Struktur, Entwicklung und Begriff der Verbrauchsteuern [1 ed.] 9783428488452, 9783428088454

Mit den Verbrauchsteuern als Steuerart hat sich bislang überwiegend die Finanzwissenschaft beschäftigt. Die Arbeit unter

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German Pages 155 Year 1997

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Struktur, Entwicklung und Begriff der Verbrauchsteuern [1 ed.]
 9783428488452, 9783428088454

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Schriften zum Steuerrecht

Band 53

Struktur, Entwicklung und Begriff der Verbrauchsteuern Von

Dirk Müller

Duncker & Humblot · Berlin

DIRK MÜLLER

Struktur, Entwicklung und Begriff der Verbrauchsteuern

Schriften zum Steuerrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Joachim Lang und Prof. Dr. Jens Peter Meincke

Band 53

Struktur, Entwicklung und Begriff der Verbrauchsteuern

Von Dirk Müller

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Müller, Dirk: Struktur, Entwicklung und Begriff der Verbrauchsteuem / von Dirk Müller. - Berlin : Duncker und Humblot, 1997 (Schriften zum Steuerrecht; Bd. 53) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1995/96 ISBN 3-428-08845-X NE:GT

D294 Alle Rechte vorbehalten © 1997 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 3-428-08845-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 9

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der RuhrUniversität Bochum im Wintersemester 1995/96 als Dissertation angenommen. Obwohl das Manuskript im Oktober 1995 abgeschlossen wurde, konnten Rechtsprechung und Literatur bis Mitte April 1996 berücksichtigt werden. Dank schulde ich an erster Stelle meinem akademischen Lehrer, Herrn Professor Dr. Heinrich Wilhelm Kruse. Er hat die Arbeit angeregt, in jeder Phase verständnisvoll betreut und mir immer mit wertvollem Rat zur Seite gestanden. Bei Herrn Professor Dr. Peter-Hubert Naendrup bedanke ich mich herzlich für die Mühe, die er als Zweitgutachter der Arbeit auf sich genommen hat. Herrn Professor Dr. Joachim Lang und Herrn Professor Dr. Jens Peter Meincke gilt mein besonderer Dank für die Aufnahme dieser Arbeit in die Reihe "Schriften zum Steuerrecht" des Verlages Duncker & Humblot, Berlin. Schließlich möchte ich meiner Frau danken, die mir unersetzliche Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts leistete und mir beim Korrekturlesen zur Seite stand. Bochum, im Juni 1996

Dirk Müller

Inhaltsverzeichnis Einleitung

17

Gang der Untersuchung

20

1. Teil Die geltenden Verbrauchsteuergesetze nach ihrer auf den Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften beruhenden Harmonisierung

22

A. Die europarechtlichen Grundlagen der deutschen Verbrauchsteuergesetze. ............ 22

I. Die europäischen Richtlinien zur Harrnonisierung .......................................... 22

II. Der europäische Binnenmarkt als Grund der Harrnonisierung............ ............. 24 III. Die auf Art. 99 EGV beruhende Harrnonisierung der Verbrauchsteuern und die nationalen Gesetzgebungskompetenzen ..................................................... 26 IV. Der Einfluß der europäischen Richtlinien auf die Auslegung der nationalen Verbrauchsteuergesetze.................................................................................... 29 1. Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung ........................................... 30

2. Gleichrangigkeit der verschiedenen Auslegungsmethoden .... ................... 31 3. Nachrangigkeit der richtlinienkonformen Auslegung ................................ 32 4. Eigene Stellungnahme ..... ......... ....................... ........................... ............... 32 B. Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze .................................................. 34 I. Die Steuerobjekte ............................................................................................. 35

1. Die steuerliche Belastung von Alkohol und alkoholischen Getränken...... 36 a) Die steuerliche Belastung von Bier ...................................... ............... 36 b) Die steuerliche Belastung von Branntwein .......................................... 37 c) Die steuerliche Belastung von Schaumwein ........................................ 39 d) Die steuerliche Belastung von Wein .................................................... 40 e) Die steuerliche Belastung von Zwischenerzeugnissen ........................... 41

8

Inhaltsverzeichnis 2. Die steuerliche Belastung von Mineralölen und Erdgas ....... ............ ......... 41 3. Die steuerliche Belastung von Tabakwaren ............................................... 43 4. Die steuerliche Belastung von Kaffee........................................................ 44 11. Der Beginn der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit" der belasteten Waren als Vorstufe der Steuerentstehung ......................................................................... 45 1. Die Sachhaftung der Waren nach § 76 AO ................................................ 46 2. Die besondere Steueraufsicht nach §§ 209 ff. AO und den Vorschriften der einzelnen Verbrauchsteuergesetze ....................................................... 47 3. Das Aussetzungsverfahren ......................................................................... 50 a) Steuerlager ......................... .................................................. ......... ....... 50 b) Das Beförderungsverfahren ................................................................. 51 aa) Das Beförderungsverfahren innerhalb des Steuergebietes............. 52 bb) Das Beförderungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft .............................................. ............ 53 cc) Das Beförderungsverfahren nach der Einfuhr der Waren in das Steuergebiet ................................................................................... 54 c) Die Kontrolle und Sicherung der Warenbewegungen unter Steueraussetzung. ........................................................................................... 54 d) Das Aussetzungsverfahren als Ersatz der bedingten Steuer (§ 50 AO) 55 e) Das Aussetzungsverfahren als unzulässige Beschränkung der Freiheit des Warenverkehrs? ...................................................................... 57 III. Die Anknüpfungspunkte des Steuertatbestandes im tatsächlichen ................... 59 1. Die Dichotomie der Verbrauchsteuergesetze ............................................. 59

2. Die Entnahme der verbrauchsteuerbelasteten Ware in den freien Verkehr 60 a) Die Entfernung der Ware aus einem Steuerlager ................................. 60 b) Die Entnahme zum Verbrauch im Steuerlager..................................... 61 3. Die Steuerentstehung bei dem Versand von Waren des freien Verkehrs ... 65 4. Die Einfuhr verbrauchsteuerbelasteter Waren aus Ländern außerhalb der europäischen Union als Anknüpfungspunkt fiir die Entstehung der Steuerschuld ...................................................................................................... 66 a) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der dynamischen Verweisung 67 b) Die Überfuhrung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr .......... 70 c) Die Überfiihrung in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung 71

Inhaltsverzeichnis

9

5. Die Entstehung der Steuer auf Grund steuerlicher Unregelmäßigkeiten ... 72 a) Die in den Verbrauchsteuergesetzen unmittelbar angeordneten Entstehungstatbestände ............................................................................. 73 aa) Die unrechtmäßige Herstellung der verbrauchsteuerpflichtigen Ware .............................................................................................. 73 bb) Unregelmäßigkeiten im Warenverkehr unter Steueraussetzung .... 73 cc) Sonstige Fälle der Verletzung steuerlicher Pflichten ..................... 75 b) Die Steuerentstehung auf Grund von Unregelmäßigkeiten bei der Einfuhr der Ware aus Drittländem ....................................................... 76 aa) Das vorschriftswidrige Verbringen der Ware in das Steuergebiet. 76 bb) Das Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung ...... 78 cc) Sonstige zollrechtliche Verfehlungen ............................................ 79 dd) Verbrauch oder Verwendung in einer Freizone ............................. 80 ee) Nichtentstehen der Steuerschuld nach Art. 206 ZK ...................... 81 6. Mehrfache Verwirklichung von Steuerentstehungstatbeständen ............... 81 a) Die in den Verbrauchsteuergesetzen unmittelbar angeordneten Entstehungstatbestände ........... ................ .... ........... ............... ......... ... ... ..... 82 b) Die zollrechtlichen Entstehungstatbestände .. ............... ........... ............ 83 IV. Bemessungsgrundlage und Steuertarife ........................................................... 83 V. Steuervergünstigungen ..................................................................................... 84 I. Die Abgrenzung von den am Belastungsgrund orientierten Steuervergünstigungen von den sonstige Zwecke verfolgenden Steuervergünstigungen ....................................................................................................... 86 2. Die Ausfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Güter........................................... 87 3. Die Belastung von Mineralöl als Kraft- oder Heizstoff............................. 87 4. Die gewerbliche Verwendung belasteter Ware .......................................... 88 5. Sonstige Befreiungen ................................................................................. 89 6. Steuerbefreiungen für eingeführte Waren.................................................. 90 7. Steuersatzermäßigungen ......................... ................................................... 91 VI. Steueranmeldung und Fälligkeit der Steuer ..................................................... 91 VII. Erlaß, Erstattung und Vergütung der Verbrauchsteuer .................................... 92 1. Die Rücknahme versteuerter Waren in ein Steuerlager ............................. 93

10

Inhaltsverzeichnis 2. Die steuerliche Entlastung bei dem Verbrauch versteuerter Waren in anderen Mitgliedstaaten ................................................................................. 94 3. Die Bedeutung des Belastungsgrundes rur den Billigkeitserlaß nach § 227 AO ................................................................................................... 95 4. Erlaß und Erstattung auf Grund der sinngemäßen Verweisung auf die Zollvorschriften ........................................................ ...................... ........... 99

C. Zusammenfassung .................................................................................................... 100

2. Teil

Der Begriff der Verbrauchsteuern

102

A. Die Verbrauchsteuern als Steuertypus ..................................................................... 103

B. Die geschichtliche Entwicklung ............................................................................... 103 I. Die Akzise als Vorläuferin der Verbrauchsteuern ............................................ 104

11. Die Akzisen im 19. Jahrhundert ....................................................................... 108 III. Die Verbrauchsteuern des Zollvereins und des Norddeutschen Bundes .......... 109 IV. Die Entwicklung nach der Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871 ..... 111 V. Die Entwicklung von der Weimarer Republik bis zum Grundgesetz ............... 112 C. Die allgemeinen Charakteristika der Verbrauchsteuern ........................................... 113

I. Der Steuergegenstand ....................................................................................... 114 1. Die Steuerobjekte als verbrauchsfähige Waren ......................................... 114

2. Die Besteuerung von Luxusgütern ............................................................. 115 3. Steuern auf spezielle Güter ........................................................................ 117 4. Die Belastung von Waren des privaten Konsums ...................................... 118 5. Die Anknüpfungspunkte rur die Entstehung der Steuerschuld im tatsächlichen ......................................................................................................... 119 11. Die Steuerbemessungsgrundlage und der Steuertarif....................................... 120 III. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern ............................... 121 I. Verbrauchsteuern als Steuern auf die Vennögensverwendung .................. 121 2. Überwälzbarkeit der Verbrauchsteuern ................................................. ..... 123

Inhaltsverzeichnis

II

3. Der Verbrauch als Indikator steuerlicher Leistungsfahigkeit.. ................... 125 a) Der Begriff "wirtschaftliche Leistungsfahigkeit" in der Finanzwissenschaft .............................................................................................. 126 b) Die "Soll"-Leistungsfahigkeit ............................................................. 127 c) Die "Ist"-Leistungsfahigkeit ................................................................ 128 aa) Objektive Leistungsfähigkeit.. ....................................................... 128 bb) Subjektive Leistungsfahigkeit ....................................................... 129 d) Stellungnahme ..................................................................................... 131 IV. Erhebungstechnik ............................................................................................. 134 V. Wesensmerkmale der Verbrauchsteuem außerhalb herkömmlicher Einteilungskriterien ................................................................................................... 135 1. Verwaltungsorganisation ........................................................................... 135 2. Entstehung auf Grund eines volkswirtschaftlich bedeutsamen Vorgangs .135 VI. Abgrenzung zu anderen Steuerarten und Abgaben .......................................... 136 1. Die Verkehrsteuem .................................................................................... 137 2. Die Umsatzsteuer ....................................................................................... 138 3. Die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern ......................................... 139 4. Die Zölle .................................................................................................... 140 D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Begriff der Verbrauchsteuern ................. 143 E. Zusammenfassung .................................................................................................... 143

3. Teil

Schlußbetrachtung

145

Literaturverzeichnis

146

Abkürzungsverzeichnis Abl.EG AO BB BFH BFHE BFHlNV BGB BGBI.I BGHZ BierStG BierStVO BK BMF-Schriftenreihe BranntwMonG BranntwStVO BR-Drucks. BStBI. 11 BStBI. III BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE DB DJT DStJG 5 (1982)

Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abgabenordnung 1977 vom 16.3.1976 BGBI. 1 S. 613 mit Änderungen Betriebs-Berater Bundesfinanzhof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bürgerliches Gesetzbuch vom 18. August 1896 RGBI. S. 195, zuletzt geändert durch Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 BGBI. 1 S. 2911 Bundesgesetzblatt Teil 1 Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Biersteuergesetz vom 21.12.1993 BGBI. 1 S. 2150,2158 Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes vom 24. August 1994 BGBI. 1 S. 2191 Bonner Kommentar zum Grundgesetz Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen Gesetz über das Branntweinmonopol vom 8.4.1922 RGBI. 1 S. 335, 405, in der im BGBI. III 612-7 veröffentlichten Fassung Branntweinsteuerverordnung vom 21. Januar 1994 BGBI. 1 S.104 Drucksache des Deutschen Bundesrates Bundessteuerblatt Teil 11 Bundessteuerblatt Teil III Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgericht Der Betrieb Deutscher Juristentag Klaus Tipke (Herausgeber), Grenzen der Rechtsfortbildung durch Rechtsprechung und Verwaltungsvorschriften im Steuerrecht, Köln 1982

Abkürzungsverzeichnis DStJG 11 (1988) DStJG 13 (1990) DStJG 15 (1993) DStR DStZ DVO DVOzumZK

EAG EFG EGKS EGV

EG-Vertrag

EStG EuGH EuR EUV EWG EWGV FA FS Felix FS Flume FS Lukes

13

Heinrich Wilhelm Kruse (Herausgeber), Zölle, Verbrauchsteuern, europäisches Marktordnungsrecht, Köln 1988 Lothar Woerner (Herausgeber), Umsatzsteuer in nationaler und europäischer Sicht, Köln 1990 Paul Kirchhof (Herausgeber), Umweltschutz im Abgabenund Steuerrecht, Köln 1993 Deutsches Steuerrecht Deutsche Steuerzeitung Durchführungsverordnung Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 2. Juli 1993, ABI. EG Nr. L 253 S. I mit Änderungen Europäische Atom-Gemeinschaft Entscheidungen der Finanzgerichte Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 BGBI. 11 S. 766, in der Fassung des Vertrags über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 BGBI. 11 S. 1253/1256 Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. März 1957 BGBI. 11 S. 766, in der Fassung des Vertrags über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 BGBI. 11 S. 1253/1256 Einkommensteuergesetz 1990 in der Fassung vom 7.9.1990 BGBI. I S. 1898 mit Änderungen Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Europarecht Vertrag über die Europäische Union (Maastricht-Vertrag) vom 7. Februar 1992 BGBI. 11 S. 1253 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. März 1957 BGBI. 11 S. 752, 753, 766 Finanzarchiv Dieter earle, Klaus Korn, Rudolf Stahl (Herausgeber), Herausforderungen - Steuerberatung im Spannungsfeld der Teilrechtsordnung, Festgabe für Günther Felix, Köln 1989 Kurt Ballerstedt, FA Mann, Horst Heinrich Jakobs, Brigitte Knobbe-Keuk, Eduard Picker, Jan Wilhelm (Herausgeber), Festschrift für Werner Flurne, Köln 1978 Herbert Leßmann, Bernhard Großfeld, Lothar Vollmer (Herausgeber), Festschrift für Rudolf Lukes, Köln, Berlin, Bonn, München 1989

14 FS Neumark

FS Paulick FS v. Schanz FS Wacke Ges. GG GmSOGB HdFiWi HdStR IV HFR HHSp. JA JZ KaffeeStG KN

KritV KStZ MinöStG MinöStG 1989 MinöStVO NJW N.N. NVwZ RAO RFH RFHE RGB!. RGB!.I RL

Abkürzungsverzeichnis Heinz Haller, Lore Kullmer, earl S. Shoup, Herbert Timm (Herausgeber), Theorie und Praxis des finanzpolitischen Interventionismus, Festschrift für Fritz Neumark, Tübingen 1970 Heinrich Wilhelm Kruse (Herausgeber); Festschrift für Heinz Paulick, Köln-Marienburg 1973 Hans Teschemacher (Herausgeber), Festgabe für Georg von Schanz, Band I und 11, Tübingen 1928 Klaus Vogel, Klaus Tipke (Herausgeber), Verfassung - Verwaltung - Finanzen, Festschrift für Gehard Wacke, KölnMarienburg 1872 Gesetz Grundgesetz Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Handbuch der Finanzwissenschaft Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band IV Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung HübschmannlHepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung Juristische Arbeitsblätter Juristenzeitung Kaffeesteuergesetz vom 21.12.1993 BGB!. I S. 2199 Warennomenklatur nach Artikel I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 (AB!. EG Nr. L 256 S. I) in der Fassung des Anhangs zur Verordnung (EWG) Nr. 2587/91 der Kommission vom 26. Juli 1991 (AB!. EG Nr. L 259 S. 1) und die bis zum 19. Oktober 1992 zu seiner Durchführung erlassenen Rechtsvorschriften Kritsche Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft Kommunale Steuer-Zeitschrift Mineralölsteuergesetz vom 21.12.1993 BGB!. I S. 2185 Mineralölsteuergesetz in der Bekanntmachung vom 20.12.1988 BGB!. I S. 2277 Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom 15. September 1993 BGB!. I S. 1602 Neue Juristische Wochenschrift nomen nescio Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Reichsabgabenordnung Reichsfinanzhof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Reichsgesetzblatt Teil I Richtlinie

Abkürzungsverzeichnis SchaumwZwStG SchaumwZwStVO Slg. StbJb StKongRP StRO StuW StVj. TabakStG TabakStVO UAbs. UR UStG VJSchrStuFR VO VVDStRL VwZG Weißbuch WRV ZfZ ZGR ZGStW ZK

ZollVG ZuckStG

15

Gesetz zur Besteuerung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen vom 21.12.1993 BGBI. I S. 2176 Verordnung zur Durchflihrung des Gesetzes zur Besteuerung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen vom 17. März 1994 BGBI. I S. 568 Sammlung Steuerberater-Jahrbuch Steuerkongreß-Report Steuerrechtsordnung Steuer und Wirtschaft Steuerliche Vierteljahresschrift Tabaksteuergesetzvom21.12.1993 BGBI. I S. 2150 Verordnung zur Durchflihrung des Tabaksteuergesetzes vom 14. Oktober 1993 BGBI. I S. 1738 Unterabsatz Umsatzsteuer-Rundschau Umsatzsteuergesetz 1993 in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.4.1993 BGBI. I S. 565 berichtigt BGBI. I S. 1160 Vierteljahresschrift flir Steuer- und Finanzrecht Verordnung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungszustellungsgesetz vom 3.7.1952 BGBI. I S. 379 Weißbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an den Europäischen Rat, BR-Drucks. 289/85 Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) vom 11. August 1919 RGBI. S. 1383 Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift flir die gesamte Staatswissenschaft Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften vom 12. Oktober 1992 ABI. EG Nr. L 302 S.I Zollverwaltungsgesetz vom 21. Dezember 1992 BGBI. I S. 2125 Zuckersteuergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.10.1 983 BGBI. I S. 1245

Einleitung Das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz1 hat die Richtlinien der Europäischen Gemeinschafe zur Harmonisierung der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke, Mineralöl und Tabakwaren umgesetzt. Damit ist die seit langem geführte Diskussion um die europäische Harmonisierung der Verbrauchsteuern einstweilen zur Ruhe gekommen. 3 Im Rahmen der Harmonisierung sind die europäischen Richtlinien zu den Verbrauchsteuern in innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Bei der Transformation in innerstaatliches Recht verbleiben dem nationalen Gesetzgeber Entscheidungsspielräume. Harmonisierung bedeutet nicht, daß die Verbrauchsteuergesetze der Mitgliedstaaten vereinheitlicht worden sind. Sie strebt keine vollständige Steueridentität an: Die Harmonisierung hat damit keine so weitreichende Regelungsintensität wie eine Rechtsvereinheitlichung durch unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltende europäische Verordnungen. Der Harmonisierung unterliegen nach Art. 1 Abs. 1 der Systemrichtlinie (EWG) 92/125 die indirekten Steuern, die "unmittelbar oder mittelbar auf den Verbrauch von Waren erhoben werden". Der Gemeinschaftsgesetzgeber verwendet den Begriff des "Verbrauchs von Waren", um die der Harmonisierung unterfallenden Verbrauchsteuern als Steuerart zu beschreiben. Versteht man

1

Vom 21. Dezember 1992, BGBI. I, 2150.

2 Mit dem Vertrag über die Europäische Union v. 7. Februar 1992 ist die Europäische Union als politische Instanz geschaffen worden. Eigenständige Rechtspersönlichkeiten sind wegen der europäischen Verträge (EGV, EGKS, EAG) die Europäische Gemeinschaft, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl und die Europäische Atomgemeinschaft. Die Europäische Union ist die Dachorganisation für diese weiterhin bestehenden rechtlichen Gemeinschaften, vgl. Art. A III EUV, Friedrich, in: Schwar:zJ Wockenfoth, Zollreche, Präambel zum Zollkodex, Rn. 2, ders., StuW 1995, 15.

3 Stattdessen wird diskutiert, ob sog. "Ökosteuem" als Verbrauchsteuern ausgestaltet werden können; vgl. etwa Arndt, Rechtsfragen einer deutschen CO 2-lEnergiesteuer, 50 ff; Köck, JZ 1991, 697 f; Zitzelsberger, BB 1995, 1774 ff jeweils m.w.N. 4

Schweitzer/Hummer, Europarecht4 , 337.

5 Vom 25. Februar 1992, ABI. EG Nr. L 76, 1, zuletzt geändert durch RL (EG) 94/74 v. 22. Dezember 1994, ABI. EG Nr. L 365, 46.

2 D. Müller

18

Einleitung

den wirtschaftlichen Sachverhalt, an den die Besteuerung im Verhältnis zum belasteten Bürger anknüpft, als Belastungsgrund einer Steuer,6 liegt es nahe, den Belastungsgrund der nationalen Verbrauchsteuern ebenso wie Art. 1 Abs. 1 der System-Richtlinie (EWG) 92/12 mit dem "Verbrauch einer Ware" zu umschreiben. Den Belastungsgrund einer Steuer zu verdeutlichen, ist kein Selbstzweck der Steuergesetze. Die Belastungsentscheidung dient dazu, die Konturenarmut, die das Steuerrecht prägt, zu begrenzen. Die steuerrechtliche Unschärfe folgt daraus, daß dem Steuerrecht im Gegensatz zu anderen Eingriffsverwaltungen keine aus der Natur der Sache folgende Sachgesetzlichkeit vorgegeben ist. Im Bereich des Polizei- und Ordnungsrechts handelt der Gesetzgeber, um die Abwehr der den Bürgern drohenden Gefahren zu regeln,' das Baurecht will die von Gebäuden ausgehenden Gefahren für Menschen verhindern, Gewerberecht und sonstiges Berufsrecht stellen besondere Anforderungen an die Berufsgruppen, um die ordnungsgemäße Erfiillung bestimmter Pflichten sicherzustellen. 8 Das Straßenverkehrsrecht will die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs gewährleisten, mit dem Sozialrecht soll das Existenzminimum in Not geratener Menschen abgesichert werden. 9 Aus der Natur dieser Rechtsmaterien ergeben sich bereits rechtliche Strukturen, die dem Gesetzgeber vorgegeben sind. Der Steuergesetzgeber kennt eine solche Sachgesetzlichkeit nicht,1O denn er will nur den Finanzbedarf des Staates decken. Die Steuertatbestände müssen deshalb nicht an einen bestimmten Lebenssachverhalt geknüpft werden. Sondern es muß sich letztlich um einen Lebenssachverhalt handeln, aus dessen Besteuerung der Staat Einnahmen erzielen kann. Bei der Auswahl der Lebenssachverhalte, die besteuert werden sollen, hat der Gesetzgeber einen weiten Entscheidungsspielraum. 11 Schutz vor einem willkürlichen Anknüpfen des Steueranspruches an den Tatbestand gewährt allein der Gesetzesvorbehalt, dem jedes Steuergesetz genügen

6

Reiß, DStJG 13 (1990),15.

, Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 2 III 2b, 46. 8

P. Kirchhof, Gutachten für den 57. DJT 1988, F 10; ders., NJW 1987,3218.

9

P. Kirchhof, NJW 1987,3218.

10 Crezelius, FS Felix, 51; Flume, StbJb 1967/68,64; ders., StbJb 1985/86,279; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 2 III 2b, 46 f 11 Crezelius, FS Felix, 51; Flume, StbJb 1967/68,84; ders., StbJb 1985/86,279 f; P. Kirchhof, NJW 1987,3218; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 2 II13a, 47.

Einleitung

19

muß. 12 Indem der Gesetzgeber seine Belastungsentscheidung im Steuergesetz deutlich zum Ausdruck bringt und verständlich macht, prägt er die Konturen des Steuergesetzes und wirkt zugleich der Konturenarmut des Steuerrechts entgegen. 13 Wenn also nur die gesetzgeberische Belastungsentscheidung das Steuerrecht und die einzelnen Steuergesetze prägen kann, dann ist zu untersuchen, ob der Belastungsgrund in den Verbrauchsteuergesetzen deutlich hervortritt und ob sich mit seiner Hilfe Merkmale gewinnen lassen, um die Steuerart Verbrauchsteuern zu umschreiben.

12 Blaurock, JA 1980, 143; Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit, 76 ff.; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 2 III 3c, 58 f.

13

P. Kirchhof, Gutachten für den 57. DJT 1988, F 11.

Gang der Untersuchung Eine Steuerart kann nur anhand des positiven Rechts beschrieben und von anderen Steuerarten unterschieden werden. I Die Steuerrechtswissenschaft kann nicht wie die Finanzwissenschaft auf Grund empirisch nachweisbarer oder spekulativer volkswirtschaftlicher Auswirkungen zu einer Einteilung von Steuerarten gelangen. Nur rechtliche Regelungen ermöglichen rechtliche Aussagen über die steuerlich belasteten Lebenssachverhalte und die Auswirkungen einer Steuer. Im ersten Teil der Arbeit sind deshalb die grundlegenden Strukturen der harmonisierten Verbrauchsteuergesetze darzustellen. Darauf aufbauend werden im zweiten Teil der Arbeit die Eigenschaften aufgezeigt, die die Verbrauchsteuern als Steuerart kennzeichnen. Welche rechtlichen Einteilungskriterien die Eigenschaften der verschiedenen Steuerarten prägen, ist noch nicht abschließend geklärt. Die gesetzlichen Merkmale, die die herrschende Meinung für diese Aufgabe heranzieht, gehen auf eine Abhandlung Markulls 2 aus dem Jahr 1930 zurück. Es handelt sich um den Steuertatbestand, die Steuerbemessungsgrundlage, die Art der Erhebung und die wirtschaftliche Wirkung. 3 I So schon Markul/, VJSchrStuFR 1930, 589; ferner Bühler/Strickrodt, Steuerrecht, Bd. I, 75 f.; Hensel, Steuerreche, 203; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 111, 70 f.; differenzierend Birk, Steuerrecht I, 46 f. 2

VJSchrStuFR 1930, 589.

3 BVerfGE 7, 244 (260, 263 f.); 13, 181 (193); 14,76 (91); 16,64 (75); 40,56 (62 f.); 49, 343 (355); Tipke/Kruse, AO, § 3 Tz. 39; differenzierend Birk, Steuerrecht I, 46 f., der diese Klassifizierung nach den äußeren Merkmalen der Steuern nur als "grobe" Form bezeichnet. Daneben sei eine weitere äußere Systematisierung des staatlichen Zugriffs auf die ,jeweils betroffene Erscheinungsform der Leistungsflihigkeit" und die einer inneren Ordnung der Steuern nach normativen Wertvorgaben möglich. Die Einteilung nach der wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit, die Steuern erfassen sollen, steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der nach den wirtschaftlichen Wirkungen einer Steuer. Sie muß sich aus dem Gesetz ergeben können, so daß Birk, a.a.O., 47 zu Recht von einer "äußeren" Systematisierung spricht. Das "innere" System der Klassifizierung ist nach Birk, a.a.O., 54 "vom Gerechtigkeitsgedanken getragen". Für dieses "innere" System verlangen er und Tipke, StRO, 478 ff. eine "normative" Ordnung, um Wertungswidersprüche abzubauen. In der Sache geben diese Autoren den von Finanzwissenschaftlern entwickelten "rationalen Steuersystemen" ein rechtliches Gerüst, vgl. Birk,

Gang der Untersuchung

21

In dieser Arbeit wird der steuerbegründende materielle Tatbestand, der die Steuerschuld entstehen läßt, als Steuergegenstand bezeichnet. Zum Steuergegenstand zählen das Steuerobjekt, die Anknüpfungspunkte des Tatbestandes im tatsächlichen, der Steuertarif und das Nichtvorliegen von Steuerbefreiungen. 4 Keines der neben dem Steuergegenstand genannten Merkmale kann für sich genommen das Wesen einer Steuerart erklären. Sie werden gemeinsam in einen Gesamtvergleich einbezogen, um zu einer juristischen Beurteilung zu gelangen. 5 Um deshalb im zweiten Teil der Arbeit das Wesen der Verbrauchsteuern als Steuerart umschreiben zu können, beschränkt sich die Darstellung der rechtlichen Strukturen im ersten Teil auf die genannten gesetzlichen Merkmale in den einzelnen Verbrauchsteuergesetzen.

a.a.O., 54. Um die Verbrauchsteuem als Steuerart zu umschreiben, ist der Rückgriff auf ein solches "inneres" Klassifizierungssystem entbehrlich, zumal der "Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit" als Fundamentalprinzip dieser "inneren" Ordnung angesehen wird, vgl. Birk, a.a.O., 55. Ob die Verbrauchsteuern steuerliche Leistungsfähigkeit nach dem "äußeren" Klassifizierungsystem überhaupt erfassen, muß sich zunächst erweisen (s. dazu 2. Teil C. III. 3.). 4 Hensel, Steuerreche, 57; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 11 1,71. Vgl. auch Förster, Die Verbrauchsteuern, 58 f. m.w.N.

5

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 11 1,71.

J. Teil

Die geltenden Verbrauchsteuergesetze nach ihrer auf den Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft beruhenden Harmonisierung A. Die europarechtlichen Grundlagen der deutschen Verbrauchsteuergesetze I. Die europäischen Richtlinien zur Harmonisierung

Die System-Richtlinie (EWG) 9211i bestimmt rur die belasteten Waren das allgemeine Verfahren zur Erhebung der Verbrauchsteuem. Sie regelt das Entstehen der Steuer, die Beförderung und Kontrolle der belasteten Waren, bestimmte Steuerbefreiungen und Erstattungen. Die Art der belasteten Waren legt sie nur abstrakt fest, indem Art. 3 der System-Richtlinie lediglich Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren erwähnt. Die präzise Beschreibung der Waren überläßt sie den jeweiligen vom Rat erlassenen Strukturrichtlinien. Bei diesen Richtlinien handelt es sich um - die Alkohol- Strukturrichtlinie2, - die Mineralöl- Strukturrichtlinie3, - die Tabakwaren-Strukturrichtlinien4 •

I RL (EWG) 92/12 des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren v. 25. Februar 1992, ABI. EG NT. L 76, 1, zuletzt geändert durch RL (EG) 94/74 v. 22. Dezember 1994, ABI. EG Nr. L 365, 46. Die Änderungs-RL hat der Gesetzgeber bislang nicht umgesetzt; vgl. Teichner/Alexander/Reiche, MinöStG 1993, § I Rn. 38. 2 RL (EWG) 92/83 des Rates zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke v. 19. Oktober 1992, ABI. EG Nr. L 316, 21.

3 RL (EWG) 92/81 des Rates zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle v. 19. Oktober 1992, ABI. EG Nr. L 316,12, zuletzt geändert durch die bislang nicht umgesetzte RL (EG) 94/74 v. 22. Dezember 1994, ABI. EG Nr. L 365, 46. 4 RL (EWG) 72/464 des Rates über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer v. 19. Dezember 1972, ABI. EG Nr. L 303, 1 und RL (EWG) 79/32

I. Die europäischen Richtlinien zur Hannonisierung

23

Art. 2, 8, 12, 17, 20 der Alkohol-Strukturrichtlinie und Art. 2 der MineralölStrukturrichtlinie beschreiben die verbrauchsteuerpflichtigen Waren, indem sie auf Positionen der Kombinierten NomenklaturS verweisen. Die Kombinierte Nomenklatur ist eine Warennomenklatur, die sowohl für den gemeinsamen Zolltarif als auch für die Statistik des Außenhandels der Gemeinschaft Grundlage ist. 6 Maßgebend ist die bis zum 19. Oktober 1992 geltende Fassung der Kombinierten Nomenklatur.' Mit dieser Verweisung auf diese Kombinierte Nomenklatur hat der Gemeinschaftsgesetzgeber darauf verzichtet, die belasteten Gegenstände in den Richtlinien präzise zu defmieren. Um zu entscheiden, ob eine Ware belastet ist oder nicht, muß jede einzelne Ware einer Position oder Unterposition der Kombinierten Nomenklatur zugeordnet werden. Demgegenüber defmieren Art. 2 bis 7 der Richtlinie (EWG) 79/32 die Begriffe Zigarren, Zigarillos, Zigaretten, Rauchtabak, Feinschnittabak für selbstgedrehte Zigaretten und diesen gleichgestellte Erzeugnisse ohne Rückgriff auf die Kombinierte Nomenklatur. Ferner legen Richtlinien die Mindeststeuersätze für die belasteten Waren fest. Bei ihnen handelt es sich um - die Mineralöl-Steuersatzrichtlinie8, - die Alkohol-Steuersatzrichtlinie9, - die Tabakwaren-Steuersatzrichtlinien 1o •

des Rates über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer v. 18. Dezember 1978, ABI. EG Nr. L 10,8. S Vgl. dazu Art. 1 VO (EWG) 2658/87 des Rates v. 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABI. EG Nr. L 256, 1 Ld.F. der VO (EWG) 2587/91 der Kommission v. 26. Juli 1991 zur Änderung des Anhangs I der VO (EWG) 2658/87 des Rates über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABI. EG Nr. L 259, 1 und die bis zum 19. Oktober 1992 zu seiner Durchführung ergangenen Rechtsvorschriften. 6

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 14 f.; vgl. auch Witte/Alexander, ZK, Art. 20 Rz. 7 ff.

, Vgl. Art. 26 RL (EWG) 92/83 - Alkohol-Struktur-RL (EWG) 92/83 - und Art. 2 IV RL (EWG) 92/81 - Mineralöl-Struktur-RL. 8 RL (EWG) 92/82 des Rates über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle v. 19. Oktober 1992, ABI. EG Nr. L 316, 19, zuletzt geändert durch RL (EG) 94/74 v. 22. Dezember 1994, AbI. EG Nr. L 365, 46.

9 RL (EWG) 92/84 des Rates über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke v. 19. Oktober 1992, ABI. EG Nr. L 316, 29.

24

1. Teil, A: Die europarechtlichen Grundlagen

11. Der europäische Binnenmarkt als Grund der Harmonisierung

Selbständige Rechtsgrundlage für die Richtlinien zur Hannonisierung der Verbrauchsteuern ist Art. 99 EGV. 11 Diese Vorschrift beschränkt die Hannonisierung der indirekten Steuern durch den Rat der Europäischen Gemeinschaften auf die Errichtung und das Funktionieren des europäischen Binnenmarktes. Der Binnenmarkt ist der Wirtschaftsraum, in dem Waren und andere Leistungen im Rahmen einer einheitlichen Wirtschaftsordnung frei zirkulieren können (Art. 7a EGV).12 Es war bereits Ziel der römischen Verträge 13, einen einheitlichen integrierten Binnenmarkt zu schaffen. Dafür mußten die einzelnen Mitgliedstaaten Beschränkungen des Warenverkehrs sowie Hindernisse für den freien Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr beseitigen. Rechtsvorschriften und die indirekten Steuern waren anzugleichen, um das störungsfreie Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten. 14 Innerhalb dieses Wirtschaftsraumes sollten die Waren zwischen den Mitgliedstaaten in gleicher Weise zirkulieren können wie innerhalb eines Mitgliedstaates. 15 Dementsprechend zielte bereits der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft darauf, die Kontrollen an den Binnengrenzen vollständig abzuschaffen. 16 Seit dem 1. Januar 1993 ist der Binnenmarkt verwirklicht. Die an den Binnengrenzen bestehenden Kontrollen sind abgeschafft.

10 RL (EWG) 92/79 des Rates zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten vom 19. Oktober 1992, ABI. EG Nr. L 316, 8 und RL (EWG) 92/80 des Rates zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten, v. 19. Oktober 1992, ABI. EG Nr. L 316,10.

11

Wägenbaur, in: GrabitzlHilf, EGV, Art. 99 Rn. 20.

12 Der EGV verwendet in einigen Kompetenznormen auch den Begriff des Gemeinsamen Marktes, vgl. S/einz, Europareche, Rn. 909. Das Verhältnis der beiden Begriffe zueinander ist nicht vollständig geklärt, vgl. Geiger, EGV, Art. 7a Rn. 5; Schweifzer/Hummer, Europarecht4, 397 f.; Streinz, Europareche, Rn 910 ff. 13 Es handelt sich um die Vertragstexte von EWG und EAG, die am 25. März 1957 in Rom unterzeichnet wurden und am 1. Januar 1958 in Kraft traten. Zur Entwicklung vgl. Streinz, Europareche, Rn. 14 ff. 14

Schmu/zer, DStJG 11 (1988),290; Schweifzer/Hummer, Europarecht4, 335.

15

Schmu/zer, DStJG 11 (1988),291.

16 Vgl. Weißbuch, BR-Drucks. 289/85, 40.

11. Der europäische Binnenmarkt als Grund der Harrnonisierung

25

Kernstück des Binnenmarktes war zunächst die Zollunion, die erst mit dem Zollkodex l7 vollständig verwirklicht wurde. Der Zollkodex stand am Ende einer Entwicklung, durch die die Zölle zwischen den Mitgliedstaaten abgeschaffi wurden. Nachdem Grenzkontrollen mit dem Erreichen der seit dem 1. Januar 1994 bestehenden Zollunion jedenfalls im Hinblick auf die Zölle überflüssig geworden waren, mußten die Steuern angeglichen werden, die ebenfalls an die Einfuhr von Waren anknüpften. Denn die Grenzkontrollen hatten die Funktion, sowohl die Erhebung der Zölle als auch die dieser "Einfuhr"-Steuern zu sichern. 18 Da sowohl die Umsatzsteuer als auch die besonderen Verbrauchsteuern die Steuerentstehung auch an die Einfuhr der belasteten Ware knüpfen, war ihre Harmonisierung unbedingt erforderlich, um die Grenzkontrollen abzuschaffen. Der Weg zur Harmonisierung der Verbrauchsteuern war dornig. Die Steuersysteme der einzelnen Mitgliedstaaten sind von nationalen Steuertraditionen und Steuermentalitäten geprägt. Je nach den wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen und psychologischen Verhältnissen in den einzelnen Ländern variieren die einzelnen Steuersysteme. Dementsprechend sind die Steuereinnahmen auf die verschiedenen Steuerarten unterschiedlich verteilt und die Strukturen der nationalen Steuersysteme höchst verschieden. 19 Das galt vor der Hamonisierung auch rur die Verbrauchsteuergesetze der einzelnen Mitgliedstaaten im Hinblick auf die belasteten Waren, die Höhe der Steuerschuld und die gesetzliche Systematik. Die sich daraus gegebenden verschiedenen nationalen Interessen erschwerten einen Kompromiß. Der Kompromißcharakter der Harmonisierung spiegelt sich in den Richtlinien wieder, die hinsichtlich der belasteten Waren und der Höhe der steuerlichen Belastung nur einen Rahmen vorgeben, der es den Mitgliedstaaten gestattet, nationale Besonderheiten beizubehalten. Nur das allgemeine System der Verbrauchsteuern regelt die System-Richtlinie (EWG) 92/12 detailliert. Dieses allgemeine System mit Vorschriften fiir die Steuerentstehung und rur die Beförderung und Kontrolle der belasteten Waren gleicht die gesetzlichen Strukturen so weit an, daß die Grenzkontrollen entfallen konnten, ohne daß die Mitgliedstaaten auf ihre Steuerhoheit verzichten mußten. Damit werden Wettbe-

17 VO (EWG) 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften v. 12. Oktober 1992, ABI. EG Nr. L 302, I, berichtigt durch ABI. EG Nr. L 79 v. l. April 1993,84.

18 VgI. Oppermann, Europarecht, Rn. 1039; Streinz, Europareche, Rn. 653; Weißbuch, BR-Drucks. 289/85, 39. 19

VgI. Oppermann, Europarecht, Rn. 1039; Weißbuch, BR-Drucks. 289/85, 44.

26

I. Teil, A: Die europarechtlichen Grundlagen

werbsverzerrungen verhindert, die das Funktionieren des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten. III. Die auf Art. 99 EGV beruhende Harmonisierung der Verbrauchsteuern und die nationalen Gesetzgebungskompetenzen

Art. 99 EGV zählt zu den steuerlichen Vorschriften für die Europäische Gemeinschaft, die der EG-Vertrag in Art. 95 bis 99 EGV enthält. Art. 95 bis 99 EGV beziehen sich nur auf die wettbewerbspolitische Bedeutung der Steuern. Das folgt aus der systematischen Stellung dieser Vorschriften. Die Art. 85 bis 94 EGV des vorhergehenden Kapitels betreffen Wettbewerbsregeln, die Art. 100 bis 102 EGV des folgenden die Angleichung von Rechtsvorschriften, die für die Errichtung oder das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes 20 notwendig sind. 21 Innerhalb der steuerlichen Vorschriften ist zwischen den steuerlichen Diskriminierungsverboten nach Art. 95 bis 98 EGV und dem Harmonisierungsgebot für die indirekten Steuern nach Art. 99 EGV zu unterscheiden. 22 Es handelt sich um verschiedene Regelungsbereiche, die unterschiedliche Adressaten betreffen. Während sich die Diskriminierungsverbote zunächst an die Mitgliedstaaten richten, gewährt Art. 99 EGV den Organen der Europäischen Gemeinschaft die Kompetenz zur Harmonisierung der indirekten Steuern. 23 Die Harmonisierung ergänzt die Diskriminierungsverbote, um Wettbewerbsverflilschungen im innergemeinschaftlichen Handel zu vermeiden. 24 Sie steht im Zusammenhang mit der Abschaffung der Zölle nach Art. 9 ff. EGV. 25 Sowohl Zölle als auch indirekte Steuern können den Wettbewerb beeinträchtigen, weil

20

Zum Begriff des "Gemeinsamen Marktes" vgl. Fn. 11.

21

Förster, in: Bleckmann, Europarecht5, Rn. 1444 m.w.N.

22 Förster, in: Bleckmann, Europarecht5, Rn. 1448; Wägenbaur, in: GrabitzfHilf, EGV, Art. 99 Rn. 4,18. 23 Förster, in: Bleckmann, Europarecht5, Rn. 1448; Wägenbaur, in: GrabitzfHilf, EGV, Art. 99 Rn. 19.

24 Förster, in: Bleckmann, Europarecht5, Rn. 1448; Wägenbaur, in: GrabitzfHilf, EGV, Art. 99 Rn. 2, 18. Auch die unterschiedliche Höhe der direkten Steuern schafft Unterschiede in den Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen. Eine Harmonisierungskompetenz gewährt Art. 99 EGV für sie nicht; allenfalls sind Art. 100 ff. EGV heranzuziehen, vgl. Wägenbaur, in: GrabitzfHilf, EGV, Art. 99 Rn. 16 f. 25

Vgl. SchweitzerlHummer, Europarecht4, 337.

III. Hannonisierung und nationale Gesetzgebungskompetenzen

27

sie als Teil des Preises einer Ware wirken. 26 Aus diesem Grund beschränkt Art. 99 EGV die Harmonisierungskompetenz folgerichtig darauf, daß die Angleichung der Verbrauchsteuern erforderlich ist, um den Binnenmarkt zu verwirklichen oder zu gewährleisten. Auf der Grundlage des Art. 99 EGV können alle in Art. 189 EGV genannten Entscheidungsformen ergehen. 27 Als Mittel der steuerlichen Harmonisierung bieten sich die Verordnung und die in nationales Recht umzusetzende Richtlinie an. Tatsächlich erfolgt die Harmonisierung regelmäßig in der Form der Richtlinie, die im Gegensatz zur Verordnung tUr die Mitgliedstaaten nicht verbindlich ist, sondern der Umsetzung in nationales Recht bedarf. Sie stellt das typische Instrument der Steuerharmonisierung dar. Die Richtlinie wird von den Mitgliedstaaten eher akzeptiert, weil dem nationalen Gesetzgeber Spielräume bei ihrer Umsetzung verbleiben. In einem späteren Stadium der Integration kann der Rat allerdings ohne weiteres die in Mitgliedstaaten unmittelbar geltende Verordnung als Instrument der Steuerharmonisierung wählen. 28 Die auf Art. 99 EGV gestützte Harmonisierung ersetzt die nationalen Gesetzgebungskompetenzen auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern deshalb nicht vollständig. Den Mitgliedstaaten verbleibt auch weiterhin ein eigener Spielraum, um nationale Verbrauchsteuern beizubehalten oder zu schaffen. Zum einen ergibt sich das aus der beschränkten Harmonisierungskompetenz, weil Art. 99 EGV die Harmonisierung nur im Hinblick auf die Errichtung oder das Funktionieren des Binnenmarktes zuläßt. Wegen des Binnenmarktes muß lediglich ausgeschlossen sein, daß filr die Erhebung nationaler Verbrauchsteuern Grenzkontrollen erforderlich sind. 29 Solange das gewährleistet ist, können einzelne Staaten auch den Verbrauch von solchen Waren besteuern, die nicht in die Harmonisierung einbezogen worden sind. 30 Die Steuerhoheit bleibt den Mitgliedstaaten trotz der Harmonisierung erhalten. In der Bundesrepublik 26 BFHE 156, 30 (34); Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III, 75 f.; vgl. auch Weißbuch, BR-Drucks. 289/85, 41. 27 Wägenbaur, in: GrabitzIHilf, EGV, Art. 99 Rn. 24. Die Empfehlung und die Stellungnahme sind nicht verbindlich. Adressat der - verbindlichen - Entscheidung ist der Mitgliedstaat. 28

Wägenbaur, in: GrabitzlHilf, EGV, Art. 99 Rn. 24.

29 Erwägungsgründe der System-RL (EWG) 92/12; BR-Drucks. 651192, 197; Beermann, DStZ 1993,259 m.w.N. 30 Art. 3 III System-RL (EWG) 92/12 läßt zu, nationale Verbrauchsteuern einzuführen oder beizubehalten. Einschränkend allerdings Arndt, Rechtsfragen einer deutschen CO 2-/ Energiesteuer, 110 ff., 117 ff.

