Tarifautonomie und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers: Dargestellt anhand der gewerkschaftlichen Forderungen nach tarifvertraglicher Regelung der Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost [1 ed.] 9783428469550, 9783428069552


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German Pages 146 Year 1990

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Tarifautonomie und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers: Dargestellt anhand der gewerkschaftlichen Forderungen nach tarifvertraglicher Regelung der Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost [1 ed.]
 9783428469550, 9783428069552

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KARL-GEORG LORITZ

Tarifautonomie und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 105

Tarifautonomie und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers Dargestellt anhand der gewerkschaftlichen Forderungen nach tarifvertraglicher Regelung der Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost

Von Prof. Dr. Karl-Georg Loritz

Duncker & Humblot . Berlin

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Loritz, Karl-Georg: Tarifautonomie und Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers: dargestellt anhand der gewerkschaftlichen Forderungen nach tarifvertraglicher Regelung der Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost / von Karl-Georg Loritz. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht; Bd. 105) ISBN 3-428-06955-2 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübemahme: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Druck: Druckerei Gerike GmbH, Berlin 36 Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-06955-2

Vorwort Die Deutsche Postgewerkschaft hat erst vor kurzem erneut einen Tarifvertrag über Bemessungsvorgaben für die Angestellten und Arbeiter der Deutschen Bundespost bzw. der Unternehmen der Deutschen Bundespost gefordert. Dies würde, was von der Deutschen Postgewerkschaft auch bezweckt ist, dazu führen, daß die gesamte Personalbemessung und damit auch die mit Beamten zu besetzenden Personalposten tarifvertraglich geregelt würden. Die Personalbedarfsfeststellung sollte ebenfalls in einen solchen Tarifvertrag einbezogen werden. All diese Forderungen zielen auf einen massiven Eingriff in die bislang im öffentlichen Dienst dem Dienstherm und in der Privatwirtschaft dem Arbeitgeber vorbehaltene Entscheidungssphäre. Die durch entsprechende Tarifforderungen bzw. -regelungen aufgeworfenen Fragen haben deshalb für den öffentlichen Dienst und in weiten Bereichen auch für die Privatwirtschaft fundamentale Bedeutung. Der Herr Bundesminister für Post und Telekommunikation hat mich gebeten, diese Fragen in einem Rechtsgutachten zu klären'. Würzburg, im März 1990

Karl-Georg Loritz

• Die Drucklegung erfolgte vor dem Abschluß des Tarifvertrages über die Regelung der Pausenzeiten, so daß die Arbeit nicht speziell auf diesen Tarifvertrag eingehen konnte

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel

Die Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost - zugleich ein Überblick über die Rechtsprobleme einer tarifvertraglichen Regelung der Bemessungsvorgaben

15

I. Das Erfordernis der Bemessungsvorgaben ....................................

15

11. Einzelheiten bei Bemessungsvorgaben ........................................

16

III. Die besondere Situation der öffentlichen Hand und insbesondere der Deut-

schen Bundespost ...............................................................

19

IV. Die Auswirkungen einer Regelung der Bemessungsvorgaben durch Tarifvertrag und Überblick über die rechtlichen Probleme ............................

22

1. Forderungen der Deutschen Postgewerkschaft .............................

22

2. Die tatsächlichen Auswirkungen der tariflichen Regelung von Bemessungsvorgaben ...............................................................

23

3. Überblick über die rechtlichen Probleme und den weiteren Gang der Darstellung .......................................................................

24

a) Überblick über die rechtlichen Probleme ...............................

24

b) Der weitere Gang der Darstellung ......................................

25

2. Kapitel

Allgemeine Überlegungen zu den Grenzen der Tarifmacht und zu ihrer speziellen Konkretisierung im Postverfassungsgesetz bzw. im Postverwaltungsgesetz

26

I. Allgemeine Überlegungen zu den Grenzen der Tarifmacht ..................

26

1. Der Meinungsstand zu den Grenzen der Tarifautonomie .................

27

2. Würdigung und eigener Ansatz .............................................

28

3. Die Grenzen der Tarifautonomie und das Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs.3 GG ....................................................................

30

11. Die speziellen Regelungen des § 53 Abs. 1 PostVerfG und des § 26 PostVwG

32

Inhaltsverzeichnis

8

3. Kapitel

Die rechtliche Qualifizierung der tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben und die personellen Grenzen der Tarifrnacht I. Allgemeines

34 34

11. Die Rechtsnatur tarifvertraglicher Bemessungsvorgaben - normative Regelungen (i. S. d. § 4 Abs. I S. 1 TVG) oder Regelungen über betriebliche Fragen (i. S. d. §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG)? ...........................

35

I. Bemessungsvorgaben als Betriebsnormen ..................................

37

2. Tarifvertragliche Bemessungsvorgaben als sonstige normative oder schuldrechtliche Regelungen? ...............................................

39

III. Die Diskussion um die personellen Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnormen ................... ................. .............. .......... ...............

41

1. Die bisherige Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen Tarifautonomie und Freiheit der Außenseiter ........................................

42

a) Die Problematik im Rahmen einer gewandelten Funktion der Tarifautonomie .....................................................................

42

b) Die Literaturansichten zur Legitimation der Tarifparteien für die Schaffung von Betriebsnormen auch für Außenseiter .................

44

aa) Die vor Erlaß des Tarifvertragsgesetzes von 1949 vertretenen Ansichten ............................................................

44

bb) Die zum Tarifvertragsgesetz von 1949 vertretenen Meinungen, namentlich die Ansicht Richardis ..................................

45

cc) Die Ansicht Zöllners ................................................

48

dd) Die Ansicht Reuters ................................................

49

ee) Die Ansicht Kollers .................................................

51

ft) Die Ansicht Biedenkopfs ...........................................

52

2. Würdigung der bestehenden Ansichten und weiterführender Ansatz .....

52

IV. Schranken der Repräsentation der Außenseiter durch die Gewerkschaften im Wege betrieblicher Normen ....................................................

55

1. Erwägungen für eine Rechtfertigung gewerkschaftlicher Repräsentation der Außenseiter ..............................................................

55

a) Historische Aspekte und systematische Überlegungen ................

55

b) Gesamtrepräsentationsfunktion der Gewerkschaften? ..................

56

c) Die Ordnungsfunktion des Tarifvertrages ..............................

58

d) Begründung der Wirkung auf Außenseiter mit einer Annexkompetenz der Gewerkschaften ......................................................

59

2. Zwischenergebnis ............................................................

60

V. Die personellen Grenzen der Tarifautonomie bei unvermeidbarer Mitgestaltung der Rechtsverhältnisse der Beamten ............... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

Inhaltsverzeichnis

9

4. Kapitel

Die sachlichen Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

64

I. Tarifautonomie und untemehmerische Planung zum Zwecke der Arbeitsplatzeinrichtung und -gestaltung ...............................................

65

1. Bemessungsvorgaben als Teil interner Planung ...........................

65

2. Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen als Ausgangspunkt tariflicher Regelungsbefugnisse ........................................................

67

a) Die funktionelle Bestimmung der Grenzen durch die Literatur .......

67

b) Würdigung der Literaturmeinungen .....................................

72

c) Bemessungsvorgaben und Untemehmensautonomie ...................

73

d) Die Erörterung und Würdigung der Urteile des Arbeitsgerichts Frankfurt und des Landesarbeitsgerichts Frankfurt...........................

75

H. Der Gesichtspunkt der Unternehmensautonomie im Bereich der Deutschen Bundespost ......................................................................

78

IH. Zwischenergebnis ...............................................................

79

IV. Die Geltung der Bemessungsvorgaben zugleich für Beamte.................

80

5. Kapitel

Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt unter Berücksichtigung der Beamtenverhältnisse I. Die bisherige Diskussion um die Besonderheiten der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst .............................................................. 11. Die Organisationsgewalt der Exekutive -

82 82

allgemeine Grundsätze ..........

85

1. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Personalstruktur der Deutschen Bundespost ............................................................

87

2. Die für die vorliegende Problematik wichtigen Aspekte der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und ihre Regelung durch das einfache Gesetzesrecht ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

HI. Zwischenergebnis ...............................................................

93

IV. Die Kontrolle der Wirtschaftsführung durch den Bundesrechnungshof .....

94

1. Allgemeine Aufgabenbeschreibung des Bundesrechnungshofes ..........

94

2. Die Überprüfung der Deutschen Bundespost und ihrer Unternehmen durch den Bundesrechnungshof ....................................................

96

3. Folgerungen für die Grenzen tariflicher Regelungsmöglichkeiten ........

97

10

Inhaltsverzeichnis

6. Kapitel Einzelne Rechtsnormen und -prinzipien als Schranken der Tarifautonomie I. Die Mitsprache der Bediensteten im Rahmen der Personalvertretung und die Mitbestimmung der Vertreter des Personals in den Aufsichtsräten der Unternehmen der Deutschen Bundespost ............................................

99

100

1. Die Mitbestimmung des Personals bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost................................ ................................... 2. Die Problematik im Bereich der Privatwirtschaft.......................... 3. Die Mitbestimmung bei der Deutschen Bundespost ....................... a) Die Mitbestimmung auf der Ebene der Postuntemehmen .............

100 101 103

b) Die Mitbestimmung in Form der Personalvertretung ..................

106

4. Zwischenergebnis............................................................

108

11. Tragende Grundsätze des Arbeitsrechts

104

108

III. Die Beschränkung der Tarifautonomie durch gesamtgesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Zielsetzungen ...........................................

111

1. Die bisherigen Ansätze ......................................................

111

2. Konsequenzen für tarifvertragliche Bemessungsvorgaben bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost.........................................

114

IV. Die Gemeinwohlbindung der Tarifparteien bei besonderer Berücksichtigung der Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes .............................

116

V. Die Unzumutbarkeit als tarifliche Schranke...................................

119

7. Kapitel Bemessungsvorgaben als schuldrechtliche Regelungen? I. Der schuldrechtliche Teil des Tarifvertrages - Allgemeine Bemerkungen

123 123

11. Die bei Betriebsnormen geltenden Unzulässigkeitsgründe als Maßstäbe für schuldrechtliche Regelungen ...................................................

125

1. Die personellen Grenzen der Tarifmacht ...................................

126

2. Die sachlichen Grenzen der Tarifmacht .................................... 3. Die dem öffentlichen Recht, namentlich dem Verfassungsrecht entspringenden Schranken der Tarifautonomie ..................................... 4. Die sonstigen Schranken der Tarifautonomie............................... 5. Zusammenfassung........ ...... .............................................

126 127 127 128

8. Kapitel Ergebnisse

129

Literaturverzeichnis

134

Abkürzungsverzeichnis a.A. a.a.O. Abs. ÄndG AöR AP AR-Blattei ArbRGeg. Art. Aufl. AuR

= anderer Ansicht = am angegebenen Ort = Absatz = Änderungsgesetz = Archiv des öffentlichen Rechts = Arbeitsrechtliche Praxis = Arbeitsrecht-Blattei = Das Arbeitsrecht der Gegenwart = Artikel = Auflage = Arbeit und Recht AZO = Arbeitszeitordnung BAG = Bundesarbeitsgericht BAGGS = Bundesarbeitsgericht - Großer Senat BAT = Bundes-Angestelltentarifvertrag BB = Der Betriebs-Berater = Bundesbeamtengesetz BBG = Band Bd. BGB = Bürgerliches Gesetzbuch BGBI. = Bundesgesetzblatt BGHZ = Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BHO = Bundeshaushaltsordnung BLV = Bundeslaufbahnverordnung BPersVG = Bundespersonalvertretungsgesetz BR-Drs. = Drucksachen des Bundesrats BremPersVG = Bremisches Personalvertretungsgesetz BRRG = Rahmengesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts = Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE BVerwG = Bundesverwaltungsgericht bzw. = beziehungsweise DA BemÄ = Dienstanweisung für die Bemessung der Ämter des Post- und Fernmeldewesens DB = Der Betrieb dens. = denselben ders. = derselbe d.h. = das heißt Diss. jur. = juristische Dissertation DJT = Deutscher Juristentag

12 DÖD DÖV DVBI. DVP f. FAG ff. Fn. gern. GG Gr. GWB Hrsg. insbes. i. S. d. JA JurA JurJb JuS JZ KSchG LAG LS MitbestG m.w.N. NJW NZA OVG PersV PostG PostVerfG PostVwG RdA RGBI. RiA Rn. S. s. sog. StuR StWG TVG u.a. usw.

Abkürzungsverzeichnis Der öffentliche Dienst Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Deutsche Verwaltungspraxis folgende Fernmeldeanlagengesetz fortfolgende Fußnote gemäß Grundgesetz Gründe Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Herausgeber insbesondere, insbesonders im Sinne des, im Sinne der Juristische Arbeitsblätter = Juristische Analysen Juristisches Jahrbuch Juristische Schulung = Juristenzeitung Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Leitsatz Mitbestimmungsgesetz mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Oberverwaltungsgericht Die Personal vertretung Gesetz über das Postwesen Postverfassungsgesetz Postverwaltungsgesetz Recht der Arbeit Reichsgesetzblatt Das Recht im Amt Randnummer Seite siehe sogenannt Staat und Recht Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft Tarifvertragsgesetz unter anderem, und andere und so weiter

Abkürzungsverzeichnis

13

u. U.

= unter Umständen

VerfGH VGH vgl. VL-Info

Verfassungsgerichtshof Verwaltungs gerichtshof vergleiche Infonnationsbroschüre des Hauptvorstandes der Deutschen Postgewerkschaft = Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer = Wirtschaft und Wettbewerb = Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht = zum Beispiel = Zeitschrift für Beamtenrecht = Zeitschrift für Arbeitsrecht = Ziffer = zitiert = zum Teil

VVDStRL WuW ZAS z. B. ZBR ZfA Ziff. zit. z. T.

1. Kapitel

Die Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost - zugleich ein Überblick über die Rechtsprobleme einer tarifvertraglichen Regelung der Bemessungsvorgaben I. Das Erfordernis der Bemessungsvorgaben Überall wo Menschen in abhängiger Stellung beschäftigt werden, muß vom Arbeitgeber die zu leistende Tätigkeit festgelegt werden. Ehe aber die Vereinbarung der Arbeitsleistung mit den einzelnen Beschäftigten in deren Arbeitsverträgen erfolgen kann, bedarf es einer auf den Organisationsstrukturen aufbauenden Planung. Der Arbeitgeber muß ermitteln, welche Tätigkeiten in welchem Umfang anfallen und wieviele Arbeitnehmer zu deren Verrichtung benötigt werden. Von besonderer Bedeutung ist die Planung auch im öffentlichen Dienst und somit auch bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost. Dort ist nämlich die Beschäftigung von Beamten ebenso wie die von Arbeitnehmern nur möglich, wenn im Wirtschaftsplan eine entsprechende Zahl von Kräften etatisiert ist. Um festlegen zu können, wieviele Dienstkräfte beschäftigt werden müssen und unter Berücksichtigung der Haushaltslage beschäftigt werden können, bedarf jeder öffentliche Dienstherr eines Konzepts, mit dessen Hilfe er den Personalbedarf ermitteln kann. Ein grundlegender Unterschied zwischen der Personalwirtschaft im öffentlichen Dienst und derjenigen in der Privatwirtschaft besteht darin, daß im öffentlichen Dienst aufgrund der Verfassung, aber auch nach Maßgabe einfachrechtlicher Gesetze zwingende Vorgaben bestehen. Ohne daß an dieser Stelle im einzelnen hierauf eingegangen wird - die Problematik wird noch umfassend angesprochen 1 - , sei nur darauf hingewiesen, daß die Verfassung dem Bund die Erfüllung bestimmter Aufgaben, wie z. B. den Straßenbau, die innere Verwaltung, die Versorgung des Landes mit den Dienstleistungen der Post und Bahn, vorschreibt. Der Personalbedarf und die Organisationsstrukturen (Aufbau- und Ablauforganisation) müssen sich deshalb in vielen Bereichen nach dem Umfang dieser Aufgaben richten. Ferner sind die öffentlichrechtlichen Körperschaften, soweit sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben der Beamten bedienen, in der Gestaltung von deren Rechts1

Unten 5. Kapitel 11.

16

1. Kap.: Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost

verhältnissen nicht frei. Art. 33 Abs. 5 GG schreibt vor, daß das Recht des öffentlichen Dienstes "unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns zu regeln ist". Der Bundesgesetzgeber hat diesem Verfassungsgebot insbesondere durch den Erlaß des Beamtenrechtsrahmengesetzes und für die Bundesbeamten durch das Bundesbeamtengesetz Rechnung getragen. Diese beiden Gesetze regeln unter Beachtung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns die Ämter im statusrechtlichen und im abstrakt-funktionellen Sinn. Ein Dienstherr ist von Gesetzes und Verfassungs wegen verpflichtet, bei seiner Aufgabenerfüllung all diese Grundsätze zu beachten. Auch müssen den Ämtern im konkret-funktionellen Sinn, also den einzelnen Dienstposten, die jeweils zu bewältigenden Aufgaben in geordneter Weise unter Beachtung der realen Gegebenheiten zugeordnet werden. Die jedem öffentlichen Dienstherm obliegende Pflicht, den Grundsatz der sparsamen Haushaltsführung zu beachten, gebietet ihm, die Zahl der erforderlichen Dienstkräfte und die hierfür auszuweisenden Planstellen - im Bereich der Deutschen Bundespost und ihrer Unternehmen als Personalposten bezeichnet - sorgfältig und zuverlässig zu ermitteln. Die Deutsche Bundespost bezeichnet dies als Personalbemessung. Sie versteht darunter das Verfahren, die Zahl der Arbeitsposten zu ermitteln und festzulegen, die erforderlich ist, um bestimmte Aufgaben unter Beachtung der dienstlichen bzw. betrieblichen Erfordernisse und der gerechten und gleichmäßigen Belastung der Arbeitskräfte zu erfüllen 2 • Die Personalbemessung, in der freien Wirtschaft z.T. auch als Personalbedarfsermittlung, Personalbedarfsberechnung, Personalbedarfsfeststellung bezeichnet - wobei allerdings diese inhaltlich nur einen Teil des Begriffs "Personalbemessung" umfassen - , ist eine unabdingbare Voraussetzung für eine wirtschaftliche Unternehmensführung, weil nur so einerseits die Beschäftigung nicht benötigter oder zumindest nicht vollausgelasteter Bediensteter vermieden, andererseits aber auch der Gefahr des Personalmangels vorgebeugt werden kann. Das derzeit bei der Deutschen Bundespost praktizierte Personalbemessungssystem gilt seit dem 31.3. 1971 3. Es ist in der "Dienstanweisung für die Personalbemessung bei den Ämtern der Deutschen Bundespost (DA BemÄ)" festgehalten.

11. Einzelheiten bei Bemessungsvorgaben Der rechnerische Maßstab für den Personalbedarf ist die Personaleinheit, die wieder in die Arbeitseinheit und die Vertretereinheit unterteilt wird. Die Arbeitseinheit ist die Recheneinheit für die Gesamtarbeitszeit, welche der Wochenarbeitszeit einer vollbeschäftigten Arbeitskraft entspricht. Die Vertretereinheit ist 2

Dohmen, Jahrbuch des Postwesens, 1972, S. 174.

Zu den bis dahin geltenden Systemen, die seit 1896 praktiziert wurden, Dohmen, Jahrbuch des Postwesens, 1972, S. 175 ff. 3

11. Einzelheiten bei Bemessungsvorgaben

17

die Recheneinheit für die Ausfallzeiten, für die eine Arbeitskraft nötig ist. In organisatorischer Hinsicht wird der Personalbedarf in Personalposten ausgedrückt. Das sind Arbeitsposten, also Soll-Stellen für den Einsatz einer Arbeitskraft4, und Vertreterposten 5. Um nun die Zahl der Arbeitsposten in den einzelnen Dienststellen ermitteln zu können, werden die von den Ämtern zu erledigenden Aufgaben in Bemessungsbereiche eingeteilt. Solche sind z. B. der Briefeingang, die Paketzustellung, die Annahme von Telegrammen usw. Um sodann den Zeitbedarf zu berechnen, müssen die Aufgaben festgelegt werden, auf die sich die Bemessungswerte beziehen. So kann z. B. festgelegt werden, daß 1 000 Kurzbriefe in einer bestimmten Zeit abzufertigen sind (man spricht hier von einer Verkehrseinheit) oder daß etwa ein Münzfernsprecher zu betreuen ist (man spricht hier von einer Bestandseinheit). Die Bemessungswerte geben den Zeitbedarf für die Bearbeitung einer bestimmten Arbeitsmenge wieder. Der wöchentliche Zeitbedarf wird berechnet, indem der Bemessungswert mit der Bezugseinheit multipliziert wird. Der für die Erledigung einer bestimmten Aufgabe erforderliche Zeitbedarf wird je Woche angegeben. Es wird z. B. festgestellt, daß in einer Woche, die 40 bzw. 38,5 Arbeitsstunden hat, eine bestimmte Zahl von Kurzbriefsendungen zu verteilen ist oder daß in den 40 bzw. 38,5 Arbeitsstunden einer Woche eine bestimmte Zahl von Münzfernsprechern betreut werden muß. Im Bemessungswert sind aber auch z. B. die zur Erledigung der Aufgaben üblicherweise anfallenden Wegeleistungen enthalten, ebenso wie Tätigkeiten, die nur unregelmäßig auftreten, wie etwa Dienstgespräche mit dem Vorgesetzten oder das Bedienen eines Fernsprechers, um Telefongespräche zu führen. Man spricht hier von sachlichen Verteilzeiten. In den Bemessungswert mit eingerechnet werden weiterhin die sog. persönlichen Verteilzeiten. Das sind Zeiten, die den Arbeitskräften für persönliche Bedürfnisse, wie etwa das Händewaschen, zugestanden werden. Auch die Erholungszeiten sind mit eingerechnet, nicht aber die Pausen. Denn eine Pause ist eine von vornherein festgelegte Zeit der Arbeitsunterbrechung von mindestens 15-minütiger Dauer innerhalb einer Dienstschicht. In dieser Zeit ist die Dienstkraft von der Pflicht zur Arbeitsleistung und Bereithaltung zur Arbeit befreit 6. Eine Pause sagt nichts darüber aus, wieviel Personal für die Erledigung einer bestimmten Arbeitsmenge benötigt wird und hat deshalb mit der Personalbemessung als solcher und mit dem Bemessungswert nichts zu tun. Sie betrifft nur die mögliche Verweildauer am Arbeitsplatz, nicht aber die Arbeitsleistung in einer bestimmten Arbeitszeit. 4 Zu weiteren Unterteilungen des Arbeitspostens Dohmen, Jahrbuch des Postwesens, 1972, S. 192. Es gibt Dienstposten, Aushilfsposten, Teildienstposten, Teilaushilfsposten, Tagesdienstposten, Tagesaushilfsposten, Teiltagesdienstposten und Teiltagesaushilfsposten. 5 Diese werden in Dauervertreterposten, andere Vertreterposten und Teilvertreterposten unterteilt, vgl. Dohmen, Jahrbuch des Postwesens, 1972, S. 192. 6 Vgl. Dohmen, Jahrbuch des Postwesens, 1972, S. 195.

2 Loritz

18

1. Kap.: Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost

Die zahlreichen empirischen Daten, die für die Personalbemessung benötigt werden, werden in detaillierten, hier nicht weiter interessierenden Verfahren gewonnen und ausgewertet 7• Auf diese Weise kann aus der Gesamtarbeitszeit (die sich aus der Grundarbeitszeit und den Nebenzeiten 8 zusammensetzt) die Zahl der erforderlichen Dienstposten errechnet werden. Sind in einem Bereich keine Bemessungswerte vorgegeben, wird der Zeitbedarf durch Beobachtung ermittelt und demgemäß der Personalbedarf festgesetzt. Ausnahmsweise, etwa so lange, bis für neu hinzukommende Aufgaben Bemessungswerte gebildet sind, wird der Personalbedarf ohne Personalbemessung festgesetzt. Derartige Festsetzungen gelten zumeist nur vorübergehend. Häufiger wird der Personalbedarf ohne Personalbemessung bei Unternehmensentscheidungen festgesetzt, wenn es etwa darum geht, wie eine Amtsleitung personell ausgestattet sein muß, wieviele Personen für die Personalvertretung freizustellen sind oder wie eine personelle Grundausstattung für die Unterhaltung teurer Betriebsanlagen ausgestaltet sein muß9. Insgesamt zeigt sich, daß die Personalbemessung grundsätzlich vom organisatorischen "Ist-Zustand" auszugehen hat. Es geht, vereinfacht ausgedrückt, darum, daß die einzelnen Unternehmen der Deutschen Bundespost, nämlich die Deutsche Bundespost Postdienst, die Deutsche Bundespost Postbank und die Deutsche Bundespost Telekom auch nach Umsetzung des Poststrukturgesetzes 10 zum 1. 1. 1990 bestimmte Aufgaben zu erfüllen haben 11 und die Personalbemessung dazu dient, den zur Erfüllung dieser Aufgaben notwendigen Personalbedarf zu ermitteln. Es wird aber umgekehrt auch ohne weiteres deutlich, daß empfindliche Störungen bei der Aufgabenerfüllung eintreten, wenn bei gleichbleibender Zahl vorhandener Dienstposten "von außen", also z. B. durch Tarifvertrag, die Bemessungswerte verändert würden. Denn hierdurch würde zwangsläufig in die Organisationsstrukturen eingegriffen, wodurch naturgemäß ein Teil der anfallenden Aufgaben nicht mehr erledigt werden könnte.

Die Personalbemessung ist also Nachvollziehung der Organisationsstruktur, um hieraus einen für Dienstleistungsunternehmen wie die Unternehmen der Deutschen Bundespost sehr wichtigen Teil der "unternehmerischen" Planung herbeizuleiten. Denn gerade für die Leistungsfahigkeit eines Dienstleistungsunternehmens ist der Einsatz des Personals von elementarer Bedeutung. 7 Umfassend hierzu Dohmen, Jahrbuch des Postwesens, 1972, S. 198 ff., und Bernrath I Schulte, Jahrbuch des Postwesens, 1972, S. 269 (271 ff.). 8 Nebenzeiten sind 1.) personengebundene Zuschläge für Arbeitskräfte mit nicht nur

vorübergehend geminderter Leistungsfähigkeit, 2.) Zeiten für Dienstunterricht, 3.) Arbeitsunterbrechungen (ohne Erholzeiten), die auf die Arbeitszeit aufgrund besonderer Vorschriften angerechnet werden dürfen, und 4.) Zuschläge aus Dienstplangründen. 9 Vgl. Bernrath I Schulte, Jahrbuch des Postwesens, 1972, S. 270 f. 10 BGBI. I 1989, S. 1026. 11 Einen allgemeinen Überblick über die Neustrukturierung der Deutschen Bundespost gibt Schatzschneider, NJW 1989,2371 ff.

III. Besondere Situation öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber

19

Die Personal bemessung ist somit - darauf muß zusammenfassend in aller Deutlichkeit hingewiesen werden - keinesfalls gleichzusetzen mit der Festlegung der Arbeitsbedingungen der einzelnen Beschäftigten. Im Rahmen der Personalbemessung müssen vielmehr die Aufbauorganisation und die Ablauforganisation der einzelnen Dienststellen der Unternehmen der Deutschen Bundespost nachvollzogen werden. Ausgangsbasis (und nicht Ziel) der Personalbemessung sind also die tatsächlichen Organisationsstrukturen, die aufgrund der verfassungsmäßigen, gesetzlichen und politischen Vorgaben bestehen und kraft der Organisationsgewalt des Dienstherm geschaffen wurden. Anhand dieser tatsächlichen Vorgaben kann und muß zunächst abstrakt der Personalbedarf ennittelt werden. Erst mit der Festlegung der Arbeitsbedingungen gegenüber den einzelnen Bediensteten, die bei Arbeitnehmern z. B. im Wege des Weisungs- bzw. Direktionsrechts des Dienstherm mittels Dienstanweisung erfolgen kann, werden aus der Feststellung des Ist-Zustandes und der internen Planung Folgerungen mit rechtlichen Wirkungen für die einzelnen Dienstverhältnisse der Beschäftigten gezogen. Eine tarifvertragliche Regelung der Bemessungsvorgaben würde deshalb nicht nur zu einer "Mitbestimmung" der Deutschen Postgewerkschaft bei der Planung, sondern auch bei der Gestaltung der Organisationsstrukturen führen, weil diese Ausgangspunkt und damit untrennbarer Bestandteil der Personalbemessung sind.

III. Die besondere Situation der öffentlichen Hand und insbesondere der Deutschen Bundespost Im Wirtschaftsleben kann jede individualvertragliche und tarifvertragliche Abrede über die Art und Weise der Erbringung der Arbeit und über den Umfang der zu erbringenden Arbeitsleistung Auswirkungen auf die Möglichkeit des Arbeitgebers bzw. Unternehmers haben, die übernommenen Aufgaben in der vereinbarten oder ökonomisch angemessenen Zeit zu erledigen. Wenn beispielsweise ein Arbeitnehmer eines Handwerksbetriebes gegenüber seinem Schreinenneister im Wege der Änderungskündigung durchsetzen kann, daß er statt 38 nur noch 30 Stunden pro Woche arbeiten und künftig keine ihm unliebsamen Tätigkeiten (z. B. das Anfertigen von Fenstern) mehr verrichten muß, so greift dies in den Arbeitsablauf und u. U. sogar in die Struktur des Handwerksbetriebes mitunter empfindlich ein. Dennoch ist der Schreinenneister als Privatunternehmer in einer unvergleichlich anderen und besseren Lage als der öffentliche Dienstherr. Zum einen kann der Schreinenneister sich auf das Änderungsverlangen des Gesellen nicht einlassen, dessen Kündigung also annehmen und sich einen neuen Gesellen suchen. Zum anderen kann er, wenn er sich auf die neuen Arbeitsbedingungen des Gesellen einläßt und erkennt, daß sein Unternehmen bei einer Einstellung einer zusätzlichen Arbeitskraft, die die vom Gesellen nicht mehr erbrachten Arbeiten verrichten sollte, unrentabel würde, auf das Anfertigen von Fenstern verzichten. 2*

20

1. Kap.: Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost

Grundlegend anders ist all das bei einem öffentlichen Dienstherrn und insbesondere bei einem Dienstherrn, der - wie die Deutsche Bundespost, aber auch die Deutsche Bundesbahn - wie ein Unternehmer bestimmte Leistungen zu erbringen hat. Ein öffentlicher Dienstherr kann sich von den Beamten generell nicht und von seinen Arbeitnehmern weitgehend nicht trennen (vgl. § 53 Abs. 3 BAT), und er kann vor allem seine Aufgaben nicht beschneiden. Der Deutschen Bundespost bzw. ihren Unternehmen sind die meisten Aufgaben vom Gesetzgeber im Postverwaltungsgesetz und seit 1.7. 1989 im Postverfassungsgesetz vorgeschrieben. So kann der künftige Postdienst nicht etwa den Umfang der Briefbeförderung einschränken, die Postbank darf nicht plötzlich, wie dies einer Privatbank erlaubt wäre, wegen Arbeitsüberlastung Kunden zurückweisen und etwa Einzahlungsaufträge nicht mehr annehmen, und auch die Deutsche Bundespost Telekom hat im Telefondienst sowie im Fernmeldeanlagendienst nach wie vor im Interesse der Versorgung der gesamten Bevölkerung ein Monopo}l2. Nach § 8 PostG13 ist jedermann zur Inanspruchnahme der Einrichtungen des Postwesens berechtigt, wenn er die für die einzelnen Dienste festgelegten Bedingungen erfüllt. Die Deutsche Bundespost Postdienst und die Deutsche Bundespost Postbank dürfen nach § 1 Abs. 2 PostG die Inanspruchnahme ihrer Leistungen verweigern, wenn die verlangte Leistung mit den zur Verfügung stehenden Beförderungs- und Verkehrsmitteln nicht erbracht werden kann oder wenn dies aus Gründen des öffentlichen Interesses notwendig ist. Daraus ergibt sich, daß die Inanspruchnahme aber nicht verweigert werden darf, nur weil dies wegen personeller Engpässe unzweckmäßig oder unwirtschaftlich wäre. Jeder Einfluß auf die Personalbemessung und damit auf die Organisation und auf die Planung hat im Bereich der Deutschen Bundespost einen unmittelbaren Einfluß auf ihre Möglichkeiten zur Erfüllung der ihr gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben. Dies ist ein fundamentaler Unterschied zu privatwirtschaftlichen Betrieben, der übrigens nicht nur für die Deutsche Bundespost, sondern generell für die öffentliche Hand gilt. Auch z. B. eine Bauaufsichtsbehörde oder eine Straßenverkehrsbehörde können nicht vergleichbar flexibel wie ein privates Unternehmen auf vom Personal ausgehende Einflüsse auf ihre Organisationsstruktur reagieren, weil sie eben kraft Gesetzes bestimmte Leistungen zu erbringen haben, und zwar in dem tatsächlich anfallenden Umfang, den sie im Gegensatz zu einem Privatunternehmer weitestgehend nicht durch Ablehnung von "Aufträgen" steuern können.

12 Vgl. § 1 FAG, zuletzt geändert durch Art. 3 Ziffer 1 PoststrukturG vom 8.6.1989, BGBI. I, S. 1045. Zu Einzelheiten und zur Begründung, warum das Netzmonopol auch im Poststrukturgesetz beibehalten wurde, siehe die Konzeption der Bundesregierung zur Neuordnung des Telekommunikationsmarktes, hrsg. vom Bundesminister für das Postund Fernmeldewesen, 1988, S. 58 ff. 13 Zuletzt geändert durch Art. 2 PoststrukturG, BGBI. I 1989, S. 1042 ff.

III. Besondere Situation öffentlich-rechtlicher Arbeitgeber

21

Bei der Deutschen Bundespost bzw. ihren drei Unternehmen kommt ein weiteres hinzu: Hier werden, wie in vielen anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes, sowohl Beamte als auch Arbeitnehmer (Angestellte und Arbeiter) beschäftigt. Es bestehen aber nicht etwa für gewisse Aufgaben Dienstposten, die ausschließlich mit Beamten und andere, die ausschließlich mit Arbeitnehmern besetzt werden. Vielmehr müssen auf vielen Dienstposten sowohl Beamte als auch Arbeitnehmer wechselweise beschäftigt werden. Das hat sachliche Gründe. Zum einen können Arbeitnehmer ins Beamtenverhältnis übernommen werden. Dies verlangt eine gewisse Flexibilität dahingehend, daß der Arbeitnehmer auch nach Überleitung seines Arbeitsverhältnisses in ein Beamtenverhältnis weiterhin auf seinem Posten verbleiben kann, weil ansonsten eine solche Überleitung nicht problemlos möglich wäre, was den Interessen der Arbeitnehmer grundlegend zuwiderliefe. Auch sind die Unternehmen der Deutschen Bundespost als Wirtschaftsunternehmen ebenso wie ein Unternehmen der Privatwirtschaft und wesentlich stärker als die meisten anderen Bereiche der öffentlichen Verwaltung, etwa als eine Kommune oder ein Landesfinanzministerium mit seinen untergeordneten Behörden (Oberfinanzdirektionen und Finanzämtern), vom Verhalten der Bevölkerung als Nachfrager der von ihnen angebotenen Leistungen abhängig. So gibt es z. B. zur Weihnachtszeit im Postdienst Spitzen, die nur durch Einstellung zusätzlicher Kräfte für eine begrenzte Zeit bewältigt werden können. Gleiches gilt für einzelne Poststellen, die z. B. zu einer bestimmten Zeit zigtausende von Versandhauskatalogen zu versenden haben. Eine Besetzung aller Posten mit Beamten käme ungeachtet der sonstigen Verfassungsrechtslage schon deshalb nicht in Betracht, weil hier auf einige Monate befristete Aushilfsdienst- bzw. -arbeitsverhältnisse erforderlich sind und diese als Beamtenverhältnisse wegen Art. 33 Abs. 4 GG unzulässig wären. Denn kurz befristete Beamtenverhältnisse wären mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtenturns unvereinbar und damit verfassungswidrig. Das Beamtenrechtsrahmengesetz hat diesem Verfassungsgrundsatz Rechnung getragen, indem es nur in ganz bestimmten Fällen Beamtenpositionen zuläßt, die nicht auf Lebenszeit angelegt sind (v gl. §§ 3, 44a BRRG). Zum Teil gibt es auch Tätigkeiten, für die eine Beschäftigung von Beamten nicht in Betracht kommt, weil die aufgrund des § 15 BBG ergangene Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamten (Bundeslaufbahnverordnung) 14 keine entsprechenden Laufbahnen enthält. Der Bundesminister für Post und Telekommunikation hat zwar nunmehr nach § 49 Ziffer 1 PostVerfG die Möglichkeit, im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Inneren nach Maßgabe des § 15 BBG die Laufbahnen bei der Deutschen Bundespost selbständig zu gestalten und Ausnahmeregelungen zu treffen. Doch ist auch diese Möglichkeit nicht unbegrenzt und muß vor allem mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtenturns in Einklang stehen. Schon von daher wäre es nicht möglich, für alle Tätigkeiten Beamtenlaufbahnen einzurichten. 14

BLV vom 27.4.1970, BGBI. I, S. 422.

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1. Kap.: Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost

Von den insgesamt über 550000 Beschäftigten der Deutschen Bundespost bzw. der drei Postunternehmen sind ca. 1/3 Arbeitnehmer und ca. 2/3 Beamte. Diese Zahlen zeigen, daß der Großteil der Aufgaben von Beamten erledigt wird. Würde durch einen Tarifvertrag in die Bemessungsvorgaben und damit in die Organisationsstrukturen eingegriffen, so wirkte sich dies zugleich auch auf die Personalposten der Beamten und insbesondere auch auf all diejenigen Personalposten aus, die sowohl mit Beamten als auch mit Arbeitnehmern besetzt werden können und auch tatsächlich wechselweise besetzt werden.

IV. Die Auswirkungen einer Regelung der Bemessungsvorgaben durch Tarifvertrag und Überblick über die rechtlichen Probleme 1. Forderungen der Deutschen Postgewerkschaft

Die Deutsche Postgewerkschaft will die Personalbemessung tarifvertraglich regeln, indem Bemessungsvorgaben im Tarifvertrag festgelegt werden. Dort sollen u. a. sachliche Verteilzeiten (allgemeine und spezielle) in die Bemessungswerte eingerechnet werden. Die Höhe der sachlichen Verteilzeiten soll 3 %, bezogen auf die Grundzeit, betragen. Vor der allgemeinen Anwendung sollen die beabsichtigten Bemessungsvorgaben erprobt werden, wobei Dauer, Umfang und Durchführung der Erprobung festgelegt werden sollen. Nach der Erprobung soll über die konkreten Bemessungsvorgaben zwischen der Deutschen Postgewerkschaft und dem jeweils arbeitgebenden Unternehmen der Deutschen Bundespost verhandelt werden. Erst danach sollen die Bemessungsvorgaben vertraglich festgeschrieben werden. In jeder Stunde sollen den Beschäftigten mindestens 6 Minuten zur Erholung und mindestens 4 Minuten für persönliche Bedürfnisse zur Verfügung stehen, ein Postbediensteter soll also nicht mehr 60 Minuten pro Stunde arbeiten, sondern nur noch 50 Minuten. Auch die Nebenzeiten - das sind z. B. Zeiten, in denen der Bedienstete seine regelmäßige Tätigkeit unterbrechen muß, etwa um sich Informationen zu verschaffen, und die derzeit in Höhe von 0,7 - 1 % der Wochenarbeitszeit, das entspricht zwischen 16 und 23 Minuten pro Woche, festgesetzt sind - sollen tarifvertraglich geregelt und erheblich verlängert werden. Die Ergebnisse all dieser tariflichen Regelungen sollen nach der Forderung der Deutschen Postgewerkschaft inhalts- und zeitgleich für Beamte übernommen werden 15.

15 Diese Thesen sind enthalten z. B. im VL-Info Nr. 32/89 vom 11. 8. 1989 der Deutschen Postgewerkschaft, hrsg. vom Hauptvorstand der Deutschen Postgewerkschaft, S. I ff. (4), ferner im VL-Info Nr. 21/89 vom 26.5.1989, S. 1 ff. (3).

IV. Auswirkungen tarifvertraglicher Bemessungsvorgaben

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2. Die tatsächlichen Auswirkungen der tariflichen Regelung von Bemessungsvorgaben Die Auswirkungen einer tarifvertraglichen Regelung und damit einer tarifvertraglichen Mitsprache bei den Bemessungsvorgaben wären gravierend. Einige wesentliche Auswirkungen seien hier nur beispielhaft aufgelistet: (l) Da die Personalplanung in den Unternehmen der Deutschen Bundespost,

zumal wegen des Erfordernisses, zahlreiche Personalposten so einzurichten, daß auf denselben Stellen abwechselnd Arbeitnehmer und Beamte beschäftigt werden können, nur einheitlich für diese beiden Gruppen erfolgen kann, würde bei einer tarifvertraglichen Regelung der Bemessungsvorgaben der Inhalt der Ämter im abstrakt-funktionellen und im konkret-funktionellen Sinn und der Umfang der auf einem Personalposten zu verrichtenden Tätigkeit nicht mehr kraft der alleinigen Personalhoheit bzw. Personalgewalt 16 des Dienstherrn bestimmt, sondern, wie die Gewerkschaft dies wünscht, durch Tarifvertrag. Das würde zu einer gewerkschaftlichen und gegebenenfalls durch Arbeitskampf erzwingbaren Mitbestimmung (auch bei den Organisationsstrukturen) führen. Die Bemessungswerte sind verwaltungsinterne Durchschnittswerte zur Festsetzung der Personalposten und geben keine Individualansprüche der einzelnen Beschäftigten. Die Deutsche Postgewerkschaft will daraus nun Normen mit Geltung für alle Arbeitnehmer, auch für die nicht tarifgebundenen machen.

(2) Wenn zusätzlich durch Tarifvertrag eine Regelung getroffen würde, den aufgrund der Bemessungsvorgaben errechneten und festgesetzten Bedarf voll mit Kräften abzudecken, könnten die Unternehmensvorstände der Unternehmen der Deutschen Bundespost nicht mehr unter Berücksichtigung der wirtschaftsplanmäßigen und anderer Vorgaben bestimmen, welche Posten besetzt werden und welche nicht, sondern wären hier durch Tarifvertrag gebunden. (3) Generell würden die unternehmerische Leitungsbefugnis und Leitungspflicht der Vorstände der einzelnen Unternehmen der Deutschen Bundespost entscheidend beschnitten. Wesentliche Teile der Leitungsbefugnis, zu der auch die Organisations- einschließlich der Planungsbefugnis gehört, könnten nicht mehr vom jeweiligen Vorstand jedes Unternehmens der Deutschen Bundespost ausgeführt werden, sondern wären einvernehmlich tarifvertraglieh zu regeln. Wegen der Laufzeiten der Tarifverträge wäre eine Kündigung während der Vertragsdauer ausgeschlossen. Die Unternehmen der Deutschen Bundespost könnten in vieler Hinsicht gehindert werden, die ihnen gegebenen 16 Es kommt hier nicht darauf an, inwieweit im einzelnen die Organisationsgewalt und inwieweit die Personalgewalt reicht und wie sie voneinander abzugrenzen sind. Hierzu Köpp, in: Steiner (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, III A Rn. 6 ff., S. 345 ff.; Lecheier, Personalgewalt, insbes. S. 74 ff.; ders., NJW 1986, 1079 (1083).

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1. Kap.: Bemessungsvorgaben bei der Deutschen Bundespost

politischen Zielvorgaben (vgl. § 25 PostVerfG) zu beachten. Generell könnte jede politische Vorgabe, soweit sie Auswirkungen auf die Personal bemessung hätte - und dies hätten die allermeisten Vorgaben, die zu organisatorischen Änderungen führen würden - , nur noch umgesetzt werden, wenn auch die jeweils zuständige Gewerkschaft dazu bereit wäre. Im einzelnen ist vor allem zu erwähnen: (a) Politische Zielvorgaben des Bundesministers für Post und Telekommunikation (§ 25 Abs. 1 PostVerfG) und der Bundesregierung (§ 25 Abs.2 PostVerfG) könnten die einzelnen Unternehmen nicht mehr bzw. nur mit Einverständnis der Gewerkschaft zu einer Änderung des Tarifvertrags erfüllen. (b) Der Gestaltungsspielraum der Regierung, im Grundgesetz besonders verdeutlicht in der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers nach Art. 65 GG, würde im Hinblick auf die "Unternehmen der Deutschen Bundespost" nur noch nach Maßgabe der tarifvertrag lichen Regelung gelten. (c) Die parlamentarische Kontrolle durch den Bundestag und seine Ausschüsse, etwa den Rechnungsprufungsausschuß, könnte im Bereich der Unternehmen der Deutschen Bundespost nur noch Wirkungen zeitigen, soweit der Tarifvertrag nicht entgegenstünde. (d) Den Beanstandungen des Bundesrechnungshofes könnte nicht mehr ohne weiteres, sondern u. U. nur noch mit Zustimmung der Gewerkschaft als Tarifpartei Rechnung getragen werden. 3. Überblick über die rechtlichen Probleme und den weiteren Gang der Darstellung

a) Überblick über die rechtlichen Probleme In rechtlicher Hinsicht geht es um die Frage, inwieweit Bemessungsvorgaben einer tarifvertraglichen Regelung und damit einer gewerkschaftlichen Mitsprache, die gegebenenfalls durch Streik erzwungen werden könnte, überhaupt zugänglich sind. Dies ist ein Problem aus dem weiten Feld der Grenzen der Tarifautonomie. Hierbei handelt es sich, wie eingangs bereits erwähnt, nicht durchweg um eine Problematik, die speziell nur für den öffentlichen Dienst oder gar nur für die Unternehmen der Deutschen Bundespost Bedeutung hätte. Bemessungsvorgaben sind vielmehr, wie dargestellt 17 , zu einem wesentlichen Teil Nachvollziehung der Organisation und damit Analyse, zugleich aber auch Planung. Beides hat nicht nur ein öffentlicher Arbeitgeber, sondern auch jeder Privatunternehmer ab einer bestimmten Unternehmensgröße zweckmäßigerweise vorzunehmen. In Fra17

Oben 1.

IV. Auswirkungen tarifvertraglicher Bemessungsvorgaben

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ge steht somit das Problem, inwieweit durch Tarifautonomie generell in die Organisations- und Planungsfreiheit eines Arbeitgebers eingegriffen werden darf. Inwieweit gibt es hier einen tarifvertraglieh nicht regel baren Freiraum, einen Autonomiebereich des Arbeitgebers? Ein weiteres kommt hinzu: Durch tarifvertragliche Bemessungsvorgaben würden, sofern sie für alle Arbeitnehmer und damit auch für die nicht tarifgebundenen gelten sollten, auch deren Arbeitsverhältnisse mitgestaltet, weil eben in die Organisationsstrukturen und Arbeitsabläufe eingegriffen würde. Würde hier, so muß man fragen, der Tarifvertrag nicht unzulässigerweise die Arbeitsverhältnisse der Außenseiter mitregeln? Denn schließlich kann der Dienstkräftebedarf nur anhand der· Analyse der von einer gesamten Gruppe der Bediensteten einer Dienststelle zu erbringenden Leistungen ermittelt werden. Weder diese Ermittlung noch die Festlegung der einzelnen Aufgaben kann auf Gewerkschaftsmitglieder beschränkt werden. Es geht immer um die ,,Ausgestaltung" der Personalposten insgesamt. Daß bei jedem öffentlichen Arbeitgeber zusätzliche Probleme auftreten, insbesondere weil er verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben unterliegt und weil er in seine Organisation und Personalplanung auch die Beamten einbeziehen muß, wurde bereits ausgeführt 18. b) Der weitere Gang der Darstellung

Zunächst ist allgemein nach dem Ansatz für die Klärung der Rechtsprobleme im Zusammenhang mit den Grenzen der Tarifautonomie zu suchen (2. Kapitel). In einem weiteren Teil werden die personellen Grenzen der Tarifinacht (3. Kapitel) und sodann ihre sachlichen Grenzen (4. Kapitel) erörtert. Daraufhin ist speziell auf das Verhältnis der Tarifautonomie zur Organisations gewalt und Personalgewalt im öffentlichen Dienst einzugehen (5. Kapitel). Schließlich ist zu untersuchen, ob der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis Schranken aus einzelnen Rechtsvorschriften und Rechtsprinzipien erwachsen (6. Kapitel), und zuletzt ist zu überlegen, ob schuldrechtliche Regelungen über Bemessungsvorgaben zulässig wären (7. Kapitel).

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Oben III.

