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German Pages 266 [276] Year 1947
Strafrecht und
Strafverfahren Eine S a m m l u n g der wichtigsten
Gesetze des Strairedits und des Strafverfahrens mit einem Anhang, der die dazu ergangenen Bestimmungen des Alliierten Kontrollrates enthält
Für den Praktiker zum Handgebrauthe begründet v o n
Dr. Daltke weiland Generalstaatsanwalt, Geh. Ober-Justizrat
Textaiisgabe besorgt v o n
Dr. E. F u h r m a n n Oberstaatsanwalt in Berlin
194: J. Schweitzer Verlag, Berlin und München
Vorwort Um der großen Büchernot zu begegnen, die durch den bald 6 J a h r e dauernden, alles vernichtenden zweiten Weltkrieg entstanden sind, geht der Verlag daran, Textausgaben der geltenden Gesetze herauszubringen. In erster Linie ist die Herausgabe der Gesetze, die das Strafrecht betreffen, in Angriff genommen. So ist die vorliegende Sammlung, die materielles und formelles Strafrecht umfaßt, entstanden. . Die Frage, in welcher Fassung die Gesetze zur Anwendung kommen, ist durch Eingreifen des Alliierten Kontrollrats in der Hauptsache geklärt. Nach dem im Anhang abgedruckten Gesetze Nr. 11 des Alliierten Kontrollrats soll das S t r a f g e s e t z b u c h unter Ausschaltung der in Artikel I aufgeführten Paragraphen in der gegenwärtigen Fassung benutzt werden, nach dem gleichfalls abgedruckten Gesetz Nr. 4 d a s G e r i c h t s v e r f a s s u n g s g e s e t z in der Fassung vom 22. März 1924 (RGBl. I S. 299). Ebenso muß für die S t r a f p r o z e ß o r d n u n g als formelles Strafrecht der Grundsatz bestehen, daß sie in der vor dem 30. J a n u a r 1933 geltenden Fassung angewandt wird. Immerhin waren, da das Strafgesetzbuch die Bestimmungen über Maßregeln der Sicherung und Besserung beibehält, die dafür einschlägigen Vorschriften im Gerichtsverfassungsgesetz (§ 26a und 171a) und in der Strafprozeßordnung aufzunehmen. Sie enthalten übrigens kein nazistisches Gedankengut. Aus diesem Grunde sind auch das Gesetz zur Einschränkung der Eide im Strafverfahren vom 24. November 1933 (RGBl. I S. 1008), sowie A r tikel IV der Verordnung zur Vereinfachung der Zustellungen vom 17. Juni 1933 (RGBl. I S. 394) eingearbeitet worden. Die §§ 244, 245 sind in der Fassung des Artikels I Ziffer 3 des Gesetzes vom 28. Juni 1945 (RGBl. I S. 844) gebracht, da sie der Gesetzeslage (Verordnung vom 14. Juni 1932, RGBl. I S. 285) und der Rechtsprechung lediglich entsprachen. Das R e i c h s j u g e n d g e r i c h t s g e s e t z ist in der Praxis unbedenklich zur Anwendung gekommen, soweit es sich nicht um Gerichtsverfassung (§ 21) handelt. Es gelten §§ 17 bis 20
4
Vorwort
u. 24 des Jugendgerichtsgesetzes v. 16. Februar 1923. Sind Bestimmungen in den genannten Gesetzen inzwischen gegenstandslos geworden, so sind sie durch Kleindruck kenntlich gemacht. Selbst wenn auch noch Aenderungen in den Gesetzen vorgenommen werden sollten, wie es schon im Artikel V des Gesetzes Nr. 11 des Alliierten Kontrollrates angedeutet ist, so wird diese Ausgabe doch jedem von Nutzen sein, der sie in die Hand nimmt, und gleichzeitig Vorläufer des Dalcke, Strafrecht und Strafprozeßordnung werden, dessen Wiedererscheinen vom Verlag in Aussicht genommen ist.
Berlin-Lichterfelde, Januar 1947. Fuhrmana.
Übersicht des Inhalts
Seite
I. Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch II. III.
7
Strafgesetzbuch
8
Gerichtsverfassungsgesetz
IV. Einführungsgesetz zur Strafprozeßordnung V. VI.
114
Strafprozeßordnung
115
Reichsjugendgerichtsgesetz
211
VII. Anhang, Gesetze des Alliierten Kontrollrats für Deutschland: 1. Verordnung vom 20. 9. 1945, Aufhebung der Grundgesetze des Hitlerregimes 2. Proklamation Nr. 3 vom 20. 10. 1945 3. Gesetz Nr. 4 vom 30. Oktober deutschen Gerichtswesens
VIII.
1945, Umgestaltung
229 230
des
232
4. Gesetz Nr. 10 vom 20. Dezember 1945, Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen Frieden oder Menschlichkeit schuldig gemacht haben . . . .
233
5. Gesetz Nr. 11 vom 30. 1. 1946, Aufhebung einzelner stimmungen des deutschen Strafrechts
238
Be-
6. Gesetz Nr. 50 v. 20. 3. 1947, Bestrafung der Entwendung und des rechtswidrigen Gebrauchs von zwangsbewirtschafteten Nahrungsmitteln
240
7. Anordnung der Alliierten Kommandantur in Berlin v. 28. 3. 1947, Zuständigkeit der deutschen Gerichte
241
Stichwortverzeichnis
243
'.
I. Einftihrungsgesetz zum Stralgesetzbudi. Vom 31. Mai 1870. (BGBl. 1870 S .
195.)
§ 1. Das Strafgesetzbuch für' das Deutsche Reich tritt im ganzen Umfange des Reichsgebietes mit dem 1. Januar 1872 (1871) in Kraft. § 2. Mit diesem Tage tritt das Reichs- und Landesstrafrecht, insoweit dasselbe Materien betrifft, welche Gegenstand des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich sind, außer Kraft. In Kraft bleiben die besonderen Vorschriften des Reichs- und Landesstrafrechts, namentlich über strafbare Verletzungen der Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-, Fischerei-, Jagd-, Forst- und Feldpolizei-Gesetze, über Mißbrauch des Vereins- und Versammlungsrechts und über den Holz- (Forst-) Diebstahl. -§ 3. Wenn in Landesgesetzen auf strafrechtliche Vorschriften, welche durch das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich außer Kraft gesetzt sind, verwiesen wird, so treten die entsprechenden Vorschriften des letzteren an die Stelle der ersteren. 8 4. (überholt). § 5. In landesgesetzlichen Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich sind, darf nur Gefängnis bis zu zwei Jahren, Haft, Geldstrafe, Einziehung einzelner Gegenstände und die Entziehung öffentlicher Aemter angedroht werden. § 6. Vom 1. Januar 1872 ab darf nur auf die im Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich enthaltenen Strafarten erkannt werden; Wenn in Landesgesetzen anstatt der Gefängnis- oder Geldstrafe Forstoder Gemeindearbeit angedroht oder nachgelassen ist, so behält es hierbei sein Bewenden. S 7. Vom 1. Januar 1872 ab verjähren Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung der Branntweinsteuer, der Biersteuer und der Postgefälle in drei Jahren. § 8. Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, Übergangsbestimmungen zu treffen, um die in Kraft bleibenden Landesstrafgesetze mit den Vorschriften des Strafgesetzbuchs für.das Deutsche Reich in Übereinstimmung zü bringen.
11. Strafgesetzbuch für das Deutsdie Reich. Vom 15. Mai 1871. (RGBl. 1876 S. 40.)
Einleitende Bestimmungen. Dreiteilung der strafbaren Handlungen.
§ 1.
Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus oder mit Festungshaft von mehr Verbrechen. mit Gefängnis oder mit Geldstrafe von mehr als einhundertfünfzig Reichsmark oder mit Geldstrafe schlechthin bedrohte Handlung ist ein Vergehen. Eine mit Haft oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Reichsmark bedrohte Handlung ist eine Uebertretung. § 2 aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im / Anhang VII Nr. 5. als fünf Jahren bedrohte Handlung ist ein Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren,
Zeitweise Geltung der Strafgesetze.
§ 2a. Die Strafbarkeit einer Tat und die Strafe bestimmen sich nach dem Recht, das zur Zeit der Tat* gilt. Gilt zur Zeit der Entscheidung ein milderes Gesetz als zur Zeit der Tat, so kann das mildere Gesetz angewandt werden; ist die Tat zur Zeit der Entscheidung nicht mehr mit Strafe bedroht, so kann die Bestrafung unterbleiben. Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit erlassen ist, ist auf die während seiner Geltung begangenen Straftaten auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Ueber Maßregeln der Sicherung und Besserung ist nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt. § 2b aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5. Geltungsbereich des Stralrechts.
§ 3. Das deutsche Strafrecht gilt für die. Tat eines deutschen Staatsangehörigen einerlei, ob er sie im Inland oder im Ausland begeht. F ü r eine im Ausland begangene Tat, die nach dem. Recht des Tatorts nicht mit Strafe bedroht ist, gilt das deutsche Strafrecht nicht, wenn die Tat nach dem gesunden Empfinden des deutschen Volkes wegen der besonderen Verhältnisse am Tatort kein strafwürdiges Unrecht! ist.
Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen oder an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte.
Einleitende Bestimmungen §§ 4—12, Strafen §§ 13 u. 14
9
§ 4. Das deutsche Strafrecht gilt auch für Taten, die ein Ausländer im Inland begeht. Für eine von einem Ausländer im Ausland begangene Straftat gilt das deutsche Strafrecht, wenn sie durch das Recht des Tatorts mit Strafe bedreht oder der Tatort keiner Strafgewalt unterworfen ist, und wenn 1. der Täter die deutsche Staatsangehörigkeit nach der Tat erworben hat oder 2. die Straftat gegen das deutsche Volk oder gegen einen deutschen Staatsangehörigen gerichtet ist oder 3. der Täter im Inland betroffen und nicht ausgeliefert wird, obwohl die Auslieferung nach der Art der Straftat zulässig wäre. Unabhängig von dem Recht des Tatorts gilt das deutsche Strafrecht für folgende .Straftaten, die ein Ausländer im Ausland begeht: 1. Straftaten, die er als Träger eines deutschen staatlichen Amts, als deutscher Soldat oder als Angehöriger des Reichsarbeitsdienstes oder die er gegen den Träger eines deutschen Amts des Staates oder der Partei, gegen einen deutschen Soldaten oder gegen einen Angehörigen des Reichsarbeitsdienstes während d e r Ausübung ihres Dienstes oder in Beziehung auf ihren Dienst begeht; 2. hoch- oder landes verräterische Handlungen gegen das Deutsche Reich; 3. Sprengstoffverbrechen; 4. Kinderhandel 1 und Frauenhandel; 5. Verrat eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses eines deutschen Betriebes; 6. Meineid in einem Verfahren, das bei einem deutschen Gericht oder einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen deutschen Stelle anhängig ist; 7. Münzverbrechen und Münzvergehen; 8. unbefugter Vertrieb von Betäubungsmitteln, 9. Handel mit unzüchtigen Veröffentlichungen.
§ 5. Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig von dem Recht Tatorts, für Taten, die auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug gangen werden. § 6, Im Auslande begangene Uebertretungen sind nur dann zu strafen, wenfi dies durch besondere Gesetze oder durch Verträge geordnet ist.
des bebean-
§ 7 . Eine im Auslande vollzogene Strafe ist, wenn wegen derselben Handlung im Gebiete des Deutschen Reichs abermals eine Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen.
§ § § § §
8 gestrichen durch Art. I der VO. v. 6. 5. 1910 (RGBl. I S. 754). 9 aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5. 10 aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5. 11 gegenstandslos. 12 gegenstandslos. 1. Teil.
Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen im allgemeinen.
1. A b s c h n i t t . Strafen. Todentraie. § 13. Die Todesstrafe ist durch Enthauptung zu vollstrecken. Zackthansstrale. S 14. Die Zuchthausstrafe ist eine lebenslängliche oder eine zeitige» Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Jahr.
10
Strafgesetzbuch: §§ 15—20a
Wo das Gesetz die Zuchthausstrafe nicht lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige.
ausdrücklich
als
eine
§ 15. Die zur Zuchthausstrafe Verurteilten sind in der Strafanstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt, insbesondere zu öffentlichen oder von einer Staatsbehörde beaufsichtigten Arbeiten verwendet werden. Diese Art der Beschäftigung ist nur dann zulässig, wenn die Gefangenen dabei von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden. Gefängnisstrafe.
§ 16. (1) Der Höchstbetrag der Gefängnisstrafe ist fünf Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. (2) Die zur Gefängnisstrafe Verurteilten können in einer Gefangenenanstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden; auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu beschäftigen. (3) aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5. Festungshaft. $ 17. Die Festungshaft ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche ist dieselbe eine zeitige. Die Strafe der Festungshaft besteht in Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung schäftigung und Lebensweise der Gefangenen. Sie wird in Festungen vollzogen, Oberkommando der Wehrmacht unterstehen.
Ein Tag. androht, der Bedie dem
Haft.
§ 18. Der Höchstbetrag der Haft ist sechs Wochen, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Die Strafe der Haft besteht in einfacher Freiheitsentziehung. Bemessung der Strafen.
§ 19. Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vierundzwanzig Stunden, die Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit gerechnet. Die Dauer einer Zuchthausstrafe darf nur nach vollen Monaten, die Dauer einer anderen Freiheitsstrafe nur nach vollen Tagen 'bemessen werden. Wahl zwischen Zuchthaus'' und Festungshaft. § 2 0 . w 0 d a i { Qesetz die Wahl zwischen Zuchthaus oder Gefängnis und Festungshaft gestattet, darf auf Festungshaft nur dann erkannt werden, wenn die Tat sich nicht gegen' das Wohl des Volkes gerichtet und der Täter ausschließlich aus ehrenhaften Beweggründen gehandelt hat. Gefahrliche Gewohnheitsrerbrecher.
§ 20a, Hat jemand, der schon zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist, durch eine neue vorsätzliche Tat eine Freiheitsstrafe verwirkt und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so ist, soweit die neue Tat nicht mit schwererer Strafe bedroht ist, auf Zuchthaus bis' zu fünf Jahren und, wenn die neue Tat auch ohne diese Strafschärfung ein Verbrechen wäre, auf Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren zu erkennen. Die Strafschärfung setzt voraus, daß die beiden
Strafen §§ 21—25
11
früheren Verurteilungen wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens ergangen sind und in jeder von ihnen auf Todesstrafe, Zuchthaus oder Gefängnis von mindestens sechs Monaten erkannt worden ist. Hat jemand mindestens drei vorsätzliche Taten begangen und ergibt die Gesamtwürdigung der Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist,, so kann das Gericht bei jeder abzuurteilenden Einzeltat die Strafe ebenso verschärten, auch wenn die übrigen im Abs. 1 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Eine frühere Verurteilung kommt nicht in Betracht, wenn zwischen dem Eintritt ihrer Rechtskraft und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. Eine frühere Tat, die noch nicht rechtskräftig abgeurteilt ist, kommt nicht in Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in der der Täter eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. Eine ausländische Verurteilung steht einer inländischen gleich, wenn die geahndete Tat auch nach deutschem Recht ein Verbrechen oder vorsätzliches Vergehen wäre. Straftunwandlung. § 21. Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjährigen Gefängnis-
strafe, achtmonatliche Gefängnisstrafe einer einjährigen Festungshaft gleich ZU achten.
Eluelhalt. S 22. Die Zuchthaus- und Gefängnisstrafe können sowohl für die ganze Dauer, wie für einen Teil der erkannten Strafzeit in der Weise ita Einzelhaft, vollzogen werden, daß der Gefangene unausgesetzt "von anderen Gegangenen ge&ondei t gehalten -wird. Die Einzelhaft darf ohne Zustimmung des Gefangenen die Dauer Von drei Jahren nicht übersteigen. Vorläufige Entlassung. § 2 3 . Die zu einer' längeren Zuchthaus- oder Gefängnisstrafe Verurteilten können, wenn sie drei Vierteile, mindestens aber Ein Jahr der ihnen auferlegten Strafe verbüßt, sich auch während dieser Zeit gut geführt haben, mit ihrer .Zustimmung vorläufig entlassen werden. § 24. Die vorläufige Entlassung kann bei schlechter Führung des Entlassenen oder, wenn derselbe den ihm bei der Entlassung auferlegten Verpflichtungen zuwiderhandelt, jederzeit widerrufen werden. Der Widerruf hat die Wirkung, daß die seit der vorläufigen Entlassung bis zur. Wiedereinlieferung verflossene Zeit auf die festgesetzte Strafdauer nicht angerechnet wird. § 25. Der Beschluß über die vorläufige Entlassung, sowie über einen Widerruf ergeht von der obersten Justiz-Aufsichtsbehörde. Vor dem Beschluß über die Entlassung ist die Gefängnisverwaltung zu hören. Die einstweilige Festnahme vorläufig Entlassener kann aus'dringenden Gründen des öffentlichen Wohls vorf der Polizeibehörde des Orts, an
12
Strafgesetzbuch: §§ 26—28
welchem der Entlassene sich aufhält, verfügt werden. Der Beschluß über den endgültigen Widerruf ist sofort nachzusuchen. Führt die einstweilige Festnahme zu einem Widerrufe, so gilt dieser als am Tage der Festnahme erfolgt. § 26. Ist die festgesetzte Strafzeit abgelaufen, ohne daß ein Widerruf der vorläufigen Entlassung erfolgt ist, so gilt dip Freiheitsstrafe als verbüßt.' Geldstrafe.
§ 27. Die Geldstrafe ist in Reichsmark festzusetzen. Sie beträgt 1. bei Verbrechen und Vergehen, soweit nicht höhere Beträge oder Geldstrafe in unbeschränkter Höhe angedroht sind oder werden, mindestens drei Reichsmark und höchstens zehntausend Reichsmark; 2. bei Uebertretungen mindestens eine Reichsmark, soweit nicht ein höherer Mindestbetrag angedroht ist oder wird, und höchstens einhundertfünfzig Reichsmark. Die Vorschriften des Abs. 2 über Höchstbeträge gelten nicht, soweit die angedrohte Strafe in dem Mehrfachen, dem Einfachen oder dem Bruchteil eines bestimmten Betrags besteht. Ist dieser nicht auf Reichsmark gestellt, so ist er für die Festsetzung der Geldstrafe in Reichsmark umzurechnen. § 27a. Bei einem Verbrechen oder Vergehen, das auf Gewinnsucht beruht, kann die Geldstrafe auf einhunderttausend Reichsmark erhöht und auf eine solche Geldstrafe neben Freiheitsstrafe auch in denjenigen Fällen erkannt werden, in denen das Gesetz eine Geldstrafe nicht androht. § 27b. Ist für ein Vergehen oder eine Uebertretung, für die an -sich eine Geldstrafe überhaupt nicht oder nur neben Freiheitsstrafe zulässig ist, Freiheitsstrafe von veniger als drei Monaten verwirkt, so ist an Stelle der Freiheitsstrafe auf Geldstrafe (§§ 27, 27a) zu erkennen, wenn der Strafzweck durch eine Geldstrafe erreicht werden kann. Die
Vorschriften des
Militarstrafgesetzbuchs
bleiben
uqberührt.
§ 27c. Bei der Bemessung einer Geldstrafe sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen. Die Geldstrafe soll das Engelt, das der Täter für die Tat empfangen, und den Gewinn, den er aus der Tat gezogen hat, übersteigen. Reicht das gesetzliche Höchstmaß hierzu nicht aus, so darf es überschritten werden. § 28. Ist dem Verurteilten nach seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht zuzumuten, daß er die Geldstrafe sofort zahlt, so hat ihm das Gericht eine Frist zu bewilligen oder ihm zu gestatten, die Strafe in bestimmten Teilbeträgen zu zahlen. fias Gericht kann diese Vergünstigung auch nach dem Urteil bewilligen. Es kann seine Entschließungen nachträglich ändern. Leistet der Verurteilte die Teilzahlungen nicht rechtzeitig, oder bessern sich, seine wirtschaftlichen Verhältnisse wesentlich, so kann das Gericht die Vergünstigung widerrufen. Auf die nach Abs. 2 zu treffeyden Entscheidungen findet § 462 der Strafprozeßordnung Anwendung.
Strafen §§ 28a—32
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§ 28a. Soweit die Geldstrafe nicht gezahlt wird, ist sie beizutreiben. Der Versuch, die Geldstrafe beizutreiben, kann unterbleiben,' wenn mit Sicherheit vorauszusehen ist, daß sie aus dem beweglichen Vermögen des Verurteilten nicht beigetrieben werden kann. § 28b. Die Vollstreckungsbehörde kann dem Verurteilten gestatten, eine uneinbringliche Geldstrafe durch freie Arbeit zu tilgen. Das Nähere regelt die Reiohsregierung. Soweit dies nicht geschieht, ist der Reichsminister der Justiz ermächtigt, das Nähere zu regeln.