28

l. Teil, A: Die europarechtlichen Grundlagen

Deutschland sind die Verbrauchsteuern auf Kaffee und auf Erdgas Beispiele nationaler Verbrauchsteuern. 31 Zum anderen können die Mitgliedstaaten teilweise auch bei den in die Harmonisierung einbezogenen Waren entscheiden, ob sie deren Verbrauch besteuern wollen oder nicht. Dieser Entscheidungsspielraum ergibt sich aus einigen Steuersatzrichtlinien. Art. 5 der Alkohol-Steuersatzrichtlinie (EWG) 92/84 setzt für Wein und Schaumwein, Art. 5 Abs. 3 der Mineralöl-Steuersatzrichtlinie (EWG) 92/82 unter besonderen Bedingungen für leichtes Heizöl einen Mindeststeuersatz von null ECU fest. Auch hier zeigt sich der Kompromißcharakter der Harmonisierung. Einige Mitgliedstaaten wollen den Verbrauch bestimmter Waren nicht belasten, obwohl sie von den europäischen Richtlinien in die Harmonisierung einbezogen worden sind. Beispielsweise ist in der Bundesrepublik Deutschland die Einführung einer Verbrauchsteuer auf Wein nicht konsensfähig gewesen. Gegen eine Weinsteuer sind wettbewerbspolitische Bedenken vorgetragen worden. Die deutschen Winzer haben sich im Vergleich zu den französischen oder italienischen bereits durch die klimatischen Verhältnisse bei der Produktion im Nachteil gesehen. Mit Einführung einer Weinsteuer halten sie sich nicht länger für konkurrenzfähig. 32 Trotz der nationalen Verbrauchsteuern sind weder Grenzkontrollen erforderlich noch treten Wettbewerbsverzerrungen auf, weil sie dem Bestimmungslandprinzip entsprechen, das auch den Richtlinien zur Harmonisierung zugrundeliegt.33 Nach diesem Prinzip werden die belasteten Waren von den indirekten Steuern des Ausfuhrlandes entlastet und mit den entsprechenden Steuern des Einfuhrlandes belastet. 34 Dadurch wird erreicht, daß ausländische Produkte nicht unversteuert mit den entsprechenden inländischen Waren konkurrieren, während aus dem Steuergebiet verbrachte Waren von der inländischen Steuer befreit und gegebenenfalls mit der des Bestimmungslandes belastet werden.

31 Jatzke, BB 1993,42. 32 Vgl. Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 86 f. Die Besteuerung von Wein innerhalb der EG gestaltete sich von Anfang an schwierig; vgl. Jarsombek, ZfZ 1982, 5; N.N., ZfZ 1980, 158; v. Arnim, ZfZ 1981, 142. 33 Faltlhauser, DStZ 1993, 18. Vgl. etwa Art. 6 11; 7 I, 11; 9 I; 10 I, 11; 20 System-RL (EWG) 92/12. Lediglich die von Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erworbenen Waren werden dem Ursprungslandprinzip entsprechend besteuert; vgl. Art. 8 SystemRL (EWG) 92/12. 34 Schweitzer/Hummer, Europarecht4, 336. Folgte die Besteuerung demgegenüber dem Ursprungslandprinzip, wären die belasteten Waren nur den Steuern des Ausfuhrlandes unterworfen.

IV. Der Einfluß der Richtlinien auf die Auslegung

29

Damit. unterliegen die Waren innerhalb des jeweÜigen Steuergebiets der gleichen Steuerlast, so daß jedenfalls daraus keine Preisunterschiede resultieren können, die den Wettbewerb verfälschen. Verfahrensregeln stellen die Steuererhebung für die Staaten sicher, die die entsprechende Ware steuerlich belasten. Darüber hinaus gewährleistet das Bestimmungslandprinzip, daß der Verbraucher des Staates die Steuer trägt, in dem die Ware verbraucht wird. 35 IV. Der Einfluß der europäischen Richtlinien auf die Auslegung der nationalen Verbrauchsteuergesetze

Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die europäischen Richtlinien in nationales Recht umzusetzen (Art. 189 Abs. 3 EGV). Hinsichtlich der Form und der Mittel der Transformation verbleibt den Mitgliedstaaten ein gesetzgeberischer Spielraum. Die zuständigen Organe des Mitgliedstaates entscheiden, wie die Regelungen der Richtlinien in die nationale Rechtsordnung eingefiigt werden können. Die Mitgliedstaaten handeln bei der Umsetzung auf Grund ihrer eigenen Hoheitsgewalt. Grundlage des über Richtlinien harmonisierten Rechts bleibt deshalb die Rechtsordnung des jeweiligen Mitgliedstaates. Diese Zweistufigkeit kennzeichnet die Richtlinien. 36 Soll der Sinn oder der Inhalt einer Vorschrift klargestellt werden, muß sie ausgelegt werden. 37 Die Auslegung von deutschen Rechtsvorschriften, verstanden als Methode der Rechtserkenntnis, erfolgt nach Wortlaut, Entstehung, systematischem Zusammenhang und Zweck. 38 Da es sich bei den harmonisierten Rechtsvorschriften um nationales Recht handelt, ist naheliegend, nur auf diese von der deutschen juristischen Methodenlehre entwickelten Auslegungskriterien zurückzugreifen. Der Rückgriff allein auf die herkömmlichen Auslegungskriterien steht in einem Spannungsverhältnis zum Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, nach der nationales Recht richtlinienkonform auszulegen ist. 39 Wenn formuliert wird, diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes werde

35

Tipke/Lang, Steuerrecht l4 , 536 zur bei der Umsatzsteuer gleichen Problematik.

36

Everling, ZGR 1992, 377 f.

37

Larenz, Methodenlehre des Rechts6, 312 f; Tipke/Kruse, AO, § 4 Tz. 76.

38 Dänzer-Vanotti, StVj. 1991, 5 f; Everling, ZGR 1992, 378/381; weitergehend Tipke/Kruse, AO, § 4 Tz. 87. 39 EuGH Slg. 1984, 1891 (1909); 1987, 3969 (3986). Vgl. Dänzer-Vanotti, StVj. 1991,3 f; Di Fabio, NJW 1990,949; Jarass, EuR 1991,211 ff

30

1. Teil, A: Die europarechtlichen Grundlagen

allgemein gebilligt40, wirkt diese Feststellung nur deshalb zutreffend, weil die Ansichten über das Verhältnis der richtlinienkonformen Auslegung zu den herkömmlichen Auslegungskriterien weit auseinandergehen. Sind Richtlinien in nationale Gesetze umgesetzt worden, erscheint der Rang der richtlinienkonformen Auslegung zu den nationalen Auslegungskriterien nicht mehr von entscheidender Bedeutung zu sein. 41 Das Verhältnis der richtlinienkonformen Auslegung zu den klassischen Auslegungskriterien ist aber zu klären, weil sich durch die verschiedenen Ansichten gravierende Unterschiede für die Methode der Rechtsfmdung ergeben. 42 1. Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung

Einige Autoren sehen die europäischen Richtlinien als die primäre Quelle an, die für die inhaltliche Bestimmung nationalen Rechts heranzuziehen sei. 43 Lutter44 bezeichnet die richtlinienkonforme Auslegung als Auslegungsmethode, die die klassischen Auslegungskriterien vollständig verdränge. Zunächst sei der Sinn der Richtlinie durch Auslegung zu ermitteln. Dabei verbiete sich für die Auslegung der Richtlinie ein Rückgriff auf die Auslegungsregeln des nationalen Rechts. Die Richtlinie als Teil einer supranationalen Rechtsordnung sei nach den Regeln des Gemeinschaftsrechts auszulegen. 45 Das Ergebnis dieser Auslegung gehe allen anderen Auslegungsergebnissen vor. 46 Andere Autoren ermitteln zuerst den Wortsinn der nationalen Vorschriften. Im Rahmen des möglichen Wortsinns verdränge die richtlinienkonforme Aus-

40

Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 35 m.w.N.

41 So wohl Dänzer-Vanotti, StVj. 1991, 5-7, der die richtlinienkonforme Auslegung dann in die nationale Auslegungslehre integriert. Daran ist richtig, daß die unterschiedlichen Auffassungen insbesondere bei der Frage relevant werden, ob die Richtlinien bei der Auslegung nicht harmonisierten nationalen Rechts berücksichtigt werden müssen, vgl. Jarass, EuR 1991,213. 42 Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 42 f. 43 Lutter, JZ 1992, 593 (604); Probst, DStJG 13 (1990), 139; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 38 ff.; Voß, StuW 1993, 157. So wohl auch EuGH Slg. 1990, 4135 (4159).

44

JZ 1992, 604 f.

45

Lutter, JZ 1992, 598 ff.

46

Lutter, JZ 1992, 604.

IV. Der Einfluß der Richtlinien auf die Auslegung

31

legung als Auslegungsmethode dann die herkömmlichen nationalen Auslegungskriterien. 47 Gemeinsam ist diesen Autoren, daß sie die richtlinienkonforme Auslegung als Auslegungsmethode begreifen. Da die Auslegung darauf gerichtet sei, den Sinn oder den Inhalt einer Vorschrift klarzustellen, seien die Richtlinien auch maßgebend, um den Sinn oder Inhalt nationaler Vorschriften festzustellen. Das setze wiederum voraus, daß die Richtlinie ihrerseits als europäisches Gemeinschaftsrecht ausgelegt wird. 48 2. Gleichrangigkeit der verschiedenen Auslegungsmethoden

Andere Autoren stellen die richtlinienkonforme Auslegung neben die traditionellen Auslegungsmethoden. 49 Sie begreifen die richtlinienkonforme Auslegung ebenfalls als Methode zur Rechtserkenntnis. Sie betten die richtlinienkonforme Auslegung in den Rahmen ein, den die klassischen Auslegungsmethoden bilden. Sofern Begriffe und Formulierungen, die der nationale Gesetzgeber aus der Richtlinie übernommen habe, grammatikalisch ausgelegt würden, sei davon auszugehen, daß der Gesetzgeber sie im Sinn der Richtlinie verwenden wolle. Der Zusammenhang zwischen harmonisiertem nationalen Recht und dem Harmonisierungsauftrag der Richtlinien sei in die systematische Auslegung miteinzubeziehen. Daß der nationale Gesetzgeber in ErfUllung des Harmonisierungsauftrags zweckgerichtet die nationalen Gesetze schaffe, sei bei teleologischer Auslegung der nationalen Norm zu berücksichtigen. 50

47 Everling, FS Lukes, 364 ff; ders., ZGR 1992, 388; Probst, UR 1990, 302 f; ders., DStJG 13 (1990), 141, Spitaler, RIW 1991,580. 48 Zur Auslegung europäischen Gemeinschaftsrechts vgl. Bleckmann, ZGR 1992, 364 ff; Lutter, JZ 1992, 580; Oppermann, Europarecht, Rn. 577 ff; Schön, Die Auslegung europäischen Gemeinschaftsrechts, 45 ff. 49 BFH BStBl. 11 1984,499 (501); BStBl. 11 1985, 173 (176); BStBI. 11 1988, 557 (559); BGHZ 63, 261 (264 f.); Dänzer-Vanotti, StVj 1991,8 f; ders., DB 1994, 1052; Di Fabio, NJW 1990,953; Langeheine, in: GrabitzlHilf, EGV, Art. 100 Rn. 71. 50 Dänzer-Vanotti, StVj. 1991, 6 f Er weist zu Recht darauf hin, daß systematische und teleologische Auslegung hier nicht zu trennen seien.

32

1. Teil, A: Die europarechtlichen Grundlagen

3. Nachrangigkeit der richtlinienkonformen Auslegung

Jarass SI will die richtlinienkonfonne Auslegung nur innerhalb des Spielraumes berücksichtigen, der nach der Auslegung nationalen Rechts durch die klassischen Auslegungskriterien verbleibe. Deshalb dürfe die richtlinienkonfonne Auslegung zu keinem Ergebnis fUhren, das bei Auslegung der Vorschrift nach den klassischen Auslegungskriterien nicht gewonnen werden könne. s2 4. Eigene Stellungnahme

Aus dem Vorrang des GemeinschaftsrechtsS3 leiten einige Autoren den Vorrang der richtlinienkonfonnen Auslegung her. Gemeinschaftsrechtliche Grundlage der richtlinienkonfonnen Auslegung sei Art. 5 oder Art. 189 Abs. 3 EGV. 54 Art. 5 EGV verpflichte die Mitgliedstaaten, Gemeinschaftsrecht durchzusetzen. Die Vorschrift wende sich an alle nationalen Organe im Rahmen ihrer Kompetenz. ss Nicht nur der nationale Gesetzgeber, sondern auch Gerichte und Behörden seien Adressat der Vorschrift, weil die interne Aufteilung der Staatsfunktionen des Mitgliedstaates den Gemeinschaftsgesetzgeber nicht interessieren müsse. 56 Art. 5 EGV verpflichte die nationale Exekutive und Judikative, den Willen des Gemeinschaftsgesetzgebers so weit wie möglich durchzusetzen. 51 SI

EuR 1991,217 ff.

52

Jarass, EuR 1991,218.

S3 Lutter, JZ 1992, 593 (604); Voß, StuW 1993, 157. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts vor nationalem Recht wird im Regelfall ein bloßer Anwendungsvorrang und kein Geltungsvorrang sein, der die Nichtigkeit des nationalen Rechts zur Folge hat; vgl. Schweitzer/Hummer, Europarecht4 , 215 m.w.N. S4

Vgl. etwa Lutter, JZ 1992, 604; Spetzler, RlW 1991, 580.

55

Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 34 f.

56

Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 41.

S1 Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 38, 41 f. Der Hinweis Schöns auf BVerfGE 75, 223 (237) geht fehl, denn an dieser Stelle finden sich keine Ausfllhrungen zu dem Rang der richtlinienkonformen Auslegung im Verhältnis zu den traditionellen Auslegungsmethoden. Die von ihm angegebenen Entscheidungen EuGH Slg. 1984, 1921 (1943); 1988,4635 (4662) betonen lediglich, daß nationale Gerichte unter voller Ausschöpfung des vom nationalen Recht eingeräumten Beurteilungsspielraumes harmonisierte Gesetze richtlinienkonform auszulegen haben. Schön kann sich lediglich auf EuGH Slg. 1990,4135 (4159) Nr. 9 berufen, um seine Ansicht in der Rspr. des EuGH nachzuweisen.

IV. Der Einfluß der Richtlinien auf die Auslegung

33

Diese objektive Verpflichtung begründen einige Autoren mit Art. 189 Abs. 3 EGV, der die Mitgliedstaaten zur Transformation der Richtlinien in nationales Recht zwinge. Soweit die richtlinienkonforme Auslegung als Methode zur Rechtserkenntnis aufgefaßt wird, können diese Vorschriften jedoch nicht die rechtliche Grundlage sein, um einen Vorrang der richtlinienkonformen Auslegung abzuleiten. Sie stehen diesem Verständnis der richtlinienkonformen Auslegung sogar entgegen. Schon nach dem Wortlaut der Art. 5 und Art. 189 Abs. 3 EGV ist zweifelhaft, ob diese Vorschriften auch die staatlichen Organe des Mitgliedstaates in ihrer Gesamtheit verpflichten können. Denn die Vorschriften wenden sich gerade nicht an öffentlich-rechtliche Stellen in den Mitgliedstaaten, sondern an die Mitgliedstaaten selbst. 58 Müßten etwa nationale Gerichte in erster Linie die Richtlinien zur Rechtsfmdung heranziehen, käme den Richtlinien faktisch eine unmittelbare Wirkung zu. Die Richtlinien wären ihrerseits als europäisches Gemeinschaftsrecht nach Kriterien auszulegen, die spezifisch für das Gemeinschaftsrecht entwickelt worden sind. Ihre Auslegung im Kontext mit dem nationalen Recht wäre nicht möglich, die Frage nach dem Inhalt der Richtlinie wäre dem Europäischen Gerichtshof vorbehalten, soweit dieser den Sinn nicht bereits ermittelt hätte. 59 Damit verschwömmen die Grenzen der Zuständigkeit zwischen dem Europäischen Gerichtshofund den nationalen Gerichten. 60 Den gleichen Bedenken begegnet Art. 189 Abs. 3 EGV, sofern der Vorrang auf diese Vorschrift gestützt wird. Art. 189 Abs. 3 EGV verpflichtet die nationalen Organe, Richtlinien in nationales Recht umzusetzen. Adressat dieser Vorschrift ist die Legislative. Würden die Richtlinien ohne diesen Transformationsakt Wirkungen entfalten, hätten sie tatsächlich die unmittelbare Wirkung, die ihnen nach Art. 189 Abs. 3 EGV nicht zukommen soll. Auch diese Vorschrift kann keinen Vorrang des Gemeinschaftsrechts und der richtlinienkonformen Auslegung begründen. Richtlinien sind von ihrer rechtlichen Struktur her im Gegensatz zu Verordnungen gerade kein unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht. Deshalb trifft das Gemeinschaftsrecht keine Aussage über den Rang der Richtlinie bei der Anwendung nationalen harmonisierten Rechts. In Art. 189 Abs. 3 EGV ist den Richtlinien die unmittelbare Wirkung abgespochen worden. Wenn auch der Europäische Gerichtshof eine solche unmittel58

Jarass, EuR 1991, 216.

59 Vgl. dazu Everling, ZGR 1992,389; Everling, FS Lukes, 364; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 45. 60

Vgl. Dänzer-Vanotti, StVj. 1991, 15.

3 D. Müller

34

l. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

bare Wirkung in einzelnen Fällen anerkannt hat,61 steht eine weitere Ausdehnung der unmittelbaren Wirkung im Gegensatz zu den Bestimmungen des EGVertrages. Die mit Vorrang oder Gleichrangigkeit ausgestattete richtlinienkonforme Auslegung ergänzt die unmittelbare Wirkung von Richtlinien in unzulässiger Weise. 62 Denn es würden quasi die in den nationalen Gesetzen versteckten Richtlinien ausgelegt werden. Die Richtlinien hätten faktisch die unmittelbare Wirkung, die ihnen gerade nicht zukommen soll. Die richtlinienkonforme Auslegung wäre nicht länger eine Methode der Rechtserkenntnis, sondern sie würde unmittelbar zu dem Ergebnis der Auslegung werden. Deshalb können die harmonisierten Gesetze allein nach nationalen Auslegungskriterien ausgelegt werden. Die so ermittelten Ergebnisse, die Erkenntnisse vom Sinn und dem Inhalt der Norm, sind nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Richtlinien widersprechen. 63 Für die Auslegung der harmonisierten Verbrauchsteuergesetze sind damit in erster Linie die klassischen Auslegungsmethoden maßgebend. Das so gewonnene Ergebnis der Auslegung darf den Richtlinien nicht widersprechen.

B. Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze Nach der Harmonisierung bestimmen weiterhin die nationalen Verbrauchsteuergesetze den rechtlichen Tatbestand, an dessen Verwirklichung das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO). Tatbestand in diesem Sinn sind die gesamten materiellen Steuerrechtsnormen, die die abstrakten Voraussetzungen rur die Steuerentstehung enthalten. Zu den gesetzlichen Voraussetzungen gehören neben den positiven Tatbestandsmerkmalen auch die Steuerbefreiungen als negative Tatbestandsmerkmale. Steuerbefreiungen bringen rur die gesetzlich vorgesehenen Sachverhaltskonstellationen zum Ausdruck, daß die vom Gesetz-

61 Nach der Rechtsprechung des EuGH kann sich auf Grund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts der einzelne nur ausnahmsweise unmittelbar auf eine europäische Richtlinie berufen. In den Fällen, in denen die Bestimmungen der Richtlinien klar und unbedingt Rechte zugunsten des einzelnen enthalten und der betreffende Mitgliedstaat die Richtlinien nicht zeitgerecht in nationales Recht umgesetzt hat, können sie unmittelbare Wirkung entfalten. Vgl. EuGH Sig. 1982, 53 (71) Rn. 25; Everling, ZGR 1992, 377; Jarass, NJW 1991,2665. 62 AA Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 44. 63

Jarass, EuR 1991,218.

I. Die Steuerobjekte

35

geber beabsichtigte steuerliche Belastung nicht eintreten soll.64 Daneben bestehen weitere rechtliche Regelungen für belastete Waren, bevor die Verbrauchsteuerschuld entsteht. Im folgenden werden die belasteten Waren beschrieben und die rechtlichen Verhältnisse vor dem Entstehen der Steuerschuld sowie die positiven und negativen Voraussetzungen des Steuertatbestandes dargestellt. I. Die Steuerobjekte

Die Verbrauchsteuergesetze defmieren die Steuerobjekte als Rechtsbegriffe. Durch diese Defmition entscheidet der Gesetzgeber, welche Gegenstände oder Waren er steuerlich belasten will. Diese Entscheidung des Gesetzgebers muß inhaltlich hinreichend bestimmt sein, um dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung zu genügen. Für jede Ware muß sicher festgestellt werden können, ob sie steuerlich erfaßt wird. Über diese rechtliche Einordnung können weder Finanzverwaltung noch Steuerpflichtige disponieren. 65 Ob die Ware steuerbar ist oder nicht, unterliegt der vollständigen gerichtlichen Kontrolle. 66 Die Einordnung der Ware als Steuerobjekt im Sinn der Verbrauchsteuergesetze ist die "zentrale Frage des Verbrauchsteuerrechts" .67 Bis auf das Tabaksteuergesetz beschreiben alle Verbrauchsteuergesetze die belasteten Gegenstände, indem sie präzise und umfassend auf Positionen und Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur verweisen. In dieser Hinsicht ähneln sich die verbrauchsteuerrechtliche Defmition und das zollrechtliche Tarifieren einer Ware. 68 Neben die Voraussetzungen, die sich aus dieser starren Verweisung 69 ergeben, treten in den einzelnen Gesetzen zum Teil weitere Kri-

64 Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 25 f.; Tipke/Kruse, AO, § 38 Tz. 2.

65 Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 72; Tipke/Kruse, AO, § 38 Tz. 3. Z.B. ist rechtlich irrelevant, ob eine Ware unzutreffenderweise in den steuerlich überwachten Verkehr genommen worden ist; vgl. schon RFHE 47,316 (318); 50,158 (161). 66 Vgl. BFHE 63, 87 (88 f.). 67 Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 73. 68 Zur Kombinierten Nomenklatur als Bestandteil des Zolltarifs vgl. Witte/Alexander, ZK, Art. 20 Rz. 4, 7 ff. Zur Einreihung einer Ware in die Kombinierte Nomenklatur nach Art. 20 VI ZK vgl. Lux, in: Dorsch, Zollrecht, Teil B I, ZK, Art. 21 Rn. 42 ff. 69 Es soll nur die bis zum 19. Oktober 1992 gültige Nomenklatur herangezogen werden. Spätere Fassungen der Kombinierten Nomenklatur sind so lange unbeachtlich, wie

36

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

terien. Durch sie unterscheidet sich die steuerliche Defmition der belasteten Waren in den Verbrauchsteuergesetzen von der zollrechtlichen Einreihung einer Ware in die Nomenklatur. 1. Die steuerliche Belastung von Alkohol und alkoholischen Getränken

Nach der Harmonisierung der Verbrauchsteuergesetze unterliegen Alkohol und alkoholische Getränke fast durchweg einer Verbrauchsteuer. Die Positionen 2204 bis 2208 der Kombinierten Nomenklatur beschreiben Alkohol und alkoholische Getränke umfassend. Da die verschiedenen Verbrauchsteuergesetze zum Teil auf dieselben Positionen der Kombinierten Nomenklatur verweisen, werden verschiedene Alkoholika mehrfach erfaßt. Deshalb ist für die Zuordnung von Alkohol oder alkoholischen Getränken neben der Verweisung auf die Kombinierte Nomenklatur entscheidend, welchen Alkoholgehalt die Ware hat. a) Die steuerliche Belastung von Bier Steuerlich belastet wird Bier aus Malz. 70 Bei der Herstellung von Bier werden Gersten- oder Weizenmalz, Wasser und - im Regelfall - Hopfen zu einer Würze verkocht, die anschließend vergoren wird. Diese Ausgangsstoffe werden für das Brauen von Bier verwendet, das dem deutschen Reinheitsgeboe l entspricht. Steuerlich wird jedoch nicht nur das dem Reinheitsgebot entsprechende Bier erfaßt. Deshalb kann anstelle des Getreides auch Mais oder Reis verwandt werden, ohne daß die Eigenschaft als Steuerobjekt entfallt. Ebenso können neben Hopfen, der den Geschmack und die Haltbarkeit des Bieres beeinflußt, Kirschen und andere geschmacksgebundene Stoffe während der Gärung zugesetzt werden. Dies gilt in gleicher Weise für den Zusatz von Zucker, Farbstoffen und Kohlendioxid. 72 Auch das angewandte Gärverfahren hat keinen Einfluß auf die Eigenschaft als Steuerobjekt.

die Verbrauchsteuergesetze nicht auf neuere Fassungen verweisen, vg\. § 1 11 BierStG; § 130 V BranntwMonG; § 2 Nr. 6 KaffeeStG; § 1 11 MinöStG; § 1 III SchaumwZwStG; vg\. auch Art. 26 Alkohol-Struktur-RL (EWG) 92/83 und Art. 2 IV Mineralöl-StrukturRL (EWG) 92/81. 70

Position 2203 KN, auf die § 1 11 1 Nr. 1 BierStG verweist.

71 § 9 des vorläufigen Biergesetzes i.d.F. v. 29. Juli 1993, BGB\. I, 1399 enthält das Reinheitsgebot. Es handelt sich lediglich um eine lebensmitteIrechtliche Bestimmung. 72

Schräer-Schallenberg, ZfZ 1994,291.

I. Die Steuerobjekte

37

Trotz des Wortlauts von § 1 Abs. 2 S. I BierStG muß das belastete Bier einen Alkoholgehalt von mehr als 0,5 % vol aufweisen. Schon die Kombinierte Nomenklatur setzt fiir Bier einen solchen Alkoholgehalt voraus. 73 Daß der deutsche Gesetzgeber das Steuerobjekt Bier nicht davon abweichend bestimmen wollte, ergibt sich mittelbar aus § 7 Abs. 1 S.2 BierStG. Kein steuerbarer Verbrauch ist danach, wenn der Alkoholgehalt des Bieres auf 0,5 % vol oder weniger herabgesetzt wird. Der Gesetzgeber sieht das so gewonnene Produkt nicht als taugliches Steuerobjekt an. 74 Da belastetes Bier einen Alkoholgehalt von mehr als 0,5 % vol voraussetzt, werden alkoholfreies Bier und bierähnliche Getränke, wie alkoholfreier Malztrunk, steuerlich nicht mehr erfaßt. 7S Steuerlich belastet werden demgegenüber auch Mischgetränke aus Bier (§ 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BierStG). Bier kann nur mit nichtalkoholischen Getränken vermischt werden. 76 Biermischgetränke werden mit ihrem vollen Volumen besteuert. b) Die steuerliche Belastung von Branntwein Steuerobjekt der Branntweinsteuer sind Branntwein und branntweinhaltige Erzeugnisse. 77 Für die Defmition des steuerbaren Branntweins verwendet das Gesetz zwei unterschiedliche Grenzwerte im Hinblick auf den Alkoholgehalt der Ware. Bei einem vorhandenen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % vo1'8 sind Steuerobjekte die Waren, die aus unvergälltem Alkohol mit einem Alkoholgehalt von 80 % vol und mehr, vergälltem Ethylalkohol und Branntwein mit beliebigem Alkoholgehalt'9 sowie unvergälltem Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von 73

Erläuterungen der KN zu Kapitel 22, Anm. 3.

74 Der Gesetzgeber wollte außerdem Art. 2 der Alkohol-Struktur-RL (EWG) 92/83 umsetzen (vgl. BR-Drucks. 65l/92, 214 f.). Diese europäische Bestimmung erfaßt nur Bier mit einem höheren als dem genannten Alkoholgehalt.

7S

Schräer-Schallenberg, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgaben-

76

Position 2206 KN.

77

§ 130 BranntwMonG setzt Art. 20 der Alkohol-Struktur-RL (EWG) 92/83 um.

78

§ 130 11 Nr. I BranntwMonG.

79

Position 2207 KN.

rechts, § 27, Rn. 20.

38

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

weniger als 80 % vol 80 bestehen. Zu der zuletzt genannten Gruppe zählen Cognac, Whiskey, Rum, Gin, Wodka, Obstbrände und ähnliche Spirituosen. Besitzt die Flüssigkeit einen Alkoholgehalt von mehr als 22 % vol, können verschiedene alkoholische Getränke Steuerobjekte sein, die wegen sich überschneidender Verweisungen auf die Kombinierte Nomenklatur auch anderen Verbrauchsteuergesetzen zugeordnet werden könnten. Mit Überschreiten dieses Grenzwertes werden sie als Branntwein besteuert. SI Es handelt sich dabei um Weine aus Weintrauben, einschließlich des mit Alkohol angereicherten Weines,82 um Wermut oder andere Weine, die mit Pflanzen oder anderen Stoffen aromatisiert worden sind83 und um andere gegorene Getränke, wie Apfel-, Birnenwein oder Met und Mischungen solcher Getränke auch mit nichtalkoholischen Getränken. 84 Damit besteht im Grundsatz die von der Rechtsprechung entwickelte Defmition des Branntweins im Sinn des alten Branntweinsteuerrechts unverändert fort. 85 Der Bundesfmanzhof hat die Flüssigkeiten als Branntwein bezeichnet, die ohne Rücksicht auf ihre Gewinnungsart als wertbestimmenden Anteil Ethylalkohol enthalten, sofern rur sie keine besondere Bestimmungen (wie beispielsweise rur Wein, Schaumwein, Bier) gelten oder die Flüssigkeit nicht nach Sprach- oder Handelsbrauch als Branntwein bezeichnet werden kann. 86 Branntweinhaltige Erzeugnisse sind andere alkoholische Erzeugnisse als die im 22. Kapitel der Kombinierten Nomenklatur genannten, die unter Verwendung von Branntwein hergestellt worden sind und deren Alkoholgehalt höher als 1,2 % vol bzw. bei nicht flüssigen Waren höher als 1 % mas ist. 87 Solche branntweinhaltigen Waren sind zum Beispiel Riech- und Geschmacksstoffe88

80 Position 2208 KN. 81

§ 130 11 Nr. 2 BranntwMonG.

82 Position 2204 KN. 83

Position 2205 KN.

84 Position 2206 KN. 85

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 73.

86 BStB!. III 1956,231 (232); vgl. auch Peters, Verbrauchsteuerrecht, 100 m.w.N. 87 § 130 IV BranntwMonG. 88

Aromen, Position 3302 KN.

I. Die Steuerobjekte

39

oder Pralinen89 mit einem Alkoholgehalt von mehr als 8,5 I Alkohol je 100 kg Ware. 90 c) Die steuerliche Belastung von Schaumwein Steuerbare Schaumweine sind Getränke, die sich in Flaschen mit einem Schaumweinstopfen befmden, der durch eine besondere Haltevorrichtung gesichert ist, oder die bei +20 °C einen auf gelöstes Kohlendioxid zurUckzuruhrenden Überdruck von drei bar oder mehr aufweisen. Handelt es sich um Champagner und anderen Qualitätsschaumwein9 \ um andere Weine als Schaumwein92 sowie um Wermutweine und andere aromatisierte Weine aus frischen Trauben 93 muß der Alkoholgehalt zwischen 1,2 % vol und 15 % volliegen. 94 Bei anderen schäumenden gegorenen Getränken, wie etwa Apfelwein, Bimenwein oder entsprechenden Mischungen, muß der Alkoholgehalt zwischen 1,2 % vol bis 13 % vol 95 oder mehr als 13 % vol bis 15 % vol96 betragen. Da die Ausstattung der Flasche mit einem Schaumweinstopfen oder der Überdruck von mehr als drei bar Merkmal rur steuerbaren Schaumwein ist, ist die Unterscheidung des alten Rechts in Schaumwein, Getränke, die als Schaumwein gelten, und schaumweinähnliche Getränke entfallen. 97

89

Positionen 1806 und 1704 KN.

90 Das ergibt sich im Umkehrschluß aus der Steuerbefreiung nach § 132 III BranntwMonG. 9t

Unterposition 2204 10 KN.

92 Unterpositionen 22042110 und 22042910 KN. Diese Weine müssen mit einem Schaumweinstopfen befestigt sein und einen auf gelöstes Kohlendioxid zurückgehenden Überdruck von ein bis drei bar aufweisen. 93

Position 2205 KN.

94 § 1 Il Nr. 1 SchaumwZwStG. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung Art. 8 Nr. 2 und Art. 12 Nr. 2 der Alkohol-Struktur-RL (EWG) 92/83 umgesetzt. 95 Unterposition 22060091 KN. Ferner werden die Getränke der zuvor aufgezählten Positionen erfaßt, soweit sie nicht schon unter § 1 Il Nr. 1 SchaumwZwStG fallen; vgl. § 1 II Nr. 2 SchaumwZwStG. 96

§ 1 II Nr. 3 SchaumwZwStG.

97

Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 116 f, 119 f zur alten Rechtslage.

40

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

d) Die steuerliche Belastung von Wein Wein im Sinn des § 26 Abs. 1 SchaumwZwStG sind grundsätzlich Weine aus frischen Trauben9S, Wennutweine und andere aromatisierte Weine aus frischen Trauben99 sowie andere gegorene Getränke und deren Mischungen lOO , die nicht als Schaumwein besteuert werden. Bei Weinen und aromatisierten Weinen aus frischen Trauben muß der Alkohol ausschließlich durch Gärung entstanden sein. Der Alkoholgehalt muß mehr als 1,2 % vol bis 15 % vol bzw. mehr als 15 % vol bis 18 % vol betragen und ohne Anreicherung hergestellt worden sein. 101 Weisen Traubenweine und aromatisierte Traubenweine diese Voraussetzungen nicht auf, aber beträgt der Alkoholgehalt mehr als 1,2 % vol bis 10 % vol, gehören sie ebenso zu den Weinen im Sinn des Gesetzes wie andere gegorene Getränke und Mischgetränke, die nicht als Bier besteuert werden. lo2 Schließlich zählen zu den Weinen die Mischgetränke, die nicht als Bier besteuert werden und die einen durch Gärung entstandenen Alkoholgehalt von mehr als 10 % vol bis 15 % vol aufweisen. lo3 Trotz der gesetzlichen Defmition wird Wein steuerlich nicht belastet. Wegen des Mindeststeuersatzes von null ECU, den Art. 5 der AlkoholSteuersatzrichtlinie (EWG) 92/83 vorsieht, verbleibt dem nationalen Gesetzgeber die Entscheidung, ob er Wein besteuert. §§ 26 ff. SchaumwZwStG nonnieren nur verfahrensrechtliche Vorschriften, die den Handelsverkehr zwischen der Bundesrepublik und anderen Mitgliedstaaten betreffen. Diese Regelungen stellen die Erhebung einer Weinsteuer für die Mitgliedstaaten sicher, die Wein besteuem. 104

98

Position 2204 KN.

99

Position 2205 KN.

100

Position 2206 KN.

101

§ 26 I Nr. 1 a und b SchaumwZwStG.

102

§ 26 I Nr. 2 SchaumwZwStG.

103

§ 26 I Nr. 3 SchaumwZwStG.

104 BR-Drucks. 651/92, S. 199; Jatzke, BB 1993,45; Sievert, ZfZ 1992, 98. Kritisch hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenzen für diese Regelungen F. Kirchhof, StuW 1993, 328 ff.

I. Die Steuerobjekte

41

e) Die steuerliche Belastung von Zwischenerzeugnissen ZwischenerzeugnisselOs sind Weine aus frischen Trauben lO6, Wermutweine und andere aromatisierte Weine aus frischen Trauben 107 sowie andere gegorene Getränke, wie Apfelwein, und deren Mischungen lO8 . Sie unterscheiden sich von den bislang aufgezählten Steuerobjekten Bier, Branntwein und Schaumwein allein durch ihren Alkoholgehalt von 1,2 % vol bis 22 % vol. Sie werden nur als Zwischenerzeugnisse besteuert, sofern sie nicht bereits als Schaumwein, Bier oder Wein steuerlich erfaßt werden. 109 Von Wein unterscheiden sich die steuerbaren Zwischenerzeugnisse hauptsächlich dadurch, daß ihnen bei der Herstellung Alkohol zugesetzt wird. 110 Zum Teil waren die Zwischenerzeugnisse, wie etwa Sherry, Port und Madeira,1I1 durch § I03a BranntwMonG a.F. erfaßt. 1I2

2. Die steuerliche Belastung von Mineralölen und Erdgas Die steuerlich belasteten Mineralöle defmiert § 1 Abs. 2 S. 1 MinöStG durch eine umfassende Verweisung auf die Kombinierte Nomenklatur. Als Auffangtatbestand erfaßt § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 12 MinöStG alle Mineralöle als Steuerobjekte, die nicht bereits vorher aufgezählt worden sind und die ganz oder teilweise aus Kohlenwasserstoffen bestehen, sofern sie zur Verwendung als Kraftoder Heizstoff bestimmt sind. 113 Der Belastungsgrund des Gesetzes tritt hier

105 Die Definition beruht auf Art. 17 der Alkohol-Struktur-RL (EWG) 92/83. 106 Position 2204 KN. 107 Position 2205 KN. 108 Position 2206 KN. 109 § 23 II SchaumwZwStG. 110 Vgl. Schröer-Schallenberg, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 27, Rn. 23. 111 Unterposition 2204 2141 und 2204 2151 KN. 112

Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 106 f. zur alten Rechtslage.

113 Nach dem Gesetzeswortlaut ist die Absicht erforderlich, die den objektiven Kriterien genügenden Mineralöle als Kraft- oder Heizstoffe einzusetzen. Mit dieser subjektiven Betrachtungsweise hat der Gesetzgeber die nur auf die objektive Eignung abstellende Rspr. (BFH ZfZ 1982,338) zum MinöStG a.F. korrigiert; vgl. TeiehneriAlexanderiReiehe, MinöStG 1993, § 1 Rn. 36.

42

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

deutlich hervor, weil der Verbrauch des Mineralöls als Anknüpfungspunkt der Besteuerung herausgestellt wird. 114 Durch die Verweisung auf die Kombinierte Nomenklatur werden höchst unterschiedliche mineralölhaltige Produkte erfaßt. Deshalb können im folgenden nur einige Mineralölprodukte beispielhaft aufgezählt werden. Belastet werden etwa Leichtöl, wie verbleites und unverbleites Motorenbenzin, Testbenzin und leichter Flugturbinenkraftstoff, mittelschwere Öle, wie Kerosin, und Schweröle, wie Gasöl, Heizöl und Schmieröl. llS Außerdem werden rohe Leichtöle und andere Erzeugnisse, wie Benzole, Toluole und Xylole erfaßt. 116 Zwar sind diese Kohlenwasserstoffe zu wertvoll, um sie regelmäßig als Kraft- oder Brennstoff zu nutzen. Sie dienen als Rohstoffe für bestimmte chemische Umwandlungen. Da sie jedoch als Kraftstoffe verwendet werden können, sind sie Steuerobjekte. 1I7 Ferner werden verschiedene rohe (Schwer-) Öle, auch rohes Erdöl belastet. 1I8 Dies gilt ebenso für Mineralwachse, wie Vaselin und Paraffm. 1I9 Während Vaselin therapeutischen Zwecken dienen kann, werden Paraffme und Erdölwachse als Ausgangsstoffe bei der Produktion von Bohnerwachs, Schuhpflegemitteln und als Isoliermittel benutzt. Diese Produkte sind als Kraftstoffe ungeeignet, können jedoch theoretisch als Heizstoffe eingesetzt werden. 120 Nicht mehr besteuert werden Schmierstoffe. 121 Als Mineralöle 114 Dieser Belastungsgrund ist in Art. 2 der Mineralöl-Struktur-RL (EWG) 92/81 enthalten, die der Gesetzgeber mit § 1 11 MinöStG umsetzen wollte, vgl. BR-Drucks. 651192, 251. Daß es sich nicht nur um eine Ausnahmevorschrift handelt, deren Gedanke nicht auf die Belastung der übrigen Mineralölprodukte übertragbar ist, ergibt sich aus Art. 211 Mineralöl-Struktur-RL (EWG) 92/81. 115 Es handelt sich um Erdöl und Öl aus bituminösen Mineralien der Position 2710 KN (§ 1 11 1 Nr. 5 MinöStG). Dies ist die größte und fiskalisch bedeutsamste Gruppe der belasteten Mineralöle; Teichner/Alexander/Reiche, MinöStG 1993, § 1 Rn. 24. 116 Unterpositionen 2707 10, 2707 20, 2707 30, 2707 50, 2707 9911 KN; § 1 111 Nr. 2 MinöStG; vgl. auch TeichnerlAlexanderlReiche, MinöStG 1993, § 1 Rn. 19 f 117

Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 144 f zur alten Rechtslage.

118 Kreosotöl, rohes Schweröl der Unterpositionen 2707 9100 und 9919 KN (§ 1 11 1 Nr.3 MinöStG), die nicht nur als Kraft- und Heizstoffe, sondern auch zur Produktion von Reinigungs- und Imprägniermitteln verwendet werden können; vgl. TeichnerlAlexanderIReiche, MinöStG 1993, § 1 Rn. 21. Ferner rohes Erdöl der Position 2709 KN (§ 1 11 1 Nr. 4 MinöStG). 119

Position 2712 KN (§ 1111 Nr. 7 MinöStG).

120 Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 147 f; Teichner/AlexanderlReiche, MinöStG 1993, § 1 Rn. 29.

I. Die Steuerobjekte

43

werden auch Flüssiggase und andere gasfönnige Kohlenwasserstoffe der Position 2711 und 2901 der Kombinierten Nomenklatur erfaßt. 122 Erdgas als Steuerobjekt ist nicht Gegenstand der europäischen Hannonisierung gewesen. Aber es unterliegt einer nationalen Verbrauchsteuer, die in das Mineralölsteuergesetz inkorporiert worden ist. 123 Erdgas besteht überwiegend aus Methan l24 und kommt sowohl in flüssiger als auch in gasfönniger Fonn 125 vor. 3. Die steuerliche Belastung von Tabakwaren Im Gegensatz zu der Gesetzgebungstechnik bei den anderen Verbrauchsteuergesetzen verwendet § 2 TabakStG konkrete Begriffsbestimmungen rur die einzelnen Tabakwaren. Zigarren oder Zigarillos sind zum Rauchen geeignete, mit einem Deckblatt oder mit einem Deck- und Umblatt umhüllte Tabakstränge. 126 Diese Tabakstränge müssen vollständig aus natürlichem Tabak l27 sein und mit einem Deckblatt aus Tabak l28 oder einem zigarrenfarbenen Deckblatt oder Umblatt, an das das Gesetz weitere Anforderungen stellt,129 umhüllt sein. Zigaretten sind nach der Legaldefmition Tabakstränge, die sich unmittelbar zum Rauchen eignen, und keine Zigarren oder Zigarillos im Sinne des Abs. 1 121 Vgl. 1. Teil B. V. 3. 122 Flüssiggase und andere gasförmige Kohlenwasserstoffe werden in § 1 I, 11 MinöStVO näher umschrieben. Daß diese Kohlenwasserstoffe Steuerobjekte sind, beruht auf Art. 2 I Iit. e der Mineralöl-Struktur-RL (EWG) 92/81. Diese Vorschrift nimmt Erdgas als Steuerobjekt von der Harrnonisierung ausdrücklich aus. 123 Positionen 2711 und 2901 KN (§ 1 11 1 Nr. 6 MinöStG). 124 Schräer-Schallenberg, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 27, Rn. 26. 125 Unterpositionen 2711 1160 bzw. 2711 2100 KN. Hauptsächlich durch die Zuordnung zu diesen Positionen der KN unterscheidet sich Erdgas von den als Mineralölen belasteten anderen gasförmigen Kohlenwasserstoffen, vgl. § I 11 MinöStVO.

126 § 2 I Nr. I TabakstG. 127 § 2 I Nr. I TabakStG. 128 § 2 I Nr. 2 TabakStG. 129 § 2 I Nr. 3, 4 TabakStG.

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1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

der genannten Vorschrift sind. 130 Ihnen stellt das Gesetz die Tabakstränge gleich, die "durch einfachen industriellen Vorgang in die Zigarettenpapierhülse geschoben oder mit einem Zigarettenpapierblättchen umhüllt werden,,131. Das Gesetz defmiert Rauchtabak als geschnittenen, anders zerkleinerten, gesponnenen oder in Platten gepreßten Tabak, der sich ohne weitere industrielle Bearbeitung zum Rauchen eignet. 132 Als Feinschnitt wird Rauchtabak bezeichnet, wenn mehr als ein Viertel des Gewichts der Tabakteile weniger als 1,4 mm lang oder breit ist. 133 Kautabak, Schnupftabak, Zigarettenhüllen, Zigarettenpapier und Rohtabak werden nach der Neufassung des Gesetzes nicht mehr besteuert. 134

4. Die steuerliche Belastung von Kaffee Kaffee wird, ebenso wie Erdgas, nur auf nationaler Ebene besteuert. Kaffee im Sinne des Gesetzes sind Röstkaffee und löslicher Kaffee, auch wenn der Kaffee Beimischungen mit einem Anteil von weniger als 100 Gramm je Kilogramm enthält. 13S Solange eine Ware zu mehr als 90 % aus Kaffee besteht, wird sie unabhängig von den Beimischungen als Kaffee besteuert. Röstkaffee ist 130 § 2 11 1 TabakStG. 131 § 2 11 2 TabakStG. Unterschiedlich wird beurteilt, ob Steckzigaretten als Zigaretten i.S. dieser Definition des S. 2 angesehen werden können. Zum Teil wird aus der Wendung des Gesetzes "Zigaretten sind auch ... " gefolgert, daß die Voraussetzungen des S. 1 bei S. 2 beachtet werden müssen. In diesem Fall müßten entsprechende Produkte des S. 2, wie die Steckzigarette, auch "unmittelbar zum Rauchen geeignet" sein; vgl. Wewel, ztZ 1994, 282 f. Es wäre dann zu überlegen, welche "Zwischenschritte" bis zum Rauchen (etwa das Einstecken eines Tabakstranges in ein Zigarettenpapierblättchen) diesen unmittelbaren Zusammenhang aufheben könnten. Tatsächlich ist S. 2 selbständig im Verhältnis zu S. 1. Aus Art. 3 I der RL (EWG) 79/32 folgt, daß der europäische Gesetzgeber verhindern wollte, Steckzigaretten steuerlich nicht zu belasten. Die Vorschrift der Richtlinie unterscheidet ausdrücklich zwischen unmittelbar zum Rauchen geeigneten Zigaretten und sonstigen Zigaretten. Diese Vorschrift wollte der Gesetzgeber in nationales Recht umsetzen, vgl. BFH ztZ 1996, 90; FG Düsseldorf ZtZ 1994, 281; Geuenich, ztZ 1994,366. 132 § 2 III TabakStG. I33

§ 2 IV TabakStG.

134 Schräer-Schallenberg, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 27, Rn. 18.

135 § 2 Nr. 2 KaffeeStG.