2. Kapitel

Allgemeine Überlegungen zu den Grenzen der Tarifmacht und zu ihrer speziellen Konkretisierung im Postverfassungsgesetz bzw. im Postverwaltungsgesetz I. Allgemeine Überlegungen zu den Grenzen der Tarifmacht Die Schranken der Tarifautonomie und die Schranken der Regelungsbefugnisse der Tarifparteien werden unter dem Stichwort "Grenzen der Tarifautonomie" 1 in der Wissenschaft seit Jahrzehnten diskutiert 2 • Dennoch sind sie in vieler Hinsicht nach wie vor umstritten, und es ist bis heute nicht gelungen, eine in sich geschlossene Konzeption aufzustellen, wie man sie in einzelnen, vor allem auch in bisher nicht behandelten Problemfeldern ermitteln kann. Die Grenzen der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst wurden bisher nur in einzelnen Aspekten und vor allem im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen erörtert 3 • Die vorliegend interessierende Thematik fand bisher keine Beachtung. Dies lag aber nicht daran, daß Probleme der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst keine Bedeutung hätten. Das haben sie, wenn sie auftreten, in großem Umfang. Man denke nur an den in den letzten Jahren äußerst streitigen Bereich des Beamteneinsatzes beim Streik von Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst 4 • Der entscheidende Grund für dieses Phänomen liegt vielmehr darin, daß von Gewerkschaftsseite bisher die Organisationsgewalt der öffentlichen Dienstherm grundsätzlich anerkannt und nicht in Frage gestellt wurde. Auch nur ähnlich weitgehende Regelungen, wie sie die Deutsche Postgewerkschaft heute fordert, sind in keinem Tarifvertrag mit einem öffentlichen Arbeitgeber enthalten. Für die wissenschaftliche Untersuchung bedeutet dies, daß zur Klärung der Grenzen der Tarifautonomie zunächst auf die allgemeinen Grundlagen zurückgegriffen werden muß, ehe die einzelnen für die vorliegende Problematik maßgebenden speziellen verfassungsrechtlichen, einfachgesetzlichen und sonstigen Ansätze erläutert werden können. Vgl. den gleichnamigen Titel von Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie. Zum Überblick insbes. Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 25 ff.; Söllner, Arbeitsrecht, S. 144 ff.; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 338 ff.; Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 158 ff. 3 Vgl. statt aller Schlüter, in: Brox / Rüthers, Arbeitskampfrecht, Rn. 537 ff. m. w. N. 4 Hierzu BVerwG AP Nr. 87 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG AP NT. 86 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. Literatumachweise unten 5. Kapitel I. 1

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I. Allgemeine Überlegungen zu den Grenzen der Tarifmacht

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Die Grenzen der Tarifautonomie in bezug auf die Planungs- und Organisationsfreiheit des Arbeitgebers sind allerdings weithin nicht nur ein Problem der öffentlichen Dienstherrn oder gar nur der Unternehmen der Deutschen Bundespost. Vielmehr müssen die derzeitigen Vorstöße der Deutschen Postgewerkschaft in einem weiter ausgreifenden Zusammenhang gesehen werden. Die Gewerkschaft versucht, die unternehmerische Planungs- und Organisationsfreiheit tarifvertraglieh mitzubestimmen. Sollte dies im Bereich des öffentlichen Dienstes gelingen, so wäre zu erwarten, daß ähnliche Versuche von anderen Gewerkschaften auch in der Privatwirtschaft verstärkt unternommen würden. Insofern hat die Problematik eine erhebliche Brisanz und Bedeutung für das gesamte Wirtschaftssystem. 1. Der Meinungsstand zu den Grenzen der Tarifautonomie

Aus dem nahezu unübersehbaren Schrifttum 5 seien hier einige wichtige Ansichten herausgegriffen. In der Literatur besteht Einigkeit, daß die Tarifparteien mit ihrer Regelungszuständigkeit nicht beliebige Gegenstände in beliebiger Weise regeln können, sondern Grenzen beachten müssen 6 • Diese Grenzen werden aber seit jeher unter völlig verschiedenen Aspekten diskutiert.

Siebert hat versucht, die Grenzen der Tarifautonomie anband eines Individualbereiches der Arbeitnehmer zu bestimmen 7. Biedenkopfhat namentlich bei den verfassungsrechtlichen Grenzen der Tarifautonomie nach der demokratischen Legitimation der Tarifparteien gefragt8. Die hier interessierenden Fragen der Grenzen der Tarifautonomie in bezug auf die Planungs- und Organisationsmacht des Arbeitgebers behandelt er nicht. Das Problem der arbeitsrechtlichen Grenzen tarifvertraglicher Normsetzung sucht er mit der "Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Gesetzgeber und Tarifparteien" zu lösen 9• Verschiedene Autoren gehen davon aus, daß die Tarifautonomie unmittelbar auf dem Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG beruhe, also letztlich eine vom Staat delegierte Rechtsetzungsmacht sei. Demzufolge suchen sie die Grenzen der Tarifautonomie nach der Reichweite der staatlichen Delegation festzulegen 10.

Wiedemann / Stumpf differenzieren zwischen den Außenschranken und den Innenschranken der Tarifautonomie und wollen die Innenschranken zum einen Nachweise bei Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, vor Rn. 158. Statt aller sei nur verwiesen auf Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 25 ff.; Hanau / Adomeit, Arbeitsrecht, S. 68 ff.; Söllner, Arbeitsrecht, S. 144 ff.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S. 1315 ff.; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 338 ff. 7 Siebert, in: Festschrift für Hans earl Nipperdey, 1955, S. 119 ff. 8 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, insbes. S. 47 ff. 9 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 152 ff. 10 Misera, Tarifmacht, S. 20 ff.; Peters / Ossenbühl, Übertragung öffentlich-rechtlicher Befugnisse, S. 14 ff.; Säcker, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 40 ff. 5

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2. Kap.: Grenzen der Tarifmacht - Grundlagen

nach funktionellen Grenzen der Zuständigkeit II und zum anderen nach Grenzen, die sich aus dem Individualschutz der nonnunterworfenen Personen ergeben 12, bestimmen. 2. Würdigung und eigener Ansatz Der Ansatz Sieberts, der die Grenzen der Tarifautonomie anhand eines Individualbereiches der Arbeitnehmer ziehen will 13, genügt nicht. Der Individualbereich der Arbeitnehmer zieht der Tarifautonomie sicher Grenzen, wie z. B. das Verbot, entstandene tarifliche Ansprüche rückwirkend zum Erlöschen zu bringen 14. Aber das reicht nicht aus und erfaßt die heute relevanten Bereiche, wie etwa die Frage, ob die unternehmerische Freiheit der Tarifautonomie Grenzen setzt 15, bei weitem nicht. Die Ansicht Biedenkopfs, wonach die Grenzen der Tarifautonomie maßgeblich aus der Reichweite der demokratischen Legitimation abzuleiten sind 16, erfaßt nur einen Aspekt der Problematik. Sicher gibt es Materien, für die den Tarifparteien bereits die Legitimation fehlt, etwa für die Gestaltung der gesellschaftsvertraglichen Unternehmensstrukturen. Aber im übrigen dringt man mit der Frage nach der Legitimation nur zu den Grundlagen der Tarifautonomie vor. Argumente für die Grenzziehung ergeben sich daraus nur dann, wenn man sie aus der Legitimation selbst ableiten kann. Gewiß, wie ein Gesetzgeber nur insoweit Gesetze erlassen darf, als er legitimiert ist und etwa eine Gesetzgebungsbefugnis für ein bestimmtes Gebiet, z. B. die des Bundesgesetzgebers für das Arbeitsrecht in Art. 74 Ziffer 12 GG, nicht etwa auch die Befugnis zur Regelung des Verbots der Einwanderung von Personen umfaßt, nur weil diese u. U. Arbeitsplätze in Deutschland besetzen, so können auch die Tarifparteien nur tätig werden, soweit ihre Autonomie, woraus immer man sie herleiten mag und wie immer man sie umschreibt, reicht. Aber das führt nicht auch zur Frage, ob die tarifliche Regelungsbefugnis nicht deshalb enger zu verstehen ist als die abstrakte Legitimation, weil und soweit sie an Rechten anderer, namentlich der Arbeitgeber, endet, oder weil der Verfassungsgeber oder Gesetzgeber ihr aus anderen Gründen engere Schranken gesetzt hat l7 • Diese Argumente sprechen auch gegen die Ansicht, die die Tarifautonomie nach der Reichweite der staatlichen Delegation bestimmen will 18. Zusätzlich ist bereits der Grundansatz dieser Auffassung fragwürdig. Die Tarifautonomie gab 11

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Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Rn. 159 ff. Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Rn. 203 ff.

Siehe Fn. 7. Vgl. Zöllner, Arbeitsrecht, S. 343 f. 15 Dazu ausführlich unten 4. Kapitel I. 16 Siehe Fn. 8, 9. 17 Ablehnend zum Ansatz Biedenkopfs z. B. auch Söl/ner, Arbeitsrecht, S. 145, wenn auch mit anderer Begründung. 18 Nachweise in Fn. 10. 13

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I. Allgemeine Überlegungen zu den Grenzen der Tarifmacht

29

es längst vor Inkrafttreten des Grundgesetzes, und, sowohl historisch als auch sachlich gesehen, ist das Tarifvertragsgesetz die gesetzliche Grundlage der Tarifautonomie. Diese gäbe es auch ohne das Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GGI9. Diese Verfassungsnorm hat lediglich die bereits zur Zeit des Inkrafttretens des Grundgesetzes bestehende Tarifautonomie verfassungsrechtlich abgesichert 20 und in gewissem Umfang mitgeprägt. Da der Gesetzgeber bisher das Arbeitsrecht nicht kodifiziert und sich auch im Bereich der Tarifautonomie einer Regelung der Einzelprobleme in bezug auf die Grenzen der Tarifautonomie enthalten hat, ist dieser Bereich der Grenzen kein homogener einheitlicher Regelungskomplex. Vielmehr ergeben sich sowohl aus der Verfassung als auch aus dem einfachen Gesetzesrecht, als auch aus allgemeinen Prinzipien der Rechtsordnung Grenzen für die Rechtsetzungsmacht der Tarifparteien. Dies ist durchweg in der Rechtswissenschaft und auch in der Rechtsprechung anerkannt. Unabhängig von der vorliegenden Problematik sei nur beispielhaft auf verschiedene Grenzen hingewiesen: So ist etwa unstreitig, daß die Tarifautonomie die Schranken des Art. 14 GG beachten muß und, wie dargelegt, bereits entstandene vermögenswerte Ansprüche der Arbeitnehmer nicht durch Tarifvertrag entzogen werden können 21. Ebenso wäre es unzulässig, durch Tarifvertrag zu bestimmen, daß Arbeitgeber Teile ihres Unternehmens den Arbeitnehmern etwa als Mitgesellschafter übertragen müßten 22 • Selbstverständlich dürfen sich die Tarifparteien nicht über zwingendes und nicht tarifdispositives Gesetzesrecht hinwegsetzen. Auch dürfen sie die Rechtsverhältnisse der Beamten nicht durch Tarifvertrag regeln, weil die Ausgestaltung der Beamtenverhältnisse ausschließlich (vgl. § 50 Abs. 1 BRRG, §§ 83,85-89 BBG) öffentlichrechtlich und einseitig durch den Staat zulässig und möglich ist 23 • Es zeigt sich also, daß die Grenzen der Tarifautonomie bei speziellen Fragen nur anhand der verschiedenen einzelnen rechtlichen Aspekte gezogen werden können 24 • Die Tarifautonomie ist, wie auch diese Beispiele zeigen, nur ein Teil der Gesamtrechtsordnung und muß sich harmonisch in diese einfügen. Deshalb Zöllner, Arbeitsrecht, S. 339. Vgl. Zöllner, Arbeitsrecht, S. 339, der hier plastisch von ..Unterfangen" spricht. 21 Zöllner, Arbeitsrecht, S. 344; Konzen, ZfA 1980,77 (118); ders., RdA 1981, 121 f.; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 237; Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht 11/ I, S. 407; Loritz, ZfA 1982,77 (99 ff.); Zöllner, Maßregelungsverbote, S. 38. 22 Loritz, Die Mitarbeit Unternehmensbeteiligter, S. 108 ff.; ders., DB 1985, 531 ff. 23 Unstreitig, statt aller: BAG AP Ne. 3 zu § 3 BAT = DB 1974, 1920; Schlüter, in: Brox / Rüthers, Arbeitskampfrecht, Rn. 501; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 33, Rn. 64; vgl. ferner Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 168 ff. 24 So im Ansatz auch Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 159 ff., denen bezüglich der Einzelheiten allerdings keinesfalls durchwegs gefolgt werden kann. 19

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2. Kap.: Grenzen der Tarifrnacht - Grundlagen

ist zunächst sicher stets zu untersuchen, ob die Tarifparteien, die ja Rechtsnormen setzen, für die Materie, die sie regeln, eine Legitimation besitzen, ob sie also überhaupt zuständig sind. Wird das bejaht, dann kann die tarifliche Regelungsmacht dennoch durch Rechte und Interessen der Normunterworfenen oder der Allgemeinheit begrenzt werden. Der Gesetzgeber kann aber auch durch nicht tarifdispositives Gesetzesrecht ausdrückliche oder aus solchen Regelungen ableitbare Schranken setzen. Die Grenzen der tariflichen Handlungs- und Regelungsmöglichkeiten ergeben sich in personeller Hinsicht daraus, daß sich die Macht der Tarifparteien 25 grundsätzlich nur auf die Mitglieder erstreckt, diese also nur Arbeitsverhältnisse ihrer Mitglieder regeln können 26. Eine sachliche Schranke ergibt sich aus der Funktion der Tarifautonomie. Diese Schranke hat sich positivrechtlich darin niedergeschlagen, daß die verfassungsrechtliche Garantie in Art. 9 Abs. 3 GG nur die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Arbeitnehmer erfaßt und den einschlägigen Vorschriften des Tarifvertragsgesetzes (§§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1, Abs. 2) zu entnehmen ist, daß sich die tarifvertragliche Regelungsmacht ausschließlich auf arbeitsrechtliche Gegenstände erstreckt 27. Schließlich gelten auch, soweit die Tarifparteien für eine Materie grundsätzlich die Regelungsmacht besitzen, für alle Tarifregelungen die allgemeinen Schranken der Rechtsordnung, wobei für die vorliegende Thematik insbesondere die die allgemeine Organisationsfreiheit des Arbeitgebers schützenden Rechtsvorschriften und -prinzipien und zudem die besonderen für die öffentlichen Dienstherren geltenden verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen "Vorgaben" zu beachten sind. 3. Die Grenzen der Tarifautonomie und das Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG

Art. 9 Abs. 3 GG garantiert die Koalitionsfreiheit. Dies ist zunächst das Grundrecht des einzelnen, sich in einer Koalition zusammenzuschließen 28 • Doch reicht der Inhalt der Koalitionsfreiheit nach heutigem Rechtsverständnis weit über den bloßen Wortlaut der Verfassungsbestimmung hinaus 29 • Von besonderer Bedeutung ist die sog. Garantie der Koalitionszweckverfolgung, auch Betätigungsgarantie genannt. Das Bundesverfassungsgericht hat sie des öfteren als das Recht, durch spezifisch koalitionsgemäße Betätigung den Koalitionszweck zu verfolgen, 25 Zum Streitstand, woraus diese Macht der Tarifparteien herzuleiten ist, sei an dieser Stelle nur verwiesen auf Richardi, Kollektivgewalt, S. 127 ff.; Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, § 1, Rn. 21 ff. 26 Vgl. Zöllner, Arbeitsrecht, S. 339 f. 27 Zöllner, Arbeitsrecht, S. 342 f. 28 Statt aller Zöllner, Arbeitsrecht, S. 103. 29 Zöllner, Arbeitsrecht, S. 104, und zu Einzelheiten Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 29 mit umfassender Darstellung des Meinungsstandes.

I. Allgemeine Überlegungen zu den Grenzen der Tarifmacht

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gekennzeichnet 30. Die wichtigste Ausprägung dieser Garantie der Koalitionszweckverfolgung ist die Tarifautonomie, die bedeutet, daß den Tarifparteien die Möglichkeit gewährleistet sein muß, die Arbeitsbedingungen sinnvoll durch Tarifvertrag zu ordnen und zu gestalten 31 . Aber diese Freiheit ist den Tarifparteien unstreitig nicht schrankenlos gewährt, und es gibt auch keine Vermutung, daß die Koalitionsfreiheit sich gegen andere Rechtsgüter im Zweifel durchsetzen würde. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Entscheidungen immer wieder betont, daß die Koalitionsfreiheit Grenzen unterliege. So hat es wiederholt darauf hingewiesen, daß bei der Bestimmung der Tragweite der Koalitionsfreiheit die historische Entwicklung zu berücksichtigen sei 32 und daß Art. 9 Abs. 3 GG nur einen Kernbereich koalitionsmäßiger Betätigung garantiere 33 , nicht aber den geschützten Personen und Vereinigungen mit Verfassungsrang einen inhaltlich unbegrenzten und zusätzlich unbeschränkbaren Handlungsspielraum einräume 34 . In seinem Urteil vom 1.3.1979 betreffend die Verfassungsmäßigkeit des MitbestG 1976 sprach das Bundesverfassungsgericht in aller Deutlichkeit aus: "Mehr noch als die in Artikel 9 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Vereinigungsfreiheit bedarf die Koalitionsfreiheit von vornherein der gesetzlichen Ausgestaltung. Diese besteht nicht nur in der Schaffung der Rechtsinstitute und Normenkomplexe, die erforderlich sind, um die grundrechtlich garantierten Freiheiten ausüben zu können. Die Bedeutung und Vielzahl der von der Tätigkeit der Koalitionen berührten Belange, namentlich im Bereich der Wirtschafts- und Sozialordnung, machen vielmehr vielfältige gesetzliche Regelungen notwendig, die der Koalitionsfreiheit auch Schranken ziehen können; dies um so mehr, als der Gegenstand der Gewährleistung auf sich wandelnde wirtschaftliche und soziale Bedingungen bezogen ist, die mehr als bei anderen Freiheitsrechten die Möglichkeit zu Modifikationen und Fortentwicklungen lassen müssen."35 Bereits in seinem Beschluß vom 26.5.1970 hat das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen: "Die Verfassung gewährleistet jedoch die Tätigkeit der Koalitionen nicht schrankenlos. Es ist Sache des Gesetzgebers und fallt in den Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit, die Tragweite der Koalitionsfreiheit dadurch zu bestimmen, daß er die Befugnisse der Koalition im einzelnen ausgestaltet und näher regelt." 36 30 BVerfGE 4,96 (106); E 17,319 (333 f.); E 19,303 (312); E 28, 295 (304); E 38, 386 (393); E 50, 290 (367); E 57, 220 (245); E 58,233 (247). 31 BVerfGE 4, 96 (106); E 18, 18 (26); E 19,303 (313); E 20, 312 (319f.); E 28, 295 (304); E 50, 290 (367). 32 BVerfGE 4, 96 (101 f., 106, 108); E 18, 18 (28 ff.); E 19, 303 (314); E 38, 386 (394); E 50, 290 (367). 33 BVerfGE 4,96 (106); E 17,319 (333); E 38, 386 (393); E 50, 290 (368); E 57, 220 (246); E 58, 233 (247). 34 BVerfGE 50, 290 (368); bestätigt in E 58, 233 (247). 35 BVerfGE 50, 290 (368); bestätigt in E 58, 233 (247).

2. Kap.: Grenzen der Tarifmacht - Grundlagen

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Es kann nach alledem keinem Zweifel unterliegen, daß die Koalitionsfreiheit durch den Gesetzgeber in weitgehendem Umfang eingeschränkt werden kann. Dies kann nicht nur ausdrücklich geschehen, sondern auch dadurch, daß der Gesetzgeber selbst bestimmte Materien regelt und eine Abweichung hiervon nicht zuläßt, was wiederum nicht expressis verbis geschehen muß. Es ist auch inzidenter etwa in der Form möglich, daß eine Regelung erkennen läßt, der Gesetzgeber gehe, wie z. B. bei der Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse der Beamten, gleichsam selbstverständlich davon aus, daß er allein zur Regelung legitimiert und die Materie einer Regelung durch die Koalitionen von vornherein verschlossen sei, wie dies z. B. die bereits erwähnten § 50 Abs. 1 BRRG, §§ 83, 85 - 89 BBG erkennen lassen 37. Bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der Beamten kann es deshalb insoweit gar nicht zur Problematik der Kollision 38 zwischen Art. 33 Abs. 5 und Art. 9 Abs. 3 GG kommen, weil Art. 9 Abs. 3 GG den Koalitionen generell keine Regelungsbefugnis einräumt, soweit die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums reichen. Eine Grenze für die Normsetzungsbefugnis der Tarifparteien muß deshalb nicht etwa jeweils daraufhin untersucht werden, ob sie vor Art. 9 Abs. 3 GG Bestand hat. Denn diese Norm gewährleistet von vornherein nur einen Kernbereich spezifisch koalitionsgemäßer Betätigung. Dieser Kernbereich ist zweifelsohne mit der Ausgestaltung der Koalitionsfreiheit in ihrer heutigen Form, namentlich durch das Tarifvertragsgesetz und die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze, gewahrt. Somit können sich zwar, soweit für die vorliegende Problematik von Interesse, Schranken der Rechtsetzungsbefugnis der Tarifparteien u. a. aus der Verfassung ergeben. Umgekehrt können aber Schranken, die sich aus dem einfachen Gesetzesrecht oder sonstigen Rechtsgrundsätzen, namentlich auch den Rechtspositionen Dritter oder der Allgemeinheit, ergeben, nicht durch einen globalen Hinweis auf das Koalitionsgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG überspielt werden. Es bedarf des Nachweises, daß dessen Kernbereich berührt wird.

11. Die speziellen Regelungen des § 53 Abs. 1 PostVerfG und des § 26 PostVwG Bei der Frage nach der Zulässigkeit tarifvertraglieh geregelter Bemessungsvorgaben ist, wie bei der Lösung jeder Rechtsfrage, zunächst nach einer positivrechtlichen Regelung zu suchen. Als solche käme nach der früheren Rechtslage § 26 PostVwG und nach der heutigen § 53 Abs. 1 PostVerfG in Betracht. § 53 Abs. 1 36

BVerfGE 28, 295 (306); bestätigt in E 50, 290 (369); E 57, 220 (245 f.); E 58,

233 (247).

Siehe bereits oben I 2. Zur Konkurrenz- und Kollisionsproblematik von Verfassungsnormen allgemein Bleckmann, Staatsrecht H, S. 341 ff.; weitere Nachweise bei Loritz, Sonntagsarbeit, S. 62 Fn. 1. 37 38

Ir. § 53 Abs. 1 PostVerfG und § 26 PostVwG

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S. 1 PostVerfG lautet: "Die Vergütungen, Löhne und Arbeitsbedingungen der Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden der Unternehmen werden durch Tarifverträge geregelt, die der Vorstand mit den zuständigen Gewerkschaften abschließt." § 26 PostVwG unterschied sich, was den Hinweis auf die durch Tarifvertrag zu regelnden Materien betrifft, von dieser Vorschrift nicht. Auch er zählt die "Vergütungen, Löhne und Arbeitsbedingungen der Angestellten und Arbeiter" auf und fügt lediglich noch die Erziehungsbeihilfen und Unterhaltszuschüsse an. Damit wurde in das Postverwaltungsgesetz und das Postverfassungsgesetz eine Umschreibung der Materien aufgenommen, wie diese für Tarifverträge üblich war und ist und hinsichtlich des Wortes "Arbeitsbedingungen" zumindest verbal einen gewissen Interpretationsspielraum läßt. Dieser Begriff ist auch in Art. 9 Abs. 3 GG enthalten, wo allerdings zusätzlich von den "Wirtschaftsbedingungen" gesprochen wird. Aus der Entstehungsgeschichte des Postverwaltungsgesetzes ergibt sich nicht, daß sich der Gesetzgeber besondere Gedanken hinsichtlich des Begriffes der "Arbeitsbedingungen" gemacht hätte. Dies ist auch beim Postverfassungsgesetz nicht geschehen. Dort wurde die Wahl der Worte "Vergütungen, Löhne und Arbeitsbedingungen" lediglich übernommen. Der einzige tragfähige Anhalt im Wortlaut ist, daß von den "Wirtschaftsbedingungen" ausdrücklich nicht mehr die Rede ist. Darauf ist im Verlauf der Darstellung noch näher einzugehen 39 • Immerhin ist der Wortlaut aber insofern nicht eindeutig, als er der tariflichen Regelung nicht ausdrücklich Gegenstände entzieht, die als Teile der unternehmerischen Leitungs- und Organisationsfreiheit nur mittelbare Wirkungen auf die Arbeitsverhältnisse haben. Die Vorschrift schließt deshalb nicht schon von vornherein unter allen Umständen eine tarifvertragliche Mitbestimmung und Regelung im Bereich der Bemessungsvorgaben aus. Die Grenzen der Tarifautonomie können deshalb in diesem Bereich nicht allein anhand einer Wortlautinterpretation gezogen werden, sondern es sind weitere rechtliche Überlegungen anzustellen.

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Siehe unten 4. Kapitel I 2.

3 Loritz

3. Kapitel

Die rechtliche Qualifizierung der tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben und die personellen Grenzen der Tarifrnacht I. Allgemeines Die Tarifmacht der Tarifvertragsparteien erstreckt sich prinzipiell nur auf die tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, nicht auch auf die Außenseiter 1. Diese Aussage ist für normative Regelungen selbstverständlich und ergibt sich eindeutig aus § 4 Abs. 1 S. 1 TVG, der ausdrücklich bestimmt, daß die Rechtsnormen des Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages/allen, gelten. Nach § 3 Abs. 1 TVG sind die Mitglieder - gemeint sind "nur" die Mitglieder - der Tarifvertragsparteien und der Arbeitgeber, der selbst Partei des Tarifvertrages ist, tarifgebunden. Die Beschränkung der Tarifmacht bei normativen Regelungen auf die tarifgebundenen Arbeitnehmer hat trotz der eindeutigen Regelungen immer wieder Probleme bereitet. Erwähnt seien beispielhaft die sog. tarifvertraglichen Spannenklauseln, die darauf abzielen, dem Arbeitgeber eine Differenzierung zwischen den tarifgebundenen und den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern vorzuschreiben. Das BAG hat sie für rechtswidrig erklärt 2 • Hier ging es um die für die vorliegende Thematik nicht weiter interessante Frage der Benachteiligung nicht gewerkschafts angehöriger Arbeitnehmer durch Ausschluß von bestimmten begünstigenden Regelungen. Gewissermaßen das Gegenstück sind die nunmehr von der Deutschen Postgewerkschaft geforderten Regelungen über tarifvertragliche Bemessungsvorgaben, durch die, jedenfalls faktisch, alle Arbeitnehmer und sogar auch noch die Beamten einbezogen werden sollen. Problematisch wurden die personellen Grenzen der Tarifmacht bislang vor allem auch bei betrieblichen und - hier nicht interessierenden - betriebsverfas1 Unstreitige Ansicht, statt aller Richardi, Kollektivgewalt, S. 214 ff., 224; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 339 f. 2 BAG GS AP Nr. 13 zu Art. 9 GG (Gr. Teil IV, Teil VIII, 5 0; zustimmend Zöllner, Arbeitsrecht, S. 341 f.; ablehnend Ritter, JZ 1969, 105 (111 ff.); Hamann / Lenz, Grundgesetz, Art. 9, Bemerkung A 4 a; Söllner, Arbeitsrecht, S. 63. Zur Unzulässigkeit der Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit bei der Inanspruchnahme des Vorruhestandes siehe aus neuerer Zeit BAG DB 1987,487.

H. Rechtsnatur tarifvertraglicher Bemessungsvorgaben

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sungsrechtlichen Regelungen. Hier ist bereits das Tarifvertragsgesetz unklar. Es bestimmt in § 3 11: "Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen gelten für alle Betriebe, deren Arbeitgeber tarifgebunden ist." Zugleich gilt nach § 4 Abs. 1 S.2 TVG die Vorschrift des § 4 Abs. 1 S. 1 TVG, die - wie dargelegt - die zwingende Wirkung der Tarifnormen nur für die beiderseits tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber anordnet, entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrages über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen. Wie die Problematik der Geltung von Betriebsnormen auch auf Außenseiter gelöst werden kann, ist seit jeher äußerst umstritten 3, wobei zahlreiche Fragen, soweit sie den Arbeitnehmerschutz betreffen, hier nicht interessieren. Denn bei Bemessungsvorgaben geht es um die Einschränkung der Organisationsgewalt des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn. Allerdings wurden in der Literatur bislang allgemeine und damit auch hier interessierende Grenzen für Betriebsnormen angesprochen. Deshalb ist zunächst zu untersuchen, ob es sich bei den erstrebten Bemessungsvorgaben um Betriebsnormen oder um sonstige normative oder um schuldrechtliche Regelungen handeln würde.

11. Die Rechtsnatur tarifvertraglicher Bemessungsvorgaben normative Regelungen (i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG) oder Regelungen über betriebliche Fragen (i. S. d. §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG)? Die Deutsche Postgewerkschaft hat bisher, soweit bekannt, nicht zum Ausdruck gebracht, welche genauen rechtlichen Vorstellungen sie mit tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben verbindet, insbesondere nicht, ob sie sie als normative Regelungen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG oder als Regelungen über betriebliche Fragen i. S. d. §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG wünscht. Klar ist nur ihre Zielsetzung: Sie will, ihrer eigenen Aussage nach, "die Beschäftigten" vor Überbelastung schützen und will "einen weiteren großen Bereich der Arbeitsbedingungen mit Mitteln der Tarifpolitik im Interesse der Beschäftigten"4 regeln 5 • Eine Beschränkung auf die Gewerkschaftsmitglieder ist also offensichtlich nicht erwünscht. Das mag bis zu einem gewissen Maße daher rühren, daß im öffentlichen Dienst Tarifabschlüsse so gut wie immer auch für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer übernommen werden. Dennoch will die Deutsche Postgewerkschaft offensichtlich eine tarifvertragliche Regelung für alle, auch für nicht tarifgebundene 3

An dieser Stelle sei nur verwiesen auf Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz,

§ 1, Rn. 245 ff.

Hervorhebungen des Verfassers. Vgl. Nissl, VL-Info Nr. 32/89 vom 11. 8. 1989 der Deutschen Postgewerkschaft (Hrsg.), S. I, vgl. ferner S. 3 ff., wo immer nur global von ..den Beschäftigten" gesprochen wird, nicht von den Gewerkschaftsmitgliedern. 4

5

3*

3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifrnacht

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Arbeitnehmer. Dies wird zusätzlich dadurch deutlich, daß sie ausdrücklich auch die Übernahme für die Beamten erstrebt 6. Anders als bei Tariflohnerhöhungen und sonstigen Arbeitsbedingungen, wie etwa bei der Länge des Urlaubs und der Arbeitszeit, die auch im öffentlichen Dienst, jedenfalls theoretisch, auf die Gewerkschaftsmitglieder beschränkt werden könnten, ist dies bei einer tarifvertraglichen Regelung der Bemessungsvorgaben schon praktisch unmöglich, wie bereits dargelegt wurde 7. Denn anhand der Bemessungsvorgaben wurde bisher die Zahl der im Haushalt der Deutschen Bundespost auszuweisenden Personalposten ermittelt und es wurden die Aufgaben der jeweiligen Planstelleninhaber festgelegt und voneinander abgegrenzt. Da, wie dargelegt, die von einer einzelnen Dienststelle zu erledigenden Aufgaben nicht vom einzelnen Unternehmen der Deutschen Bundespost oder von den einzelnen zuständigen Oberpostdirektionen frei bestimmt werden können, sondern zum allergrößten Teil von den durch die Postbenutzer angeforderten Leistungen abhängen, würde die Beschränkung nur der von den tarifgebundenen Mitarbeitern zu erledigenden Aufgaben durch tarifvertragliche Bemessungsvorgaben dazu führen, daß dann entweder die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und die Beamten die anfallende Arbeit, welche die tarifgebundenen nicht erledigen "dürften", zusätzlich verrichten müßten. Das will die Deutsche Postgewerkschaft ersichtlich nicht. Sie fordert ja, daß alle anhand der Bemessungsvorgaben als erforderlich ermittelten Stellen tatsächlich besetzt werden sollen. Eine Geltung der tariflichen Bemessungsvorgaben nur für die tarifgebundenen Arbeitnehmer wäre zudem rein praktisch nicht durchführbar. Denn Bemessungswerte verfolgen gerade das Ziel, eine angemessene Arbeitsbelastung der Beschäftigten sicherzustellen. Die Bemessungsvorgaben werden aber als solche nicht Bestandteil der Arbeitsverträge, sondern führen, wie dargelegt, zunächst zur Schaffung bestimmter Personalposten, auf denen dann die tatsächlich anfallende und zu verrichtende Arbeit im Einzelfall den nach den Bemessungsvorgaben ermittelten Umfang unter-, aber auch überschreiten kann. Bemessungsvorgaben gehören deshalb zur unternehrnerischen Organisation und Planung, und diese können,jedenfalls im Bereich der Deutschen Bundespost mit ihren Unternehmen, nicht für tarifgebundene und nicht tarifgebundene Beschäftigte in unterschiedlicher Weise verwirklicht werden, weil sie nur die Personalposten als solche und nicht die individuellen Personen erfassen können. Tarifvertragliche Bemessungsvorgaben könnten deshalb nur als Regelungen vereinbart werden, die für alle Arbeitnehmer gelten würden. Es fragt sich, ob dieses Ziel rechtlich erreicht werden könnte, indem Bemessungsvorgaben in Form von Betriebsnormen vereinbart würden. Was sind, so muß man fragen, Betriebsnormen? Fallen Bemessungsvorgaben darunter? Ließen 6 7

Siehe oben I. Kapitel IV I. Oben I. Kapitel IV 2.

II. Rechtsnatur tarifvertraglicher Bemessungsvorgaben

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sie sich u. U. auch als sonstige nonnative oder schuldrechtliche Regelungen verstehen? 1. Bemessungsvorgaben als Betriebsnormen

Das Tarifvertragsgesetz definiert Betriebsnonnen nicht, und sein Wortlaut läßt auch nicht erkennen, was Betriebsnonnen sind 8 • Richardi hat die Regelungen des Tarifvertragsgesetzes über Betriebsnonnen umfassend untersucht und gewürdigt, beginnend mit einer historischen Darstellung der Entwicklung der Betriebsnonnen 9 • Wie diese zeigt 10 und wie heute allgemeine Ansicht ist, werden darunter solche Nonnen verstanden, die Fragen der Betriebsorganisation regeln 11. Ihre Umschreibung erfolgt in der Literatur durchweg durch die Beschreibung ihrer Rechtsfolgen statt durch eine strenge Definition. Zöllner versteht darunter nur solche Nonnen, "deren einheitliche Anwendung auf gewerkschaftsangehörige und nicht gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer im Betrieb von der Sache her unumgänglich und nicht lediglich aus Gleichheits- oder Rationalisierungsgründen wünschenswert ist" 12. Nach Söl/ner sind Betriebsnonnen Regelungen, die dem Arbeitgeber Pflichten zugunsten der gesamten Belegschaft eines Betriebes oder einer Gruppe auferlegen, z. B. die Einrichtung von Bädern, Umkleide- oder Aufenthaltsräumen 13. Schaub zählt zu den Betriebsnonnen diejenigen, die der gesamten Belegschaft oder bestimmten Gruppen von Arbeitnehmern dienen sowie alle Nonnen, die eine einheitliche Verfahrensweise im Betrieb gewährleisten 14. Herkömmlicherweise unterscheidet man bei den Betriebsnonnen die Solidarnonnen und die Ordnungsnonnen 15. Als Solidarnormen wurden in der bisherigen Diskussion Vorschriften genannt, durch die der Arbeitgeber zu Maßnahmen verpflichtet wird, die dem Schutz oder der Fürsorge für die gesamte Belegschaft oder für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern dienen, wie etwa Arbeitsschutzeinrichtungen, Vorschriften über die Entlüftung und Heizung der Arbeitsräume, die Bereitstellung von Waschhäusern und Baubuden, die Zusammensetzung der Arbeitnehmerschaft, die Einrichtung von Pensions- und Urlaubskassen 16. Weniger einheitlich ist die Bestimmung der Ordnungsnormen. Zu ihnen sollen alle 8 Vgl. A. Hueck. BB 1949, 530; Hueck / Richardi. AR-Blattei D Tarifvertrag VI, B III 1; Richardi, Kollektivgewalt, S. 238. 9 Richardi, Kollektivgewalt, S. 238 ff. 10 Vgl. auch Zöllner, Arbeitsrecht, S. 312. II Zöllner, Arbeitsrecht, S.312; Wiedemann/ Stumpf. Tarifvertragsgesetz, § I, Rn. 243; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S. 1323. 12 Zöllner, Arbeitsrecht, S. 312; siehe dens. auch in RdA 1962,453 (454). 13 Söllner, Arbeitsrecht, S. 137. 14 Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S. 1323. 15 Zöllner, RdA 1962, 453 (454); Richardi. Kollektivgewalt, S. 238 ff., jeweils mit umfassender Darstellung der Problematik. 16 So ausführlich Richardi, Kollektivgewalt, S. 238 mit Darstellung des Meinungsstandes.

3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

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Nonnen über die Ordnung und das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb gehören 17. Nach Wiedemann / Stumpf ist Anknüpfungspunkt der betrieblichen Nonnen die Organisation des Unternehmens, also die Realisierung der betrieblichen Planung. Zum Organisationsbereich des Betriebs sollen vor allem die Personalstruktur, also die Zusammensetzung der Belegschaft und ihre hierarchische Verknüpfung (Kompetenz system) und die Regeln über das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb gehören 18. Reuter hat tarifvertragliche Arbeitsplatzbesetzungsregelungen - es ging konkret um die tarifliche Regelung, die für die einzelnen Abschnitte des Druckverfahrens die Zahl der mindestens zu beschäftigenden Arbeitnehmer und ihrer Qualifikation festlegte - einer Untersuchung unterzogen 19. Er qualifiziert diese Regelungen als Betriebsnonnen 20. Koller hat sich mit Rationalisierungsschutzabkommen beschäftigt und dabei u. a. das Beispiel einer tariflichen Regelung, die die Tagesleistung des Malers in Fonn einer zu streichenden Fläche begrenzt, genannt 21. Er hält die Qualifizierung solcher Vorschriften als Betriebsnonnen offenbar zumindest für möglich 22 • Berücksichtigt man diese bisherigen Erörterungen und die daraus zu gewinnenden Erkenntnisse, so könnten die von der Deutschen Postgewerkschaft erstrebten tariflichen Besetzungsregelungen, soweit sie unmittelbar die Personalposten gestalten sollen, Betriebsnonnen sein, weil ihre Geltung nur für alle Arbeitnehmer in Betracht kommt 23 und ihre Ausdehnung seitens der Gewerkschaft sogar auf die Beamten erstrebt wird. Schwieriger ist die Entscheidung, ob man solche Regelungen den Solidarnonnen oder Ordnungsnonnen zuzurechnen hätte. Sieht man den Unterschied darin, daß Solidarnonnen dem einzelnen Arbeitnehmer nur als Mitglieder der Arbeitnehmerschaft zugute kommen, ihm aber kein Recht geben, dieses selbst einzuklagen 24, und Ordnungsnonnen vorwiegend für den Arbeitnehmer belastende Regelungen, wie etwa Verhaltenspflichten im Betrieb beinhalten 25, so wird man wohl eher von Solidarnonnen auszugehen haben. Denn um die bloße Ordnung des Betriebes geht es nicht. Die Qualifizierung kann im einzelnen aber ohnehin offen bleiben, weil für die Problem lösungen aus der 17 18 19 20

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Richardi, Kollektivgewalt, S. 238; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 312. Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, § I, Rn. 243. Reuter, ZfA 1978, I ff. Reuter, ZfA 1978, 1 (2 ff.). Koller, ZfA 1978,45 ff. Vgl. Koller, ZfA 1978,45 (61 ff.), der allerdings auf die Einordnung kein entschei-

dendes Gewicht legt. 23 Diesen Gesichtspunkt hebt in anderem Zusammenhang auch Hanau, NZA 1985, 73 (76) hervor. 24 Zöllner, RdA 1962,453 (454) m. W.N. 25 Zöllner, RdA 1962, 453 (454) m. w.N.; Richardi, Kollektivgewalt, S.239 mit Darstellung insbes. auch der abweichenden Ansicht A. Huecks (in: Hueck I Nipperdey I Stahlhacke, Tarifvertragsgesetz, 4. Aufl., München / Berlin 1964, § I, Rn. 65, 69, der zu den Ordnungsnormen nur Dienstvorschriften zählt, "die üblicherweise den Gegenstand der Arbeitsordnung bilden").

H. Rechtsnatur tarifvertraglicher Bemessungsvorgaben

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Einteilung nichts gewonnen wäre. Schließlich differenziert das Tarifvertragsgesetz selbst nicht zwischen Solidar- und Ordnungsnonnen, und es ist generell nicht ausgeschlossen, daß es Nonnen gibt, die Elemente dieser beiden Kategorien in sich vereinigen. Als entscheidend kann hier jedenfalls festgehalten werden, daß die von der Deutschen Postgewerkschaft erstrebten Regelungen Betriebsnonnen besonderer Art wären, weil sie auf die Beschränkung der Organisationsgewalt des Arbeitgebers (Dienstherm) zielen 26 • Die rechtliche Qualifizierung sagt noch nichts über die tarifvertragliche Zulässigkeit solcher Regelungen aus, ja nicht einmal darüber, ob das von der Deutschen Postgewerkschaft erstrebte Ziel überhaupt auf rechtlich zulässigem Wege erreicht werden kann. Immerhin muß bereits an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß die Einbeziehung von Außenseitern auf dem Wege über Betriebsnonnen seit langem auf den entschiedenen Widerstand so renommierter Arbeitsrechtswissenschaftler wie Zöllner 27 und Lieb 28 gestoßen ist. Ferner ist festzuhalten, daß auch die Qualifizierung der erstrebten tariflichen Bemessungsvorgaben als Betriebsnonnen zweifelhaft ist, weil die Gewerkschaft schon in die Organisation und in die Planung des Arbeitgebers und nicht erst in die Betriebsgestaltung eingreift. Es erschiene allerdings wenig sinnvoll, die Zulässigkeit tariflicher Bemessungsvorgaben allein aufgrund ihrer rechtlichen Qualifizierung abzulehnen. Denn immerhin steht ihr Zusammenhang mit den Arbeitsverhältnissen fest. Deshalb soll davon ausgegangen werden, daß ihre Qualifizierung als Betriebsnonnen zumindest in Betracht kommt, so daß bezüglich ihrer Zulässigkeit auf inhaltliche Aspekte eingegangen und abgestellt werden kann. 2. Tarifvertragliehe Bemessungsvorgaben als sonstige normative oder schuldrechtliche Regelungen?

Ließen sich Bemessungsvorgaben vielleicht auch als normative Regelungen, die keine Betriebsnonnen wären, vereinbaren? Wären durch solche nonnativen Regelungen dieselben Wirkungen für die Arbeitnehmer zu erzielen? Wären vielleicht sogar schuldrechtliche Regelungen möglich, die lediglich der Deutschen Postgewerkschaft gegenüber dem jeweils tarifschließenden Unternehmen der Deutschen Bundespost einen schuldrechtlichen Anspruch auf Mitbestimmung bei den Bemessungsvorgaben und auf deren Einhaltung gewähren würden? 26 Hier mag ein Vergleich mit Rationalisierungsschutzvorschriften eines Tarifvertrages, namentlich in Form von Besetzungsregelungen, naheliegen, weIche die h. M. ebenfalls als Betriebsnormen einstuft: Dälken, Tarifvertraglicher Bestands- und Inhaltsschutz, S. 157; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, Rn. 388 ff., 392; Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht Hf 1, § 15 IV 2, S. 291; Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. H, § 73 IV 1, S. 299; Reuter, ZfA 1978, 1 (4); Richardi, Kollektivgewalt, S. 238; Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, § 3, Rn. 66. 27 Zöllner, RdA 1962, 453 ff. 28 Lieb, RdA 1967,441 ff.; ders., Arbeitsrecht, S. 126 f.

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

Eine tarifvertragliche Bemessungsvorgabe als normative Regelung (i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 TVG) ließe sich theoretisch etwa dergestalt denken, daß sie den jeweils tarifschließenden arbeitgebenden Unternehmen der Deutschen Bundespost die Pflicht auferlegen würde, die bei ihr beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmer auf einem bestimmten Arbeitsplatz z. B. nur mit einer bestimmten Zahl von Dienstverrichtungen (etwa Briefabfertigungen) zu betrauen und ihnen Nebenzeiten von einer bestimmten Länge zu gewähren. Nach § 4 Abs. 1 S. I TVG würde dann diese Regelung nur für die tarifgebundenen Arbeitnehmer gelten, diesen aber auch einen Anspruch auf ihre Einhaltung gewähren. Der einzelne gewerkschaftsangehörige Arbeitnehmer könnte also das arbeitgebende Unternehmen der Deutschen Bundespost auf Einhaltung dieser Normen verklagen. Theoretisch erscheinen solche normative Regelungen möglich, praktisch dürften sie sich aber aus den bereits genannten Gründen 29 nicht verwirklichen lassen und auch nicht gewollt sein. Bereits nach allgemeinen Grundsätzen der Auslegung von Tarifverträgen, gleichgültig, ob man die Grundsätze der Vertragsoder Gesetzesauslegung heranzieht 30 , könnten Bemessungsvorgaben schwerlich als normative Regelungen qualifiziert werden. Die Deutsche Postgewerkschaft will nämlich, wie mehrfach dargelegt, nicht nur den Inhalt der Arbeitsverhältnisse regeln, sondern die Struktur der Organisation der einzelnen Dienststelle der Unternehmen der Deutschen Bundespost bereits im Vorfeld, nämlich bei der Ermittlung der Bemessungswerte, mitgestalten. Das geht über die bloße Gestaltung der einzelnen Arbeitsverhältnisse hinaus und ist etwas grundlegend anderes. Normative Regelungen lassen nämlich die unternehmerische Entscheidung, welche Arbeitsplätze der Arbeitgeber schaffen will, unberührt und verpflichten ihn nur, die auf diesen Arbeitsplätzen beschäftigten Arbeitnehmer in einer bestimmten Weise zu behandeln, ihnen also etwa bestimmte Pausen zu gewähren. Durch Bemessungsvorgaben will die Deutsche Postgewerkschaft aber erreichen, daß bereits die Personalposten so gestaltet werden, wie dies tarifvertraglich vereinbart ist. Normative Regelungen müßten sich letztlich an den einzelnen Arbeitsverhältnissen orientieren, und tarifgebundenen Arbeitnehmern, die eine bestimmte Tätigkeit verrichten, einen Anspruch auf eine bestimmte Gestaltung des Arbeitsplatzes verschaffen. Das scheitert aber schon daran, daß für gleiche Tätigkeiten die Zahl der anfallenden Arbeiten sogar in verschiedenen Dienststellen vergleichbarer Größe unterschiedlich ist. Denn wieviele Briefe z. B. abzufertigen sind, schwankt von Postamt zu Postamt. Von daher könnten durch normative Regelungen allenfalls die Erholungspausen oder die Zeiten für das Lesen von Dienstverfügungen, also generell nur die Zeiten, in denen die Arbeitnehmer nicht mit ihrer spezifisch dienstlichen Tätigkeit beschäftigt werden, geregelt werden. Nicht aber könnte die Haupttätigkeit ihrer Art und ihrem Umfang nach abstrakt bestimmt werden. Siehe oben II vor I. Zum Streitstand: Dütz, in: Festschrift für Karl Molitor, S. 64 ff.; Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, § I, Rn. 390 ff. 29

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III. Personelle Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnormen

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Die Besonderheit der Forderung der Deutschen Postgewerkschaft liegt darin, daß nicht nur geregelt werden soll, welche Tätigkeit in welcher Zeit ein tarifgebundener Arbeitnehmer zu verrichten hat, daß also nicht nur das Direktionsrecht des Arbeitgebers eingeschränkt werden soll. Vielmehr wird ein Eingriff in die arbeitgeberische Organisation und Planung angestrebt, den man mit normativen Regelungen schon rein theoretisch nicht erreichen kann. Schuldrechtlich wäre eine Regelung zwischen der Deutschen Postgewerkschaft und dem jeweiligen, durch den Vorstand vertretenen arbeitgebenden Unternehmen der Deutschen Bundespost denkbar, durch die lediglich die Pflichten dieses Unternehmens festgelegt würden, die Bemessungsvorgaben nur im Einvernehmen mit der Deutschen Postgewerkschaft festzusetzen und mit ihr darüber zu verhandeln. Wird aber die Festsetzung der Bemessungsvorgaben als solche vereinbart, wie dies die Deutsche Postgewerkschaft fordert, dann liegt nach herkömmlichem Verständnis keine nur schuldrechtliche Vereinbarung vor, weil sich die Regelung nicht in einer bloß schuldrechtlichen Pflicht der Parteien erschöpft, sondern unmittelbar die Arbeitsverhältnisse gestalten soll. Soweit schuldrechtliche Vereinbarungen denkbar sind, soll auch ihre Rechtmäßigkeit noch im einzelnen untersucht werden 3\.

Da, unabhängig davon, ob eine Betriebsnorm, eine sonstige normative oder eine schuldrechtliche Regelung vorliegt, immer die sachlich-inhaltlichen Schranken der Tarifautonomie vor allem auch im Hinblick auf die Rechtsstellung des Arbeitgebers angesprochen sind, ergeben sich, wie sich zeigen wird, insoweit vielfach dieselben Rechtsfragen. Soweit es um die personellen Grenzen der Tarifautonomie geht, können normative Regelungen, die keine Betriebsnormen sind, ohnehin von vornherein für Außenseiter nicht gelten. Dies ergibt sich unstreitig bereits aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 4 Abs. 1 S. 1 TVG. Die personellen Grenzen der Tarifautonomie sind deshalb im Rahmen dieser Darstellung nur für Betriebsnormen zu erörtern.

