Der Methodismus in Deutschland: Ein Beitrag zur neusten Kirchengeschichte [2. Aufl., Reprint 2021] 9783112451809, 9783112451793


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Der Methodismus in Deutschland: Ein Beitrag zur neusten Kirchengeschichte [2. Aufl., Reprint 2021]
 9783112451809, 9783112451793

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Der

Methodismus tit Deutschland. Weitrag zur neuesten Kirchengerichte

von Johannes Jüngst, Pfarrer in Siegen.

Zweite Auflage.

Gotha. Friedrich Andreas PertheS. 1877.

Uus dem Vorwort zur ersten Auflage. Einer

Empfehlung

wer nur irgend

bedarf

es

eigentlich

nicht;

denn

ein Jnteresfe für die innerkirchlichen Be­

wegungen innerhalb der

verschiedenen

deutsch-evangelischen

Landeskirchen hegt, wird sich gerne über die planmäßig unter­

nommene Invasion und Aggression des amerikanisch-englischen

Methodismus und seiner Verzweigungen Belehrung verschaffen wollen.

Diese wird ihm hier aus den Quellenschriften in

authentischer Weise zu Theil. Bonn, Anfangs Juli 1875.

Dr. W. «rafft.

Vorwort zur zweiten Auflage. Die Arbeit

des Methodismus

in Deutschland

unser Thema zeitgemäß und läßt hoffen,

erhält

daß auch diese

Uus dem Vorwort zur ersten Auflage. Einer

Empfehlung

wer nur irgend

bedarf

es

eigentlich

nicht;

denn

ein Jnteresfe für die innerkirchlichen Be­

wegungen innerhalb der

verschiedenen

deutsch-evangelischen

Landeskirchen hegt, wird sich gerne über die planmäßig unter­

nommene Invasion und Aggression des amerikanisch-englischen

Methodismus und seiner Verzweigungen Belehrung verschaffen wollen.

Diese wird ihm hier aus den Quellenschriften in

authentischer Weise zu Theil. Bonn, Anfangs Juli 1875.

Dr. W. «rafft.

Vorwort zur zweiten Auflage. Die Arbeit

des Methodismus

in Deutschland

unser Thema zeitgemäß und läßt hoffen,

erhält

daß auch diese

IV Sie unter­

erweiterte Auflage Theilnahme findet.

neue,

scheidet

sich

mehrfach von

der

ersten*).

Der Abschnitt

Statt dessen

„Robert Pearsall Smith" ist fortgefallen.

haben zwei einleitende Abhandlungen **) Aufnahme gefunden;

denn es wird

manchem Leser

lieb sein,

das Wesen des

Methodismus kennen zu lernen, ehe er seine Propaganda

in Deutschland betrachtet.

Beides hängt

auch

enge

zu­

sammen.

Außer Schöll, Jackson, Jacoby,

Schneckenburger

und

den Methodisten

Stevens, Sulzberger ist die kleine und

periodische methodistische Litteratur berücksichtigt.

*) „Amerikanischer Methodismus in Deutschland und Robert Pear­ sall Smith. Skizze aus der neuesten Kirchengeschichte. Mit einem Vorwort von W. Krafst, Doktor der Theologie, Consistorialrath und Profestor in Bonn." Gotha, Friedr. Andr. Perthes. Herbst 1875. **) Die erste erschien 1876 bei Friedr. Andr. Perthes in Gotha. Siegen, Mai 1877.

Johannes Jüngst

Inhalt. Seite

Erste Abtheilung: Einleitendes. I. Wesen des Methodismus.................................. [1] n. Die methodistischen Kirchen. Wesleyaner, bischöf­ liche Methodisten, Albrechtsbrüder........................ [42] Zweite Abtheilung: Der Methodismus in Deutschland. I. Amerikanischer Methodismus in Deutschland . 1 II. Neueste Wirksamkeit der deutsche«Methodist«. 48 HL Rückblick . 61

Liste Abtheilung. Einleitendes.

Wesen des Methodismus. Die Berechtigung des Methodismus innerhalb der kirchlichen Entwicklung richtet

sich nach

seinem Wesen.

Indem wir

das letztere an der Hand der Geschichte und der Thatsachen darstellen, dürfen wir das schließliche Urtheil dem Leser über­ lassen.

Das soll uns aber nicht entbinden, da, wo es geeignet

ist, unser« eigene Kritik in die Schilderung aufzunehmen. Wir sind uns bewußt, neben dem Schatten auch das Licht gesehen

und zur Anschauung gebracht zu haben, und schildern zunächst

geschichtlich die Entstehung und Entwickelung des Methodismus. Zur Gliederung des Gesammtftoffes schlage ich vor, als­

dann der Theilung zu folgm, welche die methodistischen Ge­

meinschaften selbst in ihren symbolischen Schriften beobachten, indem wir erst von der Lehre und dann

ordnung reden.

von der Kirchen­

Beide verdienm unsere Theilnahme in hohem

Grade, obschon der praktisch gerichtete Methodismus selbst sich

bei Weitem vorwiegend mit der systematischen Ausbildung der

Kirchenordnung beschäftigt, wofür es ganz bezeichnend ist, daß das Symbol der bischöflichen Methodistenkirche (1841) der Lehre

zwölf Seiten widmet, aber der Kirchenordnung zweihundert. Was

die vielfachen, verschiedenen Denominationen des

Jüngst, Methodismus in Deutschland.

1

[2] Methodismus angeht, so haben alle mehr oder weniger ein

kirchengeschichtliches Interesse; aber von kirchengeschichtlicher Bedeutung sind nur die beiden größten Gemeinschaften, die

weSleyanische Methodistenkirche in England und die bischöf­ liche Methodistenkirche in den Bereinigten Staaten.

Wenn

wir an dieser Stelle den englischen Methodismus besonders

in das Auge fassen, so geschieht es deshalb, weil die von ihm in

originaler Weise geschaffenen Grundzüge

in allen

Vereinigungen der großen methodistischen Familie dem Wesen

nach wiederkehren.

Wer aber das Wesen des Methodismus

schildern will, darf an seiner geschichtlichen Entstehung nicht

vorübergehen, besonders nicht an der Person seines Stifters

John Wesley.

Er ist der treueste Repräsentant des Metho­

dismus, dem er seine eigenen Licht- und Schattenseiten ausge­

prägt hat, wie kein anderer Reformator seinem Werk.

Wenn

ihn Professor Schaff (von MerceSburg aus) den englischen Spener

und zugleich

oder Zinzendorf

den protestantischen

Ignatius Loyola genannt hat, so werden uns manche Züge

der folgenden Darstellung an dieses geflügelte Wort erinnern. Wir zeichnen kurz den kirchlichen Hintergrund, auf dem sich

die charakteristische

Gestalt des Methodismus

Die reformatorische Lehre Englands

von der Londoner Synode des

allgemeinen Gebetbuchs

1562 und

abhebt.

war festgestellt in den

beschlossenen 39 Artikeln in

dem schottischen Be­

kenntniß des heldenmüthigen John Knox 1560.

Die refor­

matorische Strömung Britanniens theilte sich von vorn herein in zwei Hauptarme, die hochkirchliche

und die puritanische.

Vergebens bemühte sich Elisabeth, beide zu vereinigen durch

die

UniformitätSakte

1563.

Ihre

grausame

Härte

ver­

größerte nur den Riß und trieb einen Theil der Puritaner zu

den

selbstständig

geordneten

Gemeinschaften

der

conformisten, Independenten, Congregationalisten.

Non-

So ist

[3] daS kirchliche Leben des reformirten England von vorn herein zwiespältig,

ein entschieden

entschieden freikirchliches.

staatskirchliches und ein ebenso

Augenblicklich sind beide Richtungen

fast gleich groß, denn nach der letzten Statistik ist das Ver­ hältniß der Dissenters zur Staatskirche wie 48 zu 52. dieses Resultat ist mühsam errungen.

Aber

Nach jener Londoner

Synode folgten zunächst lange, schwere Glaubensstreitigkeiten. So waren 170 Jahre nach ihrer Aufstellung des book of common prayer dahingegangen.

Zu dieser Zeit, um 1750,

bieten weder die- Puritaner oder Presbyterianer, Hochkirchlichen

ein

erfreuliches Bild.

Duldungsakte Wilhelms

Nachdem

noch die

durch

die

von Oranien (1689) den Puri­

tanern endlich Religionsfreiheit gewährt und das von hundert­

jährigem Religionskrieg blutige Schwert in die Scheide ge­ stoßen war, erlahmte zugleich mit dem Kampf auch die reli­

giöse Kraft des Puritanismus.

Die Puritaner, sonst bis

zum Fanatismus lebendig, wurden in der Zeit der Ruhe bald schlaff und unthätig und bewegten sich großentheils in den breiten und seichten Gewässern des in der Zeit liegenden

Deismus. aus.

Biel schlimmer sah es freilich in der Hochkirche

Die Predigtweise war zum Theil trocken und gelehrt,

zum Theil rationalisusch.

Aber die Mehrzahl der niedern

Geistlichen leistete dieses nicht ein Mal, sondern war gleich­

gültig, träge und unendlich unwissend, welcher Uebelstand nur verstärkt wurde durch die nachtheiligen Folgen des bekannten englischen Pfründensystems.

So gab es denn eine Menge

von Geistlichen, die mit der Bibel völlig unbekannt waren

und nicht ein Mal den Katechismus wußten. In diese Zeit hinein fällt die Entstehung des Metho­

dismus, der auf dem Boden der Staatskirche erwachsen das gesammte kirchliche Leben Englands erneuern wollte und dieses

Ziel zum Theil erreicht hat.

ES ist eine imponirende Macht 1*

[4] Leuchtend tritt

im Methodismus.

subjektiver Frömmigkeit

sein Bild hervor auf dem dunkeln Hintergrund seiner Zeit und kirchlichen Umgebung.

Wie ein lange gestauter Strom

plötzlich den Damm zerreißt, so durchbricht diese Frömmig­

keit gewaltsam alle hemmenden Schranken

und trägt

mit

sich dahin die Trümmer der bisherigen kirchlichen Formu-

lirungen und Gewohnheiten.

Ein frischer,

torischer Hauch weht uns hier entgegen.

fast

reforma­

Bewundernd stehen

wir still vor den Brüdern Wesley, jenen Dioskuren Christi. Sie haben es verstanden, die zerstreuten Glieder ihrer Er­

weckten zu einer lebensfähigen., kirchlichen Gemeinschaft zu­ sammen zu schließen.

vor Allem

Hier zeigte sich

weiser Geist und organisatorisches Genie.

John's

Er hat nicht nur

ein Feuer entzündet, sondern seine Einrichtungen boten auch

in treffender Weise den Stoff dar, dieses Feuer brennend zu erhalten bis

auf unsere Tage.' Die Gebrüder Wesley

können wir passend mit Spener, Francke, Zinzendorf ver­

gleichen.

Wie die

collegia pietatis

in Deutschland,

so

wurden die anfangs verachteten Methodistenclubs in England der Ausgangspunkt eines erneuten religiösen Lebens. Die beiden Pfarrerssöhne in Epworth verdankten ihren

Eltern viel, besonders der Mutter, Susanne geb. AnneSley, welche den Namen einer Mutter des Methodismus trägt.

Charles, um fünf Jahre jünger als sein Bruder John, hat zuerst einen Methodistenclub gebildet, einen asketischen Verein

frommer Studenten in Oxford.

Er hatte ein tiefes Gemüth

und große dichterische Begabung. des Methodismus.

englischen

Lieder

Gesangbüchern

von

Er wurde ihm

Aufnahme

sammtheit derselben spiegelt neben

haben

der Sänger

fast in

gefunden.

Die

allen Ge­

inniger Frömmigkeit die

spezifischen Lehren des Methodismus

auf das getreueste ab.

Ragt er auch in organisatorischer Begabung lange nicht an

[5] die Höhe seines Bruders, so ist doch nicht zu vergessen, daß gerade das Lied die Samenkörner einer religiösen Bewegung weiterträgt und ihr gleichsam Flügel verleiht. nur an die Wirkung der Lieder Luther's.

Man denke

In kirchenpolitischer

Hinsicht vertrat der fromme, ruhige Mann die conservative Richtung im Methodismus.

Trotz des gesunkenen Zustande»

seiner Mutterkirche hielt er an ihr fest und verzweifelte nicht

an ihrer Besserungsfähigkeit.

blieb ihm- unerschütterlich.

Die englische Successionslehre Seinem Bruder fehlte es bald

an ordinirten Geistlichen, die das heilige Abendmahl auS-

thetlen durften. niren

durch

Erasmus.

Da ließ John einen seiner Gehülfen ordi-

einen

gerade

anwesenden

griechischen

Bischof

Das erregte gewaltigen Unwillen bei den Hoch­

kirchlichen, aber auch Charles sprach sich entschieden dagegen Als nun John selbst 1784 den Dr. Coke als Super­

aus.

intendenten nach Amerika ordinirte,

rief er

aus:

„Mein

Bruder hat einen unauslöschlichen Schandfleck auf seinen Namen

gebracht."

Aber er war nicht im Stande, die gewaltige

Fluth der religiösen Bewegung in ihrem Laufe

zu regieren

und in den Ufern der Landeskirche dahin strömen zu lassen.

Besser wäre das gewesen.

Landeskirche geblieben,

Wäre der Methodismus in der

so hätte

er sein Feuer

in weitere

Kreise tragen können und wäre selbst gezügelt worden, nicht bis zu den letzten Consequenzen seiner excentrischen Neigungen

fortzuschreiten.

Aber es lag in der kräftigen Bewegung der

methodistischen Frömmigkeit

und

es wuchs

in ihr immer

mehr der gewaltige Trieb, sich selbstständig kirchlich zu ge­

stalten. chen.

Der neue Wein rief gebieterisch nach neuen Schläu­ Bis heute können eS die Methodisten der verwandten

Bewegung des deutschen Pietismus nicht verzeihen, daß sie

ohne

ein

große»,

kirchenbildendes

Resultat

abschloß.

In

ihren Schriften begegnet uns öfter der Vorwurf, die Kirche

[6] habe bei uns den Pietismus in ihrem Schooße erstickt.

Viel­

leicht gründen sie auf diese Auffassung das Recht, die metho­

distischen Kirchen in Deutschland aufzurichten, indem sie das­ jenige vollenden wollen, was der Pietismus unausgeführt Charles Wesley aber sah seiner Zeit den Methodismus

ließ.

tiefem

mit

Schmerz

Kirche

die

Gruppe Dissenters bilden.

und

verlassen

eine

neue

sich ganz zurück und

Er zog

überließ das Werk seinem Bruder John.

Dieser war geboren am 17. Juni 1703 und starb im 88. Lebensjahre nach einem unermüdlich thätigen und tadel­ losen

Lebenswandel am 2. März 1791.

Von dem Vater

erbte er den Geist, von der Mutter die fromme Pflichttreue. Schon als Jüngling im Christchurch College zu Oxford las er mit Vorliebe die Nachfolge Christi und sträubte sich mit Herz und Verstand gegen die kirchliche Lehre von

absoluten

Prädestination.

Kempen angeregt,

fing

Besonders

er schon

durch

Thomas

1725 an, sich

der

von

von den

weltlich Gesinnten abzusondern und ernster Heiligung nach­ zustreben.

Nachdem

er

als Diakon geweiht

worden und

einige Jahre Gehülfe seines Vaters gewesen war, kehrte er 1729 nach Oxford zurück, um sofort die Seele des frommen Vereins zu werden, den sein Bruder Charles daselbst in­ zwischen gegründet hatte.

Die Glieder dieses Vereins wurden

spottend Sakramentarier, der fromme Club oder Methodisten genannt, weil sie nach strenger Methode ihr religiöses Leben und ihren sittlichen Wandel regelten.

Der Name hat also

einen ähnlichen Ursprung wie unser Wort Pietisten.

Seine

indem sie

sagten,

Träger nahmen

ihn als ehrenvoll

an,

Methodist sei der, welcher nach der Methode der Bibel lebe.

Die

ersten

Methodisten

strenge Ascese,

übten

in

fast

mönchischer

Weise

studirten das neue Testament und besuchten

fleißig die Armen, Kranken und Gefangenen.

Im October

[7]

1735 schifften sich

die Gebrüder WeSley nach Georgien in

Nordamerika ein, John als Missionar unter den Indianern,

Charles

als Prediger für diese neue Colonie.

bedeutsam für ihre innere Entwickelung,

daß

ES wurde

sie auf dem

Schiff mit 26 Herrenhutern zusammentrafen, welche unter David Nitschmann

dieselbe Reise machten.

Die Demuth,

Ruhe und Todesfreudigkeit dieser Männer machte auf John Wesley einen tiefen Eindruck, der sich noch steigerte, als er

in Savannah Spangenberg und die apostolischen Eigenschaften seiner Gemeinde kennen

lernte.

ihm der Krieg das

Da

Missioniren wehrte, wirkte er an der Gemeinde in Savannah und

theilte

die

Gesinnten

ernst

kleine

in

Gesellschaften,

welche sich wöchentlich zu vertrauterem Umgang versammelten. Hieraus entstanden die

den Herrnhutern nachgebildeten und

später für das Wesen des Methodismus so charakteristischen

Klassen.

Im Jahr

1738 kehrte er zurück.

Er sprach:

„Ich ging nach Amerika,'um Andere zu bekehren und war selbst nicht bekehrt."

gelernt,

Denn von den Herrnhutern

hatte er

die Nichtigkeit seiner selbstgemachten Werkheiligkeit

einzusehen.

Im engen Anschluß an den Herrnhuter Peter

Böhler in London gründete er nun nach den Regeln der Brüdergemeinde eine Gesellschaft zur gemeinsamen Erbauung, zum

gegenseitigen Sündenbekenntniß

des Seelenzustandes.

und

zur Besprechung

Böhler war es, der John und Charles

zum ersten Suchen' brachte nach der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt.

Diese

Gerechtigkeit

selbst

fanden

beide

durch

Luther und zwar John durch Luther's Vorrede zum Römer­ briefe,

Charles

durch .die

Erklärung

des

Galaterbriefes.

Wenn auch die methodistische Bewegung bald ihre besonderen Wege einschlug, wenn sie in unseren Tagen mächtig bemüht

ist, diese Wege den evangelischen Christen Deutschlands an­ zubieten,

so darf sie doch nie vergessen,

daß die deutsche

[8] Reformation an ihrer Wiege gestanden hat durch den per­

sönlichen Einfluß deutscher Herrnhuter und durch die Wahr­ heit der Lehre Luther's.

keit,

Wesley begann mit äußeter Heilig­

schritt fort bis zur inneren Heiligkeit und fand dann „Aber Heiligkeit", sagt er,

die Gnade Gottes in Christo.

„war noch unser Ziel, Heiligkeit nach innen und nach außen und Gott trieb uns an, ein heiliges Volk zu sammeln."

Wir werden später

diesen Grundton in dem Methodismus

Zunächst aber lag auf diesem

wieder durchklingen hören.

Gebiet die Ursache zum vollständigen Bruch mit den Herrn­ hutern.

Zwar besuchte Wesley noch 1735 erst Zinzendorf

in Marienborn und dann Herrnhut.

Aber schon hier tritt»

sirte er die Brüder ziemlich scharf,

„sie seien nicht ernst

genug, fasteten zu wenig, seien nicht offen und gerade, seien zu stolz auf ihre Kirche und machten zu

Grafen".

Im Jahre

immer abgebrochen.

1740 wurde

viel aus ihrem

die Gemeinschaft für

Um des Lichtes willen, das

von hier

aus auf eine Hauptlehre des Methodismus fällt, kann ich

mir einige Worte über diesen. Bruch nicht versagen. Differenz beider

Zinzendorf

sich

großen Männer

auf

Seite

der

daß

stellte

und

Rechtfertigung

Wesley aus Seite der Heiligung. wurde nicht gefunden.

Im

Die

lag nämlich darin,

Die versöhnende Brücke

Ganzen

hielt Zinzendorf fest

an der Allgenugsamkeit des Blutes und den Wunden Jesu und der Stifter des Methodismus

vollkommenen Heiligung.

ebenso

tember 1741 in London ist uns aufbewahrt.

sagte Wesley:

fest

an seiner

Ihre Disputation vom 3. Sep­

„Ich fürchte,

Unter Anderem

daß die Brüder

falsch lehren

über das Ziel unseres Glaubens in diesem Leben d. h. über die christliche Vollkommenheit."

Zinzendorf:

„Ich erkenne keine einwohnende (inhaeren-

tem) Vollkommenheit in diesem Leben an.

Dies ist der

[9] größte aller Irrthümer,

den ich

Uber die ganze Erde mit

Feuer und Schwert verfolge, zertrete, ist unsere einzige Vollkommenheit.

vernichte.

Wer eine

Christus

einwohnend«

Vollkommenheit sucht, verwirft Christum/'

Wesley:

„Aber ich

glaube, daß der Geist Christi die

Vollkommenheit in den wahren Christen wirkt."

Zinzendorf: „Keineswegs.

Unsere ganze Vollkommenheit

Die ganze christliche Vollkommenheit steht

ist in Christo.

im Glauben an das Blut Christi.

Sie ist eine zugerechnete,

Wir sind vollkommen in Christo,

keine einwohnende.

in

uns selbst aber niemals." Wesley:

„Ich glaube, wir streiten um Worte."

Wie mit der Bruderkirche von Herrnhut, so brach der

Methodismus

In

der

auch bald mit der Mutterkirche in England. dachten freilich

ersten Zeit

beide Wesleys

nicht

daran, die Hochkirche zu verlassen, und Charles hat den Ge­

Aber

danken nie gebilligt.

als die heftiger werdende Be­

wegung getadelt und mit Ausschluß gedroht wurde, sah sich

John vor die Entscheidung gestellt, die Kirche zu verlassen, oder den Charakter seines Werkes zu ändern. das Erstere.

Er wählte

Am 12. Mai 1739 wurde die erste metho­

distische Kapelle in Bristol gegründet.

Die Aufnahme gar

nicht ordinirter Prediger und die selbstständig ertheilte Or­

dination

machten

den

Bruch

Wesley noch ausgerufen:

vollständig.

Anfangs

hatte

„Die Mission des Methodismus

geht an die verlorenen Schafe

in der englischen Kirche."

Als er aber Versammlungen von 20- bis 80,000 Menschen sich schaarcn sah, brachen die Schranken der englischen Kirche für ihn zusammen.

Er sprach:

„Kirche

oder nicht Kirche,

wir müssen Seelen retten", und sein bekanntes Wort: „Die ganze Welt ist meine Pfarrei, und Seelen zu retten ist mein

Beruf."

So stellte er denn seine Kapellen und Prediger

[10] unter den Schutz der Duldungsakte des oranischen Wilheltn und einigte sich durch das Band einer großartig gedachten

und weise eingerichteten Kirchenordnung mit aristokratischem

In seineck persönlichen Wesen zeigt sich aber

Grundzug.

Nichts von diesem Zuge.

Den Umgang mit den Vornehmen

überließ er mehr seinem

Freunde Whitcfield.

Er entsetzte

sich, als Dr. Coke in Amerika den Titel Bischof annahm und damit den Grund legte zu der bischöflichen Methodisten­ kirche, der bedeutendsten der Gegenwart.

Damals schrieb er:

„Ich schaudere, ich erschrecke bei dem bloßen Gedanken.

Die

Leute mögen mich einen Narren oder Schurken nennen, aber Bischof nimmermehr."

Da sein Freund Whitefield

entschiedenen Einfluß übte

auf Weckung der methodistischen Frömmigkeit diesseits und jenseits deS Oceans, so dürfen wir an ihm nicht ganz vor­ übergehen.

gewesen

Schon in Oxford war er Mitglied

und

London an.

schloß

sich

1738

den

Brüdern

des Clubs

Wesley

in

Er gehört zu den ergreifendsten Predigern, die

je gelebt haben.

Wie ein zündender Blitz fuhr seine Buß­

predigt in die verdunkelte Kirche.

Jetzt begann die beispiel­

lose Wirksamkeit des Methodismus. • DaS lange unterdrückte religiöse Bedürfniß des Volkes richtete sich

Es be­

auf.

gegnete der sprühenden Predigt der Methodisten, und ein ge­ waltiges Feuer flammte empor.

Die Kirchenbesucher stürzten

zu Boden und riefen unter Thränen und lautem Geschrei,

oft mit krampfhaften Zuckungen nach Erlösung. sehen

war unbeschreiblich.

sich gegenüber.

Whitefield aber stellte sich bald der erweckten,

reichen Gräfin Huntingdon zur Verfügung,

weise Methodistenkönigin nannte. Methodismus

Eingang

in

die man spott­

In Trevecca in Wales

gründete sie ein eigenes Predigerseminar.

der

Das Auf­

Begeisterung und Haß standen

die

Durch

englische

sie fand

Aristokratie.

[11] Im Unterschied von Wesley stellte sie ihren Candidaten frei, sich den Dissenters oder der Staatskirche anzuschließen. So leitete sich die methodistische Erweckung in die Staatskirche über. Die mit ihr befreundeten staatskirchlichen Geistlichen wurden die Gründer der niederkirchlichen oder evangelischen Partei (evangelical party), welche ein Mittelpunkt wurde für religiöses Leben in der Hochkirche. In der Kirchenzucht viel weitherziger als der strenge Wesley, hielt Whitefield in der Lehre ganz die unbedingte Gnadenwahl fest. So spaltete sich der Methodismus in die calvinistischen Whitefieldianer und die arminianischen Wesleyaner. Nur die letzteren haben kirchengeschichtliche Bedeutung gewonnen. Seitdem gehört es zum Wesen des Methodismus, daß er über die Prädestination arminianisch lehrt. Dieses ist die einzige bedeutende Lehr­ streitigkeit, welche der Methodismus durchgemacht hat. WeSley's Lehre von der Vollkommenheit hatte bald ihre bedenk­ lichen Consequenzen gezeigt. Jnspirirte traten auf, be­ anspruchten die Vollkommenheit der Engel und sagten, sie hätten weder Selbstprüfung noch Gebet mehr nöthig. Der Vollkommene sei über das Gesetz erhaben. Wesley's Adler­ auge erkannte die Gefahr, und gleichsam zum Gegengewicht hob er auf der Conferenz zu London 1770 die Nothwendig­ keit der guten Werke hervor. Da entbrannte der gewaltige calvinistische Streit, der besonders von Fletcher geführt wurde gegen die calvinistische Partei der Lady Huntingdon. Beide Theile zogen einen Segen daraus, denn Wesley brach seiner Vollkommenheit die äußerste Spitze ab und die Gründer der evangelischen Partei ihrer Lehre van der unbedingten Vor­ herbestimmung. Aber neben dieser einen Lehrstreitigkeit hat der Methodismus eine ganze Reihe von inneren Gährungen, Spaltungen, Secessionen erleben müssen. Es waren sämmtlich Verfassungsstreitigkeiten. Die von Wesley gegebene Kirchen-

112] ordnung hatte einen aristokratischen, hierarchischen Charakter. Schon zu seinen Lebzeiten wurde er von seinen Gegnern der

Papst

genannt.

Alle inneren Kämpfe

des Methodismu-

wurzeln in dem Streben, die Alleinherrschaft der Geistlichen

zu brechen und den Laien eine Berechtigung in der Kirchen­

So entstanden in England: 1) die

verwaltung zu geben.

neue Methodistengemeinschaft oder Kilhamiten 1797; 2) die

primitive Methodistengemeinschaft 1810; 3) die Bibelchristen

oder Bryaniten

1815;

4)

die

primitiven

weSleyanischen

Methodisten 1816; 5) die independentistischen Wesleyaner 1827;

6)

die

weSleyanischen protestantischen Methodisten

1827; 7) die wesleyanische Methodisten - Association 1834;

8) die vereinigte methodistische Freikirche 1856.

Der ame­

rikanische Methodismus hat sich ebenfalls mannigfach zer­

splittert und stellt sich uns dar in acht anderen verschiedenen Gemeinschaften, die ich an einem anderen Orte genannt habe

(„Amerikanischer Methodismus" rc., S. 4).

Der englische

Methodismus ist verbreitet in England, Schottland, Irland,

Gibraltar, arbeitet in Frankreich und Deutschland (besonders in Würtemberg), ist in Cornwall die herrschende Kirche und

in Fabrikgegenden der Staatskirche an Zahl gleich oder überlegen. Die Schulamtspräparanden des Seminars in Westminster

werden von einem Commissar der Regierung geprüft. Predigerseminare in

Didsbury

und

Richmond

höchstens dreijähriger Studienzeit ähnlichen Unterricht,

Australien.

die Mission.

Sierra Leone,

wie

Die Hauptmissionen sind

ihn unsere Missionare empfangen.

in Westindien,

Die

gebm mit

Südafrika,

Ostindien und

Auch die bischöflichen Methodisten thun viel für

Leider ist es stehende methodistische Missions­

praxis geworden,

die Ausbreitung

des Methodismus unter

evangelischen Glaubensgenossen für ebenso wichtig zu halten

und ebenso eifrig zu betreiben, wie unter den Heiden.

Die

[13] kleine aber rührige „Evangelische Gemeinschaft", welche unter

dem Namen Albrechtsbrüder bekannt ist, hat schon seit 25

Jahren mit Eifer und Erfolg in dem evangelischen Deutsch­ land missionirt,

aber erst im vorigen Jahr einen kleinen

Sie arbeitet in der

Anfang mit der Heidenmission gemacht.

Schweiz, in Würtemberg, Baden, Elsaß, Sachsen, Schlesien,

Lippe, Westfalen, Rheinland.

Am Niederrhein ist sie thätig

in Duisburg, Mülheim a. d. Ruhr,

Dortmund u. s. w.

und baut bald ihre erste Kirche in Essen. wirken von Frankfurt

Am Oberrhein

aus besonders die

und Dillenburg

bischöflichen Methodisten aus Amerika, deren Predigerseminar

in Frankfurt am Main auch die Pfalz und den Hunsrücken mit Evangelisten versorgt.

Ihr Organ, der „Bremer Evan­

gelist", hat augenblicklich 11,313 Abonnenten und ihr „Kinder­ freund" 8785. Der „Evangelische Botschafter" der Albrechts­

leute

erscheint in Nürtingen (Würtemberg) und hatte am 1875

3. Februar

10,500 Abonnenten.

der amerikanische Methodismus etwas

englischen.

Im Ganzen ist

verschieden von dem

Er ist nicht so ehrwürdig und ruhig.

In seiner

Predigt ist er freier, kühner, oufrcgenber, in seiner Be­ kehrungsweise

wilder.

Er

weckungen oder revivals.

veranstaltet

gerne

große

Er­

Hiezu müssen die „neuen Maß­

regeln" (new measures) dienen, Lagerversammlungen, Wach­ nächte' und Bußbank.

Diese mourner’s bench oder anxious

beuch ist eine vor den Altar gestellte Bank, zu der die

Bußfertigen gerufen werden, zu knieen, und von der bald

das Schluchzen der Büßer, bald das Hallelujah der Be­ gnadigten ertönt.

Gehen wir nun

näher ein

auf die Darstellung der

methodistischen Lehre, so muß uns vorwiegend die Frage be­

schäftigen, wie diese Kirche ihre Lehre in das Bewußtsein ihrer Glieder überleitet.

Denn in dieser Praxis und Methode

[14] Nur bei der Wieder­

liegt das Eigenartige des Methodismus. geburt und Vollkommenheitslehre müssen Erörterungen treten.

wir in dogmatische

Der Methodismus

und seine ganze

Theologie ist vorwiegend praktisch gerichtet.

Abgewendet von

aller Spekulation beschäftigt sie sich in erster Linie stets mit dem Heilsverlust

und

der Heilsaneignung

und

zwar um

ersteren zum schmerzlichen Bewußtsein zu bringen und letztere zu bewirken.

Methodismus ist Christenthum im Ernst — in

Chalmers in Schottland liegt

diesem Wort des frommen

etwas Wahres. Sündengefühl und Gnadenbewußtsein, zwischen diesen beiden Polen bewegt

keit.

sich die methodistische Frömmig­

Dennoch darf sie Chalmers' Satz nicht umkehren und

sagen: Alles Christenthum im Ernst ist Methodismus —- wie sie fast immer thut.

