koproduktionen lassen sich mit diesem Kriterium auch internationale Koproduktionen in Übereinstimmung mit den wirtschaftlichen Realitäten welthandelsrechtlich eindeutig einem bestimmten Herkunftsland zuordnen. Wendet man diesen Grundsatz auf die im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente maßgeblichen Herkunftszeugnisse der EG-Mitgliedstaaten an, zeigt sich, dass diese teilweise auch für Filmproduktionen ausgestellt werden, die welthandelsrechtlich nicht als Filme aus dem betreffenden EG-Mitgliedsland angesehen werden können. Denn, wie gezeigt (siehe oben D.I.1.), gelten nach diesen Regelungen unter bestimmten Voraussetzungen auch solche Koproduktionen als Filme aus einem EG-Mitgliedstaat, zu denen der in dem betreffenden EG-Staat ansässige Produzent nur einen Minderheitenbeitrag oder – in Fällen der internationalen Kofinanzierung – ausschließlich einen finanziellen Beitrag ohne eigene künstlerisch-technische Produktionsleistung beisteuert. Dies stellt sich zwar noch nicht ohne weiteres als Verstoß gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 dar. Denn grundsätzlich können unter der Voraussetzung einer (Minderheits-)beteiligung eines in einem EG-Mitgliedstaat ansässigen Produzenten internationale Koproduktionen aus sämtlichen Staaten in die französischen und spanischen Spielzeitkontingente einbezogen werden. Allerdings werden in diesem Zusammenhang solche Koproduktionen bevorzugt behandelt, deren mehrheitsbeteiligter Produzent in einem Land ansässig ist, mit dem die Europäische Gemeinschaft oder ein EG-Mitgliedstaat einen bi- oder multilateralen Koproduktionsvertrag abgeschlossen hat. In diesen Fällen ist gegenüber sonstigen Koproduktionen ein geringerer Produktionsbeitrag des in dem EGMitgliedstaat ansässigen Partners für eine Anerkennung im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente ausreichend. So sieht in Deutschland § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 FFG für die Anerkennung der deutschen Herkunft einer ohne Koproduktionsabkommen durchgeführten Gemeinschaftsproduktion einen finanziellen sowie technischen und künstlerischen Mindestbeitrag des in Deutschland ansässigen Produzenten von 30% vor. Im Rahmen der bestehenden Koproduktionsabkommen reicht nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 FFG hingegen die in diesen Abkom-
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
men jeweils vorgesehene Mindestbeteiligung von in der Regel 20%. Darüber hinaus können nach § 16a FFG bei Bestehen eines Kofinanzierungsabkommens auch solche Filme als deutsche Filme anerkannt werden, an denen der in Deutschland ansässige Partner rein finanziell und in keiner Weise technisch oder künstlerisch beteiligt ist. Diese nach dem Bestehen eines Koproduktionsabkommens differenzierende Behandlung internationaler Koproduktionen stellt sich als eine dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 widersprechende Ungleichbehandlung dar. Auch eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 ist insoweit nicht möglich, da die bevorzugt behandelten Koproduktionen welthandelsrechtlich nicht als Filme aus einem EG-Mitgliedstaat angesehen werden können und die maßgeblichen Koproduktionsabkommen keine regionalen Handelsabkommen im Sinne dieser Vorschrift darstellen. Damit ist davon auszugehen, dass die im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente bevorzugte Behandlung von internationalen Koproduktionen, die unter Geltung eines bi- oder multilateralen Koproduktionsabkommens hergestellt wurden, nach Art. I:1 GATT-1994 welthandelsrechtlich unzulässig ist. b) Zur parallelen Anwendbarkeit der diskriminierungsrechtlichen Vorschriften des Dienstleistungsabkommens GATS Wie dargestellt (siehe oben a)aa)), ist aufgrund der ausdrücklichen Regelung in Art. III:10, IV GATT-1994 davon auszugehen, dass auf die französischen und spanischen Quotenregelungen für Kinofilme die welthandelsrechtlichen Vorschriften über den Warenhandel anzuwenden sind. Allerdings finden sich in der Verhandlungsgeschichte der Uruguay-Runde zahlreiche Anhaltspunkte, dass die WTO-Mitglieder von einer Anwendbarkeit auch der Vorschriften des neu geschaffenen Dienstleistungsabkommens GATS ausgegangen sind. So wurden die Verhandlungen über die Behandlung der audiovisuellen Medien insgesamt von der durch die Verhandlungsgruppe für Dienstleistungen geschaffenen Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen geführt und sieht die vom GATT-Sekretariat entwickelte Services Sectoral Classification List ausdrücklich den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen als Unterfall der Kommunikationsdienstleistungen an. Dies spricht dafür, auf den Handel mit Kinofilmen und damit auch auf die Spielzeitkontingente für Kinofilme parallel zum GATT-1994 auch das Dienstleistungsabkommen GATS anzuwenden. Eine nähere Auseinandersetzung mit der Problematik einer solchen parallelen Anwendung von GATT-1994 und GATS ist an dieser Stelle allerdings nicht erforderlich. Denn zumindest gegenwärtig ergeben sich aus einer parallelen Anwendung des Dienstleistungsabkommens GATS auf die unmittelbar nach der Herkunft eines Films differenzierenden französischen und spanischen Quotenregelungen für Kinofilme keine weitergehenden Einschränkungen.
I. Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme
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Entsprechend der warenhandelsrechtlichen Beurteilung nach dem GATT-1994 sind die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme auch bei Anwendung des Dienstleistungsabkommens GATS an den Grundsätzen der Inländerbehandlung und Meistbegünstigung zu messen. Dabei ist zwar zunächst davon auszugehen, dass die französischen und spanischen Regelungen aufgrund der Vorzugsbehandlung von jeweils inländischen beziehungsweise aus anderen EG-Staaten stammenden Filmen sowohl mit der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS als auch mit der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS grundsätzlich unvereinbar sind. Hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale der Gleichartigkeit von Dienstleistungen unterschiedlicher Herkunft sowie der wettbewerbsrelevanten Ungleichbehandlung kann entsprechend auf die Ausführungen zu Art. III und I GATT-1994 verwiesen werden (siehe oben a)cc)(1)(2)), denen Art. XVII und II:1 GATS insoweit weitgehend nachgebildet sind (siehe oben C.II.4.b)aa) und C.II.4.a)aa)). Wie dargestellt (siehe oben C.II.4.b)bb)), ist der Grundsatz der Inländerbehandlung jedoch als spezifische Verpflichtung ausgestaltet und gilt damit nicht uneingeschränkt für sämtliche Dienstleistungssektoren, sondern setzt die Aufnahme des jeweiligen Sektors in die Liste spezifischer Verpflichtungen nach Art. XX GATS voraus und steht des Weiteren unter dem Vorbehalt der darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalte. Die Europäische Gemeinschaft hat im Rahmen der Uruguay-Runde im Bereich der als Unterfall der Kommunikationsdienstleistungen verstandenen audiovisuellen Dienstleistungen keine solchen spezifischen Verpflichtungen übernommen (siehe oben B.IV.2.b)). Damit ist der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS bei gegenwärtigem Stand der Handelsliberalisierung auf die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme nicht anwendbar. Der Grundsatz der Meistbegünstigung ist im GATS hingegen als allgemeine Verpflichtung ausgestaltet und damit unabhängig von der Übernahme spezifischer Verpflichtungen grundsätzlich auch auf den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen anwendbar (siehe oben C.II.4.a)). Auch hat die Europäische Gemeinschaft in ihre Liste zu Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS (siehe oben C.II.4.a)bb)) keine Bestimmung aufgenommen, wonach Produktionen aus bestimmten Ländern bei der Kinoauswertung bevorzugt behandelt werden können. Allerdings ist davon auszugehen, dass die Einbeziehung von Filmen aus anderen EG-Staaten in diese Spielzeitkontingente durch die Ausnahmeregelung für regionale Dienstleistungsabkommen in Art. V GATS gerechtfertigt werden kann. Hinsichtlich der konkreten Subsumtion kann auf die entsprechenden Ausführungen zu Art. XXIV GATT-1994 verwiesen werden (siehe oben a)cc)(4)), dem Art. V GATS im Wesentlichen nachgebildet ist (siehe oben C.II.6.b)). Auch hinsichtlich der Behandlung internationaler Koproduktionen ist nicht von einer Unvereinbarkeit der französischen und spanischen Spielzeitkontingente mit dem Dienstleistungsabkommen GATS auszugehen. Zwar stellt sich die Vorzugsbehandlung von internationalen Koproduktionen, die unter Geltung eines entspre-
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
chenden Abkommens hergestellt wurden, auch insoweit als Abweichung vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS dar, die nicht nach Art. V GATS gerechtfertigt werden kann, da die zugrundeliegenden bi- und multilateralen Koproduktions- und Kofinanzierungsabkommen keine regionalen Dienstleistungsabkommen im Sinne dieser Vorschrift darstellen. Allerdings hat die Europäische Gemeinschaft im Rahmen der Uruguay-Runde nach Art. II:2 GATS für derartige Koproduktionsabkommen eine Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung angemeldet. Nach ihrem Wortlaut erfasst die vierte von der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen angemeldete Ausnahme (siehe unten Anlage 1) Maßnahmen, die auf der Grundlage solcher Abkommen Inländerbehandlung für Produktionen gewähren, die bestimmte Herkunftsanforderungen erfüllen. Zwar werden als Anwendungsfälle insbesondere Maßnahmen in Bezug auf den Vertrieb oder die finanzielle Förderung von Kinofilmen genannt. Dies schließt die Anwendung dieser Ausnahme auf die unmittelbar die Vorführung betreffenden französischen und spanischen Spielzeitkontingente allerdings nicht aus. Damit ergeben sich gegenwärtig aus einer parallelen Anwendung des Dienstleistungsabkommens GATS hinsichtlich der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit der französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme keine weiteren Einschränkungen. Allerdings wäre im Fall einer zukünftigen Übernahme spezifischer Verpflichtungen im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen darauf zu achten, hinsichtlich der Quotenregelungen für Kinofilme in der Liste nach Art. XX GATS einen entsprechenden Vorbehalt vorzusehen. Da das GATS eine dem Art. III:10, IV GATT-1994 entsprechende Ausnahme nicht kennt, bestünde anderenfalls die Gefahr, dass die französischen und spanischen Quotenregelungen für Kinofilme bei paralleler Anwendung des GATS wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS welthandelsrechtlich insgesamt unzulässig werden.45 2. Die regionale Bindung bestimmter Atelier- und Postproduktionsarbeiten Wie dargestellt (siehe oben D.I.1.), war den EG-Mitgliedstaaten ursprünglich durch Art. 2 der Zweiten Filmrichtlinie von 1965 in Verbindung mit Art. 3 und 4 der Ersten Filmrichtlinie von 1963 gemeinschaftsrechtlich vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen die für die Einbeziehung in die französischen und spanischen Spielzeitkontingente maßgeblichen Herkunftszeugnisse zu erteilen waren. Dabei war unter anderem die weitgehende Durchführung der Atelierarbeiten in dem jeweiligen Herkunftsland des Films vorgesehen. Zwar sind diese Filmricht45 Vgl. zu einer entsprechenden Situation hinsichtlich der Spielzeitkontigente für Kinofilme in Südkorea: Graber, Audio-Visual Policy, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 165, 199; Kim, 26 Korean Journal of International and Comparative Law 1998, 199, 221.
I. Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme
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linien 1999 aufgehoben worden. Die nationalen Rechtsordnungen sehen aber weiterhin die Erteilung dieser Herkunftszeugnisse unter Voraussetzungen vor, die im Grundsatz den außer Kraft getretenen gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechen. In Deutschland wird das für die französischen und spanischen Spielzeitkontingente maßgebliche Herkunftszeugnis nach dem Runderlass Außenwirtschaft Nr. 14 / 2003 unter den gleichen Voraussetzungen erteilt, wie die Bescheinigung über die Förderfähigkeit eines Films nach dem FFG. Damit sind nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 FFG Atelier- und Postproduktionsarbeiten grundsätzlich im Inland oder in einem anderen EG- beziehungsweise EWR-Mitgliedstaat durchzuführen. Maximal 30% der Atelierarbeiten können in einem anderen Land durchgeführt werden, wenn dies durch die thematisch vorgesehene Durchführung der Außenaufnahmen in diesem Land angezeigt ist. Die Vereinbarkeit dieser Regelungen mit den welthandelsrechtlichen Grundsätzen von Inländerbehandlung und Meistbegünstigung ist unabhängig von der unmittelbar nach der Herkunft differenzierenden Behandlung im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente zu beurteilen.
a) Zur Anwendbarkeit von GATT-1994 und GATS Dabei stellt sich zunächst die Frage nach der Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens GATT-1994 und / oder des Dienstleistungsabkommens GATS. Wie ausgeführt (siehe oben 1.a)aa)), ergibt sich aus der Regelung des Art. III:10, IV GATT-1994, dass zumindest für die Zwecke der welthandelsrechtlichen Beurteilung von Quotenregelungen für Kinofilme, der grenzüberschreitende Filmhandel als Warenhandel anzusehen und damit das GATT-1994 anwendbar ist. Damit ist davon auszugehen, dass die von den Ateliers und Postproduktionsstudios an die Filmproduzenten erbrachten technischen Leistungen der Herstellung eines welthandelsrechtlich (zumindest auch) als Ware zu klassifizierenden Produkts dienen. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass auch die Erbringung dieser technischen Leistungen im welthandelsrechtlichen Sinne als Warenhandel aufzufassen ist. Vielmehr erbringen die Ateliers und Postproduktionsstudios an den Filmproduzenten rein immaterielle Produktionsdienstleistungen, ohne selbst als Hersteller einer Ware aufzutreten. In der Terminologie der vom GATT-Sekretariat während der Uruguay-Runde entwickelten Services Sectoral Classification List handelt es sich um „motion picture production services“, die ausdrücklich als Unterfall der audiovisuellen Dienstleistungen aufgeführt sind. Damit unterfallen diese Atelier- und Postproduktionsleistungen nicht dem Warenhandelsabkommen GATT-1994, sondern allein dem Dienstleistungsabkommen GATS.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
b) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS Soweit die für die Verwertung in Frankreich und Spanien bedeutsame Erteilung des Herkunftszeugnisses eines EG-Mitgliedstaats davon abhängig gemacht wird, dass die Atelier- und Postproduktionsarbeiten weitgehend bei in diesem EG-Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen in Auftrag gegeben werden, ist dies mit dem Prinzip der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS grundsätzlich unvereinbar.46 Bei den jeweiligen inländischen Atelier- und Postproduktionsunternehmen handelt es sich gegenüber solchen aus anderen WTO-Mitgliedern um gleichartige Dienstleistungserbringer und entsprechend bei den jeweils erbrachten Atelier- und Postproduktionsleistungen um gleichartige Dienstleistungen im Sinne des Art. XVII:1 GATS. Durch die bevorzugte Behandlung inländischer Ateliers und Postproduktionsstudios sowie ihrer Dienstleistungen bei der Erteilung des Herkunftszeugnisses eines EG-Mitgliedstaates werden im Sinne des Art. XVII:3 GATS deren Wettbewerbsbedingungen gegenüber den Unternehmen und Leistungen aus anderen WTO-Mitgliedern verbessert. Denn da diese für die Verwertung in Frankreich und Spanien bedeutsamen Herkunftszeugnisse bei Durchführung der Atelier- und Postproduktionsarbeiten in anderen WTO-Mitgliedern nicht erlangt werden können, werden die Filmproduzenten diese Arbeiten bevorzugt bei inländischen Unternehmen in Auftrag geben. Allerdings ist der Grundsatz der Inländerbehandlung, wie dargestellt (siehe oben C.II.4.b)bb)), als spezifische Verpflichtung ausgestaltet und gilt damit nicht uneingeschränkt für sämtliche Dienstleistungssektoren, sondern setzt die Aufnahme des jeweiligen Sektors in die Liste spezifischer Verpflichtungen nach Art. XX GATS voraus und steht des Weiteren unter dem Vorbehalt der darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalte. Die Europäische Gemeinschaft hat im Rahmen der Uruguay-Runde im Bereich der als Unterfall der Kommunikationsdienstleistungen verstandenen audiovisuellen Dienstleistungen keine solchen spezifischen Verpflichtungen übernommen (siehe oben B.IV.2.b)). Damit ist der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS bei gegenwärtigem Stand der Handelsliberalisierung auf die Behandlung der technischen Produktionsleistungen der Ateliers und Postproduktionsstudios nicht anwendbar. Im Falle einer späteren Übernahme spezifischer Verpflichtungen im Bereich der audiovisuellen Dientsleistungen durch die Europäische Gemeinschaft wäre allerdings in der Liste nach Art. XX GATS ein entsprechender Vorbehalt vorzusehen, um einen Konflikt dieser Regelungen mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS auszuschließen.
46 Vgl. zu einer gemeinschaftsrechtlichen Bewertung entsprechender Regelungen: Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 132 f.
I. Beurteilung der Quotenregelungen für Kinofilme
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c) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS Soweit die regionale Bindung der Atelier- und Postproduktionsarbeiten wie in Deutschland nicht auf inländische Unternehmen beschränkt ist, sondern auch auf Unternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten erstreckt wird, ist dies weiter auch mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS grundsätzlich unvereinbar. Die Erstreckung der regionalen Bindung der Atelier- und Postproduktionsarbeiten auf Unternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten führt dazu, dass entgegen Art. II:1 GATS die in diesen Ländern ansässigen Unternehmen und ihre Leistungen gegenüber gleichartigen, in anderen WTO-Mitgliedern ansässigen Unternehmen und deren Leistungen günstiger behandelt werden.
aa) Die Anlage zu Ausnahmen von Artikel II Wie dargestellt (siehe oben C.II.4.a)), ist der Grundsatz der Meistbegünstigung in Art. II:1 GATS als allgemeine Verpflichtung ausgestaltet und gilt daher unabhängig von der Übernahme spezifischer Verpflichtungen für sämtliche Dienstleistungssektoren und damit grundsätzlich auch für den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen. Allerdings hatten die WTO-Mitglieder nach Art. II:2 GATS die Möglichkeit, im Rahmen der Uruguay-Runde Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung hinsichtlich bestimmter den Dienstleistungshandel betreffender Maßnahmen geltend zu machen. Diese Ausnahmen finden sich in der Liste des jeweiligen WTO-Mitglieds in dem Anhang zu Ausnahmen von Artikel II. Eine unmittelbar die bevorzugte Behandlung von Atelier- und Postproduktionsunternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten betreffende Ausnahme hat die Europäische Gemeinschaft im Rahmen der Uruguay-Runde jedoch nicht in ihre Liste nach Art. II:2 GATS aufgenommen. Zwar befassen sich sowohl die vierte als auch die fünfte von der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen geltend gemachten Ausnahmen mit Maßnahmen, die der Erstreckung der Inländerbehandlung auf audiovisuelle Werke dienen, die bestimmte Herkunftsbedingungen erfüllen (siehe unten Anlage 1) und lässt sich die regionale Bindung der Atelier- und Postproduktionsarbeiten in einem weiten Sinn als eine solche Herkunftsanforderung auffassen. Allerdings sind diese Ausnahmen aus anderen Gründen auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Zunächst ist die anlässlich der Quotenregelung in Art. 4 Fernsehrichtlinie geltend gemachte Ausnahme ihrem Wortlaut nach ausdrücklich auf die Behandlung audiovisueller Werke hinsichtlich ihrer Verbreitung durch Rundfunk oder ähnliche Übertragungswege („regarding access to broadcasting or similar forms of transmission“) beschränkt. Die auf internationale Koproduduktionsabkommen abzielende Ausnahme gilt ausdrücklich nur für Maßnahmen, die auf einem solchen Abkommen beruhen („measures based upon government-to-government framework agreements, and plurilateral agreements on coproduction of audiovisual works“). Die Erstreckung der regionalen Bindung der
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
Atelier- und Postproduktionsarbeiten auf in anderen EG- beziehungsweise EWRMitgliedstaaten ansässige Unternehmen gilt nach deutschem Recht aber unabhängig von solchen internationalen Koproduktionsabkommen auch für Alleinproduktionen deutscher Filmproduzenten. Und die auf die Programme MEDIA und Eurimages Bezug nehmende Ausnahme gilt ihrer Konzeption nach nur für finanzielle Unterstützungsprogramme unter Beteiligung mehrerer europäischer Staaten. Damit ist eine Rechtfertigung über Art. II:2 GATS nicht möglich. bb) Rechtfertigung nach Art. V GATS Zu prüfen ist weiter, ob die Erstreckung der regionalen Bindung der Atelier- und Postproduktionsarbeiten auf in anderen EG- beziehungsweise EWR-Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen über die Regelung zu regionalen Dienstleistungsabkommen in Art. V GATS gerechtfertigt werden kann. In entsprechender Anwendung der Entscheidungspraxis des Appellate Body zu Art. XXIV GATT-1994 können nach dieser Vorschrift Abweichungen vom Grundsatz der Meistbegünstigung gerechtfertigt werden, wenn diese Maßnahmen für die Schaffung eines den Voraussetzungen des Art. V GATS entsprechenden regionalen Dienstleistungsabkommens erforderlich sind (siehe oben C.II.6.b)cc)). Hinsichtlich des Art. XXIV GATT-1994 wurde in diesem Zusammenhang bereits herausgearbeitet, dass im Rahmen dieser Erforderlichkeitsprüfung grundsätzlich darauf abzustellen ist, ob die fragliche Maßnahme nach den Regelungen, die das regionale Handelsabkommen für die interne Handelsliberalisierung vorsieht, zwingend vorgeschrieben ist (siehe oben 1.a)cc)(4)(c)). Auch dieser Grundsatz ist auf die Regelung des Art. V GATS übertragbar. Damit kommt es darauf an, ob die Erstreckung der regionalen Bindung der Atelier- und Postproduktionsarbeiten auf in anderen EG- beziehungsweise EWR-Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen gemeinschaftsrechtlich vorgegeben ist oder nicht. Aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht stellen sich Regelungen, die die Erteilung des Herkunftszeugnisses eines EG-Mitgliedsstaates für die Zwecke der französischen und spanischen Spielzeitkontingente von der überwiegenden Durchführung der Atelier- und Postproduktionsarbeiten im Inland abhängig machen, als Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV dar;47 insoweit entspricht die gemeinschaftsrechtliche Beurteilung der des Welthandelsrechts. Allerdings können die mit solchen Territorialisierungsvorschriften verbundenen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich nach der Praxis der Europäischen Kommission in gewissem Umfang aus kulturellen Gründen zur Förderung der jeweiligen regionalen filmwirtschaftlichen Infrastruktur gerechtfertigt werden. So geht die Europäische Kommission im Zusammenhang mit den nationalen Systemen der Filmförderung in ihrer Kinomitteilung davon aus, dass die 47 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 155 f.; so auch schon: Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 132 f.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
165
Förderfähigkeit eines Films davon abhängig gemacht werden kann, dass bis zu 80% des gesamten Produktionsbudgets im Inland ausgegeben werden.48 Insoweit lässt das Gemeinschaftsrecht nach der gegenwärtigen Praxis der Kommission also eine Differenzierung nach inländischen Dienstleistungserbringern und solchen aus anderen EG-Staaten zu.49 Entsprechendes hat dann auch im Zusammenhang mit der Erteilung einer Herkunftsbescheinigung für die Zwecke der französischen und spanischen Spielzeitkontingente zu gelten. Damit kann gegenwärtig nicht davon ausgegangen werden, dass die vollständige Gleichstellung von Atelier- und Postproduktionsbetrieben aus anderen EG-Staaten, wie sie etwa in Deutschland nach § 15 Abs. 2 Nr. 3 FFG vorgesehen ist, gemeinschaftsrechtlich geboten ist. Dies wird durch die Regelung in § 15 Abs. 2 FFG a. E. bestätigt, wonach die Erteilung des deutschen Herkunftszeugnisses durch Rechtsverordnung davon abhängig gemacht werden kann, dass inländische Ateliers, Produktionstechnik und für die Postproduktion technische Dienstleistungen bis zu einer Obergrenze von 80% der jeweils entstehenden Kosten genutzt werden. Damit können Regelungen, die bei der Erteilung der Herkunftsbescheinigung für die französischen und spanischen Spielzeitkontingente wie in Deutschland die Vorzugsbehandlung inländischer Atelier- und Postproduktionsunternehmen in vollem Umfang auf Unternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten erstrecken, nicht nach Art. V GATS gerechtfertigt werden. Entschließen sich einzelne EG-Mitgliedstaaten, die Leistungen filmtechnischer Betriebe aus anderen EG-Mitgliedstaaten inländischen Betrieben gleichzustellen, obwohl dies gemeinschaftsrechtlich nicht erforderlich ist, sind sie nach dem welthandelsrechtlichen Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS verpflichtet, eine solche Behandlung auch Betrieben aus anderen WTO-Mitgliedern zu gewähren. Allerdings gibt es innerhalb der Europäischen Kommission Bestrebungen, die Territorialisierung von filmtechnischen Dienstleistungen innerhalb der Gemeinschaft zukünftig weiter einzuschränken beziehungsweise ganz zu beseitigen.50 Eine solche Änderung der Kommissionspraxis würde sich auch auf die welthandelsrechtliche Beurteilung entsprechend niederschlagen.
II. Die Bedeutung des Welthandelsrechts für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme Im folgenden Abschnitt wird die Bedeutung des Welthandelsrechts für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme untersucht. Dabei stellt sich zunächst die Frage, ob insoweit allein an die nationalen Umsetzungsmaßnahmen anzuknüpfen 48 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken, 26. September 2001, KOM(2001) 534 endgültig, Abschnitt 2.3.b). 49 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 156 ff. 50 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 159 ff.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
ist oder auch unmittelbar auf die Regelungen der Fernsehrichtlinie selbst abgestellt werden kann. Gegen eine Anknüpfung unmittelbar an Art. 4, 6 der Fernsehrichtlinie spricht, dass Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft nach Art. 249 Abs. 3 EGV grundsätzlich nur an die Mitgliedstaaten gerichtet sind. Diese werden verpflichtet, die Richtlinie innerhalb einer bestimmten Umsetzungsfrist in nationales Recht umzusetzen. Grundsätzlich entfalten erst diese nationalen Umsetzungsakte Verbindlichkeit im innerstaatlichen Recht.51 Daher sind die Regelungen des Art. 4, 6 der Fernsehrichtlinie selbst für die Fernsehveranstalter in den EG-Mitgliedstaaten nicht unmittelbar verbindlich und haben daher auch keine direkten Auswirkungen auf die für den Handel mit Fernsehprogrammen geltenden Wettbewerbsbedingungen. Die Anwendung der welthandelsrechtlichen Grundsätze der Nichtdiskriminierung, die eine unmittelbare Beeinträchtigung der Handelsbedingungen durch eine Maßnahme voraussetzen, ist auf die Regelungen der Fernsehrichtlinie daher nicht sinnvoll möglich.52 Die Rechtsprechung des EuGH zur Möglichkeit einer unmittelbaren Anwendung von Richtlinienrecht gegenüber staatlichen Stellen53 kann dem nicht entgegengehalten werden.54 Daher wird hier davon ausgegangen, dass Anknüpfungspunkt für die welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen für Fernsehprogramme allein die in den EG-Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen nationalen Durchführungsbestimmungen sind und nicht die Richtlinienbestimmungen selbst.55 Die in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen nationalen Regelungen in den EG-Mitgliedstaaten differenzieren unmittelbar zwischen Fernsehprogrammen einheimischer oder sonst den Anforderungen des Art. 6 Fernsehrichtlinie entsprechender europäischer Herkunft und Werken anderweitiger Herkunft. Damit stehen diese Regelungen in einem Spannungsverhältnis zum welthandelsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung, der eine solche nach der Herkunft oder Nationalität differenzierende Behandlung grundsätzlich verbietet. Fraglich ist aber, ob und inwieweit die nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme an den Diskriminierungsvorschriften des GATT-1994 oder aber des GATS zu messen sind. Anders als bei den Quotenregelungen für Kinofilme fehlt es insoweit an einer den Art. III:10, IV GATT-1994 vergleichbaren Regelung, die hinsichtlich der Anwendbarkeit des GATT-1994 oder des GATS eine eindeutige Anknüpfung ermöglichen würde. Daher ist in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit der äuStreinz, Europarecht, 2005, Rn. 433 ff., 444. So auch: Bogdandy, in: Grabitz / Bogdandy / Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, 1994, S. 592. 53 Vgl. dazu: Streinz, Europarecht, 2005, Rn. 443 ff. 54 A. A.: Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 122 f. 55 A. A.: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 168 f. 51 52
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
167
ßerst umstrittenen handelsrechtlichen Einordnung des grenzüberschreitenden Handels mit Fernsehprogrammen erforderlich. Nachfolgend werden zunächst die unterschiedlichen welthandelsrechtlichen Beurteilungen bei Qualifizierung des grenzüberschreitenden Handels mit Fernsehprogrammen als Warenhandel (dazu 1.) sowie bei Qualifizierung als Dienstleistungshandel (dazu 2.) dargestellt. Erst im Anschluss wird zu der Frage der zutreffenden welthandelsrechtlichen Einordnung des grenzüberschreitenden Handels mit Fernsehprogrammen Stellung genommen (dazu 3.).