IH. Die Diskussion um die personellen Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnormen Die personellen Grenzen der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis von Betriebsnormen wurden bisher zumeist unter dem Aspekt des Schutzes der normunterworfenen Außenseiter diskutiert 32 , wobei z.T. sogar die Verfassungsmäßigkeit Unten 7. Kapitel. So namentlich von Zöllner, RdA 1962,453 ff.; ders., RdA 1964,443 (446); Richardi, Kollektivgewalt, S. 239 ff.; Reuter, ZfA 1978, 1 (4 ff., 11 ff., 29 ff.); Lieb, RdA 1967, 441 ff.; ders., Arbeitsrecht, S. 126 f.; Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, § 3, Rn. 69; Koller, ZfA 1978, 45 (57 ff.). m. 3\

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifrnacht

des § 3 Abs.2 TVG in Frage gestellt wurde 33. Dieser Schutz der Außenseiter interessiert vorliegend zwar nicht unter dem Aspekt einer möglicherweise unzulässigen Belastung, weil sich tarifvertragliehe Bemessungsvorgaben gerade nur zugunsten und nicht zu Lasten aller Arbeitnehmer auswirken sollen. Die Rechtsstellung der Außenseiter interessiert hier vielmehr deshalb, weil zum einen überhaupt die Frage gestellt werden muß, ob die Gewerkschaften die Legitimation besitzen, sogar die wesentlichen Grundlagen der Arbeitsplätze bzw. Personalposten von Außenseitern zu regeln, auch wenn diesen daraus ein Vorteil erwächst, und weil zum anderen bei Besetzungsregelungen auch die Organisationsstrukturen der gesamten Dienststellen und damit die Ämter der Beamten sowohl im abstrakt-funktionellen als auch im konkret-funktionellen Sinn, also die konkrete Ausgestaltung der Personalposten betroffen sind. 1. Die bisherige Lösung des Spannungsverhältnisses zwischen Tarifautonomie und Freiheit der Außenseiter

a) Die Problematik im Rahmen einer gewandelten Funktion der Tarifautonomie Wegen ihrer Geltung für den gesamten Betrieb bewirken Betriebsnonnen, daß die Tarifparteien Regelungen treffen, die auch für Arbeitsverhältnisse nicht tarifgebundener Arbeitnehmer gelten. Für diese fehlt der Gewerkschaft die Regelungslegitimation, die der tarifgebundene Arbeitnehmer durch seinen Beitritt konkludent erklärt. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Tarifautonomie und Freiheit der Außenseiter bzw., wie man genauer sagen müßte, Schutz vor der Interessenvertretung durch eine nichtlegitimierte Koalition, diskutiert die Literatur 34 vor allem unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Außenseiter vor belastenden Regelungen, was tarifvertragliche Bemessungsvorgaben, wie dargelegt, indes nicht wären. Dennoch griffe die Argumentation, daß sie darum unbedenklich seien, zu kurz. W. Blomeyer hat darauf hingewiesen, betriebliche Nonnen müßten, auch soweit sie der Kategorie der Solidarnonnen zugerechnet würden, stets auf den Schutz der vorhandenen Belegschaftsmitglieder gerichtet sein 35. Allerdings kann im Gegensatz zu seinen Ausführungen nicht von einer "allgemeinen Ansicht", die in diese Richtung ginge, gesprochen werden. Man muß deshalb das Problem grundlegend angehen. Hierbei ist einer in Teilen veränderten Funktion der Tarifautonomie Rechnung zu tragen. Solange der Tarifvertrag nur die - aus historischer Sicht erklärbare 33 Zum Diskussionsstand Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, § 3, Rn. 69; ausführlich Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, S. 67 ff.; s. zum Überblick (aus neuerer Zeit stammend) Konertz, Rationalisierung, S. 72 ff. 34 Siehe Nachweise in Fn. 32. 35 Blomeyer, ZfA 1980, 1 (14).

III. Personelle Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnormen

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- Funktion hatte, die Arbeitnehmer vor der Übennacht des Arbeitgebers zu schützen 36, lag der Schluß nahe, daß es nur im Interesse auch der nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer liege, wenn das Alleinbestimmungsrecht des Arbeitgebers über den Betrieb und die Arbeitsplätze möglichst weit zurückgedrängt würde. Das trifft in vielen Bereichen sicherlich auch heute noch zu. So wird es keinem Arbeitnehmer Nachteile bringen, wenn der Arbeitgeber Schutzvorkehrungen vor Gefährdungen der Arbeitnehmer bei der Arbeit verbessert oder wenn er Umkleideräume für alle Arbeitnehmer schafft. Zudem besteht hier, solange einem Arbeitnehmer die Betriebsnonn nur Vorteile bringt, die Möglichkeit, diese Vorteile nicht in Anspruch zu nehmen. Als nur auf den ersten Blick für alle Arbeitnehmer vorteilhaft können sich indes Betriebsnonnen erweisen, die dergestalt in betriebliche Strukturen eingreifen, daß die Organisierbarkeit und damit auch die Effektivität und Rentabilität des Unternehmens, zumindest mittel- und längerfristig, Schaden nehmen kann. Hier stellt sich nämlich der zunächst eintretende individuelle Vorteil des einzelnen Arbeitnehmers auf mittlere und längere Sicht als Gefährdung seines Arbeitsplatzes dar. Bei Bemessungsvorgaben trifft dies nun allerdings nicht hinsichtlich derjenigen Arbeitsplätze zu, die in Bereichen angesiedelt sind, in denen die Unternehmen der Deutschen Bundespost eine MonopolsteIlung einnehmen und auch die Erfüllung ihrer Aufgaben nicht durch Private vornehmen lassen können. Jedoch besteht diese MonopolsteIlung längst nicht in allen Bereichen 37, und selbst dort, wo sie besteht und die Unternehmen der Deutschen Bundespost Pflichtaufgaben wahrnehmen, heißt das nicht, daß sie sich nicht zur Durchführung dieser Aufgaben, zumindest in begrenzten Teilbereichen, privater Unternehmer als beliehene Unternehmer bedienen könnten 38 , etwa, wenn diese die Aufgaben billiger und effektiver erfüllen können. Hier könnten also tarifvertragliche Bemessungsvorgaben durchaus dazu führen, daß einzelne Dienstleistungen so unwirtschaftlich würden, daß einzelne Personalposten wegfielen. Von daher gewinnt die Freiheit der Außenseiter vor der gewerkschaftlichen "Mitwahrnehmung" ihrer Rechte und der "Verbesserung" ihrer Rechtspositionen eine andere Dimension. Die Freiheit der Außenseiter hat, da die Zeiten des entrechteten Arbeitnehmers, dem nur durch Tarifvertrag eine Verbesserung seiner Rechtsstellung gelingt, längst vorbei sind, durchaus auch die gesamtwirtschaftliche Funktion, überzogenen Forderungen der Gewerkschaften eine Konkurrenz entgegenzusetzen. Unabhängig davon hat gerade die umfassende literarische Diskussion anläßlich der Einführung der 38,S-Stunden-Woche und noch kürzerer Arbeitszeiten in 36 Vgl. bereits Sinzheimer, Arbeitsnormenvertrag, S. 6 ff.; Latmar, Arbeitsvertrag, S. 763 f.; Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 2. 37 Siehe 1. Kapitel III. 38 Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Schatz, Grundgesetz, Art. 87, Rn. 32.

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifrnacht

zahlreichen Manteltarifverträgen seit dem Jahre 1984 des öfteren die Frage aufgeworfen, ob das, was herkömmlicherweise als Verbesserung der Arbeitsbedingungen betrachtet wird, für den einzelnen Arbeitnehmer generell eine Besserstellung bedeuten muß. Bei der Verkürzung der Arbeitszeit kanalisierte sich die Diskussion im Günstigkeitsprinzip und konkret in der Frage, ob eine längere Arbeitszeit bei Mehrbezahlung nicht für den einzelnen Arbeitnehmer günstiger sein kann als eine kürzere Arbeitszeit bei geringerer Bezahlung 39. Auch bei Bemessungsvorgaben kann sich im Einzelfall die Frage stellen, ob ein einzelner Arbeitnehmer eines Unternehmens der Deutschen Bundespost nicht u. U. daran interessiert ist, daß ihm nicht durch tarifvertragliche Bemessungsvorgaben die Möglichkeit abgeschnitten wird, mehr Aufgaben zu erledigen und z. B. hierfür Zulagen zu erhalten. Anders als bei der Verkürzung der Arbeitszeit kann man ihm hier mit dem Günstigkeitsprinzip aber nicht "helfen". Denn durch Bemessungsvorgaben würden die Arbeitsplätze für den Arbeitgeber verbindlich ausgestaltet. Er dürfte, da es sich um Betriebsnormen handelte, nicht etwa dergestalt abweichen, daß er es zuließe, den einzelnen Arbeitnehmer dauerhaft mehr Tätigkeiten verrichten zu lassen, als dies entsprechend den Bemessungsvorgaben vorgesehen ist. Auch aus diesem Grund muß man nach der Legitimation der Tarifparteien für die Außenseiter fragen. Unter diesen Aspekten haben Betriebsnormen bisher keine wissenschaftliche Würdigung erfahren. Daß Tarifverträge Arbeitnehmern und damit auch Außenseitern nicht nur Vorteile bringen, ist aber z. B. in den Fällen bekannt, in denen die Tarifparteien betriebsverfassungsrechtliche Normen schaffen und die Kompetenz des Betriebsrats damit auch mit Wirkung für Außenseiter erweitern, wobei diese umfangreiche Problematik hier nicht weiter erörtert zu werden braucht 40 • b) Die Literaturansichten zur Legitimation der Tarifparteien für die Schaffung von Betriebsnormen auch für Außenseiter aa) Die vor Erlaß des Tarifvertragsgesetzes von 1949 vertretenen Ansichten Mehr als Einzelheiten und Ergebnisse sind die grundlegenden Ansätze der Literatur von Bedeutung. Historisch ist bei Betriebsnormen 41 zunächst auf Philipp 39 Hierzu insbes. Joost, ZfA 1984, 173 ff.; Buchner, in: Hromadka (Hrsg.), Arbeitszeitrecht, S. 3 (7 ff.); ablehnend LAG Baden-Württemberg DB 1989,2028 mit Anmerkung Buchner; ferner LAG Baden-Wümemberg vom 22.3.1989 - 9 Sa 140/88, zitiert bei Zöllner, DB 1989, 2121 Fn. 1, sonst nicht veröffentlicht. Umfassend zur Problematik der Zulässigkeit einzelvertraglicher Verlängerung der tariflichen Wochenarbeitszeit nunmehr Zöllner, DB 1989,2121 ff. 40 Denn hier steht das Spezialproblem im Vordergrund, ob die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes abschließend sind, was für die vorliegende Thematik nicht interessiert. Zur Diskussion sei an dieser Stelle verwiesen auf BAG DB 1988, 1397 = NZA 1988,699; Buchner, NZA 1986,377; Hanau, NZA 1985,73; Heinze, NZA 1989, 41; Löwisch, DB 1984,2457; Richardi, NZA 1988,673.

IH. Personelle Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnormen

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Lotmar zu verweisen 42. Er hat bereits im Jahre 1902 erkannt, daß im Betrieb Fragen auftreten, die Arbeitnehmer in erster Linie als Teil der Belegschaft betreffen. Beispielhaft hat er die Begrenzung der Lehrlingszahlen und die Benutzung eines bestimmten Leistungsnachweises angeführt 43 • Sinzheimer hat darauf abgestellt, daß die Interessen der Arbeitnehmer zum einen durch Beziehungen betroffen werden können, die ihn als einzelnen träfen (er spricht von Individualnormen), und zum anderen VOn solchen, die ihn nur als Teil der Belegschaft erfaßten 44 • Er spricht hier VOn Solidarnormen 4s , die seiner Ansicht nach eine Gesamthandsforderung der Arbeitnehmer nach § 432 BGB begründeten. W ölbling hat, ohne sich auf Sinzheimer zu berufen, die von diesem als Solidamormen bezeichneten Vorschriften noch schärfer herausgearbeitet 46 • Er unterscheidet zwischen Tarifbestimmungen, die Inhalt der einzelnen Arbeitsverhältnisse werden sollen und solchen, die das Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern im allgemeinen regeln, wozu Regelungen über die Zahl der Arbeitnehmer, über das Lehrlingswesen, über allgemeine Arbeiterschutzbestimmungen, Beschäftigungsverbote, Vorschriften für maschinelle Einrichtungen und über die Ordnung der Tarifgemeinschaft gehören sollen. Es handle sich hier, so Wölbling, um eine Organisierung der Produktion, soweit Arbeitgeber und Arbeitnehmer hieran zugleich Interesse hätten 47.

Die Tarifvertragsordnung von 1918 48 , die erstmals den Tarifvertrag mit normativer Kraft ausstattete, beschränkte diese Wirkung auf die Beziehungen über den Inhalt und den Abschluß des Arbeitsverhältnisses. bb) Die zum Tarifvertragsgesetz VOn 1949 vertretenen Meinungen, namentlich die Ansicht Richardis Erst das Tarifvertragsgesetz von 1949 legte in § 4 Abs. 1 S. 2 auch den betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Normen normative Kraft bei 49 • Buchner hat im Jahre 1964 § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 1 S. 2 TVG untersucht und das Ergebnis gewonnen, diese seien verfassungswidrig, weil die Unterstellung der 41 Eine ausführliche Darstellung der Historie findet sich bei Dieterich, Betriebliche Normen, S. 2 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 226 ff.; Schutz, Tarifliche Betriebsnormen, S. 1 ff.; Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, S. 50 ff. 42 Lotmar, Arbeitsvertrag, S. 763 f., der von "Glied einer Gemeinschaft" spricht. 43 Lotmar, Arbeitsvertrag, S. 763 f.; Rundstein, Tarifverträge im Französischen Privatrecht, S. 38 ff., hat z.T. wörtlich die Formulierungen Lotmars übernommen. 44 Sinzheimer, Arbeitsnormenvertrag, S. 2 ff. 45 Sinzheimer, Arbeitsnormenvertrag, S. 2 ff. (5). 46 WölbUng, Akkordvertrag, S. 315 f. 47 WölbUng, Akkordvertrag, S. 318. 48 RGBI., S. 1456. 49 Zur Problematik dieser Normen Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, S. 52 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 229 ff.

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifrnacht

Nichtmitglieder unter die Rechtsetzungsbefugnisse der tarifschließenden Verbände bei Erlaß der Normen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen eine Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit enthalte, die, von § 20 Abs. 2 BetrVG 1952 abgesehen, vom überwiegenden öffentlichen Interesse nicht zwingend geboten sei. Diese Normen verstießen deshalb gegen Art. 9 Abs. 3 GG50. Richardi hat bereits im Jahre 1968 nach umfassender Würdigung der damals bestehenden Meinungen die Ansicht begründet, die Wirkung der Betriebsnormen auf die Außenseiter beruhe auf einer Überbewertung des Bedürfnisses nach kollektiver Gestaltung innerhalb der Belegschaft, die mit dem geltenden Recht unvereinbar sei5 1• Seiner Ansicht nach beschränkt sich die normative Wirkung der Betriebsnormen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen auf das betriebliche Rechtsverhältnis. Diese Taritbestimmungen bänden lediglich den tarifgebundenen Arbeitgeber in seinem Recht zur freien, kollektiv bestimmten Betriebsgestaltung. Dieser müsse seinen Betrieb so einrichten, daß Arbeitsbedingungen, die aus Gründen der betrieblichen Ordnung nur einheitlich sein könnten, tarifgemäßen Inhalt hätten. Die Tarifparteien, so Richardi unter Berufung auf Zöllner 52, könnten aus verfassungsrechtlichen Gründen gegenüber Außenseitern keine belastenden Regelungen treffen. Solidamormen, die dem einzelnen Arbeitnehmer ein Recht auf gemeinschaftliche Nutzung einer betrieblichen Einrichtung gewährten, könnten für Außenseiter Rechtswirkungen entfalten, wie sie sich bei einem Vertrag zugunsten Dritter aus § 328 BGB ergäben 53. Die Frage der Schranken der personellen Grenzen der Tarifrnacht unter dem Aspekt, ob sich die Außenseiter überhaupt eine gewerkschaftliche Gestaltung der Arbeitsplätze unbegrenzt gefallen lassen müssen, griff Richardi nicht auf, was aus damaliger Sicht - die Arbeit erschien 1968 - verständlich erscheint. Dennoch muß das Verdienst der Darstellung Richardis sehr hoch eingestuft werden. Er hat nämlich in aller Deutlichkeit - ebenso wie vor ihm Zöllner 54 - herausgearbeitet, daß trotz der Formulierung des Tarifvertragsgesetzes der Individualschutz des Arbeitnehmers als hohes und mit Verfassungsrang ausgestattetes Gut unbedingt gewährleistet werden muß, und dies in einer Zeit, in der z. T. der Glaube herrschte, die Gewerkschaften würden die Interessen der Arbeitnehmer optimal vertreten 55. Da von einer Begrenzung der gewerkschaftlichen Macht kaum gesprochen wurde, verdient dies besondere Hervorhebung. 50 51

52 53

Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, S. 67 ff. (99). Richardi, Kollektivgewalt, S. 236. Zöllner, RdA 1962,453 (459). Richardi, Kollektivgewalt, S. 236 f.

54 Siehe nachfolgend ce. 55 Vgl. hierzu etwa Däubler, in: Kittner (Hrsg.), Streik und Aussperrung, S. 426 f., der die Vorstellung hatte, das Interesse der Arbeitnehmer - gemeint sind hier wohl alle Arbeitnehmer einschließlich der Außenseiter - richte sich in erster Linie auf eine umfassende Stärkung ihrer Organisationen, der Gewerkschaften. In Österreich wurden in § 10 Abs. 1 Kollektivvertragsgesetz die Wirkungen eines Tarifvertrages ohne weiteres

IH. Personelle Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnormen

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Wagenitz ist dem Ansatz Richardis gefolgt 56. Allerdings hat er durchaus erkannt, daß die damalige Literatur z. T. befürchtete, die nicht organisierten Arbeitnehmer könnten einem "allzu weitreichenden gewerkschaftlichen Einfluß ausgesetzt werden"57. Doch glaubt er, mit der Beschränkung betrieblicher und betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen auf das betriebliche Rechtsverhältnis als solches die Problematik entschärft zu haben 58 . Wesentlich weiterführend, verglichen mit Richardi, war diese Ansicht nicht. Doch muß hier in aller Klarheit eingeräumt werden, daß sich in der Nachkriegszeit bis in die 70er Jahre hinein die Begrenzung der Tarifrnacht primär unter dem damals offensichtlichen Aspekt stellte, unmittelbar nachteilige Einwirkungen auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer abzuwehren. Erst als im Laufe der 70er und in den 80er Jahren einzelne Branchen der deutschen Wirtschaft den weltwirtschaftlichen Konkurrenzdruck erheblich zu spüren bekamen und als manche Gewerkschaften neuen technischen Entwicklungen durch Rationalisierungsschutzabkommen zu begegnen suchten 59, kam die Erkenntnis auf, daß das, was sich heute als dem einzelnen Arbeitnehmer günstig herausstellt, mittel- und langfristig ihm und der Gesamtbelegschaft sowie auch den Außenseitern und der Allgemeinheit Nachteile bringen kann. Man denke nur an die Fälle der Verhinderung der Rationalisierung mit der Folge, daß das Unternehmen konkurrenzunfähig wird und entweder seine Tätigkeit "freiwillig" einstellt oder wegen Zahlungsunfähigkeit einstellen muß. Von daher stellen sich die personellen Grenzen der Tarifrnacht heute in anderem Lichte dar als in vergangenen Jahrzehnten. Denn das Prinzip kollektiver Gegenmacht, das das Tarifsystem kennzeichnet, wird eine "Richtigkeitsgewähr" kaum in zukunftsorientierten Dimensionen entfalten, weil Tarifverträge den Gewerkschaften zunächst einmal gegenwärtigen Erfolg bringen müssen. Das soll nicht bedeuten, daß den Gewerkschaften zukunftsorientiertes Denken abgesprochen würde. Nur gilt es, ein Gegengewicht für die Fälle zu entwickeln und bereit zu halten, in denen dieses einmal nicht besteht oder sich bei einem Tarifvertragsabschluß nicht durchsetzen kann, weil etwa wegen des Drucks der Mitglieder oder auch wegen des Profilierungsbedürfnisses einzelner Funktionäre der Tageserfolg über Aspekte der Langzeitvernunft siegt. Dann kann man schwerlich apriori den Außenseitern zumuten, sich an diesem nur augenblicklichen auf Außenseiter erstreckt (hierzu Mayer-Maly, Österreichisches Arbeitsrecht, S. 190). Zum Schweizerischen Recht vgl. Art. 357 ff. Obligationenrecht (hierzu Rehbinder, Schweizerisches Arbeitsrecht, S. 132). 56 Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, S. 52 ff. 57 Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, S. 61 f. 58 Wagenitz, Die personellen Grenzen der Tarifmacht, S. 62. 59 Hierzu Blomeyer, ZfA 1980, 1 ff.; Heidenreich, in: Festschrift für Martin Löffler, S. 69 ff.; Koller, ZfA 1978,45 ff.; Konertz, Rationalisierung, S. 30 ff.; Reuter, ZfA 1978, 1 ff.

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

Nutzen für die Belegschaft zu beteiligen. Denn Beteiligung bedeutet Mittragen der Verantwortung für zukünftige negative Entwicklungen. Die Außenseiter hier "zu ihrem Glück zu zwingen", obwohl sie erkennen, daß dieses augenblickliche "Glück" einen späteren Mißerfolg des Unternehmens zur Folge haben kann, kann somit heute keinesfalls unbesehen gelten. Kann, so muß man fragen, unsere Rechtsordnung die Augen wirklich vor Fällen verschließen, in denen z. B. der nicht gewerkschaftsangehörige Teil der Belegschaft eine Anpassung des Unternehmens an gewandelte Strukturen wünscht, ein Tarifvertrag dies durch Betriebsnormen - ihre generelle Zulässigkeit unterstellt 60 - unterbindet und, obwohl die Gewerkschaft u. U. sogar nur von einer Minderheit der Arbeitnehmer die Legitimation besitzt, dennoch im Wege der Betriebsnormen der Wille der Mehrheit hintangestellt wird? Schließlich müssenja alle Arbeitnehmer die Folgen der Konkurrenzunfahigkeit des Unternehmens tragen. Das, was in vergangenen Jahrzehnten ausschließlich oder doch sehr weitgehend unter dem Gesichtspunkt des Individualschutzes der Außenseiter diskutiert wurde, muß heute auch unter dem Aspekt der Kontrolle der Tarifrnacht wegen möglicherweise fehlender Richtigkeitsgewähr einer Betrachtung unterzogen werden. Pointiert formuliert lautet die Frage: Dürfen Außenseiter tarifvertraglichen Betriebsnormen in einer Zeit unterworfen werden, in der eine Richtigkeitskontrolle der Auswirkungen bzw. Langzeitwirkungen eines Tarifvertrages belebt werden muß? ce) Die Ansicht Zöllners Die genannten Probleme konnten, dies sei nochmals betont, in den 60er Jahren schwerlich in dieser Form gesehen werden. Dennoch sei, abweichend von der dargestellten historischen Reihenfolge, an dieser Stelle nochmals auf die Ausführungen Zöllners 61 im Jahre 1962 verwiesen. Er beschränkt die normative Wirkung der Betriebsnormen auf den tarifgebundenen Arbeitnehmer und hält belastende Regelungen für Außenseiter für nicht zulässig. Diese Ansicht habe, so sagt er, "ihren guten Sinn"62. Es entspreche nicht nur der Maxime einer auf Freiheit auch von innerstaatlichen Mächten bedachten Rechtsordnung, daß Kollektivmacht nur dort ihre Wirkungen entfalten könne, wo der einzelne sich ihr freiwillig unterworfen habe. Der Mensch bleibe des Guten nur dann fähig, wenn er nicht aller Verantwortung enthoben werde, wenn er sich in seiner Persönlichkeit behaupten müsse, indem ihm so viel eigene Initiative und Entscheidung verbleibe als möglich. Der Koalition solle diese Verantwortung nur übertragen werden, wo der Arbeitnehmer sie ihr überantwortet habe. Sinnvoll erscheine deshalb immer jene 60 Die Zulässigkeit, vor allem in sachlich-inhaltlicher Hinsicht, soll im weiteren noch ausführlich behandelt werden, siehe 4. Kapitel. 61 Zöllner, RdA 1962, 453 (459). 62 Zöllner, RdA 1962,453 (459).

III. Personelle Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnormen

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Auslegung des Rechts, die dem einzelnen ein Höchstmaß an Verantwortung belasse 63 • Diese Erkenntnis paßt sicher nicht weniger auf diejenigen Tarifregelungen, die längerfristig der Belegschaft schaden, als auf diejenigen, die ihr unmittelbare Nachteile bringen. Im Rahmen der Diskussion um tarifvertragliehe Besetzungsregelungen, tarifvertraglichen Rationalisierungsschutz und tarifvertrag liehe Besitzstandsvorschriften kamen die Fragen nach dem Außenseiterschutz und nach den personellen Grenzen der Tarifrnacht dann seit Ende der 70er Jahre verstärkt auf. Im folgenden interessiert aber nicht die gesamte Diskussion um diese Fragen, weil es insoweit vielfach um Spezialprobleme geht, die mit der hier darzustellenden Thematik nichts zu tun haben. Vielmehr sind nur diejenigen Ansichten von Interesse, die Aussagen und weiterführende Gedanken gerade zur Thematik "Tarifrnacht und Außenseiterfreiheit" enthalten 64. dd) Die Ansicht Reuters Reuter hat die These aufgestellt und begründet, daß tarifvertragliehe Regelungen wie Betriebsnormen nach § 3 Abs. 2 TVG unter Einbeziehung der Außenseiter kritisch zu betrachten seien. Denn insoweit versage zumindest prima facie der Gedanke, daß der Staat zugunsten der Tarifvertragsparteien zurücktreten müsse, weil die unmittelbar Betroffenen besser wüßten und besser aushandeln könnten, was ihren beiderseitigen Interessen und dem gemeinsamen Interesse entspräche als der demokratische Gesetzgeber 65. Eine Gewerkschaft, die die Interessen ihrer Mitglieder wahrnehme, repräsentiere mithin jeweils nicht ein gemeinsames Interesse der Arbeitnehmer ihres Wirtschaftszweiges, sondern ein subjektives, nämlich das durch den Beitritt und den Verzicht zum Austritt bekundete Sonderinteresse der Mitglieder. Es sei auch vom Bundesverfassungsgericht mehrfach bestätigt worden, daß der Tarifvertrag gegenüber Nichtmitgliedern keine Richtigkeitsgewähr entfalte 66 • 63

Zöllner, RdA 1962,453 (459).

Deshalb führen hier insoweit etwa die Abhandlungen von Berg / Wendeling-Schröder / Wolter(RdA 1980,299 ff.), Beck (AuR 1981,333 und 367) und Wend (Tarifvertrag64

liehe Arbeitsplatzbesetzungsregelungen, vgl. insbes. S. 60 ff.) nicht weiter. Auch der Beschluß des BAG vom 13.9.1983 (AP Nr. I zu § 1 TVG Tarifverträge: Druckindustrie = DB 1984, 1099) brauchte diese Thematik unter dem hier interessierenden Aspekt nicht aufzugreifen. Das BAG hatte es mit einem Fall zu tun, in dem, wie es sagte, der Tarifvertrag dem Umstand Rechnung trug, "daß es Sache des Arbeitgebers ist, die Arbeit im Betrieb zu organisieren und demgemäß zu bestimmen, wie und auf welchen Arbeitsplätzen die anfallenden Gestaltungs- und Korrekturarbeiten erledigt werden können" (BAG, a.a.O., Gr. II 2). 65 Reuter, ZfA 1978, 1 (22 f.). 66 Reuter, ZfA 1978, 1 (24 f.), unter Hinweis auf BVerfG DB 1977, 1510 (1513) = BVerfGE 44,322, und BVerfGE 34, 307 (320). 4 Loritz

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

Reuter meint allerdings, wegen der verfassungsrechtlichen Verankerung der Tarifautonomie sei "ein gewisses Maß an Drittwirkung in Kauf zu nehmen", nicht anders als dies z. B. geschehe, wenn das Kartellrecht um wirklicher oder angeblich überwiegender Belange willen die Kartellierung von Märkten erlaube 67. Das bedeute allerdings keinen Verzicht auf den Schutz berechtigter Drittinteressen. Der verfassungsrechtliche Rang der Tarifautonomie entbinde den Sozialstaat keineswegs von der Verantwortlichkeit für die Lösung der durch sie hervorgerufenen Probleme. Die Fähigkeit der Tarifvertragsparteien zur teilweisen Gleichschaltung der Außenseiter signalisiere, daß die soziale Kontrolle durch die Institution des Marktes und den dort herrschenden Wettbewerb gegenüber tarifvertraglichen Regelungen nicht funktioniere 68. Der Sozialstaat könne sich nicht wie auf Märkten mit funktionierendem Wettbewerb darauf verlassen, daß unter den miteinander konkurrierenden Marktteilnehmern tendenziell diejenigen mit dem volkswirtschaftlich günstigeren Leistungsangebot zum Zuge kämen. Deshalb bedürfe es zwar keiner "mikrojuristischen" Ergebniskontrolle solcher Tarifverträge, aber dennoch einer "makrojuristischen" gerichtlichen Kontrolle, die verhindere, "daß die tarifvertraglichen Regelungen in diametralem Gegensatz zu ihrer verfassungsrechtlichen Funktion der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art. 9 Abs. 3 GG) die Verwirklichung der gesetzgeberischen Sozialgestaltungsideen" hemmten "und dadurch die Funktionsfahigkeit der gesetzlich konstituierten Sozialordnung zum Schaden Dritter und der Allgemeinheit" beeinträchtigten 69. Deshalb binde das BAG70 die Tarifvertragsparteien zu Recht u. a. an die "tragenden Grundsätze des Arbeitsrechts".

Diese konkretisiert dann Reuter seinerseits. Seine Ausführungen hierzu werden an späterer Stelle bei den sachlich-inhaltlichen Grenzen der Tarifautonomie 71 noch dargestellt. An dieser Stelle kann festgehalten werden, daß Reuter den Weg beschreitet, die Erstreckung der Tarifwirkungen auf Außenseiter bei Betriebsnormen grundsätzlich zuzulassen, ihre Wirkungen aber durch eine "makrojuristische" gerichtliche Kontrolle abzumildern. Die Kontrollfunktion, die eine mögliche Unterbietung volkswirtschaftlich unangemessener Tarifbedingungen durch Außenseiter ausüben könnte, darf also nach Reuter aufgegeben werden, wenn der Staat selbst den Tarifinhalt, sobald er für Außenseiter gilt, strenger kontrolliert als dann, wenn er nur für Tarifgebundene Geltung beansprucht.

Reuter, ZfA 1978, 1 (31). Reuter, ZfA 1978, 1 (31 f.), unter Hinweis auf Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 29. 69 Reuter, ZfA 1978, 1 (32 f.). 70 Reuter, ZfA 1978, 1 (33) verweist aufBAG AP Nr. 12 zu § 15 AZO mit Anmerkung Söllner. 71 Unten 6. Kapitel 11. 67

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III. Personelle Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnonnen

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ee) Die Ansicht Kollers Nach Koller, der sich mit Rationalisierungsschutzabkommen beschäftigt hat, macht der Schutz der Außenseiter eine Einschränkung der Möglichkeit solcher Abkommen erforderlich, wenn man nicht hinnehmen will, daß eine Facharbeitergewerkschaft durch das Unterbinden von Automatisierungsvorhaben über die Berufschancen von ungelernten Außenseitern bestimmen kann 72 • Zur Begründung führt er an, die Tarifautonomie würde ihren Sinn verlieren, wenn die von den Koalitionen geschaffenen Regelungen den Regelungsadressaten gegenüber nicht aus deren freiem Willen abgeleitet werden könnten und damit kein Akt der Selbstgesetzgebung 73 wären. Sie würde in heteronome Gestaltungsmacht umschlagen, die gegenüber den Nonnunterworfenen, die sich weder durch ihren freiwilligen Entschluß zum Verbandsbeitritt den von den Koalitionen gesetzten Nonnen unterstellt hätten noch die Verbandspolitik mitfonnulieren könnten, unlegitimiert bleibe 74. Die Einwände, daß die Gewerkschaften eine Gesamtrepräsentationsfunktion 75 haben könnten und daß die Ordnungsfunktion des Tarifvertrages den Koalitionen ennögliche, ein System von Arbeitsbedingungen zu schaffen, dem sich auch die Außenseiter unterstellen müßten, läßt Koller nicht gelten 76. Schließlich will er die Reichweite betrieblicher Nonnen eng begrenzen, um die Bewegungsfreiheit der Außenseiter nicht allzu sehr zu beeinträchtigen. Regelungen, welche die Existenz einer bestimmten Art von Arbeitsplätzen beträfen, könnten nicht zu den betrieblichen Fragen gezählt werden, auch wenn sie nur betriebseinheitlich getroffen werden könnten. Es sei durch nichts gerechtfertigt, den Gewerkschaften zu gestatten, unbegrenzt auf Rationalisierungsprozesse einzuwirken 77. Die für die vorliegende Thematik sehr wichtige Aussage Kollers besteht in der auch von ihm aufgestellten These, daß die Freiheit der Außenseiter ein bedeutsames Gegengewicht gegen die Macht der Koalitionen darstelle, weil die Gewerkschaften die Interessen der Außenseiter bei der Fixierung der Löhne ausreichend in Rechnung zu stellen hätten. Denn ihre Mitglieder seien auf deren Unterstützung bei Arbeitskämpfen und bei der faktischen Durchsetzung der Tariflöhne angewiesen 78. Auf diesen Gesichtspunkt hat auch Zöllner bereits in früheren

Koller, ZfA 1978,45 (57). Koller, ZfA 1978,45 (58), verweist hier auf Säcker, Gruppenautonomie, S. 330; Kraft, ZfA 1973, 243 (248); a. A. Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 38. 74 Koller, ZfA 1978, 45 (59). 75 Hierzu sei an dieser Stelle verwiesen auf Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 173 mit zahlreichen Nachweisen. Nähere Ausführungen unten IV 1 b. 76 Koller, ZfA 1978,45 (58 f.). 77 Koller, ZfA 1978,45 (61 ff.). 78 Koller, ZfA 1978,45 (60). 72

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

Jahren hingewiesen 79. Koller will die Tarifautonomie grundsätzlich auf die Bereiche beschränken, in denen die Freiheit der Außenseiter, abweichende Arbeitsbedingungen zu vereinbaren, nicht tangiert wird 80. ft) Die Ansicht Biedenkopfs Schließlich sei noch auf die (noch in den 60er Jahren entwickelte) Ansicht Biedenkopfs 81 hingewiesen. Seiner Meinung nach hat der Gesetzgeber die Tarifparteien durch § 3 Abs. 2 TVG ermächtigt, betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeiten wahrzunehmen. Sie unterlägen insoweit aber denselben Schranken wie die Betriebsparteien 82.

2. Würdigung der bestehenden Ansichten und weiterführender Ansatz Die Diskussion um die Legitimation der Tarifparteien zur Rechtsetzung mit Wirkung auch für Außenseiter läßt erkennen, daß es sich hier um ein mehrdimensionales Problem handelt. Während anfänglich der Individualschutz ausschlaggebend erschien, haben die veränderten technischen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Diskussion, namentlich bei Rationalisierungsschutzabkommen, auch auf die Dimension der Begrenzung der Tarifrnacht auf Normunterworfene aus volkswirtschaftlichen und unternehmenspolitischen Gründen gelenkt. Tarifautonomie hat sich in der Vergangenheit im Rahmen der jeweiligen wirtschaftlichen Gegebenheiten entwickelt und fortentwickelt und ist einem laufenden Wandel unterworfen 83. Sie kann heute, wo zahlreiche Arbeitnehmer durchgehend ihre Rechte selbst wahren können, nicht von den wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Entwicklungen abgekoppelt werden. Das bedeutet nicht, daß die Tarifautonomie nicht nach wie vor entscheidend der Bildung eines Gegengewichts auf Arbeitnehmerseite dient, um deren Arbeitsbedingungen auszuhandeln und, wenn möglich, zu verbessern. Aber gerade dort, wo es um Problemlösungen geht, reicht diese globale Beschreibung der Funktion der Tarifautonomie nicht aus. Es ist, historisch betrachtet, naheliegend, wenn die Literatur zunächst das hauptsächliche Interesse darauf gerichtet hat, ob überhaupt bei betrieblichen Normen eine Einbeziehung der Außenseiter erfolgen kann und wie dies gegebenenfalls dogmatisch zu bewältigen ist. Dies waren sehr wichtige Fragen, die heute aber nicht mehr das Schwergewicht der Problematik bei Betriebsnormen bilden. 79 80 81

Zöllner, Differenzierungsklauseln, S. 19. Koller, ZfA 1978,45 (60). Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 310 ff.; ders., in: Verhandlungen des

46. DJT, S. 97 (153 ff.). 82 Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 310 f.; ders., in: Verhandlungen des 46. DJT, S. 97 (154 f.). 83 Vgl. auch BVerfGE 50,290 (368); E 58, 233 (247); hierzu bereits oben III I a.

III. Personelle Grenzen der Tarifautonomie bei Betriebsnormen

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Nach wie vor aktuell ist die u. a. von Zöllner behandelte Frage des Schutzes der Außenseiter vor sie belastenden Betriebsnormen 84. Zöllners Ansicht ist, ohne daß dies im Rahmen dieser Arbeit entscheidend wäre, in der Sache zuzustimmen, weil er überzeugend die im Interesse des Außenseiterschutzes erforderlichen Beschränkungen aufgezeigt hat. Wenn er damals die Thematik beschränkt hat, so ist dies wiederum verständlich, weil sie damals nur insofern von praktischer Bedeutung war. Aber seine Gedanken gehen dort über die damalige Bedeutung der Thematik weit hinaus, wo er den Gewerkschaften die Befugnis nur zum Tragen der ihnen vom Arbeitnehmer durch Verbandsbeitritt überantworteten Verantwortung zugesteht. Wie wichtig diese Beschränkung war, hat sich dann gezeigt, als bei tarifvertraglichen Rationalisierungsschutzabkommen Betriebsnormen gefordert wurden, die zwar den Außenseitern, die in einem von diesem Tarifvertrag erfaßten Unternehmen und auf einem von der Rationalisierung bedrohten Arbeitsplatz tätig waren, aktuell Vorteile brachten, deren Wirkungen aber wesentlich weitergingen. Hier hat Reuter zu Recht in den Vordergrund gestellt, daß zwischen der Beschränkung der Tarifregelungen auf die Normunterworfenen, die die Freiheit der Außenseiter sichert, und der Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages ein unmittelbarer Zusammenhang besteht 85 • Auch der Ansatz Kollers 86 , der sich insoweit an Säcker anlehnt 87, wonach von Autonomie nur dort gesprochen werden kann, wo sich die Regelung gegenüber dem Adressaten als ein aus dessen freiem Willen abgeleiteter Akt der Selbstbestimmung darstellt, ist zutreffend. Er gewinnt angesichts seiner Allgemeinheit allerdings erst durch die weitere, von Koller durchaus vorgenommene Konkretisierung 88, auf die nachfolgend noch einzugehen ist 89 , Konturen. Sowohl die Ansicht Reuters als auch die Kollers vermögen allerdings bezüglich der Problematik der Geltung von Betriebsnormen auf Außenseiter nach § 3 Abs. 2 TVG nicht zu befriedigen. Dies gilt weniger für ihre Ergebnisse als für die recht unbestimmten Lösungsansätze. Was bedeutet die Forderung Kollers, die Reichweite der betrieblichen Normen müsse "eng begrenzt werden", um "die Bewegungsfreiheit der Außenseiter nicht allzusehr zu beeinträchtigen" 90? Und Reuters Forderung nach "makrojuristischer gerichtlicher Kontrolle" 91 ist, von seinem Standpunkt aus, zwar konsequent. Doch wird die gerichtliche Kontrolle in der 84 Siehe oben III 1 b ce. Zu diesem Problem ferner: Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, S. 67 ff.; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 307 ff.; ders., in: Verhandlungen des 46. DJT, S. 156 ff.; Lieb, RdA 1967,441 (442 Fn. 7); Richardi, Kollektivgewalt, S. 224 ff. 85 Reuter, ZfA 1978, 1 (23 f.); siehe oben III 1 b dd. 86 Koller, ZfA 1978,45 (58 f.); siehe oben III 1 b ee. 87 Säcker, Gruppenautonomie, S. 330 f. 88 Koller, ZfA 1978,45 (59 ff.). 89 Siehe unten IV. 90 Koller, ZfA 1978, 45 (62). 91 Reuter, ZfA 1978, 1 (32).

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

Praxis dort versagen, wo sich Nachteile für den Außenseiter nicht unmittelbar erkennen lassen und damit das Gericht die Inhaltskontrolle der einschlägigen Betriebsnormen des Tarifvertrages anhand einer Prognose vornehmen müßte. Dazu dürfte vielen Gerichten das Instrumentarium nicht zur Verfügung stehen, und man muß auch fragen, ob es den Außenseitern und dem Arbeitgeber zumutbar ist, mutmaßliche künftige Entwicklungen, die durch Betriebsnormen hervorgerufen werden können, so fundiert darzulegen, daß Fehlentwicklungen des Betriebes plausibel werden. Entscheidend gegen diese Ansicht spricht zudem, daß sie die Tariferstreckung auf Außenseiter primär deshalb zurückdrängt, weil sie negative Folgen hat oder haben kann. Das Wesentliche an der Tarifordnung als einem repräsentativen System ist hingegen, daß eine Repräsentation "ohne Mandat" prinzipiell unzulässig ist, weil es sich mit dem Verständnis der negativen Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG92 nicht verträgt, wonach sich grundsätzlich kein Arbeitnehmer und kein Arbeitgeber ohne den in seinem Beitritt zum Ausdruck gekommenen Willen von einer Koalition repräsentieren lassen muß. Eine Repräsentation ohne Beitritt bedarf einer besonderen Legitimation, die vor der mit Verfassungsrang ausgestatteten negativen Koalitionsfreiheit Bestand haben muß. Für einfachgesetzliche Normen liegt diese Legitimation keinesfalls auf der Hand 93 . Man kann dieses Problem - und dies spricht entscheidend gegen die Ansicht Biedenkopjs 94 - auch nicht dadurch umgehen, daß man § 3 Abs. 2 TVG als Ermächtigungsnorm zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Zuständigkeiten seitens der Tarifparteien qualifiziert. Denn anders als der Betriebsrat repräsentieren die Gewerkschaften nun einmal nur ihre Mitglieder und nicht alle Arbeitnehmer eines Betriebes.

Nicht erst die belastenden Folgen gewerkschaftlicher Repräsentation sind es, die eine Erstreckung der Betriebsnormen auf Außenseiter zum Problem machen. Zum Problem wird sie bereits durch die Tatsache, daß die Außenseiter sich eine Partizipation an aktuellen Arbeitnehmervorteilen aufzwingen lassen und für ihre Konsequenzen die Verantwortung tragen müssen, obwohl sie auf diese nur gegenwärtigen Vorteile gerne verzichten würden, um in Zukunft Nachteile zu vermeiden, vielleicht aber auch, um bereits gegenwärtig für zusätzliche Bezahlung Mehrarbeit zu leisten. Der richtige Ausgangspunkt, um die Reichweite des § 3 Abs. 2 TVG zu prüfen, ist deshalb die Frage, ob es eine auch verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende "Legitimation" dafür gibt, daß die Gewerkschaften Regelungen auch auf Außenseiter erstrecken dürfen. Dabei soll, entsprechend 92 Vgl. zur negativen Koalitionsfreiheit allgemein den Überblick über den Meinungsstand bei Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S. 1248 f.; aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts siehe BVerfGE 1,264 (274); E 20, 312 (321 f.); E 31, 297 (302); E 44, 322 (352); E 50, 290 (367); E 55, 7 (21); E 64, 208 (213). 93 Insofern hat Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, S. 67 ff., durch seine Untersuchung der Verfassungsmäßigkeit der §§ 3 Abs.2, 4 Abs. 1 S.2 TVG durchaus die Problematik klar ins Blickfeld gerückt, gleichgültig, ob man seiner Ansicht zustimmt oder nicht. 94 Oben III 1 b ff.

IV. Gewerkschaftliche Repräsentation und Betriebsnonnen

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der vorliegenden Thematik, die Untersuchung auf solche tarifvertragliehe Vereinbarungen beschränkt werden, die die Mitgestaltung der Arbeitsplätze in der Form betreffen, daß die Gewerkschaften wie bei Bemessungsvorgaben in die unternehmerische Organisation und Planung verbindlich eingreifen.

IV. Schranken der Repräsentation der Außenseiter durch die Gewerkschaften im Wege betrieblicher Normen 1. Erwägungen für eine Rechtfertigung gewerkschaftlicher Repräsentation der Außenseiter

Eine Legitimation der Gewerkschaften zur Schaffung von Betriebsnormen aller Art auch für Außenseiter und damit über den personellen Rahmen, der der Tarifautonomie grundsätzlich gesteckt ist, hinaus, könnte sich ergeben, wenn sie eine Gesamtrepräsentations/unktion 95 für alle Arbeitnehmer besäßen oder wenn sie aus der Ordnungs/unktion des Tarifvertrages abzuleiten wäre 96 • Schließlich muß man fragen, ob § 3 Abs. 2 TVG positivrechtlich und in verfassungsgemäßer Weise definitiv vom Gesetzgeber in dem Sinne gewollt ist, daß die Tarifparteien all das durch Betriebsnormen vereinbaren dürfen, was sie auf andere Weise nicht regeln könnten.

a) Historische Aspekte und systematische Überlegungen Bereits im Verlauf der obigen Darstellung wurde deutlich, daß § 3 Abs.2 TVG vor dem Hintergrund der in vergangenen Jahrzehnten aktuellen Gestaltung von Betriebsnormen geschaffen wurde 97. Man denke beispielhaft an die Zahl der zu beschäftigenden Lehrlinge und die Zurverfügungstellung von Sozialeinrichtungen, über die Sinzheimer nachdachte 98 • Hier lagen die Vorteile für alle Arbeitnehmer durchaus auf der Hand, und ein gravierender Eingriff in den unternehmerischen Sachentscheidungsbereich, wie immer man diesen abgrenzt, lag nicht vor. Die Problematik, daß durch Betriebsnormen eine Strukturanpassung des Unternehmens verhindert oder zumindest verzögert werden könnte oder daß man den Arbeitgeber in seiner Entscheidungsfreiheit über die Einrichtung der Arbeitsplätze als solche beschnitten hätte, war nicht bekannt. Man kann deshalb dem Gesetzgeber sicher nicht unterstellen, tarifvertragliehe Betriebsnormen hätten gezielt die Außenseiter miteinbeziehen dürfen, damit die Gewerkschaften die Außensei95 Vgl. Koller, ZfA 1978,45 (59); Gamillscheg, Die Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit, S. 38 f.; Leventis, Tarifliche Differenzierungsklauseln, S. 76 ff. m. w.N.; Löwisch, RdA 1975,53; Wiedemann, RdA 1969,321. 96 Vgl. Koller, ZfA 1978,45 (59). 97 Siehe oben III 1 a. 98 Siehe oben III 1 b aa.

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

ter als Konkurrenzanbieter der Arbeitsbedingungen ausschalten könnten. Die heute hier aktuellen Konflikte traten erst in späteren Jahrzehnten, insbesondere im Zusammenhang mit Rationalisierungsschutzabkommen, auf. Der Vorschrift des § 3 Abs. 2 TVG kann auch nicht etwa eine positivrechtliche Aussage dahingehend entnommen werden, daß im Wege der Betriebsnormen alles vereinbart werden dürfte, was auf andere Weise effektiv nicht vereinbart werden kann. Denn eine positivrechtliche Entscheidung zu den Grenzen der Tarifautonomie in personeller Hinsicht enthält diese Vorschrift nicht. Vielmehr wirft sie erst die Frage nach deren Grenzen auf, gibt darauf aber nicht etwa die Antwort. Man verfiele in einen Zirkelschluß, wenn man zunächst feststellte, §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. I S. 2 TVG würden Probleme bezüglich der Einbeziehung der Außenseiter aufwerfen und dann in der gesetzlichen Regelung die positivrechtliche Anordnung des Gesetzgebers über die Zulässigkeit einer Einbeziehung der Außenseiter erblicken wollte 99 • b) Gesamtrepräsentationsfunktion der Gewerkschaften?

Eine auch für Außenseiter verbindliche Gestaltung von Arbeitsplätzen durch tarifvertragliehe Festsetzung der Bemessungsvorgaben könnte man u. U. auch damit zu rechtfertigen suchen, daß man den Gewerkschaften die Funktion zuspräche, Gesamtrepräsentanten aller Arbeitnehmer zu sein 100 und es deshalb unbedenklich wäre, wenn es in einem Unternehmen oder in einem Bereich des öffentlichen Dienstes, wie hier bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost, keinen Arbeitsplatz mehr gäbe, der nicht von den tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben erfaßt würde. In der Literatur werden die Gewerkschaften weithin als Berufsorgane 101, z.T. ausdrücklich als Repräsentanten aller Arbeitnehmer 102 bezeichnet. Rein tatsächlich ist richtig, daß die Gewerkschaften in sehr weiten Bereichen faktisch auch die Arbeitsbedingungen der Außenseiter in der Vergangenheit mitgestaltet haben und nach wie vor mitgestalten, weil viele Arbeitgeber den Außenseitern bewußt keine schlechteren Arbeitsbedingungen als den Gewerkschaftsmitgliedern gewähren. Aber der faktische Gleichlauf der Arbeitsbedingun99 Das berücksichtigt Säcker, Gruppenautonomie, S. 331, nicht, wenn er ohne nähere Begründung ausführt, § 3 Abs. 2 TVG enthalte eine Ermächtigung dafür, daß der persönliche Anwendungsbereich über den Personenkreis, der von der allgemeinen Zuständigkeit des Trägers einer Autonomie erfaßt werde, hinausgreifen dürfe. 100 Siehe die Nachweise in Fn. 95. 101 Kunze, in: Duvemell (Hrsg.), Koalitionsfreiheit, S. 101 (l08 ff.); Löwisch, RdA 1975,53 ff.; Wiedemann, RdA 1969,321 ff.; Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 173; vgl. auch Zöllner, Differenzierungsklauseln, S. 51 ff., der zwar von Gesamtrepräsentation spricht, aber darauf hinweist, diese bedeute nicht zugleich Gesamtlegitimation. 102 Kunze, in: Duvemell (Hrsg.), Koalitionsfreiheit, S. 108; Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 173; Zacher, in: Festschrift für Friedrich Berber, S. 549 (554).

