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German Pages 201 [204] Year 1970
Stimmkunde für Redner, Schauspieler, Sänger und Stimmkranke
von
Dr. Herbert Biehle
2., neubearbeitete Auflage
Sammlung Göschen Band 60/60 a Walter de Gruyter & Co. • Berlin 1 9 7 0 vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung * J . Guttentag Verlagsbuchhandlung • Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit 8c Comp.
© Copyright 1970 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung - J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung - Georg Reimer - Karl J . Trübner - Veit &: Comp., Berlin 30. - Alle Rechte, einschl. der Rechte der Herstellung von Fhotokopien und Mikrofilmen, vom Verlag vorbehalten. Archiv-Nr. 7 300 700. - Satz und Druck: Saladruck, Berlin 36 - Printed in Germany
Inhalt Vorwort zur 2. Auflage I. Die Stimme im Leben 1. Definition und Ausgangsposition 2. Die Kinderstimme 3. Die Erwachsenenstimme 4. Anwendungsformen 5. Ergebnisse der Stimmpsychologie
4 5 5 8 17 28 34
II. Die Stimme im Beruf 6. Redner 7. Lehrer, Dozenten - Kindergärtnerinnen 8. Geistliche 9. Juristen - Ärzte - Militärs 10. Vertreter, Verkäufer - Schaffner usw 11. Grundsätze für die Berufsstimme
58 58 61 70 74 82 87
III. Die Stimme in der Kunst 12. Entwicklung der Gesangskunst 13. Sänger 14. Entwicklung der Sprechkunst 15. Schauspieler 16. Die Stimme als Klangphänomen
90 90 109 115 120 123
IV. Die Stimme in Forschung und Pädagogik 134 17. Entwicklung der Stimmphysiologie und -Methodik 134 18. Grundsätze für die Stimmpädagogik 142 V. Die Stimme in der Heilkunde 156 19. Stimmpatienten, Katarrhaliker, Asthmatiker, Lungenkranke, Hypertoniker 156 20. Grundsätze für die Therapie und Hygiene der Stimme 172 Schlußergebnisse Benutzte Literatur Personenregister Sachregister
177 182 194 199
Vorwort zur 2. Auflage Die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts haben eine grundlegend neue Einstellung zum Wesen der menschlichen Stimme, ihren Bildungs- und Gesundungsmöglichkeiten gebracht. Diese Erkenntnisse nutzbar zu machen, ergab, nach dem geistigen Umbruch unserer Zeit, die Notwendigkeit einer für Angehörige redender Berufe, Interpreten (Sänger und Schauspieler), Stimmpädagogen und Atemtherapeuten, Halsärzte und Kehlkopfpatienten maßgeblichen Gesamtschau durch Summierung unzähliger Einzelheiten aus heterogenen Fachgebieten. Mehr als 40jährige Arbeit an Stimmen aller Art einschl. der eigenen, in Hochschulen und Volkshochschulen, Universitätskliniken und Krankenhäusern, boten das Erfahrungsmaterial für eine realistische Darstellung, die zugleich eine Ergänzung der „Redetechnik" des gleichen Verfassers in der Sammlung Göschen Band 61/61 a bildet.
I. Die Stimme im Leben 1. Definition und Ausgangsposition Das lateinische Verbum personare = durchtönen, ursprünglich durch die Maske des Schauspielers, macht den akustischen Eindruck von Personen, d. h. ihre hörbaren Eigenschaften, zum Hauptcharakteristikum. Mit Recht, denn „Die Stimme ist das ideale Medium der Entfaltung von innen nach außen, graduierbar, modellierbar und artikulierbar als gesungener wie als gesprochener Laut, als .Träger' musikalischer und sprachlicher Mitteilung." Entsprechend dieser Definition von Prof. Pleßner, in der bemerkenswerterweise die gesanglich-musikalische Verwendung an erster Stelle steht, ist der Begriff „Stimme" sehr weit zu fassen, erzeugt sie doch mit ihrem im Kehlkopf liegenden Hauptorgan, den Stimmbändern, und der aus der Lunge strömenden Ausatmungsluft die klanglichen Äußerungen beim Sprechen und Singen, Lachen und Weinen, Stöhnen und Schreien. Während Artikulationsorgane, hauptsächlich Zunge, Zähne, Lippen, Gaumen, die Laute bilden, erhält die Sprache, sofern nicht tonlos gesprochen wird (Flüstern), durch Stimmklang überhaupt erst Ausdruck, Modulationsfähigkeit, ja Beseelung. In vielen, z. B. afrikanischen Sprachen, gibt es hohe und tiefe Sprechtöne, die dem gleichen Wort verschiedene Bedeutung verleihen: Bei gleicher Schreibung wird die Endsilbe in steigendem oder fallendem Ton gesprochen (nach Carlson); solche Tonhöhensprachen bedingen stimmliche Nuancierungsfähigkeit. Beim Singen, das sich durch rhythmische Gliederung des Tones (in der Musik das Vibrato) vom Sprechen unterscheidet,
Die Stimme im Leben
Definition und Ausgangsposition
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fungiert die Stimme nach vorgeschriebenen Tonwerten als lebendes und natürlichstes Musikinstrument. Die häufige Verwechslung der Sprechwerkzeuge mit dem Stimmorgan hat u. a. eine irrtümliche Anweisung, die Stimme „nach vorn" zu bringen, eingebürgert. Da die meisten Menschen von der Stimme, auch der eigenen, und ihrer pädagogischen oder therapeutischen Beeinflussung wenig wissen, soll eine schematische Darstellung auf S. 6 den Standort des Einzelnen aufzeigen: Als „stimmliche Normalverbraucher" seien diejenigen Menschen bezeichnet, deren Stimmzustand rednerische oder gesangliche Leistungen nicht oder kaum möglich macht, die aber auch beruflich keine regelmäßige Gelegenheit zur Stimmanwendung in Lehrtätigkeit, bei Vorträgen usw. haben. Von diesem „Nullpunkt" nach links gehend, vergrößern sich die stimmlichen Ansprüche in den Berufen, die im II. Teil noch einzeln besprochen werden, es wachsen aber auch die gesanglichen Möglichkeiten. Unter + 1 seien als typisch u. a. genannt: Politiker, Juristen, Dolmetscher, Militärs, soweit sie ihren Beruf verbal öffentlich ausüben, auch Verkäufer und Vertreter (Propagandisten). Die unter + 2 genannten Berufe sind ohne stimmliche Leistungsfähigkeit undenkbar: Geistliche besonders in qualitativer, Lehrer, Dozenten und Kindergärtnerinnen in quantitativer Hinsicht. Bei den unter + 3 Genannten setzt die Berufsausübung als Sänger oder Schauspieler (Sprecher) Stimmanlagen und ihre Ausbildung voraus. Rechts vom Normalverbraucher sind unter — 1 die Stimmpatienten und Katarrhaliker zu finden, teilweise noch Halbgesunde oder schon Halbkranke, in jedem Fall stimmlich Behinderte mit störendem Räuspern und Husten (Hüsteln). Unter — 2 sind die chronischen Bronchitiker, Asthmatiker, Emphysematiker und Lungenkranken einzuordnen.
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Die Stimme im Leben
Den stimmlichen Normalverbrauchern ist eine klangliche Verschönerung, heute Kosmetik genannt, zu wünschen, in der Richtung nach + 3 wird Stimmbildung zunehmend notwendig, in der entgegengesetzten Richtung zu — 2 Gesundschulung der Stimme und Luftwege erforderlich. Für Gesunde und Kranke, Künstler und Amateure, Junge und Alte, sind die gleichen methodischen Prinzipien gültig, doch in der Dosierung stark differenziert anzuwenden.
2. Die Kinderstimme Die Geburt eines Menschen ist mit einem durchdringenden Schrei vollzogen, der reflexmäßig erfolgt, um die Sauerstoffzufuhr und damit die Atmung in Gang zu setzen. Auffallendste Lebensäußerung des Neugeborenen ist lauter Stimmgebrauch. Kein anderes Organ des Säuglings verträgt schon eine solche Beanspruchung und verfügt über derartige Leistungsfähigkeit wie die zum Schreien eingesetzte Stimme. Mit ihr spielt und beschäftigt sich das Kleinkind, findet dabei für lange Zeit seine einzige körperliche Ausarbeitung und treibt eine höchst erwünschte, geradezu ideale Lungengymnastik. Stundenlanges Schreien mit unglaublicher Ausdauer wird ermöglicht durch große Dehnfähigkeit der Muskulatur eines tonnenförmigen Brustkastens, in dem die Triebkräfte für eine unverwüstliche Stimme ruhen, die das Kind hemmungslos einsetzt. Das hat Giovannino Guareschi, weltbekannter Autor von „Don Camillo und Peppone" als Vater zutreffend beobachtet und humorvoll geschildert: „Mir schien, als hätte der Schelm keine Lunge, sondern eine von einem 80-PS-Motor angetriebene Turbine in der Brust. Das Geheul, das ohne Unterlaß aus dieser sehr winzigen rosigen Kehle kam, klang wie das Dröhnen eines Vulkans, das man vom Baßschlüssel in den Violinschlüssel transponiert hatte."
Die Kinderstimme
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Die Fortbewegung des Kleinkindes erfolgt anfangs „auf allen Vieren", ähnlich den Vierfüßlern, deren vertikal eingebautes Zwerchfell nur ruhige Pendelbewegungen zu machen hat. Bei unserem aufrechten Gang hat das Zwerchfell laut Dekker und Feuerlein stärkere Arbeit zu leisten. Vor allem wird die Brust flacher, der obere Hohlraum des Brustkorbes enger; die dadurch mangelhafte Durchlüftung der Lungenspitzen bringt Krankheiten mit sich, wenn nicht stimmliche Ausarbeitung vorbeugend wirkt. Das anatomische Manko findet einen gewissen natürlichen Ausgleich schon bei den spielenden Kindern, die unartikulierte Laute und viel Geschrei lieben; diese lärmende Stimmbetätigung hat der Pädagoge Friedrich Fröbel sehr richtig als wilde Kra/fäußerung bezeichnet, wobei auch Spiele mit Nachahmung von Tierstimmen und Verkehrsgeräuschen bevorzugt werden. Gegen solchen triebhaft-elementaren Stimmgebrauch legt die Schulordnung ein Veto ein, indem sie verbietet, „votlaut" zu sein, und an den „guten Ton" gewöhnt. Damit beginnt ein neues Stadium gelenkter Stimmbetätigung. Das vieljährige stundenlange Stillsitzen oft in verbrauchter Luft und bei schlechter Haltung sowie gesteigerter geistiger Anspannung wirkt auf die Entwicklung von Brust und Lunge, damit auch auf die Stimme, ungünstig. Die Deutsche Orthopädische Gesellschaft hat ermittelt, daß 49,6 °/o der Zehn- bis Elfjährigen Haltungsfehler oder Haltungsschäden zeigen. Diese Erscheinungen charakterisiert Theodor Lessing aus eigenem Erleben: „Das unnatürlich lange und langweilige Hocken auf Stühlen und Bänken rächte sich durch beständige Neigung zu Husten und Katarrhen, vor allem aber durch hartnäckige Darmträgheit." Atemübungen im Turnunterricht bieten einen ungenügenden Ausgleich, solange das Stimmorgan dabei unbeteiligt bleibt. Singen (Musikunterricht, Chor) erfüllt seinen Zweck jedoch nur, wenn neue Erkenntnisse zugrunde gelegt werden.
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Nach alter Auffassung galt die Kinderstimme als eine unfertige Erwachsenenstimme, wobei musikalische Kinder die stimmlich schwierigen Aufgaben bekamen und dort eingesetzt wurden, wo es an sicheren Sängern fehlte. Dabei blieb ungenügend berücksichtigt, daß die Registerverhältnisse der noch geschlechtslosen Kinderstimmen mit denen der Erwachsenenstimmen nicht identisch sind. Die neue von Thausing ausführlich begründete Auffassung vom Wesen der Kinderstimme sieht diese als Vorstadium einer Erwachsenenstimme an. Thausing fordert, die Bruststimme nicht über c2 hochzuziehen, sondern von hier ab das Falsett anzuwenden bis in die hohe Sopranlage hinauf. Die zweite Stimme, mit Brustregister gesungen, soll nicht unter c1 geführt werden. Mehr als Zweistimmigkeit ist unzweckmäßig. Die Kinder sollen abwechselnd erste oder zweite Stimme singen, damit sie sowohl das Falsettregister als auch das Brustregister anwenden und keines von beiden verkümmert bzw. im falschen Gebiet verwendet wird. Gegenüber dieser der Kinderstimme gemäßen Registerbenutzung ist es eine Frage geringerer Bedeutung, wie weit der Stimmumfang in den einzelnen Altersstufen wächst. Weil diese Grunderfordernisse für richtigen Einsatz der Kinderstimme unbeachtet blieben, gehören die Singstunden für Viele zu unangenehmen Schulerinnerungen. Vom Singen dispensiert zu sein wegen Unvermögen, wird von den Schülern und meist auch ihren Eltern freudig begrüßt, obwohl dieser Ausfall in Wirklichkeit bedauerlich ist. Das illustriert Karl Silex: „In der Sexta fand die Auslese für den Schülerchor statt. Ich wurde als Brummer ausrangiert, und da seltsamerweise nie eine Nachprüfung stattfand, blieb ich bis zum Schulende vom ,Singen' befreit, wie der Musikunterricht genannt wurde." Ein weiteres Beispiel gibt Carl Zuckmayer in seiner Erzählung „Der Seelenbräu".
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Die Teilnahme am Schul- oder Kirchenchor war für gesangsbegabte Schüler früher Pflicht. Bei der Aufnahmeprüfung wurde, wie aus den Beispielen hervorgeht, nur die Stimmanlage berücksichtigt. Dabei dürfen Stimmanlage und Musikalität nicht verwechselt werden: Musikalische Kinder, die Instrumente spielen, können ohne Anlagen zum Gesang sein, während Stimmbegabte keineswegs musikalische Anlagen zeigen müssen. Nur selten wird sich ein Schüler falscher Stimmbehandlung widersetzen, wie das von Weinschenk mitgeteilte Verhalten einer Spandauer Schülerin zeigt, die ihm erklärte: „In der Schule teilte mich der Gesangslehrer nach vollzogener Prüfung in die zweite Stimme ein. Ich fügte mich diesem Diktat und sang mit unverminderter- Begeisterung im Schul- und Kirchenchor, häufig auch kleine Solopartien. Als mich aber eines Tages der Lehrer in die dritte Stimme eingliedern wollte, da begehrte ich auf. Weinend lief ich nach Hause, verweigerte das Mittagessen und war den ganzen Tag über niedergeschlagen. Auf den Gesangslehrer blieb meine Gemütsbewegung nicht ohne Eindruck, denn er machte seinen aus Mangel an tiefen Stimmen gefaßten Beschluß wieder rückgängig." Es war die spätere Kammersängerin Erna Sack, eine der höchsten Koloraturstimmen der Welt. Ein ähnliches Aufbegehren erlaubte sich Jack London, der als Schüler beim allmorgendlichen gemeinsamen Schulgesang streikte. Der Durchschnitt der Kinderstimmen neigt zu einem dünnen, flachen, plärrigen oder gar brummigen Ton. So berichtet der Pianist Wilhelm Kempff: „Schon in meinen ersten Schuljahren erschien mir der Trupp der .Brummer', dem es vom Schicksal aufgegeben ward, die heilige Ordnung der Töne durch ein animalisches Winseln zu stören, immer wie eine bedauernswerte Kaste." Nach medizinischer Feststellung leiden schon 40 % der Schulkinder an funktioneller Heiserkeit; deshalb fördert richtige Stimmbildung bereits bei Kinderstimmen katarrhalische Be-
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hinderung mit Verschmutzung der Atemwege zutage. Analog zur ärztlichen Allgemeinuntersuchung mit den üblichen Nachkontrollen sollte auch ein Stimmfachmann beim Schuleintritt und mindestens wieder nach dem Stimmwechsel die Schülerstimmen diagnostizieren. Reichskanzler Fürst Bülow z. B., der während seiner Schulzeit in der Kirche nicht mitsingen durfte, da er durch falsche Töne die Andacht der Gemeinde störe, erklärt sein Unvermögen mit Unmusikalität; aber den ganzen 4. Band seiner „Denkwürdigkeiten" durchziehen Berichte über ein Halsleiden und Kuren infolge akuter Verschlimmerung, was bestätigt, daß eine stimmliche Insuffizienz schon im Knabenalter vorgelegen hat. Für die gesangliche und physische Uberforderung von Knaben gibt es schon in der Vergangenheit viele Beispiele. Oft aus sozialer Not mußten sich die Chorknaben als Choralisten, Inquiliner und Kurrendesänger betätigen, um Legate, Stipendien und Freitische zu erhalten. So schreibt Prof. Karl Philipp Moritz in seinem berühmten autobiographischen Roman „Anton Reiser" über seine Mühe, wegen des Chorgeldes in einen Chor aufgenommen zu werden, um bald darauf an sich selbst zu erfahren, daß der zeitraubende und anstrengende Dienst „eine unangenehme Sache trotz des Chorgeldes" sei. Vor allem dem Kurrendedienst, der hohe Anforderungen an die körperlichen Kräfte der Knaben stellte, ist es zuzuschreiben, daß der Gesundheitszustand z. B. der Thomaner-Alumnen zu wünschen übrig ließ. Das viele Singen, besonders an den rauhen Neujahrsabenden, veranlaßte die Kantoren zu ständigen Klagen, daß sie die besten Diskantisten und Altisten vom Neujahrssingen dispensieren mußten (nach Schering). „Not und Leiden des Kurrendesingens" hat Thomasrektor Rost 1810 ausführlich beschrieben, was folgendes Zitat verdeutlicht: „Nicht wenige treffliche Schüler sind durch allzu große Anstrengung der Stimme und der Lungen und aller körperlichen Kräfte an Schwindsucht oder anderen Krankheiten elend
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zugrunde gegangen. Es versteht sich, daß ich nur vom Mißbrauche und der übertriebenen Anstrengung junger Leute rede, deren höchst nachteilige Folgen für die Gesundheit des noch im Wachstum befindlichen Körpers mir niemand - selbst kein Arzt - ableugnen soll. Wenn junge Leute, meistenteils noch Knaben, zuweilen in der strengsten Winterkälte, ohne etwas im Leibe und nicht viel auf dem Leibe zu haben, oft an ein und demselben Tage in aller Frühe auf den entfernten Begräbnisplatz laufen und an den Gräbern singen, dann zu dem Frühgottesdienst in die kalten Stadtkirchen zurückeilen, von da in die Universitätskirche, schließl. zum Mittagsgottesdienste, dann zur Vesper sich einfinden, nach deren Beendigung zur Kurrende und aufs neue zu den Leichen und endlich wieder ins Konzert bis auf den späten Abend gehen müssen - , so frage ich, ob ihnen das nicht schaden soll.. Gegen den Einsatz von Schülern in Opern und Operetten zur Verstärkung der Theaterchöre hatten sich schon Friedrich II. wie auch Goethe gewandt. Zelter nannte die Lage des Schülergesanges „hoffnungslos" (nach Schünemann). Auch im 20. Jahrhundert hat sich die gesangliche und physische Überbeanspruchung von Knaben fortgesetzt, wobei an die Stelle sozialer Not als Ursachen jetzt häufig kommerzielle Gründe und Geltungsbedürfnis von Chorleitern und Eltern der jungen Sänger getreten sind. Waren es ursprünglich die Knabenchöre einiger Städte (Dresden, Leipzig, Regensburg, Wien), die nicht nur an der Stätte ihres Wirkens berühmt wurden, so traten nach dem 1. Weltkrieg in zunehmendem Maße weitere Gymnasialchöre neben sie und entwickelten einen expansiven Drang -in die Ferne. Zu dem Auftreten am Schulort kamen Konzerte in Nachbarstädten, dann in angrenzenden Provinzen, im ganzen Lande, schließlich im europäischen Ausland und in Ubersee, besonders in den USA.
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Kinder wurden wie Primadonnen „Vor der Amerikareise" oder „Nach dem Siegeszug durch Amerika" plakatiert. Falscher Ehrgeiz, Prestigedenken und Gewinnstreben entwickelten sich so zu Faktoren eines Kulturbetriebes, der nach dem 2. Weltkrieg einen neuen Höhepunkt erreichte. Jetzt wurden die Knabenchöre auch von den Massenmedien in immer größerem Ausmaß beansprucht. Schallplatten- und Rundfunkaufnahmen, Mitwirkung bei Tonfilmen und im Fernsehen, und zwar während der Schulzeit, haben die Kinderchöre immer größeren Belastungen ausgesetzt. In ihrer Erzählung „Sängerknaben auf abenteuerlicher Fahrt" gesteht Erika Mann, wenn auch die eigentliche Problematik des Themas nur streifend: „Die Konzerte waren so erfolgreich, daß man nicht selten in zu großen Sälen auftrat, und die Zugvögel mußten dann lauter singen, als es ihren Stimmen zuträglich war. Dadurch litt sogar die Reinheit ihres Gesanges." Vor einigen Jahren brach ein berühmter Knabenchor wegen völliger Erschöpfung der Mitglieder eine Konzertreise ab. In Berlin registrierte eine maßgebliche Tageszeitung u. a. Tourneemüdigkeit der gleichen jungen Sänger: „Die Stimmen ermüden rasch und kämpfen mit Intonationsschwankungen. Trotzdem gelang die gefühlsselige Verzauberung der Hörerschaft." In dieser Zeitungskritik spiegelt sich die rein äußerliche Wirkung wider, die durch das Auftreten der uniform gekleideten Knaben ausgelöst wird. Für einen großen Teil des Publikums sind die offen zutage tretenden Fehler und Schwächen der Gestaltung, wie z. B. Unreinheiten oder flache Vokalisation oder Intonationsschwankungen nur von untergeordneter Bedeutung. Emotionen bestimmen das Urteil. Eine harte Kritik übt z. B. der Herausgeber der Selbstbiographie des Wiener Stadtschulrates Glöckel, der in einer Fußnote die Wiener Sängerknaben „eine Vereinigung, die sich mit der artistisch bemerkenswerten, aber pädagogisch verwerflichen Aufzucht einer
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Truppe kleiner Berufssänger befaßt, um sie . . . in der ganzen Welt umherreisen zu lassen" nennt. Der Musikerzieher Otto H. Weber weist noch auf andere Folgen hin: „Für weite Kreise unseres Publikums verbindet sich mit einem Kinderchor so manches, was gar nicht dem Kinde gemäß ist. Der Schritt zur Sentimentalität, sogar zum Kitsch, scheint auf dem Felde des Kinderchores besonders beliebt zu sein. Wird schon in der Behandlung der Kinderstimmen viel gesündigt, dann sind die Schäden, die hinsichtlich des musikalischen Geschmacks den Kindern zugefügt werden, noch schlimmer. Kinder sind kein Spielzeug zur Belustigung von Erwachsenen." Angesichts dieser Situation ist die Frage zu stellen: Müssen an sich schon reizüberflutete Schulkinder von Stadt zu Stadt reisen, zwischen Proben, Konzerten und Sendungen ihre Nachmittage, Sonntage und Ferien verbringen? Müssen Schüler in der Schlagerproduktion mitwirken? Müssen Kinderstimmen für die Fernsehwerbung herangezogen werden? Mußte erst das Gewerbeaufsichtsamt gegen die Mitwirkung eines Knabenchores auf dem Internationalen Variet£ball protestieren? Gegen den überwiegend von Gefühl und von einer geschickten Werbung bestimmten Geschmack des Publikums konnten sich die kritischen Mahnungen und Warnungen von Fachautoritäten nicht durchsetzen. Ihre gewichtigen Bedenken lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1. Eine künstlerische Notwendigkeit für den Einsatz von Knabenstimmen in Chorwerken besteht nur, wenn ihr spezifischer Klangcharakter in einem Vokalwerk gewünscht oder von einem Komponisten gefordert wird. Eine Berufung auf die „Tradition der Knabenchöre" ist ein wenig überzeugendes Argument, da Knaben ursprünglich nur als Frauenersatz die hohen Stimmlagen sangen. Gemischte Chöre aus Frauen- und Männerstimmen entstanden bereits im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Knaben werden als singende Akteure verlangt
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in „Carmen" (Straßenjungen 1. Akt), in „La Boheme" (Gassenbuben 2. Akt), im „Evangelimann" (1 Knabe Solosopian und Kinderchor), „Die Zauberflöte" (3 Knaben Sopran und Alt), als Kontrastmittel im „Parsifal" (Knaben aus der Höhe) und in Mahlers 8. Sinfonie. 2. Unbegreiflicherweise verlangen Komponisten, soweit mir bekannt, niemals Mädchenstimmen, obwohl diese den erheblichen Vorzug haben, nicht zu mutieren. Schon im 18. Jahrhundert waren die Kirchenmusiken der vier Konservatorien Venedigs durch die musikalischen Leistungen der Mädchen berühmt gewesen. Der Kinderchor des Norddeutschen Rundfunks bestand aus 40 Mädchen, nannte sich aber merkwürdigerweise nicht Mädchenchor. Dem Bielefelder Kinderchor gehören zu V5 Mädchen und Vs Knaben an, die auf alle Stimmen verteilt sind. Bei den Schaumburger Märchensängern sind fünf Sechstel der Chormitglieder Mädchen. 3. Mischungen von Kinderstimmen beider Geschlechter sind aus klangästhetischen Gründen zu begrüßen, wobei das Mischungsverhältnis variabel sein kann. Neue Varianten ergäben sich z. B., wenn Mädchen die höhere Stimme, Knaben die tiefe übernehmen würden. Merkwürdigerweise fehlt auch bei den Neutönern mit avantgardistischen Ausdrucksmitteln, die bis zu Flüster-, Schrei- und Zischlauten reichen, die naheliegend sinnvolle Mischung von Kinderstimmen innerhalb eines Vokalwerkes als gelegentliche Klangfarbennuance. Freilich bedingt das genaue Kenntnis der Kindersingstimme mit differenzierterer Anwendung als bisher. 4. Leider werden im Musikunterricht der Schulen noch immer vielfach nur die Begabten gefördert, während für schlechte, schwache und anfällige Stimmorgane nichts getan wird. Gerade diesen von der Natur stiefmütterlich Bedachten ist Förderung und Hilfe zu geben, weil Singen eminenten gesundheitlichen Wert hat und den Zustand der Luftwege des späteren Erwachsenen entscheidend beeinflussen kann. Dazu genügen schon
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gesangsähnliche Übungen oder eine auf diesen Schülerkreis zugeschnittene Spezialliteratur, die sich zwischen Kinderlied und Choral bewegt. Wenn es auch unvermeidbar erscheint, dem Geschmack der breiten Masse Rechnung zu tragen, so sollten die gesammelten Erkenntnisse Eltern und Lehrern, auch Musiklehrern, vor Augen führen, daß künstlerischer Ehrgeiz und damit verbundene Überforderung gesangsbegabter Kinder auf falsche Gleise führt. Über ihre stimmlichen Erfahrungen in der Kinder- bzw. Schülerzeit haben außer den bereits genannten noch viele andere Persönlichkeiten geschrieben; so z. B. Eugen Diesel, Wladimir Lindenberg, Frank Thiess (beim Spielen), Günther Anders, Karl Bjarnhof, Arnold Bronnen, M a x Butting, Paul Eipper, Jacob von Falke, Ernst Heimeran, La Mara (d. i. Marie Lipsius), Eckart von Naso, Eugen Roth, Rud. Alex. Schröder, Alfred Stier, Emil Unger-Winkelried, Inge von Wangenheim (beim Schulgesang), Eugène Ionesco (bei Gymnastik).
