Suizid und Strafrecht [1 ed.] 9783428452101, 9783428052103


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Suizid und Strafrecht [1 ed.]
 9783428452101, 9783428052103

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Wilfried Rottke I Suizid und Strafrecht

Schriften zum Strafrecht Band 47

Suizid und Strafrecht

Von

Dr. Wilfried Bottke

DUNCKER & HUMBLOT I BERLIN

Alle Rechte vorbehalten

© 1982 Duncker & Humblot, Berlin 41

Gedruckt 1982 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 05210 2

Vorwort Diese Untersuchung hat im Sommersemester 1982 als Habilitationsschrift der Juristischen Fakultät der Universität München vorgelegen. Herzlich danken möchte ich meinem hochverehrten Doktor- und Habilitationsvater, Herrn Professor Dr. Roxin, für die Fürsorge und Anteilnahme, mit der er -allzeit meinen wissenschaftlichen Werdegang und das Entstehen dieser Monographie begleitete. Mein besonderer Dank gilt ferner Herrn Professor Dr. Broermann, der diese Arbeit in uneigennützigerweise Weise für sein Haus annahm. Ohne seine unentbehrliche Hilfe wäre eine Veröffentlichung nicht möglich gewesen. München, September 1982 WHfried Battke

Inhaltsverzeichnis

o

Einleitung ..............................................

25

01

Die subjektive Bedrängnis ..............................

26

02

Die objektive Bedrängnis ................................

27

03

Problemstellung

........................................

28

031.

Die Vagheit des Gesetzes. .. .. . . . . . . .. .. .. . .. . .. . ... .. ...

29

031.1 031.2

Art. 4 I GG ............................................. Art. 2 II und I GG ......................................

29 30

032.

Der rechtsfreie Raum ...................................

31

033.

Die drei möglichen Stellungnahmen .....................

31

1

Suizid, Suizidverhütung und Suizidbeteiligung de lege lata 32

11

Der selbstvemntwortlich ausgeführte Suizid .............

111. 112.

Die ältere Diskussion ...................................

33

Die neuere Diskussion .................................. Gewohnheitsrechtlicher Strafausschließungsgrund? ......

33 34

Der Suizid -

eine nur entschuldigte Straftat? ...........

34

Der Suizid - ein "straftatbestandsmäßiges" Verhalten? .. Der Suizid - ein straftatbestandsloses "rechtswidriges" Verhalten? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die mangelnde Aussagekraft des § 216 StGB ............ Die mangelnde Aussagekraft einer fehlenden Strafdrohung gegen die Teilnahme Dritter an einem Selbstmord Die beschränkte Aussagekraft der herrschenden Lehre zum Komplex "Suizidhinderung und § 240 StGB" ............. Die beschränkte Aussagekraft der polizeilichen Amtsrechte ..................................................

35

112.1 112,2 112.21 112.22 112.221. 112.222. 112.223. 112.224. 112.224.1 112.224.2 112.225. 112.225.1

Die Stringenz ........................................... Der Anwendungsbereich ................................

32

36 37 37 38 39 39 40

Selbsttötungsrecht und Weiterlebenspflicht .............. 41 "Rechtsfreier Raum" und Art. 2 I GG als Grundrecht auf Selbsttötung ............................................ 42

8 112.225.2 112.225.21 112.225.22

Inhaltsverzeichnis 44

Denkbare Widerstände und Repliken "Rechte anderer" ....................................... "Verfassungsmäßige Ordnung" ..........................

45 46

"Sittengesetz"

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

51

113.

Der Suizid - eine "entschuldigte" Tat? .................. Zwischenergebnis .......................................

52 55

12

Die Rechtsprechung .....................................

57

121. 121.1

Darstellung und Kritik ................................. Die vorsätzliche aktive Mitwirkung ......................

57 57

121.2 121.3

Die fahrlässige aktive Mitwirkung ...................... 59 Vorsätzliche Beteiligung eines Garanten am Suizid durch. Unterlassen .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 62

121.31 121.311

Schwankungen und Einschränkungen der Rechtsprechung 63 Garantenstellung ....................................... 63 Suizid-Tatherrschafts-Konstruktion ..................... 65

112.225.23 112.23

121.312. 121.313. 121.314. 121.315. 121.32 121.4

Täterwille .............................................. Unzumutbarkeit ........................................ "Entsprechens-Klausel" ................................. Strafbarkeit der aktiven Selbstmordbeteiligung eines Garanten? ................................................ Fahrlässige Beteiligung eines Garanten am Suizid durch Unterlassen .............................................

66 69 70 70 71

121.5

Die unterlassene Hilfeleistung ..........................

72

121.51 121.52 121.6 122.

Die Definitionsgeschichte ................................ Argumentenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Rechtfertigung der Suizidverhinderung .............. Zwischenergebnis und Hypothese

73 74 76 78

13 131. 131.1

Das Recht auf Suizidhinderung ..........................

81

Die Suizidhinderungsrechte "Privater" .................. Gewohnheitsrechtliches Eingriffrecht der Ärzte7 ......... Der passive Suizid ...................................... Der aktive Suizid .......................................

81 82 82 83

131.2

Mutmaßliche Einwilligung des Suizidenten in Rettungsakte? ...................................................

84

131.3

Rechtfertigender Notstand als Auffangeingriffsrecht ..... Sind Suizidsituationen "notstandsfähig?" ................

86 87

Argumente für die "Differenzthese" ..................... Argumente gegen die "Differenzthese" .................. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Falltypologie ...........................................

87 88 90 91

131.11 131.12

131.31 131.311. 131.312. 131.313. 131.32

Inhaltsverzeichnis

9

131.321.

Die vier möglichen Gesichtspunkte: Beachtlichkeit des Freitodwillens, Risikobelastung, Folgenschwere, Behandlungsveto ...............................................

91

131.321.1 131.321.2

"Freier" Suizidwille .................................... Objektiver Risikofaktor und Folgenschwere ............. Das "negative Verfügungsrecht" des Suizidenten......... Konkretisierung ........................................

91 93 94 95

131.321.3 131.322. 131.322.1

Die maßvoll gewaltsame risikolose Verhinderung eines rechtlich unbeachtlichen Suizidwunsches ohne Eingriff in die körperliche Integrität und ohne Dauerfolgen ......... 95

131.322.11

Die "Beachtlichkeit" des Suizidwunsches .................

95

131.322.111.

Der "überlagerte" Suizidwunsch .........................

97

131.322.112.

Der "krankhafte" Suizidwunsch .........................

97

131.322.113.

"Grenzfunktion der §§ 19, 20, 35 I StGB, 3 JGG auf der "Rechtfertigungsebene"? ................................ 100

131.322.114.

Mangelnde Ernstlichkeit und Unbeachtlichkeit des Suizidwunsches analog § 216 StGB? ........................... 102

131.322.114.1

Umdeuten der Ernstlichkeitslehre und Problemstellung .. 103

131.322.114.2

Einwände

104

131.322.115.

"Geschäftsfähigkeit"

131.322.12

Einige Kandidatengruppen .............................. 105

131.322.121.

Die maßvoll gewaltsame risikolose Hinderung rechtswidriger oder von schlechthin Suizidunmündigen eingeleiteter Suizide ohne unzumutbare Folgen und ohne Eingriff in die Körperintegrität .................................... 105

131.322.122.

Die maßvoll gewaltsame risikolose Hinderung der Suizide freitodunmündiger Jugendlicher ohne unzumutbare Folgen und ohne Eingriff in die Körperintegrität ........... 106

131.322.2

Die maßvoll gewaltsame Hinderung des Suizids Freitodmündiger ohne unzumutbare Folgen und ohne Eingriff in die körperliche Integrität ............................... 107

131.322.21

Freitodverhütung -

131.322.22

Stellungnahme

................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 105

stets Nötigung? .................... 107

....................................... " .108

131.322.221.

Die Reichweite der These, es gebe ein Selbsttötungsrecht 109

131.322.222.

Das Rechtswidrigkeitsurteil ............................. 109

131.322.223.

Die Auswege ........................................... 111

131.322.223.1

Das Krankheitsverständnis ............................. 111

131.322.223.2

Die "Zweifellösung"

131.322.223.3

Die "Irrtumsflucht" ..................................... 117

131.322.224.

Auf der Suche nach einem eigenen Lösungsvorschlag .... 120

.................................... 114

131.322.224.1

Argumente für die Anwendung des § 34 StGB ........... 120

131.322.224.2

Die Bindungsfähigkeit der Suizidfreiheit nach Art.2 I GG 122

131.322.224.3

Personenautonomie und § 34 StGB ...................... 123

10 131.322.3 131.322.31

Inhaltsverzeichnis Die folgenschwere gewaltsame Hinderung des Suizids Freitodmündiger ohne Eingriff in die Körperintegrität ... 129 Die Voraussehbarkeit der Folge als negatives objektives Rechtfertigungselement ................................. 129

131.322.32

Die "Schwere" der Folge als negatives objektives Rechtfertigungselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130

131.322.33

Die "Unzumutbarkeit" der Folge als negatives objektives Rechtfertigungselement ................................. 131 Die gewaltsame Hinderung des Suizids Freitodmündiger mit Eingriff in die Körperintegrität ..................... 133 Problemflucht? ......................................... 134

131.322.4 131.322.41 131.322.42 131.322.421. 131.322.422. 131.322.423.

Die Tatbestandsmäßigkeit von ärztlichen Maßnahmen, die körperliche Integrität berühren ......................... Die Rechtsprechung ..................................... Die Lehre .............................................. Analyse und Stellungnahme ...................... . .....

135 135 136 139

131.322.423.1

Methodologische Bemerkungen .......................... 140

131.322.423.2

"Mißhandelt" ........................................... 144

131.322.423.3

"An der Gesundheit beschädigt"

147

131.322.423.31 Endresultat oder Zwischenfolge?

148

131.322.423.32 Saldierung?

149

131.322.423.33 Die "lex artis" ............................. . ............ 152 131.322.423.34 Einschränkung und Folgerung .......................... 152 131.322.43

Das "Vetorecht eines Suizidenten ........................ 154

131.322.44

Die Rechtfertigung von Eingriffen in die körperliche Integrität gemäß 34 StGB .................................. 156

131.322.441.

Schwerwiegende Substanz- und Funktionseinbußen ..... 157

131.322.442.

Bloßes Hinauszögern des letalen Endes eines "erfolgreichen" Suizidversuches? ................................. 158

131.322.443.

Offene Punkte .......................................... 159

131.322.443.1

Erlaubt § 34 StGB überhaupt Eingriffe in die körperliche Integrität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160

131.322.443.2

Welche Eingriffe in die körperliche Integrität des Suizidenten erlaubt § 34 StGB? .............................. 161

131.322.443.21 Erstversuch, kein beachtliches Veto, geringfügiger risikoloser Eingriff in die körperliche Integrität ohne zu erwartende Negativfolgen .................................... 161 131.322.443.22 Erstversuch, kein beachtliches Veto, risikobelasteter Eingriff in die körperliche Integrität ohne zu erwartende Negativfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 162 131.322.443.23 Erstversuch, Veto, risikoloser Eingriff in die körperliche Integrität ohne zu erwartende Negativfclgen ............ 162 131.322.443.24 Grenzen ................................................ 163 131.4

Zwischenergebnis ....................................... 164

Inhaltsverzeichnis

11

132.

Die Suizidhinderungsrechte des Staates und seiner Organe 164

132.1

Staatliche Suizidverhinderungsrechte außerhalb besonderer Pfiichtverhältnisse .................................. 167

132.11

Polizeiliche bzw. sicherheitsbehördliche Suizidverhinderungsrechte ............................................. 171

132.111. 132.112.

Die herrschende Meinung ............................... 173 Stellungnahme .......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 175

132.112.1

Schutzgewahrsam als Standardmaßnahme ............... IBO

132.112.11 132.112.12

Art. 5 EuMRK und die Normen des Schutzgewahrsams .. IBO Restriktive Auslegung der Normen des Schutzgewahrsams IB5

132.112.2

Sonstige Maßnahmen ................................... IBB

132.12

Unterbringung .......................................... 190

132.121.

Skizze des geltenden Rechts ............................. 191

132.121.1

Polizeilicher Gewahrsam, verwaltungsbehördlicher Antrag und vorläufige verwaltungsbehördliche Verwahrung sowie gerichtliche Unterbringung .............................. 192

132.121.2

Zeitraum, Vollzug und Ort der Unterbringung ........... 195

132.121.3

Die materiellen Voraussetzungen der Unterbringung eines Suizidgefährdeten ...................................... 197

132.121.31

Der Krankheitsbegriff .................................. 197

132.121.32

Die krankheitsbedingte, gegenwärtige, erhebliche und nicht anders als durch Unterbringung abwendbare Selbsttötungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 199

132.121.4

Folgen der Unterbringung .............................. 200

132.122.

Zwischenergebnis ....................................... 200

132.2

Staatliche Suizidverhinderungsrechte innerhalb besonderer Pflichtenverhältnisse ................................ 201

123.21

Strafvollzug und Suizidverhinderung .................... 202

132.211.

"Schlichte" Suizidverhinderungen ....................... 204

132.212.

Besondere Sicherungsmaßnahmen ....................... 206

132.213.

Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiete der Gesundheitsfürsorge ................................................... 209

132.213.1

Passiver Suizid und Zwangsbehandlung ................. 210

132.213.2

Aktiver Suizid und Zwangsbehandlung, insbesondere Zwangsernährung ...................................... 215

132.22

Untersuchungshaft und Suizidverhinderung ............. 219

132.221.

Die Grundsätze ......................................... 220

132.222.

Die Verhinderungsgründe des § 119 111 StPO ............ 220

123.222.1

Der "Zweck der Haft" .................................. 221

132.222.2

Die "Ordnung in der Anstalt" ........................... 224

132.223.

Schlichte Suizidverhinderungen ......................... 226

132.224.

Besondere Sicherungsmaßnahmen ....................... 227

12

Inhaltsverzeichnis

132.225.

Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge ................................................... 228

132.225.1

Passiver Suizid und Zwangsbehandlung ................. 230 Aktiver Suizid und Zwangsbehandlung, insbesondere Zwangsernährung ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 232 Zwischenergebnis ....................................... 233

132.225.2 132.23

141. 141.1

Die aktive Suizidbeteiligung ............................ 235 Abschied vom Teilnahmeargument? ..................... 236 Die vorgetragenen Gründe .............................. 236

141.2 141.3

Das Lösungsdefizit ...................................... 237 Analyse ................................................ 237

141.31

Mittäterschaft trotz fehlender gemeinsamer Tat? ........ 237

141.32

Mittelbare Täterschaft wegen mittelbarer Verursachung bei tatbestandslos Handelnden? ......................... 239 Spannungen zur Fahrlässigkeits- und Unterlassungs strafbarkeit? ................................................ 242

14

141.33 141.34 141.35

Die Einwilligungsfolge .................................. 243 Stellungnahme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 243

142.

Die Reichweite des Teilnahmearguments, oder: Die aktive Suizidteilnahme von Garanten .......................... Der Streitstand ......................................... Analyse ................................................ Stellungnahme

142.1 142.2 142.3

243 244 244 246

143.

Die Abgrenzung der vorsätzlichen Freitodteilnahme von der vorsätzlichen täterschaftlichen Fremdtötung ......... 247

143.1

Der Meinungsstand ..................................... 247

143.2

Lösungsansatz .......................................... 248

143.3

Lösungsthese ........................................... 250

143.31

Absage an eine analog angewandte Einwilligungs- oder! und Verlangenslehre .................................... 251

143.32

Konkretisierungen ...................................... 256

143.321.

Veranlaßte oder beförderte Suizide von Freitodunmündigen - §§ 3 JGG, 19, 20 StGB analog .................... 256

143.322.

Ernötigte Suizide von Freitodmündigen - § 35 I StGB analog .................................................. 257

143.323.

Ernötigt-ertäuschte Suizide von Freitodmündigen, die unvereinbar irrtümlich eine Notstandslage annehmen - § 35 II S. 1 StGB analog ..................................... 257

143.324.

Ernötigt-ertäuschte Suizide von Freitodmündigen, die vermeidbar irrtümlich eine Notstandslage annehmen ........ 258

143.324.1

Ein Seitenblick auf die allgemeine Täter-Teilnahmelehre 259

143.324.11

Die Absage Roxins an das Verantwortungsprinzip und die Irrtumsherrschaft 3. Stufe ............................... 259

Inhaltsverzeichnis 143.324.12 143.324.2

13

Die Verteidigung und Modifizierung des Verantwortungsprinzips durch Herzberg ................................. 261 Vergleich und Stellungnahme ........................... 263

143.325.

Ertäuschte Suizide von Freitodmündigen ................ 265

144.

Versuchsbeginn bei vorsätzlicher aktiver Suizidbeteiligung 267

144.1 144.2

Die Positionen ... ...................................... 267 Lösungsansatz, Kritik und Stellungnahme ............... 268

145. 146.

Die fahrlässige aktive Suizidbeteiligung ................. 269 Zwischenergebnis ....................................... 270

15 151.

Die passive Suizidbeteiligung ........................... ....................................... " Die GarantensteIlung ................................... Lebens- und Hausgemeinschaft? ........................ Ingerenz? Fälle möglicher Ingerenz und deren Bedeutung .......... Ingerenz durch aktive Freitodteilnahme bei Sinneswandel? .................................................... Die Ingerenzthese ...................................... Die Absage Esers ....................................... Stellungnahme ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Rechtlich anerkannte Personenverhältnisse mit Schutzpflichten ................................................ Die Garantenpflicht ..................................... Die Gleichwertigkeit .................................... Zwischenergebnis und Ergänzungen ..................... Strafbarkeit nach §§ 13, 216 StGB? ...................... Die drei Kreise ......................................... Strafbarkeit wegen versuchter Tötung durch Unterlassen Die Extrempositionen ................................... Die herrschende Lehre .................................. Stellungnahme Die unterlassene Hilfeleistung .......................... Die unterschiedlichen Positionen in Rechtsprechung und Literatur ................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. Diskussion und Stellungnahme .......................... Passiver Suizid und § 323 c StGB ........................ Aktiver Suizid und § 323 c StGB ......................... Die grammatische Auslegung ............................ Die Bedeutungsweite von "Unglücksfall" ................ "Unglücksfall", "Hilfeleisten" und unbeendete Freitodversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

151.1 151.11 151.12 151.121. 151.122. 151.122.1 151.122.2 151.122.3 151.13 151.2 151.3 151.4 151.41 151.42 151.43 151.431. 151.432. 151.433. 152. 152.1 152.2 152.21 152.22 152.221. 152.221.1 152.221.2

Tötungsdelikte

272 272 273 273 275 276 277 277 277 278 280 281 282 283 284 285 286 286 287 288 292 293 296 296 298 299 299 300

14 152.222. 152.223. 152.224. 152.224.1 152.224.2

Inhaltsverzeichnis Die historische Auslegung ............................... 301 Die systematische Auslegung ............................ 304 Die teleologische Auslegung ............................. 305 Die mitmenschliche Solidarität strafschutzfähiges Schutzgut? .................................................... 305 Die öffentliche Sicherheit - Schutzgut des § 323 c StGB? 307

152.224.3

Die bedrohten Individualrechtsgüter streitentscheidend? .................................................. 307

152.224.31

Objektive Erforderlichkeit der Gefahrenabwehr und Irrtum .................................................... 308 Inhalt des Hilfsgebots .................................. 310

152.224.32 152.225. 152.225.1 152.225.2 152.225.21

Weitere Topoi und "Lösung" ............................ 311 Das Vetorecht eines lebensgefährlich verletzten Suizidenten in erhebliche Eingriffe in die körperliche Integrität .. 311 Die Straflosigkeit der aktiven Freitodteilnahme als axiologisches Argument ..................................... 312 Kein tatbestandsmäßiges Unterlassen durch tatbestandsfernes Begehen ......................................... 313

152.225.22

Kein strafbares Nichteinschreiten nach straffreier Risikoerhöhung ............................................... 313

152.225.23

Kein strafbares Nichteinschreiten ohne Risikoerhöhung durch vorausgegangenes aktives Tun .................... 314

152.225.24

Strafbewehrte Rettungspflicht bei ertäuschten oder ernötigten Freitoden? ..................................... 314

153.

Zwischenergebnis ....................................... 315

2

strafrechtliche Suizidprophylaxe de lege ferenda ......... 317

21

Eigenständige Strafnorm gegen die aktive Freitodteilnahme? .................................................... 318

211. 212. 213.

Rechtsvergleichender Blick .............................. 318 Vermeintliche Strafbarkeitslücken ....................... 319 Gegebene Strafbarkeitslücken .......................... 320

213.1 213.2 213.3

Recht und Pflicht des Gesetzgebers zur Lückenfüllung ... 321 Kriterien einer denkbaren Regelung .................... 322 Stellungnahme .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 323

22

Eigenständige Strafnorm gegen die passive Freitodbeteiligung von Garanten? .................................... 325

221.

Kriminalpolitische Entbehrlichkeit und KosteniNutzenRelation ................................................ 326

222.

Dogmatische Gegengründe .............................. 326

23

Erweiterung der unterlassenen Hilfeleistung auf die Fälle einer freitodversuchbedingten Leibes- und Lebensgefahr? 328

Inhal tsverzeichnis 3

statt eines Schlußwortes: ein Ausblick

Literaturverzeichnis Namenverzeichnis

15 330

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 334 . " . . ............................................... 369

Sachverzeichnis ....................................................... 377 Vorschriften-Verzeichnis

.............................................. 386

Entscheidungsregister ................................... . ............. 391

Ahkürzungsverzeichnis a.A. abI. AbI. abw. a.E. AE AEPolG AE StGB (AT) AE StGB BT I a.F. AG allg. Alt. a.M. Anm.

AnpG AÖR Art. ARSP ASOG Aufl. ausschI. AusfG AT Bay BayLStVG

BayObLG BayPAG

anderer Ansicht ablehnend Amtsblatt abweichend am Ende Alternativentwurf Alternativentwurf einheitlicher Polizeigesetze des Bundes und der Länder Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., 1969 Alternativentwurf eines Strafgesetzbuches. Straftaten gegen die Person, Erster Halbband, 1970 alte Fassung Amtsgericht allgemein Alternative anderer Meinung Anmerkung Anpassungsgesetz Archiv für öffentliches Recht Artikel Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz Auflage ausschließlich Ausführungsgesetz Allgemeiner Teil Bayern; bayerische (r, s) (Bayerisches) Gesetz über das Landesstrafrecht und das Verordnungsrecht auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung i. d. F. der Bekanntmachung vom 7.1l. 1974 (GVBI. S. 753, ber. S. 814) Bayerisches Oberstes Landgericht Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei vom 24.8.1978 (GVBl. S. 561, Polizeiaufgabengesetz)

Abkürzungsverzeichnis BayUntG BayVBl BayVerfGH BayVerfGHE Bd. Begr. Berl BerlASOG

BerlUntG BGB BGBl.I BGH BGHSt.

BGHZ BK BJM BRat BReg Brem BremPolG

BremPsychKG BS BT BTD BVerfG BVerfGE BVerwG 2 Bottke

17

(Bayerisches) Gesetz über die Unterbringung psychisch Kranker und deren Betreuung (Unterbringungsgesetz UnterbrG) vom 20.4. 1982 (GVBl. S. 202) Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes Band Begründung Berlin; berlinische (r, s) Allgemeines Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz - ASOG) vom 11.2. 1975 (GVBl. 1975, S. 688 = SaBl. 1975, 688) Berliner Gesetz über die Unterbringung von Geisteskranken und Süchtigen (Unterbringungsgesetz - UntG - vom 5.6. 1958, GVBl. S. 521, Sb II 3212 - 4) Bürgerliches Gesetzbuch vom 18.8. 1896, Schönfelder Nr. 20 Bundesgesetzblatt Teil I Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite. Entscheidungen des Großen Senats für Strafsachen sind durch den Zusatz ,,-GS-" gekennzeichnet) Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (zitiert nach Band und Seite) Bonner Kommentar, Kommentar zum Banner Grundgesetz, Loseblatt 1950 ff., seit 1964 in neuer Bearbeitung Bundesjustizministerium; Bundesminister der Justiz Bundesrat Bundesregierung Bremen; bremische (r, s) Bremisches Polizei gesetz vom 5.7.1960 (SaBremR 205 a - 1) geändert durch Gesetz zur Anpassung des Landesrechts an das 1. StrRG vom 24.3. 1970 (GBl. S. 37) und das Gesetz zur Bereinigung von Straf- und Bußgeldvorschriften des Landes Bremen vom 8.9.1970, GBl. S. 94 Bremisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (PsychKG) vom 9.4. 1979 (GBl. S.123) Bereinigte Sammlung Besonderer Teil; Bundestag Drucksache des Bundestages Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, zitiert nach Band und Seite Bundesverwaltungsgericht

18 BVerwGE BW BWPolG

BWUntG BwVollzO

DABI ders. d.h. Diss. DJ DJZ DÖV DR DRiZ DRZ DStZ DtschMedWschr DVBI E

EG EGStGB E StGB 1925 E StGB 1927 E StGB 1930 einschl. entspr. EuGH EuGRZ EuKMR

Abkürzungsverzeichnis Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg; Baden-württembergische (r, s) (Baden-Württembergisches) Polizeigesetz in der Fassung des Gesetzes vom 16.1. 1968 (GVBl. S. 61), des Gesetzes zur Ablösung des Polizeistrafrechts vom 2.7.1974 (GVBl. S. 209), Art. 2, und des Gesetzes zur Anpassung des Landesrechts an das 2. StrRG und das EGStGB vom 26.11. 1974 (GVBl. S. 508), Art. 11 (Baden-Württembergisches) Gesetz über die Unterbringung von Geisteskranken und Süchtigen vom 5. 6. 1958 (GVBl. S.521) Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafe, Strafarrest, Jugendarrest und Disziplinararrest durch Behörden der Bundeswehr Bundeswehrvollzugsordnung (BwVollzO) - vom 29. November 1972 (BGBL I S. 2205). (BGBL III 452 - 3), geändert durch Gesetz vom 16. März 1976 (BGBL I S. 581) Deutsches Ärzteblatt derselbe das heißt Dissertation Deutsche Justiz Deutsche Juristenzeitung Die öffentliche Verwaltung Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtszeitschrift Deutsche Strafrechtszeitung Deutsche Medizinische Wochenschrift Deutsches Verwaltungsblatt Entwurf; Entscheidung Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch vom 2. 3. 1974 (BGBL I S.469) Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuches nebst Begründung, 1. Teil: Entwurf. 2. Teil: Begründung, 1925 Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs nebst Begründung vom 19.5.1927, RTD III/3390 Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs 1930 (Entwurf Kahl) RTD V /395, 6. 12. 1930 einschließlich entsprechend Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte (Zeitschrift) Europäische Kommission für Menschenrechte

Abkürzungsverzeichnis EuMRK f.

FamRZ ff. FEVG

FGG

Fn. GA GABl. GBl. Geschr. gern. GG ggf. GMBl. GS GVBl, GVOBI

H Hans HdWbKrim Hess HessFEentG

HessSOG

HESt h.L. h.M. HPsychKG

19

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. 11. 1950 (BGBl. 1952 II S. 685) folgende (r, s); für Ehe und Familie im privaten und öffentlichen Recht (Zeitschrift) fortfolgende Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen vom 29.6. 1956 (BGBl. I S.599), letztes ÄndG vom 16. 3. 1976 (BGBl. I S. 581) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit i. d. F. vom 20. 5.1898, letztes ÄndG vom 11. 12. 1978 (Schönfelder Nr. 112) Fußnote Goltdammer's Archiv für Strafrecht Gemeinsames Amtsblatt Gesetzesblatt Gedächtnisschrift gemäß Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. 5. 1949 (BGBl. S. 1) gegebenenfalls Gemeinsames Ministerialblatt Der Gerichtssaal; Gesetzessammlung; Großer Senat Gesetzes- und Verordnungsblatt Hamburg; hamburgische (r, s) Hanseatische (r, s) Handwörterbuch der Kriminologie und der anderen strafrechtlichen Wissenschaften Bd. 1- III, 2. Aufl., 1966 ff. Hessen; hessische (r, s) (Hessisches) Gesetz über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen vom 19.5.1952 (GVB. S. 111), geändert durch Gesetze vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 801), vom 15.5. 1958 (GVBl. I S. 60), vom 26.5. 1962 (GVBl. I S. 273), vom 15.7.1970 (GVBl. I 411 - GVBl. II 352 - 1) und vom 5.3. 1981 (GVBl. I S.46) (Hessisches) Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 17.12.1964 (GVBl. S. 209) in der Fassung vom 26. 1. 1972 (GVBl. I S. 23), geändert durch Gesetz vom 24. 5. 1973 (GVBl. S. 160), Gesetz vom 4.9. 1974 (GVBl. S. 361), Gesetz vom 20. 12. 1979 (GVBl. I S. 12) Höchstrichterliche Entscheidungen in Strafsachen herrschende Lehre herrschende Meinung Hamburgisches Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten vom 22.9. 1977 (GVBl. S. 261)

20 HRR Hrsg. hrsgg. HSOG

Ld. F. L d. R. L e. S. IKV

int., Int. L S. v. L ü. LV.m. Lw. S.

J. JA JAVollzO

Jb JB! JGG JR Jura JuS JV JW JZ

Kap KG KK KMR krit Lb LG

Abkürzungsverzeichnis Höchstrichterliche Rechtsprechung (zitiert nach Jahr und Nummer) Herausgeber herausgegeben (Hamburgisches) Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG) vom 14.3. 1966 (Hamb GVBl. S.77 = SaBl 1696, S. 754), L d. F. vom 1. 1. 1975 (GVBl. 1974 I S.183) in der Fassung in der Regel im engeren Sinne Internationale Kriminalistische Vereinigung international (e, er, es) im Sinne von im übrigen in Verbindung mit im weiteren Sinne Jahr Juristische Arbeitsblätter Jugendarrestvollzugsordnung vom 12.8.1966 (BGBl. I S. 505), geändert durch Verordnung vom 29. 11. 1972 (BGBl. I S. 2205) und vom 18.8. 1976 (BGBl. I S. 2349) (BGBl. III 451 - 1 - 1), Neufassung vom 30.11. 1976 (BGBl. I S. 3270) in der ab 1. 1. 1977 geltenden Fassung Jahrbuch Juristische Blätter (Österreich); Justizblatt Jugendgerichtsgesetz L d. F. vom 11. 12. 1974 (BGBl. I s. 3427) Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Justizverwaltung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kapitel Kammergericht Karlsruher Kommentar zur Strafprozeßordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz. Hrsgg. von Pfeiffer, 1982 Müller / Sax / Paulus, Kommentar zur Strafprozeßordnung, LosebI., 7. Aufl., ab 1980 kritisch Lehrbuch Landgericht

Abkürzungsverzeichnis LK

LM Losebl. LuthMo LR LVG LVwG LZ Mat. MDR MEPolG Med MedKlin MedWelt MMW MRK MSchrKrim MSchrKrimBiol m.N. m.w.N. Nds NdsPsychKG NdsRpfl NdsSOG

NervA n.F. NJW Nr NStZ NW

21

Strafgesetzbuch (Leipziger Kommentar). 10. Aufl., hrsgg. von Jescheck, Ruß und Willms (ab 1978); 9. Aufl., hrsgg. von Baldus und Willms (1970 - 1974). Zitiert mit Angabe des Verfassers nach §§ und Randzahlen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs von Lindenmaier-Möhring Loseblattsammlung Lutherische Monatshefte Löwe-Rosenberg. Die Strafprozeßordnung und das Gerichtsverfassungsgesetz mit Nebengesetzen, Großkommentar (23. Aufl., 1975 - 1978) Landesverwaltungsgericht Landesverwal tungsgesetz Leipziger Zeitschrift Materialien zur Strafrechtsreform, 15 Bände (Bonn 1954 bis 1962) Monatsschrift für Deutsches Recht Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder Medizinisch (e, er, es) Medizinische Klinik Medizinische Welt Münchener Medizinische Wochenschrift Menschenrechtskonvention Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform mit Nachweisen mit weiteren Nachweisen Niedersachsen; niedersächsische (r, s); Niederschriften Niedersächsisches Gesetz über Hilfen für psychisch Kranke und Schutzmaßnahmen (NdsPsychKG) vom 30. 5. 1978 (NdsGVBl. Nr. 32, 2.6. 1978, S. 443) Niedersächsische Rechtspflege Gesetz über öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 21. 3. 1951 (GVBl. S. 79), geändert durch Gesetz vom 9.2. 1973 (GVBl. S. 104), Art. III Abs. 1, durch Gesetz vom 11. 2.1974 (GVBl. S. 57), Art. IV, durch Gesetz vom 2. 12. 1974 (GVBI. S. 535), Art. 14 und durch Gesetz vom 5.12.1977 (GVBl. S.627) Der Nervenarzt neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Nordrhein-Westfalen; nordrheinwestfälische (r, s)

22 NWPolG NWPsychKG

ObLG

o

OJZ OStGB OGH OGHSt OLG OLGSt OVG OWiG PolG Pr Prot. PrStGB PVG Rdnr. RegE RG RGBl I RGSt. RhP RhPPVG RhPUntG

RPfl. Rspr. RStGB RTD

s. S. SA Saarl

Abkürzungsverzeichnis (Nordrheinwestfälisches) Polizeigesetz vom 25. 3. 1980 (GVBl. S. 521) (Nordrheinwestfälisches) Gesetz über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten (NWPsychKG) vom 2. 12. 1969 (GVBl. 1969, S. 872 - SaB. 1970, S. 51), geändert durch das 2. AnpG NW vom 3. 12. 1974 (GVBl. S. 1504), Art. XVII Oberstes Landesgericht Osterreich; österreichische (r, s) Osterreichische Juristenzeitung Osterreichisches Strafgesetzbuch Oberster Gerichtshof für die britische Zone Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone in Strafsachen Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht Oberverwal tungsgerich t Gesetz über Ordnungswidrigkeiten Polizeigesetz Preußen; preußische (r, s) Protokolle Preußisches Strafgesetzbuch Polizeiverwaltungsgesetz Randnummer Regierungsen twurf Reichsgericht Reichsgesetzblatt Teil I Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Rheinland-Pfalz; rheinlandpfälzische (r, s) Polizeiverwaltungsgesetz (von Rheinland-Pfalz) in der Fassung vom 1. 8. 1981 (GVBl. S. 180, berichtigt S. 232) (Rheinlandpfälzisches) Landesgesetz über die Unterbringung von Geisteskranken und Suchtkranken (Unterbringungsgesetz - Rhl.-Pf. UntGes -) vom 19.2. 1959 (GVBl. S. 91 - ber. S. 114 -, BS 2012 - 2 -) Der Rechtspfleger Rechtsprechung Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches Reichstagsdrucksache siehe Seite Sonderausschuß des Bundestages für die Strafrechtsreform Saarland; saarländische (r, s)

Abkürzungsverzeichnis SaarlUntG

SaBI SchlH SchlHA SchlHLVwG

SchlHPsychKG Schönfelder SchwStGB SchwZStr SJZ SK

sog SOG StÄG StGB StPÄG StPO

str. StrRG StVG StVO StVollzG

u.a. U-Haft UN UNPakt

23

Gesetz Nr. 886 über die Unterbringung von psychisch Kranken und Süchtigen (Unterbringungsgesetz) vom 10. 12. 1969 (ABI. 1970, S. 22) (für das Saarland) Sammelblatt für Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder Schleswig-Holstein; schleswig-holsteinische (r, s) Schleswig-Holsteinische Anzeigen Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land SchleswigHolstein (Landesverwaltungsgesetz, LVwG) vom 18.4.1967 (GVOBI. S. 131 = SaBI., S. 767), geändert durch das Gesetz vom 9. 12. 1974 (GVOBl. S. 453, Art. 12) (Schleswig-Holsteinisches) Gesetz für psychisch Kranke (PsychKG) vom 26.3. 1979 (GVOBl. S. 251) Deutsche Gesetze, Loseblattsammlung, zitiert nach Gliederungsnummern Schweizerisches Strafgesetzbuch Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Süddeutsche Juristenzeitung Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch, Band 1 Allgemeiner Teil (3. Aufl., 1982), Band 2 Besonderer Teil (ab 1976 ff. Loseblatt-Ausgabe). Zitiert mit Angabe der Verfasser nach §§ und Randzahlen sogenannt (e, er, es) Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung; Gesetz über öffentliche Sicherheit und Ordnung Strafrechtsänderungsgesetz Strafgesetzbuch i. d. F. vom 2. 1. 1975 (BGBL I S. 1) Gesetz zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 19. 12. 1964 (BGBL I S. 1067) Strafprozeßordnung in der Fassung vom 7.1.1975 (BGBL I S. 129, ber. S. 650), Neubekanntmachung der RStPO vom 1. 2. 1877 (RGBL S. 253) streitig oder strittig Gesetz zur Reform des Strafrechts Straßenverkehrsgesetz vom 18. 12. 1952 (BGBL I S.837) Straßenverkehrsordnung vom 16.11.1970 (BGBL I S.1565; 1971 I S.38) Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung - Strafvollzugs gesetz vom 16.3. 1976 (BGBL I S. 581, ber. S. 2088), geändert durch Gesetz vom 18.8. (BGBL I S. 2181) unter anderem; und andere Untersuchungshaft United Nations (Vereinte Nationen) Internationaler Pakt über staatsbürgerliche und politische Rechte von 1966 (BGBL 1973 II S. 1533), 1976 in Kraft getreten

24

u.Ö. u.U. UVollzO

v VEl VerfGH VerwArch VerwBl VG VGH vgl. VO Vorb. VRS WStG ZAKDR z.B. ZBlJugR ZEE ZfStrVO ZPO ZRP ZStW zust. zw. z.Z.

Abkürzungsverzeichnis und öfters unter Umständen Untersuchungshaftvollziehungsordnung (Vereinbarungen der Landesjustizverwaltungen) i. d. F. vom 1. 12. 1970 vom Verwaltungs blätter Verfassungsgerichtshof Verwal tungsarchiv Verwaltungsblätter Verwaltungs gericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche Verordnung Vorbemerkung Verkehrsrechtssammlung Wehrstrafgesetz Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht zum Beispiel Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für Evangelische Ethik Zeitschrift für Strafvollzug Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend zweifelhaft zur Zeit

o Einleitung 1. Mag es auch "noch andere vagere Gebiete wie die Nebel der Ju-

risprudenz"l geben, die Probleme, die im Umkreis von Suizid und Suizidversuch siedeln, gehören zu Dunkelzonen, deren opake Schleier gerade ihr klärende Einblicke erschweren. Denn anders als eine rein empirisch arbeitende Disziplin kann sie sich nicht damit begnügen, das "heikle Thema"! Selbstmord und Selbstmordversuch aus einer wertneutralen Position rein empirisch-analytisch anzugehen3 und das Rätsel, ob und unter welchen Kautelen es "gut oder schlecht"" will ihr zunächst sagen: vom Gesetz erlaubt, unerlaubt oder unverboten, sei, die "Flucht in das Nichts"5 anzutreten, als "wissenschaftlich unlösbar" abzuwehren6 • Ihr ist die Aufgabe gestellt, möglichst wohlbegrundet zu sagen, ob jeder Sterbenswillige "Hand an sich legen"7 darf8 , es uns gestattet ist, andere zur Selbsttötung zu (ver)leiten D, wir befugtt O oder 1 2

Nabokov (1977), S. 83. Kühnert, SZ (1976), 10./14.4.

8 Empirisch-analytisch arbeiten insbes. soziologische und psychologische Untersuchungen zur Selbstmordproblematik. Die erste umfassende soziologische Arbeit über den Selbstmord stammt von EmiZe Durkheim (1897). Vgl. ferner Bäcker, MedWelt (1971), S. 566 ff.; ders., (1973); ders., (1974); Braun

(1971); Dublin (1963); Gares (1981); Holderegger (1979); Welz (1979). 4 Braun (1971), S. 9. Vgl. aber auch Wittgenstein, Tagebücher (1969), 8.7.16 sowie 10.1.17, S. 185: "Oder ist nicht auch der Selbstmord an sich weder gut

noch böse?". 5 Baden, LuthMo (1976), S. 613 ff. S So dezidiert Braun (1971), S. 9. 7 J. Amery (1976) sowie in: Merkur (1976 a), S. 638 ff. 8 Aus juristischer Sicht bejahend z. B.: Arthur Kaufmann, vgl. Tagungsbericht von Jürgen Meyer, ZStW 83 (1971), S. 251 ff.; Michael Marx (1972), S. 62, 82; Kahlhaas, NJW (1973), S. 548 ff.; Wellmann, JR (1979), S. 182 ff. Verneinend: RoeZZecke (1976), S. 336 ff., insbes. 340, 345 ff.; Klinkenberg, JR (1978), S. 441 ff. Vgl. dazu allg. Auer (1976), S. 250 ff.; J. Fletcher (1976), S. 233 ff.; J. MöZZering (1976), S. 376 ff.; Kutner (1976), S. 360 ff.; vgl. ferner Geilen (1975), S. 16 ff.; J. Wagner (1975), S. 84 ff. m. w. Nw.; WaZZace (1976), S. 207 ff. Für das US-amerikanische Recht: MäZZering (1976), S. 347 ff., 355. 9 Dies folgt angeblich einen freien und eigenverantwortlich vollzogenen Suizidentschluß unterstellt - aus der These, Art. 2 11 GG verbürge über das Recht auf Leben auch das Recht, über das eigene Leben zu verfügen. Vgl. dazu neben den in Anm. 8 genannten insbes. Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 211 Rdnr. 12. Zur Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Freitodteilnahme vgl. unten Rdnr. 404.

o Einleitung

26

gar verpflichtet sind, andere vom Freitod abzuhalten und welches Sanktionsrisiko wir laufen, wenn wir Suizidanten nicht vor dem Versuch bewahren, sich selbst zu vernichtenl l , oder gar an fremden Suiziden mitwirken 12 .

01 Die subjektive Bedrängnis 2. Dieses Fragenbündel "objektiv"-emotionslos zu beantworten, ist

kaum möglich. 3. Schon der "natürliche" Tod 13 geht uns dermaßen an und "berührt

... uns so tief, daß, wer bei der Frage, was es damit auf sich habe, indifferent bleibt, jegliches Gefühl eingebüßt haben muß"14 - gleichgültig, ob man den Tod als Nichts sieht oder gläubig als Zustand nie erlebten und neuen Seins erhofft: Wir sind trotz aller "Grenzerfahrungen"15 "dem einen wie dem anderen gänzlich fremd" 16.

4. Erst recht stellen sich Widerstände ein, wenn es gilt, ein hochkomplexes Verhalten möglichst vorurteilskritisch zu bewerten, das der Suizident nicht selten unfreP7 und zielunsicher18 beginntt 9 , mitunter 10 Nach verbreiteter Ansicht kann die rechtswidrige Suizidhinderung als rechtswidrige Nötigung (§ 240 StGB) erfaßt werden; vgl. z. B. Klinkenberg, JR (1978), S. 442 Fn. 19; Klinkenberg, JR (1979), S. 183; Schmidhäuser (1974), S. 816 ff.; Reyersbach (1935), S. 9 ff.; Winhold (1930), S. 9 ff. Vgl. dazu Dreher, MDR (1952), S. 711 ff.; van Els (1961); Geilen, JZ (1973), S. 320 ff.; Geilen, JZ (1974), S. 145 ff.; Gallas, JZ (1952), S. 371 ff.; Gallas, JZ (1960), S. 649 ff., 686 ff.; Heinitz, JR (1954), S. 403. Bei restriktiver, kriminalpolitischer Auslegung des § 240 StGB i. S. eines Exzeßverbotes muß aber die rechtswidrige Freitodrettung nicht stets als Nötigung bestraft werden. Vgl. unten Rdnr. 147 ff. 11 Schweiger, NJW (1955), S. 816 ff.; Kauczor, NJW (1962), S. 479 ff.; Klinkenberg, JR (1978), S. 441 ff.; Kohlhaas, JR (1973 a), S. 53 ff.; Kreuzer (1965); Bringewat, ZStW (1975), S. 623 ff.; van Els, NJW (1972), S. 1476 ff.; Friebe, GA (1959), S. 163 ff.; Heinitz, JR (1954), S. 403 ff.; Geilen, JZ (1974), S. 145 ff.; Hamer (1936), S. 8 ff. t! Meister, GA (1953), S. 166 ff.; Roxin (1977), S. 331 ff.; Schilling, JZ (1979), S. 159 ff.; Schmidhäuser (1974), S. 801 ff.; Schmitt (1972), S. 113 ff.; Schwalm (1969), S. 548 ff.; Spendel, JuS (1974), S. 749 ff.; O. Weber (1913), S. 5 ff.; Welp, JR (1972), S. 427 ff.; Wieners (1958). Weitere Nachw. Anm. 1171 ff. 13 In Abgrenzung vom Suizid gemeint: der biologische Alterstod und der pathologische vorzeitige Tod. Zur Terminologie vgl. Auer (1976), S. 250; Eibach (1973), S. 33 ff. 14 Pascal, Pensees, Fragm. 194, zitiert nach Latz (1978), S. 73. 15 Vgl. die Beiträge in Paus (1978). 18 Rozelaar (1978), S. 85. 17 Am Vorhandensein eines frei "gefaßten Suizidentschlußes" darf häufig gezweifelt werden; vgl. Ringel (1969), S. 51 ff., 60; Stengel (1969 a), S. 9 ff., 45. Gegen die Annahme, die Mehrzahl aller Selbstmörder handle "unfrei", z. B. Engisch (1976), S. 314.

02 Die objektive Bedrängnis

27

einer als "krankhaft"20 gekennzeichneten psychischen Befindlichkeit, dem "präsuizidalen Syndrom"21, folgt 22 und allemal eines anklagt: das Versagen einer Umwelt, deren Mitglieder (vielleicht gerade deshalb) den Selbstmord anderer als wertwidriges Geschehnis tabuisieren 23 und zugleich für sich als "Option" eines letzten Auswegs in tiefer Verzweiflung offenhalten24 .

02 Die objektive Bedrängnis 5. überdies ist auch die Jurisprudenz in das ewige Rätsel gestellt, "ob das Leben sich lohne oder nicht"25. Denn wenn und soweit sie "Selbstmordprophylaxe"26 erlaubt oder gar sanktionsbewehrt gebietet, 18

über die bei Suizidversuchen verfolgten Ziele: Vgl. Kopp (1960); Feuer-

lein, Wege zum Menschen (1974), S. 182 ff.

19 Selbstmorde werden häufig nicht unternommen, um sich selbst zu vernichten, sondern um an die Umwelt zu appellieren: Vgl. Ringel (1974 a); Feuerlein, NervA (1971), S. 127 ff.; ders., Wege zum Menschen (1974), S. 182 ff. Vgl. aber auch Gares (1981), insbes. S. 231 ff. 20 Wenn man dem Zeugnis von Psychiatern und Tiefenpsychologen trauen darf, lehrt "die praktische Erfahrung ... , daß der Selbstmord in der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle in einer seelisch krankhaften Verfassung begangen wird" (Ringel [1978 a], S. 244). Vgl. ferner: ders. (1953); Few(1976), S. 95 ff.). Zu Recht weist Simson ([19761. S. 20) aber auf die Tatsache hin, "daß die Spannweite der Selbstmordquoten in Europa ... von Irland mit 1,8 (auf 100 000 Einwohner) bis Ungarn mit 36,1 reicht"; dies "schließt - auch bei Berücksichtigung der statistischen Fehlerquellen - aus, die quantitativ entscheidende Ursache der Suizide nur in psychischer Erkrankung oder Abnormität zu suchen." Denn: "Die in Frage kommenden Krankheiten weisen in den einzelnen Ländern Europas keineswegs so auffällige zahlenmäßige Verschiedenheiten wie die Selbstmordraten auf." 21 Die dem Selbstmord meist vorausgehende Befindlichkeit wird im Anschluß an Ringel meist als "präsuizidales Syndrom" bezeichnet. Vgl. dazu Ringel (1978 a), S. 245 ff.; ders., Wege zum Menschen, (1974), S. 206 ff. 22 Als entscheidende Elemente des "präsuizidalen" Syndroms gelten die Einengung der persönlichen Möglichkeiten, der Gefühls- und Wertwelt und der zwischenmenschlichen Beziehungen, eine gehemmte und gegen die eigene PeJ;son gerichtete Aggression sowie Selbstmord fantasien: die Vorstellung, tot zu sein, die Vorstellung, Hand an sich zu legen, sowie die Vorstellung einer bestimniten Methode zur Durchführung des Selbstmordes. Als besonders selbstmordgefährdet gelten: alte vereinsamte Menschen, unheilbar chronisch Kranke, Süchtige, Verfolgte, Kriminelle, Menschen in besonderen Krisensituationen, Angehörige von Selbstmördern, Menschen, die einen Selbstmord versuchten oder angekündigt haben.

Weis (1976), S. 180; Hillman (1966), S. XIII. Klinkenberg, JR (1979), S. 184. Todeswünsche und Selbstmordgedanken sind allen Menschen vertraut, vgl. Ringel / Sonneck (1976), S. 77 m. Nw. 23

24

25 "Es gibt nur ein wirklich ernstes philosophisches Problem, den Selbstmord. Die Entscheidung, ob das Leben sich lohne oder nicht, beantwortet die Grundfrage der Philosophie. Alles andere ... kommt erst später. Das sind Spielereien; zunächst heißt es Antwort geben" (Camus [1942], zitiert nach

Hillman [19661. S. 2).

28

o Einleitung

setzt sie nolens volens "dasjenige als selbstverständlich voraus, worauf es gerade ankommt"!7: dem Suizidanten sagen zu können, "wozu er gerettet wurde"28. Wenn ihm niemand diese Frage zufriedenstellend beantwortet, steht zu befürchten, daß alle Suizidtherapie den Lebensmüden nicht aus dem "dunklen Tal der Ohnmacht"29 holen wird, an dessen Ende sein "cry for help"30 ungehört verhallt31 .