IV. Gewerkschaftliche Repräsentation und Betriebsnonnen

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gen der gewerkschaftsangehörigen und der nicht organisierten Arbeitnehmer, gerade auch im öffentlichen Dienst, beruht - worauf Reuter zutreffend hinweist - nur auf den volkswirtschaftlich bekannten Konsequenzen eines Teilmonopols 103. Es verspräche für viele Arbeitnehmer keinen Erfolg, wenn sie ihre Arbeitskraft zu untertariflichen Konditionen anböten. Der Arbeitgeber würde sich in vielen Fällen, sei es aus Praktikabilitätsgründen, sei es, um Störungen des Betriebsfriedens oder Unannehmlichkeiten mit der Gewerkschaft zu vermeiden, auf ein solches Angebot nicht einlassen. Die Modellwirkung vieler Tarifverträge erklärt sich somit zwar mit dem "Monopolschatten" 104 der Verbände. Aber der Schluß von Faktizität und damit Leitbildfunktion auf das Recht zur Gesamtrepräsentation durch die Verbände auch für die Nichtorganisierten wäre unzulässig 105. Positivrechtlich spricht gegen eine Gesamtrepräsentationsfunktion der Gewerkschaften, die eine zwingende Wirkung der Tarifverträge auf Außenseiter erlauben würde, auch, daß eine solche Wirkung nur ausnahmsweise im Fall der Allgemeinverbindlicherklärung im Tarifvertragsgesetz (vgl. § 5) für zulässig erklärt wurde. Die Entscheidung über die Allgemeinverbindlicherklärung wird vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung oder, wenn er sein Recht auf die oberste Landesbehörde überträgt, von dieser und damit von einem dem Bundeskanzler und mittelbar dem Parlament verantwortlichen, also einem demokratisch legitimierten Organ getroffen. Das Tarifvertragsgesetz geht somit gerade nicht davon aus, daß die Tarifparteien selbst und ohne Einschaltung eines demokratisch legitimierten Staatsorgans die Möglichkeit der Einwirkung auf Außenseiter hätten. Würde man mit dem Hinweis auf eine Gesamtrepräsentationsfunktion den Gewerkschaften durchweg erlauben, auf die Arbeitsverhältnisse der Außenseiter Einfluß zu nehmen, so würden sie zu Zwangsverbänden, die sie allein schon wegen Art. 9 Abs. 3 GG nicht sein können und für die sie die verfassungsrechtlichen Anforderungen - erinnert sei beispielsweise an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsmitgliedschaft in Industrie- und Handelskammern 106 - nicht erfüllen würden. Es kann im Rahmen dieser Arbeit dahinstehen, ob § 3 Abs. 2 TVG tatsächlich verfassungswidrig ist, soweit er Außenseiter belastet 107, oder doch ein solches Verständnis dieser Vorschrift angebracht ist, daß solche Belastungen durch Tarifvertrag unterbleiben müssen 108. Jedenfalls Reuter, ZfA 1978, 1 (23). Vgl. Reuter, ZfA 1978, 1 (23). 105 Deutlich Schüren, RdA 1988, 138 (148): "Die eigenwillige undemokratische - Struktur der innergewerkschaftlichen Willens bildung verbietet es im Interesse der Authentizität der tarifpolitischen Willensbildung, die Außenseiter dem Tarifvertrag faktisch zu unterwerfen." 106 BVerfGE 15, 235 (239, 242). 107 So insbes. Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, S. 67 ff.; weitere Nachweise bei Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 67. 108 Vgl. Lieb, RdA 1967, 441 (447); Richardi, Kollektivgewalt, S. 229 ff.; Zöllner, RdA 1962,453 (458); ders., RdA 1964,443 (446). 103

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

kann mit einer Gesamtrepräsentationsfunktion keine Legitimation zu solchen tarifvertraglichen Regelungen begründet werden, die dazu führen, daß es - wie bei Bemessungsvorgaben der Unternehmen der Deutschen Bundespost - keine Arbeitsplätze mehr gäbe, die nicht den gewerkschaftlichen Vorstellungen entsprächen. Denn hier bliebe einem Außenseiter keinerlei Autonomiespielraum mehr, weil er auf ein rein tariflich geprägtes Gesamtarbeitsplatzsystem träfe. c) Die Ordnungs/unktion des Tarifvertrages

Schließlich ist bei der Frage nach einer möglichen Legitimation der Gewerkschaften zur Mitbestimmung der Organisationsstruktur eines Unternehmens die Ordnungs/unktion des Tarifvertrages zu betrachten. Dieser Begriff hat trotz seiner Unbestimmtheit gewisse Konturen gewonnen. Die Ordnungsfunktion wird in der Literatur auch weithin anerkannt 109, wenngleich z.T. durchaus Zurückhaltung herrscht 110. Es ist nicht zu bestreiten, daß der Tarifvertrag eine Ordnungsfunktion hat, etwa indem er zu einem Rationalisierungseffekt führt, weil nicht alle Arbeitsbedingungen individuell zwischen jedem Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgehandelt werden müssen, weil er den Unternehmen eine Arbeitskostengarantie und den Arbeitnehmern eine Sicherheit hinsichtlich ihrer Löhne während der Laufzeit des Tarifvertrages auch bei schlechterer Ertragslage gewährt. Schließlich ist die Ordnungsfunktion in § 4 Abs.5 TVG, der die Nachwirkung anordnet, vom Gesetzgeber insoweit anerkannt 111. Aber die Ordnungsfunktion ist eine Funktion und keine Befugnis. Die den Koalitionen gewährte Tarifautonomie hat sicher, wie das Bundesverfassungsgericht sagt 112, den auch im öffentlichen Interesse liegenden Zweck, das Arbeitsleben sinnvoll zu ordnen, und dieser Zweck impliziert eine wesentliche Aufgabe der Koalitionen. Aber von der Aufgabe läßt sich nicht auf eine Befugnis schließen, diese Ordnung dergestalt zu vollziehen, daß sie auch für Außenseiter verbindlich wäre und diese ihr nicht entrinnen könnten. Jedenfalls, soweit es darum geht, in einem gesamten Bereich Arbeitsplätze mit der Wirkung für Außenseiter zu gestalten, wie dies bei tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost der Fall wäre, läßt sich mit der Ordnungsfunktion 109 Vgl. Hersehel, RdA 1975,333 (336); ders., in: Verhandlungen des 46. DJT, S. D 11 ff.; Hueek/ Nipperdey, Arbeitsrecht II/l, § 14 I, S. 235; G. Müller, DB 1975,205 (207); Nikiseh, Arbeitsrecht, Bd. 11, § 68 V 2, S. 206; Siebert, in: Festschrift für Hans Carl Nipperdey, 1955, S. 119 (122); Söllner, Arbeitsrecht, S. 86. 110 Vgl. Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 15; ders., in: Verhandlungen des 46. DJT, S.97 (113); Forsthoff, BB 1965, 381 (386); Hensehe, RdA 1971, 9 (15); Mayer-Maly, DB 1965,32; Sehelp, in: Festschrift für Hans Carl Nipperdey, Bd. 11,1965,

S. 579 (590). 111 Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 7. 112 Grundlegend BVerfGE 18, 18 (28); ferner BVerfGE 28, 295 (304 0; E 38, 281 (3050; E 44, 322 (340 f., 344); E 50, 290 (367 0; E 55, 7 (23 ff.); E 58, 233 (246 f.); E 60, 162 (169); E 64, 208 (215).

IV. Gewerkschaftliche Repräsentation und Betriebsnonnen

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eine Befugnis der Gewerkschaften nicht begründen; im Gegenteil. Wo die Tarifautonomie durch zwingende Gleichschaltung der Außenseiter und damit zwingende rechtliche und nicht nur faktische Ausschaltung der Konkurrenz der tarifgebundenen Arbeitnehmer die Tarifautonomie zumindest in Teilbereichen funktionsunfähig machen würde 113, spricht die Ordnungsfunktion gerade gegen und nicht für eine solche Möglichkeit 114.

d) Begründung der Wirkung auf Außenseiter mit einer Annexkompetenz der Gewerkschaften Nach alledem läßt sich eine Kompetenz der Gewerkschaften, im Wege der Betriebsnormen auch die Arbeitsplätze der Außenseiter verbindlich zu gestalten, nicht herleiten. Es bliebe dann nur noch die Überlegung, ob den Gewerkschaften diese Möglichkeit vielleicht deshalb zugesprochen werden muß, weil es ihnen ansonsten nicht möglich wäre, die Gestaltung der Arbeitsplätze ihrer Mitglieder in der gewünschten Weise zu verwirklichen. Im öffentlichen Recht diskutiert man, ob der Bundesgesetzgeber eine Kompetenz als Annex zu einer ihm verfassungsrechtlich gewährten Kompetenz für Materien hat, für die er ,,kraft Natur der Sache" oder "kraft Gesamtzusammenhangs" zuständig ist, "weil eine dem Bund zugewiesene Materie verständlicherweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie" 115. Ob eine solche Rechtsfigur des öffentlichen Rechts überhaupt auf den Bereich des Tarifrechts übertragen werden kann, ist äußerst zweifelhaft 116, zumal dann, wenn man die Tarifautonomie als Ausfluß der Privatautonomie begreift. Aber unterstellt, man könnte sich über alle Bedenken hinwegsetzen, so vermag diese Überlegung die Kompetenz der Gewerkschaften zur Regelung der Arbeitsplätze auch der Außenseiter dennoch nicht herbeizuführen. Denn zunächst würde eine Annexkompetenz voraussetzen, daß der Nachweis gelänge, daß die Gewerkschaft überhaupt die Kompetenz besäße, durch tarifvertragliche Bemessungsvorgaben die Arbeitsplätze der Gewerkschaftsmitglieder zu gestalten. Ob sie diese hat, Siehe oben III 1 a. Im Ergebnis verneint auch Koller, ZfA 1978,45 (61), daß die Ordnungsfunktion herangezogen werden dürfe, um zu begründen, daß die Koalitionen ein System von Arbeitsbedingungen schaffen dürften, dem sich auch die Außenseiter zu beugen hätten. 115 BVerfGE 3, 407 (421); vgl. ferner BVerfGE 11, 192 (199); E 12, 205 (237 f.); E 15,1 (20); E 26, 246 (256); hierzu Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 236; kritisch Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (268 ff.). 116 Die Annexkompetenz grundsätzlich bejahend: Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 160; Misera, Tarifmacht, S. 44; Peters / Ossenbühl, Übertragung öffentlich-rechtlicher Befugnisse, S. 18 f. 113

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifrnacht

soll hier nicht vorweggenommen werden, scheint aber durchaus sehr zweifelhaft. Wenn sich herausstellen sollte, daß den Gewerkschaften die sachliche Kompetenz zur Regelung von Bemessungsvorgaben fehlt oder diese an andere Schranken der Rechtsordnung stoßen 117, sind die Überlegungen zur Annexkompetenz von vornherein hinfällig. Entscheidend dafür, daß die entsprechende Heranziehung der Grundsätze der Annexkompetenz im Bereich der Tarifautonomie jedenfalls unzulässig ist, um eine Macht der Tarifparteien über Außenseiter zu begründen, ist folgende Überlegung: Der Bundesgesetzgeber, dem die Kompetenz für eine bestimmte Materie zugewiesen ist, muß in der Regel hier tätig werden, weil ein zumindest politischer Handlungsbedarf besteht. Hier steht also eine Gesetzgebungskompetenz fest, wodurch der Verfassungsgeber zum Ausdruck gebracht hat, daß er das Handeln des Bundesgesetzgebers in diesem Bereich billigt und u. U. sogar wünscht. Demgegenüber sind die Kompetenzen der Tarifparteien nicht festgesetzt oder gar abschließend umschrieben, und zwar nicht einmal im einfachen Gesetzesrecht und erst recht nicht in der Verfassung, die nur einen Kernbereich spezifischkoalitionsgemäßer Betätigung sichert 118. Deshalb ist außerhalb dieses Kernbereichs - und daß die Regelungsbefugnis der Tarifparteien in Form von Betriebsnormen mit Wirkung gerade auch für die Außenseiter nicht zum Kernbereich der Tarifautonomie gehört, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden - den Tarifparteien kein Handlungsspielraum garantiert. Wo sie in die Rechte der Außenseiter eingreifen, kann deshalb die Wertungsfrage, ob dies zulässig ist, nicht mit dem Hinweis überspielt werden, die Tarifparteien könnten ansonsten bestimmte Regelungen auch für ihre Mitglieder nicht erreichen. Eher ist der umgekehrte Schluß zulässig, daß ihnen die Regelungen für die Mitglieder verwehrt sind, wenn sie dergestalt abgefaßt werden, daß auch die Außenseiter, für die den Tarifparteien die Legitimation fehlt, betroffen sind. Deshalb kann eine Argumentation mit der Annexkompetenz nicht zum Erfolg führen. 2. Zwischenergebnis

Die Tarifparteien haben keine Kompetenz zur Repräsentation auch der Außenseiter dahingehend, daß sie deren Arbeitsplätze mit verbindlicher Wirkung gestalten. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob daraus der Schluß zu ziehen ist, daß §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 1 S. 2 TVG in Teilen sogar verfassungswidrig sind oder zumindest verfassungskonform ausgelegt werden müssen, wo Betriebsnormen zu einer Belastung der Außenseiter führen. Denn die tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben würden keine unmittelbare aktuelle Belastung von Arbeitnehmern herbeiführen. Es konnte aber nachgewiesen werden, daß eine Gewerkschaft jeden117 118

Zu Einzelheiten in den Kapiteln 4, 5 und 6. Siehe oben 2. Kapitel I 3.

V. Personelle Grenzen der Tarifautonomie und Ämter der Beamten

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falls insoweit keine Legitimation zur Regelung auch für Außenseiter besitzt, als diese dazu führen würde, daß in einem gesamten Betrieb eines Arbeitgebers oder im öffentlichen Dienst im gesamten Bereich eines Dienstherrn oder jedenfalls in wesentlichen Einzelbereichen die Arbeitsplätze durch Tarifvertrag gestaltet würden und es deshalb für die Außenseiter keinen wesentlichen Freiraum zur individuellen Gestaltung mit dem Arbeitgeber bzw. Dienstherrn mehr gäbe. Das würde auch die negative Koalitionsfreiheit der nicht gewerkschaftsangehörigen Arbeitnehmer verletzen.

V. Die personellen Grenzen der Tarifautonomie bei unvermeidbarer Mitgestaltung der Rechtsverhältnisse der Beamten Bisher wurde bereits aufgrund der allgemeinen und für jeden Arbeitgeber, auch für einen privaten, geltenden Rechtslage das Ergebnis gewonnen, daß die personellen Grenzen der Tarifrnacht die Gewerkschaften hindern, die Arbeitsplätze des gesamten Betriebes bzw. des gesamten Bereichs des Dienstherrn oder zumindest wesentlicher Teilbereiche zu gestalten. Hier wurde bewußt ausgeklammert, ob dies erst recht gelten muß, wenn eine tarifliche Gestaltung Auswirkungen auch auf die Dienstposten der Beamten hätte, wie dies bei tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben der Fall wäre 119. Dies soll nunmehr geklärt werden, allerdings an dieser Stelle nur im Hinblick auf die personellen Grenzen der Tarifrnacht. Die Arbeitsbedingungen der Beamten werden durch Gesetz festgelegt. Eine Festlegung durch Tarifvertrag ist generell schon von Verfassungs wegen unzulässig. Man spricht hier von der negativen Koalitionsfreiheit für Beamte 120. Die Festlegung von deren Arbeitsbedingungen durch Gesetz und nicht durch Tarifvertrag ist auch Bestandteil der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns 121, die nach Art. 33 Abs. 5 GG Verfassungsrang haben. Das Bundesverfassungsgericht hat dies für den speziellen Fall der personalvertretungsrechtlichen Mitbestimmung in Personalangelegenheiten der Beamten bereits in seinem Urteil vom 27.4. 1959 unmißverständlich ausgesprochen 122. Oben wurde dargestellt, daß die Bemessungsvorgaben dazu dienen, die Zahl der erforderlichen und im Haushaltsplan bzw. in den Wirtschaftsplänen der Unternehmen der Deutschen Bundespost anzusetzenden Personalposten zu ermitteln, und daß in weiten Bereichen die Möglichkeit bestehen muß, die Dienstposten abwechselnd mit Beamten und Arbeitnehmern zu besetzen, weshalb die BeschränSiehe oben 1. Kapitel III, IV. Vgl. Matthey, in: v. Münch, Grundgesetz, Bd. 2, Art. 33, Rn. 43. 121 Unstreitig, s. bereits oben 2. Kapitel I 2 mit Fn. 23, s. ferner statt aller Matthey, in: v. Münch, Grundgesetz, Bd. 2, Art. 33, Rn. 43; Maunz, in: Maunz I Dürig I Herzog I Schotz, Grundgesetz, Art. 33, Rn. 64; Wiese, Beamtenrecht, S. 190. 122 BVerfGE 9, 268 (LS 3 und S. 287). 119

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3. Kap.: Besetzungsregelungen und Grenzen der Tarifmacht

kung der tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben auf Arbeitnehmer schon aus praktischen Gründen undurchführbar wäre 123. Das bedeutet, was die Deutsche Postgewerkschaft durchaus will und fordert, daß die tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben auch für die Dienstposten der Beamten gelten würden und damit nicht das jeweilige Unternehmen der Deutschen Bundespost die Einzelheiten des Dienstpostens gestalten könnte. Man mag einwenden, daß generell im öffentlichen Dienst in wichtigen Bereichen, namentlich bei der Besoldung, der Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit und des Jahresurlaubs die Ergebnisse der Tarifabschlüsse weitgehend für die Beamten entsprechend übernommen werden. Doch ist die bloß faktische Übernahme ohne Rechtsverpflichtung etwas grundlegend anderes, als wenn durch Tarifvertrag dem Dienstherm die Ausgestaltung der Dienstverhältnisse vorgeschrieben würde. Denn z. B. bei Lohn- und Gehaltserhöhungen, die für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes in einem Tarifvertrag festgelegt werden, kann der Dienstherr immer noch entscheiden, ob er sie für die Beamten übernimmt und ob er sie dann in gleicher Weise übernimmt. Auch eine Arbeitszeitverkürzung muß er nicht für die Beamten übernehmen. Ein weiterer grundsätzlicher Unterschied kommt hinzu: Bei den genannten Festlegungen betreffend etwa die Höhe der Besoldung, die wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer des Jahresurlaubs regelt der Tarifvertrag nicht Modalitäten des Dienstpostens als solchen, sondern behandelt diesen als "Vorgabe" des Dienstherm und beschränkt sich auf eine Regelung der Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers. Daß Rückwirkungen auf die Gestaltung des Dienstpostens eintreten können, weil etwa bei einer laufend kürzer werdenden Arbeitszeit die anfallende Arbeit, zumindest auf einzelnen Posten, nicht mehr mit der bisherigen Zahl der Beschäftigten erledigt werden kann, ist dabei selbstverständlich und jeder tarifvertraglichen Regelung - wie noch im einzelnen bei den sachlichen Grenzen der Tarifautonomie zu zeigen ist 124 - inhärent. Doch darum geht es bei Bemessungsvorgaben nicht. Hier werden die Dienstposten als solche gestaltet, also die Vorgaben des Arbeitgebers, weil schon seine Planung beeinflußt wird, so daß der Dienstherr faktisch nicht mehr in der Lage ist, alleine, d. h. ohne gewerkschaftlichen Einfluß, die Organisations struktur einer Dienststelle zu bestimmen und damit die Dienstposten für die Beamten auszugestalten. Die Beamten würden auf diese Weise in die Regelungsgewalt der Arbeitnehmerkoalition geraten, von der sie aufgrund des Art. 33 Abs. 5 GG freigestellt sein müssen. Ungeachtet aller sonstigen Schranken, die Art. 33 Abs. 5 GG Bemessungsvorgaben setzen kann 125, setzt er der Tarifrnacht eine personelle Schranke insofern, als keine Tarifverträge geschaffen werden dürfen, die auch die Rechtsverhältnisse der Beamten unmittelbar mitgestalten.

123 124 125

Oben 1. Kapitel II, III. Siehe 4. Kapitel. Hierzu unten 5. Kapitel.

V. Personelle Grenzen der Tarifautonomie und Ämter der Beamten

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Wäre letzteres zulässig, so wären die hierdurch für das Berufsbeamtentum hervorgerufenen Gefahren erheblich. Die Beamten der Deutschen Bundespost fänden sich plötzlich in einer Situation, in der ihr Dienstherr und ihr Dienstvorgesetzter die Personalposten aufgrund ihrer tarifvertraglichen Verpflichtung gegenüber den Gewerkschaften auszugestalten hätten. Dies würde sich zwangsläufig auch auf die Ausgestaltung des Amtes im konkret-funktionellen Sinn auswirken. Gleichgültig, ob die tarifvertragliche Festsetzung für die Beamten überwiegend vorteilhaft wäre oder nicht, ginge es nicht an, die Beamten in Abhängigkeit von der Gewerkschaft zu bringen. Die personellen Grenzen der Tarifmacht im öffentlichen Dienst sind deshalb auch dort zu ziehen, wo Regelungen geschaffen würden, die sich auf die Ausgestaltung der Ämter auch der Beamten auswirken.

4. Kapitel

Die sachlichen Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis Die bisherigen Ausführungen behandelten die Grenzen der Tarifmacht in personeller Hinsicht. Es ist bei allem Streit um Einzelheiten im Grundsatz seit jeher anerkannt, daß die Tarifautonomie auch sachlichen Schranken unterliegt, daß also die Tarifparteien nicht jede beliebige Materie tarifvertraglich regeln dürfen. So gut wie unstreitig ist dies dort, wo die Tarifparteien eindeutig den von Art. 9 Abs. 3 GG mit "Arbeits- und Wirtschafts bedingungen" umschriebenen und in §§ lAbs. 1, 3 Abs.2, 4 Abs. 1, Abs. 2 TVG einfachgesetzlich konkretisierten Bereich verlassen. Man denke etwa an einen Tarifvertrag, der den Arbeitnehmern oder den Arbeitgebern Elemente der Gestaltung des Privatlebens vorschreiben würde, wie etwa den Verzicht auf den Kauf von Produkten eines Konkurrenten. Hier setzen nicht nur die Rechte der Tarifunterworfenen - weithin als Individualsphäre bezeichnet I - der tariflichen Regelungsbefugnis eine Grenze. Vielmehr erfaßt sie bereits die Sachgegenstände dieser Regelung nicht, weil sie nicht das geringste mit den Arbeits- und Wirtschafts bedingungen zu tun hat. Dieses Beispiel zeigt zudem, daß ein und dieselbe tarifliche Regelung häufig nicht nur wegen Überschreitens der sachlichen Grenze der Tarifautonomie unzulässig ist, sondern zugleich wegen Verstoßes gegen Verfassungsrecht, Gesetzesrecht oder gegen grundlegende Prinzipien unserer Rechtsordnung. Was sich als außerhalb der sachlichen Grenzen der Tarifautonomie befindlich erweist, führt nämlich oftmals auch aus weiteren Gründen zur Unzulässigkeit einer entsprechenden Tarifregelung, weil ein unzulässiger Eingriff in die Rechtsposition eines Normunterworfenen oder eines Dritten vorliegt. Die Trennung zwischen den sachlichen Schranken der Tarifmacht und ihren sonstigen Grenzen ist deshalb nicht eine streng logisch juristisch vorgegebene, sondern beschreibt mitunter nur verschiedene rechtliche Gesichtspunkte und Argumentationsfelder desselben Problems. Bei den tariflichen Bemessungsvorgaben sind die sachlichen Schranken der Tarifautonomie unter zwei Aspekten problematisch und deshalb zu untersuchen: Zunächst ist zu fragen, ob Bemessungsvorgaben, die verwaltungsinterne Richtlinien sind und, wie dargelegt, nicht in die Arbeitsverträge der Arbeitnehmer eingehen, überhaupt eine tariflich regelbare Materie darstellen. Zweitens ist zu I Zu diesem Begriff statt aller Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 221 ff.; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 343 f. m. w.N.

I. Tarifautonomie und untemehmerische Planung

65

durchleuchten, ob eine sachliche Schranke deshalb besteht, weil die Tarifautonomie - wie bereits bei den personellen Grenzen erwähnt wurde 2 - die Personalposten der Beamten nicht erfassen kann. Hier ist auch auf die spezifischen Strukturen der Unternehmen der Deutschen Bundespost einzugehen, die in vieler Hinsicht wie Privatunternehmer am Wirtschaftsleben teilnehmen.

I. Tarifautonomie und unternehmerische Planung zum Zwecke der Arbeitsplatzeinrichtung und -gestaltung 1. Bemessungsvorgaben als Teil interner Planung

Bemessungsvorgaben dienen, wie mehrfach dargelegt, zur Berechnung der für die Aufgabenbewältigung erforderlichen Zahl von Dienstkräften und damit auch zur Ausweisung der erforderlichen Personalposten. Es steht also nicht etwa im Arbeitsvertrag eines Zustellers, wieviele Briefe er zustellen muß, weil sich der konkrete Arbeitsanfall wegen der Abhängigkeit von der Postbenutzung gar nicht präzise vorausberechnen ließe. Darum ist es trotz der Berechnung des Dienstkräftebedarfs der Regelfall, daß nicht genau der in den Bemessungsvorgaben zugrundegelegte Arbeitsanfall eintritt. Dies ist kein spezifisches Problem der Deutschen Bundespost und ihrer Unternehmen, sondern ist für jede abhängige Arbeit charakteristisch. Auch der in einer Baugenehmigungsbehörde oder Kfz-Zulassungsstelle beschäftigte Beamte, Angestellte oder Arbeiter wird beschäftigt, um den konkreten Arbeitsanfall zu bewältigen und erhält keine Zusage, nur ein bestimmtes Quantum an Arbeit verrichten zu müssen. Wer nach Arbeitszeit entlohnt wird und nicht im Akkord arbeitet, weiß, daß er die in der Arbeitszeit anfallende Tätigkeit zu verrichten hat. Dies ist in der Privatwirtschaft nicht anders. Während nun in der Privatwirtschaft und weithin auch im öffentlichen Dienst die Festlegung der grundlegenden Organisationsstrukturen und die darauf aufbauende Planung durchweg unternehmensintern und, selbst wenn im Interesse der Arbeitnehmerseite der Betriebsrat informiert oder beteiligt wird, ohne schriftlich niedergelegte Vorgaben vonstatten gehen, ist die Deutsche Bundespost durch die Bemessungsvorgaben um Transparenz bemüht. Man ging den Weg eines möglichst "offenen" Verfahrens zur Arbeitskräftebedarfsermittlung und -festlegung. Das verändert aber "in unternehmerischer Hinsicht" die Qualität dieses Handeins nicht. Es bleibt nach wie vor Nachvollziehung der Organisation und interne Planung im Vorfeld des Auftretens des Arbeitsgebers bzw. Dienstherrn am Arbeitsmarkt. Es handelt sich um reine (Unternehmens- bzw. Verwaltungs-)Interna. Die entscheidende rechtliche Frage lautet: Gewährt die Tarifautonomie den Gewerkschaften überhaupt die Befugnis, in die Planung eines Arbeitgebers bzw. 2

Oben 3. Kapitel V.

5 Loritz

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4. Kap.: Sachliche Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

Dienstherrn, die erst zur Bedarfsfeststellung, Einrichtung und Ausgestaltung von Arbeitsplätzen bzw. Personalposten führt, einzugreifen? Oder gibt es eine sachliche Schranke der Tarifautonomie dahingehend, daß diese die arbeitgeberische Organisations- und Planungsautonomie als Vorgabe beachten muß und sich auf die Mitgestaltung der Arbeitsverhältnisse, in denen sich die organisationsbedingte Planung dann niederschlagen soll, zu beschränken hat? Eine literarische Auseinandersetzung speziell zu den tarifvertraglichen Möglichkeiten und Grenzen der Regelung von Bemessungsvorgaben existiert nicht. In der Rechtsprechung haben sich bisher, soweit ersichtlich, lediglich das Arbeitsgericht Frankfurt in seinem nicht veröffentlichten Urteil vom 11.12.1986 3 und im Berufungsurteil hierzu das LAG Frankfurt 4 mit der Problematik beschäftigt 43. Beide Urteile, dies sei, ehe sie im einzelnen besprochen werdenS, vorweggenommen, sind aber zum Kernpunkt der rechtlichen Probleme nicht vorgedrungen und können deshalb nicht als tragfähige Grundlage für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Problematik dienen. Es gilt deshalb, bei dieser neuen Problematik zunächst die Grundlagen aufzubereiten. Bei Arbeitsverhältnissen der Privatwirtschaft wird seit Jahrzehnten die Unternehmensautonomie als mögliche Grenze der Tarifautonomie diskutiert 6 • Auch, soweit man sich hier mit Spezialthemen, wie dem Rationalisierungsschutz 7 , beschäftigt hat, wurden hier z.T. die sachlichen Grenzen der Tarifautonomie angesprochen. Die Erkenntnisse dieser Diskussion können hinsichtlich der Grundgedanken auch für die vorliegende Problematik nutzbar gemacht werden und sind deshalb darzulegen.

AZ 3 Ca 349/86. Urteil vom 20.10.1988, AZ 12 Sa 1187/87, ebenfalls nicht veröffentlicht. 43 Das BAG hat nach Abschluß der Drucklegung die Revision der Deutschen Bundespost gegen das Urteil des LAG Frankfurt zurückgewiesen: Urteil vom 3.4. 1990 1 AZR 123/89. Die schriftlichen Urteilsgründe lagen bei Fertigstellung des Gutachtens noch nicht vor (s. auch die Pressemitteilung in BB 1990, 778). 5 Hierzu unten 2 d. 6 An dieser Stelle sei statt aller verwiesen auf Biedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DIT, S. 156 ff.; Wiedemann, in: Festschrift für Stefan Riesenfeld, S. 301 = RdA 1986, 231; Beuthien, ZfA 1984, 1; Hö[ters, Harmonie nonnativer und schuldrechtlicher Abreden in Tarifverträgen, S. 152; Richardi, Kollektivgewalt, S. 181. 7 Vgl. Reuter, ZfA 1978, 1; Koller, ZfA 1978,45; Konertz, Rationalisierung, S. 68 ff.; Mayer / Ralfs, Rationalisierung und Rationalisierungsschutz, S. 205 ff.; Wend, Tarifvertragliche Arbeitsplatzbesetzungsregelungen, S. 95 ff. 3 4

I. Tarifautonomie und unternehmerische Planung

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2. Die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen als Ausgangspunkt tariflicher Regelungsbefugnisse

a) Die funktionelle Bestimmung der Grenzen durch die Literatur

Art. 9 Abs. 3 GG nennt die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen als Gegenstände der Tarifautonomie 8. Die generalklauselartige Formulierung hilft allerdings bei der Bestimmung der Grenzen in schwierigen Einzelfällen nicht weiter. Sie steckt letztlich doch nur den verfassungsrechtlichen Rahmen ab. Der Begriff ist seinerseits ausfüllungsbedürftig 9• Wie inzwischen von der Literatur erwiesen wurde, sind auch eine historische und systematische Auslegung der Verfassung wenig ergiebig 10. Letztlich haben alle Konkretisierungsversuche der Literatur bis heute nicht einmal dazu geführt, daß wenigstens der Streit um den Kembereich der Tarifautonomie beigelegt worden wäre 11. Es erscheint deshalb wenig nutzbringend, sich im Rahmen dieser Arbeit in allgemeinen Erörterungen zu ergehen. Entscheidend ist, die Funktion der Tarifautonomie zu bestimmen 12 und hierbei möglichst auch nach Ansätzen im Gesetzesrecht, namentlich im Tarifvertragsgesetz, zu suchen 13. Die tarifvertragliehe Regelungsbefugnis erstreckt sich nach § 1 ff. TVG ausschließlich auf arbeitsrechtliche Gegenstände und innerhalb derselben auf den Arbeitsvertragsinhalt sowie auf betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen 14. Diese Einschränkung steht im Einklang mit der Verfassung, die wie dargelegt - nur einen Kembereich der Tarifautonomie garantiert 15. Doch reicht der Hinweis auf die Vorschriften des Tarifvertragsgesetzes ebenfalls nicht aus, weil es zwar die Zielrichtung erkennen läßt, die dahingehend zu beschreiben ist, daß Tarifautonomie nicht die Mitgestaltung des Unternehmens, sondern die Mitgestaltung der Leistungsaustauschverhältnisse der Arbeitnehmer mit dem Un-

8 Vgl. hierzu Misera, Tarifrnacht, S. 26 ff.; Peters / Ossenbühl, Übertragung öffentlich-rechtlicher Befugnisse, S. 14; Säcker, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 40 ff.; W. Weber, Koalitionsfreiheit, S. 14 ff.; Zöllner, Differenzierungsklauseln, S. 35 ff. 9 Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 160. 10 Vgl. Misera, Tarifrnacht, S. 28 ff.; ihm folgend Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 160. II Aufschlußreich hierzu die Darstellung Meiks, Tarifautonomie, S. 43 ff. 12 Eine funktionale Betrachtung setzt sich auch zunehmend durch. Siehe Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 160; Meik, Tarifautonomie, S. 83 ff. 13 Bereits im Jahre 1967 hat Zöllner (Differenzierungsklauseln, S. 35 f.) klargestellt, daß es zur Bejahung der Frage, ob etwas in einem Tarifvertrag geregelt werden kann, nicht genüge, daß die in Aussicht genommene Regelung zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i. S. d. Art. 9 Abs.3 GG gehöre. Damit sei noch nicht gesagt, daß die Regelung gerade durch Tarifvertrag erfolgen könne. Vielmehr müßten die speziellen Voraussetzungen des Tarifvertragsgesetzes erfüllt sein. 14 Zöllner, Arbeitsrecht, S. 342. 15 Siehe oben 2. Kapitel I 3.

5*

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4. Kap.: Sachliche Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

ternehmer bedeutet. Aber der Gesetzgeber hat gerade im Bereich der Betriebsnormen keine konkreten Regelungen getroffen, sondern sich wiederum auf GeneralklauseIn zurückgezogen. Aus diesen Gründen können die Zuständigkeit der Tarifparteien und die sachlichen Grenzen der Tarifautonomie nur anband umfassenderer tiefergehender Überlegungen ermittelt werden. Hierbei ist ein Blick auf namhafte Literaturstimmen aufschlußreich: aa) Biedenkopfwill die Zuständigkeit der Koalitionen durch ihre Schutzfunktionen bestimmen, die den gesamten Bereich des Arbeitsverhältnisses erfaßten 16. Der Schutzzweck werde verwirklicht durch den Ausgleich der tatsächlichen Vormachtstellung des Arbeitgebers unter Beibehaltung seiner Gestaltungs- und Handlungsfreiheit. Der Beseitigung der Vormachtstellung diene die Koalition als Schutzverband. Eine Auslegung des verfassungsrechtlichen Begriffs "Wirtschaftsbedingungen" gebe nicht ohne weiteres Auskunft auf die Frage nach den Grenzen der Vereinbarungsbefugnis im unternehmerischen Bereich. Vom Arbeitnehmer aus gesehen seien alles Wirtschaftsbedingungen, was auf den wirtschaftlichen Tatbestand "Arbeitsverhältnis" einwirke, also alle wirtschaftlichen Umstände, die seine Arbeitskraft beträfen. Demnach müßte es auch zur Zuständigkeit der Tarifparteien gehören, durch tarifvertragliche Bindung auf das unternehmerische Marktverhalten einzuwirken, um es zugunsten des Unternehmens und seiner Arbeitnehmer zu ändern 17. Das treffe jedoch nicht zu. Der Grundsatz der wirtschaftlichen Freiheit überlasse die Aufstellung und Durchführung der Wirtschaftspläne und die damit verbundene Koordination aller vorgegebenen wirtschaftlichen Daten grundsätzlich dem einzelnen Unternehmer. Die Auslegung des Begriffs "Wirtschaftsbedingungen" verlasse den klassischen arbeitsrechtlichen Bereich und frage nach den Interdependenzen arbeitsrechtlicher und wirtschaftsrechtlicher Zuständigkeiten. Hierbei gehe es um das Aufdecken gemeinsamer Ordnungsprinzipien von Wirtschaftsund Arbeitsverfassung, also um die Entwicklung von Grundsätzen, die für beide Bereiche gleichsam verbindlich seien. Diese Ordnungsprinzipien gingen in einer Wettbewerbswirtschaft, in der keine zentrale Planung stattfinde, davon aus, daß der Unternehmer im Rahmen vorgegebener Daten seine Koordinierungs- und Planungsfreiheit frei von rechtlichen Bindungen an Dritte oder an staatliche Anordnungen vornehmen könne. Diesem Organisationsschema entspreche eine kollektivrechtliche Zuständigkeit, die auf die unternehmerische Planung durch die vertragliche Feststellung sozialer Daten einwirke. Der Tarifvertrag setze Daten für die unternehmerische Entscheidung, indem er die Auswirkungen festlege, die bestimmte unternehmerische Maßnahmen im arbeitsrechtlichen und sozialen Bereich hätten, ohne die Entscheidungsmöglichkeit des Unternehmens selbst zu beseitigen. Er regele die Bedingungen, unter denen die Arbeitnehmer bei der 16

17

Biedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DJT, S. 113. Biedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DJT, S. 160 f.

I. Tarifautonomie und unternehmerische Planung

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Verwirklichung des wirtschaftlichen Zweckes der Unternehmung mitzuwirken bereit seien 18. bb) Nach Rüthers 19 und Richardi 20 wird die liberale Arbeitsmarktorganisation durch die Zulassung kollektiver Angebots- und Nachfragekonzentration in Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gegenüber anderen Märkten entscheidend abgewandelt. Der Arbeitsmarkt werde rechtlich anders organisiert als die übrigen Märkte 21 • Die tarifliche Regelungsbefugnis sei auf die kollektive Gestaltung solcher Materien beschränkt, die sich aus der marktmäßigen Sonderstellung abhängiger menschlicher Arbeit ergäben 22. cc) Wiedemann wählt mit der herrschenden Meinung den Ausgangspunkt, daß die tarifpolitischen Gegenstände einen erkennbaren Bezug zu den Arbeitsbedingungen aufweisen müßten 23. Zwar habe das gesamte Wirtschaftsleben seine soziale Seite 24. Gleichwohl rechtfertigten es die Abgrenzungsprobleme nicht, den Grundsatz aufzugeben, daß sich der Tarifvertrag nicht in Fragen der allgemeinen Geschäftspolitik des Unternehmens einmischen dürfe 25 • Das Tarifvertragssystem mache die Koalitionen nicht zu Mitunternehmern und gebe ihnen nicht das Recht, ihr eigenes planerisches Ermessen an die Stelle unternehmerischer Sachkompetenz zu setzen oder die unternehmerische Entscheidung unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu korrigieren. Die Kompetenz der Tarifparteien sei aber auch nicht darauf beschränkt, die Folgen der veränderten Arbeitsplatzgestaltung, etwa durch Verlängerung der Pausen oder Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit, zu mildem 26. Die unternehmerische Grundlagenentscheidung einerseits und die Lohn- und Arbeitsbedingungen andererseits würden lediglich die beiden äußeren Pole kennzeichnen, an denen jeweils ein klarer Vorrang der UnternehBiedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DJT, S. 161 f. Rüthers, Arbeitsrecht und politisches System, S. 21 ff. 20 Richardi, Kollektivgewalt, S. 179. 21 Rüthers, Arbeitsrecht und politisches System, S. 21 ff.; ders., Tarifmacht, S. 15; vgl. auch Richardi, Kollektivgewalt, S. 179. 22 Rüthers, Tarifmacht, S. 15. 23 Wiedemann, RdA 1986, 231 (232); Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 101; gleicher Ansicht Kempen, AuR 1980, 193 (195); Rüthers, Tarifmacht, S. 17; Söllner, ArbRGeg. Bd. 16 (1979), S. 19 (23 ff.). 24 Wiedemann, RdA 1986,231 (232); gleicher Ansicht G. Müller, DB 1979, Beilage 5 zu Heft 16, S. 3; vgl. auch Biedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DJT, S. 160 ff. 25 Ganz herrschende Meinung, vgl. auch Beuthien, JurA 1970, 130 (132); ders., ZfA 1984,1 ff.; Hölters, Harmonie normativer und schuldrechtlicher Abreden in Tarifverträgen, S. 152; Nipperdey, in: Festgabe für Günther Küchenhoff, S. 133 (146); Reuss, JurJb 4 (1963/64),163 (178); Richardi, Kollektivgewalt, S. 181; Rüthers, Tarifmacht, S. 32 f.; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, S. 1315; Scholz, ZfA 1981, 265 (296 ff.); Söllner, 18

19

Arbeitsrecht, S. 146. Anderer Ansicht Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 328 ff.; Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, Rn. 441 ff., insbes. 446 ff.; Rieth, Die Steuerung unternehmerischen Handeins durch Tarifvertrag, S. 26 ff.; Simitis, AuR 1975,321 (331); vgl. zu Rationalisierungsschutzregelungen ferner T. Beck, AuR 1981,333 und 367. 26 Wiedemann, RdA 1986,231 (233).

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4. Kap.: Sachliche Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

mensautonomie oder der Tarifautonomie erkennbar sei. Dazwischen liege eine beträchtliche Grauzone unternehmerischer Maßnahmen, die sich aus der Sicht der Arbeitnehmer als Arbeitsbedingungen i. S. d. Art. 9 Abs. 3 GG darstellen könnten, jedoch weder dem Kernbereich der Tarifautonomie noch dem der Unternehmensautonomie zuzuordnen seien. Dazu gehörten etwa Rationalisierungsmaßnahmen, die Gestaltung des Arbeitsplatzes oder die Festlegung der betrieblichen Arbeitszeit, auch die Frage, wieviele Arbeitnehmer eine bestimmte Maschine bedienen sollten und ob Mehrarbeit durch Überstunden oder durch die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte bewältigt werde 27. Wiedemann stellt in diesem Bereich dann allgemein gehaltene Regeln auf, die die Entscheidung erleichtern sollen. Auf diese Regeln ist an späterer Stelle noch einzugehen 28. Im vorliegenden Zusammenhang, in dem es darum geht, ob die Tarifparteien bereits dort eine sachliche Schranke ihrer Handlungsmöglichkeiten vorfinden, wo eine unternehmerische Planungsentscheidung noch nicht nach außen gedrungen ist, führen diese Regeln nicht weiter. Hier kann nur grundsätzlich festgehalten werden, daß auch Wiedemann einen autonomen Bereich unternehmerischer Entscheidungen anerkennt und einen Eingriff der Gewerkschaften allenfalls dort duldet, wo die unternehmerischen Sachentscheidungen konkrete Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse zeitigen. dd) Beuthien hat sich speziell mit der Möglichkeit beschäftigt, durch Tarifvertrag einzelne Sachfragen der wirtschaftlichen Unternehmensführung kollektivvertraglich zu regeln 29 • Er widerlegt die in der Literatur 30 z.T. vorgebrachte Ansicht, eine Tarifmacht zur Mitbestimmung im wirtschaftlichen und unternehmerischen Bereich könne aus Art. 9 Abs. 3 GG hergeleitet werden. Seiner Ansicht nach wäre die Unternehmensautonomie nur unzureichend gewährleistet, wenn ihr die Tarifautonomie keinen tariffreien Betätigungsbereich belasse. Als kollektives Arbeitnehmerschutzrecht gegenüber der Unternehmensautonomie könne die Tarifautonomie schutzzweckgerecht nur dort eingreifen, wo eine unternehmerische Entscheidung diejenigen rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Belange der Arbeitnehmer berühre, die sich gerade aus deren Eigenschaft als abhängig Beschäftigte ergäben, und zwar als unmittelbare Folge, nicht erst mittelbar infolge der Reaktion des Marktes auf die betreffende unternehmerische Maßnahme. Die Geschäftsleitung entscheide autonom, welche Geld- und Sachmittel zu welchem Zweck eingesetzt würden (Investitionsbereich), ob, was und wo hergestellt werde (Produktionsbereich) und an wen, wie und wo das Hergestellte am Markt angeboten werde (Betriebsbereich). 27

28

Wiedemann, RdA 1986, 231 (238).

Unten b.

Beuthien, ZfA 1984, 1 ff. 30 Beuthien, ZfA 1984, 1 (3, Fn. 3), verweist hier insbes. auf Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 66,497 f.; ders., Arbeitsrecht 1, S. 167 ff.; Däubler / Hege, Tarif29

vertragsrecht, Rn. 442 ff.

I. Tarifautonomie und untemehmerische Planung

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Die Tarifautonomie betreffe demgegenüber die Frage, unter welchen Bedingungen die Arbeitnehmer bereit seien, im Betrieb an der Verwirklichung des von den Kapitaleignern vorgegebenen Unternehmenszwecks mitzuwirken. Die Unternehmensautonomie sei grundsätzlich marktbezogen, die Tarifautonomie grundsätzlich betriebsbezogen 31 • Wirtschaftsbedingungen i. S. d. Art. 9 Abs.3 GG seien betriebliche Wirtschaftsvoraussetzungen, also nur diejenigen Wirtschaftsbedingungen des Unternehmens, die sich aus der Sicht der Arbeitnehmer zugleich als Arbeitsbedingungen i. S. d. Art. 9 Abs. 3 GG darstellten 32. Es könne, etwa bei Veränderung der Arbeitsplätze durch Einführung neuer Technologien, zu einer Überlappung der Arbeits- und Wirtschafts bedingungen kommen. Hier würde es dem umfassenden sozialen Schutzauftrag der Tarifautonomie nicht gerecht, den Tarifvertrag prinzipiell auf die Regelungen der arbeitsrechtlichen und sozialen Folgewirkungen zu beschränken. Denn aus der Sicht der betroffenen Arbeitnehmer sei es gleichgültig, ob die soziale Frage bereits Teil oder erst Folge der Unternehmensentscheidung sei. Vor allem gebe es unternehmerische Maßnahmen, die sich für die Arbeitnehmer derartig belastend auswirken könnten, daß sich die sozialen Folgen nicht oder nicht hinreichend ausgleichen oder mildern ließen. Deshalb müsse sich auch der Regelungsauftrag des Art. 9 Abs. 3 GG immer dann, wenn sich die wirtschaftliche und soziale Seite einer unternehmerischen Maßnahme nicht trennen ließen, zwangsläufig mit auf die Steuerung der unternehmerischen Sachentscheidung selbst erstrecken 33 • Tariflich mitbestimmt werde dann aber immer nur der betriebliche Aspekt der betreffenden Wirtschaftsbedingung. Die schlüssige Mitbestimmung der unternehmerischen Entscheidung sei nur eine notwendige Regelungsbegleitfolge. Es gehöre nicht zum Regelungsbereich der Tarifautonomie, die unternehmerische Sachentscheidung um ihrer selbst willen, um ihres eigenen unternehmerischen Inhalts willen, mitzubestimmen 34 • ee) Eine von gewerkschaftsnahen Autoren vertretene Mindermeinung, die die Tarifautonomie generell oder doch in sehr weitgehendem Umfang auch auf die Gestaltung der unternehmerischen Entscheidungen bis hin etwa zum Zwang eines Unternehmens, eine Produktion wieder aufzunehmen, ausdehnen wilP5, konnte sich zu Recht nicht durchsetzen. Sie steht weder auf dem Boden des geltenden Tarifrechts noch entspricht sie der Verfassung. Sie ist nicht mehr als der Versuch, rechtspolitische Vorstellungen als geltendes Recht darzustellen. Zöllner hat richtiBeuthien, ZfA 1984, 1 (12 f.). Beuthien, ZfA 1984, 1 (13) unter Hinweis auf Wiedemann, in: Festschrift für Stefan Riesenfeld, S. 301 (302). 33 Beuthien (ZfA 1984, 1 [14]) folgt hier wiederum Wiedemann, in: Festschrift für Stefan Riesenfeld, S. 307. 34 Beuthien, ZfA 1984, I (15). 35 Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 328 ff.; Däubler I Hege, Tarifvertragsrecht, Rn. 446; Simitis. AuR 1975,321 (332); Wohlgemuth, Staatseingriff und Arbeitskampf, S. 70. 31

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4. Kap.: Sachliche Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

gerweise klargestellt, daß solche Vorstellungen schon in den einfachgesetzlichen Regelungen des Tarifvertragsgesetzes steckenbleiben 36 • b) Würdigung der Literaturmeinungen Dieser Überblick über die Auseinandersetzung um die Problematik der Abgrenzung zwischen der Tarifautonomie und der Unternehmensautonomie zeigt, daß die Entscheidung deshalb so schwer fällt, weil in der Wirtschaftspraxis die unternehmerischen Planungs- und Sachentscheidungen sehr häufig Auswirkungen auf die Personalplanung des Unternehmens haben und weil umgekehrt in einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland, wo in nahezu allen Unternehmen ein erheblicher Teil des Ertrags via Personalkosten den Arbeitnehmern zugewendet wird, ein Unternehmen diese Personalkosten als wesentlichen Faktor in seine Planung und in die Gestaltung seiner Organisation einbeziehen muß. Die Abgrenzung zwischen unternehmerischer Autonomie und Tarifautonomie, wie sie Biedenkopj37, Rüthers 38 und Richardi 39 in den 60er Jahren vorgenommen haben, ist deshalb heute nicht mehr allein ausreichend. Es fragt sich generell, ob man die Abgrenzung nicht zu lange anhand einer griffigen Einheitsformel gesucht hat, die es nicht geben kann. Von Interesse ist, daß alle genannten Ansichten, mit Ausnahme derjenigen der gewerkschaftsnahen Autoren 4O , die sich mit dem geltenden Recht aber nicht decken, letztlich darauf zielen, die Freiheit der unternehmerischen Sachentscheidung möglichst wenig zu beeinträchtigen. Ob man, wie Biedenkopj, formulieren sollte, daß die Tarifautonomie auf die Folgewirkungen unternehmerischer Entscheidung begrenzt sei, mag zweifelhaft erscheinen. Aber auch eine relativ weitgehende Ansicht, wie diejenige Wiedemanns 41 , die durchaus dogmatischen Bedenken unterliegt 42 , verlangt, daß die Zuständigkeit der Tarifparteien bei unter36

Zöllner, Arbeitsrecht, S. 342.