11. Der Beginn der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit"

45

gerösteter Kaffee,136 löslicher Kaffee sind Auszüge, Essenzen und Konzentrate aus Kaffee. Dieser Kaffee darf höchstens 10 % Beimischungen enthalten. 137 Sowohl Röst- als auch löslicher Kaffee können entkoffeiniert sein. Enthält ein Kilogramm einer Ware 100 bis 900 Gramm Kaffee, ist sie als kaffeehaltige Ware Steuerobjekt. \38 Rohkaffee wird nicht mehr besteuert. Das Kaffeesteuergesetz knüpfte in der alten Fassung nur an die Einfuhr von Rohkaffee an. Da eine nationale Verbrauchsteuer keine besonderen Grenzkontrollen zur Erhebung erfordern darf,139 mußte der Anknüpfungspunkt der Einfuhr im Verhältnis zu den anderen Mitgliedstaaten aufgegeben werden. Der Gesetzgeber entschied sich deshalb dafür, das Fertigfabrikat Kaffee zu belasten und gab zugleich die Rohstoffbesteuerung 140 au.f 11. Der Beginn der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit" der belasteten Waren als Vorstufe der Steuerentstehung

Nach § 76 und §§ 209 ff. AO werden belastete Waren in der Bundesrepublik mit ihrer Herstellung im Steuergebiet oder ihrem Verbringen in das Steuergebiet "verbrauchsteuerpflichtig" .141 Der Begriff "Steuerpflichtigkeit" deutet darauf hin, daß die Waren die Adressaten steuerlicher Rechte und Pflichten sind. Da nur Personen Träger von Rechten sein können, kann sich das steuerliche Rechtsverhältnis auch nur auf Personen, nicht auf Sachen beziehen. 142 "Verbrauchsteuerpflichtigkeit" bedeutet daher lediglich, daß die Waren einer besonderen Verbrauchsteuer unterliegen. 143

136 § 2 Nr. 3 KaffeeStG, der auf Position 0901 KN verweist. 137 § 2 Nr. 4 KaffeeStG, der auf Unterposition 2101 10 KN, in der der Kaffeegehalt für die weiteren Unterpositionen festgelegt wird, verweist.

138 § 2 Nr. 5 KaffeeStG. 139 Vgl. 1. Teil A. III. 140

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 104.

141 Insoweit bedienen sich Art. 5 und 6 der System-RL (EWG) 92/12 derselben Terminologie wie die Abgabenordnung. Diese Vorschriften knüpfen keine besonderen Folgen an die "Verbrauchsteuerpflichtigkeit". Aus Art. 6 der RL folgt lediglich, daß die Waren bereits vor Entstehen der Verbrauchsteuerschuld "verbrauchsteuerpflichtig" sind. 142

Tipke/Kruse, AO, § 76 Tz. 1.

143

Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 247.

46

I. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Die genannten Vorschriften treffen schon vor der Entstehung der Steuerschuld besondere Regelungen für die belasteten Waren. Sie begründen für den Eigentümer der Ware oder den sonst dinglich Berechtigten ein besonderes Rechtsverhältnis. Dieses besondere, dem Steuerschuldverhältnis vorausgehende Rechtsverhältnis wird im folgenden dargestellt. 144 1. Die Sachhaftung der Waren nach § 76 AO

Die Sachhaftung verbrauchsteuerbelasteter Waren entsteht mit deren Herstellung bzw. Gewinnung oder deren Verbringen in das Steuergebiet l45 (§ 76 Abs. 2 AO). Sie ist einem bürgerlich-rechtlichen Pfandrecht vergleichbar und begründet ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. 146 Der Steuergläubiger erhält durch sie zwei Rechte. Zum einen kann er wegen der Steuerschulden unmittelbar auf die Waren zugreifen und die Bezahlung durchsetzen, indem er die Gegenstände zurückhält oder sie durch Versteigerung nach § 327 AO verwertet. 147 Zum anderen kann er Verfügungen Dritter über die belasteten Waren . verh'mdern. 148 oder Erzeugmsse Die Sachhaftung entsteht schon, bevor die steuerlich belasteten Waren überhaupt hergestellt worden sind. § 76 Abs. 2 AO ordnet die Sachhaftung mit "Beginn der Herstellung" an, so daß bereits die Ausgangsstoffe der später belasteten Ware dieser dinglichen Haftung unterstellt werden. Die Haftung an den Ausgangsstoffen setzt sich an der verbrauchsteuerbelasteten Ware fort. 149

144 Zum Begriff des Steuerrechts- und des Steuerschuldverhältnisses vgl. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 5 I, 91 ff. und 11, 93 ff.; Tipke/Lang, Steuerrechtl4 , 154ff. 145 Steuergebiet ist die Bundesrepublik Deutschland. Nicht zum Steuergebiet gehören die Insel Helgoland als Zollfreigebiet und Büsingen als Zollausschluß. Büsingen ist mit deutsch-schweizerischem Vertrag vom 23. November 1964, BGBI. 11 1967,2029, in das schweizerische Zollgebiet einbezogen worden. Vgl. § I 12 BierStG; § 2 BranntwMonG; § 2 Nr. 1 KaffeeStG; § I 12 MinöStG; § I 12 SchaumwZwStG; § I S. 2 TabakStG. Zollanschlußgebiet der Bundesrepublik Deutschland ist das Gebiet Mittelberg (Kleines Walsertal) und Jungholz. Deutsches Zollrecht findet dort als inhaltsgleiches österreichisches Recht Anwendung; vgl. Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 46. 146

Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 248; Tipke/Kruse, AO, § 76 AO

147

RFHE 20, 255 (257); FG Bremen EFG 1992, 496.

148

RFHE 20, 255 (257); BFH BStBl. 11 1989,491 (493); FG Bremen EFG 1992,496.

149

Mösbauer, DStZ 1987, 399.

Tz. I.

11. Der Beginn der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit"

47

Im Regelfall entsteht die Verbrauchsteuerschuld nicht mit der Herstellung der Sache, sondern erst mit ihrer Überfiihrung in den steuerrechtlich freien Verkehr. lso Entweder endet die Sachhaftung zu diesem Zeitpunkt, sofern die Ware mit Zustimmung lSI der Finanzbehörde in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeht, oder sie endet, wenn die Verbrauchsteuerschuld erlischt. ls2 Aus diesem Grund schließen sich die Sachhaftung und die Entstehung der Steuerschuld im Regelfall auch aus. IS3 Die Sachhaftung beginnt vor und endet regelmäßig mit dem Entstehen der eigentlichen Verbrauchsteuerschuld. IS4 Im Gegensatz zu den Tatbeständen der persönlichen Haftung (z.B. §§ 69 ff. AO) ist die Sachhaftung nicht akzessorisch zu der eigentlichen Steuerschuld. Sie dient der vorrangigen Sicherung der erst später entstehenden Verbrauchsteuerschuld. ISS 2. Die besondere Steueraufsicht nach §§ 209 ff. AO und den Vorschriften der einzelnen Verbrauchsteuergesetze

Die Unternehmen, die mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren handeln, stehen nach der Abgabenordnung unter besonderer Steueraufsicht (§§ 209 ff. AO). Auch die einzelnen Verbrauchsteuergesetze ordnen zum Teil eine besondere

ISO RFHE 20, 255 (257); Koch/Scholtz/Halaczinsky, A0 4 , § 76 Rz. 4; Tipke/Kruse, AO, § 76 Tz. 3. Zur Überführung in den freien Verkehr ausführlich 1. Teil B. III. 2. ISI Werden alle einschlägigen Vorschriften bei und im Anschluß an den Übergang beachtet, ist die Zustimmung der Finanzbehörde zu unterstellen, vgl. FG Düsse1dorf EFG 1986, 151 (zum Zollrecht); Boeker, in: HHSp., AO, § 76 Rz. 25; Tipke/Kruse, AO, § 76 Tz. 4. IS2 Die Erlöschensgründe für die im Steuergebiet hergestellten Waren zählt § 47 AO auf. Für in das Steuergebiet eingeführte verbrauchsteuerpflichtige Waren gilt Art. 233 ZK wegen der Verweisungsvorschriften auf das Zollrecht (vgl. dazu 1. Teil B. III. 1.). IS3 Ausnahmsweise kann die Steuerschuld auch zugleich mit Beginn der Sachhaftung entstehen. Das ist der Fall, wenn zoll- und verbrauchsteuerpflichtige Waren vorschriftswidrig in das Steuergebiet verbracht werden [Art. 202 ZK; vgl. 1. Teil B. III. 5. b) aa)]. Unterliegen bereits versteuerte Erzeugnisse einer Nachsteuer, entstehen Sachhaftung und Verbrauchsteuerschuld ebenfalls in einem Akt, vgl. BFH BStBI. III 1951,29; Mösbauer, DStZ 1987, 399. Die Entstehung der Steuer in diesen Konstellationen ist die Ausnahme, nicht die Regel. IS4 RFHE 20, 255 (257); Kühn/Hofmann, A0 17 , § 76 Anm. 2; Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 249; Tipke/Kruse, AO, § 76 Tz. 3. ISS

Mösbauer, Die Haftung für die Steuerschuld, 246; Tipke/Lang, Steuerreche 4 , 65.

48

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Steueraufsicht an. 156 Sie rechtfertigt sich bei den Verbrauchsteuern und Zöllen aus der engen Verflechtung zwischen der persönlichen Verbrauchsteuerschuld und der durch die Sachhaftung des § 76 AO belasteten Ware. 157 Die besondere Steueraufsicht ist im Bereich der Verbrauchsteuern notwendig, weil die allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung nicht ausreichen, die Besteuerungsgrundlagen in gesetzmäßiger Weise zu ermitteln (§ 85 AO).158 So besteht ein großer Anreiz zu Steuerhinterziehungen, weil die Verbrauchsteuerbelastung im Verhältnis zu dem Wert der Waren besonders hoch ist. 159 Außerdem sind die konkreten Warenmengen so exakt wie möglich zu ermitteln, weil sich die Höhe der Steuerschuld in der Regel nach der Warenmenge 160 richtet. 161 156 § 22 BierStG; § 17 KaffeeStG; § 26 II MinöStG; § 21 SchaumwZwStG; § 28 TabakStG. § 151 I BranntwMonG bestimmt, daß die amtliche monopolrechtliche Aufsicht zugleich Steueraufsicht i.S. der AO ist. - Das rechtliche Verhältnis zwischen den Vorschriften der Einzelsteuergesetze und denen der AO ist schwierig zu bestimmen. Zum Teil handelt es sich bei den Vorschriften in den Einzelsteuergesetzen um eigenständige Regelungen, die als Spezialvorschriften unabhängig von denen der AO gelten. Dies ist der Fall, wenn sie den Anwendungsbereich der Steueraufsicht i.S. der AO tatsächlich erweitern oder bestimmte Vorschriften ausschließen wollen, vgl. Tipke/Kruse, AO, § 209 Tz. 5 und 15. § 22 I 2 BierStG erweitert z.B. die besondere Steueraufsicht auf die Herstellung von Waren, die nicht verbrauchsteuerpflichtig sind. § 22 II BierStG erweitert den Anwendungsbereich des § 215 AO, der die Befugnis der Finanzbehörden zur Sicherstellung von Waren regelt. Fällt dagegen der Regelungsgehalt der in den einzelnen Verbrauchsteuergesetzen genannten Vorschriften in den Anwendungsbereich des § 209 I, II AO, handelt es sich um Bestimmungen, die für die besondere Steueraufsicht i.S. der AO nur deklaratorisch wirken. Ein davon grundlegend abweichendes Verständnis zum Verhältnis der einzelgesetzlichen Vorschriften zu denen der AO hat Trzaskalik, in: HHSp., AO, Vor § 209 Rn. 7 entwickelt. Seiner Ansicht nach verweisen die §§ 209 ff. AO auf die Einzelsteuergesetze. Bei jeder Vorschrift der AO sei gesondert zu prüfen, ob sie versteckt auf die Einzelsteuergesetze verweise, ob sie das Einzelsteuergesetz ergänze, verdränge oder hinter ihm zurücktrete. Ein rechtliches Verhältnis zwischen §§ 209 ff. AO und den Vorschriften der Einzelsteuergesetze i.S. des allgemeinen zum speziellen Gesetz sieht Trzaskalik nicht. - Tatsächlich gelten die §§ 209 ff. AO für alle verbrauchsteuerpflichtigen Waren und damit für alle Verbrauchsteuergesetze. Wenn sich in den einzelnen Gesetzen besondere Vorschriften finden, die die besondere Steueraufsicht der AO modifizieren, um den Besonderheiten der Steuererhebung bei der belasteten Ware zu entsprechen, läßt sich m.E. sehr wohl der Schluß vom speziellen zum allgemeinen Gesetz ziehen. 157

Mösbauer, DB 1980, 1506.

158

Koch/Scholtz/Teichner, A04, Vor § 209 Rz. 4.

159

Mösbauer, DStZ 1988,273 m.w.N.

160 Vgl. 1. Teil B. IV.

11. Der Beginn der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit"

49

Mit der Überwachung des Handels und der Produktion werden Anzahl und Umfang der gegenwärtigen und zukünftigen Steuerfälle ermittelt. 162 Nach der Harmonisierung der Verbrauchsteuergesetze sichert die besondere Steueraufsicht darüber hinaus die ordnungsgemäße Steuererhebung nicht nur im Steuergebiet, sondern fiir alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. 163 Die besondere Steueraufsicht ist die fortlaufende Kontrolle l64 des grenzüberschreitenden Warenverkehrs, der Gewinnung und Herstellung, Beförderung und gewerblichen Verwendung verbrauchsteuerpflichtiger Waren: 6S Die Steueraufsicht ist ein dauernder Zustand, keine konkrete Maßnahme. Mit dem Instrumentarium der Außenprüfung (§§ 193 ff. AO) können Warenbewegungen über die Grenze nicht wirksam überwacht werden. Soweit an bestimmte Verwendungen verbrauchsteuerpflichtiger Waren Steuervergünstigungen geknüpft werden, müssen die zweckentsprechenden Verwendungen kontrolliert werden. Mit einer Außenprüfung kann diese Überwachung nicht sichergestellt werden. 166 Die Pflichten aus den Vorschriften der besonderen Steueraufsicht treffen den Produzenten, Händler oder Importeur der belasteten Ware. Sie rechtfertigen sich jedoch aus der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit" der belasteten Waren und damit aus der Verflechtung zwischen verbrauchsteuerpflichtiger Ware und der Sicherung der Verbrauchsteuerschuld.

161

Koch/Scholtz/Teichner, A04 , Vor § 209 Rz. 4.

162

Mösbauer, DB 1980, 1506.

163 Trzaslwlik, in: HHSp., AO, Vor § 209 Rz. 3. Deutlich wird dies am Beispiel von Wein, ftlr den im Steuergebiet keine Verbrauchsteuer erhoben wird. Der innergemeinschaftliche Handelsverkehr mit Wein unterliegt nach § 27 I 1 SchaumwZwStG im Steuergebiet der besonderen Steueraufsicht. Sie dient nur dazu, den Mitgliedstaaten, die Wein besteuern, die Steuererhebung zu ermöglichen. 164

Mösbauer, DB 1980, 1506; Tipke/Kruse, AO, Vor § 209 Tz. 2.

165

Vgl. § 209 I AO.

166

Koch/Scholtz/Teichner, A04 , Vor § 209 Rz. 2.

4 D. Müller

50

l. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

3. Das Aussetzungsverjahren Das Aussetzungsverfahren für verbrauchsteuerpflichtige Waren 167 ist der verfahrensrechtliche Kembereich des harmonisierten Verbrauchsteuerrechts. 168 Es ist das besondere Verfahren, das auf die verbrauchsteuerpflichtigen Waren vor der Entstehung der Steuerschuld angewendet wird. Für diese Waren wird keine bereits entstandene Steuer ausgesetzt. Vielmehr bleiben die Waren während dieses besonderen Verfahrens unversteuert. Die Steuer entsteht erst, wenn sich an das Aussetzungsverfahren ein Steuerentstehungstatbestand anschließt. 169 Zugleich endet das Aussetzungsverfahren.

a) Steuerlager Steuerlager ist der Oberbegriff für den Herstellungsbetrieb (die Brauerei, Verschlußbrennerei, Kaffeerösterei, Raffmerie etc.) und die Lagerstätte. 170 Alle Verbrauchsteuergesetze 171 stellen die Herstellung und Lagerung verbrauchsteuerpflichtiger Waren bei Aussetzung der Steuer unter Erlaubnisvorbehalt. An die Person des Inhabers des Steuerlagers stellen die Gesetze besondere

167 § 4 I BierStG; § 133 I BranntwMonG; § 5 I KaffeeStG; § 5 I MinöStG; § 4 I SchaumwZwStG; § 8 I TabakStG. Diese Vorschriften setzen Art. 4 Iit. c System-RL (EWG) 92/12 um, der als "Verfahren der Steueraussetzung" die steuerliche Regelung bezeichnet, die auf "die auf die Herstellung, Verarbeitung, die Lagerung sowie die Beförderung der Waren unter Steueraussetzung Anwendung findet". Eine präzisere Umschreibung enthält die RL nicht. 168

Klein/Woljfgang, in: Lenz, EGV, Art. 99 Rn. 39.

169 Vgl. Beermann, DStZ 1993,291; Jatzke, BB 1993,46; Teichner/Alexander/Reiche, MinöStG 1993, § 5 Rn. 11; Art. 6 I der System-RL (EWG) 92/12. 170 § 5 11 BierStG; § 133 11 BranntwMonG; § 5 11 KaffeeStG; § 5 11 MinöStG; § 4 11 SchaumwZwStG; § 8 11 TabakStG. Der Begriff Steuerlager geht auf Art. 4 Iit. b der System-RL (EWG) 92/12 zurück. Danach ist jeder Ort, an dem verbrauchsteuerpflichtige Waren von einem zugelassenen Lagerinhaber hergestellt, bearbeitet, empfangen oder versandt werden können, ein Steuerlager. Verbrauchsteuerpflichtige und noch unversteuerte Waren sollen in einem Steuerlager hergestellt, verarbeitet oder in Besitz gehalten werden (Art. 1111 System-RL [EWG] 92/12). 171 §§ 5 11, 6 11 BierStG; § 135 11 BranntwMonG; §§ 6 III, 7 11 KaffeeStG; §§ 6 11, 7 11 MinöStG; §§ 5 11, 6 11 SchaumwZwStG; §§ 911, 10 S. 2 bis 4 TabakStG; nur für die Verschlußbrennerei reicht ausnahmsweise die bloße Anmeldung aus, vgl. Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 23.

11. Der Beginn der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit"

51

Anforderungen. 172 Die Erlaubnis dient rein steuerlichen Zwecken. Sie soll die Steuererhebung sicherstellen. Notwendig ist regelmäßig, daß kaufmännische Bücher ordnungsgemäß gefilhrt werden, Jahresabschlüsse rechtzeitig aufgestellt werden und die steuerliche Zuverlässigkeit festgestellt werden kann. Ein Bezug zu dem Polizei- und Ordnungsrecht, beispielsweise zum Gewerberecht, besteht demnach nicht. Die Erteilung der Erlaubnis steht nicht im Ermessen der Behörden. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen vor, besteht ein Rechtsanspruch auf die Erlaubnis. 173 Hinsichtlich der Steuerlager bestehen im Branntweinmonopolgesetz Besonderheiten. Lediglich Verschlußbrennereien, in denen der hergestellte Branntwein nur unter Mitwirkung der Zollbehörden entnommen werden kann, sind als Steuerlager in das Steueraussetzungsverfahren eingebunden. Abfmdungsbrennereien, aus denen der gewonnene Branntwein ohne Mitwirkung der Zollbehörde entfernt werden kann und für den keine Ablieferungspflicht besteht (§ 76 Abs. 1 Nr. 2 BranntwMonG), können keine Steuerlager sein. 174 Um das Steueraussetzungsverfahren in das Branntweinmonopolrecht einzubinden, gelten für den von der Bundesmonopolverwaltung übernommenen Branntwein die Regeln über das Steuerlager sinngemäß (§ 84 S. 2 und 3 BranntwMonG). Lagerstätten sind in allen Verbrauchsteuergesetzen vorgesehen, um die Lagerung und den Versand des verbrauchsteuerpflichtigen Gutes unter Steueraussetzung zu ermöglichen. 175 Übliche Lagerhandlungen, wie Umpacken, Umfüllen, Abfüllen und die verkaufsfertige Herrichtung des verbrauchsteuerpflichtigen Gutes, führen nicht zur Beendigung der Steueraussetzung. 176 b) Das Beförderungsverfahren Den Versand von unversteuerten Waren ermöglicht das besondere Beförderungsverfahren. I77 Zu unterscheiden ist zwischen dem Warenverkehr innerhalb

172

Die Anforderungen beruhen auf Art. 13 der System-RL (EWG) 92/12.

173

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 22.

174 Bei Abfindungsbrennereien wird die Alkoholmenge des hergestellten Branntweins von der Zollbehörde geschätzt. Ausführlich zu den Abfindungsbrennereien Treu, ZfZ 1993,379 ff.

175

Schräer-Schallenberg, ZfZ 1993, 302.

176

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 24 f.

I77

Vgl. Art. 15 der System-RL (EWG) 92/12.

52

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

des Steuergebietes und dem zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft. aa) Das Beförderungsverfahren innerhalb des Steuergebietes Für das Beförderungsverfahren innerhalb des Steuergebietes kommt eine Warenbewegung zwischen den Steuerlagern, der Versand an den Verwender der belasteten Ware und die Überfiihrung in bestimmte Zollverfahren in Betracht. Durch das Beförderungsverfahren können verbrauchsteuerpflichtige Waren im Steuergebiet zwischen Steuerlagern bzw. in Betriebe, deren Inhaber zur steuerbegünstigten Verwendung berechtigt sind, unversteuert verschickt werden. 178 Der Versand an den Verwender unter Steueraussetzung ermöglicht es, die Ware unversteuert dem steuerbegünstigten Verbrauch zuzufiihren. Die Besteuerung wird auf diese Weise möglichst nahe an den Verbrauch der Ware herangefiihrt. Das Verfahren der Steueraussetzung erstreckt sich darüber hinaus auf die Überfiihrung der unversteuerten Ware in bestimmte Zollverfahren. 179 Ausgeschlossen ist das Zollverfahren der Überfiihrung in den zollrechtlich freien Verkehr, weil durch dieses Zollverfahren die Verbrauchsteuerschuld gerade entsteht. \80 Das Zollverfahren der Ausfuhr der belasteten Ware kann aus dem entgegengesetzten Grund nicht dem Aussetzungsverfahren unterstellt werden: Die Ausfuhr ist steuerfreL I81 Damit sind die Zollverfahren, die fiir das Entstehen oder den Bestand der Verbrauchsteuerschuld von Bedeutung sein könnten, von dem besonderen Beförderungsverfahren unter Steueraussetzung ausgenommen.

178 § 11 I BierStG; § 140 I BranntwMonG; § 14 I KaffeeStG; § 14 I MinöStG; § 10 I SchaumwZwStG; § 15 I TabakStG. 179 § 11 I Nr. 3 BierStG; § 140 I Nr. 3 BranntwMonG; § 14 I KaffeeStG; § 14 I Nr. 2 MinöStG; § 10 I Nr. 3 SchaumwZwStG; 15 I Nr. 3 TabakStG. Zollverfahren sind neben den im Text genannten: das Versandverfahren, das Zollagerverfahren, die aktive Veredelung, das Umwandlungsverfahren, das Verfahren der vorübergehenden Verwendung und die passive Veredelung (Art. 4 Nr. 16 ZK).

180

Vgl. l. Teil B. III. 4. b).

\81

Vgl. l. Teil B. V. 2.

11. Der Beginn der" Verbrauchsteuerpflichtigkeit"

53

bb) Das Beilirderungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Im Beilirderungsverfahren unter Steueraussetzung können die belasteten Waren zwischen den Steuerlagern der verschiedenen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft transportiert werden, an berechtigte Empflinger in den Mitgliedstaaten versandt und durch das Steuergebiet durchgeführt werden. 182 Das Beförderungsverfahren rur die Warenbewegung zwischen den Mitgliedstaaten folgt dem Bestimmungslandprinzip, nach dem die Ware in dem Mitgliedstaat besteuert wird, in dem sie in den steuerrechtlich freien Verkehr gelangt. Damit wird zugleich - wie bei dem Versandverfahren innerhalb des Steuergebietes - die Besteuerung möglichst nahe an den Verbrauch herangeruhrt. Die unversteuerten Waren können zwischen den Steuerlagern im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft frei zirkulieren. Deshalb kann die Ware durch das Steuergebiet unter Steueraussetzung transportiert werden. Bei der Durchfuhr gelangt die Ware nicht in den steuerrechtlichen Verkehr und wird im Steuergebiet auch nicht verbraucht. Schließlich können die "berechtigten Empflinger" in den Mitgliedstaaten die Ware unter Steueraussetzung beziehen, soweit die nationalen Vorschriften das vorsehen. 183 Der "berechtigte Empfänger" darf die Ware unversteuert beziehen, sie aber nicht unter Steueraussetzung lagern oder unversteuert weitersenden. 184 Für die nationalen Verbrauchsteuern auf Erdgas und Kaffee verbietet sich die Beförderung der belasteten Ware in andere Mitgliedstaaten unter Steueraussetzung. Die Besteuerung dieser Waren bleibt gerade auf das Steuergebiet beschränkt. 185 Umgekehrt steht der innergemeinschaftliche gewerbliche Verkehr von Wein, dessen Verbrauch in Deutschland nicht besteuert wird, im Bundesgebiet unter besonderer Steueraufsicht. Voraussetzung ist, daß der Wein über die Grenzen des Steuergebietes hinaus in andere Mitgliedstaaten transportiert

182 § 12 I BierStG; § 141 I BranntwMonG; § 15 I MinöStG; § 11 I SchaumwZwStG; § 16 I TabakStG. 183 Vgl. § 12 I I Nr. 1,11 BierStG; § 141 I I Nr. 1,11 BranntwMonG; § 15 I I Nr. I, 11 MinöStG; § 11 I I Nr. 1,11 SchaumwZwStG.

184 Jatzke, BB 1993,47. Die Zulassung der "berechtigten EmpHmger" geht auf Art. 4 Iit. d, 4Iit. e und Art. 16 der System-RL (EWG) 92/12 zurück. 185

Vgl. l. Teil A. III.

54

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

werden soll.186 Der zum Verbrauch im Inland bestimmte Wein unterliegt der besonderen Steueraufsicht nicht. ce) Das Beförderungsverfahren nach der Einfuhr der Waren in das Steuergebiet Ferner kann das Steueraussetzungsverfahren auf den Versand belasteter Waren im Steuergebiet nach ihrer Einfuhr aus Drittländern angewendet werden. Nachdem die Waren in den zollrechtlich freien Verkehr gelangt sind, können sie auf Antrag unter Steueraussetzung in Steuerlager oder in Betriebe von zur steuerbegünstigten Verwendung Berechtigten versandt werden. 187 Sollen ins Steuergebiet eingefiihrte Waren innergemeinschaftlich versandt werden, müssen sie zunächst in ein Steuerlager im Steuergebiet aufgenommen werden. Aus diesem Lager kann die weitere Beförderung in die Steuerlager anderer Mitgliedstaaten erfolgen. Dieses umständliche Vorgehen ist notwendig, weil Ausgangspunkt des innergemeinschaftlichen Beförderungsverfahrens keine Zollstelle, sondern nur ein Steuerlager sein kann. 188 Auch diese Verfahrensweise entspricht dem Bestimmungslandprinzip. Die Steuerschuld entsteht in dem Mitgliedstaat, in dem die Ware in den steuerrechtlieh freien Verkehr gelangt und in dem sie verbraucht wird. c) Die Kontrolle und Sicherung der Warenbewegungen unter Steueraussetzung Durch die Steueraufsicht, der die Inhaber der Steuerlager unterliegen, werden die Warenbewegungen innerhalb des Steuergebietes umfassend kontrolliert. Um auch den grenzüberschreitenden Warenverkehr überwachen zu können, ist fiir den Transport der Waren ein Begleitdokument als Nachweis obligatorisch. Den Inhalt dieses Dokuments hat die Kommission festgelegt. 189 Es kann durch

186 §§ 27, 28 SchaumwZwStG regeln, wie die Beförderung von Wein innerhalb des Bundesgebietes in das innergemeinschaftliche Steuerlagersystem eingebunden wird. Das Steueraussetzungsverfahren für Waren, die "der Verbrauchsteuer zum Nullsatz" unterliegen, geht auf Art. 15 I der System-RL (EWG) 92/12 zurück. 187 § 11 11 BierStG; § 147 I BranntwMonG; § 16 I MinöStG; § 10 11 SchaumwZwStG; § 15 11 TabakStG; vgl. Jatzke, Verbrauchsteuerecht, 53; Schräer-Schallenberg, ztZ 1993,307.

188 Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 53; Schräer-Schallenberg, ZtZ 1993, 307; Sievert, ztZ 1992, 100. 189 VO (EWG) 2719/92 der Kommission zum begleitenden Verwaltungsdokument bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung v. 11. September 1992, ABI. EG Nr. L 276, 1, geändert durch VO (EWG) 2225/93 v. 27. Juli

11. Der Beginn der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit"

55

ein Handelsdokument ersetzt werden, soweit dieses die gleichen Angaben wie das Begleitdokument enthält. l90 Der Handelsverkehr mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren kann darüber hinaus von einer Sicherheitsleistung abhängen. 191 d) Das Aussetzungsverfahren als Ersatz der bedingten Steuer (§ 50 AO) Es entspricht der Intention der Verbrauchsteuem, die Besteuerung möglichst nahe an den Verbrauch der Ware heranzuführen. Dafilr sahen die Verbrauchsteuergesetze bis zu ihrer Neufassung durch das VerbrauchsteuerBinnenmarktgesetz das Entstehen auflösend bedingterl92 Steuerschulden vor. 193

1995, ABI. EG Nr. L 198,5. Rechtliche Grundlage für das Begleitdokument ist Art. 18 I der System-RL (EWG) 92/12. 190

Vgl. Art. 1,2 und den Anhang I der VO (EWG) 2719/92.

191 Zwingend erforderlich ist die Sicherheitsleistung im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten (§ 12 12 BierStG; § 141 12 BranntwMonG; § 15 12 MinöStG; § 11 12 SchaumwZwStG, § 16 12 TabakStG), weil die Erfüllung der Steuerschuld im Empfängerstaat gewährleistet werden soll. Dementsprechend richtet sich die Höhe der Sicherheit nach dem Steuerwert des Empfängerstaates, in den die Ware versandt wird; vgl. Jatzke, BB 1993,40 f. Eine Sicherheit für die Beförderung innerhalb des Steuergebietes ist dagegen überflüssig, weil die Waren der Sachhaftung unterliegen (§ 76 AO). 192 Das Wesen der steuerrechtlichen Bedingung ist bis heute nicht geklärt, obwohl schon Beclcer (RA0 7, § 81 Anm. 4a) gefordert hat, die Lehre von der bedingten Steuerschuld müsse noch geschrieben werden. Die Bedingung des Bürgerlichen Rechts in § 159 BGB ist ein ungewisses zukünftiges Ereignis, das nach dem Willen der Parteien Wirkungen für das Rechtsgeschäft haben soll. Rechtsbedingungen sind dagegen gesetzliche Voraussetzungen, die zu dem rechtsgeschäftlichen Tatbestand hinzutreten müssen, damit das Rechtsgeschäft wirksam werden kann. Sie sind der Dispositionsfreiheit der Parteien entzogen. Weder Partei- noch Rechtsbedingungen in diesem Sinn können für das Steuerrecht herangezogen werden. Bedingungen im steuerlichen Sinn kann man als bestimmte Umstände ansehen, die während eines gewissen Zeitraumes gegeben sind, oder als bestimmte Geschehnisse, die nicht eintreten, und von denen das Steuergesetz selbst den Fortbestand des entstandenen Steueranspruchs abhängig macht; vgl. Tipke/Kruse, AO, § 175 Tz. 22. Die auflösende Bedingung i.S. des § 50 AO ähnelt der des § 158 BGB; vgl. Tipke/Kruse, AO, § 50 Tz. 2. An sich widerspricht es dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung, an eine noch nicht abgeschlossene Tatbestandsverwirklichung die Steuerleistungspflicht zu knüpfen; vgl. Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 113.

193

Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 19 zum MinöStG a.F.

56

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Das Steueraussetzungsverfahren der hannonisierten Verbrauchsteuergesetze ersetzt das bislang geltende System der bedingten Steuerschuld. 194 Mit der bedingten Steuerschuld sollten verbrauchsteuerpflichtige Waren unbelastet oder mit einer geringeren Verbrauchsteuerbelastung einem steuerlich begünstigten Zweck zugefUhrt werden (§ 50 AO). Die Konstruktion der bedingten Steuerschuld war erforderlich, weil nach den alten Fassungen der Verbrauchsteuergesetze die Steuerschuld in voller Höhe mit der Entnahme der Ware in den freien Verkehr entstand. 195 Beispielsweise konnte steuerbares Mineralöl nach alter Rechtslage unter der auflösenden Bedingung versandt werden, daß es in einen anderen Herstellungsbetrieb aufgenommen werden würde. Mit der Aufnahme der Ware in den Herstellungsbetrieb entfiel die Steuer, mit ihrer Entfernung entstand sie neu. 196 Im Fall der steuerbegünstigten Verwendung entstand die Steuer unbedingt und durch die zweckgerechte Verwendung auflösend bedingt in Höhe der Differenz zwischen dem ermäßigten Steuers atz und dem Regelsteuersatz. 197 Die bedingte Steuerschuld konnte nach § 50 Abs. 2 A0 198 auf den Abnehmer der Ware, der sie zu steuerbegünstigten Zwecken verbrauchen wollte, übertragen werden. War der Übergang wirksam, wurde der ursprüngliche Steuerschuldner befreit. Mit dem Schuldübergang wurde auch die Ware übertragen, so daß derjenige über die Existenz der bedingten Steuerschuld entschied, der die Ware in seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt hat-

194 Beermann, DStZ 1993, 259; Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 20; Kühn/Hofmann, A0 17, § 50 Anm. 1. Damit ist eine Entwicklung abgeschlossen, die der des Zollrechts ähnelt. Auch das Zollgesetz von 1939 hatte sich der Konstruktion der bedingten Zollschuld in den Fällen bedient, in denen die Zollerhebung von einer besonderen Verwendung des Zollgutes abhing. Bereits das am 1. Januar 1962 in Kraft getretene Zollgesetz von 1961 hat die Konstruktion der bedingten Zollschuld aufgegeben. Im Gegensatz zum Zollgesetz 1939 entstand nach dem Zollgesetz 1961 die Zollschuld in dem Zeitpunkt, in dem die bedingte Zollschuld nach dem alten Recht unbedingt geworden wäre. Das war der Zeitpunkt der zweckentsprechenden Verwendung des Zollgutes; vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 21. 195 Beermann, DStJG 11 (1988), 286; Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 19; Tipke/Kruse, AO, § 50 Tz. 1. 196 § 8 I Nr. 2 MinöStG 1989 i.V.m. § 13 der DVO; vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 8 Rn. 60.

197

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 21.

198 Wobei besondere Regelungen der Einzelsteuergesetze vorgegangen sind, vgl. Tipke/Kruse, AO, § 50 Tz. 3; für das Mineralölsteuergesetz Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 19a.

11. Der Beginn der "Verbrauchsteuerpflichtigkeit"

57

te. l99 Die "zu frühe" und deswegen nur bedingte Steuerschuld wurde dorthin verlagert, wohin sie nach dem Belastungsziel gehörte. 2oo Die Ware, für die eine bedingte Steuerschuld entstand, galt als unversteuert. Erst mit dem Unbedingtwerden der Steuerschuld wurde die Ware als versteuert angesehen. 201 Die harmonisierten Verbrauchsteuergesetze ermöglichen die Lagerung, den Versand und die steuerbegünstigte Verwendung unversteuerter Waren. Im Steuerlager und bei Beförderung des verbrauchsteuerpflichtigen Gutes bleibt die Steuer ausgesetzt. Bei der steuerbegünstigten Verwendung des jeweiligen Gutes entsteht die Steuer unbedingt in Höhe des ermäßigten Steuertarifs. 202 Die Konstruktion einer bedingten Steuerschuld wurde damit überflüssig. e) Das Aussetzungsverfahren als unzulässige Beschränkung der Freiheit des Warenverkehrs? Die Freiheit des Warenverkehrs, das heißt die freie Zirkulation der Ware in einem Verkaufsraum, ist eines der Grundprinzipien des Binnenmarktes. 203 Obwohl die Grenzkontrollen entfallen sind, ist die Kontrolle und Sicherung der grenzüberschreitenden Warenbewegung nicht ersatzlos abgeschafft. Vielmehr übernimmt das Aussetzungsverfahren diese Funktion, um durch besondere steuerliche Aufsichtsrnaßnahmen die Steuererhebung der Mitgliedstaaten si199 Peters, ZfZ 1990,39, der die Objektakzessorietät dieser Regelung betont. Außerdem könne bei demjenigen, der die Ware in Besitz habe, die Sachhaftung realisiert werden.

200

Peters, ZfZ 1990,39.

201

Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 19.

202 Boeker, in: HHSp., AO, § 50 Rz. 4; Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 21. Allerdings will Schräer-Schallenberg, ZfZ 1995, 167 im Fall des Abfindungsbranntweins auf die Konstruktion der bedingten Steuerschuld zurückgreifen. Die Verbrauchsteuerschuld entstehe nur unter der auflösenden Bedingung "der Ablieferung an die Bundesmonopolverwaltung". Sie verkennt, daß § 50 AO kein Auffangtatbestand flir bedingte Steuerschulden ist, sondern diese in den Verbrauchsteuergesetzen voraussetzt. Darüber hinaus ist nicht einmal der Tatbestand des § 50 AO erfüllt, der nur auf Steuervergünstigungen anwendbar ist. Das BranntwMonG gewährt flir Abfindungsbranntwein, der zur Ablieferung an die Bundesmonopolverwaltung angemeldet wird, keine Steuervergünstigung, sondern mit dessen Gewinnung ist die Steuer entstanden (§ 136 11 I BranntwMonG); Tipke/Kruse, AO, § 50 Tz. I. Wird der Abfindungsbranntwein abgeliefert, kann die Steuer nur erlassen werden (§ 227 AO), weil der Gesetzeszweck die Erhebung nicht rechtfertigt; vgl. Tipke/Kruse, AO, § 50 Tz. I. 203

Vgl. I. Teil A. 11.

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1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

cherzustellen. Die systematische Steuerkontrolle an den Binnengrenzen hat das Aussetzungsverfahren lediglich in das Steuergebiet der Mitgliedstaaten verlagert. 204 Zweck des Aussetzungsverfahrens ist es also gerade nicht, den freien, unkontrollierten Handelsverkehr zu ermöglichen.20s Als ein rein formaler Ersatz fiir die Grenzkontrollen könnte es dem Ziel des Binnenmarktes, die Freiheit des Warenverkehrs zu gewährleisten, widersprechen. 206 Zwar wäre es fiir das Funktionieren des Binnenmarkts am zweckmäßigsten, die innergemeinschaftlichen Steuergrenzen zu beseitigen. 207 Im Gegensatz zu dem Bereich der Zölle und der zollgleichen Abgaben haben die Mitgliedstaaten jedoch ihre Steuerhoheit nicht verloren. Sie besitzen weiterhin die Kompetenz für eine eigenständige Steuerpolitik. Diese Sichtweise liegt auch den steuerlichen Vorschriften der Art. 95 bis 99 EGV zugrunde, die die Steuerhoheit der Mitgliedstaaten begrenzen. Der Umfang dieser Beschränkung ist durch die allgemeinen Ziele des EG-Vertrages vorgegeben. 20B Die Maßnahmen auf Grund der steuerlichen Vorschriften haben deshalb eine Hilfsfunktion im Hinblick auf die Ziele des Vertrages, vor allem hinsichtlich des Prinzips des freien Warenverkehrs. 209 Die Unterschiede zwischen den verschiedenen nationalen Steuersystemen können nur im engen Rahmen des Art. 99 EGV harmonisiert werden. Das Aussetzungsverfahren fällt in die Harmonisierungskompetenz dieser Norm. Es sichert einerseits die Steuererhebung der Mitgliedstaaten, andererseits ermöglicht es den Transport von unversteuerten Waren zwischen den Mitgliedstaaten. Das Aussetzungsverfahren stellt sich damit zwar als Hemmnis, nicht jedoch als Verstoß gegen das Grundprinzip des freien Warenverkehrs dar.

204 Klein/WoljJgang, in: Lenz, EGV, Art. 99 Rn. 25 zur bei der Umsatzsteuer gleichen Problematik. Vgl. auch Koch/Scholtz/Teichner, A04 , § 209 Rz. 5. 20S

Insoweit mißverständlich Schröer-Schallenberg, ZfZ 1993, 302.

206

Vgl. Schmutzer, DStJG 11 (1988),296.

207 Klein/WoljJgang, in: Lenz, EGV, Vor Art. 95-99 Rn. 1; Oppermann, Europarecht, Rn. 1013. 208 Klein/WoljJgang, in: Lenz, EGV, Vor Art. 95-99 Rn. 2; Oppermann, Europarecht, Rn. 1015. 209

EuGH Slg. 1962,867 (883); 1980,347 (359); Oppermann, Europarecht, Rn. 1015.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

59

III. Die Anknüpfungspunkte des Steuertatbestandes im tatsächlichem

1. Die Dichotomie der Verbrauchsteuergesetze

Für die tatsächlichen Anknüpfungspunkte, die zum Entstehen der Steuerschuld führen, und die weiteren mit der Steuerschuld zusammenhängenden Regelungsbereiche enthalten die Verbrauchsteuergesetze eine Zweiteilung der maßgebenden Rechtsmaterien. Die anzuwendenden Vorschriften richten sich danach, ob die der Besteuerung unterliegenden Waren im Steuergebiet hergestellt werden bzw. unversteuert in eine im Steuergebiet gelegene Lagerstätte gelangen oder ob sie aus Staaten eingefiihrt werden, die nicht der Europäischen Gemeinschaft angehören. Für die Waren, die sich in Steuerlagern im Inland befmden, regeln die Verbrauchsteuergesetze selbst die Entstehung der Steuer, benennen die verschiedenen Steuerschuldner der jeweiligen tatsächlichen Anknüpfungspunkte der Steuern und normieren das steuerliche Verfahren. Die aus Drittländern in das Steuergebiet eingefiihrten verbrauchsteuerpflichtigen Waren unterliegen den Verbrauchsteuern nur durch die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften. Es gelten "für die Entstehung der Steuer und den Zeitpunkt, der für ihre Bemessung maßgebend ist, für die Person des Steuerschuldners, die Fälligkeit, den Zahlungsaufschub, das Erlöschen ausgenommen das Erlöschen durch Einziehung, den Erlaß, die Erstattung und die Nacherhebung der Steuer und für das Steuerverfahren die Zollvorschriften sinngemäß".210

Bisher sind die belasteten Waren und die Steuerrechtsverhältnisse vor der Entstehung der Steuerschuld aufgezeigt worden. Insoweit sind die Zollvorschriften ohne rechtliche Relevanz. Die Dichotomie der Verbrauchsteuergesetze ist aber rur die tatsächlichen Sachverhalte, an die das Entstehen der Steuerschuld geknüpft wird, von erheblicher Bedeutung. Zunächst werden die in den Verbrauchsteuergesetzen selbst enthaltenen tatsächlichen Anknüpfungspunkte dargestellt. Ihnen werden dann die Anknüpfungspunkte der Zollvorschriften gegenübergestellt.

210 So wortgleich § 147 I 1 BranntwMonG; § 23 I 1 MinöStG; § 17 I SchaumwZwStG; inhaltsgleiche Regelungen enthalten § 13 I 1 BierStG; § 13 I KaffeeStG; § 21 TabakStG.

60

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

2. Die Entnahme der verbrauchsteuerbelasteten Ware in den freien Verkehr Die Verbrauchsteuerschuld entsteht mit der Entnahme der verbrauchsteuerpflichtigen Ware in den freien Verkehr. 211 Entnommen ist die verbrauchsteuerbelastete Ware zum einen, wenn sie aus dem Steuerlager entfernt wird, ohne daß sich ein Aussetzungsverfahren anschließt. Zum anderen kann sie dem Steuerlager zum Verbrauch, bzw. im Fall der belasteten Mineralöle zur Verwendung,212 entnommen werden. a) Die Entfernung der Ware aus einem Steuerlager Die Ware ist entfernt, wenn sie dem Steuerlager körperlich entzogen ist. Maßgebend bleibt, wie schon im altem Recht, ob die Ware die räumlichen Grenzen des Lagers tatsächlich überschritten hat. 213 Deshalb ist rur diese Fälle ausgeschlossen, daß die Verbrauchsteuerschuld innerhalb des Steuerlagers entsteht. Dem Entfernen der Ware aus dem Steuerlager steht es gleich, wenn ein Lager seinen Status als Steuerlager verliert. 214 Ob dieser Status verloren ist, beurteilt sich - abgesehen von dem Erlöschen der Erlaubnis - nach den tatsächlichen Verhältnissen, wie sie im Gewerbe- und Ertragssteuerrecht für die Feststellung eines Betriebes gelten. 215 Deshalb sind etwa Betriebsunterbrechungen von kurzer Dauer unerheblich. 216 Das Merkmal des Entfernens ist rein objektiv zu verstehen. Es setzt keine menschliche Handlung voraus. Deshalb können beispielsweise Naturereignisse

211 § 7 I 1 BierStG; § 136 I 1 BranntwMonG; § 8 I 1 KaffeeStG; § 9 I 1 MinöStG; § 7 I 1 SchaumwZwStG; § 11 I 1 TabakStG. Das Merkmal der "Entnahme in den freien Verkehr" wählte der Gesetzgeber anstelle der "Überführung in den freien Verkehr", wie es dem Wortlaut des Art. 6 I der System-RL (EWG) 92/12 entsprochen hätte. Er wollte diesen Entstehungstatbestand von den zollrechtlichen Entstehungstatbeständen abgrenzen; vgl. Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 29. 212 § 9 11 MinöStG, der Art. 4 III 2 RL (EWG) 92/81 umsetzt. 213 Vgl. zum alten Recht BFH BStBI. III 1958, 151 (152 f.); Peters, Verbrauchsteuerrecht, 198; Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 7, 29.