Denn ruht in der gefühlsmäßigen

Erfahrung der Sünde und Gnade die

Kraft des Metho­

dismus, so liegt in der einseitigen Bewirkung und Betonung des

Gefühls auch feine

stellungen von Sünde

beibehalten.

Die orthodoxen Vor­

Schwäche.

und Sündenfall werden im Ganzen

Doch hat die bischöfliche Methodistenkirche die

Lehre von der Erbsünde auch symbolisch abgeschwächt. Interesse richtet sich aber darauf, Sündenelends zu wecken.

Alles

das tiefste Gefühl deS

Dabei dürfen wir historisch nicht

vergessen, wie sittlich verwildert das niedere Volk war, an

welches sich der

verkennen wir

Methodismus in

vorwiegend

der Betonung des

wandte.

Auch

Sündengefühls nicht

eine gesunde Reaktion gegen einen Irrthum, dem die angli­ kanische Kirche

in Liturgie

und Predigt Vorschub leistete.

ES ist der Irrthum, daß jeder Getaufte schon wiedergeboren sei und zu seinem ferneren christlichen Leben nur kirchlicher

Gebete und Ermahnungen bedürfe.

Dem gegenüber

schrieb

der Methodismus mit Recht

auf seine Fahne:

erfahrene Sünde und Gnade.

Aber er weckt mehr plötzliche

Persönlich

[15] Sündenangst und bis zum höchsten Grad gesteigertes Sünden»

gefühl, als Sündenerkenntniß.

So gab es denn schon zu

Wesley's Zeiten bei den Bekehrungen oft Auswüchse.

Kinder

und Greise fielen in Krämpfe, Männer und Weiber brachen in ein überlautes Brüllen oder gellendes Geschrei auS, Einige sanken ohne Regung wie todt nieder, Andere schluchzten still

vor sich hin.

Wenn der Lärm aufhörte, vernahm man eine

Zeit lang Nichts, als tiefes, schweres Athemholen.

Leider

fing man bald an, diese Erscheinungen als wesentlich zu be­

sichere Merkmal für die Echtheit

trachten, als das einzige, der Bekehrung.

seelische

triebene

Wohl mußte man oft sehen, wie die über­ Erregung

sich

rächte

durch

religiöse Lauheit und Rückfall in alte Sünden.

ließ sich nicht irre machen. blieb.

nachfolgende Aber man

Das übermäßige GefühlStreiben

Es ist ein wesentlicher Zug des Methodismus, daß

ohne gewaltige Erschütterung des Gemüthes und der Regel nach auch des leiblichen Daseins Buße, Glaube, Wieder­ geburt nicht eintreten können.

Diese drei concentriren sich

in jener heftigen, inneren Erregung.

Das ist der Moment,

der die Erlösung, bringt.

Diese besteht negativ in der Be­

freiung von der Schuld

und der Macht der Sünde und

positiv in einer wahrhaften Bereinigung mit Gott durch die Liebe zu Vater, Sohn und Geist.

Diese Liebe wird aber

nicht geweckt durch den gewissermaßen psychologischen Eindruck, welchen die in Christo erschienene und gekreuzigte Liebe auf

uns macht (lasset uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt), sondern durch unmittelbare Offenbarung des heiligen

Geistes,

der uns gleichsam im Sturm aus dem Tod der

Sünde hineinreißt in die neue Geburt.

Wir werden also

erlöst nur durch diese unmittelbare, göttliche, plötzliche Ver­ änderung unseres

plötzliche

Herzens.

Bekehrung

Wer wollte leugnen,

biblisch begründet

daß die

und individuell oft

[16] segensreich ist!

Aber daS ist das Verkehrte, daß man sie

zur allgemeinen Norm für Jeden macht, daß man den nicht als bekehrt betrachtet,

der

Proceß innerlich erfuhr.

nicht gerade

die Frömmigkeit des Methodismus

durch

mäßigen Charakter.

diesen bestimmten

Trotz aller Erregung gewinnt da­ einen schablonen­

Der Herr führt die Seinen zu einem

seligen Ziel, aber nicht in der vorgeschriebenen, eintönigen Richtung einer geraden Landstraße, sondern auf verschiedenen Neben der Führung eines David und Paulus steht

Wegen.

die eines Josef und Johannes,

thon,

fehlt

neben Wesley

neben Luther ein Melanch-

ein Zinzendorf.

Dem Methodismus

jedes Verständniß für die Seelen, welche allmählich

zum inneren Leben erwachen und darin erstarken, von denen der Herr Mark. 4,

26 — 28 redet.

Er zerstört oft durch

seinen Bekehrungsapparat mit rauher Hand die zarte, keimende

Saat des göttlichen Geistes und bringt blöde, schüchterne Gemüther

in innere Zweifel und große Verwirrung.

will das Christenthum „machen".

Er

Aber wie alle gute und

vollkommene Gabe, so ist besonders die Frömmigkeit eine Schenkung und Wirkung Gottes. tochter.

Sie ist eine Himmels­

So oft sie menschlich gemacht wird, entsteht ihr

Zerrbild.

Cs gilt als Verdienst des Methodismus, daß er

gewisse Härten

der reformirten Kirchenlehre gemildert hat,

die absolute Gnadenwahl,

die unwiderstehliche Wirkung der

Gnade und ihre Unverlierbarkeit. den Ernst,

Auch verkennen wir nicht

der ihn durchweht, das gewaltige Ringen nach

dem Eingehen durch die enge Pforte, das Schaffen der Selig­

keit mit Furcht und mit Zittern.

Aber er ist nicht freizu­

sprechen von einer gewissen Unruhe und Ueberstürzung. Bekehrungseifer wird oft zur Bekehrungshast. Gefühlserregung bleibt das Ziel, hinarbeilet.

Der

Die heftige

darauf man unaufhörlich

Darüber wird das mühsamere Aufbauen ver-

[17] säumt.

Die Pflege des inneren Lebens und seines gesunden

Wachsthums kommt oft zu kurz. Doch wir besuchen ein Mal

eine

verlängerte methodistische

meeting) in Amerika.

(protracted

Versammlung

Tage ja

Wochen lang vereinigen

sich Tausende auf freiem Felde, um Erweckungen (revivals) hervorzubringen.

Den ganzen Tag wird gepredigt, gebetet,

Die Predigten sind planmäßig darauf eingerichtet,

gesungen.

die Gemüther in eine sich steigernde Erregung zu bringen.

Die gefühligen, weltlichen Melodieen, das Stöhnen, Aechzen,

Schreien,

gräßlichen

die

Schilderungen

ewigen

der

dammniß regen Nerven und Sinne gewaltig auf.

BerEs ist

ein malerisches Bild, wie Tausende von Menschen im Freien sich gruppiren um die Prediger, die oft eine gewaltige Stimme haben, wenn sie ihren Ruf zur Buße erschallen lassen.

Bon

John JnSkip, dem Pearsall Smith seine innere Erfahrung verdankt, wird von Methodisten behauptet, daß er mit Leichtig­

keit ein Auditorium von 15,000 Zuhörern beherrsche und

fast die Stimme eines brüllenden Löwen habe.

Die Pre­

digten werden nun immer stärker, den milderen Predigern

folgen gewaltigere. Wenn

sich die Dämmerung hernieder­

senkt auf den camp, pflegt die Aufregung den höchsten Grad erreicht

zu

haben.

Dann geschieht

ein Aufruf,

daß die

Sünder hervorkommen sollen, welche sich bekehren wollen.

Die schnellsten Melodieen werden gesungen, man trägt die Sünderangstbank vor die Kanzel.

den Aufruf.

Ein Prediger

erneuert

Er erzählt dabei meist einige kurze Geschichten.

Es sind theils Lockgeschichten, welche den unendlichen Frieden und Segen preisen, den andere Seelen durch plötzliche Um­

wandelung auf der Bußbank gefunden haben.

Theils sind

es Schreckgeschichten, welche die zeitlichen und ewigen Strafen

derer schildern,

welche den rechten Augenblick versäumten.

Das Ganze beabsichtigt und bewirkt auch oft den Eindruck: Jüngst, Wesen d. Methodism.

2

[18] Jetzt, in diesem Augenblick

Spiele.

steht deine

Seligkeit auf dem

zwischen die Zu­

Alsbald stürzen andere Prediger

hörer und überreden di« Einzelnen

mit heftigen Geberden

und schreiender Stimme, daß sie kommen möchten, um dem

ewigen Zorn zu entrinnen.

Bald ist die Bank mit Knieen­

Die Verwirrung erreicht den höchsten Grad.

den gefüllt.

Viele beten mit lauter Stimme für die, welche schluchzend

Die Prediger eilen wieder umher, noch Andere

da knieen.

Die Zahl der beim Meeting Bekehrten wird

zu gewinnen.

später in den Kirchenzeitnngen jedesmal genau berichtet.

Gefühle sind jetzt aus das Höchste gestiegen.

Die

Manche Haufen

fangen an zu fingen, di« verschiedensten Lieder und Melodiem

durcheinander.

Einzelne stöhnen, schreien, seufzen oder klat­

schen in die Hände.

Da ist es denn kein Wunder, wenn Viele

von den weinend da Knieenden in völlige Verzückung fallen

und die heftigsten Gefühle empfinden, die alle dahin gedeutet werden, Christus habe sie nun erhört und in seine vergebende

Gnade ausgenommen.

Oft fehlt es auch nicht an wider­

wärtigen Ausschreitungen.

Nicht selten sieht man, daß die

Bußfertigen wie todt hinsinken und ohne Regung liegen, bis

sie plötzlich erwachen Hallelujah!"

oder:

und unter

„Glory!

dem Ruf:

„Hallelujah!

glory! “ fußhoch in die Höhe

springen, wie in besinnnngslosem Rausch und getrieben von einer

geheimnißvollen Macht.

Oft zeigen sich die schreck­

lichsten, krampfartigen Verrenkungen und Zuckungen, oder eS bricht ein Gelächter aus, welches sich ansteckend weiter ver­

pflanzt.

Gerade der ärgste Gottesleugner und Spötter wird

oft erfaßt

und fällt wie todt nieder.

sammeln sich die

Geschieht das,

so

Begnadigten um ihn, singen und beten

über ihm, bis er erwacht und, erschüttert von den Schrecken

der Hölle,

die man ihm vormalt, seine Bekehrung findet.

All dieses aufregende und aufgeregte Wesen wird nun für

[19] ein Werk

des heiligen Geistes

großer Irrthum.

mit dabei

und

daS

Pneumatische

Psychischen überwuchert.

steigert

ausgegeben.

DaS

ist

ein

Denn offenbar ist viel seelische Erregung Die in

zusammengedrängten

Glaubens verwirren

wird vielfach von dem den einen Moment ge­

Gefühle

der Buße nnd

sich mannigfach untereinander

einer geistlichen Berauschung.

deS

wie in

Darauf folgt oft innere Mat­

tigkeit und Leere oder die Begierde, die nächste Gelegenheit

zu benutzen, um denselben bittersüßen Gefühlsrausch durchzumachen.

wieder

Auch die vom Worte Gottes heilsam Ge-

troffenen erhalten

durch wiederholtes Einstürmen oft nicht

Zeit und Ruhe, die empfangenen Eindrücke zu verarbeiten und zu einer gesunden Sünden- und Heilserkenntniß zu ge­

langen.

Die Erkenntniß kommt überhaupt bei dem Gefühls­

treiben nicht zu ihrem schriftmäßigen Rechte. Gefahr einer unbewußten,

liegt nicht ferne.

Aber auch die

feinen, inneren Selbstgerechtigkeit

Die Methodisten reden so gerne von ihren

Sündenschmerzen, ihren Bußkämpfen und GlaubenSentzückun-'

gen.

Sie halten eö für Pflicht, öffentlich stets zu bekennen,

wie sie in dieser oder jener Nacht, bei diesem oder jenem knieenden Gebet im Kämmerlein

oder im Walde die Nähe

des Heilandes so tief gefühlt haben, und schauen leicht mit­

leidig auf Alle,

welche

von besonderen Erfahrungen

Geistestaufen nicht so viel zu sagen wissen.

und

Daher kommt

dann die Gefahr, seinen eigenen Bußschmerzen eine Art mit­ wirkenden Verdienstes zuzuschreiben für die späteren Glaubens­

genüsse,

statt in der nüchternen Art des Apostels Paulus

zu bleiben,

der sich einer höheren Offenbarung

doch nicht

überhebt und an der Gnade genügen läßt (2. Cor. 12, 1—9).

Ferner ist die Werthschätzung der Bußbank offenbar über­

trieben.

Bußfertig sein und

doch nicht dasselbe.

an die Bußbank kommen ist

Pfarrer Dr. W. Sihler in Fort Wayne 2*

[20] (Indiana) schreibt 1867 in einer Brochüre von dem „Strdhfeuer und der Flughitze dieser himmelstürmenden Bußbänkler, denen die Bußbank zur Taufe, zum Beichtstuhl, zum dies­

seitigen Fegfeuer, zum Ablaß, zur Maria und zum goldenen Doch wir billigen nicht

Kalbe werde". Polemik.

den Ton solcher

Möchten die lutherischen und methodistischen Brüder

jenseits des Oceans anfangen, sich in anderer Weife zu be­ fehden. Dem tief erschütternden Bußgefühl

tritt nun auf der

anderen Seite als gleichberechtigt das Gefühl der Bersöhnung

und Begnadigung hinzu.

Ruft das

eine: „Pity! pity!“

so jubelt das andere: „ Glory! gloryl“

Wie einst WeSley,

so muß jeder Bekehrte genau die Zeit und Art seiner Wieder­

geburt angeben können.

Es ist eine sehr gewöhnliche Frage

unter den Methodisten: Wie alt bist du? d. h. wie lange ist eS her, daß du diesen Proceß

durchgemacht hast?

Die

Zahl der bei irgend einer Gelegenheit Wiedergeborenen wird

stets genau angegeben Blättern berichtet.

und

jedes Mal

in

den

kirchlichen

Die Art dieser Berichte ist fast stereotyp,

wovon sich Jeder durch Beachtung derselben

distischen Tageslitteratur überzeugen kann.

in der metho­ Da mag denn

freilich manches Strohfeuer für echt angesehen und manche Bekehrung gezählt werden, die sich später als eine Null er­ weist.

Aber dem Methodismus ist das augenblickliche Gefühl

seliger Begnadigung der alleinige Maßstab und das sichere Kennzeichen der

erlangten Seligkeit.

Seine Heilsgewißheit

unterscheidet sich nämlich wesentlich von unserer Kirchenlehre. Nach der kirchlichen Lehre besteht sie in der Gewißheit, daß

ich ewig selig werde,

daß ich mich

nach

dem Methodismus aber darin,

jetzt selig fühle,

genommen bin.

daß ich

DaS auch durch

jetzt von Gott an­

Deutschland erschallende

„Jesus errettet mich jetzt!" der aus dem Methodismus ent-

[21] sprossenen Heiligungsbewegung ist ja noch frisch int Andenken.

So

sucht

denn

Methodist nur

der

nach einem momentanen,

gewißheit,

einer

nach

Gefühls­

inneren Zeugniß des

Unser kirchliches Bewußtsein aber faßt die

heiligen Geistes.

certitudo salutis tiefer, nämlich als die Gewißheit meines

Darum fordert es zur Be­

seligen Looses in der Ewigkeit.

währung auch mehr, als

das augenblickliche Gefühl, das

Es fordert die Bezeugung der erlangten

sich täuschen kann. Gnade durch einen

geheiligten Wandel,

die Beharrlichkeit

(perseverantia) im Glauben oder anders ausgedrückt die christlichen Charakters.

Ausprägung eines

geben ist, der liebet Biel. bewährende

täglich

Wem Biel ver­

Diese in Wesen und Wandel sich Liebe

göttliche

ist

freilich

niemals

die

Ursache der Rechtfertigung, die aus lauter Gnade geschieht

und im Glauben ergriffen wird. Folge

und

das

einzig

Aber sie ist die nothwendige

Kennzeichen dafür,

sichere

ob

die

Empfindung der Kindschaft Wahrheit war, oder subjektive Täuschung.

Der Methodist freilich braucht solchen That­

beweis nicht, sein Gnadengefühl ist ihm ein sicherer, völlig

genügender Beweis seiner Erlösung.

Wie schnell diese auch

Nicht nur die

geschieht, so ist sie doch eine vollständige.

Schuld, vernichtet.

sondern auch die Macht der Sünde wird völlig „Bei uns findet

sich volle Erlösung,

volles,

gegenwärtiges Heil, vollkommene Heiligkeit" — so rühmen

die methodistischen Schriftsteller.

stellung einer Hauptlehre

Das führt uns zur Dar­

des Methodismus.

Es

ist die

Lehre von der christlichen Boükommenheit. Nach der obigen Schilderung des methodistischen Sünden­

bewußtseins mag es gewagt erscheinen, wenn ich sage, daß

die

Sündenerkenntniß

des

Methodismus

oberflächlich

ist.

Dennoch kann ich diese Behauptung besonders in Bezug auf

die Erbsünde nicht zurücknehmen.

ES ist eigenthümlich, wie

[22] bei den gewisseren, methodistischen Christen das Bewußtsein der ihnen noch anklebenden Sünde völlig verschwindet.

Sie

ein für alle Mal abgeschlossen durch

haben damit gleichsam

Nunmehr

die gewaltige Sündenangst vor der Bekehrung. halten sie die Sünde für überwunden.

Schon in diesem

Leben kann es der Christ bis zu einer sündlosen Vollkommen­ Diese Lehre nähert sich in demselben Maße

heit bringen.

der römischen Heiligenlehre, als sie abweicht von

der ge­

sunden Lehre der evangelischen Kirche, nach welcher die Erb­ sünde kraft ihrer tenacitas auch dem Wiedergeborenen noch anhängt,

selbst wenn

Kirchenlehre

von der

klebenden Sünde richtiger

und

ausgeführt,

er

der Schuld

aber

begründet,

jedem

von

frei ist.

tiefer,

was

erfahrungsgemäß

hier

näher

nicht

Schriftkundigen

Fragen wir aber,

Die

noch an­

den Wiedergeborenen

ist psychologisch

biblisch

werden kann.

von

auch

weßhalb sich

eingesehen

die Boll-

kommenheitslehre gerade bei dem Methodismus finde, so sehe

Er vernachlässigte

ich in ihr eine gewisse Selbstcorrectur.

ganz die objektive Seite der Rechtfertigung (actus forensis).

Er machte die Wahrheit der erlangten Gnade lediglich von

ihrer subjektiven, inneren Erfahrung abhängig,

Grundsatz: So lange ich

nach

dem

die Gnade nicht empfinde, habe

ich sie auch nicht; so lange ich mich als verlorenen Sünder fühle, bin ich es auch.

Diese lediglich gefühlsweise empfun­

dene und durch das bloße Gefühl vollgültig bewiesene Recht­

fertigungsgnade weckte in weiten Kreisen

einen gefährlichen

AntinomismuS derer, die sich innerlich ein für alle

begnadigt fühlten dünkten.

und nun über

Dieser selbst

daS Sittengesetz

herbeigerufene

und

dem

Mal

erhaben sonstigen

sittlich ernsten Wesen des Methodismus verhaßte Feind sollte

durch

Betonung

der Heiligung

So rief ein Uebergewicht auf

wieder

vertrieben

werden.

der einen Wagschaale

daS

[23] Gegengewicht auf der anderen hervor.

Was in der Recht­

durch die Alleinberechtigung

des Gefühls gefehlt

fertigung

war, sollte in der Heiligung corrigirt werden durch die Lehre von dem vollkommen heiligen Willen.

Dadurch wird das

rechte, innere Verhältniß von Rechtfertigung und Heiligung

übersehen und in der Praxi« der Gläubigen leicht die erstere gering

geachtet

kommenen

gegenüber

Heiligkeit.

höheren

dem

WeSley

gibt

Stand

freilich

zu

der voll-

(„Christi.

Vollkommenheit", S. 98), daß ausnahmsweise unmittelbar nach der Rechtfertigung auch die Heiligung eintreten könne.

Aber es bleibt auch Ausnahme.

Für

gewöhnlich

ist

die

Heiligung, die er erstrebt, ein von der Rechtfertigung zeitlich

und wesentlich scharf geschiedener, plötzlicher, innerer Vor­ gang.

Er kennt zwar auch ein allmähliches Werk der Hei­

ligung, das mit der Wiedergeburt beginnt.

bleibt gering geachtet.

Aber sie ist und

Darum sagt er: „Mit all der Gnade,

die unS in der Rechtfertigung gegeben wird, können wir die Sünde nicht ausrotten.

dem Herrn rein?"

Wir können es gewiß nicht, bis eS

zum zweiten Mal

(Pred., Thl. I, S. 47.)

gefällt zu sprechen:

,Sei

Darum ist ihm die mit

der Wiedergeburt begonnene stufenweise Heiligung nichts

Anderes, als eine Wartezeit auf die völlige Heiligung, die plötzlich geschieht, und auf das Zeugniß des heiligen Geistes,

welches diese so klar wie die Rechtfertigung bezeugt. sagt a. a. O. ferner:

änderung,

Er

„Wenn es keine solche zweite Ver­

keine augenblickliche Befreiung nach der Recht­

fertigung gibt, wenn nichts Anderes zu erwarten ist, als

ein allmähliches Werk Gottes in der Seele, dann müssen wir bis zum Tod voll Schuld bleiben."

Er braucht in

die christliche Vollkommenheit S. 63

seiner Schrift

über

das Gleichniß

eines sterbenden Menschen,

schauung höchst treffend darstellt.

das seine An­

Er sagt: „Ein Mensch

[24] kann einige Zeit am Sterben sein, doch er stirbt nicht, bis zu dem Augenblick, da die Seele vom Körper getrennt wird,

und in demselben Augenblick lebt er das Leben der Ewigkeit. Auf gleiche Weise kann der Mensch lang ab st erb end

der Sünde einige Zeit

sein, doch ist er nicht todt der Sünde,

bis sie von seiner Seele getrennt wird, und in demselben Augenblick lebt er das Leben der Liebe."

Diese methodistische Lehre von der christlichen Vollkommen­

heit oder der Sündlosigkeit der Wiedergeborenen behauptet nun freilich nicht, daß jeder Methodist diese Vollkommenheit

habe.

Oft träte sie erst kurz vor dem Tode ein, aber sie

solle und könne auch schon vorher erlangt werden, wofür es

manche Beispiele gäbe,

wie Jane Cooper (nach Wesley)

oder in neuerer Zeit Miß Phöbe in New-Aork u. s. w.

Wer sie hat, ist auch nicht frei von menschlichen Gebrechen, von

Schwachheiten, Irrthümern und Versuchungen.

Aber

das Alles ist keine Sünde mehr für den Geheiligten, denn er hat keinen inneren Reiz mehr zum Sündigen, läßt keine bösen Gedanken mehr in das Herz, hat die völlige Liebe

Gottes in sich.

Vollkommenheit ist also der Zustand, wo

die völlige Liebe

Gottes

Sünde verschlungen hat.

und des Nächsten alle Lust zur

Wichtig ist, daß diese Vollkommen­

heit nicht unmittelbar mit der erlangten Gnade oder mit der Rechtfertigung eintritt, sondern derselben erst später folgt, gleichsam eine höhere Stufe derselben bildet.

Auch wird sie

nicht von den Wiedergeborenen errungen, sondern vom Herrn in

einem Augenblick gegeben und gewirkt,

Wiedergeburt.

ähnlich wie die

Hier ist die offene Thüre für den Irrthum

und den Vorwurf einer sogenannten zweiten Bekehrung, für

die methodistischen Ausdrücke:

„Ich hgbe nun den zweiten

Segen oder den vollen Heiland"

und für die Heiligungs­

bewegung, welche gerade die Wiedergeborenen zu dem höheren

[25] Leben (higher life) der plötzlich erlangten Heiligung führen will.

In jedem Augenblick kann der Gläubige diese Hei­

ligung erwarten.

Der berühmteste deutsche Methodist, Jacoby,

sagt (nach Wesley):

„Es ist keine Gefahr dabei, du kannst

durch diese Erwartung nicht schlimmer werden,

nicht besser dadurch werden solltest.

so du auch

Wenn du dich in deiner

Hoffnung betrügen solltest, verlierst du dennoch Nichts.

Aber

du wirst nicht betrogen sein in deiner Hoffnung, es wird

kommen und nicht ausbleiben. Stunde, jede Minute.

Erwarte eS jeden Tag, jede

Warum nicht diese Stunde? diesen

Du kannst es gewiß jetzt erwarten, wenn du

Augenblick?

überzeugt bist, cs komme durch den Glauben."

liche Art der

Diese plötz­

vollkommenen Heiligung widerspricht unserer

Kirchenlehre und unserem deutschen, evangelischen Bewußtsein.

Wie sehr aber auch der Methodismus die Vollkommen­

heit seiner Heiligung betont, schließt er doch ein Wachsen in ihr

nicht

aus.

Der von

Sünden völlig Gereinigte kann

noch immer vollkommener werden

in der

göttlichen Liebe.

Auch ist dieser hohe Gnadenstand nicht völlig unverlierbar. Es bleibt möglich, von der Vollkommenheit auf die niedrigere Stufe der bloßen Wiedergeburt zurückzusinken.

meiden durch

Darum ist

beständiges Gebet um wahre

Sicherheit

zu

Demuth.

Die Mängel aber bei den Vollkommenen rühren

nicht mehr von der Sünde her und entspringen lediglich der allgemeinen,

Schwäche

menschlichen

des

Körpers,

Beschränktheit,

die

ihren

Worte und Thaten übt (defectus,

der

Einfluß

hemmenden

auf

Gefühle,

nicht peccata).

Im

Uebrigen ist der Vollkommene frei von jeder bewußten Ueber-

tretung eines bekannten Gebotes. Wesley) auf 1. Joh. 3, 4. Sünde ist

Jacoby

eine Uebertretung des Gesetzes.

nicht umgekehrt:

beruft sich (nach

Dort heiße eS freilich: Jede Aber eS laute

Jede Uebertretung des Gesetzes ist Sünde.

[26] Wenn also auch die Vollkommenen das göttliche Gesetz übtrtreten, sie thun es unwissentlich, ohne jegliche Schuld, ohne

Sünde.

Diese

völlige

Subjektivirung

Sünde ist eine gefährliche Lehre.

des

Begriffs

der

ermöglicht es, an

Sie

das Vorkommen völlig heiliger Christen

zu glauben,

wie

denn Jacoby unleugbare Beispiele davon noch heute findet,

und zwar Fälle, in denen dieser Segen ohne irgend Unterbrechung

viele

Jahre

lang,

(Jacoby, Gesch. des Meth., Die Plötzlichkeit

zum

bis

Bd. II,

1870,

der völligen Heiligung

eine

währte

Tode

S. 458).

und zugleich

das

Bedürfniß ihres Wachsens finde ich am klarsten ausgesprochen in

einem Wort, des betagten W. Arthur, Missionssekretär

der wesleyanischen Kirche in England, aus der neuesten Zeit.

In einer Ansprache über die besondere Mission des Metho­ dismus

sagt

er:

„Der

Methodismus

legte

von

Anfang

ebenso viel Nachdruck auf die Heiligung, als auf die Recht­

fertigung und unterschied klar und bestimmt den Akt Gottes,

durch welchen die bereits zum geistigen, göttlichen Leben wieder­

geborene Seele von aller dieses Leben hindernden Unreinig­ keit

befreit wird,

von der allmählich fortschreitenden Reife

der in dem völlig gereinigten Herzen erzeugten Früchte des Geistes.

DaS Erstere ist die unsichtbare und augenblickliche

Berührung des unsichtbaren Arztes,

Gesundheit und Kraft der noch

wodurch

vollkommene

nicht völlig geheilten Seele

auf ein Mal mitgetheilt wird, so daß sie nun fühlt, sie

vermag Alles durch Christum, der sie stärket; das Andere ist

die

durch

die

Uebung

immer

Offenbarung der empfangenen

vollkommener

Kraft."

werdende

(Evangelist

1876,

S. 68.)

Abschließend über diese Lehre können wir nunmehr sagen:

Die Vollkommenheit ist eine Art von zweiter Wiedergeburt. Sie bedarf zu ihrem Beweise nur die innerliche Bezeugung

[27]

durch

heiligen

den

Haben

Geist.

dieses

Christen

innere

Zeugniß, so müssen sie im Stande sein und sind verpflichtet, „einen bestimmten Bericht von der Zeit und

stets öffentlich

Weise zu geben,

diese Veränderung vorging"

welcher

in

Denn ein Haupthinderniß ist

(Wesley).

die Möglichkeit eines solchen Zustandes.

sollen Andere

der Vollkommenen auf

stets

die

Macht

rettende

der Unglaube an

Die Selbstzeugnisse

zum völligen Vertrauen

Jesu

In diesem

bringen.

Sinne sagte ein methodistischer Geistlicher in Brighton, er lebe seit 35 Jahren rein wie Jesus, und behauptete Pearsall

daß er seit 30 Jahren nie

von seinem Freund Boordman,

den Sabbath seiner Seele gebrochen habe.

Bei dieser Sach­

lage können wir es Schneckenburger nicht verdenken, wenn er

bei

den

Methodisten

Reproduktion

eine

der

römischen

Heiligenlehre findet, nur daß diese methodistischen Heiligen nicht nach ihrem Tode gemacht werden,

durch das

offene Bekennen

schon

bei

Solche Heiligkeit mag subjektiv wahr

Lebzeiten kanonisiren.

sein, sie ist aber nicht wirklich. geistlicher

sondern sich selbst

ihrer Sündlosigkeit

Erfahrungen

wollen

Die subjektive Wahrheit

wir

Aber Spangenberg gefällt uns mehr.

hier

nicht

Am

bezweifeln.

13. November

1791 bei einer Gedenkfeier in Berthelsdorf hörte der 87jäh-

rige Bischof,

wie ein Bruder ihn öffentlich rühmte wegen

seines geheiligten Lebens und gesegneten Wirkens binnen 56 Jahren unter Christen und Heiden.

endet, erhob

Als der Redner ge­

der ehrwürdige Greis, winkte dem Or­

sich

ganisten und befahl:

„Wir singen den Vers: , Schau her,

hier steh' ich Armer, der Zorn verdienet hat, gib mir, o

mein Erbarmer, den Anblick deiner Gnad'!'" Es wird nach

dem bisher Gesagten verständlich

sein,

daß die Gnadenmittel für den Methodismus ihre Bedeutung

verloren haben.

Bußpredigt und Bekehrung

ersetzen Alles.

[28] Die Bedeutung der Sakramente ist verblaßt.

Was könnten

Taufe und Abendmahl dem Gläubigen noch bieten? als Gebote Christi.

sind nur beibehalten

Sie

Classenversamm-

lungen zur Steigerung der religiösen Gefühle,

Meetings,

Revivals und Wachnächte sind die Sakramente des Metho­

Jacoby nennt die Classen geradezu ein Gnaden­

dismus.

mittel.

Die

amerikanischen

Methodisten

haben

nach

der

Kirchenordnung das Recht, den Modus der Taufe selbst zu bestimmen als Untertauchen, Besprengung oder Begießung.

Schon lassen Manche ihre Kinder

gar nicht mehr taufen

und so gehl der Methodismus zuweilen in den Baptismus über.

Bietet

die

bisher

betrachtete

Lehre des Methodismus

nach ihrer durchweg praktischen Richtung kein

geschlossenes

System, so ist seine Kirchenverfassung desto systematischer

auSgebaut.

Die Kenntniß derselben ist unerläßlich,

wenn

wir einen Blick thun wollen in Wesen und kirchliche Be­

deutung des Methodismus.

Zu ihr gehören zunächst einige

Einrichtungen von vorwiegend erbaulichem Charakter.

sind die Liebesmahle, und die Wachnächte.

ES

die vierteljährlichen Versammlungen Die öiebesmahle wurden von den

Herrnhutern angenommen und finden meist alle drei Monate

bei Wasser und Brot statt.

Die vierteljährigen Versamm­

lungen haben ihre verfassungsmäßige Seite vielfach verloren

und

dienen

dazu,

bei

ihren festlichen

weckungen hervorzurufen. Verpflanzung

auf

Daher

deutschen

Gottesdiensten Er­

nennt man

Boden

geradezu

sie bei der Quartalfest.