1. Die welthandelsrechtliche Beurteilung bei Qualifizierung des grenzüberschreitenden Handels mit Fernsehprogrammen als Warenhandel Im folgenden Abschnitt wird untersucht, welche Konsequenzen sich für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der in den EG-Mitgliedstaaten in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme ergeben, wenn man davon ausgeht, dass der grenzüberschreitende Handel mit Fernsehprogrammen als Warenhandel zu qualifizieren ist. Dabei wird entsprechend den Ausführungen zu Kinofilmen (siehe oben I.1.a)bb)) davon ausgegangen, dass bei der Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung des Warenhandelsabkommens GATT-1994 die welthandelsrechtliche Herkunft von Fernsehprogrammen grundsätzlich nach dem Sitz des Produktionsunternehmens zu beurteilen ist. Nachfolgend wird die Vereinbarkeit der nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme mit den warenhandelsrechtlichen Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 (dazu a)) sowie der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 (dazu b)) untersucht. Nach Erlass der Fernsehrichtlinie im Jahr 1989 machten die USA im Rahmen ihres Konsultationsersuchens nach Art. XXII GATT-1947 darüber hinaus geltend, dass es sich bei der Quotenregelung für Fernsehprogramme um eine nach Art. XI:1 GATT-1947 verbotene mengenmäßige Beschränkung handele.56 Dem ist entgegenzuhalten, dass diese Vorschrift nach ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung nur Grenzmaßnahmen erfasst, d. h. Maßnahmen, die unmittelbar am Import einer Ware ansetzen (siehe oben C.I.1.a)).57 Auf die als innerstaatliche Maßnahmen ausgestalteten Quotenregelungen für Fernsehprogramme ist das Verbot mengenmäßiger Beschränkungen damit von vornherein nicht anwendbar.58
Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1992, 323, 349. Jackson, World Trade and the Law of GATT, 1969, S. 315. 58 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 185 f.; a.A.: Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1992, 323, 349. 56 57
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
a) Die konkrete Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 Soweit die im jeweiligen nationalen Recht der EG-Mitgliedstaaten vorgesehenen Quotenregelungen auf Fernsehprogramme inländischen Ursprungs Anwendung finden, nicht aber auf Fernsehprogramme aus anderen WTO-Staaten, ist davon auszugehen, dass dies dem nach Art. III:4 GATT-1994 auch für nicht-fiskalische innerstaatliche Maßnahmen geltenden Grundsatz der Inländerbehandlung widerspricht. Hinsichtlich der Subsumtion der Quotenregelungen für Fernsehprogramme unter die Tatbestandsmerkmale des Art. III:4 GATT-1994 kann im Wesentlichen auf die entsprechenden Ausführungen zu den Quotenregelungen für Kinofilme verwiesen werden (siehe oben I.1.a)cc)(1)). Entsprechend der Beurteilung von Kinofilmen unterschiedlicher Herkunft sind Fernsehprogramme inländischen Ursprungs im Verhältnis zu den von den Quotenregelungen für Fernsehprogramme nicht erfassten entsprechenden Werken aus anderen WTO-Mitgliedern auf Grundlage der bisherigen Streitentscheidungspraxis des Appellate Body als gleichartige Waren im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 anzusehen. Durch die Quotenregelungen für Fernsehprogramme wird der Vertrieb der von der Regelung nicht erfassten Werke aus anderen WTO-Mitgliedern in gleicher Weise behindert wie der Vertrieb auswärtiger Kinofilme durch die Quotenregelungen für Kinofilme, so dass es sich um eine wettbewerbsrelevante innerstaatliche Regelung im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 handelt. Fraglich erscheint allein, ob dies auch insoweit gilt, als die nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme – wie in Deutschland – als nicht zwingend verbindliche Sollvorschrift ausgestaltet sind. Man könnte argumentieren, dass eine solche bloße Sollvorschrift in der Praxis keine Auswirkungen auf die Programmplanung der Fernsehveranstalter hat und damit die Wettbewerbsbedingungen für nicht von der Quotenregelung erfasste Fernsehprogramme aus anderen WTO-Mitgliedern nicht negativ beeinflusst. Eine solche Argumentation übersieht aber, dass zumindest die öffentlich-rechtlichen Fernsehveranstalter grundsätzlich bestrebt sein werden, ihr Programm auch in Übereinstimmung mit einer solchen bloßen Sollvorschrift zu gestalten. Darüber hinaus ist die Quotenregelung in Deutschland trotz ihrer relativierenden Formulierung auch für private Fernsehveranstalter nicht gänzlich bedeutungslos. Denn auch wenn die Quotenregelung für Fernsehprogramme lediglich als Sollvorschrift ausgestaltet ist, können die Medienanstalten im Rahmen der bei der Neuvergabe von Rundfunklizenzen unter Umständen erforderlichen Auswahlentscheidung durchaus auch berücksichtigen, inwieweit die verschiedenen Bewerber in der Vergangenheit dieser für die Gewährleistung der Programmvielfalt relevanten Regel nachgekommen sind.59 Daher ist davon auszugehen, dass auch als unverbindliche Sollvorschriften ausgestaltete Quotenregelungen für Fernsehprogramme wettbewerbsrelevante innerstaatliche Maßnahmen im Sinne 59 Vgl. zu den Kriterien bei der Auswahlentscheidung: Beucher / Leyendecker / v. Rosenberg, Mediengesetze, 1999, § 20 RStV, Rn. 16 f.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
169
des Art. III:4 GATT-1994 darstellen, die zu einer nach dieser Vorschrift unzulässigen ungünstigeren Behandlung von Werken aus anderen WTO-Mitgliedern gegenüber inländischen Werken führen. b) Die konkrete Anwendung der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 In die nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme werden entsprechend den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 Fernsehrichtlinie auch Werke aus anderen EG-Mitgliedstaaten sowie aus den Vertragsstaaten des Fernsehübereinkommens des Europarats und sonstigen europäischen Ländern, mit denen ein Koproduktionsabkommen geschlossen wurde, einbezogen (zu den Einzelheiten siehe oben D.I.2.). Diese gegenüber Werken aus anderen WTO-Mitgliedern differenzierende Behandlung widerspricht dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 in Verbindung mit Art. III:4 GATT-1994. Auch insoweit kann auf die entsprechenden Ausführungen zu den Quotenregelungen für Kinofilme verwiesen werden (siehe oben I.1.a)cc)(2)). c) Rechtfertigung nach Art. III:10, IV GATT-1994 Soweit die in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme danach dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 widersprechen, ist fraglich, ob eine Rechtfertigung nach Art. III:10, IV GATT-1994 möglich ist. Eine Rechtfertigung des Verstoßes gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 ist nach dieser Vorschrift, wie gezeigt (siehe oben I.1.a)cc)(3)), von vornherein ausgeschlossen. Seinem Wortlaut nach gelten die Regelungen der Art. III:10, IV GATT-1994 nur für Spielzeitkontingente für Kinofilme, d. h. für Maßnahmen, die an die Vorführung von Kinofilmen in Filmtheatern anknüpfen. Davon ist die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen zu unterscheiden. Dies gilt wegen der grundsätzlichen Unterschiede der Verbreitungswege auch insoweit, als über das Fernsehen ursprünglich für das Kino produzierte Spielfilme ausgestrahlt werden. Eine direkte Anwendung des Rechtfertigungsgrundes nach Art. III:10, IV GATT-1994 auf die Quotenregelungen für Fernsehprogramme ist daher nicht möglich.60 Allerdings wird teilweise davon ausgegangen, dass der Anwendungsbereich der Art. III:10, IV GATT-1994 im Wege der dynamischen Interpretation auch auf Quotenregelungen in Form der Spielzeitkontingentierung für die Ausstrahlung von 60 Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 129; Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 181; so auch: Bogdandy, EuZW 1992, 9, 16.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
Fernsehprogrammen zu erstrecken ist.61 Für eine solche dynamische Interpretation kann angeführt werden, dass die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen der Vorführung von Kinofilmen in Filmtheatern insofern vergleichbar ist, als es sich in beiden Fällen um eine massenwirksame Verbreitung audiovisueller Inhalte handelt. Die rechtspolitischen Hintergründe, die 1947 zur Schaffung der Ausnahmeregelung für Kinoquoten geführt haben – besondere gesellschaftliche Relevanz der audiovisuellen Medien und kulturelle Bedeutung einer eigenständigen nationalen Produktion – können daher in entsprechender Form auch für den Fernsehbereich geltend gemacht werden.62 Vor dem Hintergrund dieser Erwägungen wird teilweise angenommen, dass Art. III:10, IV GATT-1994 auf das Fernsehen, dessen gesellschaftliche und wirtschaftliche Relevanz bei Verhandlung des GATT-1947 aufgrund des damaligen technischen Entwicklungsstands noch nicht absehbar war, nunmehr entsprechend anzuwenden ist.63 Diese Argumentation erscheint allerdings zweifelhaft. Zwar ist die Möglichkeit einer dynamischen Interpretation der vertraglichen Bestimmungen im Rahmen des Welthandelsrechts anerkannt, soweit dies unter gewandelten Bedingungen für eine effektive Durchsetzung der Vertragsziele erforderlich ist.64 Allerdings ist bei einer dynamischen Interpretation von Ausnahmevorschriften, durch die von den Vertragsparteien grundsätzlich übernommene Verpflichtungen eingeschränkt werden, Zurückhaltung geboten. Ansonsten besteht die Gefahr, durch die dynamische Interpretation in unzulässiger Weise in etablierte Rechtspositionen der Vertragsparteien einzugreifen.65 In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Ausnahmevorschrift des Art. III:10, IV GATT-1994 bei Gründung des GATT im Jahr 1947 bewusst eng formuliert wurde. Die Regelung wurde nicht als allgemeine kulturelle Ausnahme ausgestaltet, sondern auf den Sonderfall der Spielzeitkontingente für Kinofilme beschränkt, obwohl eine starke internationale Marktstellung der USA auch bei anderen kulturellen Produkten wie Radioprogrammen, Musikaufnahmen, Magazinen und Büchern in vergleichbarer Weise bestand.66 Hinzu kommt, dass die Ausnahmeregelungen des Welthandelsrechts nach der ständigen Entscheidungspraxis der Streitentscheidungsorgane eng auszulegen sind.67 Dies spricht dagegen, die 61 Bogdandy, EuZW 1992, 9, 16; Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 182. 62 Bogdandy, EuZW 1992, 9, 16; so auch: Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 130. 63 Bogdandy, EuZW 1992, 9, 16; Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 182; vgl. dazu auch: Neuwirth, Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 129 ff. 64 Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, 1990, S. 144 f. 65 Vgl. dazu: Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, 1990, S. 145. 66 Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 129 f.; Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainment Law Journal 1997, 281, 289. 67 GATT Panel, United States – Customs User Fee, L / 6264, vom 25. November 1987, Rn. 84; GATT Panel, European Communities – Restrictions on Imports of Dessert Apples,
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
171
Regelung mit Hinweis auf gewandelte gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen nunmehr auf anderweitige kulturell relevante Produkte wie Fernsehprogramme zu erstrecken.68 Eine ausweitende dynamische Interpretation der Regelung des Art. IV GATT1994 käme daher nur in Betracht, wenn sie auf eine entsprechende Vertragspraxis der Parteien gestützt werden könnte. Maßgeblich sind insoweit die allgemeinen Auslegungsregeln der Wiener Vertragsrechtskonvention.69 Art. 31 Abs. 2 lit. b) WVK stellt darauf ab, ob aus einer späteren Übung bei der Anwendung des Vertrags eine Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Arbeit der im Dezember 1961 auf Veranlassung der USA70 gebildeten Arbeitsgruppe zur Anwendung des GATT auf den internationalen Handel mit Fernsehprogrammen71 von Bedeutung. Diese sollte die Bedeutung der bestehenden Vorschriften des GATT für den Handel mit Fernsehprogrammen untersuchen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls Empfehlungen für eine eventuelle Weiterentwicklung der bestehenden Rechtslage aussprechen.72 Im Zuge der Beratungen der Arbeitsgruppe wurde von einigen Delegationen und insbesondere von Frankreich die Anwendbarkeit des GATT-1947 auf den internationalen Handel mit Fernsehprogrammen grundsätzlich in Zweifel gezogen, da der Fernsehhandel eher als Dienstleistungshandel denn als Warenhandel aufzufassen sei. Aus pragmatischen Erwägungen hat die Arbeitsgruppe diese Bedenken aber zunächst zurückgestellt und ist im Folgenden von der Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens GATT-1947 auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme ausgegangen. Die Untersuchung der bestehenden Vorschriften konzentrierte sich dabei im Wesentlichen auf Art. III und IV GATT-1947.73 Die US-amerikanische Delegation ging davon aus, dass Spielzeitkontingentierungen für Fernsehprogramme gegen Art. III GATT-1947 verstießen. Angesichts der kulturpolitischen Bedeutung, die zahlreiche Regierungen dieser Frage zumaßen, waren die USA unter der Voraussetzung einer pragmatischen Übereinkunft aber bereit, von einer strikten Anwendung des Art. III GATT-1947 auf solche L / 6491, vom 18. April 1989, Rn. 12.13; vgl. dazu: Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 58. 68 Oeter, AfP 2005, 6, 9; vgl. auch: Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 132. 69 Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 333. 70 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Statement made by the United States Representative on 21 November 1961, L / 1646, vom 24. November 1961. 71 Vgl. dazu: Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1992, 323, 340. 72 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 2. 73 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 6 f.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
Spielzeitkontingente für Fernsehprogramme abzusehen.74 Zu diesem Zweck schlugen sie eine Resolution vor, wonach Spielzeitkontingente für Fernsehprogramme unter der Voraussetzung zulässig sein sollten, dass für Programme ausländischen Ursprungs ein angemessener Raum insbesondere auch während der Hauptsendezeit verbleibt.75 Nach dem Bericht der Arbeitsgruppe teilten einige Delegationen die Position der USA, dass das Problem durch eine Resolution der Vertragsparteien zu lösen sei. Sie waren allerdings der Ansicht, dass dabei die offensichtliche Ähnlichkeit zwischen Kinofilmen und Fernsehprogrammen berücksichtigt und daher die Anwendung des Art. IV GATT-1947 auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme „mutatis mutandis“ erstreckt werden sollte.76 Einer solchen Lösung waren die USA allerdings bereits in ihrer Stellungnahme entgegengetreten, die zur Bildung der Arbeitsgruppe geführt hatte.77 Die französische Delegation hielt aufgrund der in naher Zukunft zu erwartenden umwälzenden technischen Veränderungen im Fernsehbereich eine Resolution der Vertragsparteien zum damaligen Zeitpunkt nicht für sinnvoll.78 In Anhang I enthielt der Bericht der Arbeitsgruppe verschiedene Vorschläge für eine Beschlussfassung der Vertragsparteien. Die USA legten im November 1962 sowie im März 1964 modifizierte Fassungen ihres auf dem Konzept eines angemessenen Zugangs für auswärtige Fernsehprogramme beruhenden Resolutionsvorschlags vor. Eine Einigung innerhalb der Arbeitsgruppe konnte aber nicht erreicht werden und somit blieben die Beratungen letztlich ergebnislos.79 Damit kann nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen den Vertragsparteien hinsichtlich einer entsprechenden Anwendung des Art. III:10, IV GATT-1947 auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme Einigkeit bestand. Vielmehr haben die USA einer solchen Interpretation dieser Ausnahmevorschrift ausdrücklich widersprochen.80 Darüber hinaus spricht der Bericht der Arbeitsgruppe dafür, dass die Vertragsparteien die Anwendbarkeit des Art. IV GATT-1947 auf Fernsehprogramme weniger als eine Frage der Auslegung der bestehenden Regelung, sondern 74 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 5; insoweit unzutreffend zur damaligen Position der USA: Bogdandy, EuZW 1992, 9, 16. 75 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 9. 76 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 10. 77 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Statement made by the United States Representative on 21 November 1961, L / 1646, vom 24. November 1961, S. 3. 78 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 16 und Annex II. 79 Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1992, 323, 342. 80 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Statement made by the United States Representative on 21 November 1961, L / 1646, vom 24. November 1961, S. 3.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
173
eher als eine Frage der sinnvollen Weiterentwicklung der bestehenden Rechtslage angesehen haben. Die USA gingen davon aus, dass Quotenregelungen für Fernsehprogramme gegen Art. III GATT-1947 verstießen und nach der bestehenden Rechtslage nicht gerechtfertigt werden konnten. Ihren Vorschlag eines Resolutionsentwurf, wonach solche Quotenregelungen unter der Voraussetzung eines angemessenen Zugangs auswärtiger Programme zugelassen werden sollten, verstanden sie daher als eine den kulturpolitischen Bedenken zahlreicher Vertragsparteien entgegenkommende Weiterentwicklung der bestehenden Rechtslage. Dem sind die widersprechenden Delegationen nicht etwa mit dem Argument entgegengetreten, die Quotenregelungen für Fernsehprogramme seien bereits gegenwärtig nach Art. IV GATT-1947 gerechtfertigt. Vielmehr setzten sie sich, wie dargestellt, für einen alternativen Resolutionsentwurf ein, wonach die Regelung des Art. IV GATT-1947 auf Fernsehprogramme erstreckt werden sollte. Auch diese Vertragsparteien scheinen also davon ausgegangen zu sein, dass die Regelung des Art. IV GATT-1947 ohne eine solche Resolution nicht auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme angewendet werden konnte. Auch die bisherige Vertragspraxis der Parteien steht damit einer Erstreckung der Ausnahmeregelung des Art. III:10, IV GATT-1994 auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme im Wege der dynamischen Auslegung entgegen.81 Daher ist davon auszugehen, dass die in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie in den EG-Mitgliedstaaten ergangenen nationalen Regelungen nicht nach Art. III:10, IV GATT-1994 gerechtfertigt werden können. d) Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 Soweit die in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme durch die Einbeziehung von Programmen aus bestimmten anderen Staaten gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 in Verbindung mit Art. III:4 GATT-1994 verstoßen, ist eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 zu prüfen. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine solche Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 voraussetzt, dass die nationalen Quotenregelungen jeweils auch für einheimische Programme gelten. Nur unter dieser Voraussetzung kann die Besserstellung der Programme aus bestimmten Ländern gegenüber Programmen aus anderen WTO-Mitgliedern mit dem aus einem regionalen Handelsübereinkommen resultierenden Erfordernis der internen Gleichstellung von einheimischen Produkten und solchen aus anderen Mitgliedstaaten des regionalen Handelsabkommens begründet werden (siehe oben I.1.a) cc)(4)(c)). Da die Quotenregelungen für Fernsehprogramme, soweit sie sich jeweils auf Werke einheimischen Ursprungs beziehen, jedoch nicht nach Art. III:10, IV GATT-1994 gerechtfertigt werden können (siehe oben c)), ist auch hinsichtlich der 81 Ähnlich: Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 130; vgl. auch: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 183 f.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
Erstreckung dieser Quotenregelungen auf Werke aus anderen europäischen Staaten eine Berufung auf eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 nicht sinnvoll möglich.82 Doch selbst wenn man entgegen der obigen Ausführungen eine entsprechende Anwendung der Art. III:10, IV GATT-1994 für möglich hält, kann die Erstreckung der Quotenregelungen für Fernsehprogramme auf Werke aus anderen europäischen Ländern nicht in vollem Umfang nach Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden. Nach Art. 6 Fernsehrichtlinie sind in die nationalen Quotenregelungen nämlich nicht nur Werke aus anderen EG-Mitgliedstaaten nach Art. 6 Abs. 1 lit. a), Abs. 2 Fernsehrichtlinie einzubeziehen, sondern auch Werke aus Vertragsstaaten des Fernsehübereinkommens des Europarats nach Art. 6 Abs. 1 lit. b), Abs. 2 Fernsehrichtlinie beziehungsweise aus sonstigen europäischen Drittstaaten nach Art. 6 Abs. 1 lit. c), Abs. 3 Fernsehrichtlinie (dazu im Einzelnen oben D.I.2.). Hinsichtlich der Einbeziehung von Programmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten kann zunächst weitgehend auf die entsprechenden Ausführungen zur Rechtfertigung der französischen und spanischen Quotenregelungen für Kinofilme verwiesen werden. Unter den dort dargelegten Vorbehalten hinsichtlich der grundsätzlichen Vereinbarkeit der Europäischen Gemeinschaft mit den Anforderungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 (siehe oben I.1.a)cc)(4)(b)) wäre eine Rechtfertigung der Erstreckung der nationalen Quotenregelungen auf Werke aus anderen EG-Mitgliedstaaten grundsätzlich möglich. Für die Einbeziehung der Werke aus den Vertragsstaaten des Fernsehübereinkommens (Art. 6 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 Fernsehrichtlinie) sowie aus anderen europäischen Staaten, mit denen die EG ein Koproduktionsabkommen geschlossen hat (Art. 6 Abs. 1 lit. c) Abs. 3 Fernsehrichtlinie), gilt dies grundsätzlich nicht. Weder das Fernsehübereinkommen des Europarats noch die bilateralen Koproduktionsabkommen stellen regionale Handelsabkommen im Sinne des Art. XXIV GATT-1994 dar.83 e) Die Behandlung von internationalen Koproduktionen Wie dargestellt (siehe oben D.I.2.), werden auch im Rahmen der europäischen Quotenregelungen für Fernsehprogramme unter bestimmten Voraussetzungen Koproduktionen als europäische Werke anerkannt. Aus den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben des Art. 6 der Fernsehrichtlinie in der gegenwärtigen Fassung ergibt sich insoweit, dass die Anerkennung eines unter Mehrheitsbeteiligung eines außerhalb der Europäischen Gemeinschaft ansässigen Herstellers entstandenen Programms nur bei Bestehen eines entsprechenden Koproduktionsabkommens möglich ist. Daher ist entsprechend der Situation bei den französischen und spanischen Spielzeit82 Dies übersieht: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 178 f. 83 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 178 f.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
175
kontingenten für Kinofilme (siehe oben I.1.a)cc)(5)) davon auszugehen, dass die Quotenregelungen für Fernsehprogramme durch die differenzierende Behandlung internationaler Koproduktionen auch zu einer Besserstellung von Programmen führen, die welthandelsrechtlich nicht als Waren aus einem EG-Mitgliedsland anzusehen sind, und eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 daher nicht möglich ist. Allerdings kommt dieser Frage angesichts der festgestellten Unvereinbarkeit der Quotenregelungen für Fernsehprogramme bereits mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Inländerbehandlung eine eigenständige Bedeutung nicht zu. 2. Die welthandelsrechtliche Beurteilung bei Qualifizierung des grenzüberschreitenden Handels mit Fernsehprogrammen als Dienstleistungshandel Im folgenden Abschnitt wird untersucht, welche Konsequenzen sich für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der in den EG-Mitgliedstaaten in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme ergeben, wenn man davon ausgeht, dass der grenzüberschreitende Handel mit Fernsehprogrammen als Dienstleistungshandel zu qualifizieren ist. Dabei ist zunächst zu klären, in welcher Weise bei der Anwendung der Diskriminierungsvorschriften des GATS die Herkunft eines Fernsehprogramms zu bestimmen ist (dazu a)). Nachfolgend wird die Vereinbarkeit der unmittelbar nach der Herkunft differenzierenden Behandlung durch die Quotenregelungen für Fernsehprogramme mit den dienstleistungsrechtlichen Grundsätzen der Nichtdiskriminierung untersucht (dazu b)). a) Die Bestimmung der Herkunft beziehungsweise Nationalität eines Fernsehprogramms im Sinne des Dienstleistungsabkommens GATS Wie im Rahmen des Warenhandelsabkommens GATT-1994 (siehe oben 1. und I.1.a)bb)) stellt sich auch bei Anwendung der Diskriminierungsvorschriften des Dienstleistungsabkommens GATS die Frage, in welcher Weise die Herkunft beziehungsweise Nationalität eines gehandelten Fernsehprogramms zu bestimmen ist. Maßgeblich ist insoweit die Regelung des Art. XXVIII(f) GATS. Diese unterscheidet zwischen den Fällen des „cross-border supply“ und der „consumption abroad“ einerseits und den Fällen der „commercial presence“ und der „presence of natural persons“ andererseits. In den Fällen „cross-border supply“ und der „consumption abroad“ wird die Herkunft nach Art. XXVIII(f)(i) GATS ähnlich der Situation im GATT-1994 danach beurteilt, ob die Dienstleistung aus dem Hoheitsgebiet beziehungsweise innerhalb des Hoheitsgebiets eines anderen WTO-Mitglieds erbracht wird. In den Fällen der „commercial presence“ und der „presence
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
of natural persons“ ist hingegen darauf abzustellen, ob der Dienstleistungserbringer einem anderen WTO-Mitglied zugehört. Dabei sind die Regelungen des Art. XXVIII(m)(n) GATS zu beachten. Bei dem grenzüberschreitenden Handel mit Fernsehprogrammen geht es darum, dass ein Programmträger mit einem Fernsehprogramm von einem Land in ein anderes Land geliefert wird, um dort von einem Fernsehveranstalter ausgestrahlt zu werden. Damit handelt es sich um einen Fall des „cross-border supply“. Abzustellen ist daher darauf, aus dem Hoheitsgebiet welchen Landes diese Dienstleistung erbracht wird. Auch bei Anwendung des Dienstleistungshandelsabkommens GATS ergibt sich dabei das Problem, dass der Ort der physischen Herstellung des Programmträgers vom Sitz des Produktionsunternehmens abweichen kann. Damit stellt sich auch hier die Frage des zutreffenden Anknüpfungspunktes für die Bestimmung der welthandelsrechtlichen Herkunft der in dem Programmträger in Form des gespeicherten Fernsehprogramms verkörperten Dienstleistung. Anders als bei Anwendung des GATT-1994 wird bei Qualifizierung des grenzüberschreitenden Handels mit Fernsehprogrammen als Dienstleistungshandel aber von vornherein nicht so sehr auf den physischen Programmträger, sondern vielmehr auf die in der gespeicherten Aufnahme liegende Produktionsleistung als Handelsobjekt abgestellt. Daher erscheint es bei Anwendung des GATS ohne weiteres naheliegend, bei der Bestimmung der welthandelsrechtlichen Herkunft eines Fernsehprogramms auf den Sitz des Produktionsunternehmens und nicht auf den Ort der physischen Herstellung des Programmträgers abzustellen. Im Ergebnis ist daher auch bei Anwendung der Diskriminierungsvorschriften des Dienstleistungsabkommens GATS davon auszugehen, dass die Herkunft eines Fernsehprogramms im welthandelsrechtlichen Sinne nach dem Sitz des verantwortlichen Produktionsunternehmens zu bestimmen ist. b) Die Vereinbarkeit mit dem dienstleistungsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung Die in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme erfassen sowohl jeweils einheimische Programme als auch sonstige Programme europäischer Herkunft im Sinne des Art. 6 Fernsehrichtlinie, nicht hingegen Programme aus übrigen WTO-Mitgliedern. Damit stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit dieser Regelungen mit den Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS (dazu aa)) und der Meistbegünstigung nach Art. II GATS (dazu bb)). aa) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS Soweit die nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme jeweils für Programme inländischer Herkunft gelten, nicht aber für Programme aus anderen
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
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WTO-Mitgliedern, ist ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS zu prüfen. (1) Die konkrete Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS Wie dargestellt (siehe oben C.II.4.b)aa)), ist der Grundsatz der Inländerbehandlung in Art. XVII GATS im Wesentlichen der korrespondierenden Vorschrift in Art. III GATT-1994 nachgebildet. Insbesondere nimmt die Vorschrift in Art. XVII:3 GATS ausdrücklich auf den zu Art. III:4 GATT-1994 entwickelten Begriff der Wettbewerbsbedingungen Bezug. Damit verbietet der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS Maßnahmen, die die Wettbewerbsbedingungen inländischer Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringer gegenüber Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern aus anderen WTO-Mitgliedern verbessern. Im Rahmen der danach erforderlichen Prüfung, ob die von den Quotenregelungen nicht erfassten Programme aus anderen WTO-Mitgliedern gegenüber einheimischen Programmen als gleichartige Dienstleistungen anzusehen sind und die Quotenregelungen insoweit zu einer wettbewerbsrelevanten Ungleichbehandlung führen, kann im Wesentlichen auf die obigen Ausführungen zur Vereinbarkeit mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Inländerbehandlung (siehe oben 1.a)) verwiesen werden. Inländische Fernsehprogramme sind – unter Umständen differenziert nach verschiedenen Programmtypen – als gegenüber Programmen aus anderen WTO-Mitgliedern gleichartige Dienstleistungen anzusehen, da sie zu diesen in einem Wettbewerbsverhältnis stehen. Durch die nationalen Quotenregelungen wird der Vertrieb der von den Regelungen nicht erfassten Programme aus anderen WTO-Mitgliedern behindert, so dass es sich um eine wettbewerbsrelevante Benachteiligung im Sinne des Art. XVII GATS handelt. Dies gilt auch, soweit die Regelungen – wie etwa in Deutschland – lediglich als Sollvorschriften ausgestaltet sind. Die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Quotenregelungen für Fernsehprogramme sind somit auch mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS grundsätzlich unvereinbar.84 (2) Die Ausgestaltung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS als spezifische Verpflichtung Wie dargestellt (siehe oben C.II.4.b)bb)), ist der Grundsatz der Inländerbehandlung im GATS allerdings als spezifische Verpflichtung ausgestaltet. Er gilt damit nicht uneingeschränkt für sämtliche Dienstleistungssektoren, sondern setzt nach 84 Dies setzt implizit voraus: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 240; im Ergebnis ebenso: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 254, der allerdings auf die Ungleichbehandlung der Produzenten als Dienstleistungserbringer abstellt.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
dem Wortlaut des Art. XVII:1 GATS zunächst die Aufnahme des jeweiligen Sektors in die Liste spezifischer Verpflichtungen des jeweiligen WTO-Mitglieds voraus und steht des Weiteren unter dem Vorbehalt der darin festgelegten Bedingungen und Vorbehalte. Die Europäische Gemeinschaft ist im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen bisher keine spezifischen Verpflichtungen eingegangen. In ihrer Liste nach Art. XX GATS ist der Sektor der audiovisuellen Dienstleistungen, der nach der vom GATT-Sekretariat entwickelten und auch der Liste der Europäischen Gemeinschaft zugrundeliegenden Services Sectoral Classification List einen Unterfall der Kommunikationsdienstleistungen darstellt, nicht enthalten. Diese faktische Herausnahme der audiovisuellen Dienstleistungen aus den spezifischen Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen des GATS war eines der Ergebnisse des Agreement to Disagree, mit dem der während der Uruguay-Runde zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den USA bestehende Streit über die Liberalisierung des Handels mit audiovisuellen Dienstleistungen beendet wurde (siehe oben B.IV.2.b)). Damit ist der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS auf die in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen Quotenregelungen bei gegenwärtigem Stand der Liberalisierung des Dienstleistungshandels nicht anwendbar.85 Auch im Rahmen der Verhandlungen der Doha-Runde haben sich die Verhandlungsführer der Europäischen Gemeinschaft bisher geweigert, Angebote für eine Übernahme spezifischer Verpflichtungen im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen zu unterbreiten (siehe oben B.IV.2.c)). Da eine Sonderbehandlung der audiovisuellen Medien im Rahmen der Uruguay-Runde nicht durchgesetzt werden konnte, bleibt es aber auch hinsichtlich der audiovisuellen Dienstleistungen grundsätzlich bei der Verpflichtung des Art. XIX GATS, über eine weitere Liberalisierung des Dienstleistungshandels zu verhandeln (siehe oben B.IV.2.b)). Sollte die Europäische Gemeinschaft in der Zukunft daher spezifische Verpflichtungen auch im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen grundsätzlich übernehmen, wären die Quotenregelungen für Fernsehprogramme nur bei Aufnahme einer entsprechenden Einschränkung in die Liste spezifischer Verpflichtungen mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS vereinbar. bb) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS Soweit die nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme auch für Programme europäischer Herkunft im Sinne des Art. 6 Fernsehrichtlinie gelten, nicht aber für Programme aus anderen WTO-Mitgliedern, ist ihre Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegrünstigung nach Art. II GATS zu prüfen. 85 Vgl. dazu: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik, 1998, S. 239 f.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
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(1) Die konkrete Anwendung der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS Wie dargestellt (siehe oben C.II.4.a)aa)), ist der Grundsatz der Meistbegünstigung in Art. II:1 GATS im Wesentlichen der korrepondierenden Vorschrift für den Warenhandel in Art. I:1 GATT-1994 nachgebildet und verbietet eine ungünstigere Behandlung von Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines WTO-Mitglieds gegenüber gleichartigen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Landes. Hinsichtlich der vorzunehmenden Prüfung der Gleichartigkeit von Fernsehprogrammen europäischer Herkunft im Sinne des Art. 6 Fernsehrichtlinie und Programmen aus anderen WTO-Mitgliedern sowie des Vorliegens einer ungünstigeren Behandlung kann daher im Wesentlichen auf die Ausführungen zur Vereinbarkeit mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Meistbegünstigung (siehe oben 1.b) und I.1.a)cc)(2)) verwiesen werden. In der WTO-Streitentscheidungspraxis ist zwar noch nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit sich der Gleichartigkeitsbegriff in Art. I:1 GATS von dem vornehmlich auf das Bestehen eines Wettbewerbsverhältnisses abstellenden Begriff in Art. XVII GATS unterscheidet (siehe oben C.II.4.c)). Dennoch ist davon auszugehen, dass Fernsehprogramme europäischer Herkunft im Sinne des Art. 6 Fernsehrichtlinie gegenüber Programmen aus anderen WTO-Mitgliedern im Rahmen der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS in gleicher Weise als gleichartige Dienstleistungen anzusehen sind wie inländische Programme im Rahmen der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS. Eine differenzierende Beurteilung wäre jedenfalls insoweit sachlich nicht zu rechtfertigen (siehe oben I.1.b)). Durch die nationalen Quotenregelungen wird der Vertrieb der von den Regelungen nicht erfassten Programme aus anderen WTO-Mitgliedern gegenüber Programmen europäischer Herkunft im Sinne des Art. 6 Fernsehrichtlinie in wettbewerbsrelevanter Weise behindert (siehe oben aa)(1)). Dies widerspricht dem Gebot des Art. II:1 GATS, Dienstleistungen aus anderen WTO-Mitgliedern nicht ungünstiger zu behandeln als gleichartige Dienstleistungen aus anderen Ländern.86 Damit sind die in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Quotenregelungen für Fernsehprogramme auch mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS grundsätzlich unvereinbar. (2) Die Anlage zu Ausnahmen von Artikel II Wie dargestellt (siehe oben C.II.4.a)), ist der Grundsatz der Meistbegünstigung in Art. II:1 GATS als allgemeine Verpflichtung ausgestaltet und gilt daher unabhängig von der Übernahme spezifischer Verpflichtungen für sämtliche Dienstleistungssektoren und damit grundsätzlich auch für den Bereich der audiovisuellen 86 Dies setzt implizit voraus: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 239 f.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
Dienstleistungen. Allerdings hatten die WTO-Mitglieder nach Art. II:2 GATS die Möglichkeit, im Rahmen der Uruguay-Runde Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung hinsichtlich bestimmter den Dienstleistungshandel betreffender Maßnahmen geltend zu machen. Diese Ausnahmen finden sich in der Liste des jeweiligen WTO-Mitglieds in dem Anhang zu Ausnahmen von Artikel II. In Konsequenz des Agreement to Disagree zum Ende der Verhandlungen der Uruguay-Runde (dazu oben B.IV.2.b)) hat die Europäische Gemeinschaft von dieser Möglichkeit insbesondere hinsichtlich der audiovisuellen Dienstleistungen umfassend Gebrauch gemacht und in diesem Bereich insgesamt acht Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung angemeldet (siehe unten Anlage 1). Die dritte dieser von der Europäischen Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen geltend gemachten Ausnahmen betrifft Maßnahmen, die hinsichtlich der Übertragung durch Rundfunk oder ähnliche Übertragungsformen europäischen Werken, die bestimmte Herkunftsanforderungen erfüllen, Inländerbehandlung gewähren. Diese Ausnahme bezieht sich unmittelbar auf die in Umsetzung der Art. 4, 6 Fernsehrichtlinie ergangenen nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme und nimmt sie damit von der Geltung des Grundsatzes der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS aus.87 Dass die Europäische Gemeinschaft als voraussichtliche Dauer der Ausnahme entgegen der Regelung in Ziff. 6 der Anlage zu Ausnahmen von Artikel II einen unbegrenzten Zeitraum angegeben hat, steht der Wirksamkeit dieser Ausnahme nicht entgegen. Denn wie dargestellt (siehe oben C.II.4.a)bb)), handelt es sich dabei um eine bloße Sollvorschrift, die eine Anmeldung zeitlich unbegrenzter Ausnahmen nicht ausschließt.88 Auch das aus dem Wortlaut des Art. III:2 GATS („aufrechterhalten“) abgeleitete Erfordernis, dass nur für bereits bestehende Maßnahmen eine Ausnahme von der Meistbegünstigung angemeldet werden kann (siehe oben C.II.4.a)bb)), führt nicht zu Einschränkungen der Wirksamkeit der Ausnahme. Zwar ist in der Liste der Europäischen Gemeinschaft angegeben, dass sich diese Ausnahme neben den Vertragsstaaten des Fernsehübereinkommens des Europarats auch auf weitere Staaten bezieht, mit denen ein entsprechendes Koproduktionsabkommen (vgl. dazu Art. 6 Abs. 1 lit. c), Abs. 3 Fernsehrichtlinie sowie oben D.I.2.) besteht oder in Zukunft abgeschlossen wird. Der Anwendungsbereich der angemeldeteten Ausnahme kann also durch den Abschluss weiterer Koproduktionsabkommen hinsichtlich des Kreises der bevorzugt zu behandelnden Länder nachträglich erweitert werden. Dies ändert aber nichts daran, dass die betreffende Maßnahme ihrer Art nach bei Abschluss des GATS bereits bestand und damit nach Art. II:2 GATS in Verbindung mit der Anlage zu Ausnahmen von Artikel II aufrechterhalten werden kann. 87 Vgl. dazu: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 239 f. 88 Vgl. dazu: Wang, 30 Journal of World Trade 1996, 91, 102; zweifelnd: Herold, iris-plus (6)2003, 2, 6.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
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Wie dargestellt, gilt die hinsichtlich der Quotenregelungen für Fernsehprogramme geltend gemachte Ausnahme nach der EG-Liste der Ausnahmen zu Artikel II in Bezug auf die Vertragsstaaten des Fernsehübereinkommens des Europarats und auf sonstige europäische Staaten, mit denen ein entsprechendes Koproduktionsabkommen besteht oder abgeschlossen wird. Da sämtliche EG-Mitgliedstaaten zugleich auch Vertragspartei des Fernsehübereinkommens des Europarates sind, wäre es daher denkbar, den in den nationalen Quotenregelungen für Fernsehprogramme liegenden Verstoß gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS auch insoweit über die Ausnahme nach Art. II:2 GATS zu rechtfertigen, als sie Fernsehprogramme aus anderen EG-Mitgliedstaaten gegenüber solchen aus anderen WTO-Mitgliedern besser stellen. Allerdings ergibt sich aus der in die Liste aufgenommenen Anmerkung zur beabsichtigten Dauer, wonach die Ausnahme für einige Staaten nur bis Abschluss beziehungsweise Vollendung eines regionalen Handelsabkommens benötigt wird, dass insoweit die Regelung des Art. V GATS vorgehen soll. (3) Rechtfertigung nach Art. V GATS Soweit durch die nationalen Quotenregelungen Programme aus anderen EG-Mitgliedstaaten gegenüber solchen aus anderen WTO-Mitgliedern entgegen dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS besser gestellt werden, ist damit vorrangig eine Rechtfertigung nach Art. V GATS zu prüfen. Danach sind die WTO-Mitglieder unter bestimmten Voraussetzungen nicht gehindert, regionale Handelsabkommen im Bereich des Dienstleistungshandels abzuschließen. Wie dargestellt (siehe oben C.II.6.b)), ist diese Regelung im Wesentlichen der korrespondierenden Vorschrift für den Warenhandel in Art. XXIV GATT-1994 nachgebildet und ist auch die WTO-Entscheidungspraxis zu deren Anwendung als Ausnahmevorschrift auf Art. V GATS entsprechend anzuwenden. Hinsichtlich der danach vorzunehmenden Prüfung, ob die Europäische Gemeinschaft in ihrer Eigenschaft als regionales Dienstleistungsabkommen den Anforderungen des Art. V GATS insgesamt entspricht und die Verwirklichung dieses Abkommens durch die Nichtzulassung der Erstreckung der jeweiligen nationalen Quotenregelungen auf Programme aus anderen EG-Mitgliedstaaten verhindert würde, kann daher weitgehend auf die Ausführungen zu einer möglichen Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 bei Anwendung des Warenhandelsabkommens (siehe oben 1.d) und I.1.a)cc)(4)) verwiesen werden. Dementsprechend ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Erstreckung der nationalen Quotenregelungen auf Programme aus anderen EG-Mitgliedstaaten nach Art. V GATS gerechtfertigt werden kann.89 Allerdings gilt auch insoweit der Vorbehalt, dass die Vereinbarkeit der Europäischen Gemeinschaft mit den Voraussetzungen des Art. V GATS ins89 So auch: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 239 f.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
gesamt im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend geprüft werden kann (dazu oben I.1.a)cc)(4)(b)). (4) Die Behandlung von internationalen Koproduktionen Da, wie dargestellt (siehe oben D.I.2.), auch im Rahmen der europäischen Quotenregelungen für Fernsehprogramme unter bestimmten Voraussetzungen internationale Koproduktionen als europäische Werke anerkannt werden, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit der insoweit maßgeblichen Regelungen mit dem Dienstleistungsabkommen GATS. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die dabei nach Art. 6 der Fernsehrichtlinie vorgesehene Besserstellung der Produktionsbeiträge von Produzenten aus Ländern, mit denen ein entsprechendes Koproduktionsabkommen besteht, mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS unvereinbar ist. Auch eine Rechtfertigung nach Art. V GATS ist nicht möglich, da derartige Koproduktionsabkommen keine regionalen Handelsabkommen im Sinne dieser Vorschrift darstellen. Allerdings hat die Europäische Gemeinschaft Maßnahmen, die auf Grundlage solcher Abkommen bestimmten audiovisuellen Produktionen Inländerbehandlung zukommen lässt, durch Anmelden einer entsprechenden Ausnahme nach Art. II:2 GATS von der Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung ausgenommen. Insoweit kann auf die im Zuge der Auseinandersetzung mit den französischen und spanischen Spielzeitkontingenten für Kinofilme gemachten Ausführungen verwiesen werden (siehe oben I.1.b)). Somit ergeben sich auch hinsichtlich der Behandlung von internationalen Koproduktionen aus Sicht des Dienstleistungsabkommens GATS keine Einschränkungen der europäischen Quotenregelungen für Fernsehprogramme.
3. Zur Anwendbarkeit der Diskriminierungsvorschriften des GATT-1994 beziehungsweise des GATS Die Frage, ob die welthandelsrechtliche Rechtmäßigkeit der Quotenregelungen für Fernsehprogramme nach dem Warenhandelsabkommen GATT-1994 oder nach dem Dienstleistungsabkommen GATS zu beurteilen ist, ist zwischen den USA und der Europäischen Gemeinschaft wie auch in der Literatur äußerst umstritten. Wie bereits dargestellt (siehe oben B.IV.2.), haben die USA nach Erlass der Fernsehrichtlinie im Jahr 1989 ein formales Konsultationsersuchen an die Europäische Gemeinschaft gerichtet und einen Verstoß gegen das GATT-1947 und insbesondere dessen in Art. III:4 niedergelegten Grundsatz der Inländerbehandlung geltend gemacht. In ihrer Erwiderung stellte sich die Europäische Gemeinschaft hingegen auf den Standpunkt, dass das GATT-1947 auf die Quotenregelungen für Fernsehprogramme nicht anwendbar sei, da diese allein den Handel mit Dienstleistungen beträfen.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
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a) Der Fernsehprogrammhandel als maßgeblicher Anknüpfungspunkt Voraussetzung für eine zutreffende Beurteilung der Anwendbarkeit von GATT-1994 und GATS auf die Quotenregelungen für Fernsehprogramme ist zunächst die Bestimmung des maßgeblichen Anknüpfungspunktes. Insoweit wird in der Literatur teilweise nicht hinreichend zwischen der Ausstrahlung eines Fernsehprogramms durch die Fernsehveranstalter einerseits und dem vorgelagerten Programmbeschaffungsmarkt andererseits unterschieden. Mit der Ausstrahlung eines Programms erbringt der Fernsehveranstalter eine Leistung gegenüber seinen Zuschauern sowie den Werbekunden, die gegen Entgelt Werbespots im Rahmen eines bestimmten Programms geschaltet haben. Dieser Ausstrahlung vorgelagert ist der so genannte Programmbeschaffungsmarkt, auf dem die Fernsehveranstalter Nutzungsrechte für die Ausstrahlung der Fernsehprogramme erwerben. Soweit es sich dabei nicht um den Erwerb von LiveÜbertragungsrechten für bestimmte Ereignisse (z. B. Sportveranstaltungen oder Konzerte) handelt, wird der Erwerb der entsprechenden Nutzungsrechte durch das Zurverfügungstellen einer Kopie des betreffenden Fernsehprogramms (z. B. Fernsehserie, Spielfilm) begleitet, die die Ausübung der erworbenen Nutzungsrechte, nämlich die Ausstrahlung, praktisch ermöglicht. In der Regel wird dabei ein physischer Programmträger, etwa ein Videoband oder eine DVD, an den Fernsehveranstalter übergeben. Aufgrund der technischen Entwicklung ist aber auch eine digitale Übermittlung des Fernsehprogramms per Satellit oder Datenleitung an den Fernsehveranstalter in den letzten Jahren möglich und praktikabel geworden. Da die Ausstrahlung eines Fernsehprogramms in keiner Weise mit der Übergabe eines körperlich fassbaren Gegenstandes verbunden ist, besteht zunächst weitgehende Einigkeit darüber, dass es sich insoweit um eine Dienstleistung des Fernsehveranstalters handelt, die dieser gegenüber den Zuschauern sowie seinen Werbekunden erbringt.90 Schon daraus wird in der Literatur teilweise gefolgert, dass die unmittelbar an die Ausstrahlung anknüpfenden Quotenregelungen für Fernsehprogramme allein an den Vorschriften des Dienstleistungsabkommens GATS zu messen sind.91 Dabei wird die dogmatische Struktur des Warenhandelsabkommens GATT-1994 sowie dessen Verhältnis zum Dienstleistungsabkommen GATS jedoch grundsätzlich verkannt. Denn über Art. III:4 GATT-1994 werden durch das Warenhandelsabkommen sämtliche Maßnahmen erfasst, die sich in wettbewerbsrelevan90 Theune, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 35 Rn. 16; Hahn, ZaöRV 1996, 315, 330; Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 179. 91 Conley, 14 University of Pennsylvania Journal of International Business Law 1993, 87, 105 f.; Wilkins, 14 Boston College International & Comparative Law Review 1991, 195, 206; Hailbronner / Weber, DÖV 1997, 561, 566; Vogel, Die Liberalisierung des Handels mit audiovisuellen Dienstleistungen, 2004, S. 98.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
ter Weise auf die Verwendung oder Vermarktung eingeführter Waren auswirken (siehe oben C.I.2.b)bb)). Wie sich aus der Entscheidungspraxis des Appellate Body ergibt, gilt dies auch dann, wenn die fragliche Maßnahme unmittelbar an eine Dienstleistung anknüpft, die für die Verwendung oder Vermarktung einer Ware von Bedeutung ist. In dem Fall European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas hat das Appellate Body ausdrücklich ausgeführt, dass eine Maßnahme in den Anwendungsbereich sowohl des GATT1994 als auch des GATS fallen kann, wenn sie sich auf eine Dienstleistung bezieht, die im Zusammenhang mit einer bestimmten Ware erbracht wird92 (siehe dazu oben C.III.). Für die Frage der Anwendbarkeit der diskriminierungsrechtlichen Regelungen des GATT-1994 beziehungsweise des GATS auf die Quotenregelungen für Fernsehprogramme kommt es daher nicht auf die Klassifikation der Ausstrahlung von Fernsehprogrammen als Dienstleistung an. Entscheidend ist vielmehr, ob der vorgelagerte Handel mit den für eine Ausstrahlung vorgesehenen Fernsehprogrammen als Waren- oder Dienstleistungshandel anzusehen ist. Soweit dieser Fernsehprogrammhandel als Warenhandel anzusehen ist, stellen die Quotenregelungen für Fernsehprogramme sich als Regelungen der Verwendung dieser Programme als Waren im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 dar, die auf der Ebene der als Dienstleistung anzusehenden Ausstrahlung wirksam werden.93 Soweit dieser Fernsehprogrammhandel hingegen im welthandelsrechtlichen Sinne als Dienstleistungshandel anzusehen ist, findet auf die Quotenregelungen für Fernsehprogramme das Dienstleistungsabkommen GATS Anwendung. Die danach erforderliche Einordnung des Fernsehprogrammhandels ist anhand der zur Bestimmung und Abgrenzung von Waren- und Dienstleistungshandel diskutierten Ansätze (dazu b)) sowie der Systematik und Entstehungsgeschichte der welthandelsrechtlichen Regelungen und der entsprechenden Vertragspraxis der Parteien (dazu c)) zu untersuchen.
b) Die verschiedenen Ansätze zur Bestimmung und Abgrenzung von Waren- und Dienstleistungshandel In der Literatur werden zur Bestimmung und Abgrenzung von Waren- und Dienstleistungshandel im Wesentlichen drei unterschiedliche Ansätze diskutiert, deren konkrete Anwendung auf den Fernsehprogrammhandel im Folgenden dargestellt wird.
