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German Pages 245 [246] Year 1966
VALENTIN CHESI
Struktur und Funktionen der Handwerksorganisation in Deutschland seit 1933
Untersuchungen üher Gruppen und Verbände Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Weippert, Erlangen
Band4
Struktur und Funktionen der Handwerksorganisation in Deutschland seit 1933 Ein Beitrag zur Verbandstheorie
Von
Dr. Valentin Chesi
DUNCKER & HUMBLOT / BERLIN
n2 Alle Rechte vorbehalten & Humblot, Berlln 41 Gedruckt 1966 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Prtnted in Germany
© 1966 Duncker
Vorwort des Herausgehers Die wissenschaftliche Reihe "Untersuchungen über Gruppen und Verbände" steht in innerem Zusammenhang mit einem umfangreicheren Forschungsvorhaben, das im Rahmen des Wirtschaftspolitischen Ausschusses der "Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften - Verein für Socialpolitik" in Angriff genommen wurde, und dessen Ergebnisse in der Schriftenreihe dieser Vereinigung unter dem Obertitel "Wirtschaftsverbände und Wirtschaftspolitik" in mehreren Bänden zur Veröffentlichung gelangen werden. Ziel dieses Forschungsvorhabens ist es, gestützt auf eine Reihe von Einzeluntersuchungen mehr historisch-deskriptiven Charakters - sie sollen in zwangloser Folge in vorliegender Reihe Aufnahme finden zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen "Verband", sowohl in theoretischer wie in politischer, zumal wirtschaftspolitischer Hinsicht, zu kommen. Im Vordergrund aller Einzeluntersuchungen - sie dienen den obengenannten Ergebnisberichten als Materialquelle -, die sich jeweils mit bestimmten oder auch artverwandten Interessenverbänden der Wirtschaft befassen, stehen zwei Fragenkomplexe: Wann und wo-also unter welchen gesellschaftlichen und ökonomischen Voraussetzungen - sind die einzelnen untersuchten Verbände und Zusammenschlüsse von Verbänden entstanden, und welches waren die Ursachen für ihre Gründung? Welche Ziele verfolgten sie? Wie stellt sich die Struktur der Verbände dar? Welches waren im politischen und ökonomischen Geschehensverlauf ihre Funktionen, und wie wirkten diese Funktionen auf die Struktur der Verbände zurück? Für die meisten Einzeldarstellungen reicht der Untersuchungszeitraum bis zum Jahre 1933; andere einbeziehen die Zeit von 1933 bis 1945 und führen die Untersuchung bis zur Gegenwart heran. In einigen Abhandlungen wird die Untersuchungs- und Funktionsgeschichte der
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Vorwort des Herausgebers
Interessenverbände zurücktreten und die Innenproblematik, vor allem Repräsentations- und Herrschaftsfragen, in den Vordergrund rücken. Mehrere, jedoch keineswegs alle Einzeluntersuchungen wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Ihr gilt hier unser Dank. Nicht zuletzt aber ist dem Verlag Duncker & Humblot dafür zu danken, daß er die wissenschaftliche Reihe "Untersuchungen über Gruppen und Verbände" in sein Verlagsprogramm übernommen hat und die Veröffentlichung der Einzeluntersuchungen ermöglicht. Erlangen, den 22. Dezember 1964
Georg W eippert
Einführung Die vorliegende Arbeit dient der Aufgabe, die strukturellen und funktionalen Veränderungen aufzuzeigen, die in den deutschen Handwerksverhänden seit 1933 eingetreten sind. Das Ergebnis der Untersuchung ist als Beitrag zu einer Analyse der gegenwärtigen, verbandsstrukturierten Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland gedacht. Nach einem Überblick über die Entwicklung der Verbände des Handwerks im 19. und im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts befaßt sich die Arbeit mit dem Einfluß, den die nationalsozialistische Herrschaft in Deutschland auf den Aufbau und die Tätigkeit der Handwerksorganisation ausgeübt hat. Im zweiten Hauptteil wird aufgezeigt, welche der unter nationalsozialistischem Einfluß zustande gekommenen Wandlungen auf die Entwicklung der Handwerksverbände im Nachkriegsdeutschland eingewirkt haben; dabei werden diese Einwirkungen gegen andere Einflüsse abzugrenzen sein, die dazu beigetragen haben, die gegenwärtige Struktur und Funktion dieser Verbände zu formen. Abschließend wird clie Auswertung der Erkenntnisse versucht, die sich aus der empirischen Untersuchung der handwerklichen Verbände seit 1933 für vergleichbare Wirtschaftsverbände ergeben haben. Es sei besonders darauf hingewiesen, daß der Verfasser den Begriff ,,Handwerksverbände" als Oberbegriff für alle Organisationen des Handwerks gewählt hat. Es sind damit also nicht nur, wie in weiten Teilen der Handwerksliteratur üblich, die Fachverbände auf einzelberuflicher Basis gemeint, sondern auch die Kammern, Bünde, Vereinigungen und die sonstigen Zusammenschlüsse von Handwerkern zur Vertretung ihrer Interessen. Die Arbeit entstand im Rahmen eines Forschungsauftrages über Gruppen und Verbände in Deutschland. Das dankbar angenommene Doktoranden-Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft hat konzentrierte Arbeit, Buchbeschaffungen und Reisen ermöglicht, ohne die diese Untersuchung nicht zustande gekommen wäre. Ganz besonders gilt mein herzlicher Dank aber Frau Prof. Dr. Ingeborg Esenwein-Rothe, die zusammen mit Herrn Prof. Dr. Georg Weippert das Entstehen der Arbeit in Nürnberg und in Erlangen stets
Einführung
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bereitwillig und großzügig geführt und unterstützt hat. Allen Mitarbeitern in den beteiligten Instituten und Seminaren möchte ich ebenfalls für die vielfältige Hilfe und für manche Anregung danken. Die wirksame Koordination der verschiedenen Untersuchungen ist auch für meine Arbeit sehr wertvoll gewesen. Sehr verbunden bin ich auch den Organisationen des Handwerks für die mir gewährte Hilfe. Die zahlreichen Bitten um Information wurden jederzeit eingehend beantwortet. Besonders Herr Dr. Lessmann vom Deutschen Handwerkskammertag in Bonn, Herr Rechtsanwalt Gräser von der Handwerkskammer für Mittelfranken in Nürnberg und die Damen und Herren des Deutschen Handwerksinstituts in München haben mir mit vielen uneigennützigen Ratschlägen die Arbeit sehr erleichtert. Für alle Hilfe nochmals herzlichen Dank. Nürnberg, im Januar 1966
Valentin Chesi
Inhaltsverzeichnis
A. Struktur und Funktionen der Handwerksorganisation in Deutschland von 1933 bis 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Die Handwerksverbände bis zur Umgestaltung durch den Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Die Handwerkerbewegung vom Verfall der Zunftordnung bis zur Zeit der Weimarer Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Die Handwerksorganisation zu Beginn des Jahres 1933 . . . . . . . . . .
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3. Die nationalsozialistische "Machtübernahme" im Handwerk . . . . . .
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a) Das Handwerk in der Weltwirtschaftskrise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
25
b) Die Tätigkeit der Kampfbünde vor der "Machtübernahme" . . . .
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c} Die "Gleichschaltung" der unteren Verbände des Handwerks . .
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d) Die "Gleichschaltung" des Dachverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Die Umorganisation des deutschen Handwerks und ihre Auswirkung auf die Innenbeziehung der Verbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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a) Das Gesetz über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 29. November 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Erste Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 15. Juni 1934 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 c) Zweite Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 18. Januar 1935 .. ... . ........ .. . ... . . .. . . .. . . 45 d) Dritte Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 18. Januar 1935 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Organisatorischer Aufbau (Struktur) der nationalsozialistischen Handwerksorganisation und die für sie vorgesehenen Aufgaben (Funktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
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Inhaltsverzeichnis a) Grundzüge der Organisation: Fachlicher und überfachlicher Organisationszweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Die Organisationsstufen
....................... .............
aa) Die Innung als gemeinsame Grundlage beider Organisationszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o.:o.:) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß{J) Vorgesehene Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der fachliche Organisationszweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o.:) Die Innungsverbände und ihre Zusammenfassung in der Reichsgruppe Handwerk als Spitzenverband . . . . . . . . . . . o.:o.:) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß{J> Vorgesehene Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der überfachliche Organisationszweig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o.:) Die Kreishandwerkerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o.:o.:) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ßß> Vorgesehene Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß> Die Handwerkskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o.:o.:) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ßß> Vorgesehene Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . y) Der Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag als Spitzenverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o.:o.:) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ßß> Vorgesehene Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Der Dachverband der beiden handwerklichen Organisationszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . o.:) Der Reichsstand des deutschen Handwerks . . . . . . . . . . . . o.:o.:) Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ßß> Vorgesehene Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ß> Der Reichshandwerksmeister und seine Stellvertreter . .
49 49 49 52 53 53 53 56 57 57 5·7 58 59 59 61 61 61 63 64 64 64 65 66
c) Die Entwicklung des Mitgliederstandes der Handwerksorganisation im Dritten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Veränderungen im Bestand an Handwerksbetrieben und Handwerksverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 bb) Offene Fragen der Pflichtorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 3. Tatsächlich ausgeübte Funktionen und Funktionsteilung der neugestalteten Handwerksorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Die Berufsausbildung als Funktionsbereich der Handwerksorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 aa) bb) cc) dd)
Prüfungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Innerbetriebliche Berufsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schulwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwicklung, verfolgte Ziele und erreichte Ergebnisse der Berufsausbildung durch die Handwerksorganisation . . . . . .
74 75 75 77
Inhaltsverzeichnis
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b) Die Gewerbeförderung als Aufgabenbereich der Handwerksorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 aa) Verbesserung der Leistungsfähigkeit des Einzelbetriebes . . a:) Gewerbeförderungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a:a:) Wandel der Trägerschaft innerhalb der Handwerksorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ßß> Die betriebswirtschaftliche Gewerbeförderung.. .. . i'/') Die technische Gewerbeförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . ß> Ausfuhrförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirtschaftliche Gemeinschaftseinrichtungen . . . . . . . . . . . . . . a:) Gemeinschaftseinrichtungen auf dem Bausektor . . . . . . . . ß> Lieferungsgenossenschaften anderer Handwerkszweige cc) Funktionsteilung und Funktionsausgliederung . . . . . . . . . . . .
81 81
82 83 85 86 87 87 88 90
c) Die Ausführung staatlicher Auftragsangelegenheiten durch die Handwerksorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Die Rohstoffbewirtschaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Lenkung der Arbeitskräfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93 95
d) Die Funktion der Handwerksorganisation aus der Sicht ihrer Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 111. Die Umorganisation des deutschen Handwerks und ihre Auswirkung auf die Außenbeziehungen der Verbände ..........•.......... ...... 101
1. Tätigkeit im Verhältnis zu Regierung und Partei ....... ..... .... 101
a) Die Zeit des Aufbaues und der Förderung einer straffen Handwerksorganisation (1933-1935) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Die Zeit des Ringens um die Erhaltung der Handwerksorganisation (1935--1938) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 aa) Die Auseinandersetzung mit der Deutschen Arbeitsfront . . 105 bb) Autoritäre Regelung offener organisatorischer Fragen des Handwerks ...... . ...... . ..... ..... ..................... 111 c) Das Handwerk in der Zeit der Machtausübung zur Kriegsvorbereitung und -durchführung (193~1945) . . . ........ .... .. . . . 113 d) Die Auflösung der überfachlichen Handwerksorganisation im "totalen Krieg" .. ......... . .. .. .......... . ...... . ............ 115 2. Tätigkeit im Verhältnis zu anderen Organisationen ... . . .. ... . . . . 119 a) Die Auseinandersetzung mit der Industrie- und Handelskammer 119 b) Das Verhältnis zum Reichsnährstand .... ... .......... ... ..... 123 c) Das Verhältnis zur Reichskulturkammer .............. ... ..... 124 3. Tätigkeit im Verhältnis zur Öffentlichkeit .. ...................... 126
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Inhaltsverzeichnis a) Das Handwerk in der öffentlichen Meinung unmittelbar vor 1933 126 b) Die Öffentlichkeitsarbeit der Handwerksführung . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) In der Zeit des Aufbaus der Handwerksorganisation . . . . . . 127 bb) In der Zeit des Ringens um die Erhaltung der Handwerksorganisation ............................................ 129 c) Das Handwerk in der öffentlichen Meinung am Ende der nationalsozialistischen Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
B. Struktur und Funktionen der Handwerksorganisation in Deutschland seit 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 I. Die Handwerksorganisation in den drei westlichen Besatzungszonen (1945-1949) .................•............ .. ... . ............ . ...... 135
1. Die britische Besatzungszone als Beispiel für die Fortführung der Verbandsarbeit in der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 a) Der Aufbau der Handwerksorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 b) Funktionen der Handwerksorganisation in der britischen Besatzungszone ...... .. ................ .. .............. ... . . ... 138 aa) Die Wiederaufbauarbeit der Handwerksorganisation . . . . . . bb) Innengerichtete Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cx) Berufsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . {J) Handwerksförderung .. . .. .... . ........ . .... . . . . ...... y) Einbeziehung in die staatliche Verwaltung . . . . . . . . . . . . . cc) Außengerichtete Funktionen ............................. cx) Berufsausbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . fJ> Handwerksförderung ................................. y) Einbeziehung in die staatliche Verwaltung . . . . . . . . . . . . . «5) Verbandspolitische Angelegenheiten ................ ..