§ 29. An - die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt bei Verbrechen und Vergehen Gefängnis oder, wenn neben der Geldstrafe auf Zuchthaus erkannt wird, Zuchthaus, bei Uebertretungen Haft. Auch bei Vergehen kann die Geldstrafe in Haft umgewandelt werden, wenn Geldstrafe allein oder an erster Stelle oder wahlweise neben Haft angedroht ist. Die Dauer der Ersatzstrafe ist mindestens ein Tag und bei Gefängnis und Zuchthaus höchstens ein Jahr, bei Haft höchstens sechs Wochen. Ist neben der Geldstrafe wahlweise Freiheitsstrafe von geringerer Höhe angedroht, so darf die Ersatzstrafe deren Höchstmaß nicht übersteigen.. Die Ersatzstrafe darf nur nach vollen Tagen bemessen werden. Im übrigen richtet sich das Maß der Ersatzstrafe nach freiem Ermessen des Gerichts. In den Fällen des § 27b ist Ersatzstrafe die verwirkte Freiheitsstrafe. Der Verurteilte kann die Vollstreckung der Ersatzstrafe jAlerzeit dadurch abwenden, daß er den noch zu zahlenden Betrag der Geldstrafe entrichtet. Kann die Geldstrafe ohne Verschulden des Verurteilten nicht eingebracht werden, so kann das Gericht anordnen, daß die Vollstreckung der Ersatzstrafe unterbleibt. § 462 der Strafprozeßordnung findet Anwendung. § 30. In den Nachlaß kann eine Geldstrafe nur dann vollstreckt werden, wenn das Urteil bei Lebzeiten des Verurteilten rechtskräftig geworden war. Folgen der Zuchthaasstraie. § 31, Die Verurteilung zur Zuchthausstrafe hat die dauernde Unfähigkeit zum Dienste in de» deutschen Wehrmacht sowie die dauernde Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter von Rechts wegen zur Folge. Unter öffentlichen Aemtern im Sinne dieses Strafgesetzes sind die Anwaltschaft und das Notariat, - sowie der Geschworenen- und Schöffendienst mitbegriffen. Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte
(Ehrverlust).
§ 32. Neben der Todesstrafe und der Zuchthausstrafe kann auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, neben der Gefängnisstrafe nur, wenn die Dauer der erkannten Strafe drei Monate erreicht und entweder das Gesetz den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausdrücklich zuläßt oder die Gefängnisstrafe wegen- Annahme mildernder Umstände an Stelle von Zuchthausstrafe ausgesprochen wird.
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Strafgesetzbuch: §§ 33—38
Die Dauer dieses Verlustes beträgt bei zeitiger Zuchthausstrafe mindestens zwei und höchstens zehn Jahre, bei Gefängnisstrafe mindestens ein J a h r und höchstens fünf Jahre. § 33. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte bewirkt den dauernden Verlust der aus öffentlichen Wahlen für den Verurteilten hervorgegangenen Rechte, ingleichen den dauernden Verlust der öffentlichen Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen. § 34. Die Aberkennung der' bürgerlichen Ehrenrechte ferner die Unfähigkeit, während der im Urteile bestimmten Zeit 1.
überholt;
2.
in die Deutsche Wehrmacht
bewirkt
einzutreten;
3. öffentliche Aemter, Würden, Titel, Orden und Ehrenzeichen zu erlangen; 4. in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen, zu wählen oder gewählt zu werden oder andere politische Rechte auszuüben; 5. Zeuge bei Aufnahmen von Urkunden zu sein; 6. Vormund, Gegenvormund, Pfleger, Beistand der Mutter, Mitglied eines Familienrats oder Kurator zu sein, es sei denn, daB es sich, um Verwandte absteigender Linie handele und die" obervormundschädliche Behörde oder der Familienrat die Genehmigung erteile. UniZhigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter
(Amtsverlust).
§ 35. Neben einer Gefängnisstrafe, mit welcher die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte überhaupt hätte verbunden werden können, kann auf die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fiini Jahren erkannt werden. Die Aberkennung der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter hat den dauernden Verlust der bekleideten Aemter von Rechts wegen zur Folge. § 36. Die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter wird mit der Rechtskraft des Urteils wirksam. Ihre Dauer wird von dem Tage ab berechnet, an dem. die Freiheitsstrafe, neben der die Aberkennung ausgesprochen wurde, verbüßt, verjährt oder erlassen ist. Ist neben der Strafe eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet Worden, so wird die Frist erst von dem Tage ab berechnet, an dem auch die Maßregel erledigt ist. Ist nach Ablauf einer Probezeit dem Verurteilten die Strafe ganz oder teilweise .erlassen worden oder eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Besserung erledigt, so wird die Probezeit auf die Frist angerechnet. § 3 7 gestrichen durch' V O , v. 6. 5. 1940 (RGBl. I S . 754), Polizeiaulsiclit.
§ 38. Neben einer Freiheitsstrafe kann in den durch das -Gesetz vorgesehenen Fällen auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden.
Strafen §§ 39—41. Maßregeln d. Sicher, u. Besserung §§42a, 42b
15
Die höhere Landespolizeibehörde erhält durch ein solches Erkenntnis die Befugnis, nach Anhörung der Gefängnisverwaltung den Verurteilten auf die Zeit von höchstens fünf Jahren unter Polizeiaufsicht zu stellen. Diese Zeit wird von dem Tage berechnet, an welchem die Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist. § 39. Die Polizeiaufsicht hat folgende Wirkungen: 1. dem Verurteilten kann der Aufenthalt an einzelnen bestimmten Orten von der höheren-Landespolizeibehörde untersagt werden; 2.
gestrichen durch das Ges. v. 23. März 34 (RGBl. I S. 213).
3. Haussuchungen unterliegen keiner Beschränkung Zeit, zu welcher sie stattfinden, dürfen.
hinsichtlich
der
Einziehung.
§ 40. Gegenstände, welche durch ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht, oder welche zur Begehung eines vorsätzlichen Verbrechens oder Vergehens gebfaucht • oder bestimmt sind, können, sofern sie dem Täter oder einem Teilnehmer gehören, eingezogen werden. Die Einziehung ist im Urteile auszusprechen. Unbrauchbarmachung.
§ 41. Wenn der Inhalt einer Schrift, Abbildung oder Darstellung strafbar ist, so ist im Urteile auszusprechen, daß alle Exemplare, sowie die zu ihrer Herstellung .bestimmten Platten und Formen unbrauchbar zu machen sind. .... Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf die im Besitze des Verfassers, Druckers, Herausgebers, Verlegers oder Buchhändlers befindlichen und auf die öffentlich ausgelegten oder öffentlich angebotenen Exemplare. la. A b s c h n i t t .
.
M a ß r e g e l n der und B e s s e r u n g .
Sicherung
§ 42a. Maßregeln der Sicherung und Besserung sind: 1. die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, 2. die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder ziehunganstalt, 3. die Unterbringung in einem Arbeitshaus, 4. die Sicherungsverwahrung,
einer
Ent-
5 . aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang 'VII Nr. 5.
6. die Untersagung der Berufsausübung, 7.
gestrichen durch das Ges. v. 23. März 34 (RGBl. I S. 213).
Heil- oder Pflegeanstalt.
S 42b. Hat jemand eine mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit (§ 51 Abs. 1, § 58 Abs. 1) oder der verminderten Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2, § 58 Abs. 2) begangen, so ordnet das Gericht seine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. Dies gilt nicht bei Uebertretungen.
16 Bei vermindert die Strafe.
Strafgesetzbuch: §§_ 42c—42f Zurechnungsfähigen
tritt
die
Unterbringung
neben
Trinkerheilanstalt.
§ 42c, Wird jemand, der gewohnheitsmäßig im Uebermaß geistige Getränke pder andere berauschende Mittel zu sich nimmt, wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das er im Rausch begangen hat oder das mit einer solchen Gewöhnung in ursächlichem Zusammenhang steht, oder wegen Volltrunkenheit (§ 330a) zu einer Strafe verurteilt und ist seine Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt erforderlich, um ihn an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen, so ordnet das Gericht neben der- Strafe die Unterbringung an. Arbeitshaus.
§ 42d. Wird jemand nach § 361 Nr. 3 bis 5, 6a bis, 8 zu Haftstrafe verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe seine Unterbringung in einem «Arbeitshaus an, wenn sie erforderlich ist, um ihn zur Arbeit anzuhalten und an ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben zu gewöhnen. Dasselbe gilt, wenn jemand, der gewohnheitsmäßig zum Erwerbe Unzucht treibt, nach § 361 Nr. 6 zu Haftstrafe verurteilt wird. Wegen Betteins ist die Anordnung nur zulässig, wenn der Täter aus Arbeitsscheu oder Liederlichkeit oder gewerbsmäßig gebettelt hat. Arbeitsunfähige, deren Unterbringung in einem Arbeitshaus angeordnet ist, können in einem Asyl untergebracht werden.
SlchernagsTerwahriinf.
§ 42e. Wird jemand nach § 20a als ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert. Dauer der Unterbringung.
$ 42 i. Die Unterbringung dauert so lange, als ihr Zweck es erfordert. Die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder eitler Entziehungsanstalt und die erstmalige Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl dürfen nicht länger als zwei Jahre dauern. Die Dauer der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, der wiederholten Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl und der Sicherungsverwahrung ist an keine Frist gebunden. Bei diesen Maßregeln hat das Gericht jeweils vor dem Ablauf bestimmter Fristen zu entscheiden, ob der Zweck der Unterbringung erreicht ist. Die Frist beträgt bei der Unterbringung in einet Heil- oder F'flegeanstalt und der Sicherungsverwahrung drei Jahre und bei der wiederholten Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl zwei Jahre. Ergibt sich bei der Prüfung, daß der Zweck der Unterbringung erreicht ist, so hat das Gericht die- Entlassung des Untergebrachten anzuordnen. Das Gericht kann auch während des Laufs der in den Abs. 2 und 3 genannten Fristen jederzeit prüfen, ob der Zweck der Unterbringung erreicht ist. Wenn das Gericht dies bejaht, so hat es die Entlassung des Untergebrachten anzuordnen.
Maßregeln der Sicherung u. Besserung §§ 42g—421.
17
Die Fristen laufen vom Beginn des Vollzugs an. Lehnt das Gericht die Entlassung des Untergebrachten ab, so beginnt mit dieser Entscheidung der Lauf der im Abs. 3 genannten Fristen von neuem. Nachträgt. Unterbringung.
§ 42g. Sind seit der Rechtskraft des Urteils drei Jahre verstrichen, ohne daß mit dem Vollzug der Unterbringung begonnen worden ist, so darf sie nur noch vollzogen werden, wenn das Gericht es anordnet. Die Anordnung ist nur zulässig, wenn der Zweck der" Maßregel die nachträgliche Unterbringung erfordert. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in der der Unterzubringende eine Freiheitsstrafe verbüßt oder auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt wird. Entlassung.
§ 42h. Die Entlassung des Untergebrachten gilt nur als bedingte Aussetzung der Unterbringung. Das Gericht kann dem Untergebrachten, bei der Entlassung besondere Pflichten auferlegen und solche Anordnungen auch nachträglich treffen oder ändern. Zeigt der Entlassene durch sein Verhalten in der Freiheit, daß der Zweck der Maßregel seine erneute Unterbringung erfordert, und ist die Vollstreckung der Maßregel noch nicht verjährt, so widerruft das Gericht die Entlassung. Die Dauer der Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt und der erstmaligen Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl darf auch im Falle des Widerrufs insgesamt die gesetzliche Höchstdauer der Maßregel nicht fiberschreiten. Beschäftigung der Untergebrachten.
' § 42i, Die im Arbeitshaus oder in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten sind in der Anstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt verwendet werden, müssen jedoch dabei von freien Arbeitern getrennt gehalten werden. Die in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder «iner Entziehungsanstalt Untergebrachten können innerhalb oder außerhalb der Anstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden. § 4 2 k . aufgehoben durch Gesetz
Nr.
11 im Anhang
VII Nr. 5,
Untersagung der Beruisausfibung.
§ 421. .Wird jemand wegen eines Verbrechens oder Vergehens, das er unter Mißbrauch seines Berufs oder Gewerbes oder unter grober Verletzung der ihm kraft seines Berufs oder Gewerbes obliegenden Pflichten begangen hat, zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurteilt, so k a n n ihm das Gericht zugleich auf die Dauer von mindestens einem und' höchstens fünf Jahren die Ausübung des Berufs, Gewerbes oder Gewerbezweiges untersagen, wenn dies erforderlich ist, um die Allgemeinheit vor weiterer Gefährdung zu schützen. Solange die Untersagung wirksam ist, darf der Verurteilte den Beruf, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch nicht für einen anderen ausüben oder durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben lassen. D a 1 c k e , Strafrecht und Strafverfahren
2
Strafgesetzbuch: §§ 42m—46
18
§ 36 Abs. 1 gilt entsprechend. Wird die Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder einer neben der Strafe erkannten, mit Freiheitsentziehung ver* bundenen Maßregel der Sicherung und Besserung bedingt ausgesetzt, so wird die Probezeit auf die Frist angerechnet. Das Gericht kann die Untersagung der Berufsausübung wieder aufheben, wenn der Zweck der Maßregel ihre Fortdauer nicht mehr erforderlich erscheinen läßt. Die Aufhebung ist frühestens zulässig, nachdem die Maßregel ein Jahr gedauert hat. Sie gilt nur als bedingte Aussetzung der Untersagung und kann bis zum Ablauf der im Urteil für ihre Dauer festgesetzten Zeit widerrufen werden; die Dauer der Untersagung darf auch im Falle des Widerrufs insgesamt die im Urteil für ihre Dauer festgesetzte Zeit nicht überschreiten. § 4 2 m gestrichen durch das Ges. v. 23. März 34 (RGBl. I S. 213).
§ 42n. Maßregeln der Sicherung und Besserung können ander angeordnet werden. 2. A b s c h n i t t .
nebenein-
Versuch.
Versuch.
S 43. Wer den Entschluß, ein Verbrechen oder Vergehen zu verüben, durch Handlungen, welche einen Anfang der Ausführung dieses Verbrechens oder Vergehens enthalten, betätigt hat, ist, wenn das beabsichtigte Verbrechen oder Vergehen nicht zur Vollendung gekommen ist, wegen Versuches zu bestrafen. Der Versuch eines Vergehens wird jedoch nur in den Fällen bestraft, in welchen das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt. Stralau!.
§ 44. Das versuchte Verbrechen oder Vergehen kann milder bestraft werden, als das vollendete. Ist das vollendete Verbrechen mit dem Tode oder mit lebenslangem Zuchthaus bedroht, so kann auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren erkannt werden. In den übrigen Fällen kann die Strafe bis auf ein Vierteil des Mindestbetrages der auf das vollendete Verbrechen oder Vergehen angedrohten Freiheits- und Geldstrafe ermäßigt werden. Ist hiernach Zuchthausstrafe ünter Einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe des § 21 in Gefängnis zu verwandeln. § 45. Wenn neben der Strafe des vollendeten Verbrechens oder Vergehens die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte zulässig oder geboten ist, oder auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden kann, so gilt Gleiches bei der Versuchsstrafe. RGcktritt u. tätige Reue.
§ 46. Der Versuch als solcher bleibt straflos, wenn der Täter 1. die Ausführung der beabsichtigten Handlung aufgegeben hat, ohne daß er an dieser Ausführung durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren, oder
Teilnahme §§ 47—19b
19
2. zu einer Zeit, zu welcher die Handlung noch nicht entdeckt war, den Eintritt des zur Vollendung des Verbrechens oder Vergehens gehörigen Erfolges durch eigene Tätigkeit abgewendet hat. Mittäterschaft.
3. A b s c h n i t t .
Teilnahme.
§ 47. Wenn mehrere eine strafbare Handlung gemeinschaftlich führen, so wird jeder als Täter bestraft.
aus-
Anstiftung.
§ 48. Als Anstifter wird bestraft, wer einen anderen zu der von demselben begangenen mit Strafe bedrohten Handlung durch Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung oder Beförderung eines Irrtums oder durch andere Mittel vorsätzlich bestimmt hat. Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat. Beihilfe.
§ 49. Als Gehilfe wird bestraft, wer dem Täter zur Begehung einer als Verbrechen oder Vergehen mit Strafe bedrohten Handlung durch Rat oder Tat wissentlich Hilfe geleistet hat. Die Strafe des Gehilfen ist nach demjenigen Gesetze festzusetzen, welches auf die Handlund Anwendung findet, zu welcher er wissentlich Hilfe geleistet hat, kann jedoch nach den über die Bestrafung des Versuches aufgestellten Grundsätzen ermäßigt werden. Erfolglose Anstiftung.
§ 49a. Wer einen anderen zur Begehung eines Verbrechens oder zur Teilnahme an einem Verbrechen auffordert, wird auch dann wie ein Anstifter bestraft, wenn das Verbrechen nicht oder unabhängig von der Aufforderung zur Ausführung gelangt. Die Strafe kann gemildert werden (§ 44). Ebenso wird bestraft, wer sich'einem anderen zu einem Verbrechen erbietet oder ein solches Anerbieten annimmt oder wer die Begehung eines Verbrechens verabredet oder in eine ernsthafte Verhandlung darüber eintritt. Wer dem Täter zur Begehung eines Verbrechens Hilfe leistet, wird auch dann als Gehilfe bestraft, wenn das Verbrechen nicht oder unabhängig von seiner Hilfeleistung zur Ausführung gelangt. Der Richter kann die Strafe nach pflichtgemäßem Ermessen mildern oder von Straffe absehen. Nach diesen Vorschriften wird nicht bestraft, wer freiwillig und endgültig davon absieht, die Straftat zu begehen, und ihre Begehung oder den Erfolg verhindert. Dies gilt auch für den, der sich freiwillig und ernstlich bemüht, die Begehung oder- den Erfolg zu verhindern, wenn nicht sein Bemühen, sondern ein anderer Umstand dies erreicht. Verabredung zur Tötung.
Schöff.
§ 49b. Wer an einer Verbindung teilnimmt, die Verbrechen wider das Leben bezweckt oder als Mittel für andere Zwecke in Aussicht nimmt,
20
Strafgesetzbuch: §§ 50—53
oder wer eine solche Verbindung unterstützt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. In besonders schweren Fällen- ist die Strafe Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Nach diesen Vorschriften wird nicht bestraft, wer der Behörde oder dem Bedrohten so rechtzeitig Nachricht gibt, daß ein in Verfolgung der Bestrebungen der Verbindung beabsichtigtes Verbrechen wider das Leben verhindert werden kann.
Verantwortlichkeit.
§ 50. Sind mehrere an einer Tat beteiligt, so ist jeder ohne Rücksicht auf die Schuld des andern, nach seiner Schuld strafbar. Bestimmt das Gesetz, daß besondere persönliche Eigenschaften oder Verhältnisse die Strafe schärfen, ~ mildern oder ausschließen, so gilt dies nur für den Täter oder Teilnehmer, bei dem sie vorliegen. 4. A b s c h n i t t . G r ü n d e , w e l c h e d i e S t r a f e a u s s c h l i e ß e n oder mildern.
ZurechnunjEsf&higkeit.
§ 51. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn der Täter zur Zeit der Tat wegen Bewußtseinsstörung, wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche unfähig ist, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. War die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat aus einem dieser Gründe erheblich vermindert, so kann die Strafe nach den. Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden.
Nötifungsstand.
§ 52. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn .der Täter durch unwiderstehliche Gewalt oder durch eine Drohung, welche mit einer gegenwärtigen, auf andere Weise nicht abwendbaren Gefahr für Leib oder Leben seiner selbst oder eines Angehörigen verbunden war, zu der Handlung genötigt worden ist. Als Angehörige im .Sinne dieses Strafgesetzes sind anzusehen Verwandte und Verschwägerte auf- und absteigender Linie, Adoptiv- und Pflegeeltern und -kinder, Ehegatten, Geschwister und deren Ehegatten, und Verlobte.
Notwehr.
§ 53. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Notwehr geboten war. Notwehr ist diejenige Verteidigung, welche erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Die Ueberschreitung der Notwehr ist nicht strafbar, wenn der Täter in Bestürzung, Furcht oder Schrecken über die Grenzen der Verteidigung hinausgegangen ist.
Gründe, welche die Strafe ausschließen oder mildern §§ 54—65
2]
Notstand.
§ 54. Eine strafbare Handlung ist nicht vorhanden, wenn die Handlung außer dem Falle der Notwehr in einem unverschuldeten, auf andere Weise nicht zu beseitigenden Notstande zur Rettung aus einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben des Täters oder eines Angehörigen begangen worden ist. $ 55—57 unter VI.
aufgehoben
durch das
Jugendgerichtsges.
vom
ti.
2.
23, jetzt
RJGG
Taubstummheit.
§ 58. Ein Taubstummer ist nicht strafbar, wenn er in der geistigen Entwicklung zurückgeblieben und deshalb unfähig ist, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. War die Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, zur Zeit der Tat aus diesem Grunde erheblich vermindert, so kanif die Strafe nach den Vorschriften über die Bestrafung des Versuchs gemildert werden. Schuld u. Irrtum.
§ 59. Wenn jemand bei Begehung einer strafbaren Handlung das Vorhandensein von Tatumständen nicht kannte, welche zum gesetzlichen Tatbestande gehören oder die Strafbarkeit erhöhen, so sind ihm diese Umstände nicht zuzurechnen. Bei der Bestrafung fahrlässig begangener Handlungen gilt diese B e stimmung nur insoweit, als die Unkenntnis selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist. Anrechnung der l^ntersnchungshaft.
§ 60. Eine erlittene Untersuchungshaft oder einstweilige Unterbringung kann bei Fällung des Urteils auf die erkannte Strafe ganz oder teilweise angerechnet werden. Straf an trag.
§ 61. Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, ist nicht zu verfolgen, wenn der zum Antrage Berechtigte es unterläßt,' den Antrag binnen drei Mo'naten zu stellen. Diese Frist beginnt mit dem Tage, seit welchem der zum Antrage Berechtigte von der Handlung und von der Person des .Täters Kenntnis gehabt hat. § 62. Wenn von mehreren zum Antrage Berechtigten einer die dreimonatliche Frist versäumt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht ausgeschlossen. § 6 3 . gestrichen durch VO. v. 29. 5. 43 (RGBl. I. 339). Zuricknahme des Antrags.