214 Vgl. § 7 V 1 BierStVO; § 23 V 1 BranntwStVO; § 8 11 1 KaffeeStG; § 14 S. 2 MinöStVO; § 7 V 1 SchaumwZwStVO; § 10 TabakStVO. Zum alten Recht vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 199 m.w.N. 215 Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 199,303 f. m.w.N. 216 Peters, Verbrauchsteuerrecht, 304.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

61

zur Steuerentstehung führen. 217 Ob die Ware mit oder ohne Wissen bzw. mit, ohne oder gegen den Willen des Eigentümers oder des dinglich Berechtigten entfernt wird, ist für die Tatbestandserfüllung gleichgültig. 218 Auch eine unrechtmäßige Entfernung genügt. Diesem objektiven Tatbestandsmerkmal steht kein subjektives Tatbestandsmerkmal gegenüber. Das "Entfernen" ist lediglich Realakt. Ob der Berechtigte die Ware einem besonderen Zweck zuführen will, hat nur dafür Bedeutung, ob Steuervergünstigungen gewährt werden oder nicht. Die Besteuerung knüpft bei diesem Lebenssachverhalt nicht an den Verbrauch der belasteten Ware an, sondern an das Verlassen des Steuerlagers. Da die Besteuerung auf die Belastung des Verbrauchs zielt, wählt der Gesetzgeber hier einen bloßen Ersatzanknüpfungspunkt hinsichtlich dieses Belastungszieles. b) Die Entnahme zum Verbrauch im Steuerlager Die verbrauchsteuerbelastete Ware kann ferner durch ihren Verbrauch im Steuerlager in den freien Verkehr entnommen werden. 219 Lediglich im Mineralölsteuerrecht knüpft die Steuerentstehung für belastete Waren an die "Entnahme zur Verwendung im Steuerlager" an (§ 9 Abs. 1 MinöStG). In diesen Fällen erfaßt die Besteuerung unmittelbar den Verbrauch der belasteten Ware. Beim Verbrauch der Ware im Steuerlager ist die ersatzweise Belastung eines dem Verbrauch vorhergehenden Lebenssachverhaltes entbehrlich, weil er hier erhebungstechnisch erfaßt werden kann und erfaßt wird. Der Verbrauch, der die Steuerschuld entstehen läßt, liegt regelmäßig darin, daß durch einen tatsächlichen Vorgang die Eigenschaft der Ware als Steuerobjekt aufgehoben wird. 22o Das kann geschehen, indem die Substanz der Ware völlig verändert wird, wie beispielsweise beim Verbrennen von Treibstoff oder beim Verzehr kaffeehaitiger oder alkoholischer Getränke. 221

217

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 200, 193.

218

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 29.

219 § 7 I 1 BierStG; § 136 I 1 BranntwMonG; § 8 I 1 KaffeeStG; § 7 I 1 SchaumwZwStG; § 11 I 1 TabakStG. 220

FG Hamburg ZfZ 1983,246 (247); Peters, Verbrauchsteuerrecht, 38.

221 Vgl. FG Baden-Württemberg EFG 1970,255; Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 10.

62

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Eine belastete Ware wird auch dann verbraucht, wenn sie individuell in einer anderen Ware aufgeht, die ihrerseits nicht durch eine Verbrauchsteuer belastet wird. 222 Wird die belastete Ware mit fremden Stoffen vermischt, so wird sie in einem tatsächlichen Vorgang verbraucht, der die Steuerschuld entstehen läßt. Maßgebend für den Verbrauch ist, ob die verbrauchsteuerpflichtige Ware ihren Status als selbständige Sache behält oder unselbständiger Bestandteil einer neuen Sache wird, die nur als Einheit beurteilt werden kann. 223 Mit der stofflichen Identität verliert die belastete Ware auch ihre rechtliche Identität. 224 Für diese Beurteilung sind die zivilrechtlichen Vorschriften über die Vermengung, Vermischung und Verarbeitung von Sachen (§§ 90 ff., 947, 948 BGB) heranzuziehen. 225 Wird demgegenüber eine unversteuerte verbrauchsteuerpflichtige Ware, die sich in einem Steuerlager befmdet, in ihren Ausgangsstoff zurückverwandelt, liegt kein steuerbarer Verbrauch vor. Zwar verändert sich auch hier die Ware in ihrer Substanz. Die Rückverwandlung beseitigt jedoch bloß das Merkmal, auf dem die Steuerpflichtigkeit der belasteten Ware beruht, läßt sie in ihrer Individualität jedoch unberührt. 226 Vom Verbrauch sind der Untergang und die Vernichtung zu unterscheiden. Weder Untergang noch Vernichtung lösen die Steuerschuld aus. Beiden ist im Gegensatz zum Verbrauch gemeinsam, daß die Ware keiner wirtschaftlich sinnvollen Verwertung zugeführt wird. Beim Untergang wird die Eigenschaft der Ware als Steuerobjekt ohne einen entsprechenden menschlichen Handlungswillen aufgehoben, während bei der Vernichtung der Ware die entsprechende Willensentschließung des Handelnden gerade vorliegt. 227 Untergang ist

222 Peters, Verbrauchsteuerrecht, 38; Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 10. 223

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 81.

224

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 81.

225 BFHE 145,275 (277 f.); FG Hamburg ZfZ 1983,246 f.; Peters, Verbrauchsteuerrecht, 81. 226 FG Baden-Württemberg EFG 1970, 255 für das Ablassen der Kohlensäure aus Schaumwein im Steuerlager mit der Folge, daß (nicht belasteter) Stillwein gewonnen wird. Wird der Alkoholgehalt verbrauchsteuerpflichtigen Bieres auf 0,5 % vol oder weniger verringert, entfällt die Eigenschaft als Steuerobjekt. Auch dieser Vorgang ist kein Verbrauch (§ 7 I 2 BierStG). 227 Boeker, in: HHSp., AO, § 50 Rn. 9; Peters, Verbrauchsteuerrecht, 38 f.; 181 f.; Tipke/Kruse, AO, § 50 Tz. 14.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

63

der Substanzverlust der Ware durch Auslaufen, ungewolltes Verbrennen, Verderben oder Verdunsten. 228 Wenn eine Ware trotz einer Verwendung sowohl in ihrer Substanz als auch in ihrer Individualität erhalten geblieben ist, fragt sich, ob die Ware auch in einem rechtlichen Sinn verbraucht werden kann. Im Mineralölsteuerrecht hat der Bundesfmanzhof29 einen solchen Verbrauch im Rechtssinn beim Abfüllen von Mineralölen als Transformatoröl, Getriebeöl oder Isolieröl in die entsprechenden Maschinen bejaht. In den Maschinen hätten die belasteten Mineralöle jahrelang genutzt werden können, ohne sich in ihrer Beschaffenheit zu verändern. 230 Der Bundesfmanzhof hat es als Verbrauch gewertet, wenn das Mineralölsteuergesetz das belastete Produkt auf Grund der konkreten Verwendung als nicht mehr existent ansehe. Für den Fall, daß eine Steuervergünstigung für die konkrete Verwendung bestehe, setze das Gesetz selbst die Entstehung der Steuer voraus. Auch wenn das Mineralöl bei der (steuerbegünstigten) Verwendung in seiner Substanz erhalten bleibe, werde es mineralölsteuerrechtlich bedeutungslos. Es gelte als "verbraucht".231 Damit würde der spezifisch steuerrechtliche Begriff des Verbrauchs vom allgemeinen Sprachverständnis abweichen. 232 Im Ergebnis hat der Bundesfmanzhof aus einer Steuervergünstigungsvorschrift auf die Steuerentstehung geschlossen. Den Anknüpfungspunkt der Verbrauchsteuern hat er außer acht gelassen. Demgegenüber hat das Finanzgericht Hamburg233 als Vorinstanz nur den tatsächlichen Verbrauch als entscheidend angesehen. Das Mineralöl sei kein wesentlicher Bestandteil im Sinn des § 93 BGB, weil es nach der Trennung vom Transformator einer eigenen Zweckbestimmung zugeführt werden könne. Daher könne es erst nach der Entnahme aus dem Transformator verbraucht werden.

228 Tipke/Kruse, AO, § 50 Tz. 14. Umstritten ist, ob der Diebstahl der Ware - nicht steuerauslösender - Untergang ist (so Tipke/Kruse, a.a.O., m.w.N.) oder nicht (so Boeker, in: HHSp., AO, § 50 Rn. 10).

229

BFHE 145,275 (277 f.).

no Hetzer, ZfZ 1986, 137. 231

BFHE 145,275 (277 f.).

232

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 38.

233

ZfZ 1983, 246 f.

64

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Würde man mit dem Bundesfmanzhof einen "Verbrauch im Rechtssinn" zulassen, würde man den Begriff "Verbrauch" völlig der Beliebigkeit preisgeben. Denn bei einem "Verbrauch im Rechtssinn" ist die belastete Ware in ihrer Substanz mitsamt ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung weiterhin vorhanden. Ihr kommt auch weiterhin ein Marktwert ZU. 234 Deshalb kann nur der tatsächliche (mineralöl-)steuerliche Verbrauch Anknüpfungspunkt für die Steuerschuld sein,235 der voraussetzt, daß die Ware zumindest durch Vermischen etc. aufgehoben wird. Wäre die Auffassung des Bundesfmanzhofes zutreffend, müßte auch durch die Rückverwandlung der Ware in ihre Ausgangsstoffe die Ware verbraucht werden. Denn hier wird sogar die stoffliche Substanz der Ware verändert, während das Mineralöl im vom Bundesfmanzhof entschiedenen Fall dem Transformator unverändert wieder entnommen werden konnte. Nach der Neufassung des Mineralölsteuergesetzes tritt noch deutlicher hervor, daß der wirtschaftliche Sachverhalt, an den die Besteuerung knüpft, der tatsächliche Verbrauch der Sache ist. Dieser Belastungsgrund ergibt sich zum einen aus § 1 Abs. 1 Nr. 12 MinöStG. Diese Vorschrift unterwirft als Auffangtatbestand die nicht zuvor als Steuerobjekt defmierten Mineralöle der Besteuerung, sofern sie als Kraft- oder Heizstoff verwendet werden können. 236 Die Verwendung zu diesen konkreten Zwecken setzt voraus, daß die stoffliche Substanz dieser Mineralöle aufgehoben wird. Noch deutlicher kristallisiert sich dieser Belastungsgrund aus § 4 Abs. 1 Nr.2 MinöStG heraus. 237 Diese Vorschrift befreit alle in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 11 MinöStG defmierten Steuerobjekte von einer Besteuerung, soweit sie nicht als Kraft- oder Heizstoff verwendet werden. Die Nutzung von Mineralölen ohne Aufhebung ihrer stofflichen Substanz ist deshalb ausgeschlossen. Aus dem Wort "Verwendung" statt des Begriffs "Verbrauch", den § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 S. 1 MinöStG benutzen, ergibt sich nichts anderes. Verwendung ist lediglich der Oberbegriff für den Verbrauch und den Gebrauch der verbrauchsteuerpflichtigen Ware. 238 Der Gebrauch der Mineralöle darf aber nicht dem Belastungsgrund des Mineralölsteuergesetzes zuwiderlaufen. Auch 234

Hetzer,

ztz 1986,

137.

235 Caspers!Dittrich, ztz 1980, 106; Hetzer, ztz 1986, 137 f. Auch Schrömbges, 1986,324 f. verlangt wohl einen tatsächlichen Verbrauch. 236

Vgl. 1. Teil B. I. 2.

237

Vgl. 1. Teil B. V. 3.

238

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 98; Peters, Verbrauchsteuerrecht, 37 ff.

ztz

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

65

durch den Gebrauch muß letztlich die Eigenschaft der Ware als Steuerobjekt aufgehoben werden. Im Unterschied zum Verbrauch wird die stoffliche Substanz durch die wiederholte, nicht einmalige Verwendung aufgehoben. Verwendung meint deshalb den Verbrauch von Mineralöl, wenn auch in einem weiteren Sinn. 239 Wird demnach nur der tatsächliche Verbrauch der Ware besteuert, folgt daraus als Konsequenz, daß die Verbrauchsteuer rur jede Ware nur einmal entstehen kann. Steuerschuldner ist der Inhaber des Steuerlagers, aus dem die Ware in den freien Verkehr gelangt.240

3. Die Steuerentstehung bei dem Versand von Waren desfreien Verkehrs Um das Bestimmungslandprinzip bei der Entstehung der Steuerschuld zu gewährleisten, berücksichtigen die Verbrauchsteuergesetze das Verbringen bereits versteuerter Waren aus dem Steuergebiet in andere EG-Mitgliedstaaten. Sie unterscheiden zwischen dem Beziehen der Ware zu gewerblichen Zwecken im Steuergebiet, dem Beziehen der Ware zu privaten Zwecken und dem Versandhandel. Wer versteuerte Waren aus dem freien Verkehr anderer Mitgliedstaaten zu gewerblichen Zwecken bezieht, schuldet die Verbrauchsteuer im Steuergebiet. 241 Wird die versteuerte Ware dagegen von einer Privatperson im freien Verkehr eines Mitgliedstaates erworben und in das Steuergebiet verbracht, ist das Verbringen steuerfrei. 242 Insoweit besteht eine Ausnahme zum ansonsten

239 Vgl. Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 8 Rn. 71; Schrämbges, ZfZ 1986, 324 schon zum alten Recht. 240 § 7 I 3 BierStG; § 136 I 2 BranntwMonG; § 8 I 2 KaffeeStG; § 9 I 2 MinöStG; § 7 I 2 SchaumwZwStG; § 11 I 2 TabakStG. 241 Vgl. etwa § 16 I BierStG; § 144 I BranntwMonG; § 19 I MinöStG; § 14 I SchaumwZwStG. § 11 I KaffeeStG stellt darauf ab, ob sich der Kaffee in dem zollrechtlich freien Verkehr befindet, weil andere Mitgliedstaaten den Verbrauch von Kaffee nicht besteuern. Diese Vorschriften setzen Art. 9 I System-RL (EWG) 92/12 um. Eine Abweichung besteht im Tabaksteuerrecht (§ 19 TabakStG), weil die Tabaksteuer durch Verwendung von Steuerzeichen erhoben wird. 242 § 17 BierStG; § 145 BranntwMonG; § 20 MinöStG; § 15 SchaumwZwStG; § 20 TabakStG. Diese Vorschriften setzen Art. 8 der System-RL (EWG) 92/12 um. 5 D. Müller

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1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

durchweg geltenden Bestimmungslandprinzip, weil die Ware im Ursprungsland bereits besteuert wird. Versandhändler ist, wer in einem Mitgliedstaat versteuerte Waren an Privatpersonen im Steuergebiet verbringen läßt, wobei er den Transport selbst durchführt oder durch Hilfspersonen durchführen läßt. 243 Mit der Auslieferung an die Privatperson entsteht die Verbrauchsteuer im Steuergebiet, die der Versandhändler mit Sitz im EG- Mitgliedstaat schuldet. 244 Damit gewährleisten diese Vorschriften, daß die Besteuerung in dem Steuergebiet erfolgt, im dem die belastete Ware verbraucht wird. Die Ausnahme vom Bestimmungslandprinzip bei dem Verbringen der Ware zu privaten Zwecken rechtfertigt sich damit, daß die Ware vom Endverbraucher erworben worden ist. Ein dem Verbrauch näherer Anknüpfungspunkt ist kaum möglich. 4. Die EinjUhr verbrauchsteuerbelasteter Waren aus Ländern außerhalb der europäischen Union als AnküpjUngspunkt für die Entstehung der Steuerschuld

Anstelle der Vorschriften der Verbrauchsteuergesetze und der Abgabenordnung gelten über die gesetzliche Verweisung245 die Vorschriften des Zollkodex sinngemäß. 246 Der Zollkodex ist seit dem 1. Januar 1994 in allen seinen Teilen in Kraft getreten. Er überlagert als europäische Verordnung die nationalen Zollgesetze der Mitgliedstaaten. 247 Der Zollkodex ist nicht unmittelbar anwend-

243

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 49.

244 Vgl. § 18 I, 11 BierStG; § 146 I, 11 BranntwMonG; § 12 I, 11 KaffeeStG; § 21 I, 11 MinöStG; § 16 I, 11 SchaumwZwStG; § 19 TabakStG. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 10 der System-RL (EWG) 92/12. 245 § 13 I BierStG; § 147 I 2 BranntwMonG; § 13 I KaffeeStG; § 23 MinöStG; § 17 I SchaumwZwStG; § 21 TabakStG. Art. 6 I 2 lit. c System-RL (EWG) 92/12 sieht die Entstehung der Verbrauchsteuerschuld bei der Einfuhr der Waren aus Ländern außerhalb der Gemeinschaft vor. 246 Während der Zollkodex als gegenüber der Abgabenordnung höherrangiges Recht (vgl. § 2 AO) § 38 AO überlagert, läßt er diese Vorschrift im Verbrauchsteuerrecht wegen seiner nur sinngemäßen Anwendung über die Verweisungstatbestände der Verbrauchsteuergesetze unberührt. 247 Der europäischen Verordnung kommt nach Art. 189 EGV unmittelbare Wirkung in allen Mitgliedstaaten zu. Die europäischen Verordnungen verdrängen das nationale Recht nicht, sondern überlagern es nur; vgl. EuGH Sig. 1964, 1251 (1279); Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 287 f. Deshalb können europäisches und nationales Zollrecht an sich nebeneinander stehen. Das Zollgesetz ist aber am I. Januar 1994 insgesamt

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

67

bar bei der Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren in das Steuergebiet im Hinblick auf die Entstehung der Verbrauchsteuerschuld. Die Verbrauchsteuem sind keine Eingangsabgaben im Sinn des Zollkodex (Art. 4 Nr. 10 ZK), weil zu diesen nicht die nationalen Abgaben zählen. 248 Bevor auf die tatsächlichen Anknüpfungspunkte des Zollkodex eingegangen werden kann, stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Verweisungsnormen. a) Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der dynamischen Verweisung Durch die nur "sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften" verweisen die Gesetze auf keine bestimmte Fassung des Zollkodex oder anderer Zollgesetze. Die Zollvorschriften, die zur Zeit des Steuerfalles in Kraft sind, sollen jeweils herangezogen werden. Die Verweisungstatbestände der Verbrauchsteuergesetze sind deshalb "dynamische" Verweisungen. 249 Derartige "dynamische" Verweisungen sind verfassungsrechtlich bedenklich. Das gilt besonders, wenn sie auf Normen einer anderen gesetzgebenden Gewalt verweisen. Denn der Gesetzgeber könnte durch die Verweisungsnormen seine Gesetzgebungsbefugnis an Institutionen delegieren, denen das Grundgesetz dieses Recht gerade nicht zuweist. 250 Diese Institutionen würden ohne demokratische Legitimation eine nonnsetzende Gewalt gegenüber dem Bürger erhalten. 25J Darüber hinaus werden die Gesetze, auf die verwiesen wird, nicht im Bundesgesetzblatt verkündet. Dem verweisenden Gesetz kann nicht unmittelbar entnommen werden, welches Gesetz in welcher Fassung einschlägig ist.

außer Kraft getreten, vgl. Art. 3 I 3 des Zollrechtsänderungsgesetzes v. 27.11.1992, BGBI. I 2125. Bestimmte Bereiche, besonders hinsichtlich des Aufbaus und der Zuständigkeit der nationalen Finanzbehörden, bleiben jedoch Domäne des nationalen Rechts. Entsprechende nationale Regelungen enthält die ZollVG. 248 Vgl. EuGH Sig. 1983, 3595 (3615) zum alten Recht. § I I 3 ZollVG zählt zwar auch die Verbrauchsteuern zu den Eingangsabgaben, sofern sie bei der Einfuhr von Waren entstehen. Das bedeutet jedoch nur, daß Verbrauchsteuern Eingangsabgaben LS. dieser Vorschrift sind, vgl. Worms, in: Dorsch, Zollrecht, Teil B I, ZK, Art. 220 Rn. 6. 249 Im Gegensatz dazu bedienen sich die Verbrauchsteuergesetze bei der Definition der Steuerobjekte einer "starren" Verweisung. Dort wird auf die KN verwiesen, die am 19. Oktober 1992 in Kraft gewesen ist (vgl. 1. Teil B. I.). 250

Karpen, Die Verweisung, 121; Stern, Staatsrecht, Bd. 11,635 m.w.N.

25J

Vgl. BVerfGE 64, 208 (215); 73, 261 (272).

68

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

"Dynamische" Verweisungen werden deshalb als Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip, das Verkündungsgebot für Gesetze und das Gebot der Gesetzesklarheit gewertet. 252 Dem liegt die Auffassung zugrunde, daß die Normen, auf die verwiesen wird, formeller Bestandteil der Rechtsordnung werden, zu der das verweisende Gesetz gehört. Danach wäre die Übernahme des Regelungskomplexes "Zollrecht" in das Verbrauchsteuerrecht ein Musterbeispiel für die Gemengelage verschiedener Gesetzgebungskompetenzen, das verfassungsrechtlichen Anforderungen widerspricht. Die Normen, auf die das Gesetz verweist, müssen jedoch nicht zwingend als formeller Bestandteil der Rechtsordnung beurteilt werden. Denn nicht diese Normen sollen Bestandteil der Rechtsordnung werden, sondern ihr Inhalt soll lediglich materiell herangezogen werden, um die Verweisungsnormen auszufüllen. Deshalb verstößt die Verweisungsnorm nicht gegen das Demokratieprinzip, wenn der mögliche Inhalt des Verweisungsgesetzes nach Inhalt und Zweck hinreichend bestimmt ist. 2S3 Diese Bestimmtheit muß die Verweisungsnorm gerade bei Eingriffen in den grundrechtsgeschützten Bereich des Bürgers aufweisen. Sie kann sich daraus ergeben, daß das verweisende Gesetz die einschränkenden Voraussetzungen oder thematischen Eingrenzungen für die Verweisungsnorm enthält. 254 Der Anwendungsbereich der Verweisungsnorm wird quasi durch das "Programm" geprägt, das dem verweisenden Gesetz mit hinreichender Sicherheit entnommen werden muß. In diesem Fall bleibt die Inkorporation des Rechts, auf das verwiesen wird, für den Gesetzgeber auch überschaubar. 25S Wird die zu übernehmende Norm in diesem materiellen Sinn verstanden, muß das Verkündungsverbot des Art. 82 Abs. 1 GG teleologisch reduziert werden. 256 Da sich das Verkündungsverbot aus dem Rechtsstaatsprinzip ableitet, ist die teleologische Reduktion nur zulässig, wenn die verweisende Norm für den betroffenen Bürger zugänglich ist. 257

252

Stern, Staatsrecht, Bd. 11,635.

253

Vgl. Schenke, NJW 1980, 748.

254

Vgl. Schenke, NJW 1980, 748 f.

255

Schenke, NJW 1980,748.

256

Vgl. Schenke, NJW 1980,744 ID.w.N.

257

BVerwG, NJW 1962,506; Schenke, NJW 1980,744.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

69

Diesem materiellen Verständnis von der Übernahme "fremder" Normen liegt die Rechtsprechung des Bundesfmanzhofs258 zugrunde, der die verbrauchsteuerrechtlichen Verweisungsnormen auf die Zollvorschriften filr zulässig gehalten hat. Die Zollvorschriften seien nicht in ihrer Gesamtheit heranzuziehen. Nur die, die dem "Sinn und Zweck" des verweisenden Gesetzes nicht widersprächen, seien zu übernehmen. Der Hinweis auf den Zweck eines Steuergesetzes ist problematisch, weil Steuern an sich zweckfrei sind. Die anspruchsbegrilndenden Steuergesetze sind "konditional" programmiert. Der Steueranspruch entsteht, wenn der zu besteuernde Lebenssachverhalt den Steuertatbestand ausfilllt. 259 Auch die Einnahmeerzielung ist allenfalls Motiv, nicht Zweck einer Steuer. 26O Wäre die Einnahmeerzielung ein solcher Zweck, wäre eine Eingrenzung bei der Übernahme der Zollvorschriften nicht möglich. Dann wäre jede Norm heranzuziehen, die die Einnahmeerzielung filr den Staat sicherstellt. Deshalb meint der Hinweis auf den "Sinn und Zweck" der Steuer nichts anderes als den gesetzlichen Belastungsgrund, der der jeweiligen Steuer immanent ist. Steht die zu übernehmende Norm im Widerspruch zu dem Belastungsgrund der Steuer, scheidet die Übernahme aus. Damit wird die Norm, auf die verwiesen wird, nicht ohne weiteres Bestandteil des nationalen Rechts, sondern nur, wenn sie mit der Belastungsentscheidung des Gesetzgebers fUr das verweisende Gesetz übereinstimmt. Die Belastungsentscheidung des jeweiligen Steuergesetzes trifft der nationale Gesetzgeber auf Grund der ihm zustehenden Gesetzgebungskompetenz. Der Belastungsgrund der Verbrauchsteuergesetze ist, den Verbrauch der belasteten Waren steuerlich zu erfassen. Nur die Zollvorschriften, die dem entsprechen, können über die Verweisungsnormen herangezogen werden. Wenn eine Übernahme der im Betracht kommenden Vorschrift des Zollkodex im Einzelfall möglich ist, wird der Inhalt der zu übernehmenden Norm materieller Bestandteil des nationalen Steuerrechts. 261 Zu untersuchen ist, ob die Anknüpfungspunkte des Zollkodex, die regelmäßig zur Entstehung der Zollschuld fUhren, im Hinblick auf den Belastungsgrund der

258 BFHE 158, 185 (187); 161,260 (263); BFH ztZ 1993, 52 (53); ebenso Flick, in: Rau/DürrwächterlFlick/Geist, UStG6, § 21 Rn. 48; Friedrich, DStJG II (1988), 105; ders., StuW 1995,27; Worms, in: Dorsch, Zollrecht, Teil B I, ZK, Art. 220 Rn. 7.

259

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § I II 3, 25 f.

260

Tipke/Kruse, AO, § 4 Tz. 95a m.w.N.

261

Vgl. Friedrich, DStJG II (1988), 108; ders., StuW 1995,27.

70

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Verbrauchsteuem auch zum Entstehen der Verbrauchsteuerschuld führen können. Im Regelfa1l262 entsteht die Zollschuld entweder durch die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr oder wenn die Ware in das Zollverfahren zur vorübergehenden Verwendung überführt wird (Art. 201 Abs. 1 ZK). b) Die Überführung der Ware in den zollrechtlich freien Verkehr Durch die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr erhält eine Ware aus Nicht-Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft den Status einer Gemeinschaftsware (Art. 201 Abs. llit. a, 79 UAbs. 1 ZK). Die Überführung in den freien Verkehr knüpft nicht allein daran an, daß die Ware über die geographische Grenze gelangt. 263 Um den Status einer Gemeinschaftsware zu erhalten, müssen bei der Überführung handelspolitische Maßnahmen264 durchgeführt, weitere Einfuhrförmlichkeiten265 erfüllt, insbesondere eine Zollanmeldung266 abgegeben werden, und die gesetzlich geschuldeten Eingangsabgaben erhoben werden. 267

262 Die übrigen Entstehungstatbestände betreffen Unregelmäßigkeiten oder Besonderheiten, vgl. Stieh/e, in: SchwarzfWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 201 Rn. 6. Zu diesen s. unten 1. Teil B. III. 5. b).

263

Stiehle, in: SchwarzlWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 201 Rn. 5 a.E.

264 Das sind die durch die europäische Handelspolitik hervorgebrachten Gemeinschaftsvorschriften, die die Ein- und Ausfuhr von Waren betreffen. Dazu gehören etwa die mengenmäßigen Beschränkungen, die Höchstmengen sowie die Ein- und Ausfuhrverbote für bestimmte Waren. 265 Der Begriff "Einfuhrmöglichkeiten", den Art. 79 UAbs. 2 ZK verwendet, beruht auf einem Redaktionsversehen; vgl. auch Witte/Alexander, ZK, Art. 79 Rz. 8. 266 Die Zollanmeldung kann im normalen Verfahren (vgl. Art. 62 ff. ZK, Art. 205 I, 212 DVO zum ZK), im vereinfachten Verfahren (vgl. Art. 76 ZK, Art. 254 bis 267 DVO zum ZK), durch mündliche Zollanmeldungen (vgl. Art. 77 ZK, Art. 225 bis 229 DVO zum ZK) und durch andere Formen der Zollanmeldung (vgl. Art. 77 ZK, Art. 230 bis 234 DVO zum ZK) abgegeben werden. 267 Diese Abgaben werden zunächst buchmäßig erfaßt (Art. 217 bis 219 ZK). Dann erhält der Abgabenschuldner eine Mitteilung des Betrages (Art. 221 I, 11 ZK), die ihm die Zollbehörden durch Erlaß eines Steuerbescheides i.S. der §§ 155 ff. AO nach § 122 AO oder nach dem VwZG bekanntmachen; vgl. Witte/Alexander, ZK, Art. 221 Rz. 1; Friedrich, StuW 1995,22,26. Die Entrichtung der Abgaben richtet sich nach Art. 222, 223,231 ZK; vgl. Witte/Alexander, ZK, Art. 79 Rz. 16.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

71

Sind diese Voraussetzungen erfUllt, wird die Ware dem Zollanmelder überlassen. Die Überlassung ist eine zollrechtliche Entscheidung268 der Zollbehörde, das beantragte Zollverfahren zu eröffnen. Im Fall der Überführung der Ware in den freien Verkehr wird das Zollverfahren mit ihr zugleich beendet. 269 Die genannten Voraussetzungen zeigen, daß der Zollkodex als Wirtschaftszoll konzipiert ist. Für die Entstehung der Zollschuld ist entscheidend, daß die Ware durch den Status als Gemeinschaftsware tatsächlich in den Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft gelangt. 210 Dieser zollrechtliche Anknüpfungspunkt entspricht dem Ersatzanknüpfungspunkt der Entnahme der Ware in den steuerlich freien Verkehr durch ihre Entfernung aus dem Steuerlager. In beiden Fällen stellt das Eingehen in den Wirtschaftskreislauf eine Vorstufe des Verbrauchs dar. Dieses zollrechtliche Verfahren stimmt mit dem Belastungsgrund der Verbrauchsteuern überein, so daß Art. 201 Abs. 1 lit. a ZK inhaltlich über die Verweisungsnormen fUr die Entstehung der Verbrauchsteuerschuld heranzuziehen ist. Die Verbrauchsteuerschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem das Hauptzollamt die Zollanmeldung entgegen nimmt (Art. 201 Abs. 2 ZK). Steuerschuldner ist der Anmelder (Art. 201 Abs.3 ZK). Das ist entweder die Person, die die Zollanmeldung abgegeben hat, oder die, in deren Namen die Anmeldung abgegeben worden ist (Art. 4 Nr. 18 ZK). c) Die ÜberfUhrung in das Verfahren der vorübergehenden Verwendung Schließlich entsteht eine Zollschuld im Regelfall, wenn eine verbrauchsteuerpflichtige Ware in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben überfUhrt wird (Art. 201 Abs. I lit. b ZK). Das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung wird nur bewilligt, wenn die entsprechende Ware zur Wiederausfuhr aus dem Zollgebiet bestimmt ist. 21I Da die Waren nach ihrer Nutzung den Wirtschaftskreislaufwieder verlas268

Lichtenberg, in: Dorsch, Zollrecht, Teil B I, ZK, Art. 73 Rn. 1.

269

Lichtenberg, in: Dorsch, Zollrecht, Teil B I, ZK, Art. 73 Rn. 5.

210 Stiehle, in: Schwarz/Wockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 201 Rn. 5 a.E.; Witte/Alexander, ZK, Art. 79 Rz. 1. 211

Witte/Henke, ZK, Art. 137-140 Rz. 1.

72

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

sen, ist im Hinblick auf den Gedanken des Wirtschaftszolls die Entstehung einer Zollschuld an sich nicht gerechtfertigt.272 Wird dieses Zollverfahren nur unter teilweiser Befreiung von den Einfuhrabgaben bewilligt, so wird - ausgerichtet an der Verwendungsdauer - ein Teilbetrag der Einfuhrabgaben realisiert, der bei der Überführung in den freien Verkehr zu erheben wäre. So wird ein wirtschaftlicher Ausgleich rur die Produktivität der Waren während ihres zweckgerechten Gebrauchs geschaffen. 273 Auch dieser Fall verdeutlicht die Konzeption des Zollkodex als Wirtschaftszoll. Denn viele Wirtschaftsgüter können auch während einer vorübergehenden Verwendungsdauer das wirtschaftliche Gleichgewicht des Binnenmarktes beeinflussen. 274 Ausgeschlossen ist dieses Zollverfahren dementsprechend in Fällen, in denen die Ware endgültig im Wirtschaftskreislauf der Gemeinschaft verbleibt. Deshalb kommt dieses Verfahren bei der Umwandlung oder dem Verbrauch der eingeführten Ware nicht in Betracht. 275 Da das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung unter teilweiser Befreiung der Einfuhrabgaben bei Waren, die verbraucht werden sollen, ausgeschlossen ist, steht es im grundsätzlichen Widerspruch zum Belastungsgrund der Verbrauchsteuern. Wird eine belastete Ware in dieses Zollverfahren überführt, entsteht keine Verbrauchsteuer. 5. Die Entstehung der Steuer au/Grund steuerlicher Unregelmäßigkeiten

Die Entstehung der Verbrauchsteuerschuld knüpft ferner an bestimmte steuerliche Unregelmäßigkeiten an. 276 Auch hier sind die in den Verbrauchsteuergesetzen selbst normierten Entstehungstatbestände und die über die Verweisungsnormen inkorporierten Vorschriften des Zollkodex zu unterscheiden.

272

Witte/Henke, ZK, Vor Art. 137 Rz. 2.

273

Witte/Henke, ZK, Art. 142 Rz. 1.

274

Witte/Henke, ZK, Art. 142 Rz. 1.

275

WittelHenke, ZK, Art. 137-140 Rz. 7, Art. 142 Rz. 5.

276

Dadurch wird Art. 6 I 1 System-RL (EWG) 92/12 umgesetzt.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

73

a) Die in den Verbrauchsteuergesetzen unmittelbar angeordneten Entstehungstatbestände aa) Die unrechtmäßige Herstellung der verbrauchsteuerpflichtigen Ware Die Entstehung der Verbrauchsteuern knüpft an die Herstellung der belasteten Ware ohne Erlaubnis277an. Die für Herstellungsbetriebe und Lager erforderliche Erlaubnis ist von der Anmeldung des Betriebes nach § 139 AO zu unterscheiden. § 139 AO will sicherstellen, daß die besondere Steueraufsicht schon vor der Eröffnung eines Betriebes eingreifen kann. 278 Demgegenüber gewährt die in den Verbrauchsteuergesetzen geregelte Erlaubnis279 erst die rechtliche Möglichkeit, unversteuerte Waren herzustellen oder zu lagern. Stellt jemand belastete Waren ohne diese Erlaubnis her, befmden sich die Waren bereits zu diesem Zeitpunkt in dem steuerrechtlieh freien Verkehr. Steuerschuldner ist der unrechtmäßige Hersteller. 280 bb) Unregelmäßigkeiten im Warenverkehr unter Steueraussetzung Wird die belastete Ware während des Beilirderungsverfahrens unter Steueraussetzung entzogen, entsteht die Verbrauchsteuer. 281 Der Übergang der Ware in den freien Verkehr wird fmgiert. Als entzogen gilt die Ware, wenn sie nicht in ein Steuerlager oder einen Betrieb aufgenommen wird, dessen Inhaber eine Erlaubnis zum Bezug von unversteuerten Waren besitzt. Ebenfalls als Entziehung gilt, wenn Waren nicht in ein Zollverfahren überführt oder nicht aus dem Steuergebiet ausgeführt werden, obwohl sie dazu bestimmt gewesen sind. 282 Das gilt in gleicher Weise, wenn die Ware bestimmungswidrig während des Beilirderungsverfahrens entnommen worden ist. Unerheblich ist, ob der Han277 § 7 11 1 BierStG; § 136 III 1 BranntwMonG; § 8 III 1 KaffeeStG; § 9 11 1 MinöStG; § 7 11 1 SchaumwZwStG; § 11 III 1 TabakStG.

278

Koch/Scholtz/Mösbauer, A04, § 139 Rz. 2.

279

Vgl. 1. Teil B. 11. 3. a).

280 § 7 11 2 BierStG; § 136 III 2 BranntwMonG; § 8 III 2 KaffeeStG; § 9 11 2 MinöStG; § 7 11 2 SchaumwZwStG; § 11 III 2 TabakStG. 281 § 15 BierStG; § 143 BranntwMonG; § 14 III KaffeeStG (fur den Verkehr unter Steueraussetzung innerhalb des Steuergebietes); § 18 MinöStG; § 13 SchaumwZwStG; § 18 TabakStG. 282 § 15 13 BierStG; § 143 13 BranntwMonG; § 14 III KaffeeStG; § 18 13 MinöStG; § 13 13 SchaumwZwStG; § 18 I 3 TabakStG.

74

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

delnde diesen Erfolg unwissentlich und unbewußt verursacht. 283 Das Entziehen ist rein objektiv zu verstehen und hat keine Entsprechung im Subjektiven. Es ist ein Realakt. 284 Die Ware kann während des innergemeinschaftlichen Beförderungsverfahrens ebenso entzogen werden wie im Beförderungsverfahren innerhalb des Steuergebietes. Für das innergemeinschaftliche Versandverfahren muß jedoch geregelt werden, welchem Staat das Besteuerungsrecht filr die entzogene Ware zusteht. Deshalb ist zwischen dem Versand von Waren aus dem Steuergebiet und in das Steuergebiet zu unterscheiden. Wird die Ware aus dem Steuergebiet versandt, muß innerhalb einer Frist von vier Monaten von dem Versender der Nachweis gefiihrt werden, daß der Transport entweder ordnungsgemäß durchgefiihrt oder an welchem Ort außerhalb des Steuergebiets die Unregelmäßigkeit begangen worden ist, durch die die Ware dem Aussetzungsverfahren entzogen worden ist. Kann dieser Nachweis nicht erbracht werden, wird die Entstehung der Verbrauchsteuerschuld im Steuergebiet fmgiert. 285 Bei der Beförderung belasteter Waren aus anderen Mitgliedstaaten in das Steuergebiet wird die Entstehung der Steuerschuld im Steuergebiet fmgiert, wenn es zu einem Entziehen oder einer ihm gleichgestellten Unregelmäßigkeit gekommen ist, der Ort jedoch nicht festgestellt werden kann. 286 In diesen Fällen stellen die Finanzbehörden die Unregelmäßigkeit im Steuergebiet fest. Letztlich entsteht damit die Steuer in dem Staat, in dem die Ware auf Grund der Unregelmäßigkeit in den freien Verkehr gelangt ist. Kann nicht festgestellt werden, wo die Ware dem Aussetzungsverfahren entzogen worden ist, ist der Staat erhebungsberechtigt, in dem die Unregelmäßigkeit festgestellt wird. Treffen die belasteten Waren nicht am Bestimmungsort ein und kann darüber hinaus

283

BR-Drucks. 651/92, 211, 221; Beermann, DStZ 1993,292.

284 Der Begriff des Entziehens enthält eine Parallele zur Entstehung der Zollschuld nach Art. 203 ZK. Die Zollschuld entsteht danach, wenn eine Ware einem zollrechtlichen Verfahren entzogen wird, vgl. 1. Teil B. III. 5. b) bb). 285 § 15 III BierStG; § 143 III BranntwMonG; § 18 III MinöStG; § 13 III SchaumwZwStG; § 18 III TabakStG. 286 § 15 11 BierStG; § 143 11 BranntwMonG; § 18 11 MinöStG; § 13 11 SchaumwZwStG; § 1811 TabakStG.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

75

der Ort, an dem die Ware entzogen worden ist, nicht festgestellt werden, wird die Entstehung der Steuer im Abgangsstaat fmgiert. 287 Steuerschuldner ist zunächst derjenige, der die Ware entzogen hat. Da der Täter selten festzustellen sein wird, schulden im Regelfall der Versender und der Empfänger die Steuer, sofern dieser vor der Entstehung der Steuer Besitz an der Ware erlangt hat. 288 Die Fiktion der Steuerentstehung kann der Steuerschuldner entkräften, indem er den Nachweis fUhrt, daß die Ware untergegangen ist, daß der Verlust durch Schwund eingetreten ist oder daß die Ware an jemanden abgegeben worden ist, der zum Bezug unter Steueraussetzung berechtigt ist. 289 In allen diesen Fällen ist die Ware (noch) nicht verbraucht worden. cc) Sonstige Fälle der Verletzung steuerlicher Pflichten Die Verwendung der Ware zu steuerbegünstigten Zwecken steht unter Erlaubnisvorbehalt. 29O Die Steuer entsteht, wenn die belastete Ware entgegen einem in der Erlaubnis angegebenen Zweck verwendet wird. 291 Kann nicht festgestellt werden, ob die Ware zu dem Zweck verwendet worden ist, gilt sie als dem Zweck nicht zugefUhrt. Steuerschuldner ist der Inhaber der Erlaubnis. 292 Der nachweisliche Untergang oder Schwund fUhrt nicht zur Steuerentstehung. 293 Weder Untergang noch Schwund sind ein "Verbrauch" der Ware, der besteuert werden soll.

287

Diese Regelung geht auf Art. 20 System-RL (EWG) 92/12 zurück.

288 Vgl. § 15 IV BierStG; § 143 IV BranntwMonG; § 18 IV MinöStG; § 13 IV SchaumwZwStG; § 18 IV TabakStG. 289 § 143 11, 2 BranntwMonG; § 18 11, 2 MinöStG; § 13 I 1, 2 SchaumwZwStG; § 18 I 1, 2 TabakStG; abweichend nur § 15 11, 2 BierStG, wonach die Abgabe an berechtigte Personen keine Heilungsmöglichkeit darstellt. 290 § 10 I BierStG; § 139 I BranntwMonG; § 13 I MinöStG; § 7 I TabakStG; flir Schaumwein und Zwischenerzeugnisse beachte den Verweis in § 10 I Nr. 2 bzw. § 23 11 i.V.m. § 10 I Nr. 2 SchaumwZwStG auf § 139 BranntwMonG. 291

§ 1011 BierStG; § 13911 BranntwMonG; § 13 11 MinöStG; § 7 11 TabakStG.

292

§ 10 11 4 BierStG; § 139 11 5 BranntwMonG; § 13 11 4 MinöStG; § 7 11 3 Tabak-

StG.

293 § 10 11 BierStG; § 139 11 BranntwMonG; § 13 11 MinöStG; § 7 11 TabakStG, der den Schwund nicht erfaßt.

76

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Werden im Steuerlager Fehlmengen festgestellt, wird das Entstehen der Steuerschuld nur vermutet (§ 161 AO). Fehlmengen sind rechnerische Abweichungen des Ist- von dem Sollbestand der Warenmenge, die bei einer Bestandsauf294· I ' It werden. 295 F'ür d'lese Fehlm engen normIert . ahm n eu n S teuer ager ermItte § 161 AO zwei Rechtsvermutungen. 296 Durch die erste wird widerleglich vermutet, daß für Fehlmengen verbrauchsteuerpflichtiger Waren eine Steuerschuld entstanden ist. Die zweite Vermutung betrifft den Zeitpunkt der vermuteten Steuerentstehung. Es handelt sich um eine Beweislastregel, die voraussetzt, daß für die Fehlmenge die einzelnen Merkmale des Steuertatbestandes erfUllt sind. 297 Die Vermutung wird deshalb entkräftet, wenn der Steuerschuldner glaubhaft macht, daß die Fehlmengen durch Umstände (zum Beispiel Untergang oder höhere Gewalt) entstanden sind, die eine Verbrauchsteuerschuld nicht begründen. Die Nichtaufklärung des Sachverhaltes geht zu Lasten des Steuerschuldners298 und fUhrt im Regelfall zu einer Verbrauchsbesteuerung. 299 b) Die Steuerentstehung auf Grund von Unregelmäßigkeiten bei der Einfuhr der Ware aus Drittländern Für die Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren ist zu untersuchen, welche Tatbestände des Zollkodex, die zollrechtliche Unregelmäßigkeiten betreffen, im Widerspruch zum Belastungsgrund der Verbrauchsteuern stehen, so daß ihre sinngemäße Anwendung ausscheidet. aa) Das vorschriftswidrige Verbringen der Ware in das Steuergebiet Wird die Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet oder aus einer Freizone oder einem Freilager vorschriftswidrig in einen anderen Teil des Zollgebietes 294 Vgl. § 11 BierStVO; § 17 BranntwStVO; § 4 IV KaffeeStVO; § 22 VI MinöStVO; § 16 SchaumwZwStVO; § 32 TabakStVO.

295

Tipke/Kruse, AO, § 161 Tz. 3,6 m.w.N.

296

Schultz, in: Schwarz, AO, § 161 Rn. 1.

297 Dewitz, Ztz 1984, 205; Koch/Scholtz/Teichner, A0 4 , § 161 Rz. 2; Tipke/Kruse, AO, § 161 Tz. 2. 298

Schultz, in: Schwarz, AO, § 161 Rn. 1.

299 Deshalb ist es nicht erforderlich gewesen, die in Art. 14 III, 6 I 1 System-RL (EWG) 92/12 vorgesehene Fehlmengenbesteuerung in nationales Recht umzusetzen; vgl. Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 31 f.; Schröer-Schallenberg, Ztz 1993, 303; Teichner/Alexander/Reiche, MinöStG 1993, § 5 Rn. 16.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

77

verbracht, entsteht die Zollschuld (Art. 202 Abs. 1 S. 1 ZK). Verbringen ist der Realakt, mit dem die Ware in das Zollgebiet gelangt.3°O Der Zollbeteiligte handelt "vorschriftswidrig", wenn er gegen zollrechtliche Pflichten verstößt. 301 Im wesentlichen ist der Verantwortliche verpflichtet, die Waren zu einer Zollstelle, an einen von den Zollbehörden bezeichneten Ort oder in eine Freizone zu bringen, das heißt die Waren an diesem Ort zu gestellen. 302 Der Transport muß auf den von den Behörden bestimmten Verkehrswegen, den Zollstraßen, erfolgen. 303 Treten Störungen durch unvorhergesehene Ereignisse oder höhere Gewalt auf, müssen die Verantwortlichen umgehend die Finanzbehörden unterrichten. 304 Ob das Verbringen "vorschriftswidrig" ist, beurteilt sich nicht allein im Zeitpunkt des Grenzübertritts. Vielmehr wird der gesamte Zeitraum bis zu dem Zeitpunkt erfaßt, an dem die Ware den Zollbehörden gestellt wird. 30S Maßgebend ist allein das objektive Fehlverhalten. 306 Der klassische Fall des vorschriftswidrigen Verbringens ist der Einfuhrschmuggel, also die unerlaubte Wareneinfuhr, um Abgaben zu verkürzen. 307 Wird die verbrauchsteuerpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Steuergebiet verbracht, gelangt sie ebenso wie bei der ordnungsgemäßen Überführung in den Wirtschaftskreislauf. Auch dieser Anknüpfungspunkt stellt sich als eine Vorstufe des eigentlichen Verbrauchs dar. Als Ersatzanknüpfungspunkt entspricht er dem Belastungsgrund der Verbrauchsteuern im vollen Umfang. Steuerschuldner ist in erster Linie der Handelnde, also der Schmuggler oder der Täter. 308 Daneben sind die Beteiligten gesamtschuldnerisch verpflichtet, die

300 Witte/Kampf, ZK, Art. 37 Rz. 3. Ziel des Verbringens ist an sich das Zollgebiet i.S. des Art. 3 ZK. Für die Einfuhr im Rahmen der Verbrauchsteuergesetze kann Ziel des Verbringens nur das Steuergebiet sein.

301 Diese Pflichten sind in Art. 38 bis 41, 177 Spiegel strich 2 ZK festgelegt, auf die Art. 202 I 2 ZK verweist. 302 Vgl. Art. 40 ZK, § 4 ZoIlVG. Die Gestellung ist die Mitteilung an die Zollbehörden, daß sich die Ware an dem von den Behörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befindet, vgl. Art. 4 Nr. 19 ZK. 303 Vgl. Art. 38 ZK; zu den Zollstraßen vgl. § 2 IV ZoIlVG, § 2 ZoIlV. 304 Vgl. Art. 39 ZK. 30S Witte/Kampf, ZK, Art. 22 Rz. 2. 306 Das ergibt sich im Umkehrschluß aus Art. 206 ZK, der einzelne Fälle auffuhrt, in denen keine Zollschuld entsteht; vgl. Witte, ZK, Art. 202 Rz. 1,4; Art. 206 Rz. 2. 307

Stiehle, in: Schwar:zJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 202 Rn. 3.