138 143 143 147 147 148 149 149 152 153
2. Besonderheiten in der französischen Besatzungszone . . . . . . . . . . . . . 156 3. Besonderheiten in der amerikanischen Besatzungszone ........... 161 a) Die Entwicklung bis zur Einführung der Gewerbefreiheit ...... 162 b) Gewerbefreiheit und Handwerksorganisation ................ . 167 11. Die Handwerksverbände in der Vorbereitung der neuen Handwerksordnung der Bundesrepublik Deutschland (1949-1953) . . . . . . . . . . . . . . 173
1. Die Errichtung eines handwerklichen Dachverbandes in Westdeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 a) Die "Zentralarbeitsgemeinschaft des Handwerks im Vereinigten Wirtschaftsgebiet" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
Inhaltsverzeichnis
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aa) Struktur und von der Satzung vorgesehene Funktionen der Zentralarbeitsgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 bb) Tatsächliche Funktionen der Zentralarbeitsgemeinschaft . . 176 b) Der "Zentralverband des deutschen Handwerks" als bundesdeutsche Nachfolgeorganisation der Zentralarbeitsgemeinschaft 178 aa) Struktur und von der Satzung vorgesehene Aufgaben des Zentralverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 bb) Die anfänglich vom Zentralverband ausgeübten Funktionen 182 2. Die Gesetzentwürfe für eine neue Handwerksordnung und ihre Beeinflussung durch die Handwerksverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 a) Die vorgelegten Gesetzentwürfe ...................... .. ...... 185 b) Die innerverbandliehe Auseinandersetzung ............ .... ... 188 c) Die Modiftzierung des Gesetzentwurfes der Regierungsparteien bis zu seinem Inkrafttreten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 III. Die Handwerksorganisation in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Erlaß der Handwerksordnung vom 17. 9. 1953 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
1. Struktur im Vergleich zur Vorkriegszeit .................. . ...... 196
2. Funktionen der von der Handwerksordnung vorgesehenen regionalen Organisationen im Vergleich zur Vorkriegszeit . ... . . . .. .... 200 a) Funktionen nach innen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 b) Funktionen nach außen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3. Die Funktionen der handwerklichen Spitzenverbände seit 1953 . . . . 204 a) Gegenwärtige Funktionen des Zentralverbandes des deutschen Handwerks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Gegenwärtige Funktionen der Spitzenverbände der beiden handwerklichen Organisationszweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 aa) Die Bundesvereinigung der Zentralfachverbände ....... . .. 207 bb) Der Deutsche Handwerkskammertag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
C. Allgemeine Betrachtung über das Verbandswesen im Handwerk Auswertung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung als Beitrag zur Verbandstheorie ... . ............. ... . . .................. . . 211
1. Die Eigenart des handwerklichen Verbandswesens ... . . . . .. ...... 211
2. Möglichkeiten und Grenzen der Verbandspolitik der Handwerksorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
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Inhaltsverzeichnis a) Voraussetzungen und allgemeine Ziele verbandlieber Tätigkeit 212 b) Die innengerichteten Verbandsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 aa) Die Bedeutung der Innenfunktion für die Handwerksverbände ...... . ................... . ....................... 213 bb) Totalitätsanspruch des Verbandes und Interessenausgleichsfunktion ...... . ............... . ..... . ........... . ..... . . 214 cc) Die Praxis der Funktionsteilung im Innenverhältnis der Handwerksorganisation ....... ... ............... .. ... . .. 216 c) Die außengerichteten Verbandsfunktionen ... .. . ...... . .. . ... . 219 aa) Die Beziehungen zu anderen Verbänden . . .. .............. 219 bb) Die Beziehungen zur Öffentlichkeit ...................... 220 cc) Die Beziehungen zum Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220
Anhang ... .. ............... .. ...... . .......... . . . ............. .... . ... 225 Lite~aturverzeidlnis
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231
Gesetze und Verordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239
Verzeichnis der Tabellen
Tabelle 1 Innungen und Innungsmitglieder im Deutschen Reich 1932 . . . .
23
Tabelle 2 Im Rahmen der Strafbefugnis der Innungsobermeister verhängte und zurückgenommene Strafen im Handwerkskammerbezirk Stuttgart von 1934 bis 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 Tabelle 3 Handwerksverbände im Deutschen Reich innerhalb der Grenzen von 1937, am 1. 1. 1936 und 1. 1. 1939 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 Tabelle 4 Abgelegte und nicht bestandene Meisterprüfungen im Handwerkskammerbezirk Braunschweig 1928---,1949 .......... . ... 144 Tabelle 5 Inhaber von Handwerksbetrieben im Gebiet der ehern. französischen Besatzungszone Deutschlandsam 30. 9. 1949 . . . . .... 161 Tabelle 6 Anteil der handwerklichen Abgeordneten in den Länderparlamenten des Vereinigten Wirtschaftsgebietes im Juni 1949 .... 170 Tabelle 7 Betriebe, Beschäftigte und durchschnittliche Betriebsgröße im deutschen Handwerk von 1897 bis 1962 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 Tabelle 8 Abgelegte Meisterprüfungen im Deutschen Reich 1931-1940 und in der Bundesrepublik Deutschland 1949-1961 ... . ...... 230
Verzeichnis der Schaubilder
Schaubild 1 Schema der Organisation der gewerblichen Wirtschaft von 1935-1938 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Schaubild 2 Organisation des deutschen Handwerks 1932--1935 . . . . . . . . .
43
Schaubild 3 Organisation des deutschen Handwerks 1936--1938 . . . . . . . .
48
Schaubild 4 Aufbau der Handwerksorganisation in der britisch besetzten Zone Deutschlands 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Schaubild 5 Aufbau der Handwerksorganisation in der französisch besetzten Zone Deutschlands 1945-1948 .............. .. ...... 158 Schaubild 6 Aufbau der Handwerksorganisation in der amerikanisch besetzten Zone Deutschlands 1948 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Schaubild 7 Aufbau der Handwerksorganisation in der Bundesrepublik Deutschland 1954 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Schaubild 8 Durchgängige Funktionen in der deutschen Handwerksorganisation von 1933-1964 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222
A. Struktur und Funktionen der Handwerksorganisation in Deutschland von 1933 bis 1945 I. Die Handwerksverbände bis zur Umgestaltung durch den Nationalsozialismus 1. Die Handwerkerbewegung vom Verfall der Zunftordnung bis zur Zeit der Weimarer Republik Im 19. Jahrhundert erschien der Aufschwung der Industrie in den deutschen Staaten und später im Deutschen Reich so gewaltig, daß in der Öffentlichkeit die Meinung vorherrschte, Kleingewerbe und vor allem Handwerk müßten nach und nach ganz verdrängt werden. Tatsächlich wurde die wirtschaftliche Lage vieler Handwerksbetriebe immer schlechter. Die alten, traditionsgebundenen Herstellungsverfahren und Absatzmethoden des Handwerks wurden durch die stürmische Entwicklung der Industriewirtschaft überholt. Das Handwerk wurde dadurch gezwungen, sich aus der früheren zünftlerischen Abgeschiedenheit zu einer auch in der neuen Zeit lebensfähigen Betriebsform zu entwickeln. Bedingt und geführt wurde diese Entwicklung durch den Gegensatz zur Industrie, und zwar kann die damals einsetzende Wandlung auf zwei Ebenen verfolgt werden: Einmal wurden auf der betriebswirtschaftlichen Ebene die Arbeitsmethoden der industriellen Konkurrenz im Rahmen des Möglichen übernommen, wobei gleichzeitig die Vorteile, die das Handwerk gegenüber der Industrie geltend machen konnte, beibehalten wurden. Diese Vorteile lagen in der örtlichen Bedarfsbefriedigung durch Kundenproduktion, in der persönlichen Gestaltung der Erzeugung und in der Beweglichkeit im Erbringen der Leistungen, vor allem bei Reparaturen. Zum anderen kam es aus der Kampfstellung gegenüber der Industrie zur Handwerkerbewegung. Die Zusammenschlußbestrebungen innerhalb des Handwerks wurden gerade durch diesen Gegensatz nachhaltig gefördert. In groben Zügen kann die Entwicklung der Handwerkerbewegung bis zur "Machtergreifung" durch den Nationalsozialismus im Jahre 1933 wie folgt dargestellt werden1 : 1 Vgl. Magdeburg, Ernst: Die ständische Form der Handwerkererziehung, ihre Entwicklung und ihre Theorie, Stuttgart 1938, S. 49.
2 Chesi
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A. Die Handwerksorganisation in Deutschland von 1933 bis 1945
1. Nach der Verwirklichung der Gewerbefreiheit, zunächst in Preußen
durch das Stein-Hardenbergische Gewerbesteuergesetz vom 2. November 18102, und der Beseitigung des Zunftzwanges kam es zur Gründung von gewerblichen Vereinen als Sammelbecken der handwerklichen Energien (1820-1830). Der Frankfurter Kongreß vom 15. 7. bis zum 18.8.1848 brachte den Entwurf einer allgemeinen Handwerks- und Gewerbeordnung, die richtungweisend für die spätere Organisation des Handwerks auf fachlicher Grundlage war. 2. Zulassung von Innungen als Korporationen, deren Befähigungsprüfungen anerkannt waren, in der Zeit der für das Handwerk vorübergehend positiv eingestellten preußischen Gesetzgebung von 1845 (Allgemeine Gewerbeordnung) bis 1849 (Gewerbegerichte und Gewerberäte). 3. Einführung einer neuen allgemeinen Gewerbeordnung (1869 im Norddeutschen Bund, 1871 auf das Reichsgebiet ausgedehnt), durch deren Bestimmungen "Innungen, Gilden und Zünfte . . . der Reste ihrer öffentlich-rechtlichen Funktionen entkleidet" wurden3 • Das hatte die Auflösung zahlreicher Innungen und anderer Handwerkerverbände zur Folge. 4. Langsame Erneuerung der gewerberechtlichen Befugnisse der Innungen und gesetzliche Festlegung ihrer Aufgaben. 1879 setzte eine für das Handwerk günstigere Gewerbepolitik ein. In den Novellen zur Gewerbeordnung von 1881, 1884, 1886 und 18874 wurde den Innungen der Zusammenschluß zu Innungsverbänden und der Erwerb der Rechtspersönlichkeit ermöglicht. Man versuchte also, die Innungen zu Organen der gewerblichen Selbstverwaltung zu machen, besonders um das Lehrlingswesen neu zu beleben und aus der örtlichen Isolierung herauszuheben und zu stärken. Die "Ausdehnung der Innungsbefugnisse auf Nichtmitglieder, die sogar (1884) von der Lehrlingsbefugnis ausgeschlossen und (1887) an der Kostendeckung der den Innungen zugewiesenen Aufgaben (Lehrlings- und Gesellenausbildung) beteiligt werden konnten, [war] zweifellos ein bedeutender Schritt auf dem Wege zur Zwangsinnung" 5 • 2 Gesetz zur Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer vom 2. 11. 1810 (Zum Betrieb eines Gewerbes genügte Unbescholtenheit und Bezahlung der Gebühr für den Gewerbeschein). a Zee-Heräus, Bernhard und Homann, Friedrich: Das Handwerk und seine Verfassung, Harnburg 1937, S.15 f. 4 Gesetz vom 18. Juli 1881 (RGBI. S. 233); Gesetz vom 8. Dezember 1884 (RGBI. 8. 255); Gesetz vom 23. April 1886 (RGBI. S. 125 ff.); Gesetz vom 6. Juli 1887 (RGBI. 281). Aus: Boldt, Gerhard: Gewerbeordnung und Gewerberechtliche Nebengesetze, Band 9 der "Aschendorffs Gesetzestexte", 2. Aufl. Münster/W., 1951, 8.19. 5 Spitz, Heinz: Die Organisation des deutschen Handwerks, München 1936, 8.18.