03 Problemstellung 6. Allerdings steht es dem Juristen schlecht an, über human- oder geisteswissenschaftliche 32 , insbesondere philosophische33 , ethische3' oder theologische S5 Aspekte 36 der Selbstvernichtung zu munkeln, für deren fachkundige Erörterung37 er nicht vorgebildet ist. Ihn interessiert am Freitod vorwiegend das, "was ,de lege lata' (d. h. vom gesetzten 28 Zur Selbstmordprophylaxe vgl. Fox (1975); Kielholz / Pöldinger (1969), S. 219 ff.; Pass (1965); Ringel, DVBl. (1972), S. 1411 ff.; Ringel (1969), insbes. S. 127 ff.; Ringel/ Pöldinger (1969), S. 105 ff.; Seiden (1975); Thomas (1964); WHO (1968); Weis (1976), S. 181 ff. 27 Hiller (1908), S. 16. 28 Vgl. Thomas (1977); Wedler (1979); Haensell / Seusing, LuthMo (1978), S. 132 ff.; ]örns, Evangelische Theologie (1975), S. 46 ff. H Riess, LuthMo (1977), S. 15 ff. ao Die Tatsache, daß Menschen, die bereits einen Selbstmordversuch unternahmen, besonders suizidgefährdet sind (vgl. Henseler, Herder-Korrespondenz [1973], S. 566 ff.; Wedler [1979]), belegt die Verlegenheit, in der sich die

Selbstmordverhütung insoweit befindet. 31 Zur "Sinnfrage" vgl. in diesem Zusammenhang Ringel (1978); Thielicke (1980); ]örns, Evangelische Theologie (1975), S. 46 ff.; ]örns (1979). 32 Grundlegend dazu insgesamt die Habilitationsschrift von Holderegger (1979), (1982). Vgl. auch Baechler (1981), S. 15 ff.; Ringel (1953), (1961), (1978). aa Häussling (1976), S. 61 ff.; ]örns, Wege zum Menschen (1974), S. 220 ff.; Schopenhauer (1977), S. 409 ff.; Shapiro (1976), S. 52 ff. U Vgl. dazu: Amelunxen (1962); Auer (1976), S. 250 ff.; Bringewat (1976 c), S. 408 ff.; Szekely, Arzt und Christ (1977), S. 35 ff. I, Vgl. dazu: Auer (1976), S. 250 ff.; Häring (1976), S. 261 ff.; Holderegger (1982); Lotz (1978), S. 73 ff .

.. Die Gesamtliteratur zur Selbstmordproblematik ist unüberschaubar. Vgl. neben den Angaben in dem dieser Arbeit beigefügten Literaturverzeichnis die Bibliographien des National Institute 0/ Mental Health (1969), die 3469 Titel für die Jahre 1897 -1969 zählt. Vgl. ferner die Bibliographie von Kühnholz / Nase, Wege zum Menschen (1974), S. 238 ff. S7 Natürlich ist deren fachkundige Diskussion unerläßlich. Denn so "wenig es möglich ist, den Selbstmord auf einen einzigen Faktor zurückzuführen, "so wenig genügt es, ihn von einer bestimmten begrenzten Warte aus darzustellen. Man wird hier auf die Zusammenarbeit der verschiedensten Forschungsrichtungen, etwa der medizinischen, der psychologischen, der philosophischen, der ethischen, soziologischen, statistischen und religiösen angewiesen bleiben, um nur die wichtigsten zu nennen" (Ringel [1978 al, S. 244).

03 Problemstellung

29

Recht her) und ,de lege ferenda' Cd. h. unter dem Gesichtspunkt der Reform) zu sagen ist"38.

031. Die Vagheit des Gesetzes 7. Freilich darf man die Voraussage wagen, daß den Juristen schon bald eigene und kollektive Vorurteile, Tabus und rechtsferne Topoi einholen werden: Aus dem Gesetz "ablesen" läßt sich das, was er "von Berufs wegen" mitzuteilen hat, nicht. Wohl sind dem deutschen Gesetzgeber Ziffern von über 14000 Suiziden und etwa zehnmal soviel Selbstmordversuchen per annum in der Bundesrepublik Deutschland bekannt 39 . Rechtsvorschriften, die den Suizid, die Mitwirkung anderer oder seine sozialen Folgen schon ihrem Wortlaut nach näher regelten, existieren jedoch kaum40 • Insbesondere gibt es keine Norm des geschriebenen Verfassungs rechts, die Suizidwilligen unzweideutig die Befugnis gewährte oder bestritte, von eigener Hand vorzeitig zu sterben. 031.1 Art. 4 I GG

8. Praktisch geringe Bedeutung hat Art. 4 I GG. Wohl gewährleistet er neben der Freiheit des Glaubens, des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, auch die Freiheit des Gewissens. Richtig ist ferner, daß das Grundgesetz diese Garantie jedem Bürger verheißt, dem religiös und weltanschaulich Gebundenen wie dem weltanschaulich oder religiös Indifferenten41 • Und schließlich mag z. B. auch noch der "Opfertod" von Märtyrern als "Gewissensentscheidung" verstehbar sein. In den allermeisten Suizidfällen ist der Freitod aber nicht als Ausfluß einer an den "Kategorien ,Gut' und ,Böse' orientierten Entscheidung anzusehen" 42, sondern als Abschluß einer suizidalen Ent38

Engisch (1976), S. 313.

Süddeutsche Zeitung NI'. 231 vom 6. Oktober 1980, S. 7 (dpa). Andere Quellen nennen 12000 Suizide pro Jahr (vgl. zum ganzen Möllho!f [1976], S. 194). Nach Erhebung der World Health Organization soll der Suizid an vierter bzw. neunter Stelle unter den Todesursachen stehen. Läßt man Unsicherheiten des Dunkelfeldes beiseite, sterben in der Bundesrepublik Deutschland "ungefähr 14 bis 19 mal mehr Menschen von eigener Hand als von fremder" (Weis [1976], S. 180). Die Angaben über das Verhältnis zwischen versuchten und vollendeten Selbstmordhandlungen schwanken von mindestens doppelt bis zu achtmal (Thomas [1964], S. 6; Farberow / Sheidman [Hrsg.] [1961], S. 4) über zu zehn- oder fünfzehnmal (Dörner, Einleitung zu Dürkheim [1973], S. XXIII; Stengel [1969], S. 76) bis hin zu zehn- oder drei ßigfach (Möllhoff [1976], S. 194 ff.). Vgl. zur Problematik der Einschätzung von Suizidalität Pöldinger (1968). 40 Von den §§ 1922 ff. BGB sei dabei abgesehen. Aus sozial- und versicherungsmedizinischer Sicht: Vgl. Möllhoff (1976), S. 194 ff. 41 Vgl. zum Ganzen Wagner (1975), S. 86 ff. u BVerfGE 12, S. 55. 3t

30

o Einleitung

wicklung, die von affektiver Einengung, Wertverlust und Autoaggression22 gekennzeichnet ist. Sieht man von extremen Ausnahmesituationen ab, kann Art. 4 I GG nicht als "Grundrecht auf Selbsttötung" bedeutsam werden. 031.2 Art. 2 11 und I GG

9. Eine wesentlich größere Rolle wird in unseren weiteren überlegungen Art. 2 GG spielen, ohne daß wir uns insoweit mit leichter Hand deduzierte Aussagen erhoffen dürfen. Zwar spricht Art. 2 11 S. 1 GG nur vom "Recht auf Leben". Zugleich schweigt er sich aber beredtsybillinisch sowohl über eine "Pflicht zum Leben"43 als auch über die "Macht, über das eigene Leben" zu verfügen,44 aus. Art. 2 I GG scheint als "Auffanggrundrecht"45 diese Möglichkeit mit der "allgemeinen Handlungsfreiheit"46 zwar eher ein- als auszuschließen47 ; zugleich beschritte er dann aber den Weg eines "relativierenden Kompromisses zwischen Tabuisierung des (Suizides) und Respektierung des Selbstbestimmungs rechtes" 48, wenn er der faktisch unbestreitbaren Selbsttötungsfreiheit die "Rechte anderer"49, die "verfassungsmäßige Ordnung"50 und das "Sittengesetz"51 gegenüberstellt. Zudem hebt die Selbsttötung gerade die Möglichkeit zur freien Entfaltung der Persönlichkeit auf, die Art. 2 I schützen soll. Derart virtuos verschlüsselt, fluten Schutzbereich und Schranken des Art. 2 I GG weich und ungewiß.

43 Für eine solche Pflicht: Klinkenberg, JR (1978), S. 441 ff.; Schmidhäuser (1974), S. 819; Schmidhäuser, AT (1982), 8/51; Schmidhäuser, BT (1980), 2/7. Dagegen unter Hinweis auf Art. 2 11 S. 1 GG Roxin (1977), S. 338. 44 Zu Art. 2 11 S. 1 vgl. Eser (1976 b), S. 394; Roellecke (1976), S. 337 ff.; Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 211 Rdnr. 12 m.w. Nw. Für ein "Verfügungsrecht über Leben" aber Hamann / Lenz (1970), Art. 2 11 Erläuterung B 8; Wagner (1975), S. 89 ff. 45 Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I Rdnr. 6. 46 BVerfGE 6, S. 32 ff. 47 Vgl. Erbel (1971), S. 324; Kühne, NJW (1975), S. 675; Wagner (1975), S. 84 ff. insbes. 90 ff.; Möllering (1976), S. 347 ff. einer- Roellecke (1976), S. 336 ff. anderseits. Der denkbare Einwand, daß Möllering zum "right of

privacy" nach US-amerikanischem Verfassungsrecht Stellung nimmt und von dorther ein Recht zur Selbsttötung bejaht, wird durch die Replik konterkariert, daß Roellecke nur Art. 211, S. 1 GG analysiert, nicht jedoch Art. 2 I GG. Gegen den Selbstmord als freie "Entfaltung der Persönlichkeit" ferner: Götz (1975), S. 48; Jaeger (1966), S. 128. 48 Vgl. Eser (1976 b), S. 394. Eser spricht von "Tabuisierung des Lebens-

schutzes". 41 Vgl. Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I Rdnr. 13 ff. 50 Vgl. dazu Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I Rdnr. 17 ff. Aus der Rechtsprechung grundlegend: BVerfGE 6, S. 32 ff. 51 Vgl. dazu Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I Rdnr. 16; Maunz (1980), § 15 III 2.

03 Problemstellung

31

032. Der rechtsfreie Raum 10. Solche "Geltungsunsicherheit" läßt an einen "rechtsfreien Raum"52 denken, innerhalb dessen der Freitod weder rechtmäßig noch rechtswidrig, sondern "unverboten" sei, weil sich die (Verfassung 53 als Grundgesetz einer freiheitlichen) Rechtsordnung "schon wegen der ethischen Umstrittenheit"54 des Suizids jedes Urteils enthalte und jedem einzelnen die eigenverantwortliche Entscheidung55 lasse ilo .

033. Die drei möglichen Stellungnahmen 11. Um das Gemeinte zuzuspitzen: Die unterschiedlichen Interpretationen des geltenden Verfassungs rechts belassen der Gesetzgebung und ihrer Interpretation prima vista drei mögliche Haltungen: "Entweder erkennt sie dem einzelnen das Recht zu, sich das Leben zu nehmen, oder sie verbietet ihm ein solches Verhalten, oder endlich sie enthält sich jeglicher Normierung in Bezug auf den Selbsttötungsakt"57. Diese Entscheidungsweite erklärt, warum sich die Strafrechtsdogmatik bei der Debatte der "schwierigen Rechtsprobleme"58, die um den Suizid siedeln, auch "über die ethischen und kriminal politischen Prämissen unterhält"58a, um auf der Grundlage dieser Prämissen "systematische Entscheidungshilfen zu entwickeln" 58a, die "durch Generalisierung gegen gefühlsmäßig kurzschlüssige Einzelfallargumentationen schützen"58a. 52 Vgl. dazu statt aller: Engisch, ZStW (1952), S. 385 ff.; H. J. Hirsch (1979), S. 89 ff.; Arthur Kaufmann (1972), S. 327 ff. m. zahlr. w. Nachw. Vgl. auch Anm.130. 53 Vgl. H. J. Hirsch (1979), S. 93, der darauf aufmerksam macht, daß es neben einem mit "der elementaren Freiheitssphäre des einzelnen" gleichzusetzenden rechtsfreien Raum auch Bereiche gebe, deren Normierungsschranken sich ,,- ... bei uns - aus der Verfassung oder aus den bei der Gültigkeit von Gesetzen zu beachtenden elementaren Standards" ergeben (S. 93). 54 H. J. Hirsch (1979), S. 91. 55 Arthur Kaufmann (1972), S. 341 mit 338; vgl. H. J. Hirsch (1979), S. 91. 58 Für die Annahme eines rechts freien Raumes im Bereich der Selbsttötung besonders deutlich GaZlas (1968), S. 180 ff. Fn. 43. Ihm zufolge ist die Kategorie des rechts freien Raumes "unentbehrlich zur Kennzeichnung einer Handlungsfreiheit, die (wie die Freiheit, sich selbst zu töten,) nicht zugleich Ausübung einer Berechtigung ist, d. h. sich nicht auf die Gewährung eines subjektiven Rechts oder auf Erteilung einer rechtlichen Befugnis oder Erlaubnis berufen kann". Ablehnend insbes. Schmidhäuser, AT (1982), 8/51: "Die übliche formal-normtheoretische Sicht, daß dem Einzelnen die Selbsttötung nicht ,verboten' sei ... , ist in sich selbst mannigfach widersprüchlich und entspricht nicht der geistigen Situation der gegenwärtigen Gesellschaft" . 57 Gallas (1968), S. 176 ff. 58 Roxin (1978), S. 96. 58a Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 77 Rdnr. 196.

1 Suizid, Suizidverhülung und Suizidbeleiligung de lege lala 12. Den Ausgangspunkt für die strafrechtliche Bewertung des Selbstmordes und für das Verhalten opferfremder Personen bilden de lege lata die §§ 211 ff. StGB59, die die vorsätzliche Tötung eines Menschen unter Strafe stellen, die §§ 25 ff. StGB, die die Beteiligung an Straftagen regeln, § 323 c StGB, der die "unterlassene Hilfeleistung" pönalisiert, sowie die §§ 211 ff. i. V. m. § 13 StGB, die nach herrschender Meinung 60 mit Strafe bedrohen, wer die Suizidtat eines anderen nicht abwendet, obwohl er für diesen in besonderer Weise obhutspflichtig ist.

11 Der selbst verantwortlich ausgeführte Suizid Rechtsprechung und Lehre sind sich einig, daß "der Selbstmord als solcher ... einschließlich des Versuchs straflos"11 ist. 13. Obzwar der Selbstmord ein "enorm suggestibles Phänomen"62 ist, das nach der "Lebenslogik" Ab-Hilfe verlangt, werden Nichtjuristen diesem Konsens Beifall zollen, wenn und weil sie in jedem Suizidenten einen "zum mindesten subjektiv unglücklichen und sehr bedauernswerten Menschen"63 sehen, demgegenüber sich jede (straf-)tatvorwerfende Reaktion als unsinnige "Barbarei"83 erweisel4 • Strafrechtler werden darüber hinaus Argumentationspfade suchen, die dem geltenden Recht verpflichtet sind und Folgeprobleme, z. B. das der Beteiligung am Selbstmord, vorentscheiden. Freilich wird sich zeigen, daß die 60 Strafgesetzbuch (im folgenden abgekürzt: StGB) vom 15. Mai 1871 in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 1975 (Bundesgesetzblatt I S. 2 ff.). eo Vgl. unten Rdnr. 70 ff., 390 ff. u Engisch (1976), S. 313. Vgl. Roxin (1978), S. 96; Blei, BT (1978), § 5 IV; Wagner (1975), S. 25; Meurer, BT (1980), S. 134. 12 Ringel (1978 a), S. 271. 13 Simson (1976), S. 45. 14 Vgl. Ringel (1978 a), S. 274 ff. zur Untauglichkeit kirchlicher "Strafen". Vgl. ferner Simson (1976), S. 110 mit S. 42 ff. zu weltlichen Strafen (z. B. schimpfliches Aufhängen der Leiche, S. 43). Die Strafbarkeit des Versuchs wurde in England erst 1961 durch den Suicide Act aufgehoben.

111. Die ältere Diskussion

33

scheinbar leichteste Frage, die nach der Rechtmäßigkeit oder Erlaubtheit des Suizids, mit am schwersten zu entscheiden ist.

111. Die ältere Diskussion 14. An Versuchen, den Freitod als "Tötung eines Menschen" im Sinne der §§ 211, 212 StGB zu werten65 und lediglich auf Grund tatbestands- und unrechts ferner Momente von Strafe freizustellen, fehlte es in der Literatur nach dem Inkrafttreten des RStGB nicht: Allfeld66 erwog, die Indentität von Täter und Opfer als besonderen Unrechts- 66 oder persönlichen Strafausschließungsgrund66a anzuerkennen. Und Kohlern sah in der Verschiedenheit von Opfer und Delinquent eine Strafbarkeitsbedingung. 15. Diese Versuche konnten sich aber wohl schon deshalb nicht durchsetzen, weil inhaltsleere Floskeln wie "Straf.ausschließungsgrund" oder "Bedingung" der Strafbarkeit den teleologischen Grund der Straffreiheit des Suizidanten offenließen. Zudem wollte der historische Gesetzgeber die Selbsttötung nicht von den §§ 211, 212 RStGB pönalisiert wissen68 . Die ganz "herrschende Ansicht"69 konnte im Selbstmord daher eine "rechtlich indifferente"G9, jedenfalls nicht durch das Strafgesetz kriminalisierte, Handlung erblicken70 , ohne sich bis in das letzte vergangene Jahrzehnt hinein in ihrer argumentativen Ruhe durch abweichende Stimmen verunsichert fühlen zu müssen.

112. Die neuere Diskussion 16. Erst in jüngster Zeit hat die Lehre von der Tatbestandslosigkeit des Suizids gewichtigen Widerstand gefunden. 65 Lion, GA (1858), S. 458 ff.; Kahler, GA (1903), S. 6; ders., GA (1907), S. 386. Weitere Nachw. bei O. Weber (1913), S. 11 ff.; Wiener (1958), S. 21 u. S. 131 Anmerkung 2. Aus neuerer Zeit: Schmidhäuser (1974), S. 801 ff.;

Schmidhäuser, BT (1980),2/7; Schmidhäuser, AT (1982), 8/5l. 88 Meyer / All/eld (1922), S. 142. 88a All/eld, zitiert nach Wieners (1958), S. 131 Anm. 2. 87 Kahler, GA (1903), S. 6; ders., GA (1907), S. 386; ders. (1912), S. 66, 95. 68 Vgl. Beling (1906), S. 219 ff., 223, 417; Bringewat, ZStW (1975), S. 648; Roxin (1977), S. 336; Simson (1976), S. 73. 68 O. Weber (1913), S. 13. 70 Aus der älteren Literatur vgl.: Beling (1906), S. 219 ff., 223, 417 f.; Winhold (1930), S. 59. Aus der neueren Literatur vgl. nur: Schönke / Schröder / Eser (1982), Rdnr. 33 ff. vor § 211 mit zahlreichen Nachweisen; Lackner (1981), § 211 Anm. 4; Langer (1972), S. 416, 492. Aus der Rechtsprechung vgl. nur BGHSt. 2, S. 150. 3 Bottke

11 Der selbst verantwortlich ausgeführte Suizid

34

112.1 Gewohnheitsrechtlicl1er Strafausschließungsgrund?

16 a. Wenig Aussicht, sich gegen die tradierte Lehre durchzusetzen, hat allerdings die 1975 vorgetragene These Bringewats, die "Straflosigkeit der (versuchten) Selbsttötung" sei "ungesetztes, durch einen allgemeinen Rechtsgeltungswillen der Gemeinschaft erzeugtes Strafrecht und damit gesetzesgleiches Gewohnheitsrecht"71. Denn wenn Bringewat darlegt, der Gesetzgeber habe problembewußt "die (versuchte) Selbsttötung ... nicht mehr" in die die deutsche Reichsstrafgesetzgebung aufgenommen72 , legt er gegen sich die zarte Waffe subtiler Kritik bereit: Erstens bedarf es vor diesem historisch-gesetzlichen Hintergrund keines gesetzes fernen "Gewohnheitsrechtes", um der Selbstvernichtung einen strajrechtsfreien Raum zu schaffen73 . Und zweitens läßt die Annahme einer durch Gewohnheitsrecht erschaffenen Strafbarkeitshürde offen, warum Fremd- und Selbsttötung (angeblich) vom Gesetz gleichgestellt und von der Strafrechtspraxis im Ergebnis ungleich behandelt werden (können). 112.2 Der Suizid - eine nur entschuldigte Straftat?

17. Nicht an diesen Einwänden scheitert das Unternehmen Schmidhäusers, die "Annahme eines rechts freien Raumes" als nicht akzeptable "Notlösung" zu verwerfen74 und durch die "Annahme einer ,Entschuldigung', also des Ausschlusses der Rechtschuld" , zu ersetzen75 . Denn dieses Unterfangen beginnt gesetzesnah: Es behauptet expressis verbis "vor dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Gesetzmäßigkeit"76 staatlicher Strafe, der Selbstmord sei "tatbestandlich erfaßt"76: "Im Unrechtstatbestand geht es bei Fremd- wie bei der Selbsttötung allemal um die Tötung eines Menschen; der Unwertsachverhalt und damit der Unrechtsgehalt ist beidemal der gleiche"77. Folgt man dem und setzt als weitere Prämisse, "daß durch die Selbsttötung kein vorrangiger Rechtsanspruch wahrgenommen"78, sondern "die Pflicht des einzelnen zum Weit erleben gegenüber der Gemeinschaft"79 verletzt wird, kann "das in der Selbsttötung begründete tatbestandliche Unrecht der Tötungsdelikte nicht aus der Autonomie ,gerechtfertigt'''80 sein. Ist im Bringewat, ZStW (1975), s. 648. Bringewat, ZStW (1975), s. 648. 73 Vgl. Roxin (1977), S. 342 ff. Zur Kritik vgl. auch Schilling, JZ (1979), S.160. 74 Schmidhäuser (1974), S. 817. 75 Schmidhäuser (1974), S. 814. 78 Schmidhäuser (1974), S. 805. 77 Schmidhäuser (1974), S. 813, vgl. auch S. 814. 78 Schmidhäuser (1974), S. 813. 78 Schmidhäuser (1974), S. 817. 71

72

112. Die neuere Diskussion

35

Einzelfall ferner die Schuldfähigkeit gegeben, läßt sich die Straflosigkeit des Suizids inner "straftatsystematisch" allein auf die gesetzliche "Anerkennung eines speziellen Entschuldigungsgrundes"81 stützen nach Schmidhäuser "des Erlebnisses der völligen Sinnlosigkeit des eigenen Lebens durch den Täter"82. 112.21 Der Suizid - ein "straftatbestandsmäßiges" Verhalten? 18. Obwohl Schmidhäuser seine These in sich widerspruchs frei "so gut begründet (hat), wie es möglich ist"83, ist sie bislang "isoliert"84 geblieben85 . Zwar scheitert sie nicht am Wortlaut des § 212 StGB, da dieser mit Strafe bedroht, "wer einen Menschen tötet"85a. Alle anderen Auslegungstopoi drängen jedoch dazu, die Selbsttötung von vorneherein nicht den §§ 211, 212 StGB zu unterstellen: Erstens hat der historische Gesetzgeber die Beschränkung des § 212 RStGB auf die Tötung eines anderen Menschen "als selbstverständlich angesehen"86. Zweitens verlangt § 223 StGB ausdrücklich für die Körperverletzung die Verletzung eines anderen87 . Drittens pönalisiert das geltende Strafrecht prin~ zipiell nur solche friedensstörende Verhaltensweisen, die in unerträg~ licher und nicht von den Grundrechten gedeckter Weise Rechtsgüter anderer verletzen oder gefährden 88. Will das Gesetz ausnahmsweise neben Fremd- auch Selbstverletzungen unter Strafe stellen, setzt es (wie im Falle der "Wehrpflichtentziehung durch Verstümmelung") die gleichzeitige Beeinträchtigung eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes voraus und gebraucht die Formel: ,,(Wer) sich oder einen anderen (... durch Verstümmelung ... zur Erfüllung der Wehrpflicht untauglich macht ...)" (§ 109 StGB)89. Viertens mag unter dem Aspekt eines auf das Tatresultat: den Tod eines Menschen hin definierten "Erfolgsunrechts" kein Unwertsprung zwischen Selbst- und Fremdtötung klaffen. Seinem vollen Unwert nach bleibt der Suizid aber strafbegründungsbedeutsam UO sowohl hinter der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) Schmidhüuser (1974), S. 819. Schmidhüuser (1974), S. 815. 82 Schmidhüuser (1974), S. 815. 83 Roxin (1977), S. 336. 84 Engisch (1976), S. 314. 85 Vgl. auch Simson (1976), S. 73. 85a a. A. insoweit Schilling, JZ (1979), S. 160. 88 Roxin (1977), S. 336 m. w. Nw. 87 Vgl. BeZing (1906), S. 220 Anm. 1. 88 Vgl. Roxin (1977), S. 337. 89 Vgl. Roxin (1977), S. 336. 10 Vgl. Schmidhüuser (1974), S. 811 Anm. 22, wo er auf Langer (1972), S. 416, 80

81

492 hinweist, ohne dessen These, der Selbstmord sei wegen des gegenüber

36

11 Der selbst verantwortlich ausgeführte Suizid

und erst recht hinter der ungewünschten Tötung eines anderen (§§ 212, 211 StGB) zurück. Denn bereits der suizidähnliche91 , tatmotivbestimmende Wunsch des Opfers, getötet zu werden, mindert das Tatunrecht92 der Fremdtötung. Tötet sich der Sterbewillige selber, sinkt sein Verhalten dem (Handlungs-)Unwertgehalt nach noch unter die vom Gesetz vorausgesetzte Strafwürdigkeitsschwelle; es ist keine rechtswidrige "Tat" im Sinne der §§ 216, 211, 212, 11 Abs. I Nr. 5 StGB. Fünftens stellt das Ja zur "Tatbestandsmäßigkeit" unwertinadäquat den fremdrisikofreien Suizidversuch der Selbsttötung gleich, die Dritte an Leib und Leben gefährdet. Und sechstens würde ein bloß "entschuldigter" Suizid (s. unten Rdnr. 55 ff.) u. U. die Möglichkeit eröffnen, Maßregeln gegen den Suizidenten zu treffen, obwohl zu therapeutischen Hilfen andere Wege offenstehen (vgl. unten Rdnr. 261 ff.).

112.22 Der Suizid ein straftatbestandsloses "rechtswidriges" Verhalten? 19. Allerdings ist die fehlende Tatbestandsmäßigkeit des Freitodes

kein zwingendes Argument für die Annahme eines Rechts, sich selbst zu töten. Das geltende Gesetz bestraft - man denke nur an den furtum USUS 93 oder an die Schädigung fremden Vermögens durch Täuschung ohne Bereicherungsabsicht94 - aus guten Gründen nicht alle Fälle rechtswidrigen Verhaltens 95 , ohne daß aus deren (Straf-)Tatbestandslosigkeit ihr Erlaubtsein gefolgert werden dürfte. Genausowenig gestattete das - wie auch immer begründete - Urteil, der Selbstmord sei rechtswidrig, den Schluß, der Freitod unterfiele entgegen der oben verbreiteten These den Tatbeständen der Tötungsdelikte (§§ 211 ff. StGB); erst recht wäre eine bloße "Moral"- oder "Sittenwidrigkeit" des Suizids kein Grund, an seiner Straftatbestandslosigkeit zu zweifeln. Denn das Strafrecht dient nicht dazu, lediglich unmoralische oder unsittliche Handlungen zu kriminalisieren. Es tabuisiert nur solche nicht mehr von den Grundrechten gedeckte Verhaltensweisen, die entweder einer Fremdtötung verminderten Unwertes der Tat nicht vertatbestandlicht, zu billigen. 81 Vgl. Schönke / Schröder / Eser (1982), § 216 Rdnr. 1. 82 Zur Minderung des Unrechts (wie auch der Schuld) im Falle eines tatmotivbestimmenden, ernstlichen Tötungsverlangen des Opfers vgl. Schönke / Schröder / Eser (1982), § 216 Rdnr. 1; Hirsch (1974), S. 775 ff., 796 f. 93 Gebrauchsdiebstahl mit Ausnahme der §§ 248 b, 290 StGB, vgl. Meurer, BT (1980), S. 189. 84 Beispiel: A will dem B, einem eifrigen Numismatiker, einen Streich spielen. Er teilt dem B mit, C wolle eine seltene Münze dem B verkaufen. B nimmt sich ein Taxi, um zu C zu gelangen; dort erfährt er, daß er von A getäuscht wurde. 95 Zu nennen sind insbesondere auch Fälle der positiven Forderungsverletzung.

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die Rechtssphäre eines anderen beeinträchtigen oder aber den Staat an der Erfüllung seiner Leistungsaufgaben hindern; Sittenrichterei ist nicht seine Aufgabe 96 • 20. Gleichwohl setzte der Strafrechtler sich und anderen Scheuklappen auf, wollte er die difficile Frage, ob der Todeswillige in die große Leere fliehen darf oder von Rechts wegen weiterleben muß, als strafrechtsirrelevant aus seinem Gesichtsfeld verbannen: Die Strafrechtsoder genauer: Straftatbestandslosigkeit darf nicht mit einem "rechtslasern" oder "rechtsfreiem" Raum verwechselt werden9s ",. 112.221. Die mangelnde Aussagekraft des § 216 StGB 21. Nicht ernstlich bestreitbar ist, daß die Strafbarkeit der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) weder ein Recht, sich selbst zu töten, widerlegt, noch eine "Pflicht zum Weiterleben"97 erweist. Denn es hätte einen guten Sinn, "wenn das Recht zwar dem Lebensmüden die Selbsttötung gestattete, an der Unverbrüchlichkeit des Verbots, einen anderen zu töten, jedoch auch bei Einwilligung des Opfers festhielte"98. 22. Erstens wird - wenn überhaupt - der Sterbewille durch nichts mit so relativ großer Gewißheit bewiesen, wie durch die eigenhändige Selbsttötung99 . Zweitens sind, wie thanatologische Erfahrungen mit Todkranken lehren, der Wunsch zu sterben und das Verlangen getötet zu werden zweierlepoo. Und drittens bleibt auch die Tötung auf Verlangen Fremdtötung, die das Rechtsgut eines anderen verletzt. 112.222. Die mangelnde Aussagekraft einer fehlenden Strafdrohung gegen die Teilnahme Dritter an einem Selbstmord 23. Anders als z. B. das österreichische lol oder schweizerischelo2 Strafgesetzbuch kennt das deutsche StGB keine besondere Strafvor08 Vgl. dazu statt aller: Baumann, AT (1977), § 3; Jescheck, AT (1978) § 2; Schmidhäuser, AT (1975), 3/8 ff.; Schmidhäuser, AT (1982),2/1 ff. 9S", Vgl. Hirsch (1979), S. 94 ff. 87 So aber Klinkenberg, JR (1978), S. 441 ff.; ders., JR (1979), S. 183 ff.; dagegen Wellmann, JR (1979), S. 182 ff. Zur "Rechtspflicht zum Weiterleben" vgl. ferner im Ergebnis bejahend Schmidhäuser, AT (1982), 8/7; Schmidhäuser, BT (1980), 2/7; Schmidhäuser (1974), S. 817. Verneinend: Roxin (1977), s. 337 ff.; Schilling, JR (1979), S. 160; Wellmann, JR (1979), S. 182 ff. 88 Gallas (1968), S. 175 (Hervorhebung bei Gallas).

99 Für unrichtig halte ich es, der Eigenhändigkeit zweifelausschließende Kraft beizumessen, wie es Roxin (1977), S. 345, tut. 100 Menzel (1976), S. 53 ff., 57. 101 § 78 des OStGB bestimmt unter dem Titel "Mitwirkung am Selbstmord": "Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu

11 Der selbst verantwortlich ausgeführte Suizid

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schrift gegen die "Mitwirkung am Selbstmord"103. Diese "Strafbarkeitslücke"104 gestattet jedoch "keinen Schluß für die Annahme eines Selbsttötungsrech ts" 105. 24. Denn der Gesetzgeber will hierdurch nicht dem Suizidenten die Durchführung seines Entschlusses erleichtern. Er trägt hierdurch vielmehr Gründen Rechnung, die nicht dazu zwingen, die Selbsttötung als "rechtes Mittel zu rechtem Zweck"108 auszuzeichnen: Beweisschwierigkeiten, die derartigen Vorschriften in praxi wenig Bedeutung lassen107 , mangelnder "Strafwürdigkeit zumindest gewisser Grenzfälle"108 und gegebener Strafbarkeit der meisten strafwürdigen Fälle, in denen das (z. B. einsichtsunfähige) Opfer (Kinder, geistig Kranke) nicht eigenverantwortlich den Tod suchte (vgl. i. e. unten Rdnr. 325 ff.). 112.223. Die beschränkte Aussagekraft der herrschenden Lehre zum Komplex "Suizidhinderung und § 240 StGB" 25. Auf brüchigen Boden baute auch, wer die Rechtswidrigkeit des Suizids auf die herrschende Lehre stützte, "daß das gewaltsame Abhalten des Lebensmüden vom Selbstmord nicht als Nötigung gemäß § 240 StGB bestraft werden kann, und zwar weil die rechtsgutsverletzende Einwirkung gegen den Willen des Lebensmüden zur Rettung seines Lebens (in rechten Maßen geübt) nicht als ,verwerflich anzusehen' ist"109. Denn auch bei Unverbotenheit oder Rechtmäßigkeit des Suizids muß der sozial-psychologisch bedeutsame "Anspruch eines jeden, einen anderen von seinem Selbstmord abhalten zu dürfen"llO, nicht in sozial schädlicher Weise111 als "verwerflich" diskreditiert werden -

Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen" . 102 Art. 115 des SchwStGB droht unter der überschrift "Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord" Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängnis an, wenn jemand "aus selbstsüchtigen Beweggründen" einen anderen "zum Selbstmord verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet". 103 Zur Bedeutung von Strafvorschriften, die die Mitwirkung am Suizid pönalisieren, vgl. Simson (1976), S. 46 ff., 49. lO~ Vgl. aber unten Rdnr. 472 ff. 105

Gallas (1968), S. 175.

108 So die Formel der von Graf zu Dohna und von Liszt begründeten Zwecktheorie. 107 Vgl. Simson (1976), S. 47, 49 ff. 108 Gallas (1968), S. 175 mit weiteren Gründen. 10D Schmidhäuser (1974), S. 817 ff. mit weiteren Nachweisen. Nota bene: Schmidhäuser verweist auf diese Lehre nicht als zwingendes Argument. Er macht nur darauf aufmerksam, daß sich seine Ansicht zur Tatbestandsmäßigkeit in diese Lehre "voll" einfügt. Das ist richtig. Mit dieser Lehre ist aber auch die hier vertretene Auffassung vereinbar. 110

Wagner (1975), S. 80.

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selbst dann nicht, wenn ihm keine Rettungsbefugnisse aus Amtsrechten oder sonstigen Rechtfertigungsgründen zur Seite stünden. 26. Erst recht kann in jener Lehre kein festes Fundament sehen, wer

auf freiverantwortlichen Willensentscheiden beruhende und eigenverantwortlich durchgeführte Suizide für rechtmäßig erklärt und in vermeintlicher Konsequenz Retter, die das Selbsttötungsrecht mißachten, nach § 240 StGB112, u. U. auch nach § 223 ff. StGB113 bestraft. 112.224. Die beschränkte Aussagekraft der polizeilichen Amtsrechte 27. Beweiskräftiger für die Rechtswidrigkeit des Suizids könnten die

Polizeigesetze der Länder sein. Diese ermächtigen die Polizei, eine Person "in Gewahrsam" zu nehmen, "wenn das zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist"113. Dem Gesetzestext zufolge ist solcher 'Schutzgewahrsam "insbesondere" zulässig113", "weil die Person sich erkennbar in einern die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst hilflosen Lage befindet" (vgl. Art. 16 I Nr. 1 BayPAG) - mithin ohne Rücksicht darauf, ob diese Lage durch einen "freiwillig" oder unfreiwillig begonnenen Suizid hervorgerufen wurde 114 . Diese, durch den Wortlaut vermittelte "weite" Auslegung der polizeilichen Eingriffstatbestände würde zumindest im Ergebnis jedes "Recht auf Selbsttötung" gegenstandslos machen und eine ,,(Rechts-)Pflicht zum Weiterleben" implizieren. Sie ist jedoch Bedenken ausgesetzt, die sowohl die Stringenz der gezogenen Folge, die Selbsttötung sei (rechtswidriger) "Selbstmord", als auch den weiten Anwendungsbereich betreffen. 112.224.1 Die Stringenz der gezogenen Konsequenz 28. Selbst wenn ein "totales Suizidverhinderungsrecht" vorn Polizei-

gesetzgeber gemeint wäre, müßte dies nicht notwendigerweise das Urteil voraussetzen, alle Selbsttötungen seien rechtswidrig. Denn auch tu

112

113

Roxin (1977), S. 339. Arthur Kaufmann, ZStW (1961), S. 368; Wagner (1975), Zu § 223 StGB vgl. auch Kühne, NJW (1975), S. 675.

S. 130.

113a z. B. Art. 16 I Nr. 1 des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz - PAG) vom 24. August 1978 (GVBl. S. 561 ff.). Vgl. ferner die Nachweise in Badura / Friauf / Hoffmann / Kimminich u. a. (1972), S. 186 Anm. 158 a und 159. 114 Erst recht gilt das, wenn ältere Polizeigesetze schon ihrem Wortlaut auch polizeilichen Gewahrsam für zulässig erklären, "wenn die Person Selbstmord begehen will", ohne auf eine Krankhaftigkeit des Suizidentschlusses abzustellen. So z. B. Art. 17 BayPAG a. F., vgl. dazu Samper (1975), Art. 17 Rdnr. 2; Mang / Maunz / Mayer / Obermayer (1968), S. 407. Vgl. § 6 Bad.-Würt. Polizeiverwaltungsgesetz vom 26. März 1954; dazu Mayer / UZe

(1969), S. 460.

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11 Der selbst verantwortlich ausgeführte Suizid

bei Unverbotenheit oder grundrechtlicher, durch Art. 2 I GG vermittelter Garantie des Suizids gäbe die Rechtsordnung dem Freiwilligen keinen "Anspruch" darauf, Dritte, private oder staatliche Organe, hätten jeden hindernden Eingriff in das Geschehen zu unterlassen 115 ; namentlich Art. 2 I GG verbürgte die Suizid freiheit nur als (limitiert, Art. 1911 GG), eingriffszugängliches Abwehrrecht (vgI. i. e. Rdnr. 35 ff.). 112.224.2 Der Anwendungsbereich

29. Da die Polizei nunmehr die Aufgabe hat, die "öffentliche Sicherheit und Ordnung" zu schützen (vgI. Art. 2 I BayPAG), läßt sich ein umfassendes polizeiliches Suizidverhinderungsrecht prinzipiell nicht durch isolierte Gesichtspunkte des Individualschutzes legitimieren, sondern allenfalls auf die sozialstaatliche Verpflichtung unseres Rechtsstaatesll5 stützen. Unproblematisch ist danach, einen Selbstmord(-versuch) zu unterbinden116 , der Rechtsgüter 'anderer rechtswidrig 117 konkret118 gefährdet119 • Und unstrittig ist auch noch, daß es wünschenswert und zulässig ist, "unfreiwillige Suizide zu verhindern"120. Denn in diesen Fällen sind der Staat und seine Organe "nach Art. 211 S. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aufgerufen, den Lebensunwilligen vor der Selbsttötung zu schützen" 121. Zweifelhaft ist aber schon, wie und wo im Einzelfall "die Grenze zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Selbstmord zu ziehen ist"122. Statistische Angaben, wonach in "wenigstens 40 Ofo aller Selbstmordhandlungen der Suizid ... kein Akt freier Selbstbestimmung"121 sei, lassen den potentiellen Retter im Stich, wenn er feststellen soll, ob dieser Suizident freiverantwortlich handelt oder nicht. 30. Versuche, die "Grenzfrage" durch die These wegzumanipulieren,

alle Suizide entwickelten sich "krankhaft" und seien "unfrei" vorgenommen123 , sind nicht nur in ihrem empirischen Wahrheitswert fragwürdig124. Indem sie die Fähigkeit, schuldhaft im Sinne von eigenVgl. Roxin (1977), S. 339. Zur Geschichte des polizeirechtlichen Suizidverhinderungsrechts vgl. Wagner (1975), S. 74 ff. 117 Rechtmäßige Rechtsgutbeeinträchtigungen können nur zur Haftung des Verantwortlichen als Nichtstörer führen (sog. Sozialadäquanztheorie). 118 Anders als Verordnungen setzen Sicherheits- bzw. polizeirechtliche Einzelfallanordnungen mit Rechtseingriffscharakter stets das Vorlegen einer konkreten Gefahr voraus. 119 Beispiel: Der Suizident wirft sich vor einen Zug. 120 Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 78 Rdnr. 198. 121 Wagner (1975), S. 123. 122 Arzt, Weber, BT LH 1 (1981), S. 78 Rdnr. 198. 123 Kritisch auch Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 78 Rdnr. 199. 124 Vgl. oben Anm. 20. 115

118

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verantwortlich zu handeln, mit "krankhaft" oder "unfrei" konfundieren125 , verzerren sie die in den §§ 20, 35 StGB gezogenen Grenzen freiverantwortlichen Verhaltens und eröffnen die gespenstische Perspektive (polizei)staatlicher überwachung weiter Lebensbereiche. 31. "Freiwillige" und "unfreiwillige" Suizide zu definieren, wäre nur dann ein müßiges Unterfangen, wenn es kein verfassungsmäßig abgesichertes Recht zum "Freitod" gäbe. Bejaht man dagegen ein solches Grundrecht, erheischt dessen "Wesensgehaltsgarantie"126 hilfswilligen Dritten jedenfalls bei Kenntnis der "Freiverantwortlichkeit" des Suizids (in näher zu umreißenden Fällen) die Befugnis zu verwehren, den Suizidenten an der rechtmäßigen Durchführung seines Sterbewunsches zu hindern; andernfalls wäre "das Recht auf Selbsttötung faktisch aufgehoben"127. Wie immer man dieses Recht auch beurteilen mag: Der Wortlaut polizeilicher Eingriffstatbestände steht ihm letztlich nicht entgegen. Denn der Wortlaut einer staatlichen Befugnisnorm schließt deren Auslegung nicht ab, sondern eröffnet sie erst; ist dem Wortlaut nach ihr Anwendungsbereich zu weit geraten, ist er im Wege verfassungskonformer Interpretation auf ein grundrechtsgemäßes Maß zu reduzieren128. 32. Diese Reduktion intendiert z. B., wer dem polizeilichen Suizidver-

hinderungsrecht nur die Funktion zuschreibt, festzustellen, "ob tatsächlich eine freie Willensentschließung vorhanden ist" und "dem Suizidenten die Chance des überdenkens seines Entschlusses" zu bieten12n • Zwar hebt diese Lösung Beweisprobleme nicht auf, ja, etwaige Zweifel am Vorliegen eines "freien" Suizidentschlusses werden geradezu zur Voraussetzung für die Rechtfertigung des Rettungsaktes - ein strafrechtsdogmatisch im Hinblick auf die Lehre von den subjektiven Rechtfertigungselementen bedenkenswertes Ergebnis (vgl. unten Rdnr. 100 ff.). Sie zeigt jedoch trotz aller Präzisierungsbedürftigkeit, daß die Suizidhinderungsrechte der Polizei sich selbst mit einer prinzipiell anerkannten Selbsttötungsfreiheit vertrügen. 112.225. Selbsttötungsrecht und Weiterlebenspflicht

33. Das zu den polizeigesetzlichen Ermächtigungen Gesagte gilt mutatis mut an dis auch für andere Rechtfertigungsgründe, die, wie z. B. 12$

vgI. Engisch (1976), S. 314.

VgI. Art. 1911 GG. VgI. i. E. Wagner (1975), S. 89 ff., 123 ff. - insbesondere S. 127. 128 VgI. zu den methodologischen Fragen in diesem Zusammenhang nur LaTenz (1979), S. 329 ff. 129 WeIl mann, JR (1978), S. 183 m. w. Nw. 126

127

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11 Der selbst verantwortlich ausgeführte Suizid

der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB), Dritten, Feuerwehrleuten, Ärzten oder anderen Rettungsbereiten, Eingriffe in die Freiheits- und Rechtssphäre des Suizidenten gestatten. Das "einfache" Gesetz läßt damit die Frage nach der Rechtswidrigkeit oder Erlaubtheit des "freiverantwortlich" gewollten Suizids offen und scheint so die eingangs aufgezeigte Hypothese von der "Unverbotenheit" des Suizids zu bestätigen. 34. Obwohl dieser Schein die herrschende Lehre für sich hat130 , ist ihm mehr Schatten als Licht eigen. Denn er verbannt den Suizid ungeachtet dessen großer sozialer Bedeutung an einen Ort, der trotz allen rechtstheoretischen Bemühens131 orientierungssuchenden Nicht juristen dunkel bleiben muß: Sie wollen von der Rechtsordnung wissen, ob ihr Tun erlaubt oder unerlaubt ist; die Aussage, der Freitod sei "unverboten", muß ihnen als (ver)antwort(ungs)scheue Flucht aus einem widerstreitenden Topoichaos anmuten. Unbeschadet der rechtslogischen Erkenntnis, daß es unter der Herrschaft eines inhaltserfüllten Rechtsbegriffs Sachverhalte geben kann 132 , zu denen sich die Rechtsordnung mit guten Gründen kein hybrides oder überflüssiges Werturteil anmaßt, sei daher der Versuch gewagt, aus dem höherrangigem Recht, dem Grundgesetz, bislang unerwogene Aspekte zu gewinnen.

112.225.1 "Rechtsfreier Raum" und Art. 2 I GG als Grundrecht auf Selbsttötung 35. Die These, die Selbsttötung sei weder rechtmäßig noch rechtswidrig, fußt auf der Idee, die gesamte Rechtsordnung ziehe beim Suizid aus rechtspolitischen oder anderen Gründen ihre Normen zurück und verzichte damit auf eine Wertung; sie lasse so einen rechtsfreien Raum, innerhalb dessen der einzelne "als mündiger Bürger" zur "freien sittlichen, allem vor dem eigenen Gewissen zu verantwortenden Entscheidung aufgerufen"133 sei 134 • Dieser Vorstellung ist, soweit es um die Zuordnung des Freitodes zum rechtsfreien Raum geht, zu widerstreiten. 130 Vgl. Bauer (1958), S. 11; von Els (1961), S. 4; Gallas, JZ (1960), S. 648 ff., 652 ff.; H. Mayer, AT (1953), S. 169; Nachweise in Anm. 52; vgl. schon Wächter (1828), S. 656 ff.; zuletzt Roxin (1977), S. 339. 131 Vgl. die Nachweise bei Engisch (1977), S. 201 Anm. 6 c; Arthur Kaufmann (1972), S. 327 ff. Grundlegend die Monographie von Comes (1975). 132 Zur Möglichkeit eines rechts freien Raumes vgl. zuletzt Hirsch (1979), S. 89 ff., 92 ff. 133 Arthur Kaufmann (1972), S. 338 und 341. Kaufmann nennt als Beispiele solcher von der Rechtsordnung freigestellter Sachverhalte a.a.O. allerdings nicht die Selbsttötung, sondern das Brett des Karneades, die "Euthanasie"Aktion Hitlers, den Weichensteller Fall, den Bergsteiger-Fall, die Selektionsfälle und den indizierten Schwangerschaftsabbruch. Zu letzterem vgl. insbes. die Kritik von Hirsch (1979), S. 97 ff.

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36. Geistesgeschichtlich ist die tradierte Lehre eines "rechtsfreien Raumes" mit der Intention verknüpft, dem Bürger gegen das vom Souverän erlassene (Zwangs)Recht über einzelne, quasi gunstweise anerkannte Freiheiten hinaus eine Sphäre zu sichern, die ihn vor willkürlichen Verboten und Sanktionen schützt; konsequenterweise hat der Gesetzgeber hiernach "nicht die Macht über die Grenze"134 zwischen regelungsfähigen und rechts freie m Raum135 • So löblich diese Absicht auch war, so überholt ist sie in ihrem Verständnis des Verhältnisses von Staat und Bürger. 37. Das Grundgesetz verankert in den Art. 1 ff. GG nicht bloß enumerativ eng umgrenzte Spezialfreiheitsrechte, die im Interesse einer größtmöglichen Verhaltensfreiheit des einzelnen durch die Figur eines "rechts(eingriffs)freien Bereichs" schöpferisch zu ergänzen wären. Es gewährt in Art. 2 I GG auch mehr als einen "Kernbereich der Entfaltungsfreiheit" , dem der "Selbstmord" als (angeblicher) "Ausdruck sittlicher Autonomie" ein_ 130 oder als Vernichtung individueller Entfaltungsmöglichkeit auszuordnen wäre. Es garantiert vielmehr - nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts l37 die allgemeine Handlungsfreiheit: Denn es wäre nicht verständlich, wie die Entfaltung eines Kernbereichs "gegen das Sittengesetz, die Rechte anderer oder sogar gegen die verfassungsmäßige Ordnung einer freiheitlichen Demokratie sollte verstoßen können" 138. 38. Zu den menschlichen Betätigungen, die nicht durch Einzelfreiheitsrechte geschützt werden, gehört auch der Suizid. Soweit aber "nicht besondere Lebensbereiche grundrechtlich geschützt sind, kann sich der Einzelne ... auf Art. 2 I GG berufen"138 - unbeschadet der durch die Wesensgehaltsgarantie des Art. 1911 GG eingeschränkten Möglichkeit, seiner Argumentation im Ergebnis unter Hinweis auf die in der "Schrankentrias": Sittengesetz, Rechte anderer oder verfassungsmäßige Ordnung enthaltenen Wertgüter und Eingriffsmöglichkeiten den Erfolg zu versagen. Wenn die herrschende Lehre diese Lösungsstrategie verwirft und den Suizid in einen "rechtsfreien Raum" verbannt, so mag dies vielleicht an dem hellen Wort "Freiheit" liegen, das Schutz auch dann noch zu fordern scheint, wenn er vom positiven Recht bereits geleistet wird. Sicher verkennt sie, daß sich die Schranken eines "rechtsfreien Raumes" nicht aus "einem vorrechtlichen Begriff"139 definieren, Vgl. Comes (1975), S. 107 ff., insbes. 130. Vgl. dazu auch Hirsch (1979), S. 93 ff. us So aber Wagner (1975), S. 93 ff. 137 Zur Verbindlichkeit vgl. § 31 BVerfGG. 138 BVerfGE, 6, S. 32 ff. Kritisch z. B. Hesse (1980), § 12 I (10). m Hirsch (1979), S. 93.