S 64. Die Zurücknahme des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders vorgesehenen- Fällen und nur bis Zur Verkündung eines auf Strafe lautenden Urteils zulässig. § 65. Der Verletzte, -welcher das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist selbständig zu dem Antrage auf Bestrafung berechtigt. Solange er
22
Strafgesetzbuch: §§ 66—70
minderjährig ist, hat, unabhängig von seiner eigenen Befugnis, auch sein gesetzlicher Vertreter das Recht, den Antrag zu stellen. Ist der Verletzte geschäftsunfähig oder hat er das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so ist sein gesetzlicher Vertreter der zur Stellung des Antrages Berechtigte. Verjährung.
§ 66. Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung ausgeschlossen. Der Staatsanwalt kann die Verfolgung einleiten, wenn strafe oder von lebenslangem Zuchthaus zu erwarten ist.
die
Verhängung
der
Todes-
StrafverfolgungsTer jährung.
§ 67. Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt, wenn sie mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht sind, in zwanzig Jahren; w„enn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheitsstrafe von einer längeren als zehnjährigen Dauer bedroht sind, in fünfzehn Jahren; wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind, in zehn Jahren. Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchstbetrage mit einer längeren als dreimonatlichen Gefängnisstrafe bedroht sind, verjährt in fünf Jahren; von anderen Vergehen in drei Jahren. Die Strafverfolgung von Uebertretungen verjährt in drei Monaten. Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges. Mit der Verjährung der Strafverfolgung erlischt auch die Befugnis, auf Grund der Tat Maßregeln der Sicherung und Besserung anzuordnen. Unterbrechung der Verjährung.
§ 68. J e d e Handlung des Richters, welche wegen der begangenen Tat gegen den Täter gerichtet ist, unterbricht die Verjährung. Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich desjenigen statt, auf welchen die Handlung .sich bezieht. Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung. Ruhen der Verjährung.
§ 69. Die Verjährung ruht während der Zeit, in welcher auf Grund gesetzlicher Vorschrift die Strafverfolgung nicht begonnen oder- nicht fortgesetzt werden kann. Ist der Beginn oder die Fortsetzung eines Strafverfahrens von einer Vorfrage abhängig, deren Entscheidung, in einem anderen Verfahren erfolgen muß, so ruht die Verjährung bis zu dessen Beendigung. Ist zur Strafverfolgung ein Antrag oder eine Ermächtigung nach dem Strafgesetz erforderlich, so wird der Lauf der Verjährung durch den Mangel des Antrages oder der Ermächtigung nicht gehindert. StraWollstreckungsver jährung.
§ 70. Die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt, wenn auf Tod oder auf lebenslängliches Zuchthaus oder auf lebenslängliche Festungshaft erkannt ist, in dreißig Jahren; 1.
Gründe, welche die Straie ausschließen oder mildern §§ 71, 72 Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen §§ 73, 74 2. auf Zuchthaus oder Festungshaft ist, in zwanzig J a h r e n ; 3.
auf
Zuchthaus
bis
tu
zehn
23
von mehr als zehn Jahren erkannt
J a h r e n oder auf Festungshaft von fünf bis zu zehn
Jahren oder Gefängnis von mehr als fünf Jahren erkannt ist, in fünfzehn J a h r e n ; 4. auf Festungshaft oder Gefängnis von zwei bis zu fünf Jahren -erkannt ist, in zehn J a h r e n ; 5. auf Festungshaft oder Gefängnis bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als einhundertfünfzig Reichsmark erkannt ist, in fünf J a h r e n ; 6. auf Haft oder auf Geldstrafe bis zu einhundertfünTzig Reichsmark erkannt ist, in zwei J a h r e n . Die Vollstreckung einer rechtskräftig angeordneten Maßregel der Sicherung und Besserung verjährt in zehn J a h r e n . Ist die Unterbringung in einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt oder erstmalig die Unterbringung in einem Arbeitshaus angeordnet, so beträgt die Frist fünf Jahre. Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem das Urteil rechtskräftig geworden ist. § 71. Ist auf Freiheitsstrafe und Geldstrafe zugleich oder neben einer S t r a f e auf eine mit Freiheitsentziehung verbundene Maßregel der Sicherung und Bejsserung erkannt, so verjährt die Vollstreckung der einen S t r a f e oder Maßregel nicht früher als die der anderen. Unterbrechung Ton Stratrollstreckungsverl&hrang. § 72. J e d e auf Vollstreckung der Strafe oder Maßregel gerichtete Handlung derjenigen Behörde, welcher die Vollstreckung obliegt, sowie die zum Zwecke der Vollstreckung erfolgende Festnahme des Verurteilten unterbricht die Verjährung. Nach der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe oder Maßregel beginnt eine neue Verjährung.
5. A b s c h n i t t .
Zusammentreffen
strafbarer
mehrerer
Handlungen.
Tateinheit (Idealkonkurrenz). , § 73. Wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Strafgesetz« verletzt, so kommt nur dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafe, und bei ungleichen Strafarten dasjenige Gesetz, welches die schwerste S t r a f art androht,, zur Anwendung. Tatmehrheit (ReaUconkurrenz). § 74. Gegen denjenigen, welcher durch mehrere selbständige Handlungen mehrere Verbrechen oder Vergehen, oder dasse.be V e r b r e c h e n oder Vergehen mehrmals begangen und dadurch mehrere zeitige Freiheitsstrafen verwirkt hat, ist auf eine Gesamtstrafe zu erkennen, welche in einer Erhöhung der verwirkten schwersten Strafe besteht.
Strafgesetzbuch: §§ 75—102
24
Bei dem Zusammentreffen ungleichartiger Freiheitsstrafen tritt diese Erhöhung bei der ihrer Art nach schwersten Strafe ein. Das Maß der Gesamtstrafe darf den Betrag der verwirkten Einzelstrafen nicht erreichen und fünfzehnjähriges Zuchthaus, zehnjähriges Gefängnis oder fünfzehnjährige Festungshaft nicht übersteigen. § 7 5 . Trilft Festungshalt nur mit Gefängnis zusammen, so ist auf jede dieser Strafarten gesondert zu erkennen. , Ist Festungshaft oder Gefängnis mehrfach verwirkt, so ist hinsichtlich der mehreren Strafen 'gleicher Art so zu verfahren, als wenn dieselben allein verwirkt wären. Die Gesamtdauer der Strafen darf in diesen Fällen fünfzehn Jahre nicht übersteigen.
§ 76. Neben der Gesamtstrafe müssen oder können Nebenstrafen und Nebenfolgen verhängt und Maßregeln der Sicherung und Besserung angeordnet werden, wenn das auch nur wegen einer der Gesetzesverletzungen -vorgeschrieben oder zugelassen ist. § 77. Trifft Haft mit einer änderen Freiheitsstrafe zusammen, so ist auf die erstere gesondert-zu erkennen. Auf eine mehrfach verwirkte Haft ist ihrem Gesamtbetrage nach, jedoch nicht über die Dauer von-drei Monaten zu erkennen. § 78, Sind mehrere Geldstrafen verwirkt, so ist auf jede gesondert zu erkennen. Das gleiche gilt von den Freiheitsstrafen, die an die' Stelle uneinbringlicher Geldstrafen treten. Ihre Gesamtdauer darf zwei Jahre nicht übersteigen. Die Gesamtdauer mehrerer zusammentreffender Haftstrafen darf drei Monate/nicht übersteigen. § 79. Die Vorschriften der §§ 74, 76 bis 78 finden auch Anwendung, wenn, bevor eine erkannte Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen ist, die Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung erfolgt, welche vor der früheren Verurteilung begangen war. 2. Teil.
Von den einzelnen Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen und deren Bestrafung. 1. A b s q h n i t t .
§ 80—87
l a . - A b - s C h n i t t. §§,88—93a 2,
Hochverrat.
aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5. Landesverrat.
aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5.
A-b S c h n i t t .
Angriffe
gegen
den
Führer
und
Reichskanzler.
§ 9 4 aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5.
3. A b s c h n i t t . Beleidigung §§ 98—101 gegenstandslos.
von
Bundesfürsten,
4. A b s c h n i t t . Feindliche Handlungen befreundete Staaten. § 102
aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5.
gegen
Von einzelnen Vergehen §§ 103a, 104 Verbr. u. Veiig. i. Beziehg. auf Ausübg. staats'bgl. Rechte §§ 105—107ä §
103
25
aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang, VII Nr. 5.
Verletzung von Hoheitszeichen.
Schöll,
§* 103a. Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität eines nicht zum Deutschen Reich gehörenden Staats oder ein Hoheitszeichen eines solchen Staats böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Beleidigung von Gesandten.
SchSil.
§ 104. (1) Wer sich gegen einen bei dem Reich, einem bundesfürstlichen Hofe oder bei dem Senate einer der freien Hansestädte beglaubigten Gesandten oder Geschäftsträger einer Beleidigung schuldig macht, wird ibit Gefängnis bis zu Einem Jahre oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. - (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des Beleidigten ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. 5. A b s c h n i t t . V e r b r e c h e n u n d V e r g e h e n i n B e z i - e h u n g - auf die A u s ü b u n g s t a a t s b ü r g e r l i c h e r Rechte. Sprengung und Nötigung gesetzgebender Versammmlung.
Schöff.
§ 105. (1) Wer es unternimmt, den Senat oder die Bürgerschaft einer der freien Hansestädte, eine gesetzgebende Versammlung des Reichs oder eines Bundesstaates auseinander zu sprengen, zur Fassung oder Unterlassung von Beschlüssen zu nötigen oder Mitglieder aus ihnen gewaltsam zu entfernen, wird mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. (2)
Sind
mildernde
Umstände
vorhanden,
so
tritt Festungshaft
Jahre ein.
gicht
unter
Einem.
N
Hinderung yon Mitgliedern gesetzgebender Versammlungen.
Gr. Strafk.
§ 106. (1) Wer ein Mitglied einer der vorbezeichneten Versammlungen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, sich an den Ort der Versammlung au begeben oder zu stimmen, wird mit Zuchthaus bis ZU fünf Jahren oder mit Festungshaft von gleicher Dauer bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Festungshaft bis zu zwei Jahren ein. Hinderung am Wählen oder Stimmen.
Schölt.
§ 107. (1) Wer einen Deutschen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, in Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen, wird mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Sprengung und Hinderung von Versammlungen.
SchSil.
(
§ 107a, (1) Wer nicht verbotene Versammlungen, Aufzüge oder Kundgebungen mit Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen verhindert oder sprengt, wird mit Gefängnis, neben dem auf Geldstrafe erkannt werden kann, bestraft.
26
Strafgesetzbuch: §§ 108—113
(2) Wer in nicht verbotenen Versammlungen oder bei nicht verbotenen Aufzügen oder Kundgebungen Gewalttätigkeiten in der Absicht begeht, die Versammlung, den Aufzug oder die Kundgebung zu sprengen, wird mit Gefängnis und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. Wahlfälschung
Schöll.
§ 108. (1) Wer in einer öffentlichen Angelegenheit mit der Sammlung von Wahl- oder Stimm-Zetteln oder -Zeichen oder mit der Führung der Beurkundungsverhandlung beauftragt,- ein unrichtiges Ergebnis der Wahlhandlung vorsätzlich herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht, wird mit Gefängnis V.on einer Woche bis zu drei Jahren bestraft. (2) Wird die Handlung von jemand begangen, welcher nicht mit der Sammlung der Zettel oder Zeichen oder einer anderen Verrichtung bei .dem Wahlgeschäfte beauftragt ist, so tritt Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren ein. (3) Auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Stimmenkauf.
Schöll.
§ 109, Wer in einer öffentlichen Angelegenheit eine Wahlstimme kauft oder verkauft, wird mit Gefängnis von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. 6. A b s c h n i t t .
Widerstand
Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze.
gegen die
Staatsgewalt.
Schöll.
§ 110. Wer öffentlich vor einer Menschenmenge, oder wer durch Verbreitung oder öffentlichen Anschlag oder öffentliche Ausstellung von Schriften oder anderen Darstellungen zum Ungehorsam gegen Gesetze oder rechtsgültige Verordnungen oder gegen die von der Obrigkeit innerhalb ihrer Zuständigkeit getroffenen Anordnungen auffordert, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Aufforderung zu Straltaten.
Schöll.
§ 111. (1) Wer auf die vorbezeichnete Weise zur Begehung einer strafbaren Handlung auffordert, ist gleich dem Anstifter zu bestrafen, wenn die Aufforderung die strafbare Handlung oder einen strafbaren Versuch derselben zur Folge gehabt hat. (2) Ist die Aufforderung ohne Erfolg geblieben, so tritt Geldstrafe oder Gefängnisstrafe bis zu Einem Jahre ein. Die Strafe darf jedoch, der Art oder d^m Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte. §
1 1 2 aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5.
Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Schöll.
§ 113. (1) Wer einem Beamten, welcher zur Vollstreckung von Gesetzen, von Befehlen und Anordnungen der Verwaltungsbehörden oder von Urteilen und Verfügungen der Gerichte berufen ist, in der rechtmäßigen
Widerstand gegen die Staatsgewalt §§ 114—117
27
Ausübung seines Amtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Gewalt Widerstand leistet, oder wer einen solchen Beamten während der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes tätlich angreift, wird mit Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu zwei Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe bis zu Einem Jahre oder Geldstrafe ein. (3) Dieselben Strafvorschriften treten ein, wenn die Handlung gegen Personen, welche zur Unterstützung des Beamten zugezogen waren, oder gegen Mannschaften der bewaffneten Macht, oder gegen Mannschaften einer Gemeinde-, Schutz- oder Bürgerwehr in Ausübung des Dienstes begangen wird. (4)
Der Versuch ist strafbar.
Beamtennötigung.
Schöff.
§ 114. (1) Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung eine Behörde oder einen Beamten zur Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung zu nötigen, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe ein. Aufruhr.
Schöll.
Auflauf.
ER.
§ 115. (1) Wer an einer öffentlichen Zusammenrottung, bei welcher eine der in den §§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften begangen wird, teilnimmt, wird wegen Aufruhrs mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. (2) Die Rädelsführer, sowie diejenigen Aufrührer, welche eine der in den §§ 113 und 114 bezeichneten Handlungen begehen, werden mit Zuchthaus bis zu zehn ^Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von PolizeiAufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. § 116. (1) Wird eine auf öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen versammelte Menschenmenge von dem zuständigen Beamten oder Befehlshaber der bewaffneten Macht aufgefordert, sich zu entfernen, so wird jeder der Versammelten, welcher nach der dritten Aufforderung sich nicht entfernt, wegen Auflaufs mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. SchSff.
(2) Ist bei einem Auflaufe gegen die Beamten oder die bewaffnete mit vereinten Kräften tätlicher Widerstand geleistet oder Gewalt verübt worden, so treten gegen diejenigen, welche an diesen Handlungen teilgenommen haben, die Strafen des Aufruhrs ein.
Macht
Forst-,
Jagd- u. Fischereiwiderstand.
Schöll.
§ 117. (1) Wer einem Forst-, Jagd- oder Fischereibeamten, dem Eigentümer eines Waldes oder eines Fischgewässers, einem Forst- oder Fischereiberechtigten, einem Jagd- oder Fischereiausübungsberechtigten oder einem vop diesen bestellten Aufseher in der rechtmäßigen Ausübung seines Amtes oder Rechtes durch Gewalt oder durch Bedrohung mit Ge-
28
Strafgesetzbuch: §§ 118—122
walt Widerstand leistet, oder wer eine dieser Personen während der Ausübung ihres Amtes oder Rechtes tätlich angreift, wird mit Gefängnis von vierzehn Tagen bis zu drei Jahren bestraft. (2) Ist der Widerstand oder der Angriff unter Drohung mit Schießgewehr, Aexten oder'anderen gefährlichen Werkzeugen erfolgt, oder mit Gewalt an 5er Person begangen worden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. (3) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt in den Fällen des Absatz 1 Gefängnisstrafe bis zu Einem Jahre, in den Fällen des Absatz -2 Gefängnisstrafe nicht unter Einem Monat ein. (4) Der Versuch ist strafbar. Schwerer Widerstand.
Schöll.
§ 118. (1) Ist durch den Widerstand oder den Angriff eine Körperverletzung dessen, gegen welchen die Handlung begangen ist, verursacht worden, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein. Gemeinschaft!. Widerstand.
Schöll.
§ 119. Wenn eine der in den §§ 117 und 118 bezeichneten Handlungen von mehreren gemeinschaftlich begangen worden ist, so kann die Strafe bis um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnisstrafe jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden. Gefangenenbefreinng.
Schoff.
§ 120. - (1) Wer einen Gefangenen aus der Gefangenenanstalt oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten oder, desjenigen, unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung er sich befindet, vorsätzlich befreit oder ihm zur Selbstbefreiung vorsätzlich behilflich ist, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar. Entweicheblassen Ton Gefangenen.
(1) Schöff.
(2) ER.
§ 121. (1) Wer vorsätzlich einen Gefangenen, mit dessen Beaufsichtigung oder Begleitung er beauftragt ist, entweichen läßt oder dessen Befreiung befördert, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. (2) Ist dife Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert worden, so tritt Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe ein. Gefangenenmenterei. Schöll.
§ 122. (1) Gefangene, welche sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten angreifen, denselben Widerstand leisten oder es unternehmen, sie zu Handlungen oder Unterlassungen zu nötigen, werden wegen Meuterei mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten bestraft. (2) Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen. (3) Diejenigen Meuterer, welche'Gewalttätigkeiten gegen die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten verüben, werden
Befreiung Untergebrachter §§ 122a, 122b Verbr. u. Verg. wider die öfftl. Ordnung §§ 123—125
29
mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Befreiung Untergebrachter.
§ 122a. In den Fällen, der §§ 120 bis 122 steht einem Gefangenen gleich, wer in Sicherungsverwahrung oder in einem Arbeitshaus untergebracht ist. Schöff.
§ 122b. (1) Wer, abgesehen von den Fällen der §§ 120, 121 r 122a, vorsätzlich jemand, der auf behördliche Anordnung in einer Anstalt untergebracht ist, aus der Verwahrung befreit oder ihm das Entweichen erleichtert, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2)
Der Versuch ist strafbar.
(3) Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag der Behörde ein, welche die Verwahrung bewirkt hat. 7. A b s c h n i t t . Hausfriedensbruch.
V e r b r e c h e n und V e r g e h e n wider ö f f e n t l i c h e Ordnung.
(1) ER.
die
(2) SchöU.
§ 123. (1) Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztum eines anderen oder in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienste oder Verkehre bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugnis darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird wegen Hausfriedensbruches mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.
(2) Ist die Handlung von einer mit Waffen versehenen Person oder von mehreren gemeinschaftlich begangen worden, so tritt Geldstrafe oder Gefängnisstrafe bis zu Einem Jahre ein. (3) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. Schwerer Hausfriedensbruch.
Schöll.
§ 124. Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und in der Absicht, Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitztun eines anderen oder- in abgeschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher an diesen Handlungen teilnimmt, mit Gefängnis von Einem Monat bis- zu zwei Jahren bestraft.
Landtriedensbruch.
Schöll.
§ 125. (1) Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammenrottet und mit vereinten Kräften gegen Personen oder Sachen Gewalttätigkeiten begeht, so wird jeder, welcher an dieser Zusammenrottung teilnimmt, wegen Landfriedensbruches mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Die Rädelsführer, sowie diejenigen, welche Gewalttätigkeiten gegen Personen begangen oder Sachen geplündert, vernichtet oder zerstört
30
Strafgesetzbuch: §§ 126—130a
haben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Landzwang.
Schöll.
§ 126. Wer durch Androhung eines gemeingefährlichen Verbrechens den öffentlichen Frieden stört, wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre bestraft. Bildung bewaffneter Hauien.
Schöll.
§ 127. (1) Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mannschaft, von der er weiß, daß sie ohne gesetzliche Befugnis gesammelt ist, mit Waffen oder Kriegsbedürfnissen versieht, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. (2) Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen anschließt, wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre bestraft. Geheimbundelei. ER. u.
Scholl.
§ 128. (1) Die Teilnahme an einer Verbindung, deren Dasein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheim gehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an den Mitgliedern mit Gefängnis bis zu sechs Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängnis von Eijiem Monate bis zu einem Jahre zu bestrafen. (2) Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. Teilnahme an staatsleindl. Verbindungen.
Schöll.
§ 129. (1) Die Teilnahme an einer Verbindung, zu deren. Zwecken oder Beschäftigungen gehört," Maßregeln der Verwaltung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, ist an den Mitgliedern mit Gefängnis bis zu Einem Jahre, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängnis von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. Anreizung zum Klassenkampf
Schöll.
§ 130. Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Gewalttätigkeiten gegeneinander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe oder jnit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Kanzelmifibrauch.
Schöll,
§ 130a. (1) Ein Geistlicher oder anderer • Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor mehreren Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden
Verbr. u. Verg. wider die öfftl. Ordnung §§ 131—134
31
Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft. (2) Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in welchen Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung gemacht sind. StaatSTerleumdung.
Schöll.
§ 131. Wer erdichtete oder entstellte Tatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Amtsanmafiung.
Schölt.
§ 132. Wer unbefugt sich -mit Ausübung eines öffentlichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf, wird mit Gefängnis, ifl schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. UebelujJtes Traden von Uniformen nnd Amtskleidungen.
Schölf.
§ 132a. (1) Wer unbefugt inländische oder ausländische Uniformen,. Amtskleidungen oder Amtsabzeichen trägt, wird, soweit nicht besondere Vorschriften etwas anderes bestimmen, mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, wer unbefugt eine Berufstracht oder ein Berufsabzeichen für Betätigung in der Kranken- oder Wohlfahrtspflege trägt, die im Inland staatlich anerkannt sind. (3) Den in den Absätzen 1, . 2 genannten Uniformen, Kleidungen, Trachten oder Abzeichen stehen solche gleich, die ihnen zum Verwechseln ähnlich sind. (4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten auch für Amtskleidungen und Amtsabzeichen der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts sowie für Berufstrachten und Berufsabzeichen der von ihnen anerkannten religiösen Genossenschaften. Verwahrungsbruch.