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Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Gewerbeordnung von 1869, die als Grundgesetz der Gewerbefreiheit gedacht gewesen war, zu einem bloßen Rahmengesetz geworden. Innerhalb dieses Rahmens bildeten die zahlreichen inzwischen erlassenen Einzelgesetze die eigentlich formende Kraft. Ferner führte die neue Großwirtschaftsund Sozialgesetzgebung außerhalb der Gewerbeordnung dazu, daß aus der freien Wirtschaft trotz "Gewerbefreiheit" zunehmend eine gebundene wurde. Ähnlich wie andere Wirtschaftsgruppen begann auch das Handwerk in dieser Zeit die in vielen Verbänden gespaltenen Kräfte in Reichsorganisationen zu sammeln. 1873 war der "Zentralverband selbständiger Handwerker und Fabrikanten Deutschlands" gegründet worden, der sich später mit dem 1882 gebildeten "Allgemeinen Deutschen Handwerkerbund" zusammenschloß. Der daraus neugebildete Verband vereinigte sich wiederum mit dem 1882 entstandenen "Zentralausschuß der vereinigten Innungsverbände Deutschlands". Damit war eine Organisation geschaffen, die in den folgenden Jahren die Gesetzgebung nachweisbar nach den Wünschen des Handwerks beeinflußte6• 5. Errichtung von Handwerkskammern als ständische Selbstverwaltungsorgane mit allgemeiner Beitragspflicht. Das sog. "Handwerksgesetz" vom 26. Juli 18977 brachte daneben noch die Möglichkeit der zwangsweisen Innungszugehörigkeit, wenn sich die Mehrheit der in Frage kommenden Handwerker dafür aussprach. 6. Der sogenannte "Kleine Befähigungsnachweis" mit der Bestimmung, daß nur Meister Lehrlinge ausbilden durften (30. Mai 1908, RGBL. S. 356). Vorher hatte der Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag e. V., 1900 als freie Vereinigung der Meister aus 51 von 67 Handwerkskammern gegründet, auf einer Tagung in Köln (1905) .auf die von den älteren Handwerksbewegungen eingebrachte Forderung eines allgemeinen Befähigungsnachweises verzichtet. 7. Gründung des Reichsverbandes des Deutschen Handwerks am 15./16. Oktober 1919, dem sich nach und nach sämtliche bestehende Handwerksorganisationen anschlossen. Durch den Reichsverband 1920 Entwurf einer Reichshandwerksordnung.
Vgl. Spitz, a. a. 0., S. 18 f. Gesetz, betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, vom 26. Juli 1897 (RGBI. 1897, S. 663). Mit diesem Gesetz wurden der Titel VI der Gewerbeordnung ("Innungen, Innungsausschüsse, Handwerkskammern, Innungsverbände", §§ 81 bis 104n) und der Titel VII, Abschnitt III (Lehrlingsverhältnisse, Meistertitel, §§ 126-133) neu gefaßt. Die Bestimmungen traten hinsichtlich der Innungen am 1. Juli 1898, hinsichtlich der Kammern am 1. April 1900 in Kraft. Die Novellen aus den Jahren 1881, 1884, 1886 und 1887 wurden außer Kraft gesetzt, da ihr Inhalt im neuen Gesetz enthalten war. & 7
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8. Verleihung des Charakters einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft an den Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag durch Novelle vom 16. November 1922. 9. Einführung der Handwerksrolle mit der Handwerksnovelle vom 11. Februar 1929. Wenig später Beginn der Weltwirtschaftskrise und Aufkommen des Nationalsozialismus.
Hans Meusch formulierte damals das Ziel der Handwerkerbewegung in der kapitalmäßigen, modernen Wirtschaft wie folgt: "Dem Handwerk inmitten der freiheitlichen, kapitalistischen Wirtschaftsentfaltung einen Bezirk berufsständisch gebundener Korporativwirtschaft zu sichern8." Tatsächlich glaubten die Handwerker in ihrer bedrängten wirtschaftlichen Lage Erleichterung zu finden, wenn die Gewerbefreiheit beseitigt, die alte korporative Bindung wiederhergestellt und die industriellen und kapitalkräftigen Konkurrenten zugunsten des Handwerks besteuert werden würden. Damit hatten die Handwerker selbst und alle ihre Vereinigungen das gleiche, organisationswürdige Ziel vor Augen: Durchführung einer gebundenen Handwerksorganisation über den ihnen als einzig gangbar erscheinenden Weg der Pflichtinnung9. Die Spitzenverbände des Handwerks hatten vor dem 1. Weltkrieg, entgegen dem schon damals bei den Handwerkern selbst verbreiteten Wunsch, noch auf die Forderung nach Pflichtorganisation verzichtet, um vorerst lieber die ihrer Meinung nach bestehenden großen Mängel des Handwerksgesetzes von 1897 zu beseitigen. Zu Beginn der Nachkriegszeit fand sich jedoch das Handwerk in einer veränderten Lage. "Mit den Novemberereignissen des Jahres 1918 vollzog sich ein völliger Wandel des staatlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Lebens, der die künftige Arbeit der Handwerkskammer in ganz neue Zusammenhänge stellte10." An die Stelle der zuletzt dem Handwerk positiv gegenüberstehenden Staatsgewalt war nun die junge Demokratie getreten, deren politisches Parteiensystem die wirtschaftlichsozialen Klassenunterschiede noch betonte. In der Annahme, daß es dem Mittelstand schwerfallen würde, sich zwischen den sich abzeichnenden Gegensätzen zu behaupten, wurde zwar in die Weimarer Verfassung von 1919 ein besonderer Schutzartikel (Art. 164) zugunsten des gewerblichen Mittelstands eingefügt11, doch blieb dieser Artikel ohne B Meusch, Hans: Berufsstandsgedanke und Berufsstandspolitik des Handwerks, Hannover, 1931, S. 8. 9 Schlemminger, Erich: Die Wirtschaftspolitik des deutschen Handwerks, Frankfurt/Main 1934, S. 6 f. 1o 50 Jahre berufliche Selbstverwaltung des Handwerks, herausgegeben von der Handwerkskammer Braunschweig 1950, S. 69 ff. u Art. 164 Weimarer Verfassung: "Der selbständige Mittelstand in Landwirtschaft, Gewerbe und Handel ist in Gesetzgebung und Verwaltung zu
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große Auswirkung. Dazu waren die Kräfte, die den Bestrebungen der Mittelstandspolitiker gegenüberstanden, zu stark. Es bildete sich so bei den einzelnen Handwerkern die Überzeugung, daß eine weitere Verschlechterung ihrer wirtschaftlichen Existenzbedingungen nur vermieden werden könnte, wenn der handwerkliche Dachverband auf Reichsebene wirtschaftspolitisch spürbaren Einfluß gewönne. Der lose Zusammenschluß der einzelnen Handwerksverbände im "Reichsverband des deutschen Handwerks" erschien trotz einiger Erfolge in der Handwerksgesetzgebung vielen Handwerkern nicht ausreichend, um an dieses Ziel zu gelangen. 2. Die Handwerksorganisation zu Beginn des Jahres 1933 Der Reichsverband des deutschen Handwerks hatte die ihm zugedachte wirtschaftspolitische Stoßkraft nicht voll entfalten können, weil seine potentiellen Mitglieder, die zahlreichen Handwerksverbände und ihre regionalen Zusammenschlüsse, in fachlicher und bezirklieber Hinsicht zersplittert waren. Außerdem war ihre Mitgliedschaft im Gesamt"-erband freiwillig und daher von den im einzelnen Verband herrschenden Mehrheitsverhältnissen abhängig. Ferner machten Fachverbände, Kammern und Bünde einander die wirtschaftspolitischen Aufgaben streitig, da weder fachlich noch regional klare Kompetenzabgrenzungen bestanden. Von den Mitgliedergruppen des Reichsverbandes besaß nur die Vereinigung der Handwerkskammern eine gewisse organisatorische Vollständigkeit. 1928 bildete daher der Reichsverband des deutschen Handwerks einen Rationalisierungsausschuß mit der Aufgabe, die Tätigkeit aller Handwerksverhände zu koordinieren. Die Arbeit dieser Institution blieb jedoch ohne praktischen Erfolg. "Vier Jahre ist dieser Ausschuß (tätig), Gutachten wurden erstattet und durch Gegengutachten anderer Gruppen entkräftet; praktische Ergebnisse sind nicht erzielt12." Um wenigstens einen Überblick über alle bestehenden Handwerksverbände zu erhalten, führte im Jahre 1931 der Deutsche Handwerksund Gewerbekammertag, die Spitzenvertretung der Handwerks- und Gewerbekammern im Deutschen Reich, zusammen mit dem Reichsverband des deutschen Handwerks eine Untersuchung über die Zahl der Betriebe im Handwerk und deren Organisation durch. Befragt wurden dabei die Handwerks- und Gewerbekammern, die Innungen, die Reichsfachverbände, die Handwerkerbünde und einige kleinere Verbände fördern und gegen Oberlastung und Aufsaugung zu schützen." (in: "Die Verfassungen der modernen Staaten", Hrsg. Bodo Dennewitz, Harnburg 1948, Band III, S. 142.). u Spitz, a. a. 0., S. 29.
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des Handwerks13. Hinsichtlich der Zahl der Betriebe meldeten 61 von den befragten 66 Kammern einen Gesamtbestand von 1.283.599 Betrieben. Um ein möglichst wirklichkeitsnahes Ergebnis aller vorhandenen Betriebe zu erhalten, wurden für die 5 fehlenden Kammerbezirke die Zahlen von 1926 eingesetzt. Auf Grund dieses Verfahrens errechnete man für den 1. Oktober 1931 einen Bestand von 1.383.438 Betrieben im Handwerk14• Hinsichtlich der im Deutschen Reich vor 1933 bestehenden Organisation ergab die Untersuchung folgendes Bild: Die beiden Säulen der Organisation waren das fachliche Innungswesen und das überfachliche Kammerwesen. Die etwa 17.500 Innungen, deren Mitglieder zu 80 °/o ihnen pflichtmäßig angehörten, waren weitgehend in Bezirks-, Landes- und Reichsfachverbänden zusammengeschlossen. An der Spitze des fachlichen Organisationszweiges stand die "Gruppe der Reichsfachverbände". Sie vertrat etwa 950.000 Innungsmitglieder, d. h. rund 70 0/o aller selbständigen Betriebsinhaber im Handwerk. Die 66 Handwerks- bzw. Gewerbekammern bildeten 10 regionale Kammertage und den Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag, die Vertretung von etwa 1,4 Millionen in die Handwerksrolle eingetragenen Handwerkern. Diese beiden Organisationsgruppen waren die wichtigsten Träger des Reichsverbandes des deutschen Handwerks; häufig wurden sie sogar an Stelle des Reichsverbandes als die ruhTenden Organisationen des Handwerks bezeichnet. In Gebieten, in denen das Innungswesen nicht sehr stark ausgebaut war, spielten die Handwerkerbünde eine Rolle. Auf gleicher Ebene wie Innungen und Bünde gab es ferner noch Gewerbevereine, Handwerkervereine, Fachvereinigungen und Meistervereine; auf der Kreisebene waren die Innungen vielfach zur Bewältigung gemeinsamer organisatorischer Aufgaben zu überfachlichen Innungsausschüssen zusammengeschlossen, die damals noch nicht den Kammern unterstanden15. 1a Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind veröffentlicht in: Wernet, Wilhelm: Statistik des Handwerks 1931, Stuttgart 1934. 14 Vgl. Wernet: Statistik 1931, a. a. 0., S. 22. Das statistische Jahrbuch des Deutschen Reiches 1932 enthält auf den Seiten 552/553 für 1931 einen Gesamtbestand von 1.392.497 Betrieben. Das Jahrbuch des deutschen Handwerks 1935, Berlin 1936, errechnet für 1931 einen Bestand von 1.395.054 Betrieben (S. 125). Wernet kommt auf die gleiche Zahl, wenn er für die fünf fehlenden Kammerbezirke die Zahlen des Statistischen Jahrbuches 1932 einsetzt. (Vgl. Wernet: Statistik 1931, a. a. 0., S. 123). 1ill Den InnungsausschüssenJ konnten alle Innungen eines Ortes bzw. Kreises angehören, doch war dies nur in einem einzigen Bezirk (Osnabrück) tatsächlich der Fall. Im Reichsdurchschnitt waren nur 48 Ofo der Innungen in den Innungsausschüssen zusammengefaßt. (Wernet: Statistik 1931, a. a. 0., S.lOO.)