Lagerversammlungen im Freien (campmeetings) und Quar­

talfeste werden von den Methodisten mit Erfolg in Deutsch-

[29] land eingeführt.

Zu letzteren hat die bischöfliche Kirche auf

Frankfurter

ihrem

Distrikt

für

folgende

Sommer

diesen

Punkte bestimmt: Speyer, Rheinböllen, Straßburg, Freuden­ stadt, Pforzheim, Pirmasenz, Karlsruhe, Dillenburg, Kassel,

Frankfurt.

Das christliche Kirchenjahr mit seiner Feier der

Erlösungsthatsachen

wird

Hintergrund gedrängt.

durch

die

in

Quartalfcste

den

Die sogenannten Wachnächte fanden

anfangs jeden Monat statt und sind zu Silvester regelmäßig

und allgemein.

Die Stille der Nacht begünstigt den Ein­

druck des Gesanges und Gebetes.

Dandy

in

nächtlicher Stunde

Gelage heimkehrt,

Wenn in New-Aork der einem ausschweifenden

von

führt ihn nicht selten sein Weg vorüber

an einer erleuchteten Methodistenkapelle, aus welcher mahnend

ein ernstes Lied

erschallt oder die Stimme des Beters und

das Seufzen der Büßenden. Besonders wichtig sind sodann die der Erweckung, Er­ bauung und Lehre gewidmeten Sonntagsschulen.

Hier liegt

ein unbestreitbares Verdienst des Methodismus.

Er ist auf

diesem Gebiet unermüdlich

thätig und bahnt sich

auch auf

seinen Missionen in Deutschland durch

die Kinder den Weg

In Bezug

auf die Reform der

zum Herzen der Eltern.

Schule überhaupt war Wesley allerdings nicht glücklich. hatte

ihn sein

psychologischer Scharfblick

verlassen.

Da Nicht

ohne Grund sagt man von ihm, er habe die Erwachsenen wie Kinder und die Kinder wie Erwachsene behandelt.

Nur

in strengem Ernst sollten die Kinder gehalten und besonders

zur Bekehrung hingedrängt werden. verboten.

Jedes Spiel war streng

Aber trotz der erzielten Kindererweckungen in seiner

Schule zu Kingswood mußte er später mit Trauer erkennen,

daß diese Schule fast in lichen Schulen zurückblieb. Bekehrungsapparat zu

allen Stücken hinter den gewöhn­

Für Kinder ist der methodistische

schwerfällig und

ganz besonders un-

[30.] ist

Seine Anwendung

geeignet.

Das höhere Schulwesen

ein pädagogischer Fehler.

bei den Methodisten

Bildung wurden durchweg verachtet.

schaft in unserem nicht.

lag anfangs

Gelehrsamkeit und besonders auch theologische

ganz darnieder.

Eine theologische Wissen­

Sinne hat der Methodismus bis heute

Aber die treibende Natur der Sache hat eine ge­

waltige Bresche gelegt in das methodistische Vorurtheil gegen

die tüchtige Ausbildung

Denominationen

haben

Alle methodistischen

der Prediger.

jetzt

ihre

theologischen

Seminare.

In Deutschland haben bis jetzt die bischöflichen Methodisten ein solches in Frankfurt am Main, kürzlich

eine

neue

theologische

doch werden bald die

In Amerika wurde noch

Albrechtsleute ein zweites gründen.

Schule

für

die

nördlichen

Methodisten in Madison (New-Jersey) gegründet, und für

die südlichen

wurde am 4. Oktober vorigen Jahres eine

vollständige Universität (Tenessee) eröffnet.

mit

26 Professoren

in

Nashville

Doch bleibt die Hauptmission des Metho­

dismus unter dem niederen Volk in England und Amerika,

wo er Großes gewirkt hat und noch wirkt durch seine Christianisirung der Volksmassen.

verkleinern.

Dies Verdienst soll ihm Niemand

Seine Arbeit nach dieser Seite wird durch die

Sonntagsschulen wesentlich gefördert. dismus die Kinder erst dann

Doch sieht der Metho­

als Glieder der Kirche an,

wenn sie seine Bekehrung durchgemacht haben und förmlich ausgenommen

draußen.

worden

sind.

dahin stehen

Bis

So hofft man oft mehr

sie völlig

auf ihre plötzliche Be­

kehrung, als /ruf die Erziehung und den Einfluß der Eltern. Die Folge ist, daß in England viele junge Leute, besonders

auch viele Predigersöhne, zur Hochkirche übergehen.

Sobald

die Kinder 10 Jahre alt sind, oder noch früher, werden sie

in besondere Klassen zu je 12 eingetheilt und passende Ge­ meindeglieder zu

deren

Führern

ernannt.

Diese

Kinder«

[31] klassen versammeln

sich wöchentlich gerade wie die der Er­

wachsenen, um in den Heilswahrheiten unterrichtet und er­

muntert zu

werden,

„ernstlich

nach

der Vergebung ihrer

Sünden durch den Glauben an Jesum Christum zu ringen".

Zur Ausnahme in

die Kirche sind Beweise echter Herzens­

frömmigkeit und mindestens sechsmonatlicher Besuch der Klasse erforderlich.

volle

Die bei dieser Gelegenheit auch

Verbindung

aufzunehmenden

von den in

Erwachsenen

zu

beant­

wortenden Fragen sind denen bei unserer Konfirmation ähn­

lich, die sonst im Methodismus fehlt.

Denn nach den metho­

distischen Kirchenordnungen gibt es nur eine Bedingung zur Aufnahme in die Gemeinde (society).

ES ist das Ver­

langen, dem zukünftigen Zorn zu entfliehen unb von Sünden erlöst zu werden.

Nach Wesley'S Erklärung ist eine metho­

distische Gemeinde „ein Verein von Leuten, welche die äußere Gestalt der Gottseligkeit besitzen, nun aber der wahren Kraft

derselben theilhaftig zu werden suchen, zu dem Zweck ver­ einigt, um gemeinschaftlich und für einander zu beten, das Wort der Ermahnung anzunehmen und über

einander in

Liebe zu wachen, damit sie einander helfen schaffen, daß sie

selig werden".

Drei Regeln gelten als Pflichten eines Ge­

meindegliedes: Vermeidung alles Bösen, Gutes thun und Gebrauch der Gnadenmittel.

meinden

oder

Dieses gilt also für die Ge­

vereinigten Gesellschaften

(united

society).

Strenger sind die Forderungen an die Glieder der sogenannten Bandgesellschaften, welche den Glauben haben sollen, der die Welt überwindet.

Ihre Rede soll „ja, ja" sein, sie sollen sich

aller geistigen Getränke, alles

Schmucks und des Tabaks

enthalten, jeden Morgen zur Predigt kommen, jeden Freitag

fasten, alle freie Zeit zum Gebet und für die Bibel be-

nutzen u. s. w.

Anfangs waren nämlich die Gesellschaften

in vier verschiedene Arten eingetheilt:

1) erweckte. oder ver-

[32] einigte Gesellschaften; 2) begnadigte oder Bandgesellschafttn; 3) erleuchtete oder auserlesene Gesellschaften;

welche aus der Gnade gefallen

waren.

4) büßende,

Doch wurde diese

Eintheilung nicht streng aufrecht erhalten, so daß man bald

nur noch Erweckte und Begnadigte unterschied.

Piel wichtiger

und höchst bedeutsam für Wesen und Wirken des Metho­

dismus ist die Eintheilung der Gesellschaften oder Gemeinden in einzelne Klassen.

In ihnen ruht die Kraft der metho­

distischen Kirchenordnung.

Darum nennt Wesley

die erste

Einrichtung der Klassen, die er in der Gemeinde zu Sa­ vannah traf, den zweiten Anfang des Methodismus.

In

den großen Gesellschaften kann der Prediger unmöglich die Einzelnen überwachen und eS sind Erkaltungen, Rückfälle,

Irrthümer zu besorgen.

Darum sind alle Gesellschaften in

Klassen von je etwa 12 Personen eingetheilt, die sich wöchentlich

unter ihrem Klassenführer (classleader) ein Mal versammeln,

ihren Herzenszustand zu besprechen, Ermunterung oder Tadel zu empfangen und ihre freien Beiträge zur Gemeindekasse

Die Klassen sind geschlechtlich gesondert und also

zu zahlen.

auch darin verschieden von

unseren

Konventikeln, die aus

freiem Drang zur frommen Gemeinschaft entstehen und mit der kirchlichen Ordnung gar keinen organisirten Zusammen­

hang haben.

Die

Klassenführer

wöchentliche Zusammenkunft lichen,

selbst haben

wieder ihre

unter dem Vorsitz des

Geist­

wobei sie über den Zustand ihrer Klassen und deren

Glieder berichten und das Gesammelte abliefern, da es eine Kirchensteuer nicht gibt.

führer zu wählen

Männer

Der Prediger hat auch die Klassen­

und soll nur tiefgegründete und erfahrene

zu seinen Gehülfen in der Seelsorge bestimmen.

Es liegt eine wunderbare Macht in diesen Klassen des Metho­ dismus.

Man denke sich

lauter solche

Kreise

von mehr

oder weniger religiös angeregten Gemüthern in regelmäßigem

[33] christlichen

Austausch

und

Verkehr,

von

einem kirchlichen

Gemeinschaftsband umschlungen — eS gibt keine Kirche, die zur Pflege brüderlichen Sinnes, speziellster Seelsorge und seelsorgerlicher Kirchenzucht eine so praktische Handhabe bietet.

Aber wir wollen auch nicht die hier

obwaltenden Gefahren

Wir Deutsche find geneigt zu einer übergroßen

übersehen.

Zurückhaltung über unseren inneren Stand und unsere christ­

lichen Erfahrungen.

Das mag nicht gut sein.

Aber ebenso

wenig ist das leichte und häufige Kundmachen des im Herzen ruhenden inneren Heiligthums zu billigen.

Wenn man nun

in den wöchentlichen Klassen von inneren Erlebnissen Nichts zu berichten weiß, so kommen oberflächliche Gemüther in die

Gefahr, kleine Erfahrungen zu etwas Großem aufzubauschen, und gerathen so nach und nach in ein gewisses geistliches

Schwatzen, unter dessen Wasserfluthen das innere Leben bald völlig erstirbt.

Auch ist nicht zu übersehen, daß die wöchent­

lichen Besprechungen in den Klassen gleichsam eine Ohren­ beichte sind,

da das Gesprochene

und

Entdeckte von dem

Klassenführer dem aufstchthabenden Geistlichen stets berichtet

wird.

Schneckenburger nennt darum nicht ohne Grund die

Klassen auf

bedenklich

den ersten Anblick ansprechend,

aber in praxi

und sieht in ihnen ein Surrogat des katholischen

Beichtinstituts in kollegialischv Form. Die geschickte Art und der Umfang, in dem die Metho­

disten jede Lehrgabe

von Geistlichen wie von Laien, fördern

und für das kirchliche Leben benutzen, steht einzig da.

In

jeder Gemeinde gibt eS dreierlei Laienprediger: Klassenführer

(classleader), Ermahner (exhorter) und seßhafte Prediger oder

Ortsprediger

(local

preacher).

Die Klassenführer

wirken in ihrer Klasse, die Ermahner halten größere Gebets­

und Erbauungsstunden, wozu sie einen Erlaubnißschein von der Quartalconferenz haben müssen. Jüngst, Wesen d. Methodism.

Einen solchen müssen 3

[34] Sie arbeiten in der Woche

auch die Ortsprediger haben.

in ihrem Geschäft und bleiben in ihrem Beruf und in ihrer Heimath.

Seßhafte Prediger sind also Nichts weiter,

Glieder einer Gemeinde, predigen.

als

welche die Erlaubniß haben, zu

Doch können sie nach vierjähriger Bewährung als

Diakonen ordinirt werden.

Es gibt zwei Ordinationen, die

der Aeltesten und der Diakonen.

Schon die Diakonenweihe

verleiht das Recht, zu taufen, Ehen einzusegnen und bei der

Austheilung des heiligen Abendmahls zu helfen.

Niemand

aber kann Prediger werden, der nicht vorher.ein volles Glied der Gemeinde war und die Ueberzeugung hat, vom heiligen

Geist zum Predigen angetrieben zu sein.

Finden sich diese

Stücke, so wird er vom Vorsitzenden der Quartalversamm­

lung geprüft und ist dann ein nicht ordinirter Ortsprediger. Nach vier Jahren kann er auf Empfehlung von der Quartal-

conferenz durch die große, jährliche Conferenz als Diakon geprüft, gewählt und ordinirt werden.

nationen verfügt die letztere allein.

Ueber alle Ordi­

Sind dann nochmals

vier Jahre treuer Amtserfüllung vergangen, so kann der Prediger in ganz derselben Weise auch die Ordination zum

Aeltesten erlangen.

Dann wird er in volle Verbindung aus­

genommen, d. h. in den sogenannten Reiseplan, der für alle

Gemeinden von der großen Conferenz festgestellt wird. ist nun ein

Reiseprediger

jährlichen Conferenz.

und als solcher

Er

ein Glied der

Während die Ortsprediger aus dem

Laienstande oft ganz einfache, arme Leute sind, aber durchweg feurig und von populärer, packender Beredsamkeit, bilden

die Reiseprediger den Augenblicklich haben

eigentlichen Klerus der Methodisten.

viele eine

theologische Ausbildung

in

einem Seminar genoffen, was in der ersten Zeit des Metho­

dismus nicht der Fall war.

Diese Prediger werden also

immerfort nach einem bestimmten Reiseplan gewechselt.

Am

[35]

Schluß der jährlichen, sitzende,

meist

großen Conferenz verliest der Vor­

in einem öffentlichen Gottesdienst,

die An­

Es ist ein feierlicher Augenblick,

stellungen der Prediger.

denn nur Wenige wissen vorher, wohin sie für das nächste

Jahr gesandt werden.

Aber fast immer gehen die Prediger

schweigend nnd gehorchend werden

von

genommen.

den

an ihren Bestimmungsort

und

gut

aus­

Gemeinden

betreffenden

meist

Keiner aber soll länger, als höchstens 2 bis 3

Jahre vor denselben Zuhörern predigen.

So sind also die

Reiseprediger eine glaubensmuthige Schaar, durch den steten

Wechsel frisch erhalten, durch weltliche Vortheile nicht gelockt, mit Wittwen- und Unterstützungskassen reich versorgt.

Aber

dieses allzeit schlagfertige, stets wandernde Heer, ohne Heimath, seinen Oberen unbedingt gehorsam, durch strenge Regel

gebunden, bietet auch

römischen Orden.

überraschende Aehnlichkeit mit einem

Denn

in ihren Gemeinden.

diese Geistlichen sind nur Gäste

Die eigentliche Seelsorge ruht in den

Händen der Klassenführer. seine Vortheile.

Dieser Predigerwechsel hat zwar

Die Predigt bleibt

der Kirchenbesuch wird belebt.

kann sich nicht aus-

frisch und anregend,

Ein methodistischer Prediger

oder leerpredigen.

Alle paar Jahre

hat er ja eine andere Gemeinde, was oft um so erwünschter

sein mag, als sich die methodistische Predigt in einem wich­ tigen, aber immerhin beschränkten Kreisausschnitt der Schrift­ wahrheit zu bewegen pflegt.

Aber durch den steten Wechsel

wird auch jener unruhige Hang der methodistischen Gemeinden

gefördert, alle zwei bis drei Jahre neue Würze und Genüsse mit dem neuen Prediger zu empfangen.

Der im Barmer

Missionshaus gebildete deutsche Pastor Dalies berichtet eine

für den Predigerwechsel bezeichnende Thatsache, einer

schaft

methodistischen Conferenz

in Wisconsin

selbst

die er auf

der Evangelischen Gemein­

erlebte.

Er erzählt:

„Bischof

[36]

Escher trat mit der Uhr in der Hand auf den Altar uni>

sagte: , Lieben Brüder und Schwestern! wenn ihr in fünf Minuten 50 Dollar für die Mission aufbringt, dann sage ich euch,

was für einen Prediger ihr

Als die

bekommt/

der Summe erreicht war, sagte der Bischof: ,Jhr

Höhe

bekommt einen guten Prediger!1

rief man enttäuscht.

, Den Namen! den Namen! ‘

Aber es blieb bei der ersten Antwort."

Dalies fügt hinzu: „Entsetzt über diese Auktion in der Kirche

verließ ich dieselbe.

völligem

Heil

Und das ist die.Gemeinschaft, die nach

strebt!"

der

(Jahresbericht

Evangelischen

Gesellschaft für die deutschen Protestanten in Nordamerika. Langenberg und Elberfeld 1876.)

Das mag ja wohl selten

vorkommen, daß man in dieser Weise die Neugier der Ge­ meinde auf den neuen Prediger

Mission herauszuschlagen.

dazu benutzt, Beiträge zur

Aber eö muß doch

Neugier sein, der man das zumuthen kann.

eine starke

So müssen wir

denn sagen, daß der rasche Wechsel dem Methodismus wohl eifrige Evangelisten gibt; aber es fehlt die allmähliche, segens­ reiche Einwirkung eines treuen Dieners am Wort, der in

seinem Amte lebt

und

und webt

fürbittender Liebe

und unter

die Täuflinge

dessen erziehender

zu Lehrkindern,

Lehrkinder zu selbstständigen Christen heranwachsen.

die

Diese

liebliche und gedeihliche Einwirkung, die allmählich und doch mit stiller Kraft so Großes thut für die geistliche Wohlfahrt,

diese Bertrauensstellung der Gemeindeglieder zu ihrem Seel­ sorger, der Heerde zu ihrem Hirten, ist bei den Methodisten durch das Gesetz unmöglich gemacht.

Doch wir kehren zurück zur Gliederung der methodistischen Kirche.

Den Mittelpunkt bilden also die Klassen.

Um sie

herum gruppiren sich in immer größeren concentrischen Kreisen

die Gesellschaften, Bezirke, Distrikte.

Die vorhandene An­

zahl der Distrikte bildet eine methodistische Kirche.

An ihrer

[37]

Spitze steht

die große jährliche Conferenz.

Schöll sich ausdrückt,

Sie ist, wie

das Herz des Methodismus.

müssen ihr noch besondere Aufmerksamkeit schenken.

Wir

Doch

ist zu bemerken, daß diese oberste Kichenbehörde des Metho­

dismus bei den bischöflichen Methodisten bloß alle 4 Jahre

zusammentritt unter dem Namen Generalconferenz.

Bei der

Größe dieser Gemeinschaft und der weiten Entfernung der Arbeitsfelder konnte man nicht alle Prediger zur Conferenz nehmen, noch

dieselbe jedes Jahr zusammenkommen lassen.

So theilte man denn die ganze Kirche ein in jährliche Conferrnzen, deren die bischöflichen Methodisten seit 1868 71 zählten.

Auf je

30 Glieder

dieser jährlichen Conferenzen

kommt ein Deputirter zur Generalconferenz, Delegatenconferenz ist.

die also eine

Diese Einrichtung besteht seit 1808.

Im Wesentlichen entspricht

den englischen Wes­

aber Alles

leyanern. Wenn wir von der großen Conferenz der Methodisten

hören, liegt es uns nahe, sie in Analogie zu setzen zu unseren Wir würden aber darin sehr irren.

Generalsynoden.

eigentliche Vertretung

der Gemeinden

Eine

in Presbyterien und

Synoden ist dem Methodismus völlig fremd.

Er ist darin

wesentlich verschieden von seinen presbyterianischen Nachbar­ kirchen.

Durch

die Organisation Wesley's geht

ein

ent­

schieden hochkirchlicher Zug; so lange er lebte, war er der Monarch

des

Methodismus.

Seit

seinem Tode

hat

Verfassung einen aristokratisch-hierarchischen Charakter.

die

Der­

selbe ist uns schon in kleinen Zügen entgegengetreten, findet aber seine Vollendung in der Machtstellung der jährlichen

Conferenz.

Nur Geistliche werden zu ihr zugelassen.

erste Conferenz

fand

rühmten Gießhausc

1744 in London

(Foundery).

statt

in

Die

dem be­

Wesley dachte nicht im

Entferntesten daran, eine Synode mit Sitz und Stimmrecht

[38] zu

schaffen.

Er berief nur,

wen

er

wollte von

seiiien

Freunden, um sie zu hören über die beste Methode für das Reich Gottes.

Aber aus dieser bloß berathenden Versamm­

lung wurde immer mehr die oberste Behörde für die ganze Gemeinschaft, welche gesetzgebende und vollziehende Gewalt,

Oberaufsichtsrecht und DiSciplinarverfahren übte. Als nämlich Wesley sah, daß sein Bruder Charles sich dauernd zurück­

gezogen hatte und die Zeit seines eigenen Abscheidens nahe sei,

wünschte er dem Methodismus zur Sicherung seines

eigenartigen Fortbestandes Gesetz und Verfassung zu geben.

Er übertrug alle feine Rechte auf die Prediger der Conferenz,

deren Zahl er für immer auf 100 festsetzte.

Diese gericht­

liche Urkunde, welche besonders auch die Eigenthumsrechte gegenüber dem Staate ordnete, wurde am 25. Februar 1784

im Oberkanzleigerichtshof deponirt.

ES ist die magna Charta

des Methodismus und hat den Namen Deklarations-Urkunde,

deed of declaration. liche

zu

Die Conferenz hat also nur Geist­

Mitgliedern und

ergänzt sich

durch

Cooptation.

Sie tritt jedes Jahr zusammen und ist im Vollbesitz aller kirchlichen Rechte, übt unbeschränkten Einfluß aus die Ge­

meindeglieder, nimmt Prediger auf und kann sie nach Gut­

dünken entlassen.

Reisepläne für

Hier werden die Candidaten geprüft, die

die

Prediger

entworfen,

die Gesetze und

Regeln für sie und die Glieder aufgestellt, die dogmatischen

Fragen entschieden, die Vermögensverhältnisse geregelt. Prompt

und geschickt führt die Conferenz ihre Beschlüsse ans durch die

untergeordneten Organe

der Distriktcomitös,

vorstände, Gesellschaften und Klassen.

Bezirks­

Die Beschlüsse werden

im Protokollbuch vom Präsidenten und Sekretär unterzeichnet. Die gesammelten Protokolle (minutes) bilden das Gesetzbuch für Kirchenlehre

und

gehören 40 Glieder.

Kirchenzucht.

Zur Beschlußfähigkeit

Sollte ein Mal die Gliederzahl unter

[39] 40 sinken,

so ist die Conferenz als aufgelöst zu betrachten

und das Eigenthumsrecht an Kapellen, Predigerwohnungen

u. s. w. fällt den Curatoren anheim» welche an den

ein­

zelnen Orten wohnen und etwa unseren Kirchmeistern oder den Bauherren der Gemeinden Bremens entsprechen. Diese Urkunde

dem wesleyanischen

gab

Methodismus

sein unauslöschliches Gepräge und er hat bisher mit großer Zähigkeit an ihr festgehalten.

Aber sie rief einen Sturm

des Unwillens und eine Fluth von Streitigkeiten in seiner

Mitte hervor.

Schon bei der ersten Mittheilung entbrannte

der Streit, denn es gab 190 Prediger und nur 100 waren zur

Conferenz

auserlesen.

Nur

konnte er nicht.

innige Fletcher

der

mochte es, den Streit zu vertagen.

ver­

Aber vermieden werden

War doch auch die eigentliche Gemeinde in

In diesem Mangel

keiner Weise zu ihrem Recht gekommen.

der Verfassung und keineswegs in irgend einem Dogma haben die vielfachen Separationen des Methodismus ihre Ursache.

Aber der englische Methodismus ist durch seine Urkunde ge­

bunden und hat auch mitgetheilt.

dem amerikanischen seinen Charakter

Dieser will aber

dazu übergehen,

Anzahl Laien zur Conferenz zuzulassen.

conferenz hat diese Angelegenheit schon berathen.

auch

eine

Die dortige General1860, 64 und

68

Es ist natürlich eine aller methodistischen Tradition

widersprechende Maßregel.

Darum sand im Juni 1869 in

allen Gotteshäusern der bischöflichen Methodistenkirche eine

Abstimmung aller ihrer Glieder statt, für oder gegen die Laiendelegation.

Die große Majorität,

folgenden jährlichen Conferenzen, sprach

tretung der Laien aus.

auch in den bald sich für eine Ver­

So ist eine segensvolle Aenderung

in der Constitution dieser Kirche angebahnt.

Dieselben Be­

strebungen in England hatten bisher keinen Erfolg.

Hier

ist die Geistlichkeit in der großen Conferenz noch allein be-

[40] rechtigt und im vollen Machtbesitz.

Selbst die auswärtigen

Conferenzen sind ihr untergeordnet.

Eine Woche vor Beginn

der Conferenzen versammelt sich schon der Ausschuß, der die Vorschläge

zur

Besetzung

der

Predigerstellen

macht

(das

stationing Comittee), zu dem jeder Distrikt einen geistlichen

Delegaten sendet.

Ueberhaupt ist die Berwaltungsmaschinerie

Alle einzelnen Zweige

ganz trefflich und sorgsam geordnet.

haben ihre besonderen Comitös, wodurch der Geschäftsgang

wird.

sehr erleichtert

Wir nennen hier

nur die Comites

für Wahrung der Gesellschaftsrechte, für den Verkehr der Regierung, für die Controlc

mit

der Verwaltung, für die

Presse und die Buchanstalten, für das Erziehungswesen, für die Predigerseminare, für die Schulen der Predigerkinder,

für den Kapellenbau, die Unterstützungskasse, den Emeriten­

fonds, die Wittwenkasse, den Kinderfonds. So ist also das Verfassungsgerüst des Methodismus be­

schaffen.

Aber

dieses

Organismus umgeben.

Gerippe

ist

So wird

von

einem

lebendigen

z. B. die im Metho­

dismus geübte Wohlthätigkeit von keiner anderen Kirche über­

troffen.

Die

milden Beiträge in

der bischöflichen Metho-

distenkirche betrugen im vorigen Jahr 1,112,318 Dollars. Der Methodismus ist reich an Werken der inneren Mission. Manche nennen Wesley

ihren Vater.

Ich erinnere an die

Armen- und Gefangenenpflege, an die Stadtmissionen, die Sonntagsschulen,

die Traktatlitteratnr, die Straßenpredigt.

Die Liebesthätigkeit des Methodismus ist im wahren Sinne

eine großartige. —

Doch wir eilen zum Schluß. wesentlich beigetragen zur Weckung

Der Methodismus

hat

eines neuen, religiösen

Lebens in der englischen Kirche, wie unter den Dissenters.

Augenblicklich strömt dasselbe anerkanntermaßen viel breiter und tiefer, als in den Tagen Wesley's.

Ist aber damit die

[41] kirchenhistorische Aufgabe des Methodismus gelöst? wird er noch in die Kirche zurückkehren, die jetzt mit ihm befreundet ist? oder wird er als Sonderkirche noch lange dauern und immer größere Wirksamkeit entfalten, immer wachsende Er­ folge erzielen? Die Zukunft wird es lehren. Aber der Herr wird auch dieses lenken. In seiner Hand ruht nicht nur das Geschick der Einzelnen, sondern auch der staatlichen und kirchlichen Bildungen. Ueber ihnen allen steht das End­ ziel aller Welt- und Kirchengeschichte, das Reich Gottes. Seinen Zwecken muß auch der Methodismus dienen. In Deutschland ist seine Mission erfüllt durch den Pietismus. Das deutsche Charisma ist verschieden von dem anglo-amerikäntschen, aber mit ihm gleichberechtigt. Daß der Metho­ dismus die anderen evangelischen Kirchen als sein Missions­ gebiet behandelt, offenbart einen unberechtigten kirchlichen Partikularismus. Seine Arbeit in den evangelischen Kirchen Deutschlands, die mit bedeutenden Mitteln planmäßig be­ trieben wird und täglich wächst, wird nur insoweit kirchen­ geschichtliche Bedeutung erlangen, als die deutsche evangelische Kirche ihre Pflicht versäumt. Diese Pflicht ist Pflanzung und Pflege lebendiger Frömmigkeit aus dem unerschöpflichen Born der Schrift, der Reformation und des deutschen Ge­ müthes.

II.

Die methodistischen Kirchen. Wesleyaner, bischöf­ liche Methodisten, Älbrechtsbrüder.

„Ich sah (und ach, ich hoffe wohl vergebens

Vor meinem Ende Gleiches noch zu sehn),

Ich sah den alten Krieger auf dem Kampfplatz Der Christen, dem kein Schwert zu schwer. Ernst, doch nicht düster, ohne Stolz gelehrt,

Bestimmt, nicht förmlich, sanft, doch kühnen Blickes; Ein Mann, so reich begabt, daß er manch Dutzend

Moderner Selbstlinge ausstatten könnte; Dem's, wo es Noth that, nicht an Witz gebrach, An blitzeshellem, leicht und schnell gewandtem;

Der von der Kindheit ftühstem Dämmermorgen

Und von der Weisheit lichterfüllten Werken Mit reichem Stoffe euer Ohr entzückte,

Daß sich der Lauscher hochbegünstigt hielt;

Doch dessen höchster, seligster Genuß Und dessen schönster Ruhm das Evangelium.

Da überströmte seine Rednerfülle Vom alten Griechenland, vom alten Rom,

Da war er ganz in seiner heitern Heimath.

[43] Nicht glänzen wollt' er und nicht überragen, Nur treu dem dienen, was ihn ganz erfüllte/ So redet der Dichter Cowper von Wesley. lebt seine Wirksamkeit im Andenken der Nachwelt.

Noch heute Im An­

fang des Jahres 1876 wurde in der Westminster-Abtei ein schönes Denkmal für

Relief desselben

die

Brüder Wesley

stein seines Vaters auf dem Stanley, Dean

sagte,

enthüllt.

Ein

zeigt uns John predigend von dem Grab­ Kirchhof zu

Epworth.

Mr.

von Westminster, hielt die Weiherede und

auf den im

Grabe Ruhenden deutend,

daß John

WeSley auf den ehrwürdigen Ueberlieferungen der englischen

Kirche gestanden und nicht Streit, sondern neues, christliches

Leben gewollt habe. zertheilt.

Der

Dasselbe ist äußerlich freilich vielfach

Methodismus Englands stellt sich uns jetzt

dar in den oben genannten acht verschiedenen Gemeinschaften. Mindestens

achtfach

ist

(s. u. 2. Abth., S. 4).

auch

der

amerikanische

zergliedert

Für uns erfordern nur die Kirchen­

gemeinschaften eine genauere Betrachtung, welche in Deutsch­

land arbeiten, die Wesleyaner, die bischöflichen Methodisten und die Albrechtsleute*).

*) Doch will ich eine spezielle Notiz über den Stifter der Otter-

beinianer hier nicht verloren gehen lassen. Stahlschmidt, der Verfasser der „Pilgerreisen zu Wasser und zu Lande" (herausgeg. von Jung-Stil-

ling 1799), verkehrte in Baltimore mit Otterbcin und redet sehr freund­ lich von ihm.

Dem gründlichen Kenner heimischer Kirchengeschichte, Herrn

Canzleirath Fr. Göbel in Siegen, verdanke ich noch folgendes Biogra­ phische: Philipp Wilhelm Otterbein, geboren 1726 in Frohnhausen bei

Dillenburg, war der zweite Sohn des Pfarrers Otterbein.

Seine fünf

Brüder wurden evangelische Geistliche in Bürbach, Herborn, Berleburg,

Duisburg und Mühlheim a. d. Ruhr.

Er studirte 1742 in Herborn,

fungirte als Candidat im Bergischen und als Lehrer des Pädagogiums

in Herborn, ging aber 1762 nach Dorktown in Pensylvanien und von da nach Baltimore, wo die Otterbeinskirche noch steht.