Oben I 2 a (aa). Oben I 2 a (bb). 39 Oben I 2 a (bb). 40 Siehe die Nachweise in Fn. 35. 41 Wiedemann, RdA 1986,231 ff. 42 Bedenklich ist vor allem, daß Wiedemann einerseits die mangelnde Zuständigkeit der Koalitionen zur Regelung unternehmenspolitischer Sachfragen nicht aus einem geschützten Freiheitsbereich des Unternehmers, sondern aus dem fehlenden Bezug solcher Entscheidungen zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ableitet, er andererseits aber bei der Abgrenzung zur Lösung von Einzelproblemen gerade die "Testfrage" stellt, ob dem Unternehmer die Möglichkeit eigenverantwortlichen und sinnvollen Wirtschaftens verbleibe oder ob seine Reaktionsfähigkeit auf die Lenkungsimpulse des Marktes so beschnitten werde, daß die Tarifregelung in ihren Auswirkungen einem unmittelbaren Eingriff in den Kernbereich der unternehmerischen Zuständigkeiten gleichkomme (so Wiedemann, RdA 1986,231 [240]). Es wird also hier doch ein Bereich unternehmerischer Freiheit anerkannt und herangezogen, um die Tarifautonomie zu begrenzen. 37

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I. Tarifautonomie und unternehmerische Planung

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nehmerischen Sachentscheidungen erst dort einsetzt, wo die wirtschaftlichen und sozialen Belange der Arbeitnehmer "unmittelbar-konkret" berührt seien 43. Er beschränkt schließlich die Tarifautonomie durch die aus dem öffentlichen Recht entlehnten Maßstäbe bzw. Schranken der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit 44 •

Wiedemann geht aber, wie die anderen Autoren, davon aus, daß ein Tarifvertrag, wie immer man die Grenze für ihn ziehen mag, erst dort einsetzen kann, wo die unternehmerische Planung in eine Entscheidung umschlägt, die auch unmittelbare Wirkung für die Arbeitnehmer hat. Der Tarifvertrag ist also kein Instrument, bereits in die unternehmerische Planung als solche einzugreifen, den Unternehmer somit daran zu hindern, seine Vorstellungen bezüglich der Planung seiner Aktivitäten und bezüglich der Planung des Personalbedarfs allein vorzunehmen. Der Unternehmer kann somit auch nach Wiedemanns Ansicht, wenn man sie konsequent weiterdenkt, nicht etwa schon durch einen Tarifvertrag gehindert werden, seine interne Planung nach seinem Belieben vorzunehmen. Es ist allenfalls möglich, daß er diese Planung korrigieren muß, weil er z. B. wegen Festsetzung einer kürzeren Arbeitszeit oder einer geringeren, von dem einzelnen Arbeitnehmer zu erbringenden Arbeitsleistung in einem Tarifvertrag zur geplanten Produktion mehr Arbeitnehmer als vorgesehen benötigt. c) Bemessungsvorgaben und Unternehmensautonomie

Auf Bemessungsvorgaben übertragen bedeuten die gefundenen Erkenntnisse folgendes: Die Diskussion hat sich bisher auf Unternehmen bezogen, aber auch beschränkt, die Leistungen am Markt entsprechend ihrer eigenen Planung anbieten, die also über das "Ob" und das "Wie" der Produktion selbst entscheiden können. Bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost geht es in vielen Bereichen nur um das "Wie", weil ihnen das "Ob" vorgegeben ist und, anders als bei einem privaten Unternehmer, von ihnen nicht gesteuert werden kann. Denn sie müssen ihre Leistungen dort, wo es sich um Pflichtleistungen der sog. Daseinsvorsorge handelt, anbieten und dürfen sie nicht aus wirtschaftlichen Gründen beschränken. Die gewerkschaftliche Forderung nach einer tarifvertraglichen Mitbestimmung bei den Bemessungsvorgaben greift nun nicht dergestalt ein, daß mitbestimmt werden soll, welche Leistungen die Unternehmen der Deutschen Bundespost erbringen, das wäre ohnehin gesetzwidrig. Es sollen aber auch nicht erst die Art und Weise der Erbringung mitbestimmt werden, sondern bereits die Phase der Planung und die Gestaltung der Organisation. Würde ein privater Unternehmer ein Bemessungssystem, vergleichbar dem der Deutschen Bundespost bzw. ihrer Unternehmen, erstellen, um seinen Arbeitskräftebedarf aufgrund der von ihm allein festgelegten Organisationsstrukturen zu planen und die erfor43 44

Wiedemann, RdA 19X6, 231 (234 f.). Wiedemann, RdA 1986,231 (239 ff.).

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4. Kap.: Sachliche Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

derlichen Arbeitsplätze auszuweisen, so könnte ihn daran ein Tarifvertrag nicht hindern. Wenn überhaupt, so könnte der Tarifvertrag allenfalls die vorgesehene Durchführung der Planung verhindern, indem er etwa den Einsatz von mehr Arbeitskräften für bestimmte Tätigkeiten festlegen würde. Die Deutsche Postgewerkschaft stellt demgegenüber die Forderungen als etwas dar, das es bereits vielfach in anderen Tarifverträgen gäbe 45. Sie verweist auf die Tarifverträge, in denen Vorgabezeiten und Zuschläge für Erholungszeiten sowie bezahlte Pausen und z.T. auch eine tarifvertragliche Mitbestimmung bei Ermittlung der Zeitvorgabe für Akkordarbeiter geregelt wurden 46 • Ganz abgesehen davon, daß eine Regelung nicht deshalb rechtmäßig ist, weil sie in ähnlicher Form bereits in anderen Tarifverträgen steht, bestehen zu der von der Deutschen Postgewerkschaft geforderten tarifvertraglichen Mitsprache bei Bemessungsvorgaben grundlegende Unterschiede. Die Lohn-Rahmentarifverträge, auf die sich die Deutsche Postgewerkschaft beruft, lassen die unternehmerische Planung und Organisation und die Personalplanung als solche unberührt. Sie zielen nur darauf, die Folgen für die einzelnen Arbeitnehmer dort, wo sie sich in den Arbeitsverhältnissen niederschlagen, abzumildern, indem jedem Arbeitnehmer bestimmte Erholzeiten zugesagt werden. Auch soweit bei Akkordarbeit die Vorgabezeiten tarifvertraglich mitbestimmt werden 47 , wird dadurch nicht in die Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers bezüglich der Organisation und der Festsetzung des Arbeitskräftebedarfs unmittelbar eingegriffen. Die Tarifverträge zielen lediglich darauf, die Inhalte der einzelnen Arbeitsverhältnisse zu gestalten. Es kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen, wo im einzelnen die Grenze der Unternehmensautonomie verläuft. Denn aus den genannten Gründen würden tarifvertragliche Bemessungsvorgaben schon in das Stadium der unternehmerischen Planung und Organisation eingreifen und nicht erst bei der Umsetzung der Planung in die konkreten Arbeitsverhältnisse. Dieser Bereich muß der Tarifautonomie bei konsequentem "Weiterdenken" aller dargestellten Ansichten 48 entzogen sein. Der Unterschied, daß es sich bei der Deutschen Bundespost um öffentlichen Dienst handelt, vermag in bezug auf die Freiheit der Planung und Organisation des Dienstherm sicher nicht dazu zu führen, daß dessen Autonomie weniger weit zu ziehen wäre als die der Privatwirtschaft. Ob sie sogar größer sein muß, nicht zuletzt deshalb, weil in § 53 Abs. I PostVerfG durch Tarifvertrag VL-Info Nr. 21 vom 26. Mai 1989 der Deutschen Postgewerkschaft (Hrsg.), S. 7 f. Es handelt sich um verschiedene Lohn-Rahmentarifverträge aus mehreren Tarifgebieten der Metallindustrie, um den VW-Haustarifvertrag von 1984, den bundesweiten Manteltarifvertrag für die Bekleidungsindustrie von 1979, den Tarifvertrag in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie Niedersachsens von 1983 sowie einige weitere Tarifverträge. 47 Häufig, so z. B. im Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Bayerischen Metallindustrie vom 1. 12. 1973 in der Fassung vom 10.8. 1987, werden die Methoden der Vorgabeermittlung einer Betriebsvereinbarung vorbehalten. 48 Siehe oben I 2 a. 45

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I. Tarifautonomie und untemehmerische Planung

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ausdrücklich nur die Vergütungen, Löhne und Arbeitsbedingungen, nicht auch die Wirtschaftsbedingungen geregelt werden können, ist eine andere Frage, die gegebenenfalls an späterer Stelle noch zu erläutern sein wird 49 • Dieses Ergebnis fügt sich auch harmonisch in das geltende System unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung ein: Der Arbeitnehmer ist in rechtlicher Hinsicht Partner eines zwischen ihm und dem Arbeitgeber geschlossenen leistungsaustauschenden Vertrages. Er wird durch die ArbeitnehmersteIlung nicht zum Mitinhaber des Unternehmens und nicht zum Mitträger des unternehmerischen Risikos. Die Mitsprache der Arbeitnehmer auf Unternehmerseite ist deshalb in rechtssystematischer Hinsicht die Ausnahme. Der Gesetzgeber kann sie in den ihm gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen 50 anordnen. Eine Legitimation der Tarifparteien müßte sich, soweit sie überhaupt verfassungsrechtlich zulässig wäre, positivrechtlich begründen lassen, was nicht gelingt. d) Die Erörterung und Würdigung der Urteile des Arbeitsgerichts Frankfurt und des Landesarbeitsgerichts Frankfurt Die bisherigen Ergebnisse wurden vorwiegend anhand der Diskussion um die Grenzen der Tarifautonomie im Bereich privatwirtschaftlicher Arbeitsverhältnisse entwickelt. Die Diskussion hat sich bislang auf diesen Bereich beschränkt, weil die Problematik im öffentlichen Dienst, zumindest in nennenswertem Umfang, nicht aufgetreten ist. Immerhin soll dem Bereich der Arbeitsverhältnisse im öffentlichen Dienst hier noch eine besondere Darstellung gewidmet werden 51 , um dem Vorwurf zu begegnen, im öffentlichen Dienst könne die Unternehmensautonomie als sachliche Schranke der Tarifautonomie nicht gelten, weil hier keine am Rentabilitätsdenken orientierten unternehmerischen Leistungen, sondern Verwaltungstätigkeiten zum Wohl der Allgemeinheit erbracht würden. Wie erwähnt, haben das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht Frankfurt in einem Rechtsstreit zwischen der Deutschen Bundespost und der Deutschen Postgewerkschaft betreffend sog. Linien- und ZeichensteIlen bei den Fernmeldeämtern entschieden 52. Der Sachverhalt war, kurz gesagt, dergestalt, daß die Bediensteten in Linien- und ZeichensteIlen bei den Fernmeldeämtern der Deutschen Bundespost, der Klägerin, die Aufgabe haben, die Planunterlagen der zu verlegenden unterirdischen Kabel zu erstellen. Aufgrund der neu gefaßten und im Anhang zur einschlägigen Dienstanweisung niedergelegten Maßstäbe für die Personalbemessung ergab sich ein erheblich geringerer Personalbedarf als nach alten Maßstäben. Die beklagte Deutsche Postgewerkschaft forderte die Klägerin auf, in TarifSiehe unten 11. Zur Mitbestimmung auf Untemehmensebene BVerfGE 50,290 ff.; zur Mitbestimmung auf betrieblicher Ebene Schalz, NJW 1986, 1587 ff.; Papier, NJW 1987,988 ff. 51 Vgl. unten II. 52 Siehe Fn. 3, 4. 49

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4. Kap.: Sachliche Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

verträgen bestimmte Zeitzuschläge auf die Grundzeit und Grundarbeitszeit in den in der besagten Dienstanweisung niedergelegten Personalbemessungsrichtlinien einzuführen. Nachdem die Klägerin dies abgelehnt hatte, organisierte die Beklagte einen Streik, der auch zustandekam. Mit der vorliegenden Klage begehrte die Klägerin, der Beklagten künftige Streiks mit dem Ziel eines Tarifvertrages über Zeitzuschläge auf die Grundzeit und Grundarbeitszeit bei der Personalbemessung bei den Linien- und ZeichensteIlen zu untersagen. Das Arbeitsgericht Frankfurt wies die Klage als unbegründet ab. Es ging in seiner, gemessen an der Tragweite und Schwierigkeit der Problematik, sehr kurzen Begründung zunächst auf die Fragen der Unternehmensautonomie ein. Das Arbeitsgericht stellte fest, daß die Anwendbarkeit von Art. 9 Abs. 3 GG jedenfalls dann gegeben sei, "wenn eine unternehmerische Entscheidung über die Arbeitsbedingungen unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse" habe 53 • Arbeitsbedingungen i. S. d. Art. 9 Abs. 3 GG seien zumindest dann betroffen, wenn es sich um Umstände handele, unter denen die Arbeit vollzogen werde. Soweit deshalb die Beklagte versuche, Einfluß auf die Intensität der von den Arbeitnehmern zu leistenden Arbeit zu gewinnen und diese zum Gegenstand tarifvertraglicher Regelungen zu machen, liege ein tarifvertraglieh regel bares Ziel vor, das auch zum Gegenstand eines Arbeitskampfes gemacht werden könne 54 • Zwar wirkten sich die von der Klägerin normierten Leistungsvorgaben nicht auf den einzelnen Arbeitnehmer aus, weil es sich um durchschnittliche Werte handle. Sie wirkten sich jedoch "allgemein auf die Intensität der Arbeit" aus. Da das System dazu führe, daß von einem erheblich geringeren Personalbedarf ausgegangen werde, habe dies zur Folge, daß nunmehr die gleiche Arbeitsmenge von weniger Arbeitnehmern zu leisten sei, was zu einer Intensivierung der Arbeit führe 55. Der Beklagten sei es unbenommen, dieser Intensivierung der Arbeit durch die Mittel entgegenzutreten, die ihr tarifpolitisch sinnvoll erschienen 56. Wie bereits dargelegt, ist das Urteil zu den zentralen Problemen nicht vorgedrungen. Denn es ging ja gerade nicht darum, daß eine Regelung erzwungen werden sollte, die zur konkreten Minderung der Arbeitsleistung der gewerkArbeitsgericht Frankfurt a.M. (Fn. 3), Gründe 2. Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. (Fn. 3) verweist hier auf BAG AP Nr. 62 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, eine Entscheidung, die mit den im vorliegenden Fall entschiedenen Fragen nichts zu tun hat. 55 Arbeitsgericht Frankfurt a.M. (Fn. 3), Gründe 4. Dem Arbeitsgericht unterläuft hier der denklogische Fehler, daß durch Einsatz moderner Technologie die Arbeit u. U. schneller und mit weniger Zeitaufwand bewältigt werden kann, so daß deshalb der Arbeitskräftebedarf geringer ist. Den Faktor "Ausmaß der Arbeit" hat das Arbeitsgericht vordergründig gleichgesetzt mit dem zu erbringenden Arbeitsergebnis. Es wird aber kaum jemand ernstlich behaupten, daß etwa heute die Arbeit eines Bauarbeiters, der als Baggerführer eine Baugrube ausheben muß, deswegen anstrengender sei, weil dieselbe Grube heute von ihm allein auszuheben ist, während diese Tätigkeit noch zu Zeiten, als es keine Maschinen gab, von einer Vielzahl von Arbeitnehmern zu verrichten war. 56 Arbeitsgericht Frankfurt a.M. (Fn. 3), Gründe 4. 53

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I. Tarifautonomie und untemehmerische Planung

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schaftsangehörigen Arbeitnehmer geführt hätte. Vielmehr wurde gegen die Veränderung der "Bemessungsvorgaben" gestreikt, die sich aber nicht unmittelbar in den Arbeitsverträgen niederschlugen. Das Arbeitsgericht Frankfurt billigte hier einen Arbeitskampf, der der Klägerin bereits die alleinige interne Planung untersagte. Daß dies ein absolutes Novum in der Rechtsordnung ist, erkannte das Gericht offenbar nicht. Nun muß man bei erstinstanzlichen Gerichten berücksichtigen, daß sie angesichts der Fülle ihrer Arbeitslast auch schwierige Rechtsfragen in relativ kurzer Zeit lösen müssen. Doch kann und muß es in einem Rechtsstaat auch von einem erstinstanzlichen Gericht erwartet werden, daß es die Probleme erkennt, offenlegt und dort, wo es arbeitsrechtliches Neuland betritt, nicht den Anschein erweckt, hier werde ein "Routinefall" entschieden. Vor allem dürfen auch einem erstinstanzlichen Gericht keine Verstöße gegen Gesetze der Denklogik unterlaufen wie der Schluß von der Minderung der Zahl der mit einer bestimmten Tätigkeit betrauten Arbeitnehmer auf die Mehrbelastung ohne Berücksichtigung eventueller Rationalisierungseffekte 57. Das Landesarbeitsgericht Frankfurt als Berufungsgericht ließ ausdrücklich offen, ob ein Eingriff in das Personalbemessungssystem der Klägerin vorlag und damit die Grenze der Tarifautonomie überschritten sei, und ob es sich überhaupt um eine der nach § 26 Abs. 1 S. 1 PostVwG tariflich regelbare Arbeitsbedingung handele 58. Darum, so das Gericht, sei es der Beklagten nicht gegangen. Vielmehr habe sie nur die Umsetzung der mit Hilfe des neuen Personalbemessungssystems ermittelten Personalansatzwerte in der Dienststellen-Praxis beeinflussen wollen. Es gehe deshalb um eine "Abmilderung der Ergebnisse", die das neue System produziere. Deshalb verfehle die Hauptbegründung der Klägerin den Kern des Forderungsansatzes der Beklagten. Aber auch darauf komme es nicht an. Denn die Klägerin benütze dieses Personalbemessungssystem auch zur gruppenbezogenen Leistungskontrolle. Es unterliege aber keinem Zweifel, daß es sich hier um Arbeitsbedingungen i. S. d. § 26 Abs. 1 S. 1 PostVwG handle. Werde das System auch zu weiteren disponierenden und kontrollierenden Zwecken eingesetzt, dann stehe die tarifliche Regelbarkeit dieser "Umsetzung" des Systems jedenfalls außer Frage. Die strittige Tarifforderung sei, und nur dies sei wesentlich, jedenfalls nicht ungeeignet, über eine "Abmilderung" der Vorgaben an die Linien- und Zeichenstellengruppen eine Verminderung der Arbeitsintensität zu erreichen 59. Das Landesarbeitsgericht hat offenbar erkannt, daß ein Eingriff in die Bemessungsvorgaben wegen der Grenzen tariflicher Regelungsmöglichkeiten äußerst problematisch ist und hat deshalb auf die Kontrollfunktion abgestellt. Daß hier die erstrebte tarifliche Regelung tatsächlich nur das Ziel gehabt hätte, die konkre57 58 59

Siehe Fn. 55. Landesarbeitsgericht Frankfurt a.M. (Fn. 4), Gründe II 1 a. Landesarbeitsgericht Frankfurt a.M. (Fn. 4), Gründe II 1 c.

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4. Kap.: Sachliche Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

ten Auswirkungen für tarifgebundene Arbeitnehmer abzumildern, entspricht aber nicht den Tatsachen. Da das Landesarbeitsgericht aber auf die zentrale Problematik des tariflichen Eingriffs in das Stadium der Planung des Arbeitgebers somit nicht eingegangen ist, kann auf eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Urteil verzichtet werden. Immerhin sei zum Abschluß noch bemerkt, daß weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht Frankfurt auch nur ein Wort über den Rechtscharakter der erstrebten tariflichen Regelungen verloren haben, also darüber, ob eine normative Regelung, eventuell eine Betriebsnorm erstrebt wurde, ob sie in ihrer Wirkung auf die tarifgebundenen Arbeitnehmer beschränkt werden konnte oder auch die nicht Tarifgebundenen erfassen sollte und erfaßt hätte, wie dies wohl tatsächlich der Fall war. Von einer fundierten Auseinandersetzung kann hier sicher nicht gesprochen werden. Das Urteil hat deshalb die Diskussion nicht weitergebracht, zumal es auch die bisherige Literatur weitgehend unberücksichtigt ließ.

11. Der Gesichtspunkt der Unternehmensautonomie im Bereich der Deutschen Bundespost Der Einwand, daß das, was im Bereich der Privatwirtschaft als unternehmerischer Freiraum erforderlich sei, der öffentliche Dienst nicht benötige, weil dort nicht wirtschaftliche Rentabilitätserwägungen eine tragende Rolle spielten, ginge bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost von vornherein fehl. Schon von ihrer tatsächlichen Struktur nach dem Postverwaltungsgesetz und erst recht in ihrer neuen Struktur nach dem Postverfassungsgesetz, das die unternehmerische Funktion der Deutschen Bundespost klar in den Vordergrund stellt, wird deutlich, daß hier durchaus unternehmerische Entscheidungen und Rentabiltitätsgedanken eine maßgebliche Rolle spielen. Nur kann sich die unternehmerische Entscheidung im Bereich der Pflichtleistungen nicht auf das "Ob", sondern nur auf das "Wie" beziehen. Es ist also sogar so, daß die Unternehmen der Deutschen Bundespost hier in noch größerem Umfang als ein privater Unternehmer darauf angewiesen sind, ihre unternehmerische Planung entfalten und verwirklichen zu können. Denn während ein privater Unternehmer, wie angesprochen, bei zu hohen Kosten eine nicht kostendeckende Sparte aufgeben und sich neuen Bereichen zuwenden kann, ist dies den Unternehmen der Deutschen Bundespost, jedenfalls im Bereich der Pflichtaufgaben, verwehrt. Sie können allenfalls einzelne Tätigkeiten auf beliehene Unternehmer übertragen oder die Gebühren erhöhen. Letzteres hängt wiederum von politischen Vorgaben ab und ist nicht in beliebigem Umfang möglich. Es käme also allenfalls ein "Erst-recht-Schluß" dergestalt in Betracht, daß, wenn schon den privaten Unternehmen eine Organisations- und Planungsautonomie zugestanden wird, es diese erst recht bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost geben muß, weil sie von Verfassungs und Gesetzes wegen im Bereich

Hr. Zwischenergebnis

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der Pflichtaufgaben keine Flexibilität hinsichtlich des "Ob" der Leistungserbringung haben. Allgemein kann im öffentlichen Dienst der Tarifautonomie gegenüber der Organisationsgewalt des Dienstherrn keinesfalls ein größerer Handlungsspielraum als in der Privatwirtschaft zugesprochen werden. Denn die öffentliche Hand ist generell zur Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben verpflichtet und muß sie, nötigenfalls auch mit uneffektiven Personal strukturen, erbringen. Steigende Personalbelastungen müssen dann gegebenenfalls im Rahmen der allgemeinen Verwaltung durch Steuererhöhungen, bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost durch Gebühren- bzw. Preiserhöhungen finanziert werden. Würde man einer Ausdehnung der Tarifautonomie auf Kosten der Organisationsgewalt des Dienstherrn in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber das Wort reden, so bedeutete dies letztlich, daß man ungeachtet des Prinzips der sparsamen Haushaltsführung die Tarifautonomie mit der Begründung erweiterte, die Last treffe bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost die Benutzer oder im Bereich der sonstigen öffentlichen Verwaltung die Steuerzahler und nicht einen privaten Unternehmer. Daß dies sinnwidrig wäre, ist offensichtlich. IH. Zwischenergebnis Wie bei Arbeitsverhältnissen in der Privatwirtschaft, so setzt auch bei Arbeitsverhältnissen eines öffentlichrechtlichen Arbeitgebers dessen Planungsfreiheit als Teil seiner Organisationsgewalt der Tarifmacht Grenzen. Es brauchte nicht entschieden zu werden, wo die Grenzen für die Unternehmensautonomie im allgemeinen zu ziehen sind. Die Grenze besteht jedenfalls dort, wo der Arbeitgeber seine Planungen und Entscheidungen im Vorfeld der erst zu realisierenden unternehmerischen Sachentscheidungen nicht mehr alleine treffen könnte. Den Tarifparteien fehlt die sachliche Zuständigkeit, in die unternehmerische Planung und in die grundlegenden Organisationsstrukturen einzugreifen. Denn Tarifautonomie hat die Aufgabe, eine Gegenmacht der tarifgebundenen Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber zu bilden und die Arbeitsverhältnisse, also die Rechtsbeziehungen der tarifgebundenen Arbeitnehmer, zu regeln. Planung und Organisation, die nicht Bestandteil der Arbeitsverträge werden, sind allein Sache des Unternehmers. Denn es ist ja nicht zwingend, daß der Unternehmer die Planung überhaupt umsetzt und daß im Wege der Planung in bestimmter Art und Weise ausgestaltete Arbeitsplätze überhaupt mit tarifgebundenen Arbeitnehmern besetzt werden. Diese Grenzen der Tarifautonomie sind generell auch im öffentlichen Dienst zu beachten und zumal bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost, die kraft Gesetzes zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet sind.

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4. Kap.: Sachliche Grenzen der tariflichen Regelungsbefugnis

IV. Die Geltung der Bemessungsvorgaben zugleich für Beamte Bemessungsvorgaben dienen dazu, die Zahl der erforderlichen Dienstkräfte und damit die Zahl der einer Behörde bzw. einem Amt zuzuweisenden Personalposten zu ermitteln. Eine tarifvertragliche Regelung bedeutet daher aus den dargelegten Gründen 60, daß die Gewerkschaft über die Zahl und die Ausgestaltung auch der Ämter der Beamten mitbestimmen würde. Es wurde bereits dargelegt, daß hier die personellen Grenzen der Tarifautonomie überschritten wären, weil die Beamten der Gewerkschaft keine Legitimation zu dieser Mitbestimmung erteilen können 61. Nunmehr ist zu untersuchen, ob die Tarifrnacht nicht eine sachliche Schranke dort findet, wo eine tarifvertragliehe Regelung zugleich die Ämter von Beamten mitgestalten und hierdurch die Organisationsgewalt des Dienstherrn beschneiden würde. Die Problematik besteht nicht darin, ob die Tarifparteien sachlich legitimiert sind, auch die Ämter der Beamten mitzugestalten. Das sind sie unstreitig nicht 62 • Ein Tarifvertrag mit dem Ziel einer solchen Gestaltung oder auch nur Mitgestaltung wäre eindeutig verfassungswidrig, schon weil er gegen Art. 33 Abs. 5 GG verstieße. Er wäre auch tarifgesetzwidrig, weil das Tarifvertragsgesetz die Tarifautonomie auf einfachgesetzlicher Ebene dahingehend konkretisiert, daß nur die Arbeitsverhältnisse (vgl. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG), nicht die Dienstverhältnisse der Beamten gestaltet werden können. Das entscheidende Problem ist, ob der Tarifautonomie insoweit eine sachliche Schranke gesetzt ist, als ein Tarifvertrag dazu führen würde, daß er, obwohl formalrechtlich nur die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes erfaßt würden, aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen zwangsläufig auch die Ämter von Beamten mitgestalten würde. Hierbei ist nicht eine Mitgestaltung durch nur mittelbare Auswirkungen in der Form gemeint, daß der Gesetzgeber die für Arbeitnehmer ausgehandelten Regelungen, wie es etwa bei Besoldungserhöhungen und Arbeitszeitverkürzungen der Fall ist, kraft eigenen Entschlusses durch Gesetz für die Beamten übernimmt. Es geht vielmehr um die Fälle, in denen die Entschlußfreiheit des Dienstherrn nicht mehr bestünde, weil er faktisch keine Möglichkeit hätte, eine Maßnahme isoliert nur auf die Arbeitnehmer anzuwenden. Dies träfe bei einer tarifvertraglichen Regelung der Bemessungsvorgaben zu. Hier sollen bereits die Nachvollziehung der Organisation und die Planung des Dienstherrn festgeschrieben werden, und letztere können generell, aber auch schon wegen des faktischen Zwanges, zahlreiche Personalposten so anzuordnen, daß darauf wechsel weise Beamte und Arbeitnehmer beschäftigt werden können 63, nicht isoliert die Beamten aussparen. Tarifvertragliche Vorgaben würden somit 60 61 62

63

Siehe oben 3. Kapitel V. Oben 3. Kapitel V. Siehe die Nachweise 3. Kapitel in Fn. 120, 121. Siehe oben 1. Kapitel III.

IV. Geltung der Bemessungsvorgaben zugleich für Beamte

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die Gestaltung, jedenfalls zum Teil, auch für die Beamten verbindlich vorschreiben. Umfaßt, so muß man fragen, die Tarifautonomie bei Arbeitsverhältnissen des öffentlichen Dienstes in sachlicher Hinsicht nur diejenigen Materien, die allein für Arbeitnehmer regelbar sind? Darf sie also nicht dazu führen, zugleich die Organisationsgewalt des Dienstherrn anzutasten? Zu überlegen ist, ob man hier überhaupt von einer sachlichen Schranke der Tarifautonomie sprechen sollte. Letztlich ist es aber eine rein theoretische Frage, ob man sagt, es sei zu untersuchen, ob die insbesondere aus der Verfassung, aber auch aus dem Beamtenrecht herzuleitende staatliche Organisationsgewalt für die Ämter der Beamten der Tarifautonomie sachliche Grenzen setzt oder ob man zwar die sachliche Kompetenz der Gewerkschaften für die Regelungsmaterie, soweit sie unmittelbar nur die Arbeitnehmer betrifft, bejaht und die Organisationsgewalt als sonstige Schranke der Tarifautonomie qualifiziert. In jedem Fall wird die tarifliche Regelungsbefugnis beschränkt. Angesichts der Bedeutung der Frage nach der Begrenzung der Tarifautonomie durch die Organisationsgewalt für den öffentlichen Dienst allgemein und für die vorliegende Thematik im besonderen soll sie nachfolgend in einem eigenen Kapitel abgehandelt werden. Hierbei ist vorweg zu bemerken: Die Frage, ob der Tarifautonomie durch die Organisationsgewalt als Teil der Exekutive Schranken gesetzt sind, beinhaltet nicht nur den bereits angesprochenen Aspekt der Schranken wegen einer tatsächlichen oder rechtlichen "Mitregelung" der Ämter der Beamten. Vielmehr ist auch nach der Reichweite der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst überhaupt zu fragen. Darf ein Tarifvertrag im öffentlichen Dienst generell für Arbeitnehmer all das regeln, was er in der privaten Wirtschaft regeln darf? Kann es vielleicht auch aus sonstigen Gründen Einschränkungen der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst geben? Diese sonstigen Gründe sollen dann im nachfolgenden Kapitel zusätzlich (unter IL) abgehandelt werden.

6 Loritz

5. Kapitel

Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt unter Berücksichtigung der Beamtenverhältnisse I. Die bisherige Diskussion um die Besonderheiten der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst Probleme im Zusammenhang mit der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst wurden bislang nur selten bezüglich der inhaltlichen Reichweite tarifvertraglicher Regelungen und ihrer Grenzen untersucht I, sondern vor allem bezüglich der Durchsetzung tariflicher Forderungen im Wege des Arbeitskampfes. Als Grund ist auch insoweit wiederum zu nennen, daß sich die gewerkschaftlichen Forderungen weitgehend darauf beschränkten, die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer so zu gestalten, daß die Beamten nicht unmittelbar betroffen wurden und daß die Gewerkschaften die Organisationsgewalt der öffentlichrechtlichen Arbeitgeber grundsätzlich anerkannten. Schlagwortartig formuliert könnte man sagen, die Gewerkschaften erkannten bisher im Bereich des öffentlichen Dienstes weitestgehend das Recht der Arbeitgeber an, die Personalposten einzurichten und die zu verrichtenden Aufgaben ihrer Art und Menge nach vorzugeben. Ihre Forderungen zielten darauf, die den Arbeitnehmern zu gewährende Gegenleistung und in bestimmten Fällen, wie etwa z.T. bei Bildschirmarbeitsplätzen, die Art und Weise der Erbringung der Arbeitsleistung festzulegen. Bei der Forderung nach tarifvertraglicher Festsetzung der Bemessungsvorgaben wird den Arbeitgebern im öffentlichen Dienst erstmalig in größerem Umfang das Recht zur alleinigen Einrichtung und Ausgestaltung der Dienstposten und z.T. auch das Recht zur Festlegung der auf diesen Stellen zu erbringenden Aufgaben abgesprochen, sie sollen also ihre Organisationsgewalt mit einer Gewerkschaft "teilen". Dies lenkt den Blick auf die grundsätzliche Frage, ob die Tarifautonomie im öffentlichen Dienst vielleicht nach generellen Modifizierungen verlangt, weil das Modell des Aushandelns und erforderlichenfalls des Erkämpfens von Arbeitsbedingungen anband der Situation in der Privatwirtschaft entwickelt wurde, von der sich die des öffentlichen Dienstes grundlegend unterscheidet. Man denke nur an das Insolvenzrisiko, das bei öffentlichen Arbeitgebern im Gegensatz zu privaten Arbeitgebern gänzlich fehlt und somit nicht als Barriere für ökonomisch unvernünftige Tarifforderungen im Hintergrund steht. Und auch ein Arbeitsplatzrisiko haben die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes z.T. aus rechtlichen 2, ganz überwiegend aber aus rein I

Siehe aber Isensee, in: Leisner (Hrsg.), Berufsbeamtenturn, S. 23 ff.

I. Tarifautonomie im öffentlichen Dienst

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tatsächlichen Gründen nicht. Schließlich kann nicht unerwähnt bleiben, daß die Tarifautonomie nicht nur ihren historischen Ursprung, sondern auch einen wesentlichen Teil ihrer aktuellen Berechtigung in dem ohne sie bestehenden Machtungleichgewicht der Arbeitnehmerseite hat. Daß ein solches bei den Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes ohne die Existenz der Tarifautonomie in ihrer heutigen Form, die den Arbeitskampf einschließt, entstünde, läßt sich kaum ernstlich behaupten. Denn bekanntlich sind die Beamten und Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im Bundestag und in den Länderparlamenten stärker als jede andere Berufsgruppe repräsentiert, so daß die Staats bediensteten in ihrer Eigenschaft als Arbeitnehmer gegenüber den öffentlichen Arbeitgebern schon von daher ihre Interessen durchsetzen könnten. Doch soll im Rahmen dieser Arbeit bewußt die Frage nach der grundsätzlichen Berechtigung der Tarifautonomie in der heutigen, auch für die Privatwirtschaft geltenden Gestalt nicht weiter verfolgt werden 3. Auch wenn man, wie dies gemeinhin geschieht, von dieser Berechtigung ausgeht, kommt man nicht umhin zu fragen, ob die Tarifautonomie im öffentlichen Dienst wenigstens einzelne Besonderheiten erfährt. Diese Problematik wurde zu Beginn der 70er Jahre im Rahmen der Diskussion um eine Reform des öffentlichen Dienstes bei der Frage streitig, ob Beamte ein Streikrecht haben 4 • Die Rechtsprechung 5 lehnt dies einhellig und die Literatur 6 überwiegend ab. Dies ist indes primär keine allgemeine Frage der Tarifautonomie, sondern eine spezielle des Arbeitskampfes und des Beamtenrechts. In neuerer Zeit entstand ferner eine erhebliche Kontroverse darüber, ob ein öffentlicher Dienstherr seine Beamten beim Streik seiner Tarifkräfte heranziehen darf, um den geordneten Gang der Verwaltung aufrechtzuerhalten. Man spricht auch vom "Streikeinsatz der Beamten". Die Literatur ist hier geteilter Meinung 7, Bundesarbeitsgericht 8 und Bundesverwaltungsgericht 9 halten ihn für rechtmäßig IO • Vgl. die Unkündbarkeitsklausel in § 53 Abs. 3 BAT. Hierzu interessant Isensee, in: Leisner (Hrsg.), Berufsbeamtentum, S. 23. 4 Aus der nahezu unübersehbaren Literatur siehe statt aller Blanke, AuR 1989, I ff.; Däubler, Streik im öffentlichen Dienst; R. Hoffmann, AöR 91 (1966), 141; Isensee, Beamtenstreik; Lorenz, AöR 98 (1973), 410; v. Münch, Streikrecht der Beamten; Ramm, Das Koalitions- und Streikrecht der Beamten. 5 BVerfGE 8, 1 (17); E 19, 303 (322); AP Nr.61 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BayVerfGH AP Nr. 1 zu Art. 35 Bayerische Verfassung; BAGE 4, 351 (352 f.); AP Nr. 13 zu § 2 TVG; AP Nr. 86 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, Gründe II 3 a; BGHZ 9, 322 (328); 69, 128 (140); 70, 277 (279); BVerwGE 53, 330 (331); NJW 1980, 1809; JZ 1981,220 (221); BVerwGE 69, 208 (212 f.) = AP Nr. 87 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; HessVGH DVBI. 1977, 737 (739); OVG Münster DVBI. 1974,476. 6 Umfassende Nachweise bei Schlüter, in: Brox / Rüthers, Arbeitskampfrecht, Rn. 499 Fn. 9 und für die Gegenansicht in Fn. 10. 7 Dessen Rechtmäßigkeit bejahend: Badura / Stern, Beamteneinsatz beim Streik; Kusch, PersV 1983, 313; Löwisch / Krauß, AR-Blattei D Arbeitskampf VII A; v. Münch, DÖV 1982,337; Richardi, DB 1985, 1021; Seiler, ZBR 1985,213. Dessen Rechtmäßigkeit verneinend: Battis, PersV 1986, 149 (153); Bauschke, DVP 1985, 270; Bieback, 2

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6*

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5. Kap.: Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt

Der Streit um die Spezialfragen aus dem Bereich des Arbeitskampfrechts ist hinsichtlich seiner Einzelheiten für die vorliegende Problematik nicht weiterführend, insbesondere nicht, soweit spezifische arbeitskampfrechtliche Argumente, wie die Parität, herangezogen werden. Die Diskussion um die speziellen Probleme hat allerdings den Blick darauf gelenkt, daß, obwohl die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes unstreitig durch Tarifvertrag festgesetzt werden können 11 - auch ein Streikrecht wird überwiegend anerkannt 12 - , wegen des Zusammenwirkens von Arbeitnehmern und Beamten nicht auch jede rechtliche Aussage, die für das Tarif- und Arbeitskampfrecht in der privaten Wirtschaft Geltung hat, unreflektiert und ohne weiteres für den Bereich des öffentlichen Dienstes übernommen werden kann. Sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesarbeitsgericht weisen ausdrücklich darauf hin, daß das Recht der Gewerkschaften auf koalitionsmäßige Betätigung auch innerhalb der Tarifautonomie im öffentlichen Dienst nur in den Grenzen bestehe, welche die Rechtsordnung auch unter Berücksichtigung der historischen Entwicklung errichtet hat 13. Gerade die daraus resultierenden Besonderheiten zieht das Bundesarbeitsgericht zum Beispiel heran, um zu begründen, warum der Streikeinsatz der Beamten die Parität nicht verletzt 14. Auch bei der Frage nach der Reichweite der Tarifautonomie im Hinblick auf die Organisationsgewalt des Dienstherrn in bezug auf Beamte kann man nicht etwa argumentieren, der Staat müsse im Interesse der in seinen Diensten stehenden Arbeitnehmer eine Einschränkung seiner Organisationsgewalt in Kauf nehmen. Näher liegt der gegenteilige Schluß, daß Tarifautonomie nur insoweit bestehen kann, als sie die Organisationsgewalt nicht antastet. Das Verhältnis von Tarifautonomie und Organisationsgewalt bedarf aus diesen Gründen einer genauen Untersuchung, um zu definitiven Abgrenzungen und Schrankenziehungen zu gelangen. RiA 1982,61 (65); Büchner, AuR 1987,60; U. Mayer, RiA 1984,241; G. Müller, RdA 1982,86 (95); ders., DB 1985,867; Plander, RiA 1985,54 (60); ders., AuR 1986,65 (71); ders., JZ 1986, 570; Rüthers, Streik im öffentlichen Dienst, abgedruckt auch in AuR 1987,37; H.P. Schneider, RdA 1982, 104 (113); Söllner, AuR 1982,233 (239). Differenzierend: Altheim, ZBR 1974, 373. 8 BAG AP Nr. 86 zu Art. 9 GG Arbeitskampf mit Anmerkung Mayer-Maly. 9 BVerwGE 69, 208 = AP Nr. 87 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 10 Das Bundesverfassungsgericht hat über die Verfassungsbeschwerde noch nicht entschieden. II Vgl. § 66 Abs. 2 S. 3 BPersVG, § 53 PostVerfG; statt aller aus der Rechtsprechung BVerwG AP Nr. 87 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, Gründe 3; v. Münch, DÖV 1982,337 (339); Badura / Stern, Beamteneinsatz beim Streik, S. 100 ff. 12 Z.B. Schlüter, in: Brox / Rüthers, Arbeitskampfrecht, Rn. 537 m. w.N.; Wollenschläger, ZAS 1979, 87 (90); kritisch Leisner, ZBR .1975, 69; lsensee, in: Leisner (Hrsg.), Berufsbeamtentum, S. 23, insbes. S. 28 ff. Eine umfassende Literaturdarstellung findet sich bei Badura / Stern, Beamteneinsatz beim Streik, S. 100 Fn. 212. 13 BGHZ 70, 277 = AP Nr. 61 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG AP Nr. 86 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, Gründe 11 4 c. 14 BAG AP Nr. 86 zu Art. 9 GG Arbeitskampf, Gründe B 11 4 c.

II. Organisationsgewalt der Exekutive - allgemeine Grundsätze

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Zuvor sei jedoch kurz auf die verfassungsrechtliche Situation betreffend Art. 9 Abs. 3 GG hingewiesen 15: Es kommt nicht darauf an, inwieweit man bei der Koalitionsfreiheit Einschränkungen für verfassungsrechtlich zulässig hält und wie man diese verfassungsdogmatisch begründet 16, weil es bei der Abgrenzung zwischen Tarifautonomie und Organisationsgewalt des Dienstherrn darum geht, die Reichweite der Tarifautonomie als den wesentlichen Teil der Koalitionsfreiheit zu bestimmen. Deshalb ist zu prüfen, ob die Tarifautonomie überhaupt in dem Bereich besteht, in dem sie in die Organisationsgewalt des Dienstherrn eingreifen würde, wie dies bei Bemessungsvorgaben der Fall ist. Es wird nicht etwa der von der Koalitionsfreiheit umfaßte Bereich eingeschränkt, sondern erst bestimmt. lsensee hat in aller Deutlichkeit dargelegt und nachgewiesen, daß es dem Gesetzgeber freistehe, die Reichweite des Beamtenrechts auszuweiten und das öffentliche Arbeitsrecht aufzuheben. Art. 33 Abs. 4 GG stehe nicht entgegen, weil er lediglich einen Funktionsvorbehalt zugunsten der Beamten, aber keine Funktionssperre zu seinen Lasten enthalte 17. Dem Gesetzgeber ist es somit erst recht nicht verwehrt, die Tarifautonomie zurückzudrängen, um seine alleinige Organisationsgewalt sicherzustellen oder anders ausgedrückt: Die Tarifautonomie findet im öffentlichen Dienst auch bei den Rechtsverhältnissen der Angestellten und Arbeiter eine Grenze in der staatlichen Organisationsgewalt.

11. Die Organisationsgewalt der Exekutive - allgemeine Grundsätze Die Exekutive in einem Rechtsstaat muß funktions gerecht organisiert sein, um handlungsfahig zu sein und um wirksam und überschaubar handeln zu können. Die Verwaltungsorganisation wird deshalb als rechtsstaatliches Gebot bezeichnet 18. Unter Organisation wird dabei die Gestalt verstanden, welche die Exekutive in bezug auf ihre Untergliederung, ihre Ämter, ihre Behörden und Organwalter sowie ihre Beziehungen zueinander hat 19. Durch die Organe gewinnt die Verwaltung im Rechtsstaat, wie Stern sagt, "eine solche Form, daß ein überschau bares und sinnvoll geschaffenes System von Institutionen - institutionelle Staatsorganisation - und ein ebensolches System von Organwaltern - personelle Staatsorganisation - entsteht, die die Verwaltungsfunktionen wahrnehmen"20. Dieses Einzelheiten zu dieser Vorschrift siehe bereits oben 2. Kapitel I 3. Zu den Schrankentheorien statt aller Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 9, Rn. 163 ff.; Kammerer, AuR 1984,65 (70 f.); jeweils m. w.N. aus der Rechtsprechung und Literatur. 17 lsensee, in: Leisner (Hrsg.), Berufsbeamtentum, S. 23 ff. (38). 18 Vgl. Imboden, StuR 1971, 447 ff.; Lecheier, Personalgewalt, S. 78 ff.; SchmidtAßmann, in: Festgabe aus Anlaß des 25jährigen Bestehens des Bundesverwaltungsgerichts, S. 569 ff.; v. Unruh, DVBI. 1979,761 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., § 20 IV 4 d, S. 824. 19 Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2.Aufl., § 20 IV 4 d, S. 824. 20 Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2.Aufl., § 20 IV 4 d, S. 824; ders., Staatsrecht, Bd. H, l.Aufl., § 41 IV 10 e, S. 793, mit umfassender Darstellung der Problematik. 15

16

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5. Kap.: Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt

System bewirkt die Organisationsgewalt. Darunter ist "die Kompetenz zur Bildung, Errichtung, Einrichtung, Änderung, Aufhebung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts sowie Organen und Dienststellen des Staates durch die Bestimmung ihrer Zuständigkeiten, ihrer inneren Ordnung, ihrer persönlichen und sachlichen Ausstattung sowie ihrer Beziehung zueinander" zu verstehen. Anders ausgedrückt bedeutet Organisationsgewalt "die Fähigkeit der Staatsgewalt, dem Staat in seiner Gesamtheit eine Organisation zu verleihen"21. Zur personellen Ausstattung gehört auch die Personal bemessung. Denn die innere Ordnung der Organe und Dienststellen des Staates und ihre personelle und sachliche Ausstattung können nicht verwirklicht werden, wenn nicht auch bestimmt wird, mit welchem Personal bestand die zu erfüllenden Aufgaben bewältigt werden sollen und wie im Rahmen des Personal bestandes die Aufgaben auf die Beschäftigten (Beamten und Arbeitnehmer) verteilt werden. Die Personalgewalt ist deshalb wesentlicher Teil der Organisationsgewalt 22 . Lecheier stellt klar, daß es sich grundsätzlich verbiete, personalwirtschaftliche Befugnisse von der bei der Exekutive liegenden Personalgewalt abzusondern und als leichter einschränkbar zu betrachten 23. Im Rahmen dieser Arbeit braucht nicht entschieden zu werden, ob die Personalgewalt als Teil der Organisationsgewalt zu behandeln ist oder von dieser besser abgegrenzt werden sollte. Denn es geht nicht um die Abgrenzung der Befugnisse zweier Staatsgewalten untereinander, sondern um das Verhältnis der Staatsrnacht im Bereich der Organisationsgewalt zu einer Tarifpartei. Es kann im Rahmen der vorliegenden Darstellung deshalb auch offen bleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit die Organisationsgewalt allein der Exekutive obliegt oder ob auch der Legislative ein mehr oder weniger maßgebliches Eingriffsrecht zusteht 24, weil es auch hier um eine Verteilung auf zwei Staatsgewalten untereinander geht. Dies berührt nicht den Grundsatz, daß die Organisationsgewalt jedenfalls nicht mit einem Dritten, namentlich nicht mit einer Gewerkschaft als Tarifpartei, geteilt werden darf und somit auch nicht in einem Tarifvertrag festgeschrieben werden kann, der die einseitige Änderung von Personalstrukturen durch den tarifvertraglieh gebundenen Dienstherm ausschließen würde. Dies entspricht in vollem Umfang den Erkenntnissen und Ergebnissen, die bislang bei der Mitbestimmung des Personals im öffentlichen Dienst gewonnen wurden. 21 Stern, Staatsrecht, Bd. 11, l.Auft., § 41 IV 10 e a, S. 793 f.; siehe ferner Richter, Organisationsgewalt, 1926; Spanner, DÖV 1957, 640 ff.; Köttgen, VVDStRL Heft 16 (1958), 154 ff.; Ermacora, VVDStRL Heft 16 (1958), 191 ff.; Böckenjörde, Organisationsgewalt, S. 21 ff.; Baedeker, Organisationsgewalt, S. 163 ff.; Schwabe, JA 1975, 113 ff.; Wolff / BachoJ, Verwaltungsrecht 11, § 78. 22 Vgl. BöckenJörde, Organisationsgewalt, S. 29 (49). 23 Lecheier, Personalgewalt, S. 225 und 252 f. 24 Zu diesem Streit Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 434; Schmidt-Aßmann, in: Festschrift für Ipsen, S. 333; Schnapp, Jura 1980, 293 (295 ff.); Stern, Staatsrecht, Bd.II, l.Auft., § 41 IV 10 e a, S. 794.