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sondern aus der Verfassung ergeben, die nach den Bestimmungen des GG die ganze Skala menschlicher Verhaltensweisen verbürgt und vor willkürlichen oder unverhältnismäßigen Eingriffen bewahrt. 39. Oder zusammenfassend gesagt: Die Selbsttötung gehört zu jenen Entscheidungen, zu deren "freien, sittlichen, allein vor dem eigenen Gewissen zu verantwortenden"133 Durchführung der vor(verfassungs)rechtliche Topos "rechtsfreie Raum" nicht mehr nötig ist. Denn das Grundgesetz verrechtlicht diese Möglichkeit, indem es zumindest alle menschlichen Verhaltensweisen von einiger Relevanz durch die allgemeine Handlungsfreiheit" im Sinne von Art. 2 I GG sichert und zugleich dem Geltungsanspruch der (ihrerseits durch Art. 19 II GG begrenzten) Rechtsgüter des "Soweit-Satzes" unterwirft. 112.225.2 Denkbare Widerstände und Repliken 40. Wer den Suizid der "allgemeinen Handlungsfreiheit" im Sinne des Art. 2 I GG unterstellt 140 , "begegnet sofort dem Einwand", daß der Selbstmord nicht die Persönlichkeit entfalte, sondern vernichte 140. Richtig ist daran, daß eine Grundrechtsausübung, die dem Grundrechtsträger in irreversibler Weise den zukünftigen Genuß seines Rechtes verwehrt, erheblich größeren Einschränkungen unterliegen kann als eine Tätigkeit, die diese Möglichkeit läßt. Ebenso trifft aber zu, daß andere Grundrechte neben der "positiven" Freiheitsausübung auch eine "negative" einschließen, die auf die aktive Ausübung der garantierten Position verzichtet; denn das Grundgesetz schützt auch die Entscheidung, von seinen Einzelgarantien keinen Gebrauch zu machen: z. B. kein religiöses Bekenntnis abzulegen (Art. 4 I GG), keinen Wehrdienst zu verweigern (Art. 4III GG) oder keiner Vereinigung beizutreten (Art. 9 I GG). Konsequenterweise ist der Freitod dem "Schutzbereich" des Art. 2 I GG nach als "Nichtausübung der positiven Entfaltung"140 garantiert - unbeschadet der im "Soweit-Satz" des Art. 2 I GG eingefangenen Bindungen und Eingriffschancen. 41. Zugegeben: Selbst eine so relativierte "Selbsttötungsfreiheit" muß

denen ein Ärgernis sein, die dem Volksmund ihr Ohr und jedem Recht das Attribut "gut" verleihen. Und weil die in der Sozialstaatsklausel des GG "aufgehobene" Verpflichtung der christlichen Soziallehre, in Notlagen menschliche Solidarität zu zeigen, dem Drang entgegenkommt, jene Rechtsposition zumindest in Zweifelsfällen zur bloßen fac;on de parler werden zu lassen, wächst die Versuchung, statt mühsamer Schrankenkonkretisierung das klare "Nein" zur Suizidfreiheit zu wählen. Obwohl dieses Nein mit (be-)achtenswerten Gründen 140

Vgl. Wagner (1975), S. 91.

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jeder spricht, der den Suizid ausnahmslos als (sitten-lU oder) rechtswidriges142 Geschehnis wertet, gebietet Art. 2 I GG als umfassendes Auffanggrundrecht, auch im Hinblick auf den Suizid zwischen "Schutzbereich" , "Schranken" und "Kern" zu unterscheiden. Erst recht ist diese Konstruktion jedem anzuraten, der vom Selbsttötungsverbot seltene Sachverhalte, wie z. B. den eigenhändigen Opfertod 143, ausnehmen will; andernfalls böte er diesen Konstellationen keine dogmatische Heimstatt. 112.225.21 "Rechte anderer" 42. Als erste Schranke nennt Art. 2 I GG die "Rechte anderer". Klar ist, daß diese Wortfolge nicht etwa das "Recht auf Leben" meint, das Art. 2 11 S. 1 GG dem Suizidenten verbürgt. "Rechte anderer" meint die "Rechte Dritter", wie sie etwa aus § 903 BGB bekannt sind 144 • Sinn dieses Verfassungsvorbehaltes ist, im Einzelfall einzelne, wohl definierte Individualrechte auszugleichen, nicht aber, die freie Entfaltung der Persönlichkeit im Interesse allgemeiner Erwägungen global "auf das zahme Maß der Gemeinüblichkeit" zu reduzieren145 • Konsequenterweise sind "Rechte anderer" auch noch die des Fiskus, jedoch nicht die öffentlichrechtlichen Befugnisse des Staates oder öffentlich-rechtliche Gemeinwohlbindungen 146 • 43. Eine "Jedermanns-Rechtspjlicht", den Suizid zu unterlassen, kann sich danach nicht zugleich auf die "Rechte anderer" stützen und gegenüber dem Staat bestehen. Bejahbar ist dagegen, daß sich aus privatrechtlichen Sonderbeziehungen, z. B. familienrechtlicher Art, u. U. eine nur bestimmten Personen obliegende Pflicht ergibt, die Sonderbeziehungen gegenüber Dritten nicht durch Freitod zu lösen oder hierdurch die Erfüllung höchstpersönlicher Treue-, Obhuts- und Fürsorgepflichten zu vereiteln. Zu denken ist dabei insbesondere an die gemäß Art. 6 11 S. 2 GG staatlicher überwachung zugängliche Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen und zu pflegen (Art. 611 S. 1 GG). Würden sich etwa beide Elternteile eines Kleinkindes töten, um sich selber autoaggressiv zu verwirklichen, unterließen sie rechtswidrig 141 Vgl. die Entscheidungen des großen Senats des BGH (BGHSt - GS - 6, S. 147 ff., S. 153); "Da das Sittengesetz jeden Selbstmord. von äußersten Ausnahmefällen vielleicht abgesehen, streng mißbilligt ...". 142 Schmidhäuser (1974), S. 801 ff., insbes. 815 ff.; Schmidhäuser, BT (1980), 2/7; Klinkenberg, JR (1978), S. 441 ff.; Schmidhäuser, AT (1982), 8/51. 143 Der von einem Unrechtsregime Inhaftierte setzt seinem Leben ein Ende, um nicht unter Folter seine lVIitverschwörer zu verraten. 144 Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I GG Rdnr. 13, 15. 145 Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I GG Rdnr. 13. ue Vgl. zum Ganzen neben den Anm. in 144 genannten Th. Schramm (1979), S.67.

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aktiv handelnd 147 die Erfüllung einer Pflicht, die kraft grundgesetzlicher Wertentscheidung zumindest die gleiche Dignität besitzt wie ihre im Selbstmord nur einmalig erfahrbare "freie Entfaltung der Persönlichkeit". In extremen Einzelfällen können freilich schwerwiegende Gründe, wie sie etwa bei einer palliativ oder sedativ nicht mehr eindämmbaren letalen Erkrankung gegeben wären, die Selbsttötung rechtfertigen; denn die Wesensgehaltsgarantie der Art. 1911, 2 I GG verhindert, jemanden in unzumutbarer Weise durch Suizidverbot an einem qualvoll gewordenen Leben festzuhalten 14B • 112.225.22 "Verfassungsmäßige Ordnung" 44. Ihre zweite Grenze findet die Selbsttötungsfreiheit in der verfassungsmäßigen Ordnung". Da Art. 2 I GG generalklauselartig die nuancenreiche Palette menschlicher Handlungen umfassend schützt, kann unter "verfassungsmäßiger Ordnung" nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur die allgemeine Rechtsordnung verstanden werden, die die materiellen und formellen Anforderungen der Verfassung beachtet, also "verfassungsgemäß" ist 149 • Zur "verfassungs~ mäßigen Ordnung" in diesem Sinne gehören nach allgemeiner Ansicht auch die hier bereits angesprochenen Suizidverhinderungsrechte; es läge daher nahe zu meinen, die Selbsttötungsfreiheit liefe angesichts der so angeordneten Pflicht, Rettungsmaßnahmen zu dulden, leer 150 . Ein solcher Schluß wäre aber voreilig. 45. Zunächst entläßt die extensive Interpretation des Art. 2 I GG die staatlichen Organe nicht von der Pflicht, in kritischen Fällen zu prüfen, welches Interesse die Suizideingriffstatbestände schützen und ob dieses Interesse in der konkreten Entscheidungssituation das Interesse des Suizidenten an der Erfüllung seines Wunsches überwiegt. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG muß bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit von Grundrechtseinschränkungen" "eine wechselseitige Güter- und Interessenabwägung durchgeführt werden"151. 147 Zur Strafrechtlern in anderem Zusammenhang vertrauten (wenngleich umstrittenen) Denkfigur der "Unterlassung durch Begehung" vgl. Roxin (1969), S. 380 ff. einer- und Hruschka (1979), S. 421 ff. anderseits. 148 Damit ist nicht etwa die Erlaubtheit oder Straflosigkeit der Tötung auf Verlangen gefordert. Denn zwischen Suizid und Fremdtötung klafft ein rechtsbedeutsamer (Handlungs)Unwertsprung; die Wahrung des Respekts vor fremden Leben schließt eine Freigabe der einverständlichen Fremdtötung aus (so die h. M., vgl. zuletzt Hirsch [1974], S. 774 ff. mit erschöpfenden Nachweisen). 148 BVerfGE 6, S. 32 ff., 40 f., ständige Rspr., vgl. auch BVerfGE 35, 35 ff., 39 mit weiteren Nachweisen. 150 Vgl. Schätzler, NJW (1957), S. 819.

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46. Folgt man dem, läßt sich ernstlich nicht bestreiten, daß in der Regel das gerettete Leben den mit dem Rettungsakt verbundenen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht sowie in die körperliche Integrität überwiegt. Denn während der Freitod sich in einer einmaligen, nicht mehr korrigierbaren Selbstverwirklichung erschöpft, läßt die Suizidverhinderung dem Selbsttötungswilligen die Freiheit, die Ernsthaftigkeit seines Wunsches durch neuerliche Autoaggression unter Beweis zu stelleni52 . Nach dem "Prinzip des schonendsten Ausgleichs konkurrierender grundgesetzlich geschützter Positionen"153 muß daher auch und gerade "unter Berücksichtigung des Grundgedankens des Art. 19 II GG ... dem Lebensschutz" des Suizidenten grundsätzlich "der Vorzug gegeben werden - ähnlich, wie nach dem Urteil des BVerfG zur sog. "Fristenlösung153 der dort gegebene Konflikt zwischen Selbstbestimmung der Schwangeren und ungeborenem Leben zu lösen ist: Auch dort wird die Schwangere in ihrem "persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten (bloß) beeinträchtigt ... Das ungeborene Leben hingegen wird durch den Schwangerschaftsabbruch vernichtet"154. 47. Allerdings beinhaltet die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG mehr als einen relativen Begriff, der "eine Abwägung der gegeneinanderstehenden Interessen im Einzelfall"155 fordert. Denn wenn Art. 19 II GG davon spricht, "in keinem Falle" dürfe ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt beeinträchtigt werden, kann dies nur als "absolute": einzelfallgelöste Garantie eines Grundrechtkerns verstanden werden, der "auch im Fall schwerer Kollision mit staatlichen Interessen"155 unangetastet bleiben muß. Zudem regelt Art. 18 GG, wann jemand seine - dort genannten - Grundrechte verwirkt; mit der Exklusivität dieser Regelung wäre es unvereinbar, Art. 19 II GG wortlautwidrig zu relativieren und lediglich als Gebot verhältnismäßiger Grundrechtseinschränkungen zu interpretieren. 48. Den unantastbaren Kernbereich der Selbsttötungsfreiheit bilden zunächst die Fälle, in denen jemand sein Leben eigenhändig aufopfert, um schwere Leib- oder Lebensgefahren von sich oder Dritten abzuwenden 156. Zwar verlagert sich nach strafrechtlichen Kategorien in solchen Fällen die Tatverantwortung unter den in § 35 StGB genannten Umständen 157 von dem Suizidenten auf den Hintermann, der den quasi 151 Th. Schramm (1979), S. 27. Fachsprachlich hat sich dafür der Name "Schaukeltheorie" eingebürgert, Th. Schramm (1979), S. 68 Fußn. 51. 162 Zur Legitimität dieses Arguments vgl. Wagner (1975), S. 126. 153 BVerfG, NJW 1975, S. 573 ff., 576. 154 BVerfG (Anm. 153), S. 576. 155 Th. Schramm (1979), S. 28. m Vgl. oben Anm. 143.

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zurechnungsausschließenden158 Druck auf das Tatopfer entfaltet (vgl. § 35 StGB). Zum einen darf dies jedoch nicht dazu führen, dem Opferwilligen den "letzten" Ausweg zu versperren. Und zum anderen gleicht der vom Opfer erstrebte Effekt, die Rettung Dritter, den Erfolgsunwert seiner Handlung selbst dort aus, wo sie danach noch als "Frei-tod" interpretierbar ist. 49. Mit der Wesensgehaltsgarantie wäre es auch unvereinbar, unheilbar Kranke daran zu hindern, ihren physischen oder psychischen Qualen durch Suizid ein vorzeitiges (?) Ende zu setzen. Zwar beurteilt die medizinische Literatur die "Möglichkeiten und Grenzen der Schmerzausschaltung" mit medikamentösen oder operativen Mitteln relativ günstig 159. Das Recht, therapeutisch angezeigte Eingriffe verweigern zu dürfen, ist aber unstrittig auch dann gegeben, wenn seine Ausübung mit dem Eingehen lebensgefährdender Risiken verknüpft ist oder letale Folgen nach sich ziehen muß; der "nächste Schritt"160 ist, Moribunden die eigenhändige Durchführung eines subjektiv wohlerwogenen Suizids freizustellen. Zwar ist in aller Regel das Vorliegen eines "freien" Entschlusses, sich selbst zu töten, zweifelhaft, weil die - re vera oft auch im Sterbezimmer allein gegebene l6l - Sehnsucht, der Tod möge Frieden bringen und allem Leid ein Ende setzen, hinter ihm (und erst recht hinter dem Begehren, von Dritten getötet zu werden,) zurückbleibt. Diese Tatsache rechtfertigt jedoch allein, Suizidverhinderungsrechten die Funktion zuzuweisen, das Vorliegen eines "echten" Freitodverlangens offenzulegen; sie legitimiert "Rettungswillige" nicht dazu, von Kranken mit infauster Prognose für Leib und Leben Heroismus abzuverlangen und sie zum Weiterleiden zu verdammen. Um möglichen Mißverständnissen vorzubeugen: Eine auf Art. 2 I, 19 II gestützte "Freiheit zur Autoeuthanasie" besagt nicht, der Staat müsse in Sterbekliniken "Suizidabteilungen" einrichten, in denen Selbsttötungswilligen Hilfe zum Freitod geleistet werde. Denn Art. 2 I GG gewährleistet als Abwehrgrundrecht dem Einzelnen nur einen "status negativus", aufgrund dessen der Grundrechtsträger seine Entscheidung frei von staat157 Und zwar dann, wenn der Suizident die Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen ihm nahestehenden Person abwendet (vgl. § 35 StGB). 158 Der Ausdruck "zurechnungsausschließend" paßt hier besser als "schuldausschließend" , weil "Schuld" eine rechtswidrige Tat voraussetzt, an der es beim "Selbstmord" gerade fehlt. Zudem betrifft die Verteilung täterschaftsbegrundender Merkmale keine Schuldmaterie: "Der Täter ... ist Bestandteil der Tatbeschreibung" (Roxin [1975], S. 328). 159 Vgl. Mayrhofer / Porges (1976), S. 121 ff. mit weiteren Literaturnachweisen. 180 Engisch (1975), S. 1 ff. 101 Vgl. Ringel (1969), S. 60; Stengel (1969), S. 45.

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liclH,!n Eingriffen fällen und, dem eigenen GeWtissen folgend, durchführen kann; das Recht, "Leistungen" zu verlangen, beinhaltet Art. 2 I GG prinzipiell nicht1 62 • 50. Konstruktiv nicht zum "relativierungsfeindlichen" Wesensgehalt des Art. 2 I GG, sondern "nur" zu dessen Schutzbereich gehört die

Freiheit eines "gesunden" Menschen, sich (nach reiflicher überlegung) selbst zu töten. Denn wenn sich aus Sonderbeziehungen163 mittelbar164 eine Weiterlebenspflicht als Ausfluß gesteigerter Fürsorgepflichten gegenüber bestimmten Personen ergeben kann (vgl. oben Rdnr. 43), so illustriert dies mit der Einschränkbarkeit die Einzelfallgebundenheit einer Selbsttötungsmacht, die jedermann lediglich als Teil der allgemeinen, durch die "Soweit-Klausel" eingegrenzten Handlungsfreiheit gewährt ist. 51. Andererseits wäre es falsch, entgegen Art. 2 I GG den so "dem

Schutzbereich nach" eröffneten Freiraum, sich für oder gegen den Suizid entscheiden zu dürfen, unter Berufung auf eine allgemeine Weiterlebenspflicht 165 zu leugnen: Eine Rechtsnorm des Inhalts, die jedermann dem Staat gegenüber zum Weiterleben ausdrücklich verpflichtete, existiert nicht. Wohl spricht die in diesen Zusammenhang schon von alters her erwähnte 166 (und durch Art. 2 I GG geschützte 161) Auswanderungsfreiheit nicht entscheidend gegen eine "globale" Weiterlebenspflicht, da sie auch gegen zahlreiche andere, allen Bürgern auferlegte Pflichten, wie z. B. die Steuerpflicht, erfolgreich bemüht werden könnte. Und richtig ist auch, daß der Gesetzgeber aus sozialstaatlichen Gründen zunehmend dazu neigt, bloße Selbstgefährdungen zu verbieten; man denke nur an das Rechtsgebot, sich als Fahrer oder Beifahrer in einem Personenkraftwagen anzugurten. Derartige Pflichten sind aber erstens expressiv verbis normiert. Hingegen könnte sich die "Weiterlebenspflicht" allenfalls mittelbar aus den - im Wege verVgl. Th. Schramm (1979), S. 11 ff. Hierzu gehört m. E. auch die Ehe. Bezeichnenderweise versprechen sich die Ehepartner rechtlich bindend, solange miteinander zu leben, bis der "Tod" sie scheidet; mit dem Tod ist aber nicht der "Freitod" gemeint. 184 Daneben ließe sich auch an eine mittelbare Weiterlebenspflicht in folgendem Fall denken: Ein Feuerwehrmann befindet sich im Einsatz. Im Flammenmeer sieht er ein Kind; statt es pflichtgemäß zu retten, stürzt er sich in die Flammen, um sich zu töten und seiner Frau eine Versicherungssumme zukommen zu lassen. Auch hier ergibt sich mittelbar aus einer besonderen Obhutspflicht eine (situationslimitierte) Weiterlebenspflicht. 185 Schmidhäuser (1974), S. 819; Klinkenberg, JR (1978), S. 441 ff., ders., JR (1979), S. 183 ff.; Schmidhäuser, BT (1980), 2/7; Schmidhäuser, AT (1982), 8/51. 166 Vgl. Roxin (1977), S. 338. 161 Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 11 Rdnr. 23 sowie Art. 2 II Rdnr. 27 ff. 162

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fassungskonformer Auslegung jedoch einschränkbaren - Rettungsvorschriften ergeben, die die Rechtsordnung für Notlagen (vgl. Art. 16 I Nr. 2 BayPAG) und Unglücksfälle (vgl. § 323 c StGB) bereitstellt; mehr als eine (heuristisch taugliche oder untaugliche) Paraphrase des so eingefangenen Rechtszustandes liefert die Redemünze "Weiterlebenspflicht" nicht. Zweitens sind Selbstgefährdungsverbote problemreiche Eingriffe in die Personenautonomie; prinzipiell dürfen Kranke lebensverlängernde Operationen verweigern und (bislang) Gesunde Lebensrisiken durch Rauchen oder andere Süchte eingehen, die allesamt als "para-" bzw. "prä-suizidale Geschehnisse" deutbar sind. Wollte der Gesetzgeber den Vorbehalt der "verfassungsmäßigen Ordnung" im Sinne eines totalen Suizidverbots konkretisieren, müßte er konsequenterweise auch derart im Vor- und Umfeld eines Suizids liegende Handlungen untersagen und so das grundgesetzliche Bekenntnis zur Freiheit des einzelnen von den Füßen "auf den Kopf steUen" 168; das kann nicht richtig sein. Hiergegen möge drittens nicht eingewandt werden, auch eine differenzierte "Freitodthese" unterschöbe dem Grundgesetz etwas Unvernünftiges, nämlich die Garantie einer Freiheit zur Irrationalität, zur Selbstvernichtung, die mit dem (angeblichen) Wesen des Menschen, seiner "vernünftigen Freiheit", unvereinbar seP69. Denn wer den Suizid stets oder unter gewissen Umständen für eine "vernünftige" Entscheidung hält, wird bereits die Prämisse jenes Monitums bestreiten. Wer den oder diesen Selbstmord als "unvernünftig" kritisiert, muß anerkennen, daß das Grundgesetz die Leitfigur des Menschen als vernunftbegabtes Lebewesen nach allen historischen Erfahrungen nurmehr als Denkhilfe voraussetzen könnte, nicht jedoch zu dem Typus eines ,,(fremd)-vernunftunterworfenen" Lebewesens verfälschen wollte: Es garantiert durch Art. 2 I GG gerade auch die Persönlichkeitsentfaltung, die Dritten als "unvernünftig" erscheint. Ebenso mag replizieren, wer die Kategorie des Vernünftigen (Unvernünftigen) als sachinadäquat empfindet und den Suizid allenfalls als Flucht in die Sinnlosigkeit kennzeichnet: "Sinn" können nicht der Staat und seine Organe mit hoheitlichen Mitteln stiften; "sinn-voll" kann nur der einzelne sein Leben führen oder beenden. Schließlich wäre viertens die theoretisch mögliche Auflösung unserer Gesellschaft durch kollektive Selbsttötung kein taugliches Argument; denn "über die Existenz des Gesellschaftsverbandes" könnten alle einzelnen als Träger der Staatsgewalt genauso theoretisch gewiß verfügen168.

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Roxin (1977), S. 338. Vgl. Auer (1976), S. 253.

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112.225.23 "Sittengesetz" 52. Nach alledem kann die Selbsttötungsfreiheit undifferenziert nur noch durch das "Sittengesetz" als dritten und letzten Topos der Schrankentrias verboten sein. Obwohl der Große Senat des Bundesgerichtshofs in einer aufsehenerregenden Entscheidung davon sprach, das Sittengesetz mißbillige "jeden Selbstmord, von äußersten Ausnahmefällen vielleicht abgesehen, streng"170, dürfte über die Sittenwidrigkeit des Suizids kaum das letzte (verfassungs- und strafrechtswissenschaftliche) Wort gesprochen sein. Denn lediglich vom Standpunkt eines ewig-gültigen, von Gott stammenden und durch die ältere Moraltheologie vornehmlich katholischer Provenience richtig interpretierten Naturrechts aus läßt sich mit dem Großen Senat rechtsverbindlich davon sprechen, niemand dürfe "selbstherrlich über sein eigenes Leben verfügen und sich den Tod geben" 170. Sieht man dagegen mit dem Bundesverfassungsgericht im Sittengesetz "werdendes Naturrecht", dessen Gelten von der allgemeinen Anerkennung, die es erfährt, abhängt l7l , kann von einem allgemein anerkannten Werturteil, der Suizid sei sittlich verwerfbar, keine Rede sein172. 53. Bereits in der evangelischen Ethik mehren sich die Stimmen, die den Suizid nicht stets als moral widrig verurteilen. Am prononciertesten spricht sich wohl Bonhoeffer für die "Freiheit des Lebensopfers"173 und gegen die ..Absolutsetzung des Verbots der Selbsttötung" aus; im Ergebnis stellt Bonhoeffer unheilbar Kranke von jeder Verurteilung frei und erkennt ein Recht des "normalen" Suizidenten an, das .. allein an dem lebendigen Gott" zerbreche174 • Dies bedeutet nichts anderes, als daß der Suizid, allein in religiöse Bezüge gestellt, sittlich ungetadelt bleibt; eine nur religiöse, auf Gott hin relativierte Verwerflichkeit des Suizids reicht nicht hin, um in einem auf Konsens angelegten, weltanschaulich und religiös neutralen Staat ein rechtsverbindliches Urteil, der Freitod sei sittenwidrig, zu begründen175.

170 BGHSt. - GS - 6, S. 147 ff., 153. Kritisch: Bader, JZ (1956), S. 375; Blindauer (1962), S. 49; Dreher, MDR (1952), S. 712; von Els (1961), S. 42 f.; Friebe, GA (1959), S. 170; Henkel (1964), S. 148 f.; Schweiger, NJW (1955), S. 818; Simson / Geerds (1969), S. 65 f.; Wagner (1975), S. 48 ff., 94 ff.; Weischedel (1955), S. 28. Vorsichtig zustimmend: Arthur Kaufmann, JStW (1961), S. 369 f.; Bockelmann, NJW (1961), S. 950; Scholz (1979), S. 127. 171 Vgl. BVerfGE 6, S. 389 ff., 434 ff.; 12, S. 1 ff.; 4. Vgl. dazu Erbel (1971), S. 53 f.; H. Peters (1953), S. 669 ff., 673, 677. 172 Vgl. i. E. Wagner (1975), S. 94 ff. 173 Vgl. auch Joh. 15, 13: Niemand hat eine größere Liebe, als wer sein

Leben hingibt für seine Freunde. 174 Vgl. Bonhoefer (1963), S. 179 ff. insbes. S. 182, 183. Vgl. aus ethischer Sicht ferner: Sommer, Wege zum Menschen, (1967), S. 132 ff.; Oestereich, ZEE (1966), S. 144 ff.; Holderegger (1982). 175 Wagner (1975), S. 103; Becker, ZEE (1959), S. 51.

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54. Erst recht ist zur Zurückhaltung ein Gemeinwesen verpflichtet, dessen staatliche Organe ihre Macht nicht von Gott, sondern vom Volk empfangen (Art. 20 II S. 1 GG) und auf die grund gesetzliche Wertordnung, namentlich die freie Entfaltung des Einzelnen, verpflichtet sind. Daher verweist das "Sittengesetz" im Sinne von Art. 2 I GG auch nicht auf eine verfassungsrechtlich festgeschriebene Zusammenfassung unveränderlicher Sollenssätze. Vielmehr verzahnt Art. 2 I GG das "Sittengesetz" als interpretationsoffene Generalklausel von vorneherein mit den anderen beiden Schrankentopoi und der durch die Grundrechte aufgerichteten Wertordnung, von der es seinen Aussagegehalt bezieht und in deren Lichte es in spezifischer Weise eingefärbt wird 176 : Es umfaßt nur solche allgemein anerkannten Normen, die "in der durch Art. 1 I GG geschützten Selbstbestimmung der Persönlichkeit" gründen und eine allen Grundrechten immanente "ethische Nichtstörungsschranke" aufrichten 177/8. Mithin: Ein Suizid, der weder die Rechte anderer antastet noch für ein der Selbstverwirklichung des einzelnen verpflichtetes Gemeinwesen sozialschädlich wirkt179 , verstößt nicht gegen das von Art. 2 I GG gemeinte "Sittengesetz" . Demnach wird man wohl noch den "freien" Suizid eines Unverpflichteten für "sittenwidrig" halten können, wenn er - vor Zeugen vollzogen -einen "Werthereffekt" entfalten180 und andere kraft seiner suggestiven Macht1 81 verleiten könnte, die "Reise ohne Wiederkehr" anzutreten. Das Urteil, jeder, auch der "privateste", Selbstmord sei "sittenwidrig", läßt sich aber nicht begründet fällen.

112.23 Der Suizid - eine entschuldigte Tat? 55. Wer den Freitod als Selbst-mord qualifiziert und den §§ 211 ff. StGB als rechtswidrige Tat subsumiert182 , muß - will er den Suizid(versuch) aus innerdeliktssystematischen Gründen für straflos erklären - eine "Entschuldigung" annehmen 183 • Eine solche Hypothese ist jedoch mannigfachen Bedenken ausgesetzt. Vgl. Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I GG Rdnr. 16. Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I GG Rdnr. 74. 178 Um ein Literaturbeispiel (vgl. Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I GG Rdnr. 74) aufzugreifen: Sittenwidrig wäre es, wenn eine Sekte mit Nacktkultur aus Glaubensgründen neue Mitglieder werben würde. "Sittenwidrig" ist auch das sog. "flicty fishing", der Einsatz sexueller Leistungen, wie es von den sog. "Familie der Liebe" (Kinder Gottes) als systematisches Werbemittel propagiert wird. 179 Vgl. Rudolphi (1970), S. 161. 180 Zum Nachahmungs- oder "Werthereffekt" publizierter oder literarisch geschilderter Selbstmorde Philipps (1974), S. 340 ff.; Motto (1970), S. 143 ff. 181 Vgl. Ringel (1978 a), S. 271. 182 Vgl. Schmidhäuser (1974), S. 801 ff.; Schmidhäuser, BT (1980), 2/7; Schmidhäuser, AT (1982),8/51. 176

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56. Zweifelhaft ist schon, was in Suizidfällen den gesetzesgebundenen Interpreten legitimiert, über die in Suizidfällen nicht stets analog anwendbaren gesetzlichen Schuldausschließungs- (§§ 19, 20 StGB, § 3 JGG184) und Entschuldigungsgründe (§ 35 StGB) hinaus einen übergesetzlichen "Ausschluß der Rechtsschuld"183 anzuerkennen. Selbst wenn man aus humanitären und kriminalpolitischen Erwägungen keinem "numerus clausus" der Entschuldigungsgründe das Wort redet1 85 das (präventiv auszufüllende 186) Regulativ der "UnzumutbarkeitU187 , mit dessen Hilfe sich die gesetzlich anerkannten Gründe des Verantwortungsausschlusses vorsichtig erweitern ließen, hat bislang nur im Ergebnis bei fahrlässigem Verhalten und bei unechten Unterlassungsdelikten einen (konstruktiv-dogmatisch umstrittenen188) Zurechnungsausschluß getragen - unbeschadet aller bereits dort gegebenen Abgrenzungsprobleme 189 . Im Bereich der hier vornehmlich interessierenden vorsätzlichen Begehungstaten hat das Bundesverfassungsgericht zwar die Frage bejaht, ob ein (tatbestandmäßiges, rechtswidriges und nach herkömmlichem Verständnis schuldhaftes) "Handeln aus Gewissensgründen" straffrei ist, wenn "Kriminalstrafe ... - unabhängig von ihrer Höhe - ... unter keinem Aspekt (Vergeltung, Prävention, Resozialisierung des Täters) eine adäquate Sanktion" ist l90 • Von seltensten Ausnahmefällen wie einem "Opfertod" abgesehen, handelt der Suizident aber nicht aus Gewissensnot (vgl. oben Rdnr. 8). Auch die Beispiele "quantitativen Lebensnotstandes"191, die die Literatur gegen den Widerstand der Rechtsprechung192 z. T. als Fälle eines übergesetzlichen entschuldigenden Notstandes lösen will 193 , passen mit denen des Suizids kaum zusammen. Denn entweder geht es dort (vgl. NS-EuthanasieFälle)194 um rechtswidrige Eingriffe in fremdes Leben oder um die Kol-

So Schmidhäuser (1974), S. 814 f. JGG = Jugendgerichtsgesetz. 185 Vgl. dazu Achenbach, JR (1975), S. 498 ff., 495. IBS Vgl. dazu Roxin (1974 a), S. 190 ff. IB7 Vgl. dazu statt aller Schönke / Schröder / Lenckner (1982), Rdnr. 110 ff., 122 ff. vor §§ 32 ff. mit Nachweisen. Grundlegend: Henkel (1954), S. 249 ff. IBB Zur Frage, ob es insoweit nur um "Schuld- u oder schon um Rechtswidrigkeitsausschluß geht, vgl.: Baumann, AT (1977), S. 260; Henkel (1954), S. 280 f.; Jescheck, AT (1978), S. 484, S. 515; Schmidhäuser, AT (1975), 16/84, insbes. mit weiteren Nachweisen in Fußnote 66; Schmidhäuser, AT (1982), 8/41 und 12/70 ff. 189 Vgl. Schünemann, JA (1975), S. 791 f. 190 BVerfGE 31, S. 98 ff. 191 Schönke / Schröder / Lenckner (1982), Rdnr. 116 vor §§ 32 ff. mit Nachweisen. 192 OGHSt. 1, S. 335 ff. Offengelassen durch BGHSt. 6, S. 58. 193 Vgl. die Nachweise bei Schönke / Schröder / Lenckner (1982), Rdnr. 115 f. vor §§ 32 ff. 183

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lision zweier gleichrangiger, vom "Täter" nicht gleichzeitig erfüllbarer Pflichten (Der Notfallarzt kann zwei zur selben Zeit eingelieferte Unfallopfer gleichen Lebensalters und mit gleichen Überlebenschancen nicht gleichzeitig an eine Herz-Lungen-Maschine anschließen)195. Der Suizident bringt aber - handlungsunwertbedeutsam! - weder einen Dritten um, noch ist bei ihm eine Pflichtenkollision gegeben. Durch seinen Freitod erfüllt er keine Pflicht, sondern verletzt allenfalls die "Rechtspflicht, weiter zu leben". Das Recht stellt ihm die Selbsttötung auch nicht etwa frei, weil es - wie im Notarztfall - eine objektiv ausweglose Situation vorfindet und nur noch appellieren könnte, möglichst gewissenhaft zu handeln 196 ; es garantiert ihm grundrechtlich einen Raum freier Entscheidung, in den nur unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, des Übermaßverbots und des Wesensgehalts der allgemeinen Handlungsfreiheit eingegriffen werden darf - auch dann, wenn der Suizidwunsch purem Lebensüberdruß oder einer nur subjektiv gravierend empfundenen "Not" entspringt. 57. Erst recht stellen sich "unüberwindliche Schwierigkeiten"197 ein, wenn die übergesetzliche Entschuldigung des Suizids "in Analogie zu den gesetzlichen Entschuldigungsgründen" begründet werden SOll198. Denn während ein nach § 35 StGB entschuldigter Täter in einer singulären, eng definierten Motivationslage ohne generelle Wiederholungsgefahr ein von außen bedrohtes Rechtsgut erhäJt199, handelt der Suizident in einer "beispielgebenden" Situation200 aus unterschiedlichsten Motiven, ohne durch seine "Tat" ein Rechtsgut vor dem Untergang zu bewahren. § 33 StGB, der nach vordringender Ansicht mit dem sog. 194 Hierzu gehört m. E. die Teilnahme an den NS-Euthanasieaktionen, da die Rechtsordnung von den Ärzten die Verweigerung jeder Mitwirkung verlangte; der Geheimbefehl Hitlers hatte schon mangels öffentlicher Verkündigung auch nach damaligen "Verfassungsverständnis" keinerlei Rechtsqualität (vgl. insgesamt Engisch [1948], S. 24 ff.). Arthur Kaufmann will zugunsten der Ärzte allerdings "Unverbotensein" annehmen, da das Gesetz wegen der Ausweglosigkeit der Lage nicht mehr als gewissenhaftes Handeln verlangen konnte (Arthur Kaufmann [1972], S. 230); ebenso i. E. Blei, AT

(1977), S. 190 f.

195 Beisp1el nach Schönke / Schröder / Lenkner (1982), Rdnr. 116 a. E. vor §§ 32 ff. StGB. lee Vgl. Blei, AT (1977), S. 190 f. 197 Roxin (1977), S. 340. 198 Für eine solche Analogie Schmidhäuser, AT (1975), 11/33; Schmidhäuser,

AT (1982),8/39. 181 Vgl. Roxin (1977), S. 341; Ulsenheimer (1976), S. 92 ff. 100 "Beispielhaft" wirkt ein Suizid(versuch) als suggestibles Phänomen sowohl für andere (vgl. Ringel [1978 a], S. 271) als auch - wie die erhöhte Suizidalität dessen, der bereits einen Freitodversuch unternahm, zeigt für den Suizidenten. Präventive Gründe sprechen insofern für eine konsequente Tabuisierung des Suizidversuchs.

113. Zwischenergebnis

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Notwehrexzeß auch einen "Entschuldigungsgrund" regelt2° 1 , paßt schon deshalb nicht, weil dem Suizid in aller Regel kein "rechtswidriger Angriff" vorausging. Nicht immer analogiefähig ist schließlich § 20 StGB: Die "Krankheit", die den Suizidenten zum Tode führt, ist nicht stets (von) eine(r) "Geisteskrankheit" (überlagert und durch sie bedingt)202. Mithin: Für die gesetzliche "Anerkennung eines speziellen, die Rechtsschuld ausschließenden Entschuldigungsgrundes, nämlich des Erlebnisses der völligen Sinnlosigkeit des eigenen Lebens durch den Täter''203, liefert die Analogie zu den §§ 35, 33, 20 StGB keinen Fingerzeig204 . 113. Zwischenergebnis 58. Anders als herrschende Lehre und Rechtsprechung glauben, siedelt der eigenverantwortlich und fremdgefährdungsfrei vollzogene Suizid nicht unverboten in einem rechtsfreien Raum. Er ist vielmehr eine mitunter rechtswidrige (z. B. Rdnr. 43), mitunter rechtmäßige Handlung, die vorzunehmen Art. 2 I GG in limitiert (Art. 19 II GG) einschränkbarer Weise verbürgt. Oder anders gesagt: Art. 2 I GG garantiert die freie, vor dem eigenen Gewissen zu verantwortende Suizidentscheidung des einzelnen, ohne daß es für deren Durchführung eines rechtsfreien Raumes bedarf. Zugleich gibt Art. 2 I GG mit der "Schrankentrias" die Grenzen an, die das geltende Verfassungsrecht der allgemeinen Handlungs- und mit ihr der Suizidfreiheit setzt: die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz. Art. 19 II GG bewahrt schließlich den "Wesenskern" der Suizidfreiheit vor Eingriffen. Selbst auf die Gefahr hin, die Kritik zu überschärfen: Die Lehre von der "Rechtswidrigkeit des Suizids" hat unrecht, soweit sie eine allgemeine Weiterlebenspflicht statuiert. Sie hat recht, soweit sie i. E. für einige Fälle die Pflichtwidrigkeit eines Freitodes behauptet. Die Lehre vom "rechtsfreien Raum" ist im Unrecht, wenn sie für den Suizid "Verjassungsrechtsfreiheit" behauptet. Sie hat recht, soweit sie für den "Kern" der Suizidfreiheit "Rechtseingrijjsfreiheit" postuliert. Denn das (Verfassungs)Recht schweigt sich nicht - wie etwa zu einer 201 Roxin (1975 a), S. 105 ff., 125 ff.; Schmidhäuser, AT (1982), 6/85, 8/29; Lac1cner (1981), § 33, Anm. 1. 202 Vgl. dazu: Sonneck / Ringel (1976), S. 77 ff.; Ringel (1969), insbes. S. 51 ff.; Quatember (1969), S. 117 ff.; Sonneck (1976), S. 19 ff. Bnngewat (1976), S. 228, 368; Klieeisen, in: Eser, (1976), S. 227. 203 So aber Schmidhäuser (1974), S. 815.

204 Im übrigen verzeichnet die These, Suizide beruhten auf dem Erlebnis der völligen Sinnlosigkeit des eigenen Lebens, oft die Realität. Denn Suizide werden aus einem ganzen Motivgeflecht unternommen, unter dem sich z. B. auch Aggressions- und Strafwünsche befinden können (vgl. Ringel (1969],

S. 51 ff.; StenQel [1969], S. 9 ff.).

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11 Der selbst verantwortlich ausgeführte Suizid

in auswegloser Situation gegebenen Kollision zweier gleichrangiger Rettungspflichten (vgl. oben Rdnr. 56) - über den Suizid aus, sondern versucht, für die freie Entscheidung des einzelnen Gewähr zu leisten, ohne Belange Dritter oder der Allgemeinheit zu vernachlässigen; es garantiert die Freitodfreiheit Suizidmündiger und erklärt zugleich jeden Freitod für verhütungsfähig, sofern der Retter sich, ohne in den Wesensgehalt des Art. 2 I GG einzugreifen, auf einen zur verfassungsmäßigen Ordnung gehörenden Rechtfertigungsgrund berufen kann (Rdnr. 100 ff.). Man mag in diesem relativierenden Kompromiß einen Rest individualistischer Ethik vermuten und degoutieren: Die Strafrechtsfreiheit der Selbsttötung ist jedenfalls kein Grund, mit der h. L. weiterhin auf eine dem (Verfassungs-)Recht vorgegebene Lücke zu schließen. 58 a. Allerdings ist im Lichte neuerer suizidologischer Erkenntnisse und Interpretationen der präsuizidalen Befindlichkeit von Lebensmüden zu klären, ob Sterbenswillige grundrechtsmündig, genauer: sub specie legis freitodmündig sein können, will sagen: ob und wann sie in der Lage sind, die Bedeutung einer Selbsttötung einzusehen und freiverantwortlich zu handeln. Hier sei nur die Hypothese gewagt, daß es therapeutisch sinnvoll ist, von einer krankhaften, d. h.: kurierbedürftigen und (insbesondere bei freiwilliger Therapieannahme) kurierfähigen, Suizidneigung schon zu sprechen, wo nach rechtlichen Kriterien noch die Fähigkeit gegeben ist, freiverantwortlich Lebensrisiken einzusehen und den Tod zu suchen; diese spannungsreiche Kluft will namentlich bei der Verhinderung von Suiziden "Freitodmündiger" und bei der aktiven oder passiven Beteiligung Dritter an "Freitod(versuch)en" hedacht sein (vgl. unten Rdnr. 100 ff., insbes. 128 - 143 ff., 269 - 271, sowie Rdnr. 325 ff., insbes. 347 - 359).

12 Die Rechtsprechung 59. Wer nach dieser Prämissensetzung wähnte, es müsse nur noch um unwichtige oder leicht zu lösende Details gestritten werden, irrte. Denn die Fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen Suizide verhindert werden dürfen, Dritte verpflichtet sind, rettend in suizidale Geschehnisse einzugreifen und welches Strafrisiko sie laufen, wenn sie befugnislos Suizidenten gewaltsam am Tode hindern, unerlaubt ihre Rettungspflicht unerfüllt lassen oder gar an der Selbsttötung aktiv mitwirken, schneiden wichtige Folgeprobleme an, deren Lösungen bis heute (selbst unter denen) hochumstritten geblieben sind (die von der Tatbestandslosigkeit des Suizids ausgehen).

121. Darstellung und Kritik 50. Großer Flexibilität bedarf, wer all die verschlungenen Pfade nachvollzieht, die die Rechtsprechung205 windungsreich durch den ihr gestellten Problemdschungel schlägt. 121.1 Die vorsätzliche aktive Mitwirkung

51. Einsehbar ist noch der Ansatz, den die Gerichte wählen: Da sie den Freitod mit der herrschenden Lehre nicht den §§ 211 ff. StGB subsumieren, die strafbare Teilnahme aber nach den gesetzlichen Bestimmungen eine (tatbestandsmäßige!) rechtswidrige Tat voraussetzt (vgl. §§ 11 I, Nr. 5, 25, 27 StGB), erklären Reichsgericht und Bundesgerichtshof die vorsätzlich geleistete aktive Mithilfe beim Selbstmord sowohl in Form der Beihilfe206 als auch der Anstiftung 207 für prinzipiell straf205 Aus der Rechtsprechung des Reichsgerichts vgl. zur "Suizidproblematik" : RGSt 7, 332 ff., RGJW 1921, S. 579 ff.; RGSt. 70, S. 313 ff. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes vgl.: BGHSt. 2, S. 152 ff.; 6, S. 147 ff.; 13, S. 162 ff.; 19, S. 135 ff.; 24, S. 342 ff.; BGH JR 1955, S. 104 ff.; BGH JR 1956, S. 347 ff.; BGH, NJW 1960, S. 1821 ff.; BGH, MDR 1960, S. 939 ff. BGH JR 1979, S. 429. Aus der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte: OLG Düsseldorf, NJW 1973, S. 2215 ff. 208 RGJW 1921, S. 579 (Nach dem Entschluß, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden, hatte der Mann die Gashähne geöffnet, das Mädchen die Türritzen verstopft. Der Mann wurde gerettet): ein Fall der Tötung auf Verlangen und nicht der (straflosen) Beihilfe auf Verlangen. Ebenso RGSt. 70, S. 313 ff., 315: einseitig fehlgeschlagener Doppelselbstmord als Beihilfe zum Selbstmord straflos. BGHSt. 2, S. 150 ff. (= JZ 1952, S. 370 ff. mit Anmerkung von Gallas; Ehefrau läßt Ehemann, der sich zu erhängen versucht und den sie nach Eintritt der Bewußtlosigkeit vorfindet, hängen): "Eine ,Beihilfe' zur Selbsttötung kennt das deutsche Strafrecht nicht" (S. 152). BGHSt. 13, 162 ff., 167:

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12 Die Rechtsprechung

los208: "Wer ... einem anderen seinen Revolver leiht, mit dem dieser sich erschießt"209, ist danach genausowenig strafbar wie der Schwiegersohn, der seiner des Altersheimes überdrüssigen Schwiegermutter rät, "sich (in einen Teich) vornüberfallen zu lassen" und so zu ertränken210 ; straffrei ist auch der Geliebte, der seiner Geliebten hilft, sich selber medikamentös oder durch Gas zu vergiften211 , mag er auch innerlich froh sein, das Verhältnis so lösen zu können, oder mit ihr - für beide oder nur für einen Teil - erfolglos den Tod suchen212 . 62. Theoretisch gewiß ist sich die Rechtsprechung auch noch in dem "Dauermerkposten" , es gelte die vorsätzliche Mitwirkung am Suizid vom Mord, vom Totschlag oder von der Tötung auf Verlangen abzugrenzen213 • Denn tatbestandslos kann der Tötungsbeitrag nur solange sein, als er "sich auf die bloße Förderung einer Selbsttötung beschränkt, also nicht in täterschaftliche Fremdtötung übergeht ... und die Selbsttötung auf einer freiverantwortlichen Willens entschließung beruht"214: Wer dem Lebensmüden die Pistole und die Munition kauft, mit der dieser sich erschießt, hebt im entscheidenden Augenblick die Macht des Suizidenten, sein Leben wegzuwerfen oder sich eines anderen zu besinnen, nicht auf. "Wer den Lebensmüden erschießt", beherrscht hingegen quasi "rucktrittshindernd" das Geschehen und "ist strafbar nach § 216 StGB, mag er zunächst auch noch so sehr Widerstand geleistet und mag der Getötete noch so hartnäckig und unermüdlich auf die Ausführung gedrängt und den Widerstand dadurch überwunden haben"215.

Nach § 216 StGB könne nur bestraft werden, wer das zum Tode führende Geschehen beherrschen wolle. "Eine etwaige ,Beihilfe' zur Selbsttötung wäre wegen Fehlens einer Strafdrohung gegen den Freitod als solche nicht strafbar." BGHSt. 19, 135 ff., S. 135 (mit Anmerkung von GaZlas, JZ [1966], S. 633 ff.): "Beim einseitigen fehl geschlagenen Doppelselbstmord ist der Überlebende nach § 216 StGB zu bestrafen, wenn er das Geschehen beherrscht hat (Tatherrschaft). Andernfalls liegt straflose Beihilfe zum Selbstmord vor". 207 Vgl. Schönke / Schröder / Eser (1982), Rdnr. 36, 38 vor §§ 211 ff.; u. U. BGHSt. 13, S. 162 ff. 208 Vgl. auch OLG Düsseldorf NJW 1973, S. 2215 ff.; BayObLG NJW 1973, S. 565: Nichteinweisung von Suizidenten durch Arzt ins Krankenhaus. 201 Beispiel von Roxin (1978), S. 96. 210 BGHSt. 13, S. 162 ff., 166. m RGJW 1921, S. 579; vgl. auch RGSt. 70, S. 313 ff., 315; BGHSt. 19, S. 135 ff. 212 "Einseitig" oder zweiseitig fehlgeschlagener Doppelselbstmord, vgl. die Nachweise in Fn. 211. 213 Vgl. oben die Nachweise in Fn. 205, insbes. BGHSt. 13, S. 168 sowie z. B. BGHSt. 19, S. 137: Es kommt darauf an, ob die Tätigkeit des Angeklagten als strafbare Beihilfe zur Selbsttötung oder als strafbare Tötung auf Verlangen zu beurteilen ist. 114 Schönke / Schröder / Eser (1982), Rdnr. 36 vor §§ 211 ff. (Hervorhebungen bei Eser); vgl. auch Meurer, BT (1980), S. 134. m So BGHSt. 19, S. 139.

121. Darstellung und Kritik

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63. Offen ist aber, wie und wo generell und im Einzelfall die Grenzen zwischen "frei"- - besser: "eigen"- und "fremdverantwortlichem Suizid zu ziehen sind. Der Bundesgerichtshof hat bislang nur den Freitodwunsch eines 16jährigen Mädchens als "frei" anerkannt216 , ohne unveranlaßt darüber zu befinden, ob und unter welchen Bedingungen die aktive Förderung der Selbsttötung Unerwachsener als Mord oder Totschlag zu bewerten ist217 • Ebenso unentschieden ist die Mitwirkung am eigenhändigen Tod V01l 218 oder vermindert Schuldunfähiger218 sowie die dolose Erregung eines suizid auslösenden Irrtums 22o • 64. Und gänzlich jeder inneren Logik entbehrt, daß die aktive Selbstmordbeteiligung von Garanten straflos sein soll, wenn - jedenfalls nach der Rechtsprechung221 - strafrechtlich (nach den §§ 211, 212, 13 StGB) haftet, wer den Suizid einer Person geschehen läßt, für deren Wohlergehen er einzustehen hat: Wer dem lebensmüden Ehegatten den Strick straflos aushändigen darf, wird kaum verstehen, wieso er "wegen der nachträglich ausgebliebenen Lebensrettung, z. B. wegen unterlassenen Abschneidens" strafbar ist222 • 121.2 Die fahrlässige aktive Mitwirkung

65. Genügend Stoff zum Rätseln bietet Knobelwütigen auch die Rechtsprechung zur fahrlässigen Mitverursachung einer Selbsttötung. Von der Rechtsprechung anerkannt ist eigentlich nur, daß die fahrlässige aktive Suizidverursachung dann (gemäß § 222 StGB) strafbar ist, wenn dem Suizidvorhaben von vorneherein die Eigenverantwortlichkeit fehlte und dem Mitwirkenden auch im übrigen der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann223 ; danach haftet z. B., wer einem suizidgefährdeten Geisteskranken, dem die Einsicht in die Bedeutung seiner Tat fehlt, fahrlässig eine geladene Pistole überläßt, mit der die210 BGHSt. 19, S. 135 ff. (S. 135: "das weit über sein Alter hinaus gereifte Mädchen"; S. 137: Daß das Mädchen den Tötungsbeitrag des Angeklagten "wünschte - und auf Grund ihres frei und unbeeinflußtgefaßten Entschlusses ... wirksam werden ließ ..."). 217 Vgl. dazu Roxin (1977), S. 349; ders., LK (1978 b), § 25 Rdnr. 84; ders. (1975), S. 240 ff. 218 In RGSt. 7, 332 ging es um die Selbsttötung einer Geisteskranken in einer Anstalt und um die Frage, ob und wie die unaufmerksamen Wärterinnen hierfür haften. 218 Vgl. dazu Roxin, LK (1978 b), § 25 Rdnr. 85 ff.; ders. (1975), S. 236 f. !ZO Vgl. dazu Roxin, LK (1978 b), § 25 Rdnr. 83; ders. (1975), S. 225 ff. 121 Vgl. z. B. BGHSt. 2, S. 150 ff.; 6, S. 154. 22! Geilen, JZ (1974), S. 153. Vgl. zum Ganzen auch Herzberg (1972), S. 265 ff., der die aktive Selbstmordteilnahme vom Garanten generell bestrafen will. 228 Vgl. RGSt. 7, S. 332 ff. (Dort ging es allerdings nach Ansicht des Reichsgerichts um "Unterlassen", nämlich um die Frage, ob die Selbstentleibung einer Geisteskranken in einer Anstalt den unaufmerksamen Wärterinnen zuzurechnen sei.)