[44] Ehe wir sie aber einzeln betrachten, fragen wir noch ein Mal nach dem letzten, tiefsten Unterschied zwischen den me­ thodistischen Kirchen überhaupt und unserm deutschen, kirch­

lichen Wesen.

dabei auch

Wir berücksichtigen

die neueste

Dogmatü deS deutschen Methodismus von Dr. A. Sulz­ berger, Lehrer an der Martins-Missionsanstalt der bischöf­ lichen Methodistenkirche zu Frankfurt a. M. (Christliche Glau­

benslehre vom methodistischen Standpunkt, 1876 u. 1877). Nach ihm ist der Methodismus gegenüber dem Katholicismus protestantisch, gegenüber dem Calvinismus und seiner Gnaden­

wahl entschieden verneinend, gegenüber dem Lutherthum und

seiner Sakramentslehre entschieden reformirt und ist durch ferne gesunde, biblische Lehre über allen ConfessionalismuS

erhaben, von wahrhaft apostolisch-katholischem Charakter. Sein einziges, anerkanntes

Glaubensbekenntniß

ist das,

welches

Wesley in 25 Artikeln aus den 29 Glaubensartikeln der englischen Kirche entnommen hat.

Aber die Lehre von der

christlichen Vollkommenheit gilt als

methodistischen

Theologie"

„Kern und Stern der

(Sulzberger).

der verschiedenen Verfassung,

Abgesehen

von

haben in der That alle Kir­

chen des Methodismus zum treibenden Ideal ihrer Fröm­

migkeit die vollkommene Heiligkeit. für uns hier in Betracht kommen.

Auch die drei, welche

Wir hören auf ihre

Vertreter. Die Lehre und Kirchenordnung der bischöflichen Metho-

distenkirche sagt: „Welches ist der wirksamste Weg, Christum zu predigen? . . .

Lasset uns kräftig und bestimmt äußere

und innere Heiligkeit in allen Stücken aufdringen."

Sie

fragt ihre Prediger vor der Aufnahme in volle Verbindung:

„Jagst du der Vollkommenheit nach? erwartest du in diesem Leben in der Liebe vollkommen gemacht zp werden? seufzest zu darnach?"

[45] In der Kirchenordnung der evangelischen Gemeinschaft

heißt es: „Wir sind darin einstimmig, daß wir alle gänzlich

von aller Sünde erlöst werden können — versteht sich von allen bösen Neigungen und Begierden."

Der Delegirte der Wesleyaner, Rev. Prof. Pope, sagt

(Baltimore, Mai 1876):

„Wir dürfen uns nicht fürchten,

Vollkommenheit in Christo und Vollkommenheit in uns durch

Bereinigung mit ihm zu lehren und zu predigen. Doch muß diese Vollkommenheit eine christliche und evangelische sein und zugesehen werden, daß nicht alles Gewicht auf den Glauben,

die Bedingung und zu wenig Gewicht auf die Werke, als Früchte, gelegt werde.

Wir müssen uns davor hüten, gänz­

liche Weihung zum Dienste Gottes an die Stelle der Voll­ kommenheit zu setzen, da dieselbe vielmehr der Anfang und

ihre Bedingung, aber nicht ihre volle Realisation ist.

völliger Weihe an Gott sollte angefangen und Vollkommenheit gefahren werden."

Mit

dann

zur

Dr. Steele widmet in

seinen Betrachtungen über evangelische Vollkommenheit einen

besondern Abschnitt der Liebe, welche auch die Erbsünde über­ windet (Love triumphant over Original Sin).

Schon

im Jahre 1764 faßte Wesley seine Vollkommenheitslehre in kurze Sätze zusammen:

1) Es gibt eine Vollkommenheit, denn die heilige Schrift spricht wiederholt davon. 2) Sie geht nicht btt Rechtfertigung voraus, denn die

Gerechtfertigten

sollen

zur

Vollkommenheit fahren.

Hebr.

6, 1. 3) Sie wird nicht beim Sterben bewirkt; denn Paulus

redet von

Christen,

welche im Leben vollkommen

waren,

Phil. 3, 15. 4) Sie ist nicht

allein.

unbegrenzt.

Eine

solche

hat

Gott

[46] 5) Sie macht den Menschen nicht unfehlbar.

Das ist

Niemand hier im Fleisch.

6) Besteht sie nicht in Sündlosigkeit? nicht,

über

Worte

zu

streiten.

Sie ist:

ES lohnt sich

Erlösung

von

Sünde. 7) Sie ist „völlige Liebe".

Diese ist ihr Wesen, 1 Joh.

4, 8. 1 Thess. 5, 16. 8) Sie ist des Wachsthums fähig.

9) Sie ist verlierbar, denn davon haben wir zahlreiche Beispiele.

10) Es geht ihr immer ein stufenweises Werk voran und auch folgt ihr dasselbe. 11) Sie wird in der Regel plötzlich bewirkt.

Derselbe Ton klingt durch das methodistische Kirchenlied. Die BollkommenheitSlehre findet hier ihren Wiederhall. Da­

her alle die bezeichnenden Ausdrücke: „To perfect health restore my soul,

to perfect holiness and love; the

law of liberty from sin, the perfect law of love; per-

fected in

love,

throughly

purify;

restored

to our

unsinning state; now let me gain perfection’s height, now let me into nothing fall; o find the perfect holi­

ness, the righteousness divine; what is our calling’s

glorious hope, hüt inward holiness“ u. s. w. die Verse:

„ The word of God is sure And never can remove; We shall in heart be pure And perfected in love: Rejoice in hope, rejoice with me We shall from all our sin’s be free.“ Oder:

„I shall, a weak and helpless worm Through Jesus strengthening me

Daher

[47] Iinpossibilities perform And live from sinning free." Oder:

„Speak the second time ,be clean ‘! Take away my inbred ein; Every stumbling-block remove, Cast it out by perfect love. “ Oder:

„From all iniquity, from all He shall my soul redeem; In Jesus I believe and shall Believe myself to him. “ (Vgl. ferner die Abtheilung: Seeking kor full Redemp­

tion in A collection of hymns kor the use ok the people called Methodist’s by Rev. Wesley, M. A.)

Dem Allen gemäß bezeichnet Jakoby mit vollem Recht

als unterscheidendes methodistisches Dogma die Lehre von der christlichen Vollkommenheit (Handb. des Method., S. 239)

und sagt später:

„Mein Glaube steht fest, daß der Herr

den Methodismus gebrauchen wird, evangelische Heiligkeit in

Deutschland verbreiten zu helfen" (Geschichte des Methodis­

mus, Bd. II, S. 260).

Die Ausdrücke sind verschieden:

christliche Vollkommenheit, völlige Liebe, gänzliche Heiligkeit, volles Heil, volle Erlösung, völlige Uebergabe; oder auch: ich habe nun einen ganzen Heiland, oder: ich habe den zweiten

Segen erlangt. Soll einmal ein Vergleich gezogen werden zwischen deutscher und englischer Reformation, zwischen Luther (Calvin, Zwingli,

Spener, Zinzendorf) auf

der einen und Wesley auf der

andern Seite, so erkennen wir bei uns in demselben Grade

ein gewisses Vorwiegen der Rechtfertigung, wie bei Wesley deutlich die Heiligung hervortritt.

Das Richtige ist da, wo

[48] beide zu ihrem vollen Rechte kommen und die Rechtfertigung

in der Heiligung ihre göttliche, treibende Kraft entfaltet und bewährt.

Vor einigen Jahren sagten wir (in einer Ab­

handlung über die Böhme'schen Stillen im Lande):

„Es

zeigt sich, wie die Kirche mit glücklichem Griff die Extreme vermeidet, wenn sie Rechtfertigung und Heiligung in einen

immer mehr organischen, inneren Zusammenhang bringt." Gerade darum bleibt uns die Rechtfertigung die reichste Erb­

schaft, weil sie den gesunden Keim und Lebenstrieb der Hei­

ligung in

viel.

uns pflanzt.

Wem viel vergeben ist, der liebet

Wer will diese beiden auseinanderreißen?

Sichtlich

hat das neue Leben bei Luther seinen Mittelpunkt in der

vergebenden Gnade, bei Wesley in der züchtigenden.

Die

Kirchen der deutschen und der wesleyschen Reformation tragen

den Geist ihrer Stifter. Doch wir betrachten genauer die drei methodistischen Kir­ In Bezug auf die englischen

chen, die uns hier interessiren.

Wesleyaner, die jetzt 2596 Prediger haben (Conferenzbericht

Juli 1876), ist zunächst eine inzwischen geschehene,

same Thatsache nachzutragen. aus

aristokratische Verfassung,

regieren hatten.

bedeut­

Sie besaßen bisher eine durch­

da nur die Geistlichen

zu

Diese wehrten alle Laienvertretung ab, die

Amerika doch schon längst einführte.

So waren z. B. auf

der bischöflichen Generalconferenz in Baltimore im Mai 1876

138 Laiendeputirte: Advokaten, Fabrikanten, Farmer, Kauf­ leute, Bankiers, Lehrer, Aerzte, Baumeister, Elsenbahnbeamte u. s. w.

Aber das Verlangen der Laien, welche die Kirche

durch ihre Beiträge zu erhalten haben, in der Jahrescon-

ferenz Sitz und Stimme zu erhalten, trat auch in England eben so oft wieder hervor, als es abgewiesen wurde.

End­

lich wurde ein Ausschuß für diese Frage eingesetzt, der sich

im Frühjahr 1876 dafür entschied.

Darnach ist denn das

[49] Princip der Laicnvertretung auf der

131. Jahresconferenz

der wesleyanischen Methodisten in Nottingham im September 1876 endlich angenommen worden.

Der mit 369 gegen 49

Stimmen gefaßte Beschluß besagt, daß auf allen Stufen

der kirchlichen Verfassung die Laien gleiche Rechte Commission berathen, von

den Distriktsversammlungen er­

örtert und von der Conferenz bestimmt werden.

greifende,

für

wird den

englischen Methodismus

das Jahr

breiten Grundlage eines

mit den

Das Nähere wird noch von der

Geistlichen haben sollen.

1878 beschlossene

Diese durch­ Umgestaltung

neu beleben.

willigen Laienelementes

Auf der

wird

die

Opferfreudigkeit und Missionslust der Wesleyaner wachsen.

Sie brachten

1875 bloß für Bauten 6,000,364 Mark auf

und beschlossen für

Kirchengebäuden.

1876

die Errichtung von

Ihr Verhältniß zur

jetzt durchweg ein freundliches.

130 neuen

englischen Kirche ist

Ihre Abendsmahlsordnung

(herausgegcben von John Barrat, Waiblingen 1873) ent­ hält treffliche Gebete der englischen Liturgie.

Die Spende­

formel heißt: „Der Leib unseres Herrn Jesu Christi, der für

dich dahingegeben ward, erhalte deine Seele und deinen Leib zum ewigen Leben.

Nimm und iß dieses

zum Gedächtniß,

daß Christus für dich gestorben ist, und genieße ihn in deinem Herzen im Glauben mit Danksagung. — Das Blut unsers Herrn Jesu Christi,

welches für dich vergossen ist, erhalte

deine Seele und deinen Leib zum ewigen Leben.

Trink dieses

zum Gedächtniß, daß Christi Blut für dich vergossen wurde, und sei dankbar." —

Doch wir wenden uns zu dem amerikanischen Methodis­ mus.

Sein Wachsen ist noch weit großartiger.

Vor einem

Jahrhundert dort kaum dem Namen nach bekannt, bildet er

jetzt die mächtigste religiöse Organisation in den Vereinigten Staaten.

Die Statistik von 1875 zählt über 6| Millionen

[50] Methodisten gegen 4| Millionen Baptisten, fast 3 Millionen Presbyterianer und beinahe 2 Millionen Katholiken. Daneben

gibt es bedeutende Missionen im Ausland.

Die erste jähr­

liche Conferenz in Norwegen z. B. fand im August 1876

in Christiania statt.

Glieder.

Dort sind 20 Prediger

und 2798

Kürzlich wurde auch in Rom die erste protestan­

tisch-italienische Kirche eingeweiht.

Das dortige theologische

Seminar wird von Rev. Pigott geleitet. Zu den 16 Predigt­

plätzen in Italien kamen 1875 noch neun andere Stationen. In

Neapel haben sie ein eigenes Gotteshaus und Blatt, die Civiltä evangelica.

Die bischöfliche Methodistenkirche des Nordens

hat überhaupt nach den Conferenzberichten von 1875: 15,633

Kirchen im Werthe von 71,350,234 Dollars.

Die Ursachen

dieses riesenhaften Wachsthums sind leicht erkennbar.

Der

Strom der Einwanderung aus Europa schlug an die Ost­

küste des Landes und drang in demselben immer weiter nach

Westen vor.

Da war nun gerade der Methodismus mit

seinem System von Reisepredigern und Ortspredigern ge­ eignet, die religiösen Bedürfnisse der schnell wachsenden Be­

völkerung zu befriedigen.

Er war auch

stets zur Stelle.

Sobald eine neue Ansiedelung gegründet wurde, waren auch

die methodistischen Reiseprediger da.

Sie sind eine treffliche

Einrichtung für eine so fluctuirende Bevölkerung. Nützlichkeit in festen Verhältnissen, tauchen jetzt unter Friedensbote der

Nr. 1).

Ueber ihre

besonders für Städte,

den Methodisten selber Zweifel auf (s.

evangelische Synode

des Westens 1877,

Denn Thom. Jacksons Begründung erweist sich

keineswegs überall stichhaltig: „der besondere Geschmack von

Allen wird befriedigt und das Interesse der Neuheit wird dem Christenthum dienstbar" (Geschichte des Methodismus, S. 97).

Die Sklavenfrage, deren Lösung Ströme von Blut ge-

[51]

lostet, verursachte auch eine kirchliche Trennung der bischöf­ lichen Methodisten. ES war die größte unter den vielen Separationen, als im Mai 1845 dreizehn Conferenzen der Südstaaten die bischöfliche Methodistenkirche des Südens gründeten. Trotzdem die Ursache der Trennung fortgefallen ist, hat doch noch 1870 Jakoby (Geschichte des Methodismus, Bd. II, S. 142) sehr wenig Hoffnung auf eine Versöhnung zwischen den feindlichen Schwestern. Dennoch findet neuer­ dings eine Annäherung statt, die zu einer Versöhnung Aus­ sicht bietet. Ein von beiden Seiten zusammengesetztes Comits tagte im August 1876 sieben Tage lang zu Cape May und arbeitete eine „völlige Fraternität" in genauen Paragraphen aus, die noch von beiden Generalconferenzen genehmigt werden muß. Ueberhaupt geht eine kräftige Unionsbewegung durch die methodistischen Kirchen. Im Mai 1876 erwog die bischöfliche Generalconferenz in Baltimore ernstlich die Frage, ein ökumenisches Concil aller Zweige der großen Methodistenfamilie zu berufen. „Die Aufmerksamkeit der ganzen Welt wird durch ein solches General-Concil in einem Grade auf den Methodismus und seine geschichtliche Ver­ gangenheit gerichtet werden, wie es noch nie der Fall ge­ wesen." Wir sagten schon, daß der amerikanische Methodismus geräuschvoller wirke, als die würdigen Wesleyaner Englands, und schilderten ein verlängertes Meeting in Amerika. Aller­ dings fordert die methodistische Kirchenlehre nirgends die Bußkrämpfe als einziges Merkmal einer wahren Bekeh­ rung (Sulzberger, Bd. II, S. 381). Aber die kirchliche Praxis zielt auf die gewaltigen Gemüthserschütterungen hin, und stehend notiren die kirchlichen Blätter die Zahl dieser „Bekehrungen", die ein Meeting hervorbrachte. Die An­ wendung der „neuen Maßregeln" ist bis heute wesentlich die-

[52]

Das zeigt auch der Bericht eines Augenzeugen von«

selbe.

1876.

September

New-Jork liegt der

Im

nördlichen

Theile

des

runde See (Round lake).

Staates Dort hat

eine Gesellschaft einen schönen, großen Hain erworben und

eingefriedigt.

Auf demselben stehen in

Gassen

etwa

kleine, zierliche Sommerwohnungen, die von stillen, habenden Leuten werden.

150

wohl­

auf einige Monate familienweise bezogen

In der Zeit der Lagerversammlung werden eben

so viele Zelte errichtet, deren jedes eine Familie oder Gesell­

Dann wird die offene Holzkirche in der Mitte

schaft faßt.

des Lagers durch ein angesetztes Zeltdach und Sitze zur Seite

im Freien

etwa fünffach

vergrößert und die Züge halten

dort mit ermäßigtem Fahrgeld. ganze Zeit oder auch

Sie bringen Gäste für die

für einzelne Tage.

Doch wir lasse«

den Augenzeugen über ein dortiges Meeting der bischöflichen

Methodisten

richten!

vom August und September

„Man

1876

selbst be­

ist in der Luft amerikanischer Frömmigkeit.

Beim Läuten einer Glocke setzt mau sich still mit dem Ge­ sicht nach dem erhöhten Altar zu, Farben drapirt ist.

der in die amerikanischen

Dahinter steigen Sitze für die metho­

distischen Prediger auf, deren ich 28 zählte.

hinter dem Altar?

Mutter einer dreizehnjährigen Tochter.

Times vom

Wer aber saß

Die dicke Frau van Cott, Wittwe und

8. September

Die Albany Evening

1876 berichtet:

, Sie ist eine

nette, wohlerhaltene Frau von 46 Jahren, über 250 Pfund wiegend, mit einer tiefen, männlichen Stimme und unbegränzter Kraft der Ausdauer.

ungünstig — bald

Der erste Eindruck, den sie macht, ist

sie scheint unweiblich;

aber dies vergißt man

bei der Bewunderung ihrer großartigen

Gewalt und

dann bei Unterwerfung unter den religiösen Einfluß, der ihr ohne Frage zu Gebote steht/

singen ohne Instrument.

Sie bat, zuerst ein Lied zu

Nun, diese englischen Lieder sind

[53] sehr schön, innig, aber die Melodiken sind weltlich, arien­

mäßig.

Dann las sie 1. Cor. 13 etwas theatralisch, wobei

schon einige Leute merklich seufzten.

Hiernach hielt ein Geist­

licher ein schönes, langes Gebet um Erweckung und Segen

für die Bersammlung.

Dann sang man, und Mrs. van

Cott erwähnte das paulinische , Eure Weiber lasset schweigen in der Gemeindeum sich ziemlich gut darüber hinaus zu helfen.

Sie hielt eine lange, in ihrer Art ausgezeichnete

Rede über das Kleine, das groß ist vor Gott und große Dinge thut.

Nun stöhnten viele Leute und riesen: , Amen,

o Lord' ii. s. w.

und zwar jetzt.

Sie forderte auf, zu Jesu zu kommen

Es wurde mir doch ein wenig bunt.

Einige

20 bis 30 von den etwa 1200 Anwesenden kamen von selbst

auf die betreffenden Bänke, andere holte sie bei ihrem Rund­ gang. durch die Reihen.

Ich studirte unter furchtbarem Herz­

klopfen einige englische, zart ausweichende, der Sache selbst

zustimmende Redensarten, als ich merkte, daß sie doch nur

Frauenzimmer heranholte.

Indeß

ließ sie immer heftiger

singen und beten, bis offenbar ein allgemeines Ergriffensein ausbrach.

Die Leute warfen sich nieder, keuchten, weinten,

frohlockten u. s. w.

Doch empfing man nirgends den Ein­

druck des Unsinns oder gar der Heuchelei.

Daun traten

Leute auf, welche beteten oder ihre Bekehrung kurz erzählten, oder sie ließ Alle, die Jesus liebten, die Hände erheben u. s. w., bis nach kurzem Lied und Segen geschloffen wurde,

um bei Licht wieder anzufangen. digten der Geistlichen.

waarm und Obstläden,

Abends sind meist Pre­

Man hat im Lager feine Colonial-

Postamt, Telegraph, Polizeiamt',

Buchhandlung und mehrere Restaurationen, natürlich ohne geistige Getränke." Nach diesem Genrebild aus dem kirchlichen Leben des bischöflichen Methodismus bleibt noch Einiges zu sagen über

[54] die kleine, deutsch-amerikanische Gemeinschaft der Albrechts­ leute. Eine zusammenhängende Darstellung derselben fehlte bisher. Selbst Dr. theol. Graul in Leipzig rechnet in der fünften Auflage seiner „Unterscheidungölehren" die Albrechts­ leute zu den Baptisten und verwechselt sie mit den Springern (Jumpers). Doch wir werden auf sie hingewiesen nicht durch ein bloßes historisches, sondern durch das praktische Interesse, eine genaue Kenntniß derjenigen Gemeinschaft zu ermöglichen, welche aus allen Kräften bemüht ist, in Deutschland ihre Kirche zu pflanzen. Diese kleine, ursprünglich rein deutsche „Evangelische Ge­ meinschaft" hat jetzt 1300 Prediger. „Sie sind nicht ein gelehrtes, aber ein bekehrtes Ministerium. Doch kann aus dem letztern das erstere werden" — sagte Bischof Escher auf der Conferenz in Kirchheim im Juni 1875. Ohne Verbindung mit den Wesleyanern lehnt sich die Evangelische Gemeinschaft enge an die bischöflichen Methodisten an. An ihnen hat sie eine starke Stütze. Bon Anfang an schlug sie deren Wege ein in Verfassung, Erziehungssache, Verlags Litteratur und Lehre. So herrscht denn bis heute ein brüder­ liches Verhältniß. Vielleicht geschieht noch einmal eine Ber­ einigung trotz Jakoby's Zweifel (Geschichte des amerikanischen Methodismus, S. 233). Die beiderseitigen Conferenzeu werden gegenseitig beschickt, und bei dieser Gelegenheit wird stets die Uebereinstimmung und Zusammengehörigkeit beider Gemeinschaften betont. Hievon zeugen auch die Verhand­ lungen der Deutschland - Conferenz der Albrechtsbrüder in Kirchheim und der bischöflichen Conferenz in Heilbronn 1875. Ebenso wünscht die brüderliche Zuschrift der evangelischen Gemeinschaft an die General-Conferenz der bischöflichen Kirche 1876 eine Union, besonders, damit das deutsche Missionswerk diesseits und jenseits nicht ein getheiltes bleibe. „Viel erfolg-

[55] reicher würde die Streiterschaar unter einem Banner kämpfen. Bereinigt würde unsere Macht und unser Einfluß sofort um'S Vierfache wechsen.

Der Unglaube, Rom und seine Cohorten,

das todte Formchristenthum vieler deutschen Kirchen würden

die Kraft unsers geistigen Lebens spüren."

Gerade die Arbeit der Albrechtsbrüder in

Deutschland

fordert es, im folgenden Abschnitt noch Näheres über ihre Gemeinschaft mitzutheilen.

Bail,

der

frühere

Wir werden dann sehen, ob Dr.

amerikanische

Consul

Recht hat, wenn er im Februar 1877

in Ludwigshafen,

sagt:

„Das Werk

wächst beständig in der Weise, daß wir alle Ursache haben,

zu glauben, daß auch für Deutschland geschehen wird, waS John Wesley und der Methodismus für England und Ame­

rika that."

Hier bemerken wir im Allgemeinen nur noch, daß das Ungeeignete

der

Bekehrungsmethode

für Schulkinder

auch

darin sich zeigt, daß man dieselben in zwei Klassen scheidet,

Die zweite Klasse, die so­

eine weitere und eine engere.

genannten „ernsten Kinder" (earnest children), werden nach Schluß der Schule dabehalten und zu engeren Bekehrungs­ Versammlungen

vereinigt.

Bei

den Versammlungen

für

Erwachsene läßt man dem Weckruf des Bußpredigers gern die Ansprache eines Bekehrten folgen,

der die Erfahrung

seines Sündenelends wie seines Gnadenstandes schildert.

predigte in

einer Londoner Methodistenkirche im Frühjahr

1876 ein Schuster mit großem Erfolg.

ladenden großen Plakaten hieß eö:

glücklichen Schuhmacher! macher

So

predigen!"

Auf den dazu ein­

„Kommet und höret den

So kann nur ein glücklicher Schuh­

Neben

der Absicht

auf solche augen­

blickliche Resultate zeigen übrigens die meisten Methodisten im

sind

Leben

einen

durchweg

bleibenden,

oft

asketischen

Enthaltsamkeitsmänner

Ernst.

Sie

(abstinence-men),

[56]

Nur-Thee-Trinker (teatotallers) und verwerfen den Tabak. In Bezug auf die sogenannten Adiaphora sind sie sehr streng und darin wesentlich verschieden von den in dieser Hinsicht meist weitherzigen Independenten und Presbyte­ rianern.

Zweite Abtheilung. Methodismus in Deutschland.

Amerikanischer Methodismus in Deutschland. Im

Jahre

New-Jork

mit

1764

begann

fünf

Personen

Im Jahr 1864 zählte sie

die

auf

Methodistenkirche

einer

in

Dachkammer.

12,000 Prediger, 447 Mis­

sionare und Gebäude im Werthe von 60 Millionen Dol­

lars.

sie

Der Methodismus

immer

zunächst

die

mehr

nach

Hauptpunkte

und

her Methodismus

hat Missionskraft.

Deutschland. zu

Uns

bezeichnen,

deutsche

Er wendet

liegt

es

auf denen

Nationalität

sich

ob, bis­

berührt

haben.

Der Methodismus wird unter uns oft lediglich als Sektirerthum und Schwärmerei betrachtet.

Mit Unrecht.

In

seiner Entstehungszeit stand er sogar zum damaligen Kirchen-

thum freundlich. kirche.

John Wesley starb als Glied der Hoch­

Er konnte sich schwer dazu entschließen, seine Gemein­

schaft außerhalb der

englischen Staatskirche zu stellen; es

kostete ihn viel Ueberwindung, im Freien zu predigen, als Jüngst, Methodismus in Deutschland.

1

2 ihm die englischen Kirchen verschlossen

dann wünschte

er noch,

daß

wurden, und selbst

die hochkirchlichen

Geistlichen

über seine Bekehrten wachen und sie fördern sollten, wovon

allerdings das

In seiner letzten Bro­

Gegentheil geschah.

schüre „Vatikanismus" sagt Gladstone, daß die theilweise

Abkehr, der Verlust John Wesley's für die englische Kirche der einzig namhafte sei seit der Reformation (ausgenommen Dr. Newman's Uebertritt zur römischen Kirche).

Während

John Wesley, durch die Verhältnisse gedrängt, das Band

mit der Staatskirche allmählich löste

und endlich zerschnitt,

hielt sein gleichgesinnter Bruder Charles, der Sänger des

Methodismus, bis zu seinem Ende die englische SuccessionS-

lehre fest.

(Jakoby, Gesch. des Method., 1870, S. 177.)

Aber auch

von John heißt es noch in

„Dieses große Licht

ging auf

seiner Grabschrift:

durch die besondere Fügung

Gottes, um dieses Volk zu erleuchten und die reinen, aposto­ lischen Lehren der Landeskirche zu erneuern, einzuschärfen und zu vertheidigen."

Einen großen Theil der Schuld an der

im Ganzen wohl zu niedrig gegriffenen deutschen Schätzung trägt der Methodismus selbst durch die Art, wie einzelne

Denominationen unter uns auftreten, wovon später

mehr.

Im Großen angesehen, dürfen wir ihm aber ein Doppeltes nicht absprechen.

und

Ein Mal hat er einen höchst erweckenden

belebenden Einfluß

auf bie ■ kirchliche Entwickelung in

England und Amerika ausgeübt.

Nicht unpassend hat man

nach dieser Seite seine Wirksamkeit verglichen mit der des

Pietismus in Deutschland.

wurf

bloßer Sektirerei

Sodann widerlegt er den Bor­

faktisch

durch

seine kirchenbildende

Kraft, wie sie uns achtenswerth entgegentritt in den großen, geordneten

und gut verwalteten Kirchenkörpern in

England

und Amerika, die durch Eintheilung der Gemeinden in kleinere Abtheilungen oder Klassen, die von Führern geleitet und ver-

sammelt werden, Kirchenzucht wie spezielle Seelsorge trefflich üben. Wir denken hier besonders an die Wesleyaner in Eng­

land, die 1853 schon 16,676 seßhafte Prediger hatten, augen­ 7485 Kapellen mit 1,723,495 Sitzen zählen, und

blicklich

an die bischöfliche Methodistenkirche in Amerika mit etwa

8 Millionen Gliedern, deren erste Kapelle am 30. Oktober

1768 in New-Uork durch Embury eingeweiht wurde. beim hundertjährigen Jubiläum wurden

Aber

nach dem Bericht

des Comitö's von 1868 schon über 8| Millionen Dollars

freiwillig geschenkt für hohe Schulen und theologische Semi­ nare.

Die bischöfliche Methodistenkirche besteht organisirt seit

1784, wo Wesley den dortigen Methodistenvereinen vr. Thomas

Coke als Bischof sendete, und übt mächtigen Einfluß auf alle kirchlichen Verhältniffe.

Wenn

die

Zahl

der Protestanten

auf der Erde richtig auf 80 Millionen angegeben wird, so

tritt

der

amerikanische Methodismus

mit

seinen 8 Mil­

lionen Seelen ein „für ein Zehntel der Interessen der pro­

testantischen Welt"

(Stevens, Hist, of the Meth. Ep.

church, p. 490).

Die zahlreichen kleineren methodistischen Gemeinschaften

stimmen mit Ausnahme der calvinistischen in den Haupt­ stücken der Lehre fast alle überein,

differiren aber in dem

größeren oder geringeren Maße sektirerischen Charakters. Ihre

Separation von dem Hauptkörper geschah häufig wegen ganz geringfügiger Abweichungen, besonders in Verfassungsfragen.

Wir geben hier nur ihre Namen und nennen in England;

1) die wälischen calvinistischen Methodisten; nistischen

Whitefieldianer

oder

die

2) die calvi­

Verbindung

der

Lady

Huntingdon; 3) die neue Methodistenverbindung oder Kilhamiten 1797; 4) die primitive Methodistenverbindung 1810; 5) die Bibelchristen oder Bryaniten 1815; 6) die primitiven

wesleyanischen Methodisten 1816; 7) die independentistischen 1*

4

Methodisten

1827;

Methodisten 1827;

8)

die

wesleyanischen

protestantischen

9) die wesleyanischen Associations-Me­

thodisten oder Warreniten 1834, die sich im Jahre 1856

mit 19,000 sich separirenden methodistischen Reformern ver­

einigten und die vereinigte methodistische Freikirche bildeten; 10) die mit den englischen Wesleyanern vereinigte Metho­

distenkirche in Canada. In Nordamerika finden wir: 1) die reformirten Metho­

disten

mit

schwärmerischer

Heiligungslehre

1813;

2)

die

afrikanische bischöfliche Methodistenkirche oder Bethelgemein­

schaft, mit Zulassung der Neger zum Kirchenregiment 1816; 3) die dieser ähnliche zionbischöfliche Methodistenkirche 1820; 4) die protestantischen Methodisten 1830; 5) die wesleya-

nische Methodistenkirche, in der Sklavenfrage streng abolutionistisch

6) deren entgegengesetzte Strömung, die

1843;

bischöfliche Methodistenkirche des Südens 1845, die mit ihrer nördlichen Schwester um das Kirchenvermögen Prozeß führte; 7) die Albrechtsleute; 8) die Otternbeinianer.

(L. S. Ja­

coby, Handb. des Meth., S. 94 ft., und Gcsch. des Meth.

1870, Ii S. 209ff.; II, S. 334.) Mit einiger Uebertreibung

nennt Stevens (Hist, of Meth. III, p. 4) den Methodismus

im Allgemeinen die wirksamste missionirende Kirche unseres Zeitalters, indem er daran erinnert, wie derselbe sein Banner

aufgepfianzt habe in vielen Gegenden des europäischen Continents, in den britischen Colonieen Westindiens, im Festland

von Südamerika und Afrika,

in Ceylon und Indien, in

China, den Inseln des südlichen Oceans und fast an allen Enden der Erde.

Uns interessirt

es

vor Allem,

unter unseren Landsleuten und

Boden gewinnt.

wie der Methodismus

zwar jenseits des Oceans

Der kirchliche und religiöse Zustand der­

selben schrie nach Hülfe.

Da übernahm der Methodismus

5 die Lösung dieser Aufgabe, die rechtmäßig unseren heimischen Es war im Jahre 1835,

deutschen Kirchen obgelegen hätte.

als Dr. Nast in Cincinnati die Leitung der deutschen Mission begann.

Derselbe wurde geboren am 15. Juni

1807 in

Stuttgart und wiedergeboren am 18. Januar 1835 in New-

Aork, nachdem er zuvor in Würtemberg einer rationalistischen Theologie und dem Kirchendienst entsagt hatte.