11. Organisationsgewalt der Exekutive - allgemeine Grundsätze

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Auch hierbei wurde stets darauf hingewiesen, daß weder der Gestaltungsspielraum der Regierung (der von der Verfassung besonders deutlich in der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers in Art. 65 GG angesprochen wird) noch das Recht des Parlaments zu einer allseitigen und umfassenden Kontrolle der Exekutivtätigkeit eingeschränkt werden darf 25 • Deutlich kommt dies auch in § 104 S. 3 BPersVG, einer Rahmenvorschrift für die Landesgesetzgebung, zum Ausdruck. Ist die Organisationsgewalt aber auch nicht in Teilen übertragbar, so erfaßt die Tarifautonomie im öffentlichen Dienst von vornherein diejenigen Bereiche nicht, die der Organisationsgewalt der Exekutive und gegebenenfalls auch der Legislative von Verfassungs wegen vorbehalten sind. Dazu gehört auch die Personalbemessung. Der Organisationsgewalt sind durch das öffentliche Dienstrecht und durch das Personalvertretungsrecht einfachgesetzliche Schranken gesetzt. Umgekehrt ist, wie im folgenden zu zeigen ist, gerade auch das öffentliche Dienstrecht so ausgestaltet, daß es von der alleinigen Organisationsgewalt der Exekutive für die Einrichtung und Ausgestaltung der Ämter der Beamten ausgeht. Eine besondere Aufmerksamkeit muß weiterhin der Tatsache gewidmet werden, daß die Deutsche Bundespost seit ihrer Reform durch das Poststrukturgesetz eine Organisationsstruktur erhalten hat, die von derjenigen sonstiger staatlicher Verwaltungsträger abweicht. Diese Struktur einschließlich ihrer verfassungsrechtlichen Vorgaben ist kurz darzustellen und auch im Hinblick darauf zu untersuchen, ob deshalb der Grundsatz, daß die Tarifautonomie nur vorbehaltlich der Organisationsgewalt der Exekutive besteht, Modifizierungen erfahren muß. 1. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Personalstruktur der Deutschen Bundespost

Das Grundgesetz regelt im VIII. Abschnitt in Art. 87 Abs. 1 S. 1, daß u. a. die Deutsche Bundespost in bundeseigener Verwaltung geführt wird. Dies bedeutet zunächst, daß es sich um eine Verwaltungstätigkeit des Bundes und nicht um eine solche der Länder handelt 26. Darüber hinaus stellt diese Vorschrift auch klar, daß die Deutsche Bundespost als unmittelbare obligatorische mehrstufige Bundesverwaltung zu führen ist 27 • Dieses verfassungsrechtliche Verbot, die Deutsche Bundespost etwa als selbständige Rechtspersönlichkeit zu führen, zwingt sie nicht, ausnahmslos die hergebrachten Formen des Verwaltungsaufbaus zu übernehmen, weshalb sich die bisherige Organisation der Deutschen Bundespost 25 Umfassend Leisner, Mitbestimmung, S. 44 ff. Siehe ferner Ossenbühl, Die Personalvertretung, S. 409 ff.; BVerfGE 9, 268 (281 ff.); VerfGH Nordrhein-Westfalen DVBI. 1986, 1196 ff.; Hessischer Staatsgerichtshof, Der Personalrat 1986, 148 ff. 26 Meckel / Kronthaler, Das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen und die Deutsche Bundespost, S. 25. 27 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 87, Rn. 5, 8; Broß. in: v. Münch, Grundgesetz, Bd. 3, Art. 87, Rn. 2.

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5. Kap.: Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt

als nicht rechtsfähiges Sondervennögen des Bundes mit gewissen Selbständigkeiten zweifellos im Rahmen des Art. 87 Abs. I S. 1 GG hält 28 • Der Ausschluß der Errichtung privater Rechtsträger zur Wahrnehmung der Aufgaben der Deutschen Bundespost ist darin begründet, daß es um Aufgaben geht, an denen die Bürger ein besonderes Interesse haben, weil sie darauf im täglichen Leben elementar angewiesen sind 29. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG hat insoweit Schutzfunktion 3o • Die Aufgabenerfüllung der in dieser Vorschrift genannten Verwaltungszweige (außer der Deutschen Bundespost sind genannt der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung, die Bundeseisenbahnen und nach Maßgabe des Art. 89 die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und die Schiffahrt) muß unter der persönlichen Verantwortlichkeit des zuständigen Bundesministers stehen 31, der sich auch nicht auf eine bloße Rechtsaufsicht zurückziehen darf 32 • Grundlegende Entscheidungen müssen - ungeachtet der Organisationsfonn der Deutschen Bundespost im einzelnen - stets in der Verantwortlichkeit des zuständigen Bundesministers bleiben. Eine Herauslösung der Deutschen Bundespost aus dessen parlamentarischer Verantwortung wäre mit Art. 87 Abs. I S. I GG unvereinbar 33 • Dem trägt auch - ohne daß an dieser Stelle bereits näher darauf einzugehen wäre - das Postverfassungsgesetz Rechnung, das in § 1 klar die Aufgaben beschreibt und bereits im Eingangssatz feststellt, daß "die Aufgaben der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens von dem Bundesminister für Post und Telekommunikation und der Deutschen Bundespost erfüllt" werden und dieser "die Rechte des Bundes auf dem Gebiet des Post- und Fernmeldewesens" ausübt. Den verfassungsrechtlichen Vorgaben wurde bislang namentlich im Postverwaltungsgesetz vom 24.6.1953 34 und wird neuerdings im Postverfassungsgesetz vom 8.6.1989 35 Rechnung getragen. Darauf ist sogleich einzugehen. Die verfassungsrechtliche Vorgabe, wonach die Deutsche Bundespost in bundesunmittelbarer Verwaltung zu führen ist, hat zwangsläufig zur Folge, daß sie insoweit den für den öffentlichen Dienst geltenden Verfassungsnonnen und sonstigen Rechtsvorschriften unterliegt. So gilt insbesondere auch Art. 33 Abs. 4 28 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Schotz, Grundgesetz, Art. 87, Rn. 30; vgl. auch die umfassende Darstellung von Lerche / v. Pestatozza, Die Deutsche Bundespost als Wettbewerber, S. 28 ff. 29 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Schotz, Grundgesetz, Art. 87, Rn. 31. 30 Broß, in: v. Münch, Grundgesetz, Bd. 3, Art. 87, Rn. 3; Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Schotz, Grundgesetz, Art. 87, Rn. 31; Schmidt-Aßmann, Verfassungsrechtliche Aspekte einer Neuordnung des Schienenverkehrs, Informationen zur Raumentwicklung 1976, 175 (176). 31 Voges, DVBI. 1975,972 (975); Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Schotz, Grundgesetz, Art. 87, Rn. 31; vgl. auch Böcken!örde, Organisationsgewalt, S. 288. 32 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Schotz, Grundgesetz, Art. 87, Rn. 31. 33 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Schotz, Grundgesetz, Art. 87, Rn. 47. 34 BGBI. I, S. 676, zuletzt geändert durch Art. 1 des 1. ÄndG vom 27.6.1986, BGBI. I, S. 946. 35 BGBI. I, S. 1026.

11. Organisationsgewalt der Exekutive - allgemeine Grundsätze

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GG, wonach die Ausübung hoheitlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen ist, die in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Es handelt sich hier um einen Funktionsvorbehalt zugunsten des Berufsbeamtentums 36• Mit dem Begriff ,,Angehörige des öffentlichen Dienstes, die in einem Dienst- und Treueverhältnis stehen", sind nämlich die Berufsbeamten gemeint 37 • Dieser Funktionsvorbehalt wird auch in § 2 Abs. 3 BRRG und in den hier nicht interessierenden Beamtengesetzen der Länder wiederholt. Damit ist die Deutsche Bundespost wie jede andere Verwaltung, soweit sie Beamte einsetzt, an die für diesen Berufsstand geltenden verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden. Einzelheiten des Funktionsvorbehalts des Art. 33 Abs. 4 GG sind umstritten 38 , was für die vorliegende Thematik jedoch nicht weiter von Bedeutung ist 39 • Während es an der prinzipiellen Anwendbarkeit des Funktionsvorbehalts bei der Deutschen Bundespost keine Zweifel gibt, versucht Benndorf zwischen den Monopolbereichen (Beförderungsvorbehalt im Briefdienst nach § 2 Abs. 1 PostG und Fernmeldemonopol gemäß § 1 FAG) und den Konkurrenzbereichen (wie Paketdienst, Postgiro- und Postsparkassendienst) zu differenzieren. Für die Konkurrenzbereiche soll seiner Ansicht nach der Funktionsvorbehalt unanwendbar sein 40. Diese Differenzierung ist abzulehnen, weil sie Art. 87 Abs. 1 GG widerspricht, der die Post im Interesse der flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung generell, also in all ihren Tätigkeitsbereichen, hoheitlich ausgestalt~t hat, ungeachtet der heute weithin privatrechtlichen Rechtsbeziehungen zwischen den Einrichtungen des Postwesens und den Kunden (v gl. § 7 PostG). Zudem unterliegt die Post auch im Konkurrenzbereich einer Betriebspflicht und einem Kontrahierungszwang. Sie muß jedermann, jederzeit und überall ihre Dienste anbieten 41 • Nicht zuletzt fallen häufig auch in Konkurrenzbereichen Arbeiten an, die der Vorbereitung und Nachbereitung hoheitlicher Aufgaben dienen 42 und von diesen nicht streng getrennt werden können.

36 Hierzu Battis, Bundesbeamtengesetz, § 4, Rn. 1; Feindt, DÖD 1974,73 ff., 105 ff.; Leisner, DVBl. 1978, 733 ff.; ders., ZBR 1980, 361 ff.; Lindgen, DÖD 1972, 1; v. Münch, ZBR 1978, 125 ff. (127); H. Peters, Gutachten, S. 19 (22 ff.). Rödel, ZBR 1978, 130 ff.; W. Rudolf, VVDStRL Heft 37 (1979), 175 ff. (200 ff.). Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2. Aufl., § 11 III 4 f a, S. 348; Stober, JZ 1980, 249 ff.; Wussow, RiA 1980, 68 ff.; Lerche, Verbeamtung als Verfassungsauftrag, S. 23 ff. 37 Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2.Aufl., § 11 III 4 f a, S. 348. 38 Hierzu die Literatur in Fn. 36. 39 Der Streit geht u. a. um die Reichweite des Verbeamtungsgebots bei der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben, vgl. Lerche, Verbeamtung als Verfassungsauftrag, S. 12 ff. m.w.N. 40 Benndorj, DVBl. 1981, 23 (27). 41 Vgl. § 8 PostG; ferner Badura, in: Badural Stern, Beamteneinsatz beim Streik, S. 44 ff. m. w. N.; Ohnheiser, Postrecht, § 8 PostG, Anm. 1 f. 42 So zutreffend Büchner, Rechtmäßigkeit der Streikarbeit, S. 166.

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5. Kap.: Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt

Mit der herrschenden Meinung ist davon auszugehen, daß aus Art. 33 Abs. 4 GG kein Verbot abgeleitet werden kann, Beamten andere Aufgaben als Hoheitsaufgaben zu übertragen 43. Gerade auch die Aufgaben von Post und Bahn gehören, soweit sie Leistungsverwaltung sind, zu den in Art. 33 Abs. 4 GG genannten. Die Dienstherrn haben von Verfassungs wegen und auch aufgrund einfachen Gesetzesrechts (§ 2 Abs. 2 BRRG) im nicht hoheitlichen Verwaltungsbereich ein pflichtgemäß auszuübendes Ermessen, ob sie Beamten- oder Angestelltenverhältnisse begründen wollen 44 • Es kann somit keinem Zweifel unterliegen, daß die Deutsche Bundespost in Einklang mit der Verfassung und dem Gesetzesrecht auch im Bereich der Leistungsverwaltung zum überwiegenden Teil Beamte einsetzt 45, mit der Folge, daß sie an die entsprechenden verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Normen und Grundsätze betreffend das Berufsbeamtentum gebunden ist. Somit hat auch die Deutsche Bundespost bzw. haben ihre Unternehmen, soweit sie Beamte einsetzt / einsetzen, für deren Rechtsverhältnisse die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu befolgen. Einer dieser Grundsätze ist, wie dargelegt, daß allein der Staat und damit hinsichtlich der wesentlichen Entscheidung, deren Übertragung nach Art. 80 Abs. I GG nicht zulässig ist, der parlamentarische Gesetzgeber Einzelheiten des Rechts des öffentlichen Dienstes regelt 46 • Es liegt zudem ausschließlich in der Entscheidungskompetenz des Dienstherrn, die von den einzelnen Amtsinhabern zu erfüllenden Aufgaben autonom zu bestimmen bzw. die Bestimmung im Einzelfall den Dienstvorgesetzten zu übertragen. Dort, wo im Beamtenrecht ausnahmsweise eine Einflußmöglichkeit anderer Personen zulässig ist, nämlich in der Personalvertretung in Form der Mitbestimmung durch Personalräte, regelt § 3 BPersVG ausdrücklich, daß durch Tarifvertrag eine abweichende Regelung des Personalvertretungsrechts nicht erfolgen kann. Auch insoweit werden der absolute Vorrang des Gesetzgebers zur Regelung des Beamtenrechts und der Vorrang der Organisationsgewalt des Dienstherrn sichergestellt. Dies erfolgt zusätzlich dadurch, daß nicht nur die Personalvertretung 43 Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Schalz, Grundgesetz, Art. 33, Rn. 41; Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2.Aufl., § 11 III 4 f 't, S. 350; Matthey, in: v. Münch, Grundgesetz, Bd. 2, Art. 33, Rn. 32. 44 Stern, Staatsrecht, Bd. I, 2.Aufl., § 11 III 4 f 't, S. 350; Staber, JZ 1980,249 ff. 45 In der Literatur wird vereinzelt sogar angezweifelt, ob die Deutsche Bundespost überhaupt den üblichen Mindestbestand an Beamten aufweist (v gl. Büchner, Rechtmäßigkeit der Streikarbeit, S. 168), was aber zu bejahen ist, zumal angesichts ihrer neuen Strukturen, die sie durch das Poststrukturgesetz erhalten hat, durch die sie eine wesentlich stärkere unternehmerische Ausrichtung bekam. Es kommt für die vorliegende Arbeit darauf indes nicht an, weil man ja ungeachtet eines höheren oder niedrigeren Anteils der Beamten in keinem Fall um das Phänomen herumkommt, daß zu einem erheblichen Teil Beamte tätig sind und ein Tarifvertrag über Bemessungsvorgaben stets auch über deren Ämter faktisch mitbestimmen würde. 46 Siehe 2. Kapitel I 2.

11. Organisationsgewalt der Exekutive - allgemeine Grundsätze

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als solche, also insgesamt, einer abweichenden Regelung durch Tarifvertrag nicht zugänglich ist, sondern daß auch eine Erweiterung der Mitbestimmungsrechte durch Tarifvertrag nur in einzelnen Bereichen und damit eine Zurückdrängung der Organisationsgewalt des Dienstherrn gegenüber dem Personalrat unzulässig ist 47 . 2. Die für die vorliegende Problematik wichtigen Aspekte der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und ihre Regelung durch das einfache Gesetzesrecht

Der Bund hat dem verfassungsrechtlichen Gebot der Ausgestaltung der Beamtenverhältnisse nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtenturns durch zahlreiche gesetzliche Regelungen Rechnung getragen. Namentlich das Beamtenrechtsrahmengesetz und das Bundesbeamtengesetz sind hier, wie mehrfach dargelegt, zu nennen. Da das alleinige Recht der öffentlichen Hand zur Ausweisung von Dienstposten und entsprechenden haushaltsmäßigen Personalposten für Beamte, aber auch für Arbeitnehmer, sowie zur Planung und Organisation des öffentlichen Dienstes seit jeher selbstverständlich war, brauchte es nicht ausdrücklich gesetzlich festgeschrieben zu werden. Es ergibt sich aus dem Demokratieprinzip, dem Prinzip demokratischer Regierungsverantwortung und aus Art. 33 GG48. Dennoch läßt es sich unschwer auch dem geschriebenen Recht entnehmen. So ist nach § 37 S. 2 BRRG der Beamte verpflichtet, die von seinem Vorgesetzten erlassenen Anordnungen auszuführen und ihre allgemeinen Richtlinien zu befolgen. § 44 BRRG verpflichtet den Beamten, ohne Vergütung über die regelmäßige Arbeitszeit hinaus Dienst zu tun, wenn zwingende dienstliche Verhältnisse es erfordern. § 50 BRRG und §§ 83, 86, 87 BBG betreffend die Bezüge wurden bereits erwähnt 49 . In diesen Vorschriften kommt die für den Gesetzgeber selbstverständliche Vorstellung zum Ausdruck, daß die Verwaltung von einer hierarchischen Struktur geprägt ist, bei der es dem Dienstherrn allein obliegt, entsprechend den politischen Vorgaben die Einzelheiten der Durchführung der Aufgaben festzulegen. Allerdings hat die Deutsche Bundespost durch das Postverfassungsgesetz besondere, von den sonstigen Verwaltungszweigen z.T. erheblich abweichende Strukturen erhalten. Das Gesetz hat, wie es ausweislieh seiner Begründung auch das Ziel war 50 , die Deutsche Bundespost aus dem unmittelbaren Regierungsbe47 Deutlich VerfGH Nordrhein-Westfalen DVBl. 1986, 1196 ff. (mit Anm. Püttners), der klarstellt, daß die Wahl von Verwaltungsratsmitgliedern einer Sparkasse durch die Dienstkräfte einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip darstellt und verfassungswidrig ist. S. ferner Hessischer Staatsgerichtshof, Der Personalrat 1986, 148 ff. 48 Vgl. Scholz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 9, Rn. 381; ferner VerfGH Nordrhein-Westfalen DVBl. 1986,1196 ff. mit Anm. Püttners (dort weitere Nachweise zur Literatur); Hessischer Staatsgerichtshof, Der Personalrat 1986, 148 ff. 49 Siehe oben 2. Kapitel I 2. 50 Vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 27.5.1988, BR-Drs. 240/88, S. 112 ff.

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5. Kap.: Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt

reich durch die Trennung der Verantwortungsbereiche von Vorständen und Aufsichtsräten einerseits (unternehmerische Komponente) und dem Bundesminister für Post und Telekommunikation andererseits (politische Komponente) herausgelöst. Hierdurch sollten u. a. die politischen und die unternehmerischen Vorgaben offengelegt und eine grundsätzliche Trennung der hoheitlichen und der unternehmerischen Aufgaben vorgenommen werden 51 • Die unternehmerischen Aufgaben werden aus dem Ministerium ausgegliedert und den drei öffentlichen Unternehmen Deutsche Bundespost Postdienst, Deutsche Bundespost Postbank und Deutsche Bundespost Telekom übertragen (§ 1 Abs. 2 PostVerfG). Hierdurch wurde aber die Vorgabe des Art. 87 Abs. 1 GG, wonach die Deutsche Bundespost als bundesunrnittelbare Verwaltung zu führen ist, nicht angetastet und andererseits wurde erreicht, daß die politisch-parlamentarische Verantwortung des Ministers erhalten bleibt, wenngleich sie nunmehr von der unternehmerischen Verantwortung für die Leitung der Unternehmen der Deutschen Bundespost klar abgegrenzt ist. Der IX. Abschnitt des Postverfassungsgesetzes regelt das "Personal- und Sozialwesen". Die Vorschriften lassen eindeutig erkennen, daß der Gesetzgeber bei der Reform der Deutschen Bundespost hier nicht etwa Beamtenverhältnisse besonderer Art geschaffen hat, was angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 33 Abs. 5 GG auch auf enge Grenzen gestoßen wäre. Vielmehr ging es ihm nur darum, in Einzelheiten mehr Flexibilität bei der Ausgestaltung der Beamtenverhältnisse zu ermöglichen. Die in den Unternehmen der Deutschen Bundespost beschäftigten Beamten sind nach § 46 S. 2 PostVerfG (nach wie vor) unmittelbare Bundesbeamte, es wurde also nicht etwa den einzelnen Unternehmen die Dienstherrneigenschaft verliehen. Der Vorstand der einzelnen Unternehmen hat lediglich die Funktion des Dienstvorgesetzten i. S. d. § 3 Abs. 2 BBG (§ 48 Abs. 1 S. 1 PostVerfG). § 49 PostVerfG ermächtigt den Bundesminister für Post und Telekommunikation unter gewissen Voraussetzungen, die Laufbahnen bei der Deutschen Bundespost selbständig zu gestalten und Ausnahmeregelungen zu treffen (§ 48 Abs. 1 Ziffer 1 PostVerfG) sowie nach Maßgabe des § 71 Abs.4 BBG, jedoch im Rahmen der durch die Bundesregierung verordneten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit, besondere Arbeitszeitvorschriften für Beamte zu erlassen (§ 48 Abs. 1 Ziffer 2 PostVerfG). Soweit im Bereich der Deutschen Bundespost die Rechtsverhältnisse der Beamten überhaupt abweichend von denen der sonstigen Bundesbeamten geregelt werden können, wurde die Regelungsbefugnis dem Bundesminister für Post und Telekommunikation und damit der politischen Führungsspitze, nicht etwa den einzelnen Unternehmen übertragen, was verfassungsrechtlich nicht unproblematisch gewesen wäre. Wenn der Gesetzgeber aber ganz bewußt nur in bestimmten, genau festgelegten Einzelbereichen solche Abweichungen ermöglicht hat, so läßt dies nur den Schluß zu, daß er im übrigen an der Gleichstellung der Beamten der Deutschen Bundes51

Vgl. die Begründung BR-Drs. 240/88, S. 114.

Ill. Zwischenergebnis

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post mit den sonstigen Bundesbeamten festgehalten hat. Damit war für ihn auch selbstverständlich, daß es trotz der unternehmerischen Aufgaben und Strukturen der Deutschen Bundespost bzw. ihrer Unternehmen uneingeschränkt beim Grundsatz der alleinigen Ausgestaltung der einzelnen Ämter und der Verteilung der von den einzelnen Beamten zu verrichtenden Aufgaben durch den Dienstherrn bzw. durch den Dienstvorgesetzten verbleiben sollte. Die neu geschaffene Struktur der Deutschen Bundespost hat somit bezüglich der Organisationsgewalt zu keiner Abweichung von den allgemeinen Prinzipien geführt. Auch in bezug auf die Reichweite der Tarifautonomie im Bereich der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ergeben sich deshalb keine Besonderheiten. III. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: Die Deutsche Bundespost ist als unmittelbare Bundesverwaltung an die generell der Verwaltung durch die Verfassung und das einfache Gesetzesrecht, insbesondere das Beamtenrecht, gesetzten Vorgaben gebunden. Dazu gehört, daß die Organisationsgewalt ausschließlich in den Händen staatlicher Organe, namentlich der Exekutive liegt, wobei eine Abgrenzung der Verteilung der Organisationsgewalt zwischen Exekutive und Parlament für die vorliegende Thematik nicht von Bedeutung ist. Entscheidend ist, daß allein staatliche Organe und nicht Dritte, auch nicht eine Tarifpartei, ,,(Mit-)Träger" dieser Gewalt sein können. Das bedeutet, daß allein staatliche Organe die innere Ordnung der Dienststellen des Staates und ihre personelle und sachliche Ausgestaltung festlegen. Dazu gehört auch die Festlegung des Personalbestandes sowie die Verteilung der einzelnen anfallenden Aufgaben auf die verschiedenen Bediensteten. Eine auch nur teilweise Übertragung dieser der Organisationsgewalt inhärenten Befugnisse auf eine Tarifpartei ist verfassungsrechtlich unzulässig. Die Tarifautonomie umfaßt diesen Bereich insoweit von vornherein nicht. Auch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns (Art. 33 Abs. 5 GG) gebieten, daß die Rechtsverhältnisse der Beamten nicht nur abstrakt durch gesetzliche und untergesetzliche Rechtsnormen allein von staatlicher Seite, also vom Gesetzgeber und der Exekutive, geregelt werden, sondern daß dies auch gilt, soweit es um die konkrete Bestimmung der dem einzelnen Beamten zugewiesenen Aufgaben und Funktionen und um die Art und die Zeit ihrer Verrichtung geht. Weder der Dienstherr noch der Dienstvorgesetzte kann einen Teil dieser Organisationsgewalt mit nichtstaatlichen Personen oder Organisationen teilen, und er kann sich auch nicht durch Tarifvertrag eines Teils dieser Organisationsgewalt begeben.

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5. Kap.: Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt

IV. Die Kontrolle der Wirtschaftsführung durch den Bundesrechnungshof Würden sich die Unternehmen der Deutschen Bundespost durch einen Tarifvertrag dergestalt binden, daß die Personalbemessung darin verbindlich geregelt würde, so könnten Veränderungen in diesem Bereich nur mit Zustimmung der jeweiligen tarifschließenden Gewerkschaft erfolgen. Die einzelnen Unternehmen der Deutschen Bundespost wären damit nicht in der Lage, Beanstandungen des Bundesrechnungshofes von sich aus aufzugreifen und ihnen Rechnung zu tragen. Es ist im folgenden zu untersuchen, ob dies Rückwirkungen auf die Schranken der Tarifautonomie hat. Ausgangspunkt muß die Frage sein, inwieweit der Bundesrechnungshofüberhaupt die Unternehmen der Deutschen Bundespost überprüfen kann. 1. Allgemeine Aufgabenbeschreibung des Bundesrechnungshofes

Im Verfassungssystem der Bundesrepublik Deutschland unterliegt jedes hoheitliche Handeln als Teil des Handeins der Exekutive der parlamentarischen Überprüfung und Kontrolle. Das System der staatlichen Finanzkontrolle ist durch die Verfassung zwar nicht abschließend und nicht vollständig geregelt 52, aber dennoch gibt es ein umfassendes Kontrollsystem. Zu nennen sind auf parlamentarischer Ebene vor allem die Kontrollbefugnisse des Haushaltsausschusses nach § 94 Geschäftsordnung des Bundestages einschließlich seines ständigen Unterausschusses, des Rechnungsprüfungsausschusses, sowie im Bundesrat des Finanzausschusses. Art. 114 GG regelt wesentliche funktionelle und institutionelle Bestandteile der staatlichen Finanzkontrolle 53, nämlich die Rechnungslegung durch den Bundesfinanzminister, die Rechnungs-, Haushalts- und Wirtschaftlichkeitsprüfung sowie deren Prüfungsmaßstäbe, den Rechnungsprüfungsbericht, die Entlastung der Bundesregierung, und schließlich nennt er als Kontrollorgane den Bundestag, den Bundesrat und den Bundesrechnungshof. Der Bundesrechnungshof prüft ausweislich des Art. 114 Abs. 2 GG die "Rechnungen sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung". In der verfassungsrechtlichen Literatur hat sich herausgebildet, hier einerseits von der Rechnungsprüfung und andererseits von der rechnungsunabhängigen Finanzkontrolle zu sprechen 54, die zusammen mit den dem Bundesrechnungshof einfachgesetzlich zugewiesenen Aufgaben die von diesem durchzuführende Finanzkontrolle bilden 55. Die Prüfung umfaßt nach § 88 BHO die gesamte HausVgl. Stern, Staatsrecht, Bd. H, 1. Auft., § 34 H 2, S. 420. Stern, Staatsrecht, Bd. H, l.Auft., § 34 H 2, S. 42l. 54 Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. H, l.Auft., § 34 H 2, S. 427; Vogel I Kirchhof, Bonner Kommentar, Art. 114, Rn. 79, 194; H. Fischer-Menshausen, in: v. Münch, Grundgesetz, Bd. 3, Art. 114, Rn. 13, 15. 55 Stern, Staatsrecht, Bd. 11, l.Auft., § 34 III 2, S.427. 52

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IV. Kontrolle durch den Bundesrechnungshof

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halts- und Wirtschaftsführung des Bundes einschließlich seiner Sondervermögen und Betriebe. Einzelne Zweifel bestehen zwar nach wie vor hinsichtlich des Inhalts der in § 90 BHO festgelegten Prüfungsmaßstäbe 56 • Klar sind jedoch die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Grundsätze. Die Rechnungsprüfung erfordert die Überprüfung des Finanzverhaltens am Maßstab des Haushaltsplanes und der Haushaltsgesetze sowie die Überprüfung des Haushaltsplanes und des Haushaltsgesetzes selbst am Maßstab höherrangigen Rechts (vgl. § 90 Ziffer 1 BHO). Ferner ist eine Überprüfung in bezug auf die rechnungstechnische Ordnungsmäßigkeit und insbesondere auch in bezug auf die Wirtschaftlichkeit (vgl. § 114 Abs. 2 GG) erforderlich. § 90 Nr. 3 und 4 BHO konkretisieren dies dahingehend, daß sich die Prüfung darauf zu erstrecken habe, ob wirtschaftlich und sparsam verfahren wird und ob die Aufgabe mit geringerem Personal- oder Sachaufwand oder auf andere Weise wirksamer erfüllt werden kann. Das Prüfungsverfahren endet nach § 96 BHO mit der Mitteilung des Prüfungsergebnisses an die zuständigen Dienststellen und eventuell an weitere Dienststellen zur Äußerung, wobei auch Empfehlungen, z. B. zur Einleitung von Dienstaufsichtsmaßnahmen, zur Geltendmachung von Regressen oder Schadensersatzansprüchen möglich sind (§ 98 BHO). Schließlich hat der Bundesrechnungshof der Bundesregierung und unmittelbar dem Bundestag und dem Bundesrat jährlich zu berichten (Art. 114 Abs. 2 S. 2 GG; vgl. auch §§ 97 Abs. 1, Abs. 2, 114 Abs. 1 S. 2 BHO). Dieser Bericht soll der Bundesregierung als der Spitze der Exekutive die Bereiche mitteilen, in denen Mängel und Fehler bezüglich eines ordnungsgemäßen und wirtschaftlichen Finanzverhaltens vorliegen und wie diesen abgeholfen werden kann. Er soll darüber hinaus den parlamentarischen Kontrollorganen eine sachverständige Unterlage an die Hand geben, damit sie ihre Entlastungsfunktionen ausüben können 57. Der Bericht ist ohne rechtlich bindende Wirkungen und als solcher sanktionslos. Es obliegt der Bundesregierung und den parlamentarischen Körperschaften, Konsequenzen aus dem Bericht zu ziehen 58. Die Institution des Bundesrechnungshofs ist im Gesamtsystem der staatlichen Finanzkontrolle zu sehen, die wiederum Teil des parlamentarischen Kontrollund Regierungssystems ist, für das die Kontrolle der Legislative über die Exekutive wesentlich ist. Auch wenn Mißbilligungs-, Berichts- und Maßnahmebeschlüsse des Bundestages nur schlichte Parlamentsbeschlüsse ohne politische Verpflichtung der Bundesregierung sind und ohne daß damit Sanktionsmöglichkeiten verbunden wären und sie keine unmittelbare rechtliche Verpflichtungskraft entfalten 3, so sind doch ihre praktischen Auswirkungen nicht zu unterschätzen. Vgl.hierzu statt aller Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1.Auft., § 34 III 3 c, S. 433. Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1.Auft., § 34 III 4 a, S. 441. 58 Vgl. Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Art. 114 GG, Rn. 39 f.; Stern, Staatsrecht, Bd.lI, 1. Auft., § 34 III 4 a, S.441; OVG Münster DÖV 1979, 682 (683) betreffend den Landesrechnungshof Nordrhein-Westfalen; BVerfGE 20, 56 (95 f.). 59 Vgl. Vogel I Kirchhof, Bonner Kommentar, Art. 114 GG, Rn. 157; H. FischerMenshausen, in: v. Münch, Grundgesetz, Bd. 2, Art. 114, Rn. 22; Piduch, Bundeshaus56 57

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5. Kap.: Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt

Schließlich ist es das Parlament, das den Kanzler wählt und durch einen neuen ersetzen kann und damit im parlamentarischen Regierungssystem des Grundgesetzes darüber entscheidet, wer die Exekutivmacht in Händen hält.

2. Die Überprüfung der Deutschen Bundespost und ihrer Unternehmen durch den Bundesrechnungshof

Im Bereich der Deutschen Bundespost gelten nun allerdings Besonderheiten. Im VIII. Abschnitt des Postverfassungsgesetzes (§§ 37 -45) wird die Wirtschaftsführung geregelt. Nach § 38 PostVerfG stellt der Vorstand jedes Unternehmens für jedes Geschäftsjahr einen Wirtschaftsplan auf. Der Wirtschaftsplan umfaßt nach § 38 Abs. 3 S. 2 PostVerfG auch einen "den Bedürfnissen des Unternehmens entsprechenden Stellenplan". Doch bedeutet die Aufstellung eines eigenen Wirtschaftsplanes durch jedes Unternehmen nicht etwa, daß die Unternehmen dabei völlig autonom handeln könnten, also quasi ein ministerialfreier und der parlamentarischen Kontrolle entzogener Raum vorläge. Das widerspräche, ungeachtet der Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit 6O , der Intention des Gesetzes. In der Gesetzesbegründung heißt es nämlich ausdrücklich: "Die Wahrnehmung der Aufgaben des Post- und Fernmeldewesens ist staatliche Tätigkeit. Wenn auch eine Verselbständigung der unternehmerischen Funktionen zulässig ist, so muß die Deutsche Bundespost rechtlich unmittelbare Bundesverwaltung bleiben. Dazu ist es erforderlich, die Tätigkeit ihrer Organe durch einen parlamentarisch verantwortlichen Minister beaufsichtigen zu lassen. Das folgt aus dem für die Bundesrepublik Deutschland geltenden parlamentarischen Regierungssystem mit dem Grundsatz der parlamentarischen Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers und der Bundesminister (Art. 65 GG)."61 Dem entspricht es, daß auch eine Kontrolle der Unternehmen der Deutschen Bundespost durch den Bundesrechnungshof gesetzlich festgelegt wurde. Nach § 39 Abs. 2 PostVerfG sind die Bestimmungen über die Wirtschaftsführung der Unternehmen sowie die Vorschriften über die Aufstellung des Jahresabschlusses nach Maßgabe der handelsrechtlichen Grundsätze und, soweit im Postverfassungsgesetz nichts anderes geregelt ist, entsprechend den Grundsätzen des Haushaltsrechts des Bundes 62 unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Unternehmen der Deutschen Bundespost aufzustellen. Der Bundesrechnungshof ist haltsrecht, Art. 114, Rn. 17; Röper, DVB!. 1980, 525 (527); Stern, Staatsrecht, Bd. 11, 1. Aufl., § 34 V 4 b 't, S. 459 f.; anderer Ansicht Bank, DÖH 8. Jahrgang (1966/67), S. 27 (30 f., 36). 60 Zur Problematik der Zulässigkeit regierungsfreier Räume statt aller Herzog, in: Maunz I Dürig I Herzog I Scholz, Grundgesetz, Art. 65, Rn. 96 ff. 61 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung (zum damaligen § 37), BR-Drs. 240/88, S. 201. 62 Teil I des Haushaltsgrundsätzegesetzes vom 19.8.1969, BGB!. I, S. 1273.

IV. Kontrolle durch den Bundesrechnungshof

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vorher zu hören. Der Vorlage des Vorstandes an den Aufsichtsrat (§ 23 Abs. 3 Nr. 5 PostVerfG) ist die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes beizufügen. § 39 Abs. 3 PostVerfG befreit die Unternehmen von der Anwendung der Vorschriften der Bundeshaushaltsordnung, die sich auf den Haushaltsplan (Teil I), seine Aufstellung (Teil 11) und seine Ausführung (Teil III), auf die Buchführung und Rechnungslegung (Teil IV) und auf die Übergangs- und Schlußbestimmungen (Teil IX) beziehen, sowie von den sonstigen Vorschriften des Bundes für die Haushalts- und Wirtschaftsführung. Keine Befreiung besteht aber von der Überprüfung durch den Bundesrechnungshof, die in § 44 Abs. 2 S. 2 PostVerfG hinsichtlich des Gesamtjahresabschlusses ausdrücklich angeordnet ist. Deshalb sind nach § 39 Abs. 2 S. 1 l. Halbsatz PostVerfG die in den genannten Teilen der Bundeshaushaltsordnung enthaltenen Bestimmungen, die den Bundesrechnungshof betreffen, unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Unternehmen der Deutschen Bundespost anzuwenden. § 45 PostVerfG regelt die Prüfung. Hier ist zwischen der Rechnungsprüfung durch einen Abschlußprüfer (Abs. 1) und derjenigen durch den Bundesrechnungshof (Abs. 2) unterschieden. Dieser prüft, wie es heißt, "die Wirtschaftsführung der Unternehmen, insbesondere unter Beachtung betriebs wirtschaftlicher Grundsätze". In den Begründungen heißt es dazu, daß Abs. 2 daran festhalte, daß die Wirtschaftsführung der Unternehmen vom Bundesrechnungshof unter entsprechender Anwendung des Teiles V der Bundeshaushaltsordnung (vgl. § 113 S. 2 BHO) geprüft werde. Dabei werde der Bundesrechnungshof die betriebswirtschaftlichen Grundsätze beachten und zur Vermeidung von Doppelprüfungen zweckmäßigerweise auch auf die Prüfungsberichte der Abschlußprüfer zurückgreifen 63.

Es besteht also kein Zweifel, daß die Deutsche Bundespost nach wie vor der Überprüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegt, was durchaus konsequent ist, weil ohne Überprüfung eine wirksame parlamentarische Kontrolle praktisch nicht durchführbar wäre. Da der Bundesrechnungshof auch die Personalwirtschaft der Unternehmen der Deutschen Bundespost überprüfen muß und da auch insoweit die Grundsätze des Haushaltsrechts des Bundes gelten, muß er auch Beanstandungen vornehmen, wenn z. B. eine personelle Überbesetzung oder ein in sonstiger Weise unwirtschaftlicher Personaleinsatz festgestellt würde. 3. Folgerungen für die Grenzen tariflicher Regelungsmöglichkeiten All das kann nur bedeuten, daß die Deutsche Bundespost zwar einerseits unternehmerische Aufgaben durchführen muß, die den Einsatz wirtschaftlicher Methoden erfordern, daß sie andererseits aber die Form der unmittelbaren Bundesverwaltung beibehalten muß und daß damit hinsichtlich der personellen Durch63

Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 240/88, S. 201.

7 Loritz

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5. Kap.: Tarifautonomie und staatliche Organisationsgewalt

führung ihrer Aufgaben, die überwiegend mit Beamten zu erfolgen hat, eine Bindung an die allgemeinen haushaltsmäßigen Vorgaben, die für den öffentlichen Dienst gelten, besteht. Die Überprüfung durch den Bundesrechnungshof hat aber nur dann einen Sinn, wenn im personalwirtschaftlichen Bereich die Unternehmen der Deutschen Bundespost auch die Möglichkeit haben, seinen Empfehlungen und Beanstandungen Rechnung zu tragen. Das kann nicht bedeuten, daß der Bundesrechnungshof die Kompetenz hätte, etwa in Tariflöhne oder sonstige Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer einzugreifen. Schon die Festsetzung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes durch Tarifvertrag an sich stünde einer solchen Annahme entgegen. Denn Tarifautonomie würde hier zur Farce degradiert, wenn es zu einer staatlichen Lohn- und Gehaltsfestsetzung für die Arbeitnehmer käme, für die zudem nicht der Bundesrechnungshof zuständig sein könnte. Aber es besteht ein prinzipieller Unterschied, ob nur die Arbeitsbedingungen der tarifgebundenen Arbeitnehmer durch Tarifvertrag festgesetzt werden oder ob die Gewerkschaften bereits auf der "unternehmerischen Ebene" bei der Berechnung und Planung der erforderlichen Stellen in Form der Bemessungsvorgaben mitbestimmen und die Stellenplanung und -festlegung tarifvertraglich festschreiben. Denn dies würde bedeuten, daß die Gewerkschaften über den Wirtschaftsplan der Unternehmen der Deutschen Bundespost durch Tarifvertrag in wesentlichen Bereichen mitbestimmen könnten und daß damit die Unternehmen der Deutschen Bundespost und der Bundesminister für Post und Telekommunikation keine Möglichkeiten hätten, den Beanstandungen des Bundesrechnungshofes Folge zu leisten. Sie wären insoweit an die Zustimmung der Gewerkschaften gebunden. Ein unwirtschaftlicher Personaleinsatz könnte de facto nicht einmal mehr im Bereich der Beamten autonom vom Dienstherrn unterbunden werden. Das kann nicht angehen. Die Tarifautonomie stößt hier auf eine (weitere) Schranke.

6. Kapitel

Einzelne Rechtsnormen und -prinzipien als Schranken der Tarifautonomie Wie bereits oben ausgeführt I, werden in der Literatur seit langem zahlreiche weitere Erwägungen zur Bestimmung der Schranken der tariflichen Regelungsbefugnis herangezogen, die sich unter dem Gesichtspunkt zusammenfassen lassen, daß auch die Tarifparteien die Rechtsordnung beachten müssen. Namentlich die Achtung des Gemeinwohls 2 , die Achtung der tragenden Grundsätze des Arbeitsrechts 3 , der gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen 4 sowie die Einhaltung des Grundsatzes, daß eine Tarifforderung und Tarifvertragsregelung nicht unzumutbar sein dürfen\ wurden in der Vergangenheit erläutert. Für die vorliegende Thematik erscheint es zusätzlich einer Betrachtung wert, ob sich der Systematik der Rechtsordnung in bezug auf die Regelungen der Mitbestimmung der Bediensteten eines öffentlichen Arbeitgebers durch das Personalvertretungsrecht und durch die Mitbestimmung der Vertreter in den Aufsichtsräten der Postunternehmen Folgerungen für die Möglichkeiten und Grenzen der Mitsprache durch Tarifvertrag entnehmen lassen. Diese Problematik soll zunächst untersucht werden.

lOben 2. Kapitel I. Vgl. BVerfGE 18, 18 (28); E 38, 281 (307); BAG AP Nr. I, Nr. 43 (Gr. Teil III A 1) zu Art. 9 GG Arbeitskampf; v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 102 ff.; Badura, AöR 104 (1979), 246 ff.; Biedenkopf, Grenzen der Tarifautonomie, S. 63 ff., 67 ff.; Bulla, in: Festschrift für Hans earl Nipperdey, Bd. II, 1965, S. 79 (82, 85); Galperin, in: Festschrift für Erich Molitor, S. 143 (159); G. Müller, RdA 1979,361 (364); Peters / Ossenbühl, Übertragung öffentlich-rechtlicher Befugnisse, S. 22; Säcker, Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 52; ders., Gruppenautonomie, S. 277 f.; Scheuner, RdA 1971,327 (331); Söllner, AuR 1966,257 (263); Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 193 ff.; Zöllner, Rechtsnatur der Tarifnortnen, S. 35; ders., Maßregelungsverbote, S.46; ders., Arbeitsrecht, S. 346 f. Nachweise der Gegenmeinung bei Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 194. 3 So Reuter, ZfA 1978, 1 (34 ff.) m. w.N.; vgl. auch BAG AP Nr. 12 zu § 15 AZO; AP Nr. 36 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag (Gr. 2); AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt; Bulla, DB 1980, 103 (106). 4 Koller, ZfA 1978,45 (50 ff.). 5 Hierzu an dieser Stelle statt aller Zöllner, Maßregelungsverbote, S. 50 ff.; Blomeyer, ZfA 1980, 1 (15 ff.); Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 172. 2

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6. Kap.: Rechtsnonnen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

I. Die Mitsprache der Bediensteten im Rahmen der Personalvertretung und die Mitbestimmung der Vertreter des Personals in den Aufsichtsräten der Unternehmen der Deutschen Bundespost 1. Die Mitbestimmung des Personals bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost

Die für die Unternehmen der Privatwirtschaft in den letzten Jahren zunehmend aufgeworfene Frage, ob die Mitbestimmung aufUnternehmensebene durch Tarifvertrag 6 erweitert werden kann, hat den Konflikt zutage treten lassen, den Tarifverträge, die in die unternehmerische Gestaltungsfreiheit eines Arbeitgebers eingreifen, aufwerfen. Eine entsprechende Problematik stellt sich auch bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost. Denn auch hier ist - insoweit durchaus einem privatwirtschaftlichen Unternehmen vergleichbar - eine Mitbestimmung der Vertreter des Personals in den Aufsichtsräten der Postunternehmen angeordnet (§ 16 PostVerfG). Nach § 5 PostVwG gab es eine Mitbestimmung im Verwaltungsrat. Zusätzlich existiert, wie generell im öffentlichen Dienst, die Mitbestimmung in Form der Personalvertretung, die im auch für die Unternehmen der Deutschen Bundespost einschlägigen Bundespersonalvertretungsgesetz geregelt ist. Würde, so muß man fragen, dieses System nicht ausgehöhlt, wenn es möglich wäre, die unternehmerischen Sachentscheidungen zusätzlich durch Tarifvertrag zu regeln und damit zusätzlich die Unternehmens spitzen der Postunternehmen, aber auch die Aufsichtsräte zu binden? Es geht hier nicht um die in der Wissenschaft geführte Diskussion bezüglich einer institutionellen Erweiterung der Mitbestimmung durch Veränderung der Organe oder der Verstärkung des Einflusses der Arbeitnehmervertreter in den Organen. Diese kann es bei den Aufsichtsräten der Unternehmen der Deutschen Bundespost ebensowenig wie bei Privatunternehmen geben? Vielmehr geht es darum, ob durch die tarifvertragliehe Regelung einzelner Sachfragen rein tatsächlich das gesetzliche System der Mitbestimmung des Personals bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost aus den Angeln gehoben wird oder umgekehrt gefragt: Ist nicht das gesetzliche System abschließend, so daß es schon von daher keine tarifvertragliehe Mitbestimmung über unternehmerische Sachentscheidungen duldet? Da oben ausführlich begründet wurde, daß die Tarifparteien auch im öffentlichen Dienst keine Kompetenz für die Regelung von Sachentscheidungen haben, die in der Privatwirtschaft als "unternehmerische" bezeichnet werden g und auch im Bereich der Deutschen Bundespost unternehmerische Entscheidun-

6 Erörtert wird z.T. auch die Erweiterung der Mitbestimmung durch betriebliche Gesamtvereinbarung. An dieser Stelle sei statt aller verwiesen auf Beuthien, ZfA 1983, 141 ff., und ZfA 1984, 1 ff. ? Ablehnend in bezug auf Privatunternehmen Beuthien, ZfA 1983, 141 ff. g Oben 4. Kapitell.

1. Mitbestimmung durch Personalvertretung und in Aufsichtsräten

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gen sind, braucht hier nur noch erörtert zu werden, ob das positivrechtliche Regelungssystem solchen Vereinbarungen eine zusätzliche Schranke setzt.

2. Die Problematik im Bereich der Privatwirtschaft In der Privatwirtschaft wurde der Gedanke einer tarifvertraglichen Erweiterung der Mitbestimmung in den Gesellschaftsorganen nur vereinzelt verfolgt 9. Im Streit um die Verfassungsmäßigkeit des Mitbestimmungsgesetzes 1976 wurde allerdings, wiederum nur vereinzelt, zunächst wohl eher als rechtspolitischer Vorschlag 10, die Erweiterung der Mitbestimmung durch Tarifvertrag vorgeschlagen. Später wurde dann aber als Möglichkeit bereits de lege lata empfohlen, bei einzelnen unternehmerischen Sachentscheidungen die Mitbestimmung durch Tarifvertrag einzuführen 11, wobei sogar tarifvertragliche Investitionsabsprachen für zulässig befunden wurden. Eine Resonanz in der Praxis hat diese Diskussion bisher kaum gefunden. Soweit hier Tarifverträge mit dem Ziel, in die unternehmerische Handlungsfreiheit einzugreifen, erstrebt und, wie z. B. in der Druckindustrie in Form der Rationalisierungsschutztarifverträge auch abgeschlossen wurden 12, waren es Regelungen, die, anders als die jetzt von der Deutschen Postgewerkschaft geforderte Mitbestimmung bei den Bemessungsvorgaben, im Zusammenhang mit der Verbesserung der arbeitsvertraglichen Rechtsstellung der Arbeitnehmer standen. Es wurden nicht etwa zusätzliche Mitspracherechte bei den Investitionsentscheidungen der Unternehmen reklamiert, die die Arbeitsgerichte wohl durchweg als rechtswidrig abgestempelt hätten. Dennoch darf der Zusammenhang mit den Konditionen der Arbeitnehmer nicht den Blick auf die wirtschaftlichen Auswirkungen verschleiern. Wenn es rechtlich zulässig wäre, durch Tarifvertrag unternehmerische Sachentscheidungen, namentlich auch die unternehmerische Personalplanung effektiv mitzugestalten und gegebenenfalls zu verhindern, dann hätte dies grundlegende Folgen für unser freies Wirtschaftssystem. Beuthien hat jüngst die Problematik umfassend dargelegt 13. Während nämlich die Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat, also in einem Unternehmensorgan, nur eine mittelbare Einflußnahme auf die unternehmerischen Entscheidungen sichert, weil der Aufsichtsrat nicht die Entscheidungen selbst treffen kann, sondern "nur" den Vorstand bestellt, kontrolliert und abberuft 14, würde

Vgl. Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 163 ff., 334 ff. Vgl. Simitis, AuR 1975, 321 (327 f.). 11 Däubler / Hege, Tarifvertragsrecht, Rn. 449; Rieth, Die Steuerung unternehmerischen Handeins durch Tarifvertrag, S. 26 ff.; M. Weiss, in: Festschrift für H. O. Vetter, S. 293 (298 ff.); Wohlgemuth, Staatseingriffund Arbeitskampf, S. 70; vgl. auch Richardi, ArbRGeg. Bd. 13 (1976), S. 19 (34). 12 Siehe hierzu auch oben 3. Kapitel III 1 b bb. 13 Beuthien, ZfA 1984, 1 (4 ff.). 9

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6. Kap.: Rechtsnonnen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

die Mitbestimmung durch Tarifvertrag einen direkten Einfluß auf die Unternehmenspolitik ermöglichen. Durch einen Streik könnten die Arbeitnehmer das Geschäftsführungsorgan, also das Topmanagement, unter Druck setzen, bestimmte Handlungen zu tun oder etwa bestimmte personalpolitische Maßnahmen zu unterlassen 15. Es wurde bereits begründet, warum eine solche Mitbestimmung durch Tarifvertrag nicht zulässig sein kann 16. Betrachtet man die zweite Ebene der Mitbestimmung, die Mitbestimmung des Betriebsrats, so wird deutlich, daß durch eine tarifvertragliche Mitbestimmung in unternehmerischen Angelegenheiten die relativ restriktive Mitbestimmung des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten nach §§ 106 ff. BetrVG mühelos überspielt werden könnte. Der mögliche Einfluß auf die Wettbewerbsordnung, die insbesondere in den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, aber auch in § 1 S. 2 StWG verankert ist, ist gleichfalls nicht zu verkennen 17. Hier würden die Arbeitnehmer und die Gewerkschaften, die nicht den Interessen der Kapitaleigner verpflichtet sind, unternehmerische Entscheidungen treffen. Daß gerade die gesetzgeberische Entscheidung für eine sehr restriktive Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten in §§ 106 ff. BetrVG den Schluß zuläßt, hier könne es keine tarifliche Mitbestimmung geben, hat Koller überzeugend dargelegt 18. Die Mitbestimmung durch Tarifvertrag bei unternehmerischen Sachentscheidungen würde dazu führen, daß das vom Gesetzgeber in mühevollen Kompromissen austarierte System der Einflußnahme der Bediensteten und der Grenzen dieser Einflußnahme durchbrochen würde. Wer all das für tarifvertraglich regelbar erachtet, was Einfluß auf die Arbeitsplätze und damit auch auf die Arbeitsverhältnisse hat, befürwortet letztlich eine weithin schrankenlose Einflußnahme der Arbeitnehmerseite auf die unternehmerischen Entscheidungen. In einem Land wie der Bundesrepublik Deutschland ist nun einmal die Kostenstruktur eines Unternehmens ein ganz wesentlicher Faktor, und bei sehr vielen unternehmerischen Entscheidungen steht zugleich die Frage an, wie kostengünstig produziert werden kann. Daß hier gerade der Bereich "Personalkosten" sehr stark interessiert, ist geradezu selbstverständlich und bei Dienstleistungsunternehmen existenznotwendig. Dies ist bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost, die ja ebenfalls durchweg Dienstleistungsunternehmen sind, nicht anders. 14 Daß hierbei die Mitbestimmung der Arbeitnehmer durchaus auf die Besetzung der Vorstände und damit auf die Unternehmenspolitik mehr als nur unerheblich durchschlägt, liegt auf der Hand (siehe bereits Loritz. ZfA 1985,497 (513 f. m.w.N.); umfassend neuerdings Ensch. Institutionelle Mitbestimmung). 15 Beuthien. ZfA 1984, 1 (4). 16 Siehe oben 4. Kapitel I 2 c. 17 Hierzu Koller. ZfA 1978,45 (50 ff.); Wiedemann. RdA 1986,231 (236); Beuthien. ZfA 1984, 1 (6). Vgl. ferner Reuter. in: Festschrift für Franz Böhm, S. 521 (531); s. aber auch die kritischen Äußerungen Rieths. Die Steuerung unternehmerischen Handeins durch Tarifvertrag, S. 102 ff. 18 Koller. ZfA 1978.45 (54 ff.).