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Die wichtigste Zahl für die Erfassung des Organisationsgrades im Handwerk ist die Zahl der Innungsmitglieder, die dann zur Gesamtzahl der innungsfähigen Handwerker in Relation gesetzt wird. W ernet erreclmet für das Jahr 1932 eine Gesam~hl von 1.427.555 selbständigen Betriebsinhabern, von denen im gleichen Jahr 971.471 (d. h . 68 °/o) Innungsmitglieder in 17.614 Innungen waren16• Tabelle 1 Innungen und Innungsmitglieder im Deutschen Reich 1932 (Jahresdurchschnitt) Innungen
Innungsform Zwangsinnungen ....... Freie (Fach- und gemischte) Innungen Innungen insgesamt ..
·I
Innungsmitglieder
Anzahl
invH
Anzahl
invH
11 370
64,5
772989
79,5
6244
35,5
199482
20,5
17 614
100,0
972471
100,0
1932 überstieg die Zahl der Zwangsinnungsmitglieder die der freien Innungsmitglieder also um das Vierfache, obgleich die Zahl der Zwangsinnungen lllicht einmal doppelt so hoch war wie die Zahl der freien Innungen. Demnach hatten Zwangsinnungen durchschnittlich mehr als doppelt so viele Mitglieder als die freien Innungen (genaues Verhältnis 68 : 32). Betrachtet man dazu die Entwicklung der freien und der Zwangsinnungen von 1904 bis 1931, so tritt die Tendenz zur Zwangsinnung deutlich hervor. Während der Anteil der Mitglieder freier Innungen am Gesamtbestand or:ganisie:rbarer Handwerker im ganzen Zeitraum nahezu unverändert bei etwa 16 °/o lag, stieg der Anteil der Mitglieder von Zwangsinnungen im gleichen Zeitraum von 36 °/o auf 56 °/o. Die in Tabelle 1 erwähnten "gemischten Innungen" entstanden vor allem in ländlichen Gegenden, wenn in einem Bezirk die einzelnen Handwerkszweige zahlenmäßig zu schwach waren, um eigene Innungen zu bilden. Nach der damals gültigen Gewerbeordnung konnten solche gemischten Innungen nur in der Form von freien Innungen ge16
Diese Zahlen und die der folgenden Tabelle nach Wernet: Statistik
1931, a. a. 0 .
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bildet werden. Davon zu unterscheiden waren die "Innungen verwandter Zweige" (z. B. Schlosser- und Mechanikerinnung), bei denen die Bildung von Zwangsinnungen zulässig war. Ferner gab es noch die erwähnten "Fachvereinigungen", Meistervereine und ähnliche, die statistisch nicht genau erfaßt werden konnten. Die Untersuchung von 1931 ergab zuverlässige Werte aus nur fünf von 66 Kammerbezirken. In diesen fünf Bezirken bestanden 154 solcher Fachvereinigungen mit insgesamt 5.602 Mitgliedern17. Umgerechnet •auf das gesamte Reichsgebiet ergäbe das einen Schätzwert von nur etwa 60.000 Mitgliedern; dabei gab es fast eine Million Innungsmitglieder. In der Vollversammlung des Reichsverbandes des deutschen Handwerks hatten die einzelnen Mitgliedergruppen je nach ihrer Bedeutung einen mehr oder minder großen Anteil an den insgesamt 161 Stimmen. In diesem sogenannten "Parlament des Handwerks" verfügte der Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag, der Spitzenverband der Kammern, über 68 Stimmen, die Gruppe der Reichsfachverbände, der Spitzenverband der Innungen, über 65 Stimmen. Alle weiteren Mitgliedergruppen des Reichsverbandes hatten in dieser Organisation relativ wenig Gewicht: Die Gruppe der Handwerkerbünde hatte 10 Stimmen, der Verband deutscher Gewerbevereine und Handwerkervereinigungen 5, der Deutsche Genossenschaftsverband 5, wirtschaftliche Reichsorganisationen des Handwerks 5, der Verband der handwerklichen Versicherungsanstalten 318. Beachtenswert ist dabei, daß der hohe Anteil der Stimmen, der auf die Organisation der Innungen und der Kammern fiel, nicht allein durch das Verhältnis der Mitgliederzahlen dieser Organisationsformen gegenüber anderen Organisationen begründet war. Die Gruppe der Handwerkerbünde verfügte beispielsweise über nur 10 Stimmen, obwohl ihre Mitgliederzahl nach der Statistik des Jahres 1931 sehr bedeutend war: von den befoogten 11 Bünden berichteten 9, die allein 258.350 Mitglieder aufwiesen19.
Schon vor 1933 war somit deutlich geworden, daß der handwerklichen Dachorganisation an der Existenz weiterer Organisationsformen außerhalb der Innungen und der Kammern nicht viel gelegen war. Die Tendenz ging dahin, die Interessenvertretung des Handwerks allein auf die beiden wichtigsten Träger der Dachorganisation zu konzentrieren. Wemet: Statistik 1931, a. a. 0., S. 99. ts Gimmler, Wolfgang: Vortrag "Die Handwerksverbände bis 1933", gehalten in Erlangen, am Staatswissenschaftlichen Seminar der Universität Erlangen-Nürnberg, am 2. 7. 1963. 19 Vgl. Wemet: Statistik 1931, a. a, 0., S. 114 ff. 11
I. Vor der Umgestaltung durchtden Nationalsozialismus
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3. Die nationalsozialistische "Machtübernahme" im Handwerk a)
Das Bandwerk in der Weltwirischaftskrise
Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage des Handwerks im Deutschen Reich sehr schnell. Abgesehen von den allgemeinen nachteiligen Folgen der Krise wirkten sich die Interventionen der staatlichen Wirtschaftspolitik in besonderer Weise gegen das Handwerk aus. "Die alsbald einsetzende Notverordnungspolitik der Reichsregierung ließ nicht nur jede schonende Behandlung der mittelständischen Lebenserfordernisse vermissen, sie vollzog sich zum großen Teil geradezu auf dem Rücken der kleinen und mittleren Wirtschaftsexistenzen, denen die wirksamen Machtmittel zur Verteidigung fehlten20." Aus solchen Voraussetzungen wird es verständlich, daß die Handwerker ihre Verbände zum Kampf gegen die staatlichen Notverordnungen veranlaßten. In einer Erklärung des Reichsverbandes des deutschen Handwerks an die Reichsregierung, die auf einer Vertretertagung des Reichsverbandes am 25. November 1931 abgefaßt wurde, forderten die Handwerkerverbände die Hilfe des Staates als "letzte Rettung aus der Not": "Seit Jahren haben die berufenen Vertretungen des Handwerks immer und immer wieder eine grundsätzliche Wandlung der deutschen Wirtschaftspolitik verlangt, weil die einseitige Bevorzugung der kapitalistischen und gewerkschaftlichen Kräfte in Verbindung mit eigener Wirtschaftsführung der öffentlichen Hand den Lebensraum der gewerblichen Mittelschicht immer mehr eingeengt hat, allen feierlichen Versprechungen im Artikel 164 der Reichsverfassung zum Trotz. Die Lebensfähigkeit des gewerblichen Mittelstandes hängt entscheidend davon ab, daß die zentralistische Übermacht aller Kollektivkräfte in der Wirtschaft gebrochen wird, mögen sie kapitalistischer, gewerkschaftlicher oder staatswirtschaftlicher Art sein. Es herrscht im Handwerk eine Verbitterung und Verzweiflung, die nicht ernst genug dargestellt und beurteilt werden kann. Wehrlos sieht das Handwerk seine Reihen dahinschwinden als Opfer kollektivistischer Kräfte, als Opfer spekulativer Fehlleitung deutschen Wirtschaftskapitals, die bei der Wirtschaftsführung einer breiten gewerblichen Mittelschicht dem deutschen Volke hätte erspart werden können. Die heutige Tagung des Reichsverbandes soll ein letzter Notruf sein an die Reichsregierung . ..z1." Die wirtschaftliche Not hatte mit dem daraus resultierenden starken Pessimismus die Handwerker dazu geführt, daß sie ihre Organisation als völlig unzulänglich dafür ansahen, eine spürbare Besserung ihrer Lage herbeizuführen. Eine "neue Blüte des Handwerks" schien zo 50 Jahre berufliche Selbstverwaltung, a. a. 0., S. 75. 21 Auszug aus der Erklärung vom 25. 11. 1931. Zitiert in: Steuernagel, Friedrich: Die Gestaltung des Lebensraumes des deutschen Handwerks seit 1933, München 1939, S. 11.
A. Die HandwerksorganisatiQn in Deutschland von 1933 bis 1945
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nur auf dem Weg über die Änderung der staatlichen Wirtschaftspolitik erreichbar. Dadurch wuchs bei den Handwerkern die Bereitschaft zur Annahme neuer, vielversprechender Lösungen, tlie auf jenen romantischen Ständestaatsgedanken beruhte, die Adolf HitleT im fanatischen Glauben an sich und seine Sendung vortrug. Das Handwerk wurde so, ähnlich wie der gesamte Mittelstand, zu einem wichtigen Träger des nationalsozialistischen Umschwungs. Hitlers Parolen von Ehre, Treue und Gemeinsinn rissen gerade auch die Gutgesinnten mit und erweckten "bei fast jedem der Zuhörer wenigstens in irgendeinem Punkte Widerhall ... Arbeitslose, die an der Zukunft verzweifelnde Jugend, die in Not geratenen Landwirte, der in seiner Existenz bedrohte Mittelstand; die kleinen Gewerbetreibenden, Handwerker und über das Notopfer verärgerte Beamte fielen HitleT zu" 22 • b\ Die Tätigkeit der Kampfbünde vor der "Machtübernahme"
Im Gegensatz ·zu der bei Handwerkern verbreiteten Vorstellung von einer "positiven Korrektur der Verhältnisse" durch die Nationalsozialisten23, war Adolf HitleT von Anfang an darauf bedacht, in die deutsche Wirtschaft so einZU!greifen, daß deren Leistungskraft 7lllr Erfüllung der "Mission der nationalsozialistischen Bewegung" 24 möglichst widerstandslos herangezogen werden konnte. Dazu war es notwendig, das 1gesamte öffentliche Leben "gleichzusch·alten" und die bestehenden Ii:n:stitutionen dem "Führer" als der obersten Autorität 7JU unterstellen26. Diese Gleichsch·altung erfolgte in drei Stadien, "nämlich als Ausschaltung der Länder und der Parteien, d. h. der politischen Kräfte außerhalb der NSDAP, •als Zerschlagung einer inneren Opposition in der nationalsozialistischen Gesamtbewegung und als Gleichschaltung aller Institutionen und Verbände des öffentlichen Lebens in Wirtschaft und :K!ultur"26• Dabei stieß Hitler auf verhältnismäßig so geringen Bühler, Johannes: 2a Schmidt, Wilhelm
Deutsche Geschichte, 6. Band Be:rlin, 1960, S. 612/623. Georg: "Handwerk und deutsches Volk" in: Sonderheft ,Deutsches Volk- deutsche Arbeit' zu "Der deutsche Volkswirt", Jhg. 8, Nr. 30, Berlin 27. 4. 1934, S. 13. !4 Hitler, Adolf: Mein Kampf, München 1934, 85.-94. Aufl., S. 743. Diese Mission sollte darin bestehen, " ... unser eigenes Volk zu jener politischen Einheit zu bringen, daß es sein Zukunftsziel . . . in der emsigen Arbeit des deutschen Pfluges (sieht), dem das Schwert nur den Boden zu geben hat." 26 Vgl. Hitler, a. a. 0., S. 378 f.: "Die Bewegung vertritt im kleinsten wie im größten den Grundsatz der unbedingten Führerautorität ..." sie ist "antiparlamentarisch, und selbst ihre Beteiligung an einer parlamentarischen Institution kann nur den Sinn einer Tätigkeit zu deren Zertrümmerung besitzen, zur Beseitigung einer Einrichtung, in der wir eine der schwersten Verfallserscheinungen der Menschheit zu erblicken haben." 26 Gebhardt, Bruno: Handbuch der deutschen Geschichte, 4. Band, 8. Aufl. Stuttgart 1959, S. 191. 22
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Widerstand, "daß Goebbels am 6. April 1933 in seinem Ta·gebuch von dem ;atemberaubenden Tempo' sprechen konnte, in dem die ,Gleichschaltung' vollzogen wurde"27. Der anfangs unterschiedliche Erfolg in den verschiedenen Bereichen der Wirtschaft mag rum guten Teil darauf zurückzuführen sein, daß HitZer selbst in seinen staatstheoretischen Überlegungen die Wirtschaft als nachrangilg betrachtete. "Ich ... besitze auch heute noch die unvel'IÜckbare Überzeugung, daß es gefährlich ist, einen großen politisch-weltanschaulichen Kampf zu frühzeiti·g mit wirtschaftlichen Dingen zru verknüpfen28." So genügte es ihm zunächst, für ihn günstige Bestrebungen in bestehenden Wirtschaftsverbänden durch 'großzügige Versprechungen zru unterstützen, um dann im ,geeigneten Zeitpunkt die Schlüsselstel1unlgen durch eigene Leute zu besetzen. Das Parteiprogramm der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) forderte dementsprechend in Punkt 16 "die Schaffung eines gesunden Mittelstandes und seine Erhaltung". Insbesondere wurde allen Kleingewerbetreibenden der "Schutz von Volk und Staat" sowie die wirtschaftliche Berücksichtigung, etwa in Form der breiten Streuung öffentlicher Aufträge oder der Zuteilung von Wirtschaftsgütern aus au:figelösten Großunternehmungen, zugesichert29 • Diese von der nationalsozialistischen Propaganda in den Jahren vor 33 geschickt vorgebrachten Versprechungen deckten sich weitgehend mit den Forderungen, die das Rallldwerk seit Jahren geltend ·gemacht hatte. Es ist daher nicht verwunderlich, daß diese Art der Werbung von den Handwerkern willig aufgenommen wurde und daß das Handwerk, das sich vom Marxi·smus ebensowenig beachtet sah wie vom Liberalismus, "zum großen Teil schon früh seinen Weg zum Nationalsoz~alismus fand" 30• Die nationalsozialistische Propagandaarbeit im Bereich des ,gewerblichen Mittelstandes oblag Theodor Adrian von RenteZn, der dazu den Ende 1932 gegründeten "Kampfhund des gewerblichen Mittelstandes" einsetzte. Bereits am 9. April 1932 hatten die verantwortlichen Männer dieses späteren Kampfbundes im Auftrag Hitlers mit der Herausgabe eines eigenen Handwerksblattes begonnen. Es hieß "Deutsches Handwerk Kampfulatt des deutschen Handwerks, Gewerbes und Einzelhandels" 21 l!8 1!9
Bühler, a. a. 0., S. 683. Hitler, a. a. 0., S. 680. Vgl. Feder, Gottfried: Das Programm der NSDAP und seine welt-
anschaulichen Grundgedanken. (Nationalsozialistische Bibliothek, Heft 1) 41.-50. Aufl., München 1931. 3o Schmidt: Handwerk und deutsches Volk, a. a. 0., S. 13.