Sein „Christ­

licher Apologete" hatte 1869 schon über 15,000 Abonnenten. Durch ernstes und eifriges Wirken zählten die bischöflichen

Methodisten unter den Deutschen Amerika's im Jahr 1852 schon 113 Missionen, 138 Missionare und 9476 Glieder, aber 1869 schon 25,340 Glieder, 4272 Probeglieder, 315 Lokalprediger,

451

Kirchen

und

514

Sonntagsschulen.

Stevens berichtet (Hist, of the M. E. ch. 1867), daß be­ sonders viele Katholiken gewonnen wurden und daß die frische Kraft des ursprünglichen Methodismus aufgelebt sei in dem

Eifer, der Einfachheit, der Selbstopferung und der Frömmig­

keit der deutschen Methodisten.

Die Uebernahme dieser Ar­

beit unter den Deutschen sei eins der denkwürdigsten Ereig­ nisse in der Geschichte der modernen Missionen.

Jedenfalls

sei es die erfolgreichste und vielleicht wichtigste (the most

successful, if not the Mission.

most

important)

methodistische

Die weSleyanische Mission unter den Deutschen

Londons wurde 1864 durch Pope und Böttcher begonnen. Aber bald trat auch der Gedanke an ein missionirendes Auf­

treten in Deutschland selbst an die nordamerikanischen Kirchen­ gemeinschaften heran.

Und zwar in natürlicher Weise.

Unter

den zahlreich auswandernden Deutschen waren Viele zu solchem

Entschluß getrieben durch politische Unzufriedenheit, politische oder sittliche Vergehungen, sociale oder private Nothstände.

Wenn nun die Schiffe diese unsere Landsleute an die ameri­ kanische Küste trugen, so erschienen sie dort mannigfach als

6 religiös verwilderte, glaubenslose Massen, von Atheismus

und Materialismus zerfressen.

Der Rückschluß auf Mängel

heimischen kirchlichen und christlichen Zustandes lag

unseres

ebenso nahe, wie

das Bestreben,

den Deutschen schon im

eigenen Lande die Wahrheit zu bringen und auf sie den Ein­

gewinnen, den unsere Kirchen nicht geübt hatten.

fluß zu

So gründeten die englischen Baptisten (Oncken, 1834) in Hamburg

eine

ihrer

Centralstelle

Wirksamkeit.

aber nach der

hatten 1861 in Preußen erst 5452 Glieder, neuesten Statistik zählen

Dieselben

sie deren jetzt schon über 12,000

in geordneten, theilweise sehr wohlhabenden Gemeinden, wie

der dem

über

ihre

vorliegende Gesetzentwurf

preußischen Herrenhaus

Cyrporationsrechte

nachweist.

bischöflichen

Die

Methodisten Amerika's wählten Bremen (1849) und arbei­

teten durch den dortigen, sehr eifrigen Missionar 8. S. Ja­

coby.

Sie verfolgten anfangs nur den Zweck, „durch Ver­

breitung von Bibeln, neuen Testamenten, guten evangelischen

Büchern und Traktaten das

Reich Gottes in Deutschland

aufbauen zu helfen" (1. Jahresbericht der meth. Trakt.-Ges. für Deutschland 1853). wenn dieser Zweck sich meinschaft

Es war

eine naturgemäße Folge,

bald auf eine Ausdehnung der Ge­

selbst erweiterte, so

daß Stevens (1867) sagen

kann, die Mission breche gewaltig Bahn für einen deutschen

Methodismus in Europa (it is laying broad foundations

for a European

German

beiden Seiten des Oceans

Methodism).

fast

kanten und 300 deutsche Missionare. sind

deutsche

Kirchenkreise

deutsche Buchgeschäfte

Er

zählt

auf

30,000 deutsche Communi-

gebildet,

Diesseits und jenseits deutsche

mit ihren Zeitschriften,

Conferenzen, deutsche Pre­

digerseminare oder Missionsanstalten (Bremen 1858, später Frankfurt 1868) sind gegründet.

In Bremen erscheint der „Evangelist" mit 10,386 und der

7

„Kinderfreund" mit 8013 Exemplaren und Traktathaus mit Kapelle der bischöflichen Methodisten laden in Bremen und

Bremerhafen durch große goldene Buchstaben zum Eintritt Diese haben in Deutschland jetzt 64 Prediger und bei­

ein.

nahe 9000 Mitglieder, die sich vertheilen auf den Bremer, Oldenburger (Hamburg), Berliner, Frankfurter (Dillenburg,

Rheinprovinz, Heidelberg, Elsaß), Würtemberger, Züricher und Baseler Distrikt. In Waiblingen (WUrtemberg) ist der Mittel­ punkt und Verlag der englischen weSleyanischen Methodisten-Ge-

meinschaft.

Der dortige Superintendent general liefert regel­

mäßige Berichte nach England, läßt seit einigen Jahren die Gottes­ dienste zu derselben Stunde wie die landeskirchlichen abhalten und trachtet, die Leute von der evangelischen Kirche abwendig

zu machen, rote mir aus zuverlässigster Quelle in Würtemberg berichtet wird.

Im Jahre 1870 hatte die wesleyanische

Missionsgesellschaft in Würtemberg 8 Kapellen, 133 Predigt­ plätze , 11 Missionare, 34 seßhafte Prediger, 7 Sonntags­ schulen (Jacoby, Gesch. des Meth. II, S. 253).

Ihr

erster Missionar daselbst war C. G. Müller in Winnenden 1831—1858, der in gutem Andenken steht, aber die Landes­ kirche nicht achtete.

Ebenso sind die dortigen amerikanischen

Methodisten ganz antikirchlich, feiern das heilige Abendmahl

selbst und suchen die Leute zum Austritt aus der Kirche zu veranlassen.

Ganz entsprechend wirken die Albrechtsbrüder,

die in die Arbeit der englischen Wesleyaner hineingekommen sind.

Wir wollen nun kein tadelndes Wort sprechen über die Thätigkeit der Methodisten unter den Deutschen Amerika'S.

Im Blick auf deren faktische religiöse Verwahrlosung und unsere ihr gegenüber vorliegende Bersäumniß kann ich mich

nicht eines aufrichtigen Dankgefühls entschlagen für die unter ihnen geschehene Liebesarbeit.

Anders ist eS freilich mit der

8

Propaganda auf deutschem Boden. Wir können sie iticht mit denselben Empfindungen betrachten. Sind unsere Lands­ leute und die Methodisten jenseits des Oceans in unzähligen Berührungspunkten naturgemäß einander zugeführt und auf einander angewiesen, so ist das bei uns nicht der Fall. Wir müssen dagegen protestiren, von den Methodisten in dem­ selben Maße als Missionsgebiet betrachtet zu werden, wie China und Polynesien. Freilich ist diese Anschauung in England und Amerika neuerdings nicht selten. Rev. Boyce stellt in seiner neuen Missionsstatistik die Arbeit der Metho­ disten und Baptisten in unseren Landeskirchen als vollberech­ tigte „Mission" ganz auf eine Linie mit ihren Bekehrungs­ versuchen unter Hindus und Kaffern. „Wiewohl fremde Dazwischenkunft unerwünscht sein mag, schien eS natürlich, daß das protestantische England und Amerika veranlaßt wurden, rechtgläubige und geistliche Religion in Deutschland wieder zu beleben." Mit Recht weist dem gegenüber die Neue evangelische Kirchenzeitung (1875, Nr. 10) darauf hin, daß das sittliche Leben in England keineswegs besser, in Amerika aber schlechter sei, als bei uns, und daß die bei uns weit verbreitete religiöse Gleichgültigkeit nicht aufgehoben werden könne durch die paar Emissäre angloamerikanischer Sekten. Wir können hinzufügen, daß diese Bekehrungsver­ suche von außen nachweislich selten gemacht werden an den erstorbenen, sondern fast durchweg an den lebendigen Gliedern der Landeskirchen. Auch die Herrnhuter senden zu solchen ihre Brüder. Aber wohlthuend berührt es, zu sehen, wie sie weit entfernt sind, für sich Propaganda zu machen, son­ dern geäußerten Uebertrittswünschen gegenüber einfach er­ klären: „Damit ist uns nicht gedient und Ihnen nicht ge­ holfen." So selbstlos in dienender Liebe sind die Metho­ disten nicht, wie Folgendes beweist. Die südliche bischöfliche

9 Methodistenkirche,

die Sklavenfrage separirt, widmet

durch

sich auch den Deutschen im

Sie klagt sehr über Eingriffe dieses ihr Missionsgebiet.

Süden Amerika's

mit Eifer.

der nördlichen Methodisten in

Deren großer Erfolg in Schweden,

Dänemark und Deutschland solle sie mehr Rücksicht lehren.

ist sogar (Nashville, einem hemmenden,

Proselytenthum der Agenten

gehässigen

der nördlichen Kirche

Es

Christian advocate) die Rede von mit Taschen

voll Misfionsgeld (Auf­

kaufsystem), worüber viele Kapitel mitgetheilt werden könnten.

Wir können

darüber

Nichts

sagen

und

sehen unparteiisch

zu, wie beide Gemeinschaften sich unsere Landsleute jenseits des Oceans streitig machen.

häuslichen

Streit

über

Wir constatiren einfach diesen

Proselytenthum

zwischen

beiden

Schwesterkirchen, knüpfen aber daran die Frage, ob es ver­ wunderlich ist, wenn auch in unseren heimischen evangelischen

Kirchen Klagen laut werden über transatlantisches Werben

in

unserer Mitte?

Noch ist das

heilige Feuer

auf

Altar unserer evangelischen Kirche nicht verglommen.

dem

Noch

hat unsere Kirche Lebenskraft zu reicher und großer Liebes­

arbeit innerer und äußerer Mission.

So lange das der Fall

ist, halten wir es für nöthiger und nützlicher, amerikanischen

Kirchengemeinschafteu

für

ihren

wenn

die

bedeutenden

und berechtigten Missionstrieb Befriedigung bei den Heiden suchen.

Mit Recht sagt Grundemann:

auswärtiger Denominationen in

„Alles Missioniren

einem evangelischen Lande,

in dem das lebendige Christenthum noch wirksam ist, können

wir nur

mißbilligen"

(Allg. Miss. - Zeitschr., Febr.

1875)

und Professor Christlieb hatte guten Grund, auf der Evan­

gelischen Alliance in New-Jork dagegen zu protestiren, daß

amerikanische Evangelisation unter den Protestanten Deutsch­ lands gerade so betrieben und betrachtet würde, als die Ar­ beit in heidnischer Finsterniß.

Doch wird dieselbe besonders

10 in unseren Tagen von

verschiedenen Seiten mit erneuten

Eifer und mit Macht angegriffen.

„Wir stehen geradezu

einer englisch-amerikanischen Invasion gegenüber, gegen welche unsere Gemeinden nicht

hinlänglich gerüstet sind."

(Neue

evang. Kirchenztg.)

Offenbar bietet kein Land für Sektenbildung einen gün­

stigeren

Boden,

als Nordamerika.

Auch unsere

Landsleute sind für dieselbe in nicht geringem pfänglich.

dortigen

Grade

em­

ES war dem Methodismus vorbehalten, die ge­

waltigste Bewegung unter ihnen hervorzurufen.

Dafür spricht

nicht sowohl die große Zahl derer, welche durch die amerika­ nischen Methodisten

gewonnen

besonders der

wurden, als

Umstand, daß die deutsche Nation in Amerika mehrere selbst­ ständige methodistische Gemeinschaften aus eigenem Schooße

geboren hat.

Dahin

gehören

die

vereinigten Brüder

in

Christo oder Otternbeinianer mit 500 Predigern (Ottern­

bein f

1813),

die Kirche

Gottes

oder Weinbrennerianer

(1839) und besonders die für uns zur Betrachtung kom­

mende „Evangelische Gemeinschaft". Schon ist man hie und da aufmerksam geworden auf die auch in Deutschland organi-

sirten Bestrebungen dieser methodistischen sogenannten Albrechts­

Da ihr Wesen

leute (Albrightsmen, auch Albrechtsbrüder).

vielfach unbekannt ist, auch ihr Wirken unter uns neuerdings

in großem Maßstabe wächst, so sind die nachstehenden Mit­

theilungen bestimmt, über ihre neueste Entwickelung nnd über ihr Arbeiten

in Deutschland Nachricht zu geben.

1800 entstanden,

1803

und

Sie sind

organisirten sich zuerst am 3. November

nennen

sich

Evangelical Association.

selbst

Evangelische

Den

Namen

Gemeinschaft,

„Albrechtsleute"

betrachten sie jetzt als Scheltwort, weisen ihn ab und fühlen

11 sich durch seinen Gebrauch beleidigt.

Da sie in Amerika zu­

weilen auch in anderer Weise unrichtig benannt werden, so

ist unter ihnen der Vorschlag gemacht, den Namen „Evan­ gelische Kirche" zu adoptiren (Christi. Botsch. 1875, S. 28) wählen zwischen den

oder zu

Bezeichnungen

„Evangelische

Bischöfliche Kirche", „Evangelische Methodistenkirche", „Evan­

gelische

Brüderkirche" (Christl. Botsch.

1875, S.

153).

Wir halten uns an den.offiziellen Namen „Evangelische Ge­ meinschaft", ohne das Wort „Albrechtsleute" zu meiden, welches

im Volksmund wie im theologischen Gebrauch sich allgemein

eingebürgert hat.

Selbst der Methodist Jacoby sagt: „Man

kennt sie in Amerika noch immer unter dem Namen die Albrechtsbrüder." Jacob Albrecht, der Stifter der Denomi­ nation, geboren im Kreis Douglas, Grafschaft Montgomery

im Pennsylvanien 1759, wurde unter Aufsicht seiner Eltern, die aus WUrtemberg stammten, lutherisch erzogen und con-

firmirt.

Nachdem er durch die Methodisten bekehrt war, be­

schränkte er sich nicht mehr auf Ackerbau und Ziegelbrennen, sondern predigte seinen deutschen Stammgenossen.

Er wurde

darin unterstützt durch Johannes Walter und Georg Miller, erhielt 1803 von seinen eigenen Anhängern die Ordination,

wurde am 16. November 1807 von der ersten Conferenz zum Bischof gewählt, starb aber schon 1808.

Die alt­

orthodoxen Glieder stellen ihn in eine Linie mit Paulus und Luther.

Die zweste Conferenz 1809 stellte die Glaubens­

lehre und Kirchenordnung fest, welche Miller ganz nach dem

Muster der Bischöflichen Methodistenkirche verfaßt hatte und gestimmte selbst den Namen der Gemeinschaft „Die soge­ nannten Albrechtsleute", der aber von der ersten General-

conferenz

1816

Gemeinschaft".

verändert

wurde

in

„Die

Evangelische

Ihre Repräsentativbehörde ist eine General-

conferenz, die 1875 wieder zusammentreten wird, an deren

12 Seine kirchlichen Machtbefugnisse

Spitze ein Bischof steht.

sind aber nicht groß, auch geschieht bei jeder Generalconferenz

eine neue Wahl,

wobei

Johannes Seybert war

jedoch

Wiederwahl

gestattet

ist.

der zweite Bischof nach Albrecht.

Er wurde von der fest constituirenden Generalconferenz im

Mär; 1839 erwählt

und

bekleidete

das

Amt mehr

als

20 Jahre lang. In ihrer kirchlichen Haushaltung wollen sie weder

römisch, noch presbyterianisch sein, sondern verbinden das episko­ pale Moment mit dem synodalen.

Von dieser Regierungsform

— nach ihrer Angabe einfach methodistisch — sagen sie, daß

sie mit ihrer Eigenthümlichkeit einzig in der Welt dasteht und nur sich selbst gleichsieht.

Im Juli 1870 zählten sie 70,800

Glieder, 587 Reiseprediger, 401

905

Kirchen

und

notirten

eine

festangestellte

Prediger,

Missions-Einnahme

55,842 Dollar (Christl. Botsch. 1870, S. 236).

haben augenblicklich nach ihrer eigenen Angabe

von

Sie

1000 Pre­

diger und 100,000 Mitglieder, während sie 1816 nur 1400

und 1835 nur 5119 Mitglieder zählten.

Auf der General­

conferenz 1835 in Orwigsburg (Pennsyloanien) wurde das Blatt gegründet, welches vertreten sollte.

die Interessen

der Gemeinschaft

Zur Zeit wird dasselbe redigirt von R. Dubs

in Cleveland (Ohio;

am

südlichen Ufer

des Erie-See's;

150,000 Einwohner) und neuerdings wird es auch in Deutsch­

land eifrig verbreitet.

Cs ist eine sehr umfangreiche Wochen­

zeitung von mindestens vier großen Bogen, die außer religiösen Aufsätzen und Mittheilungen, Erläuterungen biblischer Ab­

schnitte für Sonntagsschulen, christlichen Romanen u. s. w. auch politische Ereignisse bespricht und Tagesgeschichte, Anek­ doten und Annoncen verschiedenster Art bringt.

Mit aus­

führlicher Sorgfalt werden besonders die biblischen Abschnitte für die Sonntagsschule besprochen.

Denn in den staatlichen

Volksschulen der Vereinigten Staaten wird kein Religions-

13 unterricht ertheilt,

Katholiken und Lutheraner be­

weßhalb

sondere Gemeindeschulen

eingerichtet haben.

Alle

übrigen

kirchlichen

Gemeinschaften aber geben Religionsunterricht in

den sehr

gepflegten Sonntagsschulen.

Die Zeitschrift hat

den Titel „Der Christliche Botschafter, evang. Kirchen- und

Familienblatt" und ist wohl das größte evangelische Kirchen­

Im Anfang und in der ersten

blatt in deutscher Sprache.

Entwickelung war nämlich die Evangelische Gemeinschaft aus­

schließlich deutsch.

Jetzt ist sie schon so von amerikanischem

Staatsbewußtsein durchdrungen, daß der „Botschafter" (Nr. 50, 1874) sagt: Wer das große 100jährige Jubelfest der nord­ amerikanischen Republik (4. Juli 1876) nicht von

ganzem

Herzen mitfeiern wolle, sei sicherlich kein Patriot und auch

kein Christ, denn jeder wahre Christ sei auch ein guter Pa­

deutsche Abstammung

triot.

Trotzdem verleugnet sich

nicht.

Während des Krieges mit Frankreich geht durch die

die

Presse der Albrechtsleute ein frischer Hauch deutsch-patrio­

tischer Begeisterung.

Da

die Kinder

der

eingewandertcn

Deutschen die Landessprache bald lieben lernten, auch englisch sprechende Personen in den Predigt- und Betversammlungen

bekehrt und gewonnen wurden, denen man dienen wollte, so beschloß die Generalconferenz schon 1843, auch eine Zeitung

in englischer Sprache herauszugeben, die unter dem Titel „ Evangelical Messenger ■* bis heute erscheint und anfangs

nebst dem „Christlichen Botschafter" von Rev. Nikolas Gehr redigirt

wurde.

Dieser erste

Redakteur

trennte

sich

aber

schon nach einem Jahre gänzlich von der Gemeinschaft wegen

dogmatischer Differenzen, schloß sich der reformirten Kirche an und ist

zeitung.

augenblicklich Editor

der reformirten Kirchen­

Ueberhaupt treten öfter die besten Sprecher und

Klassenführer zu der deutsch-reformirten Kirche über.

Diese

achtet die Albrechtsleute so wenig, daß die Synode, die Gehr

14 aufnahm, vor seiner Aufnahme beschloß, daß die Evangelische Gemeinschaft kein Zweig der christlichen Kirche sei und ihn von Neuem ordinirte.

Gehr vertheidigte den Albrechtsleuten

zu wenig die spezifischen Lehren der Gemeinschaft, billigte

nicht

ihre Grundsätze

von

„völligen Heiligung"

der

und

empfing den Vorwurf übertriebener Liberalität gegen Anders­

denkende.

Die Editoren beider Blätter wechselten vielfach.

Im Jahre 1867 hatte der „Messenger“ 6576 Abonnenten. Der deutsch geschriebene „Botschafter" dagegen hatte im Jahr

1838 erst 1500 Abnehmer, 1840 schon 2070, 1850 schon 4000, 1863 schon 13,248, 1874 aber 19,966, und am 9. Dezember 1874 waren schon 1400 neue Abonnenten pro

1875

Außerdem

angemeldet.

„Christliche

Kinderfreund",

erscheinen

seit

1869

seit

das

1856

der

„Evangelische

Magazin", anfangs redigirt non I. I. Escher, Bischof der Es ist eine Monatsschrift für

Evangelischen Gemeinschaft.

wissenschaftliche

Praxis

der

Joh. 17, 3.

und

praktische Theologie

Evangelischen

nach

Gemeinschaft mit

Lehre dem

und

Motto

Ferner die „Living Epistle“ und der „Sun-

day School Messenger“.

jetzige Redakteur:

Bei ihrer Nennung sagt der

„Die Brüder

in

Deutschland

sind

ein

BiSchen zu weit von hier, um hier aufgezählt zu werden." Wen er

damit meint, weiß ich nicht.

Doch ist wohl an

den in Deutschland erscheinenden „Evangelischen Botschafter"

gedacht, der am 3. Februar dieses Jahres 10,500 Abon­

nenten zählte.

Derselbe ist das eigentliche Organ der Evan­

gelischen Gemeinschaft in Deutschland, entnimmt Manches

aus dem viel umfangreichern „Christlichen Botschafter", er­

scheint bei Raiger in Nürtingen monatlich zwei Mal unter der Redaktion von I. Küchele in Reutlingen und berichtet

unter Anderm von den Fortschritten in Deutschland, Kapelleneinweihungen u. s. w.

den

Er trägt das Motto: „Im

15 im Unwesentlichen Freiheit

Einheit,

Wesentlichen

Die jenseitige Druckerei in

Ganzen Liebe."

in der 1874 neu

und

im

Cleveland ist

erbauten Buchanstalt, „eins der feinsten,

elegantesten und besteingerichtetsten Geschäftshäuser der Stadt", welches schuldenfrei dasteht, obschon sein Bau 35,000 Dollar

erfordert hat.

So kennen die Albrechtsleute sehr wohl die

Macht der Presse

Maßstabe, so

brauchen

und

sie in

daß Bischof Escher

einem großartigen

der Meinung ist,

ihr

deutsches Buchgeschäft könne zum ersten in Amerika erhoben werden gerade durch

die Verzweigung ihres Agentensystems

in

alten

neuen

der

und

Welt

(Christl.

Botsch.

18.70,

S. 268).

Ueber den Zweck des

kommenden

besonders in Betracht

„Christlichen Botschafters"

Derselbe

nähere Auskunft.

stimmt gewesen, das Heil

für uns

gibt uns

sei von Anfang an

R. Dubs dazu 6e«

die Grundwahrheiten der heiligen Schrift,

in Christo zu vertheidigen, die Glieder der Ge-

memschaft in ein inniges Verhältniß zu einander zu bringen, aber auch durch Mittheilungen von Erweckungen (Revivals) und überhaupt zur Ausdehnung des Werkes und zur Ver­

mehrung festhaltend

ihres

Einflusses

beizutragen.

Hieran

wesentlich

solle er fernerhin als Organ der Evangelischen

Gemeinschaft vor allem die Interessen derselben nach Maß­

gabe ihrer Glaubenslehren und Kirchenordnung wahren und vertheidigen, solle conservativ-kirchlich geführt werden und

unwandelbar festhalten

lichen Lebens,

an den Grundprincipien ihres

ohne die Interessen

kirch­

des Reiches Gottes und

die echte, christliche Weitherzigkeit zu vergessen.

Jedes Blatt

bringt ausführliche Berichte von den hin und her im Freien gehaltenen erweckenden Versammlungen oder campmeetings,

Laubhütten genannt, und lungen

(protracted

über die

meetings).

verlängerten Versamm­

Die geschehenen

Bekeh-

16 rungen werden gezählt und wird auch jede- Mal genau an­

gegeben, wie nommen

Biele noch

„am

Suchen"

Hiervon

nur

ein

sind.

Beispiel,

kleine,

„eine

Eine Familie

himmlische Geschichte".

gottselige,

oder schon ausge­ hatte in

eine Zweitagversammlung und die Schwester

ihrem Haus

ließ nebst anderm Backwerk 30 Laibe Brot backen.

„Mit

diesem aber war es der guten Schwester nicht gethan — sie

betete auch und gewiß im Glauben, daß doch für jeden Laib Brot eine Seele zu Gott bekehrt werden geschah es" u. s. w. (1875; S. 17).

möchte.

Und so

Bei diesen Berichten

werden ferner nicht nur die Ansprachen der Redner vielfach

wiedergegeben, sondern



ganz amerikanisch — auch

oft

ihre Stimme, Geberden, Haltung, Nase, Mund, Haare be­ Da es zur Charakterisirung dient, kann ich mir

schrieben.

nicht versagen, auch hiervon ein Beispiel aus dem Oktober Es betrifft den zeitigen Präsidenten der

1874 anzuführen.

National-Lagerversammlungs-Gesellschaft,den zur bischöflichen

Methodistenkirche gehörigen Rev. John Jnskip, an

dem die

Albrechtsleute das besonders anerkennen, daß er

die Lehre

von der völligen

weltlichung

Heiligung,

großen

der

die in Folge

Kirchenkörper

der Ver­

vernachlässigt

war,

wieder hervorhebt, eine Lehre, „durch welche sich der Metho­ dismus vor allen protestantischen Kirchen seit seiner Existenz auszeichnete".

in

Der Mann, der Solches int Ange hat, wird

folgender Weise verherrlicht:

„Der geniale Hauptführer

der National-Lagerversammlungs-Gesellschaft ist eine von allen

ihren Mitgliedern beim bare Erscheinung.

Rev.

ersten Blick auffällige

I. S.

Jnskip ist

und erkenn­

seiner Person

nach etwa 5 Fuß 6 Zoll hoch, mit stark untersetztem, rund­ artigem

Körperbau

und

mag

60

Jahre

alt

sein.

Die

vordere Höhe seines Kopfes verräth äußerlich nicht die Breite

der Intelligenz wie bei Rev. Mc. Donald, denn

die Stirn

17 breit und schräge ablaufend, die Nase

ist weder hoch noch

ist breit und hat ziemlich große Nüstern, ist auch beständig be­

lastet mit der feinen, außerordentlichen

und

goldenen Brille

mit

Luthermund

seinen

ist von einem

schön

Gliedmaßen vom Haupt bis zu Fuß im zu einander gegliederte Positur.

selber sagen:

geformten

Er ist eine recht compakt gebaute, alle

Winkeln untcrziert.

stelle mir oft

,Jch

besten Ebenmaß

Ich hörte ihn über dieses

vor, wenn ich all' die

schwere Arbeit betrachte, welche ich an unsern Lagerversamm­

lungen zu verrichten habe, daß ich der am besten und dauer­

haftesten gebaute Mensch Schöpfung

geboren

sein

wurde/

muß, Und

der

seit

dennoch

ist

Auch

schön, noch auch abstoßend zu nennen.

der

großen

er

weder

seine Stimme

lavirt zwischen Alto und Baß dahin, ist mehr stark, als wohlklingend, und wenn im feurigen Tempo dahin rauschend, ist sie fast wie die Stimme eines brüllenden Löwen, welche

Er ist fesselnd im Predigen,

alles Widerstrebende bannt.

Erzählen und Ermahnen; nie ist er. verlegen, seine Gedanken in Worte und Sätze einzukleiden, die immer dem guten An­

stand entsprechen.

Sein Verhalten auf der Kanzel ist leb­

haft und beweglich natürlich.

und

Fühlt er

froh

aller Excentricität,

trotz

immer,

sich

und

gesegnet in Gott, so

jubelt er öfters wie ein Kind ein Hallelujah um das andre von

der Kanzel herunter.

Mit

seiner gewaltigen Stimme

beherrscht er mit Leichtigkeit ein Auditorium

beherrschenden

ihn

Kraft

von

15,000

mit dem geheimen Zauber der

Zuhörern und clektrisirt sie

Gottes."

Entsprechend

dieser

Schilderung wird sodann die Art beschrieben, wie bei dem

betreffenden campmeeting Rev. Jnskip seine Aufmerksamkeit auch

den beiwohnenden Deutschen schenkte, deren Gebet ein

deutscher

Laienbruder

Grunde hörte".

leitete,

„den

„Jnskip fing

Jüngst, Amerik. Methodism.

man

auf

dem

an, darüber

ganzen

zu jauchzen;

2

18 auch unser Valentin rauschte tüchtig zwischen durch."

Beim

Aufstehen von den Knieen sangen sie ein deutsches Lied und Einer legte ein deutsches Bekenntniß von Christo ob, welches

sofort übersetzt wurde.

„Während dieses Vorganges jubelte

Jnskip ein Hallelujah um das andere, auf dem Stande hin-

und herlaufend, daß es weithin hallte."

Noch Stärkeres und

zwar über die Albrechtsbrüder bietet der Bericht eines preußi­ schen Reisepredigers aus der neuesten Zeit, den Hollenberg

in Herzogs Realencyclopädie mittheilt und dem ich folgende Sätze entnehme:

„Mit Entrüstung erzählte man mir, wie

bei der letzten , Bekehrung' die Weiber so an der Erde ge-

wirthschaftet, daß die Brüste schamlos entblößt wurden und wie ein wildes Durcheinander von Weibern und Männern stattgefunden habe.

Die Bußbank spielt eine große Rolle.

Bekehrungen sind nur dann anerkannt, wenn sie an der Buß­

bank mit Geschrei, Stöhnen, Verdrehen der Augen geschehen."

(Relata refero.)

Ueber solche Art von Erweckung und Er­

bauung braucht wohl Nichts bemerkt zu werden. Es ist aber ganz unzweifelhaft, daß

wir in den Al­

brechtsleuten eine Gemeinschaft auch mit bestimmtem kirch­ lichen Gepräge vor uns haben, die nicht nur auf religiöse

Erweckung im Allgemeinen auögeht, sondern auch sich selbst auSdehnen will, wie der „Christliche Botschafter" es offen

sagt:

„Ich halte es für unseren Beruf, die Evangelische Ge­

meinschaft mit ihren Eigenthümlichkeiten auch in Europa zu gründen und auszubreiten" (Bischof Escher, Chr. B. 1870,

Nr. 30).

1850.

Das Missionswerk in Deutschland begann um

Anfangs zwar sollte es bloß „Seelen retten"'.

Aber

bald beschloß man die Organisirung selbstständiger Gemeinden

(Reutlinger Conferenz 1868 und schon früher), angeblich um dem Loos des Pietismus zu entgehen, den die Kirche in

ihren Schooß genommen und großentheils erstickt habe.

Die

19 Bildung der Deutschland-Conferenz war der erste, aber auch

epochemachende Schritt in dieser Richtung hin. „Es muß Einem

fast Wunder nehmen, daß man überhaupt je den Gedanken hegte, unser Missionswerk werde auf die Dauer fortbestehen, so dasselbe nicht in gutgegründeten, selbstständigen Gemeinden eine Festung

und Pflegstätte habe" (Bischof Escher im Evang. Mag. 1870,

S. 63.)

Doch ist ihr kirchliches Wesen nicht so starr, daß es

nicht in seinem Schooße Raum hätte für verschiedene Strö­

mungen, die theils friedlich neben einander hergehcn, theils sich leise oder lauter an einander reiben.

Im Jahr 1870 z. B.

vertrat ber „Messenger“ Anschauungen über Glaubensartikel der Gemeinschaft, besonders über Heiligung, die der „Christliche

Botschafter"

als revolutionär und grundstürzend bezeichnet

(Chr. B. 1870, Nr. 50). Wir bemerken zunächst eine or-

thodox-conservative Richtung, die am meisten an der Person Albrechts und

und Berfaffung

unerschütterlich an

der ursprünglichen Lehre

Sie ist die einflußreichste, pole-

festhält.

misirt auch gegen andere Kirchlichkeit,

wacht über aas Be­

kenntniß der Väter von der Heiligung und christlichen Voll­ kommenheit und beklagt es, daß von verschiedenen Richtungen

her in die Gemeinschaft Mißbegriffe, Abweichungen, unrich­ tige Auslegungen, wenn nicht gar Bezweiflung dieser köst­

lichen Lehre sich hätten einschleichen wollen.