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1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

von dem vorschriftswidrigen Handeln gewußt haben oder hätten wissen können. Schließlich kommen Erwerber und Besitzer der Waren als Steuerschuldner in Betracht (Art. 202 Abs. 3 ZK). bb) Das Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung Mit dem Entziehen309 der Ware aus der zollamtlichen Überwachung entsteht die Zollschuld (Art. 203 Abs. 1 ZK). Hauptanwendungsfall ist der Diebstahl der Waren. 3IO Die zollamtliche Überwachung setzt ein, wenn die Ware in das Zollgebiet verbracht worden ist. 311 Die Zollbehörden haben zu diesem Zeitpunkt die allgemeine Berechtigung, die Ware zu überwachen. Der zollamtlichen Überwachung unterliegen fast alle Zollverfahren. Lediglich bei der Überfilhrung in den zollrechtlich freien Verkehr nach Art. 201 Abs. 1 ZK endet diese Berechtigung der Zollbehörden. 312 Zum Zeitpunkt des Entziehens entsteht die Zollschuld. Auch dieser zollrechtliche Anknüpfungspunkt impliziert, daß die Ware in den Wirtschaftskreislauf eingeht. Er ist deshalb tauglicher Ersatzanknüpfungspunkt

308 Stiehle, in: Schwar:zJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 202 Rn. 8; Witte, ZK, Art. 202 Rz. 8.

309 Keine Einigkeit besteht über das Merkmal des Entziehens. Witte, ZK, Art. 203 Rz. 3 verlangt, daß das Entziehen eine konkret begonnene zollamtliche Überwachungsmaßnahme vereitele. Eine eingeschmuggelte Ware unterliege, wie jede andere in das Zollgebiet verbrachte, der zollamtlichen Überwachung. Eine eingeschmuggelte Ware sei deshalb der zollamtlichen Überwachung nicht entzogen, auch wenn ihr Aufenthaltsort den Zollbehörden nicht bekannt sei; Witte, ZK, Art. 203 Rz. 3. Nach der Rspr. des BFH zum ZollG ist maßgebend gewesen, daß durch das Entziehen zollamtliche Überwachungsmaßnahmen in dem jeweiligen Zollverfahren nicht mehr wirksam durchgeführt werden könnten. Die zollamtliche Überwachung sei eine ständige Maßnahme, die die Erhebung der Eingangsabgaben sichern solle. Sie erfordere nicht, daß die Ware ständig überwacht werde, sondern daß die Möglichkeit bestehe, jederzeit die Befugnis zur Kontrolle auszuüben; BFH ZfZ 1971, 113 (zu § 57 ZoIlG). Da sich mit dem Zollkodex das Wesen der zollamtlichen Überwachung nicht geändert hat, gelten diese Erwägungen nach Inkrafttreten des Zollkodex in gleicher Weise; Anton, ZfZ 1995, 3; Stiehle, in: Schwar:zJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 203 Rn. 4. 310

Stiehle, in: SchwarzlWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 203 Rn. 5.

311

Vgl. Art. 37 ZK.

312 Witte, ZK, Art. 203 Rz. 2. Bei Überführung in den freien Verkehr unterliegen die Waren nach Art. 82 ZK weiterhin der zollamtlichen Überwachung, sofern ihre Verwendung zu besonderen Zwecken steuerlich begünstigt ist.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

79

fUr die Verbrauchsteuem. 313 Steuerschuldner sind der Handelnde, der Beteiligte, der Erwerber und der Pflichteninhaber314 als Gesamtschuldner (Art. 203 Abs. 3 ZK). cc) Sonstige zollrechtliche Verfehlungen Anknüpfungspunkt filr das Entstehen einer Zollschuld ist die Verletzung von Pflichten, die bei vorübergehender Verwahrung3\S einer eingeftlhrten Ware 316 oder die bei den einzelnen Zollverfahren311 bestehen (Art. 204 Abs. 1 ZK). Erforderlich ist in jedem Fall der Pflichtverletzung, daß sich die Verfehlung tatsächlich auf die ordnungsgemäße Abwicklung des jeweiligen Verfahrens ausgewirkt hat. 318 So wird sichergestellt, daß die Waren ordnungsgemäß in den zollrechtlich freien Verkehr überfUhrt werden. Da auch Art. 204 ZK voraus-

313

aa).

Es gilt insoweit das zu Art. 202 ZK Gesagte entsprechend, vgl. I. Teil B. III. 5. b)

314 Pflichten inhaber ist derjenige, der im Verfahren der vorübergehenden Verwahrung oder im Zollverfahren zollrechtliche Pflichten einzuhalten hat; Stiehle, in: SchwarzJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 203 Rn. 14. Obwohl er selbst keine Pflichtverletzung begangen hat, wird der Pflichteninhaber als Steuerschuldner, nicht als Haftender, in Anspruch genommen. Unerheblich ist ein persönliches Verschulden des Pflichteninhabers, weil er dafür haftet, daß die Ware aus seinem Verantwortungsbereich unmittelbar in den Wirtschaftskreislauf gelangt ist; Stiehle, in: SchwarzJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 203 Rn. 14 und Witte, ZK, Art. 203 Rz. 10. 315 Das ist der Zeitraum zwischen Gestellung und zollrechtlicher Bestimmung der Ware, vgl. Art. 50 ZK. 316 Die Pflichten, die der Zollbeteiligte einzuhalten hat, ergeben sich überwiegend aus Art. 43 bis 53 ZK. Dazu zählt beispielsweise die Pflicht zur Abgabe einer summarischen Zollanmeldung oder das Entfernen der Waren vom unsprünglichen Bestimmungsort nur mit Zustimmung der Zollbehörden; Witte, ZK, Art. 204 Rz. 4. 311 Die Pflichten ergeben sich aus den Vorschriften des Zollkodex, die das jeweilige Zollverfahren zum Gegenstand haben; vgl. Witte, ZK, Art. 204 Rz. 10 ff. mit Beispielen. 318 Das folgt aus Art. 204 I UAbs 2. Art. 859 DVO zum ZK enthält eine abschließende Liste der Sachverhalte, die als Entschuldigung in Betracht kommen. Damit ist eine einheitliche Anwendung des Art. 204 ZK gewährleistet. Insbesondere leichte Pflichtverletzungen, wie die Fristüberschreitung und die Nichtbeachtung von Förmlichkeiten, kommen als Entschuldigungsgründe in Betracht, vgl. Witte, ZK, Art. 204 Rz. 19; Stiehle, in: Schwarz/Wockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 204 Rn. 3.

80

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

setzt, daß die Ware in den Wirtschaftskreislauf eingeht, entspricht er aus den bereits genannten Gründen319 dem Belastungsgrund der Verbrauchsteuern. Die Steuerschuld entsteht im Zeitpunkt der Pflichtverletzung (Art. 204 Abs. 2 ZK). Steuerschuldner ist die Person, der die Pflichten der vorübergehenden Verwahrung oder des betreffenden Zollverfahrens obliegen (Art. 204 Abs.3 ZK).320 dd) Verbrauch oder Verwendung in einer Freizone Die Zollschuld entsteht durch den vorschriftswidrigen Verbrauch oder die vorschriftswidrige Verwendung von Waren in Freizonen oder Freilagern (Art. 205 Abs. I ZK). Verbraucht ist die Ware, wenn sie verändert oder umgewandelt wird und dadurch ihre ursprüngliche Beschaffenheit verliert. 321 Verschwinden Waren, wird ihr Verbrauch oder ihre Verwendung fmgiert, sofern der Nachweispflichtige fiir die Fehlmengen keine glaubhafte Erklärung abgeben kann. 322 Die Vorschrift stellt sicher, daß Verwender in Freizonen oder Freilagern durch einen abgabenfreien Verbrauch nicht bevorzugt werden. 323 Weil Anknüpfungspunkt der tatsächliche Verbrauch der Ware ist, stimmt er mit dem Belastungsgrund der Verbrauchsteuern vollständig überein. Die Steuerschuld entsteht im Zeitpunkt des Verbrauchs oder der Verwendung (Art. 205 Abs. 2 ZK). Kann dieser Zeitpunkt nicht festgestellt werden, ist maßgebend, wann die Zollbehörden Kenntnis von der Fehlmenge erhalten haben. 324 Steuerschuldner ist der Verbraucher oder Verwender (Art. 205 Abs. 3 ZK).325

319

Es gilt das zu Art. 202 ZK Gesagte entsprechend, vgl. 1. Teil B. III. 5. b) aa).

320 Vgl. zu den Personen Witte, ZK, Art.204 Schwar:zJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 204 Rn. 8.

Rz. 34-37; Stiehle,

321

Stiehle, in: Schwar:zJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 205 Rn. 3.

322

Stiehle, in: Schwar:zJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 205 Rn. 6.

323

Vgl. insbesondere Art. 175 ZK; Witte, ZK, Art. 205 Rz. 2.

324

Witte, ZK, Art. 205 Rz. 4.

in:

325 Kann im Fall des Verschwindens der belasteten Ware kein Verbraucher oder Beteiligter festgestellt werden, schuldet der letzte Besitzer der Ware die Steuerschuld; vgl. Stiehle, in: Schwar:zJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 205 Rn. 10.

III. Die Anknüpfungspunkte im tatsächlichen

81

ee) Nichtentstehen der Steuerschuld nach Art. 206 ZK Wird die Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht326 oder werden bestimmte zollrechtliche Pflichten bei den sich in vorübergehender Verwahrung befmdlichen Waren nicht eingehalten,327 entsteht keine Zollschuld für die Ware, die durch Zufall, infolge höherer Gewalt oder mit Zustimmung der Zollbehörde vernichtet, zerstört, verlorengegangen oder wieder ausgeführt worden ist (Art. 206 Abs. 1 ZK). Diese objektiven GrUnde exkulpieren den Beteiligten von seiner Pflichtverletzung. Ebensowenig entsteht eine Zollschuld, wenn eine zu besonderen Zwecken in den freien Verkehr überführte Ware mit Zustimmung der Zollbehörde wieder ausgeführt wird (Art. 206 Abs. 2 ZK). Diese EntlastungsgrUnde entsprechen der Konzeption des Wirtschaftszolls. Deshalb ist maßgebend, ob die Ware in den Wirtschaftskreislauf der Europäischen Gemeinschaft eingeht. Die Ware, die durch Zufall, infolge höherer Gewalt oder mit Zustimmung der Zollbehörden vernichtet, zerstört, verloren gegangen ist oder wieder ausgeführt worden ist, geht in den Wirtschaftskreislauf gerade nicht ein. 328 Da Untergang, Zerstörung oder Ausfuhr auch nach den Verbrauchsteuergesetzen kein Verbrauch sind, weil die Ware keiner sinnvollen Nutzung zugeführt werden kann, bleibt Art. 206 ZK über die in den Verbrauchsteuergesetzen enthaltenen Verweisungsvorschriften anwendbar. 6. Mehrfache Verwirklichung von Steuerentstehungstatbeständen

Verbrauchsteuern belasten den Verbrauch bestimmter Waren. Waren können nur einmal verbraucht werden, weil sie dadurch ihre Substanz verlieren. 329 Deshalb widerspräche es dem Belastungsgrund, würde der Verbrauch der Ware mehrfach der Besteuerung unterworfen. Die Steuerschuld kann nur dann mehrfach entstehen, wenn mehrere steuerliche Anknüpfungspunkte verwirklicht werden können. Zu untersuchen ist, ob die Verbrauchsteuergesetze die wiederholte Verwirklichung ausschließen, die der Intention der Verbrauchsbesteuerung zuwiderläuft.

326

Art. 202 ZK; vgl. 1. Teil B. III. 5. b) aa).

327

Art. 204 I lit. a ZK; vgl. 1. Teil B. III. 5. b) ce).

328

Stiehle, in: SehwarzlWoekenfoth, Zollreche, ZK, Art. 206 Rn. 5.

329

Vgl. 1. Teil B. III. 2. b).

6 D. Müller

82

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

a) Die in den Verbrauchsteuergesetzen unmittelbar angeordneten Entstehungstatbestände Eine verbrauchsteuerpflichtige Ware kann generell nur einmal in den freien Verkehr entnommen werden. Denn die Ware gelangt in den Wirtschaftskreislauf, um dort verbraucht zu werden. Befmdet sich die Ware im freien Verkehr, sind weitere steuerbare Handlungen ausgeschlossen. Um erneut steuerbare Anknüpfungspunkte verwirklichen zu können, muß die Ware aus dem freien Verkehr in die steuerliche Verstrickung zurückgefiihrt werden. Das ist etwa der Fall, wenn die versteuerte Ware in ein Steuerlager zurückgelangt und im Anschluß daran erneut in den freien Verkehr überfiihrt wird. Diese doppelte steuerliche Belastung vermeiden die Verbrauchsteuergesetze nur dadurch, daß bei der Aufnahme versteuerter Waren in ein Steuerlager die bereits entrichtete Verbrauchsteuer erstattet wird. 330 Die mehrfache Verwirklichung von Tatbeständen bei der ordnungsgemäßen Überführung der Ware in den freien Verkehr ist deshalb tatbestandlieh möglich, fiihrt aber im Regelfall zu keiner mehrfachen steuerlichen Belastung derselben Ware. Bei den Anknüpfungspunkten auf Grund von steuerlichen Unregelmäßigkeiten steht der Verbleib der Ware dagegen nicht fest. Die Überfilhrung der Waren in den freien Verkehr kann allenfalls fmgiert werden. Da nicht sicher ist, ob die Ware in den steuerlich freien Verkehr gelangt ist und dort verbraucht worden ist, kann der Gesetzgeber verschiedene Pflichtverletzungen oder Unregelmäßigkeiten als steuerliche Anknüpfungspunkte wählen, die zum mehrfachen Entstehen der Steuerschuld führen. Indem der Gesetzgeber hier eine wiederholte Tatbestandverwirklichung anordnet, wirkt er Steuerverkürzungen entgegen. 33I In diesen Fällen muß der Steuerschuldner verantworten, daß auf Grund seines Verhaltens nicht feststeht, ob die Ware im steuerrechtlich freien Verkehr verbraucht worden ist.

330 § 20 1,11 BierStG; § 149 BranntwMonG; § 16 KaffeeStG; § 25 I Nr. 1,3 MinöStG; § 19 I SchaumwZwStG; § 22 I TabakStG. §§ 30, 31 BierStVO; § 14 BranntwStVO; § 19 KaffeeStVO; § 13 SchaumwZwStVO unterscheiden allerdings zwischen eigenen Rückwaren und fremden versteuerten Waren. Zur Erstattung in diesen Fällen noch unten l. Teil B. VII. l. 331

Zur Rechtmäßigkeit dieses Motivs vgl. BVerfG ZfZ 1995,44 (47).

IV. Bemessungsgrundlage und Steuertarife

83

b) Die zollrechtlichen Entstehungstatbestände Wird eine Ware in den zollrechtlich freien Verkehr überführt,332 ist eine mehrfache ordnungsgemäße Überführung ebensowenig denkbar wie bei der ordnungsgemäßen Entnahme der Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr. Die zollrechtlichen Anknüpfungspunkte,333 die Unregelmäßigkeiten betreffen, führen im Regelfall nur zur einmaligen Entstehung der Abgabenschuld. 334 Das schließt nicht aus, daß in Einzelfiillen zollrechtliche Anknüpfungspunkte wiederholt verwirklicht werden können. m Die mehrfache Entstehung der Steuerschuld für die entsprechenden Unregelmäßigkeiten ist jedoch legitim, um das Steueraufkommen sicherzustellen. IV. Bemessungsgrundlage und Steuertarife

Die Verbrauchsteuern belasten bestimmte Waren. Konsequenterweise sind bestimmte Realgrößen dieser Waren - mit Ausnahme der Tabakwaren - Kriterium der Bemessungsgrundlage. Diese Realgrößen werden nach keinem System bestimmt. Selbst für die belasteten Alkohole und alkoholischen Getränke wird keine einheitliche Realgröße - wie es der Alkoholgehalt wäre - gewählt. So ist für belastetes Bier der Stammwürzegehalt in Grad Plato je ein Hektoliter Bier Bemessungsgrundlage. 336 Der Regelsteuersatz beträgt 1,54 DM für einen Hektoliter Bier je Grad Plato. Bei steuerbarem Branntwein bildet die Alkoholmenge die Bemessungsgrundlage. Der Regelsteuersatz beträgt 2.250 DM je Hektoliter reinen Alkohols bei einer Temperatur von 20°C. 337 332 Zu Art. 201 ZK vgl. 1. Teil B. III. 4. b). 333 Zu Art. 202 bis 205 ZK vgl. 1. Teil B. III. 5. b) aa). 334 Vgl. ausführlich Witte, ZK, Art. 201 Rz. 15 ff.; Art. 202 Rz. 12; Art. 203 Rz. 11; Art. 204 Rz. 39 und 41; Art. 205 Rz. 9 ff.; vgl. auch Stiehle, in: SchwarzJWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 204 Rn. 1 zum Verhältnis von Art. 203 ZK zu Art. 204 ZK und Anton, ztZ 1995,3 f. zum Verhältnis von Art. 202 ZK zu Art. 203 ZK. 335 So kann etwa eine Ware mehrfach in das Zoll-, bzw. Steuergebiet verbracht werden, weil das Verbringen ein Realakt ist; vgl. Witte, ZK, Art. 202 Rz. 12. 336 § 2 I BierStG, der Art. 6 der Alkohol-Steuersatz-RL (EWG) 92/84 umsetzt. 337 § 131 I BranntwMonG, der Art. 3 der Alkohol-Steuersatz-RL (EWG) 92/84 umsetzt.

84

I. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Steuerbaren Zwischenerzeugnissen liegt die Raummenge der Ware als Bemessungsgrundlage zugrunde. Der Steuertarif beträgt 100 DM je Hektoliter der belasteten Ware. 338 Für steuerbaren Schaumwein wiederum beträgt der Steuersatz zwei DM je 0,75 I Flasche. 3J9 Das Mineralölsteuergesetz verwendet verschiedene Regelsteuersätze, die davon abhängig sind, in welche Positionen und Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur die Ware einzuordnen ist. Bezugsgröße für den jeweiligen Regelsteuersatz sind je 1.000 Liter des belasteten Mineralöls. Die Bezugsgröße für Erdgas ist eine MWh. 340 Nur bei Tabakwaren knüpft die Bemessungsgrundlage an deren Wert an. Sie richtet sich regelmäßig nach dem Kleinverkaufspreis. Der Steuertarif ist abhängig von der belasteten Tabakware. 341 Bemessungsgrundlage der Kaffeesteuer ist ein Kilogramm der Ware. Der Steuertarif beträgt für Röstkaffee 4,30 DM und für löslichen Kaffee 9,35 DM. 342 V. Steuervergünstigungen

Steuervergünstigungen umfassen als Oberbegriff Steuerbefreiungen, Steuerermäßigungen und sonstige Abzüge von der Bemessungsgrundlage. 343

338

setzt. 339

§ 24 I SchaumwZwStG, der Art. 4 der Alkohol-Steuersatz-RL (EWG) 92/84 um§ 2 I SchaumwZwStG.

340 § 2 I 1 MinöStG. Die Steuersätze differieren je nach der belasteten Ware zwischen 620 DM (für bestimmte Gasöle), 980 DM (für bestimmte mittelschwere Öle und Benzin der Unterposition 2710 0033 KN) und rur näher bestimmtes, weiteres Benzin 1.080 DM. Vgl. auch Art. 3 ff. Mineralöl-Steuersatz-RL (EWG) 92/82. 341 § 4 I TabakStG. Für Zigaretten 8,3 Pfennig je Stück und 24,8 % des Kleinverkaufspreises, rur Zigarren und Zigarillos 5 % des Kleinverkaufspreises, rur Feinschnitt 30,21 DMje kg und 18,12 % des Kleinverkaufspreises sowie rur Pfeifentabak 5,50 DM je kg und 22 % des Kleinverkaufspreises. Der Kleinverkaufspreis ist der Preis, den der Hersteller oder Einruhrer als Einzelhandelspreis bestimmt, vgl. § 5 I TabakStG. 342

§ 3 KaffeeStG.

343

Tipke/Lang, Steuerrecht l4 , 168 f.

V. Steuervergünstigungen

85

Steuerbefreiungen sind als persönliche und sachliche Befreiungen denkbar. Die persönliche Steuerbefreiung folgt aus der Befugnis des Gesetzgebers, den Kreis der Steuerpflichtigen zu bestimmen. Sie ist die Entscheidung, eine bestimmte Personengruppe nicht zu besteuern. Die Steuerschuld entsteht nicht, wenn die gesetzlich bestimmte Personengruppe den Tatbestand verwirklicht. 344 Demgegenüber stellen sich sachliche Steuerbefreiungen als vom Gesetzgeber vorgesehene Einschränkungen des sachlichen Aspekts des Tatbestandes, des Steuergegenstandes, dar. 345 Steuervergünstigungen können auch auf den Berechnungstatbestand angewendet werden. 346 Beziehen sie sich auf den Steuers atz, dann werden Steuervergünstigungen als Steuerermäßigungen gewährt. Ermäßigungen können als Steuersatzermäßigungen oder als Steuerbetragsermäßigungen vorkommen. 347 Nach den alten Fassungen der Verbrauchsteuergesetze war es unmöglich, die Steuervergünstigungen in eine formale Ordnung zu bringen. Zum einen wurde schon durch eine uneinheitliche Terminologie der Verbrauchsteuergesetze eine Systematisierung erschwert. 348 Hinzu kam, daß die Steuervergünstigungen nicht die Entstehungstatbestände im engeren Sinn verdrängten. Die Vergünstigungen bezogen sich auf eine bestimmte Verwendung der belasteten Ware und waren als auflösend bedingte Steuerschulden im Sinne des § 50 Abs. 1 AO konzipiert. 349 § 50 AO bildete den Rahmen für die in den Verbrauchsteuergesetzen angeordneten bedingten Steuerschulden, der die einzelnen Gesetzesmängel verdeckte. 35o Auch nach der Neufassung der Verbrauchsteuergesetze bleiben Steuervergünstigungen zwar an eine bestimmte Verwendung der Ware gebunden. 3S1 Nunmehr verdrängen die Steuerbefreiungen jedoch die Entstehungstatbestände.

344

Hensel, Steuerreche, 68.

345

Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 101 f.

346

Kruse, Lehrbuch des Steurrechts, Bd. I, § 6 11 I, 114.

347

Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 107 f.

348

Ausführlich dazu Peters, Verbrauchsteuerrecht, 163 tf., 289 ff.

349 Peters, Verbrauchsteuerrecht, 164. Zur Aufgabe der bedingten Steuerschuld 1. Teil B. 11. 3. d). 350

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 165.

351

Schräer-Schallenberg, ZfZ 1993, 303.

86

l. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

1. Die Abgrenzung der am Belastungsgrund orientierten Steuervergünstigungen von den sonstige Zwecke verfolgenden Steuervergünstigungen

Steuervergünstigungen sind Ausnahmen zu dem allgemeinen Besteuerungstatbestand. Sie haben eigene tatbestandliche Voraussetzungen, bei deren Vorliegen die Rechtsfolgen belastender Tatbestände ganz oder teilweise wieder aufgehoben werden. Sie grenzen damit bestimmte Fallgruppen und -konstellationen vom anspruchsbegrUndenden Tatbestand aus, so daß kein Steueranspruch entsteht. 352 Nicht alle Steuervergünstigungen verdeutlichen die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers. Denn gerade sie sind ein beliebtes Mittel des Gesetzgebers, mit dem er außerhalb des Steuerrechts liegende Ziele verfolgt. 353 Deshalb sind die Steuervergünstigungen, die die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers verdeutlichen, von den Vergünstigungen, mit denen der Gesetzgeber andere Ziele verfolgt, zu unterscheiden. Ruppe 354 stellt für die Abgrenzung auf die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers ab. Die Vergünstigungen, die zu der Belastungsentscheidung in einem inneren Widerspruch stünden, seien solche "lenkenden" Normen. Die Belastungsentscheidung leitet er aus dem Gesetz her. 355 Maßgebend ist deshalb die Funktion des Befreiungstatbestandes. Diese Belastungsentscheidung ist gleichbedeutend mit dem Belastungsgrund der Verbrauchsteuern: Die steuerliche Belastung des Verbrauchs bestimmter Waren. An diesem Belastungsgrund hat sich die Abgrenzung der verschieden Steuervergünstigungen zu orientieren. Maßgebend ist, ob die objektive Funktion des Befreiungstatbestandes356 mit dieser Belastungsentscheidung in Einklang steht oder nicht.

352 TipkelKruse, AO, § 38 Tz. 2. Da die Sachverhalte der Steuerbefreiungen ein "Herausfallen aus dem gesetzlichen Tatbestande" (HenseI, Steuerreche, 61) bewirken, ist es unvertretbar, bei Steuerbefreiungen eine Steuerentstehung zum Steuersatz null zu fingieren (so aber Schräer-Schallenberg, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuerund Abgabenrechts, § 27 Rn. 46, Fn. 116 a.E.).

BühlerlStrickrodt, Steuerrecht 13, 380; Kruse, Steuerrecht I, § 4 11 1, 26 f; Tipkel Lang, Steuerrecht l4 , 666 f 353

354

Ruppe, Ausnahmebestimmungen, 6 f

355 Ruppe, Ausnahmebestimmungen, 6; ebenso Bühler/Strickrodt, Steuerrecht 13, 380; ähnlich Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 128, der "Ienkende" Steuervergünstigungen dann bejaht, wenn sie mit den Grundwerten der Besteuerung nicht übereinstimmen, sondern ihre Existenz einer gesetzgeberischen Einzelwertung verdanken.

356

Bayer, StuW 1972, 150 f.; Vogel, StuW 1977, 106.

V. Steuervergünstigungen

87

2. Die Ausfuhr verbrauchsteuerpjlichtiger Güter

Verbrauchsteuerpflichtige Waren können unter Steueraussetzung aus dem Steuergebiet ausgeführt werden. 357 Das Ausfuhrverfahren richtet sich danach, ob die Waren direkt aus dem Steuergebiet in ein Drittland oder über andere Mitgliedstaaten ausgeführt werden sollen. Bei der Ausfuhr über andere Mitgliedstaaten ist das innergemeinschaftliche Beförderungsverfahren unter Steueraussetzung anzuwenden. An die Stelle des Empfängers tritt die Zollstelle, über die die Ware das Steuergebiet verläßt. Werden verbrauchsteuerpflichtige Waren unmittelbar aus dem Steuergebiet in ein Drittland ausgeführt, können Verfahrensvereinfachungen zugelassen werden, oder es kann auf das Steuerversandverfahren verzichtet werden. 358 Da die Kaffeesteuer zu den nationalen Verbrauchsteuern zählt, ist sowohl die Lieferung von Kaffee in andere Mitgliedstaaten als auch die Ausfuhr in Drittländer von der Kaffeesteuer befreit. 359 Diese Befreiungen verdeutlichen den Belastungsgrund der Verbrauchsteuern, denn sie zeigen, daß nur der inländische Verbrauch der Ware steuerlich erfaßt werden soll.360 Zwar wird darüber hinaus der Absatz verbrauchsteuerpflichtiger Waren auf dem Weltmarkt nicht erschwert, weil die Verbrauchsteuer den Preis der Waren erhöht. Der dadurch bewirkte Schutz der inländischen Hersteller ist jedoch ein bloßer Effekt des Belastungsgrundes der Verbrauchsteuer. Eine Privilegierung oder Subventionierung der Hersteller, die ihre Waren exportieren, ist nicht das Ziel dieser Befreiung. 361 3. Die Belastung von Mineralöl als Kraft- oder Heizstoff

Belastetes Mineralöl, das nicht als Kraft- oder Heizstoff verwendet wird, ist von der Mineralölsteuer befreit. 362 Diese Steuerbefreiung verdeutlicht, daß nur der energetische Verbrauch des Mineralöls besteuert werden soll, nicht die

m § 14 BierStG; § 142 BranntwMonG; § 17 MinöStG; § 12 SchaumwZwStG; § 17 TabakStG. 358

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, S. 42 f.; Schröer-Schallenberg, ZfZ 1993, 307.

359 § 15 Nr. 1,2 KaffeeStG. 360

Förster, Die Verbrauchsteuern, 83.

361 Förster, Die Verbrauchsteuern, 83 f.; a.A. Schröer-Schallenberg, in: Birk, Handbuch des Europäischen Steuer und Abgabenrechts, § 27 Rn. 47 ohne Begründung.

362 § 4 I Nr. 2 MinöStG. Aus dieser Vorschrift ergibt sich außerdem, daß Schmierstoffe nicht länger der Mineralölsteuer unterworfen sind; vgl. BR-Drucks. 651192, 253.

88

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Verwendung des Mineralöls als Rohstoff fiir die Herstellung anderer Produkte. 363 Durch sie tritt die dem Mineralölsteuergesetz zugrundeliegende Belastungsentscheidung des Gesetzgebers klar hervor. In dieser Hinsicht bleibt konsequenterweise der Einsatz als Kraftstoff in Beförderungsmitteln von Mineralölherstellungs- oder Gasgewinnungsbetrieben ebenfalls steuerpflichtig. Jede andere Eigenverwendung des Mineralöls von Inhabern der genannten Betriebe zur Aufrechterhaltung des Betriebes ist steuerfree64 4. Die gewerbliche Verwendung belasteter Waren

Verschiedentlich befreien die Verbrauchsteuergesetze die belasteten Waren, wenn sie zu bestimmten Zwecken gewerblich verwendet werden. Die belasteten Alkohole sind von der Steuer befreit, wenn sie - unvergällt oder vergällt - gewerblich verwendet werden, um bestimmte Erzeugnisse herzustellen. 365 In ähnlicher Weise sind Mineralöle von der Steuer befreit, wenn sie als Kraftstoff fiir Luftfahrzeuge oder Schiffe dienen, sofern Luftunternehmen Personen oder Sachen gewerblich bef6rdern, bzw. es sich um gewerbliche Schiffahrt handelt. 366 Schließlich ist die Verwendung von Tabakwaren zu gewerblichen Zwecken steuerfrei, sofern sie nicht zum Rauchen oder zum Herstellen von Tabakwaren verwendet werden. 367 Die gewerbliche Verwendung ist nicht im materiellen Sinn als produktiver Einsatz der Ware zu verstehen. 368 Denn in diesem Fall könnte auch ein privater Verwender eine gewerbliche, produktive Nutzung der belasteten Ware im Gegensatz zu ihrem konsumtiven Verbrauch geltend machen. Vielmehr werden durch diese Befreiungstatbestände nur formell Gewerbetreibende entlastet. Eine 363 Teichner/Alexander/Reiche, MinöStG 1993, § 4 Rn. 14. Damit besteuert das MinöStG den Energiegehalt. 364 § 4 I Nr. 1 MinöStG. Der Verbrauch dient dann der Aufrechterhaltung des Betriebes, wenn er rur das Wesentliche des Betriebes, nämlich die Herstellung von Mineralöl, kausal ist; Teichner/AlexanderlReiche, MinöStG 1993, § 4 Rn. 3.

365 § 3 I BierStG; § 132 I BranntwMonG, § 3 11 SchaumwZwStG. Unvergällt können sie Bestandteil rur die Produktion von Essig, sonstigen Lebensmitteln und Arzneimitteln sein. Vergällte Alkohole sind etwa dann steuerfrei, wenn sie zur Produktion von Lebensmitteln eingesetzt wurden, denen während des Produktionsprozesses der Alkohol entzogen worden ist. 366

§ 4 I Nr. 3 und 4 MinöStG.

367

§ 6 I Nr. I lit. e TabakStG.

368

Förster, Die Verbrauchsteuem, 84 ff.

V. Steuervergünstigungen

89

gewerbliche Tätigkeit erfordert die selbständige, unternehmerische, nachhaltige und mit Gewinnerzielungsabsicht unternommene Beteiligung am allgemeinen Verkehr. 369 Damit nähern sich die Vorschriften einer persönlichen Steuerbefreiung an. Trotzdem zeigt sich hier die Absicht des Gesetzgebers, durch die Verbrauchsteuergesetze nur den privaten, konsumtiven Verbrauch steuerlich erfassen zu wollen. Der bei den Gewerbetreibenden - vermutete - produktive Einsatz der verbrauchsteuerpflichtigen Waren soll steuerfrei sein. 5. Sonstige Befreiungen

Daneben normieren die einzelnen Verbrauchsteuergesetze einen bunten Strauß von Befreiungen, die die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers zum Teil präzisieren, mit denen er zum Teil aber auch außerhalb des Belastungsgrundes liegende Ziele verfolgt. So sind teilweise die verbrauchsteuerpflichtigen Güter, die für den eigenen Bedarf hergestellt worden sind und die weder zum Handel noch gewerblich verwendet werden, von der Steuer befreit. 370 Für Bier und Tabakwaren bestehen die schon im alten Recht bekannten Deputatregelungen fort. 371 Die Steuerfreiheit der Deputate soll teilweise soziale Gründe haben, teilweise auf die Absicht des Gesetzgebers zurückgeführt werden können, die illegale Selbstbedienung zu verhindern. 372 Die Art und Menge der steuerfreien Deputate richtet sich nach den jeweils geltenden Tarifverträgen. 373 Insoweit setzen sich die traditionellen Vorrechte der betroffenen Arbeitnehmer fort.

369 Schräer-Schallenberg, ZfZ 1993,304 m.w.N.; so schon zum alten Recht BFH ZfZ 1960, 112; BFH BStBI. 11 1972, 700; FG Hamburg ZfZ 1981, 24; Peter:;, Verbrauchsteuerrecht, 332 f.; SchädellLangeriGotterbarm, MinöStG 1989, § 8 Rn. 133/139. 370 § 6 I Nr. 2 TabakStG für Tabakkleinpflanzer, § 15 Nr. 7 KaffeeStG für den zum Eigenverbrauch gerösteten Kaffee. 371 § 3 11 Nr. 1 BierStG; § 6 11 TabakStG. Nach der zuletzt genannten Norm entsteht die Tabaksteuer mit der Weitergabe der als Deputat erhaltenen Tabakwaren. Im Biersteuerrecht fehlt ein entsprechender Entstehungstatbestand.

372

BFH BStBl. III 1958,231; ZapjlSiegert/Arndt/Klingemann, BierStG, § 7 Anm. 1.

373

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 59. Zum alten Recht Peter:;, Verbrauchsteuerrecht,

353.

90

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Weiterhin sehen einige Gesetze für die Verwendung der Ware als Probe zu bestimmten Untersuchungszwecken374 und für die Vernichtung oder Vergällung der Waren unter Steueraufsicht375 Befreiungen vor. Diesen Fällen ist gemeinsam, daß die Waren nicht in den Wirtschaftskreislauf eingehen, um dort nutzbringend verbraucht zu werden. 376 Bemerkenswert sind schließlich die Steuerbefreiungen,377 die die Steuererhebung direkt bei dem Verbraucher ausschließen. Wären diese Befreiungen nicht vorhanden, würden für den vom Verbraucher selbst hergestellten Kaffee oder die selbst hergestellten ("gedrehten") Zigaretten die Verbrauchsteuern entstehen. Der Verbraucher müßte als "privater Hersteller" eine Steueranmeldung abgeben und die Steuer entrichten. 378 Die Vorschriften tragen zum einen der Unmöglichkeit Rechnung, die Steuer bei dem privaten Verbraucher zu erheben. Zum anderen stellen sie sicher, daß es zu keiner mehrfachen Besteuerung derselben Ware kommt, was dem Belastungsgrund der Verbrauchsteuern entspricht. 6. Steuerbefreiungen für eingeführte Waren

Auch für die aus Drittländern eingefUhrte Waren bestehen prinzipiell die bereits dargestellten Steuervergünstigungen. In Anlehnung an das Zollrecht gewährt die Einfuhr-Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung379 spezielle Vergünstigungen für die Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren aus Drittländern. 380 Auf Grund der sachlichen Nähe zum Zollrecht können diese Vergünstigungen den Belastungsgrund der Verbrauchsteuern nicht verdeutlichen.

374 § 3 11 Nr. 2 BierStG; § 13211 Nr. 2, 3 BranntwMonG; § 15 Nr. 3, 5 KaffeeStG; § 4 I Nr. 5 MinöStG; § 3 I SchaumwZwStG; § 6 I Nr. llit. a, b, fTabakStG. 375 § 132 I Nr. 3-5 BranntwMonG; § 15 Nr. 1 KaffeeStG; § 3 11 SchaumwZwStG i.V.m. § 132 I Nr. 3-5 BranntwMonG; § 6 Nr. 1 lit. d TabakStG.

376

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 26; Förster, Die Verbrauchsteuern, 86 f.

377 § 15 Nr. 7 KaffeeStG; § 6 I Nr. 3 TabakStG. 378

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 59.

379

Vom 3. August 1993, BGBI. I, 1461 (1465).

380

Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 26, 206.

VI. Steueranmeldung und Fälligkeit der Steuer

91

7. Steuersatzermäßigungen

Mit den Steuersatzennäßigungen verfolgt der Gesetzgeber lediglich außerhalb des Verbrauchsteuerrechts liegenden Ziele. Die Belastungsentscheidung selbst, die im Gesetz zum Ausdruck kommt, soll durch diese Nonnen nicht aufgehoben werden. Bestimmte Verwendungen der belasteten Waren38 ! oder bestimmte Steuerschuldner382 sollen privilegiert und damit subventioniert werden. VI. Steueranmeldung und Fälligkeit der Steuer

In nahezu allen Verbrauchsteuergesetzen trifft den Steuerschuldner die Pflicht, innerhalb der Frist zum 15.383 bzw. 7.384 Tag des auf die Steuerentstehung folgenden Monats eine Steuererklärung abzggeben und die Steuerschuld selbst zu berechnen (Steueranmeldung nach § ISO Abs. 1 S. 2 AO). Die Steuerschuld ist daraufhin innerhalb einer bestimmten Frist nach der Entstehung zu entrichten. 385

In den Fällen der unerlaubten Herstellung des verbrauchsteuerpflichtigen Gutes muß die Steueranmeldung unverzüglich abgegeben werden. 386 Sofern die

381

§ 2 I 1, § 3 MinöStG.

382 Für die Steuersatzennäßigungen vgl. § 2 II BierStG; § 131 II BranntwMonG; § 2 I Nr. 2 SchaumwZwStG. Als Beispiel mögen die Steuersatzennäßigungen des BierStG dienen. Abhängig von der Jahreserzeugung der Brauerei ennäßigt sich der Regelsteuertarif auf Steuersätze zwischen 75-50 % des Tarifs. Diese Biersteuennengenstaffel subventioniert kleinere Brauereien, vgl. Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 65 f. 383

StG. 384

§ 13711 BranntwMonG; § 9 I KaffeeStG; § 10 S. 1 MinöStG; § 8 I SchaumwZw§ 8 I BierStG.

385 §§ 9 I, 12 V 3 BierStG; §§ 138, 141 VI BranntwMonG; § 10 I KaffeeStG; §§ 11 I, 15 VI MinöStG; §§ 9 I, 11 VI SchaumwZwStG. Die Finanzbehörde kann die Fälligkeit auf einen Zeitpunkt vor der gesetzlichen Fälligkeit, aber nach der Entstehung des Steueranspruchs vorverlegen, wenn der Steuerpflichtige die Verbrauchsteuer mehrfach nicht rechtzeitig entrichtet hat (§ 221 AO). 386 § 8 III BierStG; § 137 III BranntwMonG; § 9 11 KaffeeStG; § 10 S. 2 MinöStG; § 8 II SchaumwZwStG.

92

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

Steuern durch Unregelmäßigkeiten entstanden sind, ist die Steuerschuld "sofort" oder "unverzüglich" zu entrichten. 387 Bei der Einfuhr der belasteten Ware aus Drittländern darf die dem Schuldner stets zu setzende Zahlungsfrist - gerechnet ab dem Zeitpunkt der Mitteilung des Abgabenbetrages388 (Art. 221 ZK) - nicht länger als zehn Tage sein (Art. 222 ZK).389 Abweichungen bestehen nur im Tabaksteuergesetz. 39O Diese Ausnahme ist mit der Erhebung der Tabaksteuer durch Steuerzeichen zu erklären, durch deren Bezug eine eigenständige Steuerschuld entsteht. 391 Die Steuerzeichenschuld ist unabhängig von der Tabaksteuer. 392 Tabakwaren müssen im Zeitpunkt der Steuerentstehung ordnungsgemäß mit Steuerzeichen versehen sein, gleichgültig, ob diese bezahlt sind oder nicht. 393 VII. Erlaß, Erstattung und Vergütung der Verbrauchsteuer

Die Verbrauchsteuergesetze sehen den Erlaß, die Erstattung oder die Vergütung der Verbrauchsteuer vor. Ebenso wie die Steuervergünstigungen können Erlaß-, Erstattungs- und Vergütungsvorschriften den Schluß auf den Willen des Gesetzgebers ermöglichen, in welchen Fällen die steuerliche Belastung Bestand haben soll. Die Aufhebung der Belastung erfolgt durch die entsprechenden Vorschriften, wenn sich die Besteuerung der belasteten Waren im Nachhinein als "unrichtig" herausstellt.

387 §§ 9 11, 10 11 5, 15 IV 3 BierStG; §§ 138 III, 139 11 6, 143 IV 3 BranntwMonG; §§ 10 11, 14 III KaffeeStG; §§ 11 I 4, 18 IV 3 MinöStG; §§ 9 11, 13 IV 3 SchaumwZwStG. 388 Die Mitteilung ist ein Steuerbescheid im Sinn des § 155 AO; Friedrich, StuW 1995,26; WittelAlexander, ZK, Art. 221 Rz. 1. 389 Diese Fälligkeitsregel berührt den Belastungsgrund der Verbrauchsteuem nicht, so daß die sinngemäße Anwendung möglich ist. Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Stiehle, in: SchwarzIWockenfoth, Zollreche, ZK, Art. 222 Rn. 3 ff. 390

§ 12 TabakStG - Steueranmeldung; § 13 TabakStG - Fälligkeit.

391

Beermann, DStZ 1993, 294.

392

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 60 m.w.N.

393

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 19.

VII. Erlaß, Erstattung und Vergütung

93

Mit dem Erlaß verzichtet der Gläubiger auf den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis. 394 Erstattungsansprüche regeln die Rückzahlung der ohne rechtlichen Grund zur Erfüllung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis erbrachten Leistungen von dem Leistungsempfanger an denjenigen, auf dessen Rechnung die Leistung bewirkt worden ist (§ 37 Abs. 2 AO).395 Der rechtliche Grund fehlt, wenn nach materiellem Recht kein Steueranspruch bestanden hat. 396 Ist der Steueranspruch durch Steuerbescheid materiell unrichtig festgesetzt worden, ist der Erstattungsanspruch wegen der Bestandskraft dieses Steuerbescheides begrenzt. Er kann nur dann geltend gemacht werden, wenn der Steuerbescheid nach §§ 172 ff. AO aufgehoben oder geändert worden ist. 397 Die formelle Bestandskraft darf nicht mit dem materiellen Grund des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis verwechselt werden. Nur das materielle Recht entscheidet über die Frage des rechtlichen Grundes, nicht das formelle. 398 Mit der Steuervergütung erhält der Steuerträger einen Anspruch auf Rückzahlung eines Geldbetrages. Steuerträger ist derjenige, der eine Steuer im Wege der Überwälzung wirtschaftlich getragen hat, ohne Steuerschuldner zu sein. Steuervergütungsansprüche unterscheiden sich von den Erstattungsansprüchen zum einen durch die Person des Gläubigers. Zum anderen beruht die Steuervergütung im Gegensatz zu den Erstattungsansprüchen auf einer mit rechtlichem Grund geleisteten Steuerzahlung. 399 1. Die Rücknahme versteuerter Waren in ein Steuerlager Wird eine versteuerte Ware in ein Steuerlager zurückgenommen, soll sie von einer bereits gezahlten Verbrauchsteuer entlastet werden. Ob dabei ein Steuervergütungs- oder Steuererstattungsanspruch entsteht, ist davon abhängig, ob es 394

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 9 IV 1, 195.

395

Tipke/Kruse, AO, § 37 Tz. 6.

396 BFHE 160, 108 (110); Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 6 III 2, 120. 397

Tipke/Kruse, AO, § 37 Tz. 12.

398 BFHE 160, 108 (110); Drenseck, Das Erstattungsrecht der AO 1977, 73; Fischer, in: HHSp., AO, § 38 Rz. 82; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 6 III 2, 120; a.A. BFHE 149, 440 (444); BFH BStB!. 11 1991, 281; Boeker, in: HHSp., AO, § 37 Rz. 27; Koch/Scholtz/Hoffmann, A04, § 37 Rz. 11; Kühn/Hofmann, AO I7 , § 37 Anm. 6; Schwarz, AO, § 37 Anm. 10. 399

Tipke/Kruse, AO, § 37 Tz. 2.

94

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

sich bei der zurückgenommenen Ware aus der Sicht des Inhabers des Steuerlagers um eine versteuerte eigene oder versteuerte fremde Ware handelt. Bei der Rücknahme der eigenen versteuerten Ware in das Steuerlager, wird die fiir die Ware entstandene Verbrauchsteuerschuld erlassen oder - sofern die Leistung bereits erfolgt ist - erstattet. Ein Steuervergütungsanspruch entsteht dagegen, wenn der Inhaber eine versteuerte fremde Ware in das Steuerlager aufnimmt. 400 Als Regelfall ist die Rücknahme versteuerter eigener Waren und damit der Erstattungsanspruch vorgesehen. Denn wegen vom Käufer geltend gemachter Mängel oder Falschlieferungen muß gewährleistet sein, daß der Steuerschuldner die von ihm verkauften Waren in das Steuerlager zurücknehmen kann. Da diese Rückwaren nicht verbraucht werden, muß ihre steuerliche Belastung rückgängig gemacht werden. Der gesetzliche Erstattungstatbestand ist jedoch nicht auf mangelhafte Waren oder Falschlieferungen beschränkt. 401 Ist die Rücknahme in das ursprüngliche Steuerlager aus wirtschaftlichen Gründen ausgeschlossen, können ausnahmsweise auch fremde Waren zurückgenommen und die Verbrauchsteuer erstattet werden. 402

2. Die steuerliche Entlastung bei dem Verbrauch versteuerter Waren in anderen Mitgliedstaaten Werden versteuerte Waren zu gewerblichen Zwecken in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft verbracht, wird die Verbrauchsteuer - je nachdem, ob es sich um eigene oder fremde versteuerte Waren handelt- erstattet oder vergütet. 403 Dies ist etwa der Fall, wenn ein Versandhändler mit Sitz im Steuergebiet versteuerte Waren an Privatpersonen eines anderen Mitgliedstaates verbringt. Er schuldet in diesem Fall die Verbrauchsteuer nach den Bestimmungen des anderen Mitgliedstaates. 404 Um eine doppelte Besteuerung des

400 § 20 I und II BierStG, §§ 30, 31 BierStVO; § 149 I BranntwMonG, § 14 BranntwStVO; § 16 KaffeeStG, § 19 KaffeeStVO; § 25 I I Nr. I MinöStG, § 48 MinöStVO; § 19 I SchaumwZwStG, § 13 SchaumwZwStVO; § 22 I I TabakStG, § 24 TabakStVO.