3. Die Erwachsenenstimme Um das 14. Lebensjahr, eine Zeit gärenden inneren Zustandes infolge Einschusses von intensiv produzierten Sexualhormonen ins Blut, vergrößert sich mit der Geschlechtsreife auch der Kehlkopf, es wachsen die Stimmbänder des Knaben um ein paar Millimeter, etwa von 12 auf 15 mm (nach Rauber-Kopsch). Wenn sich in der Literatur höhere Zahlen finden, so ist der zur Befestigung der Stimmbänder dienende Processus vocalis mitgerechnet. Bei diesem Vorgang dehnt sich die bisherige Bruststimme nach unten um eine Oktave aus, ebenso rückt die Sprechstimme in tiefere Lage und nimmt männlichen Klang an. Mit den ersten Barthaaren macht sich die Pubertät am deutlichsten in der neuen Stimme bemerkbar als Attribut des erwachsenen Jünglings. Eine Schallplatte der Dissertation von Biehle, Stimmkunde
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Klaus Lang bringt Beispiele von Schülern, die vor und nach der Mutation sprechend und singend aufgenommen wurden. Zeigten Knaben und Mädchen keine grundsätzlichen Unterschiede in der Stimme, so ist diese nun nach der Mutation zu einem der sekundären Geschlechtsmerkmale geworden, d. h. sie differenziert sich nach ihrem Träger, ob er männlichen oder weiblichen Geschlechtes ist. Für die zuweilen schwierige Geschlechtsbestimmung bei Zwittern (Hermaphroditen) kann außer dem aufschlußreichen Blutspiegel diagnostisch wichtig sein, ob die Stimme mehr zum maskulinen oder femininen Klang tendiert. Wird vor dem Stimmwechsel ein Eingriff in die männlichen Keimdrüsen vorgenommen, so entsteht aus der Knabenstimme eine Kastratenstimme, deren Bedeutung für die Gesangskunst das 12. Kapitel zeigen wird. Während der Zeit des Stimmwechsels geht die bisherige Gesangsfähigkeit verloren - oft für immer. Viele hatten als Kind eine gute Gesangsstimme; jetzt stellt sie sich nicht mehr ein. „Der Stimmbruch machte der erhofften Sängerkarriere ein Ende" mußte der Schauspieler Johannes Riemann an sich erleben. Das ist nicht so sehr, wie vielfach angenommen wird, auf Einwirkungen infolge des Stimmwechsels zurückzuführen, sondern oft durch den während der Kinderjahre allmählich bemerkbaren Rückgang der Stimme mit der Mutation als Schlußstein. Einer Untersuchung von Schmidt-Scherf zufolge hatten etwa 25 %> der Studierenden einer süddeutschen Universität nicht durchmutierte Stimmen. Gelegentlich wird der Stimmwechsel zum „Stimmbruch", hörbar am fistulierenden Überschnappen beim Sprechen; ein solcher Stimmkrüppel wird am Telefon leicht für eine Frau gehalten. Die störenden und peinlichen Auswirkungen eines solchen stimmlichen Infantilismus beseitigt heute eine Übungsmethodik, um das von der Natur Versagte nachzuholen. Stellt sich bei einem Mädchen nach der Pubertät eine männlich-tiefe Stimme ein, so nennt L. Stein diese Erscheinung „die seltene
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perverse Mutation". Behält ein Erwachsener eine Kinderstimme, so ist er nach P. J. Moses endokrinologisch stigmatisiert. Auch Krankheits-Einwirkungen können einen pathologischen Stimmzustand mit sich bringen: Diphterie pflegt häufig chronisch heiseren Klang zu hinterlassen, der heute als reparabel gelten kann. Auf einer infantilen Stimmstufe sind Geisteskranke stehen geblieben. Beispiele dafür gibt E. Zwirner, der ohne Wissen der Patienten Aufnahmen gemacht hat, die monotone Sprachmelodien mit bestimmten Tonfolgen, laute Schreie, Klage- und Angstrufe, traurig klingendes Stöhnen hören lassen. Andere Ursachen für eine rückläufige Entwicklung der Stimme sind die Uberforderung unausgereifter Männerstimmen in Chören sowie außergewöhnliche und lange Belastungen durch Kommandieren und Singen während des Wehrdienstes. Im ersten Falle ist es meist die Folge eines zu schnellen körperlichen Wachstums, bei dem der Brustkorb und die Lunge nicht im gleichen Maße mitgewachsen sind. Im anderen Falle ist es der Zwang zu ungewöhnlichen stimmlichen Leistungen. Das trifft besonders auf die Generation der Männer zu, die während der NS-Zeit vom Arbeitsdienst bis zum Wehrdienst oft jahrelang diesen Belastungen ausgesetzt waren. Vor allem die Kommandosprache hat zu Uberanstrengungen geführt, deren Besonderheit noch zu behandeln ist (s. Berufe). Stimmschäden sind in der Wehrdienstzeit vermutlich weniger durch das Singen in Schulungsstunden entstanden, als vielmehr durch den Marschgesang. Der militärische Brauch, Soldaten während langer Märsche in voller Ausrüstung durch Singenlassen von Marschliedern anzufeuern, hat die physische Leistungsfähigkeit des Einzelnen nicht berücksichtigt. Fälle von Widerstand, wie ihn der Dichter Ernst Wiechert aus dem 1. Weltkrieg berichtet, sind wohl Ausnahmeerscheinungen. „Die Soldaten streikten mit dem Singen trotz Befehl des sehr jungen Leutnants. Er ließ halten, kehrtmachen und zurück2*
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marschieren. Trotzdem ohne Erfolg, da die Soldaten weiter schwiegen." Noch schwerwiegender war die Methode militärischen Drills, zur Strafe singen zu lassen. Der bekannte Komponist Rudolf Wagner-Regeny schildert seine Erfahrungen während des Zweiten Weltkrieges (1943): „Die Lieder klangen erbärmlich, die auf dem Heimwege angestimmt werden mußten. Wer nicht sang oder zu leise sang, wurde bestraft. Der ,zwote Zug', dem ich angehörte, sang am schlechtesten. Darum wurde er während des Marschierens mit heimtückischen Einfällen vom Zugführer bestraft... Alles das des unfrohen Singens wegen. Als wir einmal die Gasmaske aufgesetzt hatten und auf dem Exerzierplatz im Quadrat mehrere Male herumgeschwenkt waren, kam das Kommando ,ein Lied'. Es klang gespenstisch. Ich verlor fast die Besinnung dabei." Wie aus Pressemeldungen in der Nachkriegszeit hervorgeht, sind Fälle dieser Art auch noch bei der Bundeswehr vorgekommen. So mußte z. B. 1960 eine Pionierkompagnie nach verschärfter Formalausbildung singen und auf Befehl des unzufriedenen Oberleutnants den Gesang auf Betonboden bäuchlings liegend fortsetzen. Wenn auch Vorfälle solcher Art erfreulicherweise jetzt vor Gericht enden, so wollen die daran Beteiligten zeitlebens von Singen nichts mehr wissen. Singen als Strafe hat neuerdings auch im zivilen Sektor eine Parallele: Verkehrssünder in Holland mußten die Verkehrsordnung singen. Seitdem soll es kaum Übertretungen geben. Diese Strafverordnung nennt Olga Hensel ein psychologisches Meisterstück, da die Menschen fühlen, wie lächerlich, ja absurd es ist, solchen Text zu singen. Die Frauenstimme erfährt in der Pubertät keine so grundlegende Umwälzung wie die Männerstimme: während sich das Mädchen körperlich zur Frau entwickelt, bleibt die bisherige Stimmlage, das Falsettregister erhält aber den doppelten Umfang, wobei die Bruststimme auf die tieferen Töne zusammenschrumpft.
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Jedoch steht diesem Vorzug eine Abhängigkeit von den Attributen des Geschlechts gegenüber. Menstrueller Zyklus, Schwangerschaft und Klimakterium machen die Frauenstimme störanfälliger, die in den „kritischen Tagen" ihre Leichtigkeit, Reinheit und Mühelosigkeit, namentlich in der Höhe, verliert. Deshalb sind bei den Theatern und besonders den Opernhäusern sog. Respekttage eingerichtet, an denen eine Sängerin wegen ihres körperlichen Zustandes zum Auftreten nicht verpflichtet ist. Anstrengung oder Überanstrengung in den Tagen der Menses kann zu Stimmschädigungen Anlaß geben. Schwangerschaft bringt zunehmende Beeinträchtigung der Atemexkursionen mit sich. Wenn nach den Wechseljahren bei Versiegen der Hormonquelle durch Umstellung der inneren Sekretion die Tätigkeit der Ovarien erloschen ist, verliert die Stimme ihren bisherigen Klang, der tiefer und vermännlichter wird. Die jahrhundertealte Mode des Einschnürens hat in jeder Hinsicht und namendich auf die Stimmentfaltung nachteilig gewirkt, da eine Wespentaille die notwendigen Zwerchfellkontraktionen inhibiert. Gemessen an dem Riesenaufwand von Kosmetik, Massagen und Kuren zur Schönheitspflege und gegen Alterserscheinungen, verglichen mit dem weitreichenden Interesse an der Körperertüchtigung wird für die Stimme, ihre Verschönerung und Erhaltung auch nicht annähernd Ähnliches getan. Manche Frau schenkt ihren Zehennägeln weit mehr Beachtung als dem Wohlklang ihrer Stimme. Resultate stimmlicher Mängel oder Vernachlässigung werden von zahlreichen Autoren beschrieben, von denen einige zitiert seien: R.v.B.: „Frauen verfälschen allzuoft ihr natürliches Organ und bewußt, sie gewöhnen sich einen ,korrigierten Tonfall* an. Geziertes Sprechen gesellschaftlich Arrivierter soll Mängel oder Dummheit vertuschen."
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Mary McCarthy: „Polly hatte in größeren Gesellschaften überhaupt keinen Erfolg; ihre Stimme war leise wie die ihres Vaters." Graf Lehndorff über die friderizianische Hofdame Gräfin Henckel: „Sie hat eine Stimme, daß man immer einen dicken Major zu hören glaubt, auch wenn sie die angenehmsten Dinge sagen will." Gerhard Nebel in Italien: „Ich unterhielt mich mit der Besitzerin der Villa, die nur durch einen Mißgriff der Natur nicht als Mann geboren war: Baßstimme, Schnurrbart, Schmerbauch usw." Gregor von Rezzori ironisierend: „Bei jungen Damen, die im Sacré Coeur erzogen sind, wird man im hohen Gaumen Kirchengewölbe mitschwingen hören, in einer gleichsam rauchigen Hervorbringung der Vokale an Weihrauchschwaden erinnert." Nach einer seiner gescheiterten Ehen glaubte Strindberg die zischende Stimme der Verlassenen zu hören; sie öffnete nämlich niemals die Lippen, die wie die einer Schlange geschnitten waren, wenn sie sprach, sondern brachte die Worte mit der Kehle hervor, die immer beschleiert war durch Nachtwachen, starke Getränke und Tabak. Von der Stimme einer Frau wird den Attributen ihres Geschlechtes entsprechend ein Wohlklang erwartet, der Weiblichkeit, Mütterlichkeit und nicht zuletzt sex appeal ausstrahlt, was weder schrille, scharfe oder piepsige Organe vermögen noch abnorm tiefer Klang vermännlichter Frauen. So wirkt der Ausspruch Gottfried Kellers geradezu wie eine Mahnung: „Es ist hauptsächlich der Klang der Stimme, der an den Frauen für mich entscheidend ist, und ich erkenne ein wahrhaft schönes und gutes Frauenherz fast augenblicklich daran." Noch viele andere Autoren haben das bestätigt. Wie sie Frauenstimmen erlebten, zeige eine Auslese:
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Franz Blei: „Der Erinnerung blieb nichts als diese verschleierte Altstimme, reizvoller Effekt eines zur Zeit der Mutation im Kloster mit Singen überanstrengten Organs." Felix Braun über seine Tanzstunden-Partnerin: „Ich liebte den holden Alt ihrer Stimme, die leicht nachsang." Romain Gary über eine Schwedin in Paris: „Vor allem hatte sie eine entzückende Stimme. Für Stimmen war ich immer empfänglich. Ich hatte kein Gehör (für Musik), aber für Frauenstimmen bin ich merkwürdig empfänglich. Brigitte hatte die Stimme, ich hatte das Ohr dafür: ich lauschte ihrer Stimme und war glücklich." Der Tenor Benjamino Gigli als Soldat (Telefonist in Rom 1911): „Eines dieser Mädchen (Telefonistinnen) hatte eine auffallend schöne Sprechstimme. Obwohl ich sie noch nie gesehen hatte, fühlte ich mich zu ihr hingezogen." Karl Gutzkow, Verfasser des ersten Frauenromanes, war für eine 16jährige Brünette leidenschaftlich entbrannt: „Am meisten fesselte sie durch ihre Stimme, die so sonor, so tiefliegend war, daß sie allem, was sie sprach, schon dadurch allein den Charakter bedeutungsvoller Reife gab." Victor de Kowa auf der Dresdener Kunstakademie: „Als Wanda mich ansprach, ging mir ihre Stimme durch und durch; ich hatte den tiefen Klang tagelang in den Ohren." Der Kunsthistoriker Carl von Lorck über Jeanette M. in Paris: „Die melodische Altstimme klang warm und zärtlich." „Ich liebe Ihre Stimme" sagte André Malraux am Telefon zu seiner zukünftigen Frau. Thomas Mann über Tonio Kröger und Ingeborg in der Tanzstunde: „Wie sie ein Wort, ein gleichgültiges Wort, auf eine gewisse Art betonte, war ein warmes Klingen in ihrer Stimme, und ein Entzücken ergriff sein Herz. An diesem Abend konnte er nicht einschlafen, weil er das Klingen in ihrer Stimme hörte."
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Henry Miller über seine Frau (Schauspielerin): „Der Hals war voll gerundet, er paßte zu der vollen, dunklen, vibrierenden Stimme." Ippolito Nievo über die 14jährige Pisana: „Ihre Stimme war kein leeres Geklingel aus dem Kopf, sondern sie klang dunkel und voll, als käme sie aus der Brust, wo das Herz schlägt." Bertrand Russell über Ottoline, die er leidenschaftlich liebte: „Sie hatte eine sehr schöne, sanfte, leicht bebende Stimme." Der blinde Robert Russell über seine Vorleserin und spätere Frau: „Der Klang ihrer Stimme begleitete mich und ließ mich nicht mehr los. Ich liebte ihr Lachen und ihre wohlklingende samtene Stimme." Arthur Schnitzler über eine Badebekanntschaft in Ostende: „Sie ließ ihre Stimme leidenschaftlich aufklingen und in dunkler Weichheit verhauchen." Adolf Stahr: „Was aber den Zauber vollendete, das war der Klang einer Stimme, die man wirklich eine Silberstimme nennen konnte." Max Tau: „Zuerst verzauberte mich ihre Schönheit, dann entdeckte ich eine Milde in ihrer Stimme, die mir verriet, wie gut sie es mit mir meinte." Guiseppe Tomasi: „Ihre Stimme war schön, tief im Ton." Zahlreich sind die Fälle, in denen das private oder berufliche Leben von Frauen allein durch die Wirkung ihrer Stimme beeinflußt wurde. Die Ansagerin von Radio Rom erhielt wegen ihrer schönen Stimme Heiratsanträge aus der ganzen Welt. Eine Mikrofon-Karriere startete die Abruferin Dora Behrendt vom Flughafen Frankfurt am Main, wo sie einem Direktor von Radio Luxemburg auffiel; durch die Nachtsendungen des Musiksenders ist die Stimme von „Fräulein Dorothee" inzwischen in ganz Europa bekannt geworden. Legt man die oben zitierten und ähnliche Äußerungen bei Carl Amery, Heinrich Boll, Jean Renoir, Kurt Tucholsky, Peter Weiss zugrunde, so entspricht dem Ideal einer weiblichen
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Stimme ein dunkles, weiches, auch Beruhigung ausstrahlendes Organ mit gewissem sinnlichen Vibrato. Diese Wirkung der weiblichen Stimme wird auch für die Propaganda ausgenutzt. Radio Hanoi soll z. B. eine Sprecherin mit samtweicher Stimme für ihre Sendungen einsetzen, die sich an die US-Soldaten in Vietnam wenden. Der Aphorismus von Martin Walser „Wie die Stimme, so die Frau" wird in dem Kapitel Stimmpsychologie noch kommentiert werden. Sehr richtig fordert Henry Miller: „Eine Frau soll vor allem ihre Stimme pflegen", damit, sei hinzugefügt, diese zum schönsten, unverlierbaren Schmuck wird. Daß es sich lohnt, etwas für die Stimme zu tun, beschreiben Green und Cochran mit folgendem Beispiel: Eine Witwe, die wegen ihrer zaghaften und unterwürfigen Stimme ein Mauerblümchendasein führt, gewinnt nach einem Stimmbildungskursus mittels ihrer Stimme Macht über die Menschen, hat gesellschaftliche Erfolge und findet persönliches Glück in einer neuen Ehe. Der stimmliche Zustand der meisten Erwachsenen ist allerdings keineswegs als gesund und normal zu bezeichnen. Die elementare Kraft des kindlichen Stimmorganes ist zumeist verlorengegangen, nicht zuletzt, weil in all den Jahren körperlicher und geistiger Entwicklung der Bildung der Stimme keine oder zu wenig Beachtung geschenkt wird. So sind klingende Stimmen seitens meistens ist eine klanglose Mittellage zu hören, während die Höhe, wenn überhaupt vorhanden, nur mit Anstrengung gelingt. Auch im Nachsingen einer angegebenen Tonhöhe und in der Wiederholung eines bereits gesungenen Tones sind viele Menschen ungeübt: sie finden sich in ihrem eigenen Kehlkopf nicht zurecht. Deshalb zählt es, von den romanischen Ländern abgesehen, zu den seltenen Begebenheiten, was C. v. Lorck in London erlebte. Er begegnete einem jungen Mann, der fröhlich laut ein Lied sang. „Es ist in der Riesenstadt ein Lichtblick, daß einer noch singen kann, unbekümmert um das Motorengebrüll."
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Am deutlichsten tritt der mangelhafte Stimmzustand im kirchlichen Gemeindegesang zutage. Sicher hängt dieser auch davon ab, wie er geführt wird, ob von meist zu zügigem Orgelspiel oder von einem unzureichenden Vorsänger, wie er von dem Pastorensohn Otto Piper in seinen Erinnerungen beschrieben wird. Die Feststellung von Grillparzer, daß in der Kirche immer die falsch Singenden am lautesten sind, wird in einem Fachaufsatz von W. Hanft bestätigt. Er spricht von gesanglicher Zuchtlosigkeit, durchdringenden Tönen musikalisch Gehörloser, Schrilltönigen, zu tief Singenden und von selbsterfundenen Gegenstimmen, freien Bässen usw. Auch hier ist es weniger der Mangel an Musikalität als das Unvermögen, die Stimme in den Dienst auch nur einfachen Gesanges zu stellen. Deshalb fällt eine wirkliche Gesangstimme unter Kirchgängern sofort auf. Die Frau des Schriftstellers Frank Thiess, eine Sängerin, erlebte das bei Gottesdiensten. Wenn jemand zum Spielen eines Instrumentes unbegabt oder daran uninteressiert ist, so hat diese Nichtbetätigung keinen Nachteil für seine Gesundheit. Anders wirkt sich der Mangel einer zweckmäßigen und naturgewollten Stimmarbeit aus, der im ganzen Organismus spürbar werden und zu Erkrankungen im Bereich der Luftwege führen kann. Verschont von solchen stimmlich-gesundheitlichen Insulten bleiben im allgemeinen außer den Berufssängern diejenigen Erwachsenen, die sich gesanglich betätigen, sei es im Choroder Liedgesang. Durch die Möglichkeit, sich in Tönen zu äußern und auszuarbeiten, werden die Stimm- und Atemorgane trainiert, so daß sie weniger verschmutzen. Voraussetzung ist allerdings, daß ohne falsche Kehlfunktionen und in der richtigen Stimmlage gesungen wird. Der junge Lovis Corinth z. B. sollte nach seiner Aufnahme in den Münchener KünstlerSänger-Verein „seiner Statur nach im 2. Baß" singen und fiel dort als „Schusterbaß" unangenehm auf.
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Die Anatomen Rauber-Kopsch haben darauf hingewiesen, daß die Kehlkopfknorpel schon im 3. Lebensjahrzehnt verknöchern und verkalken können, wodurch halbstarre Substanz (Stützgewebe) starr wird, also ein Elastizitätsverlust eintritt. Dieser Vorgang dürfte sich aber um Jahre und Jahrzehnte hinausschieben lassen, wenn an der Stimme gearbeitet wird. Die Entwicklung im Kehlkopf vollzieht sich also nicht, wie der Laie glaubt, von einer zarten Kinderstimme zur immer volleren und gesünderen Erwachsenenstimme, sondern eher umgekehrt. Das stimmliche Vermögen vieler Erwachsener liegt unter dem Durchschnitt, obwohl ihnen mehr Mittel und Fähigkeiten zur Verfügung stehen, an ihrer Stimme zu arbeiten, als sie glauben. Meist jedoch fehlt die Möglichkeit, hierzu Informationen oder Förderung zu erhalten. Zwei Extreme begrenzen die Variationsbreite: einerseits der Sängertyp mit erhalten gebliebenem, hochgestellten Thorax als physischer Voraussetzung, andererseits der habitus phtisicus des Schwindsüchtigen. Sogar diesen Lungentuberkulösen kann durch Wiedererwecken von Stimmkräften und damit einer Konstitutions-Verbesserung geholfen werden. Im vorgerückten Alter pflegt die stimmliche Intensität nachzulassen, ebenso die Luftmenge in der Lunge und damit der Atemdruck. „Ich werde alt, sehr alt sogar; meine Kräfte verlassen mich, meine Stimme erlischt" gestand der „Alte Fritz" seinem Vorleser Catt. Im Konzilakt seiner Musikalischen Legende „Palestrina" hat Pfitzner den alten Bischof von Budoja und den uralten Patriarchen von Assyrien meisterhaft komisch charakterisiert: mit hohen dünnen Greisenstimmchen, sozusagen als wandelnde Stimmruinen. Der Verlust an Elastizität, Geschmeidigkeit und Klangfähigkeit, wie er in den brüchigen und zittrigen Stimmen alter Menschen zum Ausdruck kommt, läßt sich verhindern oder zumindest aufhalten, wenn rechtzeitig etwas für die Erhaltung der Stimme getan wird.
4. Anwendungsformen Wei sich und seine Mitmenschen mit offenen Ohren beobachtet, hört überall einen unnötigen Stimmaufwand. In Bahnen, Büros, Geschäften und Lokalen wird meist zu laut gesprochen. Der unnötige Stimmaufwand findet eine Erklärung in dem viel zu lauten Dauerkonsum von Musik aus den Massenmedien und stört oft auch geistige Arbeit empfindlich. Ein weiterer Grund ist für viele Menschen allerdings auch der Lärm in der Arbeitswelt. Ob in Betrieben mit Großlärm, in Räumen mit Publikumsverkehr, klappernden Büromaschinen, wegen der Hitze geöffneten Fenstern, durch die der Straßenlärm überlaut hereindringt, ob bei der Arbeit an oder in der Nähe von Maschinen, überall müssen Geräusche und Lärm ständig übertönt werden. Das führt unbewußt zu einer stärkeren, über dem Normalton liegenden Stimmgebung, die auch habituell beibehalten wird, wenn sie nicht nötig ist, z. B. am häuslichen Eßtisch. Auch gibt das Telefonieren meist Anlaß, den Stimmaufwand zu überschätzen. Der Arzt Dr. Lenz beobachtete an sich selbst: „Meine sonst ganz normale Stimme wird, wenn ich laut oder am Telefon spreche, ein wenig zu hoch, so daß ich am Apparat oft als Frau angeredet werde." Pausenlose Telefonate haben sogar zu Stimmbeschwerden geführt. „Umhertelefonieren die ganzen Vormittage bis zur Heiserkeit" im Verlagslektorat von S. Fischer notierte der Dichter Oskar Loerke. Schließlich ist es auch ungezügeltes Temperament, das sich mit der Stimme und auf deren Kosten entfaltet. So kann der despotische Ton eines oder einer Vorgesetzten die Angestellten von Büros und Geschäften reizen, ja vielleicht aufsässig machen. Ebenso wird oft viel zu hoch gesprochen, z. B. in begreiflicher Erregung zu Anfang einer Verhandlung oder einer Rede. Diese zu hohe Lage, die leicht ins Falsett umschlägt, ist ein Zeichen
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unserer zu Verkrampftheit neigenden Zeit, wie anderseits das Hasten der Menschheit in zu schnellem Sprechtempo Ausdruck findet. Aufregung und Nervosität, zu denen heutzutage soviel Anlaß besteht, dürfen an der Stimme möglichst nicht hörbar werden. Eine betont ruhige Tongebung vermag auf den ganzen Menschen beruhigend zu wirken. Das sollte besonders im Verkehr zwischen Vorgesetzten und Angestellten der Fall sein. Eine im heftigen Ton vorgebrachte Kritik führt häufig zu einer Angstreaktion, die sich durch ein Trockenwerden der Kehle äußert und es dem Angestellten unmöglich macht, sich wirkungsvoll zu rechtfertigen. Als der spätere amerikanische Botschafter Kennan bei seiner Prüfung für den Auswärtigen Dienst als erster Kandidat vorgestellt wurde, war er so starr vor Schrecken, daß seine Stimme bei der Angabe des Geburtsortes Milwaukee, Wisconsin, auf der zweiten Silbe von Wisconsin ins Falsett umschlug und unter den Kommissionsmitgliedern ein lautes Gelächter auslöste. Zum rettenden Helfer wird die Stimme vielfach in Situationen der Gefahr. Bei Uberfällen dient sie, wie fast täglich Zeitungsmeldungen bekunden, geradezu als Waffe. Der japanische Zeitungskönig Noma berichtete über sein Verhalten bei einem nächtlichen räuberischen Überfall: „Der plötzlichen Eingebung des Augenblicks gehorchend, stieß ich ein Wutgebrüll aus und drohte, sie mit meinem Stock zu schlagen. Die Männer flüchteten, schon durch die Gewalt meiner Stimme verscheucht. Dank meiner Fechtausbildung vermochte ich, was kriegerisches Geschrei betrifft, einiges zu leisten." Nach einem Bericht vom Juni 1966 kann man in Australien gellende Schreie dosenweise kaufen. Durch Knopfdruck wird ein ohrenbetäubendes Geheul ausgelöst. Das Gerät war nach eingehendem Studium von Polizeiakten aus der Erfahrung entwickelt worden, daß die Mehrzahl plötzlich angegriffener Frauen nicht in der Lage ist, zu schreien, weil Angst die Stimme „erstickt".