Ein Vertreter

„In Bezug auf Gelehrsamkeit, in

dieser Richtung schreibt:

der Schulsache, im Kirchenbauen, in der Unterstützung der

Prediger, der Missions- und Waisensache u. s. w. hat die

Evangelische Gemeinschaft warten gute Fortschritte

seit

mehreren Jahren über Er­

gemacht.

Ob die Gemeinschaft bei

diesem in dieser Hinsicht sichtbaren Gedeihen,

in der Lehre,

im Leben und in der Praxis nach dem Sinne des Evange­

liums und der heiligen Religion auf ihrem guten, alten Grunde fest geblieben und keine Erschütterung erlitten

2*

20 hat, will ich hier nicht beurtheilen."

Er klagt auch über die

Vernachlässigung der Kirchenzucht (Chr. B. 1875, S. 17). Ein Anderer will nur ganz Bekehrte und gründlich Erneuerte

in die Gemeinschaft aufnehmen, nicht ein Mal wahrhaft Er­ weckte, denn gerade in der Gliederaufnahme drohe ihrer Kirche

große Gefahr, Babel entgegen zu treiben, zu viel Spreu

unter den Waizen zu bekommen u. s. w. (Chr. B. S. 48.)

1875,

Gerade diese Anschauung findet bei den Baptisten

lauten Beifall.

In und neben dieser Richtung findet sich

eine weitherzigere Strömung, die von Unionsgedanken durch­ zogen ist, welche in Bezug auf andere methodistische Deno­ minationen

auch

offenbar

ernstlich

gemeint sind.

Andere

wieder treiben die HelligungSlehre bis zu der Spitze, daß der Wiedergeborene, aber nicht völlig Geheiligte, unvermeid­

lich ewig verloren gehe (Evang. Mag. 1870, S. 15 u. 19)

und Einzelne endlich befürworten eine Gleichberechtigung ver­

schiedener Lehransichten (Chr. B. 1870, Nr. 31) oder erlauben

sich auch kritische Zweifel, z. B. über Erbsünde und Tri­ nität.

Wir sehen ein Mal ihr Kirchenthum etwas näher an. Nachdem der Engländer John Wesley (f 1791) den Me­

thodismus gestiftet, spaltete sich derselbe sofort in zwei Strö­

mungen, die wir noch heute verfolgen können.

Trennung war die Prädestinationslehre.

Anlaß zur

Die Einen folgten

Wesley und der milderen Lehrfassung des Arminius,

die

Andern folgten Whltefield und seinem strengen Calvinismus. Die Albrechtsleute,

welche

von

einer

gewissen Gereiztheit

gegen die Reformirten nicht frei sind, gehören mit der großen Mehrzahl zu den arminischen Wesleyanern.

bensbekenntniß ist ein arminischeS.

„Unser Glau­

Wir waren von Anfang

an wesleyanisch und sind es sitzt noch." (Chr. B., Nov. 1874.)

Sie legen auf ihre besondere Kirchenlehre großes Gewicht.

21

Die jungen Leute in dem biblischen Institut oder Prediger­ seminar sollen vor allem

die Lehre von Grund aus ver­

stehen lernen, die unverändert fest bleiben muß bis an das Ende der Welt.

Sie sollen lernen, wo der arminische Be­

dem calvinischen scheidet und wie und wo

griff sich von

sich die weSleyanische Lehre von der Ansicht der andern pro­

testantischen Benennungen trennt.

Die Lehrer des Instituts

sollen beim Amtsantritt und nachher sogar

jährlich

sich

schriftlich verpflichten, Nichts zu lehren, daS mit der Lehre

und der Kirchenordnung unvereinbar ist oder dieselbe unter­ graben könnte.

derstellung

ist

Neben dieser scharf betonten kirchlichen Son­

die

jedoch

Evangelische

auch

Gemeinschaft

bereit, mit verwandten Kirchen zu gemeinsamen Zwecken Hand

in Hand zu gehen.

Ihr Organ sagt beim Jahreswechsel,

Union und Mission sei die Signatur unserer Zeit.

Eigen­

thümlich ist die günstige Auffassung der kirchlichen Lage, im Vergleich zu den trüben Farben, mit denen manche Christen

Gegenwart

die

und

Zukunft

der

Kirche

johanneische Zeitalter der Liebe ist gekommen.

Ausgießung des

malen.

„Das

Eine gewaltige

heiligen Geistes wird die Folge sein.

Die

Betonung der völligen Liebe in Lehre und Leben, wie es in neuester Zeit fast an allen Enden *) der Erde geschieht,

ist

höchst

bezeichnend

Reiches Gottes.

lichen

für

die

Entwickelungsgeschichte

Heiligung muß den Anbruch der großen Friedenszeit

der Kirche Christi auf Erden herbeiführen. Kirche gewaltige Dinge bevor.

naht.

des

Diese Lehre von der völligen Liebe oder christ­

ES stehen der

DaS Pfingsten der Völker

Auf der ganzen Erde ist eine Bewegung nach Christo

im Gange.

Der Herr kommt bald."

Im Predigerseminare werden zur Einführung

*) Anmerkungen s. im Anhang.

in die

22 Christologie auch gelesen, in

Geß, Dörner, ThomasiuS und Delitzsch

der Journalistik

werden gelegentlich

auch

der

„große" Schleiermacher und R. Rothe citirt, eine genaue

Beschreibung der Bonner Professoren Lange und von der

Goltz wird gern ausgenommen (Christi. Botsch. 1875, Nr. 9). Die Kenntniß der deutschen, englischen, lateinischen, griechischen

und hebräischen Sprache ist für die Prediger erwünscht, doch bleiben Lehre und Regierungsform immer

die Hauptsache.

Besonders aber kann kein Prediger ohne die Heiligung sein

Amt recht verwalten, d. h. ohne daß er durch den heiligen

Geist über alle Sünden innerlich und äußerlich vollkommenen Sieg habe (Christi. Botsch. 1875, S. 17).

Die Kirchen­

zucht erstreckt sich bis auf eine Beschränkung des weiblichen Luxus.

„Keinem Gliede der Evangelischen Gemeinschaft sollen

gestattet werden zu tragen: „Ohren- und Fingerringe, Krollen

und Pudern der Haare, ungeziemende Rössels (?), Spitzenund Bändergebüsch an einigem Stück der Kleidung."

„Ein

Prediger soll von dem schändlichen Gebrauch des unreinen

und giftigen Tabaks frei sein.

Wer noch mit diesem Uebel

befangen ist, der hat, das Mindeste gesagt, eS noch nicht sehr

weit

gebracht

mit

seiner

moralischen

(Christi. Botsch. 1875, Nr. 14).

Ausbildung"

Bei den Predigerver­

sammlungen und SonntagSschul-Conferenzen werden vorwiegend

praktische Gegenstände der Seelsorge und Schule erörtert. Doch geht man auch auf theologische Fragen gern ein.

Auf

der Ohio-Conferenz (27. October 1874) zeugten die Arbeiten der Prediger von Fleiß und gesunder, klarer Ansicht.

Vorstand

empfiehlt zum Studium

zwei

Punkte:

Der

1)

welchem Sinne ist Gott mit dem Menschen versöhnt? welchem Sinne ist der Mensch mit Gott versöhnt?

In

2) In Auf

der Saginaw-Conferenz (Michigan) wurde die Frage aufge­

worfen: „Muß ein Kind, welches noch keine wirkliche Sünde

23 gethan hat, auch erneuert werden zur Seligkeit?" Bruder antwortete

ergab ein

entschieden nein,

fast einstimmiges Ja.

Ein junger

aber die Abstimmung

Dieselbe Conferenz

ver­

handelte über die ökonomische und ontologische Trinität, wie ihre Frage zeigt: „Ist die Offenbarung stets ein und dieselbe Person, bloß unterschieden in der Offenbarungsform, oder sind es drei verschiedene Personen auch in drei verschiedenen Offen­

Es gaben sich verschiedene Ansichten kund,

barungsformen?"

doch „wurde Licht darüber verbreitet".

Die Detroit-Conferenz

(Mich.) behandelte u. A. die Themata: Rechtfertigung und Hei­

ligung ; die Stellung des Weibes in Kirche und Staat.

Die

am 1. October 1874 für Deutschland abgehaltene Distriktver­

sammlung in Stuttgart hatte für jedes ihrer zehn Themata einen

besonderen Referenten und Correferenten.

Dieselben lauten:

1) Was ist von dem Gebrauch fremder Predigtentwürfe

zu halten?

2) Das Benehmen des Predigers auf der Kanzel. 3) Extreme Predigtweisen nach Wesen und Wirkung.

4) Spezielle Seelsorge.

5) Sollen unsere Vorgänger predigen? 6) Das richtige Verfahren bei der Gliederaufnahme. 7) Die Handhabung der Kirchenzuchtordnung.

8) Warum

sollen unsere Mitglieder bei uns (!) zum

heiligen Abendmahl gehen? 9) Ist es

apostolisch und

dem Sinne Christi gemäß,

verschiedene Zweige der Kirche Christi zu gründen? 10) Exegese über Joh. 10, 16.

In solchen und

manchen anderen Verhandlungen tritt

uns immerhin ein reges Leben entgegen,

teresse

zuschauen.

Aber

ihr

dem wir mit In­

kirchenzerstörendes

Auftreten

unter uns müssen wir beklagen, wovon später mehr.

gesund zeigt sich ferner schon ihre Lehre.

Un­

Neben ihren for-

24

cirten Erweckungen übertreiben sie die Macht der Heiligung. Dieselbe soll eine vollkommene sein.

„Ein Prediger, welcher

die Lehre von der gänzlichen Heiligung und christlichen Vollkommenheit nicht glaubt, versteht den Heilsplan und

die Heilslehre nicht gründlich

ober nicht recht, — verräth,

daß er in feiner christlichen Erfahrung noch sehr mangelhaft

ist, und erweist sich auch in seinem ganzen Amtswesen als

(Evang. Mag. 1870, S. 61.)

ebenso mangelhaft."

Diese Lehre von der völligen Uebergabe ober vollkom­

menen

Heiligung

wird schon seit Jahren in Amerika mit

großem Eifer getrieben, war aber in Deutschland bisher nur

Eigenthum der kleinen methodistischen Gemeinschaften. Gegen­ wärtig aber wird sie uns von Amerika gebracht und bricht sich bei uns gewaltig Bahn in größere Kreise hinein.

Albrechtsleute sind voll

Anregung und wegung.

hoher Anerkennung

Die

der Smith'schen

stehen schon längst mitten in derselben Be­

Uebertreibungen und Irrthümer in

dieser Ange­

legenheit liegen bei ihnen offen vor. Ich erinnere an

die abschätzige Beurtheilung des refor-

mirten Gehr, weil er die Lehre der vollkommenen Heiligung

verwarf,

und an das überschwengliche Lob des Methodisten

Jnskip, der einer Gesellschaft präsidirt, welche von dem Grund­ satz geleitet wird:

„Die Lehre schriftmäßiger Heilig­

keit, welche den Methodismus zu dem machte, was er heute ist, die Donner- und Feuerstimme der alten Eliaspredigten,

welche die Glieder zu schriftmäßiger Heiligkeit hinleiteten und drängten, muß wieder erwachen, wenn die Kirche nicht in die Dämmernacht einer todten Orthodoxie versinken will."

So heißt eS im Evangelischen Magazin (1870, S.

29):

„Wir müssen unseren Willen dem Willen Gottes ganz unter­

werfen, daß derselbe jeden Augenblick gegen alle satanischen

Einflüsse, Kräfte und Mächte geharnischt, gestählt, verschlossen,

25 ja unter allen Umständen, jeden Augenblick vollständig Sieger über dieselben sei"

und der Christliche Botschafter

(1874,

Nr. 41) sagt: „Der Weise ringt nur, wo sein Ringen einen

Begeisterung ist nur für

vollkommenen Sieg erringen kann. ein erreichbares Ziel."

„Die Sünde nach ihrer Kraft und

Macht kann schon mitten in der zeitlichen Entwickelung durch

die Kraft Christi

in

dem Menschen

aufgehoben

und sein

ganzes Wesen und Leben von der himmlischen Heilsherrlich­

keit durchklärt und verklärt werden." seiner

Heil

eigenen in

völligen Genesung

Christo

bezweifelt,

Christi zur Welterneuerung."

der

„Wer die Möglichkeit

von

Sünden

durch

das

schmälert auch die Kraft

Von der frommen und thä­

tigen Methodistin Frau Phöbe Palmer in New-Jork wird

„vollständige Verkörperung

gerühmt

die

ligung".

In dem Evangelischen Magazin findet sich zwischen

der

völligen Hei­

seinen verschiedenartigen religiösen und theologischen Aufsätzen das folgende Rezept, dessen Beurtheilung „Ein bewährtes Mittel,

heimgeben darf:

ich dem Leser an­ schön zu werden.

1) Nimm die Wurzel wahrer Gottesfurcht, Liebe und Auf­

Barmherzigkeit

und

willigen

richtigkeit;

2)

Almosen;

3) Blumen der Demuth, Gottseligkeit, Keusch­

Blätter der

heit, Geduld und Mäßigkeit; 4) Kräuter der wahren Buße, Bekenntniß der Sünde, Verachtung der Welt und Besserung des Lebens.

Schütte dieses Alles zusammen

in dein Herz,

zerstoße es in dem Mörser deines Gewissens, seihe es durch das Gedächtniß des bitteren Leidens Jesu, zerlasse es in dem Zucker der göttlichen Liebe, benetze es mit den heißen Thränen deiner Augen, stelle es zu dem Feuer der Trübsal, rühre es

oft

den Vorsatz

durch

endlich stelle es destillire es

fechtung.

zur wahren Buße unter einander;

an die Sonne des göttlichen Wortes und

in der Hitze des lieben Kreuzes und der An­

Darnach nimm das weiße Leintuch deines Jesu

26 und wasche dich täglich damit, so hast du ein versichertes Mittel, deinem Heiland zu gefallen, welches über alle Schön­

heit geht.

Jesu, segne den Gebrauch an allen denen, die

innen und außen recht schön an der Seele zu werden ver­

langen." Vor einiger Zeit hat der Rev. Mc. Donald bei einem

campmeeting über das Wort gepredigt: „Wenn euere Sünden

blutroth sind, sollen sie schneeweiß werden."

Der Bericht­

erstatter sagt darüber, er habe richtig ausgeführt,

daß das

Blut Christi alle Schlacken sammt der Schuld austilge; sei auch

eine musterhafte Predigt gewesen, die

es

einen tiefen

Eindruck machte, so daß Biele sich aufmachten, die Heiligung zu suchen, auch Sünder weinend hervorkamen, um sich zu

bekehren.

Aber doch fügt er hinzu:

„Ein Punkt blieb mir

unaufgeklärt, nämlich was des Redners Ansicht sei, wenn

nach der Rechtfertigung und Wiedergeburt Solche, die noch nicht das Werk gänzlicher Heiligung erfahren haben, unterdessen sterben."

Mir fiel beim Lesen der Schächer am

Kreuze ein, dem die „gänzliche Heiligung" fehlte, der aber

doch das Wort erfuhr: Paradiese sein."

„Heute noch wirst du mit mir im

Es offenbart sich in dem Allem eine Ver­

wandtschaft mit einigen Baptisten, die Röm. 8, 1: „So ist

nun nichts VerdammlicheS an denen, die in Christo Jesu

sind"



von der Heiligung

deuten,

statt von der Recht­

fertigung. Nach dem bisher Gesagten wird eS von Interesse sein, zu hören, welches Urtheil die in Deutschland thätigen Send­

boten der Gemeinschaft über unsere kirchlichen Verhältnisse

fällen und

wie sie unter uns zu wirken angefangen haben.

Was daS Erstere angeht, so werden die deutschen Geistlichen ermahnt: anstatt die

„Sekten" zu drangsaliren,

sollten die

27 Herren Pfarrer den Unglauben aus ihren Herzen, aus ihren Gemeinden und

von

ihren

Kanzeln

vertreiben suchen.

zu

Deutschland solle die gläubigen Laien mehr in den Dienst der Kirche ziehen und sich darin die amerikanischen Kirchen zum

Muster nehmen.

DaS allgemeine Priesterthum der Gläu­

bigen des neuen Bundes werde zwar in kirchlichen Kreisen

bei uns betont, im praktischen, kirchlichen Leben trete eS aber nur in Privatversammlungen und der Vereinsthätigkeit einiger­

maßen

„Dies ist ohne Zweifel den

in die Erscheinung.

Geistlichen auf die Rechnung zu schreiben.

Viele von ihnen

sind selbst keine wahren, gläubigen Priester deS neuen Testa­ mentes."

Wir sollten demnach erwarten, daß die evangelische

Gemeinschaft wenigstens an unseren einheimischen Stunden­ haltern aus Laienkreisen Gefallen haben würde. sie finden keine Anerkennung.

den Stunden ist keine rechte, frische Pflanze, vielen

Stücken

einseitig

Aber auch

„Selbst die Laienthätigkeit in

und

verkümmert.

sondern in Deutschland

braucht nicht nur mehr gläubige Pastoren, sondern auch recht viel gläubige Laien, die frisch und freudig zugreifen."

Die

evangelische Gemeinschaft, nicht zufrieden mit ihrem trans­

atlantischen Wirkungsgebiet, wird es nun wohl übernehmen, uns immer mehr mit solchen Kräften zu versorgen. hat die Neigung und den Muth dazu.

Sie

„Die lieben AmtS-

brüder sder Stuttgarter Conferenz 1870] bilden eine Schaar,

die nicht nur Willens-, sondern auch Thatkraft zur Geltend­ machung ihres hohen Berufes an den Tag legt."

1870, Nr. 31.)

In

einem

Gedicht aus

heißt eS: „Und ob auch Albrechtsleut' Sie unsre biedern Alten, Verrückte Betbrüder Und Muckerköpfe schalten;

(Chr. B.

ihren

Kreisen

28 Was lag den wackern Kämpfern dran? Ging nur des Herren Werk voran Trotz Feindeswuth und Spötterwahn, So war ihr Ziel erreicht. Und sieh! es ging voran, Mit Gott voran zum Siege! So ist das Losungswort In diesem heil'gen Kriege. Und vor dem Tage weicht hie Nacht, Das Heer des Herrn gewinnt die Schlacht, Die Kämpfer stehn vertausendfacht, Zu Boden liegt der Feind/

Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung der Propa­

Sie ist keineswegs

ganda der Albrechtsleute in Deutschland.

unbedeutend 2).

Zu Anfang dieses Jahres berichtet der Christ­

liche Botschafter, daß im verflossenen Missionsjahr überhaupt bei 6000 Seelen gewonnen wurden.

„Unser Missionswerk

in Deutschland machte mächtige Fortschritte."

lich wurde wieder Bruder Gülich

Ganz kürz­

der Wisconsin-Con-

von

ferenz dorthin deputirt „ein entschiedener, ernster und hoch­

begabter

Das

Gottesmann".

Exekutiv-Comitö

weitere Verstärkungen zu senden. nach

Deutschland schicken.

Großes

Größeres will er noch thun."

bereit,

ist

-„Wir sollten mehr Männer

hat

der Herr gethan;

(Chr. B. 1875, Nr. 7.)

Die

Propaganda hat ihre Hauptstationen zur Zeit in der Schweiz,

in Würtemberg (Baden, Elsaß), Westfalen

dieser

in der Rheinprovinz, in

(Lippe) und in Sachsen.

Reihenfolge,

indem

wir

Wir schildern

zuerst

nach

der

sie in

Schweiz

blicken.

Der Anstoß zur methodistischen Bewegung in der west­

lichen Schweiz überhaupt ist in

das Jahr 1839 zu setzen,

da die schwärmerischen Lardonistcn in Iverdon (1835) nicht

hieher gezählt werden

dürfen.

Heinrich Olivier, erst Mis-

29 sionar in Canada, dann Dissidentengeistlicher in Nyon, trat offen zum Methodismus über.

Bald wurde die Lehre von

der Heiligung überspannt bis

zu einer sündenfreien Voll­

kommenheit nach dem buchstäblichen Sinne von 1 Joh. 3, 9,

und die Bitte „Vergib

uns unsere Schulden" wurde von

den Anhängern der neuen Bewegung nicht mehr auf selbst, sondern nur auf Andere bezogen.

sich

„Diese Geständnisse

und Lehren mit mystisch-aScetischer Gefühlständelei vorge­ tragen, erhitzten die Gemüther und die Gemeindeglieder, von

jedem Wind der Lehre bewegt, zerspalteten sich in mehrere Sekten" (Leopold in Stud. u. Krit. 1848, S. 1019).

ES

war einer anderen, mächtigen Persönlichkeit vorbehalten, diese erste schweizerische methodistische Bewegung fast ganz in ihre Geleise zu ziehen.

John Darby, erst Advokat, dann Geist­

licher der Hochkirche, dann Stifter der Plymouthsbrüder in Plymouth, London, Exeter u. s. w., von seinen Erfolgen in

England nicht befriedigt, kam nach Paris, verweilte zwei Jahre in Genf und erschien Ende März 1840 in Lausanne

und schon im Frühjahr 1841 ging Olivier, der eifrigste Vor­ kämpfer des Methodismus, mit allen seinen Anhängern zu

ihm über.

Die gebliebenen Methodisten vereinigten sich unter

dem würdigen Geistlichen Cook, der noch nach der alten weS«

leyanischen Sitte verfuhr und es vermied, die waadtländische Nationalkirche zu beunruhigen, aber von den Darbysten bitter

angefochten wurde.

Noch heute finden wir den Methodismus

hie und da in der Schweiz verbreitet.

Die Evangelische Ge­

meinschaft begann dort sofort mit der Organisation selbst­ ständiger Gemeinden, „was sich durch die herrlichsten Folgen als die richtige Verfahrungsweise bewährte und die Brüder in Würtemberg und Baden zur Nachahmung kräftig reizte"

(Bischof Escher im Evang. Magazin).

In den Bekenntniß­

stunden berichten die Glieder einzeln vor der Versammlung

30

über Wesen und Gang ihres inneren religiösen Lebens.

Unter

Anderm sagte Jemand dabei von einem Gottesdienst in der

Staatskirche:

„Als

es an's Predigen ging, wurde ich böS

über die Staatspfaffen, daß

sie so lange studiren und doch

nicht besser predigen können, sagte rein ab,

In demselben Bericht heißt es:

mahl" u. s. w.

Leute

dem todten Kirchenwesen

nahm bei unserer Gemeinschaft das heilige Abend­

sind

keine Glieder

mehr von der

„Unsere

Staatskirche

und

wollen keine mehr sein. In Zofingen wurde bei einer Conferenz Klage eingereicht gegen eine Schwester, weil sie in der Kirche das heilige Abendmahl genommen und habe sich so fremder

Sünde theilhaftig gemacht."

„Im Anfang unseres Hierseins

gingen wir bisweilen zu sogenannten gläubigen Pfarrern, aber die meisten von ihnen haben uns tüchtig abgekappt und nun fragen wir keinen Pfarrer mehr, wenn wir irgendwo Gottesdienst halten

wollen" (Chr. B. 1870, S.293). In der Ostschweiz (Glarus, Mollis, Schwanden, Zofingen, Burgdorf, Schwendi, Leuggel-

bach u. s. w.) ist Bruder A. Halmhuber thätig.

Er berichtet

(3. Dez. 1874), daß „hin und wieder sich Seelen zu Gott bekehrt

haben und die Gläubigen sind meistentheils nicht nur von der Möglichkeit wahrer, schriftmäßiger Herzensheiligkeit über­ zeugt, sondern eö ist auch ein ernstes Suchen nach der prak­

tischen

Erfahrung

derselben

vorhanden."

Die

Gemeinden

haben wenig an Zahl, aber an innerer Festigkeit gewonnen.

„Es ist rührend, wahrzunehmen, daß diejenigen der Freunde, die durch mehr in staatskirchlichem Sinne wirkende Prediger

zu Gott bekehrt wurden und sich

deßhalb mit unserer Hei­

ligungslehre anfangs gar nicht vertraut machen konnten, die­

selbe jetzt mit Begeisterung befürworten suchen."

Gebetsversammlungen,

Kirchenzucht können freudig

sei

nahe,

wo

die

Gebete

und die Heiligung

Erfahrungsstunden

eingerichtet werden.

für

die Ostschweiz

Die

und

Zeit

30-, 60-,

31 lOOfältige Früchte tragen.

Es genügt also den Albrechts­

leuten noch lange nicht, daß Christen durch „staatskirchlich" wirkende Prediger bekehrt werden; sie sind dahin zu bringen,

daß sie die Heiligkeitslehre

„mit Begeisterung befürworten",

mit anderen Worten: sie müssen zu Gliedern der Evange­ lischen Gemeinschaft geworben werden.

Wir sehen auch hier

ein entschieden separatistisches Auftreten, das außer den ge­

nannten Orten noch von Erfolgen zu reden weiß in Trimstein, Zimmerwald, Helgisried, Schwarzenburg, Thun, Bern, Erlenbach, Basel u. s. w., in Bern z. B. im Juli 1870

eine Zahl von 185 Abendmahlsgästen zuwege brachte. Blicken wir nun von der Schweiz nach dem nahen Würso finden wir dort die Evangelische Ge­

temberg hinüber,

und

meinschaft schon seit Jahren thätig

fest

eingewurzelt.

Bei der Kapellenweihe zu Kirchheim z. B. nahmen 3- bis 400

Personen am Abendmahl Theil.

Der Nürtinger „Ev. Bot­

schafter" berichtet bei der Kapellenweihe in Feuerbach bei Stutt­

gart eine Kirchencollekte von 304 Gulden und notirt unter anderen zahlreichen Einzelgaben aus Süddeutschland und der Schweiz Kirchenbaubeiträge von 1000 Fr., 500 Fl., 200 Fl.

Das

u. s. w.

Bersammlungshaus

30,000 Gulden.

In

Stuttgart

in

an

Reutlingen kostete

einer

sehr

gelegenen

Straße haben die Albrechtsleute für 17,000 Gulden einen

Bauplatz zu einer Kirche gekauft.

Wir nennen als Stätten

der Wirksamkeit nur Stuttgart, Wengen, Eßlingen, Nürtingen,

Kirchheim, Reutlingen, Beuren, Owen, Ulm, Gerstetten, Heidenheim.

Aus

einer zweiten,

ebenfalls

zuverlässigsten

Quelle in Würtemberg wird mir berichtet, daß sie dort von

den

überall

scheiden sind. gleiche.

verbreiteten Methodisten

fast

nicht

zu unter­

Lehre, Cultus und Lebensform ist ganz die

Sie sind der Zahl nach

fast

so

stark,

wie

die

eigentlichen von Amerika und England abhängigen Metho-

32 triften, haben fast ebenso viele Reiseprediger und zahlreiche

Sie stehen auch in brüderlichem Verkehr mit den

Kapellen.

Methodistenpredigern und bei ihren Festen treten gewöhnlich

auch einige Methodistenprediger

als Redner auf.

Mit den

Pietisten und Michelianern stehen sie in keinem Verkehr und sind eher alö Gegner derselben zu betrachten, da sie sich sehr

häufig aus diesen Kreisen rekrutiren. Mit den Baptisten standen

sie ehedem gut, zur Zeit ist das Verhältniß wohl nicht mehr ganz so freundlich.

Der Agent in Stuttgart (Chr. B. 1874,

Nr. 52) berichtet,

thätigkeit

noch

in seiner zwölfjährigen Amts­

er

daß

nie

einen

segensreichern Anfang hatte, als

ES bestehen 9 Filialgemeinden.

hier.

sammlungen wächst.

Der Besuch der Ver­

Der Herr bekennt sich

„auf'S fühl­

barste" zu ihnen mit überschwänglichen Gnaden- und Segens­

mittheilungen. sieht

man

Die

Buß-

Sonntagsschule

blüht.

und Freudenthränen

Aeuglein der Kinder perlen." Freude darüber, daß

„Nicht den

in

selten

strahlenden

Auch berichtet der Agent seine

er neulich mit drei Bänken voll buß­

fertiger Kinder gerungen habe.

Ein ganz besonderes Geistes­

leben unter den Kindern sei in Wengen bei Canstatt.

„Sie

halten Betstündchen unter einander und führen einander zum

lieben Heiland."

Dort hat die Versammlung in einem Jahr

um das Drei- bis Vierfache zugenommen und ein Kirchlein

gebaut.

Sie bildet eine organisirte, selbstständige Gemeinde.

Ferner sagt der Bericht: leins hat ein besonders

gewaltige Predigten

„An der Einweihung dieses Kirch­

wirksamer Pfingstwind durch einige

des theueren Bruder Kächele das Feuer

Gottes noch viel mächtiger angeschürt, so

Himmel lodert.

Es

sind

schon

junge

daß es hoch zum

und alte Männer,

Mütter und Töchter aus der Welt herausgetreten, die der

Wirbelwind des

Geistes schnell

erfaßt

und

herumgedreht hat, und so geht'S immer fort.

nur

geschwind

Dort sind wir

33 siegreich eingedrungen in's feindliche Lager. die Leute nur alle drei Wochen

Schade, daß ich

besuchen kann.

Da sollte

jede Woche mehrmals gepredigt werden, dann könnten wir

dort Alles in Brand stecken, füllen.

um

ein zweites Kirchlein zu

Aber der schmerzliche Mangel an Arbeitern, Kräften

und Mitteln!

O was könnten wir hier und allenthalben auf

unserem so äußerst fruchtbaren europäischen Missionsgebiet ausrichten, wenn wir jetzt hätten, was uns vornämlich fehlt:

eigene, entsprechende Gotteshäuser!

Sobald wir diese

besitzen, haben unsere Leute ein concreteS Bild von dem, was

wir sind, sein wollen und sein müssen — die Kirche der Evangelischen Gemeinschaft."

Sowohl die Aversion vor dem

Stundenwesen als auch

die Verliebtheit darin würde durch

Kirchbauten aufgehoben.

Zu dem Allem wiederholen wir nur

die Bemerkung, daß die Albrechtsleute offenbar als Kirche neben unserer evangelischen Kirche festen Fuß. fassen und fassen

wollen.

Wir sollten sie dazu nicht durch öffentliche und nutz­

lose Polemik stärken. erkennung.

Aber auch nicht durch öffentliche An­

Wir können nicht beurtheilen, ob es sich in Wahr­

heit so verhält, wenn die Albrechtsleute berichten von den

„anerkennenden Zeugnissen, die der ehrwürdige, fromme und

weitherzige Herr Prälat Kapff von der Kanzel herunter unserer Evangelischen Gemeinschaft zu ertheilen

nimmt" (Chr. B. a. a. O.). daran betheiligen.

gar keinen Anstand

Aber wir würden uns nicht

Da scheint es doch gerathener, mit einem

„Würtembergischen Pfarrer" uns im Sinne Gamaliels aus­ zusprechen.

Die an Würtemberg sich anschließende Betrachtung der Propaganda in der Rheinprovinz zeigt uns dieselbe wieder

als eine recht wohl überlegte, die keineswegs die Gegenden aufsucht, wo daS religiöse Leben erstorben ist.

„Die Send­

boten englischer und amerikanischer Gesellschaften gehen sehr Jüngst, Ameril. Methodism.

3

34 geschickt den Bächlein des fließenden Wassers nach nnd leiten

dasselbe in ihre Behältnisse, was natürlich weniger mühsam ist, als dürres Land zu bewässern" (Grundemann).

Die

Gegend von Mühlheim a. d. Ruhr, Essen, Ruhrort ist z. B. gewählt, weil dort „die Winde des Geistes wehen und daS für das Göttliche

Volk im Allgemeinen noch einen Sinn

hat", eine Folge der Erweckungen, die im vorigen Jahr­

hundert durch Candidat Hoffmann, nach ihm besonders durch G. Tersteegen und

„am kräftigsten"

vor 30 Jahren durch

zwei Laien dort geschahen, als man singen konnte:. „Auf Mülheims glücklichen Revieren Da läßt der Herr so nah stch spüren, Wohl dem, der es erfahren hat!"

(Chr. B. 1874, S. 413.)

Die angebliche Anknüpfung an den Tersteegen'schen Geist ist aber eine faktische Alteration desselben.