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und war als Konkurrenz der schon lange bestehenden Zeitschrift "Das deutsche Handwerksblatt - MitteiLungen des deutschen Handwerksund Gewerbekammertages" gedacht31 . Schriftleiter des "Deutschen Handwerks" war Karl Zeleny, München32, während für das "Handwerksblatt" Hans Meusch, der Generalsekretär des deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages, verantwortlich zeichnete. Die VoDgänge im Handwerk in den Jahren 1932 und 1933 lassen sich sehr :gut an Hand der beiden konkurrierenden Handwerkszeitschriften verfolgen. •D as Handwerksblatt beschäftigte sich in den Jahren um 33 in gemäßigten Ausführungen vorwiegend mit Fragen der Arbeitsbeschaffung und der Wirtschaftsverfassung, sowie mit der Veröffentlichung aller amtlichen Nachrichten, ohne zunächst von der nationalsozialistischen Gegenzeitschrift überhaupt Kenntnis zu nehmen. Das "Deutsche Handwerk" dagegen war als Sprachrohr der NSDAP von Airlang an agitatorisch. Der Herrausgeber Karl Zeleny bezeichnete selbst diese Zeitschrift als eine "Fachzeitschrift mit bewußter politischer Tendenz"33,
Zeleny lliU.tzte geschickt die Unzufriedenheit der Handwerker mit den dama1ilgen Verhältnissen aus und schr.aubte die El"Wartungen in eine künftige nationalsozialistische Staatsführung immer höherM. So31 Der Untertitel der Zeitschrift "Deutsches Handwerk" wurde im Laufe des Jahres 1932 mehrmals geändert. Ab 12. Juli 1932 lautete er "Kampfblatt des Deutschen Mittelstandes, Handwerk, Einzelhandel, Gewerbe". Ab 27. August 1932: "Organ der Hauptabteilung IV (Wirtschaft) der Reichsorganisationsleitung der N.S.D.A.P. (Unterabteilung Handwerk und Gewerbe)". Ab 20. Dezember 1932, nach der Reichstagswahl vom 6. November 1932, lautete der Untertitel "Organ des Kampfbundes des gewerbetreibenden Mittelstandes - Handwerk und Gewerbe". Mit Beginn des zweiten Jahrgangs (1933) erschien schließlich der Untertitel, der längere Zeit hindurch bestehen blieb: "Organ des Kampfbundes des gewerblichen MittelstandesReichsleitung Handwerk und Gewerbe." Die Auflage der Zeitschrift erreichte dann 100.000, während sie 1932 nur in 10.000 Exemplaren erschienen war. 32 Felix Schüler (Das Handwerk im Dritten Reich, Bad Wörishofen 1951, S. 13) ist der Ansicht, daß der bis dahin wenig bekannte Verleger Zeleny zwar ein fanatischer Anhänger Hitlers gewesen sei, daß ihm aber "sicherlich ein hohes Maß an Idealismus . . . für das deutsche Handwerk nicht abzusprechen" sei. 33 "Deutsches Handwerk", 2. Jahrg., Nr.10, München, 2. Juninummer 1933, S.117. 34 Immer wieder wurden tatsächliche oder angebliche Mißstände, in der staatlichen Verwaltung, in "jüdisch-ausländischen" Unternehmungen und in den "roten" Konsumvereinen, gebrandmarkt. Es wurde ständig auf das Unwesen der Schwarzarbeit und auf die für das Handwerk nachteilige Konkurrenz des Staates durch Regiebetriebe und Gefängnisarbeit hingewiesen; zugleich reizten immer neue Versprechungen den arbeits- und auftragslosen Handwerker. Ein gutes Beispiel bietet ein Programm in Heft 2 des I. Jahrgangs des "Deutsches Handwerk" vom 23. April 1932, das
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bald er genügend Anhänger hinter sich wußte, begann er .auch seine offenen Angriffe gegen die Dachorganisation des Handwerks. Erstmals erfolgte dies im Wahlkampf rur Reichstagswahl vom 6. November 1932, da der "Reichsverband des deutschen Handwerks" die HitlerP·artei nur als eine unter den empfohlenen Parteien genannt hatte. Außerdem, so meinte die nationalsozialistische Handwerkszeitschrift, könne man aus Äußerungen der Handwerksführer erkennen, daß diese den Nationalsozialismus ablehnten35• "Begreiflich, daß man in den Reihen der nationalsozialistischen Handwerksmeister immer wieder gegen die Spitzenvertretung des Handwerks Sturm lief . . . Wir sind auch überzeugt, daß der Reichsverband immer mehr die Erkenntnis bekommen wiro, daß das deutsche Handwerk und Gewerbe zum überwiegenden Teil im nationalsozialistischen Lager steht ... 36. " Von diesen Angriffen nahm das "Deutsche Handwerksb1att" ebensowenig Notiz wie von der Zuspitzung der politischen Lage überhaupt. Am 15. Februar 1933 erwähnt es zum ersten Mal, und auch nur als Pressestimme des "Völkischen Beobachters", das Auftreten der Nationalsozialisten in der Handwerksorganisation. Auf der Haupttagung des Reichsverbandes des deutschen Handwerks am 27. Januar 1933 in Berlin, seien "erstmals . .. nationalsozialistische Abgeordnete und Handwerker zu Wort" gekommen37• Kein Wort zur Beru:tung Adolf HitZers zum Reichskanzler ·a m 30. J.anuar 1933 und zum alsbaldigen Besuch des Präsidiums des Reichsverbandes des deutschen Handwerks beim neuen Kanzler38 • aus Seite 15 verkündet: "Kraft des Gesetzes wird dem Handwerk und Gewerbe folgendes gegeben werden: 1. Einschränkung der Gewerbefreiheit . . . Meisterprüfungszwang . . . keine Schwarzarbeit! 2. Anerkennung der Innungen als Meisterverband und Eingliederung in die Ständewirtschaft ... 3. Gesetzliche Altersversorgung ... 4. Schärfster Kampf gegen die Warenhäuser . .. . . . darum wählt Nationalsozialisten!" 35 "Deutsches Handwerk", 1. Jahrg., Nr. 12, vom 31. Oktober 1932, S. 136. 36 ibidem. 37 "Deutsches Handwerksblatt", 27. Jahrg., Heft 4, 15. Februar 1933, S. 76. ~ Ausführlich berichtet dagegen das "Deutsche Handwerk" darüber: ("Deutsches Handwerk", 2. Jhg. Nr. 3, 22. Februar 1933, S. 26) "Das deutsche Handwerk beim Reichskanzler. Der Reichskanzler, Adolf Hitler, empfing heute (17. Februar 1933, Anm. d. Verf.) vormittag im Beisein des Staatssekretärs der Reichskanzlei Pg. Lammers, des Reichskampfhundführers des gewerblichen Mittelstandes Dr. von Renteln und des Referenten für Handwerk und Gewerbe bei der Reichsleitung der NSDAP Karl Zeleny das Präsidium des Reichsverbandes des deutschen Handwerks, bestehend aus den Herren Reichsverbandsvorsitzenden Derlien, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages Dr. Meusch, des Präsidenten Pflugmacher und des Generalsekretärs Herrmann." Die Spitzenvertretung des deutschen Handwerks habe dem "Wunsch nach einer stärkeren Verbindung des gewerblichen Mittelstandes zur Regierung"
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A. Die Handwerksorganisation in Deutschland von 1933 bis 1945
Zur entscheidenden Reichstagswahl vom 5. März 1933 erging dann ein Aufruf des Reichsverbandes des deutschen Handwer&s, der bezeichnenderweise im konservativen "Deutschen Handwerksblatt" gar nicht, im "Tätigkeits·b ericht des Reichsverbandes des deutschen Handwerks" nur gekürzt39, im nationalsozialistischen "Deutschen Handwerk" aber vollständ~g erschien. Hier der Wortlaut im Auszug40 : "Parlamente und Regierungen des letzten Jahrzehnts haben eine ausreichende Berücksichtigung des Handwerks vermissen lassen. Die gesamte Wirtschafts- und Sozialpolitik der Nachkriegszeit war befangen in den Gedankengängen des Liberalismus und des auf seinem Boden gewachsenen Sozialismus ... Seit Jahren erhebt das Handwerk die Forderung nach einer grundsätzlichen Wandlung der Wirtschaftspolitik, (die das) gegenwärtige Wirtschaftssystem ablösen (muß) durch eine berufsständisch aufgebaute und geordnete Wirtschaft ... Das Handwerk kann sich am 5. März nur für solche Parteien entscheiden, die den Willen zur nationalen Einigung ... (haben), auf dem Boden des Berufsgedankens stehen und sich für seine Verwirklichung einsetzen. Deutsches Handwerk! Wahlrecht ist Wahlpflicht!" Dies erscheint als einer der letzten Versuche des Dachverbandes des Handwerks, mit der stürmischen Entwicklung Schritt zu halten, ohne die traditionelle, grundsätzliche Überparteilichkeit aufzugeben. Doch mußte die Verbandsführung mehr und mehr erkennen, daß die einzelnen Handwerker wie die lokalen Organisationen tatsächlich die Hitler..J3ewegung offen unterstützten. Das zeigen zahlreiche Aufsätze und Aufrufe in den Mitte.ilungsblättem von Innungen und Handwerkerbünden, die in den Heften 3 und 4 des "Deutschen Handwerks" vom Februar/März 1933 abgedruckt sind. Noch deutlicher wurde der Zug 2lUr NSDAP nach der Reichstagswahl vom 5. März 1933, die zwar Hitler nicht die erhoffte Mehrheit brachte, die aber mit Hilfe des durch die "Reichsta.gsbrandverordnung"41 vom 28. Februar 1933 möglichen Terrors propa~gandamäßitg als "gewaltiger, entscheidender Sieg der NSDAP" 42 .gefeiert wurde. Ausdruck gegeben, worauf der Reichskanzler geantwortet habe, daß die Fehler und Enttäuschungen der Vergangenheit jetzt vermieden werden müßten. Es liege "nunmehr am Handwerk und am gewerblichen Mittelstand, durch Eintreten für die NSDAP bei den nächsten Wahlen zu beweisen, daß es gewillt" sei, seinen Teil zum Erfolg der Sache beizutragen. 39 Tätigkeitsbericht des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages und des Reichsverbandes des deutschen Handwerks für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1933, Hannover, Mai 1933, S. 3. 40 "Deutsches Handwerk", 2. Jahrg., Heft 4, 1. Märznummer 1933, S. 38. 41 "Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von Volk und Staat" vom 28. Februar 1933, RGBl. I, 1933, S. 83. 42 Vgl. Bracher, Karl Dietrich: Stufen der Machtergreifung, in: "Die nationalsozialistische Machtergreifung" von Bracher-Sauer-Schulz, Köln und Opladen, 2. Aufl., 1962, S. 134.