401

Schröer-Schallenberg, ZfZ 1994,298.

402

Vgl. Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 70 f.; Schröer-Schallenberg, ZfZ 1994,297.

403 Vgl. § 19 BierStG; § 148 BranntwMonG; § 24 MinöStG; § 18 SchaumwZwStG; § 22 TabakStG. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 22 der System-RL (EWG) 92/12.

Danach ist dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten, versteuerte Waren von der inländischen Verbrauchsteuer zu entlasten, sofern sie zum Verbrauch in anderen Mitgliedstaaten vorgesehen sind. 404

Vgl. 1. Teil B. 1II. 3.

VII. Erlaß, Erstattung und Vergütung

95

Verbrauchs zu vermeiden, werden die Waren von der inländischen Verbrauchsteuer entlastet. 3. Die Bedeutung des Belastungsgrundes für den Billigkeitserlaß nach § 227 AO

Durch seine generellen Wirkungen versucht jedes Gesetz, die von der Gesetzesgerechtigkeit geforderte Gleichheit herzustellen. 405 Soweit die Anwendung des Gesetzes in einzelnen Fällen zu Härten fUhrt und dadurch die allgemeine Gleichheit nicht gewährleistet ist, ist der Billigkeitserlaß das Mittel, um das Ergebnis des Einzelfalles im Sinn des dem Gesetz zugrundeliegenden Gedankens zu korrigieren. 406 Die Billigkeit korrigiert das Gesetz selbst, um die Gerechtigkeit im konkreten Fall herzustellen. 407 Die Billigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. 408 Der jeweilige Einzelfall bestimmt, ob das Tatbestandsmerkmal der "Unbilligkeit der Einziehung" erfiillt ist oder nicht. 409 Die Unbilligkeit einer steuerlichen Maßnahme kann ihren Grund in Umständen haben, die entweder in der Person des Steuerschuldners oder in der Sache selbst bestehen. 410 Persönliche Gründe, die einen Billigkeitserlaß rechtfertigen können, liegen vor, wenn die Entrichtung der Steuer in der konkreten Situation die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen zerstört oder ernsthaft

405

Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 7.

406

Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 7.

407 Tipke/Lang, Steuerrecht 14 , 755; Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 7 m.w.N.; vgl. auch Aristoteles, Nikomachische Ethik, V 14. 408 Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 8 f.; a.A. BFH BStBI. II 1990, 673 (675); 1990 11, 1007; 199111,906 (907) in Fortführung von GmSOGB BStBl. 11 1972,603 (zu § 131 I 1 RAO als Vorgängervorschrift zu § 227 AO). Die Rspr. sieht die Erlaßnorrn als einheitliche Errnessensvorschrift, weil der Begriff der Unbilligkeit unlösbar mit der Rechtsfolge "können" verzahnt sei. Damit würde § 227 AO nach Tipke/Kruse, a.a.O. zu dem "Kuriosum einer tatbestandslosen Errnessensvorschrift" - ein Ergebnis, das dogmatisch nicht überzeugt; vgl. auch Tipke/Lang, Steuerrecht 14, 755. 409

Kruse, StuW 1960, 482 (zu § 131 RAO); Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 8.

410

BFH BStBl.1I 1958,284 (st.Rspr.); Koch/Scholz/Krabbe, A04 , § 227 Rz.IO.

96

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

geflihrden würde. 411 Der Belastungsgrund der Verbrauchsteuern ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Sachliche Billigkeitsgründe ergeben sich aus dem anspruchsbegrundenden Tatbestand selbst. 412 Sie sind unabhängig von den in der Person begründeten Umständen, insbesondere von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuer· htlgen. . 413 Pfl IC Auch die sachlichen BilligkeitsgrUnde müssen von der Gerechtigkeitsidee her bestimmt werden. Die Billigkeit erfordert deshalb, daß die Einziehung den Geboten der Gleichheit und des Vertrauensschutzes, den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie dem Erfordernis der Zumutbarkeit genügt und nicht dem der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden Zweck widerspricht. 414 Insoweit darf in dem Zweck des Gesetzes nicht allein der zu erzielende Steuerertrag gesehen werden. In diesem Fall wäre der Billigkeitserlaß fast bedeutungslos. Die Einziehung des Steueranspruchs würde nie dem Zweck des Gesetzes, Einnahmen zu erzielen, widersprechen können. 41S Deshalb darf nicht auf den (Fiskal-) Zweck des Steuergesetzes abgestellt werden. Maßgebend ist vielmehr der gesetzliche Belastungsgrund. Aus ihm folgen die maßgeblichen gesetzlichen Wertungen des jeweiligen Steuergesetzes.416 Ein Erlaß aus sachlichen Koch/Scholz/Krabbe, A04, § 227 Rz. 12; KühnlHofmann, A0 17, § 227 Anm. 4 b. Nach BFH HFR 1962, 276 a.E.; BFH BStBl. 11 1975,727; FG Saarland EFG 1968, 541 sollen fUr den Erlaß abwälzbarer Steuern Besonderheiten hinsichtlich der persönlichen Billigkeitsgründe gelten. Ein Erlaß soll ausscheiden, wenn die Überwälzung noch möglich sei. Abwälzbare Steuern seien in der Regel einkalkulierte Geschäftsunkosten. Erst wenn die Überwälzung unmöglich geworden sei, seien auch die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners.zu prüfen. Nach BFH BStBI. 11 1975, 727 fUhre der Erlaß in diesen Fällen zu einer Verzerrung der Wettbewerbssituation zwischen den Unternehmen. Tatsächlich fUhrt auch ein Erlaß der Einkommen- oder Körperschaftsteuer bei Unternehmern zu einer Verzerrung des Wettbewerbs. Das darf jedoch für die Voraussetzungen eines Billigkeitserlasses, dessen Voraussetzungen sich auf den konkreten Einzelfall beziehen, keine Bedeutung haben, vgl. Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 15. 4ll

412

Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 19.

413 Elsen, StuW 1959,511 (zu § 131 RAO); Koch/Scholz/Krabbe, A0 4 , § 227 Rz. 19; Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 19. 414 Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 19a, 19b mit umfangreichen Nachweisen im Hinblick auf die einzelnen Gerechtigkeitspostulate. 415 Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 19b. Vgl. auch die AusfUhrungen zu den Verweisungsnormen entsprechend, 1. Teil B. IlI. 1.

416

BVerfG ZfZ 1995, 44 (47). Insoweit sind - entsprechend der objektiven Ausle-

VII. Erlaß, Erstattung und Vergütung

97

Gründen setzt den Belastungsgrund voraus, um ihm im Einzelfall durch die Korrektur der Gesetzesanwendung gerecht zu werden. Der Belastungsgrund der Verbrauchsteuern besteht darin, den Verbrauch einer gesetzlich festgelegten Ware steuerlich zu erfassen. Soll der tatsächliche Verbrauch der Ware belastet werden, darf jede Ware letztlich nur einmal mit der jeweiligen Steuer belastet werden. Dementsprechend entsteht an sich ein von den Verbrauchsteuergesetzen "nicht gewollter Überhang über den gesetzlichen Tatbestand, der über den gesetzlichen Zweck hinausgreift",417 wenn dieselbe Ware mehrfach belastet wird. In Fällen der mehrfachen Belastung derselben Ware muß jedoch nicht automatisch ein Billigkeitserlaß gewährt werden. Vielmehr ist in dem jeweiligen Einzelfall das schutzwürdige Interesse der öffentlichen Hand, das im Erhalt des erwarteten Steueraufkommens besteht,4U gegenüber dem schutzwürdigen Interesse des Steuerpflichtigen abzuwägen. 419 Wegen dieses öffentlichen Interesses begegnet es keinen Bedenken, wenn der Gesetzgeber die Entstehung der Steuerschuld für dieselbe Ware an verschiedene Tatbestände knüpft:20 zumal der mehrfachen Belastung die Vorschriften über Erlaß, Erstattung und Vergütung entgegenwirken. 421 Jedoch hat der Belastungsgrund der Verbrauchsteuern nicht hinter dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Steueraufkommens zurückzutreten. 422 Steht fest, daß die Steuerschuld für die Ware einmal erfüllt worden ist, besteht gungstheorie - die objektiven Wertungen, wie sie in dem Gesetz zum Ausdruck kommen, maßgebend. Sie führen zu rational nachprüfbaren Ergebnissen, während dies bei der inzwischen überholten subjektiven Auslegungstheorie, die auf den Willen des historischen Gesetzgebers abstellt, gerade nicht gewährleistet wäre; vgl. Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 19; § 4 Tz. 82 ff. 417 Diese Formulierung wählt der BFH in st. Rspr., z.B. BFH BStBl. 11 1990, 259 (260); 1991 11, 498 (500); 1991 11, 541 (542). Vgl. auch BVerfGE 48, 102 (116); BVerfG ZfZ 1995,44 (47); Bopp, DStR 1979, 216 f. 418

Elsen, StuW 1959, 503 (zu § 131 RAO); Koch/Scholz/Krabbe, A04, § 227 Tz. 9.

419

Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 11.

420

Vgl. oben 1. Teil B. III. 6.

421 Allerdings wird die mehrfache Belastung durch diese Vorschriften nicht zwingend ausgeschlossen. 422 So aber Peters, Verbrauchsteuerrecht, 195 und Schädel/Langer/Gotterbarm, MinöStG 1989, § 3 Rn. 6, § 12 Rn 82.

7 D. Müller

98

1. Teil, B: Rechtliche Strukturen der Verbrauchsteuergesetze

kein öffentliches Interesse, rur dieselbe Ware noch einmal eine Verbrauchsteuer zu erheben. Wenn keine verbrauchsteuerrechtliche Vorschrift über den Erlaß, die Erstattung oder die Vergütung einschlägig ist, muß423 in diesen Fällen die mehrfache Belastung derselben Ware mit einem Billigkeitserlaß nach § 227 AO rückgängig gemacht werden. 424 Der Bundesfmanzhof hat die mehrfache Besteuerung als unbedenklich angesehen, wenn eine bereits versteuerte Ware in ein Steuerlager ohne Erstattung zurückgenommen und von dort wieder in den freien Verkehr entnommen worden ist. 42S Die wiederholte Steuerentstehung hat er aus erhebungsrechtlichen Erwägungen zugelassen. Müßte die Finanzbehörde in demselben Lager zwischen versteuerter und unversteuerter Ware unterscheiden, ruhrte dies zu erheblichen Unsicherheiten bei der Steuererhebung. 426 Nur wenn die versteuerten und unversteuerten Waren ohne Schwierigkeit voneinander unterschieden werden könnten, sei es mit dem Wesen einer Verbrauchsteuer unvereinbar, wenn erneut eine Verbrauchsteuer entstehe. 421 Diese Auffassung berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts noch nicht in ausreichender Weise. Danach darf man von dem Inhaber des Steuerlagers nur verlangen, den Nachweis zu erbringen, daß die Ware bereits einmal versteuert und die Steuerschuld beglichen worden ist. Ist das der Fall, muß die Finanzbehörde wegen des Belastungsgrundes der Verbrauchsteuergesetze den Billigkeitserlaß gewähren. 428

423 Steht die Unbilligkeit der Einziehung tatbestandsmäßig fest, so besteht ein Rechtsanspruch auf den Erlaß. Der Ermessensspielraum für die Finanzbehörde ist derart eingeengt, daß jede andere Entscheidung ermessensfehlerhaft wäre; str., ausführlich zu dem Streitstand Tipke/Kruse, AO, § 227 Tz. 10.

424

BVerfG ZfZ 1995,44 (47).

425 BFH BStBI. III 1958, 151 (153); BFHE 93, 114 (116); 158, 185 (188). Hat allerdings eine einzelne Person die verschiedenen Tatbestände verwirklicht, hat der BFH die Konsumtion der Tatbestände angenommen, so daß nur eine Steuerschuld entstanden ist; vgl. BFHE l37, 519 (523 ff.). Ebenso Hessisches FG EFG 1982, 158; FG München EFG 1982,433; FG Rheinland-Pfalz EFG 1983,477.

426

BFHE 93,114 (116); 158, 185 (188); BFHNV 1989, 179 (180).

427

BFHE 109,89 (92).

428 Wobei der Inhaber des Steuerlagers als Steuerschuldner, nicht der Erwerber der erneut versteuerten Ware, den Billigkeitserlaß verlangen kann. Denn nur zwischen dem Steuerschuldner und der Finanzverwaltung besteht das Steuerschuldverhältnis, das § 227 AO tatbestandIich voraussetzt; vgl. BFH NV 1986,705 (706) m.w.N.

VII. Erlaß, Erstattung und Vergütung

99

4. Erlaß und Erstattung auf Grund der sinngemäßen Verweisung auf die ZollvorschriJten

Werden Waren aus Drittländern in das Steuergebiet eingefilhrt, richten sich Erlaß und Erstattung der Steuerschuld nach dem Zollkodex (Art. 235 ff. ZK).429 Die Vorschriften des Zollkodex regeln die Entlastung von zu hoch erfaßten und/oder festgesetzten Verbrauchsteuern. 43o Sie enthalten keine materielle Aussage, die auf der Belastungsentscheidung des Gesetzgebers, den Verbrauch der Waren steuerlich zu erfassen, beruht. Allein die unrichtig festgesetzte Steuerschuld oder die aus diesem Grund erfolgte Zahlung soll wieder rückgängig gemacht werden. Hierzu zählen auch die Fälle, in denen trotz des Vorliegens eines Tatbestandes der Einfuhr-Verbrauchsteuerbefreiungsverordnung431 eine Verbrauchsteuer erhoben worden ist. Auch wenn Erlaß und Erstattung der Steuerschuld hier in den Regelungsbereich des Zollkodex fallen, ist ein BiIIigkeitserlaß nach § 227 AO nicht prinzipiell ausgeschlossen, sofern das entsprechende Ergebnis nicht bereits erreicht werden konnte. 432 Durch die Verweisungsvorschriften werden die Regelungen des Zollkodex materiell in das nationale Verbrauchsteuerrecht inkorporiert, so daß sie quasi zu nationalen Regelungen werden. 433 Der Zollkodex gilt deshalb nicht als europäische Verordnung, so daß er weder die Verbrauchsteuergesetze noch die Abgabenordnung434 überlagern kann.

429 Zu den Verweisungsvorschriften vgl. 1. Teil B. III. 1. 430 Vgl. Witte/Huchatz, ZK, Vor Art. 235 Rz. 1; Worms, in: Dorsch, Kommentar Zollrecht, Teil B I, ZK, Art. 235-242 Rn. 1. 431 Vom 3. August 1993, BGBI. I, 1461 (1465). 432 Tipke/Kruse, AO, § 1 Tz. 22. In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob bei nationalen Verweisungsvorschriften die zollrechtlichen Vorschriften leges specialis gegenüber den Regelungen der AO sind (so BFHE 161, 260 (263); a.A. FG München ZfZ 1988, 310). 433

Friedrich, Stu W 1995, 27.

So aber Witte/Huchatz, ZK, Vor Art. 235 Rz. 5; a.A. Koch/Schotz/Krabbe, A04 , § 227 Rz. 6 zur VO (EWG) 1430/79 - ErstattunglErlaß -, die durch Art. 235 ff. ZK ersetzt wurde. Nur bei direkter Anwendung auf Einfuhrabgaben (Art. 4 Nr. 10 ZK) überlagert der ZK als Gemeinschaftsrecht die Abgabenordnung, so daß ein Billigkeitserlaß hier ausscheidet; vgl. dazu EuGH HFR 1973, 404; Friedrich, StuW 1995,25. 434

100

1. Teil, C: Zusammenfassung

C. Zusammenfassung I. Die Vorschriften der Verbrauchsteuergesetze, die die Steuerobjekte, die Anknüpfungspunkte für die Steuerentstehung, die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren und die Steuervergünstigungen betreffen, beruhen im wesentlichen auf den europäischen Richtlinien zur Hannonisierung. Sie sind nach den klassischen Methoden der deutschen juristischen Methodenlehre auszulegen. Die richtlinienkonfonne Auslegung stellt sicher, daß das so gewonnene Auslegungsergebnis den Richtlinien nicht widerspricht. 2. Über die Mindeststeuersätze in den Steuersatz-Richtlinien räumt die Europäische Gemeinschaft dem nationalen Gesetzgeber einen Spielraum für die Belastung der Steuerobjekte ein. Soweit ein Mindeststeuersatz null ECU beträgt, überläßt sie die Belastungsentscheidung für die Ware dem nationalen Gesetzgeber. 3. Die Verbrauchsteuergesetze defmieren die Steuerobjekte durch starre Verweisungen auf die bis zum 19. Oktober 1992 geltende Kombinierte Nomenklatur. 4. Die unversteuerten Waren unterliegen der Sachhaftung (§ 76 AO) und der besonderen Steueraufsicht (§§ 209 ff. AO). Das Aussetzungsverfahren stellt sicher, daß die belasteten Waren unversteuert zwischen Steuerlagern innerhalb der Gemeinschaft befördert werden können. Es folgt dem Bestimmungslandprinzip. Dadurch wird die Verbrauchsteuer in dem Mitgliedstaat erhoben, in dem die Ware in den Wirtschaftskreislauf eingeht und schließlich verbraucht werden soll. 5. Die Steuerentstehungstatbestände knüpfen an den Übergang der Ware in den Wirtschaftskreislauf an. Im Regelfall stellen sie auf das Entfernen der Ware aus einem Steuerlager bzw. aus dem Aussetzungsverfahren oder - im Fall der Einfuhr aus Drittländern - auf die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr ab. Durch diese Anknüpfungspunkte wird der Verbrauch der Ware nur mittelbar steuerlich erfaßt. Sofern die Steuerentstehung an die Entnahme der Ware aus dem Steuerlager zum Verbrauch anknüpft, wird unmittelbar der Verbrauch besteuert. Dieser Anknüpfungspunkt hebt den Belastungsgrund der Verbrauchsteuern deutlich hervor. 6. Die Bemessungsgrundlagen der Verbrauchsteuern beziehen sich im Regelfall auf Eigenschaften der Ware, wie Menge, Verpackung oder Alkoholgehalt. Lediglich im Tabaksteuergesetz ist der Wert der Tabakwaren maßgebend. Die Steuerschuldner haben eine Steueranmeldung abzugeben. Die Verbrauchsteuerschulden sind innerhalb der gesetzlich bestimmten Fristen zu begleichen.

I. Teil, C: Zusammenfassung

tOl

7. Der Belastungsgrund der Verbrauchsteuern prägt die Steuervergünstigungen und die Erstattungsvorschriften nur zum Teil. Er kommt zum Ausdruck, wenn die Vorschriften die mehrfache steuerliche Belastung einer Ware vermeiden oder rückgängig machen wollen. Sie heben die Belastung auf, wenn sich nach der Entnahme der Waren in den freien Verkehr ergibt, daß kein steuerbarer Verbrauch im Steuergebiet gegeben ist. Hierzu zählen etwa die Fälle der Ausfuhr, der Vernichtung oder des Untergangs der Ware. Soweit diese Vorschriften bestimmte gewerbliche Verwendungen der Ware von der Besteuerung ausnehmen, zeigt sich die Intention des Gesetzgebers, nur den konsumtiven Verbrauch der Ware zu besteuern. Zum Teil verfolgt der Gesetzgeber mit Steuervergünstigungen und Erstattungsvorschriften außerhalb des Verbrauchsteuerrechts liegende Ziele. Er setzt sie als Lenkungsnormen ein, die den Belastungsgrund der Verbrauchsteuern nicht prägen. 8. Der Belastungsgrund der Verbrauchsteuern erfordert, dieselbe Ware nur einmal zu besteuern. Wird die mehrfache Belastung der Ware nicht bereits durch die Vorschriften über Erlaß, Erstattung oder Vergütung vermieden, ist sie durch einen Erlaß aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO) zu verhindern.

2. Teil

Der Begriff der Verbrauchsteuern Der Versuch, Steuern in Steuerarten einzuteilen, ist kein juristischer Selbstzweck. Steuerrecht ist staatliches Eingriffsrecht, das verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muß. Art. 105 Abs. 2a GG verbietet den Ländern und Gemeinden, mit bestehenden Bundessteuern gleichartige Steuern zu erheben. Die Einteilung der Steuerarten und die Aufteilung der Steuerhoheit dienen zum einen dazu, diese nationale Doppelbesteuerung zu verhindern. I Zum anderen enthält die Abgabenordnung auf einfachgesetzlicher Ebene Vorschriften, die bestimmte Steuerarten voraussetzen. 2 Deshalb ist ein rechtliches Instrumentarium notwendig, mit dem Steuerarten bestimmt werden können. Es müssen rechtliche Merkmale vorliegen, die die Art oder das Wesen einer Steuer bestimmen. Sie können sich nur aus den gesetzlichen Strukturen selbst ergeben. 3 Ordnungskriterien hat auch die Finanzwissenschaft entwickelt. Diese Kriterien sind jedoch an den wissenschaftlichen Zielen der Finanzwissenschaft ausgerichtet. In erster Linie will dieser Zweig der Wirtschaftswissenschaft die volks- und betriebswirtschaftlichen Wirkungen verschiedener Steuerarten beschreiben. Die Wechselbeziehungen zwischen öffentlicher Wirtschaft und den Steuerpflichtigen bzw. Steuerträgern will die Finanzwissenschaft so gestalten helfen, daß die gegenläufigen Interessen unter möglichst geringer gegenseitiger wirtschaftlicher Beeinträchtigung zum Ausgleich gebracht werden können. 4 Der Gesetzgeber kann die von Finanzwissenschaftlern entwickelten Ordnungskriterien übernehmen, indem er sie durch Gesetzgebungsakt in das positive Recht aufnimmt. 5 Nur dann können sie durch ihre gesetzliche Verankerung auch für die steuerrechtliche Klassifizierung der Steuerarten Bedeutung gewinnen. 6

I

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 lid, 65.

2

KochlScholtz, A04, § 3 Rz. 18; TipkelKruse, AO, § 3 Tz. 38.

3

Vgl. Gang der Untersuchung.

4

So schon Popitz, FS v. Schanz, Bd. 1,47.

5

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 4 I, 24.

6

Markull, VJSchrStuFR 1930, 589; TipkelKruse, AO, § 3 Tz. 38.

2. Teil, B: Die geschichtliche Entwicklung

103

A. Die Verbrauchsteuern als Steuertypus Bestimmte Eigenschaften und Merkmale lassen sich bei verschiedenen Steuerarten feststellen. Da sich Steuerarten historisch nebeneinander entwickelten, überschneiden sie sich in einzelnen Merkmalen. Deshalb sind die verschiedenen Steuerarten keine Begriffe, die einer Subsumtion zugänglich sind. Sie unterscheiden sich nicht durch trennscharfe Tatbestandsmerkmale. Die Steuerarten können nur typologisch bestimmt werden. Kennzeichnend für den Typus ist, daß er sich nicht defmieren, sondern nur beschreiben läßt. 7 Der Typus einer Steuerart erschließt sich über die wesensprägenden Strukturelemente. Maßgebend sind die wesentlichen Merkmale des Regelungsgegenstandes, seine Struktur im ganzen. 8 Die grundlegenden Gestaltungsformen prägen den Charakter oder das Wesen einer Steuerart. 9 • Die Strukturmerkmale, die für einen Typus konstitutiv sind, sind von denen zu trennen, die ihn nur zusammen mit anderen Merkmalen kennzeichnen. IU

B. Die geschichtliche Entwicklung Steuerrecht ist historisch gewachsenes Recht. Deshalb kann die historische Entwicklung Aufschluß über die verschiedenen Steuerarten und ihre gesetzlichen Merkmale geben. I I Die Tradition oder das historisch überlieferte Bild einer Steuer taugt für sich allein genommen aber nicht als Abgrenzungskriterium. Eine allein an dem geschichtlich überlieferten Bild vorgenommene rechtliche Prüfung führt zu einem Zirkelschluß. 12 Die geschichtliche Entwicklung kann nur das Entstehen der einzelnen Merkmale einer Steuer erklären. Auf sie kann zurückgegriffen werden, um zu entscheiden, weIches Bild der Gesetzgeber von der betreffenden Einzelsteuer gehabt hat, als er entsprechende Normen geschaffen hat. 13 Deshalb sind die harmonisierten Verbrauchsteuergesetze vor dem Hintergrund ihrer geschichtlichen Entwicklung zu betrachten. Vogel, StuW 1971,314.

7

8 BVerfGE 21, 12 (25); Radi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, 188 m.w.N. 9

Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, 18.

10

Radi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, 189.

11 Auch das BVerfG (NJW 1995, 2615 [2616]) bezieht deshalb die historische Entwicklung ein, um Steuerarten zu beschreiben.

12

Tipke/Kruse, AO, § 3; Tz. 39; Vogel/Waller, BK, GG, Art. 105 Rn. 104.

13

BVerfGE 26, 302 (309); 27, 111 (126); Tipke/Kruse, AO, § 3 Tz. 39.

104

2. Teil, B: Die geschichtliche Entwicklung

I. Die Akzise als Vorliuferin der Verbrauchsteuern

Erstmalig trat die Verbrauchsbesteuerung in Fonn der Belastung von Waren durch die Akzise auf. I4 Im Mittelalter filhrten zunächst die bedeutenden Handelsstädte eine umfassende Akzisenbesteuerung ein. Sie konnten durch die Akzise ihren Finanzbedarf in weitem Umfang decken. I5 Seit dem 13. Jahrhundert entwickelte sich ein Steuerwesen, das regelmäßig in einer Kombination indirekter Verbrauchs- und Verkehrsabgaben und gebührenartiger Abgaben bestand, deren Erhebungsrecht die Städte von dem ursprünglich berechtigten König, Bischof oder Landesfilrsten erhielten. I6 Diese Kombination gründete sich zum Teil auf ältere Zölle und Marktabgaben, deren Umfang sie faktisch erweiterten und ausdehnten. I7 Zölle hatten bis ins Mittelalter vorwiegend den Charakter von Benutzungsgebühren filr Land- und Wasserstraßen, Brücken, Märkte und Hafenanlagen. Sie sollten in erster Linie Einnahmen erbringen. Bis zur Entstehung von Zoll- und Wirtschaftsgebieten im 17./18. Jahrhundert wurden sie vor Ort an Hebestellen und nicht beim Überschreiten einer Staatsgrenze erhoben. 18 Die Akzisen belasteten vor allem den Konsum von Waren des täglichen Bedarfs, insbesondere Lebens- und Genußmittel. I9 Besonders beliebt und ergiebig waren die Tranksteuem auf Wein oder Bier, die "Ungeld" oder "Zise" genannt wurden. 20 Daneben erfaßte die Akzise Branntwein, Braumalz, Zucker und auch

14 Senckpiehl, Strukturwandlungen, 5. Boelke, Die sanftmütige Accise, 106 sieht die Akzise als Urfonn der indirekten Besteuerung. Zur etymologischen Herleitung des Wortes Akzise, vgl. Förster, Verbrauchsteuern, 4 Fn. 5 m.w.N.: a) accidere (abhauen, abschneiden; bezogen auf den Warenpreis); b) ineisio (Kerbe; zurückgehend auf die rechnerische Benutzung von Kerbhölzern); c) ad eisa (als zusätzliche Abgabe); d) assisa (Ständeversammlung, die das Recht zur Steuerbewilligung hatte). 15 Anfang des 15. Jahrhunderts hatten indirekt erhobene Verbrauchsteuern in Frankfurt einen Anteil von 60 % an den Einnahmen, im 15./16. Jahrhundert in Köln und Basel von 90 %; Hamburg deckte gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges 42 % seiner Einnahmen aus indirekten Abgaben; vgl. Boelcke, Die sanftmütige Accise, 98 f. 16

Wagner, Steuergeschichte, 56.

17

Wagner, Steuergeschichte, 59.

18 Schwarz, in: SchwarzlWockenfoth, Zoll reche, Einleitung, Rn. 5; Wagner, Steuergeschichte, 49 f.; Witte/Woljfgang, Lehrbuch des europäischen Zollrechts2, 29.

19

Wagner, Steuergeschichte, 59.

20

Boelcke, Die sanftmütige Accise, 99.

I. Die Akzise als Vorläuferin der Verbrauchsteuem

105

Kom, Salz und Vieh. 21 Ihre Erhebung erfolgte zum Teil beim Passieren der Ware an den Stadttoren. Insoweit bestand kein erhebungstechnischer Unterschied zu den Zöllen. Zum Teil wurde die Akzise auf dem Markt oder in den Lagerhäusern beim Abwiegen oder Messen erhoben. Ebenso kam es vor, daß sie beim Verkäufer der Ware oder - in geeigneten Fällen - bei dem Konsumenten selbst erhoben wurde. 22 Die Städte hatten einen erhöhten Finanzbedarf, weil hier mit Kosten verbundene öffentliche Tätigkeiten - etwa der Schutz der Bürger durch die Befestigung und die Bewachung der Städte, sowie die Verwaltung und Wohlfahrtspflege 23 - entstanden. Besonders die Reichsstädte, die Mittelpunkte kleinerer Territioralherrschaften wurden und die über kein größeres Grundeigentum verfUgten, waren auf die Einnahmen aus den Akzisen angewiesen. Hier entstand zuerst die Idee einer öffentlich-rechtlichen Steuerpflicht des Bürgers gegenüber· dem Gemeinwesen. 24 Außerdem befanden sich die Städte bereits in einem wirtschaftlichen Entwicklungsstadium, das die Voraussetzung schuf, Waren durch Akzisen zu belasten. In dieser Hinsicht war ein möglichst umfangreicher Marktverkehr mit dem entsprechenden Güterumsatz erforderlich, um Akzisen erheben zu können. 25 Die Landesherren der souveränen deutschen Territorien, die im Mittelalter ihren Finanzbedarf aus dem Domänenbesitz, den Regalien und Zöllen bestritten, übernahmen im 17./ 18 . Jahrhundert das städtische System der Besteuerung durch Akzisen. Die Staatshaushalte der Landesherren waren im besonderen Maße durch die Wirkungen des Dreißigjährigen Krieges belastet. Das Militärwesen des Mittelalters hatte sich geändert. Die LandesfUrsten benötigten ein stehendes Söldnerheer. Hinzu kamen die Ausgaben der fUrstlichen Höfe, deren Luxusbedürftigkeit, sowie ein sich vergrößernder Verwaltungsapparat. 26 Ein ständiger Geldwertverfall schmälerte darüberhinaus die Realeinnahmen. 27 Nicht alle Ausgaben konnten durch Einsparungen verringert werden. Die LandesfUrsten der Territorien sahen sich infolge der Überschuldung der Staatshaushalte gezwungen, neue, einfach zu erhebende Abgaben zu erschließen. Das erfolgrei21

Senckpiehl, Strukturwandlungen, 6, Fn. 4 a.E.; Wagner, Steuergeschichte, 59 f.

22

Wagner, Steuergeschichte, 59 f.

23

Mayer, HdFiWe, Bd. 1,267; Wagner, Steuergeschichte, 58 m.w.N.

24

Wagner, Steuergeschichte, 56 ff.

25

Boelcke, Die sanftmütige Accise, 114; Wagner, Steuergeschichte, 62.

26

Boelcke, Die sanftmütige Accise, 96; Senckpiehl, Strukturwandlungen, 22.

27

Boelcke, Die sanftmütige Accise, 96; Senckpiehl, Strukturwandlungen, 22.

106

2. Teil, B: Die geschichtliche Entwicklung

che Beispiel der Handelsstädte und der im 16. Jahrhundert in Holland erhobenen "Generalakzise,,28 hatten sie dabei im Blick. Zunächst versuchte Brandenburg-Preußen im Jahr 1667 eine umfassende Akzisenbesteuerung an Stelle der Kontributionen, einer Militärsteuer auf Grund eines Katasters,29 einzufUhren. 30 Das Steuerbewilligungsrecht dafilr lag jedoch bei den Ständen. Sie wehrten den Versuch des Kurfiirsten Friedrich Wilhelm, in ihr Steuerbewilligungsrecht einzugreifen, ab. 31 Die ersten Akziseordnungen entstanden daraufhin unabhängig voneinander im Nordosten Deutschlands, dem Herzogtum Pommern, und im Südwesten, dem Herzogtum Württemberg. 32 Aus diesen Anfiingen entwickelte sich in den verschiedenen deutschen Staaten eine Akzisenbesteuerung, die von starken regionalen Unterschieden geprägt war. Dies galt filr ihren Umfang, ihre Erhebung und die von ihr belasteten Waren. 33 Diese Unterschiede folgten den verschiedenen wirtschaftlichen Entwicklungsstadien der einzelnen Territorien. Da die Belastung von Waren durch Akzisen ein wirtschaftliches Entwicklungsstadium mit einem möglichst umfangreichen Warenumsatz voraussetzte,34 blieb es in agrarisch geprägten Staaten bei einer direkten Besteuerung, etwa in Form der überlieferten Grund- und Vermögenssteuer. 35 In Agrarstaaten war ein Warenumsatz, an den die Akzisenerhebung anknüpfen konnte, weitgehend nicht vorhanden. Agrarisch geprägten Staaten fehlte eine stark gegliederte Arbeitsteilung. Der Grad der Selbstversorgung war zu hoch, so daß ein Warenumsatz regelmäßig noch in der Form des Naturaltausches erfolgte. 36

28 Boelcke, Die sanftmütige Accise, 98, 105. 29 Wolf, "Zur Einführung einer Gott wohlgefälligen Gleichheit auf ewig Schultz, Mit dem Zehnten fing es an, 168.

in:

30 In einigen Landesteilen war es Friedrich Wilhelm 1641 zeitweilig gelungen, eine "General akzise" zu erheben; vgl. Schmölders, HdFiWi2, Bd. 2, 655. 31

Boelcke, Die sanftmütige Accise, 104 f; Schmölders, HdFiWe, Bd. 2, 635/655.

32 Boelcke, Die sanftmütige Accise, 105. 33 Zu den Einzelheiten ausführlich Boelcke, Die sanftmütige Accise, 104-108. 34

Boelcke, Die sanftmütige Accise, 114; Wagner, Steuergeschichte, 62.

35

Boelcke, Die sanftmütige Accise, 1141118.

36

Boelcke, Die sanftmütige Accise, 114 f.

I. Die Akzise als Vorläuferin der Verbrauchsteuem

107

Im Zeitalter des Absolutismus galten die Akzisen als ideale Besteuerungsform. Diese Einschätzung teilte zunächst37 die Mehrheit der Praktiker und Theoretiker, die sich mit den Staatsfmanzen beschäftigten. 3B Das Erstaunliche an dieser Bewertung war, daß das Wesen der Akzise nicht ohne Schwierigkeiten bestimmt werden konnte. Sie wurde nicht nur als Verbrauchs- oder Verkehrsteuer im heutigen Sinn angesehen. Oft wurde die Akzise auch einem Zoll gleichgestellt. 39 Sie wurde nicht einmal zwingend als indirekte Steuer verstanden. Beispielsweise zeigt sich an den Akzisen Sachsens und BrandenburgPreußens, daß unter dem einheitlichen Begriff Akzise jeweils ein ganzes Steuerbündel verstanden wurde. 40 In Sachsen entwickelte sich aus einer im 15. Jahrhundert erstmals bewilligten städtischen Warenverkaufsabgabe ein ganzes Steuersystem unter der Bezeichnung Akzise. Der Verbrauch inländischer und ausländischer Erzeugnisse, der Wirtschaftsverkehr durch Kauf und Tausch, städtischer Grundbesitz und Gewerbebetriebe wurden auf dem gesamten Territorium durch die Akzise belastet. In der Mitte des 17. Jahrhunderts bestand die Akzise in Brandenburg-Preußen aus einer Getränke-, einer Mahl- und Schlachtsteuer, einer Abgabe auf einge-

37 Über die Vor- und Nachteile einer Verbrauchsbesteuerung stritten FinanzwissenschaftIer erstmals in dem "Akzisenstreit" im 17./18. Jahrhundert. Teutophylus als Befürworter der Akzisen (in: Entdeckte Gold-Grube in der Akzise, Zerbst 1685, zit. nach Förster, Die Verbrauchsteuem, 9, Fn. 39) verwies auf die hohe fiskalische Ergiebigkeit dieser Art der Besteuerung, die auf eine Vielzahl von Gegenständen erhoben werden könne, ohne daß der Belastete die Möglichkeiten habe, auf ein anderes Gut auszuweichen. Da die Akzise auf den Verkaufspreis aufgeschlagen werde, sei ihre Erhebung unmerklich; dies sei ein psychologischer Vorteil für den Staat. Schließlich würden die einfache Erhebungsart und die Möglichkeit der wirtschaftspolitischen Lenkung für diese Form der Besteuerung sprechen. Als Gegner der Akzise kritisierte v. Justi (in: Staatswirthschaft, 2. Teil [1755], §§ 265 ff., zit. nach Förster, Die Verbrauchsteuem, 9, Fn. 46) im besonderen, daß sie zu Nachteilen für das Gewerbe fUhre, das durch sie belastet werde. Die persönliche Leistungsfähigkeit einer Person werde durch die Akzise nicht berücksichtigt, weil das belastete Gut unabhängig von dem zur Verfügung stehenden Einkommen gekauft werden müsse. Auf diese gegensätzlichen Standpunkte läßt sich die Auseinandersetzung in der Finanzwissenschaft bis heute zurückverfolgen, vgl. Hansmeyer, HdFiWe, Bd. 2, 743. 38

Mann, Steuerpolitische Ideale, 50.

39

Mann, Steuerpolitische Ideale, 50 m.w.N.

40

Vgl. zu diesen Beispielen Mann, Steuerpolitische Ideale, 51.

108

2. Teil, B: Die geschichtliche Entwicklung

fUhrte Lebensmittel, einer Besteuerung des Handels, der Produktion und Konsumtion gewisser gewerblicher Waren und einer verhältnismäßig geringen Kopf-, Vieh-, Grund- und Gewerbesteuer. Thre Erhebung war ebensowenig einheitlich. Die Akzise wurde beim Einbringen der Ware in die Stadt, bei der Herstellung oder beim Verkauf der Ware erhoben. 11. Die Akzisen im 19. Jahrhundert

Reformen der Akzisen fmden sich in den deutschen Einzelstaaten im 19. Jahrhundert. Durch die napoleonischen und die Freiheitskriege veränderten sich die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen Staaten bedeutend. Ebenso wie in den Städten des Mittelalters und in der Ära des Absolutismus war der besondere Finanzbedarf, der durch den Aufwand zur Tilgung der Kriegsschulden entstand, ein äußerer Anlaß dieser Reformen. Hinzu trat die Notwendigkeit, das Finanzwesen neu zu schaffen, nachdem durch die Friedensverträge Kleinstaaten in größeren Staaten aufgegangen waren. 41 Diese Staaten stellten ein einheitliches Wirtschaftsgebiet dar oder bildeten sich zu einem solchen aus. In diesem einheitlichen Wirtschaftsgebiet waren die im Binnenland erhobenen Zölle und die unterschiedlichen inneren Verbrauchsteuern ein Störfaktor für den Handel. Wie sich die Zölle und die Verbrauchsteuern auf Grund dieser Gemeinsamkeit entwickelten, sei exemplarisch am Beispiel Preußens dargestellt. Denn diese Entwicklung setzte sich fort über den Zollverein und den Norddeutschen Bund bis in das 1871 gegründete Deutsche Reich. Die Binnenzölle wandelten sich zu Gebietszöllen, die an den Grenzen der einheitlichen Wirtschaftsgebiete erhoben wurden. 42 So verlagerte Preußen nach dem Ende des Deutschen Reichs im Jahr 1806 die Zollerhebung an die Landesgrenzen und schuf damit Gebietszölle. Diese Entwicklung vollzogen später auch Bayern und die anderen Länder. 43 Preußen beseitigte 1810 das unübersichtlich gewordene Akzisensystem 44 und ersetzte es durch "Consumtions-Steuern", die den Verbrauch weniger, bestimm-

41 Reichsjinanzministerium, Gedenkschrift, 51; Wagner, Steuergeschichte, 234, 244J., 296 f.

42

Wagner, Steuergeschichte, 296 f.

43

SchwarzlWockenJoth, Zollgeseti, Einleitung Rn. 8.

44 Zeitweilig wurden bis zu 2775 Waren belastet; vgl. Schremmer, Steuern und Staatsfinanzen, 124 m.w.N.

III. Zollverein und Norddeutscher Bund

109

ter Waren45 belasteten und wie Akzisen erhoben wurden. 46 Die "ConsumtionsSteuern" wurden 1818 aufgehoben und erstmalig durch Steuern ersetzt, die ausdrücklich als Verbrauchsteuern bezeichnet wurden. Diese Verbrauchsbesteuerung erstreckte sich im Gegensatz zu den Akzisen nicht auf Waren des Inlands, sondern sie erfaßte ausschließlich ausländische Waren. Diese Besteuerung war faktisch ein besonderer Einfuhrzoll, wenn auch weiterhin zwischen Zöllen und Verbrauchsteuern rechnerisch unterschieden wurde. 47 Durch die gleichzeitige Erhebung verschmolzen diese beiden Formen der Belastung importierter Waren unter der Bezeichnung "Eingangszoll". Es entsprach der preußischen Rechtsauffassung, den Zollanspruch und den Verbrauchsteueranspruch gleichzusetzen, soweit ausländische Waren belastet wurden. 48 Im Jahr 1819 knüpfte der Staat Preußen an die ursprüngliche Akzisenbesteuerung an. Insoweit wurde ausschießlich der Verbrauch inländischer Waren besteuert. Diese Form der Verbrauchsbesteuerung bestand unabhängig von der unverändert fortbestehenden Verbrauchsbesteuerung auf eingeführte ausländische Waren. 49 III. Die Verbrauchsteuern des Zollvereins und des Norddeutschen Bundes

Anstoß zur Weiterentwicklung der schon zuvor in Preußen reformierten Verbrauchsteuern war die Gründung des Zollvereins im Jahr 1833. Der Vertrag vom 22. März 1833 beseitigte die Zollerhebung zwischen den Vertragsstaaten. Zwischen ihnen war jedoch keine vollständige Handelsfreiheit herzustellen,

45 Erstmalig sollten - neben den Steuern auf den Konsum - Luxusgegenstände besteuert werden. Die Besteuerung von Reit- und Kutschpferden, von Bediensteten, Dienstboten, Hunden u.a. ließ sich als "Luxus-Konsum" aber nicht brauchbar erfassen. Die Luxusbesteuerung erwies sich als undurchfUhrbar und unergiebig und wurde wieder aufgegeben; vgl. Schremmer, Steuern und Staatsfinanzen, 124.

46 Senckpiehl, Strukturwandlungen, 7. Vgl. auch Reichsjinanzministerium, Gedenkschrift, 51. 47 Senckpiehl, Strukturwandlungen, 7. Diese Verbrauchsteuern wurden zugleich mit dem Einfuhrzoll erhoben, so daß der Importeur nur einen Geldbetrag zu zahlen hatte. Die Unterscheidung wurde durchgefUhrt, indem fUnf Achtel dieser Einnahmen den Verbrauchsteuern gutgeschrieben wurden; vgl. Senckpiehl, a.a.O. 48

Schröter, VJSchrStuFR 1933,461.

49 1819 wurden inländischer Branntwein, inländische Tabakblätter sowie Essig besteuert, 1840 Zucker und 1867 Salz, nachdem das Salzmonopol aufgehoben worden war; vgl. Senckpiehl, Strukturwandlungen, 8.

110

2. Teil, B: Die geschichtliche Entwicklung

weil die Verschiedenartigkeit ihrer Verbrauchsteuern bei dem Übergang von verbrauchsteuerpflichtigen Waren von einem zum anderen Land einen Ausgleich in Form von Übergangsabgaben erforderlich machte. Um den Handelsverkehr auch von diesen Schranken zu befreien, schlossen sich die deutschen Länder allmählich zu Verbrauchsteuergemeinschaften zusammen und erhoben die Verbrauchsteuern nach einheitlichen Grundsätzen und in gleicher Höhe. 50 Ein wichtiger Schritt auf diesem Wege war der Vertrag vom 11. Mai 1833 zwischen Preußen, Sachsen und dem Thüringischen Zoll- und Handelsverein über die gleiche Besteuerung von Branntwein, Bier, Wein und Tabak. 51 Diese Verbrauchsteuern belasteten weiterhin nur inländische Waren. Mit dem Vertrag zur Fortdauer des Zoll- und Handelsvertrages vom 8. Mai 1841 vereinbarten die deutschen Staaten, daß die in den einzelnen Staaten unterschiedlichen Verbrauchsteuern auf Essig, Obstwein, Mehl, Backwaren, Fleisch und Fett vereinheitlicht werden sollten. 52 Bei seiner Erneuerung im Jahr 1867 zog der Zollverein die Gesetzgebung tUr die Besteuerung von Salz, Tabak und Rübenzucker an sich und regelte sie in den folgenden Jahren gleichmäßig tUr das ganze Zollgebiet. Diese Steuern wurden auf Rechnung des Zollvereins erhoben, und ihr Ertrag wurde nach der Kopfzahl der Bevölkerung an die einzelnen Länder verteilt. Hinsichtlich der Bier- und Branntweinsteuer waren die Länder damals mit Ausnahme Bayerns, Badens und Württembergs in der Norddeutschen Bier- und Branntweinsteuergemeinschaft zusammengeschlossen. 53 Die Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 sah eine Form der Verbrauchsbesteuerung vor, die der bereits skizzierten Akzisenbesteuerung entsprach. Weiterhin wurde nur die Besteuerung des Verbrauchs der inländischen Waren als Verbrauchsbesteuerung angesehen. 54 Verbrauchsteuern und Zölle erhielten mit der Verfassung von 1867 erstmals eine gemeinsame rechtliche Regelung. Sie wurden von den Ländern verwaltet, ihre Erträge flossen hingegen dem Bund ZU. 55 50

Hesse, ZfZ 1962, 289.

51

Reichsjinanzministerium, Gedenkschrift, 51 f.

52

Förster, Verbrauchsteuern, 11 m.w.N.

53

Reichsjinanzministerium, Gedenkschrift, 51.

54 Art. 35 der Verfassung des Norddeutschen Bundes (Preußische Gesetzessammlung 1867,817). 55 Art. 38 der Verfassung des Norddeutschen Bundes (Preußische Gesetzessammlung 1867,817).

