Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz: Münster, 1937 [Reprint 2021 ed.] 9783112459041, 9783112459034

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Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz: Münster, 1937 [Reprint 2021 ed.]
 9783112459041, 9783112459034

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TAG FÜR DENKMALPFLEGE UND HEIMATSCHUTZ MÜNSTER i.W. 1937 Tagungsbericht

Berlin 1938

DEUTSCHER KUNSTVERLAG

INHALT VORBEMERKUNG.

......................................................................

I

ERSTER TAG BEGRÜSSUNGSANSPRACHEN........................................................................3 Oberbürgermeister Hillebrand, Landeshauptmann Haake, Ministerialrat D. Dr. Hiecke, Stellvertr. Gauleiter Stangier, Ministerialrat Prof. Dr. Schmidt, Oberregierungsrat Dr. Klose, Landeshauptmann Kolbow

STRASSE UND LANDSCHAFT......................................................................18 Regierungsbaurat Schurhammer, Bonndorf

ZWEITER TAG HEIMATSCHUTZ UND SIEDLUNG........................................................... 26 Ministerialrat Prof. Dr. Schmidt, Berlin

3g

ORDNUNG UND SCHÖNHEIT IM DORFBILD Prof. Dr. H. Schwenkel, Stuttgart

DIE SÄUBERUNG DES STADTBILDE S VON STRALSUND . als Beispiel von grundsätzlicher Bedeutung

53

Dr. Werner Lindner, Berlin 60

DER INDUSTRIEMENSCH UND SEINE WOHNUNG Dr. Wilhelm Brepohl, Gelsenkirchen. Mit 8 Bildern

RAUMORDNUNG.............................................................................................................. 74 Ministerialrat Dr. Jarmer, Berlin

DRITTER TAG DIE AUFGABEN DER DENKMALPFLEGE IN MÜNSTER

.

8l

Provinzialkonservator Dr. Rave, Münster

HEIMAT SCHAFFEN DE ERZEUGUNG........................................................... 98 Hugo Kükelhaus, Berlin

DIE ERZIEHERISCHE BEDEUTUNG DES HEIMBAUES DER HITLERJUGEND....................................................................................... 109 Bannführer Heinrich Hartmann

DIE INVENTARISATION DER BAU- UND KUNSTDENK­ MÄLER IN DEUTSCHLAND............................................................................. 124 Dr. Hans Reinhold, Berlin

VORBEMERKUNG Der „Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz, Münster 1937" war dem Thema „Heimat und Siedlung" gewidmet.

Der vorliegende Tagungsbericht bringt die gehaltenen Vorträge in der Reihenfolge

des Tagungsprogramms.

Ich bin der festen Überzeugung/ daß die 1937 gesprochenen Worte für die prak­ tische Heimatpflege auch heute noch ihre Bedeutuug haben.

Düsseldorf/ November 1938

MONTAG, zo. AUGUST BEGRÜSSUNGSANSPRACHEN Oberbürgermeister Hillebrand: Der Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz

sieht Sie hier versammelt und als Oberbürgermeister der Stadt Münster begrüße ich Sie

auf das herzlichste im Namen der Bürger und der Stadtverwaltung. Ich darf zunächst

beiden Verbänden danken/ daß sie ihre Tagung hier nach Münster verlegt haben, und ich begrüße alle Mitglieder des Deutschen Bundes Heimatschutz, die unter dem Vorsitz des

Pg; Landeshauptmann Haake, und die Mitglieder des Deutschen Denkmalpflegetages, die unter ihrem Leiter, Ministerialrat Dr. Hiecke, hier anwesend sind. Ich habe die Ehre, sämt­

liche Vertreter von Staat und Partei zu begrüßen, sowie die Vertreter von Wehr- und

Luftmacht. Insbesondere gilt mein Gruß aber dem Vertreter unseres leider verhinderten Reichsstatthalters und Gauleiters Dr. Meyer Pg. Stangier. Daß wir hier in Münster Denkmal- und Heimatpflege treiben, brauche ich Ihnen im einzelnen nicht darzulegen. Sie

werden bei Ihren Gängen durch die Stadt dafür genügend Beweise finden und Impulse erhalten. Unter Heimatpflege verstehe ich auch, mich kurz zu fassen, weil dies dem Brauch­

tum der Münsterländer entspricht. Ich darf Ihnen viele Anregungen wünschen in diesen Arbeitstagen und einen recht angenehmen Aufenthalt in unserer schönen Heimat- und

Provinzialhauptstadt Münster.

Landeshauptmann Haake: Wir stehen heute im fünften Jahre des nationalsoziali­

stischen Aufbaues. Nachdem die politischen Kräfte sich geordnet und ausgerichtet haben auf

das gemeinsame Ziel eines ewigen Deutschlands, ist die Zeit gekommen, daß die inneren

Kräfte sich sammeln um auf kulturellem und wirtschaftlichem Gebiete auf eine Einheit hinzuwirken. Wir Männer vom Heimatschutz und von der Denkmalpflege haben uns stets als Hüter und Männer zur kulturellen Erneuerung gefühlt. Unser Wirken war stets ein

Kampf gegen den Unverstand einer liberalistischen Zeit, in der aus billigen Beweggründen die Gedanken der Tradition mit Füßen getreten wurde. Der Kampf um die deutsche Heimat hat uns zu einer Gemeinschaft zusammengeführt, deren Stärke auch heute wieder aus

dieser starken Beteiligung an dieser Tagung in Münster offenbar wird. Diese Gemeinschaft

wird sich wie bisher auch weiterhin bestens bewähren. Ich begrüße alle, die hier zu dieser

Tagung in der herrlichen Stadt Münster, Westfalens Hauptstadt, zusammengekommen sind. Herzlichen Gruß entbiete ich im besonderen Pg. Stangier, der als Vertteter des Reichsstatthalters und Gauleiters Dr. Meyer es sich nicht hat nehmen lassen, hier unter

uns zu weilen. Ihre Anwesenheit, Pg. Stangier, ist uns ein deutliches Zeichen für die An­ erkennung, die unsere Arbeit auch innerhalb der Partei gefunden hat. Willkommen heiße ich Sie, Herr Ministerialrat Dr. Hiecke als Vertreter des Reichserziehungsministers und

Sie, Herr Ministerialrat Dr. Conrad als Vertteter des Reichs- und Preuß. Ännenmini-

4 sters. Ihre Anwesenheit auf dieser Tagung zeugt von dem Interesse, das Sie der Denkmal­ pflege und dem Heimatschutz entgegenbringen und dieser Initiative verdanken wir die Ge­

währ für eine zielbewußte und ruhige Arbeit in der Zukunft. Ich begrüße des weiteren

Herrn Generalmajor Frhr. von Diersburg als Vertreter des Herrn Reichskriegsministers und des K. General des VI. A.K. und Befehlshaber im Wehrkreis VI. Herr Ministerialrat

Prof. Dr. Schmidt ist als Vertreter das Reichsarbeitsministers hier erschienen und uns

seit langem in unserer Bewegung bestens bekannt. Ebenfalls als Mitkämpfer bekannt,

begrüße ich Herrn Oberbaurat Pape als Vertreter des Preuß. Finanzministers und Herrn Oberregierungsrat Klose als Vertreter des Reichsforstmeisters. Ich begrüße ferner Herrn

Ministerialdirektor Dr. Jarmer als Vertreter der Reichsstelle für Raumordnung und

Herrn Regierungsbaurat Lorenz als Vertreter für den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen Dr. Todt, ferner Herrn Dr. Kulke für das Stabsamt des Reichsbauern­

führers. Sie alle bekunden durch Ihre Anwesenheit Ihre unmittelbare Anteilnahme an

unseren Bestrebungen schon seit Jahren. Wir hoffen, daß dieses Zusammenarbeiten sich

in der Zukunft noch verstärkt. Mein Gruß gilt weiterhin den Vertretern der NSDAP.,

neben dem stellv. Gauleiter, dem Kreisleiter für Münster, Pg. Mierig, Obergruppenführer Krüger als Vertreter des Chefs der Deutschen Polizei und des Reichsführers SS. Himm­ ler, Dr. Bösken als Vertreter des leider abwesenden Gebietsführers Langanke, Amtsleiter

Pg. Klemme als Vertreter der Deutschen Arbeitsfront und ihres Leiters Dr. Ley, endlich den Oberstarbeitsführer Stoll als Vertreter des Reichsarbeitsführers. Ich bin hocherfreut, daß so viele Persönlichkeiten aus der Partei und von den Ministerien aus dem ganzen

Reich und aus allen Ländern zu uns gekommen sind. Mit der Jugend verbindet uns ein besonderes Gefühl. Sie ist vielleicht an Erfahrungen nicht so reich wie wir alten Heimat-

schützler, aber in der Liebe zur deutschen Heimat wird sie sich bestimmt von uns nicht über­ treffen lassen. Wir hoffen zuversichtlich, daß gerade aus ihren Reihen uns noch viele Mit­

streiter kommen werden. Mein besonderer Gruß gilt weiter dem Herrn Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, Frhr. von Lüninck, dessen Gäste wir heute abend sind. Der Herr Ober­ präsident ist leider durch eine militärische Übung an der Teilnahme verhindert, wird aber

durch Herrn Vizepräsidenten Goedeke vertreten. Ein herzliches Willkommen allen noch nicht genannten Vertretern hoher Behörden des Reichs, der Länder und Provinzen, der deutschen Wirtschaft, der nationalsozialistischen Organisationen, Verbände, gemeinnützigen

Körperschaften usw., mit denen wir in engster Arbeit zusammenstehen, und die sich alle

für die Erhaltung und Gestaltung des Heimatschutzes einsetzen. Mit Dankbarkeit begrüße ich Herrn Landeshauptmann Kolbow in seiner doppelten Eigenschaft als Landeshauptmann

der Provinz Westfalen und Leiter des Westfälischen Heimatbundes und als Vertreter des Deutschen Gemeindetages. Sein uneigennütziges zielbewußtes Wirken auf dem Gebiete der Heimatpflege war es, das mich dazu bewog, den Tag für Denkmalpflege und Heimat-

schütz 1937 in Münster stattfinden zu lassen. Wir sind gerne zu Ihnen gekommen/ Pg. Kolbow, weil wir wissen/ daß Sie sich mit Leib und Seele unserer Aufgabe verschrieben haben. Sie sind unö eine starke Stütze auf dem Gebiete des Heimatschutzes und wir alle

wissen/ mit welcher Begabung und Begeisterung Sie mit diesen Zielen vor die große

Öffentlichkeit getreten sind. Unser Dank gilt gleichzeitig Ihren Mitarbeitern vom West­ fälischen Heimatbund und den Herren der Westfälischen Provinzialverwaltung/ denen wir

es verdanken, daß wir diesen Tag in einem besonders festlichen und würdigen Rahmen be­ gehen können. Die stattliche Buchgabe, die Sie allen übermittelt haben, legt ein deutliches

Zeugnis ab von dem Wirken in der Provinz Westfalen auf dem Gebiete der Denkmal­

pflege und des Heimatschutzes. Wir danken Ihnen für die kostbare Übereignung und bitten

Sie, unseren Dank Ihren Mitarbeitern für ihre selbstlose Tätigkeit im Dienste unserer

Tagung freundlichst zu übermitteln. Dank und Gruß auch Herrn Oberbürgermeister Pg. Hillebrand für die Gastfreundschaft und liebenswürdige Aufnahme in der ehrwürdigen Stadt Münster. Die Stadt Münster hat uns ebenfalls mit einer Buchgabe bedacht, wofür

wir unseren herzlichen Dank aussprechen. Mein weiterer Gruß gilt Herrn General der Flieger Halm, sowie seiner Magnifizenz, dem Rektor der Landesuniversität Münster. Es ist mir eine Ehre und Freude zugleich, auch die Nachkommen des Gründers unseres Deut­

schen Bunde Heimatschutz hier begrüßen zu können. Fräulein Rudorff und Frau Schulz-

Rudorff, mögen Sie von dieser Tagung die Gewißheit mitnehmen, daß das Werk Ihres Vaters in unseren Reihen lebendig ist. Ein ganz besonderes Willkommen dann noch unserem Freunde Karl Wagenfeld. Wir sind außerordentlich glücklich, diesen alten Vorkämpfer des

Deutschen Bundes Heimatschutz und den feinsinnigen Autor westfälischen Wesens und

Lebens hier unter uns zu haben. Herzlich willkommen heiße ich dann die Vertreter und Führer unserer Tagung und alle diejenigen, die sich bereitwilligst zur Verfügung gestellt haben. Ihnen allen gilt mein besonderer Dank. Wir sind hier nicht nur aus dem Reich zu­ sammengekommen. Auch von außerhalb der Reichsgrenzen dürfen wir Vertreter hier be­

grüßen. Als solchen zunächst den Vertreter aus dem Freiftaate Danzig, Herrn Professor Dr. Trost. Zuletzt aber mit ganz besonderer Herzlichkeit begrüße ich Sie, Herr Professor Dr. Ginhart, als Vertreter des Öst. Bundesministeriums für Unterricht und der Zentral­

stelle für Denkmalpflege und Sie, Herr Dr. Giannoni, als Vertreter des Öst. Verbandes für Heimatpflege. Wir sind Ihnen dankbar, daß Sie aus dem Bruderland Österreich zu uns

gekommen sind. Wir sind nicht nur miteinander verbunden durch die Wahl unserer Arbeit,

sondern vor allem durch das Blut. Seit Jahrzehnten haben wir einen Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz. Sie haben es sich angelegen sein lassen, stets anwesend zu sein. Wir hoffen auf das Lebhafteste, daß unsere Gemeinschaft sich in Zukunft noch enger gestalten möge.

Zum zweiten Male im nationalsozialistischen Deutschland sind wir heute hier zusammen­

gekommen aus nah und fern, um durch Vorträge und Gedankenaustausch neue Anre-

4 sters. Ihre Anwesenheit auf dieser Tagung zeugt von dem Interesse, das Sie der Denkmal­ pflege und dem Heimatschutz entgegenbringen und dieser Initiative verdanken wir die Ge­ währ für eine zielbewußte und ruhige Arbeit in der Zukunft. Ich begrüße des weiteren

Herrn Generalmajor Frhr. von Diersburg als Vertreter des Herrn Reichskriegsministers

und des K. General des VI. A.K. und Befehlshaber im Wehrkreis VI. Herr Ministerialrat Prof. Dr. Schmidt ist als Vertreter das Reichsarbeitsministers hier erschienen und uns seit langem in unserer Bewegung bestens bekannt. Ebenfalls als Mitkämpfer bekannt,

begrüße ich Herrn Oberbaurat Pape als Vertreter des Preuß. Finanzministers und Herrn Oberregierungsrat Klose als Vertreter des Reichsforstmeisters. Ich begrüße ferner Herrn Ministerialdirektor Dr. Jarmer als Vertreter der Reichsstelle für Raumordnung und

Herrn Regierungsbaurat Lorenz als Vertreter für den Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen Dr. Todt, ferner Herrn Dr. Kulke für das Stabsamt des Reichsbauern­

führers. Sie alle bekunden durch Ihre Anwesenheit Ihre unmittelbare Anteilnahme an unseren Bestrebungen schon seit Jahren. Wir hoffen, daß dieses Zusammenarbeiten sich

in der Zukunft noch verstärkt. Mein Gruß gilt weiterhin den Vertretern der NSDAP., neben dem stellv. Gauleiter, dem Kreisleiter für Münster, Pg. Mierig, Obergruppenführer Krüger als Vertreter des Chefs der Deutschen Polizei und des Reichsführers SS. Himm­

ler, Dr. Bösken als Vertreter des leider abwesenden Gebietssührers Langanke, Amtsleiter Pg. Klemme als Vertreter der Deutschen Arbeitsfront und ihres Leiters Dr. Ley, endlich

den Oberstarbeitsführer Stoll als Vertreter des Reichsarbeitsführers. Ich bin hocherfreut, daß so viele Persönlichkeiten aus der Partei und von den Ministerien aus dem ganzen Reich und aus allen Ländern zu uns gekommen sind. Mit der Jugend verbindet uns ein besonderes Gefühl. Sie ist vielleicht an Erfahrungen nicht so reich wie wir alten Heimat-

schützler, aber in der Liebe zur deutschen Heimat wird sie sich bestimmt von uns nicht über­

treffen lassen. Wir hoffen zuversichtlich, daß gerade aus ihren Reihen uns noch viele Mit­

streiter kommen werden. Mein besonderer Gruß gilt weiter dem Herrn Oberpräsidenten der Provinz Westfalen, Frhr. von Lüninck, dessen Gäste wir heute abend sind. Der Herr Ober­ präsident ist leider durch eine militärische Übung an der Teilnahme verhindert, wird aber durch Herrn Vizepräsidenten Goedeke vertreten. Ein herzliches Willkommen allen noch

nicht genannten Vertretern hoher Behörden des Reichs, der Länder und Provinzen, der deutschen Wirtschaft, der nationalsozialistischen Organisationen, Verbände, gemeinnützigen

Körperschaften usw., mit denen wir in engster Arbeit zusammenstehen, und die sich alle

für die Erhaltung und Gestaltung des Heimatschutzes einsetzen. Mit Dankbarkeit begrüße

ich Herrn Landeshauptmann Kolbow in seiner doppelten Eigenschaft als Landeshauptmann der Provinz Westfalen und Leiter des Westfälischen Heimatbundes und als Vertreter des

Deutschen Gemeindetages. Sein uneigennütziges zielbewußtes Wirken auf dem Gebiete

der Heimatpflege war es, das mich dazu bewog, den Tag für Denkmalpflege und Heimat-

5 schütz 1937 in Münster stattfinden zu lasten. Wir sind gerne zu Ihnen gekommen, Pg. Kolbow, weil wir wissen, daß Sie sich mit Leib und Seele unserer Aufgabe verschrieben

haben. Sie sind uns eine starke Stütze auf dem Gebiete des Heimatschutzes und wir alle

wissen, mit welcher Begabung und Begeisterung Sie mit diesen Zielen vor die große

Öffentlichkeit getreten sind. Unser Dank gilt gleichzeitig Ihren Mitarbeitern vom West­ fälischen Heimatbund und den Herren der Westfälischen Provinzialverwaltung, denen wir

es verdanken, daß wir diesen Tag in einem besonders festlichen und würdigen Rahmen be­

gehen können. Die stattliche Buchgabe, die Sie allen übermittelt haben, legt ein deutliches Zeugnis ab von dem Wirken in der Provinz Westfalen auf dem Gebiete der Denkmal­

pflege und des Heimatschutzes. Wir danken Ihnen für die kostbare Übereignung und bitten Sie, unseren Dank Ihren Mitarbeitern für ihre selbstlose Tätigkeit im Dienste unserer

Tagung freundlichst zu übermitteln. Dank und Gruß auch Herrn Oberbürgermeister Pg. Hillebrand für die Gastfreundschaft und liebenswürdige Aufnahme in der ehrwürdigen Stadt Münster. Die Stadt Münster hat uns ebenfalls mit einer Buchgabe bedacht, wofür

wir unseren herzlichen Dank auösprechen. Mein weiterer Gruß gilt Herrn General der

Flieger Halm, sowie seiner Magnifizenz, dem Rektor der Landesuniversität Münster. Es ist mir eine Ehre und Freude zugleich, auch die Nachkommen des Gründers unseres Deut­ schen Bunde Heimatschutz hier begrüßen zu können. Fräulein Rudorff und Frau Schulz-

Rudorff, mögen Sie von dieser Tagung die Gewißheit mitnehmen, daß das Werk Ihres

Vaters in unseren Reihen lebendig ist. Ein ganz besonderes Willkommen dann noch unserem Freunde Karl Wagenfeld. Wir sind außerordentlich glücklich, diesen alten Vorkämpfer des

Deutschen Bundes Heimatschutz und den feinsinnigen Autor westfälischen Wesens und

Lebens hier unter uns zu haben. Herzlich willkommen heiße ich dann die Vertreter und Führer unserer Tagung und alte diejenigen, die sich bereitwilligst zur Verfügung gestellt haben. Ihnen allen gilt mein besonderer Dank. Wir sind hier nicht nur aus dem Reich zu­

sammengekommen. Auch von außerhalb der Reichsgrenzen dürfen wir Vertreter hier be­

grüßen. Als solchen zunächst den Vertreter aus dem Freiftaate Danzig, Herrn Professor Dr. Trost. Zuletzt aber mit ganz besonderer Herzlichkeit begrüße ich Sie, Herr Professor Dr. Ginhart, als Vertreter des Öst. Bundesministeriums für Unterricht und der Zentral­

stelle für Denkmalpflege und Sie, Herr Dr. Giannoni, als Vertreter des Öst. Verbandes für Heimatpflege. Wir sind Ihnen dankbar, daß Sie aus dem Bruderland Österreich zu uns gekommen sind. Wir sind nicht nur miteinander verbunden durch die Wahl unserer Arbeit,

sondern vor allem durch das Blut. Seit Jahrzehnten haben wir einen Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz. Sie haben es sich angelegen sein lassen, stets anwesend zu sein. Wir hoffen

auf das Lebhafteste, daß unsere Gemeinschaft sich in Zukunft noch enger gestalten möge. Zum zweiten Male im nationalsozialistischen Deutschland sind wir heute hier zusammen­

gekommen aus nah und fern, um durch Vorträge und Gedankenaustausch neue Anre-

6 gungen und Kraft für unsere Arbeit zu finden. Als wir im Oktober vergangenen Jahres

nach langer innerer Unruhe und teilweise auch Vereinsamung uns wieder zu einer ge­ schlossenen Gemeinschaft zusammenfanden, hatten wir alle das Gefühl, das nun wohl

der Zeitpunkt gekommen sei, wo wieder die alte Liebe zur deutschen Heimat zu ihrem vollen Recht kommen sollte. Nicht Fachinteressen allein verbanden uns damals, sondern auch der

unerschütterliche Wille und Glaube an das deutsche Volk, dem zu dienen uns höchsie

Ehre ist. Nun haben sich in knapp 3/4 Jahren die Bande von Man zu Mann enger ge­ schlungen. Wer aufmerksam das öffentliche Leben verfolgt hat, wird feststellen müssen, daß unsere Dresdener Tagung allen Freunden der Heimatpflege einen starken inneren und äußeren Ausblick gegeben hat. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Deutschen

Bundes Heimatschutz habe ich mich seit der Tagung in Dresden bemüht, in allen Gauen

des deutschen Vaterlandes der Heimatpflege die offizielle Anerkennung zu verschaffen. Nur so scheint sich mir die Gewähr zu bieten, daß in Ruhe und unter Einsatz aller verfügbaren

Kräfte der Dienst an der deutschen Heimat getan werden kann. In echter Kameradschaft

haben Landesvereine des Deutschen Bundes Heimatschutz, zu denen neuerdings der Land­ schaftsbund Volkstum und Heimat des Gaues Essen gekommen ist unter Führung von Parteigenosse Ministerialrat Ringshausen, den ich hier in unserer Mitte herzlich begrüße,

eine allgemeine Ausrichtung vorgenommen, die bei aller landschaftlichen Gebundenheit

sie in den Stand setzt, in echter Volksgemeinschaft mitzuwirken am Dom des deutschen

Volkes. Wir stehen heute nicht mehr am Anfang einer Arbeit. Das Fundament wurde längst gelegt. Wir haben es in Dresden gesichert und werden nun an die Errichtung des Baues selbst herangehen. Um unsere Arbeit von Anfang an in feste Bahnen zu lenken, sind Herr Ministerialrat Dr. Hiecke, der Leiter des Deutschen Denkmalpflegetages und ich als Vorsitzender des Deutschen Bundes Heimatschutz übereingekommen, daß in Zukunft unsere Tagungen einem Gesamtthema unterstellt werden, das uns wert genug erscheint,

eine besondere Bettachtung zu erfahren, um damit sowohl der theoretischen als auch der praktischen Heimatpflege unmittelbare Anregungen zu geben. Wir haben uns diesmal zu

dem Thema „Heimat und Haus" entschlossen. Was beschäftigt uns heute mehr als das

Haus, das Heim unserer Familien, was liegt uns heute, da der Führer wünscht, daß jeder deutsche Arbeiter sein eigenes Heim besitzt, und daß er sich in diesem Heim fühlt wie in

einer Burg, näher als die Sorge dafür, daß dieses Heim dem deutschen Menschen würdig

ist? In großangelegten Vorttägen werden in diesen Tagen Männer vom Fach zu Ihnen sprechen, die über den Fachmann hinaus aber auch echte Heimatfteunde sind. Ist es nicht eine Verheißung, daß wir diese Vorttäge in einer Stadt hören, die der wahrhafte Ausdruck

deutschen Geistes ist, die als ein echtes Kleinod echten Bürgersinnes Glanz und Werte in Fülle hat. Ein Gang durch dieses wunderschöne Münster läßt uns zur Gewißheit werden,

wie sehr ein verpflichtendes Gefühl gegenüber der Gemeinschaft geeignet ist, eine Stabt

zu einem gesunden Organismus werden zu lassen, zu einer Stadt, in der Haus, Platz und Straße wie auch der Mensch, ihre bestimmten Funktionen haben. Es weht uns hier nicht nur der Geist einer ehrwürdigen Vergangenheit an, uns nimmt auch die Selbstverständ­

lichkeit gefangen, mit der alles letzten Endes in einem rechten Verhältnis steht und damit auch der rechte Sinn eines Volkes, das gewohnt ist, sich in seinen Häusern wie in einer Burg zu fühlen. Münster hat den Vorzug, trotz vieler Entstellungen, die auf den Unver­ stand einer sich überstürzenden Zeit zurückzuführen sind, im Kern die biologische Gesetz­

mäßigkeit seines Werbens noch heute zu besitzen. Die Stadt ist gewachsen wie ein Baum

wächst. Sie hat tiefe Wurzeln in einen sandigen, tiefen, aber festen Boden geschlagen, sie hat im Laufe einiger Jahrhunderte einen mächtigen Stamm mit einer stattlichen Krone entwickelt, unter der der Bürger sich wohl fühlt. Es liegt mir fern, hier in romantischen

Gefühlen zu schwelgen, es gibt natürlich auch hier in Münster Stellen, die alles andere als schön sind im Sinne der Heimat. Es gibt auch hier Einzelheiten, die überholt sind durch den

Fortschritt der Entwicklung, aber das alles sind Kleinigkeiten, gemessen an der imponieren­

den Größe und dem Geist, der diese Stadt noch heute erfüllt. Münster ist eine Verpflichtung

zur Tradition. Diese Verpflichtung der Tradition hat uns in den letzten Jahrzehnten an sehr vielen Stellen stark gefehlt. Wenn wir uns umsehen in den deutschen Landen, so ent­

decken wir Entstellungen unseres Heimatraumes in jeglicher Art. Hier hat sich breit und behäbig eine Fabrik niedergelassen ohne Rücksicht auf ihre Umgebung, dort hat ein ganz

auf Eigennutz eingestellter Bürger sich eine extravagante Villa bauen lassen und schließlich

hat ein Kollektivismus hier eine Wohnmaschine errichtet, die folgerichtig zur Zerstörung aller Wohnkultur führen muß. Raumordnung und traditionerfülltes Bauen ist die Parole

des heutigen Tages. Wir müssen zurück und vorwärts im gleichen Maße. Zurück müssen wir bis zum großen Traditionsbruch, also bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts und dort wieder anknüpfen an das Gesunde, das sich folgerichtig als Lebensäußerung des deutschen Volkes gezeigt hat. Vorwärts müssen wir im Sinne der Verpflichtung, die uns der Führer gestellt hat, als er uns zurief, Gemeinnutz geht vor Eigennutz. Um den Schritt

zum Neuen zu wagen, bedarf es zunächst der Erkenntnis des Guten und Schlechten. Das

in Vorbereitung befindliche umfassende Werk, Grundlagen des deutschen Bauschaffens,

an dem alle entscheidenden Kräfte tätig sind, soll die Voraussetzungen dafür schaffen. Die Verpflichtung wurde letzthin auch klar erkannt vom Bayerischen Verein für Heimatschutz,

als er das ausgezeichnete Werk des Regierungsbaumeisters Erdmannsdörfer, Bauberater für Siedlung und Eigenheim, die Baugestaltung, herausgab. Auch der Rheinische Verein

für Denkmalpflege und Heimatschutz bewegt sich auf der gleichen Linie. Sein Heft „Heimat und Siedlung" stellt einen dankenswerten Versuch dar, die leitenden Fragen der heutigen

Siedler zur Darstellung zu bringen. Nicht unerwähnt darf auch das vom Deutschen Bund

Heimatschutz in Verbindung mit dem Deutschen Handwerksinstitut herausgegebene Werk

8 „Mauerwerk" von dem Fachbeauftragten des Deutschen Bundes Heimatschutz Dr. Lindner

und Architekt Tamms, künstlerischer Berater der Gesellschaft RAB., dem Dr. Todt, der Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen das Geleitwort gab, bleiben. Wir wollen nicht nachlassen, dem zur Gestaltung des Deutschen Heimes Berufenen ein Rüstzeug in

die Hand zu geben, daß es ihm ermöglicht, den Forderungen einer deutschen Baukunst, deren Grundsatz Einfachheit und Klarheit heißt, vollauf gerecht zu werden. Wir haben

Erziehungsarbeit zu leisten, bet der abstrakte Vorschriften weniger nützen als das gute

Beispiel. Auf unserer heutigen Tagung berühren wir nur ein Teilgebiet der gesamten Hei­ matpflege. Im Grunde geht es bei dieser immer wieder um den Menschen. Er ist und bleibt das Ziel unserer Bemühungen. Diese Tatsache legt uns nahe, nur solche Kräfte in der Heimatpflege einzusetzen, die innerlich und fachlich dazu berufen sind. Es geht nicht an,

sozusagen in Heimatpflege zu machen. Man muß den Instinkt und das Gefühl für das Leben haben. Maßnahmen jeglicher Art nützen nichts, wenn sie nicht getragen sind von

dem Verständnis für die Volksseele. Heimatpflege können nur diejenigen treiben, die selbst noch ein Stückchen Heimaterde besitzen und immer wieder aus ihrer Verbundenheit mit der Heimat neue Kräfte finden zu neuem Tun. Darum ist es Unsinn, behaupten zu wollen,

man könne die Heimatpflege organisieren wie etwa einen Aufmarsch. Sie setzt eine frei-

willige Bindung und das Ureigene von Volkstum und Landschaft voraus. Eine Zentrale in der Heimatpflege kann lediglich ausrichten, Anregungen geben und evtl, auch bestimmte

Maßnahmen durchführen. Sie kann aber nie und nimmer für sich das Recht in Anspruch nehmen, im Kommandoton beii Heimatfreund zur Mitarbeit zu zwingen. Das Kapital,

mit dem sie arbeiten muß, ist allein das Vertrauen. Ich schätze mich glücklich, dieses Ver­ trauen der Heimatfreunde zu besitzen, und das gibt mir das Recht, vor der Öffentlichkeit im Namen der gesamten deutschen Heimatpflege zu sprechen. Der Deutsche Bund Heimat­

schutz und der Deutsche Denkmalpflegetag sind in erster Linie Fachinstanzen. Sie dienen der Erhaltung, Gestaltung und Erforschung der Deutschen Heimat. Ich weiß, daß es auch andere Organisationen gibt, die sich, wenn auch nicht in dieser passenden Weise, so doch auf

Einzelgebieten demselben Programm verschrieben haben. Mit diesen Organisationen wol­

len wir kameradschaftlich zusammenarbeiten. Wir wollen nicht gegeneinander, sondern miteinander uns um Volkstum und Heimat bemühen. Wir sind gern bereit, unser Wissen und Können in den Dienst solcher Organisationen zu stellen, die bei Veranstaltungen ver­

schiedenster Art für eine Weckung des Gedankens von Volkstum und Heimat Sorge tragen. In großem Ausmaß besteht schon eine Verbindung mit diesen Organisationen. Wenn jeder

am rechten Platz wirkt, wird es auch möglich sein, alle Schwierigkeiten von vornherein aus­ zuschalten. Eine Heimatpflege ohne Bezug auf das gesamte Volk ist keine Heimatpflege. Eine Heimatpflege ohne fachliche Betreuung von berufenen Menschen würde bald im All­

tag untergehen. Wenn die Heimatpflege wirklich das sein soll, was von ihr im Interesse

für Volk und Vaterland erwartet wird/ dann müssen beide Teile/ sowohl der schürfende/

erhaltende und gestaltende/ wie auch der verbrauchende Teil zusammengehen. Die stille Heimatsarbeit setzt das größte Verantwortungsgefühl voraus. Übernehmen wir uns nicht. Achten wir darauf/ daß die Heimat einer Pflanze gleicht/ deren Wurzeln wohl tief in den

Boden hineinragen/ die aber auch gehegt und gepflegt sein will/ wenn von ihr reiche Frucht erwartet werden soll. Nähern wir uns ihr mit Ehrfurcht und in dem- heiligen Willen, ihr

ein Wachstum in Licht, Luft und Sonne zu bereiten.