Schöll,
§ 133. (1) Wer eine Urkunde, ein Register, Akten oder einen sonstigen Gegenstand, welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten -oder einem Dritten amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft oder beschädigt, wird mit Gefängnis bestraft. ' (2) Ist die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter drei Monaten ein, auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden, Beschädigung amtl. Bekanntmachungen.
ER,
§ 134. Wer öffentlich angeschlagene Bekanntmachungen, Verordnungen, Befehle oder Anzeigen von Behörden oder Beamten böswillig
32
Strafgesetzbuch: §§ 134a—139a
abreißt, beschädigt oder verunstaltet, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. § 1 3 4 a . aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5. § 1 3 4 b . aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5. Verletzung inländischer "Hoheitszeichen. Schofl. § 135. Wer ein öffentliches Zeichen eines Bundesfürsten oder ein Hoheitszeichen
der
Autorität
des
Reichs
oder
eines der Länder (Bundesstaates) böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. Sicgelbruch.
ER.
§ 136. Wer unbefugt ein amtliches Siegel, welches von einer Behörde oder einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen, vorsätzlich erbricht, ablöst oder beschädigt oder den durch ein solches Siegel bewirkten amtlichen Verschluß aufhebt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bestraft. Verstrickungsbruch.
SchSH.
,
§ 137. Wer Sachen, welche durch die zuständigen Behörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag genommen worden sind, vorsätzlich bei Seite schafft, zerstört oder in anderer Weise der Verstrickung ganz oder teilweise entzieht, wird mit Gefängnis bis zu Einem Jahre oder mit Geldstrafe bestraft. Falsche Entschuldigung bei Terminsversäumung.
ER.
§ 138. Wer als Zeuge, Geschworener oder Schöffe berufen, eine unwahre Tatsache als Entschuldigung vorschützt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Monaten bestraft. Dasselbe gilt von einem Sachverständigen, welcher zum Erscheinen gesetzlich verpflichtet ist. Die auf das N i c h t e r s c h e i n e n gesetzten Ordnungsstrafen werden durch vorstehende Strafbestimmung nicht ausgeschlossen. Unterlassung der Anzeige Ton Verbrechensvorhaben. SchSH. § 139. W e r v o n d e m V o r h a b e n eines Hochverrats oder Landesverrats, einer Wehrmittelbeschädigung, eines Verbrechens wider das Leben, eines - Münz-
verbrechens, eines Raubes, Menschenraubes oder gemeingefährlichen Verbrechens glaubhafte Kenntnis erhält und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten hiervon zur rechten Zeit Anzeige zu machen, wird mit Gefängnis bestraft. Ist die Tat nicht versucht worden, so kann von Strafe abgesehen werden. In besonders schweren Fällen kann auf Zuchthaus und, wenn die geplante Tat mit dem Tode bedroht ist, auch auf lebenslanges Zuchthaus oder auf Todesstrafe erkannt werden. Verkehrsllucht.
Schöll.
§ 139a. Wer sich nach einem Verkehrsunfall der Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs oder d e r ' A r t seiner Beteiligung an dem Unfall
33
Verbr. u. Verg. wider die öfftl. Ordnung §§ 139b—145c
•vorsätzlich durch Flucht entzieht, obwohl nach den Umständen in Frage kommt, daß sein Verhalten zur Verursachung des Unfalls beigetragen hat, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Haft und mit Geldstrafe oder mit einer dieser' Strafen bestraft. Der Versuch ist strafbar. In besonders schweren Fällen ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten-oder Zuchthaus. Verletzung der Aufsichtspflicht.
ER.
§ 139b. Wer einen noch nicht Achtzehnjährigen, dessen Beaufsichtigung ihm obliegt, nicht gehörig beaufsichtigt, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten oder mit Haft oder mit Geldstrafe ¡bestraft, wenn der. zu Beaufsichtigende eine mit Strafe-bedrohte Handlung begeht, die der Aufsichtspflichtige durch gehörige Aufsicht hätte verhindern können. Dies gilt nicht, soweit in sonstigen Vorschriften eine andere Strafe angedroht ist. Aufsichtspflichtig im Sinne dieser Vorschrift ist derjenige, dem die Sorge für die Person des Kindes oder des Jugendlichen obliegt oder dem das Kind oder der Jugendliche zur Erziehung oder Pflege ganz oder fiberwiegend anvertraut ist. §§ 140, 140a, 140b, 141, 142, 143, 143a aufgehoben durch Gesetz Nr. 11 im Anhang VII Nr. 5. ' Verleitung zur Auswanderung.
Schöll.
§ 144. Wer es sich zum Geschäfte macht, Deutsche unter Vorspiegelung falscher Tatsachen oder wissentlich mit unbegründeten Angaben oder durch andere auf Täuschung berechnete Mittel zur Auswanderung zu verleiten, wird mit Gefängnis von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. Gefährdung des Schiff velkehn. ER. § 1 4 5 . W e r d i e v o m Reichspräsidenten, Führer u. Reichskanzler z u r
Verhütung
des Zusammenstoßens der Schiffe auf See, über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammenstoße von Schiffen auf See, oder in Betreff der Not- und Lotsensignale für Schiffe auf See und auf den Küstengewässern erlassenen Verordnungen übertritt, wird mit Geldstrafe bestraft. Unerlaubte Ausstellung von Inhaberpapieren.
ER.
§ 145a. Wer im Inlande Schuldverschreibungen auf deii Inhaber, in denen die Zahlung einer bestimmten Geldsumme versprochen wird, ohne die erforderliche, staatliche Genehmigung ausstellt und in den Verkehr bringt, wird mit einer Geldstrafe bestraft, die dem fünften Teile des'Nennwertes der ausgegebenen Schuldverschreibungen gleichkommen kann, mindestens aber drei beträgt. § 1 4 5 b aufgehoben durch das Tierschutzgesetz vom 24. Novbr. 1933 (RGBl. I S. 987). Verbotene Berufsausübung.
Schoff.
§ 145c. Wer einen Beruf oder ein Gewerbe ausübt oder ausüben läßt, solange ihm dies nach § 421 untersagt ist, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und mit Geldstrafe oder mit einer dieser Strafen bestraft. D a 1 c k e , Strafrecht und Strafverfahren
3
Strafgesetzbuch: §§ 145d—150
34 Vortäuschung einer Straltat.
Schöll.
§ 145d. Wer einer Dienststelle des Staates wider besseres Wissen die .Begehung einer Straftat vortäuscht oder die Dienststelle über die Person eines an einer Straftat Beteiligten, zu täuschen sucht, .wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, soweit die Tat nicht nach anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. 8.
Abschnitt.
Münzverbrechen
Falschmünzerei u. Münzfälschung,
und
Münzvergehen.
Gr. Strafk.
§ 146. Wer -inländisches oder ausländisches Metallgeld oder Papiergeld nachmacht, um das nachgemachte Geld als echtes zu gebrauchen oder sonst in Verkehr zu bringen, oder "Wer in gleicher Absicht echtem Gelde durch Veränderung an demselben den Schein eines höheren Werts oder verrufenen Gelde durch Veränderung an demselben das Ansehen eines noch geltenden gibt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft; auch ist Polizei-Aufsicht zulässig. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe ein. Münz betrug.
Gr.
Stralk.
§ 147. Dieselben Strafbestimmungen finden auf denjenigen Anwendung, welcher das von ihm auch ohne die vorbezeichnete Absicht nachgemachte oder verfälschte Geld als echtes in Verkehr bringt, sowie auf denjenigen, welcher nachgemachtes oder verfälschtes Geld sich verschafft und solches entweder in Verkehr bringt oder zum Zwecke der Verbreitung aus dem Auslande einführt.. Abschieben falschen Geldes.
ER.
§ 148. Wer nachgemachtes oder verfälschtes Geld als echtes empfängt und nach erkannter Unechtheit als echtes in Verkehr bringt, wird mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe .bestraft. Der Versuch ist strafbar.
Fälschung von Schuldverschreibungen, Banknoten u. a.
Gr. Strafk. oder
ER.
§ 149. Dem Papiergelde werden gleich geachtet die auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen, Banknoten, Aktien oder deren. Stelle vertretende Interimsscheine oder Quittungen, sowie die zu diesen Papieren dem Reich, einem I^and oder fremden Staate oder von einer zur Ausgabe solcher Papiere berechtigten Ge'meinde, Korporation, Gesellschaft oder Privatperson ausgestellt sind. Mfinzverringening (Kippen u. Wippen).
Schöll.
§ 150. Wer echte, zum Umlauf bestimmte 'Metallgeldstücke durch Beschneiden, Abfeilen oder auf andere Art verringert und als vollgültig in Verkehr bringt, oder wer solche verringerte Münzen gewohnheitsmäßig oder im Einverständnisse mit dem, welcher sie verringert hat, als vollgültig in Verkehr bringt, wird mit Gefängnis bestraft, neben welchem aufGeldstrafe, ' sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann.* Der Versuch ist strafbar.
35
Münzverg. §§ 151, 152. Falsche uneidl. Aussage u. Meineid §§ 153—156 Vorbereitungshandl.
Schöfi.
§ 151. Wer Stempel, Siegel, Stiche, Platten oder andere zur Anfertigung von Metallgeld, Papiergeld oder dem letzteren gleich geachteten Papieren dienliche Formen zum Zwecke eines. Münzverbrechens angeschafft oder angefertigt hat, wird mit Gefängnis bis zu, zwei Jahren bestraft. Einziehung.
§ 152. Auf die Einziehung des nachgemachten oder verfälschten Geldes, sowie der im § 151 bezeichneten Gegenstände ist zu erkennen, auch wenn die Verfolgung oder Verurteilung einer bestimmten Person nicht stattfindet. 9. A b s c h n i t t .
Falsche uneidliche Aussage.
Falsche uneidliche Meineid.
Aussage
und
Schöif.
§ 153. Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich vorsätzlich falsch aussagt, wird mit Gefängnis nicht unter drei Monaten, in schweren Fällen mit Zuchthaus bestraft. Der Versuei Meineid.
ist strafbar.
Schw.
§ 154, Wer vor Gericht oder vor einer anderen zur Abnahme von Eiden zuständigen Stelle vorsätzlich falsch schwört, wird mit Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter sechs Monaten. Eidliche Beteuerungen.
Schw.
§ 155. Der Ableistung eines Eides wird gleich'geachtet, wenn 1. ein Mitglied einer Religionsgesellschaft, welcher das Gesetz den Gebrauch gewisser Beteuerungsformeln an Stelle des Eides gestattet, eine Erklärung unter der Beteuerungsformel seiner Religionsgesellschaft abgibt; 2. derjenige, welcher als Partei,,Zeuge oder Sachverständiger einen Eid geleistet hat, in gleicher Eigenschaft eine Versicherung unter Berufung auf den bereits früher in derselben Angelegenheit geleisteten Eid abgibt, oder ein Sachverständiger, welcher als solcher ein für allemal vereidet ist, eine Versicheurng auf den von ihm geleisteten Eid abgibt; 3. ein Beamter eine amtliche Versicherung unter Berufung auf seinen Diensteid abgibt.
Falsche eidesstaltl. Versicherung.
Schöll.
§ 156. Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung wissentlich falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung wissentlioh. falsch aussagt, wird mit Gefängnis von einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. 3*
36
Strafgesetzbuch: §§ ¡57—162
EidesDotst&nd.
Schw.
§ 157. Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineids, einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht, so'kann der Richter die Strafe nach pflichtgemäßem Ermessen mildern und im Falle uneidlicher Aussage auch ganz von Strafe absehen, wenn der Täter die Unwahrheit gesagt hat, um von einem Angehörigen oder von sich selbst die Gefahr einer gerichtlichen Bestrafung abzuwenden^ Der Richter kann auch dann die Strafe mildern oder ganz von Strafe absehen, wenn ein noch nicht Eidesmündiger uneidlich falsch ausgesagt hat. Widerruf.
Schw.
§ 158. Der Richter kann die Strafe wegen Meineids, falscher Versicherung an Eides Statt oder falscher uneidlicher Aussage nach seinem pflichtgemäßen Ermessen mildern oder von Strafe absehen, (wenn der Täter die falsche Angabe rechtzeitig berichtigt. Die Berichtigung ist verspätet, wenn sie bei der Entscheidung nicht mehr verwertet werden kann oder aus der Tat ein Nachteil für einen anderen entstanden ist oder wenn schon gegen den Täter eine Anzeige erstattet oder eine Untersuchung eingeleitet wordep ist. Die Berichtigung kann bei der Stelle, der die falsche Angabe gemacht worden ist oder die sie im Verfahren zu prüfen hat, sowie bei «einem Gericht einem Staatsanwalt oder' einer Polizeibehörde erfolgen. Unternehmen, der Verleitung zur uneidl. Aussage u. Eides Verletzung.
Gr. Strafk.
§ 159. Die Vorschriften über die Bestrafung der erfolglosen Anstiftung und anderer Vorbereitungshandlungen bei Verbrechen (§ 49a) gelten entsprechend für alle Fälle der falschen uneidlichen Aussage, des Meineids und der wissentlichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt. Verleitung zum Falscheid.
Sch5fi.
§ 160. Wer einen anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, und wer einen anderen zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage verleitet, wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Der Versuch ist strafbar.
Nebenstrale u. Nebenfolge.
§ 161. Bei jeder Verurteilung wegen Meineides, mit Ausnahme der Fälle in den §§ 157 und 158, ist auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und außerdem auf die dauernde Unfähigkeit des Verurteilten, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, zu erkennen. In den Fällen der §§ 156 bis 159 kann neben' der Gefängnisstrafe auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Eidesbruch.
Schöf*.
§ 162. Wer vorsätzlich einer- durch eidliches Angelöbnis vor Gericht bestellten Sicherheit oder dem in einem Offenbarungseide gegebenen Versprechen zuwiderhandelt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft.
Falscheid § 163. Falsche Anschuldigung §§ .164, 165. Vergeh., welche sich auf die Religion beziehen § 166 Fahrl. Falscheid.
37
StehöH.
§ 163. Wenn eine der in den §§ 154 bis 156 bezeichneten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen worden ist, so tritt Gefängnisstrafe bis zu Einem J a h r e ein. Straflosigkeit tritt ein, wenn der Täter, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachteil für einen anderen aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft. 10. A b s c h n i t t . Falsche Anschuldigung.
Falsche
Anschuldigung.
Schöll.
§ 164. (1) W e r einen anderfen bei einer Behörde oder einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten oder militärischen Vorgesetzten oder öffentlich wider besseres Wissen einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht in der Absicht. verdächtigt, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen, wird wegen falscher Anschuldigung mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft. (2) Ebenso wird bestraft, w e r in gleicher Absicht bei einer der im Abs. 1 bezeichneten Stellen oder öffentlich über einen anderen wider besseres Wissen eine sonstige Behauptung tatsächlicher Art aufstellt, die geeignet ist, ein behördliches Verfahren oder andere behördliche Maßnahmen gegen ihn herbeizuführen oder fortdauern zu lassen. (3) Ist die Tat in der Absicht begangen, sich oder einem Dritten einen Vorteil zu verschaffen, so ist die Strafe Gefängnis nicht unter drei Monaten. (4) Neben der Strafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (5) Ist die falsche Anschuldigung (Abs. 1, 2) nicht wider besseres Wissen, aber vorsätzlich oder leichtfertig begangen, so ist die Strafe Gefängnis bis zu einem J a h r e oder Geldstrafe. (6) Solange ein infolge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren anhängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entscheidung über die fälsche Anschuldigung i«me gehalten werden. Bekanntmachung.
§ 165. (1) Wird wegen falscher Anschuldigung auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugnis zuzusprechen, die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben,-ist in dem Urteile zu bestimmen.(2) Dem Verletzten ist auf Kosten des Schuldigen eine Ausfertigung des Urteils zu erteilen. 11. A b s c h n i t t . V e r g e h e n , w e l c h e die Religion beziehen. Gotteslästerung, Beschimpfung yon Religionsgesellschalten.
sich
auf
Schöfl.
§ 166. W e r dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden Aeußerungen Gott lästert, ein Aergernis gibt, oder wer öffentlich eine der christlichen
Strafgesetzbuch: §§ 167—170b
38
Kirchen oder eine andere mit .Korporationsrechten innerhalb des Bundesgebietes bestehende Religionsgesellschaft, oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. Störung des Gottesdienstes..
Schöll.
§ 167. Wer durch eine Tätlichkeit oder Drohung jemand hindert, den Gottesdienst einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft auszuüben, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte durch Erregung von Lärm oder Unordnung den Gottesdienst oder einzelne gottesdienstliche Verrichtungen einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft vorsätzlich verhindert oder stört, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. Leichendiebstahl,
Störung der Totenruhe.
Schöll.
§ 168. Wer unbefugt eine Leiche aus dem Gewahrsam der dazu berechtigten Person wegnimmt, ingleichen wer unbefugt ein Grab zerstört oder beschädigt, oder wer an einem Grabe beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann.auf Verlust der bürgerlicheji Ehrenrechte erkannt werden. 12.
Abschnitt.
Straftaten
gegen
die Ehe und die
den
Personenstand,
Familie.
Veränderung oder Unterdrfickung des Personenstandes.
Gr. Straik.
§ 169. fl) Wer ein Kind unterschiebt oder vorsätzlich verwechselt, oder wer auf andere Weise' den Personenstand eines anderen vorsätzlich verändert oder unterdrückt, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren und, wenn die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen wurde, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. (2) Der Versuch ist strafbar.
Ehebetrug.
Schöll.
§ 170. (1) Wer bei Eingehung einer Ehe dem anderen Teile ein gesetzliches Ehehindernis arglistig verschweigt, oder wer den anderen Teil zur Eheschließung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet, welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten, wird, wenn aus einem dieser Gründe die Ehe aufgelöst worden ist, mit Gefängnis nicht unter drei Monaten bestraft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des getäuschten Teils ein. Verschleuderung der Familienhabe.
Schöll.
§ 170a. (1) Ein Ehegatte, der Familienhabe böswillig oder aus grobem Eigennutz veräußert, zerstört oder beiseite schafft und dadurch den anderen Ehegatten oder einen unterhaltsberechtigten Abkömmling schädigt, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist stralbar, Verletzung der Unterhaltspllicht.
Schöll.
§ 170b. (1) Wer sich einer gesetzlichen Unterhaltspflicht vorsätzlich entzieht, so daß der Lebensbedarf-des Unterhaltsberechtigten gefährdet, ist
Straftat, geg. d. Personenst., d. Ehe u. Fam. §§ 170c—172. Verbr. u. Vergeh, wider die Sittlichkeit §§ 173, 174
39
oder ohne öffentliche Hilfe oder -die Hilfe anderer gefährdet wäre, wird mit Gefängnis bestraft. Der Versuch ist strafbar. Verlassen Schwangerer.
Schoff.
§ 170c. Wer einer von ihm Geschwängerten gewissenlos die Hilfe versagt, deren sie wegen der Schwangerschaft oder der Niederkunft bedarf, tind dadurch Mutter oder Kind gefährdet, wird mit Gefängnis bestraft. Verletzung der l&rsorgepilicht gegenüber Kindern.
SchSfi.
§ 170d. Wer das körperliche oder sittliche Wohl eines Kindes dadurch gefährdet, daß er in gewissenloser Weise seine Fürsorge- oder Erziehungspflichten, gröblich vernachlässigt, insbesondere das Kind ohne ausreichende Nahrung oder Wartung läßt, wird mit Gefängnis bestraft, soweit nicht die Tat nach anderen Vorschriften mit schwererer Strafe bedroht ist. Doppelehe.
Gr. Straik.
§ 171. (1) Ein Ehegatte, welcher eine neue Ehe eingeht, bevor seine Ehe aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist, ingleichen eine unverheiratete Person, welche mit einem Ehegatten, "wissend, daß er verheiratet ist, eine Ehe eingeht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. (3) Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt mit dem Tage, an welchem eine der beiden Ehen aufgelöst oder für nichtig erklärt worden ist. Ehebruch.
ER.
§ 172. (1) Der Ehebruch wird, wenn wegen desselben die Ehe geschieden ist, an dem schuldigen Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen mit Gefängnis I i s zu sechs Monaten bestraft. (2) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. 13. A b s c h n i t t . V e r b r e c h e n u n d V e r g e h e n wider die Sittlichkeit. Blutschande.
Gr. Straik.
§ 173. (1) Der Beischlaf zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie wird an den ersteren mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, an den letzteren mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. (2) Der Beischlaf zwischen Verschwägerten auf- und absteigender Linie, sowie zwischen Geschwistern wird mit ~ Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft. (3) Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. (4) Verwandte und Verschwägerte absteigender Linie bleiben straflos, wenn sie das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet haben. Unzucht unter Mißbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses.
Gr. Straik.
§ 174. Mit Zuchthaus oder mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten •wird bestraft,
40
Strafgesetzbuch: §§ 175—176
1. wer einen seiner Erziehung, Ausbildung, Aufsicht oder Betreuung anvertrauten Menschen unter einundzwanzig Jahren oder 2. wer unter Ausnutzung seiner Amtsstellung oder .seiner Stellung in einer Anstalt für Kranke oder Hilfsbedürftige einen anderen zur Unzucht mißbraucht. Unzucht zwischen Männern.