92 WTO Appellate Body, European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas, WT / DS27 / AB / R, vom 9. September 1997, Rn. 221. 93 So auch: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 170.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
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aa) Die ökonomischen Unterscheidungskriterien Weitgehende Einigkeit besteht zunächst darüber, dass die Bestimmung und Abgrenzung von Waren und Dienstleistungen im Grundsatz von den in den Wirtschaftswissenschaften verwendeten Unterscheidungskriterien der physischen Greifbarkeit, der Lagerfähigkeit und der Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum auszugehen hat. Dabei werden diese Eigenschaften jedoch nicht als eindeutige Abgrenzungskriterien verstanden, sondern eher als verschiedene Aspekte, die bei der Abgrenzung von Waren und Dienstleistungen im Einzelfall zu berücksichtigen sind. Waren sind danach grundsätzlich physisch greifbare Produkte, die als solche auch einer Lagerung zugänglich sind. Eine Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum ist aufgrund der damit gegebenen Möglichkeit der späteren Lieferung des fertigen Produkts an den Konsumenten nicht erforderlich. Eine Dienstleistung ist demgegenüber grundsätzlich eine unkörperliche und daher physisch nicht greifbare Leistung, die in der Regel auch einer Lagerung nicht zugänglich ist. Dienstleistungen sind daher vielfach durch die notwendige Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum gekennzeichnet. 94 Teilweise wird unter Berufung auf diese Kriterien für eine eindeutige Klassifizierung des Handels mit Fernsehprogrammen als Warenhandel argumentiert.95 Dies erscheint zunächst einleuchtend. Wie dargestellt (siehe oben a)), ist der Handel mit Fernsehprogrammen in der Regel mit der Übergabe eines physisch greifbaren Programmträgers verbunden. In dieser vergegenständlichten Form kann das auf dem Trägermedium gespeicherte Fernsehprogramm auch gelagert werden und eine Gleichzeitigkeit von Produktion und Konsum ist für die Leistung nicht erforderlich. Allerdings bleibt bei einem solchen bloßen Abstellen auf die Übergabe des Programmträgers der Charakter des auf dem physischen Medium gespeicherten Fernsehprogramms gänzlich unberücksichtigt. In der Literatur wird vielfach darauf hingewiesen, dass das gespeicherte Programm (Fernsehserie, Spielfilm, etc.) als zunächst physisch nicht greifbare Leistung der an der Produktion beteiligten Personen eher als Dienstleistung zu qualifzieren ist und der Programmhandel damit auch Aspekte des Dienstleistungshandels enthält.96 Darüber hinaus erschöpft sich 94 Vgl. zu diesen Kriterien: Donaldson, 20 Fordham International Law Review 1996, 90, 123 f.; Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1991, 323, 356; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 124; Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 179; Shao, 20 Yale Journal of International Law 1995, 105, 124. 95 Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1991, 323, 356; Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 179. 96 Donaldson, 20 Fordham International Law Review 1996, 90, 123 f.; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 124; Shao, 20 Yale Journal of International Law 1995, 105, 124 f.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
der wirtschaftliche Gehalt des Handels mit Fernsehprogrammen nicht in der bloßen Übergabe des physisch greifbaren Programmträgers. Vielmehr setzt dieser Programmhandel notwendig auch die Übertragung der für die Ausstrahlung des Fernsehprogramms erforderlichen Nutzungsrechte an den Fernsehveranstalter voraus. Die Übertragung dieser Nutzungsrechte aber ist ein physisch nicht greifbarer Vorgang und daher grundsätzlich als Dienstleistungshandel zu qualifizieren.97 Damit ist davon auszugehen, dass der Handel mit Fernsehprogrammen bei Anwendung der ökonomischen Unterscheidungskriterien Elemente sowohl des Waren- als auch des Dienstleistungshandels aufweist. Es werden Nutzungsrechte als Dienstleistungen an einem Trägermedium als Ware verkauft.98 bb) Der eigentliche Zweck der Transaktion als Abgrenzungsmerkmal Angesichts des bei Anwendung der ökonomischen Unterscheidungskriterien nicht eindeutigen Ergebnisses wird in der Literatur für die Abgrenzung von Warenund Dienstleistungshandel vielfach vorgeschlagen, auf den eigentlichen Zweck der Transaktion abzustellen. Danach soll es bei der Klassifikation als Waren- oder Dienstleistungshandel nicht auf die äußere Form der Transaktion, sondern vielmehr auf deren eigentlichen wirtschaftlichen Gehalt ankommen. Überwiegend wird dabei angenommen, dass der eigentliche wirtschaftliche Zweck des Handels mit Fernsehprogrammen nicht in der Übergabe des physisch greifbaren Programmträgers, sondern in der Übertragung der für die Verwertung erforderlichen Nutzungsrechte liegt.99 Hierfür spricht, dass der Wert des physischen Programmträgers für die wirtschaftliche Bedeutung des Handels mit Fernsehprogrammen praktisch irrelevant ist. Der wirtschaftliche Wert der Transaktion wird vielmehr allein durch den physisch nicht greifbaren Inhalt des Fernsehprogramms und den Umfang der daran eingeräumten Nutzungsrechte bestimmt. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit der Übertragung des Fernsehprogramms an den Fernsehveranstalter per Satellit oder Datenleitung, d. h. ohne unmittelbare Übergabe eines physisch greifbaren Programmträgers. Zur Begründung dieser Auffassung wird teilweise auf die Rechtsprechung des EuGH verwiesen.100 In dem Fall Schindler hatte der EuGH entschieden, dass bei 97 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 149; Acheson / Maule, 23 Journal of World Trade 1989, 35, 36; Seelmann-Eggebert, Internationaler Rundfunkhandel, 1998, S. 117; Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 69 f. 98 So schon: Acheson / Maule, 23 Journal of World Trade 1989, 35, 36. 99 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 149; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 125; Keßler, Die Filmwirtschaft im Gemeinsamen Markt, 1976, S. 69 f.; Seelmann-Eggebert, Internationaler Rundfunkhandel, 1998, S. 117 ff. 100 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 148 f.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
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der Versendung von Werbematerialien und Losen für die Durchführung einer Lotterie dem Warencharakter dieser physisch greifbaren Gegenstände neben dem eigentlichen Zweck der Transaktion, nämlich der als Dienstleistung anzusehenden Durchführung der Lotterie, keine eigenständige Bedeutung zukommt. Der EuGH hat daher allein die Vorschriften betreffend den Dienstleistungshandel, nicht aber die Vorschriften betreffend den Warenhandel angewendet.101 Allerdings ist zweifelhaft, ob aus der Rechtsprechung des EuGH tatsächlich abgeleitet werden kann, dass ein entsprechender Schluss auch im Fall des Handels mit Fernsehprogrammen zu ziehen ist. Denn in der Entscheidung Sacchi hat der EuGH zwar klargestellt, dass die Ausstrahlung von Fernsehprogrammen als Dienstleistung anzusehen ist. Davon hat er aber den Handel mit sämtlichen für eine solche Ausstrahlung erforderlichen Materialien, und damit auch den Handel mit den für die Ausstrahlung verwendeten physischen Programmträgern, ausdrücklich unterschieden und der Warenverkehrsfreiheit unterstellt.102 Auf diese Inkonsistenz der europäischen Argumentation für eine Klassifikation des Fernsehprogrammhandels als Dienstleistungshandel haben zahlreiche US-amerikanische Autoren hingewiesen.103 Tatsächlich ist die Klassifikation des Fernsehprogrammhandels bei Abstellen auf den eigentlichen Zweck der Transaktion keineswegs eindeutig. Im innerstaatlichen Recht wenden die US-Gerichte bei der Abgrenzung von Waren- und Dienstleistungshandel bereits den „real purpose of the transaction test“ an, wie er von zahlreichen Autoren auch auf welthandelsrechtlicher Ebene gefordert wird. Allerdings kommen sie dabei keineswegs zu dem Ergebnis, dass der Handel mit audiovisuellem Material aufgrund der überragenden wirtschaftlichen Bedeutung der übertragenen Nutzungsrechte als Dienstleistungshandel zu qualifizieren sei. Vielmehr stellen sie darauf ab, dass eine Ausübung der erworbenen Nutzungsrechte ohne physischen Programmträger nicht möglich ist. Der eigentliche Zweck der Transaktion liege aus Sicht des Erwerbers daher in der Gebrauchsüberlassung an diesem physischen Programmträger. Der Handel mit audiovisuellem Material sei daher nach dem „real purpose of the transaction test“ als Warenhandel zu qualifizieren. Aufgrund der jedenfalls beim Erwerber notwendigen Speicherung des Fernsehprogramms auf einem physischen Programmträger soll dies sogar dann gelten, wenn die eigentliche Übertragung des Programms in unkörperlicher Form per Satellit erfolgt.104
EuGH, Rs. C-275 / 92 – Schindler – Slg. 1994, I-1039, Rn. 22 ff. EuGH, Rs. 155 / 73 – Sacchi – Slg. 1974, 409, Rn. 7 f. 103 Kaplan, 8 Emory International Law Review 1994, 255, 309 f.; Lupinacci, 24 Vanderbilt Journal of Transnational Law 1991, 113, 134; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 127; Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainment Law Journal 1997, 281, 288. 104 Vgl. dazu: Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainment Law Journal 1997, 281, 287 f.; Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 147 f. 101 102
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
cc) Die notwendige Form der Transaktion als Abgrenzungsmerkmal Ein weiterer in der Literatur diskutierter Ansatz besteht darin, bei der Abgrenzung von Waren- und Dienstleistungshandel auf die notwendige Form der Transaktion abzustellen. Im Gegensatz zu dem soeben dargestellten „real purpose of the transaction test“ soll es danach nicht auf einen inhaltlich zu bestimmenden Zweck der Transaktion ankommen, sondern darauf, ob die betreffende Transaktion die Übergabe eines physisch greifbaren Gegenstandes beinhaltet. Ist dies der Fall, ist danach Warenhandel anzunehmen, anderenfalls hingegen Dienstleistungshandel. Unter Verweis auf die beim Fernsehprogrammhandel erforderliche Übergabe eines physischen Programmträgers kommen die Vertreter dieser Ansicht zu dem Ergebnis, dass der grenzüberschreitende Handel mit Fernsehprogrammen im welthandelsrechtlichen Sinn als Warenhandel aufzufassen ist. Die für den Programmhandel ebenfalls notwendige Übertragung von Nutzungsrechten soll demgegenüber zurücktreten.105 Allerdings erscheint auch diese Argumentation angesichts der technischen Entwicklung der letzten Jahre nicht mehr zwingend. Da nunmehr auch eine digitale Übermittlung des erworbenen Fernsehprogramms per Satellit oder Datenleitung an den Fernsehveranstalter möglich und praktikabel geworden ist, kann man nicht mehr davon ausgehen, dass der Fernsehprogrammhandel der äußeren Form nach notwendig mit der Übergabe eines physischen Programmträgers verbunden ist. dd) Zwischenergebnis Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die verschiedenen in der Literatur diskutierten Ansätze eine eindeutige Klassifikation des Fernsehprogrammhandels als Waren- oder Dienstleistungshandel nicht ermöglichen. Vielmehr ist bei Anwendung der ökonomischen Unterscheidungskriterien davon auszugehen, dass der Fernsehprogrammhandel sowohl Elemente des Waren- als auch des Dienstleistungshandels enthält (siehe oben aa)). Die ergänzend diskutierten Ansätze des eigentlichen Zwecks (siehe oben bb)) beziehungsweise der notwendigen Form (siehe oben cc)) der Transaktion sind für eine eindeutige Einordnung als Waren- oder Dienstleistungshandel ebenfalls nicht geeignet. c) Systematik, Entstehungsgeschichte und Vertragspraxis Wie gezeigt (siehe oben b)), führen die in der Literatur diskutierten Ansätze zur Bestimmung und Abgrenzung von Waren- und Dienstleistungshandel bei der Anwendung auf den Fernsehprogrammhandel nicht zu einem eindeutigen Ergebnis. 105 Donaldson, 20 Fordham International Law Journal 1996, 90, 127 f.; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 125 f.; so im Ergebnis auch: Bogdandy, EuZW 1992, 9, 15 f.
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Entscheidend ist daher auf Systematik und Entstehungsgeschichte der welthandelsrechtlichen Regelungen sowie die entsprechende Vertragspraxis der Parteien abzustellen. Insoweit ist zwischen der Zeit vor (dazu aa)) und nach (dazu bb)) Abschluss der Uruguay-Runde zu differenzieren. aa) Die Situation vor Abschluss der Uruguay-Runde Wie dargestellt (siehe oben B.I.2.), wurden die welthandelsrechtlichen Regelungen erst mit Abschluss der Uruguay-Runde um das Dienstleistungsabkommen GATS ergänzt. Daher stellte sich vor Abschluss der Uruguay-Runde hinsichtlich der welthandelsrechtlichen Behandlung von Quotenregelungen für Fernsehprogramme allein die Frage nach der Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens GATT-1947. Aus der Entstehungsgeschichte des GATT-1947 lassen sich insoweit keine Anhaltspunkte ableiten. Da der Fernsehprogrammhandel Ende der 1940er Jahre wirtschaftlich noch weitgehend bedeutungslos und seine zukünftige Entwicklung nicht absehbar war, wurde diese Frage während der Verhandlungen zum Abschluss des GATT-1947 nicht ausdrücklich behandelt. Aufgrund der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung des Fernsehbereichs wurde allerdings Anfang der 1960er Jahre auf Betreiben der USA eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit der Frage der Anwendung des GATT-1947 auf den Fernsehprogrammhandel und insbesondere Quotenregelungen für Fernsehprogramme befasste (siehe dazu oben 1.c)). Eindeutige Hinweise auf eine bestimmte Vertragspraxis der Parteien lassen sich daraus allerdings nicht herleiten. Denn innerhalb der Arbeitsgruppe konnte eine Einigkeit über die Frage der Anwendbarkeit der warenhandelsrechtlichen Vorschriften auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme nicht erreicht werden. Während insbesondere die USA von der Anwendbarkeit der Warenhandelsvorschriften ausgingen, machte die französische Delegation bereits damals geltend, derartige Regelungen beträfen allein den Dienstleistungshandel.106 Für eine Anwendung des GATT-1947 auf den Fernsehprogrammhandel und damit auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme spricht aber die inhaltsgleich auch in das GATT-1994 übernommene Regelung des Art. III:10, IV, wonach der warenhandelsrechtliche Grundsatz der Inländerbehandlung Spielzeitkontingenten für Kinofilme unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgegensteht. Wie ausgeführt (siehe oben I.1.a)aa)), ergibt sich aus diesen Vorschriften eindeutig, dass die Vertragsparteien des GATT-1947 davon ausgegangen sind, dass Spielzeitkontingente für Kinofilme den Warenhandelsvorschriften unterfallen. Dies setzt eine Klassifikation des Handels mit Kinofilmen als Warenhandel voraus. Zwar sind die Ausnahmeregelungen des Art. III:10, IV GATT-1947, wie gezeigt (siehe oben 1.c)), auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme aufgrund des eindeutigen Wortlauts 106 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 5 f.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Allerdings entspricht die wirtschaftliche Abwicklung des Fernsehprogrammhandels der des Handels mit Kinofilmen. In beiden Fällen wird die Übertragung der erforderlichen Nutzungsrechte in der Regel durch die Übergabe eines physisch greifbaren Programmträgers begleitet (dazu oben a)). Aufgrund dieser strukturellen Gleichartigkeit wäre es nicht überzeugend, den Handel mit Fernsehprogrammen anders als den Handel mit Kinofilmen nicht als Warenhandel im welthandelsrechtlichen Sinne aufzufassen.107 Hierauf haben während der Beratungen der in den 1960er Jahren eingerichteten Arbeitsgruppe auch die USA schon zutreffend hingewiesen.108 Der im Zuge der Verhandlungen der Arbeitsgruppe von Frankreich vorgebrachte Einwand, eine Anwendung der warenhandelsrechtlichen Vorschriften auf den Fernsehprogrammhandel führe zu einer widersinnigen Differenzierung zwischen der Behandlung von vorproduzierten Programmen und Live-Übertragungen, für die lediglich der Erwerb der entsprechenden Übertragungsrechte notwendig sei,109 überzeugt nicht. Die Tatsache, dass Fernsehsendungen teilweise nicht aufgenommen, sondern unmittelbar live gesendet werden, ändert nichts an der Vergleichbarkeit des Handels mit vorproduzierten Fernsehprogrammen und des Handels mit Kinofilmen. Dies gilt umso mehr als der Fernsehprogrammhandel, soweit er sich auf für die Fernsehausstrahlung aufbereitete Kinofilme bezieht, auch vom Gegenstand her mit dem Handel mit Kinofilmen identisch ist. Damit ist davon auszugehen, dass zumindest vor Abschluss der Uruguay-Runde der Fernsehprogrammhandel und damit auch Quotenregelungen für Fernsehprogramme dem Anwendungsbereich des Warenhandelsabkommens GATT-1947 unterfielen. Dies wird teilweise auch von Autoren eingeräumt, die sich für die Zeit nach Abschluss der Uruguay-Runde für eine ausschließliche Anwendbarkeit des Dienstleistungsabkommens GATS aussprechen.110 bb) Die Situation nach Abschluss der Uruguay-Runde Wie dargestellt (siehe oben B.I.2.), führte die Uruguay-Runde neben einer institutionellen Festigung des Welthandelsrechts durch Gründung der Welthandelsorga107 Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1991, 323, 357; Smith, 10 International Tax and Business Lawyer 1993, 97, 126; Bogdandy, in: Grabitz / Bogdandy / Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, 1994, S. 589 f.; Bogdandy, EuZW 1992, 9, 15 f.; Frohne, ZUM 1989, 390, 395; Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 165 f. 108 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 6. 109 GATT, Application of GATT to International Trade in Television Programmes, Report of the Working Party, L / 1741, vom 13. März 1962, Rn. 6; vgl. dazu: Filipek, 28 Stanford Journal of International Law 1991, 323, 350. 110 So ausdrücklich: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 165 f.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
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nisation insbesondere zur Ergänzung des bisherigen Warenhandelsabkommens GATT-1947 um das Dienstleistungsabkommen GATS. Aus den während der Uruguay-Runde geführten Verhandlungen ergeben sich dabei eindeutige Anhaltspunkte für eine Anwendbarkeit des neu geschaffenen GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien und insbesondere auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme (dazu (1)). Unklar und äußerst umstritten ist hingegen, welche Konsequenzen sich daraus für die Koordination der Anwendungsbereiche des Warenhandelsabkommens GATT-1994 und des Dienstleistungsabkommens GATS im Bereich der audiovisuellen Medien ergeben (dazu (2)). (1) Zur Anwendbarkeit des GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien Seit Abschluss der Uruguay-Runde stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Regelungen des neu geschaffenen Dienstleistungsabkommens GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien und insbesondere auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme anwendbar sind. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass sich dem Vertragstext des GATS ein unmittelbarer Anknüpfungspunkt für eine systematische Argumentation nicht entnehmen lässt. Eine dem Art. III:10, IV GATT-1947 – nunmehr übernommen in das GATT-1994 – vergleichbare Regelung enthält das GATS nicht. Allerdings ergeben sich aus der Verhandlungsgeschichte der UruguayRunde eindeutige Anhaltspunkte dafür, dass die WTO-Mitglieder von einer Anwendbarkeit des GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien und insbesondere auf Quotenregelungen für Fernsehprogramme ausgegangen sind. Wie bereits dargestellt (siehe oben B.IV.2.), entstand der Streit um die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der in der Fernsehrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft vorgesehenen Quotenregelung für Fernsehprogramme im Jahr 1989. Nach dem Scheitern eines ersten von den USA an die Europäische Gemeinschaft gerichteten Konsultationsersuchens strebten diese eine Klärung des Streits im Rahmen der bereits seit 1986 laufenden Verhandlungen der Uruguay-Runde über eine weitere Liberalisierung des Welthandels an. In diesem Rahmen wurden die konkreten Verhandlungen über die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien von der im Jahr 1990 durch die Verhandlungsgruppe für Dienstleistungen geschaffenen Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen (Working Group on Audiovisual Services) geführt. Bereits an dieser institutionellen Zuordnung der Verhandlungen zeigt sich, dass die WTO-Mitglieder die Problematik der Quotenregelungen für Fernsehprogramme als eine den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel betreffende Frage angesehen haben.111 Dieses Verständnis von einer Klassifikation des Handels mit Filmen und Fernsehprogrammen als Dienstleistungshandel findet auch in einer Background Note Ausdruck, die das GATT-Sekre111 Vgl. dazu: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 247.
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tariat im Auftrag der Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen erstellt hat. Dort heißt es zu den möglichen Formen des grenzüberschreitenden Handels mit audiovisuellen Dienstleistungen: „The cross-border provision of audio-visual services may take place through the import / export of audiovisual works recorded on a physical medium or through international transmission by cable and radiowaves.“112
In diesem Zusammenhang nimmt die Background Note auch ausdrücklich Bezug auf Quotenregelungen für Kinofilme oder Fernsehprogramme als mögliche Beschränkungen des grenzüberschreitenden Handels mit audiovisuellen Dienstleistungen: „Since quantitative restrictions on imports are common in some countries, market access commitments could relate to measures such as import and / or screen quotas affecting both cinema or television.“113
Diese Sichtweise wird bestätigt durch die vom GATT-Sekretariat im Jahr 1991 erarbeitete Services Sectoral Classification List, die zwar nicht bindend ist, von den WTO-Mitgliedern bei der Formulierung ihrer Listen spezifischer Verpflichtungen aber in der Praxis weitgehend zugrundegelegt wird (siehe oben C.II.3.b)). Dort sind die audiovisuellen Dienstleistungen unter dem Gliederungspunkt 2.D. ausdrücklich als Unterfall der Kommunikationsdienstleistungen aufgeführt. In der weiteren Untergliederung der audiovisuellen Dienstleistungen wird unterschieden zwischen „motion picture and videotape production and distribution services“ und „motion picture projection services“ (Gliederungspunkte a) und b)) sowie zwischen „radio and television services“ und „radio and television transmission services“ (Gliederungspunkte c) und d)). Aus der Liste geht also hervor, dass neben der Vorführung von Kinofilmen und der Ausstrahlung von Fernsehprogrammen auch die Produktion der entsprechenden Inhalte jeweils als Dienstleistungen aufgefasst werden und der Bereich der audiovisuellen Medien damit umfassend dem Anwendungsbereich des GATS unterfällt.114 Dem entspricht auch die Praxis der WTO-Mitglieder bei der Ausgestaltung ihrer Listen spezifischer Verpflichtungen sowie der nach Art. II:2 GATS angemeldeten Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung. So hat die Europäische Gemeinschaft in ihre Liste nach Art. II:2 GATS insgesamt acht Ausnahmen für audiovisuelle Dienstleistungen aufgenommen (siehe Anlage 1), von denen sich eine unmittelbar auf die in der Fernsehrichtlinie vorgesehenen Quotenregelungen bezieht (siehe oben 2.b)bb)(2)). 112 GATT, Working Group on Audiovisual Services, Matters Relating to Trade in Audiovisual Services. Note by the Secretariat, MTN.GNS / AUD / W / 1, vom 4. Oktober 1990, Rn. 7. 113 GATT, Working Group on Audiovisual Services, Matters Relating to Trade in Audiovisual Services. Note by the Secretariat, MTN.GNS / AUD / W / 1, vom 4. Oktober 1990, Rn. 7. 114 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 249; Graber, Audio-Visual Policy, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 165, 171; Zampetti, WTO Rules in the Audio-Visual Sector, 2003, S. 3.
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Auch zahlreiche andere WTO-Mitglieder haben in ihre Ausnahmelisten nach Art. II:2 GATS beziehungsweise in ihre Listen spezifischer Verpflichtungen verschiedene Einträge aufgenommen, die sich auf den Bereich der audiovisuellen Medien beziehen. Die Verhandlungsgeschichte der Uruguay-Runde zeigt damit eindeutig, dass die WTO-Mitglieder bei Abschluss des GATS von einer umfassenden Anwendbarkeit der neu geschaffenen dienstleistungsrechtlichen Regelungen auf den Bereich der audiovisuellen Medien und insbesondere auf die umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme ausgegangen sind. (2) Die Koordination der Anwendungsbereiche von GATT-1994 und GATS im Bereich der audiovisuellen Medien Die bisherige Analyse hat gezeigt, dass vor Abschluss der Uruguay-Runde aufgrund der Regelung in Art. III:10, IV GATT-1947 und der strukturellen Gleichartigkeit von Film- und Fernsehprogrammhandel davon auszugehen war, dass die warenhandelsrechtlichen Regelungen auch auf den Fernsehprogrammhandel und damit auf die umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme anwendbar waren. Da diese Regelungen unverändert auch in das GATT-1994 übernommen wurden, gilt dieses systematische Argument auch nach Gründung der Welthandelsorganisation mit Abschluss der Uruguay-Runde in gleicher Weise. Zugleich ergibt sich aus der Verhandlungsgeschichte der Uruguay-Runde aber eindeutig, dass die WTO-Mitglieder von einer umfassenden Anwendbarkeit der dienstleistungsrechtlichen Regelungen des neu geschaffenen GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien und insbesondere auf die umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme ausgegangen sind. Damit stellt sich die schwierige und äußerst umstrittene Frage nach der Koordination der Anwendungsbereiche des Warenhandelsabkommens GATT-1994 und des Dienstleistungsabkommens GATS im Bereich der audiovisuellen Medien. Dabei ist zunächst zu beachten, dass das GATT-1994 und das GATS trotz ihrer unterschiedlich definierten Anwendungsbereiche – Warenhandel einerseits und Dienstleistungshandel andererseits – nach der Spruchpraxis der WTO-Streitentscheidungsorgane nicht in einem Verhältnis der wechselseitigen Ausschließlichkeit stehen. Vielmehr können GATT-1994 und GATS nach den in den Verfahren Canada – Certain Measures Concerning Periodicals und European Communities – Regime for the Importation, Sale and Distribution of Bananas auch nebeneinander Anwendung finden, soweit eine staatliche Maßnahme Auswirkungen sowohl auf den Waren- als auch auf den Dienstleistungshandel hat. Dies ist nach den Ausführungen des Appellate Body insbesondere anzunehmen, wenn eine Dienstleistung gemeinsam oder sonst im Zusammenhang mit einer Ware erbracht wird (siehe oben C.III.). Der internationale Film- und Fernsehprogrammhandel lässt sich grundsätzlich als ein solcher Fall einer im Zusammenhang mit einer Ware erbrachten Dienstleistung auffassen. Denn wie gezeigt (siehe oben a)), wird dabei die
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Übertragung der für die Vorführung oder Ausstrahlung erforderlichen Nutzungsrechte regelmäßig durch die Übergabe eines physischen Programmträgers begleitet. Ausgehend vom Kriterium der physischen Greifbarkeit stellt sich dabei die Übergabe des Programmträgers als Warenhandel, die Übertragung der erforderlichen Nutzungsrechte hingegen als Dienstleistungshandel dar (siehe oben b)aa)). Film- und Fernsehprogrammhandel enthalten damit Elemente sowohl des Warenals auch des Dienstleistungshandels, so dass ausgehend von der Entscheidungspraxis der WTO-Streitentscheidungsorgane grundsätzlich von einer parallelen Anwendbarkeit von GATT-1994 und GATS auf diesen Bereich auszugehen ist.115 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass sich der Film- und Fernsehprogrammhandel äußerlich als wirtschaftlich einheitlicher Vorgang darstellt, der nur entweder als Waren- oder als Dienstleistungshandel qualifiziert werden kann. Denn anders als im Europäischen Gemeinschaftsrecht sind die Dienstleistungsregeln des GATS nicht als gegenüber dem Warenhandel subsidiäre Auffangtatbestände ausgestaltet. Für das Europäische Gemeinschaftsrecht sieht Art. 50 EGV vor, dass als Dienstleistungen nur solche Leistungen angesehen werden können, die nicht bereits den Vorschriften über den freien Waren- und Kapitalverkehr oder über die Freizügigkeit der Personen unterliegen. Eine entsprechende Regelung kennt das Welthandelsrecht nicht, so dass eine parallele Anwendung von GATT1994 und GATS auch insoweit nicht ausgeschlossen ist. Allerdings führt eine parallele Anwendung von GATT-1994 und GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien aufgrund des unterschiedlichen Niveaus der in diesen Abkommen bisher verwirklichten Handelsliberalisierung zu widersprüch lich erscheinenden Ergebnissen. So sind insbesondere die von der großen Mehrheit der WTO-Mitglieder hinsichtlich der audiovisuellen Dienstleistungen gemachten Einschränkungen bei der Übernahme spezifischer Verpflichtungen und die insoweit angemeldeten Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS bei paralleler Anwendung des GATT-1994 in der Praxis weitgehend bedeutungslos. Dies betrifft zunächst den hier behandelten Fall der Quotenregelungen für Fernsehprogramme in den Mitgliedsländern der Europäischen Gemeinschaft. Bei paralleler Anwendung des GATT-1994 sind diese Regelungen welthandelsrechtlich unzulässig (siehe oben 1.), obwohl die Europäische Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen keine spezifischen Verpflichtungen eingegangen ist und für solche Quotenregelungen ausdrücklich eine Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS angemeldet hat (siehe oben 2.). Entsprechendes gilt auch für die Situation in Indien, das im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen zwar grundsätzlich Marktzugangsverpflichtungen übernommen, die Einführung von ausländischen Filmen dabei aber auf maximal 100 Titel pro Jahr beschränkt hat. Bei paralleler Anwendung des GATT-1994 wäre diese Importkontingentierung für Kinofilme welthandelsrechtlich unzulässig, da 115 Ähnlich: Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 69; Kim, 26 Korean Journal of International and Comparative Law 1998, 199, 221; Goodenough, 15 Arizona Journal of International and Comparative Law 1998, 203, 218 f.
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Art. III:10, IV GATT-1994 eine Ausnahme allein für Spielzeitkontingente vorsieht.116 Und umgekehrt könnten die südkoreanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme, die nach Art. III:10, IV GATT-1994 zunächst zulässig sind, bei paralleler Anwendung mit den Vorschriften des Dienstleistungsabkommens GATS, das eine solche Ausnahme nicht kennt, in Konflikt geraten. Denn Südkorea ist im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen spezifische Verpflichtungen eingegangen, ohne eine ausdrückliche Einschränkung hinsichtlich seiner Spielzeitkontingente für einheimische Kinofilme zu machen.117 In der Literatur wird eine parallele Anwendung des Warenhandelsabkommens GATT-1994 und des Dienstleistungsabkommens GATS auf den Bereich der audiovisuellen Medien und insbesondere auf die umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme daher vielfach abgelehnt. Dabei ergibt sich allerdings ein im Einzelnen durchaus uneinheitliches Bild. Teilweise wird angenommen, dass aufgrund der Verhandlungsgeschichte der Uruguay-Runde mit Abschluss des GATS der Bereich der audiovisuellen Medien insgesamt dem Anwendungsbereich des GATT-1994 entzogen worden sei und nunmehr ausschließlich dem GATS unterfalle.118 Wie bei der Auseinandersetzung mit den französischen und spanischen Spielzeitkontingenten für Kinofilme bereits dargelegt (siehe oben I.1.a)aa)), ist diese Ansicht aber zumindest hinsichtlich der Behandlung von Quotenregelungen für Kinofilme mit dem eindeutigen Wortlaut der Art. III:10, IV GATT-1994 unvereinbar. Dementsprechend wird teilweise vertreten, dass zwar die welthandelsrechtliche Zulässigkeit von Quotenregelungen für Kinofilme angesichts dieser ausdrücklichen Regelungen nach dem GATT-1994 zu beurteilen sei, der Bereich der audiovisuellen Medien aber im Übrigen ausschließlich dem Dienstleistungsabkommen GATS unterfalle.119 Allerdings führt diese Ansicht zu schwerwiegenden Inkonsistenzen. Wenn der internationale Handel mit Kinofilmen für die Zwecke der Beurteilung entsprechender Spielzeitkontingente als Warenhandel im Sinne des GATT-1994 aufgefasst wird, ist es nicht überzeugend, andere diesen internationalen Filmhandel betreffende Maßnahmen allein am Dienstleistungsabkommen GATS zu messen. Ein solches Verständnis entspricht im Übrigen auch nicht der Vertragspraxis der WTO-Mitglieder. In dem Fall Turkey – Taxation of Foreign Film Revenues haben die USA gegenüber der Türkei im Jahr 1996, also nach Inkrafttreten des GATS, die Praxis einer unterschiedlichen Besteuerung der Kinoerlöse aus inländischen 116 Vgl. dazu: Bernier, Content Regulation in the Audio-Visual Sector and the WTO, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 215, 222 f. 117 Vgl. dazu: Graber, Audio-Visual Policy, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 165, 199; Kim, 26 Korean Journal of International and Comparative Law 1998, 199, 221. 118 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 250. 119 Seelmann-Eggebert, Internationaler Rundfunkhandel, 1998, S. 117 ff.; Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 237, 175.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
und ausländischen Filmproduktionen als Verstoß gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 geltend gemacht und hat die Türkei daraufhin nach Konsultationen die nationalen Regelungen entsprechend angepasst.120 Die Parteien sind damit offenbar davon ausgegangen, dass der internationale Handel mit Kinofilmen auch nach Abschluss der Uruguay-Runde dem Anwendungsbereich des Warenhandelsabkommen GATT-1994 unterfällt. Eine dritte Ansicht geht daher davon aus, dass der Bereich des Handels mit Kinofilmen aufgrund der Regelung in Art. III:10, IV GATT-1994 insgesamt als Warenhandel aufzufassen ist, während sich die welthandelsrechtliche Zulässigkeit von den Fernsehbereich betreffenden Maßnahmen wie insbesondere den umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme allein nach dem Dienstleistungsabkommen GATS richten soll.121 Da aufgrund der Regelung des Art. III:10, IV GATT1947 und der strukturellen Gleichartigkeit von Film- und Fernsehprogrammhandel aber davon auszugehen ist, dass zumindest vor Abschluss der Uruguay-Runde auch der Fernsehprogrammhandel in den Anwendungsbereich des Warenhandelsabkommens fiel (siehe oben aa)), beruht diese Ansicht auf der Annahme einer Einschränkung des Anwendungsbereichs des bisherigen GATT-1947 durch Abschluss des Dienstleistungsabkommens GATS. Diese Annahme sieht sich allerdings dem Einwand ausgesetzt, dass das Welthandelsrecht, wie gezeigt (siehe oben B.III.), insgesamt auf eine fortschreitende Handelsliberalisierung angelegt ist. Dieser Grundsatz lag auch den Verhandlungen der Uruguay-Runde zugrunde. Damit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass mit dem Abschluss des GATS der Anwendungsbereich des Welthandelsrechts auf den Dienstleistungshandel erweitert, nicht aber der bisher erreichte Grad der Liberalisierung des Warenhandels durch eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des GATT-1994 begrenzt werden sollte. Hierauf hat in dem Verfahren Canada – Certain Measures Concerning Periodicals auch das Appellate Body hingewiesen und daher eine parallele Anwendbarkeit von GATT1994 und GATS angenommen, soweit eine Maßnahme Auswirkungen sowohl auf den Waren- als auch den Dienstleistungshandel hat122 (siehe dazu oben C.III.). Vor diesem Hintergrund könnte ein Ausschluss der Anwendbarkeit des GATT-1994 auf den Fernsehprogrammhandel und damit auf die umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme nur angenommen werden, wenn sich eindeutige Hinweise auf einen entsprechenden Willen der Vertragsparteien ergeben. In der Literatur wird insoweit auf die Umstände der Verhandlungen der Uruguay-Runde verwiesen. Wie dargestellt (siehe oben B.IV.2.), wurde die Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen im Rahmen der Uruguay-Runde in Re120 WTO, Turkey – Taxation of Foreign Film Revenues, WT / DS43 / 3 – Notification of Mutually Agreed Solution, vom 24. Juli 1996. 121 de Witte, Trade in Culture, in: De Burca / Scott, The EU and the WTO, 2001, 237, 246; Cahn / Schimmel, 15 Cardozo Arts and Entertainmment Law Journal 1997, 281, 301; Weiß / Hermann, Welthandelsrecht, 2003, Rn. 759 ff. 122 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, Abschnitt IV. bei Fn. 29.