Wie ich schon in Dresden mitteilen konnte, genießt heute der Deutsche Bund Heimat­ schutz in Würdigung seiner gesetzlosen Arbeit die Anerkennung von Partei und Staat. Die

vor einigen Monaten von Reichsleiter Schüler und mir getroffenen Vereinbarung zwischen

dem Deutschen Bund Heimatschutz und den Preußischen Provinzialverbänden, nach der die Provinzialverbände die Betreuung der Landesvereine des Deutschen Bundes Heimat­ schutz übernehmen und sie mit der Durchführung der gesamten Heimatpflege in den Pro­

vinzen beauftragen, bringt das eindeutig zum Ausdruck. Diese Bindung besagt aber nicht,

daß damit die Landesverbände ihre Unabhängigkeit aufgegeben haben. Ich betone das aus­

drücklich. Der Deutsche Bund Heimatschuß wird nie daran denken, sich in das Schlepptau der einen oder anderen Körperschaft nehmen zu lassen. Die Vereinbarung mit den Preuß. Provinzen entspricht lediglich dem kameradschaftlichen Verhältnis zwischen Provinz und

Landesverein, die sich beide um eine stammes- und landschaftsgebundene Kulturpflege bemühen. Nur in seiner Unabhängigkeit wird der Deutsche Bund Heimatschutz seine große

Arbeit leisten können. Der heutige Name des Bundes entspricht nicht seinem ganzen Pro­ gramm. Schon seit Jahren ist er über die eigentliche Schutzarbeit hinausgewachsen und ist

zur Heimatgeftaltung gekommen. Das geht ganz eindeutig aus den Satzungen hervor. In

Anbetracht dieser Tatsache ändert mit dem heutigen Tage der Deutsche Bund Heimatschutz

seinen Namen. In Zukunft wird er heißen „Deutscher Heimatbund". Diese eindeutige Be­

zeichnung wird allein dem umfassenden Aufgabenbereich des Bundes gerecht. Für die Zeit des Überganges soll der alte Name, der ja auch eine gesetzliche Verankerung gefunden hat, im Untertitel beibehalten werden. Wie die Zentrale, so werden auch im Laufe der Zeit einzelne Vereine dazu übergehen, eine Namensänderung vorzunehmen in der Form, daß

es etwa heißt „Westfälischer Heimatbund", „Pommersche Heimatbund", Schlesischer Heimatbund" usw. Durch diese Ausrichtung unter sich soll das gemeinsame Wirken der Lan­

desvereine klar bezeugt werden. Ich weiß, daß es für viele Vereine nicht leicht sein wird, sich von dem alten Namen zu trennen. Vergessen wir aber nicht, daß neue Zeiten auch neue

Verpflichtungen haben. Tradition haftet nicht an der äußeren Bezeichnung, sondern allein am Geist. Ich bin der festen Überzeugung, daß die allgemeine Namensänderung dazu bei­ tragen wird, das schon enge Band noch enger zu knüpfen. Es wird eine gesicherte Front,

eine Heimatbewegung entstehen, die in Würdigung aller landschaftlich und volkstums-

IO

mäßigen Bindungen ihre klare Ausrichtung auf das Großziel des einigen Deutschen

Reiches behält. Am Geiste der Verantwortung gegenüber der Geschichte des Deutschen Heimatbundes und in dem Gefühl der Verpflichtung gegenüber unserem völkischen Staat beginnen wir

heute unsere Arbeit. Möge auch dieser Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz, den wir im Vertrauen auf unsere Sache und im Sinne echter Kameradschaft begehen wollen, dazu

angetan sein, uns in unserer Arbeit enger zusammenzuführen zum Wohle unserer Heimat.

In diesem Sinne eröffne ich den Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz Münster 1937. Ministerialrat D.Dr. Jng. e. h. Hiecke: Im Gefühl alter Verbundenheit und in treuer Kameradschaft gesellt sich auch in diesem Jahre der Deutsche Denkmalpflege­

tag mit dem Deutschen Heimatbund, wie er sich von heute ab nennt, zusammen, um Schulter an Schulter mit ihm vor der Öffentlichkeit Zeugnis abzulegen von dem in der Stille Geleisteten und zugleich zu werben für die hohen Ziele unserer Arbeit im

Dienste der Heimat. Sind doch beide Vereinigungen aus der gleichen Gesinnung geboren, ja einzelne ihrer Aufgaben zugleich von beiden zu tragen. Wenn von manchem unserer

Freunde angesichts des Programms der Referate in diesem Jahre die Sorge geäußert worden ist, daß darin die eigentlichen Probleme der Denkmalpflege nicht zu ihrem vollen Recht kämen, so scheint mir solche Besorgnis doch nicht genügend zu berücksichtigen, daß es mehr denn je im neuen Reiche gelten muß, unsere Denkmalpflege unbeschadet ihrer

Kernaufgabe, der Betreuung der einzelnen uns überkommenden Werke beweglicher oder unbeweglicher Art, in die gesamte Arbeit zur Erhaltung und Pflege des Deutschen Volks­ tums und des Heimatbildes innig einzuordnen. Eine solche Einstellung, die sich aller

lebenswichtigen Zusammenhänge bewußt ist, bedeutet wahrlich gegenüber früheren Zeiten keine Verwässerung, vielmehr für ihr lebendiges Wirken eine Selbstverständlichkeit. So begrüßen wir auch freudig die soeben von dem tatkräftigen Lenker des Deutschen Heimat­

bundes verkündete, schon seit langem ins Auge gefaßte Ausweitung seiner Arbeit auf die gesamte landschaftliche Kulturpflege. Gleichwohl wissen wir uns eines Sinnes mit unseren Kameraden vom Heimatbund, wenn wir die altbewährte Arbeitsteilung, in der sich beide

glücklich ergänzen, aufrecht erhalten werden. Ist es vornehmlich Aufgabe des Heimat­ bundes, die Grundlagen zu festigen, auf die sich jede echte Heimatbewegung stützt und das

Gefühl der allgemeinen Verantwortung zu stärken für eine im Wandel der Zeit und zeit­ bedingten Formen artgemäß und gesunde Neugestaltung des gesamten Heimatbildes, so ist uns zu unserem Teil die Aufgabe gestellt, in erster Linie einen mehr oder minder be­

stimmten und bekannten Bestand an Zeugnissen deutscher Geschichte und Kunst zu hegen.

Dies muß immer wieder vor allem gegenüber der Jugend betont werden. Was ist es zu­ nächst und zutiefst, was uns unsere Herzen schneller schlagen läßt beim Anblick der ehr­ würdigen Zeugen deutscher Vergangenheit, wie sie uns so besonders eindringlich in dieser

alten stolzen Stadt vor Augen treten? Es sind und bleiben zunächst die rein geschichtlichen

Erinnerungen/ die sich im Gepräge der Gemeinwesen wie der einzelnen Denkmale ver­ körpern. Es ist das Werden und Wollen, es sind die Schicksale unseres Volkes/ die in dem Geschaffenen sich spiegeln, zeugend von glänzenden Zeiten des Aufstieges und zugleich mah­

nende Kunde gebend von trüben Folgen schwerer, nicht selten selbstverschuldeter Rückschläge. Daß wir jetzt erleben dürfen, wie die Kraft der Führerpersönlichkeit wieder Geschichte

macht durch den Zusammenschluß der Nation, das ist hinreißend, das muß unsere Herzen für diese geschichtlichen Werte und die Lehren der Vergangenheit, die wir aus jenen

steingewordenen Urkunden schöpfen können, mehr denn je öffnen. Und nun verbinden sich

in unseren Denkmalen in einer ganz eigenartigen Weise diese Dokumente des politisch­

geschichtlichen oder kultur-geschichtlichen Werdegangs mit dem Gestalt gewordenen Aus­ druck der handwerklichen und künstlerischen Schaffenskraft deutschen Volkstums. Seine

Macht setzt sich siegreich und schöpferisch auch dort durch, wo Deutsche aus der Fremde wertvolle Anregungen offenen Blickes übernahmen, um sie zu durchaus Eigenem zu ver­

arbeiten. Erstaunlich bleibt trotz allen schlimmen Verlusten im letzten Jahrhundert die Fülle der Werke, die uns überkommen sind. Und wenn wir oft auch staunend vor den gewaltigen Schöpfungen des Mittelalters stehen, die der Mensch der damaligen Zeit in einer unglaub­

lichen Zähigkeit zu Ende geführt hat, so wächst uns das Verständnis für die fast unbe­ greifliche Möglichkeit dieser Leistungen, wenn wir heute erleben, welche gewaltigen Auf­

gaben von dem Willen starker Führerpersönlichkeiten im Zusammenfassen aller Kräfte ge­ löst werden können. Jene Vermählung von deutscher Geschichte und Kunst in unseren Denkmalen be­

deutet nicht nur einen unschätzbaren Reichtum der Nation, sondern eine unerschöpf­

liche Quelle erzieherischer Wirkung im Anblick des Waltens der Geschichte und der ge­ staltenden Kräfte in Handwerk und Kunst, lehrreich nicht etwa im Sinne einer Nach­

ahmung historischer Stile; diese Zeiten liegen hinter uns. Trotz Auto und Flugzeug bleiben aber noch unzählige Lehren und Anregungen, in unseren Denkmalen, in den Dorf­

und Stadtgestaltungen fruchtbar, weil sich in ihnen ewige naturgegebene Grund­ lagen und Gesetze des Gestaltens bekunden. In solcher Ausrichtung das große Erbe,

dessen Verlust uns innerlich verarmen ließe, zu betreuen, ist unsere Aufgabe. Wir müssen es den kommenden Geschlechtern unverfälscht überliefern. Aus solcher Aus­

richtung auf das Volksganze ergibt sich auch für den zu einem Amt berufenen Denkmal­ pfleger die Beurteilung des einzelnen Falles und sie bewahrt ihn davor, sich ins rein

Ästhetische zu verlieren. Dieser Blick auf das Ganze macht ihn frei von dogmatischen und

theoretischen Bindungen, denn jede Aufgabe will nach ihrer Sonderart behandelt werden. Sie macht ihn auch frei von einem vorschnellen Aburteilen in Geschmacksfragen, die nicht

selten die Bewertung zumal der im Laufe des 19. Jahrhunderts an unseren Denkmalen

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getätigten Arbeit erschweren. Und wo zwingende Anforderungen gesunder Entwicklung Opfer gebracht werden müssen, stärkt ihn dieser Ausblick aufs Ganze in seinem Gewissen

und läßt ihn getrost unerfüllbare Forderungen oder gar Vorwürfe allzu eifriger Alter­

tumsfreunde abwehren, wie es leider hie und da notwendig wird, z. B. bei der Sanierung von Altstadtvierteln, soweit sie wirklich unabweisbar ist. Hocherfreulich ist die Fest­

stellung, daß die Würdigung unseres Mühens ständig wächst und daß es nicht ver­

geblich ist. Dankbar sind wir für das lebhafte Interesse und für die Förderung der führenden Stellen der Partei und ihrer Gliederungen, insbesondere auch der Reichsjugend­

führung. Dies hat sich auch bei dieser Tagung wieder deutlich bekundet. Der Initiative

der Reichsregierung verdanken wir eine Reihe von wichtigen Maßnahmen, die seit unserer

vorigen Tagung in Dresden getroffen wurden. Ich verweise besonders auf die Verordnung des Reichsarbeitsministeriums vom November 1936 über die bauliche Gestaltung, die auch für die Denkmalpflege höchst willkommene Möglichkeiten eröffnet, in unserem Sinne

einzuwirken. Dem Herrn Reichsminister des Innern und dem Chef der deutschen Polizei Reichsführer SS Himmler danken wir wichtige Maßnahmen zum Schutze von Baudenk­

malen gegen Feuersgefahr, Maßnahmen, deren weiterer Ausbau noch in Aussicht gestellt ist. Wir hoffen ferner, demnächst eine Neuregelung der Bestimmungen erwirken zu können,

die dazu dienen,in besonderen, natürlich aufs strengste zu prüfenden Einzelfällen zugunsten

von Denkmalen, deren Erhaltung infolge Unvermögens des Eigentümers ernstlich be­ droht ist, eine Steuererleichterung zu ermöglichen. Wir hoffen weiter zuversichtlich auf

ein baldiges endgültiges Zustandekommen des Denkmalschutzgesetzes, für das die vorbe­

reitenden Arbeiten nunmehr zum größten Teil zum Abschluß gebracht werden konnten. Wenn wir uns auch keinem Zweifel darüber hingeben, daß es mit gesetzlichen Verordnun­ gen allein nicht getan ist, so bleibt doch eine einheitliche gesetzliche Grundlage für die Aus­ übung der Denkmalpflege als Mittel und Werkzeug für den wirksamen Einsatz der persön­

lichen Arbeit des Denkmalpflegers unentbehrlich. Soweit sonst auf dem Gebiete der Denk­ malpflege seit der Tagung in Dresden Errungenschaften zu verzeichnen sind, muß ich die tat­

kräftige Arbeit der Deutschen Gesellschaft für Bauwesen, deren Grüße zu überbringen ich ge­ beten bin, hervorheben, insbesondere die Weiterführung des Werkes vom deutschen Bauern­ hof, aber auch der zweiten vorbildlichen Veröffentlichung, über das deutsche Bürgerhaus­

werk. Weiter freuen wir uns der energischen Weiterführung der seit dem Kasseler Tage 1933

neu belebten, vom Reich unterstützten Verzeichnung der deutschen Kunstdenkmäler, für deren opferfreudige Förderung den Regierungen der deutschen Länder sowie den preußischen Pro-

vinzialverwaltungen aufrichtige Anerkennung gebührt. Bei diesem kurzen Überblick kann

ich es mir nicht versagen, mit besonderem Dank auch von feiten der Denkmalpflege der fein­

fühligen Fürsorge zu gedenken, die der Herr Generalinspektor für das deutsche Straßen­

wesen bei der Durchführung der großen ihm vom Führer gestellten Aufgabe den uns am

Herzen liegenden Interessen in der glücklichen organischen Einordnung des gewaltigen

Straßennetzes in die Landschaft und in die Nachbarschaft alter Ortschaften und Denkmalen

zuwendet. Wir dürfen auch freudig die lebhafte Anteilnahme begrüßen, die Herr Reichs­ minister Kerrl als Leiter der Reichsstelle für Raumordnung unseren Bestrebungen gegen­

über zeigt. Dies wird besonders durch den wertvollen Vortrag des Ministerialdirektors Dr. Jarmer bekundet. Mit lebhafter Genugtuung dürfen wir die stets wachsende Fürsorge

der deutschen Stadtverwaltungen für die Wahrung des uns überkommenen Kulturgutes und das lebhafte Interesse des deutschen Handwerks an den besonderen Anforderungen, die uns aufgegeben sind, verzeichnen. Über allem aber steht die Gesinnung. Nur im Zu­

sammenwirken aller Kräfte kann unsere weitausgreifende schwere Arbeit gelingen. Jeder

einzelne muß dabei mithelfen und wir müssen auch von jedem Denkmalbesitzer fordern,

daß er in Erfüllung einer nationalen Verpflichtung den in seiner Verfügung stehenden

alten Kulturbesitz unter Anspannung aller seiner Kräfte wahrt. Dabei dürfen wir aber nicht

verkennen, daß gerade bei der Erhaltung dieses alten Besitzes die wirtschaftlichen Folgen der Nachkriegszeit noch längst nicht überwunden sind und daß es not tut, in vielen Fällen

mit öffentlichen Mitteln beizuspringen. Wir danken in dieser Beziehung für die Anteilnahme

des Herrn preußischen Finanzministers, des Bayer. Staates sowie der preuß. Provinzial­ verbände, Westfalen und Rheinland voran. Zu begrüßen und zu erbitten wäre eine Verstär­ kung der vom Reiche für die Erhaltung von Denkmalen ausgeworfenen Beihilfen und Mit­

tel, vor allem auch zur Erhaltung des zum Teil ernstlich gefährdeten Bestandes alter Bauernhäuser in allen Gebieten des Reiches.

Den Grüßen, die der Herr Leiter des deutschen Heimatbundes hier der Versammlung entboten hat, darf ich mich von Herzen anschließen, besonders aber auch noch meinerseits

namens des Denkmaltages aufrichtigen Dank denen sagen, die uns hier im herrlichen Weftfalenlande diese Tagung bereiteten, insbesondere Herrn Oberbürgermeister Hillebrand und Herrn Landeshauptmann Kolbow, die uns auch mit wertvollen Buchgaben reich beschenkt haben. Einen besonderen Dank auch dem Oberpräsidenten der Provinz Westfalen Frhr.

v.Lüninck für seine freundliche Einladung zum heutigen Abend im Schlaun'schen Schlosse. Dank schon jetzt den Herren Referenten, die sich uns in so freundlicher Weise zur Verfügung

gestellt haben. Ich schließe mit dem Wunsche, daß auch diese Tagung uns weiterbringen möge auf unserem Wege zu dem hohen gemeinsamen Ziele, das wohl gerade darum so köstlich ist, weil es dem Streben im Dienste an unserem Volke und an der deutschen Heimat

niemals eine Grenze setzt.

Stellvertr. Gauleiter Stangier: Der Gauleiter und Reichsstatthalter Dr. Meyer ist leider verhindert, am heutigen Tage hier anwesend zu sein. Ich bin beauftragt, Ihnen

die Grüße des Gauleiters zu überbringen. Mit der Überbringung dieser Grüße darf ich Sie,

Pg. Haake, zu Ihrer bisher geleisteten Arbeit beglückwünschen. Meine deutschen Volks-

i4 genoffen, wenn Opfer Erfolg haben sollen, wenn sie, wie das der Pg. Haakc vorhin ausge­

führt hat, verankert sind in dem großen Gemeinschaftsgedanken, dann muß die Arbeit, ganz gleich auf welchem Gebiete sie geleistet wird, ein Dienen am deutschen Volke sein. Alle Arbeit, die geleistet wird, muß für Führer und Deutschland geleistet werden und in diesem

Sinne wünsche ich Ihrer Tagung einen guten Verlauf und guten Erfolg. Ministerialrat Professor Dr. Schmidt: Mit besonderer Freude komme ich, per­ sönlich kein Fremder mehr in diesem Kreise, dem Auftrage des Herrn Reichsarbeits­

ministers nach, um dessen beste Grüße und Wünsche zu dieser Tagung zu übermitteln.

Ich bin gebeten worden, die Grüße und Wünsche zugleich im Namen des Reichsleiters für Raumordnung und für alle übrigen Stellen des Reiches und Staates zu übermit­

teln. Wenn ich die Ehre habe, als Vertreter des Reichsarbeitsministers hier zu sprechen, so mögen Sie daraus ermessen, welche außerordentliche Bedeutung gerade diese Tagung unter dem Thema „Heimat und Haus" hat. Zu den Aufgaben meines Ministeriums gehört eine Reihe von Arbeitsgebieten, die in diese Gebiete einschlagen, insbesondere Fragen der gesetzlichen und praktischen Durchführung des Städtebaues, Erneuerung der Altstädte, die Siedlungsfragen mit ihren weiten Zweigen, die Erhaltung des Hausbesitzes und so

manches andere Arbeitsgebiet, das eng verbunden ist mit den Fragen, mit denen auch Sie

sich beschäftigen. Wie schon angedeutet worden ist, sind uns aus früheren Zeiten noch so viele Fragen ungelöst überlassen geblieben, daß die Gesetzgebung seit dem nationalsozia­

listischen Umbruch noch nicht alles verarbeiten und verwirklichen konnte. Es sind dies vor allem Verordnungen, welche die Grundlage schaffen sotten für ein besseres Bauen in der

Zukunft. Bezüglich der Baugestaltung sind wir erst am Anfang, wir wollen ja ein großes deutsches Baurecht schaffen und ich darf Ihnen die Zusicherung geben, daß hierin die Ge­ danken der Denkmalspflege und des Heimatschutzes, die Sie gebrauchen, berücksichtigt

werden. Diese Arbeiten stehen vor einem baldigen Abschluß. Wir als Gesetzgeber sehen in ihnen die Kreise, die uns bei der Durchführung dieser Gedanken unbedingt gebrauchen und

die sie hinaustragen in die breite Masse. Die breite Masse muß von Ihnen vorbereitet wer­

den, damit sie die Notwendigkeit eines heimatverbundenen und bodenverbundenen Bauens erkennt. Wir begrüßen dankbar, wenn aus Ihren Kreisen für den Gesetzgeber und für die

Durchführung der vorgesehenen Maßnahmen praktische Anregungen vorgebracht werden

und werden diese beachten. Wir sehen z. B. in dem Bau von neuen Heimstätten nicht nur

eine der wichtigsten wirtschaftlichen und sozialpolitischen Maßnahmen, die dem neuen Deutschland bevorstehen, sondern vor allen Dingen auch eine Aufgabe von ungeheurer

staatspolitischer Bedeutung, eine Aufgabe, von deren Lösung unser völkisches Leben stark

abhängt. Das hat insbesondere für den Arbeiter, für den kleinen Mann, mit geringem Ein­ kommen seine besondere Bedeutung. Gerade durch die Besiedlung des Landes durch diese Schichten werden sie mit der Heimat, mit dem Boden und dem Vaterlande wieder vertraut

gemacht. In diesem Sinne soll unsere Zusammenarbeit auf Ihrem Arbeitsgebiet liegen. Es darf im neuen Deutschland keine heimatlosen Gesellen mehr geben, sondern nur heimat­

verbundene und bodenverbundene Arbeit der Stirn und der Faust. Dadurch wird die Liebe und die Treue zum Heimatboden und zum Vaterlande ständig verstärkt und daher ist unsere gemeinsame Arbeit ein Stein zum weiteren Ausbau an ein ewiges deutsches Land.

Ministerialrat Dr. Hiecke überbringt der Tagung den Gruß und die Wünsche des

Herrn Reichserziehungsministers, der an dem Erfolg ihrer Arbeit den lebhaftesten Anteil

nehme. Zugleich habe er die Ehre, die Versammlung im Namen des Herrn Reichsministers des Innern zu begrüßen, dessen Vertreter Herr Ministerialrat Dr. Conrad infolge unvor­

hergesehener dienstlicher Verhinderung leider erst zu einer späteren Stunde eintreffen könne.

Oberregierungsrat Dr. Klose: Ich habe die Ehre, dem „Tag der Denkmalpflege

und des Heimatschutzes" einen herzlichen Gruß und die aufrichtigen Wünsche des Reichs­ forstmeisters, Ministerpräsident Hermann Göring, zu überbringen. Einen Sondergruß

entbiete ich weiter von meinem Staatssekretär, Generalforstmeister Dr. von Keudell, der es ganz besonders aufrichtig bedauert, durch seine Teilnahme an der Tagung des deutschen

Forstvereins in Freiburg am Erscheinen verhindert zu sein. Gestatten Sie mir eine kleine freundliche Erinnerung an diese schöne Stadt, in der ich nicht nur meine schönsten Jugend­

jahre verlebte, in der ich nicht nur studierte und später als junger Lehrer kurze Zeit am Real­ gymnasium tätig war, sondern in der ich auch als Garnisonkommandant während der be­ rüchtigten Novemberwochen des Jahres 1918 auch ein wenig tätig sein konnte. Das sind

für mich alles liebe Erinnerungen. Es sind jetzt fast genau 37 Jahre her, da begann mein damaliger Lehrer, der Zoologe Hermann Landois, sein Kolleg, das den Menschen behandeln

sollte, ungefähr so: „Meine Herren, in diesem Kolleg beschäftigen wir uns mit dem Men­ schen, zu lateinisch dem homo sapiens, d. h. aber nicht, wie sie in Ihrem kindlichen Unver­

stand annehmen könnten, mit dem weisen Menschen, sondern dem Menschen, der nur unter

ganz gewissen Umständen und ganz selten einmal weise werden kann". Dieser merkwürdige

Professor, der bekannte Vorkämpfer für den Vogelschutz hätte noch hinzufügen können

„und vielfach gar nicht weise werden will". Der Heimatschutz und Naturschutz ist von An­ fang an ein Kampf gegen den Unverstand der Menschen gewesen und dieser Kampf zeigt,

daß der Mensch das Prädikat sapiens nicht allzu leicht verdient. Der Mensch ist gewohnt,

seine eigenen Belange stets an die erste Stelle zu setzen und alles andere als Nebensache zu betrachten und es zu bekämpfen, wenn es nicht in den Rahmen seiner Pläne hineinpaßt. Der Herr Reichsforstmeister, Hermann Göring, bringt den Bestrebungen des Heimat­ schutzes, die mit denen des Naturschutzes eng verbunden sind, sein größtes Interesse ent­ gegen und kennt den kämpferischen Einsatz derjenigen, die für diese Ziele eintreten. Der

Reichsforstmeister kann schon als Vierjahresplanminister nicht in den Verdacht kommen, dieses Gebiet unberücksichtigt zu lassen. Er hat die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß alles aus

16 dem Boden herausgeholt wird, was nur irgend möglich ist. Der nationalsozialistische Ar­

beiter soll aber nicht in der Weise herangezogen werden, daß er nun eben lediglich arbeitet

und ausgenutzt wird wie in der Systemzeit, sondern er soll daneben auch seine Erholung haben, Freude an der Arbeit haben und teilnehmen an den geistigen Gütern der Nation. Er soll nicht Proletarier sein, sondern er soll sich der Schönheit der Arbeit bewußt sein, er

soll sich erfreuen an der Schönheit der Scholle, an dem Grün des Waldes, an der heinllichen Stille der Fluren, er sott sich erfreuen an dem Gesang der Vögel wie an seiner ganzen Hei­ mat überhaupt. Eine andere Einstellung ist im Dritten Reich einfach nicht möglich und daher

ist es auch das Bestreben des Reichsforstmeisters, die Heimat wohl möglich noch schöner zu gestalten und die Bestrebungen, die darauf hinzielen, zu unterstützen. Das Land kann aber nicht dadurch schöner werden, daß man es nur ausbeutet. Was aber in die Landschaft

nicht hineingehört, das muß rücksichtslos entrümpelt werden, was aber der Erhaltung wert ist, muß gesichert und schließlich das Gesamte, das Alte wie das Neue, heimatpflegerisch

gestaltet werden. Der Reichsforstmeister legt Wert darauf zu betonen, daß Heimat- und

Naturschutz keine Bagatellen sind, über die sich Wirtschaft und Technik einfach hinwegsetzen

können, sondern sie gehören mit zum Vierjahresplan wie die Arbeit und Erholung des Men­ schen auch. Auf diesem Gebiet liegt auch die Schaffung und Erhaltung von Naturschutz­

gebieten. Ich erinnere z. B. an das Zwillbrocker Moor vor den Toren der Stadt Münster im Kreise Ahaus. Das sind, wie auch andere Naturschutzgebiete, keine Ödländer, sondern

ihre Erhaltung ist dringend notwendig auch für den deutschen Menschen. Wer die Fahrt in die Westruper Heide mitrnachen wird, diese Riviera am Nordrande des Halterner Sees,

wird zweifellos verstehen können, was die Pflege des Naturschutzes und die Erhaltung

einer urwüchsigen Landschaft bedeutet. Auch auf einem Sportplatz werden keine Rüben und Kartoffeln angebaut, aber es wird doch nur wenige Menschen geben, die solche Plätze als Ödland und als Schandflecke inmitten eines arbeitsreichen Landes bezeichnen. So ist

es auch mit den Naturschutzgebieten. Das sind keine Ödlandflächen, sondern lebendige

Denkmäler der Heimaterde wie Annette von Droste Hülshoff sie noch gekannt und geliebt hat. Daß die Verordnung zum Schutze der Wallhecken vom November 1935 nicht zuletzt auf Westfalen zugeschnitten ist und auch dringendst erforderlich war, darf ich nur nebenher erwähnen. Herr Reichsforstminister erkennt mit besonderer Genugtuung die Tätigkeit des Heimatbundes an, vor allem auch die Arbeit, die im westfälischen Heimatbund geleistet wird, und zwar unter den recht oft sehr schwierigen Verhältnissen im rheinisch-westfälischen

Industriegebiet. Daß von dieser Tagung starke Anregungen ausgehen mögen und sie be­ fruchtend wirken zum Verständnis und zum Einsatz auf dem Heimatschutzgebiete auch in

anderen Landesteilen, ist der besondere Wunsch meines Herrn Ministers. Landeshauptmann Kolbow: Gestatten Sie nun auch mir als dem letzten in der langen Reihe der Begrüßungsredner des heutigen Abends der großen Freude Ausdruck

zu geben, die alle Mitglieder des westfälischen Heimatbundes heute erfüllt, wo wir aus Partei und Staat, aus dem großen weiten Kreis des deutschen Volkes über seine politischen

Grenzen hinaus so viele Mitarbeiter hier in unserer Heimatstadt begrüßen dürfen. Wir vom westfälischen Heimatbund sind Ihnen, Herr Ministerialrat Hiecke und Ihnen Herr Landes­ hauptmann Haacke, herzlich dankbar für das Vertrauen, das Sie uns dadurch zum Ausdruck bringen, daß Sie Westfalen als Ort für den diesjährigen Tag für Denkmalpflege und Hei­

matschutz gewählt haben. Es soll uns dies ein Ansporn zu weiterem Dienst in dieser Sache

sein. Mögen Sie nun als Gäste dieses Tages für Denkmalpflege und Heimatschutz nicht nur den einen Eindruck mitnehmen, daß im Sinne des Gründers des westfälischen Heimat­

bundes unseres allverehrten Karl Wagenfeld Heimatpflege im nationalsozialistischen Reich eine gegenwartsbezogene Aufgabe ist in der Sorge für unser deutsches Volk und seine Ent­

wicklung, sondern mögen Sie auch insofern den in der Heimatpflege liegenden tiefen natio­

nalsozialistischen Sinn als ein Wertstück mit nach Hause nehmen, daß Westfalen gerade

in dem starken Bewußtsein seiner Eigenart und seiner Kräfte festhält an dem, was hier in

Jahrhunderten und Jahrtausenden gewachsen und reif geworden ist, daß Westfalen gerade in dieser Stammestreue nicht zu überbieten ist in seiner Einsatzbereitschaft für das Reich.

Mögen Sie aus dem Erlebnis des Tages für Denkmalpflege und Heimatschutz die Gewiß­ heit mit nach Hause nehmen, daß Liebe zur Heimat und Liebe zum Reich und Liebe zum ge­

samten Volk eins ist. Wir können keine Spannung und keinen Unterschied zwischen diesen

Dingen sehen. Wir sehen nur, daß derjenige, der seine Heimat umfaßt, mit ganzer Liebe und Leidenschaft, daß dieser am treuesten dienen wird dem Reiche Adolf Hitlers.

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VORTRÄGE

STRASSE UND LANDSCHAFT Reg.-Baurat Schurhammer, Bonndorf (i. Auftrage des Generalinspektors für das deutsche Straßenwesen): Ich habe die Ehre und die Freude, Ihnen die Grüße des Gene-

ralinspektors für das Deutsche Straßenwesen, Herrn Dr. Ing. Todt, für Ihre Tagung zu übermitteln, und dem Wunsche Ausdruck zu verleihen, daß Ihren Bestrebungen voller Erfolg

beschieden sein möge zum Wohle unseres deutschen Volkes und unserer deutschen Heimat. Es mag manchem von Ihnen seltsam erscheinen, daß solche Grüße und Wünsche gerade

von dieser Seite aus an Sie herankommen; denn gemeinhin sahen Natur- und Heimat­ schutz bisher in der Technik einen ihrer erbittertsten Feinde, einen Feind, der, befangen in

rein zahlenmäßig wirtschaftlichem Denken, die hohen idealen Güter des Natur- und Hei­ matschutzes gering erachtete und gar oft in nie wiedergutzumachender Weise störte oder gae

zerstörte. Als der Führer vor 4 Jahren seinem Volke und der Welt verkündete, daß in kurzer Spanne ein Netz von rd. 7000 km Autobahnen das Reich durchziehen solle, und daß neben diesem

gigantischen Bauvorhaben — wie es in so kurzem Zeitraum noch keine Periode der Mensch­

heit durchgeführt hat — auch der Ausbau des vorhandenen deutschen Straßennetzes teils nebenhergehen, teils nachfolgen solle, sah sich zwar der Techniker vor Aufgaben gestellt,

die seinem Tatendrang freien Spielraum ließen.

Aber bei vielen Tausenden von Heimatfreunden regte sich irgendwo in der Tiefe des Herzens, im Unterbewußtsein zunächst, ein Gefühl des Unbehagens und rang sich allmäh­ lich erst zum Bewußtsein durch: Die bange Sorge um unsere deutsche Heimat! Die Sorge,

ob diese gewaltigen Schöpfungen der Technik, die Berg und Tal durchziehen sollen, dieser

Heimat nicht gleich schwere Wunden schlagen würden, wie es so viele Werke der Technik in den letzten Jahrzehnten getan haben und bedauerlicherweise auch heute noch tun.

Diese Sorge war keineswegs unberechtigt, denn zu Vieles ist von seiten einer nur mate­ riell eingestellten Technik geschehen, als daß es so schnell in Vergessenheit geraten könnte.

Wir wollen aber nicht zurück-, sondern vorwärtsblicken und die Morgenröte einer neuen

Technik am Horizonte schauen, der Natur und Heimat keine toten Begriffe, sondern fordern­ des und lebhaft pulsierendes Leben sind, das sich nicht unterdrücken und auf die Seite schie­ ben läßt, das die neue Technik aber auch gar nicht unterdrücken und beiseiteschieben wilL

sondern das sie als die wichtigste Grundlage ihrer Arbeit betrachtet. Dem Generalinspektor Dr. Todt und den Ingenieuren um ihn ist es eine Herzens- und Lebensaufgabe, diese Sorge der Heimatfreunde zu zerstreuen und gegenstandslos zu machen. Wir sind uns bewußt, daß unserem technischen Wollen und Können das Wissen um das

Wesen unserer heimatlichen Natur und die Kenntnis der Gesetze ihres Seins und Werdens

zur Seite stehen müssen, und daß der ernste und unerschütterliche Wille zur Erhaltung un­ serer Heimatschönheit uns Richtung geben muß. Wir wissen, daß mit der Erfüllung des

rein technischen Zwecks unsere Aufgabe nicht gelöst ist; wir wissen, daß jeder, der ein tech­ nisches Werk in die Landschaft zu stellen hat, das Wesen dieser Landschaft ergründen, sein

Werk dieser Landschaft und seiner Umgebung einfühlen, einpassen und unterzuordnen hat; wir wissen, daß diese Landschaft unsere Heimat ist, und auch unsern Kindern und Enkeln Heimat sein und bleiben soll. Wir sind eingedenk des Dichterworts: Was Du ererbt von Deinen Vätern hast.

Erwirb es, um es zu besitzen!