SchSfi.
§ 175. (1) Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder steh von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft. (2) Bei einem Beteiligten, der zur Zeit der Tat noch nicht einundzwanzig Jahre alt war, kann das Gericht in besonders leichten Fällen von Strafe absehen. Schwere Unzucht zwischen Männern. Gr. Strafk.
§ 175a. Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, bei mildernden Umständen mit Gefängnis nicht unter drei Monaten wird bestraft: 1. ein Mann, der einen anderen Mann mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben nötigt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen; 2. ein Mann, der- einen anderen Mann unter Mißbrauch einer durch ein Dienst-, Arbeits- oder Unterordnungsverhältnis begründeten Abhängigkeit bestimmt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen; 3. ein Mann über einundzwanzig Jahre, der eine männliche Person unter einundzwanzig Jahren verführt, mit ihm Unzucht zu treiben oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen zu lassen; 4. ein Mann, der gewerbsmäßig mit Männern Unzucht treibt oder von Männern sich zur Unzucht mißbrauchen läßt oder sich dazu anbietet. Unzucht mit Tieren (Sodomie).
Schöll.
§ 175b. Die widernatürliche LTnzucht, welche von Menschen mit Tieren begangen wird, ist mit Gefängnis zu, bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. Nötigung und Mißbrauch zur Unzucht.
Gr. Straik.
§ 176. (l) 'Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird bestraft,, wer
1. mit Gewalt unzüchtige Handlungen an einer Frauensperson vornimmt oder dieselbe durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung unzüchtiger Handlungen nötigt; 2. eine in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande befindliche oder eine geisteskranke - Frauensperson zum außerehelichen Beischlafe mißbraucht, oder 3. mit Personen unter vierzehn Jahren unzüchtige Handlungen vornimmt oder dieselben zur Verübung oder Duldung unzüchtiger Handlungen verleitet. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein.
Verbr. u. Vergeh, wider die Sittlichkeit §§ 177—181 Notzucht.
41
Gr. Streik.
§ 177. (1) Mit Zuchthaus wird bestraft, wer durch Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine Frauensperson zur Duldung des außerehelichen Beischlafs nötigt, oder wer eine Frauensperson zum außerehelichen Beischlafe mißbraucht, nachdem er sie zu diesem Zwecke in einen willenlosen oder bewußtlosen Zustand versetzt hat. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter Einem Jahre ein. Strafschärfung b. Todesfolge.
Schw.
§ 178. Ist durch eine der in den §§ 176 und 177 bezeichneten Handlungen der Tod der verletzten Person verursacht worden, so tritt Zuchthausstrafe nicht unter zehn Jahren oder lebenslängliche Zuchthausstrafe ein. Ertchleichunfi des auBerehelichen Beischlafs.
Gr.
Streik.
§ 179. (1) Wer eine Frauensperson zur Gestattung des Beischlafs dadurch verleitet, daß er eine Trauung vorspiegelt, oder einen anderen Irrtum in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen hielt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. (2) Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe nicht unter sechs Monaten ein. (3) Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. Kappelei.
Schöll.
§ 180. (1) Wer gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz durch seine Vermittlung oder dürch Gewährung oder Verschaffung von Gelegenheit der Unzucht' Vorschub leistet, wird wegen Kuppelei mit Gefängnis nicht unter Einem Monate bestraft; auch kann zugleich auf Geldstrafe, auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, sowie auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Gefängnisstrafe bis auf Einen Tag ermäßigt werden. (2) Als Kuppelei, gilt insbesondere die Unterhaltung eines Bordells oder eipes bordellartigen Betriebs. (3) Wer einer Person, die' das 18. Lebensjahr vollendet hat, Wohnung gewährt, wird auf Grund des Absatz 1 nur dann bestraft, wenn damit ein Ausbeuten der Person, der die Wohnung gewährt ist, oder ein Anwerben oder «in Anhalten dieser Person zur Unzucht verbunden ist. Schwere Kappelei.
Gr. Straik. -
§ 181. (1) Die Kuppelei ist, selbst wenn sie weder gewohnheitsmäßig noch aus Eigennutz betrieben wird, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen, wenn 1. um der Unzucht Vorschub zu leisten, hinterlistige Kunstgriffe angewendet werden, oder 2. der Schuldige zu der verkuppelten Person in dem Verhältnisse, des. Ehemanns zur Ehefrau, von Eltern zu Kindern, von Vormündern zu Pflegebefohlenen, von Geistlichen, Lehrern oder Erziehern zu den von ihnen zu unterrichtenden oder zu erziehenden Personen steht.
Stcaf gesetzbuch: §§ 181a—184
42
(2) Neben der Zuchthausstrafe ist der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auszusprechen; auch kann zugleich auf Geldstrafe, sowie auf- Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden. (3) Sind im Falle des Absatzes 1 Nr. 2 mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnisstrafe ein, neben welcher auf Geldstrafe erkannt werden kann. Zuhälterei. Gr. Stralk.
§ 181a. (1) Eine männliche Person, welche von einer 'Frauensperson,
geschuldigten sind nur solche Kosten aufzuerlegen, welche er durch eine schuldbare Versäumnis verursacht hat. Die dem Angeschuldigten erwachsenen notwendigen Auslagen können der Staatskasse auferlegt werden. Diese Bestimmungen gelten nicht, wenn gegen den Angeschuldigten die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet wird. Kostenpflicht bei Straffreierklärung
§ 468. Bei wechselseitigen Beleidigungen oder Körperverletzungen wird die Verurteilung eines oder beider Teile in die Kosten dadurch nicht ausgeschlossen, daß einer oder beide für straffrei erklärt werden. Kostenpflicht des Anzeigenden
§ 469. Ist ein, wenn auch nur außergerichtliches Verfahren durch eine wider besseres Wissen gemachte oder auf grober Fahrlässigkeit beruhende Anzeige veranlaßt worden, so kann das Gericht dem Anzeigenden, nachdem er gehört wonden, die der Staatskasse und dem Beschuldigten erwachsenen Kosten auferlegen. War noch kein Gericht mit der Sache befaßt, so erfolgt die Entscheidung auf den Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht, welches für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständig gewesen wäre. Gegen die Entscheidung findet sofortige Beschwerde statt. Kostenpflicht
bei Zurücknahme
des
Strafantrags
§ 470.. Erfolgt eine Einstellung des Verfahrens wegen Zurücknahme des, Antrages, durch welchen es bedingt war, so hat der Antragsteller die Kosten zu tragen.
Kostenpflicht im
Privatklageverlahren
§ 471. In einem Verfahren auf erhobene Privatklage hat der Verurteilte auch die dem Privatkläger erwachsenen notwendigen Auslagen zu erstatten*). * ) Wegen Verteilung der Auslagen bei Einstellung wegen Geringfügigkeit s. VO. v. 6. 10. 1931, 6. Teil Kap. I § 7 Abs. 2 (RGBl. I S. 537), abgedruckt hinter § 383. S. 194. D a 1 c k e , Strafrecht und Strafverfahren
14
210
Strafprozeßordnung:
§§ 472—474
D a s Gericht kann, wenn den A n t r ä g e n d e s P r i v a t k l ä g e r s nur zum Teil e n t s p r o c h e n ist, die im V e r f a h r e n entstandenen A u s l a g e n sowie die dem P r i v a t k l ä g e r und dem B e s c h u l d i g t e n e r w a c h s e n e n notwendigen A u s l a g e n a n g e m e s s e n verteilen. Wird der B e s c h u l d i g t e außer Verfolgung g e s e t z t o d e r freigesprochen, oder wird d a s V e r f a h r e n eingestellt, so fallen dem P r i v a t k l ä g e r die K o s t e a d e s V e r f a h r e n s s o w i e die dem B e s c h u l d i g t e n e r w a c h s e n e n notwendigen A u s l a g e n zur Last,. M e h r e r e P r i v a t k l ä g e r h a f t e n als . G e s a m t s c h u l d n e r . D a s gleiche gilt hinsichtlich der H a f t u n g mehrerer B e s c h u l d i g t e r für die dem P'rivatkläger e r w a c h s e n e n notwendigen A u s l a g e n . Die nach den B e s t i m m u n g e n d i e s e s P a r a g r a p h e n zu erstattenden A u s l a g e n u m f a s s e n auch die Entschädigung für die durch notwendige R e i s e n o d e r durch die n o t w e n d i g e Wahrnehmung von Terminen e n t s t a n d e n e Zeitversäumnis 1 ; die für d i e Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften finden e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g . Hat sich der G e g n e r der erstattungspflichtigen P a r t e i eines R e c h t s a n w a l t s bedient, so sind die G e b ü h r e n und A u s l a g e n d e s A n w a l t s insoweit inbegriffen, als solche nach der B e s t i m mung d e s § 91 der Zivilprozeßordnung die unterliegende Partei der obs i e g e n d e n zu e r s t a t t e n hat. Kostenpflichi w
Aaklafeerzwinguagsverfahren.
§ 472. Wind in d e m F a l l e d e s § 175 der A n g e s c h u l d i g t e außer Verfolgung g e s e t z t o d e r f r e i g e s p r o c h e n , oder d a s V e r f a h r e n eingestellt, so finden auf den A n t r a g s t e l l e r die B e s t i m m u n g e n d e s § 471 A b s . 2 b i s 5 e n t s p r e c h e n d e A n w e n d u n g . Das. Gericht k a n n jedoch nach B e f i n d e n der U m s t ä n d e den A n t r a g s t e l l e r von der T r a g u n g der K o s t e n g a n z o d e r teilw e i s e entbinden. V o r der E n t s c h e i d u n g über , den K o s t e n p u n k t ist der A n t r a g s t e l l e r hören, s o f e r n er nicht als N e b e n k l ä g e r aufzutreten b e r e c h t i g t w a r .
zu
Koste« des RecktMlttelTeriahrea«, der W i e d e r a n f a a h » a. der Viedereintetzaaf
§ 473. Die K o s t e n eines z u r ü c k g e n o m m e n e n oder erfolglos eingelegten R e c h t s m i t t e l s treffen den, der e s eingelegt hat. W a r d a s Rechtsmittel von der S t a a t s a n w a l t s c h a f t ¿ i n g e l e g t , so können die dem B e s c h u l d i g t e n erw a c h s e n e n notwendigen A u s l a g e n der S t a a t s k a s s e a u f e r l e g t w e r d e n . H a t t e d a s R e c h t s m i t t e l teilweisen Erfolg, so k a n n d a s Gericht die G e b ü h r ermäßigen und die e n t s t a n d e n e n A u s l a g e n a n g e m e s s e n verteilen. D a s s e l b e gilt von den K o s t e n , welche durch einen A n t r a g auf W i e d e r a u f n a h m e d e s durch ein r e c h t s k r ä f t i g e s Urteil g e s c h l o s s e n e n V e r f a h r e n s v e r u r s a c h t w o r d e n sind. Die K o s t e n der W i e d e r e i n s e t z u n g in den vorigen S t a n d fallen dem A n t r a g s t e l l e r zur L a s t , s o w e i t sie nicht durch einen u n b e g r ü n d e t e n W i d e r spruch des G e g n e r s e n t s t a n d e n sind. S 4 7 4 . In den zur Zuständigkeit des Reichsgerichts in erster Instanz gehörigen •ind die von der Staatskasse zu tragenden Kosten der Reichskasse aufzuerlegen.
Sachen
VI. Reichsjugendgeriditsgesetz. Vom 6. November 1943 (RGBl. I S. 637).. 1. Teil.
Verfehlungen Jugendlicher and ihre Folgen.
1. A b s c h n i t t .
Allgemeine
Vorschriften.
Anwendungsbereich
§ 1. (1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher eine Verfehlung begeht, die strafrechtlicher Ahndung unterliegt. Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn Jahre alt ist.
( 2 ) Das Gesetz gilt für Deutsche. gemäß angewendet, soweit nicht etwas
Auf Angehörige anderen Volkstums wird es sinnanderes bestimmt ist.
Die Folgen der Jugendstraitat
§ 2. (1) Die Straftat eines Jugendlichen wird mit Strafe oder mit Zuchtmitteln geahndet. (2) Aus Anlaß der Straftat können Erziehungsmaßregeln angeordnet werden. (3) Von Strafe und Zuchtmitteln wird abgesehen, wenn Erziehungsmaßregeln oder jlie Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt die Ahndung durch den Richter entbehrlich machen. Verantwortlichkeit
§ 3. (1) Ein Jugendlicher ist strafrechtlich verantwortlich, wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln Zur Erziehung eines Jugendlichen, der mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist, kann der Richter dieselben Maßnahmen anordnen wie der Vormundschaftsrichter. (2) Wer unter vierzehn Jahren eine Verfehlung- begeht, ist strafrechtlich nicht verantwortlich. Ist der Täter zur Zeit der Tat wenigstens zw61f Jahre alt,
so -wird er wie ein Jugendlicher zur Verantwortung gezogen, wenn der Schutz des Volkes wegen der Schwere der Verfehlung eine strafrechtliche Ahndung fordert; die Vorschriften über jugendliche Schwerverbrecher werden nicht angewendet.
2. A b s c h n i t t .
Die
Strafe.
Jogcndgciingms § 4, (1) Die Strafe für Jugendliche ist - Jugendgefängnis. (2) Der Richter verhängt Jugendgefängnis, wenn das Bedürfnis der Volksgemeinschaft nach Schutz und Sühne wegen der Größe der Schuld oder wegen der schädlichen Neigungen des- Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, eine Strafe fordert. H*
212
Reichsjugendgerichtsgesetz: §§ 5—8
Dauer des Ju£end£elantfnisses
§ 5. (1) Das Mindestmaß der Jugendgefängnisstrafe beträgt drei Monate, das Höchstmaß zehn Jahre; die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts gelten nicht. (2) Bei der Strafbemessung muß der Richter berücksichtigen, daß die Strafe eine nachhaltige erziehliche Wirkung gewährleisten soll.
Ju£end£cfänfnis Ton unbestimmter Dauer
§ 6. (1) Der Richter verhängt Jugendgefängnis von unbestimmter Dauer, wenn eine Jugendgefängnisstrafe von mindestens neun Monaten, höchstens jedoch vier Jahren geboten ist und sich wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, nicht voraussehen läßt, welche Strafdauer erforderlich ist, um ihn durch die Erziehung im. Strafvollzug wieder in die Volksgemeinschaft einzuordnen. (2) Der Richter setzt im Urteil das Mindestmaß der Strafe fest; es beträgt mindestens neun Monate. Das Höchstmaß beträgt vier Jahre; der Richter kann ein geringeres Höchstmaß bestimmen, doch soll dann der Unterschied zwischen dem Mindest- und dem Höchstmaß nicht weniger als zwei Jahre betragen. 3. A b s c h n i t t . Arten und Anwendung
Zuchtmittel.
»
§ 7. '(1) Der Richter ahndet die Straftat mit Zuchtmitteln, wenn Jugendgefängnis nicht geboten -ist, dem Jugendlichen aber eindringlich zum Bewußtsein gebracht werden muß, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Zuchtmittel sind: 1. der Jugendar-rest, 2. die Auferlegung besonderer Pflichten, 3. die VeVwarnung. (3) Zuchtmittel haben nicht die Rechtswirkungen einer Strafe; sie werden nicht in das Strafregister eingetragen und begründen nicht die Anwendung von strafrechtlichen Rückfallvorschriften. Jagendarrest
§ 8. (1) Der Jugendarrest ist Dauerarrest, Freizeitarrest oder Kurzarrest. (2) Der Dauerarrest beträgt mindestens eine Woche und höchstens vier Wochen. Er wird nach vollen Tagen oder Wochen bemessen. (3) Der Freizeitarrest wird für die allwöchentliche Freizeit des Jugendlichen verhängt und auf mindestens eine Freizeit und höchstens vier Freizeiten bemessen. (4) Der Kurzarrest wird aus besonderen Gründen, namentlich wenn die sofortige Vollstreckung notwendig ist, statt des Freizeitarrests verhängt; er beträgt mindestens einen Tag und höchstens sechs Tage und wird nach vollen Tagen bemessen.
Zuchtmittel §§ 9—10. Erziehungsmaßregcln §§ 11—13 Mehrere Straftaten § 14
213
(5) Einmaliger Kurzarrest bis zu drei Tagen und Freizeitarrest können nebeneinander verhängt werden. Auferlegung besonderer Pflichten
§ 9. Als besondere Pflichten kann der Richter vor allem die Wiedergutmachung des Schadens und die Entschuldigung auferlegen. Auch kann er -bei leichten Verfehlungen eine Geldbuße festsetzen, wenn anzunehmen ist, daß sie der Jugendliche aus Mitteln zahlt, über die er selbständig verfügen darf. Die Geldbuße fällt dem Reich zu, wenn sie nicht im Urteil zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung auferlegt wird. Verwarnung
§ 10. Durch die Verwarnung soll dem Jugendlichen das Unrecht der Tat eindringlich vorgehalten werden. 4. A b s c h n i t t .
Erziehungsmaßregeln.
Arten
§ 1. 2. 3.
11. die die die
Erziehungsmaßregeln sind: Erteilung von Weisungen, Schutzaufsicht, Fürsorgeerziehung.
Weisungen
...
§ 12. (1) Weisungen sind Gebote und Verbote, die die Lebensführung des Jugendlichen regeln und dadurch seine Erziehung fördern und sichern sollen. Der Richter kann namentlich den Jugendlichen anweisen, eine Lehr- oder Arbeitsstelle anzunehmen oder bei einer Familie oder in einem Heim zu wohnen, und ihm verbieten, einen bestimmten Aufenthaltsort zu verlassen, mit bestimmten Personen zu verkehren, Gast- oder Vergnügungsstätten zu besuchen, geistige Getränke zu genießen oder zu rauchen. (2) Der Richter erteilt die Weisungen im Einvernehmen mit der Jugendgerichtshilfe. Schutzaufsicht und Fürsorgeerziehung
§ 13. Die Voraussetzungen der Schutzaufsicht und der Fürsorgeerziehung richten sich nach den Vorschriften über Jugendwohlfahrt. 5. A b s c h n i t t .
M e h r e r'e
Straftaten.
Mehrere Straftaten eines Jugendlichen
§ 14. (1) Auch wenn ein Jugendlicher mehrere Straftaten begangen hat, setzt der Richter nur eine Strafe, ein Zuchtmittel oder eine Erziehungsmaßregel derselben Art fest. Die .gesetzlichen Höchstgrenzen der Jugendgefängnisstrafe und des Jugendarrests dürfen nicht überschritteh werden Soweit es dieses Gesetz zuläßt (§ 18), können Maßnahmen mit der Strafe verbunden oder ungleichartige Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln nebeneinander angeordnet werden. (2) Ist gegen den Jugendlichen wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig, eine Strafe, ein. Zuchtmittel oder eine. Erziehungsmaßregel festgesetzt worden, aber noch nicht vollständig verbüßt, ausgeführt oder
214
Reichsjugendgerichtsgesetz:
§§ 15—19
sonstwie erledigt, so wird unter Einbeziehung des Urteils in gleicher Weise nur auf eine Strafe oder Maßnahme erkannt. Eine Strafe, für die eine Probezeit läuft, darf nur einbezogen werden, wenn die Entlassung oder die Strafaussetzung widerrufen wird. Aus besonderen Gründen kann der Richter davon absehen, schon abgeurteilte Straftaten in die neue Entscheidung einzubeziehen; dabei kann er Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln für erledigt erklären, wenn pr auf Strafe erkennt. -Wird auf Jugendgefängnis erkannt, so steht eine Anrechnung bereits verbüßten Jugendarrests im Ermessen des Richters. 3
Mehrere Straftaten in verschiedenen Altersstufen
§ 15. Auf mehrere Straftaten, die teils vor, teils nach Vollendung des achtzehnten Lebensjahres begangen sind, wird ausschließlich das Jugendstrafrecht angewendet, wenn das Schwergewicht bei der im jugendlichen Alter begangenen Straftat liegt; .anderenfalls wird ausschließlich das allgemeine Strafrecht angewendet, jedoch eine Einheitsstrafe nach den Grundsätzen des § 14 gebildet. 6. A b s c h n i t t .
Gemeinsame
Vorschriften.
Nebenstrafen und Nebentolgen
§ 16. (1) Auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter oder Zulässigkeit von Polizeiaufsicht darf nicht erkannt werden. (2) Der Gewinn, den der Jugendliche aus der Tat erlangt, und das Entgelt, das er für sie erhalten hat, können für verfallen erklärt werden; ist an die Stelle des ursprünglich erlangten Gegenstands ein anderer' getreten, so kann dieser für verfallen erklärt werden. Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt
§ 17. Als Maßregel der Sicherung und Besserung im Sinne des allgemeinen Strafrechts kann nur die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet werden. Verbindung von Strafen und Maßnahmen
§ 18, (1) Der Richter kann neben Jugendgefängnis besondere Pflichten auferlegen, Weisungen erteilen und die Schutzaufsicht anordnen; auf andere Zuchtmittel und auf Fürsorgeerziehung kann er neben Jugendgefängnis dicht erkennen. (2) Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln, ebenso mehrere Zuchtmittel oder mehrere Erziehungsmaßregeln können nebeneinander angeordnet werden.
(3) Der Richter kann neben Jugendgefängnis, Zuchtmitteln und Erziehungsmaßregeln auf Nebenstrafen und Nebenfolgen erkennen. NichterfSUung Ton Pflichten und Weisungen
§ 19. Kommt der Jugendliche Pflichten oder Weisungen, die ihm der •Richter auferlegt oder erteilt hat, schuldhaft nicht nach, so kann Jugendarrest verhängt werden.