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ser sich erschießt 224 . Soweit es aber um die fahrlässige Beteiligung an freiverantwortlich gewollten Selbstgefährdungen und Selbsttötungen geht, verstrickt sich der Bundesgerichtshof in heillose Widersprüche: 66. Nach einem Urteil aus dem Jahre 1955 225 kann sich der fahrlässigen Tötung "auch schuldig machen, wer mit einem Angetrunkenen eine Wettfahrt auf Krafträdern" auf dessen Wunsch hin "veranstaltet, bei der dieser infolge eigenen Verschuldens tödlich verunglückt"226. Richtig kann dies aber nur dann sein, wenn die Trunkenheit - dem Mitwirkenden erkennbar - die Eigenverantwortlichkeit des Opfers ausgeschlossen hätte. Denn wer die Straflosigkeit der vorsätzlichen aktiven Teilnahme an der Selbsttötung akzeptiert, muß zunächst annehmen, daß das Gesetz auch die fahrlässige Suizidbeteiligung straffrei läßt 227 ; und er muß im Wege eines "argurnenturn a maiore ad minus" auch die aktive Mitwirkung an fremder Selbstverletzung und Selbstgefährdung für straflos halten22B . 67. Daß der Bundesgerichtshof sich dieser Gegenargumentation nicht verschließt, zeigt ein Urteil aus dem Jahre 1972229 • Es spricht einen Polizisten, der seine geladene Dienstpistole auf das Armaturenbrett seines Wagens gelegt und hierdurch seiner alkoholisierten und depressiven Freundin den Suizid ermöglicht hatte, frei: "Wer mit Gehilfenvorsatz den Tod eines Selbstmörders mit verursacht, kann nicht bestraft werden, weil der Selbstmord keine Straftat ist. Dabei gehört zum Gehilfenvorsatz, daß der Gehilfe weiß oder zumindest damit rechnet oder billigend in Kauf nimmt, es werde zum Tode des Selbstmörders kommen. Schon dies verbietet es aus Gründen der Gerechtigkeit, denjenigen zu bestrafen, der nur fahrlässig eine Ursache für den Tod eines Selbstmörders setzt. Er ist sich - bei bewußter Fahrlässigkeit - wie der Gehilfe der möglichen Todesfolge bewußt, nimmt sie aber im Gegensatz zu jenem nicht billigend in Kauf. Bei unbewußter Fahrlässigkeit fehlt das Bewußtsein der möglichen Todesfolge. Es geht nicht an, das mit einer solchen inneren Einstellung verübte Unrecht strafrechtlich strenger zu bewerten als die Tat desjenigen, der mit Gehilfenvorsatz dasselbe Unrecht bewirkt, nämlich den Tod des Selbstmörders mitverursacht ..."220

68. Wie immer dieses Ergebnis in die Fahrlässigkeitsdogmatik ein geordnet230 und argumentativ verfeinert werden mag 231 , teleologischer 224

225 228 227 228 229

Vgl. RGSt. 7, S. 332 ff.; Roxin (1975), S. 236 f. Vgl. BGHSt. 7, S. 112 ff. (2 StH 366/54) Urteil vom 25. 1. 1955). Sachverhaltsgemäß ergänzter Leitsatz. So BGHSt. 24, S. 342 ff. So Roxin (1973), Fall 3, Anmerkung, S. 7. BGHSt. 24, S. 342 ff. Vgl. aber auch BGH JR 1979, S. 429 m. Anm. von

Hirsch.

230 Vgl. dazu Roxin (1973 a), S. 243 ff. 231 Horn, SK BT (1980), § 212 Anm. 21; Lackner (1981), § 211, Anm. 4; Roxin (1973), S. 243 ff.; Rudolphi, SK AT (1981), Rdnr. 79 vor § 1; Simson (1976),

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Konsequenz entbehrt es nicht: Wie die §§ 211 ff. StGB so bezweckt auch § 222 StGB "nicht den Schutz desjenigen, der sich selbst töten will bzw. ein Risiko bewußt und freiwillig aufsucht"232. Freilich hätte deshalb nicht nur die aktive 233 fahrlässige Mitverursachung an der Selbsttötung straflos erklärt werden müssen. Straffrei hätte aufgrund dieser "negativen" Zweckbestimmung der Tötungstatbestände auch ausgehen müssen, wer fahrlässig und vorsätzlich den Freitod eines eigenverantwortlich handelnden Lebensmüden geschehen läßt, gleichviel, ob er diesem gegenüber als behandelnder Arzt, Elternteil, Ehepartner, Verlobter oder aus anderen Gründen in einem besonderen Pflichtenverhältnis steht oder nicht; denn auch ein "Garant", der es unterläßt, den Suizid eines Fürsorgeberechtigten zu verhindern, achtet dessen freiverantwortliche und vom Recht tolerierte Entscheidung. 69. Die Rechtsprechung hat sich zu solcher normzweckorientierter Konsequenz bislang nicht bereit gefunden - vielleicht, weil sie die Straffreiheit der fahrlässigen aktiven "Beihilfe zum Selbstmord"223 (nicht aus der ratio der §§ 211 ff. StGB, sondern) aus "Gründen der Gerechtigkeit"234 folgert, die hinter ihrer hellen Wortfassade jenseits evidenter Fälle Verstecken zu spielen pflegen. Stattdessen hält sie an ihrer These fest, daß man den Tod eines Suizidenten spätestens verhindern müsse, sobald dieser - etwa wegen Eintritt der Bewußtlosigkeit und Handlungsunfähigkeit 235 - sein Tun nicht mehr frei steuern236 und selber verantworten könne237 ; ein zur Rettung besonders verpflichteter Garant (z. B. der Ehepartner238 , ein naher Angehöriger 239 oder der behandelnde Arzt240 ) sei bei pflichtwidriger Nichthinderung des Suizids je nach Schuldform wegen eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Tötungsdelikts (nach §§ 211, 222, 13 StGB) strafbar, jeder S. 68 ff., 115 f.; differenzierend Dreher / Trändie (1981), Rdnr. 4 vor § 211; van EIs, NJW (1972), S. 1476; Schönke / Schröder / Eser (1982), Rdnr. 36 vor § 211; Spendei, JuS (1974), S. 756 ff.; Kohlhaus, JR (1973 a), S. 53 ff.; Geilen,

JZ (1974), S. 145 ff. 232 Roxin, ESJ AT (1973), Fall 7 Anmerkung S. 13. 233 So die Ausdrucksweise von BGHSt. 24, S. 342 ff. 236 BGHSt. 24, S. 344. 235 BGHSt. 13, S. 162 ff., 167 f. 236 Roxin (1978), S. 97, 237. 237 Kritisch zu dem vom BGH propagierten "Verantwortungswechsel": Bringewat, NJW (1973), S. 540 f.; Dreher, JR (1967), S. 271; GTÜnwald, GA (1959), S. 121; Heinitz, JR (1961), S. 29; Kauzcor, NJW (1962), S. 479 f.; Kreuzer (1965), S. 58 f.; Wagner (1975), S. 29; a. A. Gallas, JZ (1952), S. 371; ders., JZ (1954), S. 641; ders., JZ (1960), S. 691 f.; Geilen, JZ (1974), S. 145 f. 238 BGHSt. 2, S. 150 ff. 238 Roxin (1978), S. 97. 2«0 BayObLG, NJW 1973, S. 565 ff.

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12 Die Rechtsprechung

andere könne wegen unterlassener Hilfeleistung (gemäß § 323 c StGB) bestraft werden. 121.3 Vorsätzliche Beteiligung eines Garanten am Suizid durch Unterlassen

70. "Leading case" dieser "Verurteilungstradition" ist eine Entscheidung aus dem Jahre 1952241 . Der "makabre Sachverhalt"242 war folgender: Ein geistig gesunder Mann versuchte, sich wegen ehelicher und häuslicher Zerwürfnisse durch Erhängen zu töten. Als er schon bewußtlos, aber noch zu retten war, kam seine Ehefrau hinzu; sie ließ ihn aber hängen, obwohl sie ihren Mann ohne größere Mühe durch Abschneiden hätte retten können. Sie war nämlich "mit dem Verlauf der ohne ihr Zutun in Fluß gekommenen Dinge einverstanden und wollte ihn nicht durch Hilfeleistung abändern". Der Mann starb. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs bewertete dieses Verhalten als Totschlag durch Unterlassen. Wer wie die Angeklagte mit ihrem Mann "in Ehegemeinschaft" lebe und daraus "besonders verpflichtet" sei, dürfe es nicht unterlassen, den vom Suizidenten "veranlaßten Ursachenablauf zu unterbrechen"; andernfalls sei sie der vorsätzlichen Tötung (gemäß § 212 StGB i. V. m. § 13 StGB) durch Unterlassen schuldig. 71. Unter die gleiche Strafdrohung stellt der Bundesgerichtshof expressis verbis "Polizeibeamte, Feuerwehrmänner, Schwimmlehrer, Lehrer überhaupt, den Leiter eines Internats, den Vorstand einer Erziehungsanstalt, Krankenpfleger und Kindermädchen"243 oder - weniger betulich-exemplifizierend gesagt - jeden, der (auf Grund gesetzlicher Anordnung, tatsächlicher Schutzübernahme, Eintrittes in eine enge Verantwortungsgemeinschaft oder rechtswidrigem gefahrbegründendem Vorverhalten244) in besonderer Weise verpflichtet ist, Lebensrisiken von dem seiner Obhut Anempfohlenen abzuwenden; hierzu zählen nach der Rechtsprechung z. B. der Arzt, der die Behandlung eines Suizidenten übernimmt245 , Ehepartner246 , Verlobte 241 sowie Men241 BGHSt. 2, S. 150 ff. RGSt. 7, 332 ff. betrifft die (fahrlässige) Ermöglichung des "Selbstmordes" einer Geisteskranken durch eine Wärterin. 242 243

Schmidhäuser (1974), S. 801. BGHSt. 2, S. 153.

244 Im einzelnen sind die Entstehungsgründe der Garantenstellung hochumstritten, vgl. statt aller nur: Lac1cner (1981), § 13 Anm. 3 a, b m. Nachweisen; Schünemann (1971). Vgl. unten Rdnr. 392 ff. 245 BayObLG, NJW 1973, S. 565: Ein Arzt verzichtete auf Anraten der Frau nach der Diagnose einer Schlafmittelvergiftung auf die Einweisung des sich in tiefem Schlaf befindlichen Ehemannes in das Krankenhaus und überließ es nach Verabreichung einiger Medikamente der Ehefrau, den Gesundheitszustand des Ehemannes zu beobachten. Der Suizident starb; der Arzt wurde wegen (fahrlässiger) Tötung durch Unterlassen verurteilt.

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schen, die in ehe ähnlicher Gemeinschaft (hetero-248 und homosexueller 249 Art) leben. 72. Dennoch wäre es verfehlt, der Rechtsprechung ein festes "Ja" zur strafrechtlichen Suizidprophylaxe zu bescheinigen. Denn die Gerichte haben ihrem verbalen Bekenntnis zur Strafbarkeit eines Garanten wegen Suizidnichthinderung250 (nach den §§ 211 ff. i. V. m. § 13 StGB) zahlreiche, mehr oder minder restriktive 251 Kautelen beigefügt, die im Ergebnis die Entscheidung über Straflosigkeit oder Strafbarkeit für den einzelnen zu einem Lotteriespiel werden lassen. 121.31 Schwankungen und Einschränkungen der Rechtsprechung

73. Relativ gering wiegt, daß nach Ansicht des Bundesgerichtshofs statt eines Totschlages "Tötung auf Verlangen ... durch pflichtwidriges Unterlassen" (§§ 216, 13 StGB) gegeben ist, wenn der Garant durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Suizidenten, seinen Tod nicht zu verhindern, zum Nichteingreifen bestimmt wurde252 • Denn unbeschadet der hierdurch bewirkten Strafrahmenverschiebung253 bleibt der Unterlassende wegen vorsätzlicher Tötung strafbar (vgl. aber unten Rdnr. 416, 417). 121.311. GarantensteIlung 74. Bemerkenswerter ist, daß der Bundesgerichtshof selbst in Fällen keine Ingerenzkonstruktion erwägt, in denen der Nichtabwendende die Suizidgefahr durch sein aktives Vorverhalten intensivierte - sei es, daß dieser die Tatwaffe, eine Pistole, geladen und für das Opfer griffbereit auf das Armaturenbrett legte 254 , sei es, daß dieser der lebensmüd' an einem Teich Sitzenden riet, sich "vornüberfallen" zu lassen255 • Sol248 BGHSt. 2, S. 150 ff.: Ehefrau gegenüber Ehemann; 7, S. 268 ff.: Ehemann gegenüber Ehefrau; KG, JR 1967, S. 269: Ehemann gegenüber Ehefrau. U7 BGH, JR 1955, S. 104 ff.: Bräutigam gegenüber Braut; BGH NJW 1960, S. 1821 u. BGH, MDR 1960, S. 939 f.: Braut gegenüber Bräutigam. 248 Vgl. BGH, JR 1956, S. 347. U8 AG Duisburg, MDR 1971, S. 1027. Aus der Lit. vgl. dazu die Nachw. in

Anm.1244.

2~O BGHSt. 6, S. 147 ff.; 7, S. 268 ff.; 13, S. 162 ff.; 19, S. 135 ff.; 24, S. 342 ff.; BGH, JR 1955, S. 104 ff.; BGH, NJW 1959, S. 1738; BGH, NJW 1960, S. 1821; BGH, MDR 1960, S. 939 f.; BayObLG, NJW 1973, S. 565 ff. 251 So insbesondere OLG Düsseldorf, NJW 1973, S. 2215 f.; KG, JR 1967, S. 269 f.; LG Bonn, MDR 1968, S. 66. 2~2 BGHSt. 13, S. 162 ff., 166. 2~a Vgl. §§ 212, 13 StGB einer-, §§ 216, 13 StGB andererseits. 154 BGHSt. 24, S. 342 ff. (Polizeipistolen-Fall). Vgl. hier statt aller: Wagner

(1975), S. 33. 26~

BGHSt. 13, S. 162 ff. (.. Schwieiermutter"- oder ..Hammerteich-Fall").

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ches Schweigen zeigt, daß es "sich bei der Garantenstellung gegenüber dem Selbstmörder um eine Pflichtenstellung sui generis"256 handelt, deren postulierter Sondercharakter die Kluft diagnostiziert (aber nicht überbrückt!), die sie nicht nur von der Straflosigkeit der aktiven Suizidteilnahme trennt: Garantenpflichten sichern den Schutzbefohlenen typischerweise "vor Gefahren, die ihm von außen, von dritten Personen, drohen"257, oder wehren Gefahren ab, die von ihm für Rechtsgüter Dritter ausgehen. "Beim Selbstmord aber ist er ,Opfer' und ,Täter' zugleich" 257. 75. Danach kann z. B. ein Vater bei Strafe verpflichtet sein, die Tötung seines Kindes durch die Mutter zu verhindern258 . Wer jedoch ausnahmefeindlich Garanten nicht dazu anhalten will, ihre Schutzbefohlenen "bei freiwilligem Handeln vor sich selbst zu schützen"257, kann ihnen den Suizid ihrer freiverantwortlich handelnden Klienten nicht zurechnen; den Suizid der Mutter durfte der Vater ungestraft geschehen lassen258 . "Typustreu" sprach das Oberlandesgericht Düsseldorf259 auch Verwandte vom Vorwurf des Totschlags durch Unterlassen frei, die den Doppelselbstmord eines Vaters und seiner erwachsenen Tochter260 geschehen ließen. Daß dies aber "ohne Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH" möglich war, kann nur behaupten, wer deren Argumentationsbasis zurechtbiegt und - mit dem Oberlandesgericht behauptet: Den Schutzbefohlenen "vor sich selbst zu schützen, ist der Garant nicht verpflichtet"257; allein: Ein solcher Zusatz verkehrt realiter das vom Bundesgerichtshof Gemeinte in sein Gegenteil. 258

Wagner (1975), S. 45.

OLG Düsseldorf, NJW 1973, S. 2215 f. Vgl. den Sachverhalt in BGHSt. 7, S. 268 ff. 259 OLG Düsseldorf, NJW 1973, S. 2215 f., S. 2216 (Verwandten-Doppelselbstmordfall: Ein 78jähriger Vater hatte seiner 14jährigen gelähmten Tochter in Verfolgung eines gemeinsam gefaßten Planes eine Schlafmittel-überdosis eingegeben und sich anschließend durch Schlafmittel vergiftet. Die Verwandten, denen dieser Plan 2 Tage vorher mitgeteilt worden war, hatten nichts unternommen, weil sie den erklärten Willen der Suizidenten respektieren wollten und den Tod als "beste Lösung" für diese betrachteten). 260 Wenn das OLG Düsseldorf (NJW 1973, S. 2215) davon spricht, der 78jährige Vater habe seine 41jährige Tochter ... auf deren Verlangen durch Eingabe einer Schlafmittel-überdosis getötet, so hätte es konsequenterweise diese Fremd tötung den Verwandten zurechnen und gemäß den §§ 216, 13 StGB oder §§ 212, 13 StGB verurteilen müssen; denn zur Abwendung von Gefahren, die der Tochter von ihrem Vater drohten, waren sie verpflichtet (vgl. insoweit BGH LM Nr. 10 vor § 47: Der Angeklagte hatte einen Abtreibungsversuch unternommen, auf Grund dessen ein lebendes Kind zur Welt gekommen war. Der Säugling wurde daraufhin von der Mutter des Kindesvaters ertränkt, wobei der Angeklagte tatenlos zusah. Der BGH nahm eine Garantenstellung aus vorangegangenem rechtswidrigen Tun an und prüfte, ob der Angeklagte "Täterwillen" hatte). In Wirklichkeit lag aber wohl in dem vom OLG Düsseldorf, a.a.O., beurteilten Fall ein Suizid der Tochter vor: Diese hatte, sofern sie von der tödlichen Dosis wußte und sie freiwillig 257 258

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121.312. Suizid-Tatherrschafts-Konstruktion 76. "Leading-Case-getreuer" verurteilte der Bundesgerichtshof 1972 eine Verlobte wegen Totschlags durch Unterlassen, die nach einem heftigen Streit und der Ankündigung, es sei zwischen ihr und ihrem Verlobten "aus", den Freitod ihres Verlobten durch Erhängen nicht abwandte, sondern geschehen ließ, weil sein Tod ihr "gleichgültig" war261 . Allerdings läßt der Bundesgerichtshof262 die Abwendungspflicht erst von dem Augenblick an einsetzen, in dem der Verlobte bewußtlos oder handlungsfähig geworden sei: Vorher habe die Verlobte als Garantin nicht die ungeteilte "Tatherrschaft"; denn erst ab diesem Moment hänge es allein von ihrem Willen ab, ob der Selbstmörder sterbe oder nicht263 . 77. Gegen die Lehre des Bundesgerichtshofs, es gebe eine strafbarkeitsbegründende Suizidherrschaft des Garanten, sprechen gewichtige Monita. 77 a. Erstens stellt der Bundesgerichtshof auf "Tatherrschaft" ab, obwohl der Unterlassende den freien Willen des Suizidenten nicht beherrscht und neben der z. B. auch einem Anstifter gegebenen Erfolgsabwendungsmöglichkeit weitere Voraussetzungen gern. § 13 StGB gegeben sein müssen, um die Fremdtötungs-Täter-Strafe zu rechtfertigen264 . Selbst wenn es aber richtig wäre, auf die "potentielle" "natürliche"265 Tatherrschaft des zur Erfolgsabwendung Fähigen abzustellen, ist zweitens nicht einzusehen, warum diese Macht erst ab Bewußtseinsverlust des Suizidenten gegeben sein soll: Denn der Hilfspflichtige kann der Sachlage u. U. bereits vorher "durch sein Eingreifen die entscheidende Wendung geben"266. Drittens ist der Bewußtseinsverlust Folge eines freiwillig und eigenverantwortlich eingeleiteten Suizids, der bis zu seinem Ende straffrei ist. Das Tatherrschaftskriterium dient primär nur dazu, Beteiligungsformen, nämlich Täterschaft und Teilnahme, von einander abzugrenzen; es entscheidet nicht darüber, ob die Suizidnichtverhinderung strafbar ist oder nicht267 . Und viertens muß der

hinunterschluckte, die "Tatherrschaft" über das Geschehen; der Vater war, sofern er diesen "letzten Akt" nicht steuerte, nur Gehilfe für den Freitod seiner Tochter. 281 BGH, NJW 1960, S. 1821. 282 Vgl. bereits BGHSt. 13, 162 ff, 166 mit Ansätzen. 263 BGH, NJW 1960, S. 1821 (1822). Anders BGHSt. 13, S. 162 ff., 169 im Hinblick auf § 323 c StGB (Bereits der "unbeendete" Suizidversuch löst die Hilfspflicht aus); vgl. unten Rdnr. 431, Anm. 1445. 264 Vgl. i. e. unten Rdnr. 391 ff. 265 Vgl. Bringewat, NJW (1973), S. 540 f. 266 So BGHSt. 2, S. 150 ff., 156. 267 Wagner (1975), S. 30. 5 Bottke

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"Garant" die Konstruktion eines Tatherrschaftswechsels als Aufforderung verstehen, sich spätestens vor Eintritt der Bewußtlosigkeit zu entfernen, will er sein Strafbarkeitsrisiko vermindern - eine kriminalpolitisch und unter dem Aspekt sinnvoller Suizidprophylaxe geradezu absurde Konsequenz 288 • 78. Zwar läßt Phantasie die Frage ersinnen, ob der Garant, der sich die Erfüllung seiner nach Bewußtseinsverlust einsetzenden Suizidverhinderungspflicht z. B. durch vorzeitiges Entfernen unmöglich macht, quasi im Wege einer erweiterten actio libera in causa nach den §§ 211 ff., 13 StGB bestraft werden kann. Und kriminalpolitisch ließe sich hierüber sehr wohl handeln. Denn wenn schon das vorsätzliche Sichversetzen in einen schuldausschließenden Rausch über die Rechtsfigur der "actio libera in causa" strafbar ist, wenn in diesem Zustand eine Straftat wie geplant ausgeführt wird, könnte auch das vorsätzliche Vereiteln einer (nach Ansicht des Bundesgerichtshofes strafrechtlich sanktion~erten und) sonst erfüllibaren Rettungspflicht (in Anlehnung an eine umstrittene Denkfigur289) als "Unterlassen durch Begehung" strafbar sein. Rechtsstaatliche Gründe sprechen aber gegen diese Replik. Denn selbst wenn man (- vom Standpunkt des Bundesgerichtshofs: folgerichtig - davon absieht, daß der Suizid keine Straftat ist, und) die Nichthinderung des Suizids als unechtes Unterlassungsdelikt wertet, geht es nicht an, tatbestandsferne Verhaltensweisen, die nicht unmittelbar von den §§ 211 ff., 13 StGB erfaßt werden, unter begriffsgrenzensprengendem Rückgriff auf eine Rechtsfigur unter Strafe zu stellen, die ohnehin nur gewohnheitsrechtlich anerkannt ist 27o • 121.313. Täterwille 79. Noch deutlicher mit der Leitfallentscheidung271 bricht ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 15. Mai 1959272 • In beiden Fällen ging es um eine von einem Garanten unterlassene Suizidverhinderung: Dort hatte die Ehefrau ihren Ehemann hängengelassen; hier hatte der Angeklagte ruhig zugesehen, als sich seine Schwiegermutter ertränkte. 288 Vgl. zum Ganzen: Bringewat, NJW (1973), S. 540 ff.; Dreher, JR (1967), S. 269, 271; GTÜnwald, GA (1959), S. UO ff., 121; Heinitz, JR (1961), S. 29; Kauczor, NJW (1962), S. 479 f.; Kreuzer (1965), S. 58 f.; Wagner (1975), S. 29 ff. Abw. Gallas, JZ (1952), S. 371 ff.; ders., JZ (1954), S. 641 ff.; ders., JZ (1960), S. 691 f.; Geilen, JZ (1974), S. 145 f. 289 Man denke an die Rechtsfigur des "Unterlassens durch Begehung". Vgl. dazu Hruschka (1979), S. 421 ff., 433 einer-, Roxin (1969), S. 380 ff. andererseits. Vgl. i. e. unten Rdnr. 340 - 345, 464. 270 Vgl. zuletzt Krause, Jura (1980), S. 169 ff. 271 BGHSt. 2, S. 150 ff., 156. 272 4. Senat, BGHSt. 13, S. 162 ff.

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Gänzlich unterschiedlich fallen jedoch die Urteile in Ergebnis und Begründung aus: Während der Bundesgerichtshof (in seiner) früher(en Entscheidung) die Täterschaft auf die objektive Erwägung stützte, die Unterlassende habe "die volle oder doch einen großen Teil der Herrschaft über die Sachlage", und ihre "Unterordnung unter fremden Täterwillen nach der besonderen Pflichtenlage und angesichts der Sachherrschaft (für) den Verpflichteten unbeachtlich" erklärte 273 , stellte er in seiner späteren Entscheidung gerade auf diesen Gesichtspunkt ab 274 : "Die Feststellungen ... sprechen ... dafür, daß er (seil.: der Angeklagte) das zum Tode seiner Schwiegermutter führende, von ihr selbständig herbeigeführte Geschehen ... nicht beherrschen wollte, daß ihm also der ,Täterwille' gefehlt hat. Dieser Wille ist auch bei Begehen einer verlangten Tötung dureh Unterlassen erforderlich"275. 80. Der Bundesgerichtshof begründete das subjektive Erfordernis eines "Täterwillens" , der bei "Unterordnung unter den Täterwillen eines anderen" (seil.: des Suizidenten) fehle, mit der "Gefahr ... , daß der Mangel einer eigenen Strafdrohung ... gegen die Teilnahme an fremder Selbsttötung durch eine ausdehnende Anwendung des Täterbegriffs auch auf solche Beteiligte am Selbstmord ausgeglichen würde, denen der Wille zur Tatbeherrschung fehlt. Darin läge eine dem Gesetz nicht entsprechende, ungleichmäßige Rechtsanwendung, weil auf diese Weise ... die Förderung fremder Selbsttötung durch Handeln als Beihilfe zu einer nicht (mit) Strafe bedrohten Haupttat straflos, ihre Förderung durch Unterlassen dagegen ... als Tötung in Täterschaft strafbar wäre"276. 81. So verständlich der Versuch der Bundesgerichtshofe ist, den von ihm als mißlich erkannten Wertungswiderspruch aufzulösen, so mißlungen ist er auch. Erstens verlangt er den Tatgerichten ab zu erforschen, "mit welcher Intensität und Hartnäckigkeit der Lebensmüde den Freitodentschluß verfolgt hat und in welchem Maße sich der" Unterlassende "dem Willen des" Suizidenten "gebeugt und untergeordnet" hat - ein Postulat, das der Bundesgerichtshof zu Recht in einer späteren Entscheidung aus dem Jahre 1963 anläßlich eines einseitig fehlgeschlagenen Doppelselbstmordes als unerfüllbar verwirft 277 . Zweitens ist die mit jenem Versuch verknüpfte, extrem-subjektive Teilnahmelehre nicht nur gravierenden dogmatischen und kriminal pali tischen BGHSt. 2, 150 ff. m Vgl. die Urteilsanalyse von Roxin (1975), S. 102. 275 BGHSt. 13, S. 162 ff., 166. 278 BGHSt. 13, S. 166. 277 2. Senat vom 14.8. 1963, BGHSt. 19, S. 135 ff. Vgl. dazu insbes. Roxin (1975), S. 565 ff. 273

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Einwänden ausgesetzt 278 . Ihr ist durch § 25 I 1. Alternative StGB279 auch die gesetzliche Grundlage entzogen worden280 . Und drittens ist unverständlich, warum der Bundesgerichtshof an Symptomen herumkuriert, statt die Wurzel des übels herauszureißen, das die diagnostizierte Gefahr erst heraufbeschwört: die These, Garanten seien bei Strafe nach den §§ 211 ff., 13 StGB verpflichtet, den freiverantwortlichen Suizid eines Schutzempfohlenen zu unterbinden. Folgerichtiger ist da schon, sich jeder Stellungnahme zu subjektiven Kriterien der Unterlassungstäterschaft zu enthalten281 und - leitfallgetreu z. B. auch eine Verlobte wegen Totschlags zu bestrafen, die ihren Verlobten am Fensterflügel bewußtlos (er-)hängen läßt 282 . Andernfalls bliebe nur übrig, die - u. U. kluger Instruktion folgende - Einlassung des Garanten, er habe sich "unterordnen" wollen, als unwiderlegbar zu akzeptieren283 , als Schutzbehauptung zu decouvrieren oder den psychologischen Ansatz aufzugeben und den "Täterwillen" verbal wertend aus der (angeblich) "volle(n) und alleinige(n) Tatherrschaft" zu erschließen284 . 82. Das Unbehagen, das eine Theorie auslöst, die an die Stelle (möglichst) wohlbegründeter Ergebnisse "ein richterliches »hoc volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas« setzt"285, erklärt, warum der BGH im sog. "Gisela-Fall"286 nicht der extrem-subjektiven Teilnahmelehre folgt und auf den "Täterwillen" abstellt, sondern die täterschaftliche Tötung auf Verlangen von der straflosen Beihilfe zur Selbsttötung mittels der Grundlegend dazu: Roxin (1975), S. 1 ff., insb. 306 ff. VgI. aber Baumann, AT (1977), S. 561 ff. insbes. 565 ff., § 36 I 3 c. Zum ganzen Roxin (1975), S. 546 ff. 280 Wessels, AT (1981), § 13 II. 281 So BGH, JR 1955, S. 104 f. mit abI. Anmerkung von Heinitz, S. 105 f. (Verlobter unterläßt es, den Selbstmord seiner Verlobten zu verhindern). 282 So BGH, MDR 1960, S. 939 f. 283 VgI. OLG Düsseldorf, NJW 1973, S. 2215 f. 284 So BGH, MDR 1960, S. 939/940. 285 Roxin (1975), S. 565. 288 BGHSt. 19, S. 135 ff. (Giselafall): Zwischen A und der 16jährigen Gisela G bestanden aufgrund tiefer Zuneigung intime Beziehungen. Als die Eltern der G dem A durch einstweilige Verfügung jeden Kontakt mit G verbieten ließen, faßte diese den festen Entschluß, aus dem Leben zu scheiden. Als alle Versuche des A, die G umzustimmen, nichts halfen, wollte auch er mit ihr in den Tod gehen. Nachdem ein erster Versuch mit Luminaltabletten gescheitert war, schloß A unter ausdrücklichem Betreiben der G einen Schlauch an das Auspuffrohr seines Wagens und führte ihn durch das linke Fenster in das Wageninnere. Nach Absperren der linken Tür von außen setzte er sich von rechts einsteigend auf den Fahrersitz, während G rechts Platz nahm und ihre Tür von innen verriegelte. Darauf ließ A den Motor an und trat das Gaspedal durch, bis ihm das einströmende Kohlenoxyd die Besinnung raubte. Als die beiden am folgenden Morgen bei noch laufendem Motor bewußtlos aufgefunden wurden, lebten sie zwar noch, doch konnte nur A gerettet werden (Schilderung bei Eser, Strafrecht III (1978), Fall 3, Sachverhalt). 278

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Tatherrschaftslehre objektiv abgrenzt: "Jedenfalls" für diesen Sonderfall seien "subjektiv bestimmte Kriterien, ob nämlich der Handelnde die Tat als eigene wollte, ob er den Täterwillen, den Willen zur Tatherrschaft oder ein eigenes Interesse an der Tat hatte, nicht geeignet, sinnvolle Ergebnisse zu gewährleisten". Das gilt - so führt der Bundesgerichtshof aus - "vor allem für den ,einseitig fehlgeschlagenen Doppelselbstmord', weil hier der freie und ernste Entschluß, gemeinsam zu sterben, die bewußte Verknüpfung des beiderseitigen Schicksals gerade zu einer übereinstimmung der inneren Haltung führt, die eine Unterscheidung nach subjektiven Merkmalen als besonders fragwürdig erscheinen läßt"287. Ausdrücklich verwirft der Bundesgerichtshof die Rechtsprechung des Reichsgerichts, wonach in solchen Fällen die tatrichterliche Annahme, der überlebende habe die Tat als eigene gewollt, rechtlich nicht zu beanstanden sei288 : Es "ist nicht erfindlich, an welche Tatsachen diese Annahme angesichts des gemeinsamen Entschlusses und der beiderseits geleisteten Beiträge zu seiner Durchführung anknüpfen könnte. Das Ergebnis ist notwendigerweise willkürlich und unkontrollierbar"289. Dem ist nichts hinzuzufügen - es sei denn, daß dies "Einsichten"290 sind, die mindestens auch für die Abgrenzung der täterschaftlichen Tötung nach den §§ 211 ff., 13 StGB von der straflosen Teilnahme am Suizid Beachtung erheischen. 121.314. Unzumutbarkeit 83. Nach verbreiteter Ansicht setzt jede Unterlassensstrafbarkeit die (pflichtwidrige) Nichtvornahme einer Handlung voraus, die dem Täter nach den Umständen möglich und zumutbar ist291 . Mehr als einen letzten Fluchtweg bietet das (zu Recht umstrittene) Merkmal der "Unzumutbarkeit" jedoch nicht. Zwar hat z. B. das OLG Düsseldorf im "Verwandten-Doppelselbstmordfall" (vgl. oben Rdnr. 74) die Zumutbarkeit der Suizidverhinderung bezweifelt292 . Und richtig ist auch, daß die Verwandten andernfalls den suizidwilligen Vater und seine TochBGHSt. 19, S. 138. RG, JW 1921, S. 579: Nach dem Entschluß, gemeinsam durch Gasvergiftung aus dem Leben zu scheiden, hatte der Mann die Gashähne geöffnet, das Mädchen die Türritzen verstopft. Der Mann war gerettet worden; seine Verurteilung wegen (täterschaftlich begangener) Tötung auf Verlangen wurde vom Reichsgericht gebilligt. 289 BGHSt. 19, S. 139. 280 Roxin (1975), S. 567. 291 Lackner (1981), § 13 Anm. 2 c mit Nachweisen zur Frage, ob die Unzumutbarkeit bereits die Rechtswidrigkeit oder erst die Schuld ausschließt. Vgl. auch Rudolphi / SK, AT (1981), Rdnr. 30 ff. vor § 13. 292 OLG Düsseldorf, NJW 1973, S. 2216 unter Hinweis auf BGH, NJW 1959, S. 1738 ff., 1740. 281

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ter fortgesetzt hätten überwachen oder in Gewahrsam geben müssen. Zum einen spricht die hierin liegende "totale Inpflichtnahme"293 aber bereits gegen jede (strafrechtliche Sanktionierung einer etwa unter Angehörigen bestehenden) Suizidverhinderungspflicht (nach den §§ 211 ff., 13 StGB). Und zum anderen ist das Kriterium der (Un)Zumutbarkeit als regulatives Prinzip auf die Konkretisierung von Leitgesichtspunkten angewiesen, die der Rechtsprechung bislang nur in extremen Ausnahmefällen die (generell) sachgerechte Lösung: keine Strafbarkeit von Garanten nach den §§ 211 ff., 13 StGB wegen unterlassener Suizidabwendung ermöglichten. 121.315. "Entsprechens-Klausel" 84. Gemäß § 13 StGB ist ein Garant wegen eines unechten Unterlassungsdelikts nur strafbar, "wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht". Bereits vor in Inkrafttreten des § 13 StGB hatte das Landgericht Bonn294 eine Ehefrau vom Vorwurf der vorsätzlichen Tötung freigesprochen, die den Selbstmord ihres streit-, trunk- und tablettensüchtigen Gatten nicht verhindert hatte: Der Unrechtsgehalt ihres Verhaltens habe nicht dem eines Begehungsdelikts entsprochen. Statt jedoch die Frage zu stellen, ob diesem Ansatz zufolge die Unterlassensbeteiligung eines Garanten je strafbar sein kann, wenn dessen aktive Suizidteilnahme stets straflos ist (vgl. Rdnr. 85 - 86, 340 - 346), stützte sich das LG auch auf die Fiktion, die Ehefrau habe sich dem Willen ihres Mannes untergeordnet29'.

Mehr als ein "Merkposten" ist das Urteil mithin nicht.

121.32 Strafbarkeit der aktiven Selbstmordbeteiligung eines Garanten? 85. Wer die Rechtsprechung zur Frage, ob Garanten für die Nichthinderung des Suizids eines Schutzbefohlenen nach den §§ 211 ff., 13 StGB haften, zu Ende denkt, muß konsequenterweise auch die aktive Selbstmordbeteiligung eines Garanten unter Strafe stellen295 • Denn andernfalls wäre im Widerspruch zu der (in § 13 II StGB verankerten) prinzipiell geringeren Strafwürdigkeit der Unterlassung allein die Suizidbeteiligung durch Unterlassen, nicht dagegen durch positives Tun strafbar. Um diesen Widerspruch bereits de lege lata zu beheben, hat ein Teil der Lehre behauptet, die "von der sonst straflosen Teilnahme 283 284

!8S

Roxin (1977), S. 354.

LG Bonn, MDR 1968, S. 66 ff. SO im Ergebnis Geilen, JZ (1974), S. 153 f., Herzberg (1972), S. 267.

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sich abhebende Pflichtverletzung des Garanten" liege bereits "im positiven Tun"296. 86. Die Rechtsprechung hat diese Hilfsbrücke jedoch zu Recht bislang nicht betreten. Wohl ist eine "Unterlassung durch Begehung" theoretisch als Wertungsfigur denkbar (vgl. oben Rdnr. 74). Während aber "Unterlassen" gegenüber "Begehung" nach § 1311 StGB strafmaßmildernd wirkt und selbst die Vorbild-Konstruktion einer "Unterlassung durch Begehung" im Ergebnis nur die Möglichkeit eröffnet, eine sonst gegebene Strafe wegen positiven Tuns nach § 49 I StGB zu mildern2D7 , dient "der Aspekt einer Unterlassung durch Begehung"296 hier dazu, Strafbarkeit zu begründen. Das ist vorbildwidrig und stellt die gesetzgeberische Entscheidung, die aktive Suizidteilnahme straflos zu lassen, von den Füßen auf den Kopf. Vor diesem Schritt scheut der Bundesgerichtshof zu Recht zurück298 : "Denn da man theoretisch jede Handlung durch ihre Interpretation als ,Nichtvermeidung des Erfolges' zu einer Unterlassung machen kann, muß die Straffreierklärung der Handlung die in ihr steckende Unterlassung einschließen"299 (vgl. i. e. unten Rdnr. 340 - 345).

121.4 Fahrllssige BeteUigung eines Garanten am Suizid durm Unterlassen 87. Beruht die Nichthinderung des Suizids durch den Garanten auf Fahrlässigkeit, haftet dieser wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB). Die Rechtsprechung zieht den Schutzpflichtigen nicht nur zur Verantwortung, wenn der Suizident geisteskrank ist und an einem Selbstmordtrieb leidet300 , sondern auch dann, wenn der Lebensmüde f reiveran twortlich handel t 301 • 88. Theoretisch kommt fahrlässige Tötung stets in Betracht, wenn der Garant fahrlässig einen der Umstände verkennt, die seine PflichtensteIlung begründen. Unterläßt z. B. ein herbeigerufener Arzt auf Drängen der Ehefrau, ihren nach einer Schlafmittelvergiftung in tiefem Schlaf liegenden Mann in das Krankenhaus einzuweisen, wird ihm Geilen, JZ (1974), S. 153. m Vgl. Roxin (1969), S. 380 ff. 298 Dreher / Trändle (1981), Rdnr. 6 vor § 211.

298

299

Roxin (1977), S. 348.

Vgl. RGSt. 7, 332 ff. Vgl. BayObLG, NJW 1973, S. 565; BGH, JR 1955, S. 104 ff.; AG Duisburg, MDR 1971, S. 1027. Nicht in diesem Zusammenhang gehört die in BGHSt. 13, S. 168 angesprochene Entscheidung des BGH im 7. Bande, BGHSt. 7, S. 268 ff. Denn dort handelt es sich nicht um einen Fall der Selbsttötung sondern der Fremdtötung (Der Vater und Ehemann verhindert die von ihm mißbilligte Tötung des hilflosen Kindes durch die Ehefrau und Mutter nicht). 300 301

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bei Verkennen einer Lebensgefahr der spätere letale Ausgang des Geschehens als fahrlässig verursacht zugerechnet302 ; selbst ein Laie kann sich u. U. den strafbegründenden Vorwurf zuziehen, den Suizid seines Schutzempfohlenen (homosexuellen Partners303) nicht ernst genug genommen zu haben304 . 89. Abzuwarten bleibt, ob die Rechtsprechung nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im "Polizeipistolen-Fall"305 (vgl. oben Rdnr. 67) diesen Kurs fortsetzen wird. Zwar behauptet der Bundesgerichtshof, in dem von ihm zu entscheidenden Fall hätte die Freitodwillige bis zuletzt die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit gehabt 306 und tolerierte so die Konstruktion eines "Suizidherrschaftswechsels" (vgl. oben Rdnr. 75 - 78) in der Fahrlässigkeitsdogmatik. Indes, alle Einwände, die bei vorsätzlichem Unterlassen gegen diese Konzeption erhoben wurden, gelten auch hier. Es kommt hinzu, daß die Fahrlässigkeitshaftung "allein an die zurechenbare Erfolgsverursachung"307 anknüpft; ein auf die vorsätzliche Straftatbeteiligung zugeschnittenes Abgrenzungsmerkmal wie die Tatherrschaft, das strafbare aktive Mitwirkungsformen von einander trennt, wird funktionswidrig angewandt, wenn es im Fahrlässigkeitsbereich zwischen der straflosen und strafbaren Unterlassensbeteiligung unterscheiden soll. Last but not least ist es axiologisch widersinnig, die aktive vorsätzliche Suizidbeteiligung eines Garanten de lege lata straflos zu lassen (vgl. Rdnr. 85 - 86) und die in ihrem "Schuldgehalt" reduzierte fahrlässige Nichthinderung des Suizids durch einen Garanten für strafwürdig zu erklären. 121.5 Die uuterlassene Hilfeleistung

90. Strafrechtliche Relevanz kann die Nichthinderung eines Suizids nach der Rechtsprechung schließlich als "unterlassene Hilfeleistung" gewinnen. 90 a. Anders als die vorsätzliche oder fahrlässige Tötung durch Unterlassen setzt dieses "Jedermannsdelikt" kein besonderes Pflichtenverhältnis zwischen Suizidenten und Nichtretter voraus. Denn wegen 302 BayObLG, NJW 1973, S. 565. VgI. auch BGH JR 1972, S. 429 mit abI. Anm. von Hirsch. 303 AG Duisburg, MDR 1971, S. 1027: Zwei Homosexuelle lebten in einer Wohngemeinschaft zusammen. Einer von ihnen nahm Schlaftabletten, um Selbstmord zu verüben. Als der andere dies bemerkte, unternahm er nichts in der Annahme, daß die Sache nicht so ernst sei. Er wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. 804 VgI. dazu Wagner (1975), S. 41 f. 305 BGHSt. 24, S. 342 ff. 806 Vgl. zu BGHSt. 24, S. 342 ff. die Kritik von Geilen, JZ 1974, S. 145 f. 807 Roxin / LK (1978 b), § 25 Rdnr. 156.

121. Darstellung und Kritik

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"unterlassener Hilfeleistung" ist (gemäߧ 323 c StGB308) ohne Rücksicht auf eine bereits vorstrafrechtIich begründete Hilfspflicht strafbar, "wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten ... ist". Da die "gemeine Gefahr oder Not" nur die Personenoder Sachgefahr meint, die unbestimmt viele Personen betriffpo9, konzentrierte sich die Rechtsprechung seit jeher auf die Frage, ob der freiverantwortlich eingeleitete Suizid ein "Unglücksfall" ist.

121.51 Die Definitionsgeschichte 91. Das Reichsgericht verstand unter einem Unglücksfall "ein plötzliches äußeres Ereignis, das erheblichen Schaden an Personen oder Sachen verursacht und weiteren Schaden zu verursachen droht"310. In seinem Urteil aus dem Jahre 1952 311 übernahm der Bundesgerichtshof diese Definition, obwohl sie kaum eine Möglichkeit läßt, einen freiverantwortlich eingeleiteten Suizid als ein Ereignis anzusehen, das dem Suizidenten "von außen her" zustößt: "Jedenfalls ist", so führte der Bundesgerichtshof aus, "ein Unglücksfall begrifflich und sprachlich ausgeschlossen, solange das verantwortliche Handeln des Selbstmörders die Lebensgefahr im wesentlichen so gestaltet, wie er es sich vorgestellt hat, und solange sein Selbsttötungswille fortbesteht"312. 92. Bereits 1954 brach der Große Senat des Bundesgerichtshofes313 mit dieser Rechtsprechungstradition313a • Der ihm unterbreitete Sachverhalt war folgender: 92 a. Der Angeklagte A stand seit geraumer Zeit mit seiner Ehefrau B, die sexuelle Beziehungen zu einem anderen Mann unterhielt, in gespanntem Verhältnis. A hatte die eheliche Wohnung zwar nicht verlassen; beide Eheleute lebten aber in getrennten Räumen. Eines Morgens fand A bei seiner Rückkehr von der Arbeit als Kellner die Tür zum Schlafzimmer seiner Frau versperrt. Nach Aufbrechen der Tür fand A seine Ehefrau bewußtlos auf 308 Bis zum 30. Juni 1980 war die "unterlassene Hilfeleistung" als § 330 c im StGB numeriert. Durch Art. 1 Nr. 17 des 18. Strafrechtsänderungsgesetzes (= StAG, Gesetz über die Bekämpfung der Umweltkriminalität) ist § 330 c StGB a. F. als § 323 c StGB n. F. neu eingestellt worden. Sachlich hat sich hierdurch nichts geändert; insbesondere ist die Rechtsprechung zu § 330 c StGB a. F. nach wie vor von Bedeutung. 309 Schmidhäuser, BT (1980), 16/5, S. 181. 310 RGSt. 75, S. 68 ff., 70; RGSt. 75, S; 160 ff., 162; RGSt. 77, S. 303. 311 1. Strafsenat, Urteil vom 12. Februar 1952, BGHSt. 2, S. 150 ff., 150 f. 31! BGHSt. 2, S. 151. 313 BGHSt. 6, S. 147 ff. 3lSa Vgl. aber auch bereits OLG Breslau, HRR 1928, Nr.2240 zu § 360 Nr. 10 RStGB.

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12 Die Rechtsprechung

dem Bett liegend vor; sie rang nach Atem, hatte ein grünlich blaues Gesicht und Schaum vor dem Mund. Dennoch ließ A keinen Arzt holen; erst ca. 51/~ Stunden später alarmierte die im selben Hause tätige Portiersfrau C einen Arzt3u .

93. Der Große Senat des Bundesgerichts sah nämlich den Suizid(versuch), der den Freitodwilligen hilfsbedürftig macht, als "Unglücksfall" (im Sinne des § 323 c StGB) an, ohne "danach zu fragen, was ein Unglücksfall seinem allgemeinen Begriffe nach oder was er für die betroffene Person ist"310. Vielmehr will der Große Senat "die Frage nur dahin gestellt" wissen, "welche Bedeutung der (in § 323 c StGB gebrauchte) Ausdruck ,Unglücksfall' für denjenigen hat, der darin zur Hilfe aufgerufen ist"su. Betrachte man die Sache unter diesem Gesichtspunkt, bestünden sprachlich keine Bedenken dagegen, die durch einen Selbstmordversuch herbeigeführte Gefahrenlage als Unglücksfall anzusehen. Denn "auch in diesem Fall ist ein Mensch in Not geraten, aus der ihm geholfen werden muß"315. "Unglücksfall ist demnach jedes mit einer gewissen Plötzlichkeit eintretende Ereignis, das eine erhebliche Gefahr bringt oder zu bringen droht, gleichgültig ob die Gefahrenlage dem Gefährdeten von außen zugestoßen oder ob sie, wie beim Selbstmörder, von seinem Willen hervorgerufen ist"316. 121.52 Argumentenanalyse

94. Nicht zu bestreiten ist, daß die Auslegungsthese des Großen Senats eine gewisse, ergebnisvermittelte Plausibilität für sich hat. Denn eine "falsche" Definition läßt sich korrigieren, ein Menschenleben, das (vermeintlich zwingend) dem allgemeinen Sprachgebrauch und dogmatischer Konsequenz geopfert wurde, jedoch nicht mehr retten. Gleichwohl bleibt ein Unbehagen. "Denn wenn man zugibt, daß die aktive Mitwirkung beim Freitod (prinzipiell) straflos ist, erscheint es als Wertungswiderspruch, das bloße Unterlassen der Selbstmordhinderung, das im Verhältnis zur aktiven Unterstützung weniger schwer wiegt, mit Strafe zu belegen"317, mag es auch "nur" die wegen unterlassener Hilfeleistung sein. Eine solche Wertungskluft wäre allenfalls dann überbrückt oder hinnehmbar, wenn es dem Bundesgerichtshof gelungen wäre, § 323 c StGB nicht nur einen "klaren Sinn"318 zu geben, sondern at4 BGHSt. 6, S. 147 f. Merkwürdigerweise unterließ der Arzt eine Krankenhauseinweisung und sagte nur für den Abend einen weiteren Besuch zu. Erst gegen 18.00 Uhr, also nahezu 9 Stunden nach Auffinden der B, ließ sie ihr Geliebter in das Krankenhaus bringen, aus dem sie nach 10 Tagen geheilt entlassen wurde. 315 BGHSt. 6, S. 149. 318 BGHSt. 6, S. 152. m Roxin (1978), S. 97 f. 318 BGHSt. 6, S. 152.