Gerade im deutschen Straßenbau hat sich in den letzten Jahren unter seiner tatkräftigen

Führung der Gedanke Durchbruch verschafft, daß schaffende Technik nicht nur eine verstan­ desgemäß zu erfassende Wissenschaft und auch nicht ein nur mechanisch auszuübendes

Handwerk sein kann; daß sie eine Kunst sein muß, deren Wesen, wie das Wesen einer jeden Kunst im Schöpferischen liegt; daß sie zwar in der Materie wurzelt, der sie ihre Baustoffe entnimmt, sich aber weit über die Materie in die Atmosphäre des Geistigen

erheben muß, wenn ihre Werke den richtigen Zusammenklang mit ihrer naturbedingten

Umgebung finden sollen, die Harmonie, die zum ureigensten Wesen jedes Kunstwerks gehört.

Gewiß, nach so vielen schlechten Vorbildern, die uns die naturfremde Technik der letzten Jahrzehnte gegeben hat, wird mancher versucht sein zu fragen, ob denn das Häßliche nicht zum Wesen der Technik gehört, ob Technik nicht notwendigerweise Natur und Landschaft zerstören und deshalb des Heimatschutzes Feind bleiben müsse.

O nein! Die Technik soll, kann und muß unser Freund sein! Nur mit Hilfe der Technik

können wir unser deutsches Volk ernähren. Keiner von uns möchte die Segnungen der Technik vermissen, wenn er auch nicht alle ihre Ausdrucksformen für notwendig und gut befinden kann. Schließlich sind ja alle die vielen Bauwerke, denen die Denkmalpflege ihren Schutz angedeihen läßt, technische Werke. Auch von der Technik gilt das Wort des Dichters:

Wohltätig ist des Feuers Macht,

Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht! Und dieses Bezähmen, dieses Hinlenken auf die richtige Bahn, diese Bändigung der Technik

zur Dienerin und Segenspenderin für unser deutsches Volk wird eine der schönsten Auf­

gaben des deutschen Technikers von heute sein. Wenn wir Techniker beim Straßenbau diese Grundsätze in die Tat umsetzen wollen,

müssen wir bei Linienführung, Querschnittsgestaltung, Gestaltung der Bauwerke und

Bepflanzung der Sttaße das richtige Maß finden. Die Wahl der richtigen Linienführung

ist hierbei von überragender Bedeutung, weil sie in erster Reihe das Bild der Sttaße und das der umgebenden Landschaft bestimmt. Es ist keineswegs so, wie es die Lehrbücher des 2*

20

Straßenbaues meist darstellen, daß die Linie unbedingt die beste ist/ welche die geringster:

Gesamtkosten — d. i. Anlage-, Betriebs- und Verkehrskosten — ergibt. Das wäre richtig,

wenn die Straße nichts anderes wäre als ein Mittel des Güterverkehrs, eine Sache, die gar

keine Beziehungen zur umgebenden Landschaft, zu dem sie benutzenden und dem an ihr wohnenden Menschen hätte. Nein, ihre Aufgabe muß viel, viel weiter gesteckt werden:

Unsere Straßen sind Verkehrsmittel, aber auch Kulturgüter1 Gewiß, die Straße soll in erster Reihe dem Verkehr dienen und muß bezüglich ihrer

Linienführung, Steigungen, Abmessungen und Befestigung auf diesen Verkehr Rücksicht

nehmen; doch schon hier spricht die Landschaft ein Wort mit, indem Gebirge, enge Täler,

Schluchten, Rutschhänge, Lawinenzüge ihr Wort in die Wagschale werfen; der Verkehr muß sich also von der Landschaft gewisse Bedingungen bezüglich der Anlage der Straße auferlegen lassen.

Neben ihrem Verkehrszweck hat die Straße aber auch die Aufgabe, dem Benutzer

das Bild der Landschaft zu vermitteln und muß dem in ihrer Linienführung Rechnung tragen.

Schon das Fahren auf der Straße soll dem, der auf diese Weise Erholung und Natur­

erleben sucht—es sind das Millionen von Volksgenossen und Fremden—, ein Genuß sein. Unsere Landschaften sind in einzelne Landschaftsräume gegliedert, die uns zusammen beim Durchfahren als Summe einer Reihe räumlicher Wirkungen das Bild der gesamten

Landschaft ergeben. Diese Landschaftsräume gilt es in ihrer Raumwirkung zu erhalten, in der richtigen Weise zu erschließen, zu durchfahren, zu streifen; das erfordert feinste Einfüh­

lung des entwerfenden Ingenieurs in das Wesen, den Aufbau und die Besonderheiten der

Landschaft, die ihm Grundlage seines Straßenbaues ist.

Die Linienführung muß sich zwanglos der Natur einfügen, im Rhythmus der Landschaft mitschwingen; sie muß daher eine andere sein in der Ebene, im Hügelland,

im Gebirge, weil die Formen der Natur in diesen Gebieten verschieden sind.

Jede Landschaft erfordert eine andere Lösung der gestellten Aufgabe, ebenso wie ein jeder Baustoff eine andere Lösung aus seinem inneren Wesen heraus fordert.

Die Gerade ist in der Ebene keineswegs zu verwerfen, denn eine jede Form, die sich natür­ lich ergibt, trägt auch künstlerisch ihre Berechtigung in sich; sie kann sogar ganz bedeutende

Wirkungen erzielen, wo die Gerade auf einen hervorragenden Blickpunkt gerichtet ist, der beim Fahren näher und näher rückt, wie es der mittelalterliche Städtebau und das Barock

mit seinen Schloß- und Parkbauten in so ausgezeichneter Weise gezeigt haben. Keinesfalls aber darf die Gerade zu lang sein, weil der Benutzer der Straße so immer

nur das gleiche ermüdende Bild sieht, weil ihm so die Landschaft nicht erschlossen, sondern geradezu verheimlicht wird. Aber selbst dann, wenn die Straße in einer trostlosen Kultur­ steppe ohne Erhebungen, ohne Wald, ohne Baum und Hecke verläuft, wo auch geschwun-

gene Linienführung keine neuen Bilder schafft, muß die lange Gerade wegen der Ermü­ dungsgefahr vermieden, werden.

Hier muß die schöpferische Befähigung des Straßenbauers künstliche Landschaftsräume, künstliche Blickpunkte durch Baum- und Heckenpflanzung, eventuell sogar Aufforstung gestalten.

Im Hügel- und Bergland ist die geschwungene Linie der Straße, die sich den Gelände­ formen, dem natürlichen vielgegliederten Rhythmus der Gebirgs- und Hügellandschaft am besten anpaßt, die naturgegebene; hier wirken lange, oft auch schon kurze Gerade in hohem Maße störend, weil sie eine fremde Linie in diese Landschaft bringen, die ihrer Har­

monie zuwiderläuft.

Die Steigungen, auch „Verlorene Steigungen" spielen im Zeitalter des Kraftwagens keineswegs mehr die ausschlaggebende Rolle, die sie im Zeitalter des tierischen Zugs ge­

spielt haben. Das ist für die Linienführung unserer Kraftwagenftraßen von der aller­ größten Bedeutung, weil der entwerfende Ingenieur dadurch in der Lage ist, seine Straße den natürlichen Schwingungen der Landschaft im höchstmöglichen Maße und mit den ge­ ringsten Eingriffen anzupafsen. Die Höhe der Steigung, die bei der Alpenstraße bis 11%

geht, ist im wesentlichen nur durch die Verkehrssicherheit im Winter und die Leistungs­ fähigkeit schwacher Kraftfahrzeuge begrenzt.

Die Querschnittsgestaltung ist bezüglich der Fahrbahn zweifellos verkehrsbedingt: Größe und Art des Verkehrs und der Fahrzeuge schreiben Fahrbahnabmessungen und Fahr­

bahnbefestigung vor.

Die Gestaltung der übrigen Teile des Straßenkörpers, d. i. der

Streifen zwischen den zwei Fahrflächen der Reichsautobahn, der Gräben und Böschungen ist für den Verkehr indes von untergeordneter Bedeutung; sie bewirken Eingliederung und Überführung der Straßenflächen in die umgebende Landschaft, sind daher den

Gesetzen dieser Landschaft unterworfen.

Die Natur kennt — außer im Felsgebiet — keine dauernden Steilböschungen, keine har­ ten Kanten und Verschneidungen, sondern nur weiche Formen und Linien; und daraus muß

für die Straße die Folgerung gezogen werden, wenn sie kein störendes Element in der Land­ schaft sein soll. Für die Bauwerke, die ja im Straßenbau, besonders beim Bau der Reichsautobahn

eine große Rolle spielen, kann kein besserer Grundsatz gelten, als der der Verordnung des

Reichsarbeitsministers vom io. November 1936 über Baugestaltung: „Bauliche Anlagen und Änderungen sind so auszuführen, daß sie Ausdruck anständiger Baugesinnung und werkgemäßer Durchbildung sind und sich der Umgebung einwandfrei einfügen". Anstän­

dige Baugesinnung scheint mir eine Gesinnung zu sein, die eine gestellte Bauaufgabe ehr­ lich, d. h. Handwerks- und materialgerecht, aber auch formschön und in Übereinstim­

mung mit ihrer Umgebung löst.

22

Die technische Bauaufgabe ist kein Ding an sich/ das losgelöst von seiner Umgebung be­ stehen könnte; sie kann daher nicht auf dem Reißbrett mit konstruktiven Mitteln allein ge­

löst werden. Hier ergibt sich nach dem Chaos der Eisen- und Eisenbeton-Akrobatik und

-Romantik der vergangenen Jahrzehnte ohne weiteres der Rückblick auf eine Zeit höherer Baukultur, die durch die stürmische Entwicklung von Technik und Wirtschaft vor 80—100

Jahren jäh abgebrochen ist. Unsere alten Baumeister und Künstler haben nicht auf Grund technisch-konstruktiver

Kenntnisse/ sondern auf der Grundlage eines guten handwerklichen Könnens/ einer aus­

gezeichneten Kenntnis der Baustoffe/ und eines durch Tradition gesicherten Formgefühls Baukunst und Baukultur des Mittelalters zu geradezu bewundernswerter Blüte gebracht; es war selbstverständlich/ daß das Bauwerk seiner Umgebung sich organisch einfügte/ selbst wenn ein Jahrhundert oder mehr an ihm gebaut wurde.

Erst der Zeit der stürmischen Wirtschaftsentwicklung blieb es vorbehalten/ hierin eine Änderung herbeizuführen/ Bauten ohne jeden Zusammenhang mit ihrer Umgebung zu

erstellen/ den Kontakt mit dem Gewordenen/ Vorhandenen/ zu verlieren und Bauwerke zu

schaffen/ die nur dem rechnenden Verstand/ aber nicht dem warmen Gefühl für Form/ Um­ gebung und Landschaft entspringen.

So müssen wir notgedrungen wieder zurück/ anknüpfen an das gute Alte/ an die Zeit/ in der Material und Formgefühl noch lebendig waren.

Das kann aber nicht bedeuten, daß wir nun einfach das Alte kopieren, sondern nur, daß wir uns die Bau- und Werkgesinnung zu eigen machen, die unsere alten Meister ihre Brücken, Stadtbefestigungen, Rathäuser und Dome haben schaffen lassen.

Diese Anknüpfung an das Alte gilt insbesondere dem Baustoff.

Der neue deutsche Straßenbau kehrt für kleine bis zu den größten Bauwerken zum Na­ turstein zurück und erzielt dadurch wieder Wirkungen, wie sie von Beton nie erreicht werden

können.

Das ist nicht ganz leicht, weil die Kenntnis der werkgerechten Bearbeitung des

Natursteins in weitestem Maß geschwunden ist und erst mühsam wieder anerzogen werden

muß. In allen Gesteinsarten, die für Mauerwerk verwendbar sind, hat die Reichsauto­

bahn an vielen ihrer ausgeführten Strecken ganz ausgezeichnete Bauwerke erstellt, die Vergleiche mit den besten alten Lösungen recht wohl aushalten können.

Es wird manchmal eingewendet, das Bauen mit Naturstein sei zu teuer; gewiß, mit Beton könnte in vielen Fällen billiger gebaut werden. Unsere Reichsautobahnen werden

aber für Jahrhunderte gebaut, so daß sich der höhere Bauaufwand durch längere Lebens­

dauer und geringere Unterhaltungskosten auch rein rechnerisch rechtfertigen läßt. Aber wir betrachten unsere Bauten ja gar nicht nur von rein rechnerischem, sondern auch

von kulturellem und landschaftlichem Standpunkt; wir sind uns unserer Verpflichtung gegen Mit- und Nachwelt und gegen unsere deutsche Heimat bewußt, die uns befiehlt.

2Z

natur- und heimatverbunden zu bauen mit den Baustoffen, die uns die Natur jeweils an

der betreffenden Baustelle oder in ihrer Nähe darbietet.

Aber unser neuer Straßenbau stellt uns oft neue Aufgaben, Aufgaben, die mit den Mit­ teln des Mittelalters gar nicht bewältigt werden können. Für unsere weitgespannten Tal­

übergänge, Brücken, Silos, Funktürme, genügen die handwerklichen Formen und Baustoffe der Alten nicht.

Die neue Zeit brachte uns neue Baustoffe: Eisen, Stahl, Beton, Eisenbeton und damit ganz neue Möglichkeiten der Formgebung sowohl, wie der konstruktiven Gestaltung. Sie

brachte außerdem bessere Methoden der statischen Berechnung, die Möglichkeit der Überwin­ dung größerer Spannweiten, schlechteren Baugrunds und geringerer Konstruktionshöhe. So ist unsere Aufgabe oft eine viel weitgehendere: unter Anwendung aller technischen un konstruktiven Fortschritte, Bauweisen und Baustoffe auf neuen Wegen, mit neuen For­

men, aber mit der guten, alten, ehrlichen, landschaftsgebundenen Gesinnung schöpferisch Neues zu schaffen.

Gerade bei großen Bauwerken wird es sich zwar immer darum handeln, daß sie mit der

Landschaft eine Einheit bilden, aber nicht immer darum, daß sie sich der Landschaft unter­ ordnen, denn gar oft werden sie die Landschaft beherrschen, und wohl ihnen, wenn sie

es können, ohne der Landschaft Zwang anzutun. Bepflanzung

Für den Charakter einer Landschaft ist ihre Pflanzendecke in hohem Maße bestimmend; wir würden unsere deutschen Gaue nicht wieder erkennen, wenn man ihnen ihr Pflanzen­

kleid nähme. Es ist auch kein Zufall, daß der Hochschwarzwald Fichtenwälder, Alb und Odenwald

Buchenwälder, unsere Stromauen Eichenmischwälder und die trockenen Kiesterrassen der Flüsse Kieferwälder tragen, und daß jede dieser Waldarten andere Begleitpflanzen hat,

die mit Baum und Strauch Pflanzengesellschaften bilden, die nur für sie typisch sind und unter gleichen äußeren Verhältnissen immer wieder in gleicher Zusammensetzung

auftreten. Wir wollen, daß unsere Straßen keine Fremdkörper in der Landschaft bleiben, daß sie harmonische Bestandteile dieser Landschaft werden; sie müssen daher auch Anteil haben

an der Pflanzendecke dieser Landschaft. Es schien bisher manchmal so, als ob kahle häßliche Böschungen ein nicht zu vermeidendes Zubehör großer Erdbauten seien. An den Reichsautobahnen wird man sie nach Beendigung des Baues vergeblich suchen; es ist eine geradezu selbstverständliche Forderung, daß alle

vom Verkehr nicht unmittelbar beanspruchten Flächen begrünt und dadurch der Landschaft wieder zurückgegeben werden.

24 Es ist allerdings nicht gleichgültig, was wir an unseren Straßen pflanzen; wir wollen

keine Gartenanlagen schaffen, sondern nur der Natur helfen, mit den Mitteln der Land­ schaft und aus den Gesetzen der Landschaft heraus die Wunden zu heilen, die unsere Werke ihr geschlagen haben; wir vertiefen uns daher in die natürlichen Voraussetzungen des

Pflanzenwuchses an unseren Straßen und in ihrer Umgebung, wir beobachten, auf welche

Weise und mit welchen Mitteln die Natur arbeitet und wenden diese Mittel und diese Ar­ beitsweise sinngemäß an.

Der erste Grundsatz ist hierbei die Schonung vorhandener Bestände und Einzel­

bäume, die für das Landschaftsbild von Bedeutung sind. Das scheint mir der wichtigere Teil der Aufgabe zu sein, denn wir können zwar hundertjährige Bäume beseitigen, aber

keine solchen pflanzen. In dieser Schonung geht die Reichsautobahn, wie Sie sich allenthalben selbst überzeugen

können, sehr weit.

Wo Wälder durchfahren werden, gibt ihr das Schutzwaldstreifengesetz das Recht, einen Waldstreifen von 40 m Breite seitlich der Fahrbahn nach landschaftlichen Grundsätzen zu

pflegen und zu bewirtschaften. Es soll hierdurch Gelegenheit gegeben werden, diesen Wald­ streifen in einen Zustand zu bringen, welcher der natürlichen, durch Klima und Bodenver­

hältnisse bedingten Waldform nahe kommt. Welch große Bedeutung einer solchen Maß­

nahme nicht nur für die Landschaft, sondern auch für die natürliche Gesundung unserer vielfach künstlich in reine Fichtenforste verwandelten Wälder zukommt, wird Ihnen allen klar sein.

Und den Gefahren, die dem angeschnittenen oder durchfahrenen Wald drohen,

kann auf diese Weise am besten begegnet werden. Aber auch in waldlosen Gebieten kommt einer Bepflanzung von Böschungen und Däm­

men mit bodenständigen Bäumen und Sträuchern größte Bedeutung zu. Es entstehen hier

geradezu Keimzellen, die die Wiederherstellung des durch den Menschen gestörten biologi­ schen Gleichgewichts der Natur einleiten, Hecken und Gebüsche, die dem Singvogel und all

unserem der Landwirsschaft so nützlichen Kleingetier Unterschlupf und Brutstätte geben, grüne Inseln in der Kultursteppe, aus der der Mensch jeden Baum, jeden Strauch be­

seitigt hat.

Der Einzelbaum, die Baumgruppe, die geschloffene Baumreihe, Gebüsch und Hecke, sie alle finden an unseren Straßen wieder ihren Platz als Ersatz für all das, was an Baum und Strauch bereits verschwunden ist und notwendigerweise noch verschwinden muß. So begegnen sich die Bestrebungen deö heutigen Straßenbaues in vielen Punkten mit denen des Heimat- und Naturschutzes. Gewiß, nicht jeder von uns ist so mit allen einschlägigen Fragen vertraut, daß er aus eigener Kraft all das tun könnte, was Natur- und Heimatschutz vom deutschen Straßen­

bau verlangen.

Die Reichsautobahndirektion und Landesbauverwaltungen werden daher bei all ihren

Entwürfen und Baumaßnahmen an Autobahnen und Reichsstraßen von einer Schar an­ erkannter Baukünstler und Landschaftsgestalter dauernd beraten.

Eine eigene, vom Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen herausgegebene, her­ vorragend ausgestattete Zeitschrift, die von allen Straßenbauämtern gehalten wird, be­ handelt in ausgiebigstem Maße und von berufenster Seite alle Fragen der Landschafts­

gestaltung und künstlerischen Formung der Bauwerke; in besonderen rotägigen Schulungs­

kursen werden von besten Fachleuten und Künstlern gerade diese Fragen mit großem Er­ folg behandelt und alljährlich vielen Hunderten von Straßenbauingenieuren nahegebracht.

Einige, leider nicht alle, technischen Hochschulen haben Lehraufträge über das Thema „Landschaftsgestaltung im Ingenieurbau" erteilt.

So befindet sich der deutsche Straßenbau zweifellos auf dem besten Wege, Vorbildliches auch im Sinne des Heimatschutzes zu leisten. Gewiß, nicht alles, was in den letzten Jahren auf diesem Gebiet geschaffen wurde, ist

gleichmäßig gut gelungen, aber mit jedem Kilometer Reichsautobahn kommen wir dem

Ziel eines bodenständigen, heimatverbundenen Straßenbaues näher.

Wir sind noch nicht am Ende, aber wir haben den schwierigen Anfang überwunden und wissen uns auf dem richtigen Wege, auf dem uns Ihrer aller Rat und Mitarbeit wertvoll

sein wird.

Noch sind leider nicht alle Disziplinen des Ingenieurbaues so weit, wie der Straßenbau, aber unser Beispiel muß, und wird auch hier wirken zum Wohle unseres Vaterlandes, zum

Wohl unserer deutschen Heimat.

26

DIENSTAG, 31. AUGUST HEIMATSCHUTZ UND SIEDLUNG Ministerialrat Prof. Dr. Schmidt vom Reichsarbeitsministerium, Berlin: Wer heute durch die deutschen Gaue fährt, der kann mit Befriedigung und Stolz feststellen,

daß allerorten Kräfte am Werke sind, die das äußere Bild unseres Vaterlandes neu formen. Am Rande der Ortschaften, durch die die Fahrt geht, wachsen Gruppen von Eigenheimen und weite Siedlungen empor, in Städten und Dörfern werden die vor­

handenen Häuser überholt und soweit möglich und nötig von Verunstaltungen spä­ terer Zeit befreit, aufdringliche und häßliche Werbeschilder an Häusern und in Land­

schaften verschwinden. Mächtige Bauten für Partei und Staat wachsen in den Städten heran. Durch die Landschaften ziehen sich die langen weißen Linien der Reichsautobahnen.

Über tiefe Täler und breite Senken werden kühne Brücken gespannt. Neue Flugplätze, Unterkünfte für Truppen, Fahr- und Flugzeuge wachsen aus dem Boden heraus. Gewal­ tige Hallen und Werkstätten für neue gewerbliche und industrielle Zwecke, Talsperren,

Wasserstraßen und Kraftanlagen entstehen und greifen tief in das Bild der Landschaft ein. Eine der wichtigsten Sorgen aller, denen es um die Erhaltung unseres Heimatbildes Ernst ist, muß es sein, daß alle diese Bauten, die das Bild unserer Heimat in Zukunft begründen,

in Gliederung, Stellung, Form und Farbe sich vorteilhaft in dieses Bild einfügen, und eine vordringliche Aufgabe aller verantwortlichen Stellen muß es sein, darüber zu wachen,

daß die Veränderungen nicht nur keine Verschlechterungen bedeuten, sondern im Gegenteil

das gewohnte Bild nur zu seinem Vorteil verändern. Der Heimatschutz ist so zu einem der wichtigsten und fördernswertesten Gebiete unseres staatlichen und politischen Lebens ge­ worden. Es geht hier nicht nur um Fragen der Ästhetik oder der Wahrung kultureller oder

geschichtlicher Werte, sondern um eine Aufgabe von hervorragender staatspolitischer Be­ deutung, von deren guter Lösung nicht zuletzt die Sicherung unseres völkischen Lebens ab­

hängt. Wie im großen Kriege eine undurchdringliche Mauer von Männern die deutsche Heimat vor den Einfällen feindlicher Truppen bewahrte, so geht es auch heute darum, daß

sich alle Kreise, die mit dem Bauen zu tun haben, einmütig zusammenschließen, um das Bild unserer deutschen Heimat vor Verunstaltung durch unfähige Kräfte zu bewahren.

Je größer die baulichen Aufgaben sind, die uns erwachsen, desto größer ist die Gefahr, daß

bei nicht genügender Wachsamkeit das Bild unserer deutschen Heimat unverbesserlichen

Schaden erleidet. Vor allem gilt dies auch von der Gestaltung der neuen Wohnstätten, einer der größten baulichen Aufgaben, die uns für die nächsten Jahrzehnte bevorstehen. Allzuviel ist leider in ftüheren Zeiten gerade auf diesem Gebiet gesündigt worden. Man sehe nur, wie die Zeit des Bauliberalismus es fertiggebracht hat, mitten in die schönsten

Straßen und besten Plätze, die das Mittelalter oder die Barockzeit hinterlassen hat, hohe

27

Wohnhäuser in scheußlichen Formen zu setzen, die um mehrere Stockwerke oder um häß­ liche Dachaufbauten die einheitlichen Zeilen der alten Häuser mit häßlichen Brandmauern

überragen, oder wie am Rand der Städte, wo eine planvolle Gestaltung den Mehrstockbau allmählich durch Flachbauten in die Natur überleiten würde, unvermittelt schmale, mit

hohen Brandgiebeln ausgestattete 4- und 5geschossige Wohnhäuser emporragen. Oder man sehe die einförmig lieblosen und kunstlosen Reihenhausbauten in den neuerschlossenen Wohngegenden mancher Industriezentren. Hier sind Heimatschutz und Siedlung zu schroff­

sten Feinden geworden. Mit der Inangriffnahme des großen deutschen Siedlungswerks, das der Führer ver­

kündet hat, wächst die Beeinflussung des Bildes unserer Heimat durch den Bau neuer Wohnstätten immer mehr. Dabei darf nicht vergessen werden, daß es sich bei der Gestaltung der Heimat nicht nur darum handelt, das Heimatbild vor Verunstaltungen zu schützen,

sondern um weit mehr, nämlich darum, den Menschen innerlich, seelisch an die Heimat heranzuführen, ihn an sie zu ketten und seine Familie unlöslich wieder mit dem Heimat­

boden zu verbinden, ihn zum deutschen Bürger zu machender bereit ist, für seine ihm lieb­ gewordene Heimat sein Letztes herzugeben und sie gegen heimatfremde Kreise im Innern und Äußern des Landes zu verteidigen. So wachsen Heimatschutz und Siedlung zu zwei

unzertrennlichen Begriffen zusammen. Wie eine gute Siedlung nie entstehen kann, wenn sie nicht heimatlichen Charakter trägt und sich nicht ungezwungen und gefällig in das

Heimatbild einfügt, so kann der Gedanke des Heimatschutzes nicht in den Herzen der breiten Bevölkerungskreise verankert werden, wenn sie keine innere Beziehung zum Heimatboden haben, wie sie ihnen allein das Eigentum an einem Stück dieses heimatlichen Bodens gibt.

Die Entwicklung des Bauwesens, vor allem des Wohnungsbaues, in den Vorkriegs­ jahren beweist, daß Bodenverbundenheit und heimatliche Baukunst eng miteinander ver­ bunden sind. Je mehr in der Zeit der Industrialisierung Deutschlands durch den Bau von vielgeschossigen Miethäusern die Massen der Bevölkerung von der heimatlichen Erde weg­

gebracht worden sind, desto mehr ist an die Stelle heimatgebundener Bauweise die aus­

druckslose Fassade des Miethauses getreten, das jeder heimatlichen Gestaltung entbehrt

und dessen Formen ebensogut für Frankreich, Rußland oder Deutschland passen, desto stärker ist der Verfall der Baukultur fortgeschritten und an ihre Stelle nüchterne inter­

nationale Gleichmacherei getreten. Auch in der Nachkriegszeit können wir beobachten, wie

die Abkehr von den heimatlichen Formen am ersten und am stärksten dort Eingang ge­ funden hat, wo der vielgeschossige Miethausblock gebaut wurde. Wo der Mensch also auf­ gehört hat, bodenverbunden zu sein, da ist damit auch gleichzeitig der Gedanke des Heimat­

schutzes in der Baukunst verloren gegangen. Andererseits haben sich am stärksten die For­

men heimatlicher Baukunst dort erhalten, wo das mehrgeschossige Miethaus überhaupt unbekannt geblieben ist, also auf dem Lande und im Dorfe, in der rein bäuerlichen Siedlung.

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Der stärkste Feind heimatlicher Siedlungsgestaltung war die sogenannte neue Sachlich­ keit, mit der manche Architekten in den Nachkriegsjahren viele neue Siedlungen zu formen

versuchten. Allzuoft war dabei nicht etwa das Bestreben Triebfeder, etwa technisch und ästhe­ tisch oder wirtschaftlich Besseres an die Stelle des Altbekannten und Bewährten zu setzen, sondern die Sucht, um jeden Preis Neues zu gestalten und sich dadurch interessant zu machen, die Augen der Öffentlichkeit auf Bauherren und Baumeister zu lenken und da­

durch neue Geschäfte zu machen. Das alte Steildach wurde als unsachliches, romantisches

Beiwerk verworfen und an seiner Stelle das Flachdach propagiert, der Schmuck der Fassade durch Farbe, Gesimse und belebendes Beiwerk als veraltet und unsachlich abgelehnt und

die glatte nüchterne, ausdruckslose Fassade als Gipfel klarer Sachlichkeit gepriesen. Mag das Flachdach bei reinen Nutzbauten u. U. seine technische Berechtigung haben — wenn­

gleich auch bei diesen Bauten Forderungen der Eingliederung in Ort- und Landschaftsbild zu anderen Formen zwingen können —, bei Siedlungen verbietet es sich schon aus technisch­ wirtschaftlichen Gründen; denn so ausgeführt, wie es unsere klimatischen Verhältnisse ver­ langen, kommt es beim Bau teurer als das Steildach. So billig ausgeführt aber, daß es

nicht teurer als das Steildach kommt, führt es zu hohen Unterhaltungskosten und zu frü­

hem Verfall der Häuser. Man kann sich hiervon ohne weiteres durch Betrachtung der Flachdachsiedlungen überzeugen, die einzelne Städte in der Systemzeit gebaut haben. Ich kenne jedenfalls keines, bei dem nicht schwere Schäden als Folge unsachgemäßer Konstruk­

tion sich gezeigt hätten. Artfremde Formen mit krampfhaft gesuchten neuartigen Gestal­

tungen und Einzelteilen wirken aber nich^nur aufdringlich und fremd in ihrer Umgebung, sondern sie werden auch vom Siedler nicht als Ausdruck eines deutschen Hauses hinge­

nommen und daher nicht als Heimat empfunden. Nur das Haus, das natürlich und un­ gesucht in die Umgebung hineingestellt ist und in Form und Baustoff heimatverbundenen,

bodenständigen Charakter trägt, kann im eigenen Sinne des Wortes Heimat sein. Ein

Haus, das nach seinen Formen ebensogut im Vorgebirge der Alpen, wie an der Wasser­ kante oder im Thüringer Walde stehen könnte, steht nicht nur als Fremdkörper in seiner Umgebung und verunstaltet, mag es auch für sich absolut sauber und anständig gebaut

sein, durch seinen aus dem Rahmen herausfallenden Charakter das Orts- und Landschafts­

bild, sondern es wird auch von den Menschen nicht als Heimat empfunden werden können.

Es muß vielmehr in Formen gehalten sein, die in der Gegend üblich sind, mit heimischen

Baustoffen von Baumeistern geformt und von Handwerksmeistern geschaffen sein, die mit der Bauweise der betreffenden Gegend vertraut sind. Bescheiden muß es in die Landschaft

eingefügt sein und dastehen, als wäre es von jeher ein Stück der heimatlichen Landschaft gewesen. Aber nicht allein die äußere Form macht das Bodenständige aus, sondern das

innere Wesen, die Art des Wohnens, wie die Art des Wirtschaftens. Die Form ist nur das

Kennzeichen, nicht das Wesen des Bodenständigen. Hierzu bedarf es keines überragenden.

schaffenden Genies, aber immerhin einer empfindsamen Hand eines Baumeisters, der seine

Kunst klug und bescheiden in die große Umwelt einordnet, die die Natur ihm gibt. Je ein­

facher das Siedlungshaus, um so bester fügt es sich in das gewesene und gewordene Heimatbild ein. Wer heute etwa durch die brandenburgischen Dörfer geht, der kann seine helle

Freude an den eingeschossigen geraden und anständigen Häusern mit dem einfachen Sattel­ dach haben, die die Straßenzeilen und Plätze einfaffen. Der Erbauer einer neuen Siedlung kann nichts Besseres tun, als an der Gesamtformung ebenso wie an der Gestaltung von

Einzelheiten, von Türen, Läden und Gesims zu Icnien, wie die damaligen Zeiten es ge­ macht haben, um bei beschränktesten Mitteln ein durchaus zweckmäßiges, baulich befriedi­

gendes und heimatgebundenes Bild zu schaffen. Deutschland ist unendlich reich an ver­ schiedenen Formen des Volkslebens und des Heimatbildes. Das Bild der neuen Heim­ stätte muß sich diesen Formen eingliedern. Wo das Angerdorf oder das Haufendorf oder

der Rundling oder sonstige Formen bodenständig sind, muß diese Form wieder aufge­ griffen werden. Wir müssen wieder lernen, nicht mehr Siedlungshäuser zu bauen, sondern

geschloffene größere Siedlungsanlagen, die das Bild der deutschen Volksgemeinschaft ver­ körpern. In ihnen finden Bürgerhäuser, Handwerkerhäuser, Kleinsiedlungen und Bauern­

häuser sich zusammen. Mittelpunkt sind: die Gemeinschaftsanlage, das Gemeindehaus,

die Schule, das H.-J.-Heim, die Ladenbauten, die Kirche, angeordnet in Verbindung mit einem Versammlungs- und Aufmarschplatz. Die Formung der Straßenzüge muß so sein, daß der Verkehr abseits der Wohnhäuser vorbeigeführt wird. Vor allem muß mit dem

verfehlten Grundsatz endgültig gebrochen werden, die Häuser entlang den Verkehrswegen

aneinanderzureihen. Das iy. Jahrhundert hat Ortschaften geschaffen, die sich mehrere Kilometer entlang den Hauptverkehrswegen erstrecken und dadurch nicht nur den Schnell­ verkehr auf der Straße beeinträchtigen, sondern auch für die Bewohner des Hauses zu einer ständigen Gefahrenquelle geworden sind. Das heimatliche Haus muß von der Ver­

kehrsstraße abgerückt und von allen Belästigungen, die der Verkehr nun einmal mit sich

bringt, freigehalten werden. Manche Siedlung, die in den letzten Jahren entstanden ist, trägt diesen Gesichtspunkten nicht Rechnung. Es ist kein Ruhmesblatt für die Architekten dieser Zeit, wenn man gestehen muß, daß man vom Flugzeug aus ohne weiteres die neuen Siedlungen daran erkennt, daß sie sich mit ihrer eigenwilligen schematischen Gestaltung scharf aus dem Landschasts- und Ortsbild herausheben und ohne Schwierigkeit als Schöp­

fungen der neuesten Zeit erkannt werden. Haus und Siedlung sind nicht nur bauliche Gebilde, sondern Ausdruck von Charakter

und Wesen eines Volkstums. Sie prägen sich also in der Gestaltung ihrer Bauten aus, nicht nur in großen monumentalen Gestaltungen, in der Anlage der Stadt oder des Dorf­ bildes, sondern auch, und hier am allermeisten und allertiefsten, in der Gestaltung der

Heimstätte selbst, in der Stellung dieser Heimstätte zur Landschaft, in Form und Farbe des

30 Innenausbaues dieser Heimstätte. Das an den Berghang geschmiegte Haus des Gebirglers

mit den sich um das Haus herumziehenden, reich mit Blumen geschmückten Altanen, den

buntgeftrichenen Läden und Möbeln entspricht der lebensfrohen, naturverwachsenen Art seiner Bewohner ebenso, wie andererseits das aus dunklem, knorrigem Fachwerkholz gerade und fest gezimmerte Haus des Westfalen seiner festen, aufrichtigen Art und das schlichte

Siedlungshaus des Brandenburgers mit seinem einfachen geraden Satteldach den Aus­ druck der soldatisch strengen, arbeitsamen Gesinnung des Altpreußen. Die unendliche

Vielgestaltigkeit unserer deutschen Volksstämme muß im Siedlerhaus der einzelnen Gegen­

den unseres Vaterlandes zum Ausdruck kommen. So fügt es sich dann am besten in die Eigenart des Stammes ein, und aus der Eigenart und Vielgestaltigkeit dieser Stämme

entsteht dann das abwechslungsreiche, bunte Bild, aus dem sich das herrliche Gemälde unserer großen deutschen Heimat zusammensetzt. Jedes Heim soll dabei Wesen und Stand seines Bewohners zum Ausdruck bringen.