II. Bedeutung für die Quotenregelungen für Fernsehprogramme
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aktion auf die Auseinandersetzung um die in der Fernsehrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft vorgesehene Quotenregelung für Fernsehprogramme eingerichtet, nachdem ein erstes insbesondere auf Art. III:4 GATT-1947 gestütztes Konsultationsersuchen der USA ohne Erfolg geblieben war. Daraus wird geschlossen, dass diesen Verhandlungen über audiovisuelle Dienstleistungen nach dem Verständnis der Verhandlungspartner hinsichtlich der welthandelsrechtlichen Behandlung der umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme dezidiert eine „Streitschlichtungsfunktion“ 123 zukam. Daher sei davon auszugehen, dass das in diesem Rahmen ausgehandelte Ergebnis die Frage der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit der umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme abschließend regelt. Maßgeblich sei daher allein das in Konsequenz des dargestellten Agreement to Disagree (siehe oben B.IV.2.b)) bestehende Ergebnis, wonach die audiovisuellen Dienstleistungen und damit auch der Fernsehprogrammhandel zwar grundsätzlich dem Anwendungsbereich des GATS unterfallen, dessen Anwendung auf die in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Quotenregelungen für Fernsehprogramme aber vorerst ausgeschlossen ist, da diese insoweit keine spezifischen Verpflichtungen übernommen und eine entsprechende Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung angemeldet hat. Eine dieses Ergebnis in der Praxis obsolet machende parallele Anwendung des GATT-1994 müsse daher ausscheiden.124 Die dieser Ansicht zugrundeliegende Annahme einer zwischen den Verhandlungsparteien bestehenden Einigkeit über die zukünftig exklusive Anwendbarkeit des Dienstleistungsabkommens GATS auf die umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme erweist sich bei näherer Analyse der Verhandlungsgeschichte der Uruguay-Runde jedoch als nicht überzeugend. Zwar haben sich die USA mit Gründung der Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen darauf eingelassen, diese Problematik institutionell im Rahmen der Verhandlungen über die Liberalisierung des Dienstleistungshandels zu behandeln. Daraus kann aber nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass sie ihren zuvor geltend gemachten Standpunkt der Unvereinbarkeit der Quotenregelungen für Fernsehprogramme mit Art. III:4 GATT-1947 aufgegeben hätten. Vielmehr dürfte es aus Sicht der USA vor dem Hintergrund der umstrittenen Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens darum gegangen sein, auch im Rahmen des neu zu schaffenden Dienstleistungsabkommens ein möglichst hohes Liberalisierungsniveau im Bereich der audiovisuellen Medien durchzusetzen.125 Auch die von der Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen konkret geführten Verhandlungen sprechen dafür, dass trotz der institutionellen Zuordnung zu den Verhandlungen über eine Liberalisierung des Dienstleistungshandels die Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens zwischen den Verhand123 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik, 1998, S. 246 f. 124 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik, 1998, S. 250 ff.; de Witte, Trade in Culture, in: De Burca / Scott, The EU and the WTO, 2001, 237, 246; vgl. auch: Seelmann-Eggebert, Internationaler Rundfunkhandel, 1998, S. 117 ff. 125 Vgl. dazu: Shao, 20 Yale Journal of International Law 1995, 105, 114.
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
lungspartnern weiterhin umstritten war. So wiesen in der Sitzung der Arbeitsgruppe vom 27. und 28. August 1990 die Vertreter von Ungarn, Schweden und der Schweiz ausdrücklich darauf hin, dass der Handel mit audiovisuellen Produkten nicht ausschließlich den Dienstleistungshandel betreffe, sondern teilweise auch den klassischen Warenhandel und es daher mögliche Überschneidungen des Warenhandelsabkommens mit einem zukünftigen Dienstleistungsabkommen gebe.126 Und in der im Auftrag der Arbeitsgruppe vom GATT-Sekretariat erarbeiteten Background Note vom 4. Oktober finden sich zahlreiche Bezugnahmen auf Art. III:10, IV des damaligen GATT-1947 als für die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien weiterhin bedeutsame Regelungen.127 Schließlich wird die Frage nach der Klassifikation des Fernsehprogrammhandels als Waren- oder Dienstleistungshandel in einer Fußnote dieser Background Note ausdrücklich als ungeklärt bezeichnet.128 Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass zu dieser insbesondere zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den USA umstrittenen Frage im Rahmen der Verhandlungen der Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen eine Einigung erzielt werden konnte. Denn wie dargestellt (siehe oben B.IV.2.b)), war im Rahmen der Uruguay-Runde eine konstruktive Einigung über die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien nicht möglich. Vielmehr endete die Arbeit der Arbeitsgruppe mit einem faktischen Verhandlungsabbruch, der nach außen als Agreement to Disagree bezeichnet wurde. Damit lassen sich der Verhandlungsgeschichte der Uruguay-Runde keine hinreichenden Anhaltspunkte für einen übereinstimmenden Willen der WTO-Mitglieder entnehmen, dass auf die umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme oder sogar darüber hinausgehend auf den Bereich der audiovisuellen Medien insgesamt zukünftig allein die Vorschriften des Dienstleistungsabkommens GATS Anwendung finden sollen. Daher ist davon auszugehen, dass auf den Bereich der audiovisuellen Medien einschließlich der umstrittenen Quotenregelungen für Fernsehprogramme auch nach Abschluss des Dienstleistungsabkommens GATS das Warenhandelsabkommen GATT-1994 parallel anwendbar geblieben ist.129 Die da126 GATT, Working Group on Audiovisual Services, Note by the Secretariat, MTN.GNS / AUD / 1, vom 27. September 1990, Rn. 7, 18 f. 127 GATT, Working Group on Audiovisual Services, Matters Relating to Trade in Audiovisual Services. Note by the Secretariat, MTN.GNS / AUD / W / 1, vom 4. Oktober 1990, Rn. 3 ff. 128 GATT, Working Group on Audiovisual Services, Matters Relating to Trade in Audiovisual Services. Note by the Secretariat, MTN.GNS / AUD / W / 1, vom 4. Oktober 1990, Rn. 20 Fn. 8. 129 So auch: Hahn, 9 Journal of International Economic Law 2006, 515, 525 ff.; Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 181; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 69; Goodenough, 15 Arizona Journal of International and Comparative Law 1998, 203, 218 f.; Kim, 26 Korean Journal of International and Comparative Law 1998, 199, 221.
III. Zusammenfassung
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bei auftretenden widersprüchlich erscheinenden Ergebnisse sind als Konsequenz der mangelnden Einigkeit der WTO-Mitglieder über die Behandlung der audiovisuellen Medien bei derzeitigem Stand des Welthandelsrechts hinzunehmen.
III. Zusammenfassung Die vorstehende Untersuchung hat gezeigt, dass ausgehend von der bisherigen Spruchpraxis der WTO-Streitentscheidungsorgane davon auszugehen ist, dass die in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Spielzeitkontingente für Kinofilme in einigen Aspekten und die Quotenregelungen für Fernsehprogramme insgesamt welthandelsrechtlich unzulässig sind. Hinsichtlich der französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme ergibt sich zunächst die Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens GATT-1994 unmittelbar aus Art. III:10, IV GATT-1994, der ausdrücklich auf derartige Regelungen Bezug nimmt. Soweit sich die französischen und spanischen Spielzeitkontingente zunächst auf jeweils inländische oder sonst EG-mitgliedstaatliche Alleinproduktionen beziehen, können die damit verbundenen Abweichungen von den Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT-1994 sowie der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 grundsätzlich durch die Ausnahmeregelungen für Kinoquoten nach Art. III:10, IV GATT-1994 sowie für regionale Handelsabkommen nach Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden. Welthandelsrechtlich problematisch sind die Regelungen insoweit nur, als in Frankreich entgegen der Vorschrift des Art. IV(a) GATT-1994 bei der Berechnung der Spielzeitkontingente auf einen kürzeren Zeitraum als ein Jahr abgestellt wird und die spanische Regelung zu einer faktischen Besserstellung spanisch-sprachiger Filme aus Lateinamerika führt. Mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 grundsätzlich unvereinbar sind hingegen die im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente für die Behandlung von internationalen Koproduktionen maßgeblichen Bestimmungen. Denn diese führen dazu, dass in diese Spielzeitkontingente auch Filme einbezogen werden, die welthandelsrechtlich nicht als Filme aus einem EG-Mitgliedstaat angesehen werden können. Eine Rechtfertigung der damit verbundenen Abweichung vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. XXIV GATT-1994 scheidet daher aus. Aus einer parallelen Anwendung des Dienstleistungsabkommens GATS ergeben sich insoweit keine weitergehenden Einschränkungen. Eigenständige Bedeutung kommt den dienstleistungsrechtlichen Vorschriften aber bei der Beurteilung der Bestimmungen zu, die die Erteilung der im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente erforderlichen Herkunftszeugnisse von der regionalen Bindung bestimmter Atelier- und Postproduktionsarbeiten abhängig machen. Soweit die Erteilung der Herkunftszeugnisse jeweils von der weitgehenden Durchführung dieser Arbeiten im Inland abhängig gemacht
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E. Welthandelsrechtliche Beurteilung der Quotenregelungen in der EG
wird, ist dies mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS grundsätzlich unvereinbar. Da diese Vorschrift jedoch als spezifische Verpflichtung ausgestaltet ist und die Europäische Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Medien bisher keine solchen Verpflichtungen übernommen hat, ergeben sich insoweit gegenwärtig aus dem Welthandelsrecht keine Einschränkungen. Allerdings wird die für die Erteilung eines Herkunftszeugnisses erforderliche Bindung bestimmter Atelier- und Postproduktionsarbeiten beispielsweise in Deutschland auf eine Durchführung dieser Arbeiten in anderen EG-Mitgliedstaaten erweitert. Die darin liegende Abweichung vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS kann nicht nach Art. V GATS gerechtfertigt werden, da eine solche Gleichstellung der Atelier- und Postproduktionsunternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten gemeinschaftsrechtlich nicht gefordert ist. Auch hat die Europäische Gemeinschaft keine entsprechende Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS angemeldet. Die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der aufgrund Art. 4 der Fernsehrichtlinie in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Quotenregelungen für Fernsehprogramme ist von der Abgrenzung der Anwendungsbereiche des Warenhandelsabkommens GATT-1994 und des Dienstleistungsabkommens GATS im Bereich der audiovisuellen Medien abhängig. Bei Anwendung des Warenhandelsabkommens sind die Quotenregelungen für Fernsehprogramme bereits wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT-1994 insgesamt unzulässig. Eine entsprechende Anwendung der Ausnahmeregelung des Art. III:10, IV GATT-1994 ist nicht möglich. Der weiteren Prüfung der Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 kommt daneben eine eigenständige Bedeutung nicht mehr zu. Bei Anwendung des Dienstleistungsabkommens GATS ergeben sich hinsichtlich der bestehenden Qotenregelungen für Fernsehprogramme hingegen bei dem gegenwärtigen Stand der Liberalisierung des Dienstleistungshandels keine Einschränkungen. Die Europäischen Gemeinschaften haben im Bereich der audiovisuellen Medien bisher keine spezifischen Verpflichtungen übernommen, so dass der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS auf die Quotenregelungen für Fernsehprogramme nicht anwendbar ist. Und auch die mit der Erstreckung auf Produktionen aus anderen (europäischen) Ländern und bestimmte internationale Koproduktionen verbundenen Abweichungen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS führen nicht zu einer welthandelsrechtlichen Unzulässigkeit der jeweiligen Quotenregelungen. Innerhalb der Europäischen Gemeinschaft ist insoweit die Ausnahmeregelung des Art. V GATS für regionale Dienstleistungsabkommen anwendbar. Im Übrigen hat die Europäische Gemeinschaft entsprechende Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS angemeldet. Nach eingehender Auseinandersetzung mit Systematik und Entstehungsgeschichte der welthandelsrechtlichen Vorschriften sowie der Vertragspraxis der WTO-Mitglieder ist auf Grundlage der Spruchpraxis des Appellate Body zu einer
III. Zusammenfassung
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gegebenenfalls parallelen Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens GATT1994 und des Dienstleistungsabkommens GATS allerdings davon auszugehen, dass diese Abkommen auf die in den europäischen Ländern bestehenden Quotenregelungen für Fernsehprogramme nebeneinander anzuwenden sind. Damit sind diese Regelungen wegen Verstoßes gegen den warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT-1994 insgesamt welthandelsrechtlich unzulässig.
F. Die welthandelsrechtliche Beurteilung der Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der Europäischen Gemeinschaft Nachfolgend wird die Bedeutung des Welthandelsrechts für die Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der Europäischen Gemeinschaft untersucht. Dabei sind zwei Aspekte dieser Regelungen zu unterscheiden. Zunächst stellt sich die Frage nach der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit der finanziellen Förderung von Produktion und Vertrieb bestimmter Film- und Fernsehproduktionen (dazu I.). Davon zu unterscheiden sind die der Territorialisierung der Fördermittel dienenden Vorschriften, wonach bestimmte Produktionsarbeiten regional gebunden durchzuführen beziehungsweise ein bestimmter Anteil des Produktionsbudgets regional gebunden auszugeben ist (dazu II.). Im Rahmen der Untersuchung der Quotenregelungen für Fernsehprogramme wurde herausgearbeitet, dass der internationale Handel mit Kinofilmen oder Fernsehprogrammen aus welthandelsrechtlicher Sicht Elemente sowohl des Waren- als auch des Dienstleistungshandels aufweist, und damit die den Warenhandel betreffenden Vorschriften des GATT-1994 und die den Dienstleistungshandel betreffenden Vorschriften des GATS grundsätzlich nebeneinander anwendbar sind. Die neben dem Dienstleistungsabkommen GATS weiter bestehende Anwendbarkeit des GATT-1994 wurde dabei entscheidend auf die Regelung des Art. III:10, IV GATT-1994 und die strukturelle Gleichartigkeit des internationalen Fernsehprogramm- und des internationalen Filmhandels gestützt (siehe oben E.II.3.). Wenn damit die warenhandels- und dienstleistungsrechtlichen Vorschriften auf die Quotenregelungen für Kinofilme und Fernsehprogramme grundsätzlich parallel anwendbar sind, muss dies entsprechend auch für andere den Handel mit Kinofilmen oder Fernsehprogrammen betreffende Maßnahmen gelten. Dementsprechend ist auch bei der welthandelsrechtlichen Beurteilung der Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der Europäischen Gemeinschaft grundsätzlich von der parallelen Anwendbarkeit der warenhandelsrechtlichen Vorschriften des GATT1994 und der weiteren Abkommen des Anhang 1A sowie der dienstleistungsrechtlichen Vorschriften des GATS auszugehen.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb bestimmter Film- und Fernsehproduktionen Nachfolgend wird die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung zunächst insofern untersucht, als diese direkt oder durch Steuervergünstigungen finanzielle Mittel für die Produktion oder den Vertrieb bestimmter Film- und Fernsehproduktionen zur Verfügung stellen. Dabei werden zunächst die warenhandelsrechtlichen Vorschriften des Subventionsabkommens SCM (dazu 1.) sowie des GATT-1994 (dazu 2.) und anschließend die dienstleistungsrechtlichen Vorschriften des GATS (dazu 3.) in den Blick genommen.
1. Die Vereinbarkeit mit dem warenhandelsrechtlichen Subventionsabkommen SCM a) Die Anwendbarkeit des SCM auf die Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung Das Subventionsabkommen SCM ist dem WTO-Übereinkommen als Teil des Anhang 1A – Multilaterale Übereinkommen zum Warenhandel – beigefügt. Damit gelten seine Regelungen ausschließlich für den Handel mit Waren, nicht aber für den Handel mit Dienstleistungen. Bei der Unterscheidung, ob eine Maßnahme den Handel mit Waren oder den Handel mit Dienstleistungen betrifft, ist auf die Person des Subventionsempfängers abzustellen. Soweit es sich um einen Anbieter von Waren handelt, betrifft die Subvention den Warenhandel und ist das SCM somit anwendbar; unanwendbar ist das SCM hingegen, soweit der Begünstigte Dienstleistungen anbietet1 (siehe oben C.I.3.b)bb)). Da der grenzüberschreitende Film- und Programmhandel in der Regel in Form der Übergabe eines physischen Programmträgers abgewickelt wird, sind Kinofilme und Fernsehprogramme welthandelsrechtlich (auch) als Waren anzusehen. Daher besteht weitgehende Einigkeit, dass das Subventionsabkommen SCM auf die Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung, die sich unmittelbar auf die Herstellung dieser Produkte beziehen, anwendbar ist.2 Anderer Auffassung sind lediglich die Autoren, die eine Anwendung der warenhandelsrechtlichen Vorschriften auf den Bereich der audiovisuellen Medien – zu Unrecht – insgesamt ablehnen.3 1 Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 162. 2 Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 754; Oeter, AfP 2005, 6, 10; Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 182 f.; Hahn, ZaöRV 1996, 315, 337; Herold, iris-plus (6)2003, 2, 5. 3 Seelmann-Eggebert, Internationaler Rundfunkhandel, 1998, S. 237 f.; Vogel, Die Liberalisierung des Handels mit audiovisuellen Dienstleistungen, 2004, S. 127; Baumann, Die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet der audiovisuellen Medien, 1998, S. 70 ff.; wohl auch:
204
F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
Umstritten ist hingegen die Anwendbarkeit des SCM auf Maßnahmen zur Förderung des Vertriebs von Kinofilmen. In der vom GATT-Sekretariat während der Uruguay-Runde entwickelten Services Sectoral Classification List, die von den WTO-Mitgliedern bei der Formulierung ihrer spezifischen Verpflichtungen weitgehend zugrundegelegt wurde (siehe oben C.II.3.b)), erfasst den Vertrieb von Kinofilmen unter dem Gliederungspunkt 2.D.a. („motion picture and video tape production and distribution services“) als einen Unterfall der audiovisuellen Dienstleistungen. Bei isolierter Betrachtung stellt sich die Vertriebsleistung der Verleihunternehmen dementsprechend als Dienstleistung dar. Subventionsempfänger ist in diesen Fällen also nicht der Produzent des Kinofilms als Ware, sondern der Anbieter der Vertriebsdienstleistung. Dem entsprechend wird vielfach angenommen, dass das Subventionsabkommen SCM auf die Maßnahmen der Vertriebsförderung nicht angewendet werden kann.4 Dabei wird jedoch übersehen, dass nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body auf Maßnahmen die zwar unmittelbar die Erbringung einer Dientsleistung regeln, mittelbar aber auch Auswirkungen auf den Handel mit Waren haben, die dienstleistungs- und warenhandelsrechtlichen Vorschriften nebeneinander anwendbar sein können (siehe oben C.III.). Für vertriebsbezogene Maßnahmen ergibt sich eine parallele Anwendbarkeit zumindest des warenhandelsrechtlichen Grundsatzes der Nichtdiskriminierung darüber hinaus unmittelbar aus Art. III:4 GATT-1994, der sich ausdrücklich auch auf innerstaatliche Regelungen betreffend das Angebot oder die Verteilung von Waren bezieht. Dies spricht dafür, auch die Regelungen des SCM auf die Maßnahmen zur Förderung des Vertriebs der welthandelsrechtlich als Waren zu qualifizierenden Kinofilme anzuwenden.5 Gestützt wird dieses Verständnis dadurch, dass die Anwendung des SCM auch in weiteren Fällen nicht notwendig voraussetzt, dass die Subvention unmittelbar dem Produzenten der Ware zugute kommt. Vielmehr ist das SCM auch anwendbar, wenn durch die Subvention ein bloßes Handelsunternehmen begünstigt wird. Dies ergibt sich aus der Regelung des Art. VI:3 GATT-1994, die über Art. 10 S. 1 SCM anwendbar bleibt. Danach wird als Höchstbetrag eines Ausgleichszolls der Betrag der Subvention festgesetzt, der im Ursprungs- oder Ausfuhrland mittelbar oder unmittelbar für die Herstellung, Gewinnung oder Ausfuhr dieser Ware gewährt wird. Da die in einem vom Ursprungsland einer Ware verschiedenen Ausfuhrland gewährten Subventionen regelmäßig nicht dem im Ursprungsland ansässigen Produzenten der Ware, sondern einem im Ausfuhrland ansässigen HandelsunternehSandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 250 ff.; König, ZUM 2002, 271, 276, 280. 4 Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 754; Sander, „Cultural Exception“ in der WTO, in: Dittmann / Fechner / Sander, Der Rundfunkbegriff im Wandel der Medien, 1997, 177, 183 f.; Hahn, ZaöRV 1996, 315, 338. 5 Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 171; zum GATT-1947 ebenso: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 201.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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men gewährt werden, geht diese Vorschrift davon aus, dass auch an Handelsunternehmen gezahlte Subventionen vom Anwendungsbereich der subventionsrechtlichen Regelungen im Bereich des Warenhandels erfasst werden.6 Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck des SCM. Preissenkende und damit wettbewerbsverzerrende Wirkungen entfaltet die Subventionierung des Handels mit einer Ware unabhängig davon, ob sie dem Produzenten der Ware oder aber einem Handelsunternehmen gewährt wird. Als Handelsunternehmen in diesem Sinne können auch Verleihunternehmen für Kinofilme angesehen werden. Daher wird hier davon ausgegangen, dass die Regelungen des SCM auch auf die Maßnahmen zur Förderung des Vertriebs von Kinofilmen anzuwenden sind. Allerdings wird im Rahmen der Doha-Runde, wie gezeigt (siehe oben B.IV.2.c)), über die Entwicklung eines speziell für den Bereich der audiovisuellen Medien geltenden Subventionsabkommens diskutiert. Sollte ein solches Abkommen tatsächlich abgeschlossen werden, wäre davon auszugehen, dass es als speziellere Regelung die Anwendung des SCM auf die Förderung der audiovisuellen Medien ausschließt. b) Der Subventionsbegriff des Art. 1.1 SCM Wie dargelegt (siehe oben C.I.3.b)cc)(1)), liegt dem SCM ein zweigliedriger Subventionsbegriff zugrunde, der voraussetzt, dass durch die finanzielle Beihilfe einer Regierung (dazu aa)) dem Begünstigten ein Vorteil gewährt wird (dazu bb)). aa) Finanzielle Beihilfe einer Regierung nach Art. 1.1(a) SCM Nach Art. 1.1(a) SCM setzt der welthandelsrechtliche Subventionsbegriff zunächst das Vorliegen einer finanziellen Beihilfe einer Regierung voraus. Dabei sieht die Vorschrift nähere Regelungen vor, unter welchen Umständen eine Maßnahme als finanzielle Beihilfe anzusehen – vgl. dazu Art. 1.1(a)(1)(i)-(iii) SCM – und unter welchen Umständen wiederum eine solche finanzielle Beihilfe einer Regierung zuzurechnen ist – vgl. dazu Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM – (siehe dazu im Einzelnen oben C.I.3.b)cc)(1)(2)). Die Qualifikation der europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung als finanzielle Beihilfen bereitet zunächst keine Probleme. Soweit die Fördermittel für Produktion und Vertrieb von Kinofilmen und Fernsehprogrammen als nicht rückzahlbare Zuschüsse oder bedingt rückzahlbare Darlehen vergeben werden (siehe oben D.II.1.), handelt es sich um einen direkten Transfer von Geldern im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(i) SCM. Dies gilt in gleicher Weise für die auf europäischer Ebene im Rahmen der Programme MEDIA 2007 und Eurimages ver6 Ähnlich: Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 163.
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
gebenen Fördermittel. Soweit einige EG-Staaten darüber hinaus entsprechend dem französischen SOFICA-Modell steuerliche Anreize für die Investition in die Filmoder Fernsehproduktion vorsehen (siehe oben D.II.1), ist Art. 1.1(a)(1)(ii) SCM anwendbar. Durch die Gewährung von Steuervorteilen für Investitionen in die Filmproduktion verzichten die Staaten auf Steuereinnahmen, die sie bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze des Steuerrechts erzielen würden. Einer eingehenderen Betrachtung bedarf hingegen die Frage, ob und inwieweit diese finanziellen Beihilfen zur Film- und Fernsehförderung nach Art. 1.1(a)(1) SCM den Regierungen der EG-Mitgliedstaaten zugerechnet werden können. Wie dargestellt, stellt Art. 1.1(a)(1) SCM zunächst klar, dass auch finanzielle Beihilfen, die von staatlichen Stellen unterhalb der zentralstaatlichen Ebene oder sonst öffentlichen Stellen gewährt werden, vom Subventionsbegriff des SCM erfasst sind. Um eine Umgehung der Regelungen des Art. 1.1(a)(1)(i)-(iii) SCM zu verhindern, sieht Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM darüber hinaus vor, dass eine finanzielle Beihilfe einer Regierung auch vorliegt, wenn diese Zahlungen an einen Fördermechanismus leistet oder die Fördermaßnahmen von einer privaten Einrichtung durchführen lässt. Zusammenfassend setzt die Zurechnung einer finanziellen Beihilfe damit eine Vermögensverschiebung voraus, an der zumindest mittelbar eine Regierung oder eine sonst öffentliche Stelle beteiligt ist (siehe oben C.I.3.b)cc)(1)). Unproblematisch ist die Zurechnung zunächst bei den unmittelbar auf Gesetz beruhenden indirekten Fördermaßnahmen in Form der Gewährung von Steuervorteilen für die Film- und Fernsehproduktion, wie sie beispielsweise das französische SOFICA-Modell vorsieht. Soweit die direkten Fördermittel aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert und unmittelbar durch behördliche Stellen ausgezahlt werden, wie dies etwa bei dem neu eingerichteten Deutschen Filmförderfonds des Bundesbeauftragen für Kultur und Medien sowie bei den Fördersystemen einiger deutscher Bundesländer der Fall ist (siehe oben D.II.1.), bereitet die staatliche Zurechnung ebenfalls keine Probleme. In diesen Fällen werden die finanziellen Beihilfen zur Förderung der Film- und Fernsehbranche unmittelbar und direkt durch staatliche Stellen im Sinne des Art. 1.1(a)(1) SCM gewährt. Bei weiten Teilen der Fördermaßnahmen gestaltet sich die Beurteilung der staatlichen Zurechenbarkeit hingegen aus Gründen, die auch im Rahmen des gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriffs nach Art. 87 Abs. 1 EGV diskutiert werden, schwieriger. Dies betrifft die weitgehend staatsferne Ausgestaltung der nationalen und regionalen Filmfördereinrichtungen (dazu (1)) sowie die Finanzierung über Sonderabgaben der Film- und Fernsehindustrie (dazu (2)) und freiwillige Beiträge der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter (dazu (3)). Abschließend wird auf die Besonderheiten bei den Förderprogrammen auf europäischer Ebene eingegangen (dazu (4)).
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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(1) Die staatsferne Ausgestaltung der Filmförderung Die Vergabe der direkten Fördermittel erfolgt in den EG-Mitgliedstaaten, wie dargestellt (siehe oben D.II.1.), überwiegend nicht unmittelbar durch staatliche Regierungsstellen. Vielmehr ist die institutionelle und organisatorische Ausgestaltung der Fördereinrichtungen vielfach auf eine gewisse Staatsferne ausgerichtet. So wird in Deutschland die Unterstützung der Filmwirtschaft auf Länderebene überwiegend durch privatrechtlich verfasste Gesellschaften oder Vereine realisiert, an denen neben dem betreffenden Bundesland regelmäßig auch öffentlich-rechtliche und private Fernsehsender beteiligt sind; die FFA hingegen ist als öffentlich-rechtliche Anstalt errichtet. Hinzu kommt, dass die Entscheidung über die Mittelvergabe – soweit diese nicht im Rahmen der automatischen Referenzförderung unmittelbar gesetzlich vorgegeben ist – in der Regel durch unabhängige Expertengremien unter Einbeziehung von Vertretern der Film- und Fernsehbranche erfolgt (siehe oben D.II.1.).7 Aus Sicht des europäischen Gemeinschaftsrechts erscheint eine Qualifizierung der nationalen und regionalen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung als staatliche Beihilfen im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV aufgrund dieser staatsfernen Ausgestaltung der Fördermechanismen nicht unproblematisch. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH ist für die Zurechnung einer nicht unmittelbar durch staatliche Stellen durchgeführten Maßnahme zumindest das Bestehen hinreichender Kontroll- und Einflussnahmemöglichkeiten von Seiten des Staates erforderlich.8 Insbesondere in der Rechtssache Stardust Marine hat der EuGH insoweit strenge Anforderungen gestellt und es nicht als ausreichend angesehen, wenn eine Fördermaßnahme durch ein unter staatlicher Kontrolle stehendes Kreditinstitut erfolgt. Vielmehr müsse weiter geprüft werden, ob die Behörden auch am Erlass der konkreten Maßnahme tatsächlich beteiligt gewesen sind.9 Unter Berufung auf diese Entscheidung wird teilweise vertreten, dass zumindest die Projektförderung nach dem FFG nicht mehr als staatliche Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV anzusehen sei.10 Die Kommission ist demgegenüber unabhängig von der privatrechtlichen Verfasstheit der Fördereinrichtungen und der staatsfernen Ausgestaltung der Förderentscheidung stets von einer ausreichenden staatlichen Kontrolle ausgegangen.11 Angesichts der Ausrichtung der Fördermaßnahmen auf von staatlicher Seite gesetzte Gemeinwohlziele wie die Förderung der Filmkultur und die Entwicklung 7 Vgl. dazu: Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 93 f. 8 Vgl. EuGH, verb. Rs. 67, 68 u. 70 / 85 – Van der Kooy – Slg. 1988, 219, Rn. 28; Rs. 305 / 89 – Italien / Kommission – Slg. 1991, I-1603, Rn. 13 ff. 9 EuGH, Rs. C-482 / 99 – Stardust Marine – Slg. 2002, I-4397, Rn. 52. 10 Castendyk / Bark, ZUM 2003, 480, 486. 11 Vgl. etwa: Europäische Kommission, Entscheidung vom 19. März 2003, N 44 / 2003 (Filmstiftung NRW) Rn. 9; Entscheidung vom 10. Dezember 2003, N 353 / 2003 (Northern Ireland Film Production Fund) Rn. 12; Entscheidung vom 16. Dezember 2003, N 513 / 2003 (österreichische Fernsehfilmförderung) Rn. 2, 9.
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
und Stärkung filmwirtschaftlicher Strukturen und der institutionellen Sicherung eines erheblichen staatlichen Einflusses auf die Förderpraxis durch die konkrete Ausgestaltung der Förderbedingungen (dazu oben D.II.1.) ist dem zuzustimmen.12 Im Übrigen lassen sich die in der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 87 Abs. 1 EGV entwickelten Anforderungen nicht ohne weiteres auf den welthandelsrechtlichen Subventionsbegriff übertragen. Der Praxis der WTO-Entscheidungsorgane lässt sich ein Erfordernis, wonach die staatliche Zurechenbarkeit einer Fördermaßnahme – ähnlich den vom EuGH in der Rechtssache Stardust Marine entwickelten Anforderungen – eine unmittelbare Einflussnahme staatlicher Stellen auf die konkrete Förderentscheidung voraussetzt, nicht entnehmen. Auszugehen ist damit zunächst vom Wortlaut des Art. 1.1(a)(1) SCM. Danach kommt es entscheidend darauf an, ob die nationalen und regionalen Fördereinrichtungen als „öffentliche Körperschaften“ im Sinne des Art. 1.1(a)(1) SCM oder als mit den Förderaufgaben von staatlicher Seite betraute „private Einrichtung“ im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM anzusehen sind. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass die deutsche Übersetzung mit dem Abstellen auf „öffentliche Körperschaften“ missverständlich ist. Im englischen Originaltext werden allgemeiner „public bodies“ und „private bodies“ gegenübergestellt. Als „private bodies“, deren Handeln der Regierung nur unter den Voraussetzungen des Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM zurechenbar ist, sind zunächst diejenigen nationalen und regionalen Fördereinrichtungen anzusehen, die – wie überwiegend in den deutschen Bundesländern – privatrechtlich organisiert sind. Soweit die Fördereinrichtungen hingegen wie die FFA in Form öffentlich-rechtlicher Anstalten oder sonst öffentlich-rechtlich verfasst sind, könnte man diese als „public bodies“ auffassen, deren Fördermaßnahmen nach Art. 1.1(a)(1) SCM unmittelbar der Regierung des betreffenden Staates zugerechnet werden. Dabei würde allerdings übersehen, dass nach der deutschen Rechtstradition als öffentlich-rechtliche Anstalten verfasste Institutionen nicht notwendiger Weise rein hoheitliche Aufgaben wahrnehmen und dem Staat wie beispielsweise die Universitäten oder die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten teilweise auch als Grundrechtsträger gegenüberstehen.13 In der deutschen Verwaltungsrechtsdogmatik wird insoweit der Begriff der „mittelbaren Staatsverwaltung“ verwendet. Dem entsprechend unterscheidet der EuGH im Rahmen des europäischen Beihilferechts danach, ob die Beihilfe unmittelbar vom Staat oder mittelbar durch eine vom Staat benannte oder errichtete öffentliche oder private Einrichtung gewährt wird.14 Maßnahmen nicht-staatlicher öffentlicher Stellen werden auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene also nicht als unGeier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 97 f. Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht, Band 1, 1999, § 34 Rn. 13 ff.; allgemein zum Anstaltsbegriff: Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, 2006, Rn. 94 ff. 14 So schon: EuGH, Rs. 78 / 76 – Steinike u. Weinling – Slg. 1977, 595, Rn. 21; zuletzt: Rs. C-428 / 99 – Stardust Marine – Slg. 2002, I-4397, Rn. 23; Rs. C-345 / 02 – Pearle – Slg. 2004, I-7139, Rn. 34. 12 13
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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mittelbar staatliche Maßnahmen aufgefasst, sondern nach den gleichen Grundsätzen behandelt wie Maßnahmen privater Einrichtungen. Eine solche Differenzierung erscheint auch auf welthandelsrechtlicher Ebene geboten. Anderenfalls wäre eine angemessene Beurteilung der Tätigkeiten öffentlich-rechtlicher Anstalten nach deutschem Recht nicht möglich. Damit ist davon auszugehen, dass die FFA trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform bei der Beurteilung der staatlichen Zurechnung der Fördermaßnahmen wie eine private Einrichtung nach Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM zu behandeln ist. Für die Zurechnung der Fördermaßnahmen nicht unmittelbar staatlicher Fördereinrichtungen insgesamt kommt es damit nach Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM entscheidend darauf an, ob die Einrichtung von staatlicher Seite mit der Wahrnehmung normalerweise der Regierung obliegender Förderaufgaben betraut oder dazu angewiesen wurde und die Art der Förderung einer unmittelbar staatlichen Förderung entspricht. In Deutschland sind die Fördermaßnahmen sowohl der FFA als auch der Landesfördergesellschaften auf von staatlicher Seite gesetzte Gemeinwohlziele wie die Förderung der Filmkultur und die Entwicklung und Stärkung filmwirtschaftlicher Strukturen ausgerichtet. Darüber hinaus wird die konkrete Förderpraxis durch die gesetzlichen Regelungen des FFG beziehungsweise die in den Richtlinien der verschiedenen Landesfördergesellschaften definierten Förderbedingungen, auf deren Ausgestaltung die Länder als jeweilige Mehrheitsgesellschafter einen entscheidenden Einfluss haben, weitgehend vorstrukturiert (dazu oben D.II.1.). Trotz der staatsfernen Ausgestaltung der konkreten Förderentscheidungen ist damit ein staatlicher Einfluss auf die Förderpraxis institutionell gesichert. Daher ist davon auszugehen, dass die Fördermaßnahmen der nationalen und regionalen Fördereinrichtungen in Deutschland, auch soweit sie in der geschilderten Art und Weise staatsfern ausgestaltet sind, über Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM dem Staat grundsätzlich zuzurechnen sind. Entsprechendes dürfte für die Fördermechanismen in den übrigen EG-Mitgliedstaaten gelten. Weiter zu prüfen ist aber, ob dies auch gilt, soweit die Fördereinrichtungen nicht aus allgemeinen Haushaltsmitteln, sondern über Sonderabgaben der Film- und Fernsehindustrie und freiwillige Beiträge der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter finanziert werden. (2) Die Finanzierung durch Sonderabgaben der Film- und Fernsehindustrie In vielen EG-Staaten werden die Fördermaßnahmen für die Film- und Fernsehindustrie überwiegend nicht aus allgemeinen Haushaltsmitteln, sondern durch Sonderabgaben der Film- und Fernsehindustrie finanziert. So bestehen etwa die Mittel der deutschen FFA zu weiten Teilen aus der nach §§ 66 ff. FFG von Filmtheatern und Videoprogrammanbietern zu leistenden Filmabgabe. Diese Mittel fließen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt, sondern sind direkt der FFA zugewiesen, die damit die Fördermaßnahmen finanziert (siehe oben D.II.1.).