IV. Die Entwicklung nach der Gründung des Deutschen Reichs

111

IV. Die Entwicklung nach der Gründung des Deutschen Reichs im Jahr 1871

Die Verfassung des neugegründeten Deutschen Reichs von 1871 übernahm die Regelung der Verfassung des Norddeutschen Bundes inhaltlich. Als Merkmal der Verbrauchsteuern galt zu dieser Zeit, daß die aus ihnen fließenden Erträge dem Reich zustanden. s6 Durch die Reichsverfassung erhielt das Reich die Gesetzgebungskompetenz rur die Besteuerung von Salz, Tabak, Branntwein, Bier und Rübenzucker. Bayern, Baden und Württemberg behielten jedoch das Recht auf Sonderbesteuerung von Bier und Branntwein. Dieses Recht wurde, soweit es sich auf Branntwein bezog, im Jahr 1887, soweit es sich um die Biersteuer handelte, erst im Jahr 1919 beseitigt.s7 Die Verbrauchsteuern erfaßten noch immer ausschließlich die inländischen Waren. Wie zuvor in Preußen standen die Verbrauchsteuern auf inländische Waren denen auf ausländische Waren gegenüber. Erst um die Jahrhundertwende ergänzte der Gesetzgeber die Verbrauchsteuergesetze auf inländische Waren durch Regelungen rur die Einfuhr ausländischer Waren. Er wollte die inländischen Waren wegen der erhobenen Verbrauchsbesteuerung keiner verstärkten Konkurrenz importierter Waren aussetzen. Aus diesem Grund nahm er entweder die Höhe des inländischen Verbrauchsteuersatzes als Betrag in den neuen, entsprechend erhöhten Zolltarif auf. Oder er unterwarf die ausländische, eingefilhrte Ware der inländischen Verbrauchsbesteuerung. 58 Die unterschiedlichen bis dahin unabhängig voneinander bestehenden Systeme der Verbrauchsbesteuerung wurden damit faktisch vereinigt. 59 Die verfassungsrechtliche Regelung führte dazu, daß die Einnahmen des Reichs bis nach dem Ersten Weltkrieg vorwiegend aus der Verbrauchsbesteuerung flossen, die das Reich durch Einführung der Steuern auf Spielkarten im Jahr 1878, auf Schaumwein im Jahr 1902, auf Zigaretten im Jahr 1906, auf Zündwaren, Leuchtrnittel und Essigsäure im Jahr 1909, auf Kohlen im Jahr 1917 sowie auf Wein und Mineralwasser im Jahr 1918 wesentlich erweiterte. 6o

56

Senckpiehl, Strukturwandlungen, 9, Fn. 13.

57

Reichsjinanzministerium, Gedenkschrift, 52.

S8

Lotz, Finanzwissenschaft2, 43; Senckpiehl, Strukturwandlungen, 9.

59

Senckpiehl, Strukturwandlungen, 9 f.

60

Reichsjinanzministerium, Gedenkschrift, 52.

112

2. Teil, B: Die geschichtliche Entwicklung

v. Die Entwicklung von der Weimarer Republik bis zum Grundgesetz Art. 83 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 übernahm seinerseits die Bestimmungen der Reichsverfassung von 1871. Diese Vorschrift übertrug lediglich die Verwaltung der Verbrauchsteuern von den Ländern auf das Reich, dem ihre Erträge ohnehin zuflossen. 61 Auf Grund der für das Reich begründeten Gesetzgebungszuständigkeit wurden sämtliche damals existierenden Verbrauchsteuergesetze durch Gesetz vom 9. Juli 1923 62 systematisch neu geordnet. Die Neuordnung wurde erforderlich, weil die Verbrauchsteuern an die Reichsabgabenordnung von 191963 angepaßt werden mußten. 64 Wenn auch das System der Verbrauchsteuergesetze erstmals in gewissem Umfang vereinheitlicht wurde, wechselte der Gesetzgeber regelmäßig die durch Verbrauchsteuern belasteten Gegenstände aus. So wurde kurz darauf die Verbrauchsteuer auf Mineralwasser aufgehoben,6s die Biersteuer auf bierähnliche Getränke erweitert. Die Kohlensteuer und die Weinsteuer wurden ebenso aufgehoben wie die Salzsteuer. 66 1930 wurde eine Ersatzsteuer aufWeine zur Herstellung von Trinkbranntwein und erstmals eine Mineralölsteuer auf inländische Produkte erhoben. 67 1933 wurde Fett besteuert, die Besteuerung von Mineralwasser endgültig und die von Schaumwein vorübergehend aufgehoben. 68 Wegen der Erzbergerschen Reform von 191969 gingen während der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen die Verbrauchsteuern zwar in ihrer Bedeutung

61

Senckpiehl, Strukturwandlungen, 10 m.w.N.

62 RGBI. 555 ff. 63 Vgl. §§ 451, 452 der RAO v. 27. November 1919, RGBI. 1,1993. 64 Peters, Verbrauchsteuerrecht, 13. Die RAO gehörte zu den sechzehn Steuergesetzen der Erzbergerschen Reform von 1919. Das Reich erhielt durch sie u.a. die Gesetzgebungszuständigkeit für die Einkommensteuer, die Körperschaftsteuer und die Umsatzsteuer, deren Erträge ihm nunmehr zuflossen, vgl. dazu Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § I I 6, 10. 6S

Ges. v. 11. August 1923, RGBI. 771.

66

Vgl. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 13.

67 BranntweinmonopoländerungsGes. v. 15. April 1930, RGBI. 138 und Ges. über Zolländerungen v. 15. April 1930, RGBI. 131. 68 Ges. v. 4. Februar 1936, RGBI. 155. 69 Vgl. Fn. 51.

V. Entwicklung von der Weimarer Republik zum Grundgesetz

113

fUr die Finanzen des Reichs zugunsten der Besitz- und Verkehrsteuern zurück. Die noch immer große Bedeutung der Verbrauchsteuern fUr die damaligen Staatsfmanzen zeigt sich daran, daß noch 1933 ein Drittel der Gesamteinnahmen des Reichs auf die Erträge aus den Verbrauchsteuern entfiel. 70 1939 wurde die Struktur sämtlicher Verbrauchsteuergesetze neu gefaßt. 71 Die Neufassung beruhte auf der Ermächtigung vom 8. September 1938.72 Die Verbrauchsteuern bekamen damals im wesentlichen die rechtliche Struktur, die sie bis zur Umsetzung der Harmonisierungsrichtlinien der Europäischen Gemeinschaft behielten.73 Auch der Gesetzgeber der Bundesrepublik belastete unterschiedliche Waren. Bis zur Umsetzung der europäischen Richtlinien wurden neben den noch heute belasteten Waren Tee7\ LeuchtmitteC\ Salz76 und Zucker77 besteuert. 78 Um die Handelshemmnisse zu beseitigen, die das Zusammenwachsen der Europäischen Gemeinschaft als Wirtschaftseinheit behinderten, mußten die deutschen Verbrauchsteuern mit denen der anderen Mitgliedstaaten harmonisiert werden. 79

C. Die allgemeinen Charakteristika der Verbrauchsteuern Vor diesem historischen Hintergrund werden im folgenden die Merkmale untersucht, die das rechtliche Wesen der Verbrauchsteuern kennzeichnen können. Um die typologisch relevanten Merkmale des Steuertatbestandes zu er-

70

Reichsjinanzministerium, Gedenkschrift, S. 53.

71

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 13 m.w.N.

72

RGB\. 1162.

73

Vg\. Peters, Verbrauchsteuerrecht, 14.

74

Kaffee- und TeesteuerGes. v. 5. Mai 1980, BGB\. 11562.

75

LeuchtmittelsteuerGes. v. 22. Juli 1959, BGB\. I 613.

76

SalzsteuerGes. v. 25. Januar 1960, BGB\. I 50.

77

ZuckersteuerGes. v. 13. Oktober 1983, BGB\. 11245.

78 Die Verbrauchsteuern auf die genannten Waren sind durch Art. 5-7. 12 des Umsatzsteuer-BinnenmarktGes. v. 25. August 1992, BGB\. I, 1548, 1561, 1563 mit Wirkung zum 1. Januar 1993 aufgehoben worden. 79 Insoweit traten durch die Verbrauchsteuern die gleichen handelspolitischen Probleme auf, denen sich bereits der Deutsche Zollverein ausgesetzt gesehen hatte; Hesse, ZfZ 1962,289.

8 D. Müller

114

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

schließen, ist nunmehr auf die im ersten Teil der Arbeit geschilderten gesetzlichen Strukturen zurückzugreifen. I. Der Steuergegenstand

Der Gegenstand einer Steuer ist "die Sache, die Tatsache oder das Rechtsverhältnis, die Handlung oder der Vorgang, woran die Besteuerung anknüpft". so An seiner vereinfachten, grundlegenden Struktur ist anzusetzen, um das Steuerobjekt und seine tatbestandliehe Anknüpfung für die Klassifizierung nutzbar zu machen. 1. Die Steuerobjekte als verbrauchsfähige Waren

Die Bezeichnung "Verbrauchsteuem"sl suggeriert die Intention des Gesetzgebers, den Verbrauch bestimmter Waren zu besteuem. 82 Wenn der tatsächliche Verbrauch erfaßt werden soll, dürften nur die Waren taugliche Steuerobjekte sein, die durch einmalige Nutzung verbraucht werden können. Das gilt ohne weiteres rur Bier, Branntwein, Schaumwein und Zwischenerzeugnisse, Kaffee, Mineralöl und Tabak. Die Feststellung traf in gleicher Weise auf Mineralwasser, Zucker, Salz, Kohlen und Tee zu. Sie läßt sich bis zu den durch die Akzisen belasteten Waren zurückverfolgen. Daß die Waren als Steuerobjekte verbrauchsfähig sein müssen, wird nicht dadurch in Zweifel gezogen, daß etwa das Mineralölsteuergesetz an eine Verwendung der belasteten Ware anknüpft. Die Verwendung ist der Oberbegriff für den Verbrauch und den Gebrauch der Ware. 83 Allerdings ist aus dem Merkmal der Verwendung gefolgert worden, daß auch der bloße Gebrauch der Ware, der ihre stoffliche Substanz nicht aufhebt, besteuert werden könnte. 84 Damit einher geht die Meinung, daß auch ein bloßer Verbrauch im Rechtssinn steuerlich erfaßt werden könne, der die Substanz der verwendeten Ware unverändert

so Vgl. auch Hensel, Steuerreche, 58 f.; Tipke/Kruse, AO, § 3 Tz. 39 m.w.N. SI Vgl. § 1 13 BierStG; § 130 I 3 BranntwMonG; § 1 S. 2 KaffeeStG; § 1 13 MinöStG; § 1 13 SchaumwZwStG, § 1 S. 3 TabakStG. 82 So auch Art. 1 I der System-RL (EWG) 92/12, der allerdings nur die indirekten Steuern erfaßt, die den Verbrauch unmittelbar oder mittelbar belasten. 83

Vgl. 1. Teil B. III. 2. b).

84

Peters, Verbrauchsteuerrecht, 37 ff.

I. Der Steuergegenstand

115

lasse. 85 In diesem Fall könnte jede, auch die nicht verbrauchsfiihige Ware, taugliches Steuerobjekt sein. Dieser Auffassung steht der den Verbrauchsteuergesetzen immanente Belastungsgrund entgegen. Gerade die Anknüpfungspunkte86 zeigen, daß der tatsächliche Verbrauch besteuert werden soll. Zwar kann der Gesetzgeber den Gebrauch oder einen bloß "rechtlichen Verbrauch" als tatsächlichen Anknüpfungspunkt fiir die Entstehung einer Steuer wählen. Eine solche Steuer kann allerdings nur eine Verbrauchsteuer in einem weiteren Sinn sein. Die hier erörterten Verbrauchsteuern knüpfen an den tatsächlichen Verbrauch an. Sie sind Verbrauchsteuern im engeren Sinn. Sind Dienstleistungen oder Rechte die Steuerobjekte einer "Verbrauchsteuer",87 so handelt es sich nicht um Verbrauchsteuern im engeren Sinn, weil Dienstleistungen oder Rechte keine stoffliche Substanz besitzen, die durch die Nutzung aufgehoben werden würde. Da beliebige verbrauchsfähige Waren besteuert werden können, tragen Einteilungen der belasteten Waren in Lebensmittel, Genußmittel und sonstige Gegenstände88 zur Systematisierung nicht bei. Diese Unterteilung begrenzt den Kreis der einer Besteuerung potentiell unterliegenden Gegenstände nicht. Solange die Ware verbraucht werden kann, handelt es sich zumindest um sonstige Gegenstände im Sinn einer solchen Unterteilung. 2. Die Besteuerung von Luxusgütern In neuerer Zeit hat Tipke nur die steuerliche Belastung von Luxusgegenständen als rechtlich zulässig angesehen, sofern die Verbrauchsteuern vorwiegend fiskalischen Zwecken dienen. 89 Denn durch den Verbrauch von Luxusgegenständen könne auf eine erhöhte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen

85

Vgl. oben 1. Teil B. III. 2. b).

86

Vgl. unten 2. Teil C. I. 5.

87 Diese Bezeichnung wählen aber Hansmeyer, HdFiWe, Bd. 2, 713; Trimborn, FA 11 (1949) 154 ff.; Voß, DStJG 11 (1988),281. 88 Vgl. Koch/Scholtz, A0 4 , § 3 Rz. 35; ähnlich Förster, Die Verbrauchsteuern, 60 ff. und Trimborn, FA 11 (1949), 154 ff. 89 StRO, 962. Wenn sie nichtfiskalische, verhaltenslenkende Zwecke verfolgen sollten, sollen auch andere Waren als Luxusgegenstände einer Verbrauchsbesteuerung unterworfen werden können.

116

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

werden. 9O Nur dadurch könnten fiskalische Verbrauchsteuern gerechtfertigt werden. Problematisch ist jedoch, welche Merkmale einen Luxusgegenstand auszeichnen. Wenn die Gegenstände Luxus sind, die grundsätzlich nur Personen mit hohem Einkommen zur Verfilgung stehen,91 ist damit noch keine Aussage verbunden, wann ein Einkommen diese Stufe erreicht hat. Die Einschätzung, welche Gegenstände hohen Einkommen zuzurechnen sind, hängt zudem vom wertenden Standpunkt desjenigen ab, der diese Beurteilung treffen soll.92 Die Feststellung Roschers,93 daß der Begriff Luxus relativ sei, ist zeitlos gültig: "Jeder einzelne je nach Stand und Zeitalter nennt diejenige Konsumption Luxus, weiche ihm entbehrlich erscheint." Auch kann sich eine entsprechende Einschätzung innerhalb eines kurzen Zeitraumes ändem. 94 Kaffee und Kakao wurden lange Zeit als Luxusgetränke angesehen, deren Genuß ausschließlich einkommensstarken Schichten vorbehalten blieb. Seitdem sind beide Getränke zu typischen Waren des Massenkonsums geworden. Ebensowenig sind die anderen, zur Zeit belasteten Waren (Alkohol, alkoholische Getränke, Mineralöl, Tabakwaren und Erdgas) Luxusgegenstände. Schließlich ist die ausschließliche Besteuerung von Luxusgegenständen gerade aus fiskalischer Sicht problematisch. Eine derartige Luxussteuer belastet entbehrliche Waren. Ihr können Verbraucher besonders leicht entgehen, indem

90

Zum Aspekt der wirtschaftlichen Leistungsflihigkeit unten 2. Teil C. III. 3.

91 Vgl. Popitz, HdFiWi 1, Bd. 2, 200. 92 Vgl. Popitz, HdFiWi\ Bd. 2, 200; Steuerreformkommission, BMF-Schriftenreihe, Heft 17, 822. Die Willkürlichkeit einer solchen Beurteilung wird bei Tipke, StRO, 962 deutlich. Er bezeichnet unter anderem Sportwagen, Reitpferde, Kosmetika, Luxuswohnungen und Luxusreisen als Luxus, den der Gesetzgeber durch Verbrauchsteuern steuerlich erfassen dürfe. Unabhängig davon, daß für diese (bis auf Kosmetika) nicht verbrauchsflihigen Waren nur eine Verbrauchsbesteuerung im weiteren Sinn möglich wäre, hängt es vom persönlichen Standpunkt und konkreten Zustand der Sache ab, ob es sich bei allen aufgeführten Gegenständen tatsächlich um Gegenstände des gehobenen oder höchsten Lebensstandards handelt. 93 Grundlagen der Nationalökonomie, 687. 94

Hansmeyer, HdFiWe, Bd. 2, 714.

I. Der Steuergegenstand

117

sie auf den Erwerb verzichten. Eine Besteuerung nur von Luxusgegenständen ist deshalb fiskalisch weniger ergiebig als die von Massenverbrauchsgütern. 9s 3. Steuern aufspezielle Güter

Steuerobjekte müssen verbrauchsfähige Waren sein. Weitere Gemeinsamkeiten, die rur eine KlassifIkation nutzbar gemacht werden könnten, bestehen nicht. Die Auswahl der belasteten Gegenstände, die besteuert werden können, ist beliebig,96 ein dahinter stehender Systemgedanke nicht erkennbar. 97 An diesem Befund setzt die Auffassung Hansmeyers98 an. Er ordnet die Verbrauchsteuern den Steuern auf spezielle Güter zu. Diese knüpften an spezielle Güter, Rechte oder Dienste an. Ihre Gemeinsamkeit sei die steuertechnische Eigenart. Die speziellen Güter würden meist bei ihrer Herstellung und ihrem Verkauf, aber auch bei ihrem Gebrauch besteuert. Hansmeyer ordnet die Steuerobjekte nicht länger nach besonderen Kriterien. Er kann die Steuern auf spezielle Güter nur noch von den Steuern unterscheiden, die wie die Umsatzsteuer Waren und Dienstleistungen in ihrer Gesamtheit erfassen. Hansmeyer ebnet die rechtlich relevanten Unterschiede zwischen Steuerarten ein. Die Verbrauchsteuern können nicht von den Verkehrsteuern, die in der Terminologie Hansmeyers ebenfalls an spezielle Güter anknüpfen, unterschieden werden. Mag die Auffassung Hansmeyers sich auch an der Steuerwirklichkeit orientieren, so kann sie das rechtliche Wesen der Verbrauchsteuern nicht näher umschreiben. 99

9S Hesse, ZfZ 1959, 132; Tipke/Lang, Steuerrecht l4 , 618 f. Zur Undurchfiihrbarkeit der Luxusbesteuerung vgl. auch Fn. 32. 96 Förster, Die Verbrauchsteuem, 60; Tipke, StuW 1975,247 und Steuergerechtigkeit, 106 ff; Trimborn, FA 11 (1949), 154 ff.; Voß, DStJG 11 (1988),281.

97

Birk, in: HHSp., AO, § 3 Rn. 186; Peters, Verbrauchsteuerrecht, 40.

98

HdFiWe, Bd. 2, 713.

99

Zitzelsberger, BB 1995, 1776.

118

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

4. Die Belastung von Waren des privaten Konsums

Als Wesensmerkmal der Verbrauchsteuern sieht Schmölders loo die Belastung des privaten Konsums. Verbrauchsteuern sollen den Konsum durch Privatleute steuerlich erfassen, den produktiven Einsatz von Waren hingegen steuerfrei lassen. Branntwein und Mineralöl können durch Private konsumiert werden. Sie können ebensogut Ausgangsstoffe rur andere gewerblich gefertigte Güter oder Waren sein. Mineralöl kann darüber hinaus genauso im privaten wie im gewerblichen Kraftverkehr verbraucht werden. 101 Folgt man dieser Auffassung, würde die Mineralölsteuer im Falle des (nur) gewerblich veranlaßten Verbrauchs aufhören, eine Verbrauchsteuer zu sein. 102 Sie würde zu einer Unternehmensteuer eigener Art werden. 103 Die Anknüpfungspunkte, die zur Steuerentstehung ruhren, differenzieren nicht zwischen konsumtivem und produktivem Verbrauch der belasteten Ware. Der Bundesfinanzhof hat dementsprechend betont, daß auch der gewerbliche Verbrauch zur Steuerentstehung ruhrt: 04 Allerdings zeigt schon die historische Entwicklung, daß der Endverbraucher durch die Verbrauchsteuern belastet werden sollte. Auch hat der Gesetzgeber durch einige Befreiungstatbestände, die eine bestimmte gewerbliche Verwendung der Ware begünstigen, diese Überlegungen in die Verbrauchsteuergesetze übernommen. Die gewerbliche, produktive Verwendung der Waren verstehen diese Vorschriften zwar nicht im materiellen, sondern im formellen Sinn. 105 Damit relativiert sich die Aussage, der Gesetzgeber wolle durch diese Vergünstigungen sicherstellen, ausschließlich den privaten Konsum zu belasten. Jedoch bewirken diese Befreiungstatbestände, den bei Gewerbetreibenden vermuteten produktiven Einsatz der belasteten Waren zu entlasten. Dagegen spricht auch nicht die Besteuerung des Eigenverbrauchs im Steuerlager, der den Verbrauch der Produzenten belastet. Denn durch diesen Anknüpfungspunkt wird der Hersteller in seiner Eigenschaft als Endverbraucher besteuert. Die Steuerentstehung bewirkt hier die Gleichbehand-

100 Begriffsbestimmung, 90. Ebenso Birk/Förster, OB 1985, Beilage 17, 4; Lang, OStJG 15 (1993), 135; Zitzelsberger, BB 1995, 1776.

101

Vgl. auch Förster, Oie Verbrauchsteuern, 62 f.

102

Hansmeyer, HdFiWi 3 , Bd. 2, 712 f.

103

Lang, OStJG 15 (1993),136 f.

104

BFHE 141,369 (372 f.). Ebenso Peters, Verbrauchsteuerrecht, 200.

105

Vgl. I. Teil B. V. 4.

I. Der Steuergegenstand

119

lung des Herstellers mit den übrigen Endverbrauchern. 106 Auch hier zielen die Verbrauchsteuern im engeren Sinn auf die Belastung eines Endverbrauchers. 5. Die Anknüpfungspunkte für die Entstehung der Steuerschuld im tatsächlichen

Regelmäßig entsteht die Verbrauchsteuerschuld beim Übergang der Ware in den steuerrechtlich freien Verkehr. Das gilt sowohl filr die im Inland hergestellte als auch für die aus Drittländern eingeführte Ware. Der Verbrauch wird nicht unmittelbar besteuert, sondern der Gesetzgeber wählt Ersatzanknüpfungspunkte. Die Belastung des unmittelbaren Verbrauchs scheitert regelmäßig daran, daß eine wirksame Steuererhebung wegen der unübersehbaren Anzahl der Verbrauchsvorgänge nicht möglich ist. Das Gesetz muß über die Ersatzanknüpfungspunkte den Verbrauch der Waren mittelbar erfassen. 107 Wenn die Ware in den Wirtschaftskreislauf eingeht, ist das zwar eine Vorstufe zu ihrem Verbrauch. Aus diesen Anknüpfungspunkten läßt sich jedoch nicht zwingend entnehmen, daß der Verbrauch der Ware steuerlich erfaßt werden soll. Soweit die Steuerentstehung an die Entnahme der Ware aus dem Steuerlager zum Verbrauch anknüpft, tritt dagegen der tatsächliche Sachverhalt, der besteuert werden soll, klar hervor. Der Verbrauch im Steuerlager kann erhebungstechnisch unmittelbar erfaßt werden. Die Inhaber der Steuerlager stehen unter der besonderen Steueraufsicht, so daß die Anzahl der Verbrauchsvorgänge für die Finanzbehörde nachvollziehbar ist. Sichergestellt wird, daß auch der unmittelbare Verbrauch der Ware durch den Hersteller steuerlich erfaßt wird. Er wird nicht besser gestellt als jeder andere Steuerträger, dessen Verbrauch nur mittelbar erfaßt wird. 108 Aus diesem steuerlichen Anknüpfungspunkt läßt sich unmittelbar und zwingend ableiten, daß der Verbrauch der Ware der steuerliche Belastungsgrund ist. 109

106

Vgl. Söhn, StuW 1975, 11 f. (zur Umsatzsteuer).

107

Popitz, HdFiWi l , 181; Söhn, StuW 1975,3.

108

Vgl. Söhn, StuW 1975, 11 f. (zur Umsatzsteuer).

109 Das verkennt Förster, Die Verbrauchsteuern, 67, die diese Alternative der Verbrauchsbesteuerung in den alten Gesetzesfassungen nur als Ersatzanknüpfungspunkt wertet.

120

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

11. Die Steuerbemessungsgrundlage und der Steuertarif

Die Steuerbemessungsgrundlage verbindet den Steuergegenstand mit dem Wert einer Steuerschuld oder anderen rechenbaren Größen, wie etwa dem Gewicht. Sie verknüpft Tatbestand und Rechtsfolge eines Steuergesetzes miteinander. 110 Der Steuergegenstand wird durch die Steuerbemessungsgrundlage in Rechengrößen umgesetzt, aus denen sich der Steueranspruch in einer bestimmten Höhe ergibt,llI so daß die Steuerbemessungsgrundlage den Steuergegenstand quantiftziert. 112 Insoweit kann sie die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers verdeutlichen. 113 Um den Begriff oder das Wesen einer Steuer zu erschließen, ist sie allein nicht aussagekräftig, sondern kann allenfalls ergänzendes Kriterium sein. 114 In der Regel ist die konkrete Verbrauchsteuerschuld mit realen Größen- oder Gewichtseinheiten der Waren verknüpft. 115 Die Steuerbemessungsgrundlagen berücksichtigen deshalb nicht die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners, so daß die Verbrauchsteuern keine Personensteuern im Sinn der herkömmlichen Einteilungen l16 sind. Sie können jedoch auch nicht als Objektsteuern bezeichnet werden. 117 Objektsteuern sind nach übereinstimmender verfassungs- und einfachgesetzlicher Defmition nur die Gewerbe- und die Grundsteuer, deren Erträge den Gemeinden zustehen. ll8 Allerdings weisen die Verbrauchsteuern wegen der sich nur auf die Realgrößen der belasteten Waren beziehenden Bemessungsgrundlage objektsteuerartige Strukturen auf.

110

Hensel, Steuerreche, 59.

111

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 II 2b, 72.

112

Tipke/Lang, Steuerreche 4, 167.

113

Vgl. Förster, Die Verbrauchsteuern, 78.

114

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 II 2b, 73.

115

Vgl. 1. Teil B. IV.

116 Zu diesen etwa Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 2a, 76; Tipke/Lang, Steuerrechtl4, 184. 117 Vgl. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 2b, 77; Tipke/Kruse, AO, § 3 Tz. 41.

118 Art. 106 III, VI GG, § 3 II AO.

III. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern

121

Der Steuersatz wird auf den Steuennaßstab angewendet und ergibt den Steuerbetrag. Er ist variabel ll9 und deshalb kein Kriterium, das zur Beschreibung der Verbrauchsteuern beitragen kann. 111. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern

Für die typologische Zuordnung der Steuerarten sind die wirtschaftlichen Auswirkungen der einzelnen Steuer das gewichtigste Kriterium. Das Bundesverfassungsgericht stellt bei einern Vergleich verschiedener Steuerarten auf die "Quelle der steuerlichen Leistungsfähigkeit" ab, die die Steuer ausschöpfe. 120 Fonnale Kriterien wie Steuergegenstand, Steuerbemessungsgrundlage und Erhebungstechnik bleiben in ihrer Bedeutung hinter diesem wirtschaftlichen Kriterium zurück. 121 Entscheidend ist, wen und was das Steuergesetz letztlich wirtschaftlich belasten will. 122 Deshalb ist fUr diese Beurteilung gegebenenfalls auf den Steuerträger, der nicht mit dem Steuerpflichtigen identisch ist, abzustelIen. 123 Es bestehen verschiedene Ansätze, um die von einer Steuerart ausgehenden wirtschaftlichen Belastungen zu charakterisieren. 1. Verbrauchsteuern als Steuern auf die Vermögensverwendung

Der Staat hat verschiedene Möglichkeiten, durch Steuern auf das private Geldvennögen zuzugreifen. Zuerst haben FinanzwissenschaftIer versucht, die unterschiedlichen Fonnen des Steuerzugriffs fiir eine Systematisierung nutzbar zu machen. Sie haben zwischen Steuern unterschieden, die den Besitz, das

119 Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 11 Ib, 73; vgl. auch Hensel, Steuerreche, 60.

120 BVerfGE 13, 181 (193); 16,64 (75); 49, 343 (355); 65, 325 (351); TipkelKruse, AO, § 3 Tz. 39. 121 Vgl. RFHE 9, 123 (127); 13,28 (31); BVerfGE 40,56 (62 f.); 49, 343 (355); 65, 325 (351); Söhn, StuW 1975,9; Tipke, StuW 1975,244 und StRO, 1099. 122 BVerfGE 7, 244 (264); Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 11 2c, 74; Söhn, StuW 1975, 9. MarkulI, VJSchrStuFR 1930, 604 f. zog dieses Kriterium nur ergänzend heran. 123

Förster, Die Verbrauchsteuern, 97; TipkelKruse, AO, § 3 Tz. 39.

122

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

Einkommen oder die Verwendung belasten. 124 Diese Einteilung haben Autoren der Steuerrechtswissenschaft übernommen, um die wirtschaftliche Wirkung von Einzelsteuern zu beschreiben. Der Staat habe die Möglichkeit, das Einkommen (den Vermögenszugang), die Ausgaben (die Einkommensverwendung) und das Vermögen (den Vermögensbestand) steuerlich zu belasten. 12s Die Verbrauchsteuern werden als Einkommensverwendungssteuern bezeichnet,126 weil sie im Regelfall den Steuerträger bei der Verwendung seines Einkommens belasten. 127 Präziser ist ihre Bezeichnung als Vermögensverwendungssteuern. 128 Die Verwendung des Begriffs Einkommen könnte in Verbindung zu dem vom Einkommensteuergesetz erfaßten Einkommen gesehen werden. Steuern vom Einkommen und Einkommensteuer sind verschieden Begriffe. 129 Tatsächlich erfassen Verbrauchsteuern die am Markt geltend gemachte Kaufkraft, mag diese aus Einkommen im Sinne des Einkommensteuergesetzes bestehen, aus sonstigen Einnahmen oder dem Vermögen stammen. Deshalb belasten Verbrauchsteuern nicht allein Einkommensbezieher, wie dies durch das Einkommensteuergesetz geschieht, sondern jede Person, die auf beliebige Weise die Kaufkraft rur die Marktteilnahme erlangt hat. 130 Die Zuordnung der Verbrauchsteuern zu den Steuern auf die Vermögensverwendung grenzt sie ab von den Steuern auf den Eigentumsbestand und denen auf den Eigentumszugang. Die Umsatzsteuer, die Verkehrsteuern und die Zölle l31 besteuern ebenfalls die Einkommens- bzw. Vermögensverwendung. Inso-

124 Popitz, HdFiWi l, Bd. 2, 185; Schmölders, Begriffsbestimmung, 29 f., 92 f. Vgl. auch Folkers, Wandlungen der Verbrauchsbesteuerung, 94. 125 Birk, in: HHSp., AO, § 3 Rn. 178; BirkJFörster, DB 1985, Beilage Nr. 17, 5 f.; s.a. Förster, Die Verbrauchsteuern, 99 ff.; P. Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), 226 ff. 126 Förster, Die Verbrauchsteuern, 99 ff.; Peters, Verbrauchsteuerrecht, 25; Tipke, StRO, 963. Vgl. auch BVerfGE 16, 64 (74); 65, 325 (345, 347 f.) für Aufwand- und Verbrauchsteuern.

127 Sofern die Gesetze den Verbrauch im Steuerlager erfassen, wird allerdings nicht die Verwendung von Einkommen und Vermögen, sondern das Eigentum oder Vermögen selbst belastet. 128 So auch F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten, 22. 129 BVerfGE 16,64 (75). 130

P. Kirchhof, Stu W 1985, 324.

131 Ob Zölle als Steuern angesehen werden können oder nicht, kann an dieser Stelle dahinstehen. Vgl. 2. Teil C. VI. 4.

III. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern

123

weit sind ihre wirtschaftlichen Belastungen mit denen der Verbrauchsteuern identisch. 132

2. Überwälzbarkeit der Verbrauchsteuern Regelmäßig werden die Verbrauchsteuern bei dem Hersteller der belasteten Ware erhoben. Die steuerliche Belastung soll jedoch der Verbraucher tragen. Daher muß der Hersteller die Steuer in den Preis der Ware einbeziehen, um sich von der Steuer zu entlasten. Die Vorschriften über die Fälligkeit der Verbrauchsteuerschulden zeigen, daß der Steuerschuldner die Steuer schon vor ihrer Zahlung auf den Verbraucher abwälzen kann. Damit wird der Schuldner - je nach der Marktsituation - mit der Steuer nicht einmal vorübergehend belastet. 133 Diese intendierte Überwälzung bezeichnet insbesondere die Rechtsprechung als typisches Element der Verbrauchsteuern. 134 Letztlich soll die Steuer von demjenigen aufgebracht werden, der die Ware verbraucht. 135 Allerdings verlangt die Rechtsprechung nicht, daß der Steuerschuldner einen Anspruch darauf erhält, daß ihm die gezahlte Verbrauchsteuerschuld von dem Steuerträger, dem Verbraucher, letztlich ersetzt wird. Er trägt das wirtschaftliche Risiko, daß er die entrichtete Steuerschuld über den Verkaufspreis der Ware realisieren kann. Ob tatsächlich der Verbraucher mit der Verbrauchsteuer belastet werden kann, entscheidet sich allein nach den am Markt erzielbaren Preisen. 136 Deshalb reicht es aus, wenn das Gesetz dem Steuerschuldner die Möglichkeit der Überwälzung einräumt. 137 Birk und Förster sehen in der Möglichkeit der Überwälzbarkeit ein sogar zwingendes Kriterium der besonderen Verbrauchsteuern. 138 Dieses Kriterium

132

P. Kirchhof, Gutachten F für den 57. DJT 1988, F 13.

133

Vgl. Förster, Die Verbrauchsteuern, 97.

134 BVerfGE 27, 375 (384); BFHE, 141,369 (375); BVerwG KStZ 1995, 12 (15); vgl. auch BirklFörster, DB 1985, Beilage Nr. 17,7; Förster, DB 1985, 1571 und Die Verbrauchsteuern, 97 f; Tipke, StRO, 963; für die Finanzwissenschaft: Schmölders, Begriffsbestimmung, 87 f.; Vogel, HdFiWe, Bd. 2, 310.

135

BVerfGE 14,76 (95 f); 31, 8 (20).

136

BVerfGE 27,375 (384); BFH BStBI. III 1953,332 (333 f).

137

BVerfGE 27, 275 (384); RFHE 7, 266 (269); 9, 123 (127); BFHE 122,20 (23).

138 Vgl. etwa Birk, in: HHSp., AO, § 3 Rn. 186; BirklFörster, DB 1985, Beilage Nr. 17,7; Förster, Die Verbrauchsteuern, 97 fund DB 1985, 1571; ebenso schon Borggräje, DB 1981, 1061 f

124

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

und die Zuordnung der Verbrauchsteuern zu den Steuern auf die Vennögensverwendung stünden in einem unmittelbaren Zusammenhang. Der Gesetzgeber dürfe die Verbrauchsteuer nicht direkt beim Verbraucher erheben, weil andernfalls ihr Charakter als Vennögensverwendungssteuer verloren gehe. 139 Nur das Merkmal der Überwälzung ennögliche es, den Verbraucher im Zeitpunkt der Vennögensverwendung, dem Kaufakt, zu belasten. Die Überwälzbarkeit der Verbrauchsteuerschuld gebe dem Verbraucher die Sicherheit, daß sich die Verbrauchsbesteuerung im Zeitpunkt der Vennögensverwendung erschöpft habe. 140 Dieses Kriterium verschaffe dem Verbraucher die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit, sich für oder gegen den Verbrauch einer belasteten Ware entscheiden zu können. 141 Um diese Dispositionsfreiheit nicht zu verletzen, müsse der Gesetzgeber am Merkmal der Überwälzbarkeit und damit an der Steuererhebung auf der Stufe des Produzenten oder Importeurs festhalten. Damit würden Birk und Förster letztlich dem Gesetzgeber nur eine besondere Erhebungstechnik aufzwingen. Denn sie verlangen, daß er den Verbrauch der Ware ausschließlich mittelbar steuerlich erfassen dürfe. 142 Birk und Förster verkennen, daß der Belastungsgrund die Überwälzbarkeit nicht zwingend erfordert. Die Belastungsentscheidung des Gesetzgebers verlangt, eine bestimmte Ware lediglich einmal zu belasten, weil sie nur einmal verbraucht werden kann. Beachtet der Gesetzgeber diesen wirtschaftlichen Sachverhalt, kann er auch die bereits vom Verbraucher gekaufte Ware einer Verbrauchsteuer unterwerfen, also den Vennögensbestand belasten. 143 Tatsächlich wird nicht die Ware als Teil des Vermögens, sondern als ein spezielles Erzeugnis belastet. l44 Die Steuererhebung bei dem Produzenten oder Importeur hat ausschließlich praktische Gründe, weil eine wirkungsvolle und einfache Erhebung unmittelbar

139

Birk/Förster, DB 1985, Beilage Nr. 17,7; Förster, DB 1985, 1571.

140

Förster, DB 1985, 1571 und Die Verbrauchsteuern, 103.

141

Birk/Förster, DB 1985, Beilage Nr. 17, 7; Förster, DB 1985, 1571.

142 Davon geht auch das Gemeinschaftsrecht nicht aus. Art. 1 I der System-RL (EWG) 92/12 erfaßt als Verbrauchsteuern alle indirekten Steuern, die den Verbrauch von Waren mittelbar oder unmittelbar belasten. Allerdings sind die Konstellationen, in denen eine indirekte Steuer den unmittelbaren Verbrauch belastet, ohne zur direkten Steuer zu werden, in der deutschen Steuerrechtsdogmatik schwer vorstellbar. 143 BVerfG DB 1985, 1569 (1570); BVerfGE 27, 375 (384); BFHlNV 1988, 132 (133); FG Rheinland-Pfalz ZfZ 1982,275 (276). 144

BVerfG ZfZ 1985,36; BFHlNV 1988, 132 (133); BFHE 141,369 (377).

III. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern

125

bei dem Verbraucher im Zeitpunkt des Verbrauchs ausscheidet. Die nicht überschaubare Anzahl der Steuerschuldner, der sich die Finanzverwaltung gegenübersehen würde, ist der einzige Grund, der regelmäßig eine unmittelbare Besteuerung des Verbrauchs ausschließt. 145 Für die intendierte wirtschaftliche Belastung ist es unerheblich, ob eine Verbrauchsteuer bei dem Produzenten, Händler oder Importeur erhoben wird oder unmittelbar bei dem Verbraucher selbst. In jedem Fall soll letztlich der Verbraucher mit der Verbrauchsteuer belastet werden. Auf welche verfahrensrechtliche Weise der Gesetzgeber den Eintritt dieser Folge sicherstellt, steht in seinem Ermessen. Deshalb kann eine Verbrauchsteuer in geeigneten Fällen auch unmittelbar beim Verbraucher erhoben werden. l46 Einen solchen Fall enthalten die Verbrauchsteuergesetze, wenn sie die Steuerentstehung an die Entnahme der Ware zum Verbrauch im Steuerlager knüpfen. 147 Am Merkmal der Überwälzung zeigt sich allenfalls, daß Verbrauchsteuern nach einer groben Unterscheidung indirekte Steuern l48 sind. Zugleich wird jedoch deutlich, daß ein solches Merkmal das Wesen von Steuern nicht zu erklären vermag. Alle Steuern können überwälzt werden, nur ist die Überwälzung einmal leichter und einmal schwerer zu bewirken. 149 Das Merkmal der Überwälzung ist filr die Frage der wirtschaftlichen Wirkung einer Steuer letztlich von geringer rechtlicher Relevanz. 150 3. Der Verbrauch als Indikator steuerlicher Leistungsfähigkeit

Im Zusammenhang mit der Beschreibung der Verbrauchsteuern als Vermögensverwendungssteuern wird oft die Formulierung verwendet, die Verbrauch145

BFHlNV 1988, 132 (133); Lang, DStJG 15 (1993), 135.

146

BVerfG DB 1985, 1569 (1570); BVerfG, HFR 1984, 587; Lang DStJG 15 (1993),

135.

147 A.A. Förster, Die Verbrauchsteuern, 98, die auch hier eine Überwälzung für möglich hält. Sie verkennt aber, daß hier der Unternehmer allenfalls seinen eigenen Verbrauch kalkulatorisch in den Preis seiner weiteren Leistungen an den Endverbraucher aufnehmen kann. Dieser Überwälzungseffekt ist von dem, der bei dem Weiterverkauf der noch gegenständlichen Ware auftritt, grundverschieden.

148 Schwarz, AO, § 3 Rn. 10. Schon Lotz, Finanzwissenschaft, 672 weist darauf hin, daß dies für eine Beschreibung der Verbrauchsteuern nicht ausreicht. 149

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 1,76 m.w.N.

150 BFHE 141, 369 (371); FG Rheinland-Pfalz EFG 1983, 88 (90); FG RheinlandPfalz ZfZ 1982, 275 (276).

126

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

steuern zielten auf die steuerliche Erfassung der in dem Konsum oder in dem Kaufakt auftretenden wirtschaftlichen Leistungsflihigkeit. 151 Damit ist zu klären, ob das Merkmal der wirtschaftlichen Leistungsflihigkeit das Wesen der Verbrauchsteuern näher beschreiben kann. Die Frage, ob die Verbrauchsteuern überhaupt wirtschaftliche Leistungsfiihigkeit berücksichtigen, wird sowohl in der Steuerrechts- 152 als auch der Finanzwissenschaft 153 kontrovers diskutiert. Um die gegensätzlichen Auffassungen bewerten zu können, muß zunächst Klarheit über den Begriff der wirtschaftlichen Leistungsflihigkeit gewonnen werden. a) Der Begriff "wirtschaftliche Leistungsflihigkeit" in der Finanzwissenschaft Der Begriff der wirtschaftlichen Leistungsflihigkeit ist in der Finanzwissenschaft am Beginn des 19. Jahrhunderts entwickelt worden. Zu dieser Zeit erzielte das Deutsche Reich seine Einnahmen überwiegend aus Zöllen und Verbrauchsteuern. 154 Da Zölle und Verbrauchsteuern regressiv wirken/ 55 das heißt alle Steuerträger bei unterschiedlichem Einkommen mit der gleichen Steuerschuld belasten, wurden sie nicht länger als gerecht empfunden. Nur direkten Steuern wurde die Möglichkeit zugesprochen, den einzelnen im Verhältnis zu seinem Einkommen belasten zu können. Mit der Forderung einer Besteuerung

151 Birk, in: HHSp., AO, § 3 Rn. 47, 178; Förster, Die Verbrauchsteuern, 63, 100 f. unter Hinweis auf Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 36; F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten, 22; P. Kirchhof, StuW 1985,324; ders., StKongRP 1988,29; TipkelLang, Steuerreche 4 , 87 f. Ähnlich auch die Formulierungen in BVerfGE 13, 181 (193); 16,64 (75); 49, 343 (355); 65, 325 (351) im Hinblick auf die Quelle der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, die durch Steuergesetze ausgeschöpft werden soll. Vgl. auch schon Neumark, Zum Problem der Klassifikation der Steuerformen, 356.

152 Bejahend Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 36; Förster, Die Verbrauchsteuern, 100 f.; Reiß DStJG 13 (1990), 20; Tipke, StRO, 962, 965; Voß, DStJG 11 (1988),278,266,316. Verneinend BFHE 141, 369 (381); Beermann, DStJG 11 (1988),284; Hensel, VJSchrStuFR 1930,464; P. KirchhofStuW 1985, 324; Kruse, DStJG 5 (1982), 78; Stobbe, DStJG 11 (1988),317. 153 Bejahend etwa Haller, Die Steuern3 , 74 ff.; Pohmer, FS Neumark, 137 ff. Ablehnend Littmann, FS Neumark, 116 ff.; Schmidt, FA 26 (1967), 392 ff.

154

Vgl. 2. Teil B. IV.

155

Voß, DStJG 11 (1988),278 m.w.N.

III. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern

127

nach der wirtschaftlichen Leistungsfllhigkeit sollte deshalb nur der Einkommensteuer der Weg geebnet werden. 156 Die fmanzwissenschaftliche Literatur - soweit sie einem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht ablehnend gegenübersteht - postuliert, daß Steuern allen Steuerpflichtigen das gleiche Opfer auferlegen. Diese Opfer sollen an den Nutzeneinbußen gemessen werden, die mit der Steuerzahlung einhergehen. 157 Die unterschiedlichen Nutzeneinbußen resultierten daraus, daß Steuerpflichtige filr den Erwerb von Waren oder Dienstleistungen jeweils einen unterschiedlichen Bruchteil ihres filr den Konsum verfilgbaren Einkommens l58 aufwenden müßten. Dieses Phänomen der verschiedenen Nutzeneinbußen müsse auch der Gesetzgeber berücksichtigen, indem er allen Steuerpflichtigen mit der Steuerzahlung ein gleich großes Opfer abverlange. 159 Allerdings kann die konkrete Nutzeneinbuße filr den einzelnen Steuerschuldner nicht absolut bestimmt werden. Aus den fmanzwissenschaftlichen Untersuchungen zur Nutzeneinbuße folgen keine konkreten Ergebnisse,16O die die Steuerrechtswissenschaft rur die Inhaltsbestimmung der wirtschaftlichen Leistungsflihigkeit heranziehen könnte. Die Finanzwissenschaft hat im Hinblick auf die Bemessung der konkreten Nutzeneinbuße die gleichen Probleme, die die steuerrechtliche Literatur bei der Konkretisierung des Begriffs wirtschaftliche Leistungsfllhigkeit hat. 161 b) Die "Soll"-Leistungsflihigkeit Um den Begriff wirtschaftliche Leistungsflihigkeit inhaltlich zu konkretisieren, stellt Ossenbühl1 62 auf die "Soll"-Leistungsfllhigkeit ab, die steuerlich zu

156 Ausführlich PohmerlJurke, FA 42 (1984), 450 ff. m.w.N. 157 Vgl. HartmannlWalter, Auslegung und Anwendung von Steuergesetzen, 95. 158 Dieser Begriff wird nicht als Einkommen i.S. des EStG verstanden. 159 Pohmer, FS Neumark, 147 f., 150 ff.; vgl. auch Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 37 ff.

160 Vgl. LUtmann, FS Neumark, 123 f.; Schmidt, FA 26 (1967), 392 ff. 161 Vgl. Walter/Hartmann, Auslegung und Anwendung von Steuergesetzen, 95. 162 Die gerechte Steueriast, 86. Ähnlich Diebold, Steuerverstrickung und Steuerentstrickung, Rn. 763; wohl auch Uelner, in: Raupachffipke/Uelner, Niedergang oder Neuordnung des deutschen Einkommensteuerrechts, 179 (Leistungsfähigkeitsprinzip sei "nicht meßbar, weil Fähigkeiten generell nicht zu messen seien") und Benda, DStZ 1984, 160. Gegen Ossenbühl schon Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 147.