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In Handwerkskammerversammlungen kurz nach den Wahlen stellte man sich, sicher auch unter dem DJ.Uck der Kampfbünde der NSDAP, "entschlossen und voller Zuversicht neben die nationale Regierung und Bewegung" 43 oder begrüßte man "die durch die Märzwahlen eingeleitete und durch die Annahme des Ermächtigungsgesetzes vollzogene Umschaltung der politischen Kräfte" 44• Der Reichsverband mußte diese Entwicklung bestätigen. "Es dürfte feststehen, daß der überwältigende Sieg des Nationalsozialismus zu einem nicht .geringen Teil auf die Unterstützung zurückzuführen ist, die der selbständige Mittelstand der Politik Adolf Hitlers hat angedeihen lassen46." In völliger Verkennung der Lage der Dinge erscheint im "Deutschen Handwerksblatt" dagegen noch am 15. März ein vorsichtig 'abwartender Leitartikel46• Grundsätzlich wird darin die weitgehende Übereinstimmung der Wünsche des Handwerks mit den Idealen der nationalsozialistischen Bewegung 'aufgezeigt, doch müsse es sich erst herausstellen, wie es in der Praxis mit dieser VbereinstimmWllg bestellt sei. Wörtlich heißt es dann: "Ein ausgebautes nationalsozialistisches Wirtschaftsprogramm ist indessen nicht bekannt und wohl auch nicht vorhanden ... Sobald die ersten allgemeinen politischen Ändel'!Ungen von der Reichsregierung durchgeführt sind, wird die Wirtschaft ihre Rechte verlangen müssen ... " Ein solches "Verlangen der Rechte", bereits bei Erscheinen des Artikels illusorisch, wurde "nach den ersten Änderungen" vollends unmöglich. Für die rücksichtslose Durchsetzung der totalitären Ideen des Nationalsozialismus hätte schon die erwähnte "Reichstagsbrandverordnung" genügt. Mit der Annahme des Ermächtigungsgesetzesam 24. März 193347 war aber dann die Gleichschaltung des gesamten öffentlichen Lebens in Deutschland nicht mehr aufzuhalten. c) Die "Gleichschaltung" der unteren Verbände des Handwerks
Entsprechend einer Resolution, die auf der 2. Reichstagung des Kampfbundes des ,gewerblichen Mittelstandes am 18./19. März 1933 in Hannover unter dem Vorsitz von Adrian von Renteln gefußt wurde, 43 Bericht über die Vollversammlung der Handwerkskammer Koblenz vom 30. 3. 1933, "Deutsches Handwerksblatt" 27. Jahrg., Heft 8, 15. 4.1933, 8 . 152. 44 Bericht über die Vollversammlung der Handwerkskammer Dortmund, vom 4. 4. 1933, "Deutsches Handwerksblatt", 27. Jahrg., Heft 8, 15. 4. 1933, 8.153. 45 Tätigkeitsbericht des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages und des Reichsverbandes des deutschen Handwerks für die Zeit vom 1. 1. bis 30. 4. 1933, a. a. 0., 8 . 3. 46 Reiners, Heinrich: Handwerk und Nationalsozialismus; in: "Deutsches Handwerksblatt", 27. Jahrg., Heft 6, 15. März 1933, 8. 101 ff. 47 "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" vom 24. März 1933, RGBl. 1933, I, 8. 141.
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sollte u. a. "in berug auf di~ F.ü hrerbestelhmg an die Stelle des bisherigen demokratischen Auswahlprinzips ein autoritäres Ernennungsrecht der ·Übengeordneten Instanzen treten" 48• So vollzog sich in den folgenden Wochen überall im Deutschen Reich die Besetzung der führenden Posten in der gesamten Handwerksorganisation durch Mitglieder der NSDAP. Dabei gingen die Kampfbünde in den einzelnen Orten verschieden vor, übel"all jedoch lag schon nach wenigen Tagen die Macht in der Hand treuer Parteigenossen49 •
Am Vollgehen der Kampfbünde bei der Gleichschaltung wurde bald Kritik geübt, und zwar m~hr oder minder offen, je nachdem, ob es sich um eine P.arteiinstanz oder um ~ine Meinungsäußerung von dritter Seite handelte. So räumt der Tätigkeitsbericht des ReichsverbandesSO zwar ein, daß den Maßnahmen eine "fachliche Berechtigung" wegen der Überalterung der bisherigen Handwerksführung nicht abzusprechen sei; doch wird zugleich festgestellt, die Durchführung sei von einer "Regellosi.!gkeit, die den sachlichen Erfolg der Maßnahmen mitunter in Frage zu stellen" drohe. Parteiamtlich wurden einzelne sol"Deutsches Handwerk", 2. Jhg. Nr. 5, 2. Märznummer 1933, S. 49. Dazu einige Beispiele aus dem "Deutschen Handwerksblatt", 27. Jhg., Heft 8, 15. April 1933, S. 159 f. In Arnsberg trat das Präsidium der Handwerkskammer zurück; ein Parteigenosse wurde zum Kommissar mit außerordentlichen Vollmachten ernannt und erhielt ein Präsidium aus Mitgliedern der NSDAP. In Darmstadt wählte die Vollversammlung der dortigen Handwerkskammer in einer außerordentlichen Sitzung am 30. 3. 1933 einen Parteigenossen zum neuen Vorsitzenden sowie den übrigen Vorstand aus weiteren Parteigenossen. In Heilbronn verfügte das Württembergische Wirtschaftsministerium, daß der Vorsitz der Handwerkskammer an einen Parteigenossen übertragen werde. Die Handwerkskammer Hildesheim teilte mit, daß "zur Gleichschaltung von Politik und Wirtschaft der bisherige Vorstand der Kammer ersetzt" worden sei. Besonders deutlich wird an der gleichen Stelle der Vorgang bei der Handwerkskammer Nürnberg geschildert: "Nach einer Mitteilung in Nr. 7 der amtlichen Mitteilungen der Handwerkskammer für Mittelfranken >vom 1. April d. J. fanden sich am Freitag, dem 24. März 1933, die Vertreter des Kampfbundes für den gewerblichen Mittelstand unter der Führung des Herrn Gauleiters Lehr bei der Handwerkskammer ein. Herr Lehr betonte in einer Ansprache vor der versammelten engeren Vorstandschaft der Handwerkskammer, daß die Reinigungs- und Erneuerungsaktion, die im Zuge der nationalen Revolution eingesetzt habe, auch vor den gesetzlichen Berufsvertretungen des Handwerks, der Industrie und des Handels nicht haltmachen werde . . . Herr Lehr verfügte sodann auf Grund der ihm erteilten Vollmachten die Enthebung der beiden Präsidenten Geheimer Landesgewerberat Weinbergerund Kommerzienrat Gregorius von ihren Ämtern und übernahm bis zur Neukonstituierung der Handwerkskammer das kommissarische Präsidium der Handwerkskammer." so Tätigkeitsbericht des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages und des Reichsverbandes des deutschen Handwerks für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1933, a. a. 0., S. 4. 48 49
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eher Aktionen gerügt 'llnd auch wieder rückgängig gemacht, vor allem wenn sie offensichtlich als Vorwand zur Austragung privater Aluseinandersetrungen •genommen worden waren, oder wenn sie für verdiente Handwerksführer ungewöhnliche Härten mit sich gebracht hiatten51. Als ·die Gleichschaltungsaktion im Handwerk von der Kammer- auf die Innungsorganisation übergriff, .gelang es der Parteiführung, die Vol'gänge besser unter Kontrolle zu halten. Am 19. April 1933 erließen die beiden "Kommissare für die Gleichschaltung in den Fachverbänden des deutschen Handwerks", Carl Zeleny62 'Uild Dr. Heinrich Schild der am 29. März 1933 vom deutschen Handwerks- und Gewerbekammertag in Hannover zum Nachfolger des verstorbenen Generalsekretärs Karl Herrmann bestellt worden war - "Richtlinien für die GleichJSchaltung in den Innungen des deutschen Handwerks" mit bindenden Anweisungen. Ein Auszug aus diesen Richtlinien53 ist für das Verständnis der Vorgänge in jenen Monaten sehr aufschlußreich: "1. Wie bei den Spitzen- und Bezirksorganisationen des deutschen Hand-
werks, soll auch die Gleichschaltung bei den örtlichen Organisationen, den Innungen und Innungsausschüssen, erfolgen. Gleichschaltung bedeutet, daß die Mehrheit der Vorstandsmitglieder einer Innung eingeschriebene Mitglieder der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei sind. Es ist also erforderlich, in diesem Sinne die Neubesetzung durchzuführen. 2. In Fällen, wo Obermeister und Vorstandsmitglieder nach dem 1. Januar 1933 zur NSDAP übergewechselt sind und sich zur Mitgliedschaft angemeldet haben, haben die Ortskampfhundleiter oder Kreiskampfbundleiter des Kampfbundes des gewerblichen Mittelstandes zu entscheiden, ob diese Personen bei der Gleichschaltung noch tragbar sind. Es soll hierdurch erreicht werden, daß ausgesprochene Konjunkturpolitiker ausgeschaltet werden . .. 3. Das Amt des Obermeisters ist, wenn irgendmöglich, mit einem Nationalsozialisten zu besetzen ... 9. Am zweckmäßigsten wird bei der Gleichschaltung so verfahren, daß der alte Innungsvorstand seine Ämter freiwillig niederlegt ... Der neue Innungsvorstand ist dann im Benehmen mit dem Ortsgruppenleiter des Kampfbundes bzw. Kreiskampfhundleiter zu bilden .. .
51 So konnte erreicht werden, daß der frühere Präsident der Handwerkskammer Nümberg, Weinberger, bald nach seiner Amtsenthebung wieder zum Präsidenten bestellt wurde, um wenig später regulär in den Ruhestand versetzt zu werden. Die amtliche Begründung für diesen Schritt lautete: "Die durchgeführten Untersuchungen haben ergeben, daß irgendwelche Verfehlungen der abgesetzten Leitung nicht vorliegen." Vgl. "Deutsches Handwerksblatt", 27. Jhg., Heft 10, 15. Mai 1933, S. 199. 52 Die Schreibweise des Vomamens wurde im März 1933 vorübergehend von Karl in Carl geändert. 53 Tätigkeitsbericht des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages und des Reichsverbandes des deutschen Handwerks für die Zeit vom 1. Mai 1933 bis 31. Oktober 1933, Berlin, November 1933, S. 8 f. 3 Chesi
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Bis zur . . . Anerkennung . . . durch die Mitgliederversammlung der Innung ist ein Innungsmitglied, welches der NSDAP angehören muß, mit der kommissarischen Leitung der Innung zu beauftragen. 10. Nach Neubildung des Innungsvorstandes hat eine Generalversammlung der Innung nach den Vorschriften der Satzung möglichst sofort stattzufinden, die den neuen Vorstand zu bestätigen hat ... 12. Die kommissarischen Innungsleitungen oder die neuen gleichgeschalteten Innungsvorstände haben mit allen Kräften dariiber zu wachen, daß die Innungsorganisationen intakt bleiben. Auflösung der Innungen kommt nicht in Frage ... Austrittserklärungen und Beschlüsse von Innungsversammlungen über Austritte der Innungen aus übergeordneten Organisationen dürfen überhaupt nicht erfolgen ... 18. Vorstehende Bestimmungen gelten sinngemäß auch für die Gleichschaltung der Landes- bzw. Bezirksfachverbände, Handwerkerbünde und Gewerbevereine." Ende April 1933 war dieser Teil der Gleichschaltung des Handwerks im wesentlichen vollzogen54• Keineswegs in allen Fällen war dazu Zwang nötig gewesen. Die Aussicht auf eine handwerkspolitisch günstigere Gesetzgebung der neuen Machthaber trug in Verbindung mit den bereits eingeleiteten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wesentlich dazu bei, den einzelnen Handwerker für die Wünsche der Parteiführung aufgeschlossen zu machen. Vielfach war es daher so, daß eine Neubesetzung der Innungsämter durch dem Nationalsozialismus nahestehende Meister tatsächlich von der Mehrheit der Mitglieder gewünscht wurde. Die Handwerkerbünde und Gewerbevereine setzten der Gleichschaltung einen stärkeren Widerstand entgegen, da für sie die "Gleichschaltung" die Eingliederung in die Innungs- und Kammerorganisation bedeutete. Noch Ende 1933 mußte festgestellt werden, "die Handwerkerbünde seien zur Zeit in der Umorganisation begriffen; abseits stehe lediglich der Nordwestdeutsche Handwerkerbund" 55• Die Bünde versuchten zunächst, als selbständige regionale Körperschaften in die neue Handwerksorgani,s ation eingefügt zu werden. So wurde beispielsweise aus dem Mitteldeutschen Handwerkerbund ab 1. 1. 1934 der "Landesausschuß des Mitteldeutschen Handwerks" 56• 54 Vgl. dazu Zeleny, Carl: Die Gleichschaltung im Handwerk, in: "Deutsches Handwerk", 2. Jhg., Nr. 7, 2. Aprilnummer 1933, S. 70 ff. "Die Gleichschaltung der Reichsfachverbände in den Spitzen ist fast ganz durchgeführt, die der Kammern zum größten Teil beendet. Die Landesverbände und deren Innungen erhielten durch die Reichsfachverbände Anweisung, gleichfalls die notwendige Umbesetzung in den Spitzen vorzunehmen, und auch hier ist ein erfreulich weiter Stand der Gleichschaltung festzustellen. Unsere Kampfbünde haben hieran in weitestem Umfange teilgenommen." 55 Zeleny, Carl: Leitartikel in "Deutsches Handwerksblatt", 27. Jhg., Heft 23, 1. Dez. 1933, S. 453. 56 Vgl. "Deutsches Handwerk", 2. Jhg., Heft 21, 2. November 1933, Nr. 21, S.330.