215
Jugendgerichts Verfassung §§ 21—22. Jugendigerichtsgesetz § 17 7. A b s c h n i t t . § 20
Anwendung
des a l l g e m e i n e n
Strafrechts,
gegenstandslos.
2. Teil.
Sondervorschriften für die Jugendgerichtsverfassung und das Jugendstrafverfahren. 1. H a u p t s t ü c k .
Jugendgerichtsverfassung.
Jugendgerichte
§ 21. (1) Ueber Verfehlungen Jugendlicher entscheiden die Jugendgerichte. (2) Jugendgerichte sind der Amtsrichter als Jugendiichtcrund die Jugend-
kammer. Der Vorsitzer der Jugendkammer kann als Einzelrichter entscheiden, wenn der Staatsanwalt zustimmt.
(3) Der Reichsminister der Justiz kann einen Amtsrichter zum Jugendrichter für mehrere Bezirke bestellen (Bezirksjugendrichter).
Aufgabe* des Jugendrichters § 2 2 . Dem Jugendrichter liegen alle Aufgaben ob, die ein Amtsrichter im verfahren hat. Ihm sollen auch die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben tragen verden.
Strafuber-
An Stelle der §§ 21 und 22 gelten:
Jugendgerichtsgesetz Vom 16. Fsbruar 1923 (RGBl. I S. 135). Jugendgerichte.
§ 17. Straftaten- von Personen, die zur Zeit der Erhebung der Anklage jugendlich sind, gehören zur Zuständigkeit der Jugendgerichte. Jugendgericht sind die Schöffengerichte. Würde die Straftat nach den allgemeinen Vorschriften zur Zuständigkeit des Reichsgerichts oder der Schwurgerichte gehören, so besteht das Jugendgericht aus 2 Richtern und 3 Schöffen. Für Personen, die zur Zeit der Tat jugendlich waren, zur Zeit der Erhebung der Anklage aber nicht mehr jugendlich, jedoch noch jünger a b 21 J a h r e sind, kann die Staatsanwaltschaft 'die Zuständigkeit 1 des Jugendgerichts dadurch begründen, daß sie bei ihm Anklage erhebt.
Ergänzung; Jugendrichter.
1. T e i l K a p . 1 A r t . » d e r V O . d e s R P. v o m 1 4 . J u n i ( R G B l . I S. 2 8 5 ) b e s t i m m t :
193 2
In Strafsachen, in denen nach dem Gerichtsverfassungsgesetz der Amtsrichter als Eimzelrichter entscheidet, entscheidet in Jugendsachen der Jugendrichter ohne Zuziehung von Schöffen. Ist bei Inkrafttreten dieser Vorschrift das Hauptverfahren schon eröffnet, so bleibt das Gericht, vor dem das Hauptverfahren eröffnet worden ist, zuständig.
218
Jugendgerichtsgesetz: §§ 18—24 Reichsjugendgerichtsgesetz: §§ 23, 24,
Zuständigkeit.
§ 18. Soweit nicht in diesem Gesetz Abweichendes bestimmt ist, gelten für die Sachen, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte gehören (Jugendsachen) die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes und der Strafprozeßordnung. Vollendet der Angeschuldigte während der Dauer des Verfahrens das 21. Lebensjahr, so kann das Gericht die Sache zum ordentlichen Verfahren verweisen. Ist das Gericht im ordentlichen Verfahren nicht zuständig, so ist die Sache nach § 209 Abs. 2 der Strafprozeßordnung dem Landgerichte zur Entscheidung vorzulegen oder nach den §§ 27G, 328 Abs. 3 der Strafprozeßordnung an das zuständige Gericht zu verweisen.
Aufgaben des Jugendrichters.
§ 19. Der Vorsitzende des Jugendgerichts (Jugendrichter) hat auch die Amtshandlungen vorzunehmen, .die nach der Strafprozeßordnung der Amtsrichter zu erledigen hat. Ist ein Amtsgericht mit mehreren Richtern besetzt, so sollen die Geschäfte des Jugendrichters und des Vormundschaftsrichters demselben Richter übertragen werden. Das Nähere bestimmt die oberste Landesbehörde. Jugendsachen sollen besonderen Strafkammern zugewiesen werden. Wahl der JugendschSflen.
§ 20. Die Schöffen (Jugendschöffen) werden auf Vorschlag des Jugendamts für die Dauer einer Wahlperiode (§ 42 des Gerichtsverfassungsgesetzes) von dem im § 40 des Gerichtsverfassungsgesetzes vorgesehenen Ausschuß gewählt und in eine besondere Jugendschöffenliste aufgenommen. Es sind so viel Schöffen zu wählen, daß jeder Hauptschöffe zu höchstens zehn ordentlichen Sitzungstagen im Jahre herangezogen wird. Die oberste Landesbehörde kann bestimmen, daß von der Wahl besonderer Jugendschöffen albzusehen ist, wenn anzunehmen ist, daß ein Jugendgericht weniger als 10 Sitzungen jährlich abhalten wird. Besondere Vorschriften für großes Jugendgericht.
§ 24. Für das große Jugendgericht (§ IT Abs. 1 Satz 3) gelten folgende besondere Vorschriften. Die Schöffen stimmen vor den Richtern. Ueber die Ausschließung oder Ablehnung eines richterlichen Mitglieds entscheidet die Straifkammer, über die Ausschließung oder Ablehnung eines Schöffen der Vorsitzende. Das Protokoll über die Hauptverhandlung unterschreibt im Falle der Behinderung des Vorsitzenden für ihn das andere richterliche Mitglied.
Jugendstaatsanwalt
§ 25. Für Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jugendgerichte hören, werden Jugendstaatsanwälte bestellt. Auswahl der Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte
ge-
§ 24. Die Richter bei den Jugendgerichten und die Jugendstaatsanwälte sollen erzieherisch, befähigt und in der Jugenderziehung und Jugendführung erfahren sein.
Jugendgerichtsverfassung § 2 5 , Zuständigkeit §§ Das Vorverfahren § 28
26—27.
217
Jugendgerich tshilie.
die Jugendgerichts§ 25. (1) Im gesamten Verfahren sollen hilfe zur Mitarbeit herangezogen werden. (2) Die Jugendgerichtshilfe wird von den Jugendämtern ; ausgeübt . 2. H a u p t s t ü c k . 1. A b s c h n i t t .
Sachliche
Jugendstrafverfahren. Zuständigkeit.
Zuständigkeit
§ 26. (1) Der Jugendrichter kann erkennen: 1. auf Jugendgefängnis bis zu vier Jahren oder von unbestimmter Dauer, 2. auf alle Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln, Nebenstrafen und Nebenfolgen; er kann auch die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt anordnen. (2)
Oertliche
gegenstandslos. Zuständigkeit
§ 27. (1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht zuständig ist, sind zuständig: "1. der Richter, dem die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen, 2. der Richter, in dessen Bezirk sich der Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält, 3. solange der Beschuldigte eine Jugendgefängnisstrafe von unbestimmter Dauer noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen. (2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendgefängnisstrafe von unbestimmter Dauer noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen. (3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter verweisen, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. 2. A b s c h n i t t .
Das
Vorverfahren.
Umfang der Ermittlungen
§ 28,
(1) Nach Einleitung des Verfahrens sollen so bald wie möglich des Beschuldigten, seine Lebens- und Sippen V e r h ä l t n i s s e , seine Lebensgeschichte, seine Haltung in der V o l k s - und Jugendgemeinschaft und alle übrigen Umstände ermittelt werden, die zur Beurteilung seiner seelischen, geistigen und körperlichen Eigenart dienen können. Der Erziehungspflichtige umd der gesetzliche Vertreter, die Schule und der Betriebsführer oder Ausbildungsleiter sollen, soweit möglich gehört werden. (2) Bei Fürsorgezöglingen erhält die Fürsorgeerziehungsbehörde Gelegenheit zur Aeußerung. die
Volkszugehörigkeit
(3)
gegenstandslos.
218
ReiChsjugendgerichtsgesetz: §§ 29—33
Vernehmung des Beschuldigten
§ 29. Ist Jugendgefängnis zu erwarten, so soll der Staatsanwalt oder der Vorsitzer des Jugendgerichts den Beschuldigten vernehmen, ehe die Anklage erhoben wird. Absehen TOB der Verfolgung
§ 30. {1) Hält der Staatsanwalt eine Ahndung durch den Richter für entbehrlich, wenn vormundschaftsrichterliche Erziehungsmaßregeln oder eine Ermahnung angeordnet werden, so regt er sie beim Vormundschaftsrichter an. Besondere Pflichten auferlegen, namentlich eine Arbeitsauflage erteilen, oder eine Ermahnung aussprechen, kann auch der Jugendrichter. (2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung rische Maßnahme, namentlich eine Arbeitsauflage und eine Ahndung .durch den Richter entbehrlich in besonders leichten Fällen von der Verfolgung 3. A b s c h n i t t .
Das
aib, wenn eine erziehebereits angeordnet ist macht. Ferner kann er absehen.'
Hauptverfahren.
Einstellung des Verfahrens durch den Richter
§ 31. (1) Ist die Anklage eingereicht, so stellt der Richter das Verfahren ein, wenn eine erzieherische Maßnahme, namentlich eine Arbeitsauflage bereits angeordnet ist und eine Ahndung durch den Richter entbehrlich macht. Er kann das Verfahren einstellen, wenn •der Angeklagte mangels Reife strafrechtlich nicht verantwortlich ist. (2) Die Einstellung bedarf der Zustimmung des Staatsanwalts; sie kann mit einer Ermahnung verbunden werden. Der Einstellungsbeschluß kann auch in der Hauptverhandlung ergehen. Er wird mit Gründen versehen und ist unanfechtbar. Die Gründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind. (3) Wegen derselben Tat kann nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel von neuem Anklage erhoben werden. NichtSlfentlichkeit
§ 32. (1) Die Verhandlung ist nicht öffentlich. (2) Dem Erziehungspflichtigen und dem gesetzlichen Vertreter des Angeklagten, dem Verletzten und seinem gesetzlichen Vertreter, 'der Jugenidgerichtshilfe -und dem Jugendsachbearbeiter der Polizei ist die Anwesenheit gestattet. Andere Personen kann der Richter zulassen.
Anwesenheit
des Angeklagten
und der
Erziehungspilichtigen
§ 33. (1) Die Hauptverhandlung kann nur dann ohne den Angeklagten stattfinden, wenn dies im allgemeinen Verfahren zulässig wäre, besondere Gründe dafür vorliegen und der. Staatsanwalt zustimmt. (2) In wichtigeren Fällen soll der Vorsitzer auch die Ladung des Erziehungspflichtigen und des gesetzlichen Vertreters anordnen; ist die Mutter neben dem Vater erziehungspflichtig, so genügt die Ladung eines Elternteils. Die Vorschriften über die Ladung, die Folgen des Ausbleibens und die Gebühren von Zeugen gelten entsprechend.
Das
Hauptverfahren § 34—39.
Rechtsmittel
§ 40
219
Zeitweilige Ausschließung von Beteiligten
§ 34. (1) Der Vorsitzer soll den Angeklagten für die Dauer solcher Erörterungen von der Verhandlung ausschließen, aus denen Nachteile für die Erziehung entstehen • können. Er soll ihn von dem, was in seiner Abwesenheit verhandelt worden ist, unterrichten, 1 soweit es für seine Verteidigung erforderlich ist. (2) Der Vorsitzer soll auch Angehörige, den Erziehungspflichtigen und den gesetzlichen Vertreter des Angeklagten von der Verhandlung ausschließen, soweit gegen ihre Anwesenheit Bedenken bestehen. Erklärungsrecht der Jugendgerichtshilfe.
§ 35. Die Vertreter langen d a s Wort.
der J.ugemdgerichtshilfe erhalten auf Ver-
Berücksichtigung Ton Untersuchungshaft bei Jugendarrest
§ 36. Wird auf Jugendarrest erkannt und ist dessen Zweck durch Untersuchungshaft oder eine andere wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung ganz oder teilweise erreicht, so kann der Richter im Urteil aussprechen, daß oder wieweit der Jugendarrest nicht vollstreckt wird. Ueberweisung an den Vormundschaitsrichter
§ 37. Der Richter kann dem Vormundschaftsrichter im Urteil die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln überlassen. Dieser muß dann eine Erziehungsmaßregel oder ein Zuchtmittel anordnen, soweit sich nicht die Umstände, die für das Urteil maßgebend waren, verändert haben. Kosten und Auslagen
§ 38, In Verfahren wegen der Verfehlung eines Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen. Urteilsgründe
§ 39. (1) Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so wird in den Urteilsgründen auch ausgeführt, welche Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten Maßnahmen, für die Ueberlassung ihrer Auswahl und Anordnung an den Vormundschaftsrichter oder für das Absehen von Strafe und Zuchtmitteln 'bestimmend waren. Dabei soll namentlich die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Anklagten berücksichtigt werden. (2) Die Urteilsgründe werden dem Angeklagten nicht mitgeteilt, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind. 4. A b s c h n i t t .
Rechtsmittel.
Aniechtung von Urteilen
§ 40. Ein Urteil, in dem regeln angeordnet oder deren schaftsrichter überlassen sind, erziehung angeordnet ist oder, Angeklagten abzielt.
lediglich Zuchtmittel oder ErziehungsmaßAuswahl und Anordnung dem Vormundist nur anfechtbar, wenn die Fürsorgedie Anfechtung auf eine Bestrafung des
220
Reichsjugendgerichtsgesetz:
5. A b s c h n i t t . Stellung
der
Gemeinsame
§§ 41—44
Verfahrensvorschriften.
Erziehungspflichtigen
§ 41. (1) Soweit der Beschuldigte ein Recht darauf hat, gehört zu werden, Fragen und Anträge zu stellen oder bei Unte'rsuchungshandlungen anwesend zu sein, steht dieses Recht auch dem Grziehungspflichtigen und dem gesetzlichen Vertreter zu. (2) Ist eine Mitteilung an den Beschuldigten vorgeschrieben, so soll die entsprechende Mitteilung an den Erziehungspflichtigen und den gesetzlichen Vertreter gerichtet werden. (3) Die Rechte des gesetzlichen Vertreters zur Wahl eines Verteidigers und zur Einlegung von Rechtsbehelfen stehen auch dem Erziehungspflichtigen zu. (4) Sind beide Elternteile erziehungspflichtig und übt der Vater diese Rechte aus, so kann die Mutter von ihnen keinen Gebrauch machen. Mitt e i l u n g ^ erhalt in der Regel nur der Vater. (5) Der Richter kann diese Rechte dem Erziehungspflichtigen und dem gesetzlichen Vertreter entziehen, wenn sie an der Verfehlung des Jugendlichen beteiligt sind oder ein Mißbrauch dieser Rechte zu befürchten ist. Verteidiger
§ 42. (1) Der Vorsitzer bestellt dem Beschuldigten für das ganze Verfahren oder für einen Teil einen Verteidiger, 1. wenn einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen wäre, 2. wenn dem Erziehungspflichtigen und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen sind. (2)
Der
Jugendführung
Verteidiger erfahren
soll
erzieherisch
befähigt
und
in
der
Jugenderziehung
und
sein.
(3) Sind dem Erziehungspflichtigen und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen, so stehen sie dem Verteidiger zu. Beistand
§ 43. (1) Der Vorsitzer kann dem Beschuldigten in jeder Lage des Verfahrens dinen Beistand bestellen, wenn kein Verteidiger notwendig ist. (2) Der Erziehungspflichtige und der gesetzliche Vertreter dürfen nicht zum Beistand bestellt werden, wenn hierdurch ein Nachteil für die Erziehung zu erwarten wäre. (3) Der Beistand hat die Rechte eines Verteidigers. Mitteilungen
§ 44. (1) Vormunidschaftsrichter, Schule und Jugendgerichtshilfe werden von der Einleitung und dem Fortgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. (2)
gegenstandslos.
Gemeinsame Verfahrensvorschiiften §§ 45—46. Vereinfachtes Jugendverfahren § 48—50 VorliuStje
Anordnungen
Aber
die
221
Erziehung
§ 45. Bis zur Rechtskraft des Urteils kann der Richter vorläufige Anordnungen über die Erziehung des Jugendlichen treffen. Sie sind unanfechtbar. Untersuchungshalt
§ 46. (1) Untersuchungshaft darf nur verhängt und vollstreckt werden, wenn ihr Zweck nicht durch eine vorläufige Anordnung über die Erziehung oder durch andere Maßnahmen erreicht werden kann. (2) Ueber die Vollstreckung eines Haftbefehls und über die Maßnahmen zur Abwendung seiner Vollstreckung entscheidet der Richter, der den Haftbefehl erlassen hat, in dringenden Fällen der Jugendrichter, in dessen Bereich die Untersuchungshaft vollzogen werden müßte. (3) Die richterlichen Entscheidungen, die die Untersuchungshaft betreffen, kann der zuständige Richter aus wichtigen Gründen sämtlich oder zum Teil einem anderen Jugendrichter übertragen. Unterbringung zur Beobachtung *§
47.
gegenstandslos.
6. A b s c h n i t t . Erster
Besondere
Verfahren.
Unterabschnitt.
Vereinfachtes
Jugendverfahren.
Voraussetzungen
§ 48. Der Staatsanwalt kann bei dem Jugendrichter schriftlich oder mündlich beantragen, im vereinfachten Jugendverfahren zu entscheiden, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendrichter ausschließlich Zuchtmittel verhängen, Weisungen erteilen oder die Schutzaufsicht anordnen wird. Der Antrag des Staatsanwalts steht der Anklage gleich. Ablehnung
des
Antrags
§ 49. (1) Der Jugendrichter lehnt die Entscheidung. im vereinfachten Verfahren ab, wenn sich die Sache hierzu nicht eignet, namentlich wenn eine Bestrafung des Angeklagten oder die Anordnung der Fürsorgeerziehung wahrscheinlich od«r eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich ist. Der Beschluß ist unanfechtbar. (2) Lehnt der Jugendrichter die Entscheidung im vereinfachten Verfahren ab, so reicht der Staatsanwalt eine Anklageschrift ein. Verfahren
und
Entscheidung
§ 50. (1) Der Jugendrichter entscheidet im vereinfachten Jugendverfahren auf Grund einer mündlichen Verhandlung durch Urteil. Der Staatsanwalt kann auf seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung verzichten; in diesem Fall kann der Jugendrichter im Urteil oder nachträglich durch unanfechtbaren Beschluß die sofortige Vollstreckung von Jugendarrest für zulässig erklären. (2) Zur Vereinfachung, Beschleunigung und jugendgemäßen Gestaltung des Verfahrens darf von Verfahrensvorschriften abgewichen werden,
222
Reichsjugendgerichtsgesetz: §§ 51—55
soweit dadurch die Erforschung der Wahrheit nicht beeinträchtigt wird. Die Vorschriften über .die Anwesenheit des Angeklagten (§ 33), die Stellung der Erziehungspflichtigen (§ 41) und die Mitteilung von Entscheidungen (§ 44) müssen beachtet werden. ZweiterUnterabschnitt. Andere besondere Verfahren. Strafbeiehl, beschleunigtes Verfahren und Entschädigung des
Verletzten
§'51. (1) Gegen einen Jugendlichen darf kein Strafbefehl erlassen werden. (2) Das beschleunigte Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ist unzulässig. (3) Die Vorschriften über die Entschädigung des Verletzten werden im Verfahren gegen einen Jugendlichen nicht angewendet. Polizeiliche
Stralverifigung
§ 52. (1) In einer polizeilichen Strafverfügung darf gegen einen Jugendlichen nur Jugendarrest, Geldbuße und die Einziehung verhängt werden. Die Vorschriften über die Behandlung mehrerer Straftaten (§§ 14, 15) werden sinngemäß angewendet. (2) Vor der Verhängung von Jugendarrest wird der Jugendliche gehört. (3) Zahlt der Jugendliche die Geldbuße schuldhaft nicht, so kann Jugendarrest verhängt werden. Gegen diese Anordnung sind dieselben Rechtsbehelfe zulässig wie gegen die polizeiliche Strafverfügung. (4) Die Frist für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung und für die Einlegung der Beschwerde gegen die Strafverfügung an die nächsthöhere Polizeibehörde beträgt drei Tage. PtiTatklage und Nebenklage
§ 53. Privatklage und Nebenklage sind gegen einen Jugendlichen unzulässig. Eine Widerklage kann gegen einen Jugendlichen erhoben werden. Eine Verfehlung, die durch Privatklage verfolgt werden kann, verfolgt der Staatsanwalt, wenn es wegen der öffentlichen Belange oder aus Gründen der Erziehung geboten ist. Nichterfüllung Ten Pflichten und Weisungen
§ 54. (1) Die Entscheidung, ob wegen Nichterfüllung von Pflichten oder Weisungen Jugendarrest verhängt werden soll (§ 19), trifft das Jugendgericht des ersten Rechtszuges. Hat der Jugendliche seinen Aufenthalt gewechselt, so kann es das Verfahren an den Jugendrichter abgeben, in dessen Bereich sich der Jugendliche aufhält. (2) Das Jugendgericht entscheidet nach Anhören des Jugendliches durch unanfechtbaren Beschluß. Ergänzung rechtskräftiger
Entscheidungen
bei, mehrfacher
Verurteilung
§ 55. (1) Ist die einheitliche Festsetzung einer Strafe oder Maßnahme (§§ 14, 15) unterblieben und sind die durch die rechtskräftigen Ent-
223
Vollstreckung §§ 56—57
Scheidungen erkannten Strafen, Zuchtmittel und Erziehungsmaßregeln noch nicht vollständig verbüßt, ausgeführt oder sonstwie erledigt, so trifft der Richter eine solche Entscheidung nachträglich. (2) Die Entscheidung ergeht auf Grund einer Hauptverhandlung' durch Urteil, wenn der Staatsanwalt es beantragt oder -der Vorsitzer es für angemessen hält. Wird keine Hauptverhandlung durchgeführt,- so entscheidet der Richter durch Beschluß. Für die Zuständigkeit und das Beschlußverfahren gilt dasselbe wie für die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe nach den allgemeinen Vorschriften. Ist eine unbestimmte Strafe teilweise verbüßt, so ist der Richter zuständig, dem die Aufgaben des Vojlstreckungsleiters obliegen. (3) Ist polizeilich verhängter Jugendarrest Gegenstand der nachträglichen Entscheidung, so entscheidet der Richter durch Beschluß nach Anhören der Polizeibehörde; zuständig ist der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen, soweit sich nicht aus Abs. 2 etwas anderes ergibt.