I. Mitbestimmung durch Personal vertretung und in Aufsichtsräten

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Trotz allem wurde einer Begrenzung der Tarifautonomie unter dem Aspekt, daß sie positivrechtlich vorgezeichnet ist, weil der Gesetzgeber in der Mitbestimmung auf Unternehmensebene und in der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung die Einflußnahme der Arbeitnehmer abschließend geregelt hat, bisher relativ wenig Beachtung geschenkt. Für die Privatwirtschaft hat sie erhebliche Bedeutung, weil die beiden Bereiche der Mitbestimmung heute in der Bundesrepublik Deutschland ein Ausmaß erreicht haben, das im Hinblick auf das Eigentumsgrundrecht des Art. 14 GG bis an die Grenze des noch Verfassungsmäßigen heranreicht. Für den Bereich des Mitbestimmungsgesetzes 1976 wurde die Problematik im Vorfeld der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Gesetz im Jahre 1979 umfassend erörtert, worauf hier nur hingewiesen werden kann 19. Das Bundesverfassungsgericht hat diesem Zusammenspiel nicht die nötige Aufmerksamkeit geschenkt und die Probleme leider wenig tiefgehend erörtert 20 • Es hat im Mitbestimmungs-Urteil ausgesprochen, daß die Regelung der Mitbestimmung auf Unternehmensebene zwar noch vor Art. 14 GG Bestand hat 21 • Es läßt sich aber doch deutlich aus dem Urteil herauslesen, daß die Mitbestimmung in dieser Form eine Grenze erreicht hat. Für die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung hat jüngst Papier 22 dargestellt, daß eine weitere Ausdehnung gerade in wirtschaftlichen Angelegenheiten verfassungswidrig wäre. Es kommt im Rahmen dieser Arbeit weder auf die Einzelheiten noch auf die Grenzen an, ab denen Verfassungswidrigkeit durch Mitbestimmung der Arbeitnehmer auf Betriebs- und Unternehmens ebene eintritt. Entscheidend ist, daß der Gesetzgeber hier nach jeweils umfassenden parlamentarischen Beratungen den Einfluß der Arbeitnehmerseite definitiv auf ein bestimmtes Maß festgelegt und begrenzt hat. Von daher liegt der Schluß nahe, daß die Arbeitnehmerseite nicht durch Tarifvertrag für sich in Anspruch nehmen kann, die Mitbestimmung auf die Bereiche auszudehnen, die ihnen der Gesetzgeber nur in einem genau begrenzten Umfang oder überhaupt nicht zugänglich gemacht hat.

3. Die Mitbestimmung bei der Deutschen Bundespost

Diese Erkenntnisse lassen sich nicht ohne weiteres auf den gesamten öffentlichen Dienst übertragen. Für den Bereich der Deutschen Bundespost - und vergleichbares würde sich auch für die Deutsche Bundesbahn ergeben, weil auch sie einem wirtschaftlichen Unternehmen sehr nahe kommt und Dienstleistungen zu erbringen hat - passen diese Aussagen aber durchaus. Hier sollen allerdings So vor allem Badura / Rittner / Rüthers, Mitbestimmungsgesetz, insbes. S. 253 ff. Vgl. BVerfGE 50, 290 (326 ff.). Zu diesem Urteil und zur verfassungsrechtlichen Problematik der paritätischen Mitbestimmung Badura, Paritätische Mitbestimmung und Verfassung, S. 1 ff. 21 BVerfGE 50, 290 (339 ff.). 22 Papier, NJW 1987,988 ff. 19

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6. Kap.: Rechtsnonnen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

nicht die grundrechtlichen Grenzen einer gesetzlichen Mitbestimmung behandelt werden, weil die GrundrechtsHihigkeit der Deutschen Bundespost als öffentlichrechtliches unselbständiges Sondervermögen in bezug auf Art. 12 Abs. 1 GG zweifelhaft ist 23 • Es genügt eine Berücksichtigung derjenigen Wertungen, die aus dem einfachen Gesetzesrecht und seiner Systematik zu ziehen sind.

a) Die Mitbestimmung auf der Ebene der Postunternehmen Die Zusammensetzung der Aufsichtsräte der Unternehmen der Deutschen Bundespost ist in § 16 PostVerfG geregelt. Nach § 16 Abs. 1 PostVerfG bestehen die Aufsichtsräte des Unternehmens Deutsche Bundespost Postdienst und des Unternehmens Deutsche Bundespost Telekom aus insgesamt 21 Mitgliedern, von denen 7 Vertreter des Personals des jeweiligen Unternehmens sind. Der Aufsichtsrat des Unternehmens Deutsche Bundespost Postbank besteht aus 15 Mitgliedern, von denen 5 Vertreter des Personals sind (§ 16 Abs. 2 PostVerfG). Der Gesetzgeber hat die Berufung der Aufsichtsratsmitglieder genau geregelt. Nach § 17 Abs. 3 PostVerfG werden die Vertreter des Personals der Unternehmen der Deutschen Bundespost dem Bundesminister für Post und Telekommunikation von den in den Unternehmen vertretenen Gewerkschaften vorgeschlagen, wobei von den Vorgeschlagenen bei den Unternehmen Deutsche Bundespost Postdienst und Deutsche Bundespost Telekom mindestens 4, bei dem Unternehmen Deutsche Bundespost Postbank mindestens 3 dem Personal des jeweiligen Unternehmens angehören müssen (§ 17 Abs. 3 S.2 PostVerfG). Der Bundesminister für Post und Telekommunikation legt der Bundesregierung einen Vorschlag für die Berufung der Aufsichtsratsmitglieder vor (§ 17 Abs. 4 PostVerfG). Die Bundesregierung beruft dann die Mitglieder des Aufsichtsrats (§ 18 PostVerfG). Bereits dieses Verfahren zeigt, daß die letzte Verantwortung für die personelle Besetzung des Aufsichtsrats bei der Bundesregierung als dem parlamentarisch verantwortlichen Organ liegt. Das Gesetz hat dem Aufsichtsrat in § 23 PostVerfG wesentliche Aufgaben zugewiesen. Sie werden nach Abs. 1 dieser Vorschrift damit umschrieben, daß er die Geschäftsführung zu überwachen und insbesondere darauf zu achten hat, daß dabei die Grundsätze des § 4 PostVerfG eingehalten werden. Ferner ist er bei der Berufung und Abberufung der Vorstandsmitglieder entsprechend dem in § 13 PostVerfG institutionalisierten Verfahren beteiligt. In § 13 Abs. 3 und Abs. 5 PostVerfG sind die Aufgaben des Aufsichtsrats einzeln beschrieben. Der Gesetzgeber hat hier sehr genau geregelt, in welchen Bereichen er eine Beteiligung des Aufsichtsrats in der Form wünscht, daß dieser nach Vorlage durch den Vorstand einen Beschluß zu fassen hat (§ 23 Abs. 3 PostVerfG), und in welchen Angelegenheiten der Vorstand dem Aufsichtsrat vor seiner abschließenden Entscheidung eine Angelegenheit lediglich zum Zweck der Stel23 Grundrechtsflihig können nach Art. 19 Abs. 3 GG inländische juristische Personen des Privatrechts sein, solche des öffentlichen Rechts nur in Ausnahmefällen.

I. Mitbestimmung durch Personalvertretung und in Aufsichtsräten

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lungnahme zuleitet (§ 23 Abs.5 PostVerfG), und in welchen der Aufsichtsrat nur berechtigt ist - es muß sich um Angelegenheiten von grundsätzlicher Bedeutung handeln -,an den Vorstand Anträge und Anfragen zu richten (§ 23 Abs. 6 PostVerfG). Der Gesetzgeber hat den Aufsichtsrat systemgerecht als Überwachungsorgan konzipiert. Dies entspricht dem Prinzip des deutschen Gesellschaftsrechts, das einen Aufsichtsrat bei der Aktiengesellschaft seit jeher (nur) als Überwachungsorgan kennt. Die Geschäfte jedes der Unternehmen der Deutschen Bundespost führt, wie auch bei der Aktiengesellschaft, der Vorstand, der zwar dem Aufsichtsrat bei gewissen Geschäften zu berichten hat (§ 15 Abs.4 PostVerfG), aber doch in seinen Einzelentscheidungen nicht etwa vom Aufsichtsrat unmittelbar abhängig ist. Eine besondere Möglichkeit, diese unternehmerischen, gesetzlich institutionalisierten Strukturen überhaupt oder in Teilen durch Tarifvertrag, und sei es auch nur in personalpolitischen Angelegenheiten, zugunsten der Arbeitnehmer zu durchbrechen, enthält das Postverfassungsgesetz nicht. Es war im Laufe der Gesetzesberatungen geradezu selbstverständlich, weshalb man darüber kein Wort verloren hat, daß dieses Gesetz zwingendes Recht auch gegenüber einem Tarifvertrag ist. Denn das Postverfassungsgesetz ist öffentliches Recht, und dieses ist nun einmal zwingend, und zwar auch gegenüber einem Tarifvertrag. Dem Tarifvertrag ist im Postverfassungsgesetz nur ein Funktionsbereich zugewiesen, nämlich, wie § 53 PostVerfG besagt, werden durch Tarifvertrag "die Vergütungen, Löhne und Arbeitsbedingungen der Angestellten, Arbeiter und Auszubildenden der Unternehmen geregelt". § 53 Abs. 2 PostVerfG bestimmt, daß Tarifverträge, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung geeignet sind, die Gestaltung der Lohn- und Arbeitsbedingungen in anderen Tätigkeitsbereichen des öffentlichen Dienstes zu beeinflussen, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Post und Telekommunikation abzuschließen sind, der hierzu das Einvernehmen mit dem Bundesminister des Inneren herstellen muß. Dieses Einvernehmen gab es auch bereits in § 26 S. 2 PostVwG, wo in solchen Fällen zusätzlich das Einvernehmen mit dem Bundesminister der Finanzen verlangt wurde. Nach der Systematik des Gesetzes zeigt sich eine klare Trennung zwischen den Möglichkeiten der Einflußnahme der Vertreter des Personals im Aufsichtsrat einerseits und der Regelung der Arbeitsbedingungen durch Tarifvertrag andererseits. An der Trennung zwischen den Aufgaben der Tarifautonomie zur Regelung der Arbeitsbedingungen und den unternehmerischen Entscheidungen, bei denen nur der Vorstand entscheidet und eine unmittelbare Einflußnahme des Aufsichtsrates mit seinen Personalvertretern ausscheidet, kann also auch bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost kein Zweifel bestehen. Dies ist nicht anders als bei privaten mitbestimmten Unternehmen. Der Aufsichtsrat jedes Unternehmens der Deutschen Bundespost beschließt zwar nach § 23 Abs. 3 Ziff. I PostVerfG über die Feststellung des Wirtschaftsplans (wozu nach § 38 Abs. 3 S. 2 PostVerfG auch der Stellenplan gehört) und

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6. Kap.: Rechtsnonnen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

wesentliche Änderungen desselben. Hierdurch hat er aber nur einen mittelbaren Einfluß auf die Personalwirtschaft und Personalpolitik des Unternehmens. Er kann ebensowenig wie der Aufsichtsrat eines privaten Unternehmens unmittelbar Einzelheiten der Personalwirtschaft und Personalpolitik gestalten. Diese obliegen dem Vorstand jedes der Postunternehmen. Dies wird zusätzlich dadurch verdeutlicht, daß der Aufsichtsrat in den §§ 46-55 PostVerfG, die das Personal- und Sozialwesen regeln, nicht einmal erwähnt ist. Wenn einerseits das Personal Vertreter in die Aufsichtsräte entsendet und andererseits Personal- und Sozialangelegenheiten mit Ausnahme des Stellenplans nicht in die Kompetenz der Aufsichtsräte fallen, so läßt dies nur den Schluß zu, daß der Gesetzgeber das Bedürfnis nach Mitwirkung von Vertretern des Personals bei den "unternehmerischen Entscheidungen", vergleichbar wie in mitbestimmten Großunternehmen der PrivatwirtSChaft, durchaus (und zwar auch bereits im Postverwaltungsgesetz) erkannt hatte, daß er aber eine Mitwirkung gezielt nur in der Form zugelassen hat, daß sie im Wege des Tarifvertrages aUSSChließlich Arbeitsbedingungen und nicht unternehmerische Entscheidungen erfaßt. Dieses System ist angesichts der Tatsache, daß es im Bereich der Deutschen Bundespost eine Personalvertretung gibt und daß bei der Deutschen Bundespost Beamte beschäftigt sind, deren Dienstverhältnisse der Mitwirkung durch den Aufsichtsrat generell nicht unterliegen dürften, weil ihm nicht nur Vertreter der Exekutive bzw. des Dienstherrn angehören, konsequent. Die Mitbestimmung über die Dienstverhältnisse der Beamten wäre, wie dargelegt, auch schon aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig 24. Dieses System darf nicht durchkreuzt oder gar aus den Angeln gehoben werden, indem durch Tarifvertrag bereits in die die unternehmerische Organisation und Planung betreffende Personalbemessung eingegriffen wird. Denn, wenn der Aufsichtsrat nur die Kompetenzen erhalten hat, die ihm ausdrücklich zugewiesen sind, dann liegt ein "beredtes Schweigen" des Gesetzes 25 vor, wenn er im Bereich der Personalangelegenheiten keine unmittelbare Eingriffsmöglichkeit zugewiesen erhalten hat. Die "Personalseite" kann sieh solche Zuständigkeiten demgemäß auch nicht durch Tarifvertrag selbst anmaßen.

b) Die Mitbestimmung in Form der Personalvertretung Noch deutlicher wird dieses Ergebnis bei Betrachtung des Personalvertretungsrechts. Das Bundespersonalvertretungsgesetz unterscheidet zwischen der vollen und der eingeschränkten Mitbestimmung. Die volle Mitbestimmung ist dadurch gekennzeichnet, daß eine Einigungsstelle zur endgültigen und verbindlichen Entscheidung berufen ist, sofern es zwischen der "Personalseite", konkret der bei 24 25

Siehe oben 5. Kapitel II 1. Hierzu Larenz, Methodenlehre, S. 355.

I. Mitbestimmung durch Personalvertretung und in Aufsichtsräten

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der obersten Dienstbehörde gebildeten Stufenvertretung, und dieser Dienstbehörde zu keiner Einigung kommt (§§ 71 Abs.4 S. 2, 69 Abs. 4 S. 1 BPersVG). Bei der eingeschränkten Mitbestimmung ist zwar auch die Einigungsstelle anzurufen, aber ihr Beschluß ist lediglich empfehlender Art. Letztentscheidungsrecht hat die oberste Dienstbehörde (§§ 71 Abs.4 S. 2,69 Abs. 4 S. 3-5 BPersVG) 26. Diese Differenzierung geht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27.4.1959 27 zurück. Darin hat das Bundesverfassungsgericht die damaligen §§ 59-61 BremPersVG28, wonach auch die Personalangelegenheiten der Beamten der vollen Mitbestimmung unterlagen, so daß die Einigungsstelle endgültig und verbindlich entschied, für verfassungswidrig erklärt. Zur Begründung führte es aus, eine generelle Übertragung der Entscheidungsgewalt in allen personellen Fragen der Beamten an einen Ausschuß, dessen Mitglieder nicht der Regierung verantwortlich seien, sei mit dem Prinzip des demokratischen Rechtsstaats (Art. 20 Abs. 1 S. 1 GG) unvereinbar 29 • Dem Gesetzgeber war also die Problematik, wie weit eine Einflußnahme der Personalseite auf Personalrnaßnahmen möglich und zulässig sein sollte, sehr wohl bewußt. Betrachtet man nun die Gegenstände, die der vollen und diejenigen, die der eingeschränkten Mitbestimmung des Personalrats unterliegen, so stellt man fest, daß es sich hierbei - durchaus in Anlehnung an das Betriebsverfassungsgesetz - gerade um Bereiche handelt, die nicht in die untemehmerische Planung eingreifen. § 75 Abs. 1 BPersVG regelt ausschließlich Modalitäten der Beschäftigung auf vorhandenen Dienstposten. § 75 Abs.3 BPersVG regelt, soweit hier von Interesse, in Ziffer 1 den Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. In Ziffer 16 ist die Gestaltung der Arbeitsplätze und in Ziffer 17 die Mitbestimmung bei Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen, geregelt. Für die Personalplanung besteht in § 78 Abs. 3 BPersVG ausdrücklich nur ein Anhörungsrecht 30• Da § 75 Abs. 3 BPersVG in Anlehnung an die Regelung des § 87 BetrVG den Vorbehalt macht, der Personalrat habe mitzubestimmen, soweit eine gesetzliche oder tarifvertragliehe Regelung nicht bestehe, § 78 BPersVG diesen Vorbehalt aber gerade nicht enthält, ist daraus zu schließen, daß der Gesetzgeber selbst davon ausging, die in § 78 BPersVG erfaßten Gegenstände seien generell einer tarifvertraglichen Regelung nicht zugänglich.

Vgl. Söllner IReinert, Personalvertretungsrecht, S. 161. BVerfGE 9, 268. 28 In der Fassung vom 3.12.1957, Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen, S. 161. 29 BVerfGE 9, 268 (282 ff., 286 f.). 30 Zur Begründung VGH Frankfurt, Beschluß vom 27.4.1988, BPVTK 3334/87, S. 15 - nicht veröffentlicht -. 26

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6. Kap.: Rechtsnonnen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

Dies ist konsequent, weil eben Personalbedarfsplanung Aufgabe des Dienstherrn ist und seiner alleinigen Organisationsgewalt unterliegt. Im öffentlichen Dienst hätte ansonsten den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, daß über die Rechtsverhältnisse der Beamten nicht der Personalrat letztverbindlich mitbestimmen dürfe, nicht Rechnung getragen werden können. Wenn der Gesetzgeber den Personalräten gezielt keine Kompetenz für die Personalführung gewährt hat, obwohl sie alle Bediensteten und nicht, wie die Tarifparteien, nur ihre Mitglieder repräsentieren, und wenn der Gesetzgeber andererseits davon ausging, diese könne auch nicht durch Tarifvertrag geregelt werden, dann müssen den Tarifparteien solche Regelungen verwehrt sein, die den Dienstherrn - bei der Deutschen Bundespost wären die Tarifpartner die einzelnen Unternehmen - binden würden. Es wäre inkonsequent, wenn sich die Gewerkschaft durch Tarifvertrag Rechte gegebenenfalls erkämpfen könnte, die der Gesetzgeber nicht einmal dem Personalrat gewährt hat und aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht gewähren konnte. 4. Zwischenergebnis

Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß das System der Mitbestimmung in den Aufsichtsräten der Unternehmen der Deutschen Bundespost einerseits und das System der Personalvertretung andererseits abschließend die Einflußmöglichkeiten des Personals auf die organisationsmäßigen und personalplanerischen Entscheidungen festgelegt haben. Nach der Systematik des Postverfassungsgesetzes und des Bundespersonalvertretungsgesetzes kann ebenso wie nach dem Wortlaut dieser Gesetze nur davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber in diesen Bereichen eine Mitsprache, die über die ausdrücklich gesetzlich festgelegten Formen hinausgeht, auch durch Tarifvertrag nicht zugelassen hat.

11. Tragende Grundsätze des Arbeitsrechts Das Bundesarbeitsgericht hat mehrfach entschieden, daß die Tarifparteien an die tragenden Grundsätze des Arbeitsrechts gebunden seien 31 • Reuter hat im Zusammenhang mit seiner mehrfach zitierten Erörterung der Rationalisierungsschutztarifverträge dieser Schranke der Tarifautonomie klarere Konturen gegeben 32. Als solche erachtet er die Abhängigkeit der Arbeitsplätze von ihrem Bedarf und konkret für tarifvertragliehe Besetzungsregelungen deren Legitimationsbe-

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31 BAG AP Nr. 12 zu 15 AZO (Gr. IV 3); AP Nr. 36 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; AP Nr. 142 zu § 242 BGB Ruhegehalt (Gr. III 3). 32 Reuter, ZfA 1978, 1 (34); ihm folgend Bulla, DB 1980, 103 (106).

II. Tragende Grundsätze des Arbeitsrechts

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dürftigkeit durch die Eigenart der Arbeitsplätze 33. Reuters Ausgangspunkt besteht darin, daß man zwar die Wirkung eines Tarifvertrages auf Dritte, namentlich auf Außenseiter und auf Arbeitsplatzbewerber, in Kauf nehmen müsse, daß hier aber die Rechtsordnung nicht auf die Absicherung schutzwürdiger Drittinteressen verzichten müsse oder auch nur dürfe 34. Zwar sei im Bereich der Tarifautonomie wegen der Beteiligung zweier Seiten mit regelmäßig gegenläufigen Vorstellungen die Gefahr für die Interessen Dritter und der Allgemeinheit im Vergleich zu einseitigen Machtpositionen verringert. Hierdurch bestehe zumindest eine "Richtigkeitschance", weshalb hier, anders als in anderen Bereichen des Wirtschaftslebens, in denen der Gesetzgeber den Wettbewerb ausschalte, wie im Banken- und Versicherungswesen, nicht erforderlich sei, eine "mikrojuristische" Ergebniskontrolle durchzuführen. Hingegen sei eine "makrojuristische" gerichtliche Kontrolle geboten, die verhindere, "daß die tarifvertraglichen Regelungen in diametralem Gegensatz zu ihrer verfassungsrechtlichen Funktion der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art. 9 Abs. 3 GG) die Verwirklichung der gesetzgeberischen Sozialgestaltungsideen" hemmten "und dadurch die Funktionsfähigkeit der gesetzlich konstituierten Sozialordnung zum Schaden Dritter und der Allgemeinheit" beeinträchtigten 35. Deshalb betone das Bundesarbeitsgerichp6 zu Recht, daß die Tarifparteien an die tragenden Grundsätze des Arbeitsrechts gebunden seien. Reuters Ansicht ist in der Literatur zum Teil auf Zustimmung 37, zum Teil auf Ablehnung 38 gestoßen. Die Bedenken richten sich vor allem dagegen, daß Reuter die Tarifparteien auf die grundlegenden Ordnungsprinzipien der sozialen Marktwirtschaft festlegen will 39 • Ob diesen Bedenken zu folgen ist, kann hier dahinstehen. Sie könnten ohnehin die grundlegenden Aussagen Reuters nicht entkräften. Lediglich erscheint seine Begründung in Teilen relativ kompliziert für ein Ergebnis, das im Rechtsstaat selbstverständlich sein sollte: Der Gesetzgeber kann erwarten, daß seine Gesetze von jedermann befolgt werden. Wo, wie in weiten Bereichen des Arbeitsrechts, Gesetze fehlen, steht ein solches Rechtsgebiet dennoch nicht außerhalb der staatlichen Rechtsordnung. Verfassungsnormen, einfachrechtliche Gesetze und vor allem das gesetzes vertretende Richterrecht bilden im Arbeitsrecht heute ein fein ziseliertes System. Soweit sich aus diesem allgemeine Prinzipien ableiten lassen, binden sie auch die Tarifparteien.

Reuter, ZfA 1978, 1 (34 f.). Reuter, ZfA 1978, 1 (31 f.). 35 Reuter, ZfA 1978, 1 (32 f.). Gegen diese Ansicht Konertz, Rationalisierung, S. 110 f. 36 BAG AP Nr. 12 zu § 15 AZO (Gr. IV 3) mit Anmerkung Söllner; gleicher Ansicht Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung vor § 1, Rn. 127. 37 Bulla, DB 1980, 103 (106); im Grundsatz auch zustimmend Dälken, Tarifvertraglicher Bestands- und Inhaltsschutz, S. 121 ff. 38 Konertz, Rationalisierung, S. 109 ff. 39 Konertz, Rationalisierung, S. 110. 33

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6. Kap.: Rechtsnormen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

Nun besteht allerdings die Gefahr, daß mit dem Hinweis auftragende Grundsätze des Arbeitsrechts eine mit der Autonomie der Tarifparteien unverträgliche Tarifinhaltskontrolle betrieben würde. Zwar kann der Gesetzgeber durchaus den Tarifparteien gewisse Vorgaben machen, solange er den verfassungsrechtlich garantierten Kernbereich nicht tangiert 4O • Aber dort, wo der Gesetzgeber gerade keine ausdrücklichen gesetzlichen Regelungen erlassen hat, müssen sich die Rechtsprinzipien, die den Tarifparteien Vorgaben setzen, so verdichtet haben, daß sie wesentliche, unserem Rechts- und Wirtschaftssystem inhärente Säulen darstellen, die zwar nicht ausdrücklich in Gesetzen oder im gesetzesvertretenden Richterrecht zum Ausdruck kommen, aber aus ihm konkret ableitbar sein müssen 41 • Nur so kann sichergestellt werden, daß die Tarifparteien einerseits nicht frei von der Bindung an rechtliche, namentlich auch richterrechtlich entwickelte Grundprinzipien agieren können, und daß andererseits auch eine Inhaltskontrolle der Tarifverträge nach bloßen Billigkeitsmaßstäben unterbleibt. Betrachtet man die Problematik tarifvertraglicher Festlegung von Bemessungsvorgaben, so begegnet man insofern einem Novum im Arbeitsrecht, als dem Arbeitgeber hier schon das Recht zur alleinigen Nachvollziehung der Organisation und zur alleinigen Planung abgesprochen wird. Demgegenüber enthält das deutsche Arbeitsrecht den Grundsatz, daß die interne Planung grundsätzlich Angelegenheit des Unternehmers ist. Das wird etwa deutlich in der Rechtsprechung zum Kündigungsschutz, die stets die unternehmerische Entscheidung, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt, nur am Maßstab der Mißbrauchskontrolle prüft, nicht aber am Maßstab der Zweckmäßigkeit 42 • Bei der Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106 ff. BetrVG) hat der Gesetzgeber dem Unternehmer zwar vorgeschrieben, den Betriebsrat zu beteiligen. Jedoch kann der Betriebsrat weder eine bestimmte Planung noch ihr Unterlassen erzwingen. Er kann nur die sozialen Folgen durch das Einfordern eines Sozialplans abmildern. Es gibt - und dies ist für eine freiheitliche Wirtschaftsordnung geradezu selbstverständlich - keine Möglichkeit, den Unternehmer zu zwingen, gewisse Unternehmensplanungen zu verwirklichen oder zu unterlassen, nur weil dies im Interesse der Arbeitnehmer wäre. Für die Privatwirtschaft wird die Notwendigkeit solcher Planungsfreiheit durch den Zwang jedes Unternehmens, rentabel zu wirtschaften, erwiesen. Im Bereich des öffentlichen Dienstes fehlt dieser Maßstab überall dort, wo sich ein Erfolg nicht unmittelbar messen läßt. Daß auch hier die Planung nicht ungeachtet des Zwecks der Verwaltung, ihr zugewiesene Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit möglichst effektiv zu erfüllen, nur einseitig auf die Bediensteten ausgerichtet erfolgen darf, steht allerdings auch hier außer Frage. Hierzu oben 2. Kapitel I 3. Vgl. auch Dälken. Tarifvertraglicher Bestands- und Inhaltsschutz, S. 122. 42 Statt aller BAG AP Nr. 8 zu § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung (Gr. 11 1 a); AP Nr. 3 zu § 2 KSchG 1969 (Gr. I 2 c, 11 1); AP Nr. 39 zu § 613a BGB (Gr. B III 3 a); Schaub. Arbeitsrechts-Handbuch, S. 915 f. 40

41

III. Gesamtgesellschaftliche und -wirtschaftliche Zielsetzungen

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Für die Unternehmen der Deutschen Bundespost kann und muß das privatrechtliehe Prinzip Anwendung finden, daß die Unternehmensrentabilität ohne unternehmerische Organisations- und Planungsfreiheit auf Dauer nicht gesichert werden kann. Eine tarifvertragliehe Festschreibung bereits der Planung und der grundlegenden Organisationsstrukturen, wozu eine tarifvertragliehe Mitsprache bei der Personalbemessung führen würde 43, steht dem Ziel eines effektiven Wirtschaftens diametral entgegen. Denn die Unternehmen der Deutschen Bundespost müssen, wie alle florierenden Unternehmen, Gewinnerzielung über den aktuellen Ermittlungszeitraum hinaus anstreben, wozu sie das Postverfassungsgesetz in § 37 sogar ausdrücklich verpflichtet. Demgegenüber wird ein Tarifvertrag, wie dargelegt 44 , im Regelfall primär die aktuelle an den Arbeitnehmerinteressen orientierte Situation vor Augen haben. Hinzu kommt, daß durch tarifvertragliehe Festlegung der Bemessungsvorgaben sämtliche durch Maschineneinsatz bedingte Rationalisierungen und der damit einhergehende Arbeitsplatzabbau verhindert werden könnte. Die Pflicht zur Gewinnerzielung, wie sie § 37 PostVerfG vorschreibt, aber auch die für das freie Unternehmertum selbstverständliche Möglichkeit der Gewinnerzielung und die Möglichkeit zur Rationalisierung hängen untrennbar zusammen. Tarifvertragliehe Regelungen der Bemessungsvorgaben würden diesen Zusammenhang aufheben. Deshalb verstoßen sie gegen ein Grundprinzip unserer freien Wirtschaftsordnung, das insoweit auch für die Unternehmen der Deutschen Bundespost gilt. Bemessungsvorgaben sind deshalb einer tarifvertraglichen Regelung unzugänglich.

III. Die Beschränkung der Tarifautonomie durch gesamtgesellschaftliche und gesamtwirtschaftliche Zielsetzungen 1. Die bisherigen Ansätze

Die Tarifautonomie birgt als ein auf Gruppenmacht und Gegenrnacht aufgebautes System naturgemäß die Gefahr in sich, daß die Tarifparteien Interessenkonflikte so lösen, daß Dritte und die Allgemeinheit davon betroffen sind, sofern es den Mitgliedern der Tarifparteien und diesen selbst nützt 45 • Häufig wird etwa die Unternehmerseite nachgeben, solange sie die Mehrkosten, die durch Lohnerhöhungen oder längerfristig durch nicht oder zu spät vorgenommene Rationalisierungen eintreten, durch Preiserhöhungen ausgleichen kann. Demgegenüber hat in einer marktwirtschaftlichen Ordnung die Allgemeinheit ein Interesse am technischen Fortschritt, damit die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen im internationalen Wettbewerb auch längerfristig gesichert ist und die Produktionskosten möglichst niedrig bleiben. Gesamtwirtschaftliche Zielsetzungen sind ein Aspekt 43 44 45

Oben 4. Kapitel I 2 c. Siehe oben 3. Kapitel III 2. In diesem Sinn Koller, ZfA 1978,45 (50).

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6. Kap.: Rechtsnonnen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

des Gemeinwohls, dessen Beachtung durch die Tarifparteien nach wie vor sehr kontrovers diskutiert wird 46. Die Tarifautonomie ist ein Teil der staatlichen Ordnung. Auch wenn der Staat in diesem Bereich, wie das Bundesverfassungsgericht sagt, seine Zuständigkeit weit zurückgenommen hat und die Ordnungstätigkeit den Tarifparteien und damit Privatrechtssubjekten überläßt 47 , kann dies keine schrankenlose Freiheit bedeuten. Die herrschende Meinung geht deshalb zu Recht davon aus, daß die Tarifparteien das Gemeinwohl zu beachten haben 48 • Das eigentliche Problem besteht nicht in dieser grundsätzlichen Aussage, sondern darin, welche Folgen sich aus einer solchen Bindung ergeben und inwieweit sie überprüfbar sein kann 49 • Das Gemeinwohl kann nicht beliebig definiert werden, wohl aber anhand derjenigen Zielsetzungen, die der Gesetzgeber selbst als maßgeblich verankert hat. Soweit die Wettbewerbsordnung in Frage steht, kommen hier das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums in der Wirtschaft in Betracht. Die herrschende Meinung zieht durchaus den im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verankerten Wettbewerbsgedanken heran 50. In der Begründung zum Entwurf des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist auch eine Passage zu finden, die expressis verbis aussagt, der Wettbewerb sei ein Mittel der Leistungssteigerung und Fortschrittsförderung, dem die Tendenz zu einer bestmöglichen Versorgung der Verbraucher innewohne. Ständige Zielsetzungen, die sich charakteristischerweise in einer Blockade des technischen Wandels äußerten, seien mit ihm unvereinbar 51 • Koller hat in diesem Zusammenhang allerdings zu Recht darauf hingewiesen, daß die mit dem Schutz des Wettbewerbs verfolgten wirtschaftspolitischen Zwecke nicht ohne weiteres als eine den Arbeitsmarkt allein prägende Kraft anzuerkennen seien, weil der Gesetzgeber letzteren ja bewußt aus dem Geltungsbereich des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ausgenommen habe. Zudem würden die Arbeitnehmer durch zahl46 Hierzu Konertz, Rationalisierung, S. 111 ff.; Löwisch, RdA 1969, 129; Rüfner, RdA 1985, 193; Säcker, Gruppenautonomie, S. 277 ff.; Schmidt-Preuß, JuS 1979,551; Wiedemann, in: Festschrift für Gerhard Müller, S. 807; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 346 f.; eine umfassende Darstellung mit Nachweisen findet sich bei Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 193 ff. 47 BVerfGE 4, 96 (106); E 18, 18 (26); E 28, 295 (304); E 44, 322 (341 und 347). 48 In diesem Sinn auch BVerfGE 38, 281 (307); BAG AP Nr. I, Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; BAG GS AP Nr. 13 zu Art. 9 GG; Nachweise der Literatur bei Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 193 ff., und May, Verfassungsmäßige Zulässigkeit, S. 72 ff., der aber selbst die Gemeinwohlbindung ablehnt. 49 Zöllner, Arbeitsrecht, S. 346 f. 50 Biedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DJT, S.97 (161 ff.); Hölters, Harmonie nonnativer und schuldrechtlicher Abreden in Tarifverträgen, S. 152; Koller, ZfA 1978, 45 (51 ff.); Richardi, Kollektivgewalt, S. 181; Rüthers, Tarifmacht, S. 33 f.; ders., WuW 1980, 392 ff. 51 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, BT-Drs. 11/1158 nach Anlage I, abgedruckt bei Müller-Henneberg I Schwartz, GWB, S. 1057 (1059).

III. Gesamtgesellschaftliche und -wirtschaftliche Zielsetzungen

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reiche Nonnen des Arbeitsrechts nicht nur geschützt, soweit sie sich in einer aus der typischen Marktschwäche resultierenden wirtschaftlichen und aus ihrer Immobilität und ihrer Eingliederung in die Arbeitsorganisation herrührenden persönlichen Abhängigkeit befänden. Vielmehr trage das Arbeitsrecht häufig der sozialen Abhängigkeit des Arbeitnehmers und seinen im Arbeitsleben aufgebauten persönlichen Beziehungen Rechnung 52 • In der Tat fällt es heute schwer, im einzelnen auszumachen, wo der Gesetzgeber das hohe Gut eines freien Wettbewerbs zugunsten des Arbeitnehmerschutzes zurückgestellt hat und wo nicht. Allgemeingültige Grenzziehungen für die Tarifrnacht werden sich durch den Wettbewerbsgedanken ohnehin nur schwerlich finden lassen. Fest steht aber, daß der Gesetzgeber den Tarifparteien nicht erlaubt hat, den Wettbewerb unbegrenzt zu unterbinden, um für die Arbeitnehmer möglichst günstige Konditionen schaffen zu können. Dies wäre schon angesichts der Tatsache, daß der Wettbewerb in den meisten Branchen nicht mehr an den deutschen Grenzen endet, abwegig. Nur dürfen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sich "verbandsmäßig" jeweils in einem Kartell zusammenschließen, um ihre Macht gegeneinander zu bündeln. Sie dürfen nicht die Macht beider Seiten wiederum bündeln, um gezielt den Wettbewerb zu Lasten Dritter und der Allgemeinheit auszuschalten, etwa nach dem Motto, wenn nur die Kosten einer gesamten Branche hoch seien und die Unternehmer sich nicht gegenseitig Wettbewerb machen würden, brauche man die Löhne und sonstigen Arbeitsbedingungen nicht mehr auf die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen hin zu begrenzen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 27.6.1989 53 zum Verhältnis der Tarifautonomie zum Wettbewerbsrecht Stellung bezogen. Es hat einen Verstoß der Tarifverträge zur Regelung des Arbeitszeitendes im Einzelhandel gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verneint 54. Dieses - in sich nicht überzeugende Urteil- behandelt die vorliegende Problematik nicht. Denn während das Bundesarbeitsgericht die Frage eines Verstoßes einer Tarifregelung gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, namentlich gegen dessen § 1 zu beurteilen hatte, geht es hier darum, daß die Tarifparteien allgemeine Prinzipien der Wettbewerbsordnung beachten müssen, die weit über die positiv-rechtlichen Regelungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen hinausgehen 55. Zu diesen allgemeinen Prinzipien gehört die Aufrechterhaltung der Möglichkeiten, die den Unternehmen die Wettbewerbs- bzw. Konkurrenzfähigkeit sichert. Dies ist etwas wesentlich anderes als das in § 1 GWB verankerte Kartellverbot. Von daher steht Koller, ZfA 1978, 45 (52 f.). BAG DB 1989,2228. 54 BAG DB 1989,2228 (2230 f.). 55 Vgl. nur Vollmer, JA 1978,53 f., der das Wettbewerbsprinzip als ein grundlegendes, nicht nur positiv-rechtlich im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen verankertes, sondern (mittelbar) auch verfassungsrechtlich bedeutsames Ordnungsprinzip bezeichnet, das auch der tariflichen Einflußnahme Grenzen setze. 52

53

8 LorilZ

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6. Kap.: Rechtsnormen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

das genannte Urteil des Bundesarbeitsgerichts den hier entwickelten Gedankengängen, selbst wenn man ihm folgen sollte, nicht entgegen. Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft läßt sich nur nutzbar machen, wo es um gesamtwirtschaftliche Orientierungsdaten geht, die aber bei der vorliegenden Problematik der Bemessungsvorgaben nicht in Frage stehen. Entscheidend für den Wettbewerbsgedanken und die Pflicht, ihn auch im Rahmen der Tarifautonomie nicht unreflektiert hintan zu stellen, ist die Betrachtung der Mitbestimmungsregelungen, wie sie bereits vorgenommen wurde 56. Der Gesetzgeber hat im Bereich der privaten Wirtschaft die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten von Unternehmen zwar unterhalb der Schwelle der vollen Parität gehalten 57, wodurch aber der Vorstand sicher nicht rein auf die unternehmerische Seite hin orientiert zusammengesetzt ist und durchaus u. U. in manchen Fällen für Arbeitnehmer unpopuläre Entscheidungen vermeidet und erforderliche Rationalisierungen und Entlassungen zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens unterläßt. Dennoch bleiben diese Entscheidungen möglich. Zudem erfaßt die Mitbestimmung nur einen relativ geringen Teil der deutschen Unternehmen, wohingegen in den anderen der Unternehmer bzw. das Topmanagement alleine darüber entscheidet, was die Wettbewerbsfahigkeit des Unternehmens sichert und erhält. Unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung läßt sich deshalb unschwer der Grundsatz entnehmen, daß im Interesse eines funktionsfahigen Wettbewerbs den Unternehmern trotz allen berechtigten Arbeitnehmerschutzes die Möglichkeit verbleiben muß, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sich am Markt behaupten zu können. Dazu gehört entscheidend eine personalpolitische Flexibilität, die dem Unternehmer die Möglichkeit erhält, seinen Personalbedarf laufend zu überprüfen und zu ermitteln. Es ist das elementare Recht jedes Unternehmers in der Marktwirtschaft, mit unrentablen Bereichen seines Unternehmens aus einem Markt auszuscheiden, und es ist gleichsam als "Minus" sein Recht, die elementar erforderlichen Anpassungen, auch in personalpolitischer Hinsicht, vorzunehmen, um nicht zu einem völligen Ausscheiden gezwungen zu werden. Einen ,,zwang zur Beschäftigung" von Arbeitnehmern ohne Notwendigkeit darf es, jedenfalls über eine längere Dauer, nicht geben. 2. Konsequenzen für tarifvertragliche Bemessungsvorgaben bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost

Für Bemessungsvorgaben bedeutet dies - ohne daß hier zunächst einmal die Aspekte des öffentlichen Dienstes besonders berücksichtigt werden sollen 56

57

Vgl. auch Koller, ZfA 1978,45 (54 ff.). Vgl. §§ 7,29 MitbestG.

III. Gesamtgesellschaftliche und -wirtschaftliche Zielsetzungen

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folgendes: Bemessungsvorgaben sind Nachvollziehung der Organisation und dienen dazu, den Personalbedarf zu ermitteln, aber auch zu überprüfen. Bemessungsvorgaben haben nicht unmittelbar den Zweck, den Leistungsdruck zu erhöhen, sondern den, die Anpassung des Personalbedarfs an veränderte Gegebenheiten sicherzustellen. Die Veränderungen können sich aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen durch Einsatz von Maschinen und Computern, aber auch aufgrund sinkender Nachfrage ergeben. Könnte ein Unternehmer die Berechnungsgrundlagen seines Personal bedarfs nicht mehr autonom bestimmen, so würde nicht nur verhindert, daß er den Personal bedarf an die tatsächlichen Erfordernisse anpaßt. Vielmehr würde bereits im Vorfeld unterbunden, daß er den Bedarf zutreffend ermittelt. Dem Unternehmer würde schon die für den Erhalt seiner Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbare Beschaffung der Erkenntnisse abgeschnitten. Der Eingriff wäre also weitaus stärker als bei tarifvertraglichen Rationalisierungsschutzabkommen, die ihm nicht schon die Erkenntnisgewinnung, sondern erst das Ableiten bestimmter Konsequenzen hieraus untersagen. Werden aber bereits Rationalisierungsschutzabkommen, jedenfalls in weiten Bereichen, für unzulässig gehalten 58, so muß dies erst recht für die tarifvertragliche Regelung von Bemessungsvorgaben gelten, weil hier dem Unternehmer sogar die Feststellung der infolge veränderter Umstände erforderlichen oder zumindest wünschenswerten personalpolitischen Maßnahmen untersagt würde. Es liefe dem Wettbewerbsgedanken diametral zuwider, wenn dem Unternehmer Feststellungen untersagt würden, die für die Ermittlung der für die Wettbewerbsfähigkeit maßgeblichen Fakten seines Unternehmens von elementarer Bedeutung sind. Die Forderungen der Deutschen Postgewerkschaft mögen vielleicht auf den ersten Blick den Eindruck erzeugen, hier würde nur das Arbeitstempo bestimmt. Dies ist jedoch nicht der Fall. Entscheidend ist, daß die Deutsche Postgewerkschaft den Unternehmen der Deutschen Bundespost überhaupt untersagen will, die für die Feststellung erforderlichen Daten alleine zu gewinnen, und daß sie nicht nur verlangt, bei der Umsetzung dieser Daten in den einzelnen konkreten Arbeitsverhältnissen tarifvertraglich mitzubestimmen. Bezieht man nun zusätzlich die Besonderheiten der Deutschen Bundespost in die Betrachtung ein, so werden diese Ergebnisse sogar noch verstärkt. Soweit die Unternehmen der Deutschen Bundespost künftig mit privaten Unternehmen im Wettbewerb stehen, lassen sich die für private Unternehmen gefundenen Gedanken ohne weiteres übertragen. § 37 PostVerfG verpflichtet die Unternehmen, wie mehrfach dargelegt, zur Gewinnerzielung, und zwar auch in den Mono58 Koller, ZfA 1978,45 ff.; Reuler, ZfA 1978, 1 ff.; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S. 490 ff.; vgl. ferner Nipperdey, in: Festgabe für Günther Küchenhoff, S. 146 f.; wohl auch Wiedemann I Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 186, 188; umfassend Dälken, Tarifvertraglicher Bestands- und lnhaltsschutz, S. 19 ff., siehe auch die Zusammenfassung der Ergebnisse, S. 213 ff.; Konertz, Rationalisierung, insbes. S. l33 ff.; a. A. BAG, BB 1990,922 f., das tarifliche Besetzungsregelungen für rechtmäßig und verfassungsgemäß erachtet.

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6. Kap.: Rechtsnormen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

polbereichen. Betrachtet man die Mitbestimmungsregelungen, so stellt man fest, daß der Gesetzgeber sowohl bei der Mitbestimmung des Personals auf Unternehmensebene als auch bei der Mitbestimmung im Rahmen des Personalvertretungsrechts den Einfluß des Personals gegenüber der Privatwirtschaft wesentlich stärker beschnitten hat 59. Eine Mitbestimmung in "wirtschaftlichen Angelegenheiten" gibt es im Bundespersonalvertretungsgesetz überhaupt nicht. Gerade im Rahmen der Strukturreform der Deutschen Bundespost hätte der Gesetzgeber unschwer die Möglichkeit gehabt, den Personalräten Mitwirkungsrechte in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu gewähren. Er hat es nicht getan. Dies ist konsequent, und zwar nicht nur, weil der Personalrat nicht auch über die Dienstposten der Beamten mitbestimmen kann 60 • Vielmehr wäre es generell in der öffentlichen Verwaltung, wo in den meisten Bereichen ja kein Wettbewerb mit privaten Anbietern existiert, verhängnisvoll, die ,,Planung" auch dem Personal mitzuüberantworten. Hier würde angesichts des weithin fehlenden Arbeitsplatzrisikos die Gefahr, die Arbeitsbedingungen zu Lasten der Allgemeinheit möglichst zu verbessern, geradezu heraufbeschworen. Wo die Deutsche Bundespost in Monopolbereichen tätig ist, gilt nichts anderes. Hier kann man allerdings nur mit Gemeinwohlinteressen, nicht mit spezifischen Wettbewerbsinteressen argumentieren. In Bereichen hingegen, in denen die Unternehmen der Deutschen Bundespost im Wettbewerb stehen, sind Tarifabsprachen nicht erlaubt, die bereits das für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Elementarste unterbinden würden, nämlich die vom Unternehmen nach seinen Vorstellungen vorzunehmende Ermittlung der erforderlichen Daten.

IV. Die Gemeinwohlbindung der Tarifparteien bei besonderer Berücksichtigung der Arbeitsverhältnisse des öffentlichen Dienstes Im Bereich des öffentlichen Dienstes tritt der bereits in anderem Zusammenhang erörterte 61 Gemeinwohlgedanke in einer besonderen Ausprägung auf. Nicht nur bei Beamten, sondern auch bei Arbeitnehmern fehlt hier weithin das Arbeitsplatzrisiko. Zum Teil besteht eine tarifvertragliche Unkündbarkeit (vgl. im einzelnen § 53 Abs. 3 BAT), im übrigen fällt es dem öffentlichrechtlichen Dienstherrn häufig schwer, betriebsbedingte Gründe für eine Kündigung eines Arbeitnehmers darzulegen und zu beweisen, zumal in aller Regel die Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz möglich erscheint. Die Grenzen der Tarifautonomie haben hier eine besondere Bedeutung, weil jede Überschreitung dazu führen kann, daß die Tarifparteien in Bereiche vordringen, in denen der Dienstherr als Arbeitgeber kein Gegengewicht zur Verfügung hat und nachgeben muß. Wäh59 60 61

Siehe oben I. Siehe oben I 3 b. Siehe oben III 1.