I. Vor der Umgestaltung durch den Nationalsozialismus
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Bald wurde klar, daß solche Regionalverbände dank ihrer Beitragsautonomie eine beachtliche Selbständigkeit gehabt hätten. Diese erschien für eine nach dem Führergrundsatz ausgerichtete Gesamtorganisation nicht tragbar. Daher wurde die Bildung von Bezirksorganisationen, mit Ausnahme der Kammern, rundweg verboten. Wenige Monate später, am 15. Juni 193457, erhielt dann der Deutsche Handwerks- und Gewerbekammertag die Befugnis, Gewerbevereine und Handwerkerbünde zu schließen. Im Jahrbuch des deutschen Handwerks 1935 wird die Schließung der Bünde "im allgemeinen als beendet angesehen"58, während Gewerbevereine noch weiterhin aufgelöst wurden. Im folgenden Jahresbericht ist dann nur noch von der Ablehnung zahlreicher Beschwerden über Schließungsbeschlüsse durch den Kammertag die Rede59• Die Beseitigung der "Unmenge von Verbänden und Verbändchen ... unter dem zentralen Druck der Weltanschauung" 60 führte dazu, daß die Handwerksorganisation nach 1933 ausschließlich aus fachlichen Innungen und überfachlichen Kammern bestand. Das Verbot aller anderen Handwerksverbände hatte zur Folge, daß nur die Innungen und Kammern aus dem Machtzuwachs der Handwerksorganisationen in den folgenden Jahren Gewinn zogen. Auch nach 1945 sind alle Versuche, Handwerksverbände auch außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Organisationsformen wieder aufzurichten, bedeutungslos geblieben. Die "Bereinigung" durch die Kampfbünde hat somit auch für die Struktur der Handwerksverbände in der Bundesrepublik Deutschland große Bedeutung gehabt. d) Die "Gleicbscl:taltung" des Dachverbandes
Die "Gleichschaltung" der Dachorganisation des deutschen Handwerks, des Reichsverbandes des deutschen Handwerks, gelang nicht, wie bei den übrigen Handwerksverbänden, bereits im Frühjahr 1933, sondern erst im Herbst dieses Jahres. Um zu ihrem Ziel zu kommen, gründeten die Nationalsozialisten zunächst einen eigenen Dachverband, den "Reichsstand des deutschen Handwerks". Die Gründung des Reichsstandes wurde am 3. Mai 1933 auf einer außerordentlichen Vollversammlung des Reichsverbandes im Plenar67 § 98 der ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 15. Juni 1934, RGBl. I, S. 493. ss Jahrbuch des deutschen Handwerks 1935, Berlin 1936, S. 78. 59 Jahrbuch des deutschen Handwerks 1936, Berlin 1937, S. 58. oo "Deutsches Handwerk", 2. Jhg., Nr. 7, 2. Aprilnummer 1933, S. 74.
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saal des Reichswirtschaftsrates erzWUDJgen61 • Der bisherige Reichsverbandsvorsitzende Derlien mußte sein Amt zur Verfügung stellen und wurde dafür mit dem Titel eines "Ehrenmeisters des deutschen Handwerks" abgefunden.
Zeleny62 ließ eine Satzungsänderung beschließen, um den Vorstand des Reichsverbandes erweitern zu können. Zugewählt wuroen er selbst, Adri
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Schaubild 2 kontrollierbar und daher zuverlässiger befolgt wurden; den Leitern der Handwerksorganisation kam die Pflichtinnung deshalb gelegen, weil sie ihnen das Vertretungsmonopol für alle Handwerker sicherte. Die nähere Regelung der Materie blieb den zuständigen Reichsministern überlassen und konnte von der Handwerksführung innerhalb gewisser Grenzen beeinflußt werden. Die am 26. Januar 1934 auf Grund des § 5 dieses Gesetzes vorgenommene Ernennung des Reichshandwerksführers, Klempnermeister Wilhelm Georg Schmidt aus Wiesbaden, führte dann dazu, daß dieser Einfluß bei der Gestaltung der Durchführungsverordnungen zum "Handwerkergesetz" vom 29. 11. 1933 zu größerer Bedeutung gelangte. Daraus erklärt es sich, daß die in den folgenden Abschnitten zu behandelnden Verordnungen nicht nur die in Gesetzentwürfen bereits früher präzisierten Forderungen
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A. Die Handwerksorganisation in Deutschland von 1933 bis 1945
der Handwerksorganisation erfüllten, sondern darüber hinaus noch Wünsche der leitenden Persönlichkeiten der Handwerkerverbände berücksichtigten, für die bis dahin die Zeit noch nicht gekommen zu sein schien. b) Erste Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutseben Handwerks vom 15. Juni 1934
Die Verordnung9 betraf: 1. Die Errichtung und die autoritäre Leitung von Pflichtinnungen für alle Gewerbetreibenden, die "in die Handwerksrolle eingetragen sind" (§§ 1 bis 55)1°. Erstellung einer Positivliste "aller Gewerbe ... , die handwerksmäßig betrieben werden können". 2. Die Errichtung von Kreishandwerkerschatten als obligatorischer Zusammenschluß aller Innungen eines von der Handwerkskammer zu bestimmenden Bezirkes (§§ 56 bis 58). 3. Die ausführliche Regelung der handwerklichen Ehrengerichtsbarkeit. 4. Zum Teil recht drastische Obergangsbestimmungen hinsichtlich der Gültigkeit der Gewerbeordnung und der Schließung von bestehenden handwerklichen Organisationen (§§ 95 bis 99).
Das im§ 1 angekünd1gte Verzeichnis der als "Handwerk" zugelassenen und daher innungfähigen Gewerbe wurde vom Reichswirtschaftsministerium am 30. Juli 1934 nach Beratung mit dem Reichswirtschaftsministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlicht11• Die Vorschläge des Reichsstandes des deutschen Handwerks wurden bei Erstellung dieser Liste, die 72 Vollhandwerke umfaßte, weitgehend berücksichtigt. Der Aufbau der Innung nach dem Führerprinzip war ebenso ausführlich behandelt wie ihre Aufgaben und die Durchführung der Beaufsichtigung; dagegen waren die Bestimmungen über die Kreishandwerkerschaften sehr kurz gehalten. Im Grunde ging es hier nur um den neuen Namen an Stelle der alten Bezeichnung "Innungsausschüsse" sowie ebenfalls um die Abschaffung des demokratischen Wahlprinzips. Breiten Raum nahmen die Bestimmungen über die Ehrengerichtsbarkeit ein. Ihre Aufgabe war es, Innungsmitglieder zu bestrafen, die sich "einer Verletzung der Standesehre oder eines Verstoßes gegen den Gemeingeist schuldig gemacht" hatten. An Strafen konnten verhängt 9 RGBl. I, 1934, S. 493. Im folgenden kurz "erste Handwerksverordnung" genannt. 1o Die wörtlichen Zitate sind aus den§§ 1, 2 und 59 der ersten Handwerksverordnung entnommen. u Abgedruckt in: Zee-HeräusfHomann, a. a. 0., S. 67 ff.
li. Umorganisation und Innenbeziehungen der Handwerksverbände
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werden: Warnung, Verweis, Ordnungsstrafe bis 1000,- RM, Entziehung der Anleitungsbefugnis und sogar des Meistertitels12, jedoch nicht die von den Handwerkskammern als einzig wirksam angesehene Strafe des Berufsverbotes13. In den Schluß- und Übergangsbestimmungen wurden mit dem § 96 zahlreiche Vorschriften der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich entweder als nicht anwendbar erklärt (§§ 81-99 Gewerbeordnung), abgeändert oder aufgehoben {§§ 100 bis 100 u, 101 und 102 Gewerbeordnung). Ferner war geregelt, wie die neuen Innungen und Kreishandwerkerschaften zu errichten und alle bisherigen Innungen in den verschiedenen Formen sowie die Innungsausschüsse aufzulösen waren; mit der Durchführung dieser Auflösungen und Neuerrichtungen wurde die Handwerkskammer betraut. Vermögensrechtlich wurde den alten Handwerksorganisationen jedes Mitspracherecht entzogen. Selbst wenn das Vermögen nicht auf eine Nachfolgeorganisation überging, durfte es nicht an die bisherigen Mitglieder verteilt werden, sondern wurde von der Handwerkskammer im verwaltungsmäßigen Ermessen verwendet. Obwohl die Stellung der Handwerkskammern in dieser ersten Verordnung nicht geregelt wurde, zeigte sich doch, wie sehr ihre Position im Vergleich zu 1929 gestärkt wurde. Abgesehen von organisatorischen Änderungen ist vor allem bedeutsam, daß gern. § 99 der ersten Verordnung die Aufsicht über die Innungen und Kreishandwerkerschaften von der unteren Verwaltungsbehörde auf die Kammer des entsprechenden Bezirks überging. c) Zweite Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutseben Handwerks vom 18. Januar 1935
Diese kurze Verordnung14 befaßte sich mit den Handwerkskammern; sie brachte im wesentlichen die Anwendung des Führergrundsatzes auch auf diese überfachlichen Handwerksorganisationen. Vgl. Steuernagel, a. a. 0., S. 54 f. Die handwerkliche Ehrengerichtsbarkeit war nur eine von vielen im Dritten Reich. Sie bildete eine Form der Berufsehrengerichtsbarkeit innerhalb der Wirtschaftsorganisation. Daneben gab es noch die soziale Ehrengerichtsbarkeit gemäß dem Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. 1. 1934 (RGBL I, S. 45, §§ 35-55), der der Meister als Betriebsführer ebenfalls unterstellt war, die aber auch gegenüber Gesellen und Lehrlingen wirksam war. Außerdem gab es noch die Ehrengerichtshöfe der Partei und, analog dazu, der Deutschen Arbeitsfront. Diese Gerichte ahndeten Verstöße gegen die Partei- bzw. Arbeitsfrontdisziplin und sicherten damit die Disziplin gegenüber allen entsprechenden Unterorganisationen. 14 RGBl. I, 1935, S. 14. Im folgenden kurz "zweite Handwerksverordnung" genannt. 12 13
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A. Die Handwerksorganisation in Deutschland von 1933 bis 1945
Im Zusammenhang mit der zweiten Handwerksverordnung erging am 28. 2. 1936 eine weitere Verordnung15, welche die Kosten für die Handwerkskammer unmittelbar den in der Handwerksrolle eingetragenen Gewerbetreibenden auferlegte. Die Gemeinden wurden damit zum 1. 4. 1936 aus der Haftung für das Beitragsaufkommen entlassen. Fortan verblieb ihnen nur noch die Einziehung der Beträge gegen eine angemessene Vergütung16• Im übrigen wurden durch die Generalklausel des § 8/II die einschlägigen Bestimmungen der Gewerbeordnung aufrechterhalten, soweit sie nicht mit dem Führerprinzip kollidierten. Die Aufsicht über die Handwerkskammern erhielt das Reichswirtschaftsministerium. d) Dritte Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutsdien Handwerks vom 18• .Januar 1935
Diese dritte Verordnung erschien am gleichen Tage17 wie die zweite Verordnung, war aber in ihrer Bedeutung für das Handwerk ungleich wichtiger, da sie den großen Befähigungsnachweis vorschrieb. Der selbständige Betrieb eines Handwerks als stehendes Gewerbe war demnach nur noch Personen gestattet, welche sich vorher mit Erfolg der Meisterprüfung unterzogen hatten (§ 3 Abs. I). Die Eintragung in die Handwerksrolle galt als notwendige Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis; sie sollte grundsätzlich nur an Hand des Meisterbriefes erfolgen. Weiter behandelte die dritte Verordnung Einzelfragen der Handwerksrolle und der auf Grund dieser Rolle auszustellenden Handwerkskarte (§§ 7-15), Anzeige- und Auskunftspflicht bei Eröffnung eines Handwerksbetriebes (§§ 16-18), Strafbestimmungen (§ 19) sowie die besonders wichtigen Vbergangs- und Schlußbestimmungen (§§ 20-24). In dem Abschnitt, der den großen Befähigungsnachweis als Voraussetzung für die selbständige Ausübung eines Handwerks deklarierte, war der Text unverhältnismäßig knapp formuliert. Das führte gerade für diesen wichtigen Teil der Verordnung in der Folgezeit zu erheblichen Schwierigkeiten. Vor allem waren die Fragen der Ausnahmebewilligung, der Nachholung der Meisterprüfung, der handwerklichen Nebenbetriebe und der Gewerbeausübung in verwandten Handwerksberufen nicht geklärt. ts RGBl. I, 1936, S. 131. (Neufassung des § 131 1, Gewerbeordnung).