3. Teil. Vollstreckung und Vollzog. 1. A b s c h n i t t .
Vollstreckung.
Volbtreckuagsleiter
§ 56. (1) Vollstreckungsleiter ist der Jugendrichter. Die Vollstreckung einer Jugendgefängnisstrafe von unbestimmter Dauer, die nicht vom Jugendrichter verhängt ist, steht zunächst dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Staatsanwalt zu. Hat' im ersten Rechtszug die Jugend kammer (2)
erkannt,
(3) Soweit richtet sich die wohlfahrt. Die Geldbuße oder Oerttick*
so
kann
der
Vorsitzer
die
Vollstreckung
übernehmen.
gegenstandslos.
Schutzaufsicht oder Fürsorgeerziehung angeordnet ist, weitete Zuständigkeit nach den Vorschriften über JugendVollstreckung einer Strafverfügung steht, soweit sie auf Einziehung lautet, der Polizeibehörde zu.
Zastiadigkeit,
Uebergang
and
Abgabe
der
Vollstreckest
§ 57. 0 ) Soweit der Jugendrichter die Entscheidung eines anderen Gerichts zu vollstrecken hat, ist der Jugendrichter des Amtsgerichts zuständig, dem die vormundschaftsrichterlichen Erziehungsaufgaben obliegen. Ist Jugendarrest zu vollstrecken, der nicht vom Jugendrichter verhängt ist, so ist Vollstreckungsleiter der als Vollzugsleiter zuständige Jugendrichter. (2) Ist Jugendarrest zu vollstrecken, der vom Richter verhängt ist, so gibt der zunächst zuständige Richter vor oder nach Einweisung und- Ladung des Jugendlichen die Vollstreckung an den Jugendrichter ab, der als Vollzugsleiter zuständig ist. (3) Ist eine Jugendgefängnisstrafe von unbestimmter Dauer zu vollstrecken, so geht nach der Aufnahme des Verurteilten in das Jugendfefftognis die Vollstreckung auf den Jugendrichter eines in dessen Nähe ge-
Reichsjugetidgerichtsgesetz: §§ 58—61
224
der Reichsminister der Justiz hierfür alllegenen Amtsgerichts über, den gemein bestellt hat. (4) Aus wichtigen Gründen kann der Vollstreckungsleiter die Vollstreckung widerruflich an einen sonst nicht oder nicht mehr zuständigen Jugendrichter abgeben; zulässig ist auch die Abgabe an den Vorsitzer der Jugendkammer, der die Vollstreckung ursprünglich übernommen
hatte.
Strafaussetzung auf Probe
§ 58. (1) Der Vollstreckungsleiter kann eine Jugendgefängnisstrafe auf Probe aussetzen, wenn der Verurteilte einen wesentlichen Teil, mindestens ein Drittel der Strafe, verbüßt hat und eine weitere Strafverbüßung nicht erforderlich ist. Er entscheidet über die Aussetzung auf Antrag oder nach Anhören des Vollzugsleiters und des Staatsanwalts. (2) Die Probezeit beträgt mindestens zwei und höchstens fünf Jahre; sie kann nachträglich bis auf zwei Jahre verkürzt oder bis auf fünf Jahre verlängert werden. Der Vollstreckungsleiter kann dem Verurteilten Auflagen machen und ihn unter Bewährungsaufsicht stellen; er kann solche Anordnungen auch nachträglich treffen oder ändern. (3) Bewährt sich der Verurteilte in der Probezeit, so wird der Strafrest nicht vollstreckt. Führt er sich in ihr schlecht, so widerruft der Vollstreckungsleiter die Strafaussetzung und ordnet die weitere Vollstreckung an. (4) Kommt der Widerruf in Frage, so kann der Vollstreckungsleiter, um sich der Person des Verurteilten zu versichern, vorläufige Maßnahmen teffen, namentlich einen Haftbefehl erlassen. (5) Während der Probezeit ruht die Verjährung der Strafvollstreckung. Entlassung aui
Probe
§ 59. (1) Der Vollstreckungsleiter entläßt den zu einer Jugendgef|ngnisstrafe von unbestimmter Dauer Verurteilten auf Probe, wenn anzunehmen ist, daß er sich künftig in die Volksgemeinschaft einordnet. Die Entlassung ist nicht zulässig, bevor der Verurteilte das im Urteil festgesetzte Mindestmaß der Strafe verbüßt hat. (2) Für die Probezeit stellt der Vollsrtreckungsleiter den Entlassenen unter Bewährungsaufsicht. (3) Bewährt sich der Entlassene in der Probezeit nicht, so widerruft der Vollstreckungsleiter die Entlassung und ordnet die weitere Vollstreckung an. (4) Im übrigen gilt dasselbe wie für die Strafaussetzung auf Probe. §
60
gegenstandslos.
Umwandlung und Verlängerung des Jugendarrests
§ 61. (1) Der Vollstreckungsleiter kann aus wichtigen Gründen, namentlich um die. sofortige Vollstreckung zu sichern, Freizeitarrest in Kurzarrest oder Dauerarrest umwandeln. Dabei steht Freizeitarrest in der Dauer einer Freizeit zwei Tagen Dauerarrest oder 36 bis 48 Stunden Kurzarrest gleich.
Vollstreckung
§§ 62—63.
Vollzug
§§ 64—65
225
(2) Der Vollstreckungsleiter kann Jugendarrest über das im Urteil festgesetzte Maß hinaus vollstrecken, wenn der Jugendliche der Ladung ohne Entschuldigung nicht gefolgt ist; der aus diesem Grunde verhängte Jugendarrest darf eine Freizeit oder drei Tage Kurzarrest oder Dauerarrest nicht übersteigen. (3) Versäumt der Jugendliche im Anschluß an den Jugendarrest schuldhaft die Arbeit, so kann der. Vollstreckungsleiter anordnen, daß der Jugendliche eine Freizeit oder Kurzarrest nachzuverbüßen hat. Absehen
von der Vollstieckang
de«
Jagendarrests
§ 62. (1) Die Vollstreckung des Jugendarrests wird nicht auf Probe ausgesetzt. (2) Ist der Jugendarrest teilweise verbüßt, so sieht der Vollstreckungsleiter von der Vollstreckung des Restes ab, wenn dies aus Gründen der Erziehung geboten ist. Vor der Entscheidung hört er nach Möglichkeit den erkennenden Richter und den Staatsanwalt oder die Polizeibehörde, wenn diese den Jugendarrest verhängt hat. (3) Hat der Verurteilte nach Verkündung des Urteils Untersuchungshaft erlitten, so kann der Vollstreckungsleiter' von der Vollstreckung des Jugendarrests insoweit absehen, als dessen Zweck erreicht ist. ( 4 ) gegenstandslos.
(5) Die Vollstreckung des Jugendarrests ist unzulässig, wenn seit Eintritt der Rechtskraft ein Jahr verstrichen ist. Aendernng and Aufhebung von Zachtmitteln nnd ErziehangsmaBregeln
§ 63. (1) Der Vollstreckungsleiter kann Pflichten, die der Richter festgesetzt hat, ändern und davon befreien. (2) Der Vormundschaftsrichter kann Weisungen, die der Richter festgesetzt hat, im Einvernehmen mit der Jugendgerichtshilfe ändern und davon befreien. ' (3) Die Beendigung der Schutzaufsicht und der Fürsorgeerziehung richtet sich nach den Vorschriften ü'ber Jugendwohlfahrt. 2. A b s c h n i t t . Aufgabe des
Vollzug.
Jagendstraivollzags
§ 64. (1) Durch den Vollzug der Jugendgefängnisstrafe soll der Verurteilte dazu erzogen werden, sich verantwortungsbewußt in die Volksgemeinschaft einzuordnen. (2) Zucht und Ordnung, Arbeit, Unterricht, Leibesübungen und- sinnvolle Gestaltung der freien Zeit sind die. Grundlagen dieser Erziehung. Wenn möglich, wird der Verurteilte für einen Beruf ausgebildet. (3) Die Beamten müssen für die Erziehungsaufgabe des Vollzugs geeignet sein. Jngendgeiängnisse
§ 65.
(1)
Die Jugendigefängnisstrafe vollzogen.
Reichsjustizverwaltung
D a 1 c k e , Strafrecht und Strafverfahren
wird
in- Jugendgefängnisseii 15
226-
Reichsjugendgerichtsgesetz: §§ 66—68
(2) An einem Verurteilten, der sich nicht für den JugendstrafvoUzug eignet, braucht die Strafe nicht im Jugendgefängnis vollzogen zu werden. Jugendgefängnisstrafe, die nicht im Jugendgefängnis vollzogen wird, wird wie Gefängnisstrafe vollzogen. (3) Im Jugendgefängnis darf an Verurteilten, die das vierundzvranzigste Lebensjahr noch nicht Vollendet haben, auch Gefängnisstrafe und Haft vollzogen, werden. Jagendarrest
§ 66. (1) Der Vollzug des Jugendarrests soll den Jugendlichen in seinem Ehrgefühl aufrütteln und ihm eindringlich zum Bewußtsein bringen, daß er für das von ihm begangene Unrecht einzustehen hat. (2) Der Jugendarrest wird in Jugendarrestanstalten oder Freizeitarresträumen der Reichsjustizverwaltung vollzogen. Vollzugsleiter ist der Jugendrichter am Ort des Vollzugs. An Fürsorgezöglingen, die sich in Heimerziehung befinden, kann der Vollstreckungsleiter im Einvernehmen mit der Fürsorgeerziehungslbehörde Jugendarrest in der Fürsorgeerziehungsanstalt vollziehen lassen. (3) Der Dauerarrest und der Kurzarrest von mehr als drei Tagen werden durch strenge Tage verschärft, zu denen der Jugendliche vereinfachte Kost und hartes Lager erhält. (4) Im Freizeitarrest und im Kurzarrest bis zu drei Tagen erhält der Jugendliche vereinfachte Kost und hartes Lager. (5) Der Vollzugsleiter kann als Hausstrafe den Jugendarrest ganz oder teilweise für nicht verbüßt erklären. ErziehuagsmaBregeln
§ 67. (1) Die Befolgung von Weisungen (§ 12) überwacht die Jugendgericht shilfe. Handelt der Jugendliche den Weisungen zuwider, so unterrichtet sie den Vormundschaftsrichter. (2) Die Ausübung der Schutzaufsicht und die Ausführung der Fürsorgeerziehung richten sich nach den Vorschriften über Jugendwohlfahrt. Untenschnngshaft
§ 68. (1) An Jugendlichen wird die Untersuchungshaft nach Möglichkeit in einer besonderen Abteilung der Haftanstalt oder, wenn eine Fredheitsstrafe nicht zu erwarten ist, in einer Jugendarrestanstalt vollzogen. In der besonderen Abteilung der Haftanstalt kann die Untersuchungshaft auch an Beschuldigten vollzogen werden, die noch nicht einundzwanzig Jahre alt sind. «
(2) Der Vollzug der Untersuchungshaft wird erziehlich gestaltet. (3) Dem Vertreter der Jugendgerichtishilfe und, wenn der B e schuldigte unter Schutzaufsicht oder Bewährungsaufsicht steht, dem Helfer ist der Verkehr mit dem Beschuldigten in demselben Umfang wie einem Verteidiger gestattet.
Strafregister §§ 69—70 4. Teil. Anwendung des Straftilgungsgesetzes
227
Strairegister,
und der
Strairegisterrerordnung
§ 69. (1) Verurteilungen zu Jugendgefängnis werden im Strafregister vermerkt. Auf die Vermerke werden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist, die für die Gefängnisstrafe geltenden Vorschriften des Gesetzes über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken und der Strafregisterverordnung angewendet. (2) Die Anordnung von Zuchtmitteln und ErziehungsmaQregeln wird dem Strafregister nur mitgeteilt, wenn sie mit einer Verurteilung zu Jugendgefängnis verbunden ist. Entscheidungen, durch die das Verfahren gegen einen Jugendlichen wegen mangelnder Reife eingestellt wird, werden dem Strafregister nicht mitgeteilt. (3) Der Tag, an dern die Strafe verbüßt ist, wird bei Jugendgefängnis dem Strafregister stets mitgeteilt. Beschränkte Auskunft und Tilgung
§ 70. (1) Für. Vermerke über Jugendgefängnis beträgt die Frist, nach deren Ablauf nur noch beschränkt Auskunft aus dem Strafregister erteilt wird, 1. drei Jahre, wenn auf' höchstens sechs Monate Jugendgefängnis allein oder mit Nebenstrafen erkannt worden ist, mit- Ausnahme der Fälle, in. denen die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet worden ist, 2. fünf Jahre in allen übrigen Fällen. Die Frist der Nr. 1 beginnt mit dem im Strafregister vermerkten Tag der Verurteilung. Die Frist der Nr. 2 beginnt mit dem Tag, an dem die Strafe verbüßt, verjährt oder erlassen und eine Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt erledigt ist. Hat sich nach Ablauf einer Probezeit die Strafe oder die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt erledigt, ohne daß die Strafaussetzung oder Entlassung auf Probe widerrufen worden ist, so wird die Probezeit in die Frist der Nr. 2 eingerechnet. (2) Die Frist, nach deren Ablauf Vermerke über Jugendgefängnis gev tilgt werden, beträgt 1. zwei Jahre, wenn auf höchstens sechs Monate Jugendgefängnis allein oder in Verbindung mit Nebenstrafen erkannt worden ist, mit Ausnahme der Fälle, in denen die "Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt angeordnet worden ist, 2. vier Jahre in allen übrigen Fällen. Die Frist beginnt,mit dem Tage, von dem ab nur noch beschränkt Auskunft erteilt wird. 5. Teil.
Beseitigung des Straimakels durch Richtersproch.
§ § 7 1 b i s 7 5 gegenstandslos. 15*
228
Reichsjugendtgerichtsgesetz: 6. Teil.
§§ 77—82
Jugendliche vor Erwachsenengerichten.
§ 7 6 gegenstandslos. Verbindung
mehrerer
Verfahren
§ 77. Verfahren, die zur Zuständigkeit der Jygendgerichte gehören, sollen mit Verfahren gegen andere Beschuldigte, für die ein Erwachsenengericht zuständig ist, nur verbunden werden, wenn es zur. Erforschung der Wahrheit oder aus anderen wichtigen Gründen geboten ist.
Verfahren gegen Jagendliche Tor Erwachsenengerichten
- .
§ 78. (1) In Verfahren, in denen der Beschuldigte bei Erhebung der Anklage noch nicht achtzehn Jahre alt ist, sollen die Erwachsenengerichte die Verfahrensvorschrift'en dieses Gesetzes anwenden, soweit nicht besondere Gründe dagegensprechen. (2) Das Erwachsenengericht kann, soweit es nicht ausschließlich zuständig ist, das Verfahren mit Zustimmung des, Staatsanwalts durch Beschluß in das Jugendstrafverfahren verweisen. (3) Die Auswahl und Anordnung von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln außer dem Jugendarrest wird dem Vormundschaftsrichter überlassen. Im übrigen kann das Erwachsenengericht auf sämtliche Strafen und Maßnahmen erkennen, die dieses Gesetz für Jugendliche zuläßt. 79
gegenstandslos.
§ 80
gegenstandslos.
§
7. Teil.
Schluß- und Uebergangsvorschriften.
Gerichtsstand iSr anbestimmt Verurteilte
§ 81. Solange eine Jugendgefängnisstrafe von unbestimmter Dauer noch nicht vollständig verbüßt ist, ist für weitere Straftaten des Verurteilten der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen, im Rahmen seiner Strafgewalt auch dann zuständig, wenn die weiteren Straftaten nicht in jugendlichem Alter begangen sind.
Behandlang
sonstiger
Freiheitsstrafen
gegen
Jagendliche
§ .82. (1) Gefängnis- oder Festungshaftstrafen, auf die gegen einen Jugendlichen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes erkannt worden ist, werden für die Anwendung dieses Gesetzes dem Jugendgefängnis gleichgestellt. (2)
gegenstandslos.
(3j
gegenstandslos.
MII. Anhang. Gesetze des Alliierten Kontrollrats für Deutschland. 1. Verordnung vom 20. 9. 1945 (V0B1. der Stadt Berlin S. 102). Der Kontrollrat ordnet folgendes an: A r t i k e l 1. 1. Folgende einzeln aufgeführte Gesetze politischen 'oder diskriröi.nierenden Charakters, auf die sich das deutsche Regime stützte, werden samt allen ergänzenden und erläuternden Gesetzen, Erlassen und Befehlen widerrufen: a) Das Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 24. März 1933. (Ges.-Samml. 1/141.) b) Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933. (Ges.-Samml. 1/175.) c) Das Gesetz zur Aenderung einiger Vorschriften des Strafrechts und des Strafverfahrens vom 24. April 1934. (Ges.-Samml. 1/341.) d) Das Gesetz zum Schutze der nationalen Symbole vom 19. Mai 1933. (Ges.-Samml. 1/295.) e) Das Gesetz gegen die Neubildung, von Parteien vom 14. Juli 1933. (Ges.-Samml. 1/479.) f) 'Das Gesetz. über die Volksabstimmung vom 14. Juli 1933. (Ges.Samml. 1/479.) g) Das Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat vom 1. Dezember 1933. • (Ges.-Samml. 1/1016.) h) Das Gesetz gegen Heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutze der Parteiuniform vom 20. September .1934. (Ges.-Samml. 1/1269.) i) Das Reichsflaggengesetz - vom 15. September 1935. (Ges.-Samml. 1/1145.) k) Das Gesetz zum -Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15. September 1935. (Ges.-Samml. 1/1146.) 1) Das Reichsbürgergesetz vom 15. September 1935. (Ges.-Samml. 1/1146.) m) Das preußische Gesetz über die Geheime Staatspolizei vom 10. Februar 1936. (Gestapo 21.) n) Das Gesetz über die Hitler-Jugend vom 1. September- 1936. (Ges.Samml. 1/993.) o) Die Verordnung, gegen die Unterstützung der Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe vom 22. April 1938. (Ges.-Samml. 1/404.)
230
Gesetze
des Alliierten
Kontrollrats
p) Die Verordnung über die Anmeldung der Vermögen von Juden vom 26. April 1938. (Ges.-Samml. 1/414.) . q) Das Gesetz zur Aenderung der Gewerbeordnung für das Deutsche Reich vom 1. Juli 1938. (Ges.-Samml. 1/323.) r) Die zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Aenderung von Familiennamen und Vornamen vom 17. August 1938. (Ges.Samml. 1/1044.) s) Die Verordnung über Reisepässe von Juden vom 5. Oktober 1938. (Ges.-Samml. 1/1342.) t) Die Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938. (Ges.-Samml. 1/1580.) u) Die Polizeiverordnung über das Auftreten der Juden in der öeffentlichkeit vom 28. November 1938. (Ges.-Samml. 1/1676.) v) Die Verordnung über den Nachweis deutschblütiger Abstammung vom 1. August 1940. (Ges.-Samml. 1/1063.) w) Die Polizeiverordnung über die Kennzeichnung der Juden vom 1. September 1941. (Ges.-Samml. 1/547.) x) Die Verordnung über die Beschäftigung von Juden vom 31. Oktober 1941. (Ges.-Samml. 1/675.) y) Die Polizeiverordnung über die Kenntlichmachung der im Reich befindlichen Ostarbeiter und -arbeiterinnen vom 19. Juni 1944. (Ges.Samml. 1/14.) 2. Durch die Aufhebung der obenerwähnten Gesetze tritt kein Gesetz in Kraft, das nach dem 30. Januar 1933 erlassen und das dadurch widerrufen wurde. A r t i k e 1 2. Kein deutsches Gesetz, wie immer und wann immer erlassen, wird rechts- oder verwaltungsmäßig angewandt werden in den Fällen, wo eine derartige Anwendung Unrecht oder Ungleichheit nach sich ziehen wurde, entweder: a) durch die Bevorzugung irgendeiner Person.wegen ihres Verhältnisses zur NSDAP., ihren Formationen oder von ihr geleiteten Organisationen, oder b) durch die Diskriminierung irgendeiner Person auf Grund ihrer Rasse, Nationalität, Glaubenszugehörigkeit oder Opposition zur NSDAP, und ihren Lehren. A r t i k e l 3. Personen, die irgendein widerrufenes Gesetz anwenden oder anzuwenden versuchen, werden laut diesem Gesetz strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.