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Ein häufiger, wenn auch harmloserer Anlaß, seine Stimme zu gebrauchen und das in allen Tonlagen, ist die Situation des Eingeschlossen- oder Ausgeschlossenseins. Freiherr von Knigge beschreibt in seiner „Reise nach Braunschweig" einen heiteren Vorfall dieser Art. Nicht selten verdanken jedoch Menschen einer kräftigen Stimme ihr Leben. Erwähnt seien die zahlreichen Fälle der Rettung von Verschütteten nach Erdbebenkatastrophen, von Verirrten in ihnen unbekannten Gegenden bei Nacht oder im Nebel. Wilhelm Filchners Erlebnis, als er in Tibet die Richtung verfehlt hatte, soll als Beispiel für viele stehen. „Ich brüllte noch einmal in die Nacht hinaus. Mit der Kraft der Verzweiflung stieß ich einen als Notsignal vereinbarten tibetischen Ruf aus." Von dem gewiß seltenen Fall, daß die menschliche Stimme auch als Orientierungshilfe in der Luftfahrt eingesetzt wurde, berichtet Wrobbel: „Zum Landen der Zeppeline waren etwa 350 Mann versammelt; sobald sie die Silhouette des Luftschiffes im Nebelmeer erkennen konnten, hatten sie laut Befehl ihren Standort durch chaotisches Schreien und Pfeifen bekanntzugeben. Da die Schätzung der Höhe des Schiffes schwierig war, liefen die Mannschaften unter ständigem Gebrüll mit in der Vermutung, daß der Kommandant, der ja die Stimmen hören mußte, zur Landung bereit war." Auch heute noch sind bestimmte mechanische Arbeiten auf Befehlsgabe angewiesen, wozu die Stimme geeigneter ist als eine Zeichensprache, weil diese mindestens eine freie Hand bedingt, während die Stimme auch im Finstern und von Partnern, die sich nicht sehen können, gehört wird. Am bekanntesten ist bei uns der Ruf Hau-ruck. Das Streben nach rhythmischer Arbeitsgestaltung durch akustische Stimmsignale, schon bei den Primitiven bekannt, hat zu einer ganzen Literatur von Arbeitsgesängen aller Völker geführt. Die Stimme dient dem Arbeitstakt wie zur Ermunterung. Es werden dabei auch die Arbeitsgeräusche einbezogen. Die Arbeitsmotorik hat wiederum
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die Komponisten zu künstlerischer Gestaltung angeregt, wofür der Chor der Spinnerinnen und der Matrosenchor in Richard Wagners „Fliegendem Holländer" anschauliche Beispiele bieten. Ebenso sind die Schmiedelieder im „Siegfried" musikalische Stilisierung des Arbeitsrhythmus. Die Muskelanspannung bei körperlicher Arbeit bringt unwillkürlich Vibrationen der Tonwerkzeuge mit sich, die zum Ausgleich an der Arbeitsleistung teilnehmen: durch Verschluß des Kehlkopfes mit Stauung der Luft unterhalb desselben wird der Oberkörper zu einem Hebelarm, der die Anstrengung erleichtert. Das kann jeder an sich selbst beim Wegrücken eines schweren Gegenstandes (Kiste oder Möbelstück) beobachten. Solche unbewußten Lautfunktionen entstehen noch bei vielen anderen Gelegenheiten: der Mensch stöhnt, um einen Schmerz zum Ausdruck zu bringen. Wie das Wort Aus-druck sagt, muß hier ein bestimmter Druck vorhanden sein, und zwar ein aus der Lunge kommender Luftdruck, der mit dem Stöhnlaut verbunden wird. Niesen gibt eine Vorstellung von der orkanartigen Gewalt dieses Luftdruckes, der die Schnelligkeit der höchsten Windstärke erreicht und beim Husten ermöglicht, Fremdkörperchen zum Lösen zu bringen und auszustoßen. Durch Beteiligung der Stimme an traurigen und heiteren Ereignissen sowie als Ausdrucksmittel von Gemütsstimmungen werden beim Weinen langgezogene Seufzer hörbar. Das Schluchzen ist eine stoßweise abnorme Einatmung, Heulen läßt kontinuierlich an- oder absteigende Töne heraushören. Die beim Lachen von Zwerchfellimpulsen angetriebenen lauten Ausatmungsstöße werden so deutlich fühlbar, daß „zwerchfellerschütterndes Lachen" sprichwörtlich geworden ist. Das Lachen kann in der Skala stimmlicher Äußerungen auch als Selbstzweck erscheinen, wie die Erfahrungen O. M. Grafs beim Militär zeigen: „Nach und nach merkte ich erst, was für eine erstaunliche Waffe ein Gelächter ist, und ich wandte sie bei
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jeder Gelegenheit mit fast schwindelerregender Sicherheit an. Mir war nicht mehr beizukommen." Großer Stimmaufwand ist auch Ausdruck der Freude, des Feierns froher Feste und vieler alter Bräuche. Nach Schleswiger Sitte hatten die Frauen auf dem nur halb beladenen Wagen mit dem letzten Kornfuder unterwegs unbändig zu kreischen. „Diese gemeinsame Hingabe an die Kraft ihrer Kehlen und Lungen im Bunde mit dem Schnaps berauschte sie" (VoigtDiederichs). Seelische Auswirkungen von Ehekrisen auf die Stimme hat außer Sinclair Lewis besonders Strindberg aufgrund von drei gescheiterten Ehen beschrieben. In seiner selbstbiographischen Darstellung sagt er u. a.: „Seit 3 Wochen hatte ich mit keinem Menschen gesprochen; dadurch war meine Stimme gleichsam verschüttet, klanglos und unhörbar geworden: als ich die Magd ansprach, verstand sie nicht, was ich sagte, und ich mußte das Gesagte mehrere Male wiederholen. - Meine Stimme, die infolge der ständigen Gewohnheit, eine nervöse Frau zu liebkosen, halb erloschen ist, gewinnt ihren sonoren Klang wieder." Aus soziologischer Sicht gibt es berufsspezifische und gesellschaftsspezifische Stimmkategorien. In der Oper ist zwar eine stimmliche Typisierung üblich, den Helden in tenoralem Glanz und seine Geliebte in Sopran-Lieblichkeit erstrahlen zu lassen, Respektspersonen (Könige und Priester) mit Bassisten, Charakterrollen (Bösewichte) mit Baritonisten, Ammen und Mütter mit Altstimmen zu besetzen, und gleiche Rollenverteilung hat das Schauspiel ausgeprägt; doch entspricht diese Stilisierung: Jugend und Reinheit = hohe Stimme, Alter und Reife = tiefe Stimme keineswegs dem wirklichen Leben. Hier bestehen vielmehr unbewußte Beziehungen zwischen Stimme und Berufsart; umgekehrt nimmt auch die berufliche Tätigkeit deutlichen Einfluß auf die Stimmgebung. Wenn es ein typisches Berufsgesicht gibt, so auch eine Berufsstimme; dabei wird sich der
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ärztliche, der geistliche und der militärische Beruf als besonders relevant erweisen (s. II. Teil). Stimmliche Fähigkeiten sind unabhängig vom sozialen Status, aber beim Arbeiter der Faust - an der Basis der Gesellsdiaftspyramide stehend - kann Interesse für stimmliche Belange kaum erwartet werden; doch steigt es in Richtung zur Pyramidenspitze an und gehört hier zur sozialen Stellung des Geistesarbeiters. Klangspezifika höherer Gesellschaftskreise hat G. v. Rezzori persifliert: „Beim Hochadel wird offenbar mit anderen Sprachwerkzeugen gesprochen, gaumiger und dafür weniger kehlig, was den Wohlklang erhöht; aber das Nasale, das vielen Imitatoren als das wesentliche Merkmal erscheint, ist nicht Aristokratendeutsch . . . Zackige, schnarrende Töne zeichnen den niederen Adel aus." Mit einer klangvollen und wohlgebildeten Stimme als tönender Visitenkarte und als Spiegelbild der Persönlichkeit wird man stets einen sympathischen Eindruck bei seinem Mitmenschen machen. Das dürfte für Leben und Beruf außerordentlich förderlich sein, gibt es doch hellhörige Menschen mit sensiblem Reagieren auf Stimmen, was nachfolgend zitierte Personen bezeugen: Der Porträtmaler Hanns Fechner: „Ganz besonders beeinflußte mich der Tonfall der menschlichen Stimme. Ich war geradezu abhängig von ihr und fühlte mich sofort leidenschaftlich hingezogen zu Menschen, deren Organ mich angenehm berührte, während eine breite Kluft mich von allen Besitzern mit unangenehmen Stimmen trennte." Der Dichter Heinrich Vierordt, der ein sehr lautes Organ hatte: „Leider habe ich eine krankhafte Abneigung gegen unschöne Stimmen und bin leicht durch seelenvollen Stimmklang zu blenden." Von entscheidender Bedeutung kann also sein, wie etwas gesagt wird: „Der Ton macht die Musik." Biehle, Stimmkunde
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5. Ergebnisse der Stimmpsychologie Die Sprachpsychologie, richtiger Sprechpsychologie, hat seit Drach, der als erster eine Klassifikation am Sprechenden wahrnehmbarer phonischer Merkmale unternahm, sowie durch Fröscheis, Gutzmann, Rieffert u. a. Initiative erhalten. Eine maßgebende Darstellung insbesondere der Psychophonetik durch charakterologische Analysen mit Versuchsreihen psychologischer Tests und Sprechproben mittels Tonbandaufnahmen ist R. Fährmann zu verdanken. Die Sf/rwMpsychologie untersucht das stimmliche Verhalten der Menschen in bezug auf ihre Konstitution, die Summe körper-seelischer Gegebenheiten, und versucht aus dem Klang Aufschlüsse über Persönlichkeit und Naturell, Leistungsfähigkeit und Einstellung zur Umwelt zu gewinnen. Hierzu liegen experimentelle Untersuchungen der meisten Psychologischen Universitätsinstitute vor, ursprünglich mit primitiven Methoden, indem von der Schalldose des Grammophons ein Schlauch zu einer Schreibkapsel führte. Namentlich in der Wiener Universität und der Harvard University erhielt dieses Fachgebiet wissenschaftliche Förderung. Das vorliegende Kapitel will Material zur angewandten Stimmpsychologie beisteuern mit der Fragestellung: 1. Welche Zusammenhänge bestehen zwischen Stimme, Persönlichkeit und Charakter? 2. Was ist aus einer Stimme herauszuhören? 3. Wieweit kann eine Stimme auf Andere einwirken und welche Rolle spielt sie im zwischenmenschlichen Verkehr? 4. Welche Konsequenzen ergeben sich für die Praxis, z. B. bei Bewerbungen, in der Kriminalistik usw. Wird die alte Lehre von den vier Temperamenten auf stimmliches Verhalten übertragen, so fallen Choleriker durch harten, kräftigen Sprechton auf, Sanguiniker durch frische Klangfarbe,
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während Phlegmatiker an müder, Melancholiker an tiefer, dunkler Tongebung zu erkennen sind. Nach der Typenlehre von Ernst Kretschmer zeigt der schlanke und ranke, hagere und magere Astheniker, meist ein stiller, empfindsamer Gedankenmensch mit schmaler Brust, deshalb auch leptosom genannt, und schwacher Lunge eine leise Stimme. Es besteht die Neigung zum habitus phtisicus des Lungentuberkulösen. Dagegen wird der athletisch-muskuläre Mensch, gewöhnt, sich mit dem Ellenbogen rücksichtslos durchzusetzen, hierbei auch eine kräftige Stimme entfalten. Beim Pykniker gibt zwar die Körperfülle des Rundwüchsigen einen guten Resonanzboden, doch können die Genüsse einer vorwiegend vegetativen Lebensweise mit viel Alkohol, Nikotin und scharfen Gewürzen eine ungünstige Wirkung auf die Stimme ausüben. Wie das Herz verfettet, wird bei Mangel an körperlicher Ausarbeitung und Abhärtung infolge Bequemlichkeit auch eine fette Stimme entstehen. Dieser terminus ist öfter in der Literatur zu finden, z. B. nennt A. v. Puttkamer die Stimme der Königin Isabella von Spanien „etwas fett", schildert Th. H. Pantenius seinen ersten Hauslehrer: „klein und dick, dicke Finger, fette Stimme". Hier ist das Stimmorgan in die allgemeine Charakterisierung einbezogen und in Ubereinstimmung mit den Körpermerkmalen gebracht worden. Es kann aber auch - berühmte Ausnahme von der Regel ein direktes Mißverhältnis zwischen Konstitution und Stimme bestehen. Bekanntester atypischer Fall war Bismarck, ein Recke mit hoher, schwacher Stimme. Graf Zeppelins Stimme war weit entfernt von dem, was die Allgemeinheit eigentlich an Stimmkraft bei einem Volkshelden vermutete. Diesem Eindruck Ernst Heinkels liegt die richtige Empfindung zugrunde, daß eine bedeutende Persönlichkeit auch ein entsprechendes Stimmorgan erwarten läßt. Gleiches gilt von der hohen Fistelstimme Ernst Haeckels, die in Disharmonie zu seinem mächtigen Körper stand; dünne Stimmen kontrastierten beim Grafen Haeseler und 3*
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General Ludendorff zum äußeren Habitus. Eine heitere Erfahrung berichtet der bekannte Rundfunk- und Fernsehjournalist Peter von Zahn aus seiner Soldatenzeit: Während des Nachtdienstes als Funker und Fernsprecher im Manöver wurde mit den „Fräuleins vom Amt" kleiner Lausitzer Städtchen geflirtet. „Eine Stimme hatte einen eigentümlichen taubehafteten Wohlklang; sie lachte so lustig. Bei einer Verabredung erschien ein Riesenweib mit zwei großen Goldzähnen aus dem Munde bleckend." Die Stimme kann sogar Mängel im Äußeren vergessen lassen und wettmachen; so nannte Staatssekretär R. v. Kühlmann den Großreeder Albert Ballin „nichts weniger als schön. Die Natur hatte ihm aber eine sehr gewinnende Stimme verliehen. Diese Stimme, verbunden mit einer maßvollen Ruhe des Sprechens verlieh ihm etwas sehr Uberzeugendes". Daß umgekehrt eine mangelhafte Stimme durch andere Fähigkeiten teilweise ausgeglichen werden kann, wird noch an bekannten Rednerbeispielen zu zeigen sein. Die "Wiener Untersuchungen von Maria Bonaventura stellten die Aufgabe, Stimmen unsichtbarer Sprecher im Original oder auf Schallplatte den Fotografien dieser Versuchspersonen zuzuordnen, die z. T. auch persönlich stumm gezeigt wurden. Sechs Arbeiter sprachen einen Text mit der Bitte um Gehaltserhöhung an eine gedachte Chefin als Dialogpartnerin gerichtet, während sechs Akademiker über einen Skiunfall berichteten. Hierbei wurden am besten die Pykniker erkannt, dann die Astheniker und an letzter Stelle die Athletiker. Während die Grenzen zwischen diesen beiden Typen fließend erschienen, hoben sich die Pykniker deutlich ab. Ihre Körperfülle manifestierte sich in einer „Dicke" der Stimme, in hörbarem Atem und einer Tonsenkung am Satzende. Bei den Nichtpyknikern fehlte in der Regel diese Fülle, es war kein angestrengtes Atmen, aber große Spannung bis zum Satzende hörbar. Hier erfolgte die Zuordnung eher durch persönliche Merkmale, die
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viel mehr die Innerlichkeit betrafen als den Körperbau. Am besten gelang die Zuordnung in bezug auf das Alter, also besser als auf die Körperbautypen, sie ging dabei weit über die Ziffern einer Wahrscheinlichkeitsrechnung hinaus. Altersspezifisch erwiesen sich Stimmhöhe und Tempo, nicht dagegen Stärke und Rhythmus. Angeregt durch T. H. Pear, der im englischen Rundfunk vor 4000 Radiohörern einen Text von Dickens durch neun ganz verschiedene Personen vorlesen ließ, deren Alter, Beruf und Persönlichkeit anzugeben war, hat Herta Herzog im Radio Wien die gleiche Zahl von Sprechern eine Zeitungsnotiz betr. einen verlaufenen Hund vorlesen lassen. Bei einer Beteiligung von 2700 Hörern ergaben die Altersschätzungen 60 °/o Genauigkeit auf ein Jahr, wobei die Tendenz bestand, die Jüngeren zu überschätzen und die Älteren zu unterschätzen. Die Körpergröße der Sprecher wurde, mit einer Ausnahme, nicht nur absolut, sondern auch relativ, d. h. untereinander, getroffen. Die Beantwortung der Frage nach der körperlichen Größe und Dicke hatten die Hörer spontan erweitert durch Details des Aussehens, die oft überraschend richtig waren. Bei sorgsamer Sprechweise schlössen sie auf gepflegte Kleidung und schmale Hände, was in der Regel stimmte. Die Scheidung in intellektuelle und manuelle Berufe war nach dem stimmlichen Eindruck eindeutig durchzuführen, denn über 2000 hörten den Taxifahrer heraus, 50 %> bezeichneten den Professor als Akademiker usw. Nach dem Gesamtresultat dieses Massenexperimentes kommen an der Stimme die physiologischen Daten, das Milieu, also die lokale, nationale, religiöse und soziale Herkunft - wobei der Dialekt wichtige Aufschlüsse gibt - und die Innerlichkeit in einer für den Hörer weitgehend richtig erfaßbaren Art zum Ausdruck. Die Menschen unterscheiden sich auch durch verschiedene Betonungen im Sprechen: die einen bevorzugen den musikalischen Akzent mit vorübergehender Erhöhung des Sprechtones,
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wobei die betreffende Silbe vor den anderen monotoneren hervortritt; andere fallen durch dynamischen Akzent mit Verstärkung des Tones auf, es ist der wichtigste Akzent. Wieder andere verlängern die Zeitdauer durch temporalen Akzent. Nach der charakterologischen Analyse der Sprechweisen von Rieffert passen die Melodiker ihre Sprechweise der Bedeutung des Gesprochenen an, d. h. sie betonen nach dem Inhalt des Gesprochenen: das Wichtige wird dabei betont, das Unwichtige tritt zurück. Bei den Rhythmikern ist das Ungleichartige vor allem im Rhythmus ausgeprägt, der gegenüber dem Melos hervortritt. Von neueren Untersuchungen interessiert die Unterscheidung der von F. Trojan aufgenommenen Versuchspersonen nach Gefühlstypen: der subjektive Gefühlstypus zeigt reich gegliederte Intonationskurven mit beträchtlichen Höhenschwankungen bei langsamer Sprechart. Beim verstandesmäßigen Typ fallen flache Intonationskurven, wesentlich schnelleres Tempo und zarte, aber präzise Akzente auf. Der objektive Gefühlstypus hält die Mitte zwischen diesen beiden Typen. Die Akustiker ähneln dem subjektiven Gefühlstypus bei mangelndem Gefühlsausdruck, die Visuellen stehen dem intellektuellen Typ nahe, die Motoriker zeigen ungewöhnlich kräftige dynamische Akzentuierung, oft ohne Rücksicht auf Sinnbezüge. führen mehrere StuZu einer Art Völkerstimmpsychologie dien über Menschheitstypen von W. E. Peters, der berühmte Europäer und Amerikaner nach stimmanalytischer Methode untersuchte. Danach ist im Osten fallende Sprechart, im Westen steigende Sprechart typisch, diese zeigt starke innere Spannkraft. Amerika hat keinen so einheitlichen sprechmelodischen Typus wie Europa. Infolge der Freiheit in der Sprechmelodik passen sich die Einwanderer in Amerika so schnell an. In völkerpsychologischer Hinsicht kontrastieren die Romanen zu den Germanen: während die mundfertigen Romanen das oratorische Element in Stimme und Sprache lieben, bevorzugt
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der Germane das musikalische Element: ihn erfüllt eine harmonische Stimme mit Wohlgefallen. Tiefe Stimmen vermögen uns erhaben, tiefsinnig zu stimmen, höhere Stimmen zarte Empfindungen auszulösen. Durch Rassenanlagen und Klimaunterschiede ist für Italien ein hohes Organ typisch, in der Gesangskunst Koloratursopran und Tenor, für Deutschland heldische Stimme (Heldentenor, hoher Heldenbariton), für Rußland tiefe Stimme (Baß). Die deutsche Sprache ist konsonantenreicher als die italienische, kommen doch Anhäufungen bis zu fünf Konsonanten vor, z. B. im „Lohengrin": „sollt Zweifel", „selbst wer", „willst du". Der Konsonantenreichtum gibt unserer Sprache eine besondere Prägnanz, zugleich aber auch eine klangliche Hemmung. Diese Unterschiede dürften die bekannte Erwähnung der „rauhen Stimmen der Germanen" bei Tacitus mit erklären. In den romanischen Ländern mit klangvoller Sprache ist eine Sangeslust im ganzen Volk anzutreffen, mehr als in den anglo-amerikanischen Ländern. Hier zeigt der Redner bei geringerem Tonumfang äußerlich sparsame Gesten, dagegen begleitet der Romane reiche Tonmodulation mit starker Gestik. Südliche Völker verbinden ungezwungeneres Äußeres mit lebhaft melodischer Sprache, während wir leichter zu einer Verkrampfung neigen, die sich auch in gepreßter Stimme und starrem Atem bemerkbar macht. Für die 2. Frage: Was ist aus einer Stimme herauszuhören? sind die praktischen Erfahrungen von Blinden äußerst aufschlußreich, bei denen durch Ausfall eines Sinnesorganes die anderen geschärft arbeiten, die Gehörsfähigkeit erhöhte Aufgaben übernimmt. Der allmählich erblindete Däne Karl Bjarnhof: „Man lernte, die Leute mit Sicherheit an den Stimmen zu erkennen und hörte diesen an, wie die Leute in den Augen aussahen. Man lernte die Menschen kennen an ihrem Gang, einem Händedruck, an einer so unscheinbaren Kleinigkeit wie einem Räuspern oder Husten."
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Der Korbflechter Arthur Evans, der mit 14 Jahren das Augenlicht verloren hatte, nach 30 Jahren durch eine kühne Operation wieder sehend geworden war: „Sagen Sie es allen, die es angeht: die Stimmen lügen nicht! Meine Frau und die Kinder haben ganz genau so ausgesehen, wie ich sie mir als Blinder nach dem Stimmklang vorgestellt hatte. Bei den Freunden war es genauso." Der blinde Ernst Haun spricht sogar von einem Sehen der Blinden, indem sie aus der Stimmresonanz auf den Gesamtkörper schließen, ob sie aus einem fleischigen oder mageren Körper kommt. Auch den Charakter wissen sie vor allem nach dem Gehörseindruck zu erkennen. Eine Erregung hören die Blinden aus der Stimme ebenso deutlich wie der Sehende sie am Gesichtsausdruck wahrnimmt, ja noch leichter, weil sich äußerlich, z. B. durch ein Lächeln, etwas verbergen läßt, das aber in der Stimme nicht verborgen bleibt. Der Kriegsblinde Dr. Erich Lötz: „Je mehr sich mein Gehör besserte, um so stärker achtete ich besonders auf die Stimme. Aus der Klangfarbe des Organs entstand mir das Bild des inneren Menschen. Leid und Freud, Anteilnahme und Ablehnung drangen unverhüllt und oft erschreckend deutlich auf mich ein. Die weichen zögernden Stimmen voll verhaltener Schwermut, die hell metallisch glänzenden und die herb gebieterischen, der herzlich warme Tonfall einer impulsiven Natur, die gepflegte zurückhaltende Sprache eines überfeinerten Stilgefühls, die Disharmonie nervöser greller Stimmen, die fast körperlich weh tun können - sie alle gaben mir den Einblick in einen bestimmten Charakter preis. Die Skala aller Empfindungen breitete sich in solchen Klängen vor mir aus. Das menschliche Sprechorgan ward für mich zum Spiegel des ganzen Menschen. Tausende von Stimmen glitten an meinem Ohr vorüber, doch jede eigenartig, eigentümlich, unverwechselbar. Noch nach
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Jahrzehnten konnte ich eine Stimme wiedererkennen. Der Klang eines Wortes genügte, auch in der Erinnerung, um sofort das vollständige Bild des Menschen in mir wachzurufen. Überraschend war es mir selbst, daß aus der Seele, die durch die Stimme zu mir sprach, auch ein ganz bestimmtes Äußeres sich mir mit innerer Notwendigkeit ergab. In intuitiver Schau sah ich vor mir die Stimmen, die Seele, das Leben wie eine leuchtende geistige Gestalt, fest umrissen und geprägt." Der mit 8 Jahren durch Sturz in einer Pariser Schule erblindete amerikanische Universitätsprofessor Jaques Lusseyran widmet mehr als drei Seiten seiner Autobiographie diesem Thema, wovon hier nur die wichtigsten Sätze zusammengezogen sind: „Die menschliche Stimme erzwingt sich ihren Weg in unser Inneres; hier vernehmen wir sie. Will man sie richtig hören, muß man sie im Kopf und in der Brust vibrieren, in der Kehle nachklingen lassen, als ob sie für einen Augenblick die eigene wäre. Das ist sicher der Grund, warum Stimmen uns nicht täuschen. Während die Vorschriften der Menschen in Dingen des Körpers so heikel sind, sind sie doch nie auf den Gedanken gekommen, die Blöße ihrer Stimme zu bedecken, ihre Berührung einzuschränken. Überdies weiß ein Mensch nicht, daß er sich beim Sprechen verrät. Wenn sich die Leute an mich, den kleinen Blinden, wandten, waren sie nicht auf der Hut. Sie ahnten nie, daß ich in ihrer Stimme wie in einem Buch lesen, schließlich, ohne es zu wollen, ohne daran zu denken, so vieles in den Stimmen lesen konnte, daß sie mich mehr interessierten als die Worte, die sie formulierten. Eine schöne Stimme blieb auch bei Husten und Stottern schön. Eine häßliche Stimme dagegen konnte sich süß stellen, sich parfümieren, behaglich schnurren oder flöten; sie blieb stets häßlich. Kurz, ich entdeckte die Welt der Stimmen - eine unbekannte Welt. Wie sollte ich anderen Menschen erklären, daß
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alle meine Gefühle ihnen gegenüber - Sympathie oder Antipathie - von ihrer Stimme ausgingen? Ist eine Wissenschaft von den Stimmen oder Phonologie möglich? Zweifellos. Ist sie wünschenswert? Ich fürchte, nein. An dem Tag, an dem gierige, skrupellose Menschen die Kunst, die menschliche Stimme zu durchschauen, ganz beherrschten, sie zu entziffern und nach Belieben zu formen verstünden, wäre es mit dem bißchen Freiheit, das wir haben, vollends zu Ende." Der blinde amerikanische Dozent Robert Russell über seine Vorlesung: „Es wollte mir anfänglich nicht gelingen, jede Stimme richtig zu identifizieren; doch bald merkte ich, daß es deshalb nicht gelang, weil die Studenten ihre Plätze nach Belieben wechselten. Was ich brauchte, um meine Klasse zu ,überschauen', war eine feste Sitzordnung. Auf meine Bitte hin sagte man mir das zu, und nach einem Monat kannte ich alle meine Studenten, an die 60, ganz genau. Der Umstand, daß ich ihre Stimmen auch außerhalb des Klassenzimmers sofort erkannte, nahm ihnen jede Hemmung mir gegenüber." Die durch vorstehende Berichte dokumentierte Beobachtungsgabe wurde zum Anlaß psychophonetischer Schulung in Blindenanstalten; nach den Erfahrungen R. Fährmanns bieten Stimm- und Sprechanalysen den hierfür begeisterten Blinden wertvolle Hilfe für die Lebenspraxis. In übersichtlicher Beantwortung der 2. Frage bekundet ruhige Stimme: seelisch und geistig ruhige Haltung, kräftige Stimme: starke Lebenskraft und Selbstvertrauen, tiefe Stimme: Männlichkeit und Ernst, weiche, lyrische Stimme: Vorherrschen des Gefühls, Nachgiebigkeit, schreiend-durchdringende Stimme: Despoten, kreischende Stimme: zänkische, neidische, kleinliche Menschen, unrein-quäkende Stimme: seelische Disharmonie, deutliche Stimme: Offenheit und Klarheit, zu leise Stimme: Verlegenheit, Unsicherheit,
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murmelnd-nuschelnde Sprechweise: negative Lebenseinstellung, Unordnung in Melodie und Rhythmus: Unmusikalische, sich verhaspelnde Sprechart: Nervosität, Dialekt: Eigenschaften einer Sprachgemeinschaft, z. B. gemütliche Schwaben, frohe Reinländer. Nach Beobachtung des Psychologen Dirks zeigt scharfe Akzentuierung: Verstandes- und Willensmenschen, starke Sprechmelodie: Gefühlsmenschen, auffallendes Tempo: Temperamentsmenschen, Sprechrhythmus: Entfaltung seelischer Kräfte oder ihre Hemmung. Es liegt nahe, bei verschleimten, verschmutzten und kratzigen Stimmen gewisse Schlüsse auf den ganzen Menschen zu ziehen, bei unfreien und verkrampften Organen an Unfreiheit und Verkrampfung zu denken. Tausende von Bandaufnahmen und deren Analysen an amerikanischen Universitäten haben ergeben, daß unangenehme Stimmen innere Konflikte, Verkrampfungen, Neurosen offenbaren, angenehme Stimmen dagegen auf einen ausgeglichenen Menschen, der mit dem Leben fertig wird, schließen lassen. Aber nicht nur die Sprechstimme, auch schon das Lachen hat typische Merkmale, je nachdem, ob es sich um ein leises Lächeln, um Gemecker, Gekicher, Gekreisch oder um dröhnende Lachsalven handelt, und es kann dabei mehr die Nase, Kehle oder Brust beteiligt sein. Befreiendes Lachen hört man vorwiegend auf dem Vokal A, Kichern auf I, schadenfrohes und höhnisches Lachen auf E oder O, es hat also jede Lachart ihre entsprechende Lautgebung. Mantegazza nennt das Lachen der Frauen und Kinder metallisch, das der Katarrhalischen und Korpulenten fett und pastos, das geistreicher Menschen sprühend und scharf, das der wollüstigen Frauen samten und das der Egoisten unharmonisch, und so erkennt man am Lachen noch weit mehr als nur „den Narren". Die Beobachtung und Beschreibung von Stimmen hat zu teilweise sprachlich neuartigen Charakterisierungen und meta-
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phorischen Vergleichen geführt; so z. B. wenn Heinrich Heine über seinen Vater sagt: „Seine Stimme hatte etwas, das an Waldtöne, etwa an Rotkehlchenlaute, erinnerte; wenn er sprach, so drang seine Stimme so direkt zum Herzen, als habe sie gar nicht nötig gehabt, den Weg durch die Ohren zu nehmen", oder wenn Theodor Heuss von dem kupfernen Ton Bebels spricht, Rittelmeyer von dem bellenden Ton Treitschkes, Schwerin von Krosigk die Stimme Stresemanns blechern und klirrend, M. J. Bonn diese verrostet nennt, Hitlers Biograph Konrad Heiden dessen fanatisches Krähen und Stresau dessen kreischendes Organ moniert. Sogar den Geist bzw. Ungeist einer Zeitepoche hat Tami Oelfken herausgehört, wenn sie sagt: „In geistiger Unfreiheit wachsen keine guten und freien Stimmen, sondern nur traurige und verstümmelte Töne sind zu hören. Ein noch so leidenschaftlich anmutendes Geschrei nützt nichts, wenn nicht gerechte Wut und gefühlter Schmerz dahinterstecken." Ein Psychogramm der deutschen Nation von W. Backhaus stellt fest: „Die meisten Deutschen ahnen gar nicht, wie oft sie durch das unbewußt Autoritäre schon im Tonfall ihrer Sprache . . . Unbehagen erzeugen." Stimmpsychologische Beobachtung gilt nicht nur der Grundhaltung von Stimmen, sondern auch ihren aktuellen Veränderungen entsprechend dem jeweiligen Affektzustand, werden doch die Gemütsbewegungen als Stimmungen bezeichnet. Hierzu ein besonders anschaulicher Fall empirischer Stimmanalyse mit unbewaffnetem Ohr, wenn auch keiner wissenschaftlichen Quelle entnommen, doch von autobiographischem Aussagewert: Jack Bilbo, eigentlich Hugo Baruch aus Berlin, war im Laufe seines abenteuerlichen Lebens während des 2. Weltkrieges vom Psychologischen Kriegsdienst der Engländer in London mit folgender Aufgabe betraut: „Man spielte mir die letzte Rede Hitlers vor und anschließend seine vorletzte und eventuell auch eine, die schon längere
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Zeit zurücklag. Ich hatte nun Vergleiche anzustellen, und zwar im wesentlichen an Hand der Tonstärke und Tonhöhe und dem Sprechrhythmus, letztlich aber doch intuitiv: In welcher Stimmung befindet sich der Mann? Aus welcher Gefühlslage heraus spricht er? Sind Veränderungen eingetreten? Läßt seine Siegessicherheit nach? Ist mit Inkonsequenz und nachlassender Geisteskraft zu rechnen, oder hat er sich von einem Tiefpunkt der Unsicherheit wieder erholt?" Es ist also bei Stimmanalysen die Normalhaltung zu unterscheiden von Veränderungen durch akzidentelle Situationen, wobei schon der Atem Abweichungen vom Normalen zeigt, der bei Schreck und Aufregung kürzer und unruhig wird, während die Stimme in hohe Tonlage geht; die Erregung kann zu akuter Heiserkeit und Stimmlosigkeit führen, wie sie Gerichtsmediziner von Psychosen kennen, Verlegenheit und Angst zu Trokkenheit im Munde, da auch die Speichelsekretion unter seelischem Einfluß steht. Der drastische Berliner Jargon charakterisiert das zutreffend: da bleibt die Spucke weg. Die Trockenheit im Munde ist also keine Folge falscher Sprechweise, sondern eine Stresswirkung. Als ein Patient des Nervenarztes Dr. Lungwitz seine Liebeserklärung machen wollte, bekam er derartige Schmerzen im Kehlkopf, daß er nicht reden konnte. Für die Angst ist harter Stimmeinsatz charakteristisch. Im Schmerz- und Wutschrei findet ein krampfartiges Zusammenziehen auch der Stimmuskeln statt und ergibt einen hohen, lauten Ton. Dagegen wird die Stimme bei Trauer gedrückt, umflort, mühsam, leise, tief, sozusagen auf Moll gestimmt Seufzeratmung ist Ausdruck von Traurigkeit und Gemütsschwere. Während in freudiger Stimmung bessere Durchblutung und innere Gelöstheit eine freie und befreiende Stimmentfaltung ergibt, hat Ärger durch Verengung und Hemmung in den Gefäßen und Drüsen eine unlustbetonte Stimmgebung im Gefolge. Da die Affekte auch auf die Drüsentätigkeit einwirken, werden hierdurch Schwingungsfähigkeit und Elastizität der
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Stimmbänder beeinflußt, es fehlt dann, wie bei der versagenden Maschine, der Tropfen ö l . Stimmliche Disposition erfordert jenen Tropfen ö l in Form eines aus Drüsen oberhalb der Stimmbänder kommenden Sekrets. Voraussetzung für Stimmanalysen bildet eine Beobachtungsgabe mit geschultem Ohr; „denn nur unser Ohr ist der sicherste Gradmesser für das, was wir allgemein als Norm bezeichnen, und kann uns sagen, wo eine Uber- oder Unterwertigkeit der Schallform (im Gesamtgefüge) vorliegt". Diese von Fährmann geforderte „systematische Schärfung des Ohres durch ein hohes M a ß an Übung" wird bei pädagogischer Arbeit an Stimmen aller Art einschließlich der eigenen am sichersten erreicht. Es kann auch längere Abgeschlossenheit vom Umgang mit anderen Menschen während einer Haft die gehörsmäßige Beobachtung anregen, wie der Musiker Chr. Fr. Daniel Schubart aus seiner zehnjährigen Festungshaft auf dem Hohenasperg mitteilt: „Da ich Menschen hörte, obgleich ich sie nicht sah, so war es meine liebste Unterhaltung, auf ihre Stimmen zu horchen und Versuche darüber zu machen, wieviel sich vom physischen, geistigen und sittlichen Charakter des Menschen aus der Stimme erraten lasse. Es ist mir bei manchen gelungen, wie ich hernach erfahren habe. So wie sich das Alter nach den verschiedenen Stufen in der Menschenstimme abbildet, so zeugt nicht selten auch der Ton von seinen inneren Eigenschaften." Als Partisan (Estland) im Gemeindehaus eingesperrt, hörte Hermann Behr „Schritte eines Mädchens oder einer Frau, versuchte, sich die Person vorzustellen, zu der sie gehörten und hörte ihre Stimme, wenn sie zu den Kindern sprach. Die Stimme war weder alt noch jung, aber es lag etwas darin, was zu den Schritten paßte. Man hätte sagen können, daß Schritte und Stimme denselben Charakter hatten." Als Regel gilt jedoch, das Urteil über einen unbekannten Menschen nie nach der Stimme allein zu fällen.