Vgl. Jahrbuch der nationalsozialistischen Wirtschaft, hrsg. 0. Mönckmeier, München 1937, S. 559. 17 RGBl. I, 1935, S. 15. Im folgenden kurz "dritte Handwerksverordnung" genannt. I&
Il. Umorganisation und Innenbeziehungen der Handwerksverbände
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Trotz derartiger Unzulänglichkeit in einzelnen Bestimmungen wurde die dritte Handwerksverordnung mit Recht als die "Magna Charta des Handwerks" bezeichnet. Sie erwies sich von so entscheidender Bedeutung, daß sie auch nach dem Kriege als Grundlage erst der verschiedenen Handwerksverordnungen der britischen und der französischen Zone und schließlich der neuen Bundes-Handwerksordnung verwendet werden konnte. Die wichtigsten Bestimmungen wurden zum Teil sogar wörtlich übernommen, allen voran die §§ 1 und 3, die auch heute noch für die Gewerbezulassung im deutschen Handwerk maßgebend sind: "Der selbständige Betrieb eines Handwerkes als stehendes Gewerbe ist nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen gestattet.... In die Handwerksrolle wird (grundsätzlich) nur eingetragen, wer die Meisterprüfung ... bestanden hat18 ." 2. Organisatorischer Aufbau (Struktur) der nationalsozialistischen Handwerksorganisation und die für sie vorgesehenen Aufgaben (Funktionen) a) Grundzüge der Organisation: Fachlicher und überfachlieber Organisationszweig
Der organisatorische Aufbau des deutschen Handwerks ging nach 1933 von der Pflichtinnung aus. Auf die Innungen bauten sich sowohl der fachliche als auch der zwischenberufliche Zweig der Handwerksorganisation auf1'. Im fachlichen Organisationszweig sollten die Innungen ursprünglich unmittelbar ihren zuständigen Reichsinnungsverbänden angeschlossen sein, doch bildeten sich sehr bald regionale Stellen der Innungsverbände aus. Somit wies die Organisation der Fachverbände, von der Innung ausgehend, folgende Stufen auf20: 1. Bezirksstellen der Innungsverbände 2. Reichsinnungsverbände 3. Reichsgruppe Handwerk. Die zwischenberufliche, überfachliche Organisation erstreckte sich auf folgende Stufen, ausgehend wiederum von der Innung21 : ts Vgl. RGBl. I, 1935 S. 15, §§ 1 und 3, mit BGBl. I, 1953, S. 1411, §§ 1 u. 7.
Vgl. Schaubild 3, S. 48. Auf Grund des Gesetzes über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 29. November 1933, RGBl. I, 1933, S.1015. 21 Auf Grund des Gesetzes zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft vom 27. Februar 1934, RGBl. I, 1934, S. 185. 19 20
48
A. Die Handwerksorganisation in Deutschland von 1933 bis 1945
1. Kreishandwerkerschaften 2. Handwerkskammern 3. Deutscher Handwerks- und Gewerbekammertag. Beide Organisationszweige waren durch den Reichsstand des deutschen Handwerks zusammengefaßt. Leiter des Reichsstandes war der Reichshandwerksmeister, der "zur Wahrung der Einheit in der Handwerksorganisation" zugleich Vorsitzender des Deutschen Handwerks- und Gewerbekammertages und Führer der Reichsgruppe Handwerk war. Persönliche Vertreter des Reichshandwerksmeisters waren in den einzelnen Bezirken die Landeshandwerksmeister.
Organisation des Deutschen Handwerks 1936 - 1938 Reichshandwerksmeister
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Reichsstand des Deutschen Handwerks Deutscher Handwerks- und Gewerbekammertag
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II. Umorganisation und Innenbeziehungen der Handwerksverbände
49
Die Organisation des Handwerks blieb mit Ausnahme einer zahlenmäßigen Verringerung der Innungen und Kreishandwerkerschanen unverändert bis zum zweiten Weltkrieg bestehen. b) Die Organisationsstufen
aa) Die Innungen als gemeinsame Grundlage beider Organisationszweige ~Cl.)
Struktur
Die Handwerkerinnung war der pflichtmäßige Zusammenschluß aller in der Handwerksrolle eingetragenen Gewerbetreibenden des gleichen Handwerkszweiges oder verwandter Handwerkszweige22 • Als Grundlage der gesamten Handwerksorganisation war sie im Gegensatz zu den übrigen fachlichen Einrichtungen23 des Handwerks eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Es bestand Bezirksausschließlichkeit: Für jeden Handwerkszweig durfte am gleichen Ort nur eine Innung bestehen. Sie wurde von der Handwerkskammer errichtet und beaufsichtigt24 • Ein in wesentlichem Umfang betriebenes Nebenhandwerk führte zur Pflichtmitgliedschaft auch in der Innung des Nebenhandwerks, doch war nur die Mitgliedschaft auf Grund des Hauptberufs beitragspflichtig. Freiwillige Mitgliedschaft war möglich25 • An der Spitze der Innung stand der Obermeister, der von der Handwerkskammer bestellt wurde. Als allein verantwortlicher Leiter war er für •alle Aufgaiben der Innung zuständig. Die Innungsversammlung, die aus den pflichtmäßigen und freiwilligen Mitgliedern bestand, sowie der Gesellenbeirat, der die Belange der bei den Innungsmitgliedern be22
§ 3 der ersten Handwerksverordnung.
Selbst die"Reichsgruppe Handwerk" galt nach dem Wortlaut der "Anordnung des Reichswirtschaftsministeriums über die bezirkliehe und fachliche Gliederung der Reichsgruppe Handwerk innerhalb des organischen Aufbaues der gewerblichen Wirtschaft" vom 23. März 1935 nur als "rechtsfähiger Verein". (RAnz. Nr. 71 vom 25. 3. 1935). Dagegen waren alle überfachlichen Handwerksorganisationen (Kreishandwerkerschaft, Handwerkskammer, Deutscher Handwerks- und Gewerbekammertag) Körperschaften des öffentlichen Rechts. 24 Hierzu wurde~ vom Reichswirtschaftsministerium am 3. Juli 1934 "Ausführungsbestimmungen über die Errichtung der Handwerkerinnungen durch die Handwerkskammern auf Grund des § 7 der Ersten Verordnung über den vorläufigen Aufbau des deutschen Handwerks vom 15. 6. 1934" erlassen. Abgedruckt bei Schild, a. a. 0., 8.111-117. In den Handwerkszweigen, die organisatorisch nicht nur vom Reichsstand des deutschen Handwerks, sondern auch von einer anderen Reichsgruppe bzw. vom Reichsnährstand oder der Reichskulturkammer erfaßt waren, bestand für die Handwerker die Pflicht zur Doppelmitgliedschaft. (Vgl. in diesem Abschnitt Kapitel III-2.) 25 Vgl. dazu weiter unten, Kap. c-bb. 23
4 Chesi
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A. Die Handwerksorganisation in Deutschland von 1933 bis 1945
schäftigten Gesellen vertreten sollte, hatten nur beratende Funktion, abgesehen von der in der Regel routinemäßig erledigten Satzungs- und Haushaltsgenehmigung. Auch der Beirat, den der Obermeister in wichtigen Angelegenheiten befragen sollte, wurde von ihm selbst aus Mitgliedern seiner Innung gebildet. Der Obermeister hatte auch die Befugnis, Zuwiderhandlungen der Innungsmitglieder mit Warnungen, Verweisen oder Geldstrafen bis zu einhundert Reichsmark zu bestrafen. Einzige Berufungsinstanz dagegen war die Handwerkskammer2e. Die Ausübung der Strafbefugnis durch die Obermeister wurde allerdings von den Kammern streng überwacht. In der überwiegenden Mehrzahl handelte es sich bei den verhängten Strafen um kleine Geldbußen für unentschuldigtes Fehlen bei Innungsversammlungen. Viele der Strafen wurden jedoch von der zuständigen Kammer rückgängig gemacht, sei es durch direkte Annullierung der Strafe, sei es dadurch, daß der Obermeister "auf Veranlassung der Kammer" die verhängte Strafe wieder aufhob. Die starke Stellung des Obermeisters ergab sich aus dem Führergrundsatz, der auch in der Handwerksorganisation in vollem Umfang eingeführt worden war. "Der Führer ist nicht mehr das Ergebnis einer Wahl, sondern ihm wird seine Funktion kraft Berufung anvertraut ... selbstverständlich im Rahmen der nationalsozialistischen Weltanschauung27." Der Obermeister mußte "in der Regel ein älteres, bewährtes Mitglied der NSDAP sein" 28 Selbst wenn die jährlich vorgeschriebene Vertrauensfrage des Obermeisters an die Innungsversammlung negativ beantwortet wurde, hatte das keine unmittelbare Wirkung. Diese Vertrauensfrage diente lediglich der "Information der Handwerkskammer" 29• 2e Vgl. § 50 der ersten Handwerksverordnung.
27
Art.: Führung im Handwerk, in: "Der Deutsche Volkswirt", 10. Jhg.,
Nr. 22, 28. Februar 1936, S. 1000.
28 Ausführungsbestimmungen über die Errichtung der Handwerksinnungen durch die Handwerkskammern, in Schild, a. a. 0., S. 114. 29 Immerhin ist es bemerkenswert, daß die vorgesehene Vertrauensfrage unter diesen Umständen in den ersten Jahren tatsächlich regelmäßig gestellt wurde und daß sie keineswegs immer ein positives Ergebnis hatte. So wurde 1937 die Vertrauensfrage der Innungsobermeister in 11.096 von 14.954 Innungen gestellt und führte zu folgendem Ergebnis: 100 Ofo Vertrauen 6.471 70-99 °/o Vertrauen 4.497 60-69 Ofo Vertrauen 61 51-59 Ofo Vertrauen 29 Mißtrauen 44 Über das Schicksal der Obermeister, denen von der Innungsversammlung das Mißtrauen ausgesprochen worden war, entschied die Handwerkskammer
874
124 141 171 214 224
unentschuldigtes Fehlen
42
9 13 5 12 3
sonstige Verstöße
859
130 144 168 206 211
Geldstrafe
57
3 10 8 20 16
Verweis
Art der Strafe
466
83
67 72 125 119
Anzahl
51
62 44 41 55 52
in vH aller verhängten Strafen
s. 47.
371
81 52 65 78 95
I
95
2 15 7 47 24
vom Obermeister auf von der VeranlasKammer sung der zurückKammer genommen zurückgenommen
Zurückgenommene Strafen
a) Aus den Geschäftsberichten der Handwerkskammer Stuttgart für die Jahre 1933-36 und 1938-39, S. 67 bzw.
insgesamt
916
133 154 176 226 227
1934/35 1935/36 1936/37 1937/38 1938/39
1934-39
Anzahl
Jahr
Grund der Strafe
Verhängte Strafen
Tabe 11 e 2: Im Rahmen der Strafbefugnis der Innungsobermeister verhängte und zurückgenommene Strafen im Handwerkskammerbezirk Stattgart von 1934 bis 1939a)
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