Das Haus des Handwerkers muß anders sein als das des Arbeiters oder das des Bauern. Wo man versucht, etwa den Beruf des Handwerkers durch Hauszeichen im

Äußern schon zum Ausdruck zu bringen, da greift man mit viel Glück Gebräuche früherer Zeiten auf und bringt das Zeichen der Heimat auch nach außen hin zum Ausdruck.

Der Siedler ist weder ausschließlich Städter, noch Bauer. Sein Haus soll weder den Charakter eines städtischen Eigenheims tragen, noch ein kleines Bauernhaus vortäuschen.

Das Siedlungshaus ist ein Typ für sich, der als solcher von Baumeistern herausgestaltet werden muß.

Die Verwendung mehrerer Typen in einer größeren Siedlung ist einer allzu starren Typisierung vorzuziehen. Es will mir scheinen, als ob wir in dem Bestreben nach wirt­

schaftlichem Höchstmaß in der Typisierung bisweilen zu weit gegangen seien. Es ist kein erfreuliches und heimatechtes Bild, wenn eine Siedlung von ioo oder 200 Häusern nur

aus ein oder zwei Typen zusammengesetzt ist. Gewiß besteht auch das im Laufe der Jahr­ hunderte gewachsene Dorf aus Typenhäusern, die sich durch wirtschaftliche und klimatische Notwendigkeiten von selbst herausgebildet und als Bestformen hierfür bewährt haben.

Aber doch ist hier der Eindruck des Gedankenarmen, Langweiligen, Eintönigen durch natürliche Gruppierung, durch Farbengebung, Schmuckmotive und individuelle Zusätze, wie Erker, Balköne, Türumrahmungen usw. glücklich vermieden. Nichts ist öder als ab­ solute, reine Sachlichkeit.

Einer der Vorkämpfer für heimatliche Baugestaltung, aber auch für vernünftige Sach­

lichkeit, Prof. Schmitthenner-Stuttgart, schreibt mit beißendem Spott hierüber: „Mit Hilfe einer liberalistischen Presse und Wirtschaft, geduldet von einer stumpfen

Bürgerlichkeit, von demokratisch-marxistischen Regierungen unterstützt, wurde der Kampf für neue Bauformen geführt.

3i

Jener Verstand/ der auf Unkosten des Herzens verfeinert, dem nichts mehr heilig ist,, begann seine Herrschaft. Diese Erscheinung sahen wir auf fast allen Gebieten, und in der Baugestaltung der neuen Sachlichkeit ist diesem zersetzenden Zeitgeist das bleibende Denkmal gesetzt.

Jede Verpflichtung gegen Geschichte, Tradition, Landschaft, Himmel und Erde und Mensch ist vergessen. Nur was man errechnen kann, ist in Ordnung.

Die neue Sachlichkeit wurde planmäßig propagiert und in geschlossenen Siedlungen den deutschen Menschen vorgeführt.

Die bekannte internationale Weißenhofsiedlung in Stuttgart, die Siedlungen in Frank­ furt, Karlsruhe, Breslau, Dessau und Celle, um nur die bekanntesten von den allzuvielen zu nennen, waren als Ausdruck der neuen Baugesinnung anerkannt. Diese baulichen Ge­

bilde, die als Dokumente der Sachlichkeit gepriesen wurden, sind nichts anderes als verge­ waltigte Sachlichkeit in internationaler Verwässerung. Es wird einer späteren Zeit unver­

ständlich sein, daß man es wagte, solche Dinge als Wohnungsreform zu bezeichnen. Daß vom breiten Publikum diese Dinge einfach hingenommen wurden, ist nur der Beweis, wie weit der gesunde Sinn für das einfach Gute und Richtige verkümmert war. Der billige Hang für das Neueste wurde mit Fortschritt verwechselt. Die individuelle Freiheit, man meinte

damit das Recht, das allgemeine Wohl nicht beachten zu müssen, war ein heiliges Recht, zu dessen Wahrung man alles jedem und allen gestattete. Alles Fremde war begehrt und

wurde ohne weiteres hingenommen, denn man ist fortschrittlich und man ist international."

Schmitthenner stellt folgende Forderungen für die neue Baukunst auf: „Die höchste sittliche Forderung im neuen Staat heißt: „Gemeinnutz vor Eigennutz"^ Achtung vor Volkstum und Tradition und diese höchste sittliche Forderung müssen auch

die Grundlage sein für die neue deutsche Baukunst, wenn sie wieder der zuverlässige Maß­ stab werden soll für die geistige Haltung, für die Gesamtkultur des neuen deutschen

Reiches. Der Beruf des Architekten ist heute in Deutschland noch vogelfrei. Das Ziel muß sein,

daß nur berufene Baumeister in Zukunft planend ordnen dürfen. Jedes Bauwerk, ob klein oder groß, wird nicht mehr in erster Linie angesehen werden dürfen als ein Stück des deut­

schen Volksvermögens, sondern als ein Stück des deutschen Kulturbesitzes. Die Bauten der „neuen Sachlichkeit" in ihrer blutlosen und scheinbaren Maschinenrein­

lichkeit, bei denen der Wille zur Sachlichkeit prostituiert, werden im neuen Reich nicht mehv entstehen können."

Um der Praxis die Anleitung an die Hand zu geben, wie die neuen Siedlungen dem Ge­

danken des Heimatschutzes Rechnung tragen können, hat sich die Arbeitsgemeinschaft „Heimat und Haus", an der der Deutsche Bund Heimatschutz durch seinen Fachbeauf­

tragten führenden Anteil hat, die Aufgabe gestellt, in einer Lieferungsfolge die landschaft-

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lichen Grundlagen des deutschen Bauschaffens zu untersuchen. An diesem Unternehmen, das von den zuständigen Reichsministerien, von der Deutschen Arbeitsfront und anderen maßgeblichen Zentralstellen lebhaft begrüßt und zum Teil gefördert wird, nimmt auch

das Reichsarbeitsministerium und die von mir mitgeleitete Stiftung zur Förderung von Bauforschungen kräftigen Anteil. In den Bereich der fachlichen Betrachtungen werden

vornehmlich gezogen: das Bauernhaus, das Haus des dörflichen Handwerkers, die länd­

liche Kleinsiedlerstelle, die Nebenerwerbssiedlung, das Kleinstadthaus, das Einzel-, Doppel- und Reihenhaus am Stadtrand, das Stockwerkshaus und sinnentsprechend deren

Zusammenhänge im Siedlungsorganismus und dessen Beziehungen zur Landschaft. Der Arbeitsplan sieht eine Dreiteilung des Stoffes vor, indem aus kennzeichnenden

überlieferten Bauformen einer jeden Hauslandschaft und aus vorbildlichen heutigen Bau­ ten eine landschaftsgebundene Baulehre entwickelt wird. Die Eigenheiten der heimatgebundenen Baugesinnung sollen in sich für entsprechende Landschaftsräume abgerundet behandelt werden. Zunächst soll, auf dem immer noch be­ währten Grundsatz der Gegenüberstellung von Beispiel und Gegenbeispiel aufgebaut, be­

handelt werden: i. Erhaltung und Gestaltung des Dorfes, 2. Erhaltung und Gestaltung

der Klein- und Mittelstadt, 3. Das Dach in seinen Konftruktionselementen, 4. Die Um­ wehrung der Grundstücke mit Zaun, Hecke, Mauer. Die Aufgabenstellung zeigt mit aller Deutlichkeit, daß es der Arbeitsgemeinschaft ebenso wie insbesondere dem Heimatschutz daran liegt, daß in das gesamte Bauschaffen eine

Ordnung kommen muß, die nicht von der geschmacklichen Auffassung des einzelnen, einer Gruppe, einer flüchtigen Mode abhängt, eine Ordnung, die handwerklich-technische Notwen­ digkeiten und volkswirsschaftliche Erfordernisse zu heimatgebundener Baugestaltung führt. Um die Erhaltung der Klein- und Mittelstadt einmal als Beispiel herauszustellen, ist

folgendes grundsätzlich zu beachten:

Die Charaktere solcher Städte sind zu kennzeichnen in den Erscheinungsformen, die auf uns überkommen sind. Die Schönheit unserer Städte beruht auf der Eigenart unserer Alt­ stadtkerne. Alles neu zu Schaffende muß anders angepaßt werden, als es bisher im allge­

meinen geschehen ist, indem man Wälle eingeebnet, Tore freigelegt, Geschäftsstraßen roh

ausgebaut oder durchgebrochen, viel zu große Läden und viel zu viel Reklame zugelassen hat, aber meist an der notwendigen Sanierung, insbesondere der Auflockerung der über­ mäßigen Grundstücksbebauung vorbeigegangen ist. Aufzuräumen gilt es u. a. mit unsach­

gemäßen oder unschönen Umbauten, falschen Jnstandsetzungsmaßnahmen, aufdringlichen

Farben usw. Sehr wichtig ist weiter u. a. die Frage der Eingliederung von überdachten

Tankstellen, Wartehäuschen und dergleichen ins Platzbild. Von ganz besonderer Wichtigkeit sind die Untersuchungen, die den Randgebieten der

Städte zu widmen sind, soweit für sie die offene oder halboffene Bauweise in Frage kommt.

Wir leiden ja hier unter einer Reihe betrüblicher/ jedes organische Bemühen von vornher­

ein stark hemmender Schwierigkeiten/ so vor allem der individualistischen Haltung der „Villen", dem Verlangen auch des kleinsten Eigenheimwilligen, als eigener Herr mitten

auf seiner noch so winzigen Scholle zu sitzen; weiter fallen ins Gewicht die Tatsachen, daß

der fragliche Grund und Boden vielfach zu Spekulation und durch falsche Parzellierung so festgelegt ist, daß es außerordentlich schwer ist, gesunde Einzelbauten zu größeren Ein­

heiten befriedigend zusammenzuschließen. Hier gilt es also, die Grundbegriffe zu klären,

aufzuzeigen, mit welchen Mitteln des baulichen Gestaltens man unter Zuhilfenahme von Baum und Sttauch das Bauwerk in die Umgebung einzubinden vermag, und wie muster­ gültige Lösungen früherer Kleinsiedlungen sinnentspechend auf die heutzeitigen Aufgaben

überttagen werden können. Es gilt, die heimatlichen Bindungen herauszuarbeiten, die ohne irgendeine Sentimen­ talität beizubehalten nicht nur möglich, sondern auch zur Stärkung der heimatgebundenen Baugesinnung und des ortsansässigen Handwerkertums unbedingt erforderlich ist.

Es muß leider mit der Tatsache gerechnet werden, daß solche an sich selbstverständlichen

Auffassungen durch die Jahrzehnte des Liberalismus und eines vielfach auch heute noch sich breit machenden unfähigen, zum mindesten äußerst befangenen, in erster Linie ge­

schäftlich eingestellten Bauunternehmertums noch sehr wenig Gefolgschaft haben. Die vorbildliche und beispielgebende Haltung, die einzelne Architekten, einzelne Heimstätten

und Stadtbauverwaltungen bekunden, muß sinnentsprechend ausgewertet werden. Die textliche Darstellung, die Bildauswahl und ihre Anordnung der Veröffentlichung werden so gehalten werden, daß sie dem Fachmann und der zu interessierenden Laienschaft

gleichermaßen wertvolles Rüstzeug bietet. Derartiges Gedankengut muß der Allgemein­ heit erschlossen und verpflichtend genutzt werden. Es ist selbstverständlich, daß bei der Bedeutung, die die Durchsetzung der Gedanken des

Heimatschutzes haben muß, die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden müssen, um die Neubautätigkeit dementsprechend zu lenken. Heute haben wir die Gedanken einer materiellen

Baufreiheit nicht nur äußerlich durch grundlegende gesetzliche Maßnahmen praktisch über­ wunden, sondern uns auch innerlich so umgestellt, daß wir schlechterdings überhaupt nicht mehr verstehen, wie man die Art des Bauens jemals so ohne die notwendigsten Einschrän­ kungen lassen konnte, wie es die Vorkriegszeit tat. Denn wenn in der Vergangenheit an dem Heimatschutz so stark gesündigt werden konnte, so läßt sich das eben nur durch diese

beinahe zügellose Freiheit erklären, die damals oberster Grundsatz alles Bauens war. Wir brauchen uns nur in dem Ausland, das heute noch den Bauliberalismus hochhält, umzu­ sehen, um zu erkennen, welche Schäden dort auch heute noch in bezug auf die einfachsten

Schutzmaßnahmen für Orts- und Heimatbild angerichtet werden. Die Art und Weise, wie

tue durch den Krieg zerstörten Gebiete in Nordfrankreich wieder aufgebaut wurden, gibt

34 ein erschreckendes Beispiel dafür, erkennbar besonders für den, der die wundervollen alten

Stadt- und Dorfbilder von früher her kannte, und nun erkennen muß, was heute an deren Stelle erstanden ist. Und wir brauchen nur im Gegensatz dazu zu erkennen, welche Ver­

änderungen bei uns erfreulicherweise unsere Orts- und Landschaftsbilder schon in den

wenigen Jahren seit dem nationalsozialistischen Umbruch erfahren haben: Die groben Auswüchse der Reklame sind im großen und ganzen aus unseren Landschaftsbildern ver­ schwunden, die Straßen befreit von all dem häßlichen und aufdringlichen Wust, durch den

vergangene Jahrzehnte sie in Form von schreienden, meist häßlichen Reklametafeln und Hinweisen auf alle möglichen Angelegenheiten verunstaltet haben. Um so deutlicher heben sich bei uns in Deutschland die einfachen, aber klaren Bezeichnungen hervor, die der Kraft­ verkehr unbedingt braucht. In vielen Städten und Gemeinden ist die Säuberung der Läden

und Gewerbebetriebe von unnötig großen und unschönen Schildern bereits mit gutem Er­ folg durchgeführt. In einer ganzen Reihe von größeren Gemeinden geht man planmäßig dazu über, bei der Instandsetzung von Häusern und bei Umbauten auch bauliche Verun­

staltungen, die die letzten Jahrzehnte hervorgerufen haben, zu verbessern und die Schön­

heit der ursprünglichen Stadtgestaltung wieder zum Ausdruck zu bringen. Meist ist dies

das Werk verständnisvoller, leitender Persönlichkeiten der betreffenden Gemeinde. Die Reichsregierung ist ständig bemüht, ihnen noch bessere Handhaben für ihre Bestrebungen

zu geben und die Gesetzgebung nach dieser Richtung hin weiter auszubauen. Bis in die letzte Zeit hinein waren die gesetzlichen Unterlagen leider nicht ausreichend. Bis zum Jahre

1902, in dem erstmals das Gesetz gegen Verunstaltung landschaftlich hervorragender Ge­

genden einen beschränkten Schutz ermöglichte, war in Preußen überhaupt keine Handhabe vorhanden, die wenigstens die unfähigsten, sich Baumeister nennende Personen von der Gestaltung der Bauten ausschließen hätte können. Auch ein Gesetz vom Jahre 1907 konnte nur die Genehmigung von Bauten unterbinden, wenn Straßen, Plätze oder das Ortsbild

gröblich verunstaltet wurden, oder wenn Gefahr für Straßen und Plätze von geschicht­

licher oder künstlerischer Bedeutung oder für einzelne Bauwerke dieser Art vorlag. Selbst das Wohnungsgesetz vom Jahre 1918 ermächtigte die Baupolizeibehörden nur zu einzelnen beschränkten Eingriffen bei Mißständen, die die äußere Gestaltung der Gebäude berührten.

Erst das Gesetz über einstweilige Maßnahmen zur Ordnung des deutschen Siedlungs­ wesens vom 3. Juli 1934 schuf die gesetzliche Grundlage, um durch eine Reihe von Ver­

ordnungen auch die bauliche Gestaltung von Neubauten, ihre Anpassung an das Straßen-,

Orts- und Landschaftsbild zu regeln und damit die Berücksichtigung des Heimatschutzes

durchzusetzen. Auf dieses Gesetz baut sich die grundlegende Verordnung des Reichsarbeits­

ministers über Baugestaltung vom io. November 1936 auf, die erstmals eine klare ge­ setzliche Unterlage gibt, um eine anständige Baugesinnung durchzusetzen. Was in den

letzten 50 Jahren gesündigt worden ist/ konnte sie nicht ungeschehen machen, wohl aber

dafür sorgen, daß solche Sünden an der deutschen Landschaft und an deutschen Heimat­ bildern in Zukunft unterbleiben.

Das oberste Ziel dieser Verordnung wird ganz eindeutig in ihrem § 1 herausgestellt

durch die Forderung, daß alle baulichen Anlagen und Änderungen so auszuführen sind, daß sie Ausdruck anständiger Baugesinnung und werkgerechter Durchbildung sind und sich der Umgebung einwandfrei einfügen. Zur Verwirklichung des gesteckten Zieles eröffnet

die Verordnung den zuständigen Stellen verschiedene Möglichkeiten: Für die Errichtung oder Änderung baulicher Anlagen können besondere Anforderungen, vor allem hinsichtlich der Lage und Stellung der Anlagen, der Gestaltung des Baukörpers usw. gestellt werden.

Es können „Aufbaupläne" aufgestellt werden, denen dann durch Ortssatzung oder Bau­

polizeiverordnung unmittelbare Rechtswirkung für jedermann beigelegt werden kann. Im § 4 ist zwingend vorgeschrieben, daß die baupolizeiliche Genehmigung dann zu ver­ sagen ist, wenn bei einem Bauvorhaben den Grundsätzen der Verordnung (§ 1) oder den

für das Baugebiet gestellten besonderen Anforderungen (auch Aufbauplänen) nicht Rech­

nung getragen ist. Für die Beseitigung der bestehenden Verunstaltungen des Orts- und

Landschaftsbildes ist die Bestimmung des § 5 der Verordnung besonders wichtig. Durch sie ist den Baugenehmigungsbehörden die Befugnis erteilt worden, bei Ausführung er­

heblicher Veränderungen an baulichen Anlagen, die den auf Grund der Verordnung er­ lassenen besonderen Vorschriften widersprechenden und von der Änderung nicht berührten

Teile des Bauwerks mit dem veränderten Teil in Übereinstimmung zu bringen. Selbst­ verständlich müssen die dadurch entstehenden Mehrkosten zu den Kosten der beabsichtigten

Änderung in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Auf welchem Wege, ob durch Ortssatzung oder Baupolizeiverordnung, die nach der Ver­ ordnung zulässigen besonderen Anforderungen zu stellen sind, bestimmt die oberste Landes­ behörde. Es soll jedoch möglichst das Verfahren gewählt werden, nach dem die Abstufung

der Bebauung geregelt wird. Die Ortssatzungen und Baupolizeiverordnungen, die stets in gegenseitigem Einvernehmen zwischen Gemeinde und Baupolizeibehörde zu erlassen

sind, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung der höheren Verwaltungsbehörde (Regierungspräsident). Letztere kann auch den Erlaß oder die Abänderung solcher Vor­

schriften verlangen, die trotz dringenden Bedürfnisses nicht oder unzulänglich erlassen werden.

Die zu dieser Verordnung erlassenen Ausführungsbestimmungen erläutern die beson­ deren Anforderungen, die die zuständigen Behörden durch Ortssatzung oder Baupolizei­ verordnung im einzelnen in Zukunft werden stellen müssen, so über die Firstrichtung der

Gebäude, über die Einhaltung von Gebäudehöhen, über Geschoßzahl, Dachform und Dach­ neigung, über die Eindeckungsart und ihre Farbe, über Form und Größe von Dachauf-

bauten, über Außenputz, Behandlung von Brandgiebeln und Gestaltung der Einfriedi-

3*

36 gung. Gleichzeitig ist auf den Weg hingewiesen, auf dem die beabsichtigten Ziele erreicht werden können. Hierzu ist die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit der technischen Baupolizeibeamten mit den Planungsstellen der Gemeinden betont und darauf hinge­

wiesen, daß die mit dieser Verordnung den Behörden übertragenen verantwortungsvollen

Aufgaben vor allem künstlerische Begabung, städtebauliche, baugeschichtliche und bau­

technische Kenntnisse und Erfahrungen erfordern und daß deshalb auf eine sorgfältige Aus­ wahl der Sachbearbeiter bei den staatlichen und gemeindlichen Stellen Bedacht genommen

werden muß. Gerade dieser letztere Punkt ist von außerordentlicher Bedeutung. Der für die Gestaltung einer Gemeinde verantwortliche Baubeamte darf heute sich nicht mehr da­ mit begnügen, ein gewissenhafter und sorgfältiger Leiter aller gemeindlichen Baubelange zu sein, er muß vielmehr Fähigkeit und Neigung dazu haben, das gesamte zukünftige Bild

seiner Gemeinde von überragender Warte aus künstlerisch und wirtschaftlich zu formen, er darf dabei vor grundlegenden Änderungen etwa vorhandener Pläne nicht zurückschrecken,

sondern muß im vollen Bewußtsein seiner verantwortungsvollen und erhabenen Aufgabe

dem Bilde der Gemeinde den Stempel höchster baukünstlerischer Leistung aufdrücken. So wird er auch das Stadtbild als Ganzes zu einem abgerundeten Bild formen, das die ge­

meinsame Heimat aller Bürger darstellt. Er wird damit in seinem Amtsbereich zum

obersten verantwortlichen Vermittler zwischen Heimatschutz und Siedlung. Einzelnen Aufgaben der baulichen Gestaltung dient eine Reihe weiterer wichtiger Ver­

ordnungen, so vor allem das Gesetz über die Aufschließung von Wohnsiedlungsgebieten, das die Aufstellung von Wirtschaftsplänen verlangt, die die geordnete Nutzung des Bodens

im Hinblick auf die verschiedenen Erfordernisse einer Gemeinde regeln, ferner die Verord­

nung zur Regelung der Bebauung vom 15.2. 36, die diesen Wirtschaftsplänen für jeder­ mann verbindliche Rechtswirkungen beilegt, indem sie bestimmt, daß für die Wohnsied-

lungsgebiete baupolizeiliche Verordnungen erlassen werden, die eine Benutzung des Bodens nur im Rahmen des aufgestellten Wirtschastsplanes zulassen. Hierdurch wird die Mög­ lichkeit eröffnet, Kleinsiedlungsgebiete, Wohn-, Geschäfts- und Gewerbegebiete festzulegen

und für die einzelnen Gebiete die Bebauungsart, Bebauungsform und die Außengestal­ tung nach bestimmten Vorschriften zu regeln. Dies kann durch bestimmte Maßnahmen

erzwungen werden. Für Flächen, die aus Gründen des öffentlichen Wohles in Anspruch

genommen werden sollen, kann eine beftistete Bausperre auf Grund einer Verordnung vom 29. io. 36 verhängt werden. Der Anbau an großen Verkehrsstraßen außerhalb von Bau­

gebieten ist durch einen Runderlaß des Reichsarbeitsministers vom 8. September 1936 be­

stimmten Beschränkungen unterworfen, die die ebenso unsinnige wie verunstaltende An­ einanderreihung der Neubauten zu beiden Seiten von Verkehrsstraßen in Zukunft ver­

hindert und auf diese Weise die Zerreißung der Gemeindebilder utifc das Zerflattern der Neubauten einer Gemeinde in systemlose Straßenbebauung unterbindet.

37 Von besonderer Bedeutung für die Einfügung des Siedlungsbildes in die zu schützende

heimatliche Natur ist das Naturschutzgesetz vom 26. Mai 1935* Es hat zum Ziele, auch den ärmsten Kreisen der Bevölkerung die Schönheiten unserer deutschen Natur zugänglich zu machen. Es sei hier nur auf die Einleitung zu diesem Gesetz verwiesen:

„Heute wie einst ist die Natur in Wald und Feld des deutschen Volkes Sehnsucht,

Freude und Erholung. Die heimatliche Landschaft ist gegen frühere Zeiten grundlegend

verändert, ihr Pflanzenkleid durch intensive Land- und Forstwirtschaft, einseitige Flurbe­

reinigung und Nadelholzkultur vielfach ein anderes geworden. Mit ihren natürlichen Le­ bensräumen schwand eine artenreiche, Wald und Feld belebende Tierwelt dahin. Diese

Entwicklung war häufig wirtschaftliche Notwendigkeit; heute liegen die ideellen, aber auch wirtschaftlichen Schäden solcher Umgestaltung der deutschen Landschaft klar zutage. Die

deutsche Reichsregierung sieht es als ihre Pflicht an, auch dem ärmsten Volksgenossen

seinen Anteil an deutscher Naturschönheit zu sichern!" Das Bauen in der Umgebung von zu schützenden Naturdenkmälern und Naturschön­ heiten ist weitgehenden Beschränkungen unterworfen. Die Naturschutzbehörden können auf Grund dieses Gesetzes im Benehmen mit den beteiligten Behörden auch Landschaftsteile,

die nicht als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden, jedoch zur Zierde und zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen oder dem Interesse der Tierwelt — Singvögel usw. —

dienen, schützen, z. B. Bäume, Baum- und Gebüschgruppen, Raine, Alleen, Landwehren, Wallhecken und sonstige Hecken, sowie auch Parke und Friedhöfe. Ferner wird eine amtliche Liste aller Naturdenkmäler wie Felsen, erdgeschichtliche Aufschlüsse, Wanderblöcke, Glet­

scherspuren, Quellen, Wasserläufe, Wasserfälle, alte oder seltene Bäume angeordnet. Maß­ nahmen, die auf Grund dieses Gesetzes und der Ausführungsbestimmungen getroffen

werden, begründen keinen Anspruch auf Entschädigung. Ich glaube, daß hiermit die Ge­ meindebehörde eine sehr wichtige Waffe zum Schutze der Heimat auch innerhalb der Ortschaften erhalten hat. Sie sollte mit aller Energie und Umsicht nunmehr auch angewandt

werden! Es braucht also nicht immer ein besonders hervorragendes Naturdenkmal oder eine besonders hervorgehobene Gegend im Sinne der Reisehandbücher zu sein, die unseren Schutz verdient. Auch eine schöne Baumgruppe, ein einfacher Bachlauf, ein kleiner Weiher ver­

dienen Rücksicht bei der Eingliederung von neuen Bauten in ihre Umgebung. Ein geschickter Baumeister wird gerade solche Naturgegebenheiten zum Anlaß nehmen, um ein besonders

reizvolles Ortsbild zu gestalten.

Auch in die Art der Einzelpläne, die einer Baupolizeibehörde zur Genehmigung vorgelegt werden, hat die Gesetzgebung bereits eingegriffen, um zu verhindern, daß unfähige Stüm­ per bei der Planung von Neubauten zum Zuge kommen. Die Baupolizeibehörden, bei denen

die Pläne für Neubauten in Vorlage kommen, sind angewiesen, die Reichskammer der bil­ denden Künste, die ihren erzieherischen Einfluß auf die Planverfasser auszuüben berufen ist.

38

hierbei weitgehend zu unterstützen. Werden schlechte Pläne zur Vorlage gebracht, so muß in

Zukunft die Baupolizeibehörde der zuständigen Stelle der Reichskammer der bildenden Künste Mitteilung machen und sie auf die Unfähigkeit des betreffenden, als Architekt unge­ eigneten Plangestalters aufmerksam machen. Die Organe der Reichskammer werden dann

darüber befinden, welche Maßnahmen gegen den betreffenden Planverfasser zu ergreifen sind. Hierdurch wird der Kreis der Personen, die sich Architekten nennen und der auf an­

derem Wege leider bisher nicht auf wirklich befähigte Plangestalter eingeschränkt werden

konnte, im Laufe der Zeit einer gewissen Sichtung unterworfen werden können. Die Aus­ wirkungen dieser Anordnung werden sich sicher im Laufe der Zeit geltend machen und eine Hebung der Baukultur im Sinne stärkerer Sicherung des Heimatschutzes zur Folge haben.

Bereits hat der Präsident der Reichskammer einer Reihe von Personen die Betätigung als Architekten untersagt. Sie können also den Architektenberuf nicht mehr ausüben und sind

auf diese Weise bei der Gestaltung unserer Bauten ausgeschaltet. Die Baugenehmigungs­

behörden werden über alle diese Berufsverbote von der Kammer unterrichtet. Falls dennoch Pläne von Planverfaffern eingereicht werden, denen die Berufsausübung untersagt ist,

ist den Baugenehmigungsbehörden die Pflicht auferlegt, sowohl den Bauherren als auch den Organen der Reichskammer unverzüglich Mitteilung zu machen. Der Hebung unserer Baukultur dient ferner ein Erlaß des RAM. und RMdÄ. vom

Zi. i2. 1936, in dem verlangt wird, daß die Belange des gemeindlichen Bauwesens nur sorgfältig ausgelesenen, gut vorgebildeten Kräften anvertraut werden, die nach Fähigkeit, Kenntnissen, Erfahrungen und Leistungen sichere Gewähr dafür bieten, daß sie diesen be­ deutenden und verantwortungsvollen Aufgaben gewachsen sind. Dabei ist betont, daß dies

nicht nur für größere Städte gilt, sondern auch für kleinere Gemeinden von Bedeutung sein kann, die gerade heute infolge der Bildung neuer Industrien vielfach unvorhergesehen

und unvorbereitet vor bedeutsame Gestaltungsaufgaben gestellt werden. Dem gleichen Ziele einer Verankerung des Heimatschutzes bei der Siedlung dienen auch einzelne Bestimmungen, deren Erfüllung Voraussetzung für die Hergabe von Reichsmitteln

ist. So muß insbesondere bei der Kleinsiedlung verlangt werden, daß die gute Eingliede­ rung der Siedlung in die Gesamtplanung der Gemeinde und in die Landschaft besonders beachtet und daß auf die Bearbeitung der Siedlungspläne durch tüchtige und erfahrene

Siedlungsfachleute besonderer Wert gelegt wird.

Die Siedlung soll sich dem Orts- und Landschaftsbild harmonisch eingliedern. Bei der Plangestaltung soll öde Gleichförmigkeit vermieden werden, namentlich bei der Straßen­

führung, der Aufteilung in Siedlerstellen, bei der Anordnung der Häuser auf den Grund­

stücken und bei der Wahl der Vorgartentiefe. Alle durch das Gelände und die örtlichen Ver­ hältnisse gebotenen Möglichkeiten zur reizvollen und mannigfaltigen Siedlungsgestaltung

sollen unter Wahrung größter Sparsamkeit ausgenutzt werden. Bei Siedlungen, die außer-

halb der bebauten Ortslage errichtet werden und städtebaulich eine selbständige Einheit bil­

den sollen, empfiehlt sich in Anlehnung an alte heimische Siedlungsweisen die Anlage eines

Angers oder Platzes als Mittelpunkt. Bei größeren Gemeinschaftssiedlungen ist, auch wenn sie im Anschluß an die bebaute Ortslage errichtet werden, aus städtebaulichen und wirt­

schaftlichen Gründen die Bildung eines neuen Siedlungskerns anzustreben, in dem u. a.

die erforderlichen Gemeinschaftseinrichtungen, wie Gemeinschaftshaus, Schule, öffentliche Gebäude usw. angeordnet werden können. Volkswohnungen, Kaufläden, Handwerkerstellen

und dergleichen werden hier oder in der Nähe des Siedlungskernes einzugliedern sein. Die Hausformen (Einzelhaus, Doppelhaus oder Kettenhaus) sind unter Berücksich­ tigung der Himmelsrichtung, heimischer Bauweise und städtebaulicher Gestaltung auszu­

wählen. Bei der Anordnung der Siedlungshäuser ist darauf zu achten, daß sich ein gutes Straßenbild ergibt. Die Bauten sind möglichst einfach, aber in guten Formen zu gestalten

und unter tunlichster Verwendung bodenständiger Baustoffe und Bauweisen dem Orts- und Landschaftsbild anzupaffen. Die Verunstaltung des Siedlungsbildes durch gleich ober

später ausgeführte, technisch oder formenmäßig ungenügende An- und Nebenbauten ist zu

verhindern. Unmaßstäbliche Aufbauten, Ausbauten und Anbauten sind zu vermeiden.