Ein neuerer Bio­

graph des frommen, innigen Sängers an der Ruhr ruft auS:

„Wie himmelweit verschieden ist Tersteegens Auftreten

von der oft hochmüthigen und zudringlichen Propaganda mo­

derner baptistischer oder methodistischer Sendboten nnd Col­ (Thikötter, Borträge 1862, S. 169.) Schon

porteure."

predigte der Agent der Albrechtsleute in Mülheim vor etwa

1000 Menschen, freut sich, daß Pastor Heuser in Elberfeld, der längst aus der Landeskirche schied, ihm noch im Herbst

wegen der Heiligung in „hartem Zusammenstoß" opponirte, jetzt die Reinigung von aller Sünde mit Kraft und Sieg predigt und ihn als Bruder begrüßt (Chr. B. 1875, Nr. 11). Einer von den Berichten dieses Predigers, Joh. Berger aus

Essen, vom Herbst vorigen Jahres wirft in mehrfacher Be­ ziehung so helles Licht auf die Arbeit der Albrechtsleute, daß

ich

ihn

wörtlich

mittheile:

„Endlich

durften

wir

unsere

Mission in Essen beziehen und kamen am 11. August Abends

35 spät hier an."

Die erste Nacht blieben sie in einer elenden

Bon hier an lasse ich den Bruder wieder selbst reden:

Herberge.

„Am nächsten Morgen bezogen wir gleich unser Haus, wozu

uns Herr H

behülflich war, und nachdem wir ein

wenig eingerichtet waren, ging ich an die Arbeit, um Leute zu besuchen

hatte

ich

und mit ihnen zu beten.

gleich

eine

Betstunde

um

Am ersten Sonntage die

gewöhnliche

Kirch en zeit in meinem Hause und am Nachmittag eine

Predigtversammlung in der von Herrn H

sionszwecke

erbauten

Kapelle.

für Mis­

Die Versammlungen waren

gut besucht und reichlich gesegnet, wofür dem Herrn alle Ehre gebühret.

Ich habe nun seither meine Versammlungen

so fortgesetzt und halte nebst Sonntag auch noch jeden Dinstag­ abend Versammlung in meinem Hause.

Die Versammlungs­

lokale sind immer gedrängt voll andächtiger Zuhörer und das Wort macht einen sichtbaren Eindruck auf die Herzen.

Ja,

Viele haben mir schon von Herzen gedankt, daß ich gekommen

bin, denn das, sagen sie, ist gerade, was wir noch brauchen und worauf wir schon lange gewartet haben.

Auch habe ich

schon an zwei verschiedenen Plätzen außerhalb Essen gepredigt

und bin auf's dringendste eingeladen worden, wiederzukommen. An einem dieser Plätze sagte ich den Leuten am Schluß der

Versammlung, wenn sie nun glaubten Bedürfnisse für solche

Predigten zu haben

und es begehrten, so sei ich bereit, sie

regelmäßig zu besuchen; worauf der

Hausherr hervorkam,

mich mit bewegtem Herzen in seinen Arm nahm und sagte:

,Jck, ja, Herr Missionar, kommen Sie nur nächste Woche wieder; ich denke, Sie bekommen noch eine große Arbeit mit uns, denn das ist's, was wir noch brauchen/ Ich habe auch schon einige der angrenzenden Städte be­

sucht und fand überall viel, viel Arbeit; aber die geeigneten Lokale zur Abhaltung

der Gottesdienste zu bekommen, hält

3*

36 sehr schwer.

So hatte ich auch das Vergnügen, diese Woche

dem jährlichen Stiftungsfest des BereinshauseS in Mülheim a. d. Ruhr beizuwohnen.

Dies ist nämlich der Ort, wo

der selige Gottesmann Tersteegen lebte und wirkte und dessen Aussaat, obwohl schon

100 Jahre nach ihm, doch immer

noch die gesegnetsten Früchte trägt.

Mit besagtem Vereins-

Haus sind auch eine Schule, ein Waisenhaus und ein Zög­ lingsinstitut verbunden, wovon Pastor Stursberg in Mül­

heim die leitende Seele zu sein scheint.

Aus dem jährlichen

Bericht war ersichtlich, daß des Herrn Segen reichlich auf

diesem Werke ruht, es ging aber auch durch viel Kampf und Hindernisse.

Das Waisenhaus ist dem Bericht zufolge erst

in's Dasein getreten

120,000 Thlr.

und zwar durch

ein Vermächtniß von

Ich dachte, wann werden doch auch mal

unsere wohlhabenden Glieder zu so edeln Gedanken und großen Thaten kommen?

Eö waren an

diesem Feste wohl 4 bis

5 Tausend Menschen zusammen, die Herren Pastoren Sturs­

berg, Schwabe, Vohwinkel, Rink, Hörnemann u. A. m. waren die erkorenen Festredner.

Die Reden, die gehalten wurden,

waren nicht leer und machten einen sichtbar tiefen Eindruck

auf die versammelte Menge. derben

der Kirche

wurden

Die Sünden und das Ver­ schonungslos

angegriffen;

nur

mit dem Arzt und einzigen völligen Heilmittel dieses Ver­

derbens,

nämlich

mit

der vollen Heilkraft des von allen

Sünden reinigenden Blutes Jesu Christi, hielt man etwas

zurück.

Jetzt löste sich bei mir vollständig das Geheimniß,

daß nämlich unter der Wirksamkeit dieser landeskirchlichen Ver­

eine so Biele nur erweckt werden

und nur Wenige zu einer

klaren und gründlichen Bekehrung kommen; denn wo sollen

die armen Leute hin,

wenn ihnen der Zustand der Ge­

rechten und Heiligen so mit dem Zustand der Unge­ rechten und Gottlosen vermengt wird, daß man ja doch am

37 Ende sie alle unter eine Rubrik

der ,Sünder' bringt?

Wie

sollen die erweckten Seelen zum Frieden mit Gott und zu einer lebendigen

Gewißheit ihrer Annahme kommen, wenn

man ihnen nicht den Heilsplan in allen Theilen kräftig aus­ einander setzt und erklärt?

Und endlich, wie sollen Gläubige

zu der Heiligkeit, die zum Anschauen der Herrlichkeit un­

umgänglich nöthig

ist, herangebildet werden, so man eine

völlige Erlösung von Sünden in diesem Leben trotz den

deutlichen Aussprüchen der heiligen Schrift geradezu leugnet? Würden diese kirchlichen Vereine geradezu die Lehre des Evan­ geliums rein und lauter,

heiligen

in der Kraft und Beweisung des

verkündigen,

Geistes

so

ja

könnte,

würde

ohne

Zweifel ihr Wirken zur gründlichen Reformation der Kirche führen,

anderenfalls bleibt

eS immer nur ein Flicken deS

alten Kleides mit einem neuen Lappen und

ein Fassen des

Mostes in die alten und verdorbenen Schläuche Matth. 9, 16.

Und

17.

danken,

in

dennoch

muß

man

sich

freuen

und Gott

der Landeskirche noch so viel Geistesregung und

Leben zu finden,

Kirche und das

denn

da ist sicherlich noch das Salz der

Licht der Welt;

und

wenn es auch gleich

unter einem Scheffel steht, wird es doch zu seiner Zeit noch von seiner Umschränkung frei werden und dann

auch

im

vollen Glanz hervorbrechen.

Auch sind diese Bereinshäuser,

die man hier in Nord­

deutschland sehr häufig in den größeren Städten findet, eine

segensreiche Anstalt,

würden

es aber noch viel mehr sein,

wenn man sie von den Schenkstuben und Rauchzimmern rei­ nigen würde.

Es ist einem Amerikaner sehr auffallend, ja

wohl ganz widerlich,

eine Kapelle, die für gottesdienstliche

Zwecke bestimmt und eingeweiht ist, mit langen und vielen Biertischen angefüllt zu sehen, wo man zwischen den gottes­

dienstlichen Uebungen dann gemüthlich

seine Cigarre raucht

38

und sein Bier, seinen Wein oder Kaffee trittst. Und ein solches Unwesen habe ich bis jetzt noch bei allen Vereins­ häusern, als Sammelplätzen der .Gläubigen' gefunden. Da geschieht es dann nicht selten, was auch Pastor Stursberg in seiner Eröffnungsrede bei dem Fest beklagte, ,daß Leute sich ebenso lieb im Vereinshaus, wie in einer Kneipe voll­ saufen' und dann große Ruhestörung verursachen. Run ja, was ist denn auch der Unterschied zwischen einer Kneipe und einem Vereinshaus, wenn man in beiden ein Geschäft treibt? Aber warum treibt man das Schenkgeschäft in Verbindung mit diesen Vereinshäusern? Könnte man es nicht ebenso gut den Wirthschaften überlassen, wo es doch eigentlich hin­ gehört? Nun ja, der Ursachen gibt es wohl viele, die ich selbst nicht alle kenne; aber mir scheint's, eS geschieht haupt­ sächlich deßhalb, um auch in den Bereinshäusern etwas .An­ ziehendes' und eine gute Einnahmequelle zu haben. Denn der Vorwand, daß dadurch besonders die Jünglinge von dem bösen Einfluß der Wirthschaften unter den bessern Einfluß der Vereinshäuser und der Religiösgesinnten gebracht werden, scheint mir nicht nur ein grundloser, sondern auch ein zweck­ widriger zu sein. Man reinige die Vereinshäuser von diesen Uebeln und dann erst wird ihr Einfluß ein recht gesegneter sein. Daß unter solchen Umständen auch die Evangelische Ge­ meinschaft eine große und wichtige Aufgabe hier hat, wird unsern Freunden aus dem Gesagten nun recht völlig klar werden; und mein Gebet ist: .Herr, hilf uns unsere Pflicht zu thun und die Wahrheit des Evan­ geliums in der Kraft unseres Meisters vorzutragen!' An heilsverlangenden Seelen fehlt eS hier nicht; bereits darf ich täglich mit solchen im Familienkreise und auch in meinem Hause um Gnade beten und der Herr wird ohne

39 Zweifel

seine

Sache

siegreich

hinausführen.

Freunde,

gedenket unser! Achtungsvoll Dein u. s. w.

I. B." Zur

Ergänzung

für

augenblicklichen

den

Stand

in

Essen bemerken wir noch, daß nach der Ansicht der dortigen

Brüder wenigstens noch zwölf Missionare dorthin müssen.

Die Aussichten seien dort so versprechend, daß man an der

nächsten Jahres - Conferenz einen

sollte.

sormiren

Verhältnisse

in

Rücksichtlich

Rheinpreußen

eigenen Preußen-Distrikt

dieser

hat

»äußerst

dringenden"

Bau - Somit«

das

in Bern am 3. November 1874 folgenden Beschluß gefaßt: „Da in Essen und Umgegend

unsere Aussichten in Bezug

auf das Missionswerk sich über alles Erwarten günstig ge­

staltet haben, so daß wir in Besitz von eigenen Gottes­ häusern in dieser Gegend bald die überraschendsten Siege feiern könnten, da wir aber dieses Vortheils ermangeln und

nur

sehr schwer Etwas miethen,

noch

viel

weniger aus

eigenen Kräften kaufen können: daher beschlossen, daß

wir

unsere theuern Preußen-Brüder in Amerika herzlich bitten, daß sie uns zur Errichtung eines Gotteshauses in Essen die nöthige

Nr.

Unterstützung

52.)

Die

leisten."

(Christi.

erbetenen Beiträge fließen

Botsch.

1874,

schon.

Etwa

5000 Dollar werden zu dieser ersten Kapelle der sehr ver­ sprechenden Preußenmission erforderlich sein.

(Christl. Botsch.

1875, Nr. 12.) 3)

Blicken wir nun nach dem benachbarten Westfalen, so hören wir, daß die Kapelle in Dortmund besonders Abends gut besucht

ist und mehr Bekehrungen erwartet werden.

In Gelsenkirchen

nehmen an den Versammlungen des Br. Küchele und Anderer

auch kirchliche Gemeindeglieder Theil.

Unter dem annoncirten,

unbekannten und einfachen Titel „Evangelische Gemeinschaft"

40 sie keinen solchen Methodismus und gewiß geht es

ahnen

In Bochum

an anderen Orten ebenso. Lokal gesucht und es Ganzen gab es

an

fängt

wurde ein neues

„Etwas zu

bei den Bekehrungen

Im

tagen".

„ganz herrliche, er­

Hierzu wird unter Anderm Folgendes

greifende Vorfälle".

gerechnet: Ein bekehrtes Mädchen wurde von Jemand

er­

mahnt, doch nicht aus der Landeskirche zu treten, erwiederte

„Die Kirche ist nicht der Tempel Gottes, sondern

aber:

ein bloßer Steinhaufen; den Tempel Gottes habe ich nun

in meinem Herzen."

DaS östliche Westfalen und besonders

Lippe werden von den Essener Brüdern zunächst bloß flüchtig

ES

besucht.

uns

treten

Nieenhagen, Lieme,

Namen

die

Bielefeld,

Lüdenhausen,

Heiden,

Heeben,

Wattenhausen,

Lemgo, Detmold, Wellentrog, Wackenbruch u. s. w. ent­

gegen.

In Bielefeld wirkt seit einem Jahr der bischöfliche

Methodistenprediger

Spille.

Er wünscht

einen

Gehülfen.

ES wird dm Leuten dort schwer, eigentliche Methodisten zu

werden, doch glaubt man, daß die „lieben Seelen ihre Be­ denklichkeiten S. 158). das

sie

fallen

lassen

werden"

(Evangelist

1875,

Die Albrechtsleute wenden sich mehr nach Lippe,

„mit Ernst in Angriff nehmen wollen" und wo,

wie sie „vollständig

überzeugt"

sind, der Herr

Arbeit und herrliches Werk schaffen

will.

eine große

Der Agent be­

richtet, daß er bei seinen Privatbesuchen kein Geld genommen habe, „allein die Leberwürste und Brot mit Kaffee wurden mit herzlichem Dank um so bereitwilliger angenommen, da

ich gerade durch die vielen Fußtouren oft reichliche Bedürf­ nisse für dieselben empfand.

Lippeschen!" geldliebend

Wahrlich, eö ist gut reisen im

Die Lippeschen Geistlichen werden dagegen als geschildert

und

Botsch. 1875, Nr. 11) 4). Werk im Ganzen heißt eS:

„Schwämme"

genannt (Christl.

Von dem rheinisch-westfälischen „Täuschen uns nicht die An-

41 ztichen, so stehen wir im Anfang

einer großen Erweckung,

welche uns der Herr in Gnaden schenken wolle" (Christi. Ueber die Propaganda in Preußen

Botsch. 1875, Nr. 7).

überhaupt aber schreibt A. Hülster (W.'S Conf.) an den

„Christlichen Botschafter" (1875, Nr. 10) u. A. Folgen­ des: „Wer hätte noch vor wenigen Jahren geahnt, daß ge­ lehrte Theologen Deutschlands einen

schlichten Amerikaner

(Smith) einladen würden, um unter ihnen von dem - vollen

Welche gewaltigen, tiefgrei­

Heil^ in Christo zu zeugen?

fenden Veränderungen das sind! hast du uns unlängst von

Welche herrlichen Berichte

unserer jungen Preußenmission

Welcher MissionSfreund wird da nicht zum Lobe

gebracht!

Gottes ermuntert, aber auch zum Beten und Geben veran­

laßt?

mit

Tausende rufen

mir: Es lebe

die Preußen­

Lasset uns dem Herrn ein Extraopfer bringen.

mission!

Einliegende 10 Dollar sind für die erste Kapelle in Essen." In

dem

Kirchenkreise

des

Verfassers,

int

südlichen

Westfalen, ist die versuchte Propaganda des Methodismus

Die Grundstimmung des hiesigen

bisher erfolglos gewesen.

christlichen und

Lebens ist reformirt und hält mit Bewußtsein

Entschiedenheit

die

Rechtfertigung

Glauben als Cardinalpunkt fest.

allein

durch

den

Daher werden sämmtliche

separatistisch gerichteten Elemente bei unS von den besonders in

diesem

Dogma

streng

calvinischen

Plymouthsbrüdern

(Darbysten) absorbirt, während die Versuche der vorzüglich

die Heiligung betonenden Methodisten bisher scheiterten. darbystische

Bewegung

in

Deutschland

und

besonders

Die

in

den westlichen Provinzen Preußens hat zur Zeit einen Um­ fang

erreicht,

daß

sie

verdiente,

es

und dargestellt zu werden.

besonders

untersucht

UnS kommt es hier nur darauf

an, ihr Verhältniß zum Methodismus unter Angabe ihrer

hervortretenden Charakterzvge

kurz

zu zeichnen.

Bei Be-

42

sprechung der methodistischen Bewegung in der Schweiz wiesen wir schon darauf hin, sich gegenseitig abstoßen.

daß Darbysmus und Methodismus

Für Darby ist der methodistische

Kirchenbegriff noch viel zu consistent.

Irre geworden an der

apostolischen Successionslehre der anglikanischen Kirche schritt er fort bis zur Verwerfung jedes kirchlichen Bestandes und wollte nur die Heiligen

der letzten Tage formiren, da für

die zerstreuten Kinder Gottes Nichts weiter übrig bleibe, als sich im Vertrauen auf die Verheißung des

Herrn (Matth.

18, 20) in kleinen Gesellschaften zu vereinigen. hat das Recht, zu predigen walten.

Jeder Christ

und die Sakramente zu ver­

Schon hieraus geht hervor, daß der allgemeine

Borwurf

des

sektirerischen,

separatistischen Wesens,

der

oft dem Methodismus überhaupt, ohne Kenntniß und Unter­ scheidung seiner mannigfachen Denominationen gemacht wird,

bei den Darbysten langt.

allerdings

an

eine richtigere Adresse ge­

Wo diese Richtung des „religiösen Radikalismus und

der kirchlichen Demokratie"

(J. J. Herzog:

Les freres

de Plymouth et John Darby, Lausanne 1845) Wurzel

schlügt, läßt sie den Methodismus so leicht nicht aufkommen, dem Darby sogar vorwirft, daß er in Lehre und Disziplin die theuersten Heilswahrheiten bei Seite setze, so daß in ihm

beinahe keine wahren Christen zu finden seien.

So sehr wir

uns nun abgestoßen fühlen von dem ordnungsfeindlichen Ge­ bühren der Darbysten, finden wir sie bei der Rechtfertigungs­

lehre doch im Vorzug gegen die Methodisten, welche dieselbe zwar auch haben, aber praktisch vor der großen Aufgabe der

Heiligung ganz zurücktreten lassen. (De la doctrine des

Darby wirft diesen vor

Wesleyens ä l’egard de la per-

fection et de leur emploi de l’Ecriture Sainte ä ce

sujet), daß sie über die Quelle des Friedens und des Heils im Irrthum seien, da sie

anstatt eines einfachen

Gefühls

43 von der Liebe Gottes eine völlige Aufhebung der sündlichen Natur verlangten und den Begriff der Sünde schwächten und

auf Nichts zurückführten, um ihn ihrer Vollkommenheit anzu­ Auf die wahre Empfindung der Gnade Gottes

bequemen.

gründe sich hienieden

auch

immerdar das Bewußtsein der

Seine Anhänger nennen sich einfach Brüder oder

Sünde.

Christen und feiern das Abendmahl so,

und Wein selbst nehmen.

daß sie sich

Zwei oder drei Personen

Brot nahen

sich einem Tische, auf welchem eine Flasche mit Wein nebst

einigen Gläsern und ein Teller mit Brot stehen, und ge­

nießen so

das heilige Mahl ohne Vorbereitung,

nicht einmal

wobei oft

die Einsetzungsworte gesprochen werden.

Diese

Darbysten ziehen also unsere hiesigen Gemeindeglieder an sich, die dem Separatismus zuneigen, und wehren bis letzt dem Methodismus den Eingang.

Jedoch ist ein in meiner Ge­

meinde geborener, früh ausgewanderter Mann, der jetzige Rev. F. W. S., seit 1851 Mitglied der Evangelischen Ge­

meinschaft in Amerika, seit 1858 Prediger, seit 1870 Haupt­ agent der Buchanstalt in Cleveland. Schauen wir endlich noch nach Sachsen, so finden wir, daß die Evangelische Gemeinschaft jetzt auch in Dresden sich einen Mittelpunkt für ihre Missionsthätigkeit zu schaffen sucht,

einen Prediger angestellt hat, ein Grundstück erwerben will und viele Leute

aus den niederen Ständen an

sich

zieht.

Sie gibt als den einzigen Zweck ihrer Arbeit die Förderung der inneren Mission an, „aber ihre Absonderung von Allen,

die das

gleiche Ziel verfolgen,

wenn nicht Mißtrauen 14. Nov. 1874).

muß mit Recht

erwecken"

(N. evang.

befremden,

K.-Ztg. vom

Es ist bezeichnend, neben dieses

Urtheil

das zu stellen, was die deutschen Arbeiter der Albrechtsleute

über die Lage in Dresden sagen:

„Höret den Hülferuf un­

seres theueren Missionars in Dresden.

Dort steht dieser

44

Mann Gottes ganz allein in einem stockfinsteren Land, in

einer der volkreichsten, aber auch hülfsbedürftigsten Städte

Deutschlands, von einer herrschsüchtigen Priesterkaste verfolgt, von verrotteten, dem Geist mittelalterlicher Hierarchie ent­

sprungenen Gesetzen gebannt und auf'S schlimmste in seinem segensreichen Wirken gehemmt.

Wir mußten ihm ein Gottes­

haus kaufen, wollten wir die ganze, wichtige Position unseres

Vorkämpfers in Sachsen nicht aufgeben."

(Chr. B. 1874,

S. 409.)

Wir sind am Schluß.

Ich habe im Obigen die Kenntniß

des Wesens dieser Gemeinschaft fördern wollen, die nun doch

einmal unter uns in Wirksamkeit

steht.

Noch gibt es auf

deutschem Boden keine großen Campmeetings

der Albrechts­

leute mit ihren convulsivischen Bußkrämpfen, mit dem Seufzen

und

Stöhnen

Knieenden,

Gekommenen.

auf

der

der

Angstbank

dem schallenden

mit

(anxious

bench)

Jubel der zur Bekehrung

Aber schon schreiben die Würtemberger Me­

thodisten Lagerversammlungen

im Freien mit

„sehr vielen"

Predigern aus (6. oder 17. Mai 1875 bei Baihingen) und deutsche Stimmen rühmen

geistliche Badereisen.

Frage liegt vor.

die Campmeetings als treffliche

Eins vergesse man nicht.

Doch zeigt sich

Die soziale

in den Kreisen der Ar­

beiter, die bei ihr in erster Linie stehen, an einzelnen Stellen

und zwar b.ei den

besseren

Elementen eine gewisse Ueber»

sättigung an sozialistischen Phrasen und religiöser Negation,

em

Ueberdruß,

der in gute Bahnen geleitet werden kann

(Evang. Arbeiterverein in Stuttgart), aber auch leicht dahin zu bringen ist,

in

eine energische,

Frömmigkeit umzuschlagen.

erregte,

außerkirchliche

Auf der anderen Seite

haben

separatistische Belleitäten schon an manchen Orten den Boden

geschaffen, in dem der Same der Albrechtsleute aufgehen und

üppig gedeihen kann.

Auch bei unseren Stundenhaltern finden

45 sich hie und da methodistische Neigungen, welche die Fäden bieten, daran die transatlantischen Prediger anknüpfen können. Unseren christlichen Nothständen kann keine Abhülfe geschafft

werden durch starre, confessionelle Kirchlichkeit.

Vor den ge­

waltigen, religiös principiellen Differenzen der Zeit, die den tiefsten Grund aufwühlen und die Christen mächtig zur Ein­ tracht rufen, steht die Exklusivität der Dogmatik einflußlos Ferner sollte auch Roms gewaltiges Rüsten und

zur Seite.

Ringen unsere Herzen etwas weiter und wärmer machen und festeren Zusammenschluß der Kräfte lehren.

Unsere evange­

lische Kirche hat Raum für Wittenberg, Zürich und Genf, sie schaut mit dem Auge des Glaubens durch die verschiedene

Lehrform hindurch auf das, was

bei allen Dreien als das

Eine, was noth ist, im Grunde ruht.

Aber mit diesem weit­

herzigen Sinn können wir wohl vereinigen eine warme Pietät für Alles, was sich uns erweist als geboren aus dem Geist

unserer evangelischen Väter.

Wir wollen nicht undankbar

den historischen Faden zerschneiden, der uns mit ihnen.ver­

bindet, nicht ohne Noth die Lebenslust der evangelischen Kirche

verleugnen,

die wir von Jugend auf einathmen.

thum und Kirchenthum sind nicht dasselbe.

Christen­

Aber es sind auch

bei uns, Gott sei Dank, noch keine sich ausschließenden Gegen­ sätze.

Die christliche Gemeinschaft soll die kirchliche durch­

dringen, aber nicht aufheben.

Wir können den übertriebenen

Kirchenschmerz nicht verstehen, der angesehene Männer der Kirche in öffentlicher Versammlung zu dem Wort veranlaßt: „Wir

haben noch nicht die Freudigkeit, aus der Landeskirche auszu­

treten."

Dankbar freuen wir uns der reichen Lebensquelle,

die in ihr doch noch sprudelt, daraus die Dürstenden noch

jeden Tag

mit

vollen

Zügen Erfrischung

trinken

können.

Daneben reichen wir gerne anderen Kirchen des Evangeliums die Hand.

Die verschiedenen presbyterianischen Kirchengemein-

46 schäften Amerika'S einigen sich jetzt in einer Generalconvention, „ohne Regiment und Wirken der einzelnen Kirchen anzutasten".

Sie beabsichtigen unter Anderem, sämmtliche protestantische Kirchen des Erdballs dahin zu bringen, daß sie vereinigt und

gemeinschaftlich gegen die Anmaßungen und Irrthümer Roms

Front machen.

Wir sehen keinen Grund,

der die evange­

lischen Kirchen Deutschlands hindern könnte, daran Theil zu nehmen.

sein.

Die Betonung des Gemeinsamen soll unsere Freude

Unser Kirchenthum soll durch unser Christenthum ge­

weiht und von Engherzigkeit geläutert werden.

verstehen eS nicht,

sicht auf ausländisches Wesen unsere eigene, siognomie gar Nichts

soll. s)

Aber

wir

wenn hie und da in übertriebener Rück­

mehr gelten,

kirchliche Phy­

ganz ausgelöscht werden

„Wir wollen gern von unseren

amerikanischen und

englischen Brüdern lernen; aber unsere deutsche Eigenart ist

ein Pfund, das

wir nicht

K.-Ztg. über Moody und

verzetteln dürfen"

(N. evang.

Sankey 1875, Nr. 16).

Die

Individualität wird durch den heiligen Geist nicht verachtet

und vernichtet, sondern geweiht und verklärt.

Das gilt von

den Aposteln und Christen, das gilt auch von den auf evan­ gelischem Grunde stehenden kirchlichen Gemeinschaften.

Ihre

eigenthümliche Art bildet und entwickelt sich nicht ohne pro-

videntielle Leitung nach der besonderen religiösen Anlage und

Begabung, welche den

verschiedenen Nationen verliehen ist.

Es gibt eine berechtigte Kirchen-Individualität und zwar bei

den Gemeinschaften, die frei von Separatismus sich im Prü­ fungsprozeß der göttlichen Reichsgeschichte als wahrhaft kirchen­

bildend legitimiren. Offenbar

können

wegung Etwas lernen.

wir

auch

aus der dargestellten Be­

Aber bei tieferem Eindringen wird

uns dieses importiere Wesen im Ganzen nicht ansprechen. Denn so entschieden eine Belebung und Vertiefung unseres

47

christlichen und kirchlichen Lebens noth thut, so wenig gesund erscheint uns die Frömmigkeit der Albrechtsleute, so wenig geeignet, im Großen reformirende Kraft und Wirkung an unserem Volke zu offenbaren. Sie entspricht weder dem demü­ thigen und doch glaubensfrischen Hauch unserer reformato­ rischen Väter, noch überhaupt dem deutsch-christlichen Cha­ risma. Andere mögen anders urtheilen.

Arunerkurrgeir. 1. (Zu S. 21.)

Man vergleiche den Artikel: Große Heiligkeits­

bewegung in China im „Evangelischen Botschafter", Nürtingen, 1. Aug. 1874.

2. (Zu S. 28.) Die Bedeutung der Propaganda zu schätzen, beachte

man noch die Mittheilungen des folgenden Abschnittes.

3. (Zu S. 39.)

Desgleichen.

4. (Zu S. 40.)

Desgleichen.

5. (Zu S. 46.)

Man vergleiche den Rückblick am Schlüsse.

II.

Neueste Wirksamkeit -er deutsche» Methodisten. Sowohl die auswärtigen (foreign) als heimischen (do-

mestic) Arbeiter der Methodisten werden als Missionare in

die Gebiete anderer christlicher Kirchen entsendet.

Der aus­

führliche Jahresbericht der bischöflichen Mission erscheint in jedem Januar.

In einem solchen sind neben einander zwei

Bilder zu sehen, von denen das eine chinesische Schulkinder,

das andere Berliner Sonntagsschüler dargestellt, wie sie ihr Jahresfest feiern (Allg. Miss.-Ztschr. 1875, S. 358). Die­

selbe Auffassung haben die AlbrechtSbrvder.

„Während der

englische Methodismus mehr nur überhaupt belebend auf den Continent einwirkte, legt es der amerikanische — mitunter

positiv kirchenstürmerisch — geradezu auf eine vollständige Reformation

der

deutschen

Kirchen

an."

Diese

Schneckenburger'S gelten noch heute (Borlesungen

Worte

über die

Lehrbegriffe der kleinen protestantischen Kirchenparteien, 1863,

S. 107).

Besonders eifrig erweisen sich die deutschen Pro­

selyten in Amerika.

Schon junge Knaben brennen vor Be­

gierde, nach Deutschland zu kommen und die armen Gemein-

49 den zu bekehren, welche von ihren Hirten in Dummheit ge­

halten und betrogen werden.

Passende Anknüpfungspunkte

sollen die deutschen Conventikel werden. für Prot. u. Kirche 1843.)

(Harleß, Zeitschrift

Allerdings bringen die Metho­

distenblätter regelmäßige Verzeichnisse reicher Liebesgaben für

die

„Mission"

in Deutschland und dem übrigen Europa.

So kommt es oft vor, daß Deutsche, Albrechtsleute in Ame­ rika, einen Geldbeitrag in die Missionskasse unter der Be­ dingung geben, daß dafür in ihrem Geburtsort von den in

Deutschland wirkenden Boten eine Stunde gehalten werde.

Von einem andern Methodisten erhielt Dr. Rast noch kürzlich

35 Dollars mit der Bemerkung, das Geld sei für die west­ fälische Mission in Deutschland und solle helfen, daß sie in

der Richtung

von

Osnabrück

nach

Minden

werde. Die bischöflichen Methodisten haben

vorgeschoben

jetzt vier

deutsche

und einen schweizerischen Distrikt mit 87 verschiedenen Be­ Nach dem Bericht der Jahresconferenz in Zürich

zirken.

(Juli 1876) vertheilen sich diese, wie folgt: 1) Der Bremer Distrikt mit den Bezirken: Bremen, Vegesack, Hannover, Bremerhaven, Hamburg, Kiel, Flens­

burg, Delmenhorst, Neerstedt. 2) Der Berliner Distrikt

mit

den Bezirken:

Berlin,

Neu-Ruppin, Colberg, Danzig, Zwickau, Plauen, Schwarzen­

berg,

Dörtendorf,

Waltersdorf,

Leutenberg,

Oldenburg,

Edewecht, Westrhauderfehn, Neuschoo, Accummersiel, Norden, EsenS, Aurich, Emden, Bielefeld, Minden.