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Bevor nun die Einwirkung der menschlichen Stimme auf Andere behandelt wird (3. Frage), soll das Verhalten von Tieren gegenüber menschlicher Ansprache kurz berührt werden. Dabei wird nicht auf subjektiven Anthropomorphismus von Haustierhaltern, sondern auf Erfahrungen in der Wildnis bzw. bei Dressur oder Vorführung im Zirkus Bezug genommen. Ch. Kearton stellte bei seinen Kamerajagden fest, daß Löwen auf Schüsse nicht immer in gleicher Weise wie auf Geschrei reagieren. Als sein Freund in Gefahr war, rief er so laut er konnte, „Löwen, schreit, schreit!" und bewirkte bei den Löwen eine Reaktion des Erschreckens. Einem Eingeborenen, der von einem Tiger angefallen wurde, rettete er durch einen lauten Schrei das Leben, und als ihm selbst ein Bär „an den Kragen" wollte, veranlaßte er durch lautes Schreien und Aufspringen den Bären zum Rückzug. Der Dompteur A. Kerr verlangt Kontrolle über die Stimme bei der Berufsausübung: Brüllen, besänftigend sprechen, sanftes Abwehren, Tiernamen mit lautlicher Dehnung ganz deutlich betonen, und Georg Weiß schreibt von seinen Raubtieren: „Auch hier gibt es Erregungszustände, die sich stauen und dann zur ,Explosion' drängen. Dann ist oft ein leises Wort des Dompteurs das beste Beruhigungsmittel. Spricht er es nicht zur rechten Zeit, dann kann es für ihn selber zum Verhängnis werden". Auch die Dompteuse Ciaire Heliot, die ihre Löwen mit Wortmahnungen und ohne Pistolen vorführt, bestätigt die Erfahrung: „Sprechen nützt immer bei den Löwen, im Guten und wenn es mulmig wird. Peitsche und Zinkenspeer sind lediglich eine Dekoration, die gern wegbleiben kann. Meine Stimme genügt mir zur Sicherung" (nach P. Eipper). A. Moszkowski, der ein Manegestück für den Zirkus Schumann geschrieben hatte, beobachtete den berühmten Zirkusdirektor Albert Schumann während seiner Pferdedressuren: „Bei den Vorübungen hatte er einen gedämpften Tonfall mit Nuancen der Stimme, wie sie außerhalb dieser Studien niemals
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vorkamen. In dem besonderen Timbre dieses Organs lag etwas, das die Tiere nicht nur zur Aufmerksamkeit anhielt, sondern auch ihren Willen erregte, ein Uberredungszwang. Hier nahm man wahr, wie die Pferde auf das leise, sonderbar getönte Stimmsignal lauschten, probierten und schließlich das Verlangte auszuführen begannen. Diese Dressur hing von sprachlich mitgeteilten Motiven ab." Was den Tieren gegenüber geübt und bewährt ist, sollte unter Menschen noch viel verfeinerter und differenzierter zur Anwendung kommen, wenn wir auf unsere Umwelt ermunternd, tröstend-beruhigend, werbend oder drohend-strafend einwirken, ja eine Macht auf Mitmenschen ausüben wollen. Diese Eigenschaften kommen auch zu zweckbetontem Einsatz. So schildert L. Strachey, wie Florence Nightingale, die zur Nationalheiligen gewordene Krankenschwester, im Krimkrieg mit milder Stimme den Verwundeten in Skutari Mut zusprach, dagegen mit bestimmtem, unbedingtem Ton bei den Sanitätsstellen bessere Krankenpflege durch Lazarettreform durchsetzte; ein Beispiel für die Variabilität einer Stimme entsprechend dem jeweiligen Partner. Wegen seiner besänftigenden Stimme wurde der schon erwähnte Großreeder Ballin von der Kaiserin Auguste Viktoria gegen Ende des 1. Weltkrieges mehrfach berufen, Kaiser Wilhelm II. schlechte Kriegsnachrichten zu übermitteln, wobei er oft stundenlang an dessen Bett saß und ihm gut zuredete (nach G. Mayer). Stewardessen nehmen Gelegenheit zu Gesprächen mit Fluggästen, um durch die Ruhe ihrer Stimme das Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Die Fähigkeit dazu wird durch Übung mit Tonbandaufnahmen erworben. Auch Pilotenstimmen werden auf „vertrauenerweckend" geschult (nach V. Packard). Ein beabsichtigtes Verstellen der Stimme beschreibt auch G. K. Glaser. Als er den Gerichtsarzt bat, ihn zurechnungsfähig zu schreiben, sprach er mit einer sorgfältig ausgewogenen Stimme, ohne hör-
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bares Zittern und ohne Hast, auch nicht zu langsam, zwar sachlich und abgeklärt, doch nicht ohne Wärme. Uber den Wandel des Tonfalls von Stimmen durch eine plötzlich veränderte Situation nach der Kapitulation des „Dritten Reiches" berichtet G. Weisenborn: „Als die Wachtmeister und Aufseher der Zuchthäuser und Gefängnisse eingesperrt wurden, hatten manche eine so engelhaft weiche, flehende Stimme gekriegt, daß man gar nicht glaubte, es sei der alte wutköpfige Brüllhals." Eine bewußt veränderte Stimmlage trifft man bei männlichen Transvestiten an, die in weiblicher Kleidung oft auch als „Bardamen" oder „Striptease-Tänzerinnen" in Erscheinung treten. Das Einspritzen weiblicher Hormone zur körperlichen Veränderung - eine operative Geschlechtsumwandlung ist in Deutschland bisher verboten - hat jedoch keinen Einfluß auf die Stimmlage. Die häufig anzutreffende weiblich hohe Stimmlage ist vielmehr absichtlich verstellt. Angewandte Stimmpsychologie spielt im Zeitalter des fernmündlichen Verkehrs eine früher nicht gekannte Rolle, weil Menschen am Telefon, im Rundfunk, auf Tonband oder Schallplatte nur nach ihrem stimmlichen Eindruck beurteilt werden. Das akustische Erleben, wie es auch durch das Hörspiel im Rundfunk geboten wird, hat die Ohren der Menschen empfindlicher gemacht. Nicht selten besitzen Personen ein ausgeprägtes Gedächtnis für nur fernmündlich bekannte Stimmen: Die Frau des ehemaligen US-Präsidenten Franklin D. Roosevelt erzählt von der Telefonistin ihres Mannes im Weißen Haus ebenso wie der ölmagnat Gulbenkian von der seines Pariser Haushaltes, daß sie jeden, der nur einmal angerufen hatte, an der Stimme wiedererkannte. In die Literaturgeschichte ist dieses Phänomen in der Gestalt des Phonetikers Professor Higgins eingegangen, der alle Menschen an der Stimme wiedererkennt (G. B. Shaw: „Pygmalion"). Biehle, Stimmkunde
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Einen Versuch, die besondere Wirkung der Stimme zu nutzen, unternahm die frühere Reichspost mit der Einführung des Sprechbriefes. Verschiedene Postämter boten Gelegenheit, dem Adressaten seine Gedanken und Wünsche auf einer Schallplatte (Folie) zu übermitteln. Eine besondere Rolle spielt die Stimme auch im Liebesleben der Menschen, wie durch die oben gesammelten Urteile über Frauenstimmen bereits angedeutet wurde. Lange vor der Erfindung des Wortes sex appeal war bekannt, daß von der Stimme der Frau eine erotische Wirkung ausgehen kann. Shakespeare z. B. läßt Cleopatra einen Boten fragen, ob Oktavia (Casars Schwester und Gattin des Antonius) tief oder hoch spräche, und erwidert auf die Auskunft des Boten, es wäre eine tiefe Stimme: „Dann klingts nicht gut, dann liebt er sie nicht lang." (Antonius und Cleopatra" III, 3). Lyrischen Ausdruck gegeben hat dieser Erkenntnis der Dichter August Graf von Platen in seinem von Karl Friedrich Curschmann und auch von Robert Schumann vertonten Gedicht „Ihre Stimme". Laß tief in dir mich lesen, verhehl auch dies mir nicht, was für ein Zauberwesen aus deiner Stimme spricht! So viele Worte dringen ans Ohr uns ohne Plan, und während sie verklingen, ist alles abgetan. Doch drängt auch nur von ferne dein Ton zu mir sich her, belausch ich ihn so gerne, vergeß ich ihn so schwer. Ich bebe dann, entglimme von allzurascher Glut: Mein Herz und deine Stimme verstehn sich gar zu gut! Heute, da die Sexualität den Charakter eines Tabus verloren hat, wird die stimmliche Komponente von den Sexologen kaum erwähnt. Nach Eustace Chasser, dessen Feststellungen noch ergänzt seien, fühlen sich Frauen viel öfter als Männer von einer Stimme angezogen. Bekannt ist die Begeisterung von Frauen für hohe Männerstimmen (Tenöre); merkwürdigerweise wirkt aber auch ein belegtes, fast heiseres Sprechorgan eroti-
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sierend. Bei Frauen kann eine männliche Stimme, auch wenn sie nur im Rundfunk zu hören ist, starke Wirkungen hervorrufen, während bei Männern vorwiegend die weibliche Stimme in Verbindung mit anderen Eindrücken den Wunsch nach Annäherung wecken soll. Liebe auf den ersten Ton ist ebenso möglich wie Liebe auf den ersten Blick. Die Stimme ist oft der größte wunscherregende Faktor im Annäherungsstadium der Liebe. Beispiele für die skrupellose Ausnutzung dieses Wissens um die erotische Macht der Stimme sind nicht selten und z. B. schon bei Jean Paul in seinem Roman „Der Titan" und dem englischen Film „Rendezvous mit der sanften Stimme" (eines Mörders) geschildert. In der Kriminalistik erhält die Rolle der Stimme, wie die Erfahrungen von Untersuchungsrichtern und Kriminalisten anhand berufseigener Beobachtungen zeigen, eine nüchterne Realität. H. Groß berichtet aus seiner Praxis von dem halbhohen, fragenden Ton eines Beschuldigten, der angeblich nicht weiß, warum er vor Gericht zitiert worden ist, während der Unschuldige heiser und stockend spricht. Nach seiner Ansicht ist für den Querulanten die geheimnisvolle Stimmfärbung charakteristisch, wenn er gegen sein Wissen einen anderen anschuldigt. Beim leugnenden Täter fallen Groß neben der tonlosen, kalten, leicht vibrierenden Stimme die schnappenden Mundbewegungen und ein unwillkürlicher Schlingreiz auf. Nach den Erfahrungen des Berliner Strafverteidigers Dr. Weimann hat der Tonfall für die Glaubwürdigkeit eminente Bedeutung, da ein Gebrauch des Lügendetektors (Polygraph) unzulässig ist. Der Kriminologe Hugo Friedlaender beschreibt jedoch anhand einiger Fälle, daß Auftreten und Stimme von Kapitalverbrechern ein falsches Bild geben können: Massenmörder Hugo Schenk 1884: stattliche Figur, intelligent, weltmännisch, sonores Organ. 4'
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Die Stimme im Leben Raubmörder Thomas Rücker (17jährig) 1907: denkbar günstiger Eindruck, auch angenehmes Organ. Totschlägerin Hedwig Müller 1913: lügt in der Verteidigung, erstaunliche Gewandtheit, bezauberndes Äußeres, wohlklingendes, prächtiges Organ.
Aufschlußreiche Ergebnisse brachte der Test eines amerikanischen Instituts für Psychologie, bei dem ermittelt werden sollte, inwieweit sich Lügner durch ihre Stimmfärbung verraten. In 82% der Fälle haben die Studenten richtig angegeben, ob die Testpersonen gelogen oder die Wahrheit gesagt hatten. Dabei zeigten sich die Studentinnen ihren männlichen Kollegen überlegen. Von den Testpersonen waren es wiederum die Frauen, die bei einer Unwahrheit ihre Stimme besser verstellen konnten als die Männer. Kriminalisten werden gelegentlich' durch eine für „beweisend charakteristisch" gehaltene Stimme getäuscht, da es zu den Gaunerpraktiken gehört, eine andere Stimmlage zu simulieren. Dies erfordert jedoch eine gewisse Anstrengung und ist nur bei kurzen Gesprächen (Telefon) durchzuführen; denn sobald die Aufmerksamkeit des Sprechenden abgelenkt wird, beim Verhör künstlich erzielt, fällt die Stimme leicht in ihre Normallage zurück; der Wechsel wird dann zum Verräter. Eine entscheidende Rolle spielte das Verstellen der Stimme in dem Baden-Badener Mordprozeß Hau. Nach den Ermittlungen hatte sich Justizrat Sello zufolge der Angeklage Dr. Carl Hau in einem Telefongespräch mit verstellter Stimme gegenüber seiner Schwiegermutter, Frau Molitor, als Postinspektor ausgegeben und diese zum Hauptpostamt bestellt. Auf dem Wege dorthin war Frau M. dann von ihm erschossen worden. Einen tragischen Akzent erhielt der Fall dadurch, daß Frau M. eine wichtige Beobachtung ihres Zimmermädchens Bächle nicht beachtet hatte. Dem Zimmermädchen war bei Anmeldung des Telefongesprächs die Ähnlichkeit der Stimme
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mit der des Schwiegersohns trotz Verstellung aufgefallen, und es hatte seinen Verdacht auch Frau M. mitgeteilt. Die Stimmfärbung, insbesondere aber der Dialekt ist in zahlreichen Prozessen ein wichtiges Indiz zur Überführung des Angeklagten. Zum Beispiel verriet sich „der falsche Prinz" Harry Domela, der die Handschrift der Hohenzollern geschickt fälschen konnte, durch seinen baltischen Dialekt, der im Hause Hohenzollern nie gesprochen wurde. Oft wird auch bei der Täterbeschreibung durch Zeugen ein stimmliches Merkmal genannt; das zur Aufklärung eines Verbrechens führt. Eine geschickte Dialektimitation kann durch Mundartsachverständige entlarvt werden. Für die Beschreibung von Tätern, die nur durch ihre Stimme bekannt sind, werden heute fortschrittliche technische Methoden eingesetzt. Telefonanrufe von Erpressern werden auf Tonband mitgeschnitten und der Bevölkerung über Hör- und Bildfunk vorgespielt. Dennoch vermochte 1964 niemand die deutlich verstellte Stimme des vier Jahre später wegen Mordes an Timo Rinnelt verurteilten Klaus Lehnert zu erkennen, dem bekannt war, daß die Polizei seine Stimme im Tonarchiv deponiert hatte. Dem Kindesentführer Jürgen Henschel hingegen wurde 1966 sein sächsischer Dialekt zum Verhängnis. Apparative Voraussetzungen für sogenannte Stimmabdrücke zur Täter-Identifizierung bietet der Sonograph, der selbst bei Verstellen der Stimme unverwechselbare Sonogramme liefert, die ähnlich den Fingerabdrücken allmählich unentbehrliches Mittel der Kriminaltechnik werden können. Über die StimmSpektrographie mit Hilfe des Tonspektrographen haben Rother sowie vom Bayerischen Landeskriminalamt Habersbrunner-Sebald-Hantsche erste Erfahrungen im deutschen Sprachbereich mitgeteilt. Im Rahmen der 4. Frage fordern die der Stimmpsychologie zu verdankenden Erkenntnisse Nutzanwendung zu unserem eigenen Vorteil; denn die Praktische Menschenkenntnis braucht und
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Fünf Personen wurden aufgefordert, „you" zu sagen. Eine Person mußte es zweimal sagen. Welche beiden Stimmabdrücke stammen vom selben Sprecher? •sjipaj uajun pun s>jui| uaqo a^prupqEuiuips Aus „Das Medium
ist
Massage".
M i t Genehmigung der Verlag Ullstein G m b H , Frankfurt/Main - Berlin
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gebraucht die Stimme als Auskunftsmittel in hohem Maße, vor allem beim Kennenlernen und einer ersten Begegnung. Schon Sokrates forderte einen Besucher auf „Sprich, damit ich dich sehe!" und W. Suhr prägte die zeitgemäße Formulierung: „Wes Geistes Kind ein Kunde ist, offenbart am ehesten seine Stimme, sein Tonfall." Um das Gefühl für Stimmklang zu wecken und zu steigern, empfiehlt sich lautes Lesen, wobei stimmliche Mängel offenbar werden können, deren Beseitigung wünschenswert wäre. An solche Leseübungen sollte man sich schon von jung an gewöhnen. So mußte Gutzkow als Knabe zu Hause Sonntag nachmittags eine endlos lange Predigt aus der „Postille" vortragen, und er bezeichnet dies als „die gesündeste Stärkung, wenn nicht der Seele, doch der Lunge; sie hob die physische Stimme, gab ihr Kraft und Nachdruck". Alles Geschriebene soll man vor Absendung laut vorlesen: wenn es sich gut liest, wird die Stimme zu klangvoller Entfaltung angeregt. Eine solche klangliche Prüfung macht Wert oder Wertlosigkeit des Geschriebenen deutlich. Also eine Qualitätsprobe auf stimmlichem Wege. Beim Auswendiglernen eines Textes wird das Gedächtnis durch lautes Sprechen entlastet, weil bei der Wiedergabe Stimmklang und Mitbewegungen der Lippen eine akustische bzw. motorische Hilfe bieten. Auch die Einprägung einer Rede wird durch lautes Probieren unterstützt, ja, beim Sprechen stellen sich oft Gedanken leichter ein, weshalb die alte Schulregel: „Erst überlegen, dann reden!" nur bedingt richtig ist. Um von der eigenen Stimme einen zutreffenden Eindruck zu erhalten, wird eine Selbstkontrolle durch Bandaufnahmen notwendig. Fast jeder ist dabei von seinem Stimmklang überrascht und erkennt sich nicht wieder, dagegen leicht die Stimmen Anderer.
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Soweit Schriftproben eines Menschen vorliegen, lassen sich aus diesen wichtige Schlüsse ziehen, wie es heute in größeren Betrieben bei der Prüfung handschriftlich einzureichender Lebensläufe der Bewerber üblich ist. W o aber schriftliche Äußerungen fehlen oder nicht möglich sind, liefert der Stimmklang ein ebenbürtiges Auskunftsmittel. Damit tritt neben die anerkannte wissenschaftliche Graphologie die Phonologie, eine Lehre von der Laut- und Klangdeutung, die akustische Lebensäußerungen untersucht und beurteilt. Wie schon an der schwungvollen Namensunterschrift Menschen zu erkennen sind, die es im Leben und Beruf „zu etwas gebracht haben", so ist analog in ihrem Tonfall ein energischer Anstieg zu hören. Wenn die Bewerbung der Zukunft einen auf Tonband eingereichten, selbstgesprochenen Lebenslauf zusätzlich fordert, wird der graphologische Eindruck ergänzt. Z u m Lichtbild gehört auch ein Stimmporträt! Vielleicht hat der Bewerber gute Zeugnisse in korrekter Handschrift (Abschrift) eingereicht, aber der Stimmklang könnte ihn als ungeeignet für gerade diese Stellung ausweisen, weil näselnder, kratziger, gehemmter, eintöniger Sprechklang bestimmte Charaktereigenschaften offenbart. Die Beantwortung der Frage, ob der Bewerber als Geschäftspartner oder für einen anderen Posten geeignet ist, wird nach dem stimmlichen Eindruck erleichtert. Aufgabe der Menschenführung ist es, Mitarbeiter vor ständiger Beunruhigung durch die - schon erwähnte - scharfe Stimme eines Bürotyrannen ebenso wie vor der langweiligen Monotonie eines nuschelnden Nörglers zu bewahren und auf wichtige Posten nur Menschen mit klarer, überzeugend klingender Stimme zu stellen. Deshalb hatte die frühere Wehrpsychologie bei Prüfung der Offiziersanwärter u. a. neben Bewertung von Handschrift und Sprachformen auch die Analyse der Stimme auf Klangfarbe, Tonlage und Rhythmik einbezogen und für ihre Zwecke eine praktische Methodik herausgebildet.
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Schließlich darf die manchem vielleicht kühn erscheinende Frage aufgeworfen werden, ob sich über die Stimme auf Charakter und Gemüt einwirken läßt? Vergleichsweise lernen wir Schreiben, aber nicht nur Schreiben an sich für den Schriftverkehr, sondern zugleich Schönschreiben, um durch Angewöhnung eines besonderen Schriftcharakters Einfluß auf Ordnungs- und Formsinn, damit auch auf die Charakterbildung auszuüben. So wie heute die Graphotherapie „Beeinflussung der Charakterentwicklung bezweckt und das Erstrebte ständig übt, bis es sich zur Eigenschaft durchsetzt" (Fährmann), betreibt dies gleichfalls die charakterbildende Sprecherziehung. Was Wallaschek schon vor Jahrzehnten „für die Pflege und Ausbildung des Tonfalls" als möglich bezeichnet hatte, bietet heute die Phonotherapie durch eine bestimmte Art der Stimmbeeinflussung zunächst auf das Organ selbst, durch Kräftigen, Reinigen, Feilen und Formen, wobei die Männerstimme männlicher, die Frauenstimme weiblicher wird. Diese neue Stimmgebung überträgt sich allmählich auf den ganzen Menschen, er wird ruhiger und beherrschter oder aufgeschlossener und entkrampfter; auf eine Erregung tritt sofort eine Beruhigung ein, wenn die Stimme gedämpft, die Sprache verlangsamt, die Gestikulation eingeschränkt wird, während umgekehrt ein apathischer Mensch durch Verstärkung der Stimme, Beschleunigung der Sprache und reichere Gestik zur Lebhaftigkeit und Aufgewecktheit gebracht wird. Spätere Beispiele aus stimmtherapeutischem Erfahrungsmaterial werden diese erfolgreichen Möglichkeiten verdeutlichen. Wer sich solcher Erziehungsarbeit stellt und anvertraut, zeigt bereits eine Energiebekundung, die charakterschwache Naturen sonst schwerer aufbringen würden; das gibt begründete Aussicht, Menschen von dieser Seite aus zu beeinflussen und auf Mängel im geistig-seelischen Gefüge einzuwirken.
II. Die Stimme im Beruf 6. Redner An erster Stelle stehen die Politiker, Parlamentarier, Funktionäre von Parteien und Gewerkschaften, Propagandisten von Organisationen. Sie sollen Hunderte, vielleicht Tausende von Zuhörern in stundenlanger Rede interessieren und begeistern, dabei auch Gegner gewinnen und überzeugen. Um bis zum Schlußappell steigern und mit fortreißen zu können, überhaupt durchzuhalten, ist ein entsprechender Stimmbesitz erforderlich, der solche Redewirkungen erst ermöglicht. Da die physischen Anlagen aber meist zu gering und ungeschult sind, werden sie überbeansprucht und mißbraucht. Erregung und eigene Begeisterung, auch die Größe des Raumes und die Masse der Zuhörerschaft, veranlassen eine zu harte, starke und starre Tongebung, so daß solche Redner am Ende verausgabt und heiser geschrieen sind. Durch Lautsprecher werden aber stimmliche Mängel keineswegs behoben, wie manche glauben, sondern eher verstärkt und vergröbert. Von dem wohl ersten prominenten Fall, Ferdinand Lassalle, berichtet sein Freund Paul Lindau: „Ein Halsleiden, an dem er seit Jahren litt, war durch die Anstrengungen seiner Reden und die angewandten Gewaltkuren verschlimmert worden, öfter hatte er seine Reden aus diesem Grund abbrechen müssen, immer wieder sich zu äußerster Leistung zwingend." Namentlich Wahlreden und Reisen im Wahlkampf bieten Anlaß zu stimmlicher Uberbeanspruchung und anschließendem Versagen. Aus dem Reichstagswahlkampf im Juni 1893 erzählt Wilhelm Keil von August Dreesbach: „Als der Wahlkampf den Höhepunkt erreichte, überfiel ihn eine starke Heiserkeit, die ihm das Sprechen fast unmöglich machte. Er half sich so, daß er eingemummt und mit verbundenem Hals zu den täglichen Versammlungen mit hinausfuhr, sich den Wählern zeigte und
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mit einigen Worten seine Unfähigkeit zu sprechen bewies. Er nahm mich als eigentlichen Referenten mit." Der stimmlose Wahlkandidat kommt aber gegenüber dem stimmkräftigen Konkurrenten ins Hintertreffen, da er Anfragen nicht beantworten, Angriffe nicht abwehren kann. Keil selbst hatte sich nach einer Wahlreise „eine heftige Erkältung mit Lungenspitzenkatarrh zugezogen. Ein kleiner Rest blieb zurück, der sich in einem stetigen Räuspern äußerte bis ins Alter". Wie störend solches chronisch gewordenes Räuspern wird, hat Bismarck in seinen Reden gezeigt. Er konnte allerdings dieses stimmliche Manko durch die Macht seiner Persönlichkeit zum Teil ausgleichen. Etwas Ähnliches gilt auch von Stresemann, dessen Rednererfolge H. v. Dirksen um so erstaunlicher nennt, als ihm der persönliche Charme und die Vibration der Stimme abging, über die sein Gegner Briand verfügte. Dramatisch und lehrreich sind die traurigen Erfahrungen, die Lily Braun mit ihrer Stimme machen mußte, die sie im 2. Band ihrer Memoiren schildert 1 . Der Reichsinnenminister Severing hatte sich schon drei Tage vor der Wahl 1928 mit seinen Stimmitteln so verausgabt, daß er die letzten Versammlungen in seinem Wahlbezirk nicht mehr wahrnehmen konnte. Am Tage nach der Wahl begab er sich sofort in ein Heilbad, um durch eine längere Kur Stimmbänder und Kehlkopf wieder in Ordnung zu bringen. Im Sommer darauf sollte das gleiche Heilbad Luftwege und Stimmittel auffrischen. Diese Beispiele aus der Memoirenliteratur von prominenten Persönlichkeiten stehen hier für unzählige andere. So hatte es der Propagandist einer Partei nach 321 Vorträgen innerhalb von 15 Monaten bis zur doppelten Stimmbandblutung gebracht. ') Biehle „Redetechnik" der Samml. Göschen Bd. 61/61 a behandelt im 8. Kapitel die stimmlichen Voraussetzungen, im 9. Kapitel Vortrag und Modulation der Stimme mit Erfahrungen von Rednern und Rednerinnen.
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Während die Rednerstimme einerseits große Mängel zeigen kann, wird sie andererseits zu den störenden Interjektionen Ä, ö und Em eingesetzt. Wenn man diese merkwürdigen Füllsel nur von der stimmlichen Seite her betrachtet, scheinen sie aus dem Bedürfnis entstanden, auch ohne etwas zu sagen, die Stimme weitertönen zu lassen. Es ist damit zu rechnen, daß gerade diese Mischvokale, deren pädagogischer Wert noch nachzuweisen sein wird, unbewußt einen anregenden Einfluß auf die Stimmgebung ausüben. Das primitivste Ziel der Stimmschulung für Redner heißt: zu laute Organe auf normale Tonstärke reduzieren, zu schwache Stimmen verstärken, fehlerhaften Stimmklang, wie er auch durch Dialekte z. T. bedingt ist, nach Möglichkeit beseitigen, gleichzeitig die Aussprache verbessern. Hierbei dürfen stimmliche Schwierigkeiten nicht mit Sprachfehlern verwechselt werden; an diesen leiden hauptsächlich Stotterer und Lispler, die jedoch kaum eine öffentliche Rednertätigkeit ausüben werden. Bei dem genannten Personenkreis von Rednern könnte noch einschränkend die Entschuldigung gelten, daß er sozusagen unbeabsichtigt in eine Rednerlaufbahn und damit verbundene stimmliche Inanspruchnahme gekommen ist, so daß vorher an eine entsprechende Vorbereitung oder gar Schulung nicht gedacht worden war, eine Entschuldigung, die auf die übrigen Angehörigen der redenden Berufe nicht anwendbar ist. Beim Glücksfall eines klangvollen oder gewaltigen Rednerorganes besteht die Gefahr, zuviel in das akustische Medium hineinzulegen und dabei vom Redeinhalt abzulenken. Sind die Hörer von einer schön timbrierten Rednerstimme beeindruckt oder gefesselt, so gilt ihr Interesse vorwiegend der Darbietung und weniger dem Inhalt. Dies illustriert eine Äußerung des College-Präsidenten G. H. Shuster, nach dem 2. Weltkrieg amerikanischer Landeskommissar in Bayern: „Bei meinen Ansprachen saß in der 2. Reihe ein junges Mädchen und schien mir mit gespanntem Interesse zuzuhören. Jahre später erklärte
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sie mir, sie habe dem, was ich sagte, nicht die geringste Aufmerksamkeit zugewandt, sie habe aber den Klang meiner Stimme geliebt. Das war ein wirkliches Kompliment, denn dieses Mädchen, Regina Resnik, wurde eine große Opernsängerin."