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
In der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 87 Abs. 1 EGV ist grundsätzlich anerkannt, dass gesetzlich geregelte Zwangsabgaben oder Sondersteuern, die über eine dem Staat zurechenbare Einrichtung verteilt werden, als staatliche beziehungsweise aus staatlichen Mitteln finanzierte Beihilfen anzusehen sind.15 Dementsprechend hat die Kommission die Fördermaßnahmen nach FFG aufgrund des zwingenden Charakters der Filmabgaben als staatliche Beihilfen qualifiziert.16 Entsprechendes muss auch im Rahmen des welthandelsrechtlichen Subventionsbegriffs gelten. Soweit eine Sonderabgabe unmittelbar einer vom allgemeinen Staatshaushalt getrennten Einrichtung zur weiteren Verwendung zugewiesen wird, ist die staatliche Zurechenbarkeit dieser Mittel nach dem Rechtsverhältnis dieser Einrichtung zu den staatlichen Institutionen zu beurteilen. Sind Höhe und Bemessungsgrundlage der Sonderabgabe sowie die Grundsätze der Mittelverwendung wie im Falle der FFA durch das FFG gesetzlich vorgegeben, handelt die Einrichtung bei der Mittelvergabe als angewiesene private Einrichtung nach Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM.17 Für den welthandelsrechtlichen Subventionsbegriff des Art. 1.1 SCM haben die WTO-Streitentscheidungsorgane des Weiteren klargestellt, dass dieser das Entstehen von Netto-Kosten für den Staatshaushalt nicht voraussetzt18 (siehe oben C.I.3.b)cc) (2)(a)). Dass die Finanzierung der Filmförderung über Sonderabgaben der Film- und Fernsehwirtschaft die allgemeinen Haushaltsmittel des Staates unberührt lässt, kann der Qualifikation als finanzielle Beihilfe einer Regierung im Sinne des Art. 1.1(a)(1) SCM daher nicht entgegengehalten werden. Allerdings wird auf Ebene des europäischen Gemeinschaftsrechts unter Berufung auf die PreussenElektra-Entscheidung des EuGH teilweise argumentiert, dass die durch Sonderabgaben der Film- und Videowirtschaft finanzierten Fördermaßnahmen nicht als staatliche Beihilfen angesehen werden könnten, da sowohl die Herkunft als auch die Verteilung der Gelder getrennt von staatlichen Haushalten erfolge und der Staat an diesen Vorgängen daher finanziell nicht beteiligt sei.19 Diese Ansicht überzeugt nicht. In der in Bezug genommenen Entscheidung hat der EuGH die beihilferechtliche Qualität einer gesetzlichen Verpflichtung privater Elektrizitätsversorgungsunternehmen zur Abnahme von Strom aus erneuerbaren Energiequellen zu festgelegten Mindestpreisen mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um eine reine Vermögensverschiebung zwischen Privaten handele, an 15 So schon: EuGH, Rs. 47 / 69 – Frankreich / Kommission – Slg. 1970, 487; Rs. 173 / 73 – Italien / Kommission – Slg. 1974, 709, Rn. 33, 35; zuletzt: verb. Rs. C-261 u. 262 / 01 – Van Calster – Slg. 2003, I-12249. 16 Europäische Kommission, Entscheidung vom 14. Juni 1999, N 4 / 98 (FFG), Abschnitt 2.1. 17 Vgl.: Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 186 f. 18 WTO Panel, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / R, vom 14. April 1999, Rn. 9.111 ff.; WTO Appellate Body, Canada Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / R, vom 2. August 1999, Rn. 149 ff. 19 Schaefer / Kreile / Gerlach, ZUM 2002, 182, 186 ff.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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der staatliche Stellen nicht beteiligt seien.20 Diese Rechtsprechung kann auf die Konstellation der Finanzierung der Film- und Fernsehförderung durch die Sonderabgaben der Film- und Fernsehwirtschaft nicht übertragen werden. Denn diese Mittel fließen nicht unmittelbar von den abgabepflichtigen Unternehmen an die begünstigten Film- und Fernsehproduzenten, sondern werden über eine – wie oben dargelegt dem Staat zurechenbare – Einrichtung verteilt.21 (3) Die Finanzierung durch freiwillige Beiträge der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter Des Weiteren ist zu prüfen, ob die Fördermaßnahmen der nationalen und regionalen Fördereinrichtungen auch insoweit den jeweiligen Regierungen zugerechnet werden können, als sie – wie teilweise in Deutschland – über freiwillige Beiträge der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter finanziert werden. Eine gesetzlich verbindliche Filmabgabe ist in Deutschland nur für die Kinobetreiber und die Videowirtschaft vorgesehen. Die FFA-Beiträge der öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter werden hingegen nach § 67 FFG auf der Grundlage mit der FFA zu schließender privatrechtlicher Verträge erbracht. Zusätzlich stellen öffentlich-rechtliche und private Fernsehveranstalter in vielen Bundesländern über Beteiligungen an den Landesfördereinrichtungen weitere Beträge für die Filmförderung zur Verfügung, ohne dass insoweit eine unmittelbar gesetzliche Verpflichtung besteht (siehe oben D.II.1.). Im Rahmen der Diskussion über den gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriff des Art. 87 Abs. 1 EGV wird die staatliche Zurechenbarkeit der mit diesen Beiträgen der Fernsehveranstalter finanzierten Fördermaßnahmen teilweise abgelehnt. Dabei wird nicht entscheidend auf die Herkunft dieser Mittel, sondern vielmehr darauf abgestellt, inwieweit die Kontrolle über die Vergabe dieser Mittel tatsächlich bei den von staatlicher Seite eingesetzten Fördereinrichtungen liegt.22 Dies entspricht im Grundsatz der Rechtsprechung des EuGH, wonach Art. 87 Abs. 1 EGV alle Geldmittel erfasst, auf die die Behörden tatsächlich zur Unterstützung von Unternehmen zurückgreifen können, ohne dass es dafür eine Rolle spielt, ob diese Mittel auf Dauer zum Vermögen des Staates gehören.23 Die danach erforderliche Kontrolle der wie dargelegt dem Staat grundsätzlich zurechenbaren Fördereinrichtungen soll hinsichtlich der von den Fernsehsendern auf freiwilliger Basis zur Verfügung gestellten Mittel nicht gegeben sein. Dies wird zum einen damit begründet, dass die FFA beziehungsweise die jeweiligen LandesfördergesellschafEuGH, Rs. C-379 / 98 – Preussen-Elektra – Slg. 2001, I-2099. Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 100 f.; im Ergebnis auch: Castendyk / Bark, ZUM 2003, 480, 484. 22 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 110 f. 23 EuGH, Rs. C-482 / 99 – Stardust Marine – Slg. 2002, I-4397, Rn. 37; ebenso: Rs. C-83 / 98 P – Ladbroke Racing – Slg. 2000, I-3271, Rn. 50; EuG, Rs. T-358 / 94 – Air France – Slg. 1996, II-2109, Rn. 67. 20 21
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
ten auf diese Mittel anders als bei den verbindlichen Sonderabgaben der Kinobetreiber und Videowirtschaft nicht unmittelbar Kraft Gesetzes zugreifen können. Darüber hinaus seien die Fördereinrichtungen bei der Verwendung zur Berücksichtigung der Interessen der Fernsehsender an besondere Vorgaben gebunden.24 Insoweit ist zwar zutreffend, dass die Mittel der Fernsehunternehmen durch die FFA nach § 67b FFG zweckgebunden für die Projektförderung einzusetzen sind und nach den vertraglichen Vereinbarungen die Beiträge der öffentlich-rechtlichen Sender für Projekte eingesetzt werden müssen, an denen ein solcher Sender als Koproduzent oder durch Voraberwerb der Rechte beteiligt ist,25 und an der Entscheidung über die Vergabe der Beiträge der Privatsender ein Vertreter dieser Sender zu beteiligen ist.26 Vergleichbare Regelungen sind teilweise auch hinsichtlich der Verwendung der von den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstalter über die privaten Landesfördergesellschaften bereitgestellten Mittel vorgesehen (siehe oben D.II.1.). Diese Vorgaben ändern jedoch nichts daran, dass die Förderentscheidungen auch hinsichtlich der Verwendung der von den Fernsehsendern bereitgestellten Mittel nach § 1 Abs. 1 FFG beziehungsweise den jeweils anwendbaren Förderrichtlinien auf von staatlicher Seite definierte Gemeinwohlziele verpflichtet sind. Dass die staatsferne Ausgestaltung der Förderentscheidung durch unabhängige Vergabegremien der staatlichen Zurechenbarkeit nicht entgegensteht, wurde bereits ausgeführt (siehe oben (1)). Dies gilt auch, soweit bei der Vergabe der von den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstaltern bereit gestellten Mittel deren Interessen in besonderer Weise zu berücksichtigen sind. Dementsprechend hat auch die Kommission bei ihrer Qualifikation der Fördermaßnahmen der FFA und der verschiedenen Landesfördereinrichtungen eine Aussonderung der mit den freiwilligen Mitteln der Fernsehsender finanzierten Maßnahmen abgelehnt.27 Im Rahmen des welthandelsrechtlichen Subventionsbegriffs gilt im Ergebnis nichts anderes. Die Zurechnung der mit den freiwilligen Mitteln der Fernsehsender finanzierten Maßnahmen könnte nur abgelehnt werden, wenn die insoweit geltenden Vorgaben dazu führten, dass diese Fördermaßnahmen im Sinne des Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM Fördermaßnahmen, die normalerweise von den Regierungen ausgeübt werden, nicht mehr entsprechen. Davon kann aber nicht ausgegangen werden. Denn auch die Vergabe der von den Fernsehsendern bereitgestellten Mittel dient ungeachtet der geschilderten Formen der Mittelbindung der UmsetGeier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 110 f. § 7 Nr. 2 S. 2 des Abkommens der FFA mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, Download über die Website der FFA (www.ffa.de). 26 § 3 Nr. 3 S. 3 des Abkommens der FFA mit den privaten Fernsehveranstaltern, Download über die Website der FFA (www.ffa.de). 27 Europäische Kommission, Entscheidung vom 15. Oktober 2003, N 261 / 2003 (FFG) Rn. 13; Entscheidung vom 16. Juni 2004, N 181 / 2004 (MFG Baden-Württemberg) Rn. 12; Europäische Kommission, Entscheidung vom 19. März 2003, N 44 / 2003 (Filmstiftung NRW) Rn. 9. 24 25
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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zung der staatlich definierten Gemeinwohlziele der Förderung der Filmkultur und der Entwicklung filmwirtschaftlicher Strukturen. Dass bei der Vergabe der von den Fernsehveranstaltern bereitgestellten Mittel deren Interessen besonders zu berücksichtigen sind, schließt eine staatliche Zurechnung nicht aus. Damit ist davon auszugehen, dass auch die Fördermaßnahmen, die mit den von den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern für die FFA sowie die Landesfördereinrichtungen freiwillig bereitgestellten Mitteln finanziert werden, als finanzielle Beihilfen einer Regierung im Sinne des Art. 1.1(a)(1) SCM anzusehen sind. (4) Die Zurechenbarkeit der Förderprogramme auf europäischer Ebene Auch die im Rahmen der Förderprogramme auf europäischer Ebene vergebenen Mittel sind im Sinne des Art. 1.1(a)(1) SCM als finanzielle Beihilfen einer Regierung anzusehen. Zwar werden diese Mittel nicht unmittelbar durch öffentliche Stellen einzelner Mitgliedstaaten vergeben. Vielmehr erfolgt die Vergabe der Mittel im Rahmen des Programms MEDIA 2007 durch die Europäische Kommission (Art. 10 Abs. 1 Beschluss 1718 / 2006 / EG) und im Rahmen des Eurimages-Programms durch den Vorstand dieses auf Ebene des Europarates eingerichteten Förderfonds (Ziff. 2.2. Resolution (88) 15). Aufgrund der unmittelbaren WTO-Mitgliedschaft der Europäischen Gemeinschaft können die Fördermaßnahmen im Rahmen des Programms MEDIA 2007 aber unmittelbar der „Regierung“ der Europäischen Gemeinschaft zugerechnet werden. Eine Zurechnung zu den Regierungen der einzelnen EG-Mitgliedstaaten ist nicht erforderlich. Im Falle des Programms Eurimages erfolgt die Zurechnung zu den Regierungen der Mitgliedstaaten über die Vorschrift des Art. 1.1(a)(1)(iv) SCM. Der Eurimages-Förderfonds stellt sich als Fördermechanismus im Sinne dieser Vorschrift dar, der nach Ziff. 4.1.a) Resolution (88) 15 aus den jährlichen Beitragszahlungen der Mitgliedstaaten finanziert wird. bb) Gewährung eines Vorteils nach Art. 1.1(b) SCM Nach Art. 1.1(b) SCM setzt der welthandelsrechtliche Subventionsbegriff weiter voraus, dass durch die finanzielle Beihilfe einer Regierung ein Vorteil gewährt wird. Wie dargelegt (siehe oben C.I.3.b)cc)(3)), stellen die WTO-Streitentscheidungsorgane dabei auf einen rein marktwirtschaftlichen Maßstab ab. Die Gewährung eines Vorteils ist danach gegeben, wenn die finanziellen Mittel dem Empfänger unter günstigeren als den normalen Marktbedingungen zur Verfügung gestellt werden. Es kommt also darauf an, ob von dem Empfänger der Leistung eine marktgerechte Gegenleistung erbracht wird.28 Dieser Ansatz entspricht auch der Recht28 Vgl.: WTO Appellate Body – Tax Treatment for „Foreign Sales Corporations“, WT / DS108 / AB / RW, vom 14. Januar 2002, Rn. 157.
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
sprechung des EuGH zum Beihilfebegriff des Art. 87 Abs. 1 EGV.29 Wie dargestellt (siehe oben D.II.), werden die Fördermittel der Fördereinrichtungen in der Europäischen Gemeinschaft in der Form nicht rückzahlbarer Zuschüsse oder zinsloser beziehungsweise zinsgünstiger und meist nur bedingt rückzahlbarer Darlehen gewährt. Zu derartigen Bedingungen sind Finanzierungsmittel unter Marktbedingungen offenkundig nicht zu erhalten. Es fehlt daher an einer marktgerechten Gegenleistung, so dass von einer Vorteilsgewährung auszugehen ist.30 Bezweifelt wird auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene aber teilweise das Vorliegen einer Begünstigung im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV, soweit die Fördermaßnahmen in Deutschland mit von den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehveranstaltern auf Grundlage der mit der FFA geschlossenen Verträge sowie der Beiteiligung an den Landesfördereinrichtungen freiwillig bereitgestellten Mitteln finanziert werden. Dies wird damit begründet, dass die von den Fernsehsendern der FFA zur Verfügung gestellten Mittel nach den vertraglichen Vereinbarungen31 grundsätzlich für Produktionen zu verwenden sind, an denen ein Fernsehsender als Koproduzent oder durch Voraberwerb der Rechte beteiligt ist (siehe oben D.II.1.). Diese Argumentation übersieht jedoch, dass die von den Fernsehsendern auf vertraglicher Grundlage der FFA bereitgestellten Mittel zwar in der Regel auf eine Verwendung für Produktionen gebunden sind, an denen ein Fernsehsender als Koproduzent oder durch Voraberwerb der Rechte beteiligt ist, diese Rechte den Fernsehsendern aber nicht als Gegenleistung für die gewährten Fördermittel eingeräumt werden. Vielmehr müssen die Fernsehsender für ihre Stellung als Koproduzent oder für den Voraberwerb der Rechte unabhängig von den Förderbeträgen marktgerechte finanzielle Beiträge leisten. Daher ist die Gewährung der Fördermittel auch in diesen Fällen als Gewährung eines Vorteils anzusehen, der unter Marktgegebenheiten nicht zu erlangen wäre. Diese Überlegungen gelten entsprechend für die Verwendung der von den öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern in die Landesfördergesellschaften eingebrachten Mittel. Auch hier wird die Förderung einer Produktion mit Mitteln der Fernsehsender teilweise von einem Rechteerwerb der Fernsehsender abhängig gemacht beziehungsweise den Fernsehsendern die Möglichkeit eingeräumt, in dieser Weise auf die Förderentscheidung Einfluss zu nehmen (siehe oben D.II.1.). Auch hier erfolgt aber der Rechtserwerb in der Regel nicht im Gegenzug für die gewährten Fördermittel, sondern parallel zu marktüblichen Bedingungen. 29 EuGH, Rs. C-39 / 94 – SFEI – Slg. 1996, I-3547, Rn. 60; Rs. C-256 / 97 – DMT – Slg. 1999, I-3913, Rn. 22; verb. Rs. C-34 bis 38 / 01 – Enirisorse – Slg. 2003, I-14243, Rn. 30; Rs. C-280 / 00 – Altmark Trans – Slg. 2003, I-7747, Rn. 84; EuG, Rs. T-46 / 97 – SIC – Slg. 2000, II-2125, Rn. 78. 30 So auch grundsätzlich für den gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriff: Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, 2006, S. 81. 31 Vgl. § 7 Nr. 2 S. 2 des Abkommens der FFA mit den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und § 8 Nr. 3 des Abkommens der FFA mit den privaten Fernsehveranstaltern, Download über die Seite der FFA (www.ffa.de).
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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Anderes gilt jedoch hinsichtlich der Filmförderung mit vom NDR bereitgestellten Mitteln durch die Landesfördergesellschaft in Schleswig-Holstein. Wie dargestellt (siehe oben D.II.1.), sehen die Förderrichtlinien insoweit vor, dass der NDR im Gegenzug für die Gewährung der Fördermittel ohne weitere Vergütung ein einmaliges Sendenutzungsrecht an der betreffenden Produktion erhält. Sollte in diesen Fällen die Höhe der gewährten Fördermittel den Marktwert eines solchen einmaligen Sendenutzungsrechts tatsächlich nicht übersteigen, wäre die Annahme einer Vorteilsgewährung im Sinne des Art. 1.1(b) SCM insoweit auszuschließen.
c) Der Begriff der Spezifität nach Art. 2 SCM Wie dargelegt, sind nach Art. 1.2 SCM die Regelungen über anfechtbare Subventionen (Art. 5 ff. SCM) nur auf nach Art. 2 SCM spezifische Subventionen anwendbar. Die Regelungen über verbotene Subventionen (Art. 3 f. SCM) gelten hingegen auch für nicht spezifische Subventionen (siehe oben C.I.3.b)aa)). Spezifisch ist eine Subvention nach der Regelung des Art. 2.1 SCM, wenn sie nur für bestimmte Unternehmen, d. h. ein Unternehmen oder einen Wirtschaftszweig oder eine Gruppe von Unternehmen oder Wirtschaftszweigen, zugänglich ist (zu den Einzelheiten siehe oben C.I.3.b)dd)). Bei den von den Fördereinrichtungen in den EG-Mitgliedstaaten direkt vergebenen Mitteln zur Film- und Fernsehförderung ist dies unproblematisch der Fall. Diese Mittel können nur von Unternehmen der Film- und Fernsehbranche in Anspruch genommen werden und sind damit im Sinne des Art. 2.1(a) SCM auf bestimmte Unternehmen, nämlich die Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs beschränkt.32 Schwieriger ist die Spezifität hingegen bei den indirekten Fördermaßnahmen in Form von Steuervergünstigungen für Investitionen in die Film- und Fernsehproduktion zu beurteilen, wie sie etwa das französische SOFICA-Modell vorsieht. Unmittelbar profitieren von diesen Steuervorteilen nicht die Film- und Fernsehproduzenten, sondern die Investoren, die über den Erwerb von SOFICA-Anteilen Geld für die Film- oder Fernsehproduktion bereitstellen (siehe oben D.II.1.). Insofern ist die Gewährung dieser Subvention nicht auf bestimmte Unternehmen im Sinne des Art. 2.1 SCM beschränkt. Denn die Investition in SOFICA-Anteile steht sämtlichen natürlichen oder juristischen Personen offen, ohne dass eine eigene Tätigkeit in der Film- oder Fernsehproduktion erforderlich wäre.33 Allerdings sind die indirekten Fördermaßnahmen wie das französische SOFICAModell bewusst so ausgestaltet, dass sie mittelbar zu Vergünstigungen für die Film- und Fernsehproduzenten führen. Diese profitieren indirekt, da über die SOFICA-Gesellschaften zusätzliches Kapital zur Verfügung gestellt wird und die 32 Zum gemeinschaftsrechtlichen Beihilfebegriff ebenso: Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, S. 115. 33 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, S. 117.
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
Steuervorteile regelmäßig zumindest teilweise durch günstige Vertragskonditionen an die Produzenten weitergereicht werden. Im Rahmen des europäischen Gemeinschaftsrechts ist anerkannt, dass derartige mittelbare Begünstigungen für die Annahme eines Beihilfeverhältnisses zwischen dem Staat und dem Letztbegünstigten ausreichen, wenn ein typischer Zusammenhang zwischen der staatlichen Maßnahme und den mittelbar gewährten Vorteilen besteht.34 Betrachtet man dieses mittelbare Beihilfeverhältnis zwischen dem Staat und den mittelbar begünstigten Produktionsunternehmen, ist von einer spezifischen Beihilfe auszugehen. Denn diese mittelbare Begünstigung ist auf Unternehmen der Film- und Fernsehbranche beschränkt.35 Dementsprechend hat auch die Europäische Kommission in Fällen vergleichbarer Steuervergünstigungen zur Förderung der Filmproduktion das Vorliegen einer spezifischen Beihilfe im Sinne des Art. 87 Abs. 1 EGV angenommen.36 Diese Überlegungen sind auch auf den welthandelsrechtlichen Begriff der Spezifität nach Art. 2.1 SCM zu übertragen. Wie ausgeführt (siehe oben B.III.1.), beruht das Welthandelsrecht auf der Überzeugung der wohlstandssteigernden Wirkung des Freihandels. Wenn sich alle beteiligten Volkswirtschaften auf die Produktion derjenigen Produkte konzentrieren, die sie komparativ am effektivsten herstellen können, führt dies insgesamt zu einer erhöhten Güterproduktion und damit zu weltweiten Wohlstandsgewinnen. Voraussetzung für das Funktionieren dieses Freihandelsmodells ist damit die unverzerrte Ressourcenallokation in den beteiligten Volkswirtschaften. Der Sicherung einer solchen optimalen Ressourcenallokation dient auch der Begriff der Spezifität im welthandelsrechtlichen Subventionsrecht. Werden Subventionen nur für bestimmte Wirtschaftszweige zur Verfügung gestellt, führt dies zu einer vermehrten Investition in diese Bereiche und verzerrt damit die Ressourcenallokation in der betreffenden Volkswirtschaft. Eine derartige Handelsverzerrung ist mit Subventionen, die allgemein für sämtliche Wirtschaftszweige zugänglich sind, hingegen nicht verbunden.37 Bei der Prüfung der Spezifität einer Subvention ist damit entscheidend darauf abzustellen, ob die betreffende Subvention zu einer solchen Verzerrung der Produktionsbedingungen zugunsten bestimmter Wirtschaftszweige führt. Dies ist bei Steuervergünstigungen wie dem französischen SOFICA-Modell der Fall. Denn da die steuerlichen Vergünstigungen nur für Investitionen in die Film- und Fernsehbranche gewährt werden, führen sie zu einer relativen Verbesserung der Produktionsbedingungen dieses Bereichs gegenüber an34 EuGH, Rs. C-156 / 98 – Deutschland / Kommission – Slg. 2000, I-6857, Rn. 26 ff.; Rs. C-382 / 99 – Niederlande / Kommission – Slg. 2002, I-5163, Rn. 62 ff.; vgl. dazu: Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, S. 90 f. 35 Geier, Nationale Filmförderung und europäisches Beihilfenrecht, S. 117. 36 Vgl. etwa zu Steuervergünstigungen für Investitionen in die Filmproduktion in Irland: Europäische Kommission, Entscheidung vom 18. August 1999, NN 49 / 97 u. N 357 / 99 (taxbased film investment incentive) Rn. 3.2. 37 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 12 Rn. 14; Benitah, The Law of Subsidies under the GATT / WTO System, 2001, S. 89 f.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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deren Wirtschaftszweigen. Damit wirken derartige Steuervergünstigungsmodelle tatsächlich wie eine auf die Film- und Fernsehbranche beschränkte Subvention.
d) Verbotene Subventionen nach Art. 3 SCM Zunächst ist zu prüfen, ob die danach umfassend als spezifische Subventionen im Sinne der Art. 1 und 2 SCM zu qualifizierenden europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung nach Art. 3.1 SCM verbotene Subventionsformen enthalten. Art. 3.1 SCM definiert zwei Arten verbotener Subventionen: Subventionen, die von der Ausfuhrleistung abhängig sind (Ausfuhrsubventionen nach Art. 3.1(a) SCM) und Subventionen, die von der vorrangigen Verwendung einheimischer Waren abhängig sind (Subventionen für die Substitution von Einfuhren nach Art. 3.1(b) SCM). Nach Art. 3.2 SCM dürfen solche Subventionen weder gewährt noch beibehalten werden, ohne dass es einer weiteren Prüfung der tatsächlichen Auswirkungen auf die Wirtschaft eines anderen WTO-Mitglieds bedarf (siehe oben C.I.3.b)ee)). Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass die dargestellten europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung in keiner Weise von der Herkunft der bei der Herstellung verwendeten Waren abhängig sind. Diese Maßnahmen stellen damit keine Subventionen für die Substitution von Einfuhren nach Art. 3.1(b) SCM dar. Auch das Vorliegen von Ausfuhrsubventionen nach Art. 3.1(a) SCM kann hinsichtlich der unmittelbar für die Film- oder Fernsehproduktion gewährten Fördermaßnahmen ausgeschlossen werden. Denn die Maßnahmen der Produktionsförderung werden durchgängig unabhängig von einer Auswertung im Ausland gewährt (siehe zu den Förderbedingungen oben D.II.1.). Einer eingehenderen Prüfung bedarf das Vorliegen einer verbotenen Ausfuhrsubvention allerdings hinsichtlich der Maßnahmen der Vertriebsförderung auf nationaler und europäischer Ebene. In Deutschland werden die Vertriebsfördermittel im Rahmen der Projektförderung teilweise speziell für Maßnahmen im Zuge des Auslandsvertriebs wie insbesondere die Herstellung von Synchronfassungen (§ 53a Abs. 1 Nr. 2 FFG) und Maßnahmen zur Erweiterung bestehender und Erschließung neuer Absatzmärkte (§ 53a Abs. 1 Nr. 3 FFG) gewährt (siehe oben D.II.1.). Diese Mittel sind von den geförderten Vertriebsunternehmen also für Maßnahmen zu verwenden, die auf eine Verbesserung des Auslandsvertriebs gerichtet sind und stehen insofern mit der Ausfuhrleistung dieser Unternehmen in Zusammenhang. Es ist aber zweifelhaft, ob dies ausreicht, um sie als nach Art. 3.1(a) SCM verbotene Ausfuhrsubventionen anzusehen. Denn nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body sind insoweit strenge Anforderungen zu stellen. Erforderlich ist ein enger und direkter Kausalzusammenhang zwischen der Ausfuhrleistung und der Gewährung der Subvention.38 Diese 38 WTO Appellate Body, Canada – Measures Affecting the Export of Civilian Aircraft, WT / DS70 / AB / R, vom 2. August 1999, Rn. 166 ff.
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
Anforderungen sind im Falle der dargestellten Fördermaßnahmen im Rahmen der Vertriebsförderung durch die FFA wohl nicht erfüllt. Denn diese Fördermittel sind zwar teilweise final darauf ausgerichtet, die Auslandsdistribution des geförderten Films zu verbessern. Die Gewährung der Fördermittel ist aber nicht kausal von der tatsächlichen Durchführung einer solchen Auslandsdistribution abhängig. Besondere Bedeutung kommt der Prüfung des Vorliegens nach Art. 3.1(a) SCM verbotener Ausfuhrsubventionen hinsichtlich der Fördermaßnahmen im Rahmen des MEDIA-Programms der Europäischen Union zu, das, wie dargestellt (siehe oben D.II.2.), in besonderer Weise auf eine Stärkung der Auslandsdistribution des europäischen Films ausgerichtet ist. Soweit MEDIA 2007 dabei allerdings lediglich die Verpflichtung vorsieht, die gewährten Fördermittel in Maßnahmen zur Verbesserung der Auslandsdistribution zu investieren (vgl. Beschluss 1718 / 2006 / EG, Anhang, Kapitel I Ziff. 3.1. und 3.2.), gelten die Ausführungen zu den Maßnahmen der Vertriebsförderung durch die FFA entsprechend. Diese Fördermittel sind zwar final auf die Förderung des Auslandsvertriebs ausgerichtet, ihre Gewährung ist aber nicht kausal von dessen tatsächlicher Durchführung abhängig. Dies reicht für die Annahme einer Ausfuhrsubvention im Sinne des Art. 3.1(a) SCM nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body nicht aus. Allerdings gehen die Regelungen des MEDIA-Programms teilweise über eine solche bloß finale Verknüpfung hinaus. Dies gilt insbesondere, soweit Fördermittel für europäische Verleih- oder Vertriebsunternehmen vorgesehen sind, die nach Maßgabe eines Referenzsystems bereits in der Vergangenheit einen europäischen Film erfolgreich in von dessen Ursprungsland verschiedenen Programmstaaten vertrieben haben (Beschluss 1718 / 2006 / EG, Anhang, Kapitel 1 Ziff. 3.1.). Hier werden die Fördermittel nicht nur final zur Verwendung für den Auslandsvertrieb gebunden, sondern die Gewährung der Fördermittel setzt die tatsächliche Durchführung eines solchen Auslandsvertriebs voraus. Dies genügt grundsätzlich den an die Annahme einer Ausfuhrsubvention nach Art. 3.1(a) SCM zu stellenden Anforderungen.39 Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Europäische Gemeinschaft der WTO als Vertragspartei mit einem einheitlichen Zollgebiet nach Art. XXIV GATT-1994 beigetreten ist. Daher ist fraglich, ob der Vertrieb eines Films aus einem EG-Mitgliedstaat in anderen EG-Mitgliedstaaten welthandelsrechtlich überhaupt als Ausfuhr im Sinne des Art. 3.1(a) SCM angesehen werden kann. Nach der Entscheidung im Fall European Communities – German Exchange Rate Scheme for Deutsche Airbus ist insoweit nach der die fragliche Förderung gewährenden Entität zu differenzieren. Maßnahmen zur Förderung des innergemeinschaftlichen Handels unmittelbar durch die Europäische Gemeinschaft können welthandelsrechtlich nicht als Ausfuhrsubventionen angesehen werden; anderes gilt jedoch bei Fördermaßnahmen eines EG-Mitgliedstaats für die Ausfuhr in andere EG-Mitgliedstaa39 Dies übersieht: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 201.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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ten.40 Da die Fördermittel des MEDIA-Programms nicht durch die Mitgliedstaaten, sondern unmittelbar durch die Europäische Gemeinschaft vergeben werden, liegen damit verbotene Ausfuhrsubventionen nicht vor, soweit die Gewährung vom Vertrieb in von dem EG-Herkunftsstaat verschiedenen EG-Mitgliedstaaten abhängig gemacht wird. Allerdings ist das MEDIA-Programm nach Art. 8 Beschluss 1718 / 2006 / EG auch für bestimmte Drittstaaten zugänglich (siehe oben D.II.2.). Damit wird die Gewährung der Fördermitteln von der Durchführung eines Vertriebs auch in diesen nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Programmstaaten abhängig gemacht. Insoweit ist daher von verbotenen Ausfuhrsubventionen im Sinne des Art. 3.1(a) SCM auszugehen.
e) Anfechtbare Subventionen nach Art. 5 und 6 SCM Weiter ist zu prüfen, ob die europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung als anfechtbare Subventionen im Sinne der Art. 5 und 6 SCM anzusehen sind. Nach Art. 5 SCM sind Subventionen im Grundsatz anfechtbar, wenn sie nachteilige Auswirkungen auf die Interessen anderer WTO-Mitglieder verursachen. In welchen Konstellationen solche nachteiligen Auswirkungen anzunehmen sind, wird in Art. 5 und 6 SCM in verschiedene Einzeltatbestände aufgegliedert (siehe oben C.I.3.b)ff)). Dabei hat das beschwerdeführende WTO-Mitglied nach Art. 7 SCM eine nachteilige Auswirkung der angefochtenen Subvention gerade auf seine Interessen darzulegen. Im Rahmen dieses Verfahrens wird also nur geprüft, ob die Subventionen zu einer Beeinträchtigung der Interessen des beschwerdeführenden Staates führen, nicht aber ob die Subventionen unter Umständen wegen Beeinträchtigung der Interessen anderer Staaten unzulässig sind. Da der Disput um die handelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien vor allem zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und den USA andererseits geführt wird, beschränkt sich diese Arbeit daher auf eine Untersuchung der Auswirkungen auf die US-amerikanische Film- und Fernsehindustrie. aa) Schädigung des inländischen Wirtschaftszweigs nach Art. 5(a) SCM Nach Art. 5(a) SCM liegen nachteilige Auswirkungen zunächst vor bei einer Schädigung des inländischen Wirtschaftszweigs eines anderen WTO-Mitglieds. Wie dargelegt (siehe oben C.I.3.b)ff)(2)), setzt dieser Tatbestand eine Beeinträchtigung des Absatzes einheimischer Waren auf dem Inlandsmarkt des anderen WTOMitglieds voraus. Eine Schädigung der inländischen Film- und Fernsehindustrie in den USA könnte daher nur angenommen werden, wenn die europäischen Förder40 GATT Panel, European Communities – German Exchange Rate Scheme for Deutsche Airbus, SCM / 142, vom 4. März 1992, Rn. 5.6; vgl. dazu: Seelmann-Eggebert, Internationaler Rundfunkhandel, 1998, S. 65 f.
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
maßnahmen dazu führten, dass der Absatz US-amerikanischer Filme in den USA spürbar zurückginge. Davon kann angesichts der weiter bestehenden weitgehenden Abgeschlossenheit des US-amerikanischen Marktes gegenüber auswärtigen Produktionen nicht ausgegangen werden. Europäische Filme und Fernsehprogramme erreichten in den USA in der Vergangenheit Marktanteile von lediglich 1 bis 3 %. Die US-Exporte der europäischen Film- und Fernsehwirtschaft sind daher quantitativ zu vernachlässigen41 (siehe dazu oben A.). bb) Zunichtemachung oder Schmälerung von Vorteilen nach Art. 5(b) SCM Auch eine Zunichtemachung oder Schmälerung bestehender Vorteile nach Art. 5(b) SCM kommt nicht in Betracht. Dieser Tatbestand soll sicherstellen, dass die im Rahmen der Verhandlungen zum GATT 1994 insbesondere durch die Zollbindungen nach Art. II GATT 1994 gewährten Vorteile hinsichtlich des Marktzugangs auswärtiger Produkte nicht durch die Gewährung von Subventionen für die inländische Produktion entgegen berechtigter Erwartungen praktisch wirkungslos gemacht werden (siehe oben C.I.3.b)ff)(3)). Tarifären Beschränkungen kam aber bei dem grenzüberschreitenden Handel mit Kinofilmen und Fernsehprogrammen zu keinem Zeitpunkt maßgebliche Bedeutung zu. Durch die Zollbindungen im Rahmen des GATT 1994 sind daher keine Vorteile hinsichtlich des Marktzugangs audiovisueller Produkte entstanden, die durch die europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung beseitigt werden könnten. cc) Ernsthafte Interessenschädigung nach Art. 5(c) SCM Der Tatbestand der ernsthaften Interessenschädigung nach Art. 5(c) SCM wird wiederum in Art. 6 SCM weiter konkretisiert. Nach dem Außerkrafttreten der Vermutungstatbestände des Art. 6.1 SCM nach Art. 31 SCM, ist bei der Prüfung insofern vorrangig auf die Regelung in Art. 6.3 SCM abzustellen. Danach kann eine ernsthafte Schädigung insbesondere in den Fällen der Ein- beziehungsweise Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(a) und (b) SCM, der Preisunterbietung nach Art. 6.3(c) SCM und der Zunahme des Weltmarktanteils nach Art. 6.3(d) SCM auftreten. Erforderlich ist dabei in jedem Fall eine gewisse Erheblichkeit dieser Wirkungen, da anderenfalls eine „ernsthafte“ Interessenschädigung im Sinne des Art. 5(c) SCM nicht angenommen werden kann (siehe oben C.I.3.b)ff)(4)(a)). Zunächst ist festzuhalten, dass der Tatbestand der Preisunterbietung nach Art. 6.3(c) SCM (siehe dazu oben C.I.3.b)ff)(4)(c)) bei den europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung nicht eingreift. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass diese Fördermaßnahmen dazu führen würden, dass europäische Film41
Ertel, Globalisierung der Filmwirtschaft, 2001, S. 220.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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oder Fernsehproduktionen zu Preisen angeboten werden, die deutlich unter den Preisen für US-amerikanische Produktionen liegen. Vielmehr hat die europäische Medienindustrie weiterhin mit dem Umstand zu kämpfen, dass US-amerikanische Produktionen aufgrund der weitgehenden Amortisation bereits auf dem Heimatmarkt im Ausland sehr günstig angeboten werden.42 Auch der Fallgruppe der Zunahme des Weltmarktanteils nach Art. 6.3(d) SCM (siehe dazu oben C.I.3.b)ff) (4)(c)) kommt in diesem Zusammenhang wohl keine eigenständige Bedeutung zu. Die europäischen Fördermaßnahmen sind primär darauf gerichtet, die Marktposition europäischer Produktionen im Inland sowie im europäischen Ausland zu stärken. Eventuelle Auswirkungen dieser Maßnahmen werden sich daher eher bei einer separaten Betrachtung der einzelnen europäischen Märkte nachweisen lassen, als im globalen Maßstab des Art. 6.3(d) SCM. Eine solche separate Betrachtung der Subventionswirkungen auf einzelne nationale Märkte sehen die Tatbestände der Ein- beziehungsweise Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(a) und (b) SCM vor. Dabei sind Ein- und Ausfuhrstörung nach dem in den Blick genommenen Markt zu unterscheiden. Eine Einfuhrstörung nach Art. 6.3(a) SCM setzt voraus, dass aufgrund der Subventionierung weniger auswärtige Waren in den inländischen Markt des subventionierenden WTO-Mitglieds eingeführt werden. Eine Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(b) SCM liegt hingegen vor, wenn aufgrund der Subventionierung in einen Drittlandsmarkt weniger Waren aus bestimmten WTO-Mitgliedern ausgeführt werden, da dort vermehrt die Produkte aus dem subventionsgewährenden Staat nachgefragt werden (siehe dazu oben C.I.3.b)ff)(4)(b)). Bezogen auf die europäischen Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung kommt es damit darauf an, ob diese Maßnahmen zu einer Verringerung des Absatzes US-amerikanischer Produktionen auf den jeweiligen Inlandsmärkten der EGMitgliedstaaten (Einfuhrstörung nach Art. 6.3(a) SCM) oder bestimmten Drittlandsmärkten (Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(b) SCM) führen. In der Literatur wird angesichts der weiterhin sehr starken bis dominanten Stellung US-amerikanischer Filme und Fernsehprogramme auch auf den europäischen Märkten (siehe dazu oben A.) teilweise ohne eingehende Prüfung davon ausgegangen, dass das Vorliegen von Ein- oder Ausfuhrstörungen nach Art. 6.3(a) und (b) SCM zu Lasten der US-amerikanischen Medienindustrie zumindest gegenwärtig ausgeschlossen werden kann.43 Dem gegenüber wurde zu Recht darauf hingewiesen, dass die europäischen Förderprogramme gezielt darauf gerichtet sind, den Marktanteil europäischer gegenüber US-amerikanischer Produktionen sowohl auf den jeweiligen inländischen als auch den europäischen Auslandsmärkten zu erhöhen. Das Vorliegen von Ein- oder Ausfuhrstörungen nach Art. 6.3(a) und (b) SCM 42 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 179 f.; so auch schon: Bogdandy, EuZW 1992, 9, 10, 12; Frohne, ZUM 1989, 390; Bogdandy, in: Grabitz / Bogdandy / Nettesheim, Europäisches Außenwirtschaftsrecht, 1994, S. 577. 43 Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 754; Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 202; in der Tendenz auch: Herold, iris-plus (6)2003, 2, 5.