Vieles ist also bereits geschehen, vieles ist noch zu erreichen. Selbstverständlich wird man bei der Gestaltung des neuen deutschen Baurechtes, für das die Arbeiten in Angriff genom­ men worden sind, die Berücksichtigung des Heimatschutzes beim Bauen jeder Art fest und

unzweideutig verankern und seine Durchsetzung mit allen gesetzlichen Möglichkeiten weit stärker als bisher erzwingen müssen. So wird Schritt für Schritt das Rüstzeug geschaffen werden müssen, mit dem der Kampf

für den Heimatschutz in der Siedlung durchgeführt und zum Siege gebracht werden kann.

Das Ziel muß die wahrhaft deutsche Siedlung sein. Nur wo Gesamtgeftaltung der Siedlung, Einzeldurchbildung des Hauses und Ausbau

des Hausinnern zusammenklingen, da entsteht die deutsche Siedlung, das Ideal der Hei­ mat des deutschen Arbeiters, da wird wieder ein Stein gelegt zum Aufbau unseres gemein­ samen Heimatlandes. Aus Hunderttausenden dieser Steine wollen wir in gemeinsamer

Arbeit das stolze Gebäude unseres Vaterlandes erbauen, festgefügt durch das unerschütter­

liche Band der Liebe zur Heimat auf ewige Zeiten.

ORDNUNG UND SCHÖNHEIT IM DORFBILD Prof. Dr. H. Schwenket, Stuttgart: Wir wissen sicher, daß Deutschland himmelweit

davon entfernt ist, etwa den Kopf eines Kolonialreiches zu bilden, aus dem ihm alle Roh­

stoffe oder gar Halb- und Fertigfabrikate zufließen, wie dies weithin für England gilt, und daß die alte, klimatisch bevorzugte Heimat nur der dauernde oder vorübergehende Wohnsitz

halb der bebauten Ortslage errichtet werden und städtebaulich eine selbständige Einheit bil­

den sollen, empfiehlt sich in Anlehnung an alte heimische Siedlungsweisen die Anlage eines

Angers oder Platzes als Mittelpunkt. Bei größeren Gemeinschaftssiedlungen ist, auch wenn sie im Anschluß an die bebaute Ortslage errichtet werden, aus städtebaulichen und wirt­

schaftlichen Gründen die Bildung eines neuen Siedlungskerns anzustreben, in dem u. a.

die erforderlichen Gemeinschaftseinrichtungen, wie Gemeinschaftshaus, Schule, öffentliche Gebäude usw. angeordnet werden können. Volkswohnungen, Kaufläden, Handwerkerstellen

und dergleichen werden hier oder in der Nähe des Siedlungskernes einzugliedern sein. Die Hausformen (Einzelhaus, Doppelhaus oder Kettenhaus) sind unter Berücksich­ tigung der Himmelsrichtung, heimischer Bauweise und städtebaulicher Gestaltung auszu­

wählen. Bei der Anordnung der Siedlungshäuser ist darauf zu achten, daß sich ein gutes Straßenbild ergibt. Die Bauten sind möglichst einfach, aber in guten Formen zu gestalten

und unter tunlichster Verwendung bodenständiger Baustoffe und Bauweisen dem Orts- und Landschaftsbild anzupaffen. Die Verunstaltung des Siedlungsbildes durch gleich ober

später ausgeführte, technisch oder formenmäßig ungenügende An- und Nebenbauten ist zu

verhindern. Unmaßstäbliche Aufbauten, Ausbauten und Anbauten sind zu vermeiden.

Vieles ist also bereits geschehen, vieles ist noch zu erreichen. Selbstverständlich wird man bei der Gestaltung des neuen deutschen Baurechtes, für das die Arbeiten in Angriff genom­ men worden sind, die Berücksichtigung des Heimatschutzes beim Bauen jeder Art fest und

unzweideutig verankern und seine Durchsetzung mit allen gesetzlichen Möglichkeiten weit stärker als bisher erzwingen müssen. So wird Schritt für Schritt das Rüstzeug geschaffen werden müssen, mit dem der Kampf

für den Heimatschutz in der Siedlung durchgeführt und zum Siege gebracht werden kann.

Das Ziel muß die wahrhaft deutsche Siedlung sein. Nur wo Gesamtgeftaltung der Siedlung, Einzeldurchbildung des Hauses und Ausbau

des Hausinnern zusammenklingen, da entsteht die deutsche Siedlung, das Ideal der Hei­ mat des deutschen Arbeiters, da wird wieder ein Stein gelegt zum Aufbau unseres gemein­ samen Heimatlandes. Aus Hunderttausenden dieser Steine wollen wir in gemeinsamer

Arbeit das stolze Gebäude unseres Vaterlandes erbauen, festgefügt durch das unerschütter­

liche Band der Liebe zur Heimat auf ewige Zeiten.

ORDNUNG UND SCHÖNHEIT IM DORFBILD Prof. Dr. H. Schwenket, Stuttgart: Wir wissen sicher, daß Deutschland himmelweit

davon entfernt ist, etwa den Kopf eines Kolonialreiches zu bilden, aus dem ihm alle Roh­

stoffe oder gar Halb- und Fertigfabrikate zufließen, wie dies weithin für England gilt, und daß die alte, klimatisch bevorzugte Heimat nur der dauernde oder vorübergehende Wohnsitz

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und Garten des die Welt beherrschenden nordischen Menschen wäre, daß also das Land

zur Stadt und die Stadt zum Land, gleichsam eine große Villenkolonie aus Rentnern eines ertragreichen Weltreiches würde, in der das Dorf aus arbeitenden Bauern überflüssig und darum dem Untergang geweiht wäre.

Es schien vor dem Weltkrieg einmal so zu werden. Der Welthandel und die Industrie­ arbeit — möglichst kurze Zeit geleistet und möglichst hoch bezahlt — waren allein des

Schweißes der Regierenden wert, und der Bauer wäre längst zugrunde gegangen, wenn

er nicht zäh und in unendlicher Liebe und Treue am Boden festgehalten und bei einer be­

scheidenen Lebenshaltung ein Übermaß an Arbeit geleistet hätte. Unsere politische und wirtschaftliche Lage ist es aber nicht allein, die uns auf einen ganz

anderen Weg zwingt, sondern hinzu kommt die Erkenntnis, daß unser Volk auf die Dauer nur gesund und lebenskräftig bleiben kann, wenn der Bauernstand leiblich, seelisch und

sittlich gesund bleibt. Adolf Hitler sagte: Das Dritte Reich wird entweder ein Bauernreich

sein oder es wird nicht sein. Im Dorf und im Bauernhaus brennen die heiligen Feuer un­ seres Volkstums, fließen die Urquellen unseres Blutes, entstehen immer wieder die schöpfe­ rischen Kräfte, die in der Stadt und in den Familien der Intellektuellen zugrunde gehen;

aber sie entstehen nur so lange noch, als das Erbgut hiefür da ist und nicht infolge einer fort­

gesetzten Auslese und Auskämmung der Begabten schließlich nur noch Schlacke zurückbleibt. Darum ist die selbstverständliche Voraussetzung für alle Heimatpflege die Pflege des Blutes

und die Erhaltung der Begabungen — der ja das Dritte Reich seine besondere Aufmerksam­ keit schenkt — vor allem die Erhaltung der Begabung auf dem Land. Uns berührt hier nur die Frage der subjektiven und objektiven Kultur unseres Volkes und ihre Pflege.

Es ist das Gebot der Stunde, daß wir uns in unserem Land häuslich einrichten, und daß unsere gesamte äußere Kultur das würdige Abbild, die Manifestation einer wirklichen

inneren Kultur sei oder werde. Ein Kernstück dieser Aufgabe ist ftaglos die Pflege des Dorfbildes. Denn es ist undenkbar, daß das Bauerntum und der Landbewohner über­

haupt Brunnenstube des Volkstums sein können ohne eine eigene Bauernkultur, ohne ein gesundes Handwerk, ohne ein sauberes, geordnetes und schönes Haus, ohne gepflegte Um­ gebung und ohne ein Dorf, das Spiegelbild einer organisch aufgebauten Dorfgemeinschaft

und des in ihr vorhandenen Eigenlebens ist. „Bauerntum ist keine Wirtschaftsform sondern eine Lebensform" (A. Lämmle).

In meinem Thema beschränke ich mich auf das Bild des Dorfes von außen und innen gesehen. Die Wohnung und ihre Einrichtung bleibt außer Betracht, auch die eigentlichen

Bauftagen selbst. Es ist aber selbstverständlich, daß das, was in der baulichen Gegebenheit die Ordnung noch bewirken, die „Verschönerung" noch hinzutun kann, um so bedeutungs­ voller wird, je bester das Dorf baulich gestaltet ist. Ordnung ist noch nicht Schönheit, viel­

leicht nicht einmal immer eine Voraussetzung dazu. Sie ist nah verwandt mit der Zweck-

4i

Mäßigkeit. Die Schönheit kann sogar ein wenig unordentlich oder unzweckmäßig sein. Doch

wird nicht selten eine vorhandene Schönheit durch Unordnung zerstört. Neben der Ordnung

steht die Unordnung, neben der Schönheit die Häßlichkeit, neben der Gestaltung die Verun­ staltung und es sind ihre jeweiligen Wurzeln, Urheber und Ursachen aufzuzeigen. ♦

Das Bauerndorf, von dem ich ausschließlich spreche, ist Ausdruck und Abbild der Dorf­

gemeinschaft, nach dem Grad ihrer Gesundheit und Geschlossenheit aber auch nach dem ihres Zerfalls unter dem Einfluß etwa der Stadt oder des Fremdenverkehrs oder einer ört­

lichen industriellen Entwicklung oder der An- und Eingliederung von Industriearbeitern. Eine wirkliche gemeinsame innere Ausrichtung der Dorfbewohner, eine einheitliche Dorf­

gesinnung ist nur in rein bäuerlichen Gemeinden noch vorhanden. Die wenigen Handwerker, Kaufleute und Beamten fügen sich ihr ein. Wo aber bei einem Teil der Dorfgenossen die

Arbeit wechselt, zerfällt das Dorf in gewissem Sinn, selbst wenn keine fremden Menschen

zugezogen sind. Die Dorfgemeinschaft steht und fällt mit der Gemeinsamkeit des Dorf­ raumes, mit der Gleichheit der Arbeit, der Pflege der Verwandtschaft, der Erinnerung, der Sitte und des Brauchtums, der Mundart und der gesamten dörflichen Überlieferung. Mit

der Lockerung oder dem Wegfall einzelner oder mehrerer dieser gemeinschaftbildenden Kräfte lockert sich die Gemeinschaft, ändert sich die Haltung des einzelnen gegenüber dem

Dorf, ändert sich aber auch die Gemeinsamkeitsleistung und die Aufgeschlossenheit gegen­ über von Fremdeinflüssen und damit auch das Dorfbild im ganzen.

Man kann daher im Grunde genommen das Dorfbild nicht von außen her bestimmen, sondern nur von der Dorfgemeinschaft her. Man kann wohl sagen, was gut und was schlecht

ist, was sein soll und nicht sein soll. Man kann Vorschriften machen und von außen her bessern. Aber wenn wir die Ursachen der Erscheinungen nicht begreifen und im wesentlichen

— nämlich in der Pflege des Bauerntums oder des ArbeitertumS selbst — Fehler machen, so ist auf die Dauer nicht zu helfen. Die Erweckung eines selbstbewußten Bauerntums im

Geiste der Väter wird vor allem Sache der Bauernschaft selbst sein. Der Heimatschutz, der seine heutige politische Mission erkannt hat, wird mithelfen und von anderer Warte und anderen Gesichtspunkten aus dem Bauerntum das Gewissen schärfen, seine kulturellen Aufgaben

umreißen und sie im Rahmen der Gesamtkultur bejahen helfen. Sache der Bauern­ schaft ist das Tun im Sinne des überlieferungsgebundenen Fortschreitens,

Sache des Heimatschutzes das Bewußtmachen des eigenen kulturellen Be­

sitzes. Der Heimatschutz ist also eine Art kultureller Hilfstruppe der Bauernschaft, deren

Reichsführer ein Amt „Schönheit im Dorf" geschaffen hat, das mit der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" zusammenarbeitet. Der Heimatschutz stellt sich mit einer 40 jährigen Erfahrung dieser hochwichtigen Unternehmung des Dritten Reiches zur Verfügung.

42 Wie steht es heute im Dorf?

Schultze-Naumburg hat in Band III seiner Kulturarbeiten die Entartung der bau­ lichen Kultur unserer Dörfer gegeißelt. Auch heute noch haben wir daraus zu lernen,

wenn wir auch seine ganze Stellung zum Dorf und zum Bauerntum nicht restlos teilen.

Wir kennen die Ursachen der Entartung, insbesondere für die Zeit nach dem Weltkrieg: Materialismus und Amerikanismus, also selbstsüchtiges, schrankenloses Gewinnstreben

nach amerikanischer Art, geistloses Protzentum, ja die Übermacht und Vorherrschaft der Wirtschaft, die der Führer jetzt in ihre Schranken zurückgewiesen hat: „Bleibenden Wert

haben nur die kulturellen Leistungen eines Volkes". Die Überschätzung alles Verstandesmäßigen, der rechnenden Technik und des sogenannten Fortschrittes auf Kosten von seelischen und Gemütswerten. Mißachtung der Tugenden und Leistungen unserer Vorfahren, Verrat am bodenständigen Kulturgut zugunsten internationaler Erzeugnisse und die Verwechslung zeit- und raum­

loser Güter mit Landschafts- und volksgebundenen Werken (Kulturbolschewismus). Die Verstädterung des Dorfes und dessen Überschwemmung mit dem Abfall der städti­

schen Zivilisation.

Die Entartung des Handwerks unter den Auswirkungen der Maschine und der billigen

und seelenlosen Fabrikerzeugnisse. Der schlechte Einfluß übersteigerter und verbreiterter Schulung durch Gewerbeschulen,

Bauschulen und Technische Hochschulen, wodurch der Bauende in der Kunst „ausgebildet" wird und sich selbständige Leistungen zutraut, die auf dem Reißbrett erfunden werden und nicht handwerkliche Überlieferung und alterprobte Formen weiterpflegen und weiterent­

wickeln. Jeder kleine Geist will originell und „modisch" bauen, er hat es ja „gelernt".

Mangelhafte Beherrschung neuer Baustoffe wie des Zementes und vieler Kunstprodukte. Zu diesen allgemeinen Ursachen für den Zerfall des alten einheitlichen Dorfbildes kom­

men die folgenden besonderen hinzu: Neue wirtschaftliche Forderungen und Be­

dürfnisse in der Landwirtschaft, die im Rahmen der bisherigen Einrichtungen und Bauten nicht mehr befriedigt werden können, sondern gewaltsam in ihn eingezwängt wer­

den müssen und die daher fremd und unorganisch wirken, oder Dinge, die dem ganzen Dorf

gemeinsam dienen oder gar von außen als mehr oder weniger berechtigte Ansprüche der

Allgemeinheit an das Dorf herantreten und die z.T.behördlich vorgeschrieben wer­ den. Zu der ersten Gruppe gehören z. B. größere Raumbedürfnisse für erhöhte Erträge,

größere und hygienisch verbesserte Stallungen, neue Räume für die Unterbringung land­ wirtschaftlicher Maschinen, Silos zur Aufbewahrung von Grünfutter, der Einbau von Maschinenaufzügen, Motoren und sonstiger technischen Verbesserungen. So entstehen meist

Anbauten, Nebenbauten und Zutaten, die den Bauernhäusern oft unheilbaren Schaden zufügen und die baulich beftiedigend nur bei Neubauten in den Rahmen des ganzen An-

wesens eingefügt werden können. Zu der zweiten Gruppe neuer Erscheinungen im Dorfbild gehören etwa die behördlich vorgeschriebenen Einrichtungen des öffentlichen Backhauses, der neuen Milchsammelstellen, der öffentlichen Waage, sodann Denkmäler, öffentliche Plätze,

Anlagen u. a., die oft als Fremdkörper im Dorf wirken. Noch mehr trifft dies zu für die

Plakatsäulen und die ortsfremde Markenartikelreklame, die angeblich auch dem öffent­

lichen Interesse dienen, die allgemeine Wirtschaft beleben und Arbeit schaffen sollen. So­ dann sind zu nennen: die Einrichtungen des Verkehrs, an erster Stelle die Umwandlung der Dorfstraße selbst — die bisher Wohn- und Lebensraum der landwirtschaftlichen Lebens­ gemeinschaft war — in eine Verkehrsstraße, nicht selten sogar Durchgangsstraße für Kraft­

wagen, wodurch ihr ursprünglicher Sinn und ihr Wesen völlig und sehr gewaltsam ver­ ändert wird, weiter die Erstellung von Tankstellen, die Anlage von Parkplätzen u. a. Das

Dorf, das ursprünglich in sich selbst ruhte, sott nunmehr den Fremden gar noch eine Schau­ seite bieten und die unschönen Seiten des landwirtschaftlichen Betriebes verbergen, die Dunglegen nach behördlicher Vorschrift in Form von Betonkisten wohl geordnet an der

Straße aufreihen, das Geflügel und die spielenden Kinder von der Straße fernhalten und

die beladenen Garbenwagen so rasch als möglich von der Straße wegschaffen. — Dazu kommt sehr häufig noch die Ansiedlung von Industrie im Bauerndorf und die Entstehung

oder Ansiedlung von Industriearbeitern ohne Landwirtschaft. Ist es ein Wunder, wenn unter diesen Umständen daö einst so harmonische Dorfbild nur

zu oft einer atonalen Symphonie gleicht, in der die einzelnen Motive und Instrumente sich nicht mehr umeinander zu kümmern scheine. Die einzelnen Bestandteile des Dorfbildes

Es ist höchst erfreulich, daß heute ein so starkes Interesse für das Dorf und das Bauern­

haus vorhanden ist, und daß das Bauernhaus auch von feiten der Denkmalpflege als das gewertet und behandelt wird, was es ist, nämlich das einzige rein deutsche Haus und zugleich seine Urform. Leider muß man feststellen, daß viele urtümliche Formen

des Bauernhauses, ob es nun das alte schwäbische Einheitshaus oder das Niedersachsen­ haus ist, mit rasender Beschleunigung verschwinden, besonders wenn sie mit Schindeln oder Stroh gedeckt sind. An dem Verschwinden dieser uralten und urdeutschen Dachdeckung sind zum Teil die erhöhten Feuerversicherungsprämien schuld. Hier muß die Denkmalpflege

einspringen. Das herrliche Niedersachsenhaus als das urigste von allen ist dem Untergang

geweiht, weil es unpraktisch ist und den heutigen Anforderungen nicht mehr entspricht (Heu- und Fruchtspeicher im Dach, Raumverschwendung durch die große Tenne, große

Entfernungen zu den Stätten, mangelnde Trennung von Herd, Scheune und Stall). Hier

liegt die schwierige Aufgabe vor, diesen wundervollen Baukörper zu erhalten und ihn den­ noch innerlich umzubauen und der Zeit anzupassen. Das schwäbische Einheitshaus und die

44

mitteldeutsche Hofanlage sind weniger in Gefahr, desgleichen das oberbayrische Gebirgs­ haus. Leider stellt man allgemein fest/ daß die Eigentümer alter Häuser jedenfalls in Ober­

deutschland nicht etwa stolz sind auf ihren Besitz sondern unzufrieden/ und daß sie sich gegenüber den Neuhausbesitzern als zurückgesetzt/ ja in ihrer Menschenwürde herunter­

gedrückt fühlen/ wie Frauen, die aus Armut nicht mit der Mode gehen können. Ich habe vor zwei Jahren auf einer Führung im südlichen Schwarzwald ein sog. Hotzenhaus mit

urältester Einrichtung besichtigt und bewundert. Aber der Bauer empfand die Besichtigung als eine Verspottung seines alten Hauses und seiner Armut. „Ich hätte auch gerne ein neues Haus, wenn ich das Geld dazu hätte." Ein Bürgermeister auf der Alb, dem ich die Instandsetzung einer alten Friedhofmauer aus Naturstein empfahl, schrieb mir, sein Ort sei eine fortschrittliche Gemeinde und wolle daher eine Betonmauer haben. Einem Bauern

auf der Alb wurden für die Erneuerung seines Strohdaches der Ersatz sämtlicher Kosten angeboten. Er lehnte aber ab und ersetzte auf eigene Kosten das Strohdach durch ein Ziegel­ dach, obwohl dadurch ein neuer Dachstuhl nötig wurde, weil er sich schämte, unter einem

Strohdach zu wohnen.

Die Dinge sind so sehr im Fluß, daß jetzt noch in letzter Stunde einiges gerettet werden kann, wenn die Denkmalpflege zusammen mit der Bauernschaft rasch handelt und wenn

sofort die nötigen Mittel aufgebracht werden. Es geht hier nicht um die Inventarisierung sondern um die Erhaltung kostbarsten Kulturgutes. Die alten Bauernhäuser sind inter­ essanter solange sie noch bestehen als nach ihrem Untergang, obwohl es vor den Augen der

Wissenschaft oft umgekehrt zu sein scheint. Aber nicht bloß aus kulturgeschichtlichen Grün­

den muffen die alten Bauernhäuser erhalten werden, sondern als eine fortzeugende Kraft

für die Gegenwart, „als nationaler Schatz, der organisch weiterentwickelt werden muß".

Auch das Siedlungshaus muß hier anknüpfen. Schultze-Naumburg hat vollkommen recht, wenn er — obwohl mit Bitterkeit und Spott — sagt, daß „unsere Proletarierhäuser wie Paläste, die Paläste wie Schweizerhäuser, die Bauernhäuser wie Zuchthäuser, die Zucht­ häuser wie Kirchen und die Kirchen wie Bahnhöfe" aussehen. Wir sind, obwohl vieles besser

geworden ist, noch lange nicht über den Berg. Das Schwarzwaldhaus, das Schweizer und oberbayrische Gebirgshauö tauchen heute als Villen oder Gasthäuser und Fremdenverkehrs­

pensionen, ja sogar als Bahnhöfe in Gegenden auf, wo sie gar nicht heimisch sind, und ein Bürgermeister in Oberschwaben wollte das Tegernseer Haus einführen, um den Fremden­

verkehr oder den Zuzug geldkräftiger Leute zu fördern. Hier gilt es also, auf der Hut zu sein. Eine der wichtigsten Aufgaben der Zeit ist es, unter Weiterentwicklung

landschafts- und stammesgebundener Hausformen neue Lösungen für das Bauernhaus zu finden, wodurch die oben dargelegten Bedürfnisse befriedigt werden.

Die Entwicklung darf aber nicht mehr sich selbst überlassen bleiben. Der Reichsarbeits-

minister hat durch seine Verordnung über Baugeftaltung zu einer zielbewußten Führung den ersten Schritt getan. Die freie Gestaltung durch schöpferische Baukünstler, die Behörden

und die Bauernschaft müssen zusammen die richtige Lösung für jede Landschaft finden.

Neben der Gestaltung des Einzelhauses ist weiter von entscheidender Wichtigkeit die

Gruppierung und die Aufreihung im Gehöfte und im Dorf, sowie das Bauen in und mit dem Gelände/ eine Fähigkeit, die durch die Planung auf dem Papier weithin verlorenge­

gangen ist. Leider dürfen immer noch vielzuviele Nichtskönner Baupläne bearbeiten, ein­

reichen und ausführen. Um alte und neue Häuser im Dorfbild zu einer Einheit zu verbinden, ist bei jedem Neu-,

Um- und Anbau auf die Nachbarschaft Rücksicht zu nehmen, sind möglichst die einheimischen

Baustoffe und Bauweisen (Fachwerk, Massivbau, Verputzbau, Holzverschalung usw.) an­

zuwenden, die Art der Oberflächenbehandlung und des Anstriches ländlich und nicht städtisch zu wählen (grüner und blauer Anstrich sind zu untersagen). Auch der richtige Anstrich von Holzfachwerk ist sehr wichtig. Die natürliche Holzfarbe bleibt mit Fluralsil*) am besten

erhalten, besser als mit Zkylamon oder dem giftig-gelben Antimonin oder dunklem Karbolineum. Fluralsil schützt zugleich gegen Feuer und Holzwurm. Wesentlich sind weiter die Fensteröffnungen in ihren Verhältnissen und ihrer Gruppierung. Auch hier zeigen sich über­ all städtische Motive. Besonders störend wirkt aber im Dorf der städtische Verkaufsladen

mit großen Schaufenstern und den vielen Plakaten. Vielleicht das wichtigste Gestaltungsmotiv im Dorfbild ist das Dach und die Art seiner Deckung. Es ist ganz erstaunlich, wie sehr die ähnliche Dachneigung und eine einheitliche

Dachdeckung z. B. mit roten Ziegeln selbst die verschiedenartigsten Baukörper zu einer Ein­ heit zusammenreißen. Wo das Dach vom Stroh- oder Schindeldach herkommt, ist es steil und sollte daher auch bei Neubauten niemals weniger als 450 Neigung haben. Das flachere

(25—300) Landerndach des Gebirges wird leider vielfach heute mit Blech oder Ruberoid

oder Eternit gedeckt und verlangweilt. Viele Gebirgsdörfer bieten infolgedessen ein schlech­ tes und gesprenkeltes Bild. Auch glänzt das Blech in der Sonne. Schön und einheitlich wirken die mit roten Ziegeln gedeckten schwäbischen Dörfer.

Jeder übertriebene Individualismus ist im Dorf besonders scharf zu bekämpfen, ohne daß jedoch die Gleichheit der Häuser verlangt werden dürfte.

Der westfälische Heimatbund hat sich mit Recht in letzter Zeit dafür kraftvoll eingesetzt,

daß für Dachdeckung und Wandbekleidung Teerpappe, Ruberoid, Eternit, glasierte und Falzziegel, Zement- und farbige Ziegel, sowie Wellblech und verzinktes Eisenblech verboten

werden, und daß zugelassene Stoffe dieser Art einen geeigneten Anstrich erhalten. Die

augenblickliche Rohstoffknappheit ist diesen Forderungen günstig. — Schieferdächer in Iiegelgebieten und umgekehrt stören die Einheit. Engobierte Ziegel wirken geleckt und passen *) Brander Farbwerke in Drand-Erbiödorf Sachsen.

46 nicht in Las Dorf. Selbstverständlich sind Namen, Zahlen und Ornamente im Dach zu

untersagen. Vor allem durch Aufbauten wird oft am Dorfbild schwer gesündigt. Die Vergangen­

heit gibt so viele gute Beispiele von Dachlucken und Dachläden, durch die die Dachfläche nicht oder wenig gestört wird. Ein Walmdach erträgt am wenigsten Dachaufbauten, ein

Giebeldach oder Krippelwalmdach gestattet den Ausbau des Daches ohne Störung des Bau­

körpers. Die vielfach empfohlenen mehrstöckigen Häuser mit wenig geneigtem, nicht aus­ gebautem Dach sind selbst für die Stadt höchst bedenklich, für das Dorf ganz abzulehnen. Das Dach kann sehr wohl ausgebaut werden, entscheidend ist das Wie. — Besonders stö­ rend sind die so häufigen flach gedeckten Anbauten an alte Häuser, etwa an Wirt­

schaften, Kaufläden, Werkstätten usw. Bei der heutigen Förderung der Motorisierung sind in steigendem Maß überall auch auf

dem Dorf Autoräume nötig. Dies bedeutet für das Dorfbild eine neue schwere Gefahr.

Alle Behelfslösungen wie Bretterbuden, Betonplatten- und Wellblechschuppen müssen von vornherein abgelehnt werden, soll nicht weiteres Unheil über unsere Dörfer kommen. Wer

sich ein Auto leistet, muß sich auch eine anständige Garage leisten. Am besten ist die Unter­ bringung in einem vorhandenen Haus selbst. Wo diese nicht möglich ist, muß an der best­

möglichen Stelle, ohne Störung des Straßen- oder Platzbildes ein ordentlicher, mit Ziegeln

gedeckter, handwerklich anständiger Baukörper erstellt werden. Unter Umständen kommt

auch eine Verknüpfung mit vorhandenen Gebäuden in Frage. — Auch andere Nebenbauten wie Schweineftälle, Backöfen, Holzschuppen, Hühnerställe, Bienenstände u. dgl. können

gut in das Hof- und Dorfbild eingefügt und schön gestaltet werden. Die Vergangenheit liefert hiefür geradezu malerische Beispiele. — Daß öffentliche Gebäude und Einrichtungen

vorbildlich sein sollen, ist eigentlich selbstverständlich. * Für das Dorfbild vermag aber nicht bloß die Baupolizei sondern auch der einzelne und der Bürgermeister des Dorfes sehr viel zu tun. Die erste Forderung wird immer die der

Ordnung und Sauberkeit im Hof und auf der Straße sein. Zum mindesten muß jeden Samstag eine Gesamtsäuberung des Dorfes durchgeführt werden, wobei natürlich kein städtischer Maßstab angelegt werden darf. Die einzelnen deutschen Stämme sind hinsicht­

lich des Sauberkeitsbedürfnisses in Wohnung, Statt, Scheune und Hof voneinander recht

verschieden. Was sich in einem bestimmten Stammesgebiet von selbst versteht, muß in an­ dern mühsam erkämpft werden und wird vielleicht nie erreicht. Wo der Sinn für Ordnung und Sauberkeit sozusagen Bluterbe und Stammesgut ist, da wird z. B. das Brennholz in geordneter Weise aufgeschichtet, etwa in runden rurmartigen Körpern oder an eigens

dafür vorgesehenen Plätzen unter dem Vordach sauber aufgebeigt. Wo dieser Sinn fehlt,

liegt das Holz monatelang unordentlich herum, ebenso wie alte Bretter, Holzabfälle, Baumstützen, Leitern, unbrauchbare Gebrauchsgegenstände, Wagenteile u. dgl. Allenfalls

werden diese Dinge an den Stamm des Hofbaumes gelehnt und der Platz dadurch um seine ganze Stimmung gebracht. In einem guten alten Bauerndorf wird sich der einzelne

seiner Unordnung vor der ganzen Dorfgemeinde schämen. Der ordentliche Bauer leitet die

Küchenabwässer in eine besonders überdeckte Grube und sorgt dafür, daß die Jauche nicht über den Hof und in den Straßenkandel läuft. — Zum Dorfbild gehört die Dunglege.

Bei der mitteldeutschen Hofanlage ist der Wirtschaftshof gegen die Sttaße völlig geschlos­ sen, die Dunglege ist unsichtbar, sie kann also ganz offen sein. Das schwäbische Einheitshaus

steht meist mit der Längsseite an der Straße, an der auch der Eingang in den Stall und demgemäß auch die Dunglege angebracht ist. Früher bildete hier die Dorfstraße gleichsam

einen großen gemeinschaftlichen Wirtschaftshof, in dem Kinder und Hühner, Gänse und

Enten lebten. Heute ist die Dorfstraße Verkehrsstraße und soll ein Gesicht haben, wie es der Durchfahrende vom Dorf fordert. Die Dunglege kann aber nicht hinter das Haus ver­

legt werden, wo auch die Zufahrt fehlt. Somit wurde von den Regierungen im schwäbischen

Gebiet die Einfassung der Dunglege mit Holzdielen oder durch Iementbrüstungen ver­ langt, und so entstanden jene an der Straße aufgereihten mit Jauchepumpen gezierten

großen Zementkisten der schwäbischen Dörfer, die zwar Ordnung schaffen aber nicht gerade

schön und auch technisch-biologisch nicht richtig sind, weil die Durchlüftung nicht möglich

ist. Neuerdings kommt eine von der Wissenschaft ausgedachte Dunglege auf, die im Dorf­ und Hofbild erttäglicher wirkt, sofern sie nicht zu hoch ist.

Der Sinn für Schönheit und Schmuck ist beim deutschen Bauern weit verbreitet.

Das beweisen die vielen gepflegten Blumenbretter und die seit alters reich mit Blumen ge­ schmückten, so ordentlich angelegten Bauerngärten, die der Stolz der Bäurin sind. Aber auch hier schleicht sich langsam der schlechte städtische Einfluß und der heruntergekommene

Geschmack eines verdorbenen Handwerks oder der Industrie ein, dem der Bauer allzu leicht und oft aus einem falschen Sauberkeitsstreben verfällt. Die schöne alte bewachsene Natur­

steinmauer gilt als altmodisch und wird durch den billigeren aber glatten und „sauberen" Beton ersetzt, ja selbst der Naturstein wird in einen Betonpanzer geschmacklos eingezwängt.

Der Holzzaun weicht dem Drahtgitter, der Holzpfoften dem Betonpfosten oder dem einbetonnierten Eisenträger, und am Boden hin läuft ein glattgestrichener linealgerader Be­ tonsockel: der Traum jedes Bauern von heute. Die häßlichen gußeisernen Staketenzäune werden anläßlich der Verschönerungsmaßnamen weiß gestrichen. Ja selbst die Gartenwege,

einst mit Naturfteinplatten belegt, werden in förmliche Betonrinnen umgewandelt. Da­ durch wird der Bauerngarten ttotz Blumen und blühenden Zyringen um seine Poesie ge­ bracht. Wie sehr der Zement als Zerstörer alter kultureller Werte und ländlicher Schönheit

wirkt, müssen wir täglich mit Bedauern feststellen. Ganz besonders verheerend wirken die

48 mechanisch hergestellten Bausteine und Bauteile aus Beton, die als Imitationen, in Wirk­

lichkeit aber als Verhöhnungen von Naturstein und handwerklichen Erzeugnissen durch tüchtige Vertreter den Bauern aufgeschwatzt werden. Wo der Beton am rechten Platz ist,

braucht hier nicht weiter gesagt zu werden. Nicht angängig ist es aber, Verkleidungssteine aus Beton auf Natursteinsockeln vorzublenden, die je nach Wunsch als „Granitbossen", „Florenzer Rustika", „Mörtelquader" usw. geliefert werden. — Unter dem Vorwand un­ begrenzter Haltbarkeit werden Brunnenrohre und Träge, Gartenzäune, Zaunplanken,

Staffelsteine, Bänke in Beton oder Gußeisen ins Dorf getragen und verdrängen die boden­

ständigen Baustoffe und das heimische Handwerk.