121. Darstellung und Kritik

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diesen auch mit einer tragfähigen Begründung zu versehen. Das ist jedoch nicht der Fall. 95. Offenkundig ist, daß die von den Vätern der Strafvorschrift 1935 gegebene Begründung, der seit der "nationalsozialistischen Erhebung eingetretene Wandel der Anschauungen über die Pflicht des einzelnen gegenüber der Volksgemeinschaft und sein Verhältnis zu den einzelnen Volksgenossen" 319, als vom Grundgesetz verpönte 320 ideologische Oktroi keine legitime Ratio ergibt. Der Große Senat suchte denn auch, durch eine Darstellung der Vor- und Nachgeschichte der unterlassenen Hilfeleistung den Nachweis anzutreten, daß die in § 323 c StGB strafrechtlich sanktionierte "rechtliche Hilfeleistungspflicht ihren Ursprung keineswegs in einem nationalsozialistischen - durch übertreibung und Zwang entarteten - Gemeinschaftsgedanken" , sondern in "einem von jeher bestehenden sittlichen Gebot" hat 321 : "Wenn durch einen Selbstmordversuch eine ernste Gefahrenlage für den Selbstmörder entstanden ist, so muß jeder, der hinzukommt, von Gewissens wegen ... schon um deswillen helfen, weil hier eine schwere Notlage besteht, die nicht dauern darf und der abzuhelfen jedermann verpflichtet ist, der ihrer ansichtig wird ... Da das Sittengesetz jeden Selbstmord - von äußersten Notfällen vielleicht abgesehen - streng mißbilligt, da niemand selbstherrlich über sein eigenes Leben verfügen und sich den Tod geben darf, kann das Recht nicht anerkennen, daß die Hilfspflicht des Dritten hinter dem sittlich mißbilligten Willen des Selbstmörders zurückzustehen habe"322. 96. Allein, auch dieser Telosglaube baut auf sandigem Grund. Erstens ist das Verdikt, der Selbst-"mord" sei sittenwidrig, widersinnig, wenn er zugleich eine zugunsten des Selbst-"mörders" postulierte Hilfspflicht legitimieren sollte. Zweitens ist die Annahme, der Suizid verstoße gegen das Sittengesetz, allenfalls vom Standpunkt der christlichen MoraItradition aus richtig (vgl. oben Rdnr. 52 - 54). Und drittens ist das Strafrecht nicht dazu da, Moralwidrigkeiten zu pönalisieren; es darf allein solche Verhaltensweisen kriminalisieren, die in erheblicher Weise den sozialen Frieden stören, weil sie Rechtsgüter anderer oder das Funktionieren unserer freiheitlich verfaßten Gesellschaft gefährden bzw. verletzen. Mithin: Der Versuch des Großen Senats, das "gesunde Volksempfinden" unseeliger Tage durch das "Sittengesetz" zu ersetzen, bietet "keine geeignete Grundlage ... für den Begriff der Hilfspflicht"323; er ist fehlgeschlagen 824 . 319

320 321

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Zitiert nach BGHSt. 6, S. 150. Vgl. nur Art. 139 GG mit seiner "Entnazifizierungsklausel". BGHSt. 6, S. 151. BGHSt. 6, S. 153.

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12 Die Rechtsprechung 121.6 Die Rechtfertigung der Suizidverhinderung

97. Wer die These des Bundesgerichtshofs teilt, jedermann sei angesichts eines Suizidversuchs zur Hilfeleistung verpflichtet, kann in der Rechtfertigung der Suizidhinderung kein Problem sehen, "gleichgültig, ob der Wille, der den Selbstmörder zu seiner Tat trieb, gesund oder krank, entschuldbar oder unentschuldbar war, ob der Selbstmörder die durch den Selbstmordversuch entstandene Gefahrenlage noch beherrscht oder ob er sie, etwa weil er inzwischen bewußtlos geworden ist, nicht mehr beherrscht, ob er die Gefahrenlage, d. h. seinen eigenen Tod, noch will und das zum Ausdruck bringt oder ob er sie nicht mehr will oder ob er nicht mehr wollen kann"325. Denn die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur unterlassenen Hilfeleistung spricht mit dem Handlungsgebot zugleich einen Rechtfertigungsgrund aus: Niemand kann zu der in der Suizid rettung liegenden Nötigung oder gar Körperverletzung bei Strafe verpflichtet und zugleich unbefugt sein. 97 a. Die Rechtfertigungsproblematik stellt sich hingegen demjenigen, der die Suizidfreiheit des einzelnen im Sinne eines "status negativus"326 anerkennt. Denn er kann weder von einer "JedermannsHilfspflicht" noch von einem hiermit implizit vorausgesetzten "Jedermanns-Hilfsrecht" ausgehen. Stattdessen muß er die Frage nach der Rechtfertigung der Suizidhinderung ernstlich stellen (vgl. dazu Rdnr. 100 ff.), ohne sich die Einsicht korrekten Beginnens durch vorgefaßte Pflichten- oder Strafbarkeitsurteile verschütten zu dürfen. Denn wohl ist es möglich, z. B. von der präsumierten Strafbarkeit einer unterlassenen Hilfeleistung zu deren Normbefehlswidrigkeit und zum Recht, rettend einzugreifen, zurückzugehen. Von der Befugnis, Lebensmüde vor dem Tod zu bewahren, kann aber, wie z. B. § 101 I StVollzG für das besondere Rechts- und Pflichtenverhältnis zwischen Strafanstalt und Strafgefangenen unterstellt (vgl. dazu Rdnr. 277 ff.), schon die Rede sein, ehe von der Pflicht, gegenüber Sterbebereiten lebensrettende Maßnahmen durchzuführen, gesprochen werden muß; auch § 323 c StGB darf nicht verwischen, daß die Erlaubnis, Selbsttötungen zu verhindern (Rdnr. 100 ff.), das Gebot, Suizidenten zu retten, und die Strafbarkeit einer unterlassenen Pflichterfüllung drei Problemstufen sind, die jeweils neue und andere Wertungsaspekte erfordern und sich daher nach oben - zur Pflicht und Strafbarkeit hin - verjüngen können (vgl. Rdnr. 325 ff., insbes. 418 f., 470 f.). BGHSt. 6, S. 150 zur NS-Ratiovorgabe. Vgl. Bader, JZ (1956), S. 375; Dreher, MDR (1952), S. 712; Friebe, GA (1954), S. 170; Henkel (1964), S. 148; Wagner (1975), S. 46 ff.; WeischedeI (1955), S.28. 325 BGHSt. 6, S. 153. 328 Eser, Strafrecht III (1978), Fall 3, Rdnr. 28. 323

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121. Darstellung und Kritik

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97 b. Wer dies übersieht, befrachtet sein Ja oder Nein zur Strafbarkeit der aktiven und passiven Suizidbeteiligung mit einer Bedeutung, die die de lege lata gebotene, kriminal politisch nützliche und suizidprophylaktisch allermeist ausreichende Lösung verhindert (vgl. unten Rdnr. 325 ff., 470 f.). Er ist, wie sich schon bei Bringewat gezeigt hat (vgl. oben Rdnr. 16 a) und bei anderen "straffreundlichen" Interpretationsvorschlägen noch zeigen wird (vgl. unten Rdnr. 327 ff., 347 ff., 390 ff., 429 ff., 453 ff.), im Interesse des nichtreflektierten Rechts zur Suizidverhütung zu einer extensiven strafrechtlichen Suizidprophylaxe gedrängt und erliegt methodisch leicht der Gefahr, dem nullum-crimensine-Iege-Satz Gewalt anzutun; er wird z. B., um das Ergebnis späterer Untersuchung vorwegzunehmen, den "Abschied vorn Teilnahmeargument" fordern (Rdnr. 327 ff.), dazu neigen, die Freitodteilnahme von der Fremdtötung in mittelbarer Täterschaft mittels der Kriterien der Einwilligungslehre und eines ernstlichen Tötungsverlangens abzugrenzen (Rdnr. 353 - 359), oder in jeder aktiven Freitodteilnahme das pflichtwidrige Unterlassen eines Garanten (§§ 13, 211 ff. StGB) oder Nichtgaranten (§ 323 c StGB) sehen (Rdnr. 340 - 345, 464). Das Strafgesetz wird hingegen kaum umgehen, wer jene, oben gewiesene Reihenfolge beachtet. Er wird in Konkretisierung der Schrankentrias des Art. 2 I GG Rechte auf Suizid- (und Freitod-)verhütung bejaht haben (Rdnr. 100 ff.), ohne deswegen den Kreis strafbarer, aktiver und passiver Suizidbeteiligung möglichst weit gezogen zu haben. Er darf unbelastet die aus der Tatbestandslosigkeit des Suizids gebotenen Folgerungen ziehen. Er kann die teilnehmerschaftliche von der täterschaftlichen Beteiligung an einer fremdrisikofreien Selbstgefährdung oder Selbsttötung so trennen, wie es den Regeln entspricht, mit denen allgemein der täterschaftslose vorn mittelbar täterschaftlichen Rechtsgutsangriff definiert wird und die über die Form der Beteiligung an einern drittgejährdenden Suizidversuch allein entschieden (Der lebensmüde Terrorist A will durch eine Bombe sich und alle mitreisenden Flugzeugpassagiere töten. B verschafft ihm die nötigen Mittel). Und er kann die passive Freitodteilnahme dort straflos erklären, wo es auch die aktive wäre. Versuchen, suizidkausales "Begehen" von Garanten oder Nichtgaranten zum "Unterlassen" umzuprägen, oder Postulaten, (wenigstens im Bereich des § 323 c StGB) auf die Sicht des Rettungsfähigen abzustellen (vgl. Rdnr. 453 ff.), muß er, um ein Recht auf Freitodverhinderung zu legitimieren, kein Gehör schenken: Er hat es bereits ohne Rücksicht auf eine etwaige strafrechtliche sanktionierte Pflicht zur Suizidverhütung begründet. Zugleich hat er die genuin strafrechtliche Diskussion über die aktive und passive Suizidbeteiligung von Folgen entlastet, die sonst allzu leicht den fragmentarischen, subsidiären Charakter strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes und die Straffreiheitsgarantien des nullum-crimen-Satzes vergessen lassen.

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12 Die Rechtsprechung

122. Zwischenergebnis und Hypothese 98. Um ein Resümee zu wagen: Wer sich von der Rechtsprechung klare Antworten erhofft hätte, sähe sich enttäuscht. Denn als Lösung des Problems bietet diese einen Widerspruch327 : Wer aktiv am Suizid mitwirkt, bleibt straflos; wer es dagegen bloß unterläßt, einen anderen vom Freitod abzuhalten, wird von ihr mit Strafe belegt. Selbst wenn man realitätswidrig das Unwertgefälle, das re vera vom positiven Tun zum Unterlassen hinunterreicht, umschichten würde, bliebe die Totschlagshaftung von Garanten bedenklich. Denn sie verleiht erst offenen oder subtil verschleierten Drohungen, sich bei Auflösung der Ehe des Verlöbnisses oder eines anderen besonderen Pflichtenverhältnisses umzubringen, Gewicht; sie erschwert so eine Suizidprophylaxe, die den Gefährdeten zu einer sozial akzeptablen Lösung ihrer Probleme verhilft. Zudem wechseln manche höhergerichtlichen Urteile nahezu willkürlich die entscheidungsrelevanten Kriterien aus: Während z. B. in der Regel der "Täterwille" des Mitwirkenden eine Selbst- zur Fremdtötung verfälschen soll, stellt der Bundesgerichtshof328 in den Fällen des einseitig fehlgeschlagenen Doppelselbstmordes329 auf die Tatherrschaft330 des überlebenden ab, ohne überzeugend darzutun, warum dieses objektive Merkmal nur die Fremdtötung auf Verlangen von der Beihilfe zur Selbsttötung scheiden solls31. Derart ver rätselte Vorgaben lassen selbst Glaubwillige argwöhnen, die höchst richterliche Rechtsprechung zur Straflosigkeit oder Strafbarkeit von Suizidbeteiligten zerlaufe ohne die Form einer fundierten Theorie in breiiger Beliebigkeit. Gleichwohl zu wünschen, die Rechtsprechung möge auf ihrem bestrafungsfreundlichen Kurs weiterfahren332 , wäre - bessere Einsicht vorbehalten (Rdnr. 325 ff.) - nur dann rätlich, wenn dieser suizidprophylaktisch gewirkt hätte oder je wirken könnte. Diese Bedingung ist aber nicht erfüllt. Seit 1952, also seitdem die Rechtsprechung mit ihrer früher geübten Zurückhaltung bezüglich der unterlassenen Suizidhinderung brach333 , hat sich die Suizidalitätsrate eher erhöht denn ermäßigt334 . Und auch Vgl. Roxin (1978), S. 97 f. BGHSt. 19, 135 ff. 328 Beispiel (vgl. BGHSt. 19, S. 135 ff.): Das Liebespaar A und B beschließt - auf Drängen des Mädchens - aus dem Leben zu scheiden. Der Aschließt einen Schlauch an den Auspuff des PKWs an und leitet die Gase ins Wageninnere. Die B stirbt, A wird gerettet (so Beispiel von Meurer. BT [1980], S.138). 330 Kritisch Dreher, MDR 1964, S. 337 ff. Vgl. aber Roxin (1975), S. 565 ff., S.568. 331 Vgl. Roxin (1975), S. 566 ff. 832 So aber Geilen, JZ (1974), S. 154. 333 Also seit BGHSt. 2, S. 150 ff. m Vgl. Roxin (1977), S. 352. 327

328

122. Zwischenergebnis und Hypothese

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in Zukunft steht nicht zu erwarten, daß das Suizidstrafrecht je einen nennenswerten Beitrag liefern kann: Seine bisherige Geschichte ist "die ... seines Versagens"335, schon weil der einzigste Zeuge nach einem "erfolgreichen" Suizid oft genug der Nichthindernde ist, dessen Strafbarkeit zumindest in Fällen der "Auto euthanasie" auf Unverständnis bei weiten Bevölkerungskreisen stoßen würde. 99. Freilich ist zu fragen, ob sich jede strafrechtliche Erörterung der Freitodteilnahme in blanker Theorie verhakelt, wenn sie von einem "frei" gewählten Tötungsentschluß ausgeht. Denn falls die meisten Suizidenten an mehr oder minder "krankhaften"338 Persönlichkeitsstörungen leiden und durch ihre "Taten" nach Hilfe rufen3S7 , spricht prima vista vieles dafür, jede Mitwirkung am Suizid als Fremdtötungs(teilnahme) und jede Nichthinderung wenigstens als unterlassene Hilfeleistung zu bestrafen338 . Erstens ist jedoch schon wegen der Diffusität des dabei verwandten "Krankheitsbegriffs" davor zu warnen, die (grund rechtlich geschützte) Suizidfreiheit des einzelnen in ein definitorisches Gefängnis einzuschließen, dessen Mauern enger als die Grenzen sind, die das Strafrecht (in den §§ 19, 20 StGB, 3 JGG) der Fähigkeit, schuldhaft-eigenverantwortlich zu handeln, zieht. Insoweit ist bedeutsam, daß die Angaben "über einen auch nach Maßgabe des § 20 StGB zu berücksichtigenden Verantwortungsausschuß zwischen 29 und 61 Prozent" schwanken33V und keineswegs die forensische Praxis von einer Einzelfallprufung entlasten. Und zweitens ist der Strafdurchsetzungsapparat nicht befugt, "die vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen einzureißen, um auf Grund einer präsumierten kriminal politischen Wünschbarkeit eine möglichst weitgehende Pönalisierung" der Suizidbeteiligung zu erreichen340• Realitäts- und normengerechter ist es daher, die aktive und passive Mitwirkung am Suizid trotz manch begründeter Skepsis gegenüber individueller Schicksalsgestaltung unter dem Gesichtspunkt der Fremdtötung für straflos zu halten, solange der Selbsttötende sub specie legis eigenverantwortlich handelt341 . Wohl ist diese Hypothese dem Verdacht ausgesetzt, ihre Apologeten seien dem Sirenenklang zynisch-libertinischer Stimmen erlegen, die die psychische Not sU'iridgefährdeter Menschen leugnen. Unverarbeitete Konflikte 335

338

337 338

Simson (1976), S. 110. Vgl. oben Anm. 20 - 22. Vgl. oben Anm. 30. Vgl. Bringewat, ZStW (1975), S. 623 ff.; Geilen, JZ (1974), S. 151 ff.;

Herzberg (1972), S. 255 ff.; ders., JuS (1974), S. 379 ff.; Horn / SK, BT (1980), § 212 Rdnr. 9 ff. 338 Roxin (1977), S. 350 unter Hinweis Simson (1976), S. 119 ff. 3(0 Roxin (1977), S. 351. Mt Vgl. Roxin (1977), S. 349.

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12 Die Rechtsprechung

und Neurosen, Liebesdefizite, Repressionen und Sinnverluste reichen dem Strafrecht aber (de lege lata) nicht hin, um die Verantwortung für eigenhändiges Handeln vom Suizidenten fort und Dritten "zuzuschieben", mögen diese auch menschliche Schuld auf sich geladen haben und moralisch oder gar außerstrafrechtlich gehalten sein, den Freitod zu verhindern341 (vgl. i. e. Rdnr. 325 ff., insbes. 347 ff., 390 ff., 429 ff.).

13 Das Recht auf Suizidhinderung 100. Wer der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur unterlassenen Suizidhinderung folgt, kann von deren Strafbarkeit auf das Geboten- und Erlaubtsein der Suizidverhütung zurückschließen 342 • Logisch sind Pflichtwidrigkeit und Strafbarkeit der Suizidnichthinderung jedoch der Frage nachrangig, ob ein Recht besteht, Suizide zu unterbinden, und woraus sich ein solches Recht ergibt. Diesen mühsamen Weg muß gehen, wer die Selbsttötungsmacht i. S. eines "status negativus" als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit begreift (vgl. oben Rdnr. 35 ff.). Denn dann bedarf jeder Eingriff in diese Sphäre nicht nur einer formell gültigen Rechtsgrundlage. Der verfassungs rechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebietet auch, die Interessen, die durch den Eingreifenden verfolgt werden, mit den Belangen des Suizidenten abzuwägen. Und schließlich erheischt die Wesensgehaltsgarantie, einen "Kern" der Freitodfreiheit aufzuzeigen, der jedem staatlichen Eingriff entzogen ist; soweit Private am Suizid hindern, ist darzutun, welchen Restbestand subjektiver Möglichkeiten343 wenigstens die (von der Verfassungs rechtslehre postulierte) Bezugnahme des Art. 19 II GG auf Art. 1 I S. 1 GG344 - trotz der umstrittenen Drittwirkung der Grundrechte 345 im Strafrecht346 - offenhält.

131. Die Suizidhinderungsrecbte "Privater" 101. Als Rechtfertigungsgründe, die die Suizidhinderung durch Private legitimieren, hat die Literatur eine gewohnheitsrechtliche Befugnis des Arztes, in die körperliche Integrität einzugreifen347 , die mutmaßliche Einwilligung des Suizidenten348 und den rechtfertigenden Notstand34G genannt. Jede dieser drei Konstruktionen lädt zur Kritik ein350 • Vgl. Wagner (1975), S. 5 f. Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 19 II Rdnr. 8 in Auseinandersetzung mit Stein (1976), S. 254 ff. 844 Vgl. Hamann / Lenz (1970), Art. 19 II Rdnr. 66, zustimmend Maunz / 342

8t3

Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 19 11 Rdnr. 7 a. E. 345 Zur "Drittwirkung" der Grundrechte vgl. allg. Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 1 111, Rdnr. 101 f., 127 ff. 8'S Eine Drittwirkung der Grundrechte im Strafrecht bejaht Lenckner (1965), 216. Dagegen aber z. B. BGHSt. 13, S. 197 ff., 198 f. 341 Dünnebier / LR (1971), § 119 Rdnr. V 18. Vgl. aber auch Dünnebier / LR (1977), § 119 Rdnr. 185 ff.; Klein, DVBl. (1971), S. 236 Anm. 7. 6 Bottke

13 Das Recht auf Suizidhinderung

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131.1 Gewobnbeitsrechtlicbes Eingriffsrecbt der Ärzte?

102. Viele Suizidversuche erfordern ärztliche Maßnahmen, die über pharmakopsychiatrische Behandlungen351 bis hin zu operativen Eingriffen reichen können. Die Rechtsprechung unterwirft derartige Handlungen prinzipiell den Tatbeständen der §§ 223 ff. StGB; sind sie nicht besonders gerechtfertigt, kommt neben einem Körperverletzungsdelikt noch Nötigung in Betracht (§§ 223 ff., 240 StGB)352. Verfassungsrechtlich ist die "körperliche Unversehrtheit" durch Art. 2 II S. 1 GG geschützt353 ; staatliche Organe dürfen in sie gemäß Art. 2 II S. 3 GG nur "auf Grund eines Gesetzes" eingreifen. 103. Obwohl die verfassungs- und strafrechtliche Konstruktion den sozialen Sinngehalt ärztlicher Heileingriffe nur mit Abstrichen einfängt 35 4, ist ihr zu folgen. Denn der hohe Rang, den der "naturgegebene . .. Zustand des menschlichen Körpers"355 für den Grundrechtsträger einnimmt, darf nicht dazu führen, dessen Selbstbestimmungsrecht fremder "Vernunfthoheit" zu opfern: Das Grundgesetz teilt wohl die Hoffnung, der Mensch sei ein vernunftbegabtes Lebewesen; es garantiert aber zu Recht die Freiheit des einzelnen, sich ohne Schädigung oder Gefährdung anderer tradierten oder durch neue Erkenntnisse als plausibel begründeten Verhaltensforderungen zu verweigern (vgl. oben Rdnr. 33 - 55).

131.11 Der passive Suizid 104. Bereits von daher verbietet es sich, den in einer Therapieverweigerung liegenden "passiven Selbstmord" unter Hinweis auf ein ärztliches "Berufsbehandlungsrecht" zu unterbinden: Das "Recht auf körperliche Unversehrtheit" fordert Berücksichtigung auch bei einem Menschen, der es ablehnt, seine körperliche Unversehrtheit selbst dann preiszugeben, wenn er dadurch von einem lebensgefährlichen Leiden befreit wird. "Niemand darf sich zum Richter in der Frage aufwerfen, unter welchen Umständen ein anderer vernünftigerweise bereit sein 348 Bnngewat, NJW (1973), S. 540 ff., 544; ders., JuS (1975 a), S. 155 ff., 158; Engisch (1960), S. 47 ff., 52; Rosenberg, GS (1903), S. 62 ff.; Spann (1962), S. 108. 348 Vgl. dazu insbes. Engisch (1960), S. 47 ff. uo Vgl. dazu insbes. die Monographie von Wagner (1975), S. 58 ff.

Vgl. Thomas (1964), S. 81 ff. So std. Rechtsprechung seit RGSt.25, S. 375; BGHSt. 11, S. 111 ff.; 12, S. 379 ff.; 16, S. 303 ff. 363 Zum nur lockeren Verhältnis von Art. 2 11 S. 1 und §§ 223 ff. StGB vgl. Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 11 Rdnr. 36 Fußn. 4. 8U Nachweise bei Schönke / Schröder / Eser (1982), § 223 Rdnr. 27; Maurach / Schroeder, BT 1 (1977), § 811, S. 82 ff. 355 Vgl. die Definition der körperlichen Unversehrtheit bei Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 11 GG Rdnr. 29. 351

352

131. Die Suizidhinderungsrechte "Privater"

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sollte, seine körperliche Unversehrtheit zu opfern, um dadurch wieder gesund zu werden"358.

131.12 Der aktive Suizid 105. Weitaus difficiler fällt, den "aktiven Selbstmord" zu beurteilen. Folgt er einem präsuizidalen Syndrom357 , das nicht die Krankheitswerte des § 20 StGB erreicht, ähnelt der Frei-Todwille in "pathologischer" und "letaler" Hinsicht der freiverantwortlichen Verweigerung einer lebensrettenden Operation; zugleich ist er jedoch Ausdruck einer "Krankheit zum Tode", die im Unterschied zu anderen Krankheiten mit infauster Prognose nicht (eindeutig) "willensunabhängig" dem präsumierten Patienten auferlegt ist. Gleichwohl geht es nicht an, der präkonstitutionell begonnenen Praxis, die "fast täglich (ärztliche) Zwangseingriffe bei Selbstmördern"358 vornimmt, legitimationsspendende Kraft beizumessen. Erstens unterstreicht der aktive Selbsttötungsversuch eher den Wunsch zu sterben, als daß er dieses Verlangen, verglichen mit der bloßen Verweigerung eines lebensverlängernden Heileingriffs, abschwächen würde. Zweitens ist unstrittig, daß kein rechtlich "Gesunder" gezwungen werden kann, sich einer Psychotherapie zu unterziehen, die der suizidalen Inklination entgegengewirkt hätte oder der Suizidwiederholung entgegensteuern würde. Drittens folgt aus dem "Sein" einer vorverfassungsrechtlich begründeten Zwangsprophylaxe kein grundgesetzlich anerkanntes "Sollen": (Jedenfalls) Kein Nichtinhaftierter, der beschuldigt ist, eine Straftat begangen zu haben, die (auch) ihn lebensgefährlich verletzte, muß gesundheitsfürsorgerische Zwangsmaßnahmen der Justizbehörden oder ihrer Vollzugsorgane dulden (vgl. Rdnr. 277 ff., 301 ff.). Erst recht sollte sich, wenn und weil der aktive Selbstmord weder sittenwidrig (Rdnr. 52 - 54) noch im Einzelfall "krankhaft" (Rdnr. 99) oder "pflichtwidrig" (Rdnr. 42 ff.) ist, gegenüber Suizidenten, die "nur" sich selbst gefährde(te)n, ein ärztliches, wohl motiviertes Handeln vor dem Forum der in Art. 2 I, n GG verankerten Wertentscheide rechtfertigen. Und viertens wäre es merkwürdig, wenn staatliche Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit und andere grundrechtlich verbürgte Freiheiten einer gesetzlichen Grundlage bedürften, die praktisch bedeutsame Zwangstherapie durch Ärzte nach Suizidversuchen dagegen gänzlich freigegeben wäre. Wohl regeln die Menschen- und Bürgerrechte sowie Art. 2 n S. 3 GG direkt nur das Verhältnis von Staat und Bürger, nicht dagegen "das der Einzelpersonen untereinander"359. Es widerspräche jedoch Art. 1 In GG, 368 BGHSt. 11, S. 114. 357 Vgl. oben Anm. 21. 368

Wagner (1975), S. 71.

358 BGHSt. 13, S. 197 ff., 198 f. 6'

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wenn der Staat im privaten Bereich Verhaltensweisen tolerierte, die den (an sich frei ver antwortlich handlungsfähigen) Suizidenten als bloßes "Therapieobjekt" einstufen und bei hoheitlichem Handeln die Menschenwürde und damit den Wesensgehalt der Suizidfreiheit antasten würden; denn diese "zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt" (Art. 1III GG). Erst recht leuchtet nicht ein, derartige Verhaltensweisen unter Hinweis auf ein "berufsständisch limitiertes" ungeschriebenes Eingriffsrecht straffrei zu stellen, obwohl diese nicht im privatfamiliären Bereich siedeln und straftatbestandlich bereits erfaßt sind360 . 106. Wer sich auf diese Argumentationskette einläßt, wird darauf verzichten, Ärzten ein Berufsrecht zu gewähren, das ihnen über die jedermann gegebenen Rettungsrechte hinaus Sonderbefugnisse verleiht 361 . Selbst wer sich aber den von ihr verknüpften Monita verweigert, muß das postulierte ärztliche Berufseingriffsrecht auf Fälle einschränken, in denen die Suizidverhütung den Werturteilen des Grundgesetzes entspricht: Denn nichts spricht dafür, die Rechtsordnung toleriere "Rettungsakte" , die den Suizidenten z. B. zu einem qualvollen Weiterleben verdammen würden: Eingriffe in die Freiheit, sich selber zu töten, sowie in die körperliche Integrität können nur gerechtfertigt sein, wenn sie den SelbsttötungswiIligen und Eigenverantwortungsfähigen weder zu bloßer Leidensverlängerung verurteilen noch auf Dauer zum bloßen Objekt lebensfristender Maßnahme machen oder sonst unzumutbar sind (arg.: Art. 1 I S. 1, 19 II i. V. m. 1 III GG). 131.2 Mutmaßliche Einwilligung des Suizidenten in Rettungsakte?

107. Der mit einer Suizidverhinderung gekoppelte tatbestandlichrechtsgutsverletzende Eingriff in fremde Personenautonomie362 kann nach h. M.363 auch durch mutmaßliche EinwiIligung364 gerechtfer880 Vgl. auch Lenckner (1965), S. 216: "Es leuchtet nicht ein, warum es ... dem Privaten um der Grundrechte willen gestattet sein müsse, sich über Grundrechtssätze hinwegzusetzen, die für staatliches Handeln unabdingbar sind" (Hervorhebung nicht bei Lenckner). 381 Bemerkenswerterweise hält Dünnebier an seinem früheren Plädoyer für ein ärztliches Berufseingriffsrecht nicht mehr fest (vgl. oben die Nachweise in Anm. 347). 382 Vgl. Schmidhäuser, AT (1975),9/49. 363 Vgl. oben die Nachweise in Anm. 348. 384 Vgl. allgemein dazu Arndt, DJ (1937), S. 583 ff.; Baumann, AT (1977), § 21 11 5; Eichler (1931); Hirsch / LK (1970 - 1974), Rdnr. 123 ff. vor § 51 m. w. Nachw.; Jescheck, AT (1978), S. 309 ff.; Lackner (1981), Anm. 11 6 vor § 32; Schönke / Schröder / Lenckner (1982), Rdnr. 54 ff. vor §§ 32 ff.; Maurach / Zipf, AT (1977), § 2811, S. 412 ff.; Tiedemann, JuS (1970), S. 108 ff.; Traeger, GS (1927), S. 112 ff.; Roxin (1974), S. 447 ff.; Samson / SK, AT (1981), Rdnr. 48 ff. vor § 32; Schmidhäuser, AT (1975), 9/49 ff.; noch kritischer Schmidhäuser,

131. Die Suizidhinderungsrechte "Privater"

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tigt sein. Prinzipiell erfaßt dieser Unrechtsausschließungsgrund solche Sachverhalte, "bei denen nach der Sachlage eine Einwilligung wirksam erteilt werden könnte, der betroffene Rechtsgutsträger aber nicht handlungsfähig (z. B. wegen Bewußtlosigkeit) oder nicht rechtzeitig erreichbar ist, nach den Umständen des Falles und bei Würdigung der Interessenlage aber seine Zustimmung zu erwarten wäre"386. 108. Da die mutmaßliche Einwilligung mithin ein datenbasisgemäßes Wahrscheinlichkeitsurteil über den nicht einholbaren wahren Willen eines an sich entscheidungsfähigen Betroffenen beinhaltet366 , bedarf es ihrer weder, wenn der Suizident Rettungsmaßnahmen bei vollem Bewußtsein duldet und so konkludent sein Einverständnis erklärt, noch bei Situationen, in denen es dem Selbsttötenden absolut an der Verfügungsfähigkeit mangelt367 . Praktische Relevanz kann die mutmaßliche Einwilligung nur erlangen, wenn der Suizident hie et nune (z. B. infolge Bewußtseinsverlust) einwilligungsunfähig geworden ist und nicht das Erwachen des Suizidenten aus seiner Bewußtlosigkeit ohne Schaden für seine Gesundheit abgewartet werden kann 368 . Zu suchen ist dann nach Willensindizien, die sich aus präsuizidalen Äußerungen, dem rettungssichernden "Arrangement des Selbstmordes"369 oder anderen Situationsumständen ergeben können und den Selbsttötungsversuch als (demonstrativen) Parasuizid erscheinen lassen. 109. Eindeutige Beweisanzeichen werden sich allerdings selten gewinnen lassen. Denn viele Suizidenten handeln auf Grund eines dynamischen Motivgeflechts, in dem widersprüchliche Beweggründe verwoben sind, ohne daß sich über sie das Einverständnis in eine (spätere) Rettung lagern würde; in dringlichen Notlagen ist zudem kaum Zeit, langwierig zu eruieren. Gleichwohl geht es nicht an, unter dem Deckmantel einer "mutmaßlichen Einwilligung" das "wahre Wohl" des Betroffenen zu verfolgen. Anders als der Duden schreibt unsere Rechtsordnung den einzelnen groß: Seine grundgesetzlich verankerte Personenautonomie schließt jede Vernunfthoheit über die Entscheidungen erwachsener, verantwortungsfähiger Menschen und damit jede rein "objektive Beurteilung" der gegebenen Interessenlage370 aus 371 . Eine solche AT (1982), 6/87 ff., 92; Wessels, AT (1981), § 9 I 3; Zipf (1970), insbes. S. 52 ff. zur Frage, ob es eines solchen Rechtfertigungsgrundes überhaupt bedarf. Vgl. auch Anm. 5/8. 385 Maurach / Zipf, AT (1977), § 28112, S. 413. Vgl. auch BGHSt. 16, S. 309 ff., 312; Jescheck, AT (1978), § 33 IV; Roxin (1974), S. 464 ff. 366 Roxin (1974), S. 453. 367 Vgl. Engisch (1960), S. 47 ff., 52. 388 Roxin (1974), S. 461. 389 370

Wagner (1975), S. 65. Vgl. aber Wessels, AT (1981), § 9 I 3.

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"Fremdbestimmung" wird auch durch die früher für die mutmaßliche Einwilligung analog herangezogenen §§ 677 ff. BGB372 nicht gerechtfertigt. Zum einen stellt § 677 nicht nur auf das objektive "Interesse" des Geschäftsherrn ab, sondern auch auf "dessen wirklichen oder mutmaßlichen Willen". Und zum anderen regeln die §§ 677 ff. BGB ohnehin lediglich den internen Schadens- und Aufwendungsausgleich, "nicht aber die Voraussetzungen des Eingriffs in fremde Rechtsgüter, auf die es für die strafrechtliche Rechtfertigung ankommt"373. 131.3 Rechtfertigender Notstand als Auffangeingriffsrecltt?

110. Rechtfertigende Notstandshilfe leistet, wer in einer gegenwärtigen, nicht 'anders abwendbaren Gefahr für das Leben oder ein sonstiges Rechtsgut eines anderen eine Tat begeht, um von diesem die Gefahr abzuwenden, wenn bei Abwägung der widerstreitenden Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt (§ 34 StGB, vgl. § 16 OWiG). Als abzuwendendes Risiko kommt in Suizidfällen die Gefahr für das Leben des Suizidenten in Betracht, wenn sie ex ante gesehen nur noch durch unverzüglich zu ergreifende Abwehrmaßnahmen gebannt werden kann374 ; eine in diesem Sinne "gegenwärtige" Gefahr kann auch eine über einen längeren Zeitraum gegebene Suizidneigung begründen375 • "Tat" im Sinne des § 34 StGB ist der mit dem Rettungsakt verknüpfte straf tatbestandsmäßige Eingriff in die körperliche Unversehrtheit (§§ 223 ff. StGB), u. U. in die Fortbewegungsfreiheit (§ 239 StGB) sowie in das Selbstbestimmungsrecht (§ 240 StGB). Sie ist berechtigte Notstandshilfe, wenn der Retter in Kenntnis der Notstandslage 376 das ex ante geeignet und sicher erscheinende, angemessenem Abwehrmittel einsetzt378 und diese Vgl. Roxin (1974), S. 450 f. Ri. von Hippel (1929), S. 1 ff.; weitere Nachweise bei Jescheck, AT (1978), § 34 VII 2, S. 311, Fußn. 68. 373 Jescheck, AT (1978), § 34 VII 2, S.311. 314 Zur Gegenwärtigkeit der Gefahr vgl.: BGHSt. 18, S. 271 ff.; Dreher / Tröndle (1981), § 34 Rdnr. 3, 4. 375 Zur Dauergefahr vgl. allg. Schönke / Schröder / Lenckner (1982), § 34 Rdnr. 17; Wessels, AT (1981), § 8 IV 1. 371 Obwohl der Wortlaut der § 34 StGB eine "Rettungsabsicht" zu fordern scheint ("um die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden"), genügt zur Rechtfertigung in subjektiver Hinsicht die Kenntnis der Rechtfertigungslage (Vgl. Gallas [1979], S. 155 ff., 172; vgl. Hruschka, GA (1980 a), S. 1 ff., 14; Schönke / Schröder / Lenckner (1982), Rdnr. 14 vor § 32; Stratenwerth, AT (1981), Rdnr. 485 ff. Die h. M. begnügt sich freilich nicht mit der Kenntnis, sondern verlangt noch einen Rettungswillen (vgl. Hirsch /LK [1970 -1974], Rdnr. 36 vor § 51 a. F.; Samson, / SK, AT [1981], Rdnr. 23 vor § 32). 377 Vgl. dazu Grebing, GA (1979), S. 81 ff. 371

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Maßnahme die in § 34 StGB geforderte Interessen- und Wertabwägung besteh t 379 . 131.31 Sind Suizidsituationen "notstandsfähig"?

111. Die in der Überschrift gestellte Frage mag überraschen. Denn daß neben Einverständnis und mutmaßlicher Einwilligung auch der rechtfertigende Notstand die (gewaltsame) Rettung eines Lebensmüden erlauben kann, gehört nahezu zum bislang unangefochtenen "Glaubensbestand" der Rechtspraxis 380. Zweifel an solcher Gewißheit weckt jedoch die These Samsons, das gerettete und das aufgeopferte Interesse müßten "verschiedenen Inhabern" zustehen, um notstandsfähig zu sein381 : Gehörten die kollidierenden Güter "demselben Rechtsgutsinhaber" , komme statt § 34 StGB nur "Rechtfertigung aus mutmaßlicher Einwilligung in Betracht"382. Übertragen auf Rettungssituationen nach Suizidversuchen wären demnach Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 I GG, § 240 StGB), die Fortbewegungsfreiheit (Art. 2112 GG, § 239 StGB) oder in die körperliche Integrität (Art. 211 S. 1 2. Alt. GG, §§ 223 ff. StGB) des Suizidenten, die das Leben des Freitodsuchenden retten, niemals nach § 34 StGB zu legitimieren. Erstaunlicherweise hat sich die Literatur bislang nicht mit dieser - prima vista befremdlichen - Konsequenz auseinandergesetzt383 ; hartnäckiges "Beschweigen" ist aber keine wissenschaftlich anrätliche Strategie, kritische Probleme zu lösen. 131.311. Argumente für die "Differenzthese" 112. Für das Verlangen, die Interesseninhaber müßten personenverschieden sein, spricht, daß die mutmaßliche Einwilligung auf Konstellationen zugeschnitten ist, in denen die kollidierenden Interessen demselben Inhaber gehören: "Jemand dringt in das Haus seines abwesenden Nachbarn ein, um eine schadhaft gewordene Wasserleitung abzustellen; der Täter öffnet einen fremden Brief, um für den verreisten Adressaten etwa notwendig werdende Dispositionen vornehmen zu können; ein andrer tötet einen fremden Hund, dem die Straßenbahn 318 Eine "pflichtgemäße Prüfung" ist nicht notwendig; vgl. RudoZphi (1978), S. 74 ff.; Bottke, JA (1980), S. 94 ff. mit weiteren Nachweisen und Auseinandersetzung mit der abweichenden h. L. 378 Zu § 34 StGB vgl. aus der jüngsten Literatur Grebing, GA .(1979), S. 1 ff.; Seelmann (1980). Vgl. ferner die Nachweise in Anm. 765. 880 Vgl. Wagner (1975), S. 58 ff. 381 Samson / SK, AT (1981), § 34 Rdnr. 6 und 8. 38! Samson / SK, AT (1981), § 34 Rdnr. 6. 383 Auch Wagner geht in seiner Monographie nicht auf diese Frage ein (Samson stellte seine "Differenzthese" allerdings erst 1975 in der 1. Auflage des "Systematischen Kommentars" auf).

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(in Abwesenheit des Eigentümers) die Hinterbeine abgefahren hat ... ; der Retter verletzt notgedrungen den Ertrinkenden, um ihn nicht untergehen lassen zu müssen, oder ein Arzt operiert einen bewußtlosen Verunglückten, ohne seine Einwilligung einholen zu können"384. In all diesen Fällen ist der "Erfolgsunwert" der Tat ausgeschlossen, wenn die Handlung dem zu vermutenden, nicht einholbaren wahren Willen des Berechtigten entspricht385 ; der Verhaltensunwert fehlt, wenn der Handelnde die objektiven Sachumstände, die die mutmaßliche Einwilligung des Rechtsgutsträgers indizieren, kennt 386 und in dieser Kenntnis stellvertretend für den Rechtsgutsinhaber die Kollisionslage sachgemäß löst387 . Die mutmaßliche Einwilligung achtet die Verfügungshoheit des Rechtsgutsträgers; sie rechtfertigt, weil der "Täter" einen gegebenen Konflikt so bewältigt, wie es dem subjektiven, zu vermutenden Willen des Berechtigten entspricht388, ohne ein erklärtes oder indiziell ableitbares Veto zu überspielen; die "Elimination" des § 34 StGB, der "Fremdbestimmung" erlaubt und "Duldungspflichten" statuiert, sichert diese Funktion in idealer Weise ab, ohne die Personenautonomie des einzelnen in die in § 34 StGB angeordnete Interessenabwägung einzubringen und so zu relativieren. 121.312. Argumente gegen die "Differenztheorie"

113. Gleichwohl zwingt der Vergleich mit der "mutmaßlichen Einwilligung" nicht dazu, § 34 StGB ohne weiteres die "typischen Kandidaten" einer mutmaßlichen Einwilligung zu entziehen und für Notstandshilfe "Drei"- oder "Mehr-Personen-Verhältnisse" zu fordern. Wohl sucht § 34 StGB - anders als die "mutmaßliche Einwilligung" einen bestehenden Interessenstreit objektiv-sachgerecht (§ 34 S. 1 StGB) durch "ein angemessenes Mittel" zu schlichten. Und § 34 StGB erfaßt in der Regel auch Sachverhalte, in denen die kollidierenden Belange verschiedenen Rechtsgutsträgern zustehen: "Ein Arzt, der schnell eine Bluttransfusion an einem Unfallort vornehmen muß, um das Unfallopfer zu retten, fährt nachts - geringer Verkehr, übersichtliche Straße - mit überhöhter Geschwindigkeit zum Unfallort" 389. Dieser Roxin (1974), S. 447 ff., 447. Vgl. zum Ganzen Roxin (1974), S. 447 ff., 451. 38e Dabei ist "Sonderwissen" datenmäßig zu berücksichtigen. 387 Zum Erfordernis pflichtgemäßer Prüfung vgl. Rudolphi (1978), S. 74 ff., Bottke, JA (1980), S. 94 f. 388 Vgl. Baumann, AT (1977), § 2111 5; Blei, AT (1977), I, § 39; Jescheck, AT (1978), § 34 VII; Maurach / Zipf, AT (1977), 1. Teilband, § 2811; Roxin (1974), S. 451. Mehr objektivierend: Wessels, AT (1981), § 9 I 3. Kritisch z. B. Bockelmann, AT (1979), § 1511 2, S. 107 f. 38D Otto, AT (1976), § 8 VI 2, S. 139. Vgl. auch OLG Hamm, in: NJW 1977, S.1892. 384

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"Schwerpunkt" bedeutet jedoch nur, daß "mutmaßliche Einwilligung" und "rechtfertigender Notstand" zwei unabhängige· Erlaubnisgründe sind, deren Gegenstandsbereiche zwei sich überschneidende Kreise bilden.

114. Zudem ist es weder durch den Wortlaut des § 34 StGB geboten noch sachlich nötig, die Verfügungsfreiheit des Inhabers zweier kollidierender Interessen dadurch optimal zu schützen, daß derartige Konfliktsituationen stets, vor näherer Einzelfallanalyse, als "notstandsunfähig" deklariert werden: Erstens spricht § 34 StGB schlicht von "widerstreitenden Interessen", ohne für den Fall der "Notstandshilfe" die Trägerschaft durch verschiedene Personen vorzuschreiben; lediglich beim "einfachen" Notstand müssen die "widerstreitenden Interessen" verschiedenen PersonenS90 zustehen, da die Aufopferung eigener Interessen i. d. R. keine Fremdschädigung einschließt und mangels "Tatbestandsmäßigkeit" typischerweise keine "Tat" ist391 . Zweitens fehlen in vielen Fällen der Notstandshilfe objektive Beweisanzeichen, aus denen sich das Einverständnis oder das Veto des Rechtsgutsinhabers in die objektiv gebotene Preisgabe eines konkret niederwertigen Interesses ableiten ließe. Eine solche Situation ist z. B. gegeben, wenn man nicht weiß, ob und wie sich ein im allgemeinen operationsunwilliger Patient "im Angesicht des Todes" realiter entschieden hat oder "wirklich entscheiden würde"392. Konstruktiv-dogmatisch sollte drittens - schon im Hinblick auf die Behandlung etwaiger Irrtumsfälle - auch bei der mutmaßlichen Einwilligung nicht auf das Erfordernis einer objektiven Rechtfertigungslage, bei ihr: der Gesamtheit aller Umstände, die das Einverständnis des Betroffenen mit dem Hilfsakt indizieren393 , verzichtet werden: Die mutmaßliche Einwilligung ist das "datenbasisgemäße" Wahrscheinlichkeitsurteil über den wahren Willen des Betroffenen394 ; sie kann, muß aber nicht ein objektiv-richtiges Handeln erlauben, das nach dem Maßstabe des in § 34 StGB aufgenommenen (Güter-)Interessenabwägungsprinzip "sachgemäß" ist. Mangelt es an jeglichen "indizkräftigen" Beweisanzeichen, entfällt folglich mit der indiziell verwertbaren Datenbasis auch die Möglichkeit, eine mutmaßliche Einwilli390 Auch der Staat oder die Allgemeinheit kommen als solche "Personen" in Betracht (vgl. unten Anm. 391 und § 109 WStG). 301 Vgl. aber z. B. § 109 WStG, der die Selbstschädigung wegen gleichzeitiger Verletzung eines überragenden Gemeinschaftsinteresses kriminalisiert.

Roxin (1974), S. 469. Vgl. Bottke, JA (1980), S. 94 f., 95; Rudolphi (1978), S. 74 ff., insbes. S. 85, 86 ff. Dagegen z. B. Schönke / Schröder / Lenckner (1982), Rdnr. 19 a vor § 32 ff. 381

383

39' Die mutmaßliche Einwilligung ist mithin nur in dem Sinne das "sachgemäße" "Wahrscheinlichkeitsurteil über den wahren Willen des Betroffenen" (Roxin [1974], S. 453), als sie "datengemäß" ist, also der merkmalskomplexen Indizienfülle der Datensituation entspricht.

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gung anzunehmen395 . Denkbar bleibt dann nur, eine lebensrettende Operation nach § 34 StGB zu rechtfertigen, wenn und weil sie nach dem Güterabwägungsprinzip sachadäquat und geboten ist; dabei ist auch zu berücksichtigen, ob der (lebens rettende) Eingriff in die Personenautonomie irreparable Substanzverluste bewirkt, sonst irreversible Folgen zeitigt oder im Grunde dem Operierten nur die Chance bewahrt, selber über seinen Tod und sein Leben zu entscheiden. Und viertens erlaubt die "Angemessenheitsklausel" des § 34 S. 2 StGB, den essentiellen "Kern der Grundrechte des Menschen"396 auch dort unangetastet zu lassen, wo nach dem Interessenabwägungsprinzip eine andere Entscheidung des Betroffenen objektiv- sachgerecht ist 397 ; die allgemeine Handlungsfreiheit als Muttergrundrecht vor jeglichem fremdbestimmten Eingriff zu bewahren, widerspricht ihrer in Art. 2 I GG verankerten Einschränkbarkeit. 131.313. Stellungnahme 115. Last but not least ist bei Suizid rettungen zu berücksichtigen, daß die Allgemeinheit, repräsentiert durch den Rettungswilligen, ein ureigenes, legitimes (Art. 1 I 2 GG) Interesse daran hat, in lebensbedrohenden Lagen, die Werthereffekte" auslösen können, ihre Wertschätzung des Rechtsguts "Leben" (Art. 2 II 1 GG) als vitaler Basis der Menschenwürde (Art. 1 I 1 GG) durch angemessene Hilfe auszudrücken. Wägt man die vorgetragenen Topoi ab, bleibt es dabei, daß auch "Suizidsituationen" notstands fähig sind. Allerdings ist bei der Notstandshilfe sorgsam darauf zu achten, daß (persönlichkeitsgebundene oder gar) höchstpersönliche Entscheidungen398 des Rechtsgutsinhabers nicht unter Berufung auf § 34 StGB verdrängt werden; denn soweit keine Drittinteressen berührt sind, ist es prinzipiell Sache des Betroffenen, über die Rangfolge seiner widerstreitenden Belange zu befinden. Hat z. B. ein Verletzter "bei klarem Bewußtsein und in voller Erkenntnis der lebensentscheidenden Bedeutung seines Entschlusses"399 die Einwilligung in die lebensrettende Amputation verweigert, so überschritte

a. A. Roxin (1974), S. 469. WesseIs, AT (1981), § 8 IV 4, S. 71. Zur höchst umstrittenen Auslegung des § 34 S. 2 StGB vgl. auch Dreher / Tröndle (1981), § 34 Rdnr. 12; Grebing, GA (1979), S. 73 ff., Rdnr. 46; Lackner (1981), § 34 Anm. 3 e; Enger auslegend: Samson / SK, AT (1981), § 34 Rdnr. 22. Krit.: Schönke / Schröder / Lenckner (1982), § 34 Rdnr. 46. 3U7 Bemerkenswerterweise billigt Samson § 34 S. 2 StGB selbständige Bedeutung nur dort zu, wo für die Gefahrenabwehr ein rechtlich geordnetes Verfahren besteht; die Personenautonomie des Menschen und ihren Kern habe der Gesetzgeber bereits durch das "Differenzpostulat" vor jeglichem Eingriff geschützt. 398 Vgl. dazu Roxin (1974), S. 465 ff., 468 ff. 399 Roxin (1974), S. 468 f. 395

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jede Operation die von § 34 StGB aufgegriffene "Sozialbindung" der Personenautonomie des einzelnen40o ; zumindest schwere körperliche Substanzveränderungen dürfen ihm nicht zugemutet werden. Nicht dagegen ist es notwendig, aus dem Umstand, daß die Aufopferung eigener Interessen für den Verfügungsberechtigten keine "Tat" wäre, zu folgern, § 34 StGB käme für den "Notstandshelfer" nur in Betracht, wenn die Preisgabe des geringerwertigen Gutes auch für den Rechtsgutsträger ein tatbestandsmäßiges Verhalten wäre. Denn vor ("übermäßigen") Eingriffen in die Personenautonomie des Interesseninhabers, die seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen zuwiderlaufen, schützt das Erfordernis, durch ein "angemessenes" Mittel die gegebene Interessenkollision zu lösen; leicht deduzierbare Antworten gibt es dann freilich - gerade in Suizid fällen - nicht.