2. Proklamation Nr. 3 vom 20. 10. 1945 (VOB1. der Stadt Berliä S. 129). Dank der Vernichtung der Gewaltherrschaft Hitlers durch die .alliierten Mächte ist das Terrorsystem der Nazi-Gerichte abgeschafft worden. An seine Stelle muß eine Rechtspflege treten, die sich auf die Errungenschäften
Proklamation Nr. 3
231
der Demokratie, Zivilisation und Gerechtigkeit gründet. Der Kontrollrat verkündet daher die folgenden Grundsätze für die Umgestaltung der Rechtspflege, die für ganz Deutschland Geltung haben sollen. I. Gleichheit vor dem Gesetz. Alle Personen sind vor dem Gesetz gleich. Niemandem, welches auch seine'Rasse, Nationalität oder Religion sei, dürfen die ihm gesetzlich zustehenden Rechte entzogen werden. II. " Gewährleistung der 'Rechte des Angeklagten. 1. Niemand darf des Lebens, der persönlichen Freiheit oder seines Eigentums beraubt werden, es sei denn auf Grund eines gesetzmäßigen Gerichtsverfahrens. 2. Strafrechtliche Verantwortlichkeit Ibesteht nur für rechtlich als strafbar erklärte Handlungen. 3. Kein Gericht darf irgendeine Handlung auf Grund von „Analogie" oder im Hinblick auf das sogenannte „gesunde Volksempfinden" als strafbar erklären, wie das im deutschen Strafgesetzbuch der Fall war. 4. In jedem Strafverfahren müssen dem Angeklagten folgende Rechte zugestanden werden, die einer demokratischen Rechtsauffassung entsprechen: Schnelles und öffentliches Gerichtsverfahren, Bekanntgabe von Grund und Art der Anklage, Gegenüberstellung mit den Belastungszeugen, gerichtliche Vorladung von Entlastungszeugen und Hinzuziehung eines Verteidigers. Strafen, die gegen das gerechte Maß oder die Menschlichkeit verstoßen und solche, die das Gesetz nicht vorsieht, dürfen nicht verhängt werden. 5. Verurteilungen, die unter dem Hitler-Regime aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen erfolgten, müssen aufgehoben werden. III. Abschaffung der Ausnahme- und Sondergerichte des Hitler-Regimes. Der Volksgerichtshof, die Gerichte der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei und. die Sondergerichte sind aufgehoben. Ihre Wiedereinsetzung ist verboten. IV. Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit. 1. In der Ausübung seiner Amtstätigkeit ist der Richter'unabhängig von Weisungen der ausführenden Gewalt. Er ist nur dem Gesetz unterworfen. 2. Der Zugang zum Richteramt steht, ohne Rücksicht auf Rasse, Religion oder Nationalität, allen Personen offen, sofern sie die Grundsätze der Demokratie anerkennen. 3. Beförderung des Richters erfolgt ausschließlich nach Maßgabe seiner Leistungen und juristischen Befähigung. «•
232
Gesetze
des Alliierten
Kontrollrats
V. . Schlußsatz. Ordentliche deutsche Gerichte werden die Rechtspflege in Deutschland im Einklang mit den Grundsätzen dieser Proklamation ausüben.
3. Gesetz Nr. 4 vom 30. 10. 1945 (VOB1. der Stadt Berlin S. 141) Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens. Der Kontrollrat beschließt in Uebereinstimmung mit ' seiner Proklamation Nr. 3 an das Deutsche Volk vom 20. Oktober 1945, daß das deutsche Gerichtswesen auf der Grundlage des demokratischen Prinzips, der Gesetzmäßigkeit und der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ohne Unterschied von Rasse, Staatsangehörigkeit oder Religion umgestaltet werden muß und erläßt folgendes Gesetz: A r t i k e l I. Die Umgestaltung der deutschen Gerichte soll grundsätzlich in Uebereinstimmung mit dem Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Janiiar 1877 in der Fassung vom 22. März 1924 (RGBl. I S. 299) erfolgen. Folgende Gliederung der ordentlichen Gerichte wird wiederhergestellt: Amtsgerichte, Landgerichte und Oberlandesgerichte. Artikel
II.
Die Zuständigkeit der Amtsgerichte und Landgerichte in Zivil- und Straflachen richtet sich im allgemeinen nach dein Recht, das am 30. J a nuar 1933 in Kraft war. Die Zuständigkeit der Amtsgerichte in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten wird jedoch auf Ansprüche ausgedehnt, deren Gegenstand den Wetf von 2000 RM nicht übersteigt.1 Die Landgerichte sind zuständig für Berufung * gegen Entscheidungen der Amtsgerichte. Die Oberlandesgerichte entscheiden nicht in erster Instanz, sondern sind endgültige Berufungsinstanz gegen Entscheidungen der Landgerichte iij Zivilsachen; sie sind, soweit gesetzlich vorgesehen, für das Rechtsmittel der Revision gegen Entscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Strafsachen zuständig. A r t i k e l III. Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte erstreckt sich auf alle Zivilund Strafsachen mit folgenden Ausnahmen: a) Strafbare Handlungen, diö sich gegen die alliierten Besatzungsstreitkräfte richten; b) strafbare Handlungen, die von, Nazis oder von anderen Personen begangen wurden und die sich gegen Staatsangehörige alliierter Nationen
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oder deren Eigentum richten, Sowie Versuche zur Wiederherstellung des Naziregimes oder zur Wiederaufnahme der Tätigkeit der Naziorganisationen; c) strafbare Handlungen, in die Militärpersonen der alliierten Streitkräfte oder alliierte Staatsangehörige verwickelt sind; d) andere Zivil- oder Strafsachen, die der Zuständigkeit der deutschen Gerichte nach den Anordnungen des Alliierten Militärbefehlshabers entzogen werden; e) wenn eine strafbare Handlung .ihrem Wesen nach nicht die Sicherheit der alliierten Streitkräfte gefährdet, kann der Militärbefehlshaber sie den deutschen Gerichten zur Aburteilung überlassen. A r t i k e 1 IV. Zwecks Durchführung der Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens müssen alle früheren Mitglieder der Nazipartei, die sich aktiv für deren Tätigkeit eingesetzt haben und alle anderen Personen, die an den Strafmethoden des Hitlerregimes direkten Anteil hatten, ihres Amtes als Richter und Staatsanwalt enthoben werden und dürfen nicht zu solchen Aemtern zugelassen werden. A r t i k e l V. . Es wird dem Ermessen des Militärbefehlshabers überlassen, in Ausführung dieses Gesetzes die Zuständigkeitsabgrenzung der deutschen Gerichte schrittweise mit diesem Gesetz in Einklang zu bringen. A r t i k e 1 VI. Dieses Gesetz, tritt mit dem Tage seiner Verkündung in Kraft, Die Militärbefehlshaber der Zonen sind mit seiner Durchführung beauftragt.
4. Gesetz Nr. 10 vom 20. 12. 1945 (VOB1. der Stadt Berlin S. 178)'. Bestrafung von Personen, die sich Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen Frieden oder Menschlichkeit schuldig gemacht haben. Einleitung. Um die Bestimmungen der Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 »und des Londoner Abkommens vom 8. August 1945 sowie des im • Anschluß da'ran erlassenen Grundgesetzes zur Ausführung zu bringen und um in Deutschland eine einheitliche Rechtsgrundlage zu schaffen, welche die Strafverfolgungen vpn Kriegsverbrechern und anderen Missetätern dieser Art — mit Ausnahme derer, die von dem Internationalen Militärgerichtshof abgeurteilt werden — ermöglicht, erläßt der Kontrollrat das folgende Gesetz:' A r t i k e l I. Die Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943 „betreffend die Verantwortlichkeit der Hitleranhänger für begangene Greueltaten" und das Londoner Abkommen vom 8. August 1945 „betreffend Verfolgung und Bestrafung von Hauptkriegsverbrechern . der europäischen Achsenländer"
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w e r d e n als u n t r e n n b a r e Bestandteile in das gegenwärtige Gesetz aufgenommen. Die Tatsache, daß eine der V e r e i n t e n Nationen den Bestimmungen des Londoner A b k o m m e n s beitritt, wie dies in seinem Artikel V vorgesehen ist, berechtigt diese Nationen nicht, an d e r Ausführung des gegenwärtigen Gesetzes in dem Hoheitsgebiet des Kontrollrates in D e u t s c h l a n d teilzunehmen o d e r in seinen Vollzug einzugreifen. Artikeln. 1. J e d e r d e r folgenden T a t b e s t ä n d e stellt ein V e r b r e c h e n dar: a) V e r b r e c h e n g e g e n d e n F r i e d e n . Das U n t e r n e h m e n des Einfalls in a n d e r e L ä n d e r u n d - des Angriffskrieges als Verletzung des V ö l k e r r e c h t s und internationaler Verträge einschließlich der folgenden, den obigen T a t b e s t a n d jedoch nicht e r s c h ö p f e n d e n Beispiele: Planung, V o r b e r e i t u n g eines Krieges, Beginn oder Führung eines Angriffskrieges oder eines Krieges u n t e r Verletzung von internationalen Verträgen, A b k o m m e n oder Zusicherungen; Teilnahme an einem gemeinsamen Plan oder e i n e r Verschwörung zum Zwecke der Ausführung einer der vorstehend aufgeführten Verbrechen. b) K r i e g s v e r b r e c h e n . G e w a l t t a t e n oder Vergehen gegen Leib, L e b e n oder Eigentum, begangen unter Verletzung der Kriegsgesetze oder -gebräuche, einschließlich der folgenden, d e n obigen T a t b e s t a n d jedoch nicht e r s c h ö p f e n d e n Beispiele: Mord, Mißhandlung d e r Zivilbevölkerung der b e s e t z t e n Gebiete, ihre Verschleppung zui; Zwangsarbeit oder anderen Zwecken o d e r die A n w e n d u n g d e r S k l a v e n a r b e i t in dem b e s e t z t e n Gebiet selbst, Mord oder Mißhandlung von Kriegsgefangenen, P e r s o n e n auf hoher See, Tötung von Geiseln; Plünderung von öffentlichem oder privatem Eigentum; vorsätzliche Zerstörung von Stadt oder Land; oder Verwüstungen, die nicht durch militärische Notwendigkeit gerechtfertigt sind. "c) V e r b r e c h e n g e g e n d i e M e n s c h l i c h k e i t . Gewalttaten und Vergehen, einschließlich der folgenden, den obigen T a t b e s t a n d jedoch nicht e r s c h ö p f e n d e n Beispiele: Mord, Ausrottung, Versklavung, Zwangsverschleppung, Freiheitsberaubung, Folterung, Vergewaltigung oder andere an der Zivilbevölkerung ¡begangene unmenschliche Handlungen; Verfolgung aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen, ohne Rücksicht d a r a u f , ob sie das nationale Recht des Landes, in welchem die J i a n d l u n g begangen w o r d e n ist, verletzen. d) Z u g e h ö r i g k e i t z u g e w i s s e n K a t e g o r i e n v o n V e r brechervereinigungen oder Organisationen, deren verbrecherischer Charakter vom Internationalen M i l i t ä r g e r i c h t s h o f f e s t g e s t e l l t w o r d e n ist. 2. Ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit oder die Eigenschaft, in der er handelte, wird eines V e r b r e c h e n s nach Maßgabe von Ziffer 1 dieses Artikels für schuldig erachtet, wer a) als T ä t e r oder ;b) als Beihelfer bei der Begehung eines ' solchen V e r b r e c h e n s mitgewirkt oder es befohlen oder angestiftet oder
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c) durch seine Zustimmung daran teilgenommen hat oder d) mit spiner Planung oder Ausführung in Zusammenhang gestanden hat oder e) einer Organkation oder Vereinigung angehört hat, die mit seiner Ausführung in- Zusammenhang stand, oder f) soweit Ziffer 1 (a) in Betracht kommt, wer in Deutschland oder in einem mit Deutschland verbündeten, an seiner Seite kämpfenden oder Deutschland Gefolgschaft leistenden Lande eine gehobene politische, staatliche oder militärische Stellung (einschließlich einer Stellung iip Generalstab) oder eine solche im finanziellen, industriellen oder wirtschaftlichen Leben innegehabt hat. . 3. Wer eines der vorstehend aufgeführten Verbrechen für schuldig befunden und deswegen verurteilt worden ist, kann mit der Strafe belegt werden, • die das Gericht als gerecht bestimmt. Die folgenden Strafen können — allein oder nebeneinander — verhängt werden: a) Todesstrafe. b) Lebenslängliche oder zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe mit oder ohne Zwangsa/beit. c) Geldstrafe und, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit, Freiheitsstrafe mit oder ohne Zwangsarbeit. d) Vermögenseinziehung. e) Rückgabe unrechtmäßig erworbenen Vermögens. f) Völlige oder teilweise Aberkennung der 'bürgerlichen Ehrenrechte. Vermögen, dessen Einziehung oder Rückgabe von .dem,-Gerichtshof angeordnet worden ist, wird dem Kontrollrat für Deutschland zwecks weiterer Verfügung .ausgehändigt,.. 4. a) Die Tatsache, daß jemand eine amtliche Stellung eingenommen hat, sei es die eines Staatsoberhauptes oder eines verantwortlichen R'egierungsibeamten, ibefreit ihn nicht von der Verantwortlichkeit für ein Verbrechen und ist kein Strafmilderungsgrund. b) Die Tatsache, daß jemand unter dem Befehl seiner Regierung oder seines,Vorgesetzten gehandelt hat, befreit ihn nicht von der Verantwortlichkeit für ein Verbrechen; sie kann alber als strafmildernd berücksichtigt werden. 5. In einem Strafverfahren oder einer Verhandlung wegen eines der vorbezeichneten Verlbrechen kann sich der Angeklagte nicht auf Verjährung 'berufen, soweit die Zeitspanne vom 30. Januar 1933 bis zum 1. Juli 1945 in Frage kommt. Ebensowenig stehen eine vom Naziregime gewährte Immunität, Begnadigung oder Amnestie der Aburteilung oder Bestrafung im Wege. A r t i k e l III. 1. Die Besatzungsbehörden sind berechtigt, innerhalb ihrer Besatzungszonen die folgenden Maßnahmen zu treffen:
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a) Wer der Begehung eines Verbrechens verdächtigt ist, einschließlich derjenigen Personen, die eines Venbrechens seitens einer d«r Vereinten Nationen beschuldigt werden, kann verhaftet werden; das in seinem Eigentum stehende oder seiner Verfügungsmacht unterliegende bewegliche und unibewegliche Vermögen soll unter- Aufsicht gestellt werden, bis darüber endgültig verfügt wird. ib) Dem Justizdirektorium sollen die Namen aller Personen, die eines Verbrechens verdächtigt sind, die Gründe und der Ort der Inhaftnahme sowie die Namen und Aufenthaltsorte der Zeugen mitgeteilt werden. c) Geeignete Maßnahmen sollen getroffen werden, damit Zeugen und Beweismaterial im Bedarfsfälle verfügbar sind. d) Die Besatizungsibehörden sind berechtigt, die in Haft genommenen und unter Anklage gestellten Personen zur Verhandlung vor ein dafür geeignetes Gericht zu bringen, soweit nicht ihre Auslieferung an eine andere Behörde nach Maßgabe dieses Gesetzes oder ihre Freilassung erfolgt ist. Für die Aburteilung von Verbrechen, die deutsche Staatsbürger oder Staatsangehörige gegen andere deutsche Staatsbürger oder Staatsangehörige oder gegen Staatenlose begangen haben, können die Besatzungsbehörden deutsche Gerichte für zuständig erklären. ' 2. Die Zonenbefehlshaber bestimmen oder bezeichnen für ihre Zonen' den Gerichtshof, vor dem die eines-Verbrechens unter dem gegenwärtigen Gesetz beschuldigten Personen abgeurteilt werden sollen, sowie die dabei anzuwendende Verfahrensordnung. Die Bestimmungen des gegenwärtigen Gesetzes sollen jedoch in keiner Weise die Zuständigkeit oder Autorität irgendeines von den Zonenbefehlshabern in ihren Zonen bereits errichteten oder in Zukunft zu errichtenden Gerichtshofs beeinträchtigen odei; beschränken; das gleiche gilt, hinsichtlich des auf Grund des Londoner Abkommens vom 8. August 1945 ins Leben gerufenen Internationalen. Militärgerichtshofes. 3. Wer zur Aburteilung vor einem Internationalen Militärgerichtshof benötigt wird, kann nur mit Zustimmung des Ausschusses der Hauptamkläger abgeurteilt werden. Auf Verlangen soll der Zonembefehlshaber eine solche Person, die sich innerhalb seiner Zone befindet, diesem Ausschuß überantworten und ihm Zeugen und Beweismittel zugängig machen. 4* Ist es bekannt, daß jemand zur Aburteilung in einer anderen Zone oder außerhalb Deutschlands benötigt wird, so kann er nicht abgeurteilt werden, bevor eine Entscheidung gemäß Artikel IV dieses - Gesetzes ergangen ist. es sei denn, daß von der Tatsache seiner Ergreifung gemäß Ziffer 1 (b) Artikel III Mitteilung gemacht wurde, eine Frist von drei Monaten seit dieser Mitteilung verstrichen und kein Auslieferungsbegehren nach Maßgabe des Artikels I V ' bei dem betreffenden Zonembefehlshaber eingegangen ist. 5. Die Vollstreckung der Todesstrafe kann aufgeschoben werden, falls der Zonenbefehlshaber Grund zu der Annahme hat, daß die Vernehmung
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des zum Tode Verurteilten als Zeuge in einem Verfahren innerhalb oder außerhalb seiner Zone von Wert sein könnte, jedoch nicht länger als einen Monat, nachdem das Urteil Rechtskraft erlangt hat. 6. Jeder Zcnembefehlshaber wird -dafür Sorge^ tragen, daß die Urteile der zuständigen Gerichte hinsichtlich des nach dies'era Gesetz- seiner Kontrolle unterliegenden Vermögens so ausgeführt werden, wie dies nach seiner Ansicht der Gerechtigkeit entspricht. Artikel
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1. Wird jemandem, der sich in einer der deutschen Zonen befindet, ein Verbrechen, das einen der Tatbestände des Artikel II erfüllt und das außerhalb Deutschlands od«r in einer anderen Zone begangen wurde, zur Last gelegt, so kann die. Regierung des betreffenden Staates oder der Befehlshaber der betreffenden Zone an de,n Befehlshaber der Zone, in der sich der Angeschuldigte befindet, das Ersuchen stellen, ihn zu verhaften und ihn zur Aburteilung dem Staat oder der Zone auszuliefern, in der das Verbrechen begangen wurde. Einem solchen Auslieferungsantrag kann der Zcneiubefehlshaiber Folge leisten, es sei denn, daß nach seiner Meinung der Angeschuldigte zur Aburteilung oder als Zeuge von einem Internationalen Militärgerichtshof oder in Deutschland oder in einem anderen als dem antragstellenden Staate benötigt wird, oder daß der Zonenbefehlshaber sich nicht davon überzeugen kann, daß dem Auslief erungsantrag entsprochen werden sollte. In diesen Fällen hat et das Recht, den Auslieferungsantrag dem Justizdirektorium des Kontrollrates vorzulegen. Dieses Verfahren findet auf Zeugen und alle • andere Arten von Beweismitteln entsprechende Anwendung. 2. Das Justizdirektorium prüft die ihm. vorgelegten Anträge und fällt nach Maßgabe der folgenden Grundsätze eine Entscheidung, die es sodann dem Zonenbefehlshaber mitteilt. a) Wer zur Aburteilung oder als Zeuge von einem Internationalen Militärgerichtshof angefordert ist, wird zur Aburteilung außerhalb Deutschlands nur dann ausgeliefert bzw. zur Zeugenaussage außerhalb Deutschlands nur dann angehalten, wenn der gemäß dem Londoner Albkommen vom 8. August 1945 eingesetzte Ausschuß der Hauptankläger seine Zustimmung erteilt. b) Ist ein Angeschuldigter von mehreren Behörden (von welchen keine «in Internationaler Militärgerichtshof ist) zur Aburteilung angefordert, so werden 1 die Auslieferungsanträge nach Maßgabe der folgenden Rang.ordnung entschieden: 1. Wird der Angeschuldigte zur Aburteilung in der Zone, in der er •sich befindet, benötigt, so wird er nur dann ausgeliefert, wenn Vorkehrungen. für seine Rückkehr nach stattgefundener auswärtiger Verhandlung getroffen sind. 2. Wird er zur Aburteilung in einer anderen Zone als der seines Aufenthalts benötigt, so wird er zuerst nach der anfordernden Zone ausgeliefert, ehe er außerhalb Deutschlands verschickt wird, es sei
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denn, daß Vorkehrungen für seine Rückkehr in die anfordernde Zone nach stattgefundener auswärtiger Verhandlung getroffen sind. 3. Wird er zur Aburteilung außerhalb Deutschlands von zweien oder mehreren der Vereinten Nationen benötigt, so hat diejenige den Vorrang, derfen Staatsangehörigkeit er besitzt. 4. Wird er zur Aburteilung außerhalb Deutschlands von mehreren Ländern benötigt und befinden sich unter diesen solche, die nicht den Vereinten Nationen angehören, so hat das Land, das den Vereinten Nationen angehört, den Vorrang. 5. Wird er zur Aburteilung außerhalb Deutschlands von zweien oder mehreren der Vereinten Nationen angefordert, so hat, vorbehaltlich der Bestimmung in Ziffer 3 (b) des Abschnitts 2 des Artikels IV, diejenige den Vorrang, welche die schwerste, durch Beweismaterial gerechtfertigte Anklaige _ vorbringt. A r t i k e l V. Die nach Maßgabe des Artikels IV dieses Gesetzes zweoks Aburteilung vorzunehmende Auslieferung von Angeschuldigten soll auf Grund von Anträgen von Staatsregierungen und Zonenbefehlshabern so erfolgen, daß die Auslieferung eines Verlbrechers in ein Hoheitsgebiet nicht dazu ausgenutzt werden kann, um in einem anderen Gebiet den freien Lauf der Gerechtigkeit zu vereiteln oder unnötig zu verzögern. Wenn innerhalb von sechs Monaten der Ausgelieferte nicht von