3) Der Frankfurter Distrikt mit den Bezirken: Frank­

furt, Darmstadt, Friedrichsdorf, Dillenburg, Gießen, Kassel, Göttingen, Rheinpreußen, Speyer, Kaiserslautern, Pirmasens,

Karlsruhe, Pforzheim, Straßburg, Bischweiler, Lahr, Freu­

denstadt.

so 4) Der Würtemberger Distrikt mit den Bezirken: Lud» Stuttgart, Plieningen, Bietigheim, Heilbronn,

wigsburg,

Sinsheim, Oehringen, Neuenstein, Marbach, Win^rhausen, Beilstein, Happenbach, Baihmgen, Knittlingen, Calw, Heims» heim, Herrenberg, Nagold, Ebingen. 5) Der Schweizer Distrikt mit den Bezirken: Zürich,

Affoltern, Bülach, Uster, Winterthur, Horgen, Thalweil, Schaffhausen,

Schleitheim,

Rheineck,

Chur, St. Gallen,

Lenzburg, Aarau, Basel, Listal, Wüthausen, Bern, Biel, La-chaux-de-Foud, Lausanne.

An der Spitze jedes Distriktes steht der betreffende Di»

striktSälteste.

Die Quartalversammlungen in Würtemberg

waren 1876 in Marbach, Oehringen, Herrenberg, Cal«,

Heimsheim, Bietigheim, Heilbronn,

Vaihingen, Ebingen, Geilstein, Ludwigsburg.

Die Zahl der vollständigen Glieder in Deutschland beträgt zur Zeit 10,224, welche 1875 die Summe von 195,606 Mark aufbrachten, sich um 610 Glieder vermehrten, 6 neue Capellen bauten und 3 neue Häuser kauften.

Kircheneigenthum

in

Deutschland

hat

einen

Werth

Das von

1,644,491 Mark, die Predigtplätze belaufen sich auf 555,

die

301

Sonntagsschulen

167 Bekehrungen,

zählen unter 13,355 Schülern

die BibliMheken besitzen 6923 Bände.

Gerühmt wird dar Wachschum in Pommern und Westfalm während der letzten fünf Jahre.

Diese Thatsache lehrt uns

„unser Augenmerk auf diese Felder zu richten" (Evangelist 1876, S. 134).

Auf der Couferenz in Heilbronn (1875)

erhielten 70 Prediger Bestellungen, 7 Prediger wurde» auf

Probe ausgenommen, 2 für «die Mission in Jtallrn; 13

Plätze werden durch Lokulprrdiger bedient.

Ans Westfalen

bekämpft Prediger A. Locher die Meinung der „Pfarrhernm",

daß die Arbeit des Methodismus in Westfalen überflüssig

51

fei.

Er berichtet über Fortschritte in Bielefeld,

Teenhausen, Minden

Mtrup,

fernen Bericht

Metten,

und Umhegend und schließt

(vom 4. März 1876)

mit den Wörtern

„Wie ich vernommen habe, so will dir Evangelische Gemein­

schaft dvr ganzen Rhein von Düsseldorf bis Straßburg be­

setzen.

Gott segne ihre unb unsere Arbeit und lasse unS

von noch größern Siegen fingen." Mr sehen, daß die Albrechtsbrüder, deren neueste Thätig­

keit noch zu schildern ist, muthig und voll Unternehmungs­

lust find.

gart sagt:

Ihr Misstonsbericht vom Juni 1875 aus Stutt­ „Siegreich ging das Werk Gottes voran, und

unsere kleine Streiterschaar, ihrer so hohen Aufgabe bewußt, Hal sich wüthig unb' unverdrossen in das feindliche Gebiet

hineingewagt und eine schöne Anzahl theurer, blutserkaufter Seelen für ihren himmlischen König erobert und znm An­

schluß an unsere Kirche gewonnen."

Doch bleibt der Wunsch:

„Fünfzig Prediger und eine halbe Million Dollars sollten

uns jetzt für unser Werk in Europa zur Verfügung stehen-!" (Chr. Botsch. 1875, Nr. 29).

Wenn die Brüder ouftreten,

sagen sie natürlich niemals: „Wir wollen an diesem Orte

eine methodistische Kirche gründen", Sünder zum Heiland führen."

sondern: „Wir wollen

Erst nach einiger Zeit tritt

ihre Absicht immer deutlicher hervor.

Dann sagen sie offen:

die Landeskirche sei Israel, sie seien die Apostel; die Landes­ kirche sei Rom, sie seien Luther; die Landeskirche sei heidnisch,

sie

seien die Missionare

Ihre Generalversammlung

(Ev. Botsch. 1876, tagte

im Juni

Zionskapelle zu Kirchheim und 1876 lokale in Stuttgart.

S. 110).

1875 in der

im Versammlungs­

In dem einen Jahr waren 1269, in

dem folgenden 1154 neue Glieder ausgenommen.

Die Ge­

meinschaft hat in Deutschland 42 Reiseprediger, 9 Orts­

prediger, 33 Kirchen,

theils mit Predigerwohnungen,

im

52

von

Werthe

463,804

144

Mark,

mit

Sonntagsschulen

7241 Schülern, 455 Beamte und Lehrer.

Der Evangelische

Botschafter wird in Deutschland jetzt in nahe 12,000 Exem­ plaren gelesen.

Die Collekten in Deutschland betrugen 1876

für Kirchbauten 24,182 Mark,

für Mission unter evan­

gelischen Christen 38,677 Mark, für Heidenmission

1212

Ueberhaupt brachte die ganze Gemeinschaft in den

Mark.

letzten vier Jahren nur 5469 Dollars für die Heidenmission auf, aber 255,154 Dollars für die Mission unter andern

Christen.

Ein

guter Theil

der letztern Summe ist auf

Auf der Generalconferenz

Deutschland verwendet worden.

in Philadelphia, auf der zum ersten Mal vier Bischöfe ge­ wählt wurden

(I. I. Escher, R. Jäckel, R. Dubö, Th.

Baumann, October 1875) bildete die Mission in Deutschland einen hervorragenden Gegenstand der Verhandlungen.

kam auch die Heidenmission zum Beschluß. mung

ist

ihr

nicht

günstig.

Der

„Dürfen wir eine Heidenmission

Zwar

Aber die Stim­

Botschafter

bemerkte:

gerade jetzt wagen,

wo

Deutschland und die Schweiz so große Ansprüche an uns

machen und eine allgemeine, gewaltige Kraftanstren­ gung dort nöthig ist?"

land, als in Japan.

Leichter ist die Mission in Deutsch­ Aber unberechtigt bleibt es, daß Pro­

testanten ihre „Kraftanstrengung" darauf richten, Glieder aus andern evangelischen Kirchen zu sich herüberzuziehen.

Ueber

Deutschland sagte der Bericht: „Unser Werk dort entwickelt und dehnt sich zu einem Umfang und einer Bedeutung aus,

wie man es bei seinem Anfang kaum geahnt hat.

Es sind

Maßnahmen nothwendig, die über den engen Gesichtskreis

der Gegenwart hinausreichen.

Die Deutschland-Conferenz

hat es im Vorschlag, eine Erziehungsanstalt, ein biblisches

Institut für Prediger zu gründen (Christi. Botsch. Nr. 40).

1875,

Nach Beschluß derselben vom Juni 1876 soll

53

das

deutsche Predigerseminar

unter

dem

Direktorat von

I. Küchele nunmehr in der Ebenezer-Kapelle in Reutlingen

errichtet werden.

Bon jetzt an wird also Deutschland selbst

die jungen Prediger liefern, die seine Bewohner dem Schooß der Albrechtskirche zuführen.

das

Civllstandsgesktz

und

Zu großen Hoffnungen berechtigt der

Wegfall

des

Taufzwangs.

„Manche steife Kirchengesctze werden dadurch verändert oder abgeschafft werden, die Jugend werden wir zahlreicher unter unsern Einfluß bekommen, unsre Glieder werden unsere Kinder bei unS taufen und in der Religion unterrichten lassen, unser

Werk wird sich mit Riesenschritten ausdehnen." Aufruf:

Daher der

„Lasset durch unsre Prediger eure Kinder taufen

und unterrichten, eure Ehen einsegnen und eure Todten be­

erdigen, und Gott wird seine Genehmigung dazu geben!"

(Ev. Botsch. 1876, S. 38.) Die Frucht dieses heiligen Eifers ist eine wachsende Pro­ paganda.

Deutschland ist jetzt in vier Distrikte getheilt, von

denen zwei von Würtemberg aus verwaltet werden und je einer auf die Schweiz und Norddeutschland fällt. Sie heißen: 1) Reutlingen - Distrikt mit

Nürtingen,

Eßlingen,

den Bezirken:

Kirchheim,

Reutlingen,

Böblingen,

Tübingen,

Bezirken:

Stuttgart,

Schwarzwald, Göppingen. 2) Stuttgart-Distrikt

mit

den

Nordheim, Hohenlohe, Heidenheim, Bretten, Eppingen, Durlach, Straßburg, Barr.

3) Schweiz-Distrikt mit den Bezirken: Bern, Thun,

Berner Oberland, Simmenthal, Frutigthal, Schwarzenburg, Emmenthal, Zofingen, Basel, Thurgau, Ostschweiz, Mül­ hausen, Colmar.

4) Norddeutschland-Distrikt mit den Bezirken:

Essen,

Duisburg, Dortmund, Minden-Lippe, Dresden, Schlesien

(Reichenbach), Hessen.

54

Außerdem hat Predigtplätze.

jeder Distrikt

noch

eine ganze Anzahl

„Da» Werk hat sich seit vier Jahren mehr

als verdoppelt", sagt Bischof Escher am 17. August 1875.

„Der König des Himmels hat die Evangelische Gemeinschaft berufen, unserm alten Baterlande einen lebendigen Christus,

eine völlige, gegenwärtige Erlösung zu predigen.

Wir wären

unserer Pflicht untreu, wollten wir die Erretteten im Babel des todten StaatskirchenthumS lassen, wo sie naturgemäß

wieder ersterben müßten."

Höher freilich können die Albrechts»

brüder ihren Missionsberuf für Deutschland nicht gründe«,

als auf einen göttlichen Auftrag.

Möchten sie dann aber

auch ihrer Missionsarbeit einen würdigeren Charakter geben.

Oft läßt sie ihn vermissen.

eine

zur Mission geschenkte

Im Bezirk Hohenlohe hatte

Gans Nacheiferung

und ein Kalb ward dargebracht.

gesunde«,

Diese Thatsache feiert, der

Evangelische Botschafter: „Laßt das Misstonskalb leben Dort im Hohenloher Land! Und der Landmann, der's gegeben, Der hat wahrlich auch Verstand, Weil er einsiehl: Gottes Sache Kann man auch vom Stalle aus Unterstützen und es mache Doch kein Loch in's liebe Haus — Mag das Kälble bald als Mutter Milch ihm schenken viel und Butter. Doch da fällt mir ein geschwind: Wer gibt jetzt ein Missionsriud?"

Das Eingreifen der Evangelischen Gemeinschaft wird att* mählich

auch

in Deutschland

empfunden.

Bischof lecher

schreibt am 25. August 1875: „Unser Kommen und Wirken,

bis eine religiöse Auflebung eingetreten ist, daS läßt ma«

gelten; aber dann sollen wir wieder gehen, sollen's mach«»»

55 wir Pearsall Smith es machte: wem, gehalten sind, wieder weiter ziehen.

di« Versammlungen

Nun wir das aber nicht

Mimen, so läßt man uns empfinden, daß wir lästige Gäste

Doch soll sie das in keiner Weise irre machen.

find *

Die

Brüder werden als vorsichtige und erfahrungsreich« Arbeiter

weiter wirken. —

Wir beschließen diesen Abschnitt mit einer Uebersicht über die neuesten Erfolge und Alrssichten

der Akbrechtsbrüder in

Deutschland, indem wir der Reihenfolge nach daö Wichtigste berichten.

Schweiz. In Thun und Beru sind die Brüder daran, sich zweckeutsprechettde Gotteshäuser herzurichten.

In Basel ist fetzt

ein großes, massives Gebäude in der Stadt erwarben, das umgebaut wird.

Elsaß. Im Elsaß ist eine Mission in Colmar und Straßburg

Das Werk geht hier nicht so voran, wie in der

thätig.

Schweiz und in Würtemberg.

Baden. In Baden kommen die Glieder mit Freuden zum Gottes­ dienst, während des gleichzeitigen Gottesdienstes der Landes­

kirche.

In Karlsruhe wurde die Wirksamkeit begonnen, m

Durlach Frühjahr

ein Versammlungshaus- errichtet. 1876

eine

Dort

war im

größere Predigerversammlung.

Im

Bericht heißt eS: ,Vom stillen Seufzen des Herzens gingen

wir

zum

lauten,

öffentlichen

Gebet

über.

Das

heißtz

brünstige Flehen Aller drang durch die Wolken hindurch und

fand ein Echo im Herzen unsers lieben, himmlischen Vaters, was sich auch in

der herzzerschmelzenden Wirkung und der

fühlbaren Nähe des heiligen Geistes kundthat.

Der Drang

56 der Herzen wurde immer feuriger, der Glaube kühner, der

Strom

des

lebendigen

fing an

Wassers

zu fließen,

der

Himmel stand offen über uns, und der ewige, barmherzige

Hohepriester verrichtete

sein Amt

treulich

er uns vertrat beim Vater und

an uns, indem

mit seinem theuern Ber-

söhnblute unsere Herzen besprengte und seine Segnungen in

ungemessene Strömen mittheilte.

Bis Mittag wurde diese

segensreiche Uebung fortgesetzt; ein kleiner Spaziergang

in

der freien, schönen Natur, wo der holde Lenz" u. s. w. Würtemberg. I. Küchele sagt in seinem Bericht auf der Generalcon-

ferenz in Philadelphia im October 1875: „Unsere Leute in Würtemberg hängen noch eine Anzahl an der äußern Form der Landeskirche; allein im Allgemeinen

geht das Werk da­

selbst sicher vorwärts." Am 12. November 1876 wurde eine neue Kirche in Eß­

lingen geweiht.

Die Distriktversammlung in Kirchheim be­

eine besondere Kirche und

schloß am 29. November 1876,

Buchdruckerei in Stuttgart zu bauen.

Es wurden sofort

2645 Mark gezeichnet. Preußen. Die Losung für Preußen heißt:

Capellen, mehr Missionsgeld!"

„Mehr Arbeiter, mehr

Früheroder später wird die

Evangelische Gemeinschaft den „alten Schlendrian der StaatSkirche mit ihren todten und ertödtenden Formen aus dem

Sattel heben" (Chr. Botsch. 1875, Nr. 38 u. 39).

„Das

Herz lacht ihnen im Leibe über die herrlichen Berichte aus

Preußen, wo Gott ihnen Herzen, Länder, Städte und Dörfer

öffnet

und

wo

, Jesuwidern‘, kann"

das noch

Heil

von

nicht der

(Christ!. Botsch. 1875,

von

den

rabenschwarzen

todten Staatskirche S.

125).

kommen

„Unter unser»

57

vielen in- und ausländischen Missionsgebieten wird nicht eins gefunden, das in so kurzer Zeit mehr Erfolge hatte, als unsere Preußenmission. Ihr Frucht beweist, daß die Evan­ gelische Gemeinschaft einen göttlichen Auftrag hat, in Europa und somit auch in Preußenland zu missioniren." Rheinprovinz. Die erste preußische Kapelle wurde am 12. November 1876 in Mühlheim a. d. Ruhr eingeweiht. Sie kostet etwas über 18,000 Mark und erhielt den Namen „Zionskirche". Am Festgottesdienst nahmen etwa 700 Per­ sonen Theil. In Essen „hat der Herr Großes gethan. Auch dort" — so berichtet Bischof Escher — „muß eine Kirche gebaut werden, es unterliegt dies keinem Zweifel mehr." Die Schätzung, daß zum allerwenigsten sechs Missionare nach Essen kommen müssen und bald diese Zahl verdoppelt und wieder verdoppelt werden muß, ist in Anbetracht der Um­ stände noch „sehr zahm". Gründe anzuführen, sei über­ flüssig. Doch bemerkt er gerne, daß er einen Hausvater Folgendes erzählen hörte: „Gestern haben wieder neun Mann Jesum gefunden. Wir sind gekommen und haben angefangen zu singen das Lied: ,Wie bist du mir so innig gut1; und da haben die gleich zu schreien, zu beten und in größter Noth die Hände zu ringen angefangen und sie haben mit Ringen und Flehen und Weinen angehalten, bis alle neun Jesum gefunden hatten. Da waren sie aber so selig! O Brüder, es war merkwürdig — eine solche Kraft, daß ich noch heute bebe von derselben. In einem andern Hause fanden ihrer vier Andere um dieselbe Zeit den Herrn. Aehnliches kommt hier seit einiger Zeit oft vor, und es mehrt sich täglich die Zahl derer, die da glauben und selig werden. Der Herr ist mächtig, mächtig am Wirken." (Christl. Botsch. 1875, Nr. 27.)

SS

Ja Duisburg war Bruder Gülich's Eingang „höchst 6© friedigend; es winkt uns auch hier eine reiche Sternte“.

Doch

muß Hülfe kommen, besonders für die Städte und Ort» schafteo zwischen Ruhrort und Rheydt, wo der Herr „.eine

große Thür anfgethan hat". In Wesel ist alle 14 Tage Gottesdienst.

Als der Aus­

rufer mit der Schelle auf Straßen und Gassen btt Ankunft

des amerikanischen Missionars bekannt machte, füllte sich drr große Saal des BereinshauseS am Abend mit fchr aufmerk­

samen Zuhörern.

Der Prediger hält regelmäßige Versamm­

lungen in Duisburg, Richrort, Weiderich, Wesel und Rheydt

nebst

Umgegend.

Dringende Einladungen erhielt er aus

Düsseldorf, Elberfeld und aus dem Siegener Lande.

fehlt

es auch an Widerstand nicht von den

Doch

„sogenannten

Gläubigen". Das Wirken de» „BrüdervereinS" in der Rhein­ provinz und Westfalen wird zwar anerkannt.

Dieser Verein

sammelt nämlich durch seine sehr thätigen Lehrbrüder überall christliche Gemeinschaften, deren eigentllche Glieder Indepen­ denten werden und das Abendmahl unter sich feier»».

Organ dieser Richtung ist der

DaS

„Säemann" in ElberfÄd.

Sie arbeitet stets dm Darbysten in die Hand, nicht mit ihnen verwechselt werden.

darf aber

Unangenehm ist den

Methodisten aber, daß dieser Verein „eine etwas starke cal-vinistische Färbung hat, was bei uns Arminianerrr öfters anstößt" (Chr. Botsch. 1875, Nr. 38).

Sie selbst habm

natürlich das Recht, an einer andern Lehre Anstoß zu nehmen.

Aber die evangelische Kirche darf das nicht und begeht eine große Sünde, ihre Kirchen nicht sofort den mechodistischm Botw zur Verfügung zu stellen.

leute:

Doch meinen die Albrechts-

„Es muß und wird noch dahin kommen, daß Bap­

tisten, Methodisten, Evangelische (d. h. sie selbst) und StaatSkirchliche mit einander häufig die Kanzeln wechseln werden."

59

In Düsseldorf hielt der berühmte Mittler aus Bristol einen Vortrag

im

Februar 1877

und sagte

mit

großer

Personalkenntniß, daß zu seiner Leit von 900 Theologen in Halle nur vier gläubig gewesen

Die Albrechtsleute

seien.

deuten diesen Tadel sofort auf „einige seiner Zuhörer mit den weißen Halsbinden".

Westfalen. voll.

Für Dortunmd ist man sehr hoffnungs­

Ein Bruder hat iu Wiuden Wohnung genommen, wo

rings umher fast Alles „im Todesschlafe liegt" und von wo

man nach verschiedenen Richtungen hinaus wirken kann.

unser Siegener

Auch

Land ist von

den Predigern

Die Evangelische Gemeinschaft glaubt,

durchstreift worden.

hier eine Aufgabe zu haben.

Wir theilen die Meinung nicht.

Wir haben reges Leben, aber genug Zerrissenheit.

Kirchliche,

BereinSleute,

Böhme'sche.

Brüdervereinler,

ES gibt

Darbysten

und

ES ist kein Bedürfniß da, daß auch noch die

AlbrechtSbrüder ihr Fähnlein aufpflanzen. Hessen.

Dort

„reif zur Aernte" ist.

wird

ein Arbeitsfeld angeboten,

das

In diesem kleinen und schönen Lande

muß eine Mission begonnen werden, da dort noch viele treue

und redliche Seelen sind, die gerettet werden können.

sind 10,000 Thaler nöthig, um festen Fuß zu fassen.

Schabacker verspricht von

Doch Bruder

sich 100 Thlr. und erbittet das

Uebrige von den Kurhessen in Amerika (Chr. Botsch. 1875, Nr. 32).

Lippe. In Lippe sind viele offene Herzen.

Besonders auffallend

ist eS Bruder Berger, daß hier der Teufel auch „gläubige

Leute" zu Werkzeugen der Verfolgung für die Albrechtsleute macht.

Trotzdem sind die Aussichten derart,

daß Bischof

Escher unter dem

5. Juni 1875 für Lippe 6» bis 7000

Dollars verlangt.

Von Lippe und Hessen muß er sagen:

60 ,Wo wir's kaum gewagt zu hoffen. Stehn uns weit die Thüren offen." Sachse«. Auf der General - Conferenz in Philadelphia wird bitter geklagt über einen Erlaß des Evangelischen LandeSconsistoriumS vom 4. Mai 1875, nach welchem die Gemeinschaft nur Versammlungen veranstalten darf, aber weder Gemeinden organisiren, noch das heilige Abendmahl auStheilen.

III.

Rückblick. Das häufige Betonen der besondern Vorzüge, die eine protestantische Kirche vor der andern hat, ist ein unfrucht­ bares Ding.

Jede bewahre die ihr verliehenen, besondern

Gaben, lasse sie sich auswirken zur vollen Entfaltung und

halte mit den Brüdern die Einigkeit im Geiste, ohne deren

etwas anders geartete christliche Erfahrung gleich niedrigere Stufe zu betrachten. mus

seine Anerkennung.

Hat

als eine

Wir geben dem Methodis­ er sich

doch

durch äußere

Erfolge, sowie durch tiefe Frömmigkeit vieler seiner Glieder

legitimirt.

Wir sind nicht seine Anhänger.

einen Eindruck

Kirchen.

von

der Bedeutung

Aber wir haben

Wesley'S

und

Sie ist in Deutschland nicht genug anerkannt.

seiner Von

ihm und Whitefield datirt ein neues Leben im Protestan­

tismus englischer Zunge.

Das Wesen

des Methodismus

wird durch zwei Stücke constituirt, seine Kirchenverfassung

und sein christliches Leben.

Beide traten uns bei ihm in

scharfer Ausprägung entgegen.

Die kirchlichen Bewegungen

der Gegenwart geschehen allenthalben um diese beiden Pole.

62 Sie müssen auch zu einander in Beziehung treten und wechsel­ seitig auf einander wirken. „Hoevel de kerkform beteekent voor de ontwikkeling van bet gemeenteleven, leert de kerkgeschiedenis op iedere bladzijde “ — bemerkt Professor Dr. Cramer in Groningen. Aber die beste Verfassung ohne christliches Leben ist eine Hülle ohne Kern. „Van binnen naar buiten! Zoo moet bet ook met onze kerk gaan. Opwekking en versterking van bet echt - godsdienstige leven in de kerk moet bet voornaamste middel wezen, om tot en beteren kerk­ form te körnen “ (Nieuwe Bijdragen op bet gebied van godgeleerdheid en wijsbegeerte fAmsterdam 1877] I, 4). Für solche kirchliche Entwickelung dürfen wir von auswärts lernen. Aber man soll uns ausländische Art nicht auf­ zwingen. Das evangelisch-kirchliche Leben Deutschlands hat dunkle Schatten. Aber es fehlt auch nicht an Licht. Sv steht es doch mit unserm geistlichen Leben noch nicht, daß eS nur in methodistischen Kirchen Zuflucht und Nahrung finden könnte. So bankerott sind wir nicht, daß nur transatlan­ tisches Glaubenskapital uns retten kann. Hat uus Gott vergebens geweckt aus dem Schlaf der Orthodoxie iutb des Rationalismus? Soll die deutsche, fromme Art, soll die groß­ artige deutsche Liebesarbeit, sollen unsere Gottrsmänner und Gotteslieder Nichts mehr gelten? Kaim unfern Christenchum nur durch importirteS methodistisches Kirchen thum Kraft und Schwung verliehen werden? Jene glauben es. Ein anderer Dr. Cramer, nämlich der amerikanische Gesandte in Kopen­ hagen, schreibt (im Christi. Apologeten), daß sich die Staats­ kirche in Deutschland vor dem Wachschum des AkthodismuS fürchte. Nach seiner Meinung wird es gehen wie in Eng­ land. Dir Geistlichen der Staatökirche Englands iynorirtm oder verfolgten Wesley uub die Methodisten. Jetzt bereuen

63

sie eS, da der englische und amerikanische Methodismus zu

einer Welt-

Kirchenmacht

oder

wird eS noch

herangewachsen

in Deutschland gehen."

ist.

So

Wir erinnern dem

gegenüber daran, daß die deutschen Kirchen anders stehen,

als die Hochkirche dem Methodismus entgegentrat, daß seine Mission bei uns wesentlich schon erfüllt ist von dem Pietis­

Wer freilich

mus.

die Fortschritte des Methodismus

in

Deutschland übersieht, dem ist eS erklärlich, daß die Metho­

disten Gott preisen für den breiten und tiefen Grund ihrer Kirche, den die Brüder in Deutschland legen und die Hoff­

nung haben, „daß der Sauerteig des Methodismus das ganze große, deutsche Reich

Conferenz Herbst

der

1876).

durchsäuern werde" (Central-deutsche

bischöflichen

Methodisten

in

Nordamerika,

Sollte daS allerdings geschehen, daß die

vielfach unbeachtete, imposante Macht des Methodismus sich

bei uns

so lieben

entfaltet und dem bewährten und uns

deutschen Charakter unserer reformatorischen Kirchen noch den englischen, wesleyanischen Stempel aufdrückt, so ist eS Gottes

Wille, der eine so bedeutende Thatsache schafft.

Vorläufig

aber wollen wir mehr darauf sinnen, die Lebenskräfte unserer eigenen deutschen Reformation, die noch lange nicht erschöpft

sind, uns immer mehr anzueignen und sie immer reichlicher für Geist und Leben unserer evangelischen Kirche zu ver­ werthen.

uns nicht

DaS methodistische Treiben an.

Wir

und Rennen spricht

stehen nun einmal auf dem Boden

einer dreihundertjährigen, nicht nur kirchlichen, sondern auch christlichen Entwickelung und Erfahrung. verlassen

Nicht ohne Noth

wir diesen Boden, der von dem Blut und den

Thränen unserer Glaubensväter getränkt ist, der zu unserer

nationalen Eigenart paßt. Eine andere Frage aber ist die, ob wir von den ame­

rikanischen Brüdern Nichts

lernen sollen.

Jüngst, Methodismus in Deutschland.

Warum nicht? 5

64

Doch nicht in der Weise und Ausdehnung, wie

es mein

gütiger Recensent am Erie-See wünscht (Reform. Kirchenz.

Man hat uns Deutschen noch nie

Cleveland 1876, Nr. 7).

vorgeworfen, daß wir zu abgeschlossen seien, zu von Ausländern zu lernen.

Eher

abgeneigt,

Auch

das Gegentheil.

haben wir ein Auge für eigenthümliche Vorzüge des ameri­

kanischen

Christenthums.

freundlicher

Ein

Verkehr,

ein

gegenseitiger, internationaler Geistesaustausch kann nur segens­

reich wirken.

Mit Recht sagt Dörner (in der Gesch. d. prot.

„Amerika sicht noch in seinen theologischen An­

Theologie):

fängen, aber die Zukunft des Protestantismus hängt großen-

theils von der weitern Entwickelung dieses kräftigen Volkes

ab, daher die Erhaltung und Mehrung des Verkehrs mit dem deutschen Protestantismus und seinen Gütern von un­ berechenbarer Bedeutung

ist."

Wesentlich

verschieden

von

diesem freundschaftlichen Geistesverkehr ist aber die selbstbe­ Weise,

wußte

wie

di»

amerikanischen Brüder

in

unsere

Mitte dringen, uns von vornherein als das zu erobernde „feindliche Gebiet" bezeichnen, uns ihr Kirchenthum und als erstrebenSwertheS Ziel auch

nöthigen.

weissagt

ihre politische Verfassung auf­

Dagegen müssen wir protestiren. für Deutschland:

loSgerissene Stein des

„Der

wahrhaft

Bischof Escher

ohne Hände vom Berg

freien KirchenthumS und

BürgerstaatSthumS bewegt sich mit göttlicher Allgewalt immer

weiter und zermalmt Alles zu Staub, das sich ihm wider­

setzen will." Lust.

Wir aber haben zu seinem Kirchenthum keine

Auch nicht zu seiner amerikanischen Verfassung mit

ihren Präsidentenwahlen.

Wir danken Gott, daß wir eine

Monarchie und ein erbliches Kaiserthum haben, und bitten,

er möge es erhalten und segnen.

Wir billigen ganz die vom

Christlichen Botschafter angegriffenen, aber nicht widerlegten

Worte H. KrummacherS: „Wenn man in Amerika zu sagen

65 Pflegt:

.Auch in Deutschland wird Staat und Kirche erst grünen Zweig

auf einen

kommen,

wenn der Kaiserthron

durch einen Präsidentenstuhl ersetzt sein und wenn das Landes-

kircheuthum einem vielgestaltigen Konfessionen» und Sekten­ gewimmel Platz gemacht haben wird', so sage ich nein und abermals nein und berufe mich für dieses Nein darauf, daß

Gottes reiche Regierung gerade so gut die deutsche, wie die nordamerikanische Geschichte gemacht und daß er der dentschen

Nation wie

der nordamerikanischen

thümlichkeit gegeben hat,

die beide

mit der sie vielmehr als mit

wuchern sollen.

ihre

berechtigte Eigen­

nicht wegwerfen dürfen,

einem unvertrauten Pfunde

Wie jeder Mensch, so hat auch jedes Volk

von Gottes Gnade das Recht, nach feiner Fa?on zu existireu

und sich zu geriren."

(Deutscher Volksfreund.)

Im Ganzen sind wir nicht gerade sehnsüchtig nach den

amerikanischen kirchlichen Verhältnissen, wo trotz aller Revi­

vals und

Massenmeetings

das

sittliche Leben

in Familie

und Staat niedriger steht, als bei uns, und unter den ver­

schiedenen großen und

Meinen Denominationen vielfach ein

Krieg Aller gegen Alle herrscht.

Wohl ist es fast guter

Ton in manchen Kreisen geworden, die kirchliche Lage mög­ lichst vom Gesichtspunkt der Verzagtheit aus zu betrachten,

das Freikirchenthum

als das wünschenSwerthe

und unver­

meidliche Ziel unserer Entwickelung darzustellen und in Amerika'S kirchlichen Verhältnissen das Eldorado zu sehen.

Dessen

sind wir freilich sicher, daß der Sieg und die endliche Herr­

schaft des Evangeliums nicht gebunden ist an diese oder jene kirchliche Form, sie sei Volkskirche oder Freikirche, sind auch

bereit,

wirkliche Vorzüge

der letztem

willig anzuerkennen.

Doch vorläufig halten wir fest, nicht an einer Staatskirche, aber an unserer Volkskirche.

Wir verlassen sie nicht, wie

ein sinkendes Schiff, sondern wollen sie lieben und durch

66 Liebe retten. Sie ist eine bei uns historisch erwachsene Thatsache, ist seit drei Jahrhunderten mit Leben und Sitte in so zahlreichen Adern verwachsen, daß unser Volksleben aus vielen Wunden bluten würde, wollten wir die Kirche aus ihm herausnehmen. Gar leicht ist es, ihre offenbaren Mängel zu tadeln und ausländisches Kirchenthum als letztes, höchstes Heilmittel für deutsche Kirchenschäden zu preisen; auch sind Viele bereit, sie mit leichter Hand zu zertrümmern, mit leichtem Herzen zu verlassen. Wer aber unser deutsches Volk herzlich lieb hat, der halte an ihr fest so lange, bis Gott selbst sie auflöst. Denn wer unsere deutsche Volks­ kirche aufgibt, der gibt auch unser evangelisches Volk im Ganzen auf. Das aber wollen wir nicht.

J

Druck von Friedr. Andr. Perthes in Gotha.