Diese unmoralischen, jeden Anstand und jede gute Überlieferung mißachtenden Unter­ nehmungen müßten behördlich unbarmherzig vernichtet werden.

Wieviel der Einzelbauer zur Schönheit des Gesamteindrucks beitragen kann, beweisen vor allem die vielen Hofbäume und Gebüsche, die das Straßenbild beleben und die

Häuser miteinander verbinden, die dem Hof und der Dunglege Schatten und Stimmung und eine wahrhaft poetische und malerische Schönheit verleihen. Es mag dabei der Bauer

zunächst an die günstigen Wirkungen der Beschattung seiner Dunglege durch Holunder­ büsche, Nußbäume, Linden, Eichen, Ahorn usw. gedacht haben. (Wir wissen heute, daß es sich dabei um die günstigen Lebensbedingungen der Bakterien handelt.) Auffallend ist hier wie so oft die Übereinstimmung von Zweckmäßigkeit und Schönheit. — Auch die Wirkung von schönen Inschriften, von Hauszeichen, von geschmückten Türsteinen oder Schluß­

steinen, von geschnitzten oder bemalten Balken u. dgl. darf hier erwähnt werden. Es wäre jedoch ein Irrtum zu glauben, man könne mit Hilfe äußerer schmückender Zu­ taten eine minderwertige Bauausführung oder fremdartige Baustoffe oder eine schlechte Hausform zu einer guten Wirkung bringen. Man kann höchstens Schlechtes zudecken und durch Überrankung oder Bepflanzung mildern. Man darf aber nicht vergessen, daß das

Pflanzen des rechten Baumes am rechten Platz auch eine Kunst ist, die der wohl am wenig­

sten versteht, der schlecht baut oder schlecht bauen läßt. Auch müssen wir immer an das Goethesche Wort denken:

„Das einfach Schöne soll der Kenner schätzen.

Verziertes aber spricht der Menge zu." *

Keine geringe Verantwortung für das Dorfbild haben Bürgermeister und Landrat. Sie werden zunächst den einzelnen Hof- oder Hausbesitzer anhalten, in seinem Bereich Ordnung

zu schaffen, wenn er dies nicht selbst tut. Viele Aufgaben aber sind ausschließlich Sache

ber Verwaltung. Sie hat Einfluß darauf zu nehmen, daß öffentliche Bauten und Einrich­ tungen das Dorfbild nicht schädigen, sondern bereichern und sich organisch in das Dorf ein-

fügen, so die Schule, der Kinderhort, die Turnhalle, das Waag-, Milch- und Backhaus usw. Allein verantwortlich ist der Bürgermeister für die Sauberkeit und Ordnung auf öffent­ lichen Plätzen und auf der Straße, für die geordnete Versorgung und Überdeckung des Schuttes, des Abfalls und Mülls an einem dafür vorgesehenen Platz, für die Sauberkeit

des Dorfbaches, der nur gar zu gerne als Kutterfaß mißbraucht wird. Wo es gilt, Stütz­ mauern, Friedhofmauern oder Treppenaufgänge auszuführen, sollen Natursteine oder wenigstens bearbeiteter Beton verwendet werden. Der Bürgermeister soll aber die Grenzen

seines Könnens nicht überschreiten und zur Beratung, Planung und Ausführung etwa von Anlagen, Plätzen, Ehrenmalen, Baumpflanzungen, Spielwiesen, Sportplätzen, Frei­

bädern, Brunnen und vor allem des Friedhofs tüchtige Fachleute und gute Handwerker heranziehen. Er soll für anständige Führung von Licht- und Telefonleitungen, für gut ge­

staltete und richtig angebrachte Straßenlampen Sorge tragen. Es gibt nichts Gefährlicheres als „tätige Unwissenheit", sagt Goethe einmal. Jeder soll das machen, was er kann und

nicht mehr. Der Dilettantismus jeglicher Art gerät gerade auf dem Gebiet der Dorfver­ schönerung nur allzu leicht in das Fahrwasser der Verschönerungsvereine von einst hinein

und das wäre schlimmer, als wenn nichts geschieht. Zu diesem Verschönerungswesen rechne ich z. B. die Vorliebe für Findlingsblöcke bei Denkmälern, die öffentlichen Steingärten,

das sog. Hügelmauerwerk, das krampfhafte Anbringen von Blumen oder Nadelhölzern als Schmuck von Brunnen oder sogar von Lichtmasten. Es ist aber ungefähr dieselbe Ver­

irrung, wenn z. B. von einem Bahnangestellten ein Prellbock oder der Bahnsteig selbst mit

einem Alpengärtchen „geschmückt" und der Betreffende von der Reichsbahnverwaltung mit einer Prämie ausgezeichnet wird, während gleichzeitig Büsche und Bäume an jedem Bahndamm abgehauen, die Transparente mit den Stationsnamen eine Reklame für Mineralwasser tragen und Bahnhof und Sperre mit schreienden Plakaten überpflastert sind. Zum Verschönerungskitsch gehört aber auch, wenn man glaubt, ein Dorfbild da­

durch zu retten, daß man eine Straße oder einen Platz mit Alleebäumen womöglich mit Kugelakazien einfaßt. Was wird gerade auf diesem Gebiet in guter Absicht unsinnig Geld

vertan, ohne daß die Bäume wachsen oder, wenn sie wachsen, ohne daß das angestrebte Ziel der Bereicherung des Ortsbildes erreicht wird. Der Verschönerungskitsch mit kleinen

Burgen, farbigen Zwergen, Steinhäufungen, Tortenmustern u. dgl. ist bereits bis zum

Bauern gedrungen und muß auf der ganzen Linie scharf bekämpt werden. Der Bürger­ meister und der Landrat müssen hier ein gutes Beispiel in allem geben, was sie tun und

anordnen. Vor allem muß das Bauen und Umbauen, aber auch das Schmücken des Dorfes

in bäuerlichem, nicht in städtischem Stil erfolgen. Oft gilt es auch, im Dorf alte Bäume, Hülen, Dorfweiher, Viehtränken und Brunnen zu erhalten und pfleglich zu behandeln.

Nur allzuoft fehlt das Verständnis für die Schönheit und Eigenart solcher Erscheinungen,

insbesondere auch für die des Wassers. Da ist alles bereit, Schutt, tote Katzen und tote 4

x937

50 Kälber in den Dorfteich zu werfen, den Teich dann als stinkende Pfütze oder als Schnaken­ loch zu bezeichnen/ seine Zuschüttung zu betreiben und eine „Anlage" zu verlangen. Dann

kommen die üblichen Blautannen/ Lebensbäume/ Hänge- und Pyramidenformen und die Allerweltsziersträucher und Blumenbeete/ und ein wesentlicher Zug des betreffenden

Dorfbildes wird ausgelöscht. Bei den bisher besprochenen Bestandteilen des Dorfbildes handelte es sich immer um

Leistungen des einzelnen oder der Dorfgemeinschaft selbst. Es dringen aber auch Dinge

in das Dorf ein, die mit ihm selbst nichts oder wenig zu tun haben. Erwähnt wurden schon

die Einrichtungen des Verkehrs/ insbesondere des Durchgangsverkehrs. Sie sind nötig/ und das Dorf muß sich an sie anpafsen. Nur die Tankstellen sind vielleicht nicht alle

nötig. Die Tankstelle im Dorf ist zudem meist ein Greuel wegen ihrer Plakate, ihrer grellen Farben und der fremdartigen, amerikanischen Form der Überdachung. Der Heimatschutz

hat schon längst für das Innere von Siedlungen eine jeweils örtliche und eine deutsche

Lösung wenigstens der überdachten Tankstelle verlangt, und ich wiederhole hier diese Forderung. Die neuerdings ausgeführte Tankstellenlösung an der Reichsautobahn läßt sich auf das Dorfinnere nicht übertragen. Die Fachgruppe „Holz" schreibt auf die Tankstellen

für Kraftholz lediglich „Holztankstelle". Das ist vorbildlich. Auch um die Neugestaltung des Wegzeigers sollte man sich annehmen, wobei ich aber die richtige Lösung nicht in

witzig sein wollenden holzgeschnitzten Bildbeigaben sehe.

Die Aufschriften an Kaufläden, Metzgereien, Bäckereien, Wirtschaften, Werkstätten

usw. lassen im Dorf sehr viel zu wünschen übrig. Die Läden mit ihren Schaufenstern sind oft geradezu großstädtisch, aber noch geschmackloser aufgemacht. Die schlechteste Licht­

reklame macht sich auf dem Land besonders gern breit und man fängt auch schon an, den

Kirchturm oder das Rathaus anzustrahlen, eine Zirkus- und Jahrmarksmethode, die ja

in den Städten von ganz Deutschland jetzt Schule macht. Ich habe dabei selbstverständ­ lich Anstrahlungen anläßlich von festlichen Gelegenheiten nicht im Auge. — Häßlich sind

alle die Lichtkästen, die an Läden oder Wirtshäusern, oft neben oder an den alten, herrlichen Wirtshausschildern, angebracht werden. Immerhin ist an der Stätte der eigenen Leistung

manches entschuldbar. Bedauerlich ist wiederum nur die schlechte Art der Ausführung, die — zudem noch unzulängliche — Nachahmung der Stadt und das Verlassen des ländlichen Stiles. Die einzelnen Gewerbe könnten sich einheitliche Sinnbilder wählen. Gasthäuser ersetzen die mangelnde Gediegenheit nur allzuoft durch marktschreierische Schilder und Auf­

schriften womöglich noch von Brauereien. Welch ein Schmuck für ein Dorf kann dagegen ein

sauberes baulich wohl gepflegtes, ländlich-gastliches Wirtshaus mit einem handwerklich gestalteten guten Wirtshausschild und einfacher Aufschrift sein, und wie einladend wirkt es! Sollte unsere Zeit auf diesem Gebiet nicht auch etwas Vorbildliches hervorbringen

können?

5i

Ein offenkundiger Mißbrauch und eine nicht zu verantwortende Störung des Dorfes ist aber die vom Ort der eigenen Leistung abgelöste Reklame, die sog. Markenartikel­

reklame, die bald mit Dauerplakaten aus Email oder Glas, bald mit Papieranschlag an

sog. öffentlichen Anschlagflächen (Säulen oder Tafeln), bald mit Lautsprecherwagen, bald

mit Flugzeugen arbeitet. Wir haben diese ausgesprochen liberalistisch-jüdische Art der Wer­ bung jedenfalls weithin von Amerika gelernt, sind sie beinahe schon gewohnt und ein

einziger Berufsstand der Werbetreibenden durfte sie dem deutschen Volke aufnötigen, ja aus einem Gewohnheitsrecht der liberalistischen Zeit, in der einzelne Geschäftsleute durch Reklame reich geworden sind, schon fast ein moralisches Recht herleiten. Oder steht nicht

die Plakatsäule bald schon in jedem kleinen Dorf und Weiler, bis zu ioo Einwohnern her­ unter oder auf je 1000 Einwohner ein Stück, als ob sie ein moralisches Recht dazu hätte? Aber ihr runder Bauch ist meistens nackt, wenn nicht ein Schweizer Stumpen oder eine

Zigarettenmarke darauf empfohlen werden; oft sind nur „Goldene Worte" oder eine Auf­ forderung zum Plakatanschlag angeklebt. Wo ist also daö Bedürfnis? Reklame mit Rück­ sicht auf die Plakatfabriken ist Reklame um ihrer selbst willen: ein offenbarer Unsinn. Die

Fachleute haben selbst zugegeben, daß die Außenreklame wenig Wert hat, daß das Volk längst abgestumpft ist, daß der Gesamtverbrauch nicht gesteigert, sondern nur von dem

einen Erzeuger auf den andern verschoben wird, und daß die Konkurrenz zur Reklame

zwingt. In der Tat läßt niemand der Reklame zulieb zweimal am Tag die Stiefel wichsen, und sollte durch die Schokolade- und Zigarettenreklame der Gesamtverbrauch gesteigert

werden, so wäre dies aus gesundheitlichen und nationalwirtschaftlichen Gründen gar nicht erwünscht. Dabei besteht der Papieranschlag an den Plakatsäulen etwa zu 60—80 v. H.

aus Zigarettenplakaten. Und dazu hat man selbst dem kleinsten Dorf das Ungeheuer einer

Plakatsäule oder die noch schlimmere freistehende Plakattafel von 8^2 qm Größe beschert! Die Außenreklame beeinträchtigt zweifellos die Verkehrssicherheit, schädigt das Orts- und Landschaftsbild und damit den Fremdenverkehr, vor allem aber die Arbeitsstätte und die Heimat als Lebensraum des Menschen. Was helfen Blumentöpfe gegen diese Herabwürdi­

gung der Wohnungen der Menschen zu bloßen Reklameständern? Eine so wichtige national­ pädagogische Frage darf nicht einem Berufsstand überlasten bleiben, um so weniger als

nicht bloß seelische und kuturelle, sondern auch andere wirtschaftliche und Verkehrs­ fragen berührt sind. Nur ein Heimatschutzgesetz kann hier Wandel schaffen und die

Vermarktung oder Amerikanisierung unseres Lebens zugunsten unserer Kultur und Menschenwürde abwenden. Man muß es aussprechen: Die Entwicklung des Reklame­

wesens entspricht ganz und gar nicht dem Geist und dem Kulturwillen des Dritten Reiches.

Da zu diesen Fragen noch besonders Stellung genommen wird, verzichte ich auf weitere Einzelheiten. 4*

52 Wie schaffen wir das schöne Dorfbild wieder?

Wir haben uns bisher schwerer Versäumnisse schuldig gemacht. Wir erziehen mit größter Sorgfalt das junge Geschlecht im Elternhaus/ durch die Museen/ in der HI., im

Kunstunterricht der Schule auch zu einem guten Geschmack und lassen gleichzeitig dauernd schlechte Hausbauten/ Verunstaltungen aller Art/ unter Umständen Unordnung und Ver­ wahrlosung/ schreiende Plakate und grelles Reklamegeschrei auf die Jugend einwirken,

ohne sie auf diese Häßlichkeiten hinzuweisen/ ohne sie an Beispiel und Gegenbeispiel zu

bilden und zu erziehen und ohne zu bedenken, daß die Sprache einer verwahrlosten und geschmacklosen Umgebung den stärksten Einfluß auf die innere Artung

des Menschen und insbesondere auf die Jugend ausübt. Die Gewöhnung an Ge­ schmacklosigkeit und Häßlichkeit ist Gift für jeden wachsenden Geist. Die gesamte Ju­ genderziehung muß daher von den Grundsätzen des Heimatschutzes durch­ drungen sein.

Gesetze allein, so wichtig sie sind, können nicht helfen. Sie haben aber enssprechend dem Geiste des Dritten Reiches dem Bauliberalismus nicht aber dem Reklameliberalismus

ein Ende gemacht.

Die Pflege der Kunst und des überlieferten Kulturguts, die Hebung des Handwerks und des Verständnisses für das besondere Wesen des bäuerlichen Kulturkreises, aber auch eine von diesem ganz erfüllte ländliche Schule, der Einfluß der führenden Männer der Bauern­

schaft selbst, ein tätiger Heimatschutz als Berater, eine ebenso eingestellte Regierung und Presse, die Parteiämter „Schönheit der Arbeit" und „Schönheit im Dorf", die Raum­

planung, der Reichsbeauftragte für künstlerische Formgebung, die Arbeitsgemeinschaft

„Heimat und Haus", sie alle zusammen müssen die Urzelle deutschen Volkstums: Bauern­

haus und Bauerndorf, den Bauern und die Dorfgemeinschaft wieder in Ordnung bringen, die Nachäffung der Stadt unmöglich machen, den Bauernstolz wecken, die gute Überliefe­ rung wach halten, den Sinn für echte stammeseigene Schönheit und für Ordnung wecken,

den Bauernstand selbst und das Handwerk zur tätigen Mitarbeit an der bäuerlichen Kultur führen, Bauerndorf und Arbeitersiedlung ins richtige Verhältnis setzen und die Anmaßun­

gen der Wirtschaft aus dem Felde schlagen, da die Kultur an erster Stelle steht und eine

volkseigene kulturelle Leistung und Fruchtbarkeit allein die Zukunft des deutschen Volkes

sicherstellt, Menschenglück und Zufriedenheit, Lebensfreude und Menschenwürde verbürgt und an Stelle des leeren Scheines wesenhaftes Sein und wirklichen Gehalt setzt. Wir

dürfen hoffen, daß auf diese Weise der Bauer und schließlich sogar der Arbeiter mit der

Vergangenheit verknüpft, das dörfliche Leben gesund, glücklich und schaffensfroh, die Dorfgemeinschast ein lebendiges Glied im Volkskörper und das Dorfbild das harmonische

Abbild dieser Gemeinschaft wieder werde. Jawohl: „Unsere deutschen Dörfer sollen die schönsten sein!"

DIE SÄUBERUNG DES STADTBILDES VON STRALSUND

ALS BEISPIEL VON GRUNDSÄTZLICHER BEDEUTUNG Dr. Werner Lindner, Berlin, Fachbeauftragter des Deutschen Bundes Heimat­ schutz: An den mittelalterlichen Städten bewundern wir immer wieder ihr organisches

Gefüge, wir bewerten nicht so sehr den stilistischen Reichtum und den Seltenheitswert der

Einzelheiten wie die Gesamthaltung dieser Gebilde. Sehr empfindlich aber sind wir gegen die Untaten der letzten 60 bis 80 Jahre geworden, ob sie sich nun im „Maurermeisterstil", in Jmitiererei unverstandener früherer Zeiterscheinungen, in „Neuer Sachlichkeit" und

funktionalistischer Manier oder sonstwie kundtun. Handwerker- und Architektenschaft, vor allem aber die Bürgerschaft in ihrer Gesamtheit müssen wieder begreifen lernen, daß Bau­

gesinnung und Gemeinsinn zusammengehören. In den neuen Siedlungen hat sich der Geist der Ordnung in neuer Art und Gestalt kundzutun, in den alten Städten und Dörfern muß das Neue mit dem geschichtlich Gewordenen in Einklang gebracht werden. Doch ge­ nügt es nicht, wenn man überall mit kleinen verbessernden Eingriffen beginnt. Ist man

imstande, die Durcharbeitung einiger charakteristischer Städte zu Schaubeispielen zu er­ heben, so wird der Umbruch auch auf diesem Gebiet viel schneller und eindringlicher von-

statten gehen.

Auf diesem Wege ist man mit der ganzen Stadt Stralsund. Ihr besonderer Wert liegt in der eigenartigen Schönheit der wasserumschlossenen Alt­ stadt; besonders sie muß sinnvoll gehegt und weiterentwickelt werden. Dabei dürfen nicht nur einzelne hervorragende Bauwerke denkmalpflegerisch behandelt werden, sondern es

gilt vor allem, auch die durchschnittlichen bis zu den allerbescheidensten mit ihren Woh­ nungen, Werkstätten, Läden, Gaststätten usw. wieder in eine lebendig-harmonische Be­ ziehung zu den historischen Kostbarkeiten zu bringen und dabei allen heutigen Anforde­ rungen der Wirtschaft unserer Lebenshaltung und unseres Lebensgefühls gerecht zu werden.

Durch die einzigartige Lage der Stadt zwischen Meeresrand und Teichen ist ihr alter

Umriß nahezu unversehrt geblieben. Am Gesamtbild der Straßen ist aber die Einheit der

backsteinernen mittelalterlichen Hausgiebel und der breitgelagerten Putzfassaden aus der Schwedenzeit und ihrer Nachfolge vielfach zerstört durch neuere Bauten, Ladeneinbauten, falsche farbliche Behandlung der Fassaden, unzureichende bauliche Einzelheiten, schlechte

oder zu stark gehäufte Reklame usw. Hier hat die Entschandelung und Wiedergutmachung

einzusetzen.

Mehrere Kameraden von der Denkmalpflege und vom Heimatschutz haben mir heute schon zum Ausdruck gebracht, daß sie mit außerordentlicher Spannung den Leistungen

entgegensehen, die wir seit dem uns im vorigen Winter vom Oberbürgermeister der Stadt

54 Stralsund erteilten Auftrag, einen auf zehn Jahre berechneter; Entschandelungsplan seiner

Stadt durchzuführen, geschaffen haben. Ich werde diese Männer enttäuschen, wenn ich

von vornherein erkläre, daß wir bisher viele sichtbare und im Bilde darstellbare Proben

unserer bisherigen mühseligen Arbeit noch nicht aufweisen können. Deshalb werde ich

Ihnen heute noch gar nichts zeigen, wohl aber werde ich Ihnen den Gang der Handlung kurz zu schildern versuchen, denn das wichtigste bei einem derartigen erstmaligen Versuch ist ja, die Aufgabe von Grund auf zu erfassen und die Bürgerschaft zu einer tätigen Anteil­

nahme zu bewegen. Wie schwer nach der jahrzehntelangen Verwirrung das Auffinden des richtigen Weges ist, werden Sie sich unschwer vorftellen können, und daß ein Teil unserer Bemühungen — wie Sie aus einzelnen Beispielen hören werden — noch nicht zum ge­ wünschten Ergebnis geführt haben, ist wohl auch zu verstehen. Aber auch aus solchen Fällen

werden wir lernen. — Als Beispiel für die Bemühungen und Schwierigkeiten mögen Sie die beiden farbigen Tafeln „Vorschlag zur Farbgebung der Semlowerstraße" im Heft 9 der Zeitschrift „Form und Farbe" ansehen, das dankenswerter Weise der Reichsinnungs­

verband des Malerhandwerks der Stadt Stralsund und gleichzeitig unserer Tagung ge­ widmet hat und das Sie eben entgegengenommen haben. Der Reichsinnungsverband hat in dem Sachbearbeiter dieses Themas, Herrn Malermeister Robert Sandfort, einen seiner Besten zur Verfügung gestellt, und doch kann dieser Vorschlag erst als eine mit Dankbar­

keit zu begrüßende Anregung aufgefaßt werden, die noch der reiflichen Einstimmung in die verpflichtenden Voraussetzungen einer solchen norddeutschen Küftenstadt bedarf. Ich will also kurz den Gang der Handlung bei der Säuberung des Stadtbildes von

Stralsund schildern. Angeregt durch den mir seit Jahren bekannten Verkehrsdirektor der Stadt rief der neue

Oberbürgermeister, der unter uns anwesende Dr. Stoll, im Spätherbst 1936 die Bürger­ schaft zu einer Großkundgebung zusammen, in der ich die Wege der wünschenswerten Ent-

schandelung aufzuweisen hatte. Mir war die Stadt vertraut, aber ich verwandte Tage dar­ auf, um, durch den Stadtbaurat und den Verkehrsdirektor in die Einzelheiten eingeführt, mir ein Bild von den Verbesserungsnotwendigkeiten und -Möglichkeiten im kleinen und großen zu machen. Hierfür einige Beispiele: Die Hauptgeschäftsstraßen ziehen sich als

ein klares Verkehrsnetz durch die leicht überschaubare Altstadt, sie bedürfen selbverständlich einer ganz entschiedenen Säuberung von den Auswüchsen der Außenreklame, zugleich aber

einer ganz anderen Behandlung in Hinsicht auf Außenwerbung als die stilleren und ganz

stillen Nebenstraßen. Auf die Einzelheiten dieser äußerst wichtigen Sonderausgabe kann nicht eingegangen werden, wohl aber sei kurz vermerkt: Eö muß möglich sein, auch in den

Verkehrsstraßen, in denen nach wie vor schöne alte Häuser überwiegen, die Außenreklame

im allgemeinen auf die Flächen der Erdgeschosse zurückzuweisen, die Schauflächen und die Reklamemittel unter Zurückdrängen zu weit aufgerissener Löcher, glänzender Glasschilder,

zu schreiender Lichtreklame usw. den Hausverhältnissen und den Straßenzügen wieder sinnvoll einzustimmen. Dem brutalen Vernichten des entscheidenden Eindrucks bündig mit den Hausflächen

sitzender Fenster, dem Herausnehmen der Sprofsenteilung dieser Fenster zugunsten einer abwegigen Großmannssucht, dem Verschmieren des einst unverputzten Ziegelmauerwerks durch Zementputz muß entschieden ein Ende gemacht werden. Edelputz und andere modische Putzmanieren bei der Wiederherstellung alter Putzansichten haben in der Stadt nichts zu suchen. Der Ölfarbenanstrich der Putzflächen ist nach Möglichkeit ganz abzustellen, zum

mindesten ist der speckige Glanz zu vermeiden. Die Grünanlagen der Stadt sowohl in der Umgebung der Kirchen als auch auf Dämmen, Wällen und am Außenrand der Teiche sind

einer entschiedenen Durchsicht zu unterziehen. Häßliche Aufstockungen von Einzelbauten mit kümmerlichen Pappdachabdeckungen sind in Ordnung zu bringen. Neugotische und sonstige Zutaten der vergangenen Jahrzehnte bei Hausausbefferungen sollen nach Mög­

lichkeit wieder entfernt werden usw. Der Herr Oberbürgermeister hat mir bei dieser ersten Kundgebung verstattet, herzhaft

vom Leder zu ziehen, und ich habe davon, wo es angebracht war, mit dem nötigen Humor

Gebrauch gemacht. Das heißt also, ich habe versucht, der Bürgerschaft begreiflich zu machen, daß im Deutschland Adolf Hitlers und in einer so kostbaren alten deutschen Stadt nicht der Geschmack von Hinz und Kunz den Ton anzugeben hat, vielmehr kann gerade hier der

Geist der Ordnung und der der Unterordnung unter die hohen überkommenen Werte, unter ihnen die herrlichen Kirchen als Ausdruck einstigen gewaltigen Bürgerstolzes vorab, den

einzigen Weg zur Lösung zeigen. Ich nahm vor allem einige grundsätzliche wirtschaftliche und soziale Gedanken des Ober­

bürgermeisters auf. Die Stadt Stralsund liegt zum neugeschaffenen Rügendamm so, daß

der Hauptverkehr von den Nordländern zur Reichshauptstadt und weiterhin sowie der

künftige, viele Zehntausende von Volksgenossen umfassende Strom, der nach Rügen und insbesondere zum großen Rügenbad der Deutschen Arbeitsfront zieht, die Stadt achtlos

beiseite lassen könnte. Diese Gefahr wäre zumindest sehr groß, wenn sie sich nicht ihres ver­ pflichtenden Eigenwertes bewußt wird und ihn wieder eben durch die Entschandelung her­

ausarbeitete. Als Stadt, die durch die Geschichte mit dem Schwedenland innig verbunden

ist, die zudem durch ihre wundervolle Lage ausgezeichnet ist, kann und muß Stralsund gleichsam als erste Visitenkarte für das Reich bei den sie besuchenden Nordländern gelten. Bringt man sie im Laufe der nächsten Jahre in Ordnung, so versteht sich von selbst, daß die

große Zahl von Elendswohnungen in der Altstadt beseitigt wird. Es versteht sich weiter, daß auch in den neuen, höchst unvollkommenen Teilen, die der Zufahrt zum Rügendamm

näherliegen, entsprechend aufgeräumt wird, und daß schließlich die jetzt notwendigen Sied­ lungen die würdige Ergänzung bilden.

$6 Bereits am Abend der ersten aufrüttelnden Großkundgebung wurde nun eine Arbeits­

gemeinschaft von wertvollen Handwerksmeistern und anderen lebendigen Kräften gebildet/ mit der der Zehnjahresplan ideenmäßig und das praktische Vorgehen in den kleineren, aber

grundsätzlichen Einzelheiten erwogen werden sollte. Aus der anfänglichen Tätigkeit dieser Arbeitsgemeinschaft hebe ich folgendes hervor:

Auf der ersten Arbeitssitzung forderte ich diejenigen anwesenden Handwerksmeister, die

ihre eigene Geschäftsaußenwerbung für unzureichend hielten und willens waren, diese

bester zu gestalten, auf, die Hand zu erheben. Die Hände sämtlicher sechs anwesender Hand­ werksmeister flogen hoch. Der taktische Gedanke war ja dabei der: Wenn die Meister, die

zur Verbefferungsarbeit bei den Hausbesitzern und Ladeninhabern späterhin antreten

sollten, zunächst einmal vor der eigenen Tür kehrten, so würden sie zum einen selbst da­ durch geschult, zum anderen aber konnten sie damit zeigen, daß sie es auch ernst mit der Aufgabe nehmen. — Ich bemerke am Rande, daß wir bis zum Augenblick noch nicht darauf gedrängt haben, daß alle diese Versprechungen auch eingelöst wurden, und zwar aus folgen­ dem Grunde: Es zeigte sich hier wie überall, daß die einwandfreie Erfüllung solcher Ver­

sprechen, die ja zu beispielhaften Lösungen führen sollen, auch bei guten Kräften und bestem Willen unendlich schwer ist. Der Handwerker von heute, der selbstverständlich sein täglich

Brot und, wenn möglich, noch etwas mehr haben muß, steht dauernd unter dem Druck

einer Konkurrenz, die ihn unterbietet oder, indem sie den geschmacklichen Wünschen des

Auftraggebers willfähriger ist, ihn aus dem Felde schlägt. Wir gingen von der im allgemeinen richtigen Annahme aus, daß der Handwerker noch viel dazulernen muß, und unser Wunsch war ja der, schon bei der kleinsten Arbeit etwas tatsächlich Vorbildliches zu schaffen.

Sollte nun Stralsund als ein Exempel, wenn nicht für das ganze Reich, so doch minde­ stens für Norddeutschland statuiert werden, so mußte der beste Rat für die praktische

Durchführung der Gedanken gerade gut genug sein. Sollte also z. B. die Stralsunder Malerinnung zeigen, wie man technisch und farblich richtig streicht (selbstverständlich muß

die Vorfrage dazu geklärt werden, wie dann der Putzgrund auszusehen hat), sollten die Meister für die Außenwerbung in Haltung und Maßstab der Schrift etwas Gutes schaffen,

so mußte hierfür der geeignete Rat herangeholt werden. Zu unserer großen Freude erklärte sich nun der Reichsinnungsverband des Malerhandwerks dazu bereit, seinen besten Fach­ mann zu der notwendigen Schulung der Stralsunder Meister in all diesen Grundfragen

zu entsenden. Der Reichsinnungsverband erkannte damit an, wie wünschenswert es wäre,

daß ein solches Musterbeispiel in einer Stadt aufgestellt würde, und er bedang sich sinn­ entsprechend aus, daß er dann das Ergebnis dieser Erziehung mit Hilfe seiner ausgezeich­ neten Zeitschriften wieder im Reiche auswerten dürste. Der Arbeitsausschuß unter Füh­ rung des Stadtbaurates bestimmte dann die Semlowerstraße als die große und besonders

dankbare Aufgabe, an der nun zukünftig im Zusammenhang die beabsichtigte Haltung kundgetan werden sollte. Es handelt sich ja bei dieser ganz einzigartigen Straße um eine

Angelegenheit von hohem denkmalpflegerischem Werte. Daher ist selbstverständlich vor­ gesehen, daß hier der Denkmalpfleger, Landesbaurat Viering in Stettin, den Ton anzu­

geben hat, weil gerade in einem so wichtigen Falle irgendein individuelles Experimentieren ausgeschlossen ist. Abgesehen vom Willen der Stralsunder Handwerkerschaft zur Bestleistung und abge­

sehen von der Notwendigkeit, daß die Bürgerschaft innerlich mitmacht, muß beim Heraus­ arbeiten einer solchen Stadt zu einem Musterbeispiel natürlich auch die richtige Voraus­

setzung in geeigneter Auswertung der Gesetzesbestimmungen geschaffen werden. So ist zwischen der zuständigen Abteilung im Reichs- und Preußischen Arbeitsministerium und

dem Stadtbaurat die erneute Überarbeitung der Ortösatzung von Stralsund vorgesehen

dergestalt, daß insbesondere alle Möglichkeiten, welche die Verordnung zur Baugestaltung vom io. November 1936 gibt, sinnentsprechend wieder wahrgenommen werden.

Einige weitere Einzelbeispiele: Eine schöne alte Apotheke sollte ihrer überflüssigen und häßlichen Außenreklame entkleidet werden, dafür sah man eine Laterne auf dem Bürger­

steig und zwar auf handgeschmiedetem Unterbau vor. Für die Arbeit kam ein ansässiger Meister in Betracht. Der fragliche Entwurf schien uns aber vor allem handwerklich nicht

ausreichend zu sein. So wurde der Meister mit dem besten Könner auf diesem Gebiet in Norddeutschland, Julius Schramm in Berlin, zur kameradschaftlichen Verständigung zu­

sammengebracht, und in gemeinsamer Arbeit dieser beiden Männer vom Fach entstand ein Werk, das sich handwerklich sehen lassen kann. Wenn es maßstäblich noch nicht vollkom­

men geworden ist, so wollen wir uns dessen nicht schämen und weiter daraus lernen. —

Ein Gastwirt hat einen köstlichen, humorvollen Ausleger bekommen, der erst dadurch zur

vollkommenen Wirkung kommt, daß das betreffende Haus im ganzen Anstrich richtig überholt ist. Wenn der Maler hier, wie ich kürzlich feststellte, in deutscher Schrift das Wort

Frühstücksstube mit zwei Schluß-s geschrieben hat, so daß dabei das Wort „Tube" mit dem Vorwort „Frühstückss" herauskommt, so muß das natürlich noch geändert werden. — Eine Überholung des bislang mit viel zu vielen Tafeln, Anzeigekästen und dergleichen

überladenen Rathaus-Durchganges, die ebenfalls noch nicht völlig geglückt ist, wird man sicher auch in absehbarer Zeit völlig einwandfrei abrunden. Es hat die Bürgerschaft sicher schwer erregt, daß nach reiflicher Überlegung das wahrlich nicht bedeutende, auf einem entsetzlich minderwertigen Sockel stehende Denkmal des ver­

dienstvollen Bürgermeisters Lambert Stahl eines Tages rundweg vom Platze verschwand

und in Schutzhaft genommen wurde. Es versteht sich von selbst, daß man der Denkmals­ figur an einer würdigen Stelle im Stadtbild wieder Raum gibt, aber mitten auf diesen Platz in seiner zeitentsprechenden Zweckerfüllung gehört sie nicht.