7. Lehrer, Dozenten - Kindergärtnerinnen Ein großer Teil der Lehrer ist dem täglichen stundenlangen Sprechen meist in Räumen mit verbrauchter oder trockener Luft nicht gewachsen. Wie die Auswertung von 1000 beantworteten Fragebogen ergab, waren nach P. Neumann Ende der 20er Jahre 60 % der Lehrer stimmleidend, in zweisprachigen Schulen von Grenzorten sogar 68 %>, da Mehrsprachigkeit die Stimme belastet. Die Öffentlichkeit erfährt kaum, wie stimmliche Katastrophen die Laufbahn von Lehrern stören, ja zerstören; deshalb seien zunächst zwei Fälle aus Autobiographien mitgeteilt: Nikolaus Schwarzkopf: „Meine Sprechwerkzeuge sind von meiner Mutter her äußerst zart. Manchmal konnte ich, wenn die Schule aus war, kein Wort mehr sprechen. Nach einigen Jahren versagte meine Stimme, und ich mußte Urlaub nehmen. Mit ärztlichem Zeugnis ging ich ins Hochgebirge. Eines Tages sagte der Arzt, meine Stimmbänder seien nicht geeignet, meinen Lebensunterhalt zu sichern, ich möge mich nach einem anderen Beruf umsehen." Schwarzkopf wurde ein bekannte Schriftsteller. Adolf Stahr erlebte die Leidensstationen: schwere Erkältung - Diphteritis - Verlust der Singstimme - schließlich Aufgeben des Lehreramtes; auch er wurde Schriftsteller. Wenn es sich beim Lehrerberuf nur darum handelte, den Wissenstoff ruhig vorzutragen, würde diese Aufgabe noch bewältigt werden, wenn auch oft mehr schlecht als recht. Aber
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schon dazu fehlt es in vielen Fällen an stimmlicher Kraft und Ausdauer. Sehr lautes Sprechen eines Lehrers macht die Schüler nervös, eine sonst wohlerzogene Klasse kann dann zu Unruhe, ja Auflehnung neigen, ohne daß der eine oder andere Teil sich des Grundes bewußt ist (nach Peters). In der von Bühne und Fernsehen bekannten Komödie „Flachsmann als Erzieher" des früheren Lehrers Otto Ernst ist das Problem, wenn auch auf volkstümliche und witzige Art, dargestellt. Der Lehrer muß seinen Unterricht nur zu oft durch disziplinarische Mahnrufe unterbrechen, eine zusätzliche potentielle Belastung des Kehlkopfes; dabei kommt es häufig vor, daß die Stimme umkippt, was auf die Schüler begreiflicherweise erheiternd wirkt. Besonders anstrengend erweist sich für Fachlehrer das Unterrichten auf Sportplätzen (Gegenwind), in Turnhallen (Staub), in Schwimmhallen (Chlor und Überakustik) sowie in Berufsschulfächern bei Maschinenlärm und in Lehrküchen bei Hitze und Dunst. Beispiele von stimmlicher Absonderlichkeit eines Lehrers hat wohl fast jeder Erwachsene in seiner Schulzeit erlebt, und so sind ihre Beschreibungen in der Memoirenliteratur wie in der Belletristik häufig zu finden. B. von Bülow z. B. berichtet über seinen Pädagogiumsdirektor in Halle, dessen „Hüsteln und Räuspern, mit dem er jeden Satz begleitete, Intimität abzuwehren schien", und Gutzkow schreibt von seinem Professor und Prediger in Berlin: „ein uns unheimlicher Mann, dessen Sprechweise die lauteste war, immer wie auf Echo berechnet, dabei singend im T o n und zuweilen fast mit wirklicher Absicht, statt zu sprechen, zu singen. Die Töne gingen dann im chromatischen Lauf die Skala durch. Das Liebliche erhielt die hohen, das Ernste die tiefen Noten. Zuweilen fiel der Sonderling plötzlich aus der Rolle und sprach mit vollkommener Natürlichkeit." Emil Merkers Gymnasialdirektor hielt sich wegen eines chronischen Katarrhs stets ein Tuch vor den Mund,
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und Ernst Heimerans Lehrer Huber, der keinen Zahn- und Zischlaut bilden konnte, mied alle Worte mit einem s durch sprachlich seltsame Formulierungen, denen selbstverständlich das Hauptaugenmerk der Schüler galt. Ein Requisit, das früher neben fast jedem Katheder zu finden war, gehört heute glücklicherweise der Vergangenheit an: der Spucknapf. „Ein Lehrer spuckte schauderhaft ins Schulzimmer. Spucken ist nicht das rechte Wort für das Grausige und Massenhafte, das er aus seiner Bier- und Tabakkehle hervorstieß", schreibt der Schulreformer Ludwig Gurlitt sehr anschaulich aus seiner Schulzeit am Gymnasium in Gotha. Welcher Zusammenhang zwischen diesem unästhetischen Zubehör und der Lehrtätigkeit besteht, wurde mir Jahrzehnte später klar, als ich die stimmliche Situation der Lehrer kennenlernte. Einige besonders aufschlußreiche Fälle seien hier vorgestellt: Studienrat Dr. A.: Stimmbeschwerden seit 20 Jahren, heiserer Klang, nicht durchhaltend im Unterricht. Mußte sich dauernd räuspern, was die Ärzte verboten. Frühere Mitwirkung im Männerchor war aufgegeben worden. Zweimaliger Besuch in einem berühmten Kurort brachte keine Änderung. Jeden Winter stellten sich in Abständen Schnupfen mit Bronchialkatarrh von unbeschreiblicher Heftigkeit ein. Auch die Bemühungen eines Stimmarztes mit Gesangsunterricht blieben ohne Ergebnis. Erst eine Ubungsbehandlung weckte die ursprüngliche Stimmanlage und löste tiefsitzenden Schleim. Nach Beseitigung der alten Beschwerden und des belegten Tones wurde der Schulunterricht ohne Anstrengung durchgeführt. A. konnte sogar eine Festrede in der großen Aula mit auffallend gebessertem Klang halten und durchhalten. Auch die einstige Singstimme funktionierte wieder. Von ihrem Leiden bis zur Wiederherstellung berichtet die Lehrerin B.: „Während der fast 30jährigen Tätigkeit als Lehrerin sind an meine Stimme große Anforderungen gestellt wor-
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den. Vor nun beinahe drei Jahren traten beim Unterricht eine große Müdigkeit derselben und eine sich immer steigernde Heiserkeit auf. Besonders im Schulmusikunterricht wirkten sich diese Störungen recht unangenehm aus. Ein hiesiger Halsarzt stellte fest, daß die Stimmbänder infolge eines winzigen Sängerknötchens nicht schließen und verordnete mir Ruhe. Da sich nach längerer Zeit keine Besserung zeigte, suchte ich Prof. X in Berlin auf, der die gleiche Diagnose stellte, ebenfalls Sprechen und Singen, soviel es angeht, einzuschränken gebot, während er eine Operation oder Beizen nicht empfahl. In der Schule wurden mir einige die Stimme besonders anstrengende Stunden abgenommen. Auf den Rat von Prof. X ging ich auf vier Wochen zur Kur nach Y. Der dortige Arzt konnte an den Stimmbändern nichts Krankhaftes feststellen, er führte die Heiserkeit auf nervöse Erscheinungen zurück und verordnete mir zur allgemeinen Stärkung Bäder und - Schweigen. Nach acht Wochen größter Ruhe war meine Stimme durch dieses Schweigen soweit „genesen", daß ich überhaupt nicht mehr singen konnte. Ein Musikunterricht war unmöglich, auch in den anderen Fächern machte mir das Unterrichten große Mühe. - Heute nach ungefähr 20 Ubungsbehandlungen ist meine Stimme völlig wiederhergestellt, ja, ich behaupte, als Singstimme umfangreicher und tragender geworden. Schon nach den ersten Stunden der Übung stellte sich eine wesentliche Besserung ein, die es mir wieder ermöglichte, stundenlang vor meinen Schülerinnen zu sprechen." Einige Monate später: „Das Resultat hat sich bis heute nicht nur gehalten, sondern noch gebessert, so daß ich nach einer Pause von fast drei Jahren in diesem Monat in einem Kirchenkonzert singen werde." Um nur einen wichtigen Punkt herauszugreifen: Die Heiserkeit wurde mit Nervosität erklärt, während gerade umgekehrt das stimmliche Versagen im Beruf mit Recht nervös machen mußte. Nehmen wir aber eine nervös-hysterische Komponente an, so ergibt sich die Frage, warum gerade die Stimme zum locus minoris
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resistentiae wurde, und nicht ein anderes Organ, z. B. Herz oder Magen? Auf ein Rundschreiben des früheren Berliner Hauptschulamtes meldeten sich 100 an Stimmstörungen leidende Lehrer und Lehrerinnen. 90 trugen ihre Krankengeschichte persönlich vor. Von ihnen wurden sieben der schwersten ausgesucht, die im Rahmen eines Forschungsstipendiums in eine mit den Sommerferien beginnende Übungsbehandlung genommen werden konnten unter strenger klinischer Kontrolle, die in Vorund Nachuntersuchungen vergleichendes Zahlenmaterial bot. Hiervon seien die charakteristischsten Fälle vorgestellt. Lehrer C. hatte seit Jahren an hartnäckigen Katarrhen bei infantilem, dysphonischem Klang und falscher Sprechlage gelitten. Sol- und Seebäder waren von guter Wirkung gewesen, dagegen bezeichnete er die Kur in einem weltbekannten Luftkurort als ganz großen Reinfall. Nach einer Angina und nachfolgender Mandeloperation erhielt er Sonderurlaub für einen achtwöchigen Aufenthalt im Schwarzwald, der für Nebenwirkungen günstig war, das Stimmleiden aber unverändert ließ. Zwar vermochten 17 Stimmübungsbehandlungen noch nicht den heiseren Klang und die alten Beschwerden ganz zu beseitigen, doch wurden die früheren schmerzhaften Katarrhe in ein druckartiges Gefühl umgewandelt, der zu dicke und schlaffe Hals wurde straffer und fester (von 39,5 auf 37 cm), der zu niedrige Blutdruck stieg zum Normalen an (von 110/80 auf 120/90), die Lungenkapazität im Mittelwert von 3600 auf 3800 ccm. Lehrer D.: Chronische Heiserkeit, häufig Luftröhrenkatarrh, Überanstrengung, die sechste Stunde kaum noch durchführbar. Nach 18 Stimmübungsbehandlungen Kehle freier, die früheren stimmlichen Zusammenbrüche und allherbstliche Bronchitis nicht mehr aufgetreten, kann besser sprechen und hat auch die sechste Stunde durchgehalten. Biehle, Stimmkundc
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Turn- und Sportlehrerin E.: acht Jahre im Schuldienst, Sprechen im Freien anstrengend, schwaches Organ, kurzer Atem, Kehlkopf wund, heiser, kein vollständiger Stimmbandverschluß. Nach der Übungsbehandlung: Sprechstimme tiefer und voller, Stimmbänder schließen. Obwohl es sich um einen sportlich dauernd trainierten Körper handelt, ist der Brustumfang während der Übungszeit bei tiefster Inspiration von 86 auf 93 cm, bei völliger Exspiration von 85 auf 91 gestiegen, der Blutdruck von 145/105 auf 125/80, also auf normale Werte, gesunken. Handelslehrer F.: 20jähriges Räuspern war zu einer neurotischen Angewohnheit geworden bei trockenem Kehlkopfkatarrh. Nach der als „wohltuend" empfundenen Übungsbehandlung Rachenring ohne die frühere Rötung, Besserung besonders dadurch eindrucksvoll, daß das chronische Räuspern und Hüsteln nicht mehr auftrat. Lehrerin G.: Unterricht in Turn- und Kochräumen sowie in Schwimmhallen, war schon ein halbes Jahr wegen Stimmlosigkeit beurlaubt gewesen, Laryngitis, jährlich zweimal Bronchitis, atmet falsch. Nach der schleimlösenden Übungsbehandlung kaum noch Atemnot, hustet fast gar nicht mehr, noch etwas rauher Hals rechtsseitig. Die sonst im Frühjahr und Herbst regelmäßigen Kehlkopf- und Luftröhrenkatarrhe sowie Heiserkeit waren trotz Witterungsumschwung im Oktober nicht mehr aufgetreten. Die damals von der Berliner Schulverwaltung jährlich nur für Vertretung stimmkranker Lehrer ausgegebene Summe, eine fünfstellige Ziffer, wäre für eine Gesundsdiulung solcher Lehrer niemals bewilligt worden, und wieviel Nutzen hätte sie bringen können! Audi heute ist die stimmliche Belastung des Lehrers kaum geringer geworden, zumal sich die Disziplin unserer unruhigen Jugend gewiß nicht gebessert hat. Über ihre strapaziösen Erfahrungen beim Unterricht schreiben die Pariser Schwestern Groult: „Ich bin erschöpft. Welche Erholung, einmal Tinte statt
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Speichel benutzen zu können, um sich zu äußern! Nach zweistündigem ununterbrochenem Palaver, noch dazu in ungewohnter Stimmlage, kam ich vollkommen leer nach Hause. Ich mache den Schnabel nicht mehr auf; wie ein abgesonderter Gegenstand ruht meine Zunge im Munde." Eine Sonderstellung nehmen in dieser Beziehung die Religionslehrer (Katecheten) ein. Von der Kirche eingesetzt, geben sie in vielen Klassen, teilweise in mehreren Schulen, also jede Stunde vor anderen Schülern Religionsunterricht. Gerade in diesem Fach spielt der Stimmklang eine besondere Rolle. Von einem negativen Beispiel berichtet W. Korolenko: „Der Pope hatte eine unangenehme, klirrende Stimme, in der nicht ein einziges Mal jene echte, warme Note erklang, aus der man eine innige Empfindung, einen lebendigen Glauben hätte heraushören können." Die oftmals geringschätzige Beurteilung des Religionsunterrichts durch den Schüler äußert sich am deutlichsten durch Disziplinlosigkeit. So gesteht der Schweizer Professor Ragaz, daß er „diesen großen Klassen von im Flegelalter stehenden Burschen, die den Religionsunterricht höchstens als Radaufach gelten ließen, einfach nicht gewachsen" war. Wie die Erfahrung gezeigt hat, bedeutet es für viele Religionslehrer eine zusätzliche Belastung der Stimme, im Unterricht Choräle einzuüben, obwohl gerade umgekehrt ein Lehrer jeden Anlaß begrüßen sollte, mit Gesangstönen einen stimmlichen Ausgleich zum anstrengenden Sprechen zu haben. Wieviel Wert früher einmal auf die Singfähigkeit eines Lehrers gelegt wurde, zeigt der in jeder Hinsicht aufschlußreiche Bericht von J. Schmarje bei seiner Lehrerwahl in Heide, wo 3 Bewerber in der Kirche einen Choral zu singen hatten zwecks Bekundung der gesanglichen Leistungsfähigkeit, und zwar die 1. Strophe als Solovortrag, die 2. mit Gemeinde ohne Orgelbegleitung. Aus eigenem Erfahrungsbereich sollen 3 Fälle die Situation der Religionslehrer beleuchten: 5*
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Religionslehrerin H., früher Altistin im Kirchenchor, hatte schon nach kurzem Sprechen und Singen Trockenheit im Halse. Die mit amtlicher Unterstützung durchgeführten zehn Übungsbehandlungen ermöglichten, «daß das viele Sprechen und Singen keine besondere Anstrengung mehr bedeutet, die früheren Erscheinungen erheblich gebessert, ja z. T. völlig behoben sind". Auch war die frühere Herbst-Heiserkeit bis November noch nicht aufgetreten. Religionslehrerin I., früher ein sehr guter 2. Sopran im Schulchor, litt seit einem halben Jahr an Schmerzen und Ermüdung der Kehle, hatte wohl auch nie richtig geatmet. Die Ermüdungserscheinungen nach langem Singen und Sprechen haben seit der Übungsbehandlung nachgelassen, Kehlschmerzen zeigten sich dabei nicht mehr. Die Atmung wurde freier. Bei dem Religionslehrer K. konnte der Zusammenhang von Stimme und Katarrh besonders eindrucksvoll studiert werden: erst chronische Bronchitis mit öfterer Heiserkeit, nach vielem Räuspern, Auswurf mit belligem Husten, Verschwinden der Bronchitis. Dafür stärkere Tongebung, so daß der Unterricht ohne nennenswerte Anstrengung durchgeführt wird. Kaum eine Berufsgruppe dürfte aber auch über soviele Sänger verfügen wie die Lehrer. Die zahlreichen Lehrergesangvereine in den Städten und der Anteil an Lehrern in anderen Chören bestätigen das. Hier dürfte das Singen auch als Ausgleich zur beruflichen Sprechtätigkeit von Wert sein. Ein erhebliches Kontingent der Volkshochschuldozenten stellen Lehrer, die eine zusätzliche Belastung auch stimmlich vertragen und sich leisten können. Lehrer wie die oben beschriebenen Fälle A bis K werden natürlich jede zusätzliche Lehrtätigkeit vermeiden (müssen) und sind deshalb für Erwachsenenbildung nicht verfügbar. Da es sich hier um die Weiterbildung Erwachsener handelt, entfallen disziplinarische Ordnungsrufe. Die infolge der freiwilligen Teilnahme bestehende Hörerfluktuation wirkt hingegen etwas belastend.
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Hochschullehrer, deren Stundenzahl zwar weit niedriger als die der Schullehrer liegt, haben eine größere und anspruchsvollere Hörerschaft vor sich. Auch bei den akademischen Lehrern zeigen sich stimmliche Unzulänglichkeiten und Eigenarten, so daß in manchen Fällen ihre Veröffentlichungen zu lesen lehrund genußreicher ist als das Anhören des Autors. Sicher beeinflußt auch das jeweilige Fachgebiet Stimmaufwand und Sprechart, je nachdem ob trockene und nüchterne oder praktische und anschauliche Fachgebiete vorgetragen werden. Den Universitätsprofessor L. (Mediziner), schon auf der Schule chronisch heiser gewesen, strengte das Dozieren in verschobener Tonlage an. Eine sehr begrenzte Ubungsbehandlung ließ ihn aber den eigentlichen Sitz der Stimme spüren unter Lösung von Unreinheiten. M., ein temperamentvoller Sanguiniker, will für sein Fach begeistern, was ihm auch gelingt, aber - auf Kosten seines Stimmorganes. Er spricht durchweg zu laut mit hartem Ansatz bei vokalisch anlautenden Worten, kommt gelegentlich ins Schreien. Schattierungen fehlen dadurch; er strengt sich unnötig an, malträtiert den Kehlkopf und ist am Ende der Doppelstunde auch stimmlich „fertig". Hier ergibt sich ein Mangel an phonatorischer Ökonomie, über den ihn niemand aufklärte. Beheben könnte er ihn durch entsprechendes Training, das zu rationellem Gebrauch des Stimmapparates führt und ausreichende Klangentfaltung bei Vermeidung unnötigen Kraftaufwandes ermöglicht. N. ist ein stiller Gelehrter, introvertierter Schreibtischmensch; seine wert- und geistvollen Gedanken dringen aber nicht zum und in den Hörer, weil er zu leise spricht, manches fast nuschelnd. Hat er wirklich keine ausreichende Dozentenstimme oder weiß er nur nicht, sie einzusetzen? Warum vermag er nicht aus sich herauszugehen? Die zu lösende Aufgabe ist von zwei Seiten anzufassen: durch Schulung kann eine mindestens durchschnittliche Stimmstärke in fast jedem Fall erreicht, ja garan-
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tiert werden. Um diese auch zum tönenden Einsatz zu bringen, ist eine Beeinflussung des ganzen Menschen, vor allem des gehemmten und ängstlichen, nötig. Laut Erfahrung lockert und löst gerade die Stimmarbeit auch solche Neurotiker. Die Stimme von O., einem typischen Katarrhaliker, wird durch Anfälligkeit bei saisonbedingtem Witterungswechsel und Temperaturschwankungen weitgehend in Mitleidenschaft gezogen. Der von chronisch gewordenem Krächzen, Räuspern und Hüsteln unterbrochene Vortrag kann nicht überzeugen und wirkt ermüdend. Durch Schleimabsonderung reicht die „feuchte Aussprache" bis in die erste Hörerreihe. Z u r Beseitigung aller Insulte ist O. einer Stimmkur zuzuführen. Jeder Dozent prüfe sich, welchem dieser Modelltypen er angehört. Besonders vielseitig sind die an die Kindergärtnerinnen gestellten Ansprüche. Während ihres oft neunstündigen Dienstes müssen sie eine lautstarke Gruppe von Kindern mit M a h n r u f e n dirigieren, sie sollen Märchen erzählen oder vorlesen, was stimmliches Charakterisieren u n d Schattieren bedingt und schließlich durch Vorsingen Lieder beibringen. N u r wenige sind diesen Anforderungen von N a t u r gewachsen. Übungsmöglichkeiten fehlen während der Ausbildung. Die Konsequenzen der dadurch entstehenden persönlichen und pädagogischen Schäden deutlich zu machen, dienten schon seit 1952 meine aufklärenden Vorträge vor Leiterinnen der Kindertagesstätten verschiedener Stadtbezirke West-Berlins; seit 1963 gab mir die DiesterwegHochschule die Möglichkeit, außer Lehrern auch Kindergärtnerinnen stimmlich zu helfen.
8. Geistliche Die Stimme des Geistlichen ist großen Belastungen ausgesetzt, rein quantitativ durch Bibelstunden, Konfirmandenunterricht
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und Sitzungen an den Wochentagen und Amtshandlungen mit Gottesdiensten, Kasualien (Taufen, Trauungen, Beerdigungen) und Ansprachen bei Vereinsveranstaltungen an Sonnabenden und Sonntagen. Kasualien gebieten häufig auch die Teilnahme an den anschließenden häuslichen Feiern und damit Tischreden. Alles Sprechen im Freien, vor allem wenn die Stimme wetterfühlig ist, bedeutet zusätzliche Anstrengung. Rein quantitativ stellt die Verkündigung von Gottes Wort, insbesondere die Predigt hohe Anforderungen. Sie soll mit wohlklingendem Organ vorgetragen werden, ohne dabei in ein falsches kirchliches Pathos („Kanzelton") zu verfallen. Beispiele dafür gibt André Gide, der einen ursprünglich auf den Geistlichenberuf vorbereiteten Lehrer kannte, dessen Stimme die „pastorale Färbung" beibehalten hatte, und Hugo Härtung, der den Superintendenten seiner thüringischen Heimat wie folgt glossierte: „Meine Eltern nannten ihn salbungsvoll und mochten es nicht, wie er die Vokale foiner machte. Silvester 1912 fragte der Superintendent mit wehmütig foinen Vokalen und Diphtongen, wer wohl im nächsten Jahr die ürdische Haimat verlassen werde." Zusätzlich ist die Fähigkeit erwünscht, die Liturgie am Altar zu singen. Die liturgischen Rezitative sind aus natürlicher Modulation und dem Streben nach einer gehobenen kirchlichen Sprache entstanden. Dabei unterscheidet die katholische Kirche feinsinnig Accentus und Concentus; im ersteren fällt auf mittlerer Tonhöhe je eine Wortsilbe mit einer Note zusammen unter Nachahmung des Tonfalles beim gewöhnlichen Sprechen, im letzteren überwiegt das musikalische Element mit selbständigen melodischen Gebilden (Verzierungen). Für den Vortrag dieses Gregorianischen Gesanges in lateinischer Sprache werden die studierenden Theologen systematisch geschult, da der Vortrag auch zwischen Festtagen und gewöhnlichen Sonntagen (festivaler und ferialer Ton) unterscheidet. Für den Geistlichen anstrengend ist es, sehr früh, wenn die Stimme besonders schwer
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anspricht, in Weihrauchwolken den Messgottesdienst auszuführen; stundenlanges Flüstern im Beichtstuhl bedeutet eine weitere Belastung. Luther verdeutschte den Altargesang für seine Kirche und ergänzte ihn mit neuen liturgischen Formeln, wie sie in der lutherischen Landeskirche von Sachsen und Hannover bis heute gesungen werden. In der evangelischen Kirche ist das Schicksal des Altargesanges wechselvoll. 1822 erfolgte ein Versuch zu seiner Wiederaufnahme in der Agende der Hof- und Domkirche in Berlin, 1931 hat die Preußische Agende dem Altargesang neue Beachtung geschenkt und die Noten dazu veröffentlicht, freilich mit der Anheimgabe, die Worte zu singen oder zu sprechen. Der Gesangsvortrag soll nicht eintönig sein, aber auch nicht dramatisch werden, die Stimme sich nicht vordrängen. Der Geistliche muß fähig sein, rein zu intonieren, wenn Orgelbegleitung hinzutritt. So werden für das kirchliche Amt „normale und gesunde" Stimmorgane als Mindestforderung verlangt. Aber wo findet man sie? Langjährige Beobachtungen an Theologiestudierenden ergaben, daß in zahllosen Fällen die stimmmlichen Voraussetzungen für den Beruf des Geisdichen fehlten: einerseits war die Stimme überhaupt nicht kräftig, vielmehr heiser und belegt, eine Viertelstunde oder gar Halbestunde lautes Lesen wurde nicht durchgehalten und führte zu Ermüdungserscheinungen, andererseits machte das Choralsingen im Hals Beschwerden mit Kratzen, weil auch schon das Singen im Schulchor nachteilig gewirkt hatte (z. B. in falscher Stimmlage). Katarrhe hatten bereits zu medizinischen Maßnahmen geführt bis zu operativen Eingriffen an den Stimmbändern. Diese und noch andere bedenkliche Feststellungen an jungen Theologen zeigten bereits das Anfangsstadium eines späteren Stimmleidens, das zu dem allmählich berufshindernden sog. Predigerkatarrh vieler Geistlicher führt.
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Samuel Keller, Pastor in der Krim, verlor plötzlich seine Stimme fast ganz. Ein berühmter Wiener Professor operierte ihn Ende der 80er Jahre mit der Prognose: „Sehr starke Lungen und sehr eng gebaute Kehle. Am besten wäre es, Sie geben Ihren Beruf auf und werden Landwirt oder Schriftsteller. Sonst stehe ich für nichts. Bei der nächsten Erkältung und zugleich stimmlichen Überanstrengung kann der Schaden da sein und in wenigen Jahren sind Sie ein toter Mann." 1891 wurde er in die Lebensversicherung nicht aufgenommen, weil der Berliner Arzt diagnostizierte: „Kräftige Kehle, aber mit den Lungen sieht es trübe aus." Trotzdem hat er seitdem 27 Jahre als Evangelist in den größten Sälen Deutschlands mit ungeheurem Stimmaufwand über 6000mal gesprochen. Erst 1914 mußte eine Vortragsreise wegen Erkältung und Uberanstrengung der Stimme abgebrochen werden. Superintendent Kirchenrat Rocholl war bei Predigten und Vorträgen auf Reisen in der Regel erkältet und gewöhnlich bei der Ankunft total heiser, so daß er ebenso unglücklich wie unverständlich auf der Kanzel stand. Johannes Naumann, Bruder des Politikers Friedrich Naumann, hatte „seit einer schaurigen Novembernacht im offenen Wagen zu einer Nottaufe eine belegte Stimme. Die vielen Beerdigungsreden auf den zugigen Friedhöfen machten die Sache nicht besser. Als der Reiz stärker wurde, glaubte der Arzt an eine schwere Lungenerkrankung und verordnete Bettruhe. Doch fand der Spezialist nur einen verschleppten Katarrh und empfahl Aufenthalt in San Remo"(!) Der Theologe Leonhard Ragaz hatte im Zustand der Erschöpfung und Depression als Diskussionsredner auftreten müssen. „Aber da befiel mich ein Übel, an dem ich lange gelitten habe: eine nervöse Trockenheit des Mundes, die mir das Sprechen fast unmöglich machte, so daß mein Auftreten ein Versagen war."
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Nach diesen in Memoiren publizierten Beispielen von Stimmleiden soll noch das eines Thüringer Geistlichen folgen: Pfarrer P. hatte als Baß im Schulchor und später im Amt die Liturgie einige Jahre singen können; dann wurde es ihm ärztlich verboten zur Schonung der Sprechstimme(!). In anderthalb Jahrzehnten verschlechterte sich diese, besonders nach grippaler Erkältung mit Kehlkopfkatarrh. Obwohl die Spezialärzte laut Attest dringende Schonung der Stimme verordnet hatten, gelang es dank einer in mehreren Ferienkuren durchgeführten Übungsbehandlung, der durch Dialekt sehr verflachten Stimme neue Kraft zu geben, so daß Pfarrer P. nun wieder Choräle und Liturgie singen, vor allem ohne besondere Anstrengung lauter reden konnte. Die bereits akut gewesene Pensionierung wegen des damaligen stimmlichen Versagens wurde dadurch um viele Jahre aufgeschoben. So wird verständlich, daß Kanzelredner mit auffallend gutem Stimmorgan und der Fähigkeit, dieses auch zu meistern oder Schwächen nicht bemerkbar zu machen, zu den Ausnahmen zählen. Wie eine an sich ausdrucksvolle Stimme schon im Verlauf eines Gottesdienstes, allerdings mit ungewöhnlich langer Predigt, verausgabt und erschöpft sein kann, hat Karl Philipp Moritz in seinem schon erwähnten Roman geschildert. Ein Geistlicher kann gerade durch sein Stimmorgan nicht nur tiefgehende Wirkungen erzielen, sondern auch etwaige andere Mängel vergessen machen.