128

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

erfassen sei. Danach kennzeichne das potentielle Leistungsvennögen die Leistungsfähigkeit des einzelnen. Lediglich aus praktischen Gründen werde nur der vom einzelnen realisierte Teil dieses potentiellen Leistungsvennögens, also das tatsächliche Wirtschaftsergebnis, steuerlich erfaßt. Danach berücksichtigt keine indirekt erhobene Steuer die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners. Schon die Art der Steuererhebung läßt die potentiellen Fähigkeiten des einzelnen außer acht. Die Verbrauchsteuern kennzeichnet, daß sie eng mit der belasteten Ware, nicht mit einer Person, verknüpft sind. Die nur auf die Waren bezogene Bemessungsgrundlage verdeutlicht, daß die Person des Steuerschuldners hinsichtlich der Höhe der Steuerschuld unberücksichtigt bleibt. Die besonderen Verbrauchsteuern beachten daher nicht die durch Wirtschaftsgüter erworbenen Erträge des einzelnen, durch die auf sein potentielles Leistungsvennögen geschlossen werden könnte. c) Die "Ist"-Leistungsfähigkeit Im Gegensatz zu den Vertretern einer "Soll"-Leistungsfähigkeit stellen andere Autoren l63 und das Bundesverfassungsgericht l64 auf das tatsächlich vorhandene, bereits realisierte Wirtschaftsergebnis des einzelnen ab ("Ist"-Leistungsfähigkeit). Ob das potentielle Leistungsvennögen des einzelnen ein höheres Wirtschaftsergebnis zulasse oder nicht, sei ftlr die Konkretisierung des Begriffs wirtschaftliche Leistungsfähigkeit irrelevant. Allerdings gehen die Meinungen darüber, ob die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit auf dieser Grundlage objektiv oder subjektiv zu bestimmen ist, auseinander. aa) Objektive Leistungsfähigkeit

Versteht man die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in einem objektiven Sinn, meint sie nichts anderes als die Fähigkeit des einzelnen, die jeweilige Steuer zahlen zu können. Leistungsfähigkeit ist danach nichts anderes als Zahlungsflihigkeit. 165

163 Überwiegende Meinung, vgl. Birk, Das Leistungstahigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 147; P. Kirchhof, VVDStRL, 226f. 164

BVerfG NJW 1995,2617.

165

P. Kirchhof, StuW 1985,324; Kruse, StuW 1990,326.

III. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern

129

Legt man diesen objektiven Maßstab zugrunde, zeigt sich, daß die Verwendung des Einkommens als Indikator zu keiner inhaltlichen Konturierung des Begriffs Leistungsflihigkeit fUhrt. Wird wirtschaftliche Leistungsflihigkeit als bloße Zahlungsflihigkeit verstanden, bedeutet das letztlich nur: Wer durch den Kaufakt zeigt, daß er über entsprechende Zahlungsmittel verfUgt, kann besteuert werden. Dann besagt das Prinzip einer Besteuerung nach der Leistungsflihigkeit nichts anderes, als die Sachverhalte zu besteuern, "wo etwas zu holen ist".I66 Durch den einzelnen Kauf einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware kann allenfalls mittelbar auf die Zahlungsflihigkeit des belasteten Personenkreises 167 geschlossen werden. bb) Subjektive Leistungsflihigkeit Die Autoren, die wirtschaftliche Leistungsflihigkeit subjektiv interpretieren, stellen auf das individuell vorhandene, tatsächliche Wirtschaftsergebnis des einzelnen Steuerpflichtigen ab. Sie wollen die konkrete Zahlungsflihigkeit des einzelnen unter Berücksichtigung seiner persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse zur Steuerzahlung bei der Steuerlastverteilung berücksichtigen. 168 Auch die Verbrauchsteuern sollen die subjektiv interpretierte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit berücksichtigen können. Beispielhaft fiir diese Auffassungen seien die Ansichten Tipkes und Försters 169 dargestellt. Tipke versucht, die Belastung der wirtschaftlichen Leistungsflihigkeit durch Verbrauchsteuern mittelbar zu erschließen. Nicht durch den einzelnen Kaufakt, sondern durch die Art der besteuerten Gegenstände könne auf die Leistungsflihigkeit des Steuerträgers, des Verbrauchers, geschlossen werden. 170 Durch die Besteuerung von Luxusgütern l7l könne auf eine erhöhte wirtschaftliche Lei166

Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und fonneller Gesetzesbegriff,

167

Schmölders, HdFiWe, Bd. 2, 640 f.

107.

168 Lang, Bemessungsgrundlage, 97 ff.; Papier, KritV 1987, 148 ff.; Scheipermeier, Verfassungsorientiertes System des Steuerrechts, 149 ff.; Tipke, StRO, 478 f., 494 ff.; TipkelLang, Steuerrechtl4 , 81; Wendt, NVwZ 1988,783. 169 Vgl. BirklFörster, DB 1985, Beilage Nr. 17, 6 und Förster, Die Verbrauchsteuern, 63: Es sei Zweck der Verbrauchsteuern, die dem Verbrauch liegenden subjektive Leistungsfähigkeit zu besteuern.

170

Tipke, StRO, 962, 965.

171

Vgl. dazu bereits 2. Teil C. I. 2.

9 D. Miiller

130

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

stungsfiihigkeit des Steuerträgers geschlossen werden. Denn nur einkommensund vennögensstarke Verbraucher unterlägen in diesem Fall einer besonderen Verbrauchsteuer. Einkommens- oder vennögensschwache Verbraucher oder Käufer würden derartige Luxusgegenstände nicht erwerben können und deshalb auch nicht mit einer besonderen Verbrauchsteuer belastet werden. Dementsprechend verlangt Tipke, lebensnotwendige Waren oder Güter nicht zu besteuern. Ihr Konsum oder Erwerb lasse keinen Rückschluß auf die wirtschaftliche Leistungsfiihigkeit des Verbrauchers zu. 172 Tipke sieht die allgemeine Leistungsfiihigkeit, die in dem Konsum von Waren und Dienstleistungen steuerlich zum Ausdruck komme, von der Umsatzsteuer erfaßt. Die Verbrauchsteuern dürften neben der Umsatzsteuer nur' eine besondere, gesteigerte Leistungsfiihigkeit erfassen. 173 Die Umsatzsteuer als allgemeine Verbrauchsteuer 174 erfasse im Gegensatz zu den besonderen Verbrauchsteuern durch die Höhe der insgesamt fUr die besteuerten Waren und Dienstleistungen geleisteten Ausgaben die wirtschaftliche Leistungsfiihigkeit des Steuerträgers. Gradmesser der Leistungsfähigkeit seien bei der Umsatzsteuer die gesamten Aufwendungen für den Konsum. 175 Tipke sieht die Umsatzsteuer letztlich als eine Steuer auf das Einkommen und zwar auf das konsumierte Einkommen. 176 Förster 177 schließt bei Einkommensverwendungssteuern auf zwei Arten auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerträgers. Ein solcher Rückschluß sei erstens auf Grund der Höhe des verausgabten Einkommens und zweitens auf Grund der Art des Konsums möglich. Auch sie sieht - ähnlich wie Tipke - durch die Umsatzsteuer als allgemeiner Verbrauchsteuer die wirtschaftliche Leistungsfiihigkeit des einzelnen durch die Höhe des verwendeten Ein-

172

Tipke, StRO, 962, 965.

173

Tipke, StRO, 965.

174 Zur Frage, ob die Umsatzsteuer eine (allgemeine) Verbrauchsteuer oder eine Verkehrsteuer ist, vgl. 2. Teil C. VI. 2. 175 Tipke, StRO, 903 ff. Ein dem entsprechendes Argument wurde bereits im "Akzisenstreit" (dazu vgl. bereits oben, Fn. 22) vorgebracht: Die Akzise belaste den Reichen, der "stets im Sause und Schmause lebe"; nur dieser könne im großen Umfang konsumieren und werde von den Akzisen belastet; vgl. Mann, Steuerpolitische Ideale, 60 unter Hinweis auf Teutophilus, Entdeckte Gold-Grube in der Akzise, 1-6. 176

StRO, 904.

177

Die Verbrauchsteuern, 100 f.; ähnlich bereits Trimborn, FA 11 (1949), 165 ff.

III. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern

131

kommens erfaßt. 178 Bei den besonderen Verbrauchsteuern handele es sich dagegen um Steuern, die aus der Art des Konsums, des Erwerbs ausgewählter Verbrauchsgüter, auf eine gewisse Leistungsfähigkeit schließen ließen, weil von einer bestimmten "Entsprechung zwischen Einkommensniveau und dem Verbrauch bestimmter Gegenstände,,179 auszugehen sei. 180 Auch Förster sieht die Besteuerung lebensnotwendiger Waren oder Gütern als bedenklich an, weil gerade durch ihre Besteuerung nicht auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen werden könne. IU In der Argumentation von Förster und Tipke wird ein subjektiv l82 verstandener Begriff wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit durch drei unterschiedliche Indikatoren erschlossen: Durch den einzelnen Kaufakt (Förster), durch die Art des belasteten Gegenstandes und die gesamten Aufwendungen filr den Konsum (Tipke und Förster). d) Stellungnahme Der objektiv verstandene Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erlaubt lediglich den mittelbaren Schluß auf die Zahlungsfähigkeit in dem Moment, in dem der Verbraucher die Ware kauft. Für die Autoren, die die Leistungsfähigkeit subjektiv interpretieren, ermöglicht der einzelne Kaufakt nicht einmal bei der Besteuerung bloßer "Luxuswaren" den mittelbaren Schluß auf die individuelle Leistungsfähigkeit des Käufers. 183 Denn es kann nur darauf geschlossen werden, daß der Käufer im 178 Förster, Die Verbrauchsteuern, 101. Neben der Umsatzsteuer verfolge auch eine Ausgabensteuer, die zu einer Veranlagung der Ausgaben führen würde, durch die Gesamtsumme der Aufwendungen für den Konsum die steuerliche Erfassung wirtschaftlicher Leistungsflihigkeit. Zur Ausgabensteuer vgl. Peffekoven, HdFiWe, Bd. 2, 420.

179 Neumark, Zum Problem der Klassifikation der Steuerformen, 361; ähnlich P. Kirchhof, VVDStRL 39, 276 f. 180

Förster, Die Verbrauchsteuern, 101.

181

Förster, Die Verbrauchsteuern, 101.

182 Vgl. BirklFörster, DB 1985, Beilage Nr. 17,6 und Förster, Die Verbrauchsteuern,

63.

183 Tipke, StRO, 496: "Allerdings demonstriert die Tatsache, daß jemand an einem Akt des Rechtsverkehrs teilgenommen hat, noch keine wirtschaftliche Leistungsflihigkeit". Diese Formulierung trifft in gleicher Weise auf den Kauf einer verbrauchsteuerpflichtigen Ware zu.

132

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

Moment des Kaufes über die entsprechenden Geldmittel verfiigt hat. Dies entspricht jedoch der bloßen Zahlungsfiihigkeit, während die individuelle Leistungsfiihigkeit gerade nicht erschlossen werden kann. Willkürlich erscheint es, daß Tipke unterschiedliche Indikatoren wirtschaftlicher Leistungsfiihigkeit bei den verschiedenen indirekten Steuerarten zur Begründung wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit heranzieht. 184 Die Indikatoren der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind bei ihm austauschbar. So ist denkbar, daß die Umsatzsteuer ebenfalls nur "Luxusgegenstände" oder Gegenstände des gehobenen Massenkonsums besteuert, um die persönliche wirtschaftliche Leistungsfiihigkeit steuerlich zu erfassen. Umgekehrt ist nicht einsichtig, warum bei besonderen Verbrauchsteuern nicht auf die gesamten Aufwendungen fiir den Konsum der belasteten Ware abgestellt werden sollte, wie dies fiir die Umsatzsteuer angenommen wird. Um ein Beispiel zu bilden: Wer etwa 100 Flaschen Schaumwein im Jahr trinkt, wird nach dieser Argumentation über eine besondere wirtschaftliche Leistungsfiihigkeit verfllgen, die steuerlich erfaßt werden kann. Daran zeigt sich, daß bei der Konkretisierung des Begriffs der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfiihigkeit hinsichtlich der Qualität (der einzelne Erwerbsakt oder das Luxusgut) und der Quantität (die Summe der Konsumaufwendungen) der Indikatoren nicht differenziert wird und nicht differenziert werden kann. Alle genannten Indikatoren, mit denen bei den Verbrauchsteuern auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geschlossen wird, unterscheiden nicht zwischen dem Verbrauch einzelner Personen und dem einer ganzen Familie. Eine aus mehreren Personen bestehende Familie hat zwangsläufig höhere Konsumaufwendungen als ein Alleinstehender. Deshalb sind Familien wirtschaftlich nicht leistungsfähiger als ein einzelner Konsument. Sie werden aber höher besteuert. 185 Den unterschiedlichen Familienstand, der fiir die Feststellung vorhandener individueller wirtschaftlicher Leistungsfiihigkeit unbedingt berücksichtigt werden müßte, lassen die Verbrauchsteuern unbeachtet, weil sie zum einen - wie alle indirekten Steuern - nicht unmittelbar beim Verbraucher erhoben werden. Zum anderen beziehen sich die Verbrauchsteuern ihrer gesamten Struktur nach auf Objekte. Steuergegenstände und Steuerbemessungsgrundla-

184 Vgl. Brinkmann, Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung und formeller Gesetzesbegriff, 99 f. 185 So schon Trimborn, FA 11 (1949), 168; vgl. auch Birk, in: HHSp., AO, § 3 Rn. 185; Pohmer/Jurke, FA 42 (1984), 488.

III. Wirtschaftliche Belastungen durch die Verbrauchsteuern

133

gen orientieren sich ausschließlich an Waren. Die persönlichen Verhältnisse des Steuerschuldners und des Steuerträgers sind ohne jeden Belang. 186 Da die Verbrauchsteuern die individuellen Verhältnisse des Steuerpflichtigen und des Steuerträgers nicht erfassen, belasten sie nicht die tatsächliche, sondern nur eine vermutete individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Die bloße Erfassung vermuteter wirtschaftlicher Leistungsflihigkeit deckt sich kaum mehr mit dem Postulat, nur die konkret vorhandenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, das tatsächlich realisierte Wirtschaftsergebnis, steuerlich zu belasten. 187 Insoweit läßt sich ebenso der Schluß ziehen, besondere Verbrauchsteuern suchten sich gerade von einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsflihigkeit zu lösen. 188 Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß die besonderen Verbrauchsteuern allenfalls die durch den Kaufakt zu vermutende Zahlungsflihigkeit steuerlich erfassen. Die verschiedenen Indikationen, mit denen auf die wirtschaftliche Leistungsflihigkeit geschlossen wird, versagen, wenn die Verbrauchsteuern als Belastung der subjektiven Leistungsflihigkeit verstanden werden. In dieser begrifflichen Unklarheit wurzeln die Auffassungen, daß die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entweder nicht als Fundamentalprinzip des Steuerrechts zu verstehen lB9 oder ihre Bedeutung ausdrücklich nur auf direkte Steuern zu beschränken ist. l90

186 Vgl. auch Schwarz, AO, § 3 Anm. 10, nach dem die indirekten Steuern deshalb nicht sozial ausgestaltet werden können. 187 Vgl. etwa F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung von Zigaretten, 22, der rur die Verbrauchsteuern zwar am Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfliliigkeit festhält, aber nur in einer unvollkommenen Weise, in einem "groben" Maßstab. 188 Beermann, DStJG 11 (1988),284 f. Dieser Schluß entspricht außerdem der historischen Entwicklung des Leistungsfliliigkeitsprinzips. Es ist aus den politischen Kämpfen hervorgegangen. ist, denen die indirekten Steuern ausgesetzt waren, weil ihnen abgesprochen wurde, Rücksicht auf wirtschaftliche Leistungsfliliigkeit nehmen. Vgl. dazu Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 2 III 2d, 52.

189

Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 2 III 2d, 51 m.w.N.

190

P. Kirchhof, StuW 1985,324.

134

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern IV. Erhebungstechnik

Als ergänzendes Kriterium der typologischen Einteilung von Steuerarten kommt schließlich die Art der Steuererhebung in Betracht. 191 Dafür sind die Bestimmungen relevant, die regeln, bei wem die Steuer erhoben wird und welche Verfahrensweise zu beachten ist. 192 Nach der Rechtsprechung des Bundesfmanzhofs l93 , die auf die des Reichsfinanzhofs l94 zurückgeht, ist für Verbrauchsteuern typisch, daß ihre Erhebung an den Übergang der verbrauchsteuerpflichtigen Ware aus einem steuerlichen Nexus, einer steuerliche Verstrickung, in den freien Verkehr anknüpft. Aus den Vorschriften zur Sachhaftung (§ 76 AO) und denen der Steueraufsicht (§§ 209 ff. AO) ist die besondere steuerliche Verstrickung der verbrauchsteuerbelasteten Waren hergeleitet worden. 19s Da diese Regelungen an die Herstellung bzw. Gewinnung der belasteten Waren anknüpfen, gelangen die Waren zu diesem Zeitpunkt in die steuerliche Verstrickung. Wenn die Sachhaftung und die besondere Steueraufsicht durch die Überführung der Ware in den freien Verkehr enden,196 verläßt die Ware den steuerlichen Nexus. Da in diesem Zeitpunkt regelmäßig die Verbrauchsteuerschuld entsteht, ist der Eintritt der verbrauchsteuerbelasteten Ware in den steuerlichen Nexus als Vorstufe der eigentlichen Verbrauchsteuerschuld zu sehen. 197 Gegen die steuerliche Verstrickung als Wesensmerkmal ist schon früh eingewandt worden, daß die steuerliche Bindung einer Ware auf gesetzlichen Maßnahmen beruhe, die lediglich das Steueraufkommen sicherstellen sollen. Derartige Sicherungsmaßnahmen beträfen nur das Erhebungsverfahren und könnten das rechtliche Wesen einer Steuer nicht erklären. 198 Allerdings kann durch die-

191 BVerfGE 7, 244 (264); 65, 325 (351); RFHE 6, 19 (24); Tipke/Kruse, AO, § 3 Tz. 39. 192 BVerfGE 7, 244 (264); Förster, Die Verbrauchsteuern, 88; Tipke/Kruse, AO, § 3 Tz. 39. 193 BFHE 141, 369 (374); 57,473 (489). Ebenso BVerwG KStZ 1995, 12 (14). 194 RFHE 3, 160 (161). 195

5.

Jatzke, Verbrauchsteuerrecht, 20. Vgl. auch Birk/Förster, DB 1985, Beilage Nr. 17,

196 § 76 IV 2 AO. 197 BFHE 57, 473 (489); 141,369 (374); vgl. auch BVerfGE 16,64 (74). 198

Schröter, ZfZ 1931,62.

V. Wesensmerkmale außerhalb herkömmlicher Einteilungskriterien

135

ses Merkmal eine Eigenheit der Verbrauchsteuern bestätigt werden, die schon in anderem Zusammenhang aufgezeigt worden ist. An der steuerlichen Verstrickung zeigt sich, daß die Verbrauchsteuern objektbezogen sind. Mit Hilfe dieses Merkmals können die Verbrauchsteuern außerdem von anderen Steuerarten, insbesondere den Verkehrsteuern, abgegrenzt werden!99 Der Übergang der Ware aus dem steuerlichen Nexus in den freien Verkehr kann den Typus der Verbrauchsteuern zutreffend, wenn auch nicht erschöpfend, beschreiben. V. Wesensmerkmale der Verbrauchsteuern außerhalb herkömmlicher Einteilungskriterien

1. Verwaltungsorganisation

Enno Becker200 hat auf die Verwaltungsorganisation fiir die Verbrauchsteuern abgestellt. Entscheidend sei, daß der Gesetzgeber eine Steuer als Verbrauchsteuer bezeichne und sie damit der Verwaltung der Hauptzollämter unterstelle. Steuertechnische oder verwaltungsorganisatorische Gesichtspunkte oder Bezeichnungen sind jedoch ungeeignet, um das Wesen der Verbrauchsteuern zu beschreiben. Ließe man das zu, könnte der Bund jede Steuer filr sich beanspruchen, indem er sie der Verwaltung des Hauptzollamtes unterstellt oder sie als Verbrauchsteuer bezeichnet. 201 Deshalb zielt die Defmition Enno Beckers auch nur auf eine verfahrensrechtliche Zuordnung der Verbrauchsteuern aus verwaltungsökonomischen Gründen. Daß eine solche auf organisatorischen Zweckmäßigkeitserwägungen beruhende Einteilung das rechtliche Wesen einer Steuer erklären kann, hat Enno Becker nie behauptet. 202 2. Entstehung au/Grund eines volkswirtschaftlich bedeutsamen Vorgangs

Schröter sieht diejenigen Steuern als Verbrauchsteuern an, bei denen ein volkswirtschaftlich bedeutender Vorgang den Steueranspruch rechtlich ver-

199

BFHE 141,369 (374).

200 StuW 1926, 1322 f.; StuW 1925, 1387; der Reichsfinanzhof (RFHE 19, 169 [171]) hat diese Sichtweise in einem Urteil übernommen. 201 BVerfGE 8, 260 (270); BFHE 141,369 (371); Schröter, ZfZ 1931,62; Söhn, StuW 1975,8.

202

Söhn, StuW 1975,8.

136

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

wirklicht. 203 Rein privatwirtschaftliche Vorgänge seien demgegenüber für die Verkehrsteuern kennzeichnend. 204 Als Beispiel ordnet Schröter die Umsatzsteuer dem privatwirtschaftlichen Bereich zu, weil die Tauschvorgänge, die die Steuer entstehen lassen, zwischen Privatpersonen stattfänden. Demgegenüber liege den Verbrauchsteuern ein volkswirtschaftlich bedeutsamer Vorgang zugrunde, weil hier die belastete Ware von einem Produzenten auf einen Verbraucher überginge. 205 Wann ein Vorgang nur privatwirtschaftlich und wann er volkswirtschaftlich von Bedeutung ist, läßt sich auch in dem von Schröter gewählten Beispiel nicht sicher und nicht ohne Willkür erklären. 206 Denn auch der Übergang der verbrauchsteuerpflichtigen Ware beruht wie bei der Umsatzsteuer auf einem privaten Geschäftsvorgang, dem Kauf. VI. Abgrenzung zu anderen Steuerarten und Abgaben

Die in der Abgabenordnung verwendeten Begriffe der Einzelsteuern und Steuergruppen sind Typenbegriffe. Deshalb kann das Wesen und der Begriff einer Steuer nicht nur anband positiver Merkmale erschlossen werden. Benachbarte Steuertypen sind zur Abgrenzung und Beschreibung heranzuziehen. 207 Da die Grundstrukturen einen Steuertypus prägen, sind die verschiedenen Steuertypen insgesamt zu vergleichen. 208 In diesen Vergleich sind die den Verbrauchsteuern verwandten Steuertypen einzubeziehen. Gemeinsamkeiten bestehen in der Struktur von Verbrauchsteuern, Verkehrsteuern, der Umsatzsteuer, den örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern und den Zöllen als Vermögensverwendungssteuern. Die Wesensmerkmale der verwandten Steuertypen können nicht ebenso ausführlich aus den gesetzlichen Strukturen abgeleitet werden, wie dies für die Verbrauchsteuern geschehen ist. Die Darstellung muß sich aus diesem Grund an den Wesensmerkmalen orientieren, die Rechtsprechung und Literatur für die einzelnen Steuerarten als wesensbestimmend ansehen.

203

Schröter, ZfZ 1931,65.

204

Schröter, ZfZ 1931, 65 f.

205

Schröter, ZfZ 1931,64 ff.

206

Schmölders, Begriffsbestimmung, 20.

207

Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern als Verfassungsproblem, 174.

208

Vogel/Walter, BK, GG, Art. 105 Rn. 102 f.

VI. Abgrenzung zu anderen Steuerarten und Abgaben

137

J. Die Verkehrsteuern

Verkehrsteuern knüpfen an Akte oder Vorgänge des Rechtsverkehrs, an die Vornahme eines Rechtsgeschäfts, einen wirtschaftlichen Vorgang oder einen Verkehrsvorgang an. 209 Beispiele sind die Grunderwerbsteuer und die Versicherungsteuer. 2lO Diese weite Begriffsbestimmung der Verkehrsteuern führt dazu, daß diesem Steuertypus so gut wie alle Steuern zugeordnet werden könnten. 211 Allerdings knüpfen die Verkehrsteuern nur an relativ wenige, genau bezeichnete wirtschaftliche Vorgänge an. 2\2 Für die Abgrenzung der Verbrauch- von den Verkehrsteuern hat der Bundesfmanzhof auf formale Kriterien abgestellt. Während die Entstehung der Verbrauchsteuern regelmäßig an den Übergang der Ware aus der steuerlichen Bindung in den steuerrechtlich freien Verkehr anknüpfe, belasteten Verkehrsteuern einen Verkehrsvorgang. 213 Der Bundesfmanzhof führt die Unterscheidung letztlich auf den steuerlichen Nexus zurück, in den die Waren mit ihrer Herstellung oder Einfuhr eintreten. Daß die Vorschriften, aus denen der steuerliche Nexus abgeleitet wird,214 die Steuererhebung sichern sollen und damit letztlich nur ein formales Kriterium darstellen, verkennt der Bundesfmanzhof nicht. Denn in den Fällen, in denen die Steuer unmittelbar beim Verbrauch erhoben wird, ohne daß die belasteten Waren in einen steuerlichen Nexus gelangen, sieht sich der Bundesfmanzhof wegen dieses Merkmals nicht an der Annahme einer Verbrauchsteuer gehindert. 215 Der Hinweis des Bundesfmanzhofs216 , daß die Entstehung der Verbrauchsteuerschuld an eine Person, die der Verkehrsteuern an zwei Personen anknüpfe, ist lediglich ein weiteres formales Kriterium. Materiell lassen sich Verkehrsteuern und Verbrauchsteuern durch den wirtschaftlichen Sachverhalt abgrenzen, den sie besteuern wollen. Verkehrsteuern

209 BVerfGE 16, 64 (73); BFHE 110, 213 (215); Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 3b, 78.

2\0

Vgl. Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 3b, 78; Tipke, StRO, 932.

211

Vgl. Förster, Die Verbrauchsteuem, 122 ffi.w.N.

212

Kruse, FS Paulick, 410.

213 BFHE 57, 473 (489); BFHE 141, 369 (374); BFHE 110, 213 (215); vgl. auch RFHE 3, 160 (161) und BVerfGE 16,64 (74). 214

Vgl. 2. Teil C. IV.

215

BFHE 141,369 (374 f.).

216

BFHE 57, 473 (489).

138

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

knüpfen im Gegensatz zu Verbrauchsteuern nicht an Gegenstände an, die verbrauchsflihig sind. Sie belasten rechtliche Vorgänge oder Positionen. Demgegenüber kennzeichnet es eine Verbrauchsteuer, wenn der tatsächliche Verbrauch einer Ware besteuert werden soll.217 Die Abgrenzung kann deshalb nach dem tatsächlich besteuerten Objekt vorgenommen werden. 218 2. Die Umsatzsteuer

Schwieriger ist die Abgrenzung der Verbrauchsteuern von der Umsatzsteuer. Das liegt daran, daß nicht geklärt ist, welcher Steuerart die Umsatzsteuer zuzuordnen ist. Auf Grund ihrer gesetzlichen Ausgestaltung steht sie zwischen Verkehr- und Verbrauchsteuern. 219 Steuertechnisch knüpft die Umsatzsteuer an den Kauf von Waren oder Dienstleistungen, mithin an Verkehrsvorgänge, an. 220 Darauf gründet sich im wesentlichen die Ansicht, die sie als Verkehrsteuer ansieht. 221 Wirtschaftlich soll der Endverbraucher mit der Umsatzsteuer belastet werden. Sie wird bei Unternehmern erhoben, die sie als Bestandteil des Waren- oder Dienstleistungspreises auf den Endverbraucher überwälzen sollen. Die Umsatzsteuer belastet den Endverbraucher, weil sie letztlich seinen Konsum erfaßt. Wie im Regelfall bei den Verbrauchsteuern trägt letztlich der Endverbraucher die Umsatzsteuer. Sie wird deshalb auch als allgemeine Verbrauchsteuer angesehen, weil sie auf alle, und nicht auf besondere Waren und Dienstleistungen

217

BVerwG KStZ 1995, 12 (15); Zitzelsberger, BB 1995, 1776.

218

Förster, Die Verbrauchsteuern, 127.

219

AusfUhrlich Stadie, in: RauIDürrwächterlFlickiGeist, UStG6 , Einf. Rn. 55 m.w.N.

220 Besteuert werden primär die Lieferungen und sonstigen Leistungen eines Unternehmers (§§ I I Nr. 1,3 I, IX UStG i.d.F. vom 27. April 1993, BGBL I, 565). Daneben wird der Eigenverbrauch (§ I I Nr. 2 UStG), der Gesellschaftereigenverbrauch (§ 1 I Nr. 3 UStG), die Einfuhr von Gegenständen aus Nicht-EG-Staaten (§§ I I Nr. 4, 21 UStG) und der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland (§§ I I Nr. 5, la UStG) besteuert. Die Einfuhrumsatzsteuer bezeichnet § 21 I UStG ausdrücklich als Verbrauchsteuer LS. der AO. Der Gesetzgeber kann jedoch nicht durch die Bezeichnung einer Steuer ihr rechtliches Wesen bestimmen. Es handelt sich nur um eine Bezeichnung aus verfahrensrechtlichen Gründen, um die Zuständigkeit der Zollbehörden zu begründen; vgl. Flick, in: Rau/DürrwächterlFlickiGeist, UStG6, § 21 Rn. 20. 221 BFH BStBl. III 1953,183 (188); 11 1988, 1017 (1019); 11 1989,580 (582); Maunz, in: MaunzIDürig, GG, Art. 105 Rn. 50.

VI. Abgrenzung zu anderen Steuerarten und Abgaben

139

erhoben wird. 222 Der Besteuerung des Eigenverbrauchs in § 1 Abs. 1 Nr. 2 UStG entnimmt Söhn den Belastungsgrund der Umsatzsteuer. Aus dieser Vorschrift lasse sich zwingend ableiten, daß die Umsatzsteuer den Verbrauch von Waren und Dienstleistungen steuerlich erfassen wolle. 223 Denn würden Verkehrsvorgänge besteuert, wäre dieser umsatzsteuerliche Anknüpfungspunkt sinnlos und ließe sich nicht erklären. Besteuert werde aber gerade der Verbrauch als Realakt und kein Akt des Rechtsverkehrs. Die Umsatzsteuer ist daher steuertechnisch eine Verkehrsteuer, auf Grund ihrer wirtschaftlichen Wirkung und ihres Belastungsgrundes jedoch eine allgemeine Verbrauchsteuer. 224 Die Abgrenzung der Verbrauchsteuern von der Umsatzsteuer kann ebenfalls nach den Lebenssachverhalten erfolgen, an die die steuerliche Belastung anknüpft. Die Umsatzsteuer besteuert umfassend alle Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens gegen Entgelt ausfUhrt. Im Gegensatz dazu erfassen die Verbrauchsteuern nur einzelne, präzise defmierte Waren. 3. Die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern

Gemeinden können örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern erheben (Art. 105 Abs. 2a, 106 Abs. 6 GG). Für die örtlichen225 Verbrauchsteuern beste222 RFH RStBl. 1938, 903; Birk, Steuerrecht I, 52; Folkers, Wandlungen der Verbrauchsbesteuerung, 97; Tipke, StuW 1992, 106 ff.; WaIden, Die Umsatzsteuer als indirekte Verbrauchsteuer, 33 ff. Ebenso wie die Verbrauchsteuern wird die Umsatzsteuer von der auf Art. 99 EGV beruhenden Hannonisierung durch Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft geprägt. Die 1. RL (EWG) 67/227 des Rates zur Hannonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer v. 11. April 1967, ABI. EG Nr. 71, 1301, auf die die 6. RL (EWG) 77/388 des Rates zur Harrnonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer v. 17. Mai 1977, ABI. EG Nr. L 145, 1 Bezug nimmt, bezeichnet die Umsatzsteuer ausdrücklich als allgemeine Verbrauchsteuer. Daran orientiert auch der EuGH die Auslegung der in Frage stehenden Vorschriften, EuGH Sig. 1982, 1409 (1426); 1985, 2355 (2371); 1989, 2671 (2706). Zur Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung durch die nationalen Gerichte, vgl. 1. Teil A. IV. 223

Söhn, StuW 1975, 11 f. zum UStG 1973 m.w.N.

224 BVerfG 7, 244 (260); Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 3b, 78; Vogel/Waller, BK, GG, Art. 105 Rz. 112. 225 Örtlichkeit bedeutet, daß ihre Wirkung auf das Gemeindegebiet beschränkt bleiben muß; BVerfGE 65,325 (349); Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 4d, 80.

140

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

hen im Hinblick auf den Belastungsgrund keine Unterschiede zu dem der besonderen Verbrauchsteuern. Auch die örtlichen Verbrauchsteuern wollen den Verbrauch, die eliminierende Nutzung eines Gegenstandes, steuerlich erfas226 sen. Aufwandsteuern knüpfen dagegen an das Halten oder den Gebrauch bestimmter Gegenstände oder an einen tatsächlichen oder rechtlichen Zustand an. 227 Die Hundesteuer, die Getränkesteuer und die Vergnügungssteuer sind verschiedene Beispiele der örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern. Im Gegensatz zu den Verbrauchsteuern im engeren Sinn belasten Aufwandsteuern nicht die einmalige sinnvolle Nutzung eines Gegenstandes. 228 Durch ihre Anknüpfung an Sachen bestehen Überschneidungen zu den Verbrauchsteuern. Sie können deshalb als Verbrauchsteuern im weiteren Sinn bezeichnet werden. 229 4. Die Zölle

Die Verbrauchsteuern von den Zöllen abzugrenzen, erweist sich als besonders problematisch. Beide haben in der Akzise eine gemeinsame geschichtliche Wurzel, so daß ihre Entwicklung zum Teil Parallelen aufweist. Ihnen ist weiterhin gemeinsam, daß sie nur einzelne, bestimmte Waren belasten. Das Bundesverfassungsgericht hat filr Zölle als wesentlich angesehen, daß sie nach Maßgabe des Zolltarifs bei der Warenbewegung über die Zollgrenze erhoben werden. 230 Dieses formale Kriterium weisen allerdings auch die besonderen 226

BVerwG KStZ 1995, 12 (15) m.w.N.

227 Vgl. Birk, Steuerrecht I, 53; Förster, Die Verbrauchsteuern, 111; Maunz, in: MaunzIDürig, GG, Art. 105 Rn. 49. 228 Zum Teil wird dieser steuerliche Anknüpfungspunkt durch die Formulierung verschleiert, daß durch ihn wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfaßt werde (vgl. etwa BVerfG DStR 1995, 1270 (1271); BVerwG KStZ 1995, 12 (14 f.); Bayer, KStZ 1995, 146). Da Aufwandsteuern aber letztlich einen Gegenstand steuerlich erfassen wollen, kann bei ihnen ebensowenig wie bei den besonderen Verbrauchsteuern der Terminus der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit konkretisiert werden (vgl. 2. Teil C. III. 3.). Der Hinweis auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit kann bei den Aufwandsteuern entfallen, ohne daß sich eine sachliche Änderung ihres Anknüpfungspunktes ergäbe. Zugleich wird deutlich, daß auch nicht alle direkten Steuern, zu denen die Aufwandsteuern zählen, dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folgen. 229 BVerwG KStZ 1995, 12 (14) ; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 4d, 80; Maunz, in: MaunzIDürig, GG, Art. 105 Rn. 49. 230

BVerfGE 8, 260 (269).

VI. Abgrenzung zu anderen Steuerarten und Abgaben

141

Verbrauchsteuern auf. Auch sie belasten über die entsprechenden Verweisungsvorschriften die aus Drittländern eingefUhrten Waren. Daraus hat Birk gefolgert, die Zölle hätten eine die Verbrauchsteuern ergänzende Funktion, um die eingefilhrten Waren derselben Verbrauchsteuerbelastung wie die inländischen Waren zu unterwerfen. Daneben würden sie als Mittel der Wirtschaftspolitik eingesetzt, um ausländischen Waren den Zugang zum inländischen Markt zu erschweren. 231 Zölle wären danach nur "besondere" Verbrauchsteuern auf ausländische Waren. Eine materielle Abgrenzung zwischen Zöllen und Verbrauchsteuern wäre unmöglich. Diese materielle Unterscheidung verlangt Förster, weil das rechtliche Wesen der Zölle nicht allein mit einem formalen Kriterium erklärt werden dürfe. Ihrer Ansicht nach sind Zölle auf eine diskriminierende Wirkung im Verhältnis zu inländischen Produkten angelegt, Verbrauchsteuern dagegen auf eine Gleichbehandlung der inländischen und ausländischen Produkte. 232 Ihre Auffassung leitet sich von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes her. Der Gerichtshof muß im Rahmen des EG-Vertrages einerseits zwischen Zöllen und zollgleichen Abgaben und andererseits inländischen Abgaben, die an die Einfuhr anknüpfen, unterscheiden. So sind innerhalb des Binnenmarktes Zölle und zollgleiche Abgaben verboten (Art. 12 EGV), während inländische, an die Einfuhr geknüpfte Abgaben im Rahmen des Art. 95 EGV zulässig sind. Den Unterschied zwischen beiden sieht der Europäische Gerichtshof darin, daß die Zölle und zollgleichen Abgaben ausschließlich auf das eingefilhrte Erzeugnis als solches erhoben werden. Inländische Abgaben im Sinne des Art. 95 EGV belasten dagegen gleichermaßen inländische und ausländische Produkte und dienen nur dem Ausgleich der steuerlichen Belastung dieser Produkte. Dieses Diskriminierungsverbot soll filr alle Waren, unabhängig von ihrer Herkunft aus dem jeweiligen Mitgliedstaat, nach angewandten objektiven Kriterien eine einheitliche Gesamtbelastung herbeifilhren. 233 Förster verkennt, daß die vermeintliche Gleichbehandlung durch Verbrauchsteuern und die vermeintliche Diskriminierung durch Zölle lediglich Rechtsreflexe aus dem Gemeinschaftsrecht sind. Das wird deutlich, wenn die ver231 Birk, Steuerrecht I, 53. Die Aufnahme des Einfuhrtatbestandes in die Verbrauchsteuergesetze, um die ausländischen Waren derselben steuerlichen Belastung wie die inländischen zu unterwerfen, geht auf den Willen des historischen Gesetzgebers zurück, vgl. 2. Teil B. IV. 232

Die Verbrauchsteuern, 119 ff.; ähnlich Lux, DStJG 11 (1988), 163.

233

Streinz, Europareche, Rn. 662 m.w.N.

10 D. Müller

142

2. Teil, C: Allgemeine Charakteristika der Verbrauchsteuern

brauchsteuerrechtlichen Vorschriften, die auf die sinngemäße Anwendung der Zollvorschriften verweisen, ersatzlos entfallen würden. Dem stünde das Diskriminierungsverbot des Art. 95 EGV nicht entgegen, weil es die steuerliche Diskriminierung inländischer Waren nicht verbietet. In diesem Fall würde sich das rechtliche Wesen der Verbrauchsteuern nicht ändern. Die Entstehung der Verbrauchsteuer bei der Einfuhr der belasteten Waren ist wegen Art. 95 EGV nur erlaubt, um inländische und ausländische Waren im inländischen Wettbewerb gleichzubehandeln. Deshalb hat sich eine materielle Abgrenzung der Zölle von den Verbrauchsteuern an dem jeweiligen Belastungsgrund zu orientieren. Der Belastungsgrund der Zölle kann nur aus dem Zollkodex der Europäischen Gemeinschaft abgeleitet werden. Ihm liegt das System eines Wirtschaftszolles zugrunde. Dieses System zeichnet sich dadurch aus, daß Zölle in erster Linie ein Instrument der Wirtschaftsgestaltung sind, um den inländischen Güterumsatz und die Preisbildung zu regulieren. Dementsprechend ist rur die Entstehung der Zollschuld nicht allein maßgebend, ob das Zollgut die geographische Grenze überschritten hat, sondern entscheidend ist, ob es in den inländischen Wirtschaftskreislauf gelangt ist. 234 Diese wirtschaftspolitische Zielsetzung steht bei den Zöllen im Vordergrund, so daß die Absicht der Einnahmeerzielung dahinter vollkommen zurücktritt. Da die Einnahmeerzielung fiir die Erhebung von Zöllen irrelevant geworden ist, sind Zölle auch keine Steuern im Sinn der Abgabenordnung. m Wirtschaftspolitische Zielsetzungen verfolgen die Verbrauchsteuern nicht. Sie belasten den Verbrauch bestimmter Waren vorwiegend aus fiskalischen Interessen. 236 Diese unterschiedlichen Zielsetzungen durch die jeweiligen Belastungsgründe unterscheiden die Verbrauchsteuern von den Zöllen.

234 Lamp, ZGStW, 1953, 157. Zu den Entstehungstatbeständen des Zollkodex, die auf dem Gedanken des Wirtschaftszolles basieren, vgl. oben 1. Teil B. III. 4. und 5. b). 235 Vgl. Beermann, DStZ 11 (1988), 308 f.; Dänzer-Vanotti, DStJG 11 (1988), 77; Kruse, Lehrbuch des Steuerrechts, Bd. I, § 3 III 43, 79, § 2 11 43, 35; a.A. Friedrich,

StuW 1987, 134, der die Einnahmeerzielung als Nebenzweck ansieht.

236 Förster, Die Verbrauchsteuern, 1; vgl. auch Steuerreformkommission, BMF-Schriftenreihe, Heft 17, 821.

2. Teil, E: Zusammenfassung

143

D. Verfassungsrechtliche Vorgaben für den Begriff der Verbrauchsteuern Abschließend bleibt zu fragen, ob sich dem Grundgesetz Merkmale der Verbrauchsteuern entnehmen lassen. Das Grundgesetz verwendet in den V orschriften der Finanzverfassung lediglich den Terminus "Verbrauchsteuern",237 ohne ihn näher zu beschreiben. Der Grundgesetzgeber wollte mit der Finanzverfassung im Jahr 1969 alle Steuerarten erfassen, die er damals vorgefunden hat. Deshalb liegt der Finanzverfassung kein logisch durchdachtes, rationales System238 zugrunde, sondern die historisch gewachsenen Steuern wurden filr die Verteilung der Steuererträge in Art. 106 GG aufgenommen. 239 Daraus ist folgerichtig geschlossen worden, daß die Aufzählung der Steuerarten nicht zu festen Begriffen gefUhrt hat. Die Verbrauchsteuern im Grundgesetz sind ebenso wie die anderen dort genannten Steuern eine bloße Typenbezeichnung. 240 Für die in der Verfassung verwendeten Steuerbezeichnungen wird einhellig auf das "traditionelle deutsche Steuerrecht" zuruckgegriffen. 241 Aus diesem Grund können aus der Verfassung selbst keine konstitutiven Merkmale des Typus Verbrauchsteuern gewonnen werden.

E. Zusammenfassung 1. Verbrauchsteuerpflichtige Waren müssen verbrauchsfähig, das heißt zum Verbrauch geeignet sein. Die Verbrauchsteuergesetze belasten keine Luxuswaren. Sie versuchen, den Verbrauch von Waren durch Privatpersonen zu belasten und die gewerbliche Verwendung zu entlasten. Sie knüpfen regelmäßig an den

237 Art. 106 I Nr. 1, 108 I 1 GG. Art. 10611 Nr. 6 GG erwähnt die Biersteuer, deren Erträge den Ländern zustehen. Art. 105 Ha GG weist den Ländern die Gesetzgebungskompetenz rur die örtlichen Verbrauchsteuern zu. 238 Fischer-Menshausen, in: v. Münch, GG, Art. 106 Rn. 14; Vogel/Walter, BK, GG, Art. 105 Rn. 97 f.; Wacke, Das Finanzwesen der Bundesrepublik, 1950,64, Fn. 101.

239

Tipke, FS Wacke, 213; Vogel, StuW 1971,310.

240 Fischer-Menshausen, in: v. Münch, GG, Art. 106 Rn. 14; Maunz, in: MaunzIDürig, GG, Art. 106 Rn. 20; Vogel, StuW 1971,314; Vogel/Walter, BK, GG, Art. 105 Rn. 98.

241 BVerfGE 7, 244 (252); 14,76 (91); 16,306 (317); 26, 302 (309); Vogel/Walter, BK, GG, Art. 105 Rn. 97; so ausdrücklich rur die Verbrauchsteuern Förster, Die Verbrauchsteuern, 27, 46.

144

2. Teil, E: Zusammenfassung

Übergang der Ware in den freien Verkehr als Vorstufe des eigentlichen Verbrauchs an. Durch die Besteuerung des unmittelbaren Verbrauchs der Ware im Steuerlager zeigt sich, daß die Verbrauchsteuern nur den Verbrauch der belasteten Ware als wirtschaftlichen Sachverhalt erfassen wollen. 2. Die Bemessungsgrundlagen kennzeichnen den objektsteuerartigen Charakter der Verbrauchsteuern. Ihnen liegen regelmäßig Realgrößen der belasteten Waren zugrunde. 3. Die wirtschaftlichen Wirkungen der Verbrauchsteuern zeigen, daß sie auf Grund ihrer Erhebungstechnik im Regelfall auf Überwälzung auf den Endverbraucher angelegte indirekte Steuern sind. Aus demselben Grund belasten sie die Vermögensverwendung des Steuerträgers und sind keine Steuern auf das Vermögen selbst oder auf das dem Steuerträger zufließende Einkommen. Diese wirtschaftlichen Merkmale kennzeichnen den Typus Verbrauchsteuern. Sie sind keine konstitutiven Merkmale, die zwingend bei allen Verbrauchsteuern vorhanden sein müßten. Denn die Besteuerung des Verbrauchs von Waren kann in geeigneten Fällen unmittelbar beim Verbraucher ansetzen, solange nur der einmalige Verbrauch steuerlich belastet wird. 4. Der Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit trägt nicht dazu bei, die Verbrauchsteuern als Steuertypus zu beschreiben. Versteht man wirtschaftliche Leistungsfahigkeit als bloße Zahlungsfähigkeit, ist aus dem Kauf der einzelnen Ware mittelbar auf die objektiv verstandene Leistungsfahigkeit zu schließen. Allerdings dürfte dann jede Steuer, die Erträge erbringt, die Leistungsfähigkeit in diesem Sinn berücksichtigen. Sieht man demgegenüber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im individuell vorhandenen, tatsächlichen Wirtschaftsergebnis des Steuerträgers, so belasten die besonderen Verbrauchsteuern dieses Wirtschaftsergebnis gerade nicht. Da sie im Regelfall bei dem Hersteller oder Importeur erhoben werden, nehmen sie keine Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse beim Steuerträger. Ferner zeigt auch die nur auf die Waren bezogene Bemessungsgrundlage, daß die wirtschaftliche Situation von Steuerschuldner und Steuerträger irrelevant ist. 5. Die Verbrauchsteuern lassen sich von anderen Abgaben durch den wirtschaftlichen und tatsächlichen Lebenssachverhalt, an den die Besteuerung anknüpft, ihren Belastungsgrund, abgrenzen.

3. Teil

Schluß betrachtung Die Verbrauchsteuern sind durch die Entscheidung des Gesetzgebers vereinheitlicht worden. Den Verbrauchsteuergesetzen liegt im wesentlichen dieselbe Struktur zugrunde. Die Umsetzung mag auf europäischen Richtlinien beruhen und deshalb nicht in erster Linie auf den Willen des nationalen Gesetzgebers zurückgeführt werden können. Trotzdem sind die harmonisierten Verbrauchsteuergesetze ein Beispiel dafilr, daß der Gesetzgeber durch die Steuergesetzgebung BelastungsgrUnde transparent machen und ein nachvollziehbares Steuersystem aus eigener Kraft schaffen kann. Das Beispiel der Verbrauchsteuern zeigt, daß eine im Steuergesetz konsequent umgesetzte Belastungsentscheidung die Konturen einer Steuerart prägen und so der Konturenarmut des Steuerrechts entgegenwirken kann.

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