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
zu Lasten US-amerikanischer Exporte kann daher nicht von vornherein ausgeschlossen werden.44 Die Entscheidung über das Vorliegen einer Ein- beziehungsweise Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(a) oder (b) SCM setzt eine detaillierte Auswertung der jeweiligen Marktdaten voraus. Eine solche komplexe ökonomische Prüfung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geleistet werden. Eine abschließende Beurteilung der Anfechtbarkeit der europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung nach Art. 5 und 6 SCM ist an dieser Stelle daher nicht möglich. Es soll aber ein Überblick über die dabei geltenden Grundsätze und auftretenden Probleme gegeben werden. Insoweit gilt nach Art. 7.2 SCM zunächst, dass die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Ein- oder Ausfuhrstörung bei dem WTO-Mitglied liegt, das nachteilige Auswirkungen auf seine Interessen geltend macht. Konkret hätten also die USA vorzutragen und mit Datenmaterial zu belegen, dass die europäischen Fördermaßnahmen zu einer entsprechenden Beeinträchtigung der US-amerikanischen Exportindustrie führen. In der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass dabei der Nachweis einer absoluten Verringerung der Ein- beziehungsweise Ausfuhren aus dem betroffenen WTO-Mitglied erforderlich sei.45 Die Annahme eines solch starren Maßstabs überzeugt indes nicht. Zunächst sieht Art. 6.4 S. 1 SCM ausdrücklich vor, dass die Konstellation der Ausfuhrstörung im Sinne des Art. 6.3(b) SCM alle Fälle umfasst, in denen über einen angemessenen repräsentativen Zeitraum eine Änderung der relativen Marktanteile zum Nachteil der nichtsubventionierten Waren eingetreten ist. Dies ist nach Art. 6.4 S. 2 SCM der Fall, wenn der Marktanteil der subventionierten Ware zunimmt, der Marktanteil unter Umständen, unter denen er ohne Subvention zurückgegangen wäre, unverändert bleibt oder der Marktanteil der subventionierten Waren zwar zurückgeht, jedoch langsamer, als dies ohne Subvention der Fall gewesen wäre. Die Regelung des Art. 6.4 SCM stellt also nicht auf eine Verringerung des absoluten Ausfuhrvolumens der nicht subventionierten Waren ab, sondern auf die Entwicklung der relativen Marktanteile. Bei einem wachsenden Gesamtmarkt können aber die absoluten Handelsvolumina der nicht subventionierten Waren trotz gleichzeitiger Zunahme der relativen Marktanteile der subventionierten Ware ansteigen. In dem Fall Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry ist das Panel davon ausgegangen, dass unter den Voraussetzunen des Art. 6.4 prima facie von einer Ausfuhrstörung im Sinne des Art. 6.3(b) SCM auszugehen ist.46 Aus 44 Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 175 f.; Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 114, 139; vorsichtig auch: Hahn, ZaöRV 1996, 315, 337 f.; Oeter, AfP 2005, 6, 10. 45 Grave, Der Begriff der Subvention im WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, 2001, S. 90. 46 WTO Panel, Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry, WT / DS54, 55, 59, 64 / R, vom 2. Juli 1998, Rn. 14.209, 14.215.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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der offenen Formulierung des Art. 6.4 SCM („umfasst“) wird dabei aber deutlich, dass es sich nicht um eine abschließende Regelung der Fälle der Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(b) SCM handelt, sondern eine solche auch anhand anderer Kriterien nachgewiesen werden kann.47 Für den Fall der Einfuhrstörung nach Art. 6.3(a) SCM fehlt es an einer dem Art. 6.4 SCM entsprechenden Regelung. In dem Fall Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry ist das Panel daher davon ausgegangen, dass die nachgewiesene Änderung der relativen Marktanteile zum Nachteil der nichtsubventionierten Waren im Rahmen des Art. 6.3(a) SCM nicht schon prima facie zur Annahme einer Einfuhrstörung im Sinne dieser Vorschrift führt. Das bedeutet aber nicht, dass die Entwicklung der relativen Marktanteile bei dem Nachweis einer Einfuhrstörung nach Art. 6.3(a) SCM unbeachtlich wäre.48 In der weiteren Prüfung hat das Panel vielmehr einen umfassenden Ansatz zugrundegelegt, der sowohl die Entwicklung der relativen Marktanteile als auch der absoluten Einfuhrvolumina berücksichtigt, aber keinem der beiden Kriterien allein entscheidende Bedeutung zumisst: „The question before us is therefore whether the market share and sales data above would support a view that, but for the introduction of the subsidized Timor, sales of EC C Segment passenger cars would have been greater than they were.“49
Übertragen auf die europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung ergibt sich daraus Folgendes: Im Rahmen des Art. 6.3(b) SCM müssten die USA nachweisen, dass die Fördermaßnahmen in bestimmten Drittlandsmärkten im Sinne des Art. 6.4 SCM zu einer Änderung der relativen Marktanteile zum Nachteil US-amerikanischer Produktionen geführt haben. Damit wäre nach der geschilderten Entscheidungspraxis prima facie von einer Ausfuhrstörung im Sinne des Art. 6.3(b) SCM auszugehen. Umstände, die das Vorliegen einer Ausfuhrstörung dennoch ausschließen sollen, wären von den subventionsgewährenden europäischen Staaten vorzutragen. Im Rahmen des Nachweises einer Einfuhrstörung nach Art. 6.3(a) SCM müsste sich aus dem von den USA vorzulegenden Datenmaterial hingegen unter Berücksichtigung der Entwicklung sowohl der absoluten Absatzvolumina als auch der relativen Marktanteile ergeben, dass die Absatzzahlen USamerikanischer Produktionen in dem betreffenden Markt ohne die fraglichen Fördermaßnahmen für einheimische Produktionen größer gewesen wären. Allerdings ist die Abgrenzung der Tatbestände von Ein- und Ausfuhrstörung in Bezug auf die europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung nicht ganz unproblematisch. Grundsätzlich gilt, dass die Abgrenzung im Hinblick auf das die fragliche Subvention gewährende WTO-Mitglied vorzunehmen ist. Für die Pitschas, in: Prieß / Berrisch, WTO-Handbuch, 2003, B.I.12. Rn. 97 Fn. 248. WTO Panel, Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry, WT / DS54, 55, 59, 64 / R, vom 2. Juli 1998, Rn. 14.211. 49 WTO Panel, Indonesia – Certain Measures Affecting the Automobile Industry, WT / DS54, 55, 59, 64 / R, vom 2. Juli 1998, Rn. 14.218. 47 48
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
von den einzelnen EG-Mitgliedstaaten auf nationaler und regionaler Ebene gewährten Fördermaßnahmen ergibt sich daraus, dass deren Auswirkungen auf den inländischen Markt des jeweiligen EG-Mitglieds nach den Maßstäben für Einfuhrstörungen nach Art. 6.3(a) SCM zu beurteilen sind, ihre Auswirkungen auf Drittlandsmärkte, einschließlich der Märkte anderer EG-Mitgliedstaaten, hingegen nach den Maßstäben für Ausfuhrstörungen nach Art. 6.3(b) SCM. Allerdings werden die nationalen und regionalen Fördermaßnahmen der einzelnen EG-Mitgliedstaaten wie gezeigt auf europäischer Ebene durch die Fördermaßnahmen der Programme Eurimages und MEDIA 2007 ergänzt. Da diese Maßnahmen nicht ohne weiteres einzelnen Mitgliedstaaten zugeordnet werden können, bereitet die Abgrenzung der Tatbestände von Ein- und Ausfuhrstörung insoweit Schwierigkeiten. Hinzu kommt, dass die Auswirkungen der jeweiligen nationalen und regionalen Fördermaßnahmen einerseits sowie der europäischen Maßnahmen andererseits nicht sinnvoll getrennt beurteilt werden können. Vielmehr muss geprüft werden, ob diese sich ergänzenden Maßnahmen in ihrer kumulierenden Wirkung insgesamt zu Ein- oder Ausfuhrstörungen im Sinne des Art. 6.3(a) und (b) SCM führen. Unabhängig von diesen Abgrenzungsfragen spricht bei praxisnaher Betrachtung einiges dafür, dass die europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung durchaus zu einer Veränderung der relativen Marktanteile europäischer Produktionen auf den europäischen Märkten führen. Insoweit dürfte der Hinweis, dass US-amerikanische Produktionen ungeachtet dieser Fördermaßnahmen weiterhin große Marktanteile erreichen, als Gegenargument nicht ausreichen. Denn im Rahmen des Art. 6.3(a) und (b) SCM sind auch Veränderungen der relativen Marktanteile relevant, die zwar von einem niedrigen Ausgangsniveau ausgehend dennoch deutlich spürbar sind. Wie dargestellt (siehe oben D.II.1.), ist nach den Vorgaben der Europäischen Kommission bei Kinofilmen eine Förderquote von bis zu 50% der gesamten Produktionskosten zulässig. Ohne diese Fördermittel könnten europäische Produktionen weder in der gegenwärtigen Anzahl noch mit dem gegenwärtigen Produktionsniveau realisiert werden. Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass dies zu einem zumindest in den großen europäischen Kinonationen Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Großbritannien deutlich spürbaren Rückgang der Marktanteile europäischer Produktionen führen würde. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach Art. 6.1(a) SCM ursprünglich bereits bei einer wertmäßigen Subventionierung einer Ware von mehr als 5 % in der Regel von einer ernsthaften Schädigung im Sinne des Art. 5(c) SCM ausgegangen wurde. Zwar ist diese Regelung nicht verlängert worden und damit nach Art. 31 SCM außer Kraft getreten. Indizielle Wirkung kommt dem Umfang der wertmäßigen Subventionierung einer Ware aber weiterhin zu (siehe oben C.I.3.b)ff)(4)(a)). Allerdings reicht eine solche Änderung der relativen Marktanteile zu Lasten USamerikanischer Produktionen nach obigen Ausführungen nicht in jedem Fall für die Annahme einer Ein- beziehungsweise Ausfuhrstörung nach Art. 6.3(a) und (b) SCM aus. Es sind vielmehr Situationen denkbar, in denen trotz entsprechender Än-
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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derung der relativen Marktanteile bestimmte Subventionen nicht dazu führen, dass die Absatzmöglichkeiten nicht subventionierter Waren in unzulässiger Weise eingeschränkt werden. Die Tatbestände der Ein- und Ausfuhrstörung unterscheiden sich insoweit lediglich hinsichtlich der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Ein mögliches Argument gegen das Vorliegen von Ein- oder Ausfuhrstörungen zu Lasten US-amerikanischer Produktionen trotz entsprechender Änderungen der relativen Marktanteile könnte insoweit sein, dass eine funktionierende europäische Film- und Fernsehproduktion insgesamt zu einer Zunahme des Marktvolumens der audiovisuellen europäischen Märkte führt und die Verschiebung der relativen Marktanteile zu Gunsten europäischer Produktionen im Ergebnis daher nicht unbedingt Absatzeinbußen für US-amerikanische Produktionen zur Folge haben muss. Dieses Argument beruht auf der Prämisse, dass das Interesse der europäischen Verbraucher an audiovisuellen Produkten insgesamt steigt, wenn neben US-amerikanischen Produktionen in hinreichender Anzahl und Qualität auch europäische Produktionen verfügbar sind. Ob sich ein solcher Effekt allerdings empirisch nachweisen lässt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht geklärt werden.
2. Die Vereinbarkeit mit dem warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung Soweit die europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung bei der Mittelvergabe nach der Herkunft beziehungsweise Nationalität des zu fördernden Films differenzieren, stellt sich neben der subventionsrechtlichen Beurteilung nach dem SCM die Frage nach der Vereinbarkeit mit den warenhandelsrechtlichen Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 (dazu a)) und der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 (dazu b)).
a) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 aa) Die konkrete Anwendung des Grundsatzes der Inländerbehandlung Wie dargestellt (siehe oben D.II.1.), sind die in den EG-Mitgliedstaaten auf nationaler und regionaler Ebene vergebenen Mittel für die direkte Produktionsförderung überwiegend – anderes gilt teilweise für regionale Fördermaßnahmen – nur für Produzenten zugänglich, die ihren Sitz oder – bei Sitz in einem anderen EGStaat – zumindest eine Niederlassung in dem die Förderung gewährenden Mitgliedstaat haben. Filme, an deren Herstellung auch Produzenten beteiligt sind, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, können von diesen Fördermitteln nur nach Maßgabe der jeweils für Koproduktionen und Kofinanzierungen geltenden Regelungen profitieren. Damit werden inländische Filme im Rahmen der direkten Pro-
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
duktionsförderung in den EG-Mitgliedstaaten gegenüber Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern günstiger behandelt. Dies ist mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT 1994 grundsätzlich unvereinbar.50 Denn danach dürfen Waren aus einem WTO-Mitglied hinsichtlich innerstaatlicher wettbewerbsrelevanter Vorschriften nicht schlechter behandelt werden als gleichartige Waren inländischen Ursprungs (siehe oben C.I.2.b)bb)). Dass es sich bei in- und ausländischen Filmen um gleichartige Waren im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 handelt, wurde im Zusammenhang mit den Spielzeitkontingenten für Kinofilme bereits herausgearbeitet (siehe oben E.I.1.a)cc)(1)(a)). Die Gewährung von Produktionsfördermitteln wirkt sich positiv auf die Wettbewerbsfähigkeit der geförderten Filme aus, da diese auf ein höheres Produktionsbudget zugreifen und damit ein höheres Produktionsniveau gewährleisten können. Damit handelt es sich um wettbewerbsrelevante Vorschriften im Sinne des Art. III:4 GATT-1994. Entsprechendes gilt für die Produktionsförderung im Rahmen des Eurimages-Programms des Europarats, die nur für in den Programmstaaten ansässige Produzenten zugänglich ist. Bei der Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT-1994 ist insoweit darauf abzustellen, dass die von den teilnehmenden Staaten für die Förderung bereitgestellten Beträge zumindest teilweise für Produktionen verwendet werden, die aus Sicht des jeweiligen Staates im welthandelsrechtlichen Sinn als inländische Waren anzusehen sind. Der welthandelsrechtliche Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III:4 GATT-1994 ist auch auf die Maßnahmen der Vertriebsförderung anwendbar, soweit diese – wie in Deutschland (siehe oben D.II.1.) – grundsätzlich nur für den Vertrieb inländischer Filme gewährt wird. Auch diese selektive Förderung des Vertriebs führt zu einer nach Art. III:4 GATT-1994 unzulässigen wettbewerbsrelevanten Besserstellung der inländischen Filme gegenüber solchen aus anderen WTO-Mitgliedern. Dies gilt entsprechend für die Vertriebsförderung im Rahmen des Programms MEDIA 2007, die grundsätzlich nur für den Vertrieb von Filmen aus den teilnehmenden Programmstaaten zugänglich ist. Da die Fördermittel insoweit aber unmittelbar durch die Europäische Gemeinschaft und nicht durch die teilnehmenden Einzelstaaten vergeben werden, haben dabei allerdings die Filme aus sämtlichen EG-Mitgliedstaaten als „inländische“ Filme im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 zu gelten. Formen indirekter Förderung durch die Gewährung von Steuervergünstigungen für Investitionen in die Filmproduktion sind hingegen an dem für innere Abgaben und sonstige Belastungen geltenden Tatbestand des Art. III:2 GATT-1994 zu messen. Soweit die Gewährung der Steuervergünstigungen wie im Rahmen des französischen SOFICA-Modells (siehe oben D.II.1.) grundsätzlich von der Investition in inländische Film- oder Fernsehproduktionen abhängig gemacht wird, stellt dies eine unzulässig nach der Herkunft des Films differenzierende Belastung mit inneren Abgaben im Sinne dieser Vorschrift dar. Dabei kann offen bleiben, ob in50
So auch: Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 755; Herold, iris-plus (6)2003, 2, 4.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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und ausländische Filme bereits als gleichartige Waren im engen Sinne des Art. III:4 S. 1 GATT-1994 (siehe oben C.I.2.c)) angesehen werden können und damit jede Ungleichbehandlung bei der Erhebung innerer Abgaben unzulässig ist (siehe oben C.I.2.b)aa)). Denn jedenfalls sind in- und ausländische Filme als unmittelbar konkurrierende Waren im Sinne des Art. III:2 S. 2 GATT-1994 in Verbindung mit Anlage I anzusehen. Insoweit reicht – wie im Rahmen des Art. III:4 GATT-1994 (siehe oben C.I.2.c)) – das zwischen diesen Filmen bestehende Wettbewerbsverhältnis aus (siehe oben E.I.1.a)cc)(1)(a)). Es kann auch nicht angenommen werden, dass die Steuervergünstigungen lediglich zu einer unerheblich geringeren Belastung der Investitionen in die inländische Filmproduktion führen und daher die Bagatellgrenze des Art. III:2 S. 2 GATT-1994 (siehe dazu oben C.I.2.b)aa)) nicht überschreiten. Denn in diesem Fall wäre die intendierte Anreizwirkung nicht erreichbar. Schließlich sind Steuervergünstigungen, die wie das SOFICA-Modell gezielt auf Investitionen in die inländische Filmproduktion beschränkt werden, auch nach ihrer Zielsetzung und ihren tatsächlichen Auswirkungen („aim and effects“) auf den Schutz der inländischen Erzeugung im Sinne des Art. III:1 GATT-1994 angelegt (siehe dazu oben C.I.2.b)aa)). Damit sind derartige steuerliche Fördermodelle auch bei Anwendung des Art. III:2 S. 2 GATT-1994 mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung grundsätzlich unvereinbar. bb) Rechtfertigung nach Art. III:8(b) GATT-1994 Zu prüfen ist, inwieweit diese Verstöße gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III:8(b) GATT-1994 gerechtfertigt werden können, wonach die Inländerbehandlung nicht ausschließt, dass inländischen Erzeugern Subventionen gewährt werden. Unproblematisch erfasst diese Regelung zunächst die Maßnahmen der Filmund Fernsehförderung, die in einer direkten Mittelübertragung an die Hersteller von Kinofilmen und Fernsehprogrammen bestehen.51 Dies betrifft die Formen der direkten Produktionsförderung sowohl auf nationaler und regionaler Ebene durch die einzelnen EG-Staaten als auch im Rahmen des Eurimages-Programms. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass nach dieser Vorschrift auch die Maßnahmen der Vertriebsförderung vom Grundsatz der Inländerbehandlung ausgenommen werden, wie sie auf nationaler und regionaler Ebene in zahlreichen EG-Staaten sowie im Rahmen des MEDIA-Programms der Europäischen Gemeinschaft vorgesehen sind. Zwar fließen diese Fördermittel nicht unmittelbar an die Filmproduzenten als „Erzeuger“ des Films, sondern an die Vertriebsunternehmen, so dass man dem Wortlaut nach die Anwendbarkeit dieser Ausnahmevorschrift bezweifeln könnte. Allerdings ist die Vertriebsförderung im Rahmen des Subventionsabkommens SCM der unmittelbaren Produktionsförderung, wie dargelegt (siehe oben 1.a)), 51 Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 755, Van Harpen, 4 Minnesota Journal of Global Trade 1995, 165, 192; unklar: Herold, iris-plus (6)2003, 2, 4.
228
F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
gleichzustellen. Die Förderung der Vertriebsunternehmen stellt sich als Subventionierung von Handelsunternehmen dar, die sich in gleicher Weise auf die Wettbewerbsverhältnisse des Handels mit der betreffenden Ware auswirkt, wie eine unmittelbare Förderung der Produzenten. Vor diesem Hintergrund erscheint es konsequent, die Vertriebsförderung auch im Rahmen des Art. III:8(b) GATT 1994 entsprechend der direkten Produktionsförderung zu behandeln.52 Fraglich ist hingegen, ob auch bei Formen indirekter Förderung durch Gewährung von Steuervorteilen entsprechend dem französischen SOFICA-Modell Differenzierungen nach der Herkunft des Films nach Art. III:8(b) GATT 1994 gerechtfertigt werden können. Die Anwendung des Art. III:8(b) GATT-1994 scheitert zwar nicht schon daran, dass diese Steuervergünstigung unmittelbar zunächst den SOFICA-Anteilseignern für ihre Investitionen in die Filmproduktion gewährt werden. Denn wie dargelegt (siehe oben 1.c)) sind die Vergünstigungen mittelbar auch als Subvention im Sinne des Art. 1 SCM gegenüber den Filmproduzenten selbst anzusehen. Danach könnten diese indirekten Formen der Filmförderung auch im Rahmen des Art. III:8(b) GATT-1994 als inländischen Erzeugern gewährte Subventionen aufgefasst werden. Allerdings liegt der Regelung des Art. III:8(b) GATT-1994 nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body ein engerer Subventionsbegriff zugrunde als dem Subventionsabkommen SCM. Nach der Entscheidung im Fall Canada – Certain Measures Concerning Periodicals gilt die Ausnahme des Art. III:8(b) GATT-1994 nur für Subventionen, die mit unmittelbaren finanziellen Aufwendungen der Regierung („expenditure of revenue by a government“) verbunden sind. Der staatliche Verzicht auf Steuer- oder sonstige Einnahmen stellt keine unmittelbare finanzielle Aufwendung in diesem Sinne dar, so dass die Entscheidung des Appellate Body neben anderen Formen indirekter Förderung insbesondere steuerliche Vorschriften vom Anwendungsbereich des Art. III:8(b) GATT 1994 ausgenommen hat53 (siehe dazu oben C.I.4.c)aa)). Zur Begründung bezieht sich das Appellate Body vor allem auf den zweiten Halbsatz des Art. III:8(b) GATT 1994, wonach Subventionen für inländische Erzeuger auch aus inneren Abgaben finanziert werden können, sofern diese unterschiedslos auf inländische Waren und solche aus anderen WTO-Mitgliedern erhoben werden, sowie auf die diesen Grundsatz bekräftigende Entstehungsgeschichte der Norm. Nach Ansicht des Appellate Body sind daher die Zahlung von Subventionen in Form unmittelbarer finanzieller Aufwendungen der Regierung und abgabenrechtliche Regelungen getrennt zu beurteilen und ist die Ausnahmeregelung des Art. III:8(b) GATT 1994 auf letztere nicht anzuwenden.54 Dabei hatte das Ap52 Im Ergebnis ebenso: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 203 f.; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 179. 53 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, Abschnitt VII. nach Fn. 73. 54 WTO Appellate Body, Canada – Certain Measures Concerning Periodicals, WT / DS31 / AB / R, vom 30. Juni 1997, Abschnitt VII. bei Fn. 74.
I. Die finanzielle Förderung von Produktion und Vertrieb
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pellate Body primär wohl Konstellationen im Sinn, in denen Waren aus anderen WTO-Mitgliedern nach der Einfuhr hinsichtlich innerer Abgaben im Sinne des Art. III:2 GATT 1994 weniger günstig behandelt werden als inländische Waren, wie dies etwa bei der Erhebung von Sonderabgaben oder Verbrauchssteuern denkbar ist. Es bestehen allerdings keine Anhaltspunkte, dass das Appellate Body von einer Anwendung dieses Grundsatzes im Falle abgabenrechtlicher Vorschriften, die sich bereits auf die Produktion der Waren beziehen, absehen würde. Daher ist davon auszugehen, dass indirekte Fördermaßnahmen, die wie das französiche SOFICA-Modell Steuervorteile für die Investition in inländische Filmproduktionen gewähren, nicht nach Art. III:8(b) GATT-1994 gerechtfertigt werden können.55
b) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 aa) Die konkrete Anwendung des Grundsatzes der Meistbegünstigung Die Maßnahmen der nationalen und regionalen Produktionsförderung geraten in zweierlei Hinsicht mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1, III:4 GATT-1994 in Konflikt. Dies betrifft zunächst die Öffnung der Fördermittel für Produzenten aus anderen EG-Staaten, die in dem subventionsgewährenden Staat lediglich eine Niederlassung haben (siehe oben D.II.1.), nicht aber für Unternehmen aus anderen WTO-Mitgliedern mit einer entsprechenden Niederlassung. Welthandelsrechtlich ist die Herkunft dieser Filme, wie gezeigt (siehe oben E.I.1.a)bb)), nach dem Sitz des jeweiligen Produktionsunternehmens – und nicht nach seiner inländischen Niederlassung – zu bestimmen. Damit werden insoweit Filme aus anderen EG-Staaten hinsichtlich des Zugangs zu den Produktionsfördermitteln der EG-Staaten günstiger behandelt als Filme aus anderen WTO-Mitgliedern. Dies ist mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994, wonach Waren aus einem WTO-Mitglied unter anderem hinsichtlich sämtlicher wettbwerbsrelevanter innerstaatlicher Vorschriften im Sinne des Art. III:4 GATT-1994 nicht weniger günstig behandelt werden dürfen, als Waren aus einem beliebigen Drittstaat, grundsätzlich unvereinbar. Ein weiterer Anwendungsfall der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 ergibt sich aus der Behandlung von Koproduktionen und Kofinanzierungen im Rahmen der Produktionsförderung. Wie dargestellt, erhalten zu den nationalen und regionalen Produktionsfördermitteln der EG-Mitgliedstaaten unter den Bestimmungen des jeweiligen nationalen Rechts auch bestimmte internationale Koproduktionen und Kofinanzierungen Zugang, an denen neben einem inländischen Pro55 So auch: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 265; Graber, Audio-Visual Policy, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 165, 188.
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duzenten auch Produzenten aus anderen Ländern beteiligt sind. Dabei gelten für Produktionen, die im Rahmen eines bi- oder multilateralen Koproduktions- oder Kofinanzierungsabkommens durchgeführt werden, gegenüber sonstigen Kooperationen günstigere Bedingungen. Insoweit werden nach Maßgabe des jeweiligen Abkommens geringere Anforderungen an die Mindestbeteiligung des inländischen Produzenten gestellt (siehe oben D.II.1.). Produktionen, an denen Produzenten aus Vertragsstaaten eines solchen Kooperationsabkommens beteiligt sind, erhalten also unter erleicherten Bedingungen Zugang zu nationalen Fördermitteln als Produktionen, an denen Produzenten aus anderen Staaten beteiligt sind. In der Literatur wurden die sich daraus ergebenden Probleme der Vereinbarkeit mit den welthandelsrechtlichen Vorschriften zur Meistbegünstigung bisher nur im Zusammenhang des Dienstleistungsabkommens GATS behandelt.56 Dies ist angesichts der parallelen Anwendbarkeit von GATT-1994 und GATS auf den internationalen Film- und Programmhandel nicht überzeugend. Wie im Zusammenhang mit der Behandlung von Koproduktionen und Kofinanzierungen im Rahmen der französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme herausgearbeitet (siehe oben E.I.1.a)cc)(5)), ist für die Zwecke des Warenhandelsabkommens GATT-1994 die welthandelsrechtliche Herkunft solcher Produktionen danach zu beurteilen, in welchem Land der Koproduzent seinen Sitz hat, der künstlerisch-technisch sowie finanziell den größten Produktionsbeitrag erbringt. Damit führen die bei Koproduktionen und -finanzierungen nach Bestehen eines entsprechenden Kooperationsabkommens differenzierenden Regeln dazu, dass Produktionen, die welthandelsrechtlich als Waren aus einem Vertragsstaat eines solchen Abkommens anzusehen sind, unter leichteren Bedingungen Zugang zu den nationalen und regionalen Produktionsfördermitteln der EG-Staaten erhalten als Produktionen, die welthandelsrechtlich als Waren aus anderen WTO-Mitgliedern anzusehen sind. Auch dies ist mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1, III:4 GATT-1994 grundsätzlich unvereinbar. Entsprechendes gilt für die auf nationaler und regionaler Ebene für die Vertriebsförderung vergebenen Mittel, soweit diese – wie in Deutschland – unter denselben Voraussetzungen wie die Produktionsfördermittel auch für den Vertrieb von internationalen Koproduktionen und Kofinanzierungen zugänglich sind. Im Rahmen des französischen SOFICA-Modells werden Steuervergünstigungen teilweise auch für Investitionen in Koproduktionen mit Produktionspartnern aus anderen EG-Mitgliedstaaten vergeben (siehe oben D.II.1.). Insoweit führt auch diese indirekte Förderung zu einer nach Art. I:1, III:2 GATT-1994 unzulässigen Begünstigung von Filmen, die welthandelsrechtlich als Waren aus anderen EG-Mitgliedstaaten anzusehen sind. Auch die europäischen Förderprogramme MEDIA 2007 und Eurimages sind mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1, III:4 GATT-1994 nicht vereinbar. Hinsichtlich der Fördermaßnahmen des MEDIA-Programms der Europäi56
Vgl. etwa: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 275.
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schen Gemeinschaft ist dabei aber zu beachten, dass diese Mittel nicht durch die einzelnen Mitgliedstaaten, sondern unmittelbar durch die Europäische Gemeinschaft vergeben werden. Daher haben in diesem Zusammenhang Filme aus sämtlichen EG-Mitgliedstaaten als „inländische“ Filme zu gelten, so dass der Grundsatz der Meistbegünstigung insoweit keine Anwendung findet. Allerdings steht das Programm MEDIA 2007 nach Art. 8 Beschluss 1718 / 2006 / EG unter der Voraussetzung der Bereitstellung zusätzlicher Mittel auch bestimmten Staaten offen, die (noch) nicht EG-Mitglied sind. Filme aus diesen Staaten können also im Gegensatz zu Filmen aus anderen WTO-Mitgliedern Zugang zu den Fördermitteln erhalten. Insoweit ist daher auch das Programm MEDIA 2007 mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1, III:4 GATT-1994 unvereinbar.57 Hinsichtlich des Eurimages-Programms ergibt sich der Konflikt mit der Meistbegünstigung daraus, dass sich die Programmstaaten über die bereitgestellten Jahresbeträge jeweils auch an der Förderung von Filmproduktionen beteiligen, die welthandelsrechtlich als Waren aus anderen Programmstaaten anzusehen sind. Filme aus sonstigen WTO-Mitgliedstaaten haben hingegen keinen Zugang zu diesen Fördermitteln. bb) Entsprechende Anwendung des Art. III:8(b) GATT-1994 Zu prüfen ist, ob und inwieweit diese Verstöße gegen den Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. III:8(b) GATT-1994 gerechtfertigt werden können. Nach ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung ist diese Ausnahmeregelung zunächst auf den Grundsatz der Inländerbehandlung beschränkt. Die Anwendbarkeit auf den Grundsatz der Meistbegünstigung ergibt sich auch nicht daraus, dass Art. I:1 GATT-1994 ausdrücklich auf die Regelungen zur Inländerbehandlung in Art. III:2 und 4 GATT-1994 verweist.58 Denn die Regelung des Art. III:8 GATT1994 wird durch Art. I:1 GATT-1994 gerade nicht ausdrücklich in Bezug genommen.59 Allerdings entsprach es unter Geltung des GATT-1947 der Praxis der Vertragsparteien, die Ausnahme des Art. III:8(a) im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens auch auf die Meistbegünstigung zu erstrecken.60 Dies spricht dafür, auch die Ausnahmeregelung des Art. III:8(b) GATT-1994 über den Wortlaut hinaus auf den Grundsatz der Meistbegünstigung anzuwenden.61 Zunächst schließt der Wort57 Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 179; vgl. auch: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 204 f. 58 So aber für Art. III:8(a): Jackson, 10 Michigan Journal of International Law 1989, 207, 221. 59 So auch: Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 179. 60 Bender, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 9 Rn. 37. 61 Im Ergebnis ebenso: Cottier, ZUM 1994 Sonderheft, 749, 757; Herold, iris-plus (6)2003, 2, 4 f.; a.A.: Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medien-
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laut des Art. III:8(b) GATT-1994 anders als der Wortlaut der Ausnahmeregelung für Spielzeitkontingente für Kinofilme in Art. III:10, IV GATT-1994 (siehe oben E.I.1.a)cc)(3)) eine solche Erstreckung auf den Grundsatz der Meistbegünstigung nicht ausdrücklich aus. Die mit der Öffnung nationaler Subventionsprogramme für Waren aus bestimmten Drittländern verbundenen zusätzlichen Wettbewerbsverzerrungen gehen nicht über die Wirkungen hinaus, die mit einer bevorzugten Behandlung der Waren aus bestimmten Drittstaaten im Rahmen des öffentlichen Beschaffungswesens einhergehen. Daher wäre es nicht gerechtfertigt, die Regelung des Art. III:8(b) GATT-1994 mit Verweis auf den Wortlaut auf den Grundsatz der Inländerbehandlung zu beschränken, obwohl hinsichtlich des Art. III:8(a) GATT1994 unter vergleichbaren Bedingungen eine Erstreckung auf den Grundsatz der Meistbegünstigung von den WTO-Mitgliedern anerkannt ist. Damit lässt sich dem Art. III:8(b) GATT-1994 über den Wortlaut hinaus der Grundsatz entnehmen, dass Wettbewerbsverzerrungen, die durch direkte Subventionszahlungen an bestimmte Erzeuger hervorgerufen werden, welthandelsrechtlich – vorbehaltlich der Regelungen des Subventionsabkommens SCM – hinzunehmen sind. Dabei ist nicht entscheidend, ob diese nur an inländische Erzeuger oder darüber hinaus auch an Erzeuger aus bestimmten Drittstaaten gezahlt werden. Geht man damit von einer entsprechenden Anwendbarkeit des Art. III:8(b) GATT-1994 auf den Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 aus, können die mit den europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung verbundenen Abweichungen vom Grundsatz der Meistbegünstigung überwiegend nach dieser Vorschrift gerechtfertigt werden. Dies gilt wie im Rahmen der Inländerbehandlung (siehe oben a)bb)) sowohl für die direkte Produktionsförderung auf nationaler Ebene oder durch das Eurimages-Programm als auch für die Formen der direkten Vertriebsförderung durch die EG-Mitgliedstaaten sowie im Rahmen des MEDIA-Programms der Europäischen Gemeinschaft. Hinsichtlich indirekter Förderformen wie des französischen SOFICA-Modells ist auf Grundlage der Entscheidungspraxis des Appellate Body hingegen auch im Rahmen der Meistbegünstigung eine Rechtfertigung nach Art. III:8(b) GATT-1994 nicht möglich. cc) Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 Lehnt man hingegen entgegen der obigen Ausführungen eine entsprechende Anwendung des Art. III:8(b) GATT-1994 ab, können die Abweichungen vom Grundsatz der Meistbegünstigung überwiegend auch nicht nach Art. XXIV GATT-1994 gerechtfertigt werden. Für die differenzierende Förderung von Koproduktionen und Kofinanzierungen im Rahmen der regionalen und nationalen Produktionsförderung der EG-Mitgliedstaaten gilt dies zunächst, soweit über entsprechende bi- und multilaterale Kopropolitik?, 1998, S. 203 f.; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 179.
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duktions- und Kofinanzierungsabkommen auch Filme einen privilegierten Zugang zu Fördermitteln erhalten, die welthandelsrechtlich als Waren aus einem mit dem betreffenden EG-Staat über ein solches Kooperationsabkommen verbundenen Drittstaat anzusehen sind (siehe oben E.I.1.a)cc)(5)). Diese kulturellen Kooperationsverträge stellen keine Freihandelsabkommen im Sinne des Art. XXIV GATT-1994 dar und können eine Rechtfertigung daher nicht begründen.62 Doch auch soweit die EG-Staaten untereinander über solche Kooperationsabkommen verbunden sind und Koproduktionen mit mehrheitsbeteiligten Produzenten aus einem anderen Mitgliedstaat daher wechselseitig privilegierten Zugang zu ihren Fördermitteln gewähren, greift Art. XXIV GATT-1994 nicht durch. Denn eine Rechtfertigung nach dieser Vorschrift setzt nach der Entscheidungspraxis des Appellate Body nicht nur das Bestehen eines den Anforderungen des Art. XXIV:5, 8 GATT-1994 genügenden Freihandelsabkommens voraus. Darüber hinaus muss die fragliche vom Grundsatz der Meistbegünstigung abweichende Maßnahme für die Schaffung dieses Freihandelsabkommens auch erforderlich sein63 (siehe dazu oben C.I.4.b)cc)). Wie in Auseinandersetzung mit den französischen und spanischen Spielzeitkontingenten für Kinofilme bereits herausgearbeitet (siehe oben E.I.1.a)cc)(4)(c)), ist danach darauf abzustellen, ob die Maßnahme nach den Regelungen, die das betreffende regionale Handelsabkommen für die interne Handelsliberalisierung vorsieht, zwingend geboten ist. Daran fehlt es in diesem Zusammenhang. Die Notwendigkeit der Öffnung der nationalen Fördersysteme für Koproduktionen mit Mehrheitsbeteiligung aus anderen EG-Staaten ergibt sich keineswegs aus dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Nach der Kinomitteilung der Europäischen Kommission ergibt sich aus dem Gemeinschaftsrecht insoweit lediglich, dass die Fördermittel auch für Filmproduzenten zugänglich sein müssen, die ihren Sitz in einem anderen EG-Mitgliedstaat haben und in dem die Förderung gewährenden Staat lediglich eine Niederlassung oder Betriebsstätte unterhalten64 (siehe oben D.II.1.). Hinsichtlich der beihilferechtlichen Behandlung von Koproduktionen enthält die Kinomitteilung der Kommission keine Vorgaben. Grundlage der gegenseitigen Öffnung der nationalen Produktionsfördermittel für Koproduktionen sind damit auch im Verhältnis der EG-Staaten untereinander allein die einschlägigen Koproduktions- und Kofinanzierungsabkommen. Entsprechendes gilt für die Maßnahmen der Vertriebsförderung sowie der steuerlichen Produktionsförderung in den EG-Staaten, soweit diese Koproduktionen mit mehrheitsbeteiligten Partnern aus bestimmten EG- und / oder Drittstaaten privilegierten Zugang zu Fördermöglichkeiten gewähren. Cottier, ZUM 1994 Sonderheft, 749, 757; Herold, iris-plus (6)2003, 2, 4. WTO Appellate Body, Turkey – Restrictions on Imports of Textile and Clothing Products, WT / DS34 / AB / R, vom 22. Oktober 1999, Rn. 58. 64 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken, 26. September 2001, KOM(2001) 534 endgültig, Abschnitt 2.3.a). 62 63
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Auch hinsichtlich der Fördermaßnahmen auf europäischer Ebene ist eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 nicht möglich. Das Eurimages-Abkommen ist als Form der kulturellen Kooperation kein Freihandelsabkommen im Sinne dieser Vorschrift. Das EG-eigene Förderprogramm MEDIA 2007 ist nach Art. 8 Beschluss 1718 / 2006 / EG unter der Voraussetzung der Bereitstellung zusätzlicher Mittel für bestimmte Drittländer offen. Zwar ist die Europäische Gemeinschaft mit diesen Ländern teilweise über Freihandelsabkommen im Sinne des Art. XXIV GATT-1994 verbunden, so insbesondere mit den EWR-Staaten nach Art. 8 Abs. 1 lit. a des Beschlusses. Allerdings folgt die Verpflichtung zur Öffnung des MEDIAProgramms für diese Staaten nicht unmittelbar aus diesen Abkommen, so dass eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 auch insoweit ausscheidet. Eine Rechtfertigung nach Art. XXIV GATT-1994 wäre lediglich insoweit möglich, als die nationalen und regionalen Produktionsfördermittel für Produktionsunternehmen mit Sitz in anderen EG-Mitgliedstaaten geöffnet werden, die in dem subventionsgewährenden Staat eine Niederlassung unterhalten. Denn dieses Erfordernis ergibt sich, wie gezeigt (siehe oben D.II.1.), nach der Kinomitteilung der Kommission unmittelbar aus den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts 65 und ist damit nach den internen Liberalisierungsvorschriften des regionalen Handelsabkommens zwingend geboten. 3. Die Vereinbarkeit mit dem dienstleistungsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung Wie im Zusammenhang mit den Quotenregelungen für Fernsehprograme herausgearbeitet (siehe oben E.II.3.), enthält der Fernsehprogrammhandel neben der welthandelsrechtlichen Klassifikation als Warenhandel auch Elemente des Dienstleistungshandels. Entsprechendes gilt auch für den grenzüberschreitenden Handel mit Kinofilmen (vgl. dazu oben E.I.1.b)). Daher sind auf die hier untersuchten Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung neben den warenhandelsrechtlichen Vorschriften von GATT-1994 und SCM auch die dienstleistungsrechtlichen Vorschriften des GATS anzuwenden. Insoweit ist zunächst festzuhalten, dass sich aus den subventionsrechtlichen Vorschriften des GATS zumindest gegenwärtig keine Einschränkungen ergeben.66 Wie dargestellt (siehe oben C.II.5.), sieht das GATS materiellrechtliche Einschränkungen der Subventionspraxis im Bereich des Dienstleistungshandels bisher nicht vor. Nach Art. XV:2 S. 1 GATS hat ein WTO-Mitglied, das seine Interessen durch die Subventionspraxis eines anderen WTO-Mitglieds im Dienstleistungsbereich beein65 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken, 26. September 2001, KOM(2001) 534 endgültig, Abschnitt 2.3.a). 66 Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 181.