9 . Juristen - Ärzte - Militärs Im Juli 1968 mußte der Schwurgerichtsprozeß gegen den Mörder von Timo Rinnelt ausgesetzt werden, weil der Vorsitzende an Kehlkopfkatarrh litt und heiser war, so daß er nur noch flüstern konnte (nach Pressemeldungen). Auch für Juristen ist also die Stimme berufswichtig, denn Gerichtsverhandlungen
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füllen viele Tagesstunden eines Anwaltes, Staatsanwaltes und Richters. Im Plädoyer finden längere Anklage- und Verteidigungsreden durch stimmliche Steigerung und Modulation wirkungsvolle Unterstützung. Wie es damit in der Praxis aussieht, zeigen Besuche von Gerichtsverhandlungen: Ein Landgerichtsdirektor spricht mit auffallendem Kehlton, wodurch stimmliche Uberanstrengung eintritt, die mit der Zeit stärker fühlbar und hörbar werden dürfte. Ein Beisitzer verliest die Protokolle der früheren Verhandlung ausdruckslos in überschnellem Tempo. Ein Staatsanwalt räuspert sich beim Reden ständig und hustet; sein Stimmorgan wird durch einen typischen Kehlkopfkatarrh behindert. Ein Anwalt ist etwas asthmatisch, was sich in einer schwachen Stimme äußert: er kann seine Verteidigung stimmlich gerade durchhalten, aber nicht steigern. Ein Amtsgerichtsrat hat näselnde Tongebung und spricht starken Dialekt. Es gehört zu den Kindheitseindrücken Otto Hahns, daß ein sehr angesehener Frankfurter Anwalt Hustenbonbons lutschte „gegen seine Heiserkeit, die er sich durch viele Besprechungen und Verteidigungsreden zugezogen hatte". Kaum zu begreifen aber dürfte die Auffassung eines bei den Nürnberger Prozessen 1945/46 heiser gewordenen Verteidigers sein, der behauptete, das Tragen der weißen, leichten Talarkrawatten mache ihn besonders anfällig für Heiserkeit (nach V. v. d. Lippe). Da der notwendige Stimmaufwand von der Größe des Gerichtssaals abhängt, muß man seine Akustik kennen und erproben. Im Ledebour-Prozeß 1919 z. B. hatte der Angeklagte bei der Verlesung eines Flugblattes infolge schlechter Akustik nur einen sehr geringen Teil des Textes verstanden, wodurch eine nochmalige laute Vorlesung erforderlich wurde. In hohen und leeren Räumen ist mit Überakustik zu rechnen, und wenn Zuhörer nichts verstehen, werden sie leicht unruhig. Da Vorsitzender, Ankläger, Angeklagter, Verteidiger und Zeuge von unterschiedlichen räumlichen Positionen aus sprechen, ergibt
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sich die Notwendigkeit, mit variierter Lautstärke zu sprechen. Auffallender Dialekt beeinträchtigt die Würde des Rechtsprechenden. In seiner „Gerichtlichen Redekunst" weist Landgerichtsrat Dr. Ortloff bemerkenswerterweise darauf hin, daß die Ausbildungsfähigkeit des Sprechorganes nicht viel geringer als die einer Singstimme ist und empfiehlt eine individuelle „Diätetik der Stimme", von deren Nutzen die Juristen für ihre Berufsausbildung leider noch wenig wissen; denn die Beschäftigung mit der Stimme, und zwar in erster Linie mit der eigenen, bietet dem Juristen nicht nur Möglichkeiten zu persönlicher Leistungssteigerung und Erfolgen, sondern gibt ihm neue Einblicke in die Persönlichkeitsstruktur und damit auch in die Kriminalistik. Noch heute gilt die auffallende Formulierung des rechtskundigen Goldoni: „Vor den höheren Gerichtshöfen kann der Advokat Wissen, Beredsamkeit, Stimme und feinen Anstand zur Geltung bringen, der es in Venedig weit bringen will." Wird ein Arzt ans Krankenbett gerufen, so kann schon ein angenehm ruhiger, gedämpfter Tonfall auf den Patienten psychotherapeutisch günstig einwirken und die aufgeregten Angehörigen beruhigen, zugleich die eigene Ruhe und Sicherheit in schwierigen Situationen dokumentieren. Die gedämpfte Atmosphäre in Kliniken und Krankenhäusern, in der Farbtönung unterstrichen, läßt laute Stimmgebung nicht zu. In der medizinischen Fachliteratur hat wohl nur A. Salomon auf die Bedeutung der Stimme als Mittel des Kontaktes mit dem Patienten hingewiesen: „In ihrer Klangfarbe und Modulationsfähigkeit kommen Wärme und Kraft, Klarheit und Deutlichkeit unserer Uberzeugungen und Gefühle auf wohltuende Weise für den Kranken zum Ausdruck. Durch die ästhetische Wirkung solch einer gepflegten Sprache wird dieser Einfluß noch erhöht."
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Nach F. Starlinger muß „des Arztes Wort für den Kranken Evangelium sein, er ist für ihn letzte und oberste Instanz". Dazu braucht das gesprochene Wort einen adäquaten Klangleib, sonst fehlt dem Inhalt die Form. Daß diese nicht immer leicht zu finden ist, besagt eine Äußerung von S. de Beauvoir speziell über die Ärztin: „Der Patient, der sich gern beeindrucken läßt, ist enttäuscht von Ratschlägen, die ganz schlicht erteilt werden. Da sie sich dieser Tatsache bewußt wird, spricht die Ärztin autoritär, in schneidendem Tonfall; dann hat sie nicht die behäbige Biederkeit, die beim selbstsicheren Arzt bestrickt." Wie verschieden freilich Patienten auch stimmlich behandelt werden müssen, zeigt die in den Erinnerungen des einst bekannten Arztes Dr. Stromeyer wiedergegebene Einstellung eines Kollegen: „Die Bauern muß man anschreien, sonst verstehen sie uns nicht; man muß einen kräftigen Eindruck auf ihr Gehörorgan machen, sonst merken sie nicht auf." Die relativ spärlichen Beispiele der Fachliteratur ergänze die sarkastisch-übertreibende Schilderung eines Modearztes durch G. B. Shaw: „Sir Ralph Blomfield Bennington hat eine äußerst musikalische Stimme, seine Sprache ist ein ununterbrochener heiliger Gesang, und er wird ihres Klanges nie m ü d e . . . Sogar gebrochene Beine sollen beim Klang seiner Stimme wieder ganz geworden sein." Daß allein schon der ärztliche Stimmklang besser als Medizin wirken kann, erfuhr einmal ein Lebensmüder. „Ach bleiben Sie doch noch ein bißchen am Leben!" sagte der Arzt mit solcher Wärme und Innerlichkeit, daß der Patient nur von der Stimme umgestimmt wurde. Diese Aufgabe der Arztstimme als Suggestivmittel, fast vergleichbar dem Spielen des Künstlers auf seinem Instrument, illustriert Ernst Kretschmers Schilderung der einzeitigen Wachsuggestionsbehandlung: „Im Stimmklang verwenden wir je nach Bedarf den beruhigenden, halblaut murmelnden Hypnosetonfall, bald das ruhige Zusprechen, dann den Ton der erregten,
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spannenden Erwartung und den scharf markierten Kommandoton, bei schlechtwilligen und torpiden Patienten selbst mit plötzlichem Crescendo bis zum barschen Anschreien. Bei der älteren Primitivhypnose ist unser Stimmklang halblaut, murmelnd, akzentlos, ganz monoton, was wiederum die einschläfernde Wirkung unterstützt... Aufwecken unter allmählicher Verstärkung der Stimme." Da der Arzt sich in die Seelenlage des Patienten versetzen soll, wird dessen Stimme ein Hilfsmittel zur Persönlichkeitsanalyse. Falls ein Widerspruch zwischen stimmlichem und verbalem Ausdruck besteht, was nach den klinischen Forschungen von P. J. Moses oft vorkommt, „dann sagt die Stimme mit großer Wahrscheinlichkeit die Wahrheit über die Persönlichkeit des Sprechers." Wenn Haeberlin vom Arzt eine „Kunst des Zuhörens" wünscht, sollte diese zu einer Kunst des Heraushörens, nämlich aus Stimmklang und Sprechweise erweitert werden. Gehörsfähigkeit bedingen ja schon Abklopfen und Abhören, Perkussion und Auskultation, Atemgeräusche und Lungenschall; dazu müßte eine Gehörsschulung kommen, um gewisse stimmliche Merkmale zur Diagnosestellung heranzuziehen. Schon Gustav Jaeger, als Bekleidungsreformer bekannt gewesen, hatte herausgehört, daß bei jedem Kranken der Stimmklang in nachteiliger Weise verändert ist; er spricht von einer Vox cholerica und einer Vox syphilitica. „Der Crouphusten hat einen ganz anderen charakteristischen Klang als der Hustenklang des Schwindsüchtigen oder des Keuchhusten-Kranken." Da viele Ärzte musikalisch sind - man denke an Billroth, Schleich, das Berliner Ärzte-Orchester usw. - dürfte ihre Gehörsfähigkeit auch leicht zum Unterscheiden stimmphysiognomischer Charakteristika dienen als Ergänzung der Auswertung sichtbarer Wahrnehmungen durch Röntgenbilder, Kehlkopfspiegel, Reagenzien und der äußeren Inspektion des Körpers.
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Außer beim Allgemeinpraktiker und Internisten gewinnt die Fähigkeit zur Stimmdiagnose in einigen spezialärztlichen Fächern noch zusätzliche Bedeutung: 1. In der Konstitutionsmedizin: Da die Konstitutionstypen häufig in Mischformen auftreten, was ihre Bestimmung erschwert, können die den Körperformen entsprechenden Stimmund Atemtypen klärend wirken. 2. Bei der Psychoanalyse: „Stimmanalyse hilft der Diagnose des Psychiaters. Noch mehr braucht der Psychoanalytiker ein Verständnis für stimmliche Funktionen, denn er sitzt oft im Rücken des Patienten, dessen Gesichtsausdruck dann hinter dem Stimmausdruck zurücktritt." (Moses). 3. In der sexualärztlichen Praxis bei der Geschlechtsbestimmung von Hermaphroditen. Ein zwischenstufig Veranlagter kann männliche Stimme und zugleich ein weibliches Becken aufweisen (Lenz). 4. In der Laryngologie dürfen instrumentell-apparative Hilfen die intuitive Beobachtung mit dem unbewaffneten Ohr nicht verdrängen; so bei gefährdeten, aber noch nicht kranken Stimmen, deren Kehlkopfinspektion keinerlei Symptome zeigt, während Stimmproben dem geschulten Ohr den wahren Zustand offenbaren, nämlich falschen Stimmgebrauch. Wenn bei jungen Künstlern ein spezialärztliches Gutachten entscheiden soll, ob die stimmlichen Mittel für eine Bühnenlaufbahn reichen, geben vorwiegend Leistungsproben Aufschluß. Das gilt auch für Studenten der Pädagogik und der Theologie bei ihrer Berufswahl. Nach Thausing wurde gerade der Werdegang des Berufssängers, des stimmbegabtesten aller Menschen, als eigentliches Kriterium seiner Anlagen, seitens der Laryngologen verkannt. Wenn die ärztliche Berufsstimme zu einem habituellen Leisesprechen führt, ist sie öffentlichem Auftreten abträglich. Eine müde, monotone Dozentenstimme erzielt keine rhetorischen Wirkungen, ebenso ein von Natur schwaches Organ nicht.
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Der Idealfall ist auch hier selten. Als Vorbild schildert A. Lorenz den Orthopäden Adolf Lorenz in Wien: „Er sprach mit einem hohen, hellen, bis in die fernste Ecke klar verständlichen Tenor, hielt Maß mit seiner Stimme, hob sich sein Fortissimo für die rechten Stellen auf, sprach leicht und rasch über Nebensächliches hinweg, wurde eindringlicher und langsamer bei Wichtigem." Extremer Gegensatz zur Stimme des Arztes ist die der Militärs. Die durchdringend-martialische Befehlsstimme entwickelte sich zum Symbol eines Berufsstandes. „Die Donnerwetter wurden von den Unteroffizieren mit Stentorstimme geschnarrt und ertönten desto lauter, je näher die Offiziere standen" (Gutzkow). „Der Hauptfeldwebel schrie mich nieder" (B. v. Heiseler). Daß großer Stimmaufwand beim Militär den Eindruck von Tüchtigkeit vermittelte, schildert der Schriftsteller Michael Mansfeld: „Hier gibts nur Schwerhörige. Was für ein Geschrei, Gebrüll und Gekeife! Aber wenn es darum ging, schreien konnte ich, schließlich war ich Schauspielschüler. Damit war ich schon in meiner Rolle: Ich brüllte. .Schreien Sie doch nicht so!' meinte einmal einer. Ich war der einzige, an den auf diesem Kasernenhof je diese Aufforderung gerichtet wurde. Mein Geschrei brachte mir den Ruf ein, ich sei ein guter Soldat; dadurch wurde alles leichter." Da militärische Führung kühle Willensbestimmtheit braucht, die in geringer Sprachmelodie und hartem Akzentuieren entsprechenden Ausdruck findet, galt diese für Militärs typische Stimmgebung als soldatischer Schneid. Kommandostimme wurde naiverweise vorausgesetzt. In Wolfgang Borcherts Szenenfolge „Draußen vor der Tür" heißt es beispielhaft: „Oberst: Warum sind Sie kein Offizier geworden? Beckmann: Meine Stimme war zu leise, Herr Oberst. Oberst: Sehen Sie, Sie sind zu leise."
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Dazu treten noch die Beeinträchtigungen von Sprechen, Singen und Atmen durch die militärische Haltung und die meist zu enge Uniform. Der Atemspezialist J. L. Schmitt („Atemschmitt") nennt die militärische Devise „Brust raus! Bauch rein!" eine Vergewaltigung des Natürlichen. Ähnlich äußert sich Dr. Beckmann über das Strammstehen. Joh. Faust erwähnt die frühere Heeresdienstvorschrift, die vor verkrampfter Haltung warnte. Der Dozent an der Heeresschule für Leibesübung und Offizier Hans Suren fand „gute Atmung für den Soldaten außerordentlich erschwert, - oft unmöglich, - weil die enge Uniform und vor allem das fest umgeschnallte Koppel eine richtige Atmung verhindern. Die Einschnürung des Leibes und der unteren Rippen ist gefährlich und gesundheitsschädlich." Hinzu kam früher noch die Abschnürung des Halses durch die eng anliegende Binde. Der Plöner Kadett Friedrich Franz von Unruh, Bruder des pazifistischen Dichters, mußte den Text eines Märchenstückes vortragen: „Es war schwer genug, in der engen, den Hals einschnürenden Binde auch nur zu sprechen, ihn zu singen, wehrte ich mit Entsetzen ab." Da es eine das Stimmorgan kräftigende Schulung beim Militär nicht gab, waren auf Kasernenhöfen und in Exerzierhallen durch jahrelanges Kommandieren in Staub, Wind und Wetter sehr entstellte und nach der Höhe unnatürlich geschraubte Kommandostimmen zu hören. Vielfach wurden schon Ankündigungskommandos in so hoher Lage gebracht, daß für Ausführungskommandos keine Steigerung mehr möglich und ein Überschlagen der Stimme bis hin zum Kreischen die Folge war. Falscher Einsatz der Stimme in der Kommandosprache hat deshalb häufig zu Schäden geführt und ist auch heute noch ein bei Militärs zu wenig beachtetes Problem. Über den Gebrauch und Mißbrauch der Stimme beim Militär sind in der Memoirenliteratur und der Belletristik zahlreiche Beispiele zu finden. Sie betreffen Erfahrungen und Beobachtungen beim Singen, beim Kommandieren und auch bei InstrukBiehle, Stimmkunde
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tionen. Neben den bereits zitierten Namen seien an dieser Stelle noch Jaroslav Hasek, Hans Marchwitza, Paul Trömel, Virginia Cowles, Herzogin Viktoria Luise, Carl Duisberg, H. H. Kirst, T. E. Lawrence, G6za Ottlik, J. B. Priestley, Joachim Ringelnatz, Frank Thiess, Heinrich Prinz von Schönburg-Waldenburg, Werner von der Schulenburg, Kaiser Wilhelm II. und Robert Graves genannt.
10. Vertreter, Verkäufer, Schaffner usw. Eine eingehende Befragung von 30 reisenden Kaufleuten über den Zustand ihrer Stimme, die von mir im Anschluß an einen aufklärenden Vortrag durchgeführt wurde, zeitigte bei 17 einen positiven Befund. Einige besonders anschauliche Beispiele von Leistungsminderung und gesundheitlicher Schädigung durch stimmliches Versagen seien hier mitgeteilt: Der Erste leidet an Heiserkeit durch seine geschäftlichen Verhandlungen in heißen Backstuben. Die großen Gegensätze zwischen Innen- und Außentemperatur und dem Luftfeuchtigkeitsgehalt wirken sich auf seinen Kehlkopf aus. Zwei Brauereivertreter klagen über starke Verschleimung, zu dem der Bierkonsum während ihrer Verhandlungen beiträgt. Der Vierte ist stimmlich „immer fertig", weil in dem Lautsprecherwagen, in dem er für seine Firma Reklametexte spricht, 30 Grad Hitze herrschen. Ein Fünfter wird durch längere Verkaufsgespräche heiser, ein Sechster hat durch vieles Telefonieren in trockener Büroluft den Kehlkopf überanstrengt. Ein Siebenter verspürt bei beruflicher Aufregung ein Gefühl der Trockenheit im Halse, ein Achter leidet stimmlich durch Kofferschleppen und Lokalbesuche. Ein Neunter wird durch seine Werbetätigkeit auf Ausstellungen wie durch Temperaturunterschiede heiser, ein Zehnter verspürt während der Verhandlungstage mit Jahresabschlüssen nervöse Heiserkeit und stechenden Halsschmerz.
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Anlässe für die stimmlichen Störungen sind, wie die Beispiele zeigen, vor allem die Reisetätigkeit, rascher Temperaturwechsel, der berufliche Aufenthalt in Lokalen sowie die Belastungen im Berufsleben. Einzelheiten über zweckmäßigen Einsatz akustischer und verbaler Mittel bei Geschäftsbesuchen und in der Verkaufspraxis bringt Biehle „Werbe-Rhetorik" mit Übungsmaterial. Korff unterscheidet feste oder unsichere Stimmführung bei Reisenden und Vertretern und hält „auch die Art, wie einer spricht, für das Erkennen eines Partners bedeutsam, da durch das Sprechen die aktuelle Gestimmtheit zum Ausdruck kommt" und fragt: Spricht der Verkäufer klar, deutlich, mit Dialekt, der bei seinen Kunden ankommt? Findet er den richtigen Ton? Macht ihn seine Sprechweise interessant? Die psychotechnische Eignungsprüfung nach Moede berücksichtigt bei den Sprechproben von Verkaufsgesprächen Klangfarbe, Rhythmik, Deutlichkeit und Ausdrucksgehalt der Stimme neben anderen Faktoren; denn die Stimme des Verkaufspersonals muß Werbekraft haben, deshalb Sympathie und Wohlwollen erwecken. Schon bei der Begrüßung kann ein bestimmter Klang angenehm wirken und den Kontakt erleichtern. Dagegen würde eine aufdringliche und laute Stimme stören; denn der Kunde möchte nicht dritte Personen die Einzelheiten seines Kaufgespräches mitanhören lassen. Es gibt Kunden, sagt W. Suhr, die zu lautes ebenso wie zu leises Sprechen nervös macht, es gibt Kunden, die aus einer kalten Stimme auf einen gleichgültigen Verkäufer schließen. Ja, der Kunde reagiert darauf! Jaederholm fordert zur Steigerung des Verkaufserfolges Anpassung des Stimmtones an den Kunden: mehr Wärme bei mißtrauischen Kunden, ein leichterer, hellerer Ton bei freundlichen Kunden. Aber auch die Art der Branche muß berücksichtigt werden: In Geschäften mit Wäsche, Kleidern, Anzügen, Stoffen Pelzen, Teppichen u. dgl. herrscht meist ein ruhiger Ton. Ganz anders e>
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dagegen in Lebensmittelgeschäften: hier geht es laut zu. Maschinen und Büchsen klappern; schon die Art des Fußbodens (Fliesen) und der Wände (Kacheln) gibt eine helle Überakustik, und da heißt es, namentlich wenn Publikumsandrang herrscht, sich durchzusetzen. Bei diesen quantitativen Ansprüchen wird naturgemäß auf qualitative Stimmleistungen weniger Wert gelegt. Ein Sonderfall ist das Verkaufsgespräch auf dem Schuhhocker: Die Verkäuferinnen sitzen dabei sehr niedrig, zusammengehockt und über die Füße des Kunden vorgebeugt, der selbst höher sitzt. Dadurch werden Atem- und Sprechentfaltung stark gehemmt, wie zahlreiche Proben gezeigt haben. Übereinstimmend empfanden die Verkäuferinnen bei Vergleichsversuchen, daß sie stehend viel besser atmen und sprechen können als auf dem Schuhhocker sitzend. Die sich hieraus ergebenden Konsequenzen sollten allen im Schuhverkauf Tätigen bekannt werden. Weil man mit dem Stimmklang auf andere Menschen einwirken kann, ist in den USA nicht nur Stimmbildungsunterricht für Verkäufer schon längst eingeführt, sondern es werden auch in dortigen Warenhäusern Verkäuferinnen nicht mehr nach dem Aussehen, sondern nur nach dem Klang der Stimme engagiert. Die Bewerberinnen müssen, unsichtbar für die Prüfer, Fragen ausführlich beantworten; dabei entscheiden Klang und Modulationsfähigkeit allein für Einstellung oder Ablehnung. Die Beschäftigung mit der eigenen Stimme befähigt auch zu schärferer Beobachtung des stimmlichen Verhaltens der Kaufinteressenten; durch praktische Anwendung der Stimmpsychologie gewinnt die Käuferbehandlung an Sicherheit. Wieweit auch in diesem Beruf stimmliche Mängel stören können, sollen zwei Beispiele illustrieren: Die Verkäuferin Q. hatte bis zum 30. Lebensjahr noch gut singen können, jetzt fiel ihr das Sprechen schwer. Ihr Arbeitsplatz befand sich an zugigster Stelle neben der Eingangstür.
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Von den Kunden wurde sie auf ihren schlechten Stimmzustand oft angesprochen. Nach mehr als 15jährigen Beschwerden mußten Stimmbändpolypen operativ entfernt werden. Eine spätere Stimmkur gab ihr eine freiere, kräftigere und reinere Sprechstimme, die trotz des dysphonischen Klanges nicht mehr so anstrengte und beim Verkaufsgespräch einen besseren Eindruck machte. Filialleiter R. wirkte auf fremde Besucher durch 20- bis 25jährige Verschleimung, Räuspern, Hüsteln und heiseres Sprechen fast wie ein Lungentuberkulöser, obwohl er weit davon entfernt war. Die an sich gesunden Stimmbänder sprachen auf eine Stimmkur an, kräftigten sich, und das Sekret löste sich leichter. Die ambulanten Gewerbetreibenden und Neuheitenverkäufer auf Wochenmärkten und Vergnügungsplätzen müssen im Freien mit größtem und gröbstem Stimmaufwand die Aufmerksamkeit der Laufkundschaft auf ihre Waren lenken. Das Wort „marktschreierisch" ist dafür charakteristisch und hat einen schlechten Sinn; kann man doch hier hören und studieren, wie Stimmorgane rücksichtslos, unzweckmäßig malträtiert und bis zum Geräusch entstellt werden. Solches Gemisch von Schreierei und Gekreisch ist aber als Werbemittel höchst ungeeignet. Zeitungshändler, vor allem die in Deutschland seltener gewordenen ambulanten Händler, leiden stimmlich u. a. unter den Witterungsunbilden. Außerdem drücken die schweren Taschen beim Laufen und Ausrufen aufs Zwerchfell, wodurch richtige Tiefatmung behindert und stattdessen eine oberflächliche Atmung zur Gewohnheit wird. Die Öffentlichkeit ahnt auch in dieser Berufssparte nichts von den Stimmopfern, die das für den propagandistischen Zweck wichtige Ausrufen mit sich bringt. Der Stimmaufwand kann aber erleichtert und die Schallentfaltung vergrößert werden durch eine halbgesungene Art, wie sie bei den Zeitungshändlern in den romanischen Ländern und bei unseren Händlern mit Blumenerde üblich ist.
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1853 hat der Musiker Louis Köhler die Ausrufe der Königsberger Marktfrauen in Noten wiedergegeben, später Therese Devrient die von Hamburger Straßenhändlern. Der ungarische Komponist Zoltän Kodaly kannte tausende von Marktrufen aus Katalonien. Auch die Schaffner und Zugaufsichtsbeamten verdienen in stimmlicher Hinsicht Beachtung. Da sie ihre Tätigkeit ständig abwechselnd im Wagen oder im oft überheizten Dienstraum, dann wieder im Freien ausüben, ist die Stimme Temperaturunterschieden, Einwirkungen von Staub, Nässe und Bodenfeuchtigkeit ausgesetzt. Bei diesen ganz ungeschulten Organen hören wir häufig eine unnatürliche Sprechweise, halsige, nasale oder gaumige Tongebung, was zu Uberanstrengung und Reizung der Kehle führt. In die ermüdende Monotonie ihrer Ausrufe und Dienstbefehle ließe sich aber eine gewisse Abwechslung bringen, wenn bei jedem Fahrtauftrag die günstigste und wirkungsvollste Art des Ausrufens festgestellt würde. Richtige und falsche Stimmbeispiele im Verkehrsbetrieb auf Tonband aufzunehmen, um den Unterschied zu demonstrieren, wäre eine instruktive Aufgabe. Mit der Einführung von Funksprechgeräten im Fahrdienst hat neuerdings auch hier die moderne Technik Einzug gehalten und Stimmbelastungen durch lautes Abrufen ausgeschaltet. Bei dem akustischen Konglomerat des Straßenlärms ist die Art der Stimmgebung im Werbewesen oder Dienstbetrieb keineswegs belanglos. Eine Gaststätte, in der z. B. umherlaufende Verkäufer durch übermäßigen Stimmaufwand auffallen oder Musik durch lautstarke Werbung übertönt wird, kann kaum einen gepflegten Eindruck hinterlassen. Schließlich werden noch mehrere Gruppen Berufstätiger durch spezifische Begleiterscheinungen ihrer Arbeit stimmlich betroffen:
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Zunächst die in Betriebslärm Arbeitenden. Bei Großlärm bis zu 100 Phon ist eine Verständigung der Ingenieure u n d Arbeiter nur durch Schreien möglich, wodurch eine übermäßige Beanspruchung der Stimme nötig wird. D a hierbei das Gefühl f ü r normale Tonstärke verloren geht, durch Gehörsschädigungen mit bedingt, wird auch außerhalb der Lärmquellen stets zu laut gesprochen. Die in starker Hitze beschäftigten Heizer und Köche sind zu Kehlkopfkatarrhen disponiert; dieser entzündliche Z u s t a n d greift auf die Stimmbänder über u n d macht die Stimme dysphonisch. J o h a n n a Schopenhauer, M u t t e r des Philosophen, w a r schon als Kind die „ewig heisere" Stimme des Kochs aufgefallen, der in der glühenden Hitze des Küchenherdes vom Danziger Schiffergüldenhaus arbeitete. Auch die sog. Annonceusen sind in Mitleidenschaft gezogen, die zwischen Küchenhitze und äußerer Zugluft stehend die Bestellungen laut ansagen. Chemische Stoffe (Lösungsmittel) haben eine unangenehme Reizwirkung u n d f ü h r e n zu Rachenkatarrhen. Tragen von Schutzmasken mindert Hustenreiz u n d Heiserkeit. Staubwirkung durch Luftverunreinigung affiziert die Schleimhäute, wie das klinische Bild der Staublunge (Silikose) zeigt. Friedrich Röpke f ü h r t 135 Berufsarten an, in denen Katarrhe der oberen Luftwege bis zur Stimmlosigkeit entstehen.
11. Grundsätze für die Berufsstimme Wenn junge Menschen einen Redenden Beruf ergreifen, haben sie gewöhnlich weder Kenntnis von ihrem eigenen stimmlichen Zustand noch eine Ahnung von den Anforderungen ihres späteren Berufes, in dem sie ein Leben lang mit der Stimme durchhalten müssen, wobei diese mehr als ein H a n d werkszeug, mehr als n u r ein Verständigungsmittel ist, nämlich Suggestionskraft ausstrahlen, eine gefühlsübertragende Wirkung
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ausüben und für den Inhalt der Rede empfänglich machen soll. Die Befähigung zu geistigen Leistungen in Form von Unterricht, Vorlesungen, Predigten oder Plädoyers bedeutet keineswegs auch den Besitz eines Stimmorganes, das diese Gedanken der Öffentlichkeit wirkungsvoll übermittelt. Schon bei der Berufsberatung (Studienberatung) sollten die f ü r Redende Berufe ungeeigneten Bewerber abgewiesen oder gewarnt werden, wenn das Stimmorgan einer Prüfung nicht standhält und mit Schwierigkeiten im Laufe der Berufsarbeit zu rechnen ist; denn die Stimme muß f ü r eine Dauerleistung ohne Schädigung „betriebssicher" sein. Das gehört ebenso zur Arbeitshygiene wie zur Volksgesundheit. Soweit es sich um Studierende an Universitäten und Hochschulen handelt, werden sie vielleicht eine Vorlesung über Stimmphysiologie und Übungen in Sprechtechnik besuchen. Hier finden sich Studierende, um Nachlässigkeiten, Unarten (Dialekt) oder Sprachfehler zu beseitigen, aber auch solche, die Begabung, Freude und Interesse für Wohlklang mitbringen, während gerade die vielen stimmlich Unbegabten und Bedürftigen fehlen. Sie gehen geradezu leichtfertig in ihren Beruf, einen Redenden Beruf hinein, und niemand hindert sie daran, auch wenn das Organ zum Reden fehlt oder ungeeignet ist. Wohin das führt, haben die mitgeteilten Fälle deutlich genug gezeigt: schon nach wenigen Berufsjahren treten Zeichen von funktionellen Stimmstörungen auf, die sich in gelegentlichen Erscheinungen wie Ermüdung, Heiserkeit und Druck im Hals äußern. Hand in Hand mit dem allmählichen stimmlichen Versagen geht eine Anfälligkeit dieser Organe für Erkältungen und Halsentzündungen, Luftröhrenkatarrh und Bronchitis (Frühjahr und Herbst). Die stimmliche Unsicherheit bringt neurotische Störungen mit sich, die dann als „Nervosität" gelten. So kommt es oft nach mehreren Dienstjahren schon zu wahren Katastrophen.
Grundsätze für die Berufsstimme
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In diesem Zustand wird der Halsarzt aufgesucht, dessen Diagnose Klarheit schaffen kann, welcher Art das Leiden ist: in günstigen Fällen dürfte der Befund beruhigend wirken, in schweren Fällen klinische Maßnahmen (Operation) rechtzeitig veranlassen. Die fachärztliche Inspektion des erkrankten Kehlkopfes zeigt Rötungen, Schwellungen, Entzündungen, Geschwülste, die mit medizinischen Mitteln zum Abklingen gebracht werden. Dieser pathologische Zustand ist aber meist nur das Symptom für überanstrengte, weil malträtierte Stimmen. Nach Beseitigung der Symptome bleibt das Wesentlichste, die Erschlaffung durch Uberanstrengung, weiter bestehen, solange nicht die bisherigen falschen Stimmfunktionen in richtige umgewandelt werden. Was aber bei der Stimme richtig und was falsch ist, hört der Pädagoge mit seinem geschulten Ohr; sein Gehörseindruck ergänzt den ärztlichen Befund mittels Kehlkopfspiegels. Deshalb bringen Schonungs- und Schweigeverordnungen - eine Hilfsmaßnahme während des akut entzündlichen Prozesses - keine Änderung im falschen Stimmgebrauch, weil sich der Patient allmählich nur noch zu flüstern getraut. Deshalb haben klimatische Kuren und Luftveränderung oft nur eine günstige Augenblickswirkung - nämlich während der Kurzeit, ohne einen Rückfall nach Wiederaufnahme der Berufsarbeit zu- verhindern. Deshalb führen Atem- und Sprechübungen nicht an die Quelle des Versagens, denn die Sprechwerkzeuge sind ja intakt, weder krank noch schwach, aber die Verbindung von Artikulation und Ton ist durch falschen Stimmgebrauch gestört oder gehemmt. Statt einer notwendigen klanglichen Korrektur wird eine übertriebene Deutlichkeit ohne Beeinflussung der Stimme geübt. Viele Stimmpatienten haben nach eigenen Studien die Gefahr der Unnatur artikulatorischer Methodik empfunden. Bei den genannten Behandlungsarten wird übersehen, daß Stimme immer nur durch Stimme zu bessern ist, daß ihre
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Kräftigung und Reinigung das Fundament zu einer neuen, gesunden Stimme legt. Grundsätzlich ist daher für die Angehörigen Redender Berufe zu fordern: Diagnose des stimmlichen Zustandes schon während der Studienzeit, mindestens bei Beginn der Berufstätigkeit, Information über allgemeine stimmhygienische Maßnahmen mit Vorführung typischer Fälle aus der betreffenden Berufsgruppe als Anschauungsmaterial. Hierbei sollte auch der in der Praxis oft auftretenden Erscheinung entgegengewirkt werden, aus falscher Sorge um Benachteiligung bei dem beruflichen Aufstieg die Meldung stimmlicher Schwierigkeiten bei den Dienststellen zu unterlassen. Stimmbildung, auch als Prophylaktikum für später zu erwartendes Versagen. Anstelle mangelnder Ökonomie sollte rationelle Stimmgebung treten, nicht aus Angst vor schädigender Uberanstrengung, sondern um eine Beherrschung des Kehlkopfes zu erzielen: kein unnützer Stimmaufwand, wenn er nicht nötig ist. Dabei muß eine Herabsetzung der auf angeborener Schwäche beruhenden Anfälligkeit bei klanglicher Steigerung durch Beseitigung der von Natur vorhandenen Ansatzfehler sowie störender Beiklänge erreicht und der richtige Sitz der Stimme gefunden werden. Was nützen die besten Gedanken, wenn das Stimmorgan keinen wirkungsvollen Vortrag erlaubt; denn zum Kopf gehört auch der Kehlkopf.