131.32 Falltypologie 116. Wäre der Suizidwille stets sittenwidrig (vgl. oben Rdnr. 52 ff.) oder aus anderen Rechtsgründen stets unbeachtlich (vgl. oben Rdnr. 44 ff.), fiele die durch § 34 StGB geforderte Prüfung in Fällen relativ leicht, in denen die Suizidverhütung keine Eingriffe in die Fortbewegungsfreiheit oder körperliche Integrität erfordert. Denn dann fiele in die Waagschale überhaupt kein Rechtsgut, das der Lebenserhaltung entgegenstünde. Difficiler würde die Gefahren- und Güterabwägung erst, wenn die Rettung des Lebensmüden seine Festhaltung oder gar einen (ärztlichen) Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit erforderte. Denn der Umstand, daß der "Selbstmörder" nicht Hand an sich legen dürfte, erniedrigte diesen nicht zum Rechtlosen: Er schlösse nicht aus, daß der Suizident noch über seine physische Integrität verfügen und etwaige operative Maßnahmen verweigern darf, zumal diese mit mehr oder minder hohen Risiken belastet sein können. Erst recht gilt das Gebot der Güterabwägung für den, der prinzipiell die Suizidfreiheit durch Art. 2 I, 19 11 GG als limitiert einschränkungsfähiges Abwehrrecht verbürgt ansieht (vgl. oben Rdnr. 35 ff.). Mithin: Im Traktatstil gewonnene Lösungen kann es dann nicht geben, nur Gesichtspunkte und Falltypologien. 131.321. Die vier möglichen Gesichtspunkte: Beachtlichkeit des Freitodwillens, Risikobelastung, Folgenschwere, Behandlungsveto 131.321.1 "Freier" Suizidwille? 117. Es liegt nahe, nach einem "Ja" zur Suizidfreiheit darauf abzustellen, ob der Suizidentschluß "frei" oder "unfrei" gefaßt wurde. 400 Vgl.. auch Bockelmann, AT (1979), § 15 C 11 2, S. 108: "Eine unmißverständlich erklärte Ablehnung des Betroffenen muß ... respektiert werden" .

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Um eine solche Differenzierung bemüht sich z. B. Wagner: "Beruht ... ein Selbstmord nicht auf einer freiverantwortlichen Willensentscheidung" , so unterscheidet er 400a, "können Dritte - Familienangehörige, Freunde, vor allem auch Ärzte - bei Selbstmordversuchen rettend eingreifen, ohne Gefahr zu laufen, sich nach den §§ 223, 240 StGB strafbar zu machen. Ist ein Selbstmordversuch freiverantwortlich zustandegekommen, macht sich der Retter nach den §§ 223 bzw. 240 StGB strafbar, wenn er den Selbstmörder entweder mit Gewalt oder mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit hindert"401. Wagner definiert "freiverantwortlich" aber nicht nach dem Vorbild strafrechtlicher Verantwortlichkeit und der für sie geltenden Regeln (vgl. §§ 35, 19, 20 StGB, 3 JGG)402. Vielmehr behauptet er, "daß ein nicht kleiner Prozentsatz der Selbstmörder in einem Maße psychisch krank ist, daß er nicht ernsthaft und freiverantwortlich einen Selbstmordentschluß fassen kann, ohne notwendig geisteskrank zu sein"403. Diese Thesen laden zur Kritik ein. 118. Der Nebel, der über der von Wagner gezogenen Grenze zwischen "freien" und "unfreien" Suiziden bereits in abstracto liegt, verdichtet sich im kritischen Einzelfall zu undurchdringlichem Smog. Denn weder existiert ein Obersatz, auf Grund dessen von einem "nicht kleinen Prozentsatz" auf das Kranksein dieses Suizidenten geschlossen werden könnte, noch ist in irgendeiner Weise bestimmt, worin dieses "Kranksein" gefunden werden könnte - es sei denn, man fingierte, alle Suizide zeugten von psychischer Krankheit404 (vgl. dazu im einzelnen Rdnr. 128 ff.). 119. Letztlich endet eine nicht rechtlich fixierte oder fern von rechtlichen Regeln eigenverantwortlichen HandeIns entwickelte Definition des "freien" Suizids in Subjektivismus: "Weiß", so resümiert Wagner, der Retter ... nichts um die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Suizidenten oder hat er Zweifel an ihr, ist ein Eingriff nach § 34 StGB gerechtfertigt" 405. Eine solche Lösung ist kriminalpolitisch fragWagner (1975), S. 130. Wagner (1975), S. 130 unter Hinweis auf Arthur Kaufmann, ZStW (1961), S. 342 ff., 368; Kühne, NJW (1975), S. 671 ff., 675. Anhänger hat Wagner bis400a

401

lang nicht gefunden. 401 Erwogen von Engisch (1976), S. 314, der auf "die Parallele zur Zurechnungsunfähigkeit" verweist. VgI. auch Roxin (1977), S. 331 ff., insbes. S. 347: "Demnach liefern also doch die Regeln der §§ 20, 35 StGB mutatis mutandis die einzige Abgrenzung, die sich auf eine deutliche Entscheidung des Gesetzgebers für eigene Handlungen stützen kann".

Wagner (1975), S. 60. VgI. oben Anm. 20 - 22. 405 Wagner (1975), S. 132, vgI. auch S. 127. Kritisch dazu: Arzt / Weber, BT LH 1, 1981, S. 79 Anm. 5. 403

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würdig, weil sie die Entscheidung über Strafbarkeit oder Straflosigkeit ganz der individuellen Zweifelsfreude und dem jeweiligen Einlassungsvermögen überantwortet, ohne objektiv nachvollziehbare Kriterien aufzuzeigen. Sie ist dogmatisch ungewöhnlich, weil sie im Widerspruch zu § 34 StGB und allen anderen Unrechtsausschlußgründen ganz auf eine objektive Rechtfertigungslage verzichtet (vgl. Rdnr. 160 ff.). Und sie ist konstruktiv falsch, weil sie auf dem Irrglauben beruht, die Freitodfreiheit dulde keine Einschränkungen. Gerade wer die Suizidmacht des einzelnen als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit verrechtlicht, muß sie der Schrankentrias des Art. 2 I GG unterstellen. Er kann den Kreis freitodmündiger Personen (in vorsichtiger Analogie zu den §§ 3 JGG, 19, 20 StGB) relativ weit ziehen, prinzipiell bejahen, daß (auch) sie an der Realisierung ihres Tötungswunsches gehindert werden dürfen, und danach fragen, welche Rettungsakte "objektiv-sachgerecht" (§ 34 S. 1 StGB) und "angemessen" (§ 34 S. 2 GG) sind. 131.321.2 Objektiver Risikofaktor und Folgenschwere 120. Rätlicher als ein rechtsfern subjektiv bestimmter Begriff des freiverantwortlichen Suizides könnte sein, auf den objektiv gegebenen Risikojaktor der Rettungshandlung abzustellen. Um einen solchen Ansatz hat sich in der Literatur vor allem Engisch bemüht: Soweit der Rettungsakt ex ante ohne Risiko für Gesundheit und weiteres Leben des Suizidenten durchgeführt werden könne, dürfe er auch gegen dessen (wirklichen oder mutmaßlichen) Willen erfolgen; gerechtfertigt seien so nahezu alle ärztlichen Behandlungen von Selbstmördern, die sich in aller Regel (wie z. B. Bluttransfusion, Auspumpen des Magens) ohne größere (medizinische) Gefahr vornehmen ließen406 • 121. Bereits Wagner hat konzediert, daß der von Engisch eingeführte Risikogedanke durchaus seinen Platz hat, da gemäß § 34 StGB auch die (Grade der) den geschützten Rechtsgütern drohenden Gefahren mit zu berücksichtigen sind407 • Und es ist auch richtig, daß nach herrschender Meinung das menschliche Leben bei der Abwägung als absoluter Wert zu Buche schlägt 40S , während (die in Art. 2 I GG geschützte) Personenautonomie und (die durch Art. 2 II S. 1 GG verbürgte) körperliche Unversehrtheit prinzipiell einschränkbar sind (vgl. Art. 2 I, 2 II S. 3 GG). Derartige Eingriffe müssen aber verhältnismäßig sein und die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG beachten. Einen wichtigen Fingerzeig für die Konkretisierung dieses Gebots geben § 81 a StPO

Engisch (1960), S. 47 ff., 54 ff. Vgl. auch Kreuzer (1965), S. 66 f. Wagner (1975), S. 61. 408 Lackner (1981), § 34 Anm. 2 e aa. Vgl. zuletzt zusammenfassend Küper (1979), S. 44, 121 m. w. Nw. 408

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und die Impfgesetze. Denn aus ihnen läßt sich der legislatorische Vorentscheid gewinnen, daß das Autonomieprinzip nur "ungefährlichen und keine Dauerwirkungen hinterlassenden Eingriffen nicht im Wege steht" 409, daß es dagegen Maßnahmen, die risikobelastet sind oder langfristige unzumutbare Folgen hervorrufen (können), auch in (den) Notstands situationen (des § 34 StGBl verbietet. Mag nun im Einzelfall ein ärztlicher Rettungsakt risikofrei und ohne schädliche Dauerwirkung durchgeführt werden können, es wäre verbotswidrig, wenn man die Beurteilung eines realiter (bei "fast allen Operationen"41o) gegebenen Risikos "nicht dem überließe, der den Eingriff dulden und mit den Folgen u. U. leben muß"41o. Selbst ein lebensgefährlich Verletzter kann "triftige und sowohl menschlich wie sittlich achtenswerte Gründe haben, eine Operation abzulehnen, auch wenn er durch sie und nur durch sie von seinem Leiden befreit werden könnte"411: Er kann z. B. verhindern wollen, nach einer Kopfschußoperation zu rein vegetativem Dasein verdammt zu sein oder seinen Angehörigen auf Dauer zum Pflegefall zu werden. 131.321.3 Das "negative Verfügungsrecht" des Suizidenten 122. Ein solches "Vetorecht" hat auch der Suizident. Denn selbst wenn und soweit sein Versuch, sich selbst zu töten, unerlaubt war (vgl. oben Rdnr. 33 ff., insbes. Rdnr. 42 ff.), wäre es "ein rechtswidriger Eingriff in die Freiheit und (in die gemäß Art. 1 I GG unantastbare) Würde der menschlichen Persönlichkeit, wenn ein Arzt" - nach dem (vorläufigen) Scheitern eines "ungeschickten" Tötungsversuchs "und sei es auch aus medizinisch berechtigten Gründen eigenmächtig und selbstherrlich eine folgenschwere Operation bei einem Kranken, dessen Meinung rechtzeitig eingeholt werden kann, ohne dessen vorherige Billigung vornähme"412; auch ein pflichtwidrig Handelnder ist kein leeres Blatt, auf das Dritte ihren Weiterlebens- und Behandlungswillen schreiben könnten. Erst recht verbietet sich eine "Sanktionierung" des Suizidversuchs durch Entzug des Einwilligungsprimats objektiv behandlungsbedürftiger Personen, wenn die(se) Selbsttötung von der Rechtsordnung freigestellt ist (vgl. oben Rdnr. 35 ff., 40 ff.). In beiden Fällen kann ein risikobehafteter oder folgenreicher Eingriff in die körperliche Integrität des Suizidenten gemäß § 34 StGB nur gerechtfertigt sein, wenn der an sich verantwortungsfähige Suizident weder sein Veto ausdrücklich einlegt noch im Falle der ErklärungsunfähigRoxin (1970), S. 27. Wagner (1975), S. 62. m BGHSt. 11, S. 111 ff., 114. 412 BGHSt. 11, S. 111, 114 (Klammerzusatz nicht im Urteil des BGH).

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keit und Unaufschiebbarkeit ein entgegenstehender mutmaßlicher Wille zu beachten und indiziell ableitbar ist. 123. Im Ergebnis verschränken sich daher die Gesichtspunkte des "beachtlichen Freitodwillens" , der "Risikobelastung" , der "Folgenschwere" und des "Behandlungsvetos" . So ist z. B. selbst nach einem "unfreien", durch eine dem Nötigungsdruck des § 35 StGB gleichkommende Drohung veranlaßten, Suizidversuch zu fragen, ob die medizinisch indizierte Operation unter dem Gesichtspunkt der Güterabwägung angezeigt ist. Verletzte sich der genötigte Suizident z. B. so schwer, daß ärztliche Kunst ihm nur noch ein endloses Martyrium oder ewigbewußtloses Dahinvegetieren verheißen kann, entspricht der Verzicht auf organische Hinfristung nicht nur dem mutmaßlichen Willen des Patienten, sondern auch dem in der "Euthanasiediskussion" vorbeschrittenen Weg von einer rein quantitativ-biologischen Lebenserhaltung zu einer personal-qualitativen Lebensbetrachtung413 • 131.322. Konkretisierung 124. Im Einzelfall wird man daher die aufgezeigten Gesichtspunkte kombinieren und konkretisieren müssen. Um nicht in juristischem Geraune zu verharren, ist es nötig, ein System typischer Fallkonstellationen zu entwerfen, das - wenn schon nicht perfekte Lösungen, so doch - konkretisierungsfähige Lösungshinweise bereit hält. Dabei sei von einfachen zu komplizierten Sachverhaltsgruppen vorangeschritten. 131.322.1 Die maßvoll gewaltsame risikolose Verhinderung eines rechtlich unbeachtlichen Suizidwunsches ohne Eingriff in die körperliche Integrität und ohne Dauerfolgen 125. Die relativ einfachste Situation ist gegeben, wenn der Freitodwille rechtlich unbeachtlich ist und der Rettungsakt weder in die körperliche Integrität eingreift noch andere schwerwiegende Folgen, z. B. endloses Siechtum, nach sich zieht. 131.322.11 Die "Beachtlichkeit" des Suizid wunsches 126. Der Ansatz, den der grundrechtliche Schutz der Suizidfreiheit wählen läßt, ist klar: Rechtlich beachtlich - nicht jedoch stets rettungsverbietend! - ist allenfalls der Freitodwunsch eines Grundrechts-, will hier sagen: Suizidmündigen, wenn die geplante Selbsttötung gegen keine besondere Rechtspflicht zum (Weiter-)Leben verstößt; Normen, die spezielle Rechts- oder Verantwortungs fähigkeiten 413

Vgl. nur Eser (1977), S. 75 ff., 122, 142 u.

Ö.

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regeln, kommt keine unmittelbare, die Suizidmündigkeit definierende Bedeutung zu. Dennoch lassen sich beachtliche und unbeachtliche Suizidwünsche näher umschreiben: Rechtlich unbeachtlich ist der Freitodwille jedenfalls, wenn der Suizid im Einzelfall einer besonderen Rechtspflicht zum Weiterleben zuwiderläuft, Dritte gefährdet oder der Freitod(versuch) rechtsmißbräuchlich, z. B. als "Nötigungsmittel" , eingesetzt wird. Rechtlich unbeachtlich sind ferner Freitodwünsche eines "Schuldunfähigen" (§ 20 StGB), der auf Grund seiner Geisteskrankheit entweder schlechthin unfähig ist, den Wert seines Lebens zu erkennen oder zu beachten, oder wegen einer in § 20 StGB beschriebenen schweren psychischen Störung im Hinblick auf die Selbsttötung in concreto nicht als verantwortungs fähig angesehen werden kann413a • Ebenso unbeachtlich ist der Suizidwunsch eines Kindes (§ 19 JGG) oder einer angesichts seiner Altersreife hic et nunc noch grundrechtsunmündigen Jugendlichen, der sich über die Konsequenzen eines Suizids im unklaren ist414 • Keinesfalls verhütungshindernd wirkt im Ergebnis auch der Suizidwunsch eines "freitodmündigen" Lebensmüden, dessen Selbsttötungswille von Dritten "ertäuscht" wurde oder aus anderen Gründen auf einem Motivirrtum beruht. Zwar ist ein bloßer Motivirrtum vage und kaum objektivierbar; daher taugt er z. B. nicht, die strafrechtliche Haftung des Irrtumsveranlassenden zu begründen415 (vgl. unten Rdnr. 379 ff.). Eine gänzlich andere Beurteilung verdient dagegen die Frage, ob ein "irrig" den Tod Suchender vor seinem Unglück bewahrt werden darf: Sein Motivirrtum (schließt konstruktiv-dogmatisch entweder einen Freitodwunsch aus, der bei wiederholter Realisierung an unangemessener Dauerverhütung hindert, oder) läßt seine Einwilligung in einen Rettungsakt vermuten, der keine schädlichen Spätfolgen des Suizidversuchs festschreibt oder eigene bewirkt. 127. Zu -beachten ist bei alle dem nur, daß auch "irrtumsfrei" versuchte Suizide Freitodmündiger nach § 34 StGB prinzipiell verhütet werden dürfen (vgl. i. e. Rdnr. 146 ff.). Zweifel des Retters am Vorliegen eines "beachtlichen" Suizidwunsches spielen daher grundsätzlich keine Rolle; erst für die Frage, ob ein mehrfach versuchter Freitod verhindert werden darf, werden dessen Definition (vgl. unten Rdnr. 128 ff., 132 ff.) und dessen "Beachtlichkeit" relevant (vgl. unten Rdnr. 174). (ISa. Vgl. Roxin (1977), S. 350 f. Die Möglichkeit eines "lucidum intervallum" betont Stratenwerth, BT I (1978), S. 35. 41( Da die Suizidfreiheit von Art. 2 I GG geschützt ist, kann es nicht schematisch auf die Strafrechtsmündigkeit (vgl. Geilen, JZ [1974], S. 151; Horn / SK, BT [1980], § 212 Rdnr. 14 m. Nw.) oder gar zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit des Lebensmüden ankommen, sondern auf dessen in concreto gegebene "Freitodmündigkeit" . 415 Vgl. dazu Roxin, / LK (1978 b), § 25 Rdnr. 83.

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131.322.111. Der "überlagerte" Suizidwunsch 127 a. "Unbeachtlich" ist der ,Suizidwunsch auch, wenn 'er von Beweggründen überlagert wird, die auf einen Parasuizid schließen lassen: Drohte der Suizident z. B. seiner Lebenspartnerin, sich bei einer Trennung umzubringen, ist sein Selbsttötungsversuch nicht nur "rechtsmißbräuchlich" . Er ist oft auch nur als Appell gemeint, eher eine Suizidgeste denn absichtlicher Freitod, der den Wunsch, weiter zu leben, nicht ausschließt 416 • Freilich droht gerade diese, von der modernen Suizidforschung belegte Häufigkeits-Aussage beim Einzelfall in subjektiven Spekulationen zu versinken, ohne der Bewertung des Falles eine sichere Basis zu liefern; wer als Laie "wildem" Psychologisieren abhold ist, wird sich in der Entscheidungsnot einer Rettungssituation lieber auf objektive Indizien für oder gegen die Ernsthaftigkeit der Tötungstendenz verlassen wollen, wie z. B. auf den Ausschluß etwaiger Rettungschancen, auf die Benützung höchst autoaggressiver, "harter" Suizidmethoden417 oder die Bereitstellung von Rettungschancen. Dennoch bleibt es selbst in Fällen objektiv hoher Lebensbedrohung schwierig, zwischen wirklicher und vorgespiegelter Selbstmordhandlung zu unterscheiden, da das insoweit "entscheidende Kriterium ... das Bestehen oder Fehlen der Selbstmordabsicht" bleibt 418 , die als subjektives Merkmal nicht zwingend aus objektiven Anzeichen erschlossen werden kann. 131.322.112. Der "krankhafte" Suizidwunsch 128. Äußerst difficil ist das Problem, ob und inwieweit es zulässig ist, über die in § 20 StGB gezogenen Grenzen hinaus Suizidentschlüsse als "krankhaft" und daher unbeachtlich anzuerkennen. Der Meinungschor in der Literatur tönt vielstimmig, ohne sich im "Leitmotiv" oder gar "en detail" zusammengefunden zu haben: 129. So bemerkt Wagner apodiktisch, "daß ein nicht kleiner Prozentsatz der Selbstmörder in einem Maße psychisch krank ist, daß er nicht ernsthaft und freiverantwortlich einen Selbstmordentschluß fassen kann, ohne notwendig geisteskrank zu sein"419. Engisch hält dagegen dafür, den Willen zu sterben "nur dort einfach als unbeachtlich anzusehen, wo er auf geistiger Störung beruht"420. "Anhaltspunkte" für das m Vgl. dazu Stengel (1969), S. 22 ff., 27 ff., insbes. 28: Die meisten Menschen, die Selbstmordhandlungen begehen, benehmen sich so, als ob sie nicht entweder sterben oder leben wollten, sondern beides gleichzeitig. 417 Beispiel: Der Suizident hängt sich auf und bindet vorher Hände und Füße zusammen. 418 418 420

Stengel (1969 a), S. 27, 28. Wagner (1975), S. 60.

Engisch (1976), S. 313.

7 Bottke

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Urteil, eine "geistige Störung" liege vor, böte "die Parallele zur Zurechnungsfähigkeit bei Straftaten, welche aber auch nicht schematisch heranzuziehen" sei 421 . "Zu weitgehend" sei es, "in der Mehrzahl der Selbstmordfälle den Selbstmörder für geistig gestört oder genötigt und insofern ,unfrei' zu halten"421. Noch zurückhaltender äußert sich Krey, demzufolge "in aller Regel" der Krankheitswert des präsuizidalen Syndroms "nicht das Gewicht" der in § 20 StGB genannten Voraussetzungen erreicht422 . Roxin glaubt demgegenüber, "daß ein verhältnismäßig hoher Prozentsatz von Suiziden auf endogenen Depressionen ,Schizophrenie, organischer Demenz und Debilität' beruhen, Erkrankungen also, die auch nach allgemeinen Regeln und der hier vertretenen Auffassung die Verantwortlichkeit ausschließen"423. Allerdings dürfe der Mangel der Verantwortlichkeit "nicht ohne weiteres in abstracto für alle Handlungen festgestellt werden ... das (sei) wohl nur bei den eigentlichen Geisteskrankheiten möglich - sondern ... stets auf die konkrete Tat" zu beziehen: "Es kann durchaus sein, daß jemand, wenn er eine gegen die Rechtsgüter anderer gerichtete Straftat vorgenommen hätte, straflos geblieben wäre, im Hinblick auf die Selbsttötung aber als verantwortlich angesehen werden muß (und umgekehrt)"424; der letztgenannte Fall werde "der häufigere" sein425 . Noch weitergehender schränkt Horn "die ,freie Verantwortlichkeit' des Suizidenten" dadurch ein, daß er diese "bei den in § 20 genannten physischen und psychischen Defekten des Selbstmörders (also bei krankhaften seelischen Störungen wie exogenen und endogenen Psychosen oder erheblicher Trunkenheit, tiefgreifenden Bewußtseinsstörungen wie Halluzinationen oder hochgradigen Affekten ... , Schwachsinn oder schwerer seelischer Abartigkeit wie Psychopathien oder Neurosen ... als ausgeschlossen" erkennt 426 - ohne Rücksicht darauf, ob diese Defekte bei einer Fremdtötung die Schuld des Tötenden exkludiert oder nur vermindert hätten427 . 130. Gegen Versuche, die in § 20 StGB aufgerichteten Schranken für einen auf "Krankheit" beruhenden Verantwortungsausschluß aufzuweichen, kann nicht eingewandt werden, sie widersprächen dem Gesetz. Denn § 20 StGB regelt, wann die Schuld eines Täters "wegen see421 Engisch (1976), S. 314. m Krey, BT 1 (1979), § 1 IV a (4) (a), S. 37. 423 Roxin (1977), S. 350. 424 Roxin (1975), S. 236. Zustimmend insoweit Geilen, JZ (1974), S. 145 ff., S. 151 Anm. 55. 425 Roxin (1977), S. 351 Anm. 81. 421 Horn / SK, BT (1980), § 212 Rdnr. 13. m Horn / SK, BT (1980), § 212 Rdnr. 13 a. E.

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lischer Störungen"428 ausgeschlossen ist, der in rechtswidriger Weise straftatbestandsmäßig handelt. Der Suizident handelt aber nicht straftatbestandsmäßig (vgl. oben Rdnr. 18) - selbst dann nicht, wenn und soweit er pflichtwidrig handeln sollte (vgl. oben Rdnr. 19 ff.)429. Zudem geht es hier nicht einmal um das Problem, ob die Verantwortlichkeit für den "Freitod" vom "Selbst-" auf einen Hintermann als mittelbaren "Fremd-Mörder" überwechselt 430 . Vielmehr ist hier erst von der Frage zu handeln, ob der Suizidhindernde gerechtfertigt handelt und daher nicht den Unrechtstatbestand der Nötigung (§ 240 StGB)431 erfüllt. So wie andere Befugnisnormen, so soll auch § 34 StGB soziale Bedürfnisse und individuelle Freiheiten zum Ausgleich bringen, hier: den sozialstaatlich begründeten Anspruch Dritter, nicht tatenlos Suiziden zuschauen zu müssen, sondern mitmenschliche Solidarität zeigen zu dürfen, und die Freitodbel'eitschaft des Lebensmüden. Dabei stellen die Rechtfertigungsgründe des geschriebenen Rechts "nur verhaltensleitende Maßstäbe ... (auf), die an Hand des Rechtsstoffes zu konkretisieren sind" 432, so daß sich auf der Rechtfertigungsebene auch eine substratadäquat (im Verhältnis zu § 20 StGB) abgewandelte Lösung der "Frei-Verantwortlichkeit" ergeben kann. Ferner folgt die rechtliche Garantie der "Suizidfreiheit" nicht aus Regeln, die die Fähigkeit, schuldhaft zu handeln, ausschließen (oder die Tat eines Schuldfähigen entschuldigen, §§ 19, 20, 35 StGB). Sie ist vielmehr durch Art. 2 I GG verbürgt, was auf die in concreto gegebene (und "objektspezifizierte") "Grundrechtsmündigkeit" (sprich: Suizidmündigkeit) abstellen läßt; bei deren Bestimmung im Einzelfall können die §§ 19, 20 StGB, 3 JGG lediglich Fingerzeige für die rechtliche Verantwortungsfähigkeit des Suizidenten geben (vgl. i. e. unten Rdnr. 132 ff.). Und schließlich ist davor zu warnen, zugunsten aufoktroierter, nicht freiwillig angenommener Suizidprophylaxe (anders Rdnr. 58 a) einen vorjuristischen Krankheitsbegriff432 & zu propagieren, der wegen seiner Diffusität geeignet ist, sozial ungewöhnliche Konfliktlösungen als krankhaft zu diskreditieren und nach solcher Stigmatisierung ihrer grundrechtlichen Garantie zu berauben. Vgl. den "amtlichen" Titel des § 20 StGB. m Vgl. Horn / SK, BT (1980), § 212 Rdnr. 13 a. E. 430 In diesem Zusammenhang sind insbes. die Äußerungen von Roxin und Horn gestellt. Vgl. dazu unten Rdnr. 347 ff. 431 Zur Notwendigkeit, bei der Nötigung von einem Gesamt-Unrechtstatbestand auszugehen, vgl. Roxin JuS (1964), S. 371 ff. = (1973 b), S. 184 ff., mit zahlreichen Nachw. aus der neueren Lit. auf S. 208. m Roxin (1973 a), S. 24 ff., 29 f. 432& Die Interpretation jeder präsuizidalen Befindlichkeit als "krankhaft" ist mit dem Entwickeln von Therapieangeboten gekoppelt, die auf die freiwillige Annahme und Mitarbeit des Suizidgefährdeten angewiesen sind, vgl. die Beiträge in Reimer (1982). 428



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131. Dies bedenkend ist keinesfalls jede Melancholie, leicht depressive Stimmung oder irgendeine andere psychische Störung, die nicht in § 20 StGB angesprochen ist, geeignet, die Frei-Verantwortlichkeit des Suizidenten aufzuheben, mag sie auch psychotherapeutische Hilfen als anrätlich erscheinen lassen. Selbst seelische Störungen, die in § 20 StGB angesprochen sind, schließen einen "selbstverantwortlichen" , will sagen: nicht Dritten zulastbaren Willen, erst von einem Krankheitswert aus, der im konkreten Einzelfall wenigstens annähernd dem in § 20 StGB vorausgesetzten gleichkommt; "Sache der empirischen Wissenschaften"433 ist es, hier verläßliche Aufklärung zu vermitteln. Eine ganz andere Frage ist freilich, ob nur Suizide verhindert werden dürfen, die i. S. der §§ 19, 20, 35 I StGB entschuldigt wären (Rdnr. 132 ff.); der allein unantastbare "Kern" der nur limitiert einschränkungsfähig verbürgten Suizidfreiheit (Rdnr. 33 - 56, 58) ist, um die Antwort vorwegzunehmen, entgegen Wagner 434 weder mit dem Kreis erkannter oder "unbezweifelter" (so Wagner) noch mit dem realiter gegebener Freitod(versuch)e umfangsidentisch. 131.322.113. "Grenzfunktion" der §§ 19, 20, 35 I StGB, 3 JGG auf der "Rechtfertigungsebene"? 132. Um sich nicht in dem Tang unterschiedlicher Ideologien zum Suizid und zu seinem "Krankheitswert" zu verstricken, könnte ein allen vorgesetzlichen Grenzen abholder Jurist allerdings versucht sein, das Areal unbeachtlicher, weil "unfreier" Suizidwünsche allein mittels der strafrechtlichen Exkulpationsregeln der §§ 19, 20, 351434a StGB, 3 JGG zu bestimmen; außerhalb dieses Bereiches sei jeder Freitod zu respektieren, es sei denn, er verstieße gegen eine aus einer besonderen Obhutsstellung fließende Pflicht zum Weiterleben oder der Rettungsakt sei in unerträglichem Maße risiko- oder folgenbelastet oder unterliege als Eingriff in die körperliche Integrität einem beachtlichen Veto des Sterbewilligen. 133. Unbestreitbar würde eine solche Definition Rechtfertigungsprobleme auf ein Minimum reduzieren. Dieser Vorteil wäre jedoch zu teuer erkauft. Denn im Ergebnis stellte sie aus sozial ethisch löblichen Motiven Handelnden weithin das Verdikt aus, "rechtswidrig" Freitode unterbunden zu haben. Dies kann nur goutieren, wer "gut gemeint" allemal als das (u. U. strafrechtlich zu ahndende!) Gegenteil von "gut" empfindet; wer die Rechtfertigungslehre nicht gegen die soziale WirkRoxin (1977), S. 350. m Wagner (1975), S. 130 f., 136. Vgl. zu Wagner, Rdnr. 147 ff. 43 4a Nimmt der Suizident irrig Umstände an, die ihn bei Fremdschädigung u. U. entschuldigen (§ 35 11 StGB), ist sein Tötungswunsch unbeachtlich. 433

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lichkeit und bereits vorrechtlich begründete Werturteile abschotten will, kann dem "von achtenswerten Motiven beseelten Retter"435 kaum häufig bescheinigen wollen, er habe durch seinen Eingriff in das suizidale Geschehen eine Tat begangen, die den Regeln sozial anerkannter Konfliktlösung widerspreche, daher "rechtswidrig" sei und u. U. durch §§ 240, 223 ff. StGB kriminalisiert werde. Zudem macht bereits die Herausnahme des § 3511 StGB aus dem Kreis der "grenzziehenden" Exkulpationsregeln deutlich, daß selbst die "analoge" Anwendung der Entschuldigungsgründe auf der Rechtfertigungsebene zur Analyse und Bewertung der Suizidmotivation gezwungen ist - es sei denn, sie ließe selbst denjenigen in sein Unglück rennen, der irrtümlich eine (bei Fremdtötung: gemäß § 3511 StGB entschuldigende) Nötigungslage annimmt 436 • 134. Ferner können die Strafmündigkeits- und Exkulpationsnormen, analog angewandt, wohl noch bestimmen, wo die Eigenverantwortlichkeit eines von Dritten veranlaßten oder nichtgehinderten Suizids endet und die Fremdverantwortlichkeit beginnt; denn insoweit geht es um eine Zurechnungsfrage, deren behutsame Lösung durch den enumerativen Charakter und engen Regelungsbereich der §§ 19, 20, 35 StGB, 3 JGG erleichtert wird (vgl. i. e. unten Rdnr. 346 ff.). Diese, ihre Eigenart schließt es aber zugleich aus, sie analog auf der Rechtfertigungsebene mit der Folge anzuwenden, daß die meisten Suizidrettungsakte von Rechts wegen mißbilligt (und als Nötigung strafbar) wären. Zwar sind Moral und Recht nicht völlig deckungsgleich437 • Und es ist auch richtig, daß das Strafrecht nicht dazu da ist, bloß moralwidrige Verhaltensweisen zu pönalisieren438 • Die sich überschneidenden Kreise moralischer und rechtlicher Regeln439 würden aber in unerträglicher Weise auseinandergezerrt, wenn das Recht ein Verhalten verwerfen würde, das die meisten Menschen ohne Rücksicht auf strafrechtliche Vorentscheidungen und Drohungen für richtig halten und wählen: Der "Umstand, daß der Selbstmord acht- bis zehnmal so oft versucht wie vollendet wird, zeigt, daß eine in der akuten Gefahrensituation mögliche Vgl. Roxin (1977), S. 339. Beispiel: A spiegelt dem B unter den Bedingungen eines Unrechtsregimes vor, die Geheime Staatspolizei werde B morgen abholen, um B durch Folter zum Verrat seiner Freunde, politischer Dissidenten, zu zwingen. C erfährt von dem üblen "Scherz" des A und schlägt B im letzten Moment den "Schirlingsbecher" aus der Hand. 437 Aus der unübersehbaren Literatur zum Verhältnis von Recht und Moral vgl. statt aller Engisch (1971), S. 82 ff. Speziell zur schwedischen Uppsala-Schule Geiger (1979), S. 9 ff. 438 Zum Verhältnis von Strafrecht und Moral vgl. statt aller nur die gegensätzlichen Auffassungen von Jellinek (1908), S. 45 und Bockelmann (1968), S. 259 einer- Roxin (1973 b), S. 1 ff. andererseits. 439 Vgl. Engisch (1971), S. 82 ff. 435

43ß

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Rettung fast nie unterlassen wird"440 - eben weil die Suizidhinderung gemeinhin als werthaftes Agieren empfunden wird, das mit den Geboten des Rechts jedenfalls nicht in Konflikt gerät. Diese Harmonie würde gefährdet, wenn Suizide wider der in Art. 2 I GG angelegten, limitierten Einschränkbarkeit nur in einem Bereich verhindert werden dürften, den die §§ 3 JGG, 19, 20, 35 I StGB abstecken; eine derart sozialen Schaden stiftende Auslegung kann nicht im Sinne des Gesetzes und seiner Rechtfertigungsgründe sein. 135. Und schließlich ist u. U. sogar ein "irrtumsfrei" in einer Nötigungssituation eingeleiteter Suizid zu respektieren - nämlich dann, wenn auch der Retter das dem Suizidenten drohende Risiko nicht abwenden kann: Will der Sterbewillige durch seine Tötung z. B. der Gefahr entgehen, unter Folter der geheimen Staatspolizei eines Unrechtsregimes Freunde oder seine Angehörigen zu verraten oder qualvoll ermordet zu werden, läßt sich weder behaupten, der "Rettungs akt" verhindere einen "Freitod", noch sagen, der Retter taste durch sein Verhalten nicht den Wesensgehalt des Art. 2 I GG an. Mithin: Eine Einzelfallprüfung, die die grund rechtlich geschützte Suizidfreiheit mit dem (in einem Sozialstaat anerkannten) Recht, Hilfe zu leisten, zum Ausgleich bringt, darf mittels "analog angewandter" Exkulpationsnormen nicht vermieden werden. 131.322.114. Mangelnde Ernstlichkeit und Unbeachtlichkeit des Suizidwunsches analog § 216 StGB?

136. Dem Vorwurf gesetzesferner Definition setzt sich auch nicht aus, wer die ",freie Verantwortlichkeit' des Selbstmörders" als ausgeschlossen ansieht, wenn dieser "sich in einem Zustand befindet, der die ,Ernstlichkeit' des Tötungsverlangens nach § 216 als zweifelhaft erscheinen ließe"441. Denn die hierfür entwickelten Regeln explizieren einen Gesetzesbegriff. Diskussionsbedürftig ist aber, ob und in welchem Sinne es "sachgerecht" wäre, unter Hinweis auf die Maximen der Einwilligungslehre und § 216 StGB als "frei" (und eingriffsverbietend) einen Suizidentschluß "dann und nur dann" anzuerkennen, "wenn er nach diesen Maßstäben Ausdruck eines freien und ernstlichen Verlangens nach dem eigenen Tod ist"442. 137. Im Bereich des § 216 5tGB erklärt die "Ernstlichkeitsinterpretation" ein Tötungsverlangen aus einer "Augenblicksstimmung oder vorubergehenRoxin (1977), 5. 353. m Horn / SK, BT (1980), § 212 Rdnr. 15; vgl. auch Geilen, JZ (1974), S. 145 ff., 151 f.; Herzberg, JuS (1974), S. 379; Krey, BT 1 (1979), S. 35 ff. m Krey, BT 1 (1979), 5. 38. UO

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den Depression"us für unbeachtlich. Im Bereich der Suizide nennt Krey als Beispiele nicht "ernstlicher" Freitodwünsche den "Suizidversuch, der den Charakter eines Hilferufes trägt", den "Selbstmordversuch eines Jugendlichen, es sei denn, dieser besitzt ausnahmsweise die Einsichtsfähigkeit für solch ein ernstliches Verlangen"444, den "Suizid aus heulendem Elend"445 sowie "kurzschlüssig durchgeführte Konfliktsuizide"448; Horn erwähnt den "Hungerstreik", dessen Teilnehmer "in der Regel den Erfolg seiner Aktion miterleben" wolle447 • 131.322.114.1 Umdeutung der Ernstlichkeitslehre und Problemstellung 138. Um diese Beispiele und die "Ernstlichkeitslehre" richtig würdigen zu können, ist es nötig hervorzuheben, daß ihre Autoren sie nicht auf der Rechtfertigungsebene heranziehen, sondern verwenden, um die "FremdverantwoTtlichkeit" solcher Suizide für mitwirkende Dritte und nichthindernde Garanten darzutun. Dieser Gebrauch ist aus einer Reihe von Gründen erstaunlich: Erstens gibt es "kein Beispiel und keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber die Verantwortlichkeit für eigenes Handeln jemals nach den ... ungeschriebenen und ungesicherten ... Regeln über die Wirksamkeit" eines Tötungswunsches i. S. von § 216 StGB behandelt hätte 448 • Zweitens bemißt sich auchm oder gerade 460 bei einer Fremdtötung auf Verlangen die Täterschaft des Tötenden nach allgemeinen, d. h. den §§ 25 ff. StGB abgewonnenen oder hiernach geltenden Kriterien; das "ausdrückliche und ernstliche Verlangen" des Opfers, getötet werden, verringert nur das Unrecht der Tat und bildet so bei entsprechender Motivierung des Täters die Grundlage für dessen strafrahmenverschiebende Schuldminderung461 • Und drittens hätte es eben wegen der unrechtsabschwächenden Wirkung eines ernstlichen (Fremd-)Tötungsverlangens nahegelegen, vor aller Tatzurechnung zu prüfen, ob jeder Sterbewunsch den (vollen) Unrechtsgehalt eines eigenhändig vollzogenen Freitodes unter die Verbotenheitsschwelle sinken läßt und jedes "ernstliche" Suizidbegehren Rettungsakten entgegensteht.

Schönke / Schröder / Eser (1982), § 216 Rdnr. 8 m. w. Nachw. Krey, BT 1 (1979), S. 38. U5 KTey, BT 1 (1979), S. 37. 448 Krey, BT 1 (1979), S. 37, 38. 441 Horn / SK, BT (1980), § 212 Rdnr. 15. 448 Vgl. Roxin (1977), S. 346 f. 449 Roxin (1975), S. 565 ff. 460 BGHSt. 19, S. 135 ff. 451 § 216 StGB liegt daher eine Kombination unrechts- und schuldmindernder Faktoren zugrunde. Vgl. dazu § 101 AE, Begr. S. 21; Hirsch (1974), S. 796 f.; Schönke / Schröder / Eser (1982), § 216 Rdnr. 1; Schmidhäuser (1980), BT 2/14, S. 19. U3

444

104

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131.322.114.2 Einwände 139. Da ich die erste der beiden Fragen bereits behandelt habe (vgl. oben Rdnr. 18 ff., 33 ff.), bleibt mir hier nur aufgegeben, die zweite anzugehen. Die zurückzulegende Wegstrecke wäre recht kurz, wenn die Redefigur eines "ernstlichen" Selbsttötungswunsches semantisch leer, "eisernes Eisen" wäre. Der Verdacht des Pleonasmus drängt sich auf: "Denn was sollte", so darf rhetorisch argumentiert werden, "ein nicht simulierter, also ernsthafter Selbstmordversuch anderes sein als ernstlich?!"452. Gleichwohl ist der Argwohn erschütterbar. Denn der ihn begründende Einwand schöpft seine Kraft aus der ähnlichen Lautgestalt von "ernsthaft" und "ernstlich"; Lautverwandschaft darf aber nicht unbesehen für Sinngleichheit genommen werden453 • Sieht man genauer hin454 , läßt sich mit einiger Phantasie differenzieren: In objektiver Hinsicht kann auch ein "Selbstmord aus Liebeskummer, wegen eines beruflichen Fehlschlages ... oder aus ähnlichen Gründen"455 "ernsthaft", will tatbezogen sagen: "todsicher gestaltet", sein. In subjektiver Hinsicht können derart "ernsthafte" Suizide momentanem Lebensüberdruß entspringen und insofern nicht "ernstlich" gewollt, will motivationsbezogen heißen: unüberlegt und übereilt, sein. 140. Allerdings: Ein "Ernstlichkeitsverständnis", das den Motivationsprozeß des Suizidenten erfaßt, gibt Rettungswilligen kaum verläßliche Leitbegriffe vor. Denn wie "häufig" etwa die von Krey exemplarisch erwähnten "kurzschlüssigen Konfliktsuizide aus Verzweiflung"458 sind, bleibt schon wegen der sich im Ungewissen verlierenden Grenzen jenes interpretationsoffenen Hilfsterminus der subjektiven Zweifelsoder Definitionslust des einzelnen anheimgesteIIt; ähnlich porös sind Metaphern wie "Hilferuf" oder "heulendes Elend", die - appellativ besetzt - zu mitmenschlicher Hilfe einladen mögen, in ihrer Diffusität jedoch keineswegs objektivierbare Topoi nennen. 141. Außerdem wäre das Ernstlichkeitskriterium teils überflüssig und teils zu eng, wenn es den Kreis verhinderungsfähiger Suizide umschreiben sollte. Unnötig ist es u. U. in der von Horn erwähnten Konstellation der "Hungerstreiks" (vgl. oben Rdnr. 137). Hier begnügt sich der "Streikende" damit, die "normale" Nahrungsaufnahme zu verweigern, und protestiert so in "symbolischer Sprache"457 gegen von ihm 452

Roxin (1977), S. 345.

"über die" - u. a. - durch Lautgleichheit bewirkte "Sprachverführung des Denkens" vgl. Kainz (1972). m Vgl. Roxin (1977), S. 345 f. 455 Roxin (1977), S. 345. 456 Krey, BT 1 (1979), S. 37, 38. 457 Wagner (1975), S. 139. 453

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nicht tolerierte Umweltverhältnisse. Er leistet dann nicht notwendig (dauerhaft) Widerstand gegen künstliche Ernährung, sondern erklärtu. U. aktiv mithelfend oder doch passiv duldend - sein Einverständnis in diese Form der Nahrungszufuhr. Zu eng ist es, wenn es - quasi den nach Art. 2 I, 19 11 GG unantastbaren Kern der Suizidfreiheit konkretisierend - langerwogene Suizide stets vor jedem hindernden Eingriff "bewahren" würde. Denn schon mancher hat Suizidgedanken gehegt, sich jedoch sorgsam gehütet, sie Dritten zu offenbaren; zudem sagt der Zeitraum der Entscheidung zum Tode nichts über deren "Güte" und "Menschenwürdenähe" aus. 142. Last but not least hat das Restriktivum der Ernstlichkeit wohl im Bereich der Fremdtötung auf Verlangen seinen guten Sinn, weil ein einwilligendes Wort schnell gesprochen, sein Vollzug jedoch bei Sinneswandel durch das Opfer u. U. schwer zu verhindern ist. Hingegen stellt der Suizident seinen Wunsch zu sterben, in der Regel gerade durch die eigenhändige Selbsttötung unter Beweis - leider häufig ohne die Chance, die gefällte Entscheidung zu korrigieren. 131.322.115. "Geschäftsfähigkeit" 143. Es wäre detailhuberisch zu überprüfen, ob die "Suizidmündigkeit" mittels der Normen über die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit ge faßt werden kann. Denn das schon vorgewußte Resultat wäre, daß die Fähigkeit, über den eigenen Tod zu entscheiden, nicht mit der Fähigkeit, Erklärungen abzugeben, die im "bürgerlichen Leben" beachtlich sind, identisch ist: Das Grundgesetz unterstellt in seinem Grundrechtsteil, "daß auch Minderjährige und Geschäftsunfähige Grundrechtsträger sind", die u. U. über ihre grundrechtlich gewährten Befugnisse selber verfügen können458 • Die Strafrechtspraxis bleibt daher darauf angewiesen, die "Mündigkeit" eines Suizidwilligen gleichsam zögernd und mit spitzen Fingern in vorsichtiger Analogie zu den §§ 3 JGG, 19, 20 StGB im Einzelfall zu prüfen, ohne aus dem Vorliegen eines Freitodversuches im Widerspruch zu Art. 2 I GG und den Vorbehalten der Schrankentrias auf die Unerlaubtheit seiner Verhinderung schließen zu dürfen. 131.322.12 Einige Kandidatengruppen 131.322.121. Die maßvoll gewaltsame risikolose Hinderung rechtswidriger oder von schlechthin Suizidunmündigen eingeleiteter Suizide ohne unzumutbare Folgen und ohne Eingriff in die Körperintegrität

458

Th. Schramm (1979), § 28 G, S. 110.

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144. Um ein Fazit zu ziehen: Durch maßvolle Gewalt dürfen grundsätzlich alle Suizide verhindert werden; die Grenzen erlaubter "Nötigung" werden erst überschritten in Fällen, in denen der Sterbewillige durch Art. 19 II GG i. V. m. Art. 1 I GG in seinem Freitodwunsch geschützt wird (vgl. i. e. oben Rdnr. 19 ff., 35 ff.). Nicht zu respektieren sind ferner die Suizidwünsche absolut "Freitodunmündiger", also von Kindern (vgl. § 19 StGB), schlechthin verantwortungsunfähiger Jugendlicher (vgl. § 3 JGG) und Geisteskranker (vgl. § 20 StGB). Zwar sind die §§ 19, 20 StGB, 3 JGG unmittelbar keine Regeln der "Suizidmündigkeit" (vgl. oben Rdnr. 132 ff.). Wem "aber ... das Einsichts- oder Hemmungsvermögen gänzlich fehlt" 459, dem wird man (im dunklen Widerstreit von Lebens- und Todestrieb 460 ) auch nicht die Fähigkeit zusprechen können, den Wert des eigenen Lebens zu erkennen und nach solcher Einsicht zu handeln481 • 131.322.122. Die maßvoll gewaltsame risikolose Hinderung der Suizide freitodunmündiger Jugendlicher ohne unzumutbare Folgen und ohne Eingriff in die Körperintegrität 145. Irrelevant sind weiter Selbsttötungsbegehren Jugendlicher, die in concreto unfähig sind, den Rang des Lebens und die Folgen einer Selbstvernichtung voll zu würdigen und nach dieser Einsicht zu handeln; gerade an sich schuldfähige Jugendliche, deren Persönlichkeitsentwicklung zukunftsoffen ist, spielen ich-schwach in Konfliktsituationen oft mit dem Gedanken, einer verständnislosen oder als sinnleer empfundenen Umwelt das Fanal autoaggressiver Selbstschädigung vorzuhalten und der kalten Behäbigkeit des Alltags und seiner Zwänge zu entfliehen462 • Darüber hinaus dürfen Erziehungsbefugte bereits auf Grund bestehender Sorgerechte (z. B. § 1626 BGB, Art. 6 II GG) in suizidale Geschehnisse eingreifen, ohne daß der Jugendliche dem unter Hinweis auf sein Grundrecht der Selbsttötung (Art. 2 I GG) widersprechen könnte; erst die Wesensgehaltsgarantie setzt dem Suizidveto der Eltern oder anderer Erziehungsberechtigter Grenzen - etwa wenn der todkranke, suizidmündige Jugendliche seinen Qualen gegen den Willen der Eltern ein Ende bereitet.

m Roxin / LK (1978 b), § 25 Rdnr. 87.

Ob es einen "Todestrieb" gibt, ist freilich umstritten (vgl. dazu die kurze Darstellung in Laplanche / Pontalis [1972], S. 494 ff.). 481 Zum Suizid von Kindern vgl. Klieeisen / Langen (1976), S. 88 ff., 89 f.; 480

Haffter / Waage / Zumpe (1966); Heuer (1979).

462 Zum Selbstmord bei Jugendlichen vgl. Heuer (1979); Haffter / Waage / Zumpe (1966); Jacobs (1974). Zum Problem des Selbstmordes bei jungen Mädchen Dührssen (1967).

131. Die Suizidhinderungsrechte "Privater"

107

131.322.2 Die maßvoll gewaltsame risikolose Hinderung des

Suizids Freitodmündiger ohne unzumutbare Folgen und ohne Eingriff in die körperliche Integrität 146. Difficiler fällt freilich, die richtige Balance zwischen dem Freitod-

verlangen "Suizidmündiger" (entscheidungsfähiger Jugendlicher und Erwachsener, deren Todeswunsch keiner Krankheit i. S. des § 20 StGB entspringt,) und dem Rettungsbegehren Hilfswilliger zu finden und zwar selbst dann, wenn der "Hilfsakt" weder risiko reich ist oder in die Körperintegrität eingreift noch unzumutbare Folgen für den Freitodwilligen heraufbeschwört. 131.322.21 Freitodverhütung -

stets Nötigung?