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trächtigt sieht, lediglich die Möglichkeit, dieses WTO-Mitglied um Konsultationen zu ersuchen. Zwar sieht Art. XV:1 GATS Verhandlungen über die Entwicklung subventionsrechtlicher Regelungen für den Dienstleistungsbereich vor. Wie gezeigt haben die Verhandlungen der Doha-Runde insoweit aber noch nicht zu greifbaren Ergebnissen geführt (siehe oben C.II.5.). Des Weiteren wird im Rahmen der DohaRunde über die Entwicklung eines speziellen Subventionsabkommens für die audiovisuellen Medien verhandelt (siehe oben B.IV.2.c)), dessen Abschluss die Anwendung eines allgemeinen dienstleistungsrechtlichen Subventionsabkommens nach Art. XV:1 GATS ausschließen würde (vgl. dazu oben 1.a)). Einer näheren Untersuchung bedarf damit gegenwärtig nur die Vereinbarkeit mit den dienstleistungsrechtlichen Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS (dazu a)) sowie der Meistbegünstigung nach Art. II GATS (dazu b)).
a) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS aa) Die konkrete Anwendung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS Soweit die regionalen und nationalen Fördermittel der einzelnen EG-Staaten jeweils für Produktion und Vertrieb von inländischen Filmen oder Fernsehprogrammen, nicht aber von solchen aus anderen WTO-Mitgliedern zugänglich sind, ist dies mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS grundsätzlich unvereinbar. Entsprechendes gilt für die Fördermaßnahmen im Rahmen der Programme MEDIA 2007 und Eurimages. Hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale der Gleichartigkeit inländischer und ausländischer Filme und Fernsehprogramme sowie der wettbewerbsrelevanten Ungleichbehandlung kann entsprechend auf die Ausführungen zum warenhandelsrechtlichen Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. III GATT-1994 verwiesen werden (siehe oben 2.a)aa)), dem Art. XVII GATS insoweit weitgehend nachgebildet ist (siehe oben C.II.4.b)aa)). Darüber hinaus erfasst die Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS aber noch einen weiteren Aspekt der europäischen Maßnahmen zur Film- und Fernsehförderung. Wie dargelegt (siehe oben D.II.1.), sind die von den einzelnen EG-Staaten vergebenen Vertriebsfördermittel nicht nur überwiegend auf die Förderung des Vertriebs inländischer Filme beschränkt. Darüber hinaus sind sie in der Regel – so etwa in Deutschland – nur für Vertriebsunternehmen zugänglich, die ihren Sitz in dem jeweiligen subventionsgewährenden Staat oder einem anderen EG-Mitgliedsland haben. Damit werden inländische Vertriebsunternehmen gegenüber solchen aus anderen WTO-Mitgliedern, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören, entgegen der Vorgaben des Art. XVII GATS in wettbewerbsrelevanter Weise bevorzugt. Entsprechendes gilt für die Vertriebsförderung im Rahmen des Programms MEDIA 2007, die nur für Unternehmen zugänglich ist, die ihren Sitz in
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einem Programmstaat haben. Dass auch die Vertragsparteien von einer Anwendbarkeit des GATS auf Ungleichbehandlungen von Verleihunternehmen unterschiedlicher Herkunft ausgehen, zeigen die von der Europäischen Gemeinschaft eingeleiteten Konsultationen im Fall Canada – Measures Affecting Film Distribution Services.67 bb) Die Ausgestaltung der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS als spezifische Verpflichtung Wie dargestellt (siehe oben C.II.4.b)bb)), ist der Grundsatz der Inländerbehandlung jedoch als spezifische Verpflichtung ausgestaltet und gilt damit nicht uneingeschränkt für sämtliche Dienstleistungssektoren, sondern setzt die Aufnahme des jeweiligen Sektors in die Liste spezifischer Verpflichtungen nach Art. XX GATS voraus und steht des Weiteren unter dem Vorbehalt der darin festgelegten Bedingungen und Einschränkungen. Die Europäische Gemeinschaft hat im Rahmen der Uruguay-Runde im Bereich der als Unterfall der Kommunikationsdienstleistungen verstandenen audiovisuellen Dienstleistungen keine solchen spezifischen Verpflichtungen übernommen (siehe oben B.IV.2.b)). Damit ist der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS bei gegenwärtigem Stand der Handelsliberalisierung auf die Differenzierungen beim Zugang zu den europäischen Mitteln der Produktions- und Vertriebsförderung nicht anwendbar.68 Doch selbst, wenn die Europäische Gemeinschaft im Rahmen der Doha-Runde oder einer späteren Welthandelsrunde spezifische Verpflichtungen hinsichtlich audiovisueller Dienstleistungen übernehmen sollte, ergäbe sich daraus nicht ohne weiteres die Unvereinbarkeit dieser Regelungen mit der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS. Dies ergibt sich aus einer Bestimmung, die die Europäische Gemeinschaft ihrer Liste spezifischer Verpflichtungen im Rahmen der horizontalen und damit für sämtliche Sektoren geltenden Beschränkungen (siehe oben C.II.4.b)bb) und C.II.3.b)) vorangestellt hat.69 Danach gilt für die Inländerbehandlung im Rahmen der Dienstleistungs67 Canada – Measures Affecting Film Distribution Services, Request for Consultations by the European Communities, WT / DS117 / 1, vom 22. Januar 1998; vgl. dazu: Theune, in: Hilf / Oeter, WTO-Recht, 2005, § 35 Rn. 38; Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 114, 136 f. 68 Herold, iris-plus (6)2003, 2, 6; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 82. 69 Die Eintragung in der Spalte für Beschränkungen der Inländerbehandlung lautet: „Subsidies 3) [= commercial presence] None, other than for branches established in a Member State by a Non-Community company. Eligibility for subsidies from the Communities or Member States may be limited to juridical persons established within the territory of a Member State or a particular geographical subdivision thereof. [ . . . ] 4) [= presence of natural persons] To the extent that subsidies are made available to nat-
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erbringung in den Modalitäten der „commercial presence“ beziehungsweise der „presence of natural persons“ insofern eine Einschränkung, als die Vergabe von Subventionsmitteln durch die Gemeinschaft oder ihre Mitgliedstaaten auf juristische Personen, die ihren Sitz in einem EG-Mitgliedstaat haben, und natürliche Personen mit der Staatsangehörigkeit eines EG-Mitgliedstaates beschränkt werden kann.70 b) Die Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II GATS aa) Die konkrete Anwendung der Meistbegünstigung nach Art. II GATS Wie bereits bei Anwendung des Warenhandelsabkommens GATT-1994 (siehe oben 2.b)aa)) geraten die Maßnahmen der nationalen und regionalen Produktionsförderung auch im Rahmen des GATS in zweierlei Hinsicht mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung in Konflikt. Dies betrifft zunächst die Öffnung der Fördermittel für Produzenten aus anderen EG-Staaten, die in dem subventionsgewährenden Staat lediglich eine Niederlassung haben, nicht aber für Unternehmen aus anderen WTO-Mitgliedern mit einer solchen Niederlassung. Auch bei Anwendung des Dienstleistungsabkommens GATS ist, wie gezeigt (siehe oben E.II.2.a)), für die welthandelsrechtliche Herkunft solcher Filme auf den Sitz des Produktionsunternehmens – und nicht der Niederlassung – abzustellen. Damit werden insoweit Filme aus anderen EG-Staaten hinsichtlich des Zugangs zu den regionalen und nationalen Produktionsfördermitteln günstiger behandelt als Filme aus anderen WTO-Mitgliedern. Dies ist mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS grundsätzlich unvereinbar. Ein weiterer Anwendungsfall der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS ergibt sich aus der Behandlung von Koproduktionen und Kofinanzierungen im Rahmen der Produktionsförderung. Koproduktionen und Kofinanzierungen, die im Rahmen eines mit dem subventionsgewährenden Staat geschlossenen entsprechenden Kooperationsabkommens durchgeführt werden, erhalten gegenüber sonstigen Gemeinschaftsproduktionen unter erleichterten Bedingungen Zugang zu den nationalen Fördermitteln der EG-Mitgliedstaaten (siehe oben D.II.1.). Wie bereits im Zusammenhang mit den französischen und spanischen Spielzeitkontingenten herausgearbeitet (siehe E.I.1.b)), führt diese differenzierende Behandlung der Koproduktionen und Kofinanzierungen zu einer Besserstellung der Produktionsbeiträge von Produzenten aus Vertragsstaaten eines bi- oder multilateralen Kooperationsabkommens gegenüber Produktionsbeiträgen von Produzenten aus sonstigen ural persons, their availability may be limited to nationals of a Member State of the Communities.“ 70 Vgl. dazu: Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 756.
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WTO-Mitgliedern und ist damit mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS grundsätzlich unvereinbar.71 Wie bei Art. I:1 GATT-1994 (siehe oben 2.b)aa)) gilt dies entsprechend für die herkunftsbezogenen Differenzierungen im Rahmen der regionalen und nationalen Vertriebsförderung sowie indirekter Fördermaßnahmen nach Maßgabe des französischen SOFICA-Modells. Auch hinsichtlich der europäischen Programme MEDIA 2007 und Eurimages ergeben sich aus der Förderung von welthandelsrechtlich teilweise als auswärtig zu qualifizierenden Filmen in gleicher Weise wie bei Art. I:1 GATT-1994 Konflikte mit der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS. Wie im Zusammenhang mit der Inländerbehandlung bereits herausgearbeitet (siehe oben a)aa)), erfasst auch die Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS darüber hinaus noch einen weiteren Aspekt der Vertriebsförderung in den EG-Mitgliedsländern. Wie beispielsweise in Deutschland sind die Mittel der Vertriebsförderung häufig nicht nur für inländische Vertriebsunternehmen, sondern auch für solche mit Sitz in einem anderen EG-Staat zugänglich. Damit werden Vertriebsunternehmen aus anderen EG-Staaten entgegen Art. II:1 GATS gegenüber Vertriebsunternehmen aus anderen WTO-Mitgliedern günstiger behandelt. Entsprechendes gilt für die Vertriebsförderung im Rahmen des Programms MEDIA 2007, die nur für Unternehmen zugänglich ist, die ihren Sitz in einem Programmstaat haben. bb) Die Anlage zu Ausnahmen von Artikel II Wie dargestellt (siehe oben C.II.4.a)), ist der Grundsatz der Meistbegünstigung in Art. II:1 GATS anders als die Regelungen zu Marktzugang und Inländerbehandlung als allgemeine Verpflichtung ausgestaltet und gilt damit unabhängig von der Übernahme spezifischer Verpflichtungen grundsätzlich auch für den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen. Einschränkungen ergeben sich aber aus Art. II:2 GATS, wonach Maßnahmen beibehalten werden können, die den im Rahmen der Uruguay-Runde in der Anlage zu Ausnahmen von Artikel II vom jeweiligen WTOMitglied geltend gemachten Vorbehalten entsprechen. In Konsequenz des Agreement to Disagree zum Ende der Verhandlungen der Uruguay-Runde (siehe oben B.IV.2.b)) hat die Europäische Gemeinschaft hinsichtlich der audiovisuellen Dienstleistungen insgesamt acht solche Ausnahmen angemeldet (beigefügt als Anlage 1). Zwei dieser Ausnahmen wurden gezielt im Hinblick auf bi- und multilaterale Koproduktions- und Kofinanzierungsabkommen sowie staatenübergreifende Förderprogramme wie MEDIA und Eurimages formuliert. So gilt die vierte im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen geltend gemachte Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung für Maßnahmen, die auf der Grundlage solcher Kooperationsabkommen Inländerbehandlung für Pro71 Im Ergebnis ebenso: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 275.
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duktionen gewähren, die bestimmte Herkunftsanforderungen erfüllen. Und die fünfte im Rahmen der audiovisuellen Dienstleistungen geltend gemachte Ausnahme bezieht sich auf Maßnahmen, die hinsichtlich des Zugangs zu Fördermitteln staatenübergreifender Förderprogramme nach Maßgabe der jeweiligen Herkunftsregeln die Gewährung von Inländerbehandlung für bestimmte Produktionen vorsehen; dabei wird auf die Programme MEDIA und Eurimages ausdrücklich Bezug genommen. Damit hat die Europäische Gemeinschaft die audiovisuellen Dienstleistungen hinsichtlich bi- und multilateraler Koproduktions- und Kofinanzierungsabkommen sowie hinsichtlich der Förderprogramme MEDIA und Eurimages vom Anwendungsbereich der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS ausgenommen. Dass sie dabei als voraussichtliche Dauer der Maßnahmen einen unbegrenzten Zeitraum angegeben und sich vorbehalten hat, deren Anwendungsbereich durch Abschluss weiterer Kooperationsvereinbarungen beziehungsweise Ausweitung der Programme MEDIA und Eurimages nachträglich zu erweitern, steht der Wirksamkeit dieser Ausnahmen nicht entgegen (siehe oben E.II.2.b)bb)(2)). Damit sind die Abweichungen von der Meistbegünstigung, die sich aus der differenzierenden Behandlung internationaler Koproduktionen und Kofinanzierungen beziehungsweise im Rahmen der europäischen Förderprogramme MEDIA 2007 und Eurimages ergeben, nach Art. II:2 GATS gerechtfertigt.72 Diese Ausnahmen erfassen die dargestellten Abweichungen von der Meistbegünstigung jedoch nicht abschließend. Für die grundsätzliche Öffnung der nationalen und regionalen Produktions- und Vertriebsförderung für Unternehmen aus anderen EG-Staaten – im Falle der Produktionsförderung unter der Voraussetzung einer Niederlassung in dem subventionsgewährenden EG-Mitgliedsland – fehlen in der Liste der Europäischen Gemeinschaft nach Art. II:2 GATS entsprechende Ausnahmen. cc) Rechtfertigung nach Art. V GATS Insoweit ist daher weiter die Möglichkeit einer Rechtfertigung nach Art. V GATS zu prüfen. Danach können in entsprechender Anwendung der Entscheidung des Appellate Body zu Art. XXIV GATT-1994 Abweichungen vom Grundsatz der Meistbegünstigung gerechtfertigt werden, wenn diese Maßnahmen für die Schaffung eines den Voraussetzungen des Art. V GATS entsprechenden regionalen Dienstleistungsabkommens erforderlich sind (siehe oben C.II.6.b)cc)). Dabei ist auch im Rahmen des Art. V GATS grundsätzlich darauf abzustellen, ob diese Maßnahmen nach den Regelungen, die das regionale Dienstleistungsabkommen für die interne Handelsliberalisierung vorsieht, zwingend vorgeschrieben sind (siehe entsprechend zu Art. XXIV GATT-1994 oben E.I.1.a)cc)(4)(c)). 72 Sandberg, Unzulässiger Protektionismus in der europäischen Medienpolitik?, 1998, S. 243; Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 275; Cottier, ZUM Sonderheft 1994, 749, 757; Tietje, in: Grabitz / Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand 2006, E.27 Rn. 182.
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Wie gezeigt (siehe oben D.II.1.), ergibt sich das Erfordernis der Öffnung der nationalen Produktionsfördermittel für Unternehmen aus anderen EG-Staaten, die im subventionsgewährenden Staat eine Niederlassung errichten, nach der Kinomitteilung der Europäischen Kommission unmittelbar aus den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts.73 Vorbehaltlich der im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend möglichen Prüfung der Vereinbarkeit des EG-Vertrags mit den nach Art. V GATS an ein regionales Dienstleistungsabkommen zu stellenden Anforderungen (siehe dazu oben C.II.6.b)aa)) ist insoweit daher von einer Rechtfertigung nach Art. V GATS auszugehen. Fraglich erscheint eine Rechtfertigung nach Art. V GATS allerdings, soweit die nationalen Regelungen bei der Vertriebsförderung vorsehen, dass diese Mittel unabhängig von einer Niederlassung im Inland grundsätzlich auch für Vertriebsunternehmen mit Sitz in einem anderen EG-Staat zugänglich sind. Der Kino-Mitteilung der Europäischen Kommission lässt sich das Erfordernis der Öffnung der nationalen Vertriebsförderung für Vertriebsunternehmen aus anderen EG-Staaten nicht entnehmen. Vielmehr geht die Europäische Kommission offenbar davon aus, dass ein Zugang zu Fördermitteln eines EG-Staats für Unternehmen aus anderen EGMitgliedstaaten nur dann gemeinschaftsrechtlich geboten sein kann, wenn das Unternehmen in dem subventionsgewährenden Staat zumindest eine Niederlassung unterhält. Damit ist davon auszugehen, dass die Öffnung der nationalen Vertriebsförderung für Unternehmen mit Sitz in anderen EG-Staaten, wie sie etwa in Deutschland vorgesehen ist, nicht nach Art. V GATS gerechtfertigt werden kann.
II. Die Vorschriften zur Territorialisierung der Fördermittel Nachfolgend wird die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der Maßnahmen der Film- und Fernsehförderung insofern untersucht, als dabei eine Territorialisierung der Fördermittel durch eine regionale Bindung bestimmter Produktionsarbeiten beziehungsweise der Ausgaben eines Mindestanteils der Produktionskosten vorgesehen ist. Wie gezeigt (siehe oben D.II.1.), sehen die nationalen und regionalen Förderinstitute in den EG-Staaten eine solche Territorialisierung der Fördermittel in verschiedenen Formen vor. So ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme nationaler Fördermittel regelmäßig die zumindest weitgehende Durchführung der Atelierund Postproduktionsarbeiten durch ein Unternehmen aus dem subventionsgewährenden oder einem anderen EG-Staat. In Deutschland ergibt sich dies aus § 15 Abs. 2 Nr. 3 FFG. Bei den regionalen Fördermaßnahmen, wie sie in Deutschland 73 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission zu bestimmten Rechtsfragen im Zusammenhang mit Kinofilmen und anderen audiovisuellen Werken, 26. September 2001, KOM(2001) 534 endgültig, Abschnitt 2.3.a).
II. Die Vorschriften zur Territorialisierung der Fördermittel
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die Bundesländer gewähren, ist regelmäßig ein so genannter Regionaleffekt vorgesehen, wonach mindestens 100 bis 150 % der Fördersumme in dem betreffenden Bundesland auszugeben sind. Und auch Förderformen wie der zum 1. Januar 2007 eingerichtete Deutsche Filmförderfonds zielen auf einen solchen Regionaleffekt ab. Denn bei der Berechnung der danach erhältlichen Zuschüsse von 20% der Produktionskosten werden nur die in Deutschland anfallenden Herstellungskosten berücksichtigt. Wie bereits herausgearbeitet (siehe oben E.I.2.a)), dienen die von den Ateliers und Postproduktionsstudios an die Filmproduzenten erbrachten Leistungen zwar der Herstellung welthandelsrechtlich auch als Ware zu qualifizierender Kinofilme, werden aber selbst welthandelsrechtlich allein als audiovisuelle Dienstleistungen („motion picture production services“ nach der Services Sectoral Classification List) erfasst. Anwendbar ist insoweit daher lediglich das Dienstleistungsabkommen GATS, nicht aber das Warenhandelsabkommen GATT-1994. Bei den Regelungen, die pauschal eine regionale Bindung der Verwendung eines bestimmten Anteils des Produktionsbudgets vorsehen, ist die Abgrenzung von GATT-1994 und GATS nicht ganz so eindeutig. Denn der so gebundene Anteil des Produktionsbudgets wird nicht nur für Dienstleistungen in der betreffenden Region, sondern auch für im Rahmen der Produktion benötigte Waren verwendet. Allerdings führt die Mittelbindung insoweit lediglich dazu, dass diese Waren bei Einzelhändlern in der betreffenden Region zu erwerben sind. Differenzierungen nach der welthandelsrechtlichen Herkunft der Waren sind nicht vorgesehen. Daher kann die Prüfung auch insoweit auf das Dienstleistungsabkommen GATS beschränkt werden. Bei dieser Prüfung wird im Folgenden unterschieden zwischen Formen der regionalen Bindung bestimmter Atelier- und Postproduktionsarbeiten (dazu 1.) und Regelungen, die pauschal eine regionale Bindung der Verwendung eines bestimmten Anteils der Produktionsgesamtkosten vorsehen (dazu 2.).
1. Die regionale Bindung bestimmter Atelierund Postproduktionsarbeiten Hinsichtlich der regionalen Bindung bestimmter Atelier- und Postproduktionsarbeiten, wie sie etwa § 15 Abs. 2 Nr. 3 FFG vorsieht, kann auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der welthandelsrechtlichen Beurteilung der französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme verwiesen werden (siehe oben E.I.2.). Indem der Zugang zu den Fördermitteln von der Durchführung dieser Arbeiten durch im Inland beziehungsweise einem anderen EG-Mitgliedstaat ansässige Unternehmen abhängig gemacht wird, werden Unternehmen aus anderen WTO-Mitgliedern in wettbewerbsrelevanter Weise benachteiligt. Dies ist mit den Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS sowie der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS grundsätzlich unvereinbar. Allerdings hat die Europäische
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen bisher keine spezifischen Verpflichtungen übernommen, so dass die Inländerbehandlung bei gegenwärtigem Stand der Handelsliberalisierung insoweit nicht anwendbar ist. Die Meistbegünstigung ist hingegen als allgemeine Verpflichtung ausgestaltet und damit auch auf den Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen grundsätzlich anwendbar. Wie bereits herausgearbeitet (siehe oben E.I.2.c)aa)) kann die Abweichung von der Meistbegünstigung auch nicht durch eine der von der Europäischen Gemeinschaft im Rahmen der Uruguay-Runde angemeldeten Ausnahmen nach Art. II:2 GATS gerechtfertigt werden. Auch eine Rechtfertigung nach Art. V GATS ist nicht möglich, da die Erstreckung der Vorzugsbehandlung inländischer Atelier- und Postproduktionsunternehmen auf solche aus anderen EG-Staaten gemeinschaftsrechtlich nicht geboten ist (siehe oben E.I.2.c)bb)).
2. Die regionale Bindung eines bestimmten Anteils der Produktionsgesamtkosten Auf die Regelungen, die pauschal eine regionale Bindung eines bestimmten Anteils der Produktionsgesamtkosten vorsehen, können diese Ausführungen nicht ohne weiteres übertragen werden. Zunächst ordnen die Förderbedingungen insoweit regelmäßig eine Bindung der Mittelverwendung im Inland – so im Fall des Deutschen Filmförderfonds – beziehungsweise innerhalb der subventionsgewährenden regionalen Untereinheit – so im Fall der Förderung durch die deutschen Bundesländer – an. Die Mittelverwendung im EG-Ausland wird der Verwendung im Inland nicht gleichgestellt. Damit kommt eine Unvereinbarkeit dieser Regelungen mit dem Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS nicht in Betracht. Eine wettbewerbsrelevante Vorzugsbehandlung ist mit diesen Regelungen allein hinsichtlich inländischer Anbieter verbunden. Indem die Gewährung der Fördermittel beziehungsweise deren Höhe von der Verwendung eines bestimmten Anteils der Gesamtproduktionskosten im Inland abhängig machen, wird für die Filmproduzenten ein Anreiz geschaffen, die insoweit berücksichtigungsfähigen Leistungen im Inland nachzufragen. Dadurch werden Anbieter gleichartiger Leistungen aus anderen WTO-Mitgliedern in wettbewerbsrelevanter Weise benachteiligt. Dies ist mit dem Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS grundsätzlich unvereinbar. Wie bereits mehrfach dargestellt, ist die Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS aber als spezifische Verpflichtung ausgestaltet, deren Anwendung die Übernahme einer entsprechenden Verpflichtung in dem jeweiligen Dienstleistungssektor voraussetzt und des Weiteren unter dem Vorbehalt der insoweit geltend gemachten Bedingungen und Einschränkungen steht. Soweit sich die regionale Bindung der Mittelverwendung auf audiovisuelle Dienstleistungen wie Atelierund Postproduktionsarbeiten und Ähnliches bezieht, ist der Grundsatz der Inländerbehandlung danach nicht anwendbar. Denn wie gezeigt, hat die Europäische
II. Die Vorschriften zur Territorialisierung der Fördermittel
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Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen bisher keine spezifischen Verpflichtungen übernommen. Doch geht der Anwendungsbereich der Regelungen zur regionalen Bindung eines Anteils der Gesamtproduktionskosten über audiovisuelle Dienstleistungen in diesem Sinne hinaus. Im Rahmen einer Filmproduktion werden nämlich vielfach auch Leistungen nachgefragt, die nach der Services Sectoral Classification List anderen Dienstleistungssektoren zuzuordnen sind. Dies betrifft etwa Catering-, Wäscherei- und ähnliche Dienstleistungen. Damit reicht der Hinweis auf die fehlende Übernahme spezifischer Verpflichtungen im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen nicht aus, um die Regelungen zur pauschalen regionalen Bindung eines bestimmten Produktionskostenanteils von der Anwendung des Grundsatzes der Inländerbehandlung insgesamt auszunehmen. Wie oben dargelegt, führen die Regelungen einer pauschalen Mittelbindung insbesondere dazu, dass, soweit der so gebundene Anteil des Produktionsbudgets für im Rahmen der Produktion benötigte Waren verwendet wird, diese Waren bei Einzelhändlern in der betreffenden Region und damit im Inland zu erwerben sind. Die Leistungen dieser Einzelhändler werden in der Services Sectoral Classification List unter dem Oberbegriff der Distribution Services (Vertriebsdienstleistungen) als Retailing Services (Einzelhandelsdienstleistungen) erfasst.74 Hinsichtlich dieser Einzelhandelsdienstleistungen hat die Europäische Gemeinschaft in ihrer Liste nach Art. XX GATS spezifische Verpflichtungen zur Gewährung von Marktzugang und Inländerbehandlung übernommen. Aus dieser Liste ergibt sich, dass hinsichtlich der grenzüberschreitenden Erbringung von Einzelhandelsdienstleistungen – cross-border-supply nach Art. I:2(a) GATS (siehe dazu oben C.II.2.) – solche Verpflichtungen nur für den Vertrieb per Mailorder übernommen wurden. Hinsichtlich der passiven Dienstleistungsfreiheit – consumption abroad nach Art. I:2(b) GATS (siehe dazu oben C.II.2.) – unterliegen Marktzugang und Inländerbehandlung in der Europäischen Gemeinschaft hingegen keinerlei Beschränkungen. Damit findet der Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS also auf den Mailorder-Vertrieb von Waren aus anderen WTO-Mitgliedern in die Europäische Gemeinschaft sowie den unmittelbaren Auslandseinkauf von Bürgern und Unternehmen in anderen WTO-Mitgliedern Anwendung. Insoweit dürfen die Anbieter aus anderen WTO-Mitglieder und ihre Leistungen nicht weniger günstig behandelt werden als inländische Anbieter und ihre Leistungen. Wie gezeigt, führt die pauschale regionale Bindung eines bestimmten Produktionskostenanteils bei der Gewährung von Filmfördermitteln aber dazu, dass die Filmproduzenten ihren Warenbedarf – auch wo dies wirtschaftlich sinnvoll wäre – nicht per Mailorder oder im Wege des Auslandseinkaufs bei Einzelhändlern aus anderen WTO-Mitgliedern, sondern vorrangig bei inländischen Einzelhändlern decken. Diese wettbewerbsrelevante Ungleichbehandlung von Einzelhändlern aus anderen WTO-Mitgliedern ist mit Art. XVII GATS nicht vereinbar. 74 Services Sectoral Classification List, Note by the Secretariat, MTN.GNS / W / 120, vom 10. Juli 1991, Abschnitt 4.C.
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F. Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der EG
Es ist davon auszugehen, dass sich entsprechende Verstöße gegen den Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS auch in anderen Dienstleistungssektoren ergeben, in denen die Europäische Gemeinschaft spezifische Verpflichtungen übernommen hat. Damit sind die Regelungen, die die Gewährung von Fördermitteln oder deren Höhe pauschal von der Verwendung eines bestimmten Anteils der Produktionsgesamtkosten in der geschilderten Art und Weise abhängig machen, welthandelsrechtlich unzulässig.
III. Zusammenfassung Angesichts der bereits in Abschnitt E herausgearbeiteten parallelen Anwendbarkeit des Warenhandelsabkommens GATT-1994 und des Dienstleistungsabkommens GATS sind die Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in der Europäischen Gemeinschaft grundsätzlich sowohl an den Regelungen des GATT1994 als auch des GATS zu messen. Dabei hat die vorstehende Untersuchung gezeigt, dass angesichts des Umfangs und der Zielrichtung der Fördermaßnahmen in der Europäischen Gemeinschaft deren erfolgreiche Anfechtung auf Grundlage des warenhandelsrechtlichen Subventionsabkommens SCM nicht ausgeschlossen werden kann. Im Übrigen sind die Maßnahmen in einigen Teilen mit den warenhandels- und dienstleistungsrechtlichen Grundsätzen von Inländerbehandlung und Meistbegünstigung unvereinbar. Die in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung sind umfassend als spezifische Subventionen im Sinne der Art. 1 und 2 SCM anzusehen. Dieses warenhandelsrechtliche Subventionsabkommen erfasst nicht nur Maßnahmen der direkten Produktionsförderung, sondern auch den Vertrieb betreffende Fördermaßnahmen und Formen indirekter Förderung durch Steuervergünstigungen. Verbotene Subventionen im Sinne des Art. 3 SCM stellen die Fördermaßnahmen ganz überwiegend nicht dar, da ihre Gewährung nicht unmittelbar von der Ausfuhrleistung abhängig gemacht wird. Lediglich soweit im Rahmen des MEDIA-Programms der Europäischen Gemeinschaft die Gewährung von Vertriebsfördermitteln von dem vorherigen erfolgreichen Vertrieb eines Films auch in nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Programmstaaten abhängig gemacht wird, ist dies nach Art. 3 SCM unzulässig. Im Übrigen stellen sich die Fördermaßnahmen als anfechtbare Subventionen im Sinne der Art. 5 f. SCM dar. Danach kann ihre Beseitigung oder Abänderung verlangt werden, wenn sie nachteilige Auswirkungen auf die Interessen anderer WTO-Mitglieder verursachen. Die in diesem Zusammenhang erforderliche komplexe ökonomische Prüfung kann im Rahmen dieser Arbeit nicht vorgenommen werden. Die Beweislast im Zuge eines Streitbeilegungsverfahrens läge grundsätzlich bei dem eine Interessenschädigung geltend machenden WTO-Mitglied. Angesichts des Umfangs und der Zielrichtung der Fördermaßnahmen in der Europäischen Gemeinschaft kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diese nach-
III. Zusammenfassung
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teilige Auswirkungen auf die Ausfuhr US-amerikanischer Produktionen in die europäischen Märkte haben und damit auf der Grundlage der Art. 5(c), 6.3(a)(b) SCM von den USA erfolgreich angegriffen werden könnten. Darüber hinaus sind die in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung in einigen Aspekten mit dem warenhandels- und dienstleistungsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung unvereinbar. Bei der Gewährung der Fördermittel beziehungsweise der indirekten Förderung durch Steuervergünstigungen differenzieren die europäischen Fördermaßnahmen nahezu durchgehend nach dem Sitz der beteiligten Produktionsunternehmen. Die damit verbundenen Abweichungen von den warenhandelsrechtlichen Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. III:4, 2 GATT-1994 und der Meistbegünstigung nach Art. I:1 GATT-1994 können jedoch weitgehend nach Art. III:8(b) GATT-1994 gerechtfertigt werden. Zwar enthält diese Regelung ihrem Wortlaut nach lediglich eine Ausnahme von der Inländerbehandlung für an inländische Erzeuger gewährte Subventionen. Sie ist aber auch auf den Vertrieb betreffende Fördermaßnahmen und darüber hinaus auch entsprechend auf den Grundsatz der Meistbegünstigung anwendbar. Formen der herkunftsdifferenzierenden indirekten Förderung durch Steuervergünstigungen können nach der Spruchpraxis des Appellate Body hingegen nicht nach Art. III:8(b) GATT-1994 gerechtfertigt werden. Damit ist davon auszugehen, dass steuerliche Förderprogramme wie das französische SOFICA-Modell welthandelsrechtlich unzulässig sind. Eigenständige Bedeutung kommt dem dienstleistungsrechtlichen Grundsatz der Nichtdiskriminierung daneben in zwei Punkte zu. Zunächst sind die nationalen Vertriebsfördermittel in der Regel nur für inländische Vertriebsunternehmen und teilweise auch für solche aus anderen EG-Mitgliedstaaten zugänglich. Diese differenzierende Behandlung ist mit den Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS und der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS grundsätzlich unvereinbar. Allerdings hat die Europäische Gemeinschaft im Bereich der audiovisuellen Dienstleistungen bisher noch keine spezifischen Verpflichtungen übernommen und ist der Grundsatz der Inländerbehandlung damit insoweit nicht anwendbar. Der als allgemeine Verpflichtung ausgestaltete Grundsatz der Meistbegünstigung ist hingegen grundsätzlich auch auf die audiovisuellen Dienstleistungen anwendbar. Auch hat die Europäische Gemeinschaft hinsichtlich der Gewährung von Vertriebsfördermitteln keine entsprechende Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:2 GATS angemeldet. Eine Rechtfertigung nach Art. V GATS ist ebenfalls nicht möglich, da die Öffnung der Vertriebsfördermittel für in anderen EG-Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen gemeinschaftsrechtlich nicht geboten ist. Soweit die nationalen Regelungen der Vertriebsförderung eine solche Öffnung für Unternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten vorsehen, sind sie damit welthandelsrechtlich unzulässig. Entsprechendes gilt für die Vertriebsförderung des MEDIA-Programms der Europäischen Gemeinschaft, soweit diese auch Unternehmen gewährt wird, die in nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Programmstaaten ansässig sind.
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Von Bedeutung sind die dienstleistungsrechtlichen Vorschriften der Nichtdiskriminierung des Weiteren, soweit die Gewährung der Fördermittel in der Europäischen Gemeinschaft von einer regionalen Bindung bestimmter Atelier- und Postproduktionsarbeiten und / oder eines bestimmten Anteils der Produktionsgesamtkosten abhängig gemacht wird. Wie bereits im Zusammenhang mit den französischen und spanischen Spielzeitkontingenten für Kinofilme herausgearbeitet, ist die regionale Bindung von Atelier- und Postproduktionsarbeiten mit Abweichungen von den Grundsätzen der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS und – soweit die regionale Bindung wie in Deutschland auf Unternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten erstreckt wird – der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS verbunden. Mangels Übernahme spezifischer Verpflichtungen findet die Inländerbehandlung insoweit auf Maßnahmen in der Europäischen Gemeinschaft jedoch bisher keine Anwendung. Soweit die regionale Bindung dieser Arbeiten aber in Abweichung von der allgemein anwendbaren Meistbegünstigung auf Unternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten erstreckt wird, fehlt es an der Anmeldung einer entsprechenden Ausnahme nach Art. II:2 GATS. Auch eine Rechtfertigung nach Art. V GATS ist nicht möglich, da die vollständige Gleichstellung der Atelier- und Postproduktionsunternehmen aus anderen EG-Mitgliedstaaten nach der Kommissionspraxis gemeinschaftsrechtlich nicht geboten ist. Soweit die Gewährung der nationalen Fördermittel hingegen von der regionalen Bindung eines bestimmten Anteils der Produktionsgesamtkosten abhängig ist, betrifft dies regelmäßig die Mittelverwendung im Inland; eine Erweiterung der Mittelbindung auf andere EG-Mitgliedstaaten ist nicht vorgesehen. Daher ist diese Form der regionalen Bindung lediglich mit Abweichungen vom Grundsatz der Inländerbehandlung nach Art. XVII GATS, nicht aber vom Grundsatz der Meistbegünstigung nach Art. II:1 GATS verbunden. Da die regionale Bindung eines bestimmten Anteils der Produktionsgesamtkosten aber nicht nur für audiovisuelle Dienstleistungen wie Atelierarbeiten und Postproduktion relevant ist, sondern auch andere Dienstleistungssektoren betrifft, in denen die Europäische Gemeinschaft spezifische Verpflichtungen übernommen hat, ist davon auszugehen, dass eine solche pauschale Mittelbindung nach Art. XVII GATS unzulässig ist.