III. Die Stimme in der Kunst 12. Entwicklung der Gesangskunst Die antiken Meisterwerke der griechischen und römischen Tragödien und Komödien verlangten große Gesangs- und Sprechleistungen. Es war zugleich die Blütezeit der Rhetorik,
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deren Anweisungen auch der künstlerischen Behandlung der Stimme galten. Dabei kam den Griechen der Wohllaut ihrer Sprache sehr zustatten und fand auch bei den Dichtern weitgehende Berücksichtigung. Ganze Zeilen der Tragödien enthielten nur Ausrufe des Schmerzes und der Wehklage wie oioi, aiai, io, oa. Der Erfolg eines Dramas hing wesentlich von der Stimmtechnik der Schauspieler ab. Infolge der riesigen Dimensionen der antiken Theater, die eine körperliche Vergrößerung des Schauspielers durch den Kothurn, einen hohen hölzernen Untersatz, erforderten, bedingten diese Freilichtbühnen gleichzeitig auch eine stimmliche Proportionierung, sozusagen ein überlebensgroßes Format. Die verbreitete Ansicht, daß die Masken der Schauspieler schallverstärkend gewirkt hätten, hat Dingeldein widerlegt. Da Frauen im Theater nicht auftreten durften, verlangte man Frauendarsteller mit entsprechender Veranlagung als stimmlichen Ersatz. Zu den Solisten kam der Chor, auf der Orchestra agierend: in der Tragödie 12 bis 15, in der Komödie 24 Choreuten. Nicht nur die Chöre, auch viele Teile der Schauspielerrollen wurden einstimmig oder in Oktaven gesungen. Drei Vortragsarten sind zu unterscheiden: 1. Deklamation, in der Tragödie langsamer als in der Komödie, 2. Gesang mit stark improvisatorischen Elementen (Verzierungen und Melodievariationen), 3. eine Mischform: Unterbrechung des Gesanges durch reines Sprechen bei musikalischer Begleitung, also ein melodramatischer Vortrag. Da die griechische Musik unsere Mehrstimmigkeit und Harmonik noch nicht kannte und ihrem Wesen nach Vokalmusik war, konnte sich die Melodie der Sprache und ihrem Rhythmus ganz anschmiegen.
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Mit der Wiederentdeckung des antiken Theaters für die Bühne Anfang des 20. Jahrhunderts trat auch der „griechische Chor" erneut in Erscheinung. Die Konzeption, den Chor als Sprechchor auftreten zu lassen, beruhte jedoch auf einer Fehlinterpretation des antiken Theaters, da erst in der hellenistischen Zeit der Chor nicht mehr gesungen hatte. Der Schriftsteller, Essayist und Schauspieler Dr. Eugen Friedeil lehnte deshalb diese Praxis als einen künstlerischen und psychologischen Nonsens ab, und der Komponist Friedrich Klose forderte, die Chöre des griechischen Dramas unter allen Umständen, mit oder ohne Begleitung, singen zu lassen. Auch die etwas nüchternere lateinische Sprache ist zu Ausbrüchen tiefen Gefühls fähig. In der römischen Tragödie wechselten anfangs gesprochene Szenen mit Gesangspartien, den Cantica; diese wurden dann vom Cantor (Sänger) übernommen. Bei den Bühnenkünstlern, besonders den Tragöden, erwartete das römische Publikum musterhaft geschulte Stimmen bei vollkommener Reinheit. Roscius, der berühmteste Schauspieler, verfügte über eine mächtige und wohltönende Stimme. Die Phonasken lehrten Beherrschung aller Tonlagen für Gesangs- und Sprechzwecke. Im Minus, der dramatischen Volkspoesie, herrschte Humor und Realistik. Hier wirkten Frauen mit, Miminnen, die mit ihren schönen Stimmen wahre Teufelsmelodien sangen und damit sogar verführerisch gewirkt haben sollen. Gegenüber dem einheitlichen Kunstwillen der Griechen zeigten die Römer Sinn für das hervortretende Talent des einzelnen Virtuosen. Antike Vortragsart hat sich bis heute in der Griechischen Kirche am reinsten erhalten, wie überhaupt Liturgie eine der Hauptwurzeln der späteren Gesangsentwicklung gewesen ist. Das christliche Mittelalter stellte die stimmliche Kunst in den Dienst der Kirche. Durch das Verbot der Mitwirkung von Frauenstimmen im Kirchengesang (mulier taceat in ecclesia) wurden diese von Knabenstimmen übernommen, die von Fistu-
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lanten (Falsettisten) Verstärkung und Führung erhielten. Im Mittelalter herrschte die Chormusik, entsprechend dem Gemeinschaftsgedanken in Familie, Gemeinde, Gilde oder Bruderschaft; aber der mehrstimmige Gesang, unfrei und gebunden wie die starren Gesten der Bildwerke, erging sich noch in steifen Parallelen von Oktaven und Quinten (Organum). Ebenso wirkte der Kontrapunkt (punctus contra punctum, Note gegen Note) hemmend auf die stimmliche Entfaltung, die nur dem Solisten Möglichkeit in der Verzierungskunst (Diminution) bot. In der vokalen Polyphonie traten vier selbständige, individuelle Stimmgattungen auf: Sopran, Alt, Tenor und Baß. Zur Macht und Pracht des Papsttums gehörte die Sängerkapelle; hier wurden alle Mittel späterer Gesangskunst ausgeprägt. Im geistlichen Drama (Mysterienspiele) übernahmen jüngere Geistliche die Frauenrollen. Zu den gesungenen lateinischen Bibeltexten kamen gereimte Verse in deutscher Landessprache hinzu. In den Passionsspielen sind die einzelnen Personen (Jesus, Maria) noch ohne stimmliche Charakterisierung und Individualisierung. Zur praktischen Unterstützung des theoretischen Unterrichts dienten die Schulkomödien (Schuldramen) mit Chorgesängen. Die mittelalterlichen Bühnenanweisungen in den kirchlichen Spielen (Weihnachtsspiele usw.) waren dürftig, das Schreien, auf biblische Andeutung zurückgreifend, wurde bevorzugt. Das Volksdrama des Hans Sachs in Nürnberg hat die Bühne vom Marktplatz in den geschlossenen Raum (Kirche) verlegt. Damit war die Möglichkeit gegeben, das Menschliche mehr zum Ausdruck zu bringen und Stimmschattierungen anzuwenden. Das Streben nach Befreiung des Individuums führte in der Musik zum begleiteten Sologesang mit wirklichen solistischen Gesangsaufgaben. Dieser Bestrebung hat der Gesangslehrer und Komponist Caccini um 1600 zum Siege verholfen. Der neue Stil verband edlen Gesangston mit ausdrucksvoller Sprache und neuen stimmtechnischen Mitteln (Anschwellen des Tones,
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Triller). Die Gattung der Oper entstand, getragen von der klangvollen und vokalreichen italienischen Sprache. Eine Blütezeit der Gesangskunst ging von Florenz aus, wo das Zusammenwirken von Komponist und Sänger, häufig in Personalunion, ideal war. So erhielt der Interpret auch immer mehr Selbständigkeit für eigene Zutaten, die gründlich ausgenützt wurde. Ein Zeitalter der Gesangsvirtuosität brach an. Diese Epoche des Belcanto wurde charakterisiert durch die einzigartige und eigenartige Gesangskunst der Kastraten. Da der Ersatz von Sängerinnen durch Knaben oder fistulierende Männer allmählich als eine Unmöglichkeit empfunden wurde, nahm die Besetzung durch Kastraten überhand, später auch in den Rollen der männlichen Helden. Durch operative Entfernung der Keimdrüsen bei stimmbegabten und musikalischen Knaben vor der Pubertät blieb der Kehlkopf kindlich, während Brust und Atemorgane sich wie bei Erwachsenen entwickelten und deren Ausmaße sogar noch übertrafen, da die allmähliche Verknöcherung der Skelettmuskulatur wie der Kehlkopfknorpel eine Verzögerung erfuhr. Aus dieser Divergenz ergab sich die Fähigkeit, mit einem Minimalverbrauch an Atemluft eine ungewöhnliche Tondauer (bis zu 50 sec), Kehlfertigkeit und Schwellfähigkeit zu verbinden, wie sie normalen Stimmgattungen nicht möglich ist. Die Stimmlage der Kastraten war ein Mittelding von Knaben- und Frauenstimme, der Klangcharakter aber ein ganz eigener, rührend-engelhafter. Um ihre stimmlichen Mittel zu den verblüffendsten Kunststücken auszunützen, ließen sie sich von den Komponisten in einer Opernpartie Arien in Sopran- und Altlage schreiben. Die Kastratenstimme entsprach dem altitalienischen Klangideal des reinen überpersönlichen, neutralen Tones (nicht Mann nicht Weib). Für den Italiener, der eine besondere Vorliebe für die hohe Stimmlage besitzt, ist mit dieser der Begriff des Heroentums verbunden. Durch ihre Zulassung zur päpstlichen Kapelle erhielten die Kastraten ihre höchste moralische und künstlerische Sanktion;
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die Darbietungen der Sixtina galten schlechthin als etwas Vollendetes und Einmaliges. Hier waren die letzten 3 Kastraten noch Ostern 1914 tätig, darunter Prof. Alessandro Moreschi, dessen Äußeres eine hochgewölbte Sängerbrust bei weiblichen Gesichtszügen aufweist. Die Vorführung seiner Stimme auf Schallplatten, 1904 mit noch unvollkommenen technischen Mitteln aufgenommen, bildet für Zuhörer immer eine kleine musikgeschichtliche Sensation, für den Fachmann aber eine höchst lehrreiche Information; denn die Spitzenleistungen der altitalienischen Gesangskunst bestanden in den technischen Fähigkeiten und dem Eigenklang der Kastratenstimmen. Die Italiener schätzten am meisten die Soprankastraten. Sie mochten weder in der Kirche noch im Theater Bassisten, selten Altisten hören und ließen einen Tenor nur zu Nebenrollen zu. Die Bassisten fanden allmählich ihr Hauptfeld in der komischen Oper, wo sie schon durch ihre Stimmlage erheiternd wirkten. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts gewannen die Tenöre, früher als Väter, Wüteriche und Intriganten verwendet, als Liebhaber gegenüber den Kastratenstimmen an Boden. Mit der von Gluck eingeleiteten, von Mozart fortgesetzten und vollendeten Opernreform, erwuchsen den Sängern neue, dramatische Aufgaben, denen die Kastraten nicht gewachsen waren. Sie blieben bei der alten Schablone und verloren mit der Vollendung von Mozarts Lebenswerk ihre Existenzberechtigung auf der Bühne. Virtuoser, jedoch inhaltsloser Ziergesang ließ sich mit wahrhaft innerlichem Ausdruck nicht vereinen. Es ist deshalb ebenso abwegig wie unhistorisch, mit dem Ende der Kastratenepoche von einem Verfall der Gesangskunst zu sprechen. Als Grundstruktur der Oper hatte sich die Folge von Rezitativ und Arie herausgebildet. Das Rezitativ schränkt den Gebrauch der Singstimme zugunsten stilisierter Rede ein. Der Sänger muß stimmlich einen der gesprochenen Rede möglichst entsprechenden Ausdruck finden, er darf durch die Begleitung
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nicht gehemmt werden, die deshalb meist einem einzigen Instrument (Cembalo) anvertraut ist. In der Arie überwiegt das musikalische Element: hier dominiert die Koloratur mit rein gesanglichen Mitteln ohne Unterstützung, ja auf Kosten des Wortes. In der dreiteiligen da-capo-Arie erwartete das Publikum bei der Wiederholung des ersten Teiles immer neue Proben der Improvisationskunst der Sänger im Verzieren der Melodie. Die Opera seria, die ernste Oper, erhob an Stelle des gleichmäßigen Aushaltens längerer Töne den Schwellton zum klanglichen Ideal, was schließlich in Verzerrungen der Vokale, in Schluchzer und Stöße ausartete. In der Opera buffa, die auf Kastraten verzichtete, herrschte das heitere Element: die Koloratur wurde mit großen Intervallsprüngen parodiert, überhaupt allerhand stimmlicher Unsinn getrieben, indem z. B. die Rolle eines alten Weibes von einem Tenor gesungen wurde. Die Buffooper verlangte flüssige Sprache, das sog. Parlando. Eine ganz andere Entwicklung bei völlig verschiedenen Anschauungen vollzog sich in Frankreich. Hier beruhte der Gesang auf wirkungsvoller Deklamation nach dem Vorbild großer Schauspieler; war doch die französische Sprache höchst geeignet für deklamatorischen Gesang, also den Gegensatz zum Koloraturgesang. So kam Rousseau zum Melodrama, einer Zwittergattung infolge Verbindung von Sprechstimme mit Musikbegleitung. In den damaligen französischen Opern überrascht die Einfachheit der Gesangsmelodie, die aber aus dem Munde des gestaltenden Künstlers höheres Leben erhält. In Frankreich benutzten die hohen Tenöre eine Mischung von Brustregister und Falsett, die Voix mixte, eine noch heute übliche Gesangsart in der hohen Tenorlage. Der Tenor Duprez, dem diese Fähigkeit fehlte, führte das mit Bruststimme gesungene hohe C ein. Bei der Vorherrschaft der italienischen Gesangskunst und der deutschen Vorliebe, ausländische Vorbilder nachzuahmen, blieb
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eine ebenso eigenständige Entwicklung wie in Frankreich in Deutschland zunächst aus. Vom Sänger wurde ein dramatischer, charakteristischer Ton mit scharfer Ausprägung des Wortes verlangt, jedoch bereitete der Konsonantenreichtum der deutschen Sprache Schwierigkeiten. Ein wesentlicher Unterschied zwischen dem italienischen Gesangsideal und dem deutschen kristallisierte sich jedoch heraus. Bei einem Vergleich von Instrumentalmusik und Gesangsstimme zeigt sich im Frühbarock die Identität der klanglichen Merkmale von Instrumentalmusik und Kastratenstimme. Im Spätbarock wurde die menschliche Stimme zum Klangideal: statt des hellen Klanges der Italiener der dunklere der Deutschen. Das Orgelregister Vox humana, bisher Zusatzfarbe, erhielt im Nachbarock den Charakter einer Grundfarbe. Der Tremulant der Orgel, ein Ventil im Windkanal, ahmt durch rhythmische Stöße die Vibration der Singstimme resp. der Geige nach. Joh. Seb. Bach verlangt zwar die instrumentalste Stimme, aber niemals um der Technik willen. Mozart hatte noch in Italien stimmgerecht und gesangsmäßig zu schreiben gelernt, doch für gefühlswarme und geistig beseelte Stimmen deutscher Sänger. Die Literatur Bachs und Mozarts ist ein gefürchteter Prüfstein für den Vokalisten geblieben. Neben Mozart verdanken wir Schubert den neuen deutschen Gesangsstil, der in der klassisch gewordenen Liedform mit einem vollkommenen Ebenmaß zwischen Dichtung und Musik, zwischen Singstimme und Begleitung seine Melodien aus der Stimmung des Gedichtes heraus komponierte. Beethoven ging an die Grenzen des Stimmumfanges, aber nicht aus Unerfahrenheit oder Taubheit, sondern weil sein Genius ihn einengende Schranken überschreiten ließ. Durch orchesterbegleiteten, gesprochenen Text, kontrastierend zwischen Gesangsnummern, erreichte Beethoven in der aufwühlenden Kerkerszene des „Fidelio" und später C. M. v. Weber in der Waldromantik der Wolfsschluchtszene des „Freischütz" spannungsgeladene Melodramatik. Biehle, Stimmkunde
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Als Reaktion auf Rossinis Bravour der Verzierungen, einer Neuauflage kastratenhafter Kehlkopfakrobatik, begründete Richard Wagner den dramatischen deutschen Gesangsstil; ihm ist die Verschmelzung arioser Gesangsmelodie mit natürlicher Deklamation gelungen. Seine Musikdramen stellen namentlich in den Schlußakten ganz neue und große physische Anforderungen, denen sich die damaligen Sänger nur selten gewachsen zeigten. Dies war die Folge mangelhafter Sängerausbildung, die ganz einseitig nach italienischen Prinzipien betrieben wurde. An die Stelle des lyrischen Tenorsängers setzte Wagner den Heldentenor, der über das hohe A nur ganz selten hinausgeht und alles mit reinem Brustton singt. Das Fach des Heldenbaritons, schon von Weber und Marschner vorgezeichnet, gewann ebenfalls an Bedeutung. Die hochdramatische Sängerin vereinigte die ganze Skala vom Sopran bis Alt in sich. Den rezitativischen Gesangsstil übertrug Hugo Wolf auf das Lied. Gegenüber der Schubertschen Melodie deklamiert hier die Singstimme gemäß der unerhörten inneren Spannung auf kleinsten Intervallen (Chromatik), die wie gestaute Seufzer, gepreßte Schmerzlichkeit wirken, ja oft einen einzigen Ton wiederholen. Während im konservativen Italien noch das ariose Element vorherrschte (Verdi, Giordano, Puccini), wurde in Deutschland die Behandlung der Singstimme immer naturalistischer, d. h. sprechähnlicher. Diese Entwicklung nahm ihren Ausgang bei Richard Strauss, der die Gesangsstimmen mit orchestralen Klangmassen beschwerte, die aber seit der „Ariadne" einer durchsichtigeren Instrumentation wichen. Ein letzter Vertreter des Sopran singenden Liebhabers ist der Octavian im „Rosenkavalier". Strauss glaubte die gesanglichen Schwierigkeiten durch bessere Sprachtechnik (Ausprägung der Konsonanten) und Abschwächung der Tongebung seitens der Sänger beheben zu können; das ist freilich nur ein Ausweg, da das Problem der Verbindung von Wort und Ton damit nicht gelöst wird. Seine
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eigenen Verstöße gegen die Sanglichkeit hat er erst spät erkannt und im Vorwort zur Komödie „Intermezzo" eingestanden. In seinem Konversationsstück für Musik „Capriccio", einer Diskussion über die Streitfrage, ob die Dichtung oder die Musik in der Oper wichtiger ist, läßt Strauss dieses alte Wort-TonProblem offen. Von historischer Bedeutung ist das kühne Wagnis einer Oper in Prosa, Janäieks Oper aus dem mährisdien Bauernleben „Jenufa". Wie er die Sprechmelodie gegen die konventionellmusikalische Phrase gesetzt hat, erzählt er selbst ausführlich, wovon für uns wichtig ist: „Ich lauschte heimlich den Reden der Vorübergehenden und fühlte mich in die Melodie des gesprochenen Wortes ein. Wie vielen Variationen des Sprechmotivs eines und desselben Wortes bin ich da begegnet! Hier leuchtete es und war biegsam, dort war es hart und stechend. Die Melodie des gesprochenen Wortes ist aber nur das Material, von dem der Komponist ausgeht, aus dem er seine melodischen und rhythmischen Formen herausstilisiert. Das Studium der Sprachmelodie ist aber nur eine Vorstufe der Kunst. Die Kompositionslehre wird um ein neues Kapitel bereichert werden müssen, der junge Opernkomponist sich auch mit dem Skizzieren von Wortmelodien vertraut machen. Natürlich kann das fleißigste Naturstudium den genialen Einfall nicht ersetzen." Bei dem Streben nach neuen Ausdrucksmitteln ist das Singen ohne Worte, nur auf Vokalen, gesangskünstlerisch zu begrüßen, sofern Vokalisen nicht als klangästhetische Spielerei sondern stilistisch motiviert verwendet werden. Einen Höhepunkt dieser Vokalisations-Bestrebungen bildet die „Abstrakte Oper" von Egk-Blacher. Im übrigen ist viel experimentiert worden: Der Sänger wurde zum Stiefkind der Musik, der Gesang geriet ins Schlepptau der Instrumentalmusik. Neben einigen gelungenen Bemühungen zur Rückgewinnung der Sanglichkeit findet sich naturwidrige Verwendung der Stimmen, ein Argument für die Gegner neuer 7»
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Musik. So wird auch begreiflich, daß namhafte Sänger der leichten Muse dienen, weil die mit opernhaften Mitteln gesteigerte Operette dankbare und sangbare Aufgaben bietet, und daß manche Dichter einer Vertonung ihrer Gedichte direkt abgeneigt sind. Die Unsanglichkeit, eine alte Klage der Sänger über zeitgenössische Musik, ist namentlich damit zu erklären, daß den Komponisten das vokale Element weniger vertraut ist als das instrumentale, weil jeder zunächst vom Instrument, meistens dem Klavier, herkommt. Deshalb schreiben sie für Stimmen ungünstig, überschreiten den Stimmumfang, verlangen schwierige Intonation, muten Sängerinnen Violinpassagen zu oder Bassisten den harmonischen Grundbaß statt eines wort- und sinngemäßen Gesanges. In jeder Oper gibt es dadurch Stellen, die auch bei der besten Aufführung untergehen, weil sie für Singstimmen ungünstig liegen oder vom Orchester zugedeckt werden. Gegen den Vorwurf zu weiter Intervallsprünge, die den „gesanglichen Notwendigkeiten der Menschenstimme widersprechen", hat sici der „Wozzeck"-Komponist Alban Berg unter Hinweis auf Beispiele bei Schubert und Mozart im Radio Wien 1930 verteidigt. In 99 von 100 Fällen ist es Schuld des Komponisten, wenn der Text nicht verstanden wird, bekennt Arthur Honegger, der sich einen Text, den er vertonen soll, vom "Verfasser vorlesen läßt, oder, wenn dieser schlecht liest, sich vorzustellen versucht, wie ein guter Schauspieler ihn sprechen und wie er die Hauptakzente setzen würde. Wäre es nicht sinnvoller, anstelle einer durch die Vertonung verkrampften und unnatürlichen Gesangsspradie lieber den Text sprechen zu lassen mit musikalischer Untermalung und Umrahmung, d. h. ein Mittelding zwischen Melodrama und Schauspiel zu bieten? Schon Beaumarchais bemerkte kritisch: „Was zu dumm ist, um gesprochen zu werden, wird gesungen",
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und Voltaire äußerte sich im gleichen Sinne: „Man singt nur, was zum Sagen zu dumm ist." „In der Oper wird zuviel gesungen; man sollte nur singen, wenn ein Anlaß dazu besteht", forderte Debussy. In seinen Grundregeln für die Oper wünscht Collaer, daß „die Musik nicht allzusehr mit Text überladen werden soll. Es stößt schon im eigenen Land auf Schwierigkeiten, den Text zu erfassen, in fremdsprachigen Ländern wird er praktisch unverständlich". Gesprochener Text ist seit Schönbergs „Pierre lunaire" in die Vokalmusik aller Gattungen zunehmend eingedrungen bei genauen Vorschriften über Tonhöhe, Dauer und Rhythmus. Wunschtraum der Komponisten ist ein Zwischenstadium von Sprechen und Singen, das es aber trotz des terminus Sprechgesang, einer dem Sprechen angenäherten Singweise, physisch und physikalisch nicht gibt; denn auch mit musikalischen Zeichen (Noten) fixiert, bleibt gesprochene Interpretation reines, wenn auch gehobenes Sprechen ohne das eigentliche Charakteristikum des Singens. Die Vervollkommnung in der Bauart der Musikinstrumente hat ihre klanglichen Möglichkeiten erweitert, während die menschliche Stimme immer die gleiche blieb; diese Grenzen müssen respektiert werden! Hierzu gehören: Rücksichtnahme in der Textbehandlung, also keine Verstöße gegen die korrekte Deklamation, keine Melodie auf Kosten des Textes oder gegen diesen, keine falschen Betonungen oder Überbetonungen kurzer Worte und Endsilben, Rücksichtnahme auf die Atemführung, wie sie den Bläsern gegenüber selbstverständlich ist, damit eine melodische Linie nicht zerrissen wird, Kenntnis der inneren Dynamik der Stimmgattungen, d. h. ihrer schwachen Stellen und günstigen Lagen, namentlich an den Nahtstellen der Register, sängermäßige Einführung der hohen Lage und ihre psychologisch sinngemäße Anwendung, wobei Spitzentöne mit textlichen und musikalischen Höhepunkten zusammenfallen müssen, richtiges Verhältnis von Gesang und Begleitung, die nicht
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zudecken darf, durchsichtige Instrumentation, kurzum eine wirkliche Vertrautheit mit den vokalen Erfordernissen. Die Erfahrung, daß in der höheren Sopranlage die Vokale unkenntlich werden, findet Carl Stumpf von vielen Komponisten unberücksichtigt. Die Aneignung dieser Kenntnisse, deren Mangel sich in der Praxis rächt, muß den Musikern bereits während ihrer Studienzeit ermöglicht werden, was keinen erheblichen Zeitaufwand erfordert. Ein Ausnahmefall: In den Jahren des Entstehens mehrerer Opern, darunter „Tiefland", war der Pianist Eugen d'Albert mit der Kammersängerin Hermine Finck verheiratet, die während seines Komponierens alle Partien mitsang und Änderung gesanglich ungünstiger Passagen veranlaßte. (Mitteilung von Frau Violante Bergel-d'Albert an mich 1959). Kenntnis der eigenen Stimme und ihre pädagogische Förderung ist dringend anzuraten, sie gäbe überhaupt erst die Grundlage zum Verständnis der Gesangsaufgaben. Wie Komponisten mit unzureichender Stimme ihre Werke vortragen, belegen Schilderungen von Pauline Metternich über Richard Wagner und Gounod, von Ernst v. Wolzogen über Peter Gais (d. i. Peter Gast). Solange den Sängern seitens der Komponisten früher nicht gekannte Schwierigkeiten bereitet werden, ist damit zu rechnen, daß naturhaft gebliebene, weil ungenügend geschulte Stimmen diesen Aufgaben nicht gerecht werden, ohne dabei Schaden zu nehmen. Die Komponisten sollten schärfer unterscheiden, ob sie für Berufssänger oder für Amateure schreiben: Chorgesang für Laien erfordert konservativere und gemäßigtere Ansprüche. Angesichts unserer Riesenchöre sei erinnert, daß z. B. Johann Sebastian Bach für seine Chorwerke, also auch die Passionen, 22 Spieler (ohne den Generalbaß) und ganze 12 bis 16 Sänger einschließlich Solisten zur Verfügung hatte, so daß sowohl Hindemith als auch Strawinsky im Hinblick auf das heutige
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Mißverhältnis zwischen Chor und Orchester, zwischen Streichern und Bläsern, die Wiederherstellung der damaligen Aufführungsbedingungen gefordert haben. Allgemein wird beklagt, daß die Dirigenten ein Orchester nicht abzudämpfen verstehen, so daß der Sänger zugedeckt wird. Wer ein Opernwerk so genau kennt wie Dirigent und Regisseur, setzt fälschlicherweise voraus, daß auch vom Publikum Wort und Sinn verstanden werden. Nicht zuletzt deshalb mahnt Richard Strauss in Nr. 7 der „Zehn goldenen Regeln, einem jungen Kapellmeister ins Stammbuch geschrieben": „Es genügt nicht, daß du jedes Wort des Sängers, das du auswendig weißt, hörest, das Publikum muß mühelos folgen können. Versteht es keinen Text, so schläft es"; und in Nr. 8 sagt er: „Begleite den Sänger stets so, daß er ohne Anstrengung singen kann." Aber wie viele Kapellmeister" - so fragt Hermann Matzke, der Begründer der Musiktechnologie - „wissen im allgemeinen von den akustisch-physiologischen Gesetzen der Stimme und der Stimmbildung (selbst mancher Chormeister gehört hierher)?" Typisch für Dirigenten ist eine Äußerung von Fritz Busch: „Ich war als Instrumentalist erzogen worden und hatte als solcher anfänglich wenig Interesse für den G e s a n g . . . Um den in Aachen an mich gestellten Forderungen gerecht zu werden, mußte ich mich nun intensiv mit Gesangsstudium und mit der Behandlung von Stimmen befassen." Daß vom gesungenen Text einer Oper drei Fünftel nicht verstanden werden, wie der Dirigent Leo Blech aus langer Opernerfahrung äußerte, ist somit zuzuschreiben 1. Komponisten, die Rücksicht auf die gesangliche Interpretation vermissen lassen, 2. Sängern, die Wort nicht mit Ton verbinden können, 3. Dirigenten, die ein Orchester abzudämpfen nicht fähig oder gewillt sind.