58 Nach einem gewissen Zeitabstand wurde nun der Vorstoß vor allem einmal in Richtung

auf die reklameverbrauchende Kaufmannschaft gemacht. Gerade ihr mußte gezeigt werden, daß der Heimatschutz sich selbstverständlich nicht der Notwendigkeit der Außenreklame in

einem Geschäftsgebilde wie Stralsund verschließt, wohl aber, und besonders in einer so wertvollen Stadt, die Auswüchse der Außenreklame bekämpft. Sie mußte begreifen

lernen, welchen Nutzen sie selber von einer gesunden Außenwerbung hat. Auch hier be­ währte sich die Aufforderung des Handerhebens der Willigen: Jedenfalls der Anfang einer Gefolgschaft ist gewonnen worden. Wenn einer dieser Kaufleute erklärte, er ginge gern mit, wenn ihm ein „passabler" Vorschlag gemacht würde, so habe ich den Anwesenden bündig erklärt, daß es das Wort „passabel" für uns nicht gibt. Hocherfreulich war es, daß der Direktor einer großen Pommerschen Brauerei sich bereit erklärte, bei jeder von seiner

Brauerei belieferten Wirtschaft dem besonderen Falle Rechnung zu tragen und zwar so,

daß verschiedene Mittel für Außenwerbung verwendet und ein erheblicher Betrag der üblichen Summe auf die anständige Gestaltung der Gaststuben verwendet werden sollte. Wollten doch gerade die Bierlieferanten einsehen, daß auf diese Weise ihre Werbung tat­

sächlich sicher viel erfolgreicher angewendet und der Konfliktstoff mit Baupolizei, Bau­ pflege und Heimatschutz ganz erheblich verringert wird!

Noch ein Beispiel aus der vorbereitenden Tätigkeit: Es ist gelungen, den bedeutenden Landschaftsgestalter Professor Wipking-Jürgensmann ehrenamtlich für die Beratung der Stadt in allen Grüngeftaltungssragen zu gewinnen. Er hat einen der Besten aus dem

fachlichen Nachwuchs nach Stralsund gegeben, wird diesem und dem Gartendirektor der Stadt bis zur Klärung aller Grundfragen zur Verfügung stehen, und die Stadt ist willig,

den jungen Mann, der seine Doktorarbeit auf diesem Problem aufbauen will, wirtschaft­

lich ein wenig zu unterstützen. Diese Beispiele mögen für den Ernst und den Sinn des Vorgehens genügen. Wenn an

Einsicht und Opferwilligkeit der Bürgerschaft appelliert ist, so versteht sich von selbst, daß die Stadt ihrerseits entsprechend größere Aufgaben im Rahmen des möglichen in Angriff nimmt. Eine der wichtigsten und reizvollsten Aufgaben dieser Art ist die, den Neustädter Marktplatz wieder durch einen Riegel von niedrigen Bauten vor der Marienkirche in Form

zu bringen und damit dieses ehrwürdige und herrliche Denkmal zu der ihm zukommenden

Geltung zu bringen. Am gleichen Platz steht der fürchterliche, schon in früherer Zeit durch

Abpflücken von neugotischen Kinkerlitzchen etwas gemilderte, aber auch in den Innen­ räumen völlig unmögliche Hauptpostbau. Wir vertrauen darauf, daß das Reichspost­ ministerium hier günstigen Bescheid gibt, sobald notwendige Vorfragen geklärt sind.

So müssen alle zusammenarbeiten, die Bürger- und Kaufmannschaft, der Hausbesitzer­ verein, die Handwerkskammer, die kirchlichen Gemeinden usw. Stralsund kann gerade dadurch, daß die Arbeit bei seinen verhältnismäßig knappen Altstadtausmaßen so leicht

überschaubar ist, trotz der verheerenden Einwirkungen der vergangenen Jahrzehnte wieder ein Schmuckkästlein werden. Eö soll nicht ein mumienhaftes Museum werden, sondern alle Bemühungen müssen darauf gerichtet sein, daß ein modernes Wirtschaftsleben gerade auch in der Altstadt wieder kräftig pulsiert. Wenn, wie gesagt, Elendswohnungen ausge­

räumt, die feinen alten Stiftsbauten, der arg vernachlässigte und schlimm mißhandelte Klosterkirchenbau in neuer Zweckbestimmung zu ihrer alten Würde geführt werden sollen, Verkehrs- zu Nebenstraßen richtig abgestimmt sind, dann muß man natürlich mit stärkeren

Eingriffen z. B. in Hinblick auf den Verkehr äußerst behutsam sein. Ich bezweifle, daß ein

weiterer Mauerdurchbruch dem Kraftwagenverkehr zuliebe notwendig ist. Sollte etwas derartiges zukünftig erwogen werden, so ist selbstverständlich auch hier wieder der Rat der erfahrensten Männer einzuholen.

Ich schließe mit folgenden Bitten:

1. Landeshauptmann Haake, mein Chef, wolle beim Gauleiter und Reichsstatthalter

für Pommern um die Förderung unserer gemeinsamen Bemühungen um Stralsund

vorstellig werden. 2. Kamerad Oberbürgermeister Dr. Stoll wolle es sich zur Pflicht machen, doch recht

bald auch das zur Stadt Stralsund gehörende Rügenbad Juliusruh in entsprechender Weise zu entschandeln und für eine gesunde bauliche Weiterentwicklung zu sorgen.

3. Die Abteilung Dorfverschönerung im Amt Schönheit der Arbeit der Deutschen Ar­ beitsfront wolle, wiederum in kameradschaftlicher Verbundenheit mit uns, ein Dorf nahe

bei Stralsund ermitteln, in dem in entsprechend klarem und zielbewußtem Vorgehen ein wahres Musterbeispiel der Dorfverschönerung entwickelt wird.

Und letztens für heute: Der anwesende Reichsfachschaftswalter der Windmüller in der DAF. wolle uns dazu helfen, daß die außerordentlich schön gelegene, aber sehr verwahr­

loste Holländerwindmühle am Zugang zum Rügendamm wieder instandgesetzt, mit Ventikanten ausgestattet und damit wieder betriebsfähig gemacht wird.

Auf diese Weise würde das Bemühen um Stralsund schon im Rahmen der engeren pommerschen Landschaft segensvoll weitere Kreise ziehen. Hoffentlich hat es damit noch

lange nicht sein Bewenden!

DER INDUSTRIEARBEITER UND SEINE WOHNUNG Dr. WilhelmBrepohl, Gelsenkirchen, Forschungsstelle für das Volkstum im Ruhrgebiet: Um die Frage, wie der Jndustriemensch zu seiner Wohnung steht, haben sich

Sozialpolitiker schon früh bemüht, wobei sie davon ausgingen, daß gesunde Wohnungs­

verhältnisse die Grundlage für jede Volkspflege sind. Die Frage hat aber noch eine andere

überschaubar ist, trotz der verheerenden Einwirkungen der vergangenen Jahrzehnte wieder ein Schmuckkästlein werden. Eö soll nicht ein mumienhaftes Museum werden, sondern alle Bemühungen müssen darauf gerichtet sein, daß ein modernes Wirtschaftsleben gerade auch in der Altstadt wieder kräftig pulsiert. Wenn, wie gesagt, Elendswohnungen ausge­

räumt, die feinen alten Stiftsbauten, der arg vernachlässigte und schlimm mißhandelte Klosterkirchenbau in neuer Zweckbestimmung zu ihrer alten Würde geführt werden sollen, Verkehrs- zu Nebenstraßen richtig abgestimmt sind, dann muß man natürlich mit stärkeren

Eingriffen z. B. in Hinblick auf den Verkehr äußerst behutsam sein. Ich bezweifle, daß ein

weiterer Mauerdurchbruch dem Kraftwagenverkehr zuliebe notwendig ist. Sollte etwas derartiges zukünftig erwogen werden, so ist selbstverständlich auch hier wieder der Rat der erfahrensten Männer einzuholen.

Ich schließe mit folgenden Bitten:

1. Landeshauptmann Haake, mein Chef, wolle beim Gauleiter und Reichsstatthalter

für Pommern um die Förderung unserer gemeinsamen Bemühungen um Stralsund

vorstellig werden. 2. Kamerad Oberbürgermeister Dr. Stoll wolle es sich zur Pflicht machen, doch recht

bald auch das zur Stadt Stralsund gehörende Rügenbad Juliusruh in entsprechender Weise zu entschandeln und für eine gesunde bauliche Weiterentwicklung zu sorgen.

3. Die Abteilung Dorfverschönerung im Amt Schönheit der Arbeit der Deutschen Ar­ beitsfront wolle, wiederum in kameradschaftlicher Verbundenheit mit uns, ein Dorf nahe

bei Stralsund ermitteln, in dem in entsprechend klarem und zielbewußtem Vorgehen ein wahres Musterbeispiel der Dorfverschönerung entwickelt wird.

Und letztens für heute: Der anwesende Reichsfachschaftswalter der Windmüller in der DAF. wolle uns dazu helfen, daß die außerordentlich schön gelegene, aber sehr verwahr­

loste Holländerwindmühle am Zugang zum Rügendamm wieder instandgesetzt, mit Ventikanten ausgestattet und damit wieder betriebsfähig gemacht wird.

Auf diese Weise würde das Bemühen um Stralsund schon im Rahmen der engeren pommerschen Landschaft segensvoll weitere Kreise ziehen. Hoffentlich hat es damit noch

lange nicht sein Bewenden!

DER INDUSTRIEARBEITER UND SEINE WOHNUNG Dr. WilhelmBrepohl, Gelsenkirchen, Forschungsstelle für das Volkstum im Ruhrgebiet: Um die Frage, wie der Jndustriemensch zu seiner Wohnung steht, haben sich

Sozialpolitiker schon früh bemüht, wobei sie davon ausgingen, daß gesunde Wohnungs­

verhältnisse die Grundlage für jede Volkspflege sind. Die Frage hat aber noch eine andere

6o Seite, von der bis heute wenig gesprochen worden ist: eine volkskundliche, die ebenso

wichtig ist wie die sozialpolitische. Ja, man kann zeigen, daß erst durch die richtige volks­ kundliche Erkenntnis eine sinnvolle volkspolitische Einstellung möglich ist. Es wäre

ja noch denkbar, daß das, was die Volkspolitiker oder die Architekten für das Ideal einer Arbeiterwohnung halten, dem Arbeiter und seiner Frau weder zusagt noch gerecht wird.

Ich gedenke, die volkskundliche Seite der Frage vom Ruhrgebiet aus zu behandeln, weil mir dieses Gebiet von Kindheit an vertraut ist und unsere Forschungsstelle für das Volks­

tum im Ruhrgebiet (Gelsenkirchen) den Auftrag hat, eine Volkskunde des Ruhrmenschen zu erarbeiten. Der Jndustriemensch und die Volkskunde

Solch eine Volkskunde muß sich ihre eigene Methode suchen, weil die überlieferte, von anderen Verhältnissen aus gewonnene, hier nicht anwendbar ist. Die Frage, ob denn der Arbeiter überhaupt Gegenstand einer Volkskunde sein kann, muß der mit Ja beantworten,

der mit W. H. Riehl — dem vielgelobten, aber scheu gemiedenen — in der Volkskunde

eine Vorhalle für die Staatswifsenschaften erblickt. Angesichts der Tatsache, daß Deutsch­ lands Zukunft und Weltgeltung nicht zuletzt auf der Industrie beruhen und heute ein großer Teil des deutschen Volkes in Großstädten und in Industriegebieten lebt und schafft,

scheint es ein Gebot des nationalen Anstandes zu sein, auch dem Industriemenschen vor­ weg einzuräumen, daß er ein guter und nötiger Teil des deutschen Volkes ist. Wer die

Menschen in der Industrie kennt, der weiß, daß die These vom Proletariat in der alten Fassung unmöglich ist und in einer neuen nur bedingt auf einen kleinen Kreis anwendbar

war und ist, und daß die überkommene Schwarzweiß-Zeichnung, die den Bauern zu sehr

veredelt und den Arbeiter herabsetzt, dem Wesen und Wert des Arbeiters nicht gerecht wird. Man kann nicht immer von ungesunden Verhältnissen sprechen, wenn diese in wirklichen Industrieorten weniger bedenklich sind als in Großstädten. Man kann auch nicht immer

von einem biologischen Minderwert sprechen, wenn feststeht, daß das Arbeitervolk in der körperlichen Tüchtigkeit dem Landvolk mindestens nicht nachfteht, und die wirklichen In­ dustriestädte die kinderreichsten deutschen Städte sind. Selbstverständlich sind Schäden vor­ handen. Es ließe sich aber zeigen, daß sie überwiegend auf die Sünden des liberalistischen

und hochkapitalistischen Zeitalters zurückgehen. Kotten, Kolonie und Mietskaserne Seit rund acht Jahrzehnten gibt es an der Ruhr eine Industrie großen, modernen Stils; aber in Wahrheit sind Bergbau und Hüttenwesen schon Jahrhunderte alt. Freilich waren

es nur kleine Betriebe, solche, die heute als unrentabel gar nicht mehr in Gang gehalten

werden könnten. Es gab damals bereits Bergleute, „krisenfeste", die ausnahmslos Bauern

6i waren und ihre Arbeit zwischen Landarbeit und Kohlenförderung teilten. Wenig beachtet man dabei den Unterschied/ daß es doch unabhängige Bauern und Heuerlinge oder Kötter gab.

Betrieben beide damals Bergbau? Und wie? Erste Beobachtungen legen den Schluß nahe/

daß die Besitzer/ die „Gewerken"/ wohl die unabhängigen oder fast unabhängigen Bauern waren, die ihre Heuerlinge nicht nur zur Feldarbeit/ sondern auch zur Arbeit im „Kohl­

berg" heranzogen. So erklärt sich die Tatsache/ daß die ersten Bergmannshäuser nichts anderes als Kötterhäuser waren. Das waren Fachwerkhäuser/ die im ganzen nur kleinere

Ausführungen des landesüblichen Bauernhauses waren/ wobei im Gegensatz zu den echten Bauernhöfen die Wohnräume den größten Teil des Gebäudes in Anspruch nahmen und alles/ was sonst für Vieh und Landwirtschaft benötigt wird, gar nicht oder nur gering aus­

gebaut war. Garten und ein Stück Land durften selbstverständlich nicht fehlen. Als dann der moderne Tiefbau einsetzte/ der größere Belegschaften verlangte und von weit her junge Menschen heranzog/ mußten neue Wohnungen beschafft werden. Wollte

man von diesen wirklichen Arbeiterhäusern verlangen, daß sie unseren Vorstellungen ent­ sprechen, dann hieße das wohl, die Geschichte falsch verstehen. So einfach und unschön, aber

zweckmäßig die ersten Häuser waren, so waren sie schon weit bester als jene Jnstmannshäuser des agrarischen Ostens, aus denen viele der jungen Arbeiter stammen. Ja, unter dem

Eindruck des baren Geldes und der größeren Bewegungsfreiheit, die das Ändustrieleben ihnen bot, haben sie wohl in der Wohnung nichts entbehrt.

Bei der Schnelligkeit, mit der sich das Jndustriewesen aufbaute (wuchsen doch in wenigen Jahren überall Zechen und Fabriken aus dem Boden) blieb es nicht aus, daß die Zahl der Wohnungen kaum einmal ganz ausreichte. Manche Unternehmer wie Krupp und auch

Friedrich Grillo haben fast gleichzeitig mit Werk und Zeche die „Kolonie" gebaut; aber es

blieb noch Gelegenheit genug für einen mutigen Bauunternehmer, schnell große und schlechte

Häuser zu erbauen, in denen die vielen kleinen Wohnungen bald besetzt waren. Diese Unter­ nehmer haben auf dem Gewissen, was dem Landfremden zuerst ins Auge fällt: Sie haben die Kasernen gebaut, sie eng aneinander gesetzt, hoch hinausgetrieben, und nur mit dem

Allernotwendigsten ausgestattet. Hauptsache war, daß Geld damit verdient wurde. Welchen

Schaden die Kasernen angerichtet haben, läßt sich nicht mehr abschätzen. Bieten doch diese

scheußlichen Bauten Anlaß genug, die sozial minderen Eigenschaften der Bewohner zu ent­

wickeln, wie sie auch andererseits den unsteten, unsozialen Menschen eine Wohnstätte boten. Man muß aber der Wahrheit die Ehre geben und sagen, daß der Schluß von den Häusern auf die Bewohner heute nicht mehr so berechtigt ist wie ehedem, denn man findet

auch in solchen Häusern gepflegte Wohnungen, die schon von außen an ihren Fenstern und

Gardinen zu erkennen sind. Der Kampf gegen die Jndustriekasernen hat schon früh begonnen. Die Wohnreformer nahmen sich der Mißstände an, und so hat man eine Zeitlang nach gewissen Idealen gebaut.

62 ohne allerdings danach zu fragen, ob der Arbeiter auch haben will, was mmt ihm anbietet.

Sicher ist jedenfalls, daß sich mehr und mehr eine bestimmte Art von Siedlung und damit

von Wohnung durchgesetzt hat. Und merkwürdigerweise handelt es sich dabei um einen Haustyp, der den frühesten Bergmannskotten sehr ähnlich ist. Die Industrie aller Art hat sich wohl ausnahmslos bemüht, diesen Typ zu entwickeln. Seine Grundlagen sind: Mög­

lichst abgesonderte, kleine Wohnungen in niedrigen Häusern, genug Nebengelaffe, unbe­

dingt Ställe und Garten am Haus. Ost sieht man viergeteilte Häuser, in denen jede Familie

ein Mertel innehat, das von dem des Nachbarn ganz getrennt ist. Ursprünglich waren diese „Kolonien" kaum etwas anderes als Arbeiterdörfer im „Feld", abseits von den Straßen

und Fabriken. Später wucherte jedoch das städtische Bauwesen in die Kolonien herein. Noch heute gibt's solche Dörfer-Kolonien. Sonst sind die alten „eingemauert". Diese

Siedlungen, die nun schon viele Jahrzehnte stehen, machen heute in dem üppigen Grün der vollausgewachsenen Bäume und Sträucher einen geradezu induftriefremden Ein­

druck. Hier zeigt sich, daß der Arbeiter nicht, wie man heute noch immer meinen will, ein Großstädter ist.

Für die Leistung der Zechen liegen Zahlen vor: 1935 kamen auf die Werkswohnungen

bei den Landzechen je 450 qm Garten- und Pachtland, bei den Stadtzechen je 260 qm. Das kleinste Feld oder „Land" hatte 100 qm, das größte 1500 qm.

Von der Kolonie zum Eigenheim

Wir haben bisher nur von Mietwohnungen gesprochen; es scheint auch, als sei dies die einzig mögliche Art. Aber die Erfahrungen der letzten Jahre ergeben etwas anderes, das

außerordentlich wichtig sein dürfte: Gewiß war es die Regel, daß die Werke und Zechen für ihre Belegschaft so viele Wohnungen schafften wie nur möglich, so daß im Idealfalle

alle in werkseigenen Häusern wohnen müßten; insgesamt hat die Industrie für eine Mil­ lion Menschen Häuser gebaut und dafür 900 Millionen aufgewandt.

Aber die Bewegung geht weiter: Heute fördert die Industrie den Willen zur Selbsthilfe,

sie baut nicht mehr selbst, sondern beteiligt sich mit namhaften Beträgen bei den Bauge-

noffenschaften. Seit 1935 hat die Industrie dafür 40 Millionen ausgegeben: Gebaut wurden 20 000 Wohnungen, 7700 Kleinwohnungen und 2630 Eigenheime. Nun bauen bereits Eigen-

heim-Gesellschaften an Stelle der Werke, sie geben an ihre Arbeitermitglieder die Wohnun­ gen in der Art der vielen gemeinnützigen Baugenossenschaften ab. So werden heute schon zunehmend Arbeiter durch die langftistige Abtragung des Baudarlehens Besitzer ihres

Hauses. Das ist dann die dauerhafteste Art des Wohnens und wieder ein Zeichen, wie sehr man den Arbeiter falsch versteht, wenn man ihn Proletarier nennt.

Mit der Eigenheimbewegung kommt das Arbeiterhaus ungefähr wieder dahin, wo es

seinen Anfang genommen hatte. Der Arbeiter mit eigenem Haus und Garten ist nicht nur

63 wirtschaftlich krisenfest/ er ist es auch politisch. Das Unstete/ das sein Wesen in den ersten Jahrzehnten zeigte/ wird überwunden.

Zugleich gestattet die Geschichte des Wohnungswesens im Ruhrgebiet/ den Zeitgeist in

seinen verschieden gerichteten Wirkungen zu verfolgen. Heute ist die Seßhaftigkeit schon selbstverständlich/ aber es gab eine Zeit/ da war es eher natürlich/ daß das noch junge Jndustrievolk innerhalb des Reviers noch von derselben Unruhe besessen war, die sie zuvor aus

der alten Heimat fortgelockt hatte. Damals litt alles unter der Anziehung, die von Amerika

ausstrahlte. Denn es war nicht die Absicht aller aus der Heimat ausziehenden jungen Leute, ins Ruhrgebiet zu ziehen, sie wollten zum guten Teil über den Großen Teich, aber auf dem Wege dahin hielt das Ruhrgebiet sie fest. Das ist die ungewollte gute Wirkung der macht­ voll aufsteigenden Industrie.

Än derselben Zeit aber war alles von einer drängenden Unruhe beherrscht, die auf der einen Seite zu kühnen und mehr als kühnen Neugründungen trieb, auf der anderen Seite

aber das neu entstehende Arbeitertum hierhin und dorthin warf und zog. Das war die Zeit, da auch der Unternehmerschwindel seine Blüten trieb und den Arbeitern die Mietskasernen anbot, in denen sie sich Wohnungen ohne Kultur und Geschmack einrichteten. Das meiste war unecht, war ein „Schwindel", nach dem man die ganze Zeit bezeichnete, ohne sich bewußt

zu werden, wie weit und wie tief der Schwindel tatsächlich reichte. Es war die Zeit des allzu schnellen Anwachsens der neuen Gebilde, das dem Lande eben­

sowenig guttun konnte wie dem jungen Menschen: Krankhaftes entstand, das nur in Krisen

überwunden werden konnte, so daß am Ende in der Wirtschaft wie im Volksleben das Gesunde blieb.

Der Frage, wie der Arbeiter zu seiner Wohnung steht, wollen wir in erster Linie in jenen

Häusern nachgehen, die seinem Wesen am meisten entsprechen. Das sind die gute (alte oder neue) Werkswohnung in der Kolonie und die Wohnung in der Genossenschaft. Wir sind

sicher, damit auch den besten Teilen der Arbeiterschaft auf Schritt und Tritt zu begegnen. Für eine gerechte und verstehende Beurteilung der Arbeiterwohnung muß vorweg ausge­

schieden werden, was dem Willen und den Wünschen des Arbeiters entzogen ist. Vieles,

was der Landfremde beobachtet, sagt über den Arbeiter nichts aus. Unmittelbar außerhalb

des freien Willens der Bewohner steht schon der Haustyp. Ob Ein-, Zwei- oder Vielfami­ lienhaus, das hängt lediglich vom Bauherrn ab, dem es freigestellt ist, auf die Neigungen der Mieter, die er sich wünscht und die er sucht, Rücksicht zu nehmen. Wenn also ausgerechnet

wird, daß soundsoviel Prozent der Arbeiter in den scheußlichen Kasernen leben, so kann man noch nicht folgern: Also lieben so viele Arbeiter solche Häuser. Nichts wäre falscher

als das! Ob sie sie lieben oder nicht ist weniger richtig als die Tatsache, daß ein Teil der

Arbeiter mit solchen Wohnungen und Häusern rechnen muß, weil die Häuser eben da sind und die anderen Behausungen nicht ausreichen.

64 Ähnlich steht es auch mit der Aufteilung der Wohnung. Auch sie läßt nicht in jedem Fall

Schlüffe zu. Erst wenn man nachgeprüft hat, wie weit Wirklichkeit und Wunsch sich begeg­

nen, kann man dies oder das schließen. Wie dem Bewohner ländlicher Behausungen alles entzogen ist, was auf Herkommen und Landesbrauch beruht, so ist dem Jndustriemenschen

entzogen, was auf den Unternehmer oder den Bauherrn zurückgeht. Von der Kaserne auf etwaige proletarische Neigungen zu schließen ist falsch, einfach weil nicht die Arbeiter, son­

dern die Bauunternehmer solche Häuser dahingestellt haben. Betritt man ein solches Haus,

wird einem, wenn es alt ist, auffallen, daß die einzelnen Wohnungen kaum voneinander getrennt an einem Flur liegen. Die kaum vorhandene Scheidung wird noch betont durch

den meist gemeinsam benutzten Wasserkran auf dem Flur, dem Dachboden usw. Der Ar­

beiter wünscht sich aber weder die geradezu durcheinandergehende Gemeinsamkeit, noch die

kommunistische Wasserleitung. Im ganzen ist es so, daß das Siedlungsbild, der Haustyp, der Wohnungsgrundriß über

den Industriemenschen zunächst nichts aussagen. Erst wenn wir den Kreis des Privaten betreten, stoßen wir auf volkskundlich ergiebige Züge.

Die Frau und das Heim

2m Verhältnis des Menschen zu seiner Wohnung gibt es einen großen, kaum beachteten Unterschied zwischen ländlichen und industriellen Verhältnissen, der erwähnt werden muß, will man die Dinge richtig sehen. Beim Landmann gibt es eigentlich keine Grenze zwischen

Wohnung und Arbeitsbereich; gewissermaßen läuft das Feld in breiter Bahn bis ins Haus hinein. Beim Industriemenschen aber haben wir eine Zweiteilung, wie sie schroffer nicht gedacht werden kann. Draußen irgendwo ist die Arbeitsstätte, hinter einer Mauer; durch

ein Tor, das nur die Zugelaffenen durchschreiten, geht der Arbeiter an seine Arbeit.

Beziehungslos dazu ist sein Heim, das somit die lebenweckende Verbindung mit dem

Schaffen des Alltags verloren, dafür aber an Traulichkeit und Heimlichkeit gewonnen hat. In diesen Kreis dringt die Welt der Arbeit nur mit gelegentlichen und einigen stärkeren

Wirkungen ein. Die Folge dieser Zweiteilung ist aber, daß nun die Frau einen festabgegrenzten, ihr fast

überlassenen Wirkungskreis hat, wie auch der Mann den seinen hat. Eine Verbindung gibt es von Natur nicht. Ganz ohne Zweifel hat diese Trennung mit ihren Begleiterscheinungen

außerordentliche Wirkungen. Denn nun gibt es eine Grundlage für die Ausbildung einer Welt der Frau, in der sie ihre eigenen Rechte und Pflichten hat, während sonst Mann und

Frau einen Kreis verwalten. Hier ist der Mann zum Teil der alten Rechte und Vorrechte

bar. Bei ländlichen Verhältnissen gibt es diese Iwerteilung ebensowenig wie beim Hand­ werker und beim kleinen Kaufmann; bei beiden überschneiden sich die Lebenskreise von

Mann und Frau.

Mietskasernen, die ans der Straßenseite unschön sind

und auf der Hofseite das Unzulängliche aller Anlagen verraten

Auf ii. H iinrn' lrei« h

Aufn. Brusch

14

Gärten mit Blumen, Gemüse und Lauben

Werkskolonie. Stille Straßen ohne Fuhrwerke

V.ifn. Bro~< h

Arbeitet mobnung, tauber und gemütlich,

doch auch mit einem Zuviel an „Schmuck'

Äufn. Brosch

Arbeitenuobnung, auch in der Enge gemütlich

Arbeiterwohnung, Blick in die „gute Stube4

Aufn. Bro-rli

Aufn. Brosch

Letzten Endes wirkt diese Zweiteilung darauf hin, daß die Frau von ihrem Heim aus eine größere Selbständigkeit auch im gesellschaftlichen Gefüge des Lebens hat. Die Entwicklung

geht in der Richtung auf eine neue Art frauenrechtlicher Ordnung hin.

Ich spreche das mit allen Vorbehalten aus, will aber hinzufügen, daß es nicht nur schein­ bar, sondern in der Tat bei Industriemenschen wie bei vielen modernen Berufen, den Ansatz

zu einer solchen Entwicklung gibt. Es ist eine wesentliche Aufgabe der Gegenwartsvolks­

kunde, diese Veränderungen genau zu verfolgen, zumal sich in allen zivilisierten Ländern (besonders Nordamerika) Ähnliches ausbildet. Um so wirkungsvoller sind diese neuen Tatsachen, als beim Bauern der Hof und damit der Erbe, damit der Mann die Lebensachse vertritt. Alles das ist beim Jndustriehaushalt und bei der Ändustriefamilie aufgehoben. Da gibt es nicht mehr das Gesetz des Hofes, das

stärker ist als Wünsche und Neigungen des einzelnen. Vielmehr gewinnt der Kreis des von

der Frau bestimmten Heims so weit an Bedeutung, wie die Frau als Hausfrau und Mut­ ter ihre eigene Art darzustellen vermag.

Die Küche und die „gute Stube" Darum hängt von ihr in unseren Haushaltungen weit mehr ab als auf dem Lande. Denn

auch in der Inneneinrichtung der Wohnung bestimmt nicht das Herkommen, sondern die persönliche Art der dort herrschenden Frau. Urteile, die auf Augenschein beruhen und etwa

wissen wollen, daß der einst als Proletarier betrachtete Industriemensch keine Wohnkultur hat, sind stets auf den Fall zu beschränken; damit wird nur ein Urteil über die einzelne Frau gefällt. Denn es gibt hier Wohnungen, die Muster von Ordnung und Sauberkeit sind, und in denen bei aller Einfachheit ein im engen Kreis entfalteter guter Geschmack herrscht, wie

es natürlich auch das Entgegengesetzte gibt.

Teils hängt es an den gebotenen Wohnungen, mehr aber doch an der Neigung der Be­ wohner, daß die Küche der wichtigste Raum ist. Dort herrscht die Frau, dort versammeln sich alle Familienmitglieder. Mag auch eine „gute Stube" da sein, Bedeutung gewinnt sie

höchstens an den hohen Feiertagen. Sonst liegt sie sauber aufgeräumt und ungeheizt da. Eigentlich ist sie ein Zugeständnis mehr an eine Meinung, als an ein Bedürfnis. Die Küche sollte groß sein und außer für den Herd und den Küchenschrank Raum lasten für einen

großen Tisch und das Sofa, das, mit Wachstuch bezogen, eigentlich nie fehlt. Dort gibt es einen Ehrenplatz, auf den man den Besuch bittet; eine Ecke, in der entweder der Mann oder

die Frau zu sitzen pflegen. Manches, was die kleinbürgerliche gute Stube im Guten wie im Üblen auszeichnet, ist nun der Küche eigen. In erster Linie die Ausschmückung mit über­ flüssigen Deckchen und Stickereien. Auffallend sind dann noch die „bloß zur Zierde" da-

stehenden blitzblank geputzten Töpfe und Kessel. Wo man an sochen Zutaten nichts oder nur wenig und wenig Gepflegtes findet, darf man oft schließen, daß die Frau vom Lande 5

1937

66 gekommen ist, und solchen Schmuck entweder nicht kennt oder nicht anfertigen kann, wo sie also den Sinn, den „Schick" dafür nicht hat. Sauberkeit allein hilft da nicht. Elternhaus,

mütterliche Anleitung geben den Ausschlag. Mädchen, die vom Bauernhof weg geheiratet

haben, haben solche Dinge nicht gelernt; und wenn sie auS dem Osten stammen, sind sie wohl auch zu sehr auf reine Landarbeit eingestellt, als daß sie Sinn für das Heim hätten. DaS sind dann auch die Frauen, die sehr schnell mit ihrer Arbeit fertig sind und die Zeit mit unnützen Unterhaltungen auSfüllen. ES ist nicht selten vorgekommen, daß sich junge Frauen auS dem Osten hier nicht wohl gefühlt haben, weil sie, wie sie sagen, „hier nichts zu tun"

haben; solche Frauen sind gern in die Heimat zurückgekehrt. Bei ordentlichen Leuten hat auch die Wohnküche ihre Ordnung; und diese ist keineswegs

individuell, sie ist durchaus ein Gegenstück zu der festgefügten Einordnung und Unterbrin­

gung der tausend Dinge, wie sie der Bauernhof noch hat. Wo daS Porzellan steht, ist selbst­ verständlich, aber ebenso genau wissen die Kundigen, wo die wichtigsten Papiere aufbewahrt werden. DaS Kleingeld ist im Schrank in einer Tasse, die Lohntüten haben ihren festen

Platz, wie ja auch die Familien- und Soldatenbilder ebenso ihren Platz haben wie der Spie­ gel (neben dem Spülstein) und der Kalender.

Neben der Küche treten die anderen Räume an allgemeiner Bedeutung zurück. Nur unter besonderen Bedingungen hat die Küche ihre Rechte und Vorrechte an die gute Stube abge­

treten : bei Familien bürgerlicher Herkunft oder auch bei solchen auS dem Mitteldeutschen.

Wesentlich ist, daß Westfalen und Ostdeutsche in gleicher Weise die Küche als Wohnraum erster Ordnung behalten. Die Ausstattung der anderen Räume ist wie die Küche weitgehend

genormt. DaS gilt für die Auswahl der Möbel so gut wie für den Stil. Hier darf man vom Arbeiter oder seiner Frau nicht mehr verlangen, als man dem Kleinbürger zumutet. Der gute Geschmack ist hier, wie überall, wo die Tradition deS alten VolkStumS erloschen ist,

durchaus eine persönliche Angelegenheit. Die Möbel werden nach einem vom Kaufmann weitgehend bestimmten Geschmack ausgesucht, und die Bilder werden selten einer Kunst­

kritik standhalten. Um so bedenklicher ist dieS alles, als eS Möbel gibt, die in zahllosen

Serien hergestellt sind und nur Effekt und keine Qualität zeigen.