IV. Gemeinwohlbindung der Tarifparteien

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rend, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt, bei einem privaten Unternehmen die mögliche Insolvenz ein natürliches, wenn mitunter auch recht hoch angesetztes Korrektiv gegen unvernünftige und überzogene Tarifforderungen bietet, gibt es ein solches im öffentlichen Dienst nicht. Überzogene Forderungen, die die Gewerkschaften in einem Tarifvertrag durchsetzen, müssen im öffentlichen Dienst im allgemeinen erforderlichenfalls durch Steuererhöhungen oder durch eine Erhöhung der Staatsverschuldung aufgefangen werden 62. Bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost müssen überzogene Tarifregelungen durch eine Erhöhung der Gebühren bzw. Preise kompensiert werden, die jedenfalls in Monopolbereichen auf den Bürger überwälzt werden müssen, der nicht ausweichen kann. Auch wenn man die Tarifautonomie im öffentlichen Dienst grundsätzlich bejaht 63, muß stets darauf Bedacht genommen werden, daß die Funktionsbedingungen des tariflichen Handeins vorliegen. Wo dies nicht zutrifft, ist es Aufgabe des Gesetzgebers und, falls dieser untätig bleibt, der Gerichte als "Ersatzgesetzgeber", die Grenzen der Tarifmacht so zu interpretieren bzw. zu bestimmen, daß die Institution der Tarifautonomie nicht zur Schädigung des Gemeinwohles mißbraucht werden kann. Die Verpflichtung der Tarifparteien zur Beachtung des Gemeinwohls kann naturgemäß nicht bedeuten, daß man es ihnen überlassen würde, das Gemeinwohl selbst zu definieren oder auch nur in einzelnen Aspekten zu konkretisieren. Das ist in einer Demokratie Aufgabe des Parlaments und der Regierung. Könnten die Gewerkschaften im Bereich des öffentlichen Dienstes unkontrolliert Forderungen stellen, nur weil diese in irgendeiner Form den Interessen der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes nützen, so erlaubte man ihnen, sich über den Willen des Parlaments hinwegzusetzen, also letztlich dessen Willen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren. Das kann nicht angehen. Denn das Parlament ist - vom Bundesverfassungsgericht abgesehen - höchste "Entscheidungsinstanz". Das Parlament kann und muß die Tarifparteien - selbstverständlich unter Beachtung des Art. 9 Abs. 3 GG - kontrollieren und gegebenenfalls in ihre Schranken verweisen, nicht umgekehrt. Deshalb müssen dort rechtliche Schranken bestehen, wo der Staat "erpreßbar" würde, weil bei ihm bestimmte Funktionsvoraussetzungen der Tarifautonomie fehlen, welche privaten Arbeitgebern die zur Abwehr gewerkschaftlicher Forderungen erforderliche faktische Gegenmacht 64 verschaffen. Die Tarifrnacht darf 62 Deutlich lsensee, in: Leisner (Hrsg.), Berufsbeamtentum, S. 23 ff., insbes. S. 31: "Der Gewerkschafts-Staats-Vertrag beläßt dem Parlament in der politischen Realität nur die ohnmächtige Rolle, haushaltsgesetzlich zu ratifizieren, was die Tarifpartner über die Personalkosten beschlossen haben." 63 Zu den grundlegenden Bedenken gegen die unreflektierte Übernahme der für die Privatwirtschaft entwickelten Ausgestaltungen im Bereich des öffentlichen Dienstes bereits oben 5. Kapitel I. 64 Zur Gegenmacht als Funktionsvoraussetzung der Tarifautonomie in der Privatwirtschaft Badura I Rittner I Rüthers, Mitbestimmungsgesetz, S. 161; Pernthaler, Qualifizierte Mitbestimmung, S. 175, 181; Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S. 166 f.

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6. Kap.: Rechtsnonnen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

deshalb nicht in Bereiche der öffentlichen Hand vordringen, in denen diese aufgrund der ihr von Verfassungs und Gesetzes wegen vorgegebenen Strukturen aus den genannten Gründen keinerlei Möglichkeit zur Abwehr überzogener Tarifforderungen hätte. Dort muß es allein dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber obliegen, die Organisationsstrukturen festzulegen, die ihm unter Beachtung der vom Parlament und der Regierung gesetzten Vorgaben richtig erscheinen. Die Tarifautonomie ist hier auf den Bereich des Aushandelns der Bedingungen beschränkt, unter denen die Arbeitnehmer im Rahmen der allein vom Dienstherrn gesetzten Vorgaben ihre Arbeitsleistung erbringen. Die Gewerkschaften können diese Vorgaben, also die Organisationsstrukturen, nicht mitbestimmen und ihre Vorstellungen nicht durch Arbeitskampf erzwingen. Ansonsten würde das gesamte Staatsgefüge empfindlich gestört. Die Arbeitnehmerseite würde sich das Recht anmaßen, den Bedarf an Dienstposten und damit die Organisationsstrukturen selbst zu bestimmen, und sie würde dem Steuerzahler und damit der Allgemeinheit die Pflicht auferlegen, ihre Vorgaben zu akzeptieren und dafür finanziell "aufzukommen". Dies hätte zur Konsequenz, daß zwar das Volk seine Repräsentanten wählen könnte und diese auch in der Lage wären, die Regierung zu wählen. Aber die Exekutive könnte dann ihre, ihr gegebenfalls vom Parlament vorgegebenen Vorstellungen auch in bezug auf die Personalpolitik und den Personaleinsatz nicht verwirklichen 65, solange die Arbeitnehmerseite durch tarifliche Bemessungsvorgaben bestimmen könnte, was sie als erforderlich erachtet. Man kann dagegen einwenden, daß der im Tarifvertrag als erforderlich festgelegte Personalbedarf an wirtschaftsplanmäßigen Vorgaben scheitern könnte. Aber jedenfalls bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost würde dies entweder dazu führen, daß ein Teil der Aufgaben gesetzwidrigerweise nicht erledigt würde, was zu Lasten der Benutzer ginge. Oder die Aufgaben wären von den Beamten, für welche die Bemessungsvorgaben nicht gelten könnten, zusätzlich zu erbringen. All das kann nicht angehen. Zudem kann man generell und vor allem im öffentlichen Dienst auf eine tarifliche Mitsprache bei der Festsetzung des Personalbedarfs ohne weiteres verzichten. Generell kann man verzichten, weil die Tarifparteien ihre Mitglieder durchaus auch in anderer Weise ausreichend schützen können. Im öffentlichen Dienst ist der Verzicht zusätzlich deshalb möglich, weil der Gesetzgeber und die Exekutive nicht durchweg mit einem privaten Unternehmer gleichzusetzen sind. Die Möglichkeit des Mißbrauchs der Arbeitgebermacht ist im öffentlichen Dienst sicher geringer als bei manchem privaten Arbeitgeber, schon weil das Parlament die Exekutive auch in bezug auf ihre Personalpolitik überwacht. Bei einer relativ hohen Quote der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen 66 könnte es sich keine Regierung erlauben, im

65

Vgl. zu diesem Problemkreis Leisner. Mitbestimmung, S. 44 ff.

V. Unzumutbarkeit als tarifliche Schranke

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öffentlichen Dienst Arbeitsbedingungen zu schaffen, die dauerhaft wesentlich schlechter als die in der Privatwirtschaft wären. Die Angst vor dem Verlust eines breiten Wählerpotentials wäre zu groß. Auf die starke Repräsentanz der öffentlichen Bediensteten in den deutschen Parlamenten wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen 67. Von daher ergibt sich ein weiterer Gesichtspunkt, der den Vorrang des Gemeinwohls vor einer schrankenlosen Tarifautonomie im Bereich der tariflichen Bemessungsvorgaben unterstreicht.

V. Die Unzumutbarkeit als tarifliche Schranke In der Literatur wird die Unzumutbarkeit seit langem als tarifliche Schranke angesehen 68 • Das Bundesarbeitsgericht ist dieser Lehre gefolgt 69 , die allerdings in weiten Teilen der Literatur auch umstritten ist 70 • Die Unzumutbarkeit als Schranke der Tarifmacht wurde, soweit ersichtlich, erstmals von Nipperdey bei der Zulässigkeit einer Klausel über die Abführung von Gewerkschaftsbeiträgen durch den Arbeitgeber herangezogen 71. Sodann spielte die Unzumutbarkeit bei tarifvertraglichen Differenzierungsklauseln 72 und später auch bei Maßregelungsklauseln eine Rolle 73. Die Unzumutbarkeit hat

66 Siehe Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland, 1989, S.92, 443. Aus den Zahlen des Statistischen Jahrbuches ergibt sich hier für 1988 eine Quote von ca. 18 %. 67 Siehe 5. Kapitel I. 68 Blomeyer, ZfA 1980, 1 (15 ff.); Böttieher, Gemeinsame Einrichtungen, S. 146 ff.; Buehner, DB 1970, 2074 (2079); Bulla, BB 1975, 889 (892); Eich, DB 1976, 1677; Hess, DB 1976,2469 (2473); A. Hueek, Tarifausschlußklausel, S. 67; Kraft, ZfA 1976, 243 (259); Nipperdey, in: Dietz / Nipperdey, Die Frage der tarifvertraglichen Regelung der Einziehung von Gewerkschaftsbeiträgen durch die Betriebe, S. 41; Zöllner, Maßregelungsverbote, S. 49 ff.; kritisch noch Blomeyer, DB 1977, 101 (106 f.); mit gewissen Einschränkungen auch Mayer-Maly, ZAS 1969, 81 (83 f.) und Loritz, ZfA 1982, 77 (100 f.). 69 BAG GS AP Nr. 13 zu Art. 9 GG (Gr. Teil IV unter VII 4). 70 Biedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DJT, S. 97 (124); Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 244 ff.; Gitter, AuR 1970, 129; ders., JurA 1970, 148 (150), der die Unzumutbarkeit nur bei schuldrechtlichen Regelungen, nicht bei normativen gelten lassen will; Hersehel, AuR 1970, 193 (196); Konertz, Rationalisierung, S. 114 ff.; Konzen, ZfA 1980,77 (111); ders., RdA 1981, 121 f.; Leventis, Tarifliche Differenzierungsklauseln, S. 68 ff.; Reuß, AuR 1970, 33 (34); Reuter, ZfA 1976, 107 (157 f.); Ritter, JZ 1969, 105 (111 f.); Weiss, Gewerkschaftliche Vertrauensleute, S. 49 ff.; Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, Einleitung, Rn. 172; Wlotzke, RdA 1976,80 (83). 71 Nipperdey, in: Dietz / Nipperdey, Die Frage der tarifvertraglichen Regelung der Einziehung von Gewerkschaftsbeiträgen durch die Betriebe, S. 41. 72 Hierzu vor allem Böttieher, Gemeinsame Einrichtungen, S. 121 ff., 146 f.; ders., BB 1965, 1077 (1081 f.); A. Hueek, Tarifausschlußklausel, S. 67; Leventis, Tarifliche Differenzierungsklauseln, S. 68 ff. 73 Hierzu Zöllner, Maßregelungsverbote, S. 49 ff.; Hess, DB 1976,2469 (2473).

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6. Kap.: Rechtsnormen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

hierbei jeweils zwei verschiedene Dimensionen 74 • Sie wird nämlich z.T. als Schranke im Innenverhältnis der Tarifparteien herangezogen, um zu begründen, was eine Tarifpartei ihren Mitgliedern nicht zumuten kann 75 • Das Bundesarbeitsgericht tendiert dazu, die Unzumutbarkeit im Verhältnis der Koalitionen zueinander zur Geltung zu bringen 76.

Konzen wendet sich gegen die Berücksichtigung der Unzumutbarkeit, weil seiner Ansicht nach die Unzumutbarkeit als Schranke der Tarifmacht die gleiche Funktion habe wie die Grundrechtsbindung der Tarifparteien. "Das Gewirr von gleichgerichteten, bisweilen austauschbaren Rechtsfiguren" trägt seiner Ansicht nach nicht zur Rechtssicherheit bei 77. Diese Beurteilung erscheint zu negativ 78 und berücksichtigt nicht, daß die Grundrechte wie alle Verfassungsnormen nur von der Verfassung gezogene Schranken setzen, die sich durchaus nicht mit denen des einfachen Rechts decken müssen. Nicht alles, was verfassungsrechtlich Bestand hat, muß als Tarifregelung auch mit dem einfachen Gesetzesrecht und dem Richterrecht sowie den allgemeinen Rechtsprinzipien in Einklang stehen. Bezüglich der Unsicherheit, die durch die Generalklauselartigkeit der Unzumutbarkeit hervorgerufen wird, ist mit Blomeyer 79 davon auszugehen, daß diese nicht dazu führen kann, diese Schranke ganz zu verwerfen. Die Vorschrift des § 242 BGB als die dogmatische Grundlage der Unzumutbarkeit ist ihrerseits eine äußerst unbestimmte Generalklausel. Dennoch könnte dieser Vorschrift ihr Wert für die gesamte Rechtsordnung nicht abgesprochen werden, wenngleich sie diesen Wert erst durch die jahrzehntelange Konkretisierung durch Rechtsprechung und Literatur 80 erhalten hat. Die Unzumutbarkeit darf allerdings nicht als Schlagwort mißbraucht werden, um eine Inhaltskontrolle von Tarifverträgen vorzunehmen. Vielmehr ist die Unzumutbarkeit als spezielle Ausprägung des § 242 BGB 81 ebenso wie diese Vorschrift letztlich nur ein Rahmen, den es auszufüllen und zu konkretisieren gilt, und zwar anband von Wertungen, die sich in der Rechtsordnung und namentlich in der Arbeitsrechtsordnung finden lassen. Häufig wird die Unzumutbarkeit nur ein bereits aus anderen Erwägungen heraus gefundenes Ergebnis bestätigen. Sie kann nicht dazu führen, zu überprüfen, ob die Tarifparteien bei zulässigen Regelungen die Grenze des ökonomisch Vernünftigen eingehalten haben. Das wäre eine Vgl. Konzen, ZfA 1980, 77 (111). A. Hueck, Tarifausschlußklausel, S. 67; Bötticher, Gemeinsame Einrichtungen, S. 121 ff., 146 f.; ders., BB 1965, 1077 (1081 f.); Zöllner, Maßregelungsverbote, S. 50. 76 BAG AP Nr. 13 zu Art. 9 GG (Gr. Teil IV unter VII 4). 77 Konzen, ZfA 1980, 77 (118). 78 So bereits Loritz, ZfA 1982, 77 (100). 79 Blomeyer, ZfA 1980, 1 (15 ff.). 80 Zum Überblick statt aller Soergell Teichmann, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 2/1, § 242, Rn. 11 ff. . 81 Vgl. BAG AP Nr. 13 zu Art. 9 GG (Gr. Teil IV unter VII 4); Blomeyer, ZfA 1980, 1 (17). 74

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V. Unzumutbarkeit als tarifliche Schranke

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unzulässige Tarifzensur. Vielmehr kann es nur darum gehen, allgemeine Schranken zu ziehen, welche die Rechtsordnung jedem tariflichen Handeln setzen muß82. Es erschiene hierbei allerdings wenig sinnvoll, jede tarifliche Regelung, die bereits aus anderen speziellen Gründen unzulässig ist, etwa wegen Überschreitens der Grenze der Tarifrnacht zugleich als unzumutbar zu qualifizieren. Der Unzumutbarkeit kann vielmehr nur die Funktion beigemessen werden, einen Rahmen für diejenigen rechtlichen Wertungen zu geben, die sich entweder als grundlegende Verhaltenspflichten im Verhältnis der Rechtssubjekte untereinander durchgesetzt haben oder die die Machtausübung über andere begrenzen. Deshalb kann eine Klausel sowohl gegenüber den Mitgliedern einer Tarifpartei als auch im Verhältnis zum Tarifgegner unzumutbar sein. Die Unzumutbarkeit kann sich allerdings nicht schon allein aus der Belastung ergeben, weil der Vorteil einer Tarifpartei bzw. ihrer Mitglieder fast immer auf einer Leistungspflicht und damit einem wirtschaftlichen Einschnitt beim anderen Tarifpartner bzw. dessen Mitgliedern beruht. Die Unzumutbarkeit kann aber z. B. erreicht sein, wenn eine Tarifpartei der anderen etwas abverlangt, das diese bei ihrem künftigen Handeln in eine grundlegende Abhängigkeit von der Gegenseite brächte. Das wäre bei tariflichen Bemessungsvorgaben der Fall. Wird dem Arbeitgeber bereits das Recht zur alleinigen Bestimmung der Organisation und zur alleinigen Planung entzogen, dann kann es ihm künftig nicht einmal mehr gelingen, die Notwendigkeit von Personalumschichtungen und -einsparungen fundiert darzulegen und zu begründen. Jedes Dienstleistungsunternehmen - und solche sind auch die Unternehmen der Deutschen Bundespost in erster Linie - ist auf eine laufende Überprüfung der Effektivität des Personaleinsatzes angewiesen. Das Personal ist hier das "eigentliche unternehmerische Potential". Wenn die Arbeitnehmerseite hier ein tarifvertragliches Mitbestimmungsrecht erzwingen könnte, so würde die Arbeitgeberseite von ihr in vollem Umfang abhängig. Sie müßte in Tarifverträgen von seiten der Gewerkschaft stets mit dem Hinweis rechnen, man würde gegebenenfalls bei der Änderung und Anpassung der Bemessungsvorgaben "nicht mitmachen". Sie würde hierdurch erpreßbar. Eine Rationalisierungsmaßnahme einzuführen wäre dann für ein Unternehmen der Deutschen Bundespost sinnlos, wenn die Gewerkschaften sich weigerten, einer Änderung der einschlägigen Bemessungsvorgaben zuzustimmen. Die Tarifautonomie darf jedoch nur dazu dienen, im Rahmen einer möglichst optimal erreichten Gleichgewichtigkeit der Tarifvertragsparteien 83 Vereinbarun82 Zu eng erscheint die Formulierung Blomeyers (ZfA 1980, 1 [16]), wonach eine einzelfallbezogene Prüfung eines jeden Tarifvertrages auf Unzumutbarkeit nicht vertretbar wäre. Gemeint ist aber wohl nur, daß, wie auch hier vertreten wird, keine inhaltliche Tarifzensur vorgenommen werden darf. 83 Zum Gegenmachtprinzip bereits oben IV mit Fn. 64. Besonders deutlich wird dieses Gleichgewichtserfordemis im Arbeitskampf, wo die Parität eine zentrale Rolle spielt. Hierzu statt aller GoU, Arbeitskampfparität und Tariferfolg, S. 20 ff.; Rüthers, in: Brox / Rüthers, Arbeitskampfrecht, Rn. 166 ff.; Zöllner, Aussperrung, S. 30 ff.; aus der Rechtsprechung des BAG vgl. nur BAG AP NT. 43 und NT. 65 zu Art. 9 GG Arbeitskampf.

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6. Kap.: Rechtsnonnen und -prinzipien als Schranken der Tarifmacht

gen zu erzielen. Tarifrnacht darf hingegen nicht dazu mißbraucht werden, daß eine Tarifpartei versucht, diese Funktionsbedingungen außer Kraft zu setzen, indem sie sich Mitspracherechte im "internen Bereich" der anderen Tarifpartei sichert, die diese in eine Abhängigkeit bringen. Ebensowenig wie die Arbeitgeberseite im Tarifvertrag verlangen könnte, daß sie über die Maßstäbe der gewerkschaftlichen Planung mitbestimmt, so ist es auch der Gewerkschaftsseite nicht erlaubt, über Planungsmaßstäbe der Arbeitgeberseite mitzubestimmen. Dies ist im öffentlichen Dienst und namentlich bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost nicht anders als in privaten Unternehmen.

7. Kapitel

Bemessungsvorgaben als schuldrechtliche Regelungen? Können Bemessungsvorgaben als Betriebsnormen nicht wirksam vereinbart werden, so liegt die Frage nahe, ob sie vielleicht als schuldrechtliche Regelungen Eingang in einen Tarifvertrag finden können I. Eine solche Regelung könnte etwa dahingehend formuliert werden, daß das jeweilige Unternehmen der Deutschen Bundespost sich gegenüber der Deutschen Postgewerkschaft im Tarifvertrag verpflichten würde, Bemessungsvorgaben mit dieser auszuhandeln und tarifvertraglieh festzuschreiben. Da schuldrechtliche Vereinbarungen ausweislieh des § I Abs. I TVG nur Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien untereinander begründen, hätten dann die einzelnen Beschäftigten keinen Anspruch auf Einhaltung dieser Vorschriften. Klagen könnte nur die Gewerkschaft. Allenfalls könnte man daran denken, daß die Gewerkschaft einen schuldrechtlichen Vertrag zugunsten der einzelnen Beschäftigten abschließen würde, mit dem Inhalt, daß die Unternehmen der Deutschen Bundespost die Leistung nur nach bestimmten Bemessungsvorgaben von jedem Bediensteten verlangen dürften. Es muß klargestellt werden, daß die Deutsche Postgewerkschaft bloß schuldrechtliche Vereinbarungen nicht wünscht. Denn sie fordert ausdrücklich einen Tarifvertrag mit zwingend anwendbarem Recht, "das für die davon betroffenen Arbeitnehmer auch einklagbar ist" 2. Dennoch soll der Vollständigkeit halber der Frage nachgegangen werden, ob die Deutsche Postgewerkschaft auf schuldrechtli ehern Wege ihr Ziel erreichen könnte.

I. Der schuldrechtliche Teil des Tarifvertrages Allgemeine Bemerkungen Würden die Gewerkschaften die Mitbestimmung bei Bemessungsvorgaben in Gestalt einer schuldrechtlichen Vereinbarung fordern, so stellte sich die Frage, ob auch diesen Regelungen dieselben Grenzen der Tarifrnacht wie bei den TarifI Vgl. auch Hölters, Harmonie normativer und schuldrechtlicher Abreden in Tarifverträgen, S. 43, der generell eine tarifvertragliche Normsetzungsmöglichkeit nach § I TVG, die es der Gewerkschaft erlauben würde, an der untemehmerischen Planungs- und Koordinationsfunktion teilzunehmen, ablehnt und hier "von vornherein" auf die schuldrechtlichen Regelungen verweist. 2 Kohlmeier, in: Deutsche Post Nr. 14-15 vom 20.7.1989, S. 1.

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7. Kap.: Bemessungsvorgaben als schuldrechtliche Regelungen?

nonnen - hier in Gestalt von Betriebsnonnen - entgegenstehen. Die Frage ist in der Literatur seit Jahrzehnten umstritten. Eine verbreitete Ansicht bejaht dies und plädiert - zurückgehend auf Nipperdey 3 - für eine Hannonie nonnativer und schuldrechtlicher Abreden in Tarifverträgen 4 • Danach soll das, was nonnativ nicht geregelt werden kann, auch einer schuldrechtlichen Vereinbarung nicht zugänglich sein 5 • Namentlich Mayer-Maly6 und Säcker 7 haben nach Nipperdey zu begründen versucht, warum schuldrechtlich nicht regelbar sein könne, was einer nonnativen Regelung unzugänglich sei 8. Diese Ansicht hat erheblichen Widerspruch gefunden. Genannt seien vor allem Gamillscheg 9 , Hanau 10, Herschel II , H ölters 12, Wiedemann 13 und Zöllner 14. Vennittelnde Ansichten vertreten insbesondere Nikisch 15, Bötticher 16, Biedenkopj17 und Richardi 18. Diese Streitfrage kann im Rahmen dieser Arbeit offen bleiben, wenn, was im folgenden zu zeigen ist, die verschiedenen Ansichten, soweit hier von Interesse, zu demselben Ergebnis gelangen sollten. Wird eine solche Hannonie bejaht, muß man konsequenterweise auch eine schuldrechtliche Vereinbarung von Bemessungsvorgaben für unzulässig halten, weil die für nonnative Regelungen (vorliegend in Gestalt von Betriebsnonnen) aufgezeigten Grenzen dann auch hier gelten müssen. 3 Er erwähnte die Frage zunächst speziell für die Einziehung von Gewerkschaftsbeiträgen durch den Arbeitgeber, siehe Nipperdey, in: Dietz / Nipperdey, Die Frage der tarifvertraglichen Regelung der Einziehung von Gewerkschaftsbeiträgen durch die Betriebe, S. 42; in Hueck / Nipperdey, Arbeitsrecht Hf 1, S. 168 Fn. 34 und S. 330,337 f., begründet Nipperdey die These der Harmonie normativer und schuldrechtlicher Abreden als allgemein im Tarifrecht geltenden Grundsatz. 4 So der Titel von Hölters, Harmonie normativer und schuldrechtlicher Abreden in Tarifverträgen. 5 Mayer-Maly, BB 1966, 1067 (1068); Säcker, BB 1966, 1031; ders., RdA 1969,291 (294); vgl. auch dens., Kollektive Koalitionsfreiheit, S. 28 f. 6 Siehe Fn. 5. 7 Siehe Fn. 5. 8 Siehe die zusammenfassende Darstellung bei Hölters, Harmonie normativer und schuldrechtlicher Abreden in Tarifverträgen, S. 48 ff. 9 Gamillscheg, Die Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit, S.95; ders., BB 1967,45 (52). 10 Hanau, JuS 1969,213 (218). 11 Herschel, Referat zum 46. DJT, Bd. H, S. D 19. 12 Hölters, Harmonie normativer und schuldrechtlicher Abreden in Tarifverträgen, insbes. S. 58 ff. 13 Wiedemann, RdA 1969,321 (334); Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, § 1, Rn. 372. 14 Zöllner, BB 1968, 597, (601); ders., Differenzierungsklauseln, S. 40 ff.; ders., Arbeitsrecht, S. 315 f.; ferner vertritt auch Musa, BB 1966, 82 (85), eine ablehnende Ansicht. 15 Nikisch, RdA 1967, 87 (89). 16 BÖtlicher, Gemeinsame Einrichtungen, S. 142 (153 f.). 17 Biedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DJT, S. 97 (125 ff.). 18 Richardi, Kollektivgewalt, S. 199.

11. Maßstäbe für schuldrechtliche Regelungen

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Wer, wie die genannten Autoren 19, eine solche Harmonie nicht anerkennt, kommt dennoch nicht zwangsläufig zur Wirksamkeit der schuldrechtlichen Regelungen. Vielmehr wird auch von den Vertretern dieser Ansicht durchweg anerkannt, daß schuldrechtliche Regelungen auf Grenzen stoßen können. Zöllner hat dies dahingehend formuliert, daß ein vom Gesetzgeber mißbilligtes Ergebnis weder auf normativem noch auf schuldrechtlichem Wege erreicht werden dürfe 20. Soweit die vermittelnden Ansichten vorwiegend auf eine Beeinträchtigung der Außenseiter abstellen, um Grenzen der schuldrechtlichen Regelungsbefugnisse herzuleiten 21, sind sie hier nicht weiter von Interesse, weil Bemessungsvorgaben zu keiner unmittelbar nachteiligen Beeinträchtigung der Außenseiter führen würden. Entscheidend ist, daß einer Tarifpartei bei schuldrechtlichen Regelungen kein Freiraum zustehen kann, der es ihr ermöglichte, etwas zu vereinbaren, was von der Rechtsordnung inhaltlich nicht gebilligt wird. Würde man dies zulassen, so hätten die Schranken der Tarifautonomie in weiten Bereichen keinen Sinn, weil die Tarifparteien gerade bei Firmentarifverträgen häufig einen Weg finden könnten, den Arbeitgeber zu verpflichten, sich so zu verhalten, daß das auf normativem Wege unerreichbare Ergebnis dennoch herbeigeführt würde. Dies müssen auch die Vertreter der vermittelnden Ansichten anerkennen. Es erscheint deshalb zutreffend, die Wirksamkeit auch der schuldrechtlichen Regelungen daran zu messen, ob das von ihnen bezweckte Ergebnis von der Rechtordnung gebilligt werden kann oder nicht. Es ist hier also zu untersuchen, ob die Argumente, die normative Regelungen in Gestalt der Betriebsnormen für unzulässig erscheinen lassen, auch bei schuldrechtlichen Abreden herangezogen werden können. 11. Die bei Betriebsnormen geltenden Unzulässigkeitsgründe als Maßstäbe für schuldrechtliche Regelungen Tarifvertraglichen Bemessungsvorgaben stehen, wie sich aus den bisherigen Ausführungen ergibt, sehr verschiedene Unzulässigkeitsgründe entgegen. Sie können, wie dargelegt, in drei große Kategorien eingeteilt werden, nämlich in die Überschreitung der personellen Grenzen der Tarifrnacht, die Überschreitung der sachlichen Grenzen der Tarifrnacht und in den Verstoß gegen einzelne Vorschriften und Grundsätze der Rechtsordnung.

Siehe die Nachweise in Fn. 9-14. Zöllner, Differenzierungsklauseln, S. 40 f.; ihm folgend Wiedemann / Stumpf, Tarifvertragsgesetz, § 1, Rn. 372; im Ergebnis gleicher Ansicht Koller, ZfA 1978,45 (66). 21 So insbes. Nikisch, RdA 1967, 87 (89); Bötticher, Gemeinsame Einrichtungen, S. 142 (153 f.), und Biedenkopf, in: Verhandlungen des 46. DIT, S. 97 (125 ff.). 19

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7. Kap.: Bemessungsvorgaben als schuldrechtliche Regelungen? 1. Die personellen Grenzen der Tarifmacht

Bei den personellen Grenzen der Tarifrnacht stehen zwei Aspekte einer Regelung aufgrund von Betriebsnormen entgegen, einmal der Gesichtspunkt, daß die Tarifparteien die Arbeitsplätze der Außenseiter generell nicht regeln können 22 , zum anderen, daß sie schon aus verfassungsrechtlichen Gründen, aber auch aufgrund einfachgesetzlicher Festlegungen eine Kompetenz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Beamten nicht besitzen. Soweit sich die Schranke der Tarifrnacht daraus ergibt, daß die Regelung der Rechtsverhältnisse der Beamten einer Einflußnahme Dritter unzugänglich ist, gilt dies uneingeschränkt auch im Verhältnis zu schuldrechtlichen Absprachen. Denn hier ist schon der Inhalt, daß eine Gewerkschaft in die Organisationsgewalt des Staates und somit in die Rechtsverhältnisse der Beamten eingreifen könnte, unzulässig. Dies muß unter allen Umständen vermieden werden. Anders könnte sich die Situation bezüglich der personellen Grenzen der Tarifrnacht darstellen, soweit diese darin begründet liegen, daß die Gewerkschaften die Arbeitsplätze der Außenseiter generell nicht gestalten dürfen. Der Grund für die Unzulässigkeit einer entsprechenden Betriebsnorm liegt darin, daß Außenseiter die Freiheit haben müssen, selbst mit dem Arbeitgeber ihre Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Soweit die Freiheit der Außenseiter bei schuldrechtlichen Regelungen gewahrt bleibt, bestehen deshalb die gegen Betriebsnormen (die zwingend für alle Arbeitnehmer gelten würden) vorgebrachten Bedenken nicht. Würde etwa eine Tarifklausel vereinbart, wonach der Arbeitgeber Außenseitern nur die Möglichkeit anböte, auf Wunsch einen Arbeitsplatz, der entsprechend den tariflichen Bemessungsvorgaben ausgestaltet ist, einzurichten, aber Abweichungen hiervon zulässig wären, so wäre dies nicht zu beanstanden. Jedenfalls aus dem genannten Aspekt der personellen Begrenzung der Tarifrnacht wäre dann eine Schranke nicht herzuleiten. Es kommt insofern darauf an, ob einer schuldrechtlichen Regelung eine sachliche Schranke und / oder eine sonstige Grenze der Tarifrnacht entgegensteht.

2. Die sachlichen Grenzen der Tarifmacht

Die sachlichen Grenzen der Tarifrnacht stützen sich darauf, daß die Tarifautonomie generell nicht in den Bereich der unternehmerischen Organisation und Planung eingreifen darf 23 • Diese Schranke ist inhaltlicher Art und schützt den Arbeitgeber vor einem Einfluß der Gewerkschaften. Dieser Schutz besteht unabhängig davon, in welcher Form dieser Einfluß stattfindet. Da auch schuldrechtliche Tarifregelungen erstreikt werden können 24, wäre die Gefahr für die unterneh22 23

Siehe oben 2. Kapitel 1. Siehe oben 4. Kapitel.

11. Maßstäbe für schuldrechtliche Regelungen

127

merische Autonomie nicht geringer als bei normativen Regelungen. Auch hier handelt es sich um eine inhaltliche Schranke, die bei schuldrechtlichen Regelungen in gleicher Weise wie bei normativen gelten muß und auch schuldrechtliche Regelungen unzulässig macht.

3. Die dem öffentlichen Recht, namentlich dem Verfassungsrecht entspringenden Schranken der Tarifautonomie

Auch die aus der Verfassung, namentlich aus dem Schutz der Organisationsgewalt des öffentlichen Dienstherren und aus der Institution des Berufsbeamtentums hergeleiteten Schranken der Tarifmacht 25 müssen gleichermaßen gegenüber schuldrechtlichen Tarifregelungen wie gegenüber Betriebsnormen gelten. Denn diese sogar mit Verfassungsrang ausgestatteten Rechtsgüter dürfen auch durch schuldrechtliche Regelungen nicht angetastet werden.

4. Die sonstigen Schranken der Tarifautonomie

Die sonstigen Schranken der Tarifautonomie wurden ebenfalls durchweg aus inhaltlichen Gründen abgeleitet, die ohne Rücksicht auf die rechtliche Verwirklichung der von den Gewerkschaften gewollten Zielsetzungen gelten müssen. Dies gilt sowohl für die Schranken, die sich daraus ergeben, daß die Rechtsordnung die Mitsprache des Personals abschließend regelt und eine Mitsprache bei Planungsentscheidungen gezielt auf ganz enge Bereiche beschränkt und zudem die Mitbestimmungsrechte als nicht erweiterbar ausgestattet hat 26 als auch durch die aus tragenden Grundsätzen des Arbeitsrechts hergeleiteten Grenzen der Tarifmacht 27 • Nicht anders ist es bei den Schranken, die sich aus den gesamtwirtschaftlichen Zielsetzungen 28 und dem Gemeinwohlgedanken 29 ergeben. Auch hier ist nicht die Art und Weise der Regelung, sondern ihr sachlicher Gehalt von der Rechtsordnung nicht hinnehmbar, gleichgültig, ob er durch eine Betriebsnorm oder durch eine schuldrechtliche Regelung verwirklicht wird. Dies gilt auch, soweit sich eine Grenze aus der Unzumutbarkeit ergibt 30. Denn auch diese ist rein inhaltlicher Art.

24 Statt aller Seiter, Streikrecht und Aussperrungsrecht, S. 488 ff.; Rüthers, in: Brox / Rüthers, Arbeitskampfrecht, Rn. 260 ff., jeweils m. W.N.

25 26 27 28 29

30

Siehe oben 3. Kapitel V. Oben 6. Kapitel I. Oben 6. Kapitel 11. Oben 6. Kapitel III. Oben 6. Kapitel IV. Oben 6. Kapitel V.

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7. Kap.: Bemessungsvorgaben als schuldrechtliche Regelungen? 5. Zusammenfassung

Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Bemessungsvorgaben auch nicht im Wege der schuldrechtlichen Absprachen geregelt werden können. Soweit inhaltliche Gesichtspunkte Betriebsnormen entgegenstehen, gelten sie in gleicher Weise bei schuldrechtlichen Absprachen.

8. Kapitel

Ergebnisse 1. Die tarifvertragliche Mitbestimmung bei Bemessungsvorgaben und deren Regelung in einem Tarifvertrag dergestalt, daß sie Geltung für alle Arbeitnehmer haben, könnte, wenn überhaupt, allenfalls in Form von Betriebsnormen i. S. d. § 3 Abs. 2 TVG geschehen. Dann würden die Dienstposten aller Arbeitnehmer, auch die der nicht tarifgebundenen, durch Tarifvertrag ausgestaltet, ohne daß der Dienstherr noch die Möglichkeit zu einer Abweichung hätte. Dies fordert auch die Deutsche Postgewerkschaft. Da zudem bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost zahlreiche Dienstposten so eingerichtet werden müssen, daß darauf abwechselnd Beamte und Arbeitnehmer beschäftigt werden können, und da viele Dienstposten bezüglich des Arbeitsablaufs eng voneinander abhängen, würden deshalb tarifliche Bemessungsvorgaben rein tatsächlich dazu führen, daß auch die Dienstposten zahlreicher Beamter nicht allein vom Dienstherrn, sondern nur noch entsprechend den tarifvertraglichen Vorgaben ausgestaltet werden könnten. 2. Dem setzen die personellen Grenzen der Tarifautonomie eine Schranke. Sie wurden zwar bislang bei Betriebsnormen vorwiegend unter dem Aspekt untersucht, ob Regelungen erlaubt sind, die auch die Außenseiter belasten, was bei Bemessungsnormen durchweg nicht der Fall ist. Jedoch kann, da heute der Tarifvertrag längst nicht mehr nur ein Mittel ist, um die Position einer entrechteten Arbeitnehmerschaft gegenüber dem Arbeitgeber zu verbessern, eine auch für Außenseiter wirkende Tarifnorm nicht allein deshalb Bestand haben, weil sie die Rechtsstellung der Arbeitnehmer gegenwärtig nicht verschlechtert. Ein Arbeitnehmer, der nicht der Gewerkschaft beitritt, gibt zu erkennen, daß er diese als seine Interessenvertreterin und Repräsentantin nicht anerkennt und seine Position allein gegenüber dem Arbeitgeber, jedenfalls in gewissem Umfang, zu gestalten wünscht. Die personellen Grenzen der Tarifrnacht setzen deshalb dem gewerkschaftlichen Handeln zwar nicht bei jeder Regelung Schranken, die mittelbar auch die Außenseiter in irgendeiner Form erfaßt, aber doch bei solchen Tarifnormen, die die Arbeitsplätze insgesamt zu einem wesentlichen Teil auch für die Außenseiter verbindlich gestalten würden. Das wäre bei Bemessungsvorgaben der Fall. Sie sind deshalb unzulässig, weil die Gewerkschaft die personellen Grenzen der Tarifrnacht überschreiten würde. Dies vertrüge sich auch mit der negativen Koalitionsfreiheit der Außenseiter nicht. 9 Loritz

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8. Kap.: Ergebnisse

3. Im öffentlichen Dienst gibt es eine zusätzliche personelle Schranke dadurch, daß keine Tarifregelungen vereinbart werden können, durch welche zugleich die Dienstposten der Beamten mitgestaltet würden. Denn auch hierfür fehlt den Gewerkschaften die Legitimation. 4. Tarifvertragliehe Bemessungsvorgaben stoßen auch an sachliche Grenzen der Tarifautonomie. Wie bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen, so setzen auch bei Arbeitsverhältnissen des öffentlichen Arbeitgebers dessen Organisationsund Planungsfreiheit als Teile seiner Organisationsgewalt der Tarifmacht Grenzen. Es brauchte nicht entschieden zu werden, wo die Grenzen für die Unternehmensautonomie im einzelnen zu ziehen sind. Die Grenze besteht jedenfalls dort, wo der Arbeitgeber seine Planungsentscheidungen im Vorfeld der erst zu realisierenden unternehmerischen Sachentscheidungen nicht mehr alleine treffen könnte. Den Tarifparteien fehlt die sachliche Zuständigkeit, in die unternehmerische Planung einzugreifen. Denn Tarifautonomie hat die Aufgabe, eine Gegenmacht der tarifgebundenen Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber zu bilden und die Arbeitsverhältnisse, also die Rechtsbeziehungen der tarifgebundenen Arbeitnehmer zum Arbeitgeber, zu regeln. Planung, die nicht Bestandteil der Arbeitsverträge wird, ist allein Sache des Unternehmers. Denn es ist ja nicht zwingend, daß der Unternehmer die Planung überhaupt umsetzt und daß im Wege der Planung in bestimmter Art und Weise ausgestaltete Arbeitsplätze überhaupt mit tarifgebundenen Arbeitnehmern besetzt werden. Diese Grenzen der Tarifautonomie sind generell auch im öffentlichen Dienst zu beachten und zumal bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost, die kraft Gesetzes zu wirtschaftlichem Handeln verpflichtet sind. 5. a) Eine besondere sachlich-inhaltliche Schranke erfahrt die Tarifautonomie im öffentlichen Dienst. Hierbei ist davon auszugehen, daß die Deutsche Bundespost, obwohl sie insbesondere nach der Neustrukturierung weithin unternehmerisch organisiert ist, dennoch nach Art. 87 Abs. I GG unmittelbare Bundesverwaltung und als solche generell an die der Verwaltung durch die Verfassung und das einfache Gesetzesrecht gesetzten Vorgaben gebunden ist. Dazu gehört, daß die Organisationsgewalt, mit Ausnahme der gesetzlichen Mitbestimmung im Rahmen des Personalvertretungsrechts, ausschließlich in den Händen der Exekutive, gegebenenfalls unter Einflußnahme der Legislative liegt, wobei eine Abgrenzung der Verteilung der Organisationsgewalt zwischen diesen beiden Staatsgewalten für die vorliegende Thematik nicht von Bedeutung ist. Entscheidend ist, daß allein staatliche Organe und nicht Dritte, auch nicht eine Tarifpartei, ,,(Mit-) Träger" dieser Gewalt sein können. Das bedeutet, daß allein staatliche Organe die innere Ordnung der Dienststellen des Staates und ihre personelle und sachliche Ausgestaltung festlegen. Hierzu gehört auch die Festlegung des Personal bestandes sowie die Verteilung der einzelnen anfallenden

8. Kap.: Ergebnisse

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Aufgaben auf die verschiedenen Bediensteten. Eine auch nur teilweise Übertragung dieser der Organisationsgewalt inhärenten Befugnisse auf eine Tarifpartei ist verfassungsrechtlich und aufgrund der dem einfachen Gesetzesrecht zu entnehmenden Grundsätze und Wertungen unzulässig. Die Tarifautonomie umfaßt diesen Bereich insoweit von vornherein nicht. Auch die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns (Art. 33 Abs. 5 GG) gebieten, daß die Rechtsverhältnisse der Beamten nicht nur abstrakt durch gesetzliche und untergesetzliche Rechtsnormen allein von staatlicher Seite, also vom Gesetzgeber und der Exekutive, geregelt werden, sondern daß dies auch gilt, soweit es um die konkrete Bestimmung der dem einzelnen Beamten zugewiesenen Aufgaben und Funktionen und um die Art und die Zeit ihrer Verrichtung geht. Weder der Dienstherr noch der oberste Dienstvorgesetzte kann einen Teil dieser Organisationsgewalt mit nichtstaatlichen Personen oder Organisationen teilen, und er kann sich auch nicht durch Tarifvertrag eines Teils dieser Organisationsgewalt begeben. b) Die Unternehmen der Deutschen Bundespost werden, wie die gesamte staatliche Verwaltung, vom Bundesrechnungshof überprüft. Dessen Tätigkeit, die maßgeblich auch dazu dient, dem Parlament, der Bundesregierung und dem Bundeskanzler eine wirksame Kontrolle zu ermöglichen, könnte weithin praktisch keine Auswirkungen mehr haben, wenn im Bereich der Personalbedarfsplanung die Unternehmen der Deutschen Bundespost durch tarifliche Regelungen gehindert würden, den Personalbedarf und Personaleinsatz überhaupt alleine und damit unabhängig vom Einfluß der Gewerkschaften zu ermitteln und festzulegen. Der Tarifvertrag würde sie dann oftmals auch daran hindern, Beanstandungen des Bundesrechnungshofes und politischen Zielvorgaben des Parlamentes und der Bundesregierung Rechnung zu tragen. 6. Zahlreiche Rechtsnormen und Rechtsprinzipien setzen der Tarifautonomie im Bereich der Bemessungsvorgaben zusätzliche Schranken. a) Eine Grenze tariflicher Handlungsmöglichkeiten ergibt sich daraus, daß die Mitbestimmung des Personals durch die gesetzliche Anordnung der Mitbestimmung der Personalseite in den Aufsichtsräten der Postunternehmen im Postverfassungsgesetz einerseits und durch die personalvertretungsrechtliche Mitbestimmung im Bundespersonalvertretungsgesetz andererseits abschließend geregelt ist. Das Personal wurde hier gezielt von einer durchsetzbaren Mitbestimmung im Bereich der Planung des Dienstherrn ferngehalten. Eine solche Mitbestimmung kann auch nicht durch Tarifvertrag eingeführt und gegebenenfalls sogar durch Arbeitskampf erzwungen werden. Da auch in privaten Unternehmen der Arbeitgeber das Recht haben muß, al/eine die für seine Planung erforderlichen Daten zu 9·

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8. Kap.: Ergebnisse

ennitteln und das Personalbedarfskonzept festzulegen, stellt die Mitbestimmungsfreiheit dieses Bereiches bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost durchaus keine Besonderheit dar, sondern ist in einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, die einen unternehmerischen Freiraum anerkennt, systemkonfonn. b) In der Arbeitsrechtswissenschaft werden weiterhin die tragenden Grundsätze des Arbeitsrechts als Schranke der Tarifautonomie genannt. Dazu gehört, daß eine dauerhafte Unternehmensrentabilität ohne realitätsbezogene Arbeitgeberplanung, die sich nur frei von tarifvertraglicher Mitsprache durchführen läßt, erheblich gefahrdet würde. Auch bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost stünde eine tarifvertragliche Festlegung bereits der Planung, zu der zu einem wesentlichen Teil die Planung des Personalbedarfs und des Personaleinsatzes gehören, dem Ziel eines effektiven Wirtschaftens diametral entgegen; denn die Unternehmen der Deutschen Bundespost müssen, wie alle florierenden Unternehmen, Gewinnerzie1ung über den aktuellen Ennittlungszeitraum hinaus anstreben, wozu sie das Postverfassungsgesetz in § 37 sogar ausdrücklich verpflichtet. Demgegenüber wird der Tarifvertrag, wie dargelegt, primär die aktuelle Situation vor Augen haben. Hinzu kommt, daß durch tarifvertragliche Festlegung der Bemessungsvorgaben sämtliche durch Maschineneinsatz bedingte und sonstige Rationalisierungen und der damit einhergehende Arbeitsplatzabbau verhindert werden könnte. Die Pflicht zur Gewinnerzielung, wie sie § 37 PostVerfG vorschreibt, aber auch die für das freie Unternehmertum selbstverständliche Möglichkeit der Gewinnerzielung und die Möglichkeit zur Rationalisierung hängen untrennbar zusammen. Eine tarifvertragliche Bemessungsvorgabe würde diesen Zusammenhang aufheben. Deshalb verstieße sie gegen ein Grundprinzip unserer freien Wirtschaftsordnung, das insoweit auch für die Unternehmen der Deutschen Bundespost gilt. c) Auch gesamtwirtschaftliche Zielsetzungen setzen der Tarifautonomie eine Grenze. Sie liegt dort, wo tarifliches Handeln den Wettbewerb in einem Bereich verhindern würde, in dem er nicht speziell wegen der Möglichkeit der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sich zur Bildung einer Gruppenmacht jeweils zusammenzuschließen, ausgeschlossen ist. Das ist er nur dort, wo sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt als Nachfrager und Anbieter von Arbeitsleistungen gegenübertreten. Solange der Arbeitgeber aber nur intern den Umfang des Bedarfs nach Arbeitleistungen planerisch ennittelt, darf ihn die Arbeitnehmerseite hieran nicht hindern, weil er ansonsten keine realitätsbezogene Planung, die erst die Wettbewerbsfähigkeit seines Unternehmens dauerhaft sichert, vornehmen könnte. Dieser Gedanke muß auch bei den Unternehmen der Deutschen Bundespost gelten. Er wird, da die Deutsche Bundespost öffentliche Verwaltung ist, sogar noch verstärkt. Denn verhinderte Planung und eine daraus resultierende

8. Kap.: Ergebnisse

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schlechte Wirtschaftslage würde die Allgemeinheit, namentlich die Postbenützer, treffen. In den Bereichen, in denen die Unternehmen der Deutschen Bundespost im Wettbewerb mit anderen Anbietern stehen, sind deshalb Tarifabsprachen nicht erlaubt, die bereits das für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit Elementarste unterbinden würden, nämlich die vom Unternehmer nach seinen Vorstellungen vorzunehmende Ermittlung der erforderlichen Daten. d) Aus Gründen des Gemeinwohls kann im gesamten Bereich des öffentlichen Dienstes generell die Personalplanung und -organisation nicht durch Tarifvertrag geregelt werden, weil die Funktionsbedingungen der Tarifautonomie hier insoweit nicht vorliegen. Der Arbeitgeber ist im Bereich der Privatwirtschaft nämlich vor überzogenen, wirtschaftlich absolut unvernünftigen und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gröblich schädigenden Forderungen in rein tatsächlicher Hinsicht dadurch geschützt, daß stets die Unrentabilität des Unternehmens und sein dadurch drohendes Ausscheiden aus dem Markt, verbunden mit dem Verlust aller Arbeitsplätze, im Hintergrund stehen. Das ist im öffentlichen Dienst nicht der Fall. Auch deshalb darf hier die Tarifautonomie im Bereich der Personalplanung und -organisation als ein für die Kostenstruktur wesentlicher Bereich grundsätzlich nicht der Personalseite überlassen werden. e) Die Tarifautonomie findet eine weitere Schranke in der Unzumutbarkeit. Könnten die Gewerkschaften bereits in die Personalplanung des Arbeitgebers eingreifen und für ihn verbindliche Schranken setzen, so käme dieser in eine Abhängigkeit, weil es ihm nicht mehr möglich wäre, eventuell durch Rationalisierungen die Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens zu erhöhen. Darum kann ein Tarifvertrag den Arbeitgeber nicht bereits an der alleinigen Ermittlung der erforderlichen Daten hindern. Dies gilt für den öffentlichen Dienst in besonderer Weise. 7. Die gefundenen inhaltlichen Schranken stehen durchweg auch sehuldreehtliehen Tarifregelungen entgegen. Lediglich die aus den personellen Grenzen der Tarifrnacht hergeleiteten Schranken würden bei schuldrechtlichen Regelungen nicht gelten, wenn diese Außenseiter und auch Beamte gezielt nicht mit einbezögen, den Arbeitgeber also nicht verpflichten würden, die Bemessungsvorgaben auch bei deren Arbeits- bzw. Dienstverhältnissen anzuwenden. Aus rein praktischen Gründen könnte dann die Gewerkschaft aber ihr Ziel, die Dienstposten und den gesamten Personalbedarf für die Unternehmen der Deutschen Bundespost verbindlich festzulegen, nicht erreichen.

Literaturverzeichnis Altheim: Verrichtung von Streikarbeiten durch Beamte?, ZBR 1974, 373.

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