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In diesem Zusammenhang verdient die scharfe Kritik des bekannten Bühnenbildners Caspar Neher Beachtung, die er in einem Brief an den Komponisten Rudolf Wagner-Regeny zum Ausdruck brachte: „Alle machen eine riesenhafte Verbeugung vor dem Orchester, und sie trommeln, pfeifen, trompeten im Orchester durcheinander, daß von der Sprache auf der Bühne nicht ein kleines Wörtchen zu verstehen ist, im Gegenteil, die Sänger werden durch das Gepfeife und Getrommle noch mehr angehalten und beginnen ihrerseits, um zu dokumentieren, daß sie auch etwas können, mit einem unheimlichen Gebrüll, und das nennt sich moderne Oper und wird einem Publikum vorgeführt, das anscheinend begeistert mitgeht, wenn man es aber fragt, ob es etwas verstanden hätte, so antwortet es deutlich, nein". In der Vokalmusik stehen heute alte und neue Formen nebeneinander, wie nachfolgende Übersicht zeigt. Operngesang: Aus der sozialkritischen Sicht Adornos wird er heute vorwiegend materiell eingeschätzt: „Am leidenschaftlichsten bemächtigt sich der musikalische Fetischismus der öffentlichen Einschätzung von Singstimmen. Ihr sinnlicher Zauber ist traditionell und ebenso die enge Bindung des Erfolges an die Person des mit „Material" Begabten. Aber heute wird vergessen, daß es Material ist. Eine Stimme haben und ein Sänger sein, sind für den musikalischen Vulgärmaterialisten synonyme Ausdrücke. In früheren Epochen wurde von Gesangsstars, von Kastraten und Primadonnen, zumindest technische Virtuosität verlangt. Heute wird das Material als solches, bar jeglicher Funktion, gefeiert. Nach der musikalischen Darstellungsfähigkeit braucht man gar nicht erst zu fragen. Selbst die mechanische Verfügung über die Mittel wird eigentlich nicht mehr erwartet. Eine Stimme muß nur noch besonders dick oder besonders hoch sein, um den Ruhm ihres Eigentümers zu legitimieren".
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Die Oper hat aber auch eine Umwertung erfahren, seitdem die Werkauffassung des Regisseurs (mit Lichtregie) dominiert und nach ausdrucksstarkem, pointiert gestaltendem Gesang mit schauspielerischen, sogar tänzerischen Leistungen verlangt, wobei die schöne Stimme nicht mehr das primäre ist. Der Verleger V. Gollancz äußert sich dazu: „Neuerdings ist man ganz verrückt auf ,Opernregie' geworden, teilweise als Ersatz für den Ausfall großer oder auch zulänglicher Sänger." War früher der Genuß von Stimmen mit einem Opern- oder Konzertbesuch, also einem gesellschaftlichen Ereignis, verbunden, so ist der heutige Gesangskonsum durch Funksendungen in die Häuslichkeit verlegt - eine musiksoziologische Umwälzung; denn der Bewohner einer Mittelstadt wird in seinem Theater zweitklassige Sänger anzuhören wenig geneigt sein, da er dieselben Gesangsstücke von den ersten Sängern der Welt über die Massenmedien ohne Eintrittsgeld zu hören bekommt. Chorgesang: Das Streben der Laienchöre nach hohen und höchsten Aufgaben ist zu begrüßen, sofern dies nicht zu öffentlichkeitsfreudigem Expansionsdrang mit Konzertreisen und einer Selbstüberforderung führt. Aber schon die Gestaltung volkstümlicher Lieder vor heimischem Publikum kann eine bedeutende Chorleistung sein. Es ist eine wesentliche Aufgabe des Chorleiters, Gesangsbegeisterung und stimmliches Vermögen der Chormitglieder in Einklang zu bringen, um das vielfach zu hörende Forcieren vor allem der hohen Töne zu vermeiden. Sangesfreudige Männer bevorzugen die Mitwirkung in Männerchören; nicht zuletzt daraus resultiert der Mangel an Männerstimmen in den Gemischten Chören mit ihrer anspruchsvollen Literatur. Jedoch gliedern sich Männerchöre gern einen Frauenchor an, um gemeinsam höhere Aufgaben übernehmen zu können; Gemischte Chöre erleichtern sich die Nachwuchsfrage durch einen eigenen Kinder-(Knaben-)chor.
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Vokalensemblegesang: Das Vokalensemble, nicht mehr Madrigalchor oder Kammerchor genannt, sondern nach dem Namen seines Dirigenten, besteht aus Amateuren, die nun als quasi-Berufssänger fungieren und gehobene Unterhaltungsmusik speziell für die Massenmedien pflegen. Ein nicht mehr erreichtes Beispiel an Präzision, Virtuosität und Witz stellten um 1930 die Comedian Harmonists dar, deren Kunst uns auf Schallplatten erhalten blieb. Jazz und Schlagergesang: Ahmen die Jazz-Bläser den Klang der menschlichen Stimme nach, so behandelt der Jazz-Vokalist seine Stimme wie ein Instrument, vor allem wie ein Saxophon. Er singt teilweise ohne Text, mit sinnlosen Silben und mit vokalisierenden Koloraturen. Es ist ein Paradox, daß der Jazz von gesungener Musik herkommt, aber der ganze Jazz-Gesang von instrumentaler Musik (Berendt). Den vom Jazz beeinflußten Schlagergesang hat Marlene Dietrich mit dem tiefen, getragenen Ton des Chanson-Vortrages von Ciaire Waldoff zu einem neuartigen Vokalstil entwickelt. Heute werden hauchdünne Stimmen über Mikrofon dicht vor dem Munde lautstark gemacht, auch brüchige, rostige, rauchige, denaturierte Organe prägen eine veränderte Klangästhetik, die den Publikumsgeschmack stark beeinflußt und verflacht hat. Bei einer zusammenfassenden Betrachtung des heutigen Gesangswesens ist manches kritisch anzumerken, anderes zu beklagen; vieles erfordert jedoch ein Umdenken und gleichzeitig eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Neuen, dem Experimentellen. In diesem Zusammenhang seien einige wesentliche Punkte herausgegriffen: 1. Die Verschiebung der Höhe des Normaltones-. Zur Musikausübung ist eine allgemein verbindliche physikalisch festgelegte Tonhöhe notwendig, die Kammerton genannt wird. Er war viele Jahre auf 435 Schwingungen pro Sekunde fixiert. Im 18. Jahrhundert lag er noch wesentlich tiefer. Um dem Orche-
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sterglanz zu dienen, ist ohne Rücksicht auf das Leistungsvermögen des Sängers der Normalstimmton im Jahre 1939 auf 440 Hertz bei 20 Grad Celsius festgelegt, also heraufgesetzt worden. Er wird teilweise bis zu 445 Hertz hochgetrieben, wozu auch die Temperatur (z. B. 30 Grad) beitragen kann. Zu Recht fordert Professor Hermann Matzke deshalb einen „unerläßlichen Naturschutz der menschlichen Stimme" (FAZ 7. März 1969). 2. Die Übersetzungsfrage: Text und Musik bilden häufig eine Einheit, die zumindest wünschenswert ist. Bei Übersetzungen in eine oder aus einer Fremdsprache geht diese Einheit angesichts der Unantastbarkeit der Melodie auf Kosten des Gesanglichen verloren. 3. Mehrsprachigkeit auf der Bühne innerhalb einer Aufführung: Aus Rücksicht auf einen gastierenden ausländischen Künstler wird ein Werk zweisprachig gesungen. Das Bemühen deutscher Opernhäuser, ausländische Opern, vor allem italienische, in der Ursprache zu bieten, ist gewiß lobenswert, obgleich die Möglichkeit auf ein Minimum reduziert wird, den TextInhalt zu verstehen. 4. Die Anwendung von Verstärkeranlagen: Sie führt durch Vergrößern und Verfälschen des Originalklanges zu Unsicherheiten in der Bewertung, wieviel der Natur und wieviel der Technik zuzuschreiben ist. 5. Die Einteilung in mikrofongeeignete und -nichtgeeignete Stimmen: Sie setzt einen Maßstab, dem nicht mehr der Originalzustand zugrunde liegt, und der als verfälschend anzusprechen ist. 6. Die technische Perfektionierung der tonmeisterlich ausgesteuerten, am Mischpult frisierten, gefärbten, gemixten Stimmen auf Schallplatten, im Hörfunk, Tonfilm und Fernsehen: Sie verringert Lust und Interesse an eigener Stimmbetätigung, wodurch die Zahl der Gesangsamateure und damit auch poten-
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tieller Berufssänger abnimmt. Das bedeutet einen Verlust an Nachwuchs namentlich für Hausmusik und Chöre. 7. Die im Hörfunk wie im Fernsehen praktizierten technischen Möglichkeiten: Aufteilung einer Rolle auf Sänger und Sprecher (im Hörfunk) auf einen agierenden Schauspieler und einen unsichtbaren Sänger (im Fernsehen); Trennung von Bildund Tonaufnahme; Aufnahme der Rezitative Live, der Arien getrennt nach Handlung und Gesang im Play-back-Verfahren; originale Orchesteraufnahmen ohne Sängerstimmen, die Live hinzukommen. 8. Montage einer Sendung aus Mitschnitten von Hauptprobe, Generalprobe, Premiere und Zweitvorstellung: Eine derartige Montage wurde von der Kritik als Verschnitt bezeichnet (Der Spiegel 1/1968). 9. Eine zunehmende Abwertung des Gesangs und der Gesangskunst: Sie vollzieht sich unbewußt durch den alltäglichen Vortrag von Schlagern mittels der schon genannten technischen Möglichkeiten. Durch einen Abnutzungseffekt wird diese Abwertung selbst bei künstlerisch wertvolleren Melodien hervorgerufen. 10. Synthetischer Gesang durch elektronische Experimente mit Verfremdungseffekten von Gesang und Sprache: Mit Hilfe modernster Studiotechnik und unter Anwendung verschiedenster Aufnahmetricks haben Komponisten und Toningenieure gemeinsam die völlig neue Darbietungsform einer „Musik aus der Hexenküche" (nach F. C. Judd) geschaffen. Die Mittellage einer Gesangsstimme kann in dröhnende Tiefe oder schrille Höhe transponiert werden. So waren in der Oper „Aniara" von Bomdahl, deren Handlung in einem Raumschiff spielt, die menschlichen Stimmen bis ins Unverständliche verzerrt worden, um die babylonische Sprachverwirrung darzustellen. Aber auch trotz dieses dernier cri, des Gesangs aus der Retorte, kann von einer Krise der Gesangskunst nicht gesprochen werden. Es handelt sich vielmehr um eine progressive Um-
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Wandlung bisheriger Werte und Auffassungen analog den tiefgreifenden Veränderungen aller Künste und den rasanten Neuerungen der Technik. Bei der Ausbildung von Musikerziehern hat der Gesang an Bedeutung gewonnen. Die Studierenden müssen in den Chören der Musikschulen mitwirken, und von Instrumentalisten, vor allem Holzbläsern, wird Singen als Grundlage ihres Musizierens verlangt. Schon Theobald Boehm, Reformer des Flötenbaues (Boehmflöte), hatte Gesangsunterricht genommen, um seinen Flötenvortrag und rechtzeitiges Atemholen zu verbessern (nach R. Ventzke). Die Blockflöten-Pädagogin Hildemarie Peter mahnt: „Wer nicht singen kann, bringt es auf dem Instrument nicht weit." Die neuzeitlichen Schulen sind vom Gesang her orientiert (öffnen des Schlundes, Zungenarbeit). Als der Komponist Zoltan Kodäly nach 1945 die Organisation der ungarischen Musikerziehung in die Hand nahm, entschied er: „Niemand darf ein Instrument lernen, bevor er nicht singen kann. Was körperlich erspürt, stimmlich empfunden und realisiert ist, macht das musikalische Gestalten auf dem Instrument zwingender."
13. Sänger Die erfolgreichen Sänger sind in den Erwachsenen mit tonnenförmigem Brustkasten repräsentiert; sie haben dieses Merkmal aller Neugeborenen behalten und noch entwickelt, was sich an Körperform und Haltung erkennen läßt. Das Verdienst, die Physiognomie des Sängers studiert und auf rein äußere Anlagen zur Stimmentfaltung durch Gegenüberstellung von Bildmaterial erstmalig hingewiesen zu haben, gebührt Josefine Richter von Innfeld, der Mutter des Dirigenten Hans Richter. Der Sängertyp ist gekennzeichnet durch kurzen runden Hals, starken Nacken und ausgeprägte Kinnpartie; der Kopf sitzt
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auf einem hochgewölbten Brustkasten. Bei einem solchen Sänger lassen sich die starken Halsmuskeln direkt unter der Haut fühlen im Gegensatz zu dem sog. Speckhals eines verfetteten Nichtsängers. Für die Physiognomik, die aus der äußeren Gestalt eines Menschen Schlüsse auf seine Wesensart zieht, gibt somit der Sängertyp ausgesprochene Merkmale, die noch zu wenig beachtet wurden. Der äußeren Haltung einer wahren Kraftgestalt entspricht die innere Beschaffenheit: Stimm- und Lungenkräfte sind Produkte einer ursprünglichen und später trainierten Naturanlage. Laut einer Umfrage Thausings bei bedeutenden Sängern haben diese während der Mutation weitergesungen, ja teilweise konnten sie sich an eine solche überhaupt nicht erinnern. Hier ist die Singfähigkeit von der Knabenzeit bis ins Mannesalter ohne Störungen durch den Stimmwechsel erhalten geblieben. Es besteht somit ein direkter Weg vom Säuglingsschrei zum hohen C, liegt doch der erste Schrei des Menschen in dieser Tonhöhe. Allerdings treten aus berühmten Knabenchören relativ wenige später als Gesangsstars hervor; offenbar werden die Stimmen dort schon verbraucht. Ein atypischer Fall ist M a x Lorenz, der wegen einer an Heiserkeit erinnernden Stimmrauheit in den Schulsingstunden zum Schweigen verurteilt, mit der Note 5 beurteilt, einen künftigen erfolgreichen Heldentenor nicht erwarten ließ (nach Weinschenk). Während die normale Entwicklung des Berufssängers von Kindheit an über die Mutation glatt hinweg ohne Störungen und Hemmungen in gerader Linie geht, kommt der NichtBerufssänger (Dilettant) im günstigsten Falle ein Stück Wegs mit bis zu einer sängerähnlichen Stimme. Die übrigen aber erreichen kaum einen stimmlichen Durchschnitt oder erleiden schon frühzeitig mit der Mutation durch Entwicklungshemmung eine Stimmstörung. Folgende Ubersicht, in der die Länge der Linien dem Grad der Stimmfähigkeit entspricht, soll dies veranschaulichen.
Sänger Kinderstimme
Mutation
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Erwachsenenstimme •Sängerstimme sängerähnliche r Stimme stimmlicher ^Durchschnitt
Stimmstörung (Entwicklungshemmung) Im Werdegang vieler von Natur begnadeter Sänger gibt es gewisse Gemeinsamkeiten. Ihre Naturstimme wird beim Vortrag von Liedern oder Arien durch einen Gesangslehrer oder einen Mäzen „entdeckt" und gefördert. Wie wir aus den Biographien bedeutender Sänger wissen, beschränkte sich ihre Ausbildung - zumindest früher - hauptsächlich auf Korrepetition, d. h. auf die Einstudierung und den Vortrag von Gesangsliteratur sowie auf die Kultivierung der bereits vorhandenen Stimmanlagen. Geringes Musikverständnis und Unvermögen, Klavier zu spielen, sind nicht selten. Auffallendstes Merkmal war und ist die geradezu unerschöpfliche Kraft der Stimme, die aber nicht abgebaut, sondern erhalten und durchgebildet werden muß. Viele Naturtalente singen deshalb entgegen den einschränkenden Vorschriften ihrer Lehrer außerhalb des Unterrichts ungehemmt darauf los. Für eine zutreffende Beurteilung von Sängerstimmen ist es empfehlenswert, diese im Studierzimmer zu hören, da sich dort Mängel und Fehler leichter entdecken lassen als in großen Räumen. Es gibt allerdings auch Stimmen, die im Musikzimmer gewaltig wirken, während ihre Resonanz auf der Bühne erheblich geringer ist. Manche Sängerkarriere gründet sich auf eine einzige hervorragende Eigenschaft, z. B. zarten Pianoklang, glanzvolle Tenorhöhe oder abgrundtiefe Baßlage, während andere notwendige Voraussetzungen nicht oder nur unzureichend gegeben sind.
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Erfolge bei Publikum und Presse dürfen nicht unkritisch machen. Die Beliebtheit eines Namens ist keineswegs Gewähr für einwandfreien Gesang. Angesichts des Personenkults sei an die Mahnung des Kammersängers in Wedekinds gleichnamigem Stück erinnert: „Versuchen Sie doch, sich für die Oper zu interessieren, statt für die Männer, die auf der Bühne stehen! Sehen Sie in mir keinen berühmten Sänger, sondern das unwürdige Werkzeug in der Hand eines erhabenen Meisters!" Das Opernsingen stellt große Ansprüche an die Leistungsfähigkeit, zumal neben den beruflichen Aufregungen auch Staub und Zugluft auf der Bühne die Stimme ungünstig beeinflussen. Läßt die Spannkraft nach, wird die Stimmführung unsicher, bleiben hohe Töne aus, und Indispositionen haben Absagen zufolge. In einer Zeit des Laborierens werden Lehrer gewechselt und die verschiedensten Mittel ausprobiert. Der bekannte Musikwissenschaftler und Kritiker Professor Stuckenschmidt berichtet z. B., daß „in Italien zwischen 1945 und 1951 schon 20 bis 30 hoffnungsvolle Sänger nach kurz aufflammendem Ruhm verbraucht und abserviert worden sind. Nach zwei Jahren Schnellkurs im Bei canto rächt sich die Natur, schärft die Diskante, rauht die Tiefen auf: die Stimmen sind nach ein paar Jahren abgenutzt". Von schlechten Erfahrungen ist selbst in den Memoiren großer Sängerinnen zu lesen. Frieda Hempel schreibt von der Sorge um ihr piano in kritischen Lebensphasen und Frida Leider berichtet von gesangstechnischen Schwierigkeiten schon bei ihrem ersten Engagement. Hermann M. Hausner, der Biograph Mario Lanzas, nennt dessen Schicksal die „Tragödie einer Stimme". Ungenügende Schulung des vorhandenen Stimmaterials führte zu häufigem Versagen. Auch Schockwirkung hat zu Stimmstörungen, ja Stimmverlust geführt, wie ihn Chaim Weizmann von seinem Vater berichtet. Dieser hatte als ehrenamtlicher Vorbeter hochgeschätzt und gesucht bei der Nachricht vom Tode seines Bruders
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seine Singstimme völlig verloren. Sein Sohn erbte diese merkwürdige Empfindlichkeit der Stimmbänder. Uber die Beeinträchtigung einer Laufbahn durch ein Stimmleiden soll der Fall der Sängerin S. aus dem eigenen Erfahrungsbereich Auskunft geben. Frau S. war eine in Wien und Berlin erfolgreiche Sängerin, bis ihr das Opernsingen infolge kehliger Höhe und flacher Mittellage immer schwerer wurde. Mit Operetten und Schlagern konnte sie noch einige Jahre bestehen. Dann unterzog sie sich einer zweijährigen, intensiven Stimmschulungsarbeit, die einen chronischen Katarrh zur Lösung brachte, dieser hatte den Stimmverfall weiter verschärft. Die vorhandene Kurzatmigkeit wurde beseitigt und Sicherheit im Singen wiedergewonnen. Die Sängerin hatte vor dieser Behandlung auch ausländische Lehrer konsultiert, die - vorwiegend auf die sinnliche Tonschönheit bedacht - die katarrhalische Fessel nicht gehört, geschweige denn gelöst hatten. In anderen Fällen ist der Wechsel der Stimmgattung oder des Faches und häufig der Ubergang zur Sprechbühne der einzige Ausweg aus stimmlichen Schwierigkeiten. Die Frage, ob vorhandene Stimmanlagen für eine Sängerlaufbahn reichen, ist deshalb verantwortungsbewußt und subtil zu prüfen. Zwei Beispiele sollen zur Illustration dienen: Erich Lötz, Kriegsblinder des 1. Weltkrieges: „Einer der typischen Blindenberufe kam für mich nicht in Frage, so tauchte der Gedanke auf, mich als Konzertsänger ausbilden zu lassen. Es war einer der gefährlichen Augenblicke, wo das Schicksal drängend eine Antwort haben will. Der Gesanglehrer war mit meiner Stimme zufrieden und bereit, meine berufliche Ausbildung zu übernehmen. Aber etwas in mir sagte energisch nein dazu. Es ist schön, eine Stimme zu haben, mit der man seine Familie und seine Freunde erfreuen kann. Doch um die große Menge mitreißen zu können durch den Zauber und die Gewalt seines Organs, dazu gehört mehr als ein bloßes Talent. Einen Beruf darauf aufzubauen, der auf die Dauer innere Befriedigung Biehle, Stimmkunde
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bringt, ist schon für einen großen Künstler kein einfacher Weg. Eine mittlere Stimme aber, wie die meine es war, konnte solche Erwartungen nicht erfüllen. Das sagte mir eine klare Selbsterkenntnis. So stand ich vor einem schweren Entschluß." Lötz studierte Theologie und wurde Religionslehrer. Siegmund Weltlingers Vater war Heldentenor, seine Mutter Sopranistin, beide wirkten an ersten Bühnen. So wollte der Sohn begreiflicherweise auch Sänger werden; doch sein Vater fand die Stimme nicht ausreichend und riet zu einem anderen Beruf. Der Sohn entsprach diesem Wunsch und wurde Banklehrling. Auf breitere Lebensbasis gestellt, wird der Sängerberuf risikoloser. Daher empfiehlt es sich, erst einen existenzsichernden Beruf bis zur Abschlußprüfung zu erlernen und ein Gesangsstudium nebenbei zu betreiben; führt dieses überzeugend zu Berufsaussichten, kann auf eine Sängerlaufbahn zugesteuert werden. Den entscheidenden Schritt sollten die dafür Verantwortlichen mutmachend fördern, in aussichtslosen Fällen dagegen jugendliche Illusionen rechtzeitig abbauen, so schmerzlich es auch für die Betroffenen sein mag. Die Vorbedingungen für den Sängerberuf erschöpfen sich schließlich nicht nur im Stimmbesitz. Der Opernkomponist Ernst Kfenek hat diese Erfahrung so formuliert: „Es gibt viele Sänger, die ihren Beruf nur darum ausüben, weil ihnen die Natur zweckmäßige Stimmbänder geschenkt hat, obwohl sie ihnen den Musikverstand vorenthielt." Aber der als Klavierbegleiter weltbekannt gewordene Gerald Moore erwähnt an drei Stellen seiner „Bekenntnisse", daß „heutzutage das musikalische Niveau der Sänger höher als je zuvor ist". Den Sängernachwuchs erwarten heute erheblich höhere Anforderungen als noch vor wenigen Jahrzehnten. Er muß unter physischen Höchstbelastungen den Gesangsstilen von mehr als 3 72 Jahrhunderten gerecht werden und Barockmusik ebenso beherrschen wie die atonale Tonkunst, deren Mikroatonalität
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in Bruchteiltönen vokaler Kakophonien infolge enger Reibungsintervalle Intonationskunststücke erfordert (nach Prieberg). Der Vorkämpfer der Vierteltonmusik, Alois Häba, nennt die menschliche Stimme wegen ihrer Fähigkeit, die feinsten Differenzierungen der Intonation zu realisieren, das vollkommenste Musikinstrument, doch steht seiner Ansicht nach die Menschheit bezüglich der bewußten Beherrschung der menschlichen Stimme, dieses kompliziertesten Musikinstruments, auf einer sehr niedrigen Entwicklungsstufe.
14. Entwicklung der Sprechkunst Zum ersten Mal seit der Antike bot das Drama Shakespeares stimmdramatische Aufgaben. Damit hat jene gesangliche Reform Caccinis eine fast gleichzeitige Parallele im Schauspiel erfahren: Erhielt im Sologesang das Wort eine ganz neue Bedeutung, so herrscht im Drama Shakespeares die Musik der Sprache. Die scharfe Charakterisierung verlangte nun Stimmfarbe und musikalischen Klang. Dennoch war es um die stimmlichen Anforderungen und Leistungen im Schauspiel noch fast bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts schlecht bestellt. Alles war auf starke Lautgebung bis zum Schreien ausgerichtet. Die französische Tragödie forderte den singenden Vortrag, der jedoch durch Schreie und plötzliches Sinkenlassen der Stimme im nachfolgenden Satz entstellt wurde. Das meist verwandte Versmaß der Alexandriner kam der Manier singender Deklamation entgegen. Bis die Schauspielerin sich auf der Bühne durchgesetzt hatte, wurden Darsteller mit hellklingenden Stimmen in Frauenrollen berühmt. Mit Klopstocks Wortkunstwerken und Lessings dramaturgischem Schaffen wurde eine Wende in der Entwicklung der Sprechkunst eingeleitet. Noch war eine natürliche Sprechweise auf der Bühne zwar nicht erreicht, aber wenigstens ein Uber8»
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gangsstadium mit singender Eintönigkeit und gespreizter Ausdrucksweise (z. B. Mooord, Trääänen) gefunden. Die Neuberin gab zuerst den Ton der tragischen Deklamation an, und Ekhof legte seine ganze Charakterisierungskunst in die Abtönung des gesprochenen Wortes. Als Goethe und Schiller sich dem Schauspiel zuwandten, fehlte eine stimmliche Schule als Vorbild noch gänzlich. Das Weimarer Streben nach Ebenmaß und Gemessenheit ergab keine lebendige, sondern eine idealisierte Natur. Goethe wünschte in der Gestaltung dialektfreies Sprechen mit sonorem Klang, Schiller erprobte in der „Braut von Messina" die dramatische Wirkung des Sprechchores. Kleist schwebte eine klanglich möglichst festgelegte Gesetzmäßigkeit im gesprochenen Wort vor. Grillparzer, der beim Schreiben sicher vieles mitgesprochen hat, berauschte sich in seinen späteren Dramen am Klang des gesprochenen Wortes. Uberhaupt wurde in der Romantik die Freude am sinnlichen Wohllaut bestimmend. Schauspieler mit schönem Stimmorgan beuteten diesen Vorteil aus. Es entstanden Betonungen ohne sinnvolle Berechtigung, nur aus klanglicher Spielerei. Was noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts auf Bühnen zu hören war, schildert Emil Jannings vom Darmstädter Hoftheater: „Um mich deklamierte, dröhnte und schrie es, während ich versuchte, so einfach wie möglich zu sein. Es war ein aussichtsloser Kampf." Ähnlich war es auch am Berliner Kgl. Schauspielhaus. Dem deklamierenden Virtuosen setzten dann die Meininger die Ensembleleistung entgegen, und mit dem Erscheinen des Naturalismus bildete sich ein Gegenpol zum pathetischen Hoftheaterton. Der damit verbundene Einzug der Alltagssprache auf der Bühne hatte jedoch zur Folge, daß Schauspieler mit ungenügendem Stimmorgan und nachlässiger Sprachbehandlung zu höchstem Ruhm gelangen konnten. Mit rauhen, heiseren, unmelodischen Stimmen wurde eine wahre Ästhetik des Häß-
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liehen gepflegt. Die Befürchtung, in das Pathos früherer „Schausprecher" zu geraten, führte zu einer Periode des sachlichen Tones, in der die Schauspieler schönen Stimmklang absichtlich vermieden. „Im Expressionismus mit seiner prinzipiellen Exhibition zerbrach die sprachliche Form oft in Schreie und Gestammel. Viele Schauspieler blieben später auf der Strecke, weil sie nur herrlich schreien konnten, aber außerstande waren, schlicht und natürlich zu sprechen", bemerkte dazu Ernst Ginsberg. Den Deklamations-Virtuosen boten Konzertmelodramen dankbare Aufgaben, von denen am bekanntesten der von Richard Strauss für Ernst v. Possart komponierte „Enoch Arden" (Tennyson) und das von M. v. Schillings für Ludwig Wüllner komponierte „Hexenlied" (E. v. Wildenbruch) geworden sind. Die dynamische Ausdruckskraft von Wüllners musikalischer Sprache hat nie jemand wieder erreicht (Stuckenschmidt). Eines der letzten Melodramen ist die vorzugsweise von Sprecherinnen dargebotene Sinfonische Erzählung für Kinder „Peter und der Wolf" von Prokofieff. Als Pseudomelodramatik anzusehen ist dagegen die im Funk und Fernsehen üblich gewordene Technik, Sprechtexte mit einer häufig zu lauten Begleitmusik zu versehen. Der Wandel zur Nüchternheit in der sprachlichen Gestaltung manifestiert sich in dem neuen Typ des Rundfunk- und besonders des Hörspielsprechers, der mit seiner Stimme als alleinigem Ausdrucksmittel wirkt. Das verdeutlicht eine Studienplatte „Goethe-Interpretation im Wandel der Zeit", auf der Schauspieler der Gegenwart mit den Großen der Vergangenheit wie Kainz, Moissi, Wüllner, Bassermann, Kayssler, Hedwig Bleibtreu gegenübergestellt werden. Gemeinsames oder Chorsprechen ist uns aus der Schulzeit und aus den Gottesdiensten vertraut; als Mittel akustischer Demonstration zielt es in der politischen Propaganda auf eine provozierende Wirkung ab.
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Die Verwendung des Sprecbchores in Kunstwerken wird problematisch, wenn er nicht nach fast musikalischen Gesetzen geleitet und abgestuft wird, wie es Max Reinhardt tat, der die Sprechchortexte in eine Art Partitur brachte. Den Frauen- und Männerstimmen des Kammersprechchors Zürich sind keine absoluten Tonhöhen vorgeschrieben. Die Texte werden zwar in gewöhnlicher Notenschrift aufgezeichnet, doch wird die relative Höhe der Silben zueinander notiert, d. h. die Modulation des gesprochenen Satzes. Der Rhythmus ist meist nicht nur ein musikalisches Element, sondern unterstützt den Ausdruck des Textinhaltes. Für die den Chorsprechern von Komponisten gestellten hochdifferenzierten Aufgaben genügt die übliche Art des Sprechunterrichts nicht mehr, da er keinen Einfluß auf die Funktionen der Stimmbänder zur Gewinnung eines modulierten Klanges nimmt wie die Arbeit an der Gesangsstimme. Kronzeugen werden das im nächsten Kapitel anhand ihrer Sprechstudien bestätigen. Sprechstimme und Sprechchor in Musikwerken sollten als Kontrastmittel, nicht als Verlegenheitsmittel dienen und den Charakter eines Ausdrucksmittels tragen. Schon lange