147. Wagner glaubt, daß sich der Retter mit quasi logischer Notwendig-

keit nach § 240 StGB strafbar mache, wenn er einen freiverantwortlich eingeleiteten Suizidversuch "mit Gewalt" unterbinde: "In diesen Fällen ist das Selbsttötungsrecht zu respektieren"463. Zwar werde vielen "es unter ethischen Aspekten fragwürdig erscheinen, jemanden dafür zu bestrafen, wenn er einen Selbstmörder mit Gewalt ... am Leben" erhalte. Dies sei "jedoch eine unausweichliche Folge der Anerkennung eines Rechts auf Selbsttötung. Würde man Dritten unter allen Umständen ein Recht auf Selbstmordverhinderung zubilligen, wäre das Recht auf Selbsttötung jedes Schutzes beraubt"464. 148. Obwohl Wagner mit seiner theoretisch rigiden Strafbarkeitsthese

aus der derzeit geübten (und vom Bundesgerichtshof durch seine Rechtsprechung zu § 323 c StGB verfestigten) Praxis herausspringt (vgl. oben Rdnr. 59 ff., 90 ff.), ist sie nicht beispiellos: "Wo ... bei der gewaltsamen Verhinderung eines Selbstmordes die Grenze zwischen strafbarer Nötigung und erlaubter Lebensrettung verläuft, ist eine alte Streitfrage" 465. Bis in die dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts hinein herrschte in der Literatur wohl die Ansicht vor, daß die gewaltsame Unterbindung eines (freiverantwortlichen) Suizids rechtswidrig und grundsätzlich als Nötigung strafbar sei468 • Spätestens in den sechziger Jahren setzte sich hingegen die Meinung487 durch, daß die gewaltWagner (1975), S. 130. Wagner (1975), S. 130. 465 GalZas, JZ (1960), S. 655 = GalZas (1968), S. 181. 488 von Bar (1909), S. 36; von Liszt / Schmidt, Lb (1927), S. 527; Olshausen (1927), Anm. 12 zu § 240; Winhold (1930), S. 64 ff. m. w. Nachweisen S. 9. Vgl. auch die Darstellung und die Nachweise bei GalZas (1968), S. 181 Fußn. 46 = JZ (1960), S. 655 Fußn. 46. 487 VgI. Maurach, BT (1969), S. 118; Schäfer / LK (1957/58), Anm. III zu § 240. Schönke / Schröder (1974), § 240 Rdnr. 19; vgl. auch GalZas (1968), S. 182 4S3

484

m.w.Nachw.

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13 Das Recht auf Suizidhinderung

same Verhinderung eines Selbstmordes jedenfalls "im Durchschnitt der Fälle"468 und bei "maßvoller" Gewaltanwendung 46U "nicht verwerflich" im Sinne von § 240 StGB und daher straflos sei 467 • Ein Teil der Literatur sah die Grenzen einer strafbaren Nötigung immerhin als überschritten an, wenn der Dritte "sich nicht mehr als (wenn auch im Augenblick unerwünschter) Helfer fühlen" könne 470 , sich vielmehr einem "klaren, wohl überlegten und gefestigten Entschluß des Lebensmüden"471 gegenübersehe 472 • Die heute herrschende 473 Lehre hält dafür, daß die gewaltsame Hinderung eines Selbstmörders "zumindest nach § 34 als gerechtfertigt" anzusehen ist 474 und zwar auch dann, wenn sein Suizid auf einem freiverantwortlich475-freiwilligen476 Entschluß beruht477 ; ihr hat Wagner ausdrücklich widersprochen 478 • 131.322.22 Stellungnahme 149. Man muß zugeben, daß Wagners Lösung jeder Fremdbestimmung, wie sie eine mit autoritärem Unterton vertretene Suizidprophylaxe gegenüber Freiverantwortlichen ausübte, eine entschiedene Absage erteilt. Ferner ist richtig, daß ein freiheitlich verfaßtes Gemeinwesen, das dem einzelnen, seiner Würde und seiner Selbstverwirklichung verpflichtet ist, schwerlich Dritte dazu legitimieren kann, freiverantwortlich handelnde Lebensmüde unter allen Umständen "mit Brachialgewalt (und ... ohne Aussicht auf dauernden Erfolg) zum Weiterleben zu zwingen"47U; spätestens die Nachbetreuung ist, will sie erfolgreich sein, auf die "freiwillige" Mitarbeit des Suizidgefährdeten, auf die Annahme ihres Therapieangebots, angewiesen48o . Und schließlich verdient Schäfer / LK 0957/1958), Anm. 111 zu § 240. Vgl. Olshausen 0942 ff.), Anm. 116 zu § 240; Schäfer / LK 0957/1958), Anm. 111 zu § 240; Welzel, Lb (1969), S. 327. 468

419

Gallas (1958), S. 183. m Kramer (1969), S. 322. 412 Gallas (1968), S. 182. Vgl. auch Arthur Kaufmann, ZStW (1961), S. 368. m Vgl. Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 89 Rdnr. 223; Wagner (1975), S. 57 f. mit Nachweisen in Fußnote 117. m Schönke / Schröder / Eser (1980), Rdnr. 48 vor §§ 211 ff. Schönke / Schröder / Eser (1982), § 240 Rdnr. 26; vgl. auch Schönke / Schröder / Eser (982), § 223 Rdnr. 42. 475 Schönke / Schröder / Eser (980), Rdnr. 48 u. 41 vor §§ 211 ff.; Schönke / Schröder / Eser (1982), § 240 Rdnr. 26 c. 47S Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 89 Rdnr. 223. 417 Vgl. auch Simson (1976), S. 53. 478 Vgl. Weber (975), S. 57 f. und 130 f. Zu Unrecht nimmt Eser (Schönke / Schröder / Eser [1982], § 240 Rdnr. 26 c) Wagner für die h. M. in Anspruch (vgl. Arzt / Weber, BT LH 1 [1981], S. 89 Fußn. 26). 479 Gallas (1968), S. 183. 470

480

Und zwar auch bereits aus therapeutischen Gründen. Vgl. dazu insbes.

Haensell / Seusing, LuthMo (1978), S. 132 ff.

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Wagner auch in seinem "Ja" zur Existenz eines Selbsttötungsrechts entgegen der tradierten Auffassung behutsam-differenzierenden Beifall (vgl. i. e. oben Rdnr. 19 ff.). 131.322.221. Die Reichweite der These, es gebe ein Selbsttötungsrecht 150. Um so deutlicher ist dem Anspruch Wagners entgegenzutreten, mit seiner Strafbarkeitsthese "eine unausweichliche Folge der Anerkennung eines Rechts auf Selbsttötung" ausgesprochen zu haben481 . Erstens unterliegt ein solches Recht, wie die Schrankentrias des Art. 2 I GG zeigt, derart vielfältigen Einschränkungen, daß sich schon von dort her pseudodeduktive Einwürfe begriffsjuristischer Rechtslogik verbieten. Zweitens ist es nichts Ungewöhnliches, wenn die Freiheitssphären verschiedener Personen, hier: die Suizidfreiheit des Lebensmüden und das Rettungsverlangen des Dritten, miteinander kollidieren und zum Ausgleich gebracht werden, ohne daß der Handlungsanspruch des einen hinter dem Verhaltensbegehren des anderen gänzlich oder gar bei Strafe zurücktreten müßte. Und drittens würde selbst das Urteil, dem Freitodhindernden stehe kein Rechtfertigungsgrund zur Seite, weder nach den Regeln der Logik noch nach den Prinzipien der Sozial- und Kriminalpolitik die Aussage erzwingen, jeder Rettungsakt unterfiele dem Tatbestand des auf ein "Exzeßverbot"482 reduzierten § 240 StGB; ebensowenig folgt aus ihm das Verdikt, die Suizidverhütung sei in gesteigertem Maße 483 "sozial- und wertwidrig" (im Sinne von § 240 II StGB) oder gar nach dem legislatorischen Regelungsplan "strafwürdig"484: Tatbestandsmäßigkeit, allgemeine Rechtswidrigkeit, Verwerflichkeit und Strafbarkeit sind viererlei. 151. Ergo: Die von Wagner geschmiedete Beweiskette erweist sich bereits in ihrem ersten Glied als brüchig. 131.322.222. Das Rechtswidrigkeitsurteil 152. Dennoch könnte es anrätlich sein, sie der Rechtspraxis anzulegen, wenn sie die vornehmste Aufgabe der Rechtfertigungsgründe befördern würde, "die soziale Notwendigkeit und individuelle Freiheit Wagner (1975), S. 130. Zu Versuchen, § 240 StGB auf ein Exzeßverbot zu reduzieren vgl. Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 204 f., Rdnr. 557 ff. 483 Zum Erfordernis des Vorliegens gesteigerten Unrechts vgl. Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 211, Rdnr. 583; Dreher / Tröndle (1981), § 240 Rdnr. 7 ff.; Krey, BT 1 (1979), S. 109 ff.; Lackner (1981), § 240 Anm. 6; Roxin (1973 b), S. 184 ff., S. 192 ff. (= JuS 1964, S. 373 ff.); Schönke / Schröder / Eser (1982), § 240 Rdnr. 17 ff. 484 Zur Strafwürdigkeit vgl. Dtto (1978), S. 53 ff. 481

482

110

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zum Ausgleich zu bringen"485. Das Gegenteil ist aber der Fall. Denn mag auch "auf der Bühne" und "im Parkett" das Leben der "Güter Höchstes nicht" sein486 : De lege lata kann kein Zweifel daran bestehen, daß unsere freiheitlich verfaßte Rechtsordnung das Leben (in den allermeisten Situationen) als hohen Wert ansieht (Art. 2 n S. 1 GG), während sie relativ geringfügige Eingriffe in die Willensbetätigung weithin als sozialadäquate Verhaltensweisen toleriert, jedenfalls nicht durch § 240 StGB kriminalisiert. 153. Wohl ist die Anwendung von Gewalt in der Regel für die Rechtswidrigkeit indizie1l487 . Verhindert jedoch jemand den Freitod eines Lebensmüden, ohne in dessen körperliche Integrität einzugreifen, ohne dem "Geretteten" schädliche Folgen zuzumuten (z. B. dauernde Bewegungsunfähigkeit infolge des unterbrochenen Suizidversuchs) und ohne dem Sterbewilligen auf Dauer die Realisierung seines Suizidwunsches zu verunmöglichen, läßt sich nicht behaupten, der Helfer verhalte sich "sozial widrig" . 154. Ein solches Unwerturteil verdient die "Tat" des Retters nicht: Erstens wäre bei fatalistischer Untätigkeit das Leben des Suizidenten unwiederbringlich verloren. Hingegen hat es ein dauerhaft zum Freitod Entschlossener in der Hand, die Ernstlichkeit seines Sterbewunsches durch einen zweiten Suizidversuch zu unterstreichen; bereits ein vermeintlich zwingender Theoriekonsequenz Geopferter ist ein Toter zuviel. Zweitens ist selbst in Fällen, in denen mangels objektiv vorliegender Indizien kein konkretes Einverständnis in den Rettungsakt vermutet werden kann487 &, weder ausgeschlossen, daß der Suizident bereits durch seinen Versuch seinen Autoaggressivitätsstau abbaute, noch ist angesichts der Stärke des natürlichen Lebenserhaltungswillens eine "Willensumkehr" vom Todes- zum Lebenswunsch hin unmöglich. Und drittens dürfen Rechtfertigungsgründe wie § 34 StGB nicht funktionswidrig in offenem Widerspruch zu vorrechtlich anerkannten Verhaltensmaximen interpretiert werden. Denn diese Regeln prägen jene Prinzipien sozialer Konfliktlösung488 vor, die von den rechtsentwickelnden Instanzen normativausgeformt werden, um widerstreitende "Ansprüche" im Interesse größtmöglichen sozialen Friedens und Nutzens nach den Wertmaßstäben der Verfassung zu prak485

Roxin (1970), S. 25.

Schiller, Braut von Messina, IV/7. Lackner (1981), § 240 Anm. 6 a aa mit Nachweisen. 487& Im Falle einer mutmaßlichen Einwilligung bedarf es nicht des § 34 StGB, um den Rettungsakt zu legitimieren! 488 Zur (kriminal-)politischen Funktion der Rechtfertigungsgründe vgl. Roxin (1970), S. 24 ff. 48e

487

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111

tischer Konkordanz zu bringen. Um konkreter zu werden: Soweit und solange es einvernehmlich als sozialethisch geboten gilt, Suizide im Einzelfall zu verhindern, könnte das Gesetz nur um den Preis schwerer, mit seiner Regelungsaufgabe nicht zu vereinbarenden Disharmonien der vorrechtlich erwünschten Freitodhinderung die mißtönende Schelle "rechtswidrig" umhängen. Daß maßvolle Eingriffe in suizidale Geschehnisse weithin als erlaubt, ja als gefordert angesehen werden, belegt die empirische Suizidforschung. Während ca. 13000 bis 14000 Suizidversuche per annum in der Bundesrepublik Deutschland tödlich enden, liegt die (naturgemäß nur approximativerfaßbare) Dunkelziffer lediglich versuchter Selbsttötungen (auch dank des Eingreifens Privater) um ein Vielfaches höher489 . Es kann nicht im Sinne unseres Sozialstaates sein, die Zahl letal endender "Hilferufe" durch eine rigid restriktive Auslegung des § 34 StGB, die bereits vorrechtlich angelegte Wertvorstellungen von den Füßen auf den Kopf stellt, leidvermehrend zu steigern. Wer sie dennoch verficht, muß sich fragen lassen, ob ihn im "Falle eines Falles" der mit dem Etikett "rechtswidrig" verknüpfte Appell, freiverantwortlich eingeleitete Suizidversuche nicht abzubrechen, erreichen würde; sein "Beifall in der That" wöge "schwerer als der Widerspruch in Worten"490. 131.322.223. Die Auswege 155. Die Kritik zöge sich zu Recht den Vorwurf zu, auf einen Popanz einzuklopfen, bedachte sie nicht die drei Auswege, die Wagner für eine weit(er)gehende Suizidprophylaxe offenhält: ein weites "Krankheits-"Verständnis, die "Zweifelslösung" und die "Irrtumsflucht" . 131.322.223.1 Das Krankheitsverständnis 156. Das größte Tor für gewaltsame Eingriffe in suizidale Geschehnisse stößt die These Wagners auf, "daß ein nicht kleiner Prozentsatz der Selbstmörder in einem Maße psychisch krank ist, daß er nicht ernsthaft und freiverantwortlich einen Selbstmordentschluß fassen kann, ohne notwendig geisteskrank zu sein"491. Um nicht die bereits vorgetragenen Monita (vgl. oben Rdnr. 117 ff., 128 ff.) zu wiederholen, sei hierzu nur folgendes bemerkt: Wagner verknüpft in seinem Mitteilungs-FolgeSatz zwei Sprach- und Behauptungsebenen. Mit seinem ersten "DaßSatz" stellt er eine Aussage auf, die empirisch wahr sein will und wenn auch vage und mit normativen Konnotationen befrachtete, so

Vgl. dazu Simson (1976), S. 17 ff. Cohn (1880), S. 336 (wenngleich in anderem Zusammenhang). 491 Wagner (1975), S. 132. 488

480

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doch primär deskriptive Termini verwendet. Sein zweiter "DaßSatz" stellt dagegen einen präskriptiven Geltungsanspruch auf und verwendet - wenn auch empirisch vermittelte, so doch vorwiegend normative Begriffsträger; denn er spricht hier über die §§ 19, 20 StGB hinausgehend psychisch Kranken die Fähigkeit ab, einen beachtlichen frei- und eigenverantwortlichen Suizidentschluß zu fassen. Eine derart weittragende Rechtsfolge bedürfte einer näheren und substratadäquateren Begründung, als sie eine mit vorrechtlichen Variablen operierende Häufigkeitsaussage ergibt. Denn wenn die §§ 19, 20 StGB nur einen relativ kleinen Kreis seelischer Störungen als entschuldigend anerkennen, im übrigen psychisch Kranken aber die Fähigkeit belassen, verantwortlich Fremde zu schädigen, ist schwer verständlich, warum derart Verantwortungsfähige (mit schweren Folgen für Suizidmitwirkende) unvermögend sein sollen, sich "ernsthaft und freiverantwortlich" zum "Freitod" zu entschließen; vor der Realisierung ihres Selbsttötungswunsches werden sie - anders als vor der Absicht, Dritte zu verletzen, - u. U. sogar durch den natürlichen Lebenswillen geschützt. 157. Um nicht mißverstanden zu werden: Selbstverständlich bedürfen auch Suizidgefährdete, die ihr "Tat" nicht im Sinne des § 20 StGB auf Grund "einer krankhaften seelischen Störung", einer "tiefgreifenden Bewußtseinsstörung", "Schwachsinns oder einer anderen seelischen Abartigkeit" begehen würden, der Hilfe. Sie sind daher, - gleichsam in einem "operationablen" oder "therapeutischen" Sinne "krank", verspricht Betreuung doch, ihren Zustand zu verbessern und das gegebene Risiko zu vermindern492 • Es geht aber nicht an, solche Menschen unter Berufung auf einen vorrechtlichen Krankheitsbegriff zu "entmündigen", dessen Inhalt und Konturen sich im flutend-weichen Dunkel ungesicherter Geltung verlieren. Wer etwas anderes anrät, begibt sich auf eine abschüssige Bahn; an ihrem Ende droht die "Zwangstherapie" von Menschen, deren "soziales Wohlbefinden" - ein "Gesundheitsmerkmal" im Sinne der WHO-Formel!493 - nach dem Urteil Dritter gestört ist und die daher "sozialklinischer Anpassung" unterworfen werden dürfen. 158. Mag dieses Horrorbild auch noch ferne Schreckensvisionen malen: Nahe ist die Bestrafung von Menschen, die den Suizid "therapeutisch Kranker" nicht verhindern oder an ihm aktiv mitwirken. Denn 4D2 Ich verdanke insoweit manche Einsicht den ,,16. Hamburger psychiatrisch-medizinischen Gesprächen" am 5./6. 12. 1980, die dem Thema "Ausgewählte Aspekte des Suizids" gewidmet waren (vgl. die Beiträge im Sammelband "Suizid. Ergebnisse und Therapie: Herausgeber eh. Reimer, 1982). 483 Zum "sozialen Wohlbefinden" i. S. der Gesundheitsformel der WHO (World Health Organization) kritisch Schönke / Schröder / Eser (1982), § 223

Rdnr.34.

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Wagner zieht ausdrücklich aus seinem "Krankheits-" und "Verant-

wortlichkeitsbegriff" die Konsequenz, daß es für die strafrechtliche Haftung von Garanten und Außenstehenden nach den §§ 211 ff., 222, 323 c StGB wie auf der Rechtfertigungsebene "wiederum nicht auf eine Geisteskrankheit, Zurechnungsfähigkeit ... des Suizidenten ankommt, sondern auf seine natürliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit in die Bedeutung und Tragweite des Selbstmordes"49'. Zwar kann es, da die "Suizidmündigkeit" objektspezifizierte "Grundrechtsmündigkeit" und nicht "Schuldfähigkeit" ist, durchaus sein, daß jemand, wenn er eine gegen die Rechtsgüter anderer gerichtete Straftat vorgenommen hätte, gemäß § 20 StGB "straflos geblieben wäre, im Hinblick auf die Selbsttötung aber als verantwortlich angesehen werden muß (und umgekehrt)"495. Sich aber gänzlich von dem Postulat zu entfernen, "die selbstmordauslösenden Faktoren auf die in § 20 StGB genannten psychischen Zustände hin (zu) überprüfen"496, und über die Straflosigkeit oder Straffreiheit von aktiv oder passiv Suizidbeteiligten einen rechtsfernen Krankheitsbegriff entscheiden zu lassen, gibt relativ verläßliche juristische Abgrenzungskriterien zugunsten eines dubiosen Vorverständnisses (und eines präsumierten Strafbarkeitsbedürfnisses) preis; das verdient auf der Tatbestandsebene der §§ 211 ff., 323 c StGB vor dem Forum des Art. 103 II GG keinen Beifall (vgl. i. e. unten Rdnr. 325 ff.). 159. Wohl ist der Bestimmtheitsgrundsatz des nullum-crimen-, nullapoena-prinzips auf unrechtskonstituierende Merkmale zugeschnitten, da allein diese - je nach dem von ihnen ausgesprochenen Werturteil - an den Bürger appellieren, das so gewertete Verhalten zu unterlassen oder vorzunehmen; hingegen stellen es Rechtfertigungsgründe wie § 34 StGB frei, die gewährte Befugnis auszuüben oder eine drohende Rechtsguts- bzw. Interesseneinbuße zu dulden497 , ohne zu deren Abwehr zu verpflichten498 oder hierzu aufzufordern. Dies bedeutet jedoch nicht, daß auf der Rechtfertigungsebene unbekümmert vorrechtliche Redemünzen ausgespielt werden können, denen die legislatorische Deckung fehlt. Denn das Vorliegen oder Fehlen eines Rechtfertigungsgrundes - hier des § 34 StGB - bestimmt "den deliktischen Charakter eines Verhaltens"499, - hier den der Suizidhinderung - mit. 494

Wagner (1975), S. 129, 128.

Roxin (1975), S. 236 (bekräftigt in Roxin [1977], S. 350 f.). Zustimmend Geilen (1974), S. 151 Anm. 55. 490 Roxin (1977), S. 351. 497 Der rechtswidrig Angegriffene darf auch bibeltreu dem Angreifer die linke Wange hinhalten (Matthäus 5, 39: "So dir jemand einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete den anderen auch dar"). 498 Nämlich lediglich bei entsprechender Garantenstellung oder den Voraussetzungen des § 323 c StGB. 499 Roxin (1970), S. 3l. 495

8 Bottke

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"Lex" im Sinne der nullum-crimen-sine-lege-Maxime ist jenseits der unrechtsindizierenden Merkmale "die Gesamtrechtsordnung" 500, was ausschließt, über die Rechtfertigung und damit Pönalisierung eines gewaltsamen Freitodabbruchs mittels und inmitten diffuser, rechtsferner, undefinierter und forensisch unkontrollierbarer Topoi zu befinden. 131.322.223.2 Die "Zweifellösung" 160. Sein rigides "Ja" zur "Nötigungs-Strafbarkeit" einverständnisloser Suizidhinderung schwächt Wagner nicht nur durch sein weites Krankheitsverständnis ab. Weil "bei Nichthinderung des Selbstmörders das Leben verloren" sei, "während das Selbstbestimmungsrecht erneut ausgeübt" werden könne, "weil die Mehrzahl auch der freiverantwortlich handelnden Selbstmörder nach einem Selbstmordversuch ein ihnen lebenswert erscheinendes Leben" führe und "weil es für das rechtliche und sittliche Empfinden der Allgemeinheit unerträglich wäre, in allen Fällen ein Eingreifen zu untersagen, in denen Zweifel an der Einsichtsund Urteilsfähigkeit des Selbstmörders" bestünden501 , will Wagner danach differenzieren, ob der Retter Zweifel an der "natürlichen"502 und (seil.: vorrechtlich zu ertastenden) krankheitsfreien503 Einsichtsund Urteilsfähigkeit des Suizidenten hege oder nicht: Wisse "der Retter, sei es nun ein Familienangehöriger, Freund oder Arzt, nicht um die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Suizidenten" oder habe er "Zweifel"504, ob der "Selbstmörder mit voller Einsichts- und Urteilsfähigkeit in die Bedeutung und Tragweite des Selbsttötungsakts"505 handele, sei "ein Eingriff nach § 34 StGB gerechtfertigt"506. 161. Wagner koneediert, daß seine "Zweifelslösung" in die Lehre von den Rechtfertigungsgründen einen "bislang fremden Ansatz" bringt507 . Nun muß eine "neue" These lediglich ohne weiteres ablehnen, wer der novationsfeindlichen Neigung, "mit Worten ein System zu errichten" 508, selbst zu Lasten sachgerechter Problemlösungen frönt 509 ; denn er ist durch sein "perfektes" Aussagennetz gefangen und dazu 500

Roxin (1970), S. 31.

501 Wagner (1975), S. 132. Vgl. Wagner (1975), S. 128, 129. Wagner (1975), S. 60. 50' Wagner (1975), S. 132. 605 Wagner (1975), S. 127. 506 Wagner (1975), S. 132; vgl. auch S. 127. 507 Wagner (1975), S. 132. 50B Sperber (1979), S. 33. 50!

503

60U Zum Sinn und Unsinn des Systemdenkens vgl. Bottke (1979), S. 85 ff.; Canaris (1969); Coing (1956); Diederichsen, NJW (1966), S. 697 ff. Engisch, Studium Generale (1957), S. 173 ff.; N. Horn, NJW (1967), S. 601 ff.; Luhmann (1974); atto (1975), S. 116 ff.; Vieh weg (1974).

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verdammt, systemfremde: "neue" Aspekte von vorneherein aus seinem Gesichtsfeld zu verbannen510 . Die Rechtfertigungslehre511 ist aber kein ewig-wahrer Axiomendom, vor dessen Türen neue soziale Entwicklungen Halt machen (müßten). Sie ist die Heimstatt "sozialregulierender Prinzipien"512, die sich zur Wirklichkeit hin öffnen, wollen sie nicht ihrer Funktion, in sozialen Konflikten rechtliche Orientierungshilfen zu geben, untreu werden; sie sind wie die gesamte Rechtsordnung prinzipiell (realitäts-)offen513 , wandelbar und für neue Entwicklungen aufgeschlossen. Mit dieser "Dynamik" sind auch "bislang fremde" Gesichtspunkte grundsätzlich vereinbar. 162. Erörterungswürdig bleibt freilich, ob der von Wagner vorgeschlagene Aspekt sich innerhalb des § 34 StGB gesteckten Rahmens hält; denn die skizzierte Revisibilität der rechtlichen Ordnungsmaßstäbe bedeutet nicht, daß sie ungezügelt von gesetzlichen Vorgaben fortentwickelt werden dürften. Insoweit ist bedeutsam, daß sämtliche Rechtfertigungsgründe 514 - auch die aus erlaubtem Risiko 515 und ein 510 Zur strafrechtswissenschaftlichen Systematik vgl. allg. Beling (1906); Bottke (1979), S. 85 ff.; Graf zu Dohna (1936); GTÜnhut (1930), S. 1 ff.; Hassemer (1974); von Liszt, ZStW (1886), S. 663 ff.; Mittasch (1939); Naucke (1979); Radbruch (1930), S. 158 ff.; ders. (1948), S. 157 ff.; ders. (1923/24), S. 345 ff.; Roxin (1968), S. 260 ff.; ders. (1975), S. 527 ff.; ders. (1970); Schild (1979); Schmidhäuser (1968), S. 268; von Weber (1935); Welzel (1961); Zimmerl (1930). 511 Zur Rechtfertigungslehre vgl. ohne Anspruch auf Vollständigkeit Baumann, AT (1977), §§ 19 ff., insbes. §§ 21, 22; Beling (1913); Graf zu Dohna (1905); Dreher / Tröndle (1981), Rdnr. 1 ff. vor § 32; Engisch (1935); Gallas (1979), S. 155 ff.; Heimberger (1907); Heinitz (1926); ders. (1961 a), S. 266 ff.; Hruschka (1977), S. 189 ff.; Jescheck, AT (1978), §§ 31 ff.; Lackner (1981), Anm.4 vor § 32; R. Lange (1963), S. 162 ff.; Lenckner (1965); Schönke / Schröder / Lenckner (1980), Rdnr. 4 ff. vor §§ 32 ff.; Maurach (1935); Noll (1955); ders., ZStW 77 (1965), S. 1 ff.; ders., SchwZStr 80 (1964), S. 160 ff.; Roxin (1970), S. 25 ff.; Samson / SK, AT (1981), Rdnr. I, 19 ff. vor § 32; Rudolphi (1972), S. 51 ff.; Schmidhäuser (1969), S. 443 ff.; ders., AT (1975), 9/1 ff.; ders., AT (1982), 6/1 ff.; Stratenwerth, ZStW 68 (1956), S. 41 ff.; Waider (1970); Zielinski

(1973). m Vgl. Roxin (1970), S. 31. 613 Zur Offenheit des Rechtssystems Bottke (1979), S. 104 ff.; Canaris (1969), S. 11,41, 61 ff.; Mayer-Maly (1969), S. 86; Dubischar (1974), S. 71. m In der Rechtfertigungsdogmatik ist umstritten, ob sich die verschiedenen Rechtfertigungsgriinde auf ein Prinzip zuriickführen lassen (so die Vertreter der monistischen Theorien, vgl. z. B. zu Dohna [19051, S. 48; Noll, ZStW [19651, S. 1 ff.; ders. [19551, S. 75; Rudolphi [1978], S. 73 ff., S. 76 ff.) oder ob eine Mehrheit allgemeiner Rechtfertigungsprinzipien ausschlaggebend ist (so die Verfechter pluralistischer Theorien, vgl. insbes. Lenckner [19651, S. 134; Schmidhäuser, AT [19751,9/1 ff. /1/ ff.; ders., AT [19821,6/16 ff.). Einen dritten Weg sucht die Ansicht, die derartige Systematisierungsversuche durch ein "pluralistisches" Geflecht verschiedener Aspekte ersetzen will, da sonst über "sehr formale Abstraktionen oder lockere Aneinanderreihungen nicht" hinauszukommen ist (Roxin [11970], S. 26 ff.; vgl. ferner Hirsch / LK9 [ab 1970 ff.], Rdnr. 34 vor § 51; Maurach / Zipf, AT [19771, § 25III, S. 362 ff., insbes. S. 364. Vgl. insbes. auch Schönke / Schröder / Lenckner [19821, Rdnr. 5 ff., 7 a. E. vor §§ 32 ff.; Samsan / SK, AT [19811, Rdnr. 20 f. vor § 32).

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ungeschriebener516 und höchst umstritten gebliebener517 wie die mutmaßliche Einwilligung518 - eine objektive Rechtfertigungslage 519 voraussetzen, die re vera gegeben sein muß und durch subjektive Rechtfertigungselemente (wie z. B. die Kenntnis der objektiven Data) nur ergänzt, nicht aber ersetzt wird520 • Dies hat auch seinen guten Sinn: Denn wenn und soweit Rechtfertigungsgründe zu Eingriffen in die Rechtssphäre anderer berechtigen, verpflichten sie den Rechtsgutsträger im Ergebnis zugleich, den Eingriff zu dulden; es wäre unerträglich, wenn der Rechtsgutsinhaber seine Duldungspflicht nicht (in zumutbarem Maße risikobelastet) aus objektiven Indizien erschließen könnte, sondern sie gleichsam dem (u. U. sphinxhaft verrätselten) Mienenspiel des in seine Rechtssphäre Eindringenden ablesen müßte: Dessen Gedanken sind frei, "sie fliehen vorbei, wie nächtliche Schatten". Lösung ist daher nicht nur materiellrechtlich521 dogmatisch ungewöhnlich. Sie ist der "untaugliche Versuch",522 in "flüchtigen", weil subjektiven Zweifeln eine verläßliche Orientierungs basis 163. Wagners

515 Vgl. dazu Rudolphi (1978), S. 73 ff.; Zum erlaubten Risiko im Strafrecht vgl. allg.: Kienapfel (1966); Roxin (1973 b), S. 147 ff.; Maurach / Zipf, AT (1977), § 28 III m. w. Nachw. 516 Vgl. dazu allg. Noll (1955). 517 Roxin (1974), S. 448. 518 Zur mutmaßlichen Einwilligung vgl. allgemein Arndt, DJ (1937), S. 538 ff.; Eichler (1931); Erdsiek, NJW (1969), S. 311 ff.; Eser (1969); Ri. v. Hippel (1929), S. 1 ff.; Noll, ZStW (1965), S. 1 ff.; Roxin (1974), S. 447 ff.; Samson / SK, AT (1981), Rdnr. 48 ff. vor § 32; Stratenwerth, ZStW (1956), S. 41 ff.; Tiedemann, JuS (1970), S. 108 ff.; Maurach / Zipf, AT (1977), § 28, S. 410 ff. sowie die in Anm. 364 genannten Autoren. 51D Die wesentlichen Merkmale der objektiven Rechtfertigungslage einer nicht einhol baren "mutmaßlichen Einwilligung" sind Willensindizien des Rechtsgutsträgers und die anderen Situationsumstände, in denen der Rechtsgutsbeeinträchtigende handelt. Geschieht dies so, daß das "sachgemäße Wahrscheinlichkeitsurteil über den wahren, nicht einholbaren Willen des Berechtigten" getroffen wird, ist die Rechtsgutsbeeinträchtigung gerechtfertigt; vgl. zum Ganzen Bottke, JA (1980), S. 93 ff., S. 94 f. 520 Zu den "subjektiven Rechtfertigungselementen" vgl. insges. Baumann, AT (1977), § 20 I 1 b, § 21 13 c; Jescheck, AT (1978), § 31 IV, S. 263 ff.; Armin Kaufmann (1974), S. 393 ff.; Lenckner (1965), S. 187 ff.; Maurach / Zipf, AT (1977), § 25 V B, S. 368 ff.; Mezger, GS (1924), S. 207 ff.; Nowakowski, ZStW (1951), S. 287 ff.; ders., ZStW (1953), S. 379, aber auch Nowakowski, JBl (1972), S. 27; Schönke / Schröder / Lenckner (1982), Rdnr. 13 ff. vor §§ 32 ff.; Rudolphi (1972), S. 51 ff., 57 f.; ders. (1978), S. 74 ff.; Samson / SK, AT (1981), Rdnr. 23 vor § 32; Schmidhäuser, AT (1975), 9/17 ff.; ders., AT (1982), 6/21 ff.; Waider (1970); Wessels, AT (1981), § 8 I 2. Gänzlich ablehnend: Spendel (1979), S. 245 ff. Differenzierend: Baumann, AT (1977), § 21 13 c; Gallas (1979), S. 155 ff., 174. 521 Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 79 f. Fußn. 5 macht ferner darauf aufmerksam, daß Wagners Zweifellösung das prozeßrechtliche Prinzip des "in dubio pro reo" "ins Gegenteil" verkehrt, will (wohl) sagen: einen prozeßrechtlich zu lösenden Sachverhalt materiellrechtlich umgeht. 522 Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 79 f. Fußn. 5.

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aufzuzeigen. Einer solchen Illusion anzuhängen, ist sozialpolitisch gefährlich, weil sie Rettungswillige und Freitodsuchende mangels objektiver (: für beide einsehbarer) Kriterien zu gewalttätigen Auseinandersetzungen provoziert. Ihr zu folgen, ist der forensischen Praxis abrätlich, weil sich nachträglich im Gerichtssaal nicht rekonstruieren läßt, ob der Retter z. Z. der gewaltsamen Suizidhinderung "Zweifel" hegte oder nicht; auch der Richter kann in die Seelenfalten und Dunkelzonen des Retters nicht hineinleuchten. Und sie ist kriminalpolitisch verfehlt, weil sie im Ergebnis die Entscheidung über Erlaubt- und Unerlaubtsein des Rettungsaktes statt von fixierbaren Kriterien von der dubiosen Zweifelsfreude des Retters und seiner intuitiven Phantasie abhängig macht; erst recht geht es nicht an, die Entscheidung über Strafbarkeit oder Straflosigkeit des Eingreifenden und des sich u. U. gegen ihn Wehrenden von der gänzlich unüberprüfbaren Einlassung des Retters abhängig zu machen. 131.322.223.3 Die "Irrtumsflucht"

164. Wagner sucht denn auch, einen dritten Ausweg aus der Gasse zu weisen, in die seine These führt, die (Nötigungs-)Strafbarkeit des gutwilligen Retters sei "eine unausweichliche Folge der Anerkennung eines Rechtes auf Selbsttötung"523. Denn Wagner erwähnt ausdrücklich "die Möglichkeit, den Retter über den Irrtum über das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes zu exkulpieren"524. 165. Nehme "der Retter eines Selbstmörders an, daß in einem konkreten Falle"524 der Selbstmörder nicht "mit voller Einsichts- und Urteilsfähigkeit in die Bedeutung und Tragweite des Selbsttötungsaktes gehandelt" habe 525 , seien diese Fähigkeiten "aber in Wirklichkeit vorhanden", so irre er "über Umstände, die, wären sie gegeben, seinen Eingriff in die Rechtssphäre des Selbstmörders nach § 34 StGB rechtfertigen würden"526. Folge man "der strengen Schuldtheorie" , so liege "ein Verbotsirrtum vor, der für den Retter des Suizidenten in aller Regel unvermeidbar" sei528 • "Nach der eingeschränkten Schuldtheorie, der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen und der Lehre vom Irrtum über einen Erlaubnistatbestand" scheide eine Bestrafung wegen vorsätzlicher Nötigung aus, da der Vorsatz bei einem Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes bzw. über das Vorliegen eines Tatbestandmerkmals bzw. die Voraussetzungen eines Erlaubnistatbestandes" entfalle527 • Eine Bestrafung 623

624 525 528 627

Wagner Wagner Wagner Wagner Wagner

(1975), (1975), (1975), (1975), (1975),

S. S. S. S. S.

130. 132. 127. 132. 133.

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komme allenfalls bei Eingriffen in die Körperintegrität "noch wegen fahrlässiger Körperverletzung in Betracht, nämlich dann, wenn der Retter fahrlässig verkannt" habe, "daß die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Selbstmörders zur Zeit der Begehung des Suizidversuches doch vorhanden war - ein Vorwurf, der aber nur selten zu erheben sein" werde 527 .

166. Penibler Detailkritik entspräche es, an Wagners Text zu bemängeln, daß die "Vermeidbarkeit" eines schlichten528 oder substantiierten529 Verbotsirrtums keine Frage ist, die zwischen "strenger530 " und "eingeschränkter"531 Schuldtheorie (sowie "Vorsatztheorie"532) umstritten 528 Als "schlichten" Verbotsirrtum bezeichne ich Fälle, in denen dem Täter das Unrechtsbewußtsein fehlt, ohne daß er zugleich irrtümlich das Vorliegen unrechtsausschließender Umstände annimmt. Vgl. dazu Baumann (1974), S. 533 ff.; ders., AT (1977), § 2911 1; Busse, MDR (1971), S. 985 ff.; Schönke / Schröder / emmer (1982), § 17 Rdnr. 1 ff.; Dreher (1972 a), S. 207 ff.; Engisch, ZStW (1958 a), S. 566; Germann, SchwZStr 68 (1953), S. 371 ff.; Hartung, JZ (1955), S. 663 ff.; Herdegen (1975), S. 195 ff.; Horn (1969); Arthur Kaufmann (1949); KTÜmpelmann, GA (1968), S. 129 ff.; Jescheck, AT (1978), § 41; Lenckner (1972), S. 50 ff.; Maurach (1961), S. 301 ff.; Rudolphi (1969); Schmidhäuser (1966), S. 317 ff.; ders. (1973), S. 81 ff.; ders., NJW (1975 a), S. 1807 ff.; ders., JZ (1979), S. 361 ff.; Warda (1974), S. 499; ders. (1976), S. 119 ff.; H. v. Weber, JZ (1951), S. 260 ff.; Welzel, JZ (1953), S. 266 ff. 620 Mit "substantiiertem" Verbotsirrtum benenne ich Situationen, in denen dem Täter das Unrechtsbewußtsein fehlt, weil er irrtümlich die sachlichen Voraussetzungen eines oder mehrerer Rechtfertigungsgrunde als gegeben annimmt. Vgl. dazu neben den in Anm. 528 Ausgewiesenen: Börker, JR (1960), S. 168 ff.; Schönke / Schröder / emmer (1982), § 16 Rdnr. 13 ff.; Fukuda, JZ (1958), S. 143 ff.; Heitzer, NJW (1953), S. 210 ff.; Hirsch (1960); Arthur Kaufmann, JZ (1954), S. 653 ff.; ders., JZ (1956), S. 353 ff.; LangHinrichsen, JZ (1953), S. 362 ff.; Maurach / Zipf, AT (1977), § 3711 c; Dtto, AT (1976), S. 206 ff.; Rudolphi / SK, AT (1981), § 16 Rdnr. 10 ff.; Schaffstein (1961), S. 175 ff.; Stratenwerth, AT (1981), Rdnr. 496 ff.; v. Weber (1954), S. 183 ff. 530 Die strenge Schuldtheorie, die vor allem von Anhängern der finalistischen Handlungslehre vertreten wird (Armin Kaufmann, JZ [1955], S. 37; Welzel, ZStW [1955], s. 208 ff.) glaubt, die irrtümliche Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes ändere nichts am Vorliegen des Vorsatzes. Dieser bedeute nämlich nur, daß der Täter mit Wissen und Wollen final das Kausalgeschehen auf den tatbestandsmäßigen Erfolg hinlenke; folglich sei jeder Verbotsirrtum nach § 17 StGB zu behandeln (vgl. aber auch Hirsch [1960], S. 314 ff.). 631 Die eingeschränkte Schuldtheorie wendet, um (kriminalpolitisch sach)gerechte Ergebnisse zu erzielen, auf den (vermeidbaren) substantiierten Verbotsirrtum § 16 StGB direkt (so die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen) oder analog (so die Rechtsprechung und h. L.) an. Aus der Rechtsprechung vgl.: BGHSt. 3, S. 105 ff.; BGH, GA 1969, S. 117, 118; BayDbLG, NJW 1955, S. 1848. Aus der Lit.: Schönke / Schröder / emmer (1982), § 16 Rdnr. 136 ff.; Dreher (1972 a), S. 207 ff., 223 ff.; Gallas (1979) S. 155 ff., 168; Jescheck, AT (1978), § 41111 2; Herdegen (1975), S. 195 ff., 208; KTÜmpelmann, GA (1968), S. 142 ff.; Lackner (1981), § 17, Anm. 5 a; Wesseis, AT (1981), § 11 111 2 jeweils mit weiteren Nachweisen. Im Ergebnis vgl. auch Baumann, AT (1977), § 27 I 4, § 27 IV, § 27 V. 53! Die Vorsatztheorie nimmt an, bei Fehlen des Unrechtsbewußtseins entfalle eo ipso auch der Vorsatz als "dolus malus", der mit dem Bewußtsein, unrecht zu handeln, untrennbar verbunden sei. Zum Problem der (von der

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wäre 533 . Müßig wäre es, z. B. darüber zu rechten, ob Wagner mit seiner (empirisch gemeinten) Annahme recht hat, ein Verbotsirrtum des Retters sei "in aller Regel unvermeidbar"534. Denn zum einen ist die Rechtsprechung, die (über)strenge Anforderungen an die "Vermeidbarkeit" eines Verbotsirrtums stellt und so "de facto" den Regelungsbereich des § 17 S. 1 StGB auf seltene Ausnahmefälle reduziert 535 , korrigierbar536 ; und zum anderen ist die maßvoll gewaltsame Suizidhinderung ohne Eingriff in die Körperintegrität bei fahrlässigem Handeln ohnehin straflos (arg.: §§ 240, 15 StGB). Und kein triftiger Gegeneinwand wäre, daß Wagner die "Irrtumsflucht" nicht als "seine" Lösung propagiert; denn ein "Wegweiser" muß nicht selber in die Richtung gehen, in die er deutet. Zu befürchten ist jedoch, daß die gewiesene Straße auf eine Sandstrecke unfruchtbaren Bemühens führt und daher letztlich ungangbar ist. Erstens flieht die Irrtumslösung zu einem Theoriengefüge, dessen Bausteine bislang noch nicht zu einem harmonischen Ganzen geordnet werden konnten: Die irrtümliche Annahme rechtfertigender Umstände ist ein difficiles, wenn nicht das komplizierteste Gebiet der Irrtumslehre537 , auf dem sich der "Theorienwirrwarr"538 unvermindert erhalten hat. Zweitens ändert sie nichts an dem "Urfehler" , die verfassungsrechtlich angelegte Einschränkbarkeit des Rechts auf Selbsttötung gering und seine Schutz bedürftigkeit zu überschätzen; auch die "Irrtumsflucht" dient so gesehen nur dazu, die Wunden lindern, die ein rigides "Strafbarkeits-Ja" vorher schlug. Und drittens beläßt es auch eine Theorie, die in der Regel den "gut(gemeint)en" Rettungsakt zum verzeihlichen Irrtum (um)erklärt, bei dem Vorhalt, h. M. bestrittenen) Vertretbarkeit der Vorsatztheorie auch unter der "Herrschaft" des § 17 S. 2 StGB vgl. nur Langer, GA (1976), 193 ff.; Schmidhäuser, JZ (1979), S. 361 ff. einer- Schönke / Schröder / Cmmer (1982), § 15 Rdnr. 100; Jescheck, AT (1978), § 4111 1 b, § 41 I 2; Rudolphi / SK, AT (1981), § 16 Rdnr. 10 ff. m. w. Nachw. andererseits. 533 Denn wenn der Verbotsirrtum unvermeidbar ist, handelt der Täter allemal "ohne Schuld" (§ 17 S. 1) und kann nach allen drei Theorien nicht bestraft werden. Vgl. Jescheck, AT (1978), § 4111 1 b (: "Umstritten war jedoch bisher die Frage der Behandlung des vermeidbaren Verbotsirrtums") (Hervorhebung bei Jescheck). 534 Wagner (1975), S. 132. 535 Vgl. Maurach / Zipf, AT (1977), § 38111 1 b, S. 574; BGHSt. 4, S. 236 ff., 243; 21, S. 18 ff., 20; BGH VRS 14, S. 31; BayObLG, NJW 1965, S. 163 f., 164. 538 Krit. zur "engherzigen" Praxis (Maurach / Zipf, AT [1977], § 38111 1 b, S. 574) neben Maurach / Zipf, a.a.O., insbes. auch: Jescheck, AT (1978), § 41 11 2 b; Roxin (1974 a), S. 187 f. Zweifelnd auch Dreher / Tröndle (1981), § 17 Rdnr. 8 m. w. Nachw. aus der Rechtsprechung; Schönke / Schröder / Cramer (1980), § 17 Rdnr. 12; Stratenwerth, AT (1981), Rdnr. 584 ff. Vgl. insgesamt zur Vermeidbarkeit Rudolphi (1969), S. 217 ff.; Rudolphi / SK, AT (1981), § 17 Rdnr. 24 ff.; Horn (1969), S. 99 ff. 537 Roxin (1975 b), S. 14. 538 Roxin 0975 b), S. 14.

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der Retter habe eine wertwidrige, unerlaubte Tat begangen; es bleibt so bei dem sozialschädlichen Appell, Frei-Todhinderungen (im Zweifelsfalle) zu unterlassen. 131.322.224. Auf der Suche nach einem eigenen Lösungsvorschlag 167. Kein Fragezeichen, und wäre es noch so dick von hausbackener, dem Leben verpflichteter Alltagsvernunft hinter die Strafbarkeit der Suizidhinderung gemalt, befugt Dritte, mit maßvoller Gewalt "freiwillig" eingeleitete Selbsttötungen abzubrechen; denn nur das (legislatorisch vorgeformte) Recht hat die Kraft, den Konflikt zwischen Freitodfreiheit und Lebensschutz zugunsten der Allgemeinheit und ihrer Tabu- und Hilfsbedürfnisse legitimierend zu entscheiden. 131.322.224.1 Argumente für die Anwendung des § 34 StGB 168. Wer die Einsicht, Art. 2 I GG garantiere die Suizidmacht des einzelnen als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit (vgl. oben Rdnr. 35 ff.) nicht von ihrer positiv-rechtlichen Grundlage löst, muß zugleich ihre grundgesetzlich verankerten Grenzen - die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz (vgl. oben Rdnr. 42 ff.) - ernst nehmen und mit diesen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 II GG (vgl. oben Rdnr. 47 ff.) zum Ausgleich bringen. 169. Was immer sich im güter- und gefahrenabwägenden Hin und Her der Argumente im einzelnen auch ergeben mag: Zum "eingrijjszugänglichen" Schutzbereich des Art. 2 I GG gehört die Freiheit eines geistig (im Sinne VOn § 20 StGB analog) gesunden "Freitodmündigen" , sich selbst zu töten (vgl. oben Rdnr. 47). Diese "Relativierung" ergibt sich nicht nur aus der mit besonderen Personalbeziehungen verknüpften Weiterlebenspflicht (vgl. oben Rdnr. 33 ff.) und polizeilichen Unterbindungsrechten (vgl. oben Rdnr. 27). Sie fügt sich auch anderen Erwägungen: Erstens ist die allgemeine Handlungsfreiheit Grundrechtsmündiger der Natur der Sache nach vielfältigen Bindungen zugänglich; andernfalls wäre es nicht möglich, jedem Menschen einen umfassenden Bereich zu verbürgen, in dem er sich frei von (unverhältnismäßiger) staatlicher Bevormundung entfalten kann 539 • Zweitens leiden zahlreiche, an sich eigenverantwortungsfähige Suizidenten an seelischen Störungen, die sich auch anders lösen lassen, als durch den ewige Ruhe verheißenden und daher im Zustande emotionaler Spannung aus einem meist wirrläufigen Motivgeflecht heraus540 gesuchten Tod. Die Möglich63. Vgl. BVerfGE 6, S. 32 ff. Krit. Maunz / Düng / Herzog / Scholz (1979), Art. 2 I Rdnr. 18 ff.; Hesse (1980), § 12 I Nr. 10. 540 Vgl. Stengel (1969 a), S. 28 ff.

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keit therapeutischer Hilfe 541 legitimiert zwar nicht, behandlungsfähigen (und in diesem quasi "medizinisch-operationablen" Sinne: "kranken") Suizid gefährdeten die Fähigkeit abzusprechen, sich (im rechtlichen Sinne: "frei"- bzw. "eigenverantwortlich") zur Selbsttötung zu entschließen. Sie geht aber dennoch in die durch § 34 StGB geforderte Güter- und Gefahrenabwägung ein, da sie den am "Freitod" Gehinderten bei sachkundiger und vom Lebensmüden "freiwillig" angenommener Nachbetreuungm nicht zu inkurablem Leid verdammt. Drittens entspringen nicht wenige Suizide kurzschlüssigen Augenblicksreaktionen, wie Liebeskummer, beruflichem oder familiärem Ärger, ohne von einem dauerhaft aufrechterhaltenen Selbsttötungswunsch getragen zu sein543 . Viertens sind trotz einer hohen Zahl von "Zweitversuchen"544 viele Lebensmüde ihrem Retter dankbar, mag auch z. Z. der "Nötigung" kein konkretes Indiz für ihr mutmaßliches Einverständnis545 in den Rettungsakt vorgelegen haben 548 • Fünftens ist das Grundrecht auf Freitod durch einen letal endenden Suizidakt "verbraucht"; hingegen erhält die maßvoll gewaltsame Suizidhinderung ohne Folgenrisiko einem "ernstlich" dauerhaft zur Selbsttötung Entschlossenen die Möglichkeit, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen547 . Und sechstens ist dem suizidalen Geschehen oftmals nicht anzusehen, ob der Suizident verantwortungsfähig und freitodmündig ist, ob er eine besondere Rechtspflicht zum Weiterleben verletzt, ob er genötigt oder in einem Motivationsirrtum handelt 548. Ein Suizidverhinderungsrecht Privater dient so gesehen dazu festzustellen, ob der Lebensmüde suizidmündig ist, sich 541 Vgl. dazu insbes. Thomas (1964), S. 52 ff. 542 Vgl. dazu insbes. Ringel (1969), S. 129, S. 147, 149 ff. 643 Vgl. Ringel (1969), S. 51 ff.; Stengel (1969 a), S. 9 ff., 20 f. 644 Vgl. dazu Stengel (1969 a), S. 31 ff. 645 Da eine Nötigung nie "verwerflich" ist, wenn Rechtfertigungsgründe vorliegen, schließt eine mutmaßliche Zustimmung in den Rettungsakt nicht erst als "mutmaßliche Einwilligung" die Rechtswidrigkeit aus, sondern als "mutmaßliches Einverständnis" bereits den von § 240 I und 11 StGB gebildeten "Unrechts-Gesamttatbestand" aus. Vgl. zur Problematik aber auch Roxin (11970), S. 25, Fußn. 56; Maurach / Zipf, AT (1977), § 27111 BI, S. 237, demzufolge die mutmaßliche Einwilligung nie tatbestands ausschließend wirkt. 64e Ob und welche Indizien vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalles. So wird man etwa bei einem mehrfach wiederholten, vorher angekündigten und ernstlich begründeten Suizidversuch in der Regel keine mutmaßliche Zustimmung in den Rettungsakt annehmen können, es sei denn, das Suizidmotiv stellt sich als grundlos heraus oder fällt weg (Der Suizident nahm infolge einer Verwechslung durch den Arzt irrtümlich an, er sei unheilbar erkrankt). 547 Vgl. Wagner (1975), S. 132. 548 Auf der "Rechtfertigungsebene" kommt es anders als bei der Frage, ob nötigenden oder täuschenden Dritten der Suizid als täterschaftliche Fremdtötung zugerechnet wird - nicht darauf an, ob der Nötigungsdruck oder Irrtum die (Tatherrschaft und) Eigenverantwortlichkeit des Suizidenten ausschließt (vgl. dazu i. e. Rdnr. 325 ff. ff., 346 ff.).