In diesen Dingen wird noch viel gesündigt, zumal der billige Kitsch schon von den rede­ gewandten Händlern mit angeboten wird. Dann kann man getrost zugeben, daß die leidigen „Elfenreigen", die „Früchtestilleben" daS Feld mit nicht weniger kisschigen religiösen Bil­

dern teilen müssen. Hier treffen wir auf minderwertige Wirkungen der modernen Zivili­ sation, die billig anbietet und den Geschmackanspruch herabsetzt. Wenn man bedenkt, bis

in welche Höhen der Bildung der Kitsch hinaufgestiegen ist, dann wird man ihm in der Arbeiterwohnung nicht gram sein.

Die Wohnung besteht auS drei oder vier Räumen, daS entspricht dem allgemeinen Bild am meisten. 1900 hatten von den 26000 Zechenwohnungen 36,4% drei und 50,4% vier

67

Räume. Und 1929 zählte ein großes Werk unter seinen Wohnungen 38/1% Drei- und 34/5% Vierzimmer-Wohnungen. Der wichtigste Raum ist die Küche, dann ist das zweite Zimmer ein Schlafzimmer, das „Kammer" heißt. Ob der dritte Raum die „gute Stube" ist, hängt von der Kopfzahl der Familie ab. Äst die Familie klein, ist es eine gute Stube, die

ihren Charakter aus dem Kleinbürgertum hat und nicht recht in den Lebensstil des Arbeiters paßt, der diesen Raum wenig benutzt. Die meiste Zeit werden dort Sachen abgestellt, die man nicht oft braucht, oder es ist z. B. vor den Festtagen der Kuchen. Äst die Familie größer,

dann ist auch der dritte Raum ein Schlafzimmer für die Kinder. Wichtiger als die anderen

Räume ist, daß die Wohnung Nebengelaffe hat. Der Arbeiter ist auch in seiner Freizeit ein rühriger und fleißiger Mann, der seine beruflich erworbenen Fähigkeiten auch gern für die

Wohnung verwendet. Das gilt in besonderem Maße für den Bergmann, der heute noch in etwa ein Universal-Handwerker ist und mit mancherlei Gerät und Werkzeug fertig werden kann.

Im ganzen darf gesagt werden, daß in den Wohnungen und Straßen eine Sauberkeit herrscht, die nicht in jeder bäuerlichen Landschaft anzutreffen ist; die Dinge zu pflegen mag unter dem Einfluß von Staub, Qualm und Bergschäden besonders entwickelt zu sein.

Stall, Garten und „Feld" Zu den notwendigen Nebenräumen gehört in allererster Linie der Stall, denn bis heute ist der Arbeiter noch Tierhalter und Tierfreund. Ob es die Brieftauben sind, die ihn an so

manchen seiner Sonntage viele Stunden beschäftigt halten, oder die nützlichen Kaninchen oder die Schweine: Stets muß er etwas Tiervolk um sich haben. Mag hierbei auch der

Nutzen der Tiere eine große Rolle spielen, so ist nicht weniger wichtig, daß man eine aus der alten Heimat und aus der Kindheit verttaute und selbstverständliche Beschäftigung mit

Tieren beibehalten möchte.

Und wie mit den Tieren, so ist es auch mit den Pflanzen. In den meisten Haushaltungen findet man vorzüglich gedeihende Topfpflanzen, darunter die Myrte, die möglichst von der

eigenen Hochzeit her weiter gezogen worden ist. Aber diese Arbeit genügt längst nicht, und

so gehört ein Garten als selbstverständliche Ergänzung zur Wohnung. Hat der Arbeiter nicht wie in allen Kolonien seinen Garten beim Hause, so ist er am Schrebergarten beteiligt. Dort hat er immer genug zu tun; und seitdem auch die Städte den Wert dieser Gärten er­ kannt haben und den Kleingarten fördern, ist rund um die Ändustrieorte der Bereich der

Gärten immer größer geworden. Auch beim Gartenfreund spielt der Nutzen des Gartens

eine ebensolche Rolle wie der Umstand, daß er dadurch wiederum an seine Kindheit und Heimat gemahnt wird. Für die Invaliden ist der Garten noch besonders heilsam, da er ihnen

nun doch noch etwas Arbeit und Pflichten gibt, so daß sie nicht ganz und gar untätig zu sein

brauchen. Das würden sie, die schwere und unentwegte Arbeit gewöhnt sind, nicht ertragen.

68 Haben sie oder ihre Kinder aber einen Garten, ist es leicht/ sich nützlich zu machen. Dort pflegt der alte Mann alles/ was noch wachsen muß: Die Kaninchen/ die Pflanzen und die — Enkelkinder. Es sind Bilder des Friedens aus einem genügsamen Leben. Gern teilt der Alte

diese friedlichen Stunden mit einem alten Arbeitskameraden/ der ihm Gesellschaft leistet. Stall und Garten sind zur Zeit noch wichtiger als die komfortablere Einrichtung der mehr städtischen Wohnungen. Es zeigt sich jedoch ein langsamer Wandel indem/ was der Arbeiter­ nachwuchs von seiner Behausung verlangt. Insbesondere teilen die jungen Frauen nicht mehr in allem die Anschauungen ihrer Mütter. Waren diese noch ganz darauf eingestellt/

sich um Garten und Stall zu kümmern, so möchten doch viele der jüngeren wenigstens doch auf die Tiere verzichten/ die ja viel Arbeit machen. Aber keinesfalls ist der Wert des Gar­ tens gesunken — eher das Gegenteil wäre festzustellen: Der Gartenbau blüht mit dem

Unterschied/ daß die jungen Frauen mehr Blumen anpflanzen/ als es ihre Mütter getan haben. In den Kolonien liegt der Garten unmittelbar hinter dem Hause; möglichst schließt sich

das „Land" gleich an, auf den: die Kartoffeln stehen. Dieses Interesse am Garten hat nicht nur zum Zusammenschluß im Kleingärtnerverein geführt/ deren es hunderte im Ruhr­ gebiet gibt; es bringt auch die Menschen einander näher. In der Wohnung mag man nur

Verwandte und Freunde haben/ aber um Stall und Garten schließt sich der weitere Kreis

menschlicher Beziehungen/ durch sie setzt sich in gleichsam geschrumpfter Form die länd­ liche Nachbarschaft mit ihrer Pflicbt zum Helfen fort. Unter den echten Arbeitern/ wie ich

sie hier schildere/ gibt es eine Pflicht/ bei Mißgeschick den Nachbarn zu helfen; man gibt ihm Jungtiere, wenn er in Not ist/ man unterstützt sich gegenseitig bei der Arbeit/ leiht sich

Werkzeug und arbeitet bei dem anderen selbstlos mit. Wer mehr hat/ von dem wird auch

mehr erwartet/ und es ist selbstverständlich/ daß sich alle helfen/ ohne zu rechnen. So gibt es draußen eine Nachbarschaft/ die man im Hause meist nicht will. Darum werden ja auch die großen Mietskasernen nicht geschätzt/ und darum bevorzugt man anderhalbstöckige Häuser/ bei denen jede Familie ihren eigenen Eingang/ ja ihr eigenes

Viertel oder ihre Hälfte hat. Man ist da gern für sich; weil man nicht gerne Treppen steigt,

also gar kein Städter ist, sind die Häuser so niedrig. Das ist doch das Gegenteil vom

Stadthaus! 1905 mußten z. B. 40% aller Breslauer zwei und mehr Treppen steigen, um

in ihre Wohnung zu gelangen; in der Stadt Essen, damals noch mehr Industrie- als Groß­ stadt, waren es dagegen nur 12%. Die Wohnhäuser

Die Menschen, die in den abgebildeten Kolonien wohnen und vordem hier gewohnt haben, sind ausnahmslos Bergleute, also Industriearbeiter, aber ihr Wohnwesen macht

nicht den Eindruck, den sich der des Landes und seiner Menschen Unkundige zu machen liebt.

69

Nichts Proletarisches ist zu finden, nichts Städtisches, erst recht keine Andeu­ tung von Großstadt! Wenn die Volkskunde trotzdem Jndustriemenschen und Groß­ städter als eine und dieselbe Art Menschen ansieht, so kann sie das nur tun, weil ihr die

Kenntnisse fehlen. Gewiß gibt es Züge von Zivilisation, die beiden eigen sind, die machen

aber nicht das Wesen des Arbeiters aus. Der Arbeiter ist kein Städter, geschweige ein Groß­

städter. Die kommende Volkskunde, die sich mit der Gegenwart des deutschen Volkes be­ faßt, wird dies wohl zu beachten haben. Denn auch in vielen anderen Erscheinungen,

die in den Forschungskreis der Volkskunde gehören, ist der Industriearbeiter kein Groß­

städter. Man mag mir nun entgegenhalten, es sei nicht beweisbar oder nicht bewiesen, daß der selber gebildete Stil des Wohnens den Menschen am meisten zusagt, und einwenden, es sei lediglich eine Konstruktion. Daß tatsächlich der in den Bildern gezeigte Typ den Neigun­

gen und Bedürfnissen des Arbeiters am meisten entspricht, können Zahlen zeigen. Unsere

Schilderung baut sich nicht nur auf eigene Anschauungen auf, sie ist in einem großen Kreis von Leuten, die die Dinge kennen, einzeln durchgesprochen worden, die Erfahrungen sind gesammelt; außerdem steht dafür das Zeugnis vieler Arbeiter, ebenso wie die Erfahrungen

der Bauleute in den Werken, der Wohnungsverwalter, die es am besten wissen müssen, welche Art des Wohnens am beliebtesten ist. Um noch ein übriges zu tun, haben wir bei einer Reihe von alten Kolonien die Dauer der Wohnzeit ermittelt. Dabei ergab sich ein

Zahlenbild, das wir selbst nicht erwartet hatten. Wie es vorkommt, daß die Menschen aus ihrer seit Jahrzehnten vertrauten Wohnheimat auch dann nicht heraus wollen, wenn die Häuser abgebrochen werden müssen, so gibt es ein Bestreben, die Wohnung in der Familie zu erhalten.

Wird der Vater Invalide, dann wird, sofern er einen Sohn bei demselben Werk hat, dieser die Wohnung übernehmen, so daß die Eltern nunmehr als Untermieter wohnen

bleiben können. i. Kolonie (erbaut um 1865). Weniger als

Mindestens

5 Jahre wohnten 13,5% der Familien

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Durchschnittlich 32,6 Jahre. 3. Kolonie (erbaut um 1870). Weniger als

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Durchschnittlich wohnte jede Familie 9,7 Jahre.

2. Mietskaserne. Weniger als

Mindestens

5 Jahre wohnten

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5 10

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Durchschnittlich wohnte jede Familie 946 Jahre.

Was lehren die Zahlen? Im Grunde besagen sie/ daß hier niemand auszieht/ sondern erst tot hinausgetragen wird. Wenn der Durchschnitt nahezu ein Menschenalter ausmacht, wie wird dann wohl das Bild im einzelnen sein?

Aber um die Jahrhundertwende ging's hier noch zu wie in einem Taubenschlag: In Gelsenkirchen zog danach im Jahr jede vierte Familie um! Anders gesagt: wahrscheinlich

hatte jede Familie ihre Wohnung nicht länger als vier Jahre.

Nun muß man auch noch bedenken, daß es auch in Kasernenstraßen Dauerwohnungen gibt: die Geschäftsleute, Schuster, Hausverwalter und Hebammen. Die anderen sind

durchweg Kurzwohner, die es nicht lange aushalten, aber aus ihrem Wohnbereich nicht gern hinausziehen, oder sie kommen bald wieder zurück. Das läßt Schlüsse auf die Men­ schen zu, die hier wohnen. Man möchte wohl wenigstens hier auf das Problem des Prole­

tariats Hinweisen, aber die Dinge sind verwickelter und bieten für die Volksforschung noch manche Frage.

Von den dargelegten Einzelfällen aus finden wir auch eine Antwort auf die Frage: Ist

der Induftriemensch Proletarier oder Großstädter? Sie lautet: der Mensch des Ruhr­

gebiets ist weder das eine noch das andere. Er ist eher ein dörflicher Mensch, auch wenn darunter ein Mensch mit einer bestimmten Weise des Verhaltens und des Wertens ver­ standen wird. Ein Bauer ist er natürlich nicht; andererseits bleibt noch unerklärt, in wel­

chem Maße der Bauer von heute dem Bilde entspricht, das die Schriftsteller aller Gattungen mit Einschluß vieler Volkskundler von ihm zeichnen. Der Bauer denkt heute zum Teil noch kapitalistisch, steht seinem ihm anvertrauten Naturwesen zweckbewußt gegenüber, wo

der Induftriemensch romantisch zu Tier und Pflanze eingestellt ist.

Es sind zweigeteilte Menschen, deren Leben aufgeteilt ist zwischen den Stunden diesseits und jenseits der Werksmauer. Auf der einen Seite: das Reich der Frau, das Heim,

die Welt nahe bei der Natur, den Kindern — auf der anderen Seite: die Welt der Maschinen, deren Leistung auf schwer zu verstehenden Naturgesetzen beruht. Nur der

Ingenieur-Typ beherrscht ihn geistig. Großstadt — Industrieland

Das Wohnwesen, das sich für den Arbeiter aufgebaut hat, ist der Beweis für seine Natur. Eine kleine, saubere, zweckmäßig eingerichtete Wohnung ohne den berüchtigten Komfort bildet die Urzelle; notwendig muß aber ein Garten hinzukommen, Tiere dürfen

72 nicht fehlen, und die Häuser sollen klein sein und keineswegs städtisch aussehen. Da ist

nichts von einer Großstadt zu bemerken. Ja, diese Riesenstädte im Ruhrgebiet — wie weit sind sie überhaupt Großstädte? — Wird nicht von den meisten spöttisch als von Dörfern gesprochen? Sind die Merkmale der

Großstadt nicht auf die Kerne der Städte Duisburg, Essen und Dortmund beschränkt? Und

hat nicht der in den Außenbezirken lebende Arbeiter eine Abneigung gegen diese Großstadt? Er geht auch heute noch „in die Stadt". Aller Eifer planender Oberbürgermeister hat bis

heute noch nicht vermocht, in ihren Mitbürgern den nötigen großstädtischen Geist lebendig zu machen. Die Fälle sind nicht vereinzelt, daß trotz der Zunahme äußerer Großstadt-Merk­ male der Geist der Bürger unverändert fremd, ja ablehnend diesem Ehrgeiz gegenübersteht.

Für die Volkskunde ersteht damit das schwierige Problem, wie denn nun die Breite und Stille des Arbeiterlebens zu dem aufgestockten, hastenden Großstadt-Betrieb steht und in welchem Zusammenwirken beide das Gebiet aufbauen. In der Beurteilung von draußen

wird aus naheliegenden Gründen das Stadthafte klarer erkannt; erst die volksnahe, boden­

verwurzelte Forschung — und nur eine solche — erfaßt das Unterschichtige, das eigentlich Volkhaste des Ruhrmenschen. Sie muß den Mut und die Bescheidenheit haben, vorläufig

noch mit Beobachtungen laienhafter Art anzufangen, bis schließlich eine wissenschaftliche

Behandlungsweise möglich ist.

Wie Stadtcharakter und Landcharakter im Ruhrgebiet sind, ist vom Flugzeug aus zu studieren! Dann schrumpfen endlich die so stolz als „City" bezeichneten Stadtkerne mit ihren Rathäusern und Banken, den großen Verwaltungsgebäuden, mit ihrer Organisation,

ihrem Handel und Verkehr zu dem zusammen, was sie sind: Inseln in einem immer größer

werbenden Meer von Kleinsiedlungen, die Gärten am Stadtrand wachsen, schneller als die

Hochhäuser. Und Grün beherrscht dicht neben den Zechen und Fabriken das Bild heute stärker als vor dem Kriege! Aus verständlichen Gründen ist von der werdenden Industrie-Großstadt an der Ruhr

gesprochen worden; Verkehr und Organisation treiben darauf zu, aber die Menschen lieben diese Riesenstadt nicht, sie wollen nach draußen, sie leben in ihrem Außenbezirk. Das End­

ergebnis, und wie ich glaube, das gerechte Bild führt auf ein Industrieland und nicht

auf eine Stadt hin. Echte Großstädte, die vom Handel aus dem Umlande bestimmt wer­ den, sind zentripetal, in ihnen strebt alles auf den Mittelpunkt hin, aber Industrie-Städte sind zentrifugal, sie bauen sich immer weiter in das Land hinaus. Beide Bewegungen gibt es im Ruhrgebiet, aber für den Menschen kennzeichnender ist das Streben in die Breite,

nicht in die Enge und Höhe. Wir stehen in der Geschichte dee Arbeiter-Wohuungsweseno em einem Wendepunkt. Bisher hat die Industrie geplant und gebaut: heute ist dafür eine besondere Organisation

geschaffen, aber die Zeit ist wieder da, wo der Arbeiter auch selbst sich Heim und Garten

73 schafft, so daß er unmittelbar an die Erde gebunden ist, so wie er es zu Beginn der Entwick­

lung ganz und seitdem zum Teil noch war. Damit ändert sich in den Grundformen und dem überlieferten Stil von Wohnung und Wohnen nicht viel. Denn die Erfahrungen von

Jahrzehnten werden verwertet und eine sorgfältige Überwachung durch einflußreiche Auf­

sichtseinrichtungen steuert die weitere Entwicklung.

Wie immer das künftige Wohnwesen im einzelnen sein wird, — im Grunde bleibt das Vorbild der schon alten Kolonien, die gesund sind und den Erwachsenen wie der Jugend einen guten Lebensbereich sichern. So lange frohe und gesunde Jugend darin aufwächft,

ist es gut und richtig. Ein Unglück wäre es, wenn die Menschen weiterhin auf Mietskasernen angewiesen blieben, die ihnen keinen Raum zum Leben lassen, so daß sie in ihren Muße­

stunden auf die Straße müssen. Koloniejugend aber kann sich auf geschützten baumbestan­ denen Wegen tummeln. Und solche Jugend ist die beste Gewähr für eine gute Zukunft —

auch des Ruhrgebietes selbst.

Der Vortrag wurde in der hier abgedruckten Fassung im Sommer 1937 gehalten. Seitdem sind die volkskundlichen Ermittlungen der Forschungsstelle so weit fort­ geschritten, daß manche Abschnitte hätten neu geschrieben werden müssen. Ich habe aber darauf verzichtet, dies zu tun, in erster Linie aus technischen Gründen, um die

Drucklegung nicht zu verzögern, schließlich aber auch, um das wiederzugeben, was auf der Tagung in Münster tatsächlich gesagt worden ist. Die Auswertung der neuen Ermittlungen muß daher den nächsten Veröffentlichungen der Forschungsstelle vor­

behalten bleiben.

W. B.

RAUMORDNUNG Ministerialdirektor Dr. Jarmer, von der Reichsstelle für Raumordnung, Berlin: Als ich gestern zu Ihrer Tagung fuhr, ttaf ich einen Bekannten, der mich erstaunt fragte,

was ich in Münster wolle; denn mit dem Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz habe die Reichsstelle für Raumordnung doch nicht das Geringste zu tun. Ich mußte ihm wider­ sprechen und erklären, daß Ihr Vorsitzender, Pg. Landeshauptmann Haake, bereits 1935

geschrieben habe, der Begriff Landesplanung sei ebenso umfassend wie der Begriff Heimat­

schutz und, wenn man auf dem Gebiete des Heimatschutzes tätig sei, müsse man notwendiger­

weise Dinge berühren, die zum Aufgabenkreis der Landesplanung gehörten. Bei beiden Aufgaben gehe es um das Ganze, um die Landschaft, also gehörten auch beide Arbeits­ gebiete eng zusammen. So schrieb damals Ihr Herr Vorsitzender, und er zeigte damit die

Zusammengehörigkeit der beiden Arbeitsgebiete Raumordnung und Heimatschutz richtig

auf. Der Leiter der Reichsstelle für Raumordnung, Reichsminister Kerrl, teilt diese Auf­ fassung, und ich freue mich, nicht nur heute Abend als sein Vertteter vor Ihnen sprechen

73 schafft, so daß er unmittelbar an die Erde gebunden ist, so wie er es zu Beginn der Entwick­

lung ganz und seitdem zum Teil noch war. Damit ändert sich in den Grundformen und dem überlieferten Stil von Wohnung und Wohnen nicht viel. Denn die Erfahrungen von

Jahrzehnten werden verwertet und eine sorgfältige Überwachung durch einflußreiche Auf­

sichtseinrichtungen steuert die weitere Entwicklung.

Wie immer das künftige Wohnwesen im einzelnen sein wird, — im Grunde bleibt das Vorbild der schon alten Kolonien, die gesund sind und den Erwachsenen wie der Jugend einen guten Lebensbereich sichern. So lange frohe und gesunde Jugend darin aufwächft,

ist es gut und richtig. Ein Unglück wäre es, wenn die Menschen weiterhin auf Mietskasernen angewiesen blieben, die ihnen keinen Raum zum Leben lassen, so daß sie in ihren Muße­

stunden auf die Straße müssen. Koloniejugend aber kann sich auf geschützten baumbestan­ denen Wegen tummeln. Und solche Jugend ist die beste Gewähr für eine gute Zukunft —

auch des Ruhrgebietes selbst.

Der Vortrag wurde in der hier abgedruckten Fassung im Sommer 1937 gehalten. Seitdem sind die volkskundlichen Ermittlungen der Forschungsstelle so weit fort­ geschritten, daß manche Abschnitte hätten neu geschrieben werden müssen. Ich habe aber darauf verzichtet, dies zu tun, in erster Linie aus technischen Gründen, um die

Drucklegung nicht zu verzögern, schließlich aber auch, um das wiederzugeben, was auf der Tagung in Münster tatsächlich gesagt worden ist. Die Auswertung der neuen Ermittlungen muß daher den nächsten Veröffentlichungen der Forschungsstelle vor­

behalten bleiben.

W. B.

RAUMORDNUNG Ministerialdirektor Dr. Jarmer, von der Reichsstelle für Raumordnung, Berlin: Als ich gestern zu Ihrer Tagung fuhr, ttaf ich einen Bekannten, der mich erstaunt fragte,

was ich in Münster wolle; denn mit dem Tag für Denkmalpflege und Heimatschutz habe die Reichsstelle für Raumordnung doch nicht das Geringste zu tun. Ich mußte ihm wider­ sprechen und erklären, daß Ihr Vorsitzender, Pg. Landeshauptmann Haake, bereits 1935

geschrieben habe, der Begriff Landesplanung sei ebenso umfassend wie der Begriff Heimat­

schutz und, wenn man auf dem Gebiete des Heimatschutzes tätig sei, müsse man notwendiger­

weise Dinge berühren, die zum Aufgabenkreis der Landesplanung gehörten. Bei beiden Aufgaben gehe es um das Ganze, um die Landschaft, also gehörten auch beide Arbeits­ gebiete eng zusammen. So schrieb damals Ihr Herr Vorsitzender, und er zeigte damit die

Zusammengehörigkeit der beiden Arbeitsgebiete Raumordnung und Heimatschutz richtig

auf. Der Leiter der Reichsstelle für Raumordnung, Reichsminister Kerrl, teilt diese Auf­ fassung, und ich freue mich, nicht nur heute Abend als sein Vertteter vor Ihnen sprechen

74 zu dürfen, sondern Ihnen gleichzeitig die Grüße und Wünsche des Herrn Reichsministers

Kerrl für Ihre Tagung zu überbringen. Wir von der Reichsstelle für Raumordnung wissen, daß Ihre Mitglieder die ersten Rufer

im Streit gewesen sind gegen den kulturellen Verfall, den wir alle noch miterlebt haben

und den wir noch heute mit seinen furchtbaren Folgen vor uns sehen, weil Bausünden sich

ja leider von Generation zu Generation forterben und nicht leicht entfernen lassen. Wir wissen, daß gerade Sie sich für eine artgemäße, dem deutschen Volke entsprechende Ausge­

staltung der Landschaft eingesetzt haben, und daß wir an ihrer Tradition unter gar keinen Umständen vorbeigehen dürfen, sondern an sie anknüpfen müssen, weil unsere Ziele die gleichen sind, wie die ihrigen. Unsere Ziele können wir vielleicht kurz zusammenfassen in dem einen Satz: „Deutschland

soll und muß eine Landschaft bleiben!" Sie werden mir sagen, daß dies doch eine Selbst­ verständlichkeit wäre, und was Deutschland wohl anderes sein sollte, als eine Landschaft.

Indes, dies Ziel ist gar nicht leicht zu erreichen; denn wenn Sie sich einmal überlegen, daß wir noch vor hundert Jahren nur wenige Städte gehabt haben, die über 50000 Einwohner

zählten, und wenn Sie daran denken, daß Städte wie Essen, Duisburg und andere vor 100 Jahren eine Einwohnerschaft zählten, die man verhundertfachen muß, um auf die heutige zu kommen, dann wird Ihnen ohne weiteres klar werden, daß wir tatsächlich von einer

allgemeinen Verstädterung Deutschlands sprechen können. Gerade wenn man den Versuch macht, die zusammengedrängten Gebiete aufzulockern, ist es klar, daß das städtische Gebiet immer größer werden muß, und Sie wissen alle, wie die Bestrebungen vieler Städte nicht nur in der Zeit vor 1933, sondern auch noch nachher dahin gingen, immer weitere Gebiete

in ihren Bereich einzubeziehen. Wenn wir von der Reichsstelle für Raumordnung solchen Bestrebungen widersprechen, so verkennen wir nicht, daß selbstverständlich jede Stadt ihren

Siedlungsraum braucht und heute einen wesentlich größeren als früher. Wir glauben aber, daß in dem Augenblick, wo jemand das Gesicht nach der Stadt zuwendet und dauernd in der Stadt lebt, er meist das Empfinden für Landleben und Landschaft verliert. Unsere Be­

strebungen gehen deshalb dahin, zwischen größeren Städten und Ortschaften Grüngürtel

zu schaffen und alle Bewohner in ländlichen Gegenden möglichst dort zu halten.

Indes, es kommt nicht nur darauf an, daß Deutschland überhaupt eine Landschaft bleibt, sondern auch darauf, was für eine Landschaft Deutschland ist; denn wir stehen als National­

sozialisten auf dem Standpunkt, daß zwar die Umwelt und der Boden auf die Entwicklung

eines Volkes und einer Rasse einen starken Einfluß ausüben, daß aber nicht etwa der Raum die Rasse, sondern die Rasse den Raum bestimmt, und daß es jeweils das Volk ist, das

seinen arteigenen, Stempel seinem Lebensraum aufdrückt. Wir wollen aus dem deutschen Daterlande eine nationalsozialistische Landschaft machen. Die Raumordnung hat also eine

durchaus politische Zielsetzung. Vor 1935 haben wir auch schon Landesplanungsverbände

gekannt, sie waren aber nur überbezirkliche Vereine zur Regelung von Fragen des Städte­ baues und des Verkehrs, ebenso wie etwa in England, Frankreich und anderen Staaten der­ artige Organisationen bestehen. Sie umfaßten nur Teilgebiete und nicht das ganze Reich. Da­

mals wollte man dort, wo sich besondere Schwierigkeiten auf städtebaulichem oder verkehrlichem Gebiet zeigten, in den Ballungsgebieten, Ordnung über das Gebiet der Städte hinaus Herstellen. Sie kennen wohl alle den Ruhrsiedlungsverband und seine segensreiche Tätigkeit,

die er hier in der Nachbarschaft ausgeübt hat. Sie kennen wahrscheinlich auch noch eine

Zahl weiterer Verbände, die schon vor 1935 auf dem Gebiet der Landesplanung tätig

waren. Die Aufgabe dieser Verbände bestand in der Hauptsache darin, in städtebaulicher

und verkehrlicher Hinsicht zu versuchen, bereits entstandene Schäden auszubessern. Als der Führer die Reichsstelle für Raumordnung einrichtete und eine einheitliche Reichs- und Lan­

desplanung im nationalsozialistischen Deutschland schuf, übertrug er dieser nicht nur eine

technische, sondern vor allem eine raumwirtschaftliche Aufgabe. Wir haben bei uns in Deutschland vor der nationalsozialistischen Revolution eine innere Wirtschaftspolitik im

allgemeinen nicht gekannt. Die einzigen Stellen, die sich um eine Stärkung der wirtschaft­

lichen Entwicklung einer bestimmten Gegend bemühten, waren die preußischen Provinzen, weil diese an öffentlichen Betrieben, Kleinbahnen usw. in starkem Maße beteiligt waren. Sie konnten deshalb eine räumliche Wirtschaftspolitik beginnen, während sonst in dieser Beziehung nichts geschah. Jetzt wird gerade durch die Reichsplanung versucht, die Wirt­ schaftskräfte jeden Gebietes zu wecken und ihrer besonderen Eigenart entsprechend einzu­ setzen. Das hat sich ganz zwangsläufig bei uns entwickelt. Warum konnte man im national­

sozialistischen Deutschland die Arbeitslosigkeit auf einmal beseitigen, und warum konnte

das der Weimarer Staat nicht schon vorher tun? Einfach deshalb, weil man im national­ sozialistischen Deutschland sofort daran ging, entsprechend der Eigenart der Gebiete die

Arbeitslosigkeit zu beseitigen, indem man die Kräfte der Landschaft in geeigneter Weise einsetzte. Das gleiche hat auch im Rahmen des Vierjahresplanes zu geschehen. Es ist dazu

notwendig, daß man einmal sich über die einzelnen Räume in ihrer Bedeutung für das Ganze klar wird, und daß diejenigen Kräfte gestärkt werden, die in der Lage sind, die wirt­ schaftliche Entwicklung des Gebietes möglichst zu steigern. Schon früher hat man die Be­

sonderheiten der einzelnen Gegenden in ihrer geschichtlichen Entwicklung verfolgt, ich er­

innere an das Werk „Der Raum Westfalen". Damals hat man sich aber in der Haupt­ sache darauf beschränkt, festzustellen, wie der Raum entstanden ist, und man hat weiter die Frage geprüft, welche Kräfte vorhanden sind und wie sie sich entwickeln. Man hat aber

nicht den Versuch gemacht, diese Kräfte auf ein bestimmtes Ziel anzusetzen. Das ist der

Unterschied von jetzt gegenüber früher. Wir verschaffen uns nicht nur in einer möglichst umfangreichen Landschastskunde über alle diejenigen Kräfte, die in einem Raum wirken,

Gewißheit, sondern wir versuchen darüber hinaus die Entwicklung so zu lenken, wie wir

76

sie für dieses Gebiet der politischen Zielsetzung entsprechend für richtig halten. Sie werden vielleicht denken, daß der Staat dann offenbar dazu übergehen wollte, durch gesetzgeberische

Maßnahmen z. B. jeden Standort für die Industrie vorzuschreiben. Davon kann im na­ tionalsozialistischen Reiche keine Rede sein, da der Nationalsozialismus die Planwirtschaft energisch ablehnt. Wir machen vielmehr den Versuch, die bestmögliche Nutzung des Bodens

herauszufinden und dann eine Lenkung der Kräfte so vorzunehmen, daß nunmehr eine dem­

entsprechende Nutzung auch erfolgt. Dies läßt sich im allgemeinen durch Gemeinschaftsar­ beit erreichen, wenn auch selbstverständlich dem Staat ein Mittel zur Verfügung stehen muß,

durch seinen Einspruch eine unerwünschte Entwicklung zu verhindern. Wenn einmal die Lenkung sich nicht durch überzeugende Beweisführung und durch Gemeinschaftsarbeit durchsetzen läßt, dann muß der Staat wenigstens seinen Einfluß dahin ausüben können,

daß die Entwicklung keine Wege geht, die der Staat nicht will. Auf diese Weise machen wir

den Versuch, in jedem Raume alle dort wirkenden Kräfte zur Entfaltung zu bringen. Sind uns nun aber die Möglichkeiten jeder Landschaft bekannt? Sie werden geneigt sein,

diese Frage zu bejahen. Sie wissen vielleicht aber auch, daß uns der Vierjahresplan eines Besseren belehrt hat. Gewiß haben wir schon früher die einzelnen Gebiete in Deutschland

erforscht, aber unter anderen Voraussetzungen. Es haben sich inzwischen die technischen Möglichkeiten verändert und verbessert. Wir müssen daran gehen, erneut das ganze Reich

danach zu untersuchen, welche Kräfte noch freigelegt werden können. Aber abgesehen davon müssen wir in einzelnen Gebieten überhaupt erst zu einer Bestandsaufnahme schreiten. Wir besitzerr teilweise von früher her ganz hervorragende Beschreibungen, die jedoch den jetzigen Anforderungen nicht immer genügen. Es ist deshalb erforderlich, daß nach neuen

Gesichtspunkten eine Neubearbeitung erfolgt, die alle notwendigen Belange berücksichtigt.

Dabei genügt es nicht zu sagen, so und so ist die Lage in diesem Raum, sondern man muß

darüber hinaus die Gestaltung der Räume für die Zukunft planen, wie wir uns eine orga­ nische Raumordnung für das Reich vorstellen. Wir können heute nicht bereits behaupten, daß jeder Teil des deutschen Vaterlandes in seinen wirtschaftlichen und sonstigen Kräften so ausgeschöpft ist, wie es notwendig wäre. Es gibt in Deutschland leider noch Gebiete der stärksten Ballungen, während auf der anderen Seite auch fast menschenleere Räume vor­

handen sind. Sie wissen, daß der ganze Osten unseres deutschen Vaterlandes eine Be­ völkerungsdichte von im Durchschnitt nur 50 Menschen auf den qm aufweist, während wir hier im Westen auf der selben Fläche 300 Menschen ernähren müssen. Dies ist nicht

zufällig so, vielmehr sind die Existenzmöglichkeiten im Osten teilweise so ungünstige, daß

deshalb dort nur so wenige Menschen auf der gleichen Fläche leben können. Die Erwerbs­

gelegenheiten gilt es