G. Zusammenfassung und Ausblick Aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft sind die Ergebnisse der vorstehenden Untersuchung unbefriedigend. Wie gezeigt, ist ausgehend von der bisherigen Spruchpraxis der WTO-Streitentscheidungsorgane davon auszugehen, dass die französischen und spanischen Spielzeitkontingente für Kinofilme in einigen Aspekten und die in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft aufgrund Art. 4 der Fernsehrichtlinie bestehenden Quotenregelungen für Fernsehprogramme insgesamt welthandelsrechtlich unzulässig sind (siehe oben E.III.). Hinsichtlich der in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung wurde herausgearbeitet, dass eine erfolgreiche Anfechtung dieser Maßnahmen durch die USA auf Grundlage des warenhandelsrechtlichen Subventionsabkommens SCM nicht ausgeschlossen werden kann und die Maßnahmen im Übrigen in einigen Teilen mit den warenhandels- und dienstleistungsrechtlichen Grundsätzen von Inländerbehandlung und Meistbegünstigung nicht vereinbar sind (siehe oben F.III.). Damit ist es der Europäischen Gemeinschaft trotz der im Rahmen der Uruguay-Runde mit großem Einsatz geführten Verhandlungen im Ergebnis nicht gelungen, die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der in der Gemeinschaft zugunsten des Bereichs der audiovisuellen Medien bestehenden Schutz- und Fördermaßnahmen sicherzustellen. Dies liegt im Wesentlichen daran, dass aufgrund der ausdrücklichen Regelung des Art. III:10, IV GATT-1994 sowie der Spruchpraxis des Appellate Body davon auszugehen ist, dass auf den Bereich der audiovisuellen Medien neben dem Dienstleistungsabkommen GATS auch das Warenhandelsabkommen GATT-1994 grundsätzlich parallel anwendbar bleibt. Festzuhalten bleibt allerdings auch, dass die USA, nachdem sie in Reaktion auf die Fernsehrichtlinie der Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1989 zunächst unter Berufung auf Art. III:4 GATT-1947 ein formales Konsultationsverfahren eingeleitet hatten, seit Gründung der Welthandelsorganisation noch keinen Versuch unternommen haben, gegen die in der Europäischen Gemeinschaft zugunsten der audiovisuellen Medien bestehenden Schutz- und Fördermaßnahmen im Wege eines welthandelsrechtlichen Streitbeilegungsverfahrens vorzugehen. Neben der wenig übersichtlichen Rechtslage dürfte dies vor allem auf US-amerikanische Befürchtungen hinsichtlich des politischen Flurschadens eines solchen konfrontativen Vorgehens im Bereich der audiovisuellen Medien und seiner möglichen Konsequenzen für die Entwicklung des Welthandelsrechts insgesamt zurückzuführen sein. Auch die von den USA im Rahmen der Doha-Runde im Zusammenhang mit den audiovisuellen Medien abgegebene Mitteilung vom 18. Dezember 2000 deutet auf eine Strategie hin, die eher auf einen Interessenausgleich denn auf unbedingte Konfrontation ab-
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zielt. Denn darin erkennen die USA zumindest formal das öffentliche Interesse an der Bewahrung und Förderung kultureller Werte und Identitäten an.1 Für die Praxis bedeutet dies, dass trotz der festgestellten teilweisen welthandelsrechtlichen Unzulässigkeit der in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Schutz- und Fördermaßnahmen für die audiovisuellen Medien zu einer Beseitigung oder Anpassung dieser Regelungen zumindest kurzfristig kein Anlass besteht. Mittelfristig wird es jedoch darauf ankommen, die Regelungen des Welthandelsrechts einerseits und die in der Europäischen Gemeinschaft bestehenden Maßnahmen zu Schutz und Förderung der audiovisuellen Medien andererseits in Übereinstimmung zu bringen. Für die Europäische Gemeinschaft gilt dies schon deshalb, da nicht auszuschließen ist, dass die USA unter sich ändernden politischen und / oder wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihre Zurückhaltung gegenüber einer konfrontativen Lösung des Konflikts unter Umständen aufgeben werden. Im Übrigen droht aber auch die Legitimität und damit die Effektivität des Welthandelsrechts insgesamt Schaden zu nehmen, wenn es dauerhaft nicht gelingt, hinsichtlich der Behandlung kultureller Produkte einschließlich der audiovisuellen Medien eine Lösung zu finden, die für die Gesamtheit der WTO-Mitglieder akzeptabel ist. Die Frage der welthandelsrechtlichen Behandlung der audiovisuellen Medien stellt sich als Teil der die politische und wissenschaftliche Diskussion zunehmend bestimmenden so genannten „Handel und“-Themen dar, bei denen die grundsätzlich rein ökonomischen Prinzipien des Welthandelsrechts mit nicht-wirtschaftlichen Werten wie entwicklungspolitischen Zielen, Umweltschutz, Arbeits- und Sozialstandards oder eben der kulturellen Vielfalt in Einklang gebracht werden müssen.2 Wie bereits dargestellt (siehe oben B.III.1.), beruht das Welthandelsrecht auf der klassischen Freihandelstheorie, wonach die im Zuge der Verwirklichung des Freihandels international optimierte Ressourcenallokation zu einer allseitigen Wohlstandssteigerung in sämtlichen beteiligten Volkswirtschaften führt. Eine schematische Anwendung dieser Theorie auf den Bereich der audiovisuellen Medien würde im Grundsatz bedeuten, dass die Produktion audiovisueller Produkte wie Kinofilme und Fernsehprogramme sich in den Ländern konzentriert, in denen sie am effektivsten durchzuführen ist. Nach der Logik der Freihandelstheorie hätten sich Länder, in denen audiovisuelle Produkte aufgrund höherer Produktionskosten oder eingeschränkter Distributionsmöglichkeiten nicht unter wettbewerbsfähigen Bedingungen hergestellt werden können, hingegen aus diesem Bereich weitgehend zurückzuziehen und die nationalen Ressourcen auf andere Bereiche, in denen komparativ ein Kostenvorteil besteht, zu verlagern. Faktisch würde dies unter den gegenwärtigen Umständen eine weitgehende Konzentration der audiovisuellen Produktion in den Vereinigten Staaten bedeuten. Der mit einer solchen international optimierten Ressourcenallokation verbundene Produktivitätsgewinn wäre nach der 1 Communication from the United States, Audiovisual and Related Services, S / CSS / W / 21, vom 18. Dezember 2000, Rn. 1. 2 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 287.
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Freihandelstheorie mit einer Wohlstandssteigerung in sämtlichen beteiligten Volkswirtschaften verbunden.3 Trotz der zwischen den WTO-Mitgliedern zumindest formal bestehenden Einigkeit über die grundsätzliche Gültigkeit der klassischen Freihandelstheorie, sind zahlreiche Länder jedoch nicht bereit, diese Konsequenzen im Bereich der audiovisuellen Medien zu akzeptieren. Dieser Widerstand gründet auf der besonderen inhaltlich-kulturellen Prägung auch massenmedialer Produkte wie Kinofilme und Fernsehprogramme und ihrer daraus resultierenden Bedeutung für Selbstverständnis und Diskursfähigkeit einer Gesellschaft. Ein hinreichender Anteil nationaler und / oder regionaler audiovisueller Produktion wird daher vielfach als wichtiger Bestandteil eines funktionierenden Gemeinwesens angesehen.4 Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht kann die damit erhobene Forderung nach einer Sonderbehandlung der audiovisuellen Medien im Rahmen des Welthandelsrechts mit Besonderheiten dieses Bereichs begründet werden, die eine funktionierende Selbstregulierung der audiovisuellen Märkte zu größtmöglichem Nutzen des Gemeinwesens beeinträchtigen. Zunächst wird darauf verwiesen, dass sich die Märkte für audiovisuelle Medien durch ausgeprägte Kollektivguteigenschaften auszeichnen.5 Als kollektive Güter werden in den Wirtschaftswissenschaften solche Güter verstanden, die sich gegenüber dem angenommenen Normalfall rein privater Güter durch die Merkmale der Nichtausschließbarkeit und der Nichtrivalität kennzeichnen. Nichtausschließbarkeit ist dabei anzunehmen, wenn bei Bereitstellung eines Gutes für einen Konsumenten die gleichzeitige Nutzung durch weitere Konsumenten nicht ausgeschlossen werden kann. Nichtrivalität hingegen bedeutet, dass die Nutzung eines Gutes durch einen Konsumenten die weitere Nutzung durch andere Konsumenten nicht beeinträchtigt. Da unter diesen Voraussetzungen der Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage nicht in der Lage ist, die betreffenden Güter in ausreichendem Maße bereitzustellen, besteht auf diesen Märkten eine Notwendigkeit für staatliche Intervention. Kinofilme und Fernsehprogramme als in unserem Zusammenhang relevante audiovisuelle Produkte stellen zwar im engen Sinne keine reinen Kollektivgüter dar. Insbesondere ist es durch den Verkauf von Kinokarten und die Verschlüsselung von Fernsehprogrammen durchaus möglich, auf den Kino- und Fernsehmärkten ein gewisses Maß an Ausschließbarkeit herzustellen. Die Märkte für Kinofilme und Fernsehprogramme weisen aber insofern Kollektivguteigenschaften auf, als sie durch ein hohes Maß an Nichtrivalität gekennzeichnet sind. Die Produktion audiovisueller Güter wie Kinofilme und Fernsehprogramme ist durch die mit der Herstellung der Master-Kopie verbundeVgl. dazu: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 60 f. Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 115, 135; Bishop, 29 New York University Journal of International Law and Politics 1996 / 97, 187; Grant / Wood, Blockbusters and Trade Wars, 2004, S. 59. 5 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 62 ff.; Baker, 78 North Carolina Law Review 2000, 1357, 1378 ff.; Grant / Wood, Blockbusters and Trade Wars, 2004, S. 56 ff.; kritisch dazu: Voon, 13 International Journal of Cultural Property 2006, 129, 137. 3 4
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nen hohen Fixkosten gekennzeichnet, während die mit der Bereitstellung des fertigen Produkts für weitere Verbraucher in Form der Filmvorführung oder Programmausstrahlung entstehenden Zusatzkosten gegen Null gehen. Daher tendieren die Märkte für Kinofilme und Fernsehprogramme in besonderer Weise dazu, primär Produkte hervorzubringen, die auf einen möglichst weit gefassten Markt abzielen und damit die Chancen auf eine Amortisation der Produktionskosten und die Erzielung eines möglichst hohen Profits verbessern. Diese Voraussetzung erfüllen unter den gegebenen Bedingungen weitaus am wirkungsvollsten die USamerikanischen Blockbusterproduktionen, die von vornherein auf eine weltweite Auswertung angelegt sind. Die Gewährleistung eines der – wenn auch geringeren, so doch vorhandenen – Nachfrage nach Filmen abweichender regionaler oder inhaltlicher Prägung entsprechenden Angebots ist aufgrund der aus inhaltlichen oder sprachlichen Gründen regional oder sonst begrenzten Auswertungsmöglichkeiten hingegen allein unter Marktbedingungen kaum möglich. Dies trifft in besonderem Maße die Filmindustrien kleiner Staaten. So reichten etwa die Erlöse des 1985 in die schweizer Kinos gekommenen und mit 250.000 Zuschauern für die dortigen Verhältnisse äußerst erfolgreichen Films „Höhenfeuer“ von Fredi M. Murer nicht aus, um die Produktionskosten von rund 1,2 Mio. Franken einzuspielen.6 Für die Begründung einer Sonderbehandlung der audiovisuellen Medien wird des Weiteren auf die bei Produktion und Konsum dieser Produkte entstehenden Externalitäten verwiesen. Von Externalitäten wird in der politischen Ökonomie grundsätzlich gesprochen, wenn Produktion und Konsum eines Gutes mit Nachteilen – negative Externalitäten – oder Vorteilen – positive Externalitäten – für andere Parteien als die an einer Transaktion unmittelbar beteiligten Produzenten und Konsumenten verbunden sind. In beiden Fällen vermag der Marktmechanismus nicht, einen den tatsächlichen gesamtgesellschaftlichen Kosten und Nutzen entsprechenden Preis zu bilden. In Fällen negativer Externalitäten tendiert der Markt zu einer Überproduktion des betreffenden Gutes, da die dritten Parteien entstehenden Kosten in den Marktpreis keinen Eingang finden. Bei Vorliegen positiver Externalitäten tendiert der Markt umgekehrt zu einer Unterproduktion, da der mit Produktion und Konsum solcher Güter verbundene gesamtgesellschaftliche Nutzen nur schwer in den vom einzelnen Verbraucher zu zahlenden Marktpreis eingestellt werden kann.7 Hinsichtlich der audiovisuellen Medien wird aufgrund der bereits angesprochenen inhaltlich-kulturellen Prägung dieser Güter und ihrer daraus resultierenden Bedeutung für die Diskursfähigkeit eines Gemeinwesens überwiegend vom Vorliegen entsprechender positiver Externalitäten ausgegangen, die eine staatliche Intervention auf diesen Märkten rechtfertigen können.8 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 63. Baker, 78 North Carolina Law Review 2000, 1357, 1391 f. 8 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 65 ff.; Footer / Graber, 3 Journal of International Economic Law 2000, 115, 135; Grant / Wood, Blockbusters and Trade Wars, 2004, S. 59; vgl. zu einer Untersuchung der Externalitäten kulturindustrieller Produkte aus sozialwissenschaftlicher Sicht: Baker, 78 North Carolina Law Review 2000, 6 7
G. Zusammenfassung und Ausblick
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Diese Erwägungen sprechen dafür, mittelfristig eine Weiterentwicklung des Welthandelsrechts anzustreben, die den dargestellten Besonderheiten des Bereichs der audiovisuellen Medien ausreichend Rechnung trägt. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang vielfach die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Öffnung des Welthandelsrechts für nicht-ökonomische Wertungen herausgestellt, die in anderweitigen völkerrechtlichen Instrumenten anerkannt sind, und dieser Prozess als Teil einer insgesamt zu beobachtenden Konstitutionalisierung des Völkerrechts beschrieben.9 Teilweise wird dabei unter Verweis auf in anderen völkerrechtlichen Instrumenten anerkannte Wertungen die Möglichkeit einer weitergehenden Berücksichtigung der kulturellen Aspekte des Handels mit audiovisuellen Produkten im Rahmen des WTO-Streitentscheidungsverfahrens auch ohne ausdrückliche Änderung des eigentlichen WTO-Rechts diskutiert.10 So wünschenswert die Herstellung einer größeren Einheit und Kohärenz der Völkerrechtsordnung insgesamt allerdings auch sein mag, erscheint dies jedenfalls mittelfristig nicht als gangbarer Weg, eine hinreichende Berücksichtigung der kulturellen Aspekte des Handels mit audiovisuellen Medien im Rahmen des Welthandelsrechts zu gewährleisten. Zum einen kann durch eine allein oder primär auf die WTOStreitentscheidungsorgane abstellende Perspektive die erforderliche Rechtssicherheit und -klarheit hinsichtlich der welthandelsrechtlichen Behandlung der audiovisuellen Medien nicht erreicht werden. Im Übrigen muss das UNESCO-Abkommen zum Schutz kultureller Vielfalt vorerst als (weitgehend) gescheiterter Versuch gelten, das Welthandelsrecht durch von außen kommende Wertungen für die kulturellen Aspekte des Handels mit audiovisuellen Produkten zu sensibilisieren.11 Wie dargestellt (siehe oben B.IV.3.b)), stehen im Rahmen des welthandelsrechtlichen Streitbeilegungsverfahrens die Regelungen des DSU einer Berücksichtigung von Wertungen anderweitiger völkerrechtlicher Instrumente ohne ausdrücklichen Anknüpfungspunkt im WTO-Recht entgegen. Eine auch in der Praxis belastbare Lösung erscheint daher mittelfristig nur durch eine entsprechende Anpassung oder Ergänzung unmittelbar der welthandelsrechtlichen Vorschriften möglich. Dabei werden im Wesentlichen zwei unterschiedliche Lösungswege diskutiert. Eine bereits aus den Verhandlungen der Uruguay-Runde bekannte Möglichkeit bestünde darin, die welthandelsrechtlichen Vorschriften um spezifische Ausnahmevorschriften zugunsten der kulturellen Vielfalt zu ergänzen.12 Wenn man wie hier 1357, 1392 ff.; auch insoweit kritisch: Voon, 13 International Journal of Cultural Property 2006, 129, 139. 9 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 294 ff.; Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 92 ff. 10 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 304 ff. 11 Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 352 f. 12 Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 321; Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 305.
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allerdings davon ausgeht, dass auf den Bereich der audiovisuellen Medien das Dienstleistungsabkommen GATS und das Warenhandelsabkommen GATT-1994 grundsätzlich nebeneinander anwendbar sind, würde die im Rahmen der UruguayRunde diskutierte Aufnahme einer kulturellen Ausnahme in das Dienstleistungsabkommen GATS allein nicht ausreichen, um eine hinreichende Berücksichtigung der kulturellen Aspekte des Handels mit audiovisuellen Medien im Rahmen des Welthandelsrechts sicherzustellen. Vielmehr wäre auch das Warenhandelsabkommen GATT-1994 um eine entsprechende, über die Regelung des Art. III:10, IV GATT-1994 hinausgehende Ausnahmevorschrift zu ergänzen.13 Allerdings ist während der Verhandlungen der Uruguay-Runde bereits die Einführung einer solchen allgemeinen kulturellen Ausnahme in das Dienstleistungsabkommen GATS am erbitterten Widerstand der USA gescheitert (siehe oben B.IV.2.). Daher erscheint es trotz der nunmehr weniger konfrontativen Haltung der USA äußerst unwahrscheinlich, dass diese bereit sein werden, der Aufnahme solcher Regelungen sowohl in das GATS als auch das GATT-1994 zuzustimmen. Im Übrigen ist angesichts der Tendenz der WTO-Streitentscheidungsorgane zu einer restriktiven Auslegung von Ausnahmevorschriften auch ungewiss, ob auf diesem Wege eine angemessene Berücksichtigung kultureller Aspekte im Rahmen des Welthandelsrechts tatsächlich wirkungsvoll gewährleistet werden könnte.14 Vielversprechender erscheint daher, die Problematik der welthandelsrechtlichen Behandlung der audiovisuellen Medien in einer die Unterscheidung zwischen Waren- und Dienstleistungshandel überbrückenden Sondervereinbarung zu regeln.15 In der Literatur werden insoweit vor allem die Möglichkeiten einer die Bedingungen für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit kulturpolitischer Maßnahmen für das GATT-1994 (einschließlich der warenhandelsrechtlichen Zusatzabkommen) und das GATS einheitlich regelnden Vereinbarung in Form eines Waiver, Annex oder eines spezifischen Understanding on Culture diskutiert, die über den Bereich der audiovisuellen Medien hinaus auch andere kulturindustrielle Güter erfassen sollen.16 Ob und mit welchem Inhalt eine solche Sondervereinbarung zukünftig realisiert werden kann, ist gegenwärtig nur schwer abzuschätzen. Die Verhandlungsposition der Europäischen Gemeinschaft wird von der offiziell vertretenen Auffassung geprägt, dass die warenhandelsrechtlichen Regelungen des GATT-1994 und der entsprechenden Zusatzabkommen auf den insgesamt als Dienstleistungssektor zu qualifizierenden Bereich der audiovisuellen Medien überwiegend nicht anwendbar seien und in Konsequenz des Agreement to Disagree dieser Bereich 13 Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 305 f.; anders insoweit: Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 328 ff. 14 Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 305 f.; Carmody, 30 Law and Policy in International Business 1999, 231, 309 f. 15 Carmody, 30 Law and Policy in International Business 1999, 231, 309 f.; Oeter, AfP 2005, 6, 12. 16 Neuwirth, The Cultural Industries in International Trade Law, 2006, S. 306 ff.; Graber, Handel und Kultur im Audiovisionsrecht der WTO, 2003, S. 321 ff.
G. Zusammenfassung und Ausblick
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bisher auch den Nichtdiskriminierungsvorschriften des GATS wirksam entzogen sei. Auch wenn diese Rechtsauffassung sich nach der hier vorgenommenen Untersuchung als in der Praxis kaum belastbar darstellt, ist aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft der Abschluss einer die audiovisuellen Medien betreffenden Sondervereinbarung nur sinnvoll, wenn dabei der kulturpolitische Spielraum der WTOMitglieder in substantiellem Umfang gewahrt bleibt. Umgekehrt darf jedoch als sicher gelten, dass die USA einer Regelung, die den Bereich der audiovisuellen Medien – oder weitergehend sämtlicher kulturindustrieller Güter – umfassend von den welthandelsrechtlichen Liberalisierungsvorschriften ausnimmt, unter keinen Umständen zustimmen werden.17 Die Kodifikation einer von den allgemeinen Regeln des GATT-1994 und des GATS abweichenden Sonderbehandlung der audiovisuellen Medien wäre aus Sicht der USA vielmehr nur unter der Voraussetzung akzeptabel, dass dabei hinreichend konkrete Maßstäbe – und Grenzen – für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit kulturpolitisch motivierter Schutzmaßnahmen festgeschrieben werden. Die in der Literatur bisher vorgestellten konkreten Vorschläge versuchen diesem Interessengegensatz dadurch Rechnung zu tragen, dass sie einerseits den WTO-Mitgliedern hinsichtlich der Definition ihrer kulturpolitischen Ziele einen breiten Spielraum einräumen, andererseits aber durch prozessuale und materielle Bedingungen gewährleistet werden soll, dass die zur Umsetzung dieser kulturpolitischen Ziele getroffenen Maßnahmen nicht mit unnötigen Behinderungen des internationalen Handels mit kulturindustriellen Gütern verbunden sind.18 Damit würden kulturpolitische Schutzmaßnahmen der WTO-Mitglieder grundsätzlich in weitem Umfang zugelassen, dabei aber unter den Vorbehalt einer Art Verhältnismäßigkeitsprüfung gestellt, deren konkrete Handhabung durch die WTOStreitentscheidungsorgane sich nur schwer voraussehen lässt. Daher bleibt abzuwarten, ob sich die WTO-Mitglieder, und insbesondere die Europäische Gemeinschaft einerseits und die USA andererseits, auf einen solchen abstrakten Maßstab der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit kulturpolitisch motivierter Maßnahmen im Bereich der audiovisuellen Medien einigen können. Eine andere mit einem höheren Maß an Rechtssicherheit verbundene Möglichkeit bestünde darin, konkrete Bedingungen für die welthandelsrechtliche Zulässigkeit der verschiedenen Arten kulturpolitischer Schutzmaßnahmen zu entwickeln. Dabei könnte man sich an dem im Rahmen des UNESCO-Abkommens zum Schutz der kulturellen Vielfalt entwickelten – nicht abschließenden – Katalog grundsätzlich legitimer kulturpolitischer Maßnahmen (siehe dazu oben B.IV.3.a)) orientieren. Freilich erfordert ein derart detaillierter Regelungsansatz einen besonders hohen Verhandlungsaufwand und ist daher in der praktischen Umsetzung ebenfalls mit erheblichen Schwierigkeiten konfrontiert. Einen ersten Schritt in diese Richtung könnte im Rahmen der laufenden Doha-Runde dennoch gerade der Oeter, AfP 2005, 6, 12. Voon, 13 International Journal of Cultural Property 2006, 129, 143 ff.; Carmody, 30 Law and Policy in International Business 1999, 231, 309 ff., vgl. zu einem ausformulierten Entwurf eines entsprechenden Waiver: ebd., 315 ff. 17 18
254
G. Zusammenfassung und Ausblick
auf den Abschluss eines speziellen Subventionsabkommens für den Bereich der audiovisuellen Medien gerichtete Vorschlag der USA (siehe dazu oben B.IV.2.c)) weisen. Wie dargestellt (siehe oben F.I.1.a)), wäre bei Abschluss eines solchen Abkommens die Anwendung des allgemeinen warenhandelsrechtlichen Subventionsabkommens SCM auf die Maßnahmen zur finanziellen Film- und Fernsehförderung unabhängig von der Qualifikation des Film- beziehungsweise Fernsehprogrammhandels als Waren- und / oder Dienstleistungshandel nach dem Spezialitätsgrundsatz ausgeschlossen. Die Bedingungen der welthandelsrechtlichen Zulässigkeit derartiger finanzieller Fördermaßnahmen zugunsten des Bereichs der audiovisuellen Medien wären daher abschließend in einem solchen Abkommen festzulegen. Die USA gehen offenbar davon aus, dass sich ein solches spezielles Subventionsabkommen für die audiovisuellen Medien im Wesentlichen an den Regelungen des allgemeinen warenhandelsrechtlichen SCM zu orientieren hätte.19 Aus Sicht der Europäischen Gemeinschaft ist der Abschluss eines solchen Abkommens aber nur sinnvoll, wenn dabei die Subventionierung der audiovisuellen Medien in einem weiteren Umfang zugelassen wird als nach Art. 5 ff. SCM. Wie dargelegt (siehe oben F.I.1.e)), sind die Förderprogramme in der Europäischen Gemeinschaft gezielt auf eine Steigerung der Marktanteile europäischer Produktionen angelegt. Negative Auswirkungen auf den Absatz US-amerikanischer Filme und Fernsehprogramme im Sinne des Art. 5 SCM können daher nicht ausgeschlossen werden. Vorbild für ein sektorspezifisches Subventionsabkommen hinsichtlich der audiovisuellen Medien können daher aus europäischer Sicht nur die – außer Kraft getretenen – Regelungen hinsichtlich nichtanfechtbarer Subventionen nach Art. 8 f. SCM sein. Auch die USA scheinen diese Vorschriften im Blick zu haben, wenn sie in ihrer Mitteilung vom 18. Dezember 2000 auf bestimmte Regelungen des Welthandelsrecht abstellen, „which recognize the use of carefully circumscribed subsidies for specifically defined purposes, all the while ensuring that the potential for trade distortive effects is effectively contained or significantly neutralized.“20
Insofern scheint in diesem Punkt eine Einigung zwischen der Europäischen Gemeinschaft einerseits und den USA andererseits tatsächlich möglich. Die konkrete Ausgestaltung der Zulässigkeitsbedingungen von Subventionen im Bereich der audiovisuellen Medien könnte sich dabei an den Vorgaben der Kinomitteilung der Europäischen Kommission orientieren, die insbesondere Beschränkungen für den maximal zulässigen Anteil der Fördermittel sowie der Territorialbindung am gesamten Produktionsbudget vorsieht (siehe dazu oben D.II.1.). 19 Communication from the United States, Audiovisual and Related Services, S / CSS / W / 21, vom 18. Dezember 2000, Rn. 10; vgl. dazu: Graber, Audio-Visual Policy, in: Geradin / Luff, The WTO and Global Convergence in Telecommunications and Audio-Visual Services, 2004, 165, 167 f. 20 Communication from the United States, Audiovisual and Related Services, S / CSS / W / 21, vom 18. Dezember 2000, Rn. 10.
G. Zusammenfassung und Ausblick
255
Die praktische Diskussion um die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien ist seit den Auseinandersetzungen im Rahmen der Verhandlungen der Uruguay-Runde bisher bedauerlicherweise nicht entscheidend vorangekommen. Da aber aufgrund zu befürchtender Nebenwirkungen auf den Entwicklungsprozess des Welthandelsrechts insgesamt gegenwärtig weder die USA noch die Europäische Gemeinschaft an einer erneuten Eskalation interessiert sein können, steht zu hoffen, dass mittelfristig beide Parteien bereit sein werden, sich zu einer konstruktiven Lösung dieses Konflikts durchzuringen, deren Möglichkeiten und Grundzüge vorstehend kurz skizziert wurden. Dabei gilt es auch zu bedenken, dass ein eventuelles Scheitern der als Entwicklungsagenda deklarierten Verhandlungen der Doha-Runde an der Auseinandersetzung über die welthandelsrechtliche Behandlung der audiovisuellen Medien gegenüber den die große Mehrheit der WTO-Mitglieder stellenden Entwicklungsländern, die sich von dieser Verhandlungsrunde entscheidende Impulse für eine größere Teilhabe an der Entwicklung des Welthandels erhoffen, kaum zu verantworten wäre.
Description of measure indicating its inconsistency with Article II
Redressive duties which may be imposed in order to respond to unfair pricing practices, by certain third countries distributors of audiovisual works.
Measures taken to prevent, correct or counterbalance adverse, unfair or unreasonable conditions or actions affecting EC audiovisual services, products or service providers, in response to corresponding or comparable actions taken by other Members.
Measures which define works of European origin, in such a way as to extend national treatment to audiovisual works which meet certain linguistic and origin criteria regarding access to broadcasting or similar forms of transmission.
Sector or Sub-Sector
Audiovisual services – Distribution of audiovisual works
Audiovisual services
Audiovisual Services – Production and distribution of audiovisual works through broadcasting or other forms of transmission to the public.
Parties to the Council of Europe Convention on Transfrontier Television or other European countries with whom an agreement may be concluded.
All Members
All Members
Countries to which the measure applies
Indefinite. Exemption needed, for certain countries only until an economic integration agreement is concluded or completed.
Indefinite The need for exemption will lapse together with corresponding exemptions from other Members
Indefinite
Intended duration
List of Article II MFN Exemptions – European Community 12
Anlage 1
The measures aim, within the sector, to promote cultural values both within EC Member States and with other countries in Europe, as well as achieving linguistic policy objectives
Need to protect the European Communities and their Member States from adverse, unfair or unreasonable unilateral actions from other Members
Unfair pricing practices may cause serious disruption to the distribution of European works
Conditions creating the need for the exemption
256 Anlage 1
Description of measure indicating its inconsistency with Article II
Measures based upon governmentto-government framework agreements, and plurilateral agreements, on coproduction of audiovisual works, which confer National Treatment to audiovisual works covered by these agreements, in particular in relation to distribution and access to funding.
Measures granting the benefit of any support programmes (such as Action Plan for Advanced Television Services, MEDIA or EURIMAGES) to audiovisual works, and suppliers of such works, meeting certain European origin criteria.
Sector or Sub-Sector
Audiovisual Services – Production and distribution of cinematographic works and television programmes
Audiovisual Services – Production and distribution of television programmes and cinematographic works European countries
All countries with whom cultural cooperation may be desirable (agreements already exist, or are being negotiated, with the following countries: Algeria, Angola, Argentina, Australia, Brazil, Burkina Faso, Canada, Cape Verde, Chile, Côte d’Ivoire, Colombia, Cuba, Egypt, Guinea Bissau, India, Israel, Mali, Mexico, Morocco, Mozambique, New Zealand, Sao Tomé e Principe, Senegal, States in Central, Eastern and South-Eastern Europe, Switzerland, Tunisia, Turkey, Venezuela).
Countries to which the measure applies
Indefinite. Exemption needed, for certain countries only until an economic integration agreement is concluded or completed.
Indefinite
Intended duration
These programmes aim at preserving and promoting the regional identity of countries within Europe which have long-standing cultural links
The aim of these agreements is to promote cultural links between the countries concerned
Conditions creating the need for the exemption
Anlage 1 257
Foreign participation in companies in Italy exceeding 49 % of the capital and voting rights, subject to a condition of reciprocity.
Measures taken in Denmark that are Finland, Norway, Sweden, Iceadopted for the implementation of land benefits in conformity with such support programmes as the NORDIC FILM and TV FUND in order to enhance production and distribution of audiovisual works produced in Nordic countries.
Audiovisual services: television and radio broadcasting services
Audiovisual services: production and distribution of cinematographic works and television programmes in Nordic countries
All countries
Parties to the Council of Europe
Waiver of the requirement in Spain to obtain licences for the distribution of dubbed films of non-Community origin, granted to films of European origin which are especially recommended for children’s audiences.
Audiovisual – Distribution services
Countries to which the measure applies
Description of measure indicating its inconsistency with Article II
Sector or Sub-Sector
Indefinite
Indefinite
Indefinite. Exemption needed for certain countries until an economic integration agreement is concluded or completed.
Intended duration
Preservation and promotion of the regional identity of the countries concerned
Need to ensure effective market access and equivalent treatment for Italian service suppliers
The measure aims at promoting European cultural values and linguistic policy objectives toward the youth.
Conditions creating the need for the exemption
258 Anlage 1
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Stichwortverzeichnis Abgrenzung von Waren und Dienstleistungen – Form der Transaktion 188 – ökonomische Unterscheidungskriterien 185 f. – Zweck der Transaktion 186 ff. agreement to disagree 45 f., 178, 180, 197 f., 238 aide automatique 127 aide selective 127 aim and effects 61 f., 139, 227 Arbeitsgruppe für audiovisuelle Dienstleistungen 43 ff., 135, 158, 191 f., 196 ff. Atlantik-Charta 23 Ausschuss für Handelsverhandlungen 26 Bereichsausnahme – für die Gewährung von Subventionen 90 f., 227 ff., 231 f. – für Spielzeitkontingente für Kinofilme 91, 146 f., 169 ff. Border-tax Kriterien 63 ff., 104, 140 ff. Bretton Woods 23 built-in agenda 36 ff. Churchill, Winston 23 Committee on Regional Trade Agreements 85, 108 de facto Diskriminierung 58, 60, 99, 102, 146 de jure Diskriminierung 58, 60, 99, 102 Deutscher Filmförderfonds 128, 206, 241 f. Doha-Runde 37 ff., 46 f. Einfuhrkontingente 18, 114, 147 Erbringungsmodalitäten – commercial presence 94, 97, 175, 237 – consumption abroad 94, 175, 243 – cross-border supply 94, 175 f.
– presence of natural persons 95, 97 f., 106, 175, 237 Erklärung von Mons 43 Eurimages 130 ff., 164, 205, 213, 224 ff., 230 ff. Fernsehrichtlinie 42 ff., 118 ff., 166 ff. Fernsehübereinkommen 118 f., 130, 169, 174, 180 f. Filmförderungsanstalt 124 ff., 207 ff., 218 finanzielle Fördermaßnahmen 122 ff., 202 ff. fortschreitende Handelsliberalisierung 34 ff., 44 ff., 196 Freihandelszone 83 ff. GATT-1947 23 ff., 41 f., 189 f. Gleichartigkeit – von Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern 103 ff., 159, 179, 235 – von Waren 63 ff., 139 ff., 145 f., 226 f. grandfather rights 25 Havanna-Charta 24 f. Herkunft – von Dienstleistungen 175 f. – von Waren 135 ff. Herkunftszeugnis 117 ff., 125, 136 ff., 157, 160 ff., 199 f. horizontal commitments 97 f., 103, 236 Inländerbehandlung – im GATS 101 ff., 159, 162, 176 ff., 235 f., 241 ff. – im GATT 60 ff., 139 ff., 168 f. 225 ff. International Trade Organisation 24 f. Internationaler Währungsfonds 24 Kinomitteilung 123, 164, 233 f., 240 Kofinanzierung 118, 125 f., 157 ff., 229 ff., 237 ff.
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Stichwortverzeichnis
Kollektivgüter 249 Koproduktionen 117 ff., 125 f., 156 ff., 174 f., 182, 229 ff., 237 ff. kulturelle Ausnahme 40 ff. – cultural exception 44 – cultural exclusion 44 – cultural specifity 44 Lamy, Pascal 37, 40 Lizenzvergabe 21 MEDIA-Programm 130 ff., 164, 205, 213, 218 f., 224 ff., 230 ff. Medienkonzentrationsrecht 21 Meistbegünstigung – im GATS 99 ff., 159 f., 163 f., 178 f., 182, 237 ff., 241 f. – im GATT 58 ff., 145 f., 157 f., 169, 229 ff. Nichtausschließbarkeit 249 Nichtdiskriminierung – im GATS 98 ff., 176 ff., 234 ff. – im GATT 57 ff., 138 ff., 167, 225 ff. Nichtrivalität 249 öffentliche Rundfunkfinanzierung 21 parallele Anwendbarkeit 111, 194 ff. plurilaterale Handelsübereinkommen 33 f. Produktionsförderung 123 ff., 217, 225 ff. Programmbeschaffungsmarkt 183 Projektförderung 126 ff., 207, 212, 217 protocol of provisional application 24 f., 29 Quotenregelungen – für Fernsehprogramme 114, 118 ff., 165 ff. – für Kinofilme 114 ff., 133 ff. Referenzförderung 126 ff. regionale Integration – im GATS 106 ff., 164 f., 181 f., 239 f., 242 – im GATT 83 ff., 147 ff., 158, 173 f., 232 ff. Ricardo, David 35 Roosevelt, Franklin D. 23
sector-specific commitments 97, 103 services sectoral classification list 97, 158, 161, 178, 192, 204, 241, 243 single-package approach 28, 33 Smith, Adam 35 SOFICA 129, 206, 215 f., 226 ff., 245 spezifische Verpflichtungen 31, 36, 44, 92, 96 ff., 102 f., 177 f., 236 f. Spielzeitkontingente 18, 91, 114 ff., 133 ff., 144 ff. Steuervergünstigungen 91, 129 f., 206, 215 ff., 226 ff. Streitbeilegungsverfahren 31 ff., 52 f., 88 f., 153 Streitentscheidungsorgane – Appellate Body 32 – Dispute Settlement Body 32 – Panel 32 Subvention 67 ff., 105 f., 205 ff., 234 f. – anfechtbare Subventionen 78 ff., 219 ff. – finanzielle Beihilfe 71 ff., 73 ff., 205 ff. – nichtanfechtbare Subventionen 69, 78 – Spezifität 70, 76 f., 215 ff. – verbotene Subventionen 77 f., 217 ff. – Vorteilsgewährung 71 ff., 75 ff., 213 ff. Tarifierung 29 f., 56 f. Territorialisierung 160 ff., 240 ff. Theorie der absoluten Kostenvorteile 35 Theorie der komparativen Kostenvorteile 35 track I 68 ff. track II 68 ff. traffic light approach 69 TRIPS 27, 55 Überprüfung der Handelspolitik 33 UNESCO-Abkommen zum Schutz der kulturellen Vielfalt 47 ff., 142 ff. Universal Declaration on Cultural Diversity 47 unmittelbar konkurrierende oder substituierbare Waren 61, 64 ff., 140, 227 Ursprungsregeln 136 f. Uruguay-Runde 25 ff., 43 ff., 189 ff., 158 ff. Verhandlungsgruppe für Dienstleistungen 26, 43
Stichwortverzeichnis Verhandlungsgruppe für Waren 26 Vertriebsförderung 122, 131 f., 204, 217 f., 226 ff., 230 ff. virtual-goods Ansatz 135
Weltbank 24 WTO-Ministerkonferenz 36 Zollunion 83 ff.
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