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töten darf und sich ungenötigt und irrtums frei den Tod geben will; es gibt dem Suizidenten die Chance, seinen Entschluß zu überdenken549 , und der Allgemeinheit die Möglichkeit, sich von der festen Entschlossenheit des Sterbewilligen durch einen neuerlichen Freitodversuch überzeugen zu lassen. 131.322.224.2 Die Bindungsfähigkeit der Suizidfreiheit nach Art. 2 I GG 170. Gegen das Urteil, die maßvoll gewaltsame Suizidhinderung sei auch gegenüber "Selbsttötungsmündigen" erlaubt, möge nicht eingewandt werden, sie beraube den Lebensmüden des durch Art. 2 I GG verheißenen Schutzes. Zunächst richtet sich Art. 2 I GG anders als z. B. Art. 9III S. 2 GG nach Wortlaut, Art. 1III GG und historischem Koncext direkt nur an den Staat und seine hoheitlich handelnden Organe; ob Art. 2 I GG auch Private unmittelbar von Eingriffen in die "allge-neine Handlungsfreiheit" abhalten soll, ist nach der Absage des Bundesverfassungsgerichts an die Drittwirkungslehre550 zumindest noch zweifelhafter als je zuvor550&. Gewiß ist danach der durch Art. 2 I GG ausgesprochene Wertentscheid des Grundgesetzgebers in den Rechtsbeziehungen Privater nicht bedeutungslos. Denn er fließt prägend in das Gefüge jener Wertprinzipien und legislatorischen Ordnungsvorstellungen ein, die auf der Rechtfertigungsebene bei der Auslegung des § 34 StGB heranzuziehen und zu konkretisieren sind. Eine solche Geltung ist aber eher ständig neu zu erfüllende interpretatorische Aufgabe, denn Ablesen und Durchsetzen eines inhaltsfixierten Obersatzes. Sodann garantiert Art. 2 I GG von vorneherein nicht einen jedem Eingriff entzogenen Bereich menschlicher Verhaltensmöglichkeiten. Art. 2 I GG sichert, wie sein Verfassungsvorbehalt der Rechte anderer, der verfassungsmäßigen Ordnung und des Sittengesetzes zeigt551 , eine prinzipiell bindungsfähige Freiheit. Erst Art. 19 II GG i. V. m. Art. 1 GG verbürgt einen unantastbaren "Kern" der allgemeinen Handlungsfreiheit, in dem der einzelne nicht zum Objekt privater oder staatlicher Zwangsmaßnahmen gemacht werden darf (vgl. oben Rdnr. 47 ff., 115, 121, 131, 145 u. ö.); Versuche, Suizidwünsche jenseits rechtlicher Regeln für Vgl. Wellmann, JR (1979), S. 182 f., 183. Vgl. etwa BVerfGE 7, S. 198 ff. Mit "Drittwirkungslehre" wird nach einem Vorschlag von Ipsen die unmittelbare Anwendbarkeit der Grundrechte auf den Privatrechtsverkehr bezeichnet. 550& Vgl. zum Ganzen: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz (1979), Art. 1 III GG, Rdnr. 100, 127 ff.; Th. Schramm (1979), S. 32 ff. 551 Vorausgesetzt, man billigt diesen (problematischen) Schluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 6, S. 32 ff.) von den "Schranken" des Art. 2 I GG auf dessen Schutzbereich (Krit. dazu z. B. Hesse [1980], § 12 I 10 m. w. Nachw.). 540 550

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krank und unbeachtlich zu erklären (vgl. oben Rdnr. 156 ff.), "Zweifellösungen" , die mit wohlbegründeten dogmatischen Traditionen brechen (vgl. oben Rdnr. 160 ff.), und Abschweife in die Irrtumslehre (vgl. oben Rdnr. 164 ff.) verlieren an praktischer Plausibilität, hält man sich vor Augen, daß auch die Suizidfreiheit, - unbeschadet und gerade wegen ihrer durch Art. 2 I GG vermittelten Rechtsdignität - nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips und unter Wahrung ihres relativierungsfeindlichen Wesensgehalts einschränkbar ist. 131.322.224.3 Personenautonomie und § 34 StGB 171. Auf ratlose Kritiker könnte hingegen die apodiktische und verbal radikale Feststellung Wagners stoßen, daß § 34 StGB "nur Schutz gegen Fremdgefährdungen gewährt"562. Denn diese Telosthese bestreitet der herrschenden Lehre, die die "gewaltsame Verhinderung eines freiverantwortlichen Suizids ... zumindest nach § 34 als gerechtfertigt" ansieht 553 , auf den ersten Blick den sie gründenden Boden; wer mit Wagner annimmt, § 34 StGB tauge nicht dazu, das Unterbinden eines Suizids gleichsam auf der "Schrankenseite" des Art. 2 I GG zu legitimieren554 , kann das "Recht auf Selbsttötung" nur noch durch die drei von Wagner gewiesenen Auswege "abmildern" - sei es, daß er die von Art. 2 I GG erfaßten Selbsttötungen durch eine restriktive Frei-Toddefinition auf eine quantite negliable einengte, sei es, daß er dem Zweifel des Retters am Vorliegen eines Frei-Todes rechtfertigende oder entschuldigende Kraft beilegte. Oder selbstkritischer gesagt: Verfolgte § 34 StGB wirklich nur den Zweck, vor Fremdgefährdungen zu schützen, wäre alles Bemühen um eine differenzierende Lösung, die eingriffsoffene und eingriffsversperrte Suizidbereiche kennt, eitel; es hieße zuzugeben, die Hürde fremder Selbstbestimmung nicht übersteigen, höchstens umgehen zu können. 172. Für die Ratiohypothese Wagners spricht der Konsens, daß im Rahmen des § 34 StGB nicht nur der Gutsverlust als solcher, sondern auch die Mißachtung fremder Autonomie zu berücksichtigen ist555 . Zwar hat die Lehre noch nicht Einigkeit darüber erzielt, ob dieses Gebot der Feststellung des Interessenvorrangs nach § 34 S. 1 StGB zugeordnet werden muß558, "als Schutz für das Selbstbestimmungsrecht des Be-

65! So Wagner (1975), S. 131. 653 Schönke / Schröder / Eser (1980), Rdnr. 48 vor §§ 211 ff.; Schönke / Schröder / Eser (1982), § 240 Rdnr. 26 c. 65( Wagner (1975), S. 131. 555 Schönke / Schröder / Lenckner (1982), § 34 Rdnr. 38. 558 So z. B. Schönke / Schröder / Lenckner (1982), § 34 Rdnr. 38, vgl. auch Rdnr. 47 zum "Blutspenderfall".

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troffenen" zur Angemessenheitsklausel des § 34 S. 2 StGB gehörts•7 oder, weil sich Güterabwägung und Angemessenheitsprüfung nicht scharf voneinander trennen lassen558 , in beiden Wertungsvorgängen angesiedelt ist659 • Übereinstimmend hält sie es jedoch im Ergebnis für möglich, daß selbst ein vordergründig "klares Überwiegen des Wertes des zu schützenden Interesses"56o die Notstandstat nicht immer rechtfertigt, sondern nur, wenn eine Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles ergibt, daß das vom Täter bewahrte Interesse auch im Hinblick auf das eingesetzte Mittel gemessen an den fundamentalen Ordnungs- und Gerechtigkeitsvorstellungen unserer freiheitlich verfaßten Gesellschaft561 diesen Wertvorzug verdient (§ 34 S. 1 und S. 2 StGB)562. 173. Eine "typische" Fallkonstellation, bei deren Lösung das Erhalten eines in

concreto Überwiegendes Wertes oder die "Angemessenheit" der lebenserhaltenden Notstandstat bezweifelt wird, ist die Erzwingung einer Blutspende zur Rettung eines (anderen) Menschen. Denn obschon das Leben des Kranken, der einer Blutübertragung bedarf·G3 , in abstracto höher wiegt als die Körperintegrität und Freiheit des (einzig möglichen5M ) Spenders, verwirft die herrschende Meinung "aus Gründen der Gesamtrechtsordnung"585 jede Nötigungslegitimation: Niemand dürfe gegen seinen Willen "zum Objekt medizinischer Experimente" gemacht oder "als Blutmagazin" mißbraucht werden568 . Solches Tun widerspreche der "Menschenwürde des durch die Nothandlung Geschädigten"567, sei "mit der freiheitlichen Struktur unseres 657 Jescheck, AT (1978), § 33 IV 3 d, S. 292; so wohl auch der Gesetzgeber (vgl. E 1962, S. 159; BT-Drucks. V/4095, S. 22). Vgl. auch Maurach / Zipf, AT

(1977), § 27 III 6 d. 558 Stree (1975), S. 43; Maurach / Zipf, AT (1977), § 27 111 6. 659 Die Literatur schätzt die Aussagekraft der in § 34 S. 2 StGB enthal-

tenen "Angemessenheitsformel" häufig als "gering" ein (Baumann, AT [1977], § 22111, S. 360). Bedeutung gewinnt sie, wenn man ihr im Einklang mit den legislatorischen Sinnvorgaben (Begründung zu § 39 E 1962, SD. 159; BT-Drucks. V/4095, S. 22) die Aufgabe einer zusätzlichen Korrektur zuweist, die sicherstellen soll, daß eine Notstandstat nur gerechtfertigt ist, wenn "das Verhalten des Notstandstäters auch nach den anerkannten Wertvorstellungen der Allgemeinheit als eine sachgemäße und dem Recht entsprechende Lösung der Konfliktslage erscheint". Vgl. auch Jescheck, AT (1978), § 33 IV 3 d, S. 291 f. mit zahlreichen Nachweisen in Fußnote 36. 680 Jescheck, AT (1978), § 33 IV 3 d, S. 291. 581 Vgl. Begründung zu § 39 E 1962, S. 159; BT-Drucks. V /4095, S. 22. m Vgl. Lackner (1981), § 34 Anm. 2 e. 053 Beispiel von Gallas (1968), S. 70: "Ein Schwerkranker mit seltener Blutgruppe kann nur durch eine Blutübertragung gerettet werden. Der ihn behandelnde Arzt nötigt einen Dritten, der die fragliche Blutgruppe aufweist, die Bluthergabe aber verweigert, dazu, die übertragung zu dulden". SM Nach der Erreichbarkeit eines anderen Spenders differenzierend Baumann, AT (1977), § 22 II 1, S. 359 f. 585 Jescheck, AT (1978), § 33 IV 3 d, S. 291. 588 Welzel und Dreher (1958), S. 178. 567 Blei, AT (1977), § 45 III a.

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Gemeinschaftslebens ... unvereinbar"s68 und könne daher niemals von der geltenden Rechtsordnung gebilligt seinsee. 174. Obschon sich Wagners Zweckbehauptung so durch den Grundsatz der Personenautonomie570 überwölben und falltypologisch konkretisieren läßt, beeindruckt sie nur, ohne zu überzeugen. Denn auch das Prinzip der Freiheit des einzelnen ist kein ewig-unveränderlicher Fixstern, dessen kaltes Licht Hilfswillige frösteln und wertwidrig-unangemessen Tugendterror üben läßt. Es leitet sich in seiner konkretgeschichtlich gültigen Gestalt von Art. 2 I GG her und kann daher nicht mehr an Schutz verheißen, als es dieses Grundrecht vermag; einen absolut eingriffslosen, "unantastbaren" Bereich der freien Persönlichkeitsentfaltung verbürgt erst die Wesengehaltsgarantie des Art. 2 I GG, Art. 19 II i. V. m. 1 I GG (vgl. dazu oben Rdnr. 47 ff.). Es mag sein, daß ein dauerhaft zum Tode Entschlossener hiernach nicht mehrfach am Freitod gehindert werden darf - schon weil dies eine gegenüber einem geistig Gesunden unzumutbare ständige Überwachung seines Lebenswandels implizieren würde 571 • Daß es aber in der Regel gegen Art. 1 I GG als wertmäßige Basis der absoluten Wesensgehaltsgarantie verstoßen würde, Sterbewillige gewaltsam an der Durchführung ihres Vorhabens zu hindern, läßt sich nicht wohl begründet behaupten; denn Art. 1 I GG (v)erklärt (entgegen mancher Mißdeutung 572 ) die faktisch letztlich unaufhebbare Suizidmacht des einzelnen nicht zum ausnahms588 619

Gallas (1968), S. 70.

So im Ergebnis neben den in Anmerkungen 565 - 568 Genannten u. a.

Bockelmann, AT (1979), § 15113 a; Hirsch / LK (ab 1970), Rdnr. 75 vor § 51; Schönke / Schröder / Lenckner (1982), § 34 Rdnr. 47; Dreher / Tröndle (1981), § 34 Rdnr. 16; Samson / SK, AT (1981), § 34 Rdnr. 18; Schmidhäuser, AT (1975),9/72; ders., AT (1982), 6/40; Maurach / Zipf, AT (1977), § 27 III 6 d. Differenzierend nach der Erreichbarkeit des Spenders: Baumann, AT (1977), § 32111. Differenzierend nach dem Kern der Grundrechtsgarantie Wessels, AT (1981), § 8 IV 4. Differenzierend nach der Schwere des Eingriffs und noch radikaler die h. L. ablehnend: Roxin (1970), S. 27 f. 570 Zum Grundsatz der Personenautonomie und § 34 StGB vgl. besonders: Baumann, AT (1977), § 22111; Jescheck, AT (1978), § 33 IV 3 d; Hirsch / LK (ab 1970), Rdnr. 75 vor § 51; Lenckner (1965), S. 111 ff.; Roxin (1970), S. 27; Schmidhäuser, AT (1975), 9/72; ders., AT (1982), 6/40, 41; Stratenwerth (1956), S. 50; ders., AT (1981), Rdnr. 462 f.; Wessels, AT (1981), § 8 IV 4 sowie die

übrigen in 565 - 569 genannten Autoren. 571 Hieraus erklärt sich, daß ein "wirklich Entschlossener" auf Dauer "nicht am Selbstmord gehindert werden" kann (Wellmann, JR [1979]. S. 183); wer wie Jean Amery ein Hotelzimmer aufsucht, um dort ohne "Störung" anderer tragisch-einsam den Tod zu suchen, ist hieran nicht hinderbar. 672 Wagner zitiert Kühne (NJW [1975], S. 671 ff., 675), Lindemann, DVBl. ([1957], S. 37 ff., 40) und sogar Herzog ([1966], Spalte 1960 f.) so, als ob diese die Selbsttötung als durch Art. 1 I GG geschützt ansähen (Wagner [1975]. S. 85 und Fußn. 4). Dies ist irreführend. Denn Kühne und Lindemann ziehen Art. 1 I GG nur für einen letzten Ausnahmebereich heran; Herzog setzt sich a.a.O. nur mit dem Versuch auseinander, aus Art. 1 GG ein Argument gegen die Suizidfreiheit herzuleiten.

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los unantastbaren, staatlich zu achtenden und zu schützenden Menschenrecht (vgl. Art. 1 I S. 1 und S. 2 GG). Folglich kann eine gewaltsame Suizidhinderung nur dann an der Maxime der Personenautonomie scheitern, wenn sie in den "essentiellen Kern" der grundrechtlich ge~ schützten Suizidfreiheit eindringt und so die "Belastungsgrenze" des einzelnen "unangemessen" überschreitet573 ; das ist bei einem maßvoll gewaltsamen risikolosen Suizidabbruch, der keinen Eingriff in die Körperintegrität erfordert und dem dauerhaft Freitodentschlossenen weder jede Möglichkeit nimmt, Hand an sich zu legen, noch negative "Folgen" bringt, nicht der Fall. 175. Wer dieser Argumentation entgegenhielte, von einer "Belastungs~ grenze" zu reden, habe nur Sinn, wo zugleich von einem Opfer zugunsten eines anderen gesprochen werden könne, stellte sein Monitum auf tönernen Füßen. Denn sein Einwand verhüllte die sachlich gebotene Einsicht - die verfassungs rechtlich angelegte Einschränkbarkeit der Suizidfreiheit durch "verhältnismäßige" und einen eingriffsfreien Kern achtende Rettungsakte - durch eine rhetorische Girlande, die an den Schnüren sprachlicher Gewohnheit hängt. Zudem zwingt der Rettungsakt, sieht man nur genauer hin, dem Suizidenten durchaus ein Opfer ab, das im Interesse der Allgemeinheit liegt: Dieser und nicht dem Sterbewilligen ist daran gelegen, daß die Hilfe gutgesinnter Dritter nicht zu Lasten sozialen Gemeinschaftsdenkens als wertwidriges Verhalten diskreditiert wird; dieser und nicht dem Lebensmüden geht es darum, daß das suizidale Geschehen nicht seine oftmals bewiesene suggestible Kraft entfaltet und andere zur Nachahmung reizt574 ; und für diese und nicht für den Todsuchenden ist es ein ureigenstes Bedürfnis, am Leben Leidenden mitmenschliche Solidarität zeigen und durch die Tat unter Beweis stellen zu dürfen. 176. Schließlich wäre auch kein triftiger Gegentopos, daß das geltende Recht Selbstgefährdungen und Selbstbeschädigungen prinzipiell nicht pönalisiert. Denn eine gänzlich andere Frage ist, ob derartige Verhaltensweisen unterbunden werden dürfen. Zwar ist es nicht problemfrei, bloße Selbstgefährdungen unter Berufung auf sozialstaatliche Belange zu verbieten und - man denke nur an die Gurtanschnallpflicht575 - (zivil rechtlichen) Sanktionen zu unterwerfen576 • Das Rechtsgut "Leben" genießt aber einen so hohen verfassungsrechtlichen Rang, daß es erlaubt ist, seinen Inhaber nicht nur vor "unfreiwilligem" Verlust, sondern im präventiven Interesse unseres auch dem Sozialstaat 673 574

575 571

Wessels, AT (1981), § 8 IV 4.

Zur suggestiblen Kraft von Selbsttötungen vgl. Ringel (1978 a), S. 271. Zur Rechtspflicht, in Kraftwagen Gurte anzulegen, vgl. § 21 aI StVO. Gemeint: die des § 254 StGB.

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verpflichteten Gemeinwesens nach den Prinzipien angemessenen Interessenausgleichs vor übereilter Selbstvernichtung zu bewahren577 . 177. Fazit: Von Ausnahmefällen abgesehen, in denen selbst eine maßvolle Suizidhinderung ohne Folgen und ohne Eingriff in die Körperintegrität in den Kern der Handlungsfreiheit des einzelnen eindringen würde (vgl. oben Rdnr. 174), ist die gewaltsame risikolose Rettung des Sterbewilligen stets erlaubt und durch § 34 StGB gerechtfertigt. Auf "Zweifel" des Retters an der "Freiverantwortlichkeit" des Suizidenten usw. kommt es grundsätzlich auf der Rechtfertigungsebene nicht an; sie nachträglich zu eruieren (oder zu fingieren), ist der Strafrechtspraxis nicht aufgegeben. Genausowenig muß der "Nötigende" entgegen der älteren Rechtsprechund 578 gewissenhaft579 oder sorgfältig580 prüfen 581, ob eine Notstandslage im Sinne von § 34 StGB zur Zeit seines Eingriffs bestand582 • Denn der Gesetzgeber ist durch Art. 103 II GG auch auf der Rechtfertigungsebene um der Orientierungssicherheit des Bürgers willen gehalten, (subjektive) Straffreiheitsvoraussetzungen so zu formulieren, daß der in Kenntnis der objektiven unrechtsausschließenden Umstände Handelnde in zumutbarer Weise sein Strafbarkeitsrisiko abschätzen kann 583 ; zudem entzieht sich eine solche Prüfung weithin richterlicher Kontrolle. § 34 StGB schweigt sich demnach "beredt" 677 Im Widerspruch zu seiner Ratiothese bemerkt Wagner: "Da kein Grund ersichtlich ist, daß die Abwägung im Rahmen des § 34 StGB von anderen Erwägungen bestimmt wird als die allgemein verfassungsrechtliche, ist auch bei § 34 StGB grundsätzlich der Pflicht zur Rettung des Selbstmörders der Vorrang einzuräumen" (S. 132); dies geht aber nur, wenn § 34 StGB gerade auch vor "Eigengefährdungen" schützen will. 578 Die Rechtsprechung postuliert für die §§ 34, 193 StGB und für verschiedene Amtsrechte eine Prüfungspflicht: Vgl. RGSt. 5, S. 124; 38, S. 375; 61, S. 137 f.; 64, S. 104; 72, S. 311; 77, S. 116; BGHSt. 1, S. 329; 2, S. 114 f.; 3, S. 9; 14, S. 2, 51. Zu ,,§ 34 StGB" vgl. insbes. RGSt. 62, S. 137 f., 138. 519 Jescheck, AT (1978), § 31 IV 3. ;80 Lackner (1981), § 34 Anm. 2. 581 Aus der Lit. fordern allg. eine Prüfung Blei, AT (1977), § 45IH, S. 153. Differenzierend: Lenckner (1966), S. 178 f.; Schönke / Schröder / Lenckner (1982), Rdnr. 17 ff. vor §§ 32 ff.; Jescheck, AT (1978), § 31 IV 3. Gegen eine Prüfungspflicht: Samsan / SK, AT (1981), Rdnr. 28 vor § 22; Rudalphi (1978), S. 74 ff. 582 Für § 34 StGB fordern eine Prüfung durch den Notstandstäter: RGSt. 61, S. 255; 62, S. 137 f., 138; BGHSt. 2, S. 114; 3, S. 10; 14, S. 2. Blei, AT (1977), § 45III, S. 153. Dagegen die h. L.: Baumann, AT (1977), § 22 II 2; Dreher / Tröndle (1981), § 34 Rdnr. 18; Hirsch / LK (1970 - 1974), Rdnr. 39, 79, 84 vor § 51; Eser, Strafrecht I (1980), Fall 12 Rdnr. 25; Jescheck, AT (1978), § 33 IV 4; Lackner (1981), § 34, Anm. 2 e ff.; Schönke / Schröder / Lenckner (1982), § 34 Rdnr. 49; Lenckner (1966), S. 165 ff.; Rudalphi (1978), S. 78 ff., 84 f.; Samsan / SK, AT (1981), § 34 Rdnr. 25; Schmidhäuser, AT (1977), 9/22, 77; ders., AT (1982), 6/29; Stratenwerth, AT (1981), Rdnr. 475; Maurach / Zipf, AT (1977), § 27 III 7 b. Zweifelnd Wessels, AT (1981), § 8 IV 2 a. E. 583 Vgl. dazu Battke, JA (1980), S. 93 ff., 93.

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darüber aus, ob der "Notstandstäter" die widerstreitenden Interessen "abwägt". Stattdessen macht er die Rechtfertigung nur davon abhängig, ob "bei Abwägung der widerstreitenden Interessen ... das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt"584. Im übrigen genügt, daß der Retter von der Gefahrensituation weiß und bei seiner Notstandshilfe davon ausgeht, daß diese das angemessene Mittel ist, um ein Menschenleben vor der Vernichtung zu bewahren585 . Die Abwendung der Lebensgefahr muß nicht das alleinige, ausschlaggebende Motiv der Lebensrettung sein; alles andere liefe auf Gesinnungsrichterei heraus und verschärfte in unnötiger Weise 586 das vom Gesetzgeber durch die "Um-zu-Formel" deutungs fähig aufgestellte subjektive Rechtfertigungselement. Mithin: Jeder darf dem Lebensmüden den Giftbecher aus der Hand schlagen, ihm den Revolver entreißen, den Strick zerschneiden, an dem dieser sich erhängen will, oder vom Sprung in die Tiefe gewaltsam zurückhalten, mag er an eine "Krankheit" des Freitodwilligen glauben oder nicht. Ein absolutes "Nein" zum (prinzipiell einschränkungsfähigen!) Selbsttötungsrecht liegt hierin nicht; vielmehr wird so durch eine sach- und wertgerechte Interpretation ein Konflikt gelöst, bei dem sich - wie bei jeder anderen Notstandssituation "Recht und Recht" gegenüberstehen587 und nach wechselseitigem Ausgleich verlangen. 177 a. Erst auf der Schuldebene werden Zweifel oder Irrtümer des Nöti-

genden bedeutsam. Verkennt er, daß er durch seinen Rettungsakt in den Kern der Suizidfreiheit eindringt, übersieht er z. B. daß er einen ernstlich suizid entschlossenen, freitodmündigen Moribunden die letzte Chance nimmt, den Qualen seines langdauernden Sterbens zu entgehen, handelt er zwar rechtswidrig, nach der herrschenden eingeschränkten Schuldtheorie531 jedoch nicht vorsätzlich-schuldhaft; ein etwaiger Fahrlässigkeitsvorwurf kann keine Strafe wegen Nötigung begründen (arg. §§ 15,240 StGB).

584 Gegen das Erfordernis einer sorgfältigen Prüfung und Abwägung aller Umstände durch den Täter SA-Prot. V (1967), S. 1795 (Horstkotte). 585 Vgl. Gallas (1979), S. 177 f.; Schönke / Schröder / Lenckner (1980), § 34 Rdnr. 48. Zwar fordert die h. L. verbal einen "Rettungswillen" (vgl. z. B. Jescheck, AT [1978], § 33 IV 4); sie zieht daraus (meist) aber nur die Konsequenz, daß eine nur objektive Gefahrenlage, die der Täter unwissend beseitigt, nicht rechtfertigt (Lackner [1981], § 34, Anm. 2 d). 588 In Notstandslagen gewährleisten bereits die Güterabwägungs- und Angemessenheitsklauseln objektiv sachgerechte Ergebnisse; ein etwaiger Handlungsunwert wird durch die Kenntnis der Rechtfertigungslage und die bewußte Rettung ausgeglichen. 587 Gallas (1979), S. 178.

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131.322.3 Die folgenschwere gewaltsame Hinderung des Suizids Freitodmündiger ohne Eingriff in die Körperintegrität 178. Merkmalsreicher und damit komplizierter strukturiert als der maßvoll gewaltsame Rettungsakt, dessen Wirkung sich in dem ernötigten Abbruch des konkret begonnenen Freitodversuches erschöpft, sind Eingriffe, die zwar nicht die körperliche Integrität des Lebensmüden antasten, jedoch "folgenschwer" über die schlichte Suizidhinderung hinausgehen. Denn "gute" und "böse", tolerable und intolerable Folgen lassen sich nicht fein säuberlich voneinander trennen und mittels einer Tarierwaage gewichten. Gleichwohl muß eine grund rechtliche Sicht des Suizids nicht notgedrungen in Sprachlosigkeit (ver)fallen oder von völlig unbewertbaren, seltensten Ausnahmefällen stammeln58B • Sie kann rechtfertigungsbedeutsam darauf hinweisen, daß nur solche Folgen unerbetene Suizidhinderungen zu unerlaubten Nötigungen stempeln können, die vorhersehbar sind, gemessen an den (grund)gesetzlichen Wertentscheiden das Beiwort "negativ" verdienen und dem Freitodsuchenden nicht zugemutet werden dürfen, weil sie den essentiellen Kern der Suizidfreiheit antasten würden (Art. 2 I GG i. V. m. Art. 19 II GG, 1 I GG).

131.322.31 Die Voraussehbarkeit der Folge als negatives, objektives Rechtfertigungselement 179. Von vorneherein außer Betracht bleiben unvorhersehbare Geschehensabläufe 589 • Denn Rechtsnormen, die Verhaltensrichtlinien, Duldungspflichten oder Eingriffsbefugnisse geben, können nicht Geschehnisse (mit)regeln wollen, die ex ante, also im Zeitpunkt des HandeIns, unerkennbar sind 590 • 180. Wird etwa der Freitodwillige X nach dem Rettungsakt überraschend von Terroristen gefangen und qualvoll ermordert, so läßt das kausal bewirkte Erfolgsunrecht nicht nachträglich die zur Zeit des Handeins erlaubte (vgl. oben Rdnr. 177) Suizidhinderung verwerfen. Allerdings ist etwaiges Sonderwissen durchaus in der ex ante zu berücksichtigenden Datenbasis untergebrachtS91 ; für den "Sehenden" stellt sich die objektive Rechtfertigungslage anders dar als für den "normalerweise" zukunftsblinden Retter.

Vgl. etwa BGHSt. 6, S. 147 ff., 149. Die "Vorhersehbarkeit" wird vom Schrifttum oft mit der Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit verknüpft. Vgl. etwa Deutsch (1963), S. 97 ff.; Engisch (1930/1964), S. 420 ff.; Re. von Hippel (1972); Jakobs (1972), S. 19 ff., 34 ff.; ders. (1974), S. 307 ff.; Jescheck, AT (1978), § 28III; Lorenz (1967), S. 105 ff.; Schroeder / LK (1971 - 1974), § 59 Rdnr. 151 ff.; Stratenwerth, AT (1981), Rdnr. 215 ff. 690 Vgl. Schroeder / LK (1971 - 1974), § 59, Rdnr. 158. m Vgl. Stratenwerth, AT (1981), Rdnr. 222,1098. 588

580

9 Bottke

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13 Das Recht auf Suizidhinderung 131.322.32 Die "Schwere" der Folge als negatives objektives Rechtfertigungselement

181. Einer "libertinistischen" Suizidfreiheit entspräche es, eine Rettungsaktsfolge als negativ zu verorten, wenn sie dem Sterbewilligen unerwünscht ist. Denn ein solcher "Meßpunkt" würde selbst solche Folgen bemakeln können, die - wie z. B. die Kümmernisse, Mühen und Sorgen des Alltags - über das gemeine Lebensrisiko nicht hinausgehen und "Lebensfrohe" in die freundliche Gewohnheit des Daseins einüben, "Lebensmüde" aber frösteln lassen; erst recht wären amtliche Inquisitionen aus Anlaß eines publik gewordenen Suizidversuchs oder die bloße "Neu-Gier" einer "wohl-", "bös-" oder "nichtswollenden" Umwelt Posten, die zu Lasten der Suizidhinderung auf die Waagschale des § 34 StGB fielen. 182. So sehr es aber geboten ist, bei vorhandenen objektiven Indizien für eine mutmaßliche Einwilligung des (Para-)Suizidenten in den Rettungsakt dieser Gehör zu verschaffen (vgl. i. e. Rdnr. 107 ff.), so wenig geht es an, aus einem Freitodversuch auf ein "Veto" des Todessuchenden gegenüber derart "folgenreichen" Rettungsakten zu schließen und diesem oder einem ausdrücklich erklärten "Nein" rechtfertigungshindernde Kraft zuzuschreiben. Denn selbst wo ein solches "Verbot" indiziell ableitbar oder gar ausgesprochen ist, entscheidet über seine Beachtlichkeit und damit über die "Negativität" der Folge nicht die subjektive Sensitivität des Sterbewilligen, sondern die Rechtsordnung. Dieser sind Hilfsbereitschaft und Anteilnahme prinzipiell tadelsfreie Suizidreaktionen, mag der Suizident sie auch als böses Grinsen der Wirklichkeit interpretieren und ablehnen. Kein "negatives" Urteil notiert sie auch zu Mühen und Nöten, die mit dem Leben (in dieser Gesellschaft) verbunden sind, mögen sie i. e. auch "ungerecht" erscheinen. "Negativ" sind ihr erst (voraussehbare) Folgen, deren "Erfolgsunwert" über das typischerweise tolerierte "Level" hinausreicht (die Rettung verdammt den Todessehnenden zu dauerndem Siechtum, bloß vegetativem Dasein oder prolongiert sein schmerzenreiches, langdauerndes Sterben) oder die aus anderen Gründen rechtswidrig sind (Der Retter verhindert einen Suizid, durch den sich der Suizident der rechtswidrigen Festnahme und Folter durch die Schergen eines Unrechtsregimes entziehen oder das qualvolle Sterben nach einem Giftmordversuch abkürzen will). Derartige Suizidverhütungen überschreiten, indem sie den unantastbaren Kern der Selbsttötungsfreiheit berühren, die in § 34 S. 2 StGB normierte Belastungsgrenze; dagegen bleibt eine Rettung auch dann "angemessen", wenn sie z. B. Untersuchungen oder andere, von der Rechtsordnung gebilligte oder tolerierte Folgen auslöst.

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131.322.33 Die "Unzumutbarkeit" der Folge als negatives objektives Rechtfertigungselement 183. Da die "Unzumutbarkeit"592 als indefinibles593 Prinzip in ihrer ganzen Sinnfülle allenfalls falltypologisch entschlüsselt werden kann, wäre es reizvoll, sich ihrer durch eine möglichst alle Anwendungsfälle bedenkende Arbeit am konkreten Rechtsstoff zu vergewissern. Gleichwohl sei es schon aus Raumgründen gestattet, in Sachen "Zumutbarkeit" einen solchen Handel in Details zu verweigern oder auch nur - weniger anspruchsvoll - jenes Regulativ in erdachte Arrangements zu spannen, die seinen vollen Bedeutungsgehalt aufzeigen sollen. Stattdessen sei lediglich daran erinnert, daß den unantastbaren Kern der Suizidfreiheit gemäß Art. 2 I, 1911 GG jene Fälle bilden, in denen der Sterbewillige dinghaft behandelt, zum fremdbestimmten Objekt gemacht und so des ihm unentziehbar als Mensch zukommenden Restbestandes subjektiver Möglichkeiten beraubt werden müßte; denn mit "Wesens gehalt" meint Art. 1911 GG (auch) "denjenigen Gehalt des Grundrechts, der die notwendige Folgerung bzw. Projizierung des Gebotes der Menschenwürde ... für bzw. auf das bestehende Einzelgrundrecht darstellt"594 (vgl. i. e. oben Rdnr. 46 ff.). 184. Um diese "Leitlinie" exemplifizierend zu verdeutlichen: Unzumutbar sind unerwünschte Eingriffe in suizidale Geschehnisse, die "Auto-Euthanasie-Charakter" tragen595 . Nicht durch § 34 StGB gerecht092 Die "Unzumutbarkeit" wird auf einer Vielzahl von Rechtsgebieten verwandt, vgl. Achenbach, JR (1975), S. 492 ff.; Blei, JA (1980), S. 307; Bluhm, SchlHA (1969), S. 174 ff.; Dallinger, JR (1968), S. 6 ff.; Drost, GA (1933), S. 175 ff.; Eggert (1969); Frellesen (1980); Frey (1961); Furtner, NJW (1961), S. 1196 ff.; Gusseck (1972); grundlegend Henkel (1954), S. 249 ff.; Jobst (1934); Lücke (1973); Lücke, DOV (1974), S. 769 ff.; Lücke, JR (1975), S. 55 ff.; MarceTUS (1928); Röwer (1957); Röwer, NJW (1958), 1528 ff.; Sauerlandt (1936); Schajjstein (1933); Ulsenheimer, GA (1972), S. 1 ff.; W. Weber (1962/63), S. 212 ff.; Wittig, JZ (1969), S. 546 ff. 693 Aus der Undefinierbarkeit folgt aber keineswegs die völlige Unbrauchbarkeit jener Leerformel, vorausgesetzt, sie wird sachgerecht (durch die Verknüpfung mit dem Wertgehalt der Art. 2 I, 1911, 1 I GG) aufgefüllt und rechtsstoffadäquat konkretisiert; die Indefinibilität hat die Unzumutbarkeit mit anderen, obersten Leitbegriffen der (Straf-)Rechtsdogmatik gemein. 594 von Mangoldt / Klein (1957 - 1964), Art. 19 I GG Anm. V 4. 595 Zur Euthanasieproblematik vgl. Auer / Menzel / Eser (1977); Auer (1976), S. 250 ff.; Bockelmann (1968 a); ders., Ärztliche Praxis (1974), S. 1235 ff.; Bottke, ZEE (1981), S. 109 ff.; Buschendorj (1969), S. 43 ff.; Catel (1966); Engisch (1976), S. 312 ff.; Geilen (1975); Eser (1976); Eser (1977), S. 75 ff.; Deutsch, Vorgänge (1978), S. 74 ff.; Heijetz (1976); Helgerth, JR (1976), S. 45 ff.; Hirsche (1975); Kalish (1976), S. 159 ff.; Lohmann (1975); Menzel (1977), S. 53 ff.; Moor (1973); Regenbrecht, MMW (1973), S. 601 ff.; Opderbecke (1976), S. 136 ff.; Schadewaldt (1975), S. 11 ff.; Schmitt, JZ (1979), S. 462 ff.; Schweisheimer, DRiZ (1973), S. 167 f.; Schwalm (1977), S. 37 ff.; Schwartländer (1976); Schubert / Störmer (1977); Valentin (1969); Wunderli (1974); weitere Nachweise bei Vorgrimler (1978).

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fertigt handelt daher, wer einen Moribunden daran hindert, seinen qualvollen Todeskampf eigenhändig abzukürzen. Denn mag es auch möglich sein, Sterbenden palliativ, sedativ oder gar chirurgisch das Ende zu erleichtern596 : Niemand darf dazu gezwungen werden, seinen Tod in einer bestimmten Weise zu erleiden. Wohl hat ein Todgeweihter nicht die Rechtsmacht, Dritten seine Tötung zu erlauben (arg. § 216 StGB597), mag er auch noch so sehr flehen, durch eine Injektion von seinen Ängsten und Schmerzen erlöst zu werden. De lege lata läßt sich diese strikte Tabuisierung jeder täterschaftlichen Fremdtötung, einschließlich der aktiven Euthanasie598 , aber nicht nur aufrechterhalten, "weil und soweit die aktive und passive Selbstmordteilnahme als straflos angesehen werden"599 (vgl. dazu i. e. unten Rdnr. 325 ff., 390 ff.). Sie ist ohne jede Ausnahme auch nur beifallswürdig oder erträglich, weil und soweit dem Selbsttötungsfähigen unantastbar gestattet ist, in auswegloser Situation seinen eigenen Tod zu gestalten und sinngebend zu erfahren. Dieser Kern der Suizidfreiheit verleiht jener Straflosigkeit aktiv Hilfsbereiter und passiv Unterlassungswilliger weiteres Gewicht; andernfalls hätten es "Verhütungssüchtige" u. U. in der Hand, Dritte und den Frcitodsuchenden zur Lebens- und Leidensverlängerung ohne Strafrisiko zu nötigen. 185. Daß eine Notstandslage im Sinne des § 35 StGB auf der Rechtfertigungsebene des § 34 StGB (auch sonst 600 ) nicht die "Freitodmündigkeit" aufheben muß, sondern den eingriffsfreien "Restbestand" der Suizidfreiheit markieren kann, illustriert der schon erwähnte "Folterfall" (vgl. oben Rdnr. 182): Entschließt sich der von den Schergen eines Unrechtregimes Festgenommene, Hand an sich zu legen, um nicht unter barbarischer Folter seine Gesinnungsfreunde zu verraten und so in den sicheren Tod zu schicken, dürfen Mithäftlinge oder staatlich Bedienstete den Suizidenten nicht zum Weiterleben und zum Erdulden menschenwürdewidriger Praktiken601 nötigen. Denn mag auch unter alltäglichen Zu Möglichkeiten und Grenzen der Schmerzausschaltung vgl. aber ff. 597 Gegen diese Vorschrift de lege ferenda freilich ArthuT Kaufmann, ZStW (1971), S. 252; Marx (1972), S. 62 ff.; R. SchmUt (1972), S. 113 ff. 59S Zur Terminologie vgl. Bottke, ZEE (1981), S. 109 ff. 59&

Mayrhofer / Porges (1976), S. 121

599

Roxin (1977), S. 355.

In "Auto-Euthanasiefällen" ist auf Grund der zum letalen Ende führenden Krankheit eine quasi "gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr für das Leben" des Suizidenten gegeben. Allerdings wendet der Suizident diese Gefahr nicht durch Tötung eines anderen, sondern durch seine eigene Tötung ab; gerade dieser Umstand wirkt aber sich über die bloße Schuldminderung hinaus rechtfertigend (für die Tötung) aus. &01 Das Verbot der Folter, wie es z. B. in der Bundesrepublik Deutschland § 136 a StPO ausspricht, ist eine Ausformung des Art. 1 I GG (vgl. BGHSt. 5, S. 333; Kleinknecht [1981], Rdnr. 1 zu § 136 a). 600

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Bedingungen das Dichterwort, das Leben sei "der Güter Höchstes nicht"602, kaum mehr als eine Theatersentenz scheinen, extreme Notsituationen enthüllen seine Wahrheit. Niemand darf dazu gezwungen werden, wider sein Gewissen Handlungen zu erleiden, die im höchsten Maße verwerflich sind und den einzelnen zum Ding erniedrigen; eine ganz andere Frage ist, ob ein Suizid, zu dem der Selbsttötende sich durch eine Notstandslage im Sinne des § 35 StGB genötigt sah, denen als täterschaftliche Fremdtötung zugerechnet werden kann, die durch ihr menschenrechtswidriges Verhalten den "Freitod" heraufbeschwören: Freitodmündigkeit und Freitodverantwortlichkeit sind zweierlei (vgl. dazu i. e. unten Rdnr. 346 ff.). 131.322.4 Die gewaltsame Hinderung des Suizids Freitodmündiger mit Eingriff in die Körperintegrität 186. Steinige Pfade muß gehen, wer Situationen beurteilen will, in denen der Retter in die körperliche Integrität des Suizidenten eingreift, um dessen Leben zu retten oder um diesen vor schwerwiegenden Folgeschäden des Suizidversuchs zu bewahren. Denn relativ leicht lassen sich solche Sachverhalte nur bewerten, wenn der Lebensmüde diesen Akt ausdrücklich, stillschweigend oder mutmaßlich billigt. Eine solche Zustimmung läßt nämlich als Einverständnis 603 bereits tatbestandlich nicht davon sprechen60 4, der Retter habe "einen anderen körperlich ,mißhandelt' oder ,an der Gesundheit beschädigt'" (§ 223 I StGB) oder rechtfertigt als Einwilligung605 die (nach der Rechtsprechung) "an sich tatbestandsmäßige" Körperverletzung 606 ; in beiden (dogmatischSchiller, Braut von Messina, IV 7. Zur Unterscheidung von rechtfertigender Einwilligung und tatbestandsausschließendem Einverständnis Geerds (1953); ders., GA (1954), S. 262 ff.; Horn / SK, BT (1980), § 226 a Rdnr. 2 ff.; Maurach / Zipf, AT (1977), § 17 111 B, S. 235 ff.; Zipf (1970), insbes. 28 ff. 604 Vgl. Roxin (11970), S. 25 Fußn. 56. 605 Zur Einwilligung in Operationen vgl. Baumann, AT (1977), S. 184 ff.; ders., NJW (1958), S. 2092 ff.; Bockelmann, NJW (1961), S. 945 ff.; ders., JZ (1962), S. 525 ff.; ders. (1968 a); Engisch (1958); ders. (1960), S. 47 ff.; ders., ZStW (1939 a), S. 1 ff.; Geilen (1963); GTÜnwald, ZStW (1961), S. 5 ff.; Hirsch (1974), S. 735 ff.; Honig (1919); Arthur Kaufmann, ZStW (1961), S. 341 ff.; Kohlhaas, NJW (1968), S. 2348 ff.; Noll (1955); ders. (1966), S. 12 ff. Vgl. auch Niese (1961), S. 364 ff.; Schröder, NJW (1961), S. 951 ff. 806 RGSt. 74, S. 93; BGHSt. 11, S. 111 f. Zur Tatbestandsmäßigkeit von Heileingriffen vgl. aus der Rechtsprechung ferner: RGSt. 25, S. 375 ff., 377; RG, DR 1940, S. 684; RGSt. 74, S. 350; BGHSt. 12, S. 379; 16, S. 309; BGH, NJW 1956, S. 1106. Weitere Nachw. bei Schönke / Schröder / Eser (1982), § 223 Rdnr. 29. Die Literatur verneint überwiegend die Tatbestandsmäßigkeit: Bockelmann, JZ (1962), S. 525 ff.; Engisch, Universitas (1965), S. 469 ff., 471; ders. (1958), S. 20; Lackner (1981), § 223 Anm. 59; Schmidhäuser, BT (1980), 1/5; ders., AT (1982), 5/105; Maurach / Schroeder, BT 1 (1977), S. 85; Roeder (1969), S. 42 ff.; Eb. Schmidt (1939), S. 69 ff. - vgl. auch Hirsch / LK (1981), 802

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konstruktiv unterschiedlich gelösten607 ) Fällen scheidet im Ergebnis jedenfalls bei fehlender Sittenwidrigkeit608 des kunstgerecht durch geführten60U und subjektiv von einer "Heilungstendenz" getragenen610 Eingriffs jede Strafbarkeit nach den §§ 223 ff. StGB aus. Mühsam sind dagegen Konstellationen zu lösen, in denen der verletzte Suizident ärztliche Behandlung ablehnt oder aber seine mutmaßliche Billigung nicht indiziell erschlossen werden kann. Denn dann lassen auch suizidale Geschehnisse fragen, ob und wann ihnen oder ihren Folgen eigenmächtig durch ärztliche Heileingriffe entgegengetreten werden darf. 131.322.41 Problemflucht?

187. Solche Problemeinsicht mag überraschen. Denn obschon die Rechtsprechung jede Maßnahme in die körperliche Integrität berührt, dem § 223 I StGB subsumiertet!, erklärt sie Dritte zugleich für befugt, ohne Strafbarkeitsrisiko ärztlichen Zwang anläßlich der Selbstmordverhinderung anzuwenden. Gleichwohl schnürt die gestellte Frage keinen überflüssigen Knoten. Erstens stützen die Gerichte die Erlaubtheit unerwünschter Heilbehandlungen gegenüber "Selbstmördern" u. a. auf die "Sittenwidrigkeit" des "Selbstmordes"612, ohne diese und deren Begründungswert überzeugend dartun zu können (vgl. i. e. oben Rdnr. 52 ff., 96). Und zweitens ließe sich die Erlaubtheit fremdbestimmender Therapie bei "Selbstmordfällen" nur dann mit dem Bundesgerichtshof aus der Strafbarkeit der unterlassenen Hilfeleistung folgern, wenn diese argumentationskräftig untermauert wäre. Dies ist nicht der Fall (vgl. i. e. oben Rdnr. 90 ff.): Schon oft ist beklagt worden, es werde ohne Rdnr. 3 vor § 223 sowie § 226 a, Rdnr. 43 ff. m. w. Nachw. Wie die Rechtsprechung: Arzt, BT LH 1 (1977), S. 102; Arzt / Weber, BT LH 1 (1981), S. 119 Rdnr. 320; Baumann, AT (1977), § 15111 3, S. 184 ff.; im Ergebnis auch Horn, SK, BT (1980), § 223 Rdnr. 35 ff.; Kohlhaas (1969), S. 110. Differenzierend nach dem subjektiven Interesse des Betroffenen Krauss (1979), S. 557 ff. Differenzierend nach dem Erfolg des Eingriffs: Bockelmann, BT 2 (1977), S. 67 ff.; Hardwig, GA (1965), S. 161 ff., 163. Differenzierend je nach Schwere des Eingriffs Schönke / Schröder / Eser (1982), § 223 Rdnr. 31. Vgl. die eingehende Darstellung bei Hirsch / LK (1981), Rdnr. 4 vor § 223 mit erschöpfenden Nachweisen. e07 Zur eigenen Lösung vgl. unten Rdnr. 192 ff. e08 Vgl. dazu Berg, GA (1969), S. 145 ff.; Creifelds (0. J.); Roxin, JuS (1964), S. 373 ff.; Roth-Stielow, JR (1965), S. 210 ff. eoe Auf die "Kunstgerechtigkeit" des Eingriffs stellen bei der "Tatbestandsfrage" insbes. ab: Engisch (1958), S. 20; Eb. Schmidt (1939), S. 69 ff. m Gegen jedes subjektive Rechtfertigungselement bei der Einwilligung verbal Baumann, AT (1977), § 21114, S. 339, der aber bei Handeln in Unkenntnis der Einwilligung (im Ergebnis zu Recht) wegen (seil.: rechtswidrigen) Versuchs bestrafen will. eu Vgl. oben die Nachweise in Anm. 606. Weitere Nachweise in Dreher / Trändle (1981), § 223 Rdnr. 9. 612 BGHSt. 6, 147.

131. Die Suizidhinderungsrechte "Privater"

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bessere Erläuterung "dem Arzt ... nicht begreiflich sein, daß sich jemand strafbar macht, weil er den Willen des Selbstmörders respektiert und ihn sterben läßt, und daß sich der Arzt ebenso strafbar macht, weil er den gegen jede Hilfe gerichteten Willen des lebensgefährlichen Kranken nicht respektiert und ihn nicht sterben läßt"813; zudem sind sachlogisch die Hilfspflicht und deren Sanktionierung dem Hilfsrecht nachgereiht. Mithin ist dreierlei ZIU untersuchen: Unterfällt die ärztliche Heil1behandlung generell den §§ 223 H. StOB? Haben auch Suizidenten ein durch die §§ 223 H. S1IGB, Art. 2 I S. 1 GG geschütztes Recht, über ihre körperliche Integrität zu verfügen? Unter welchen Voraussetzungen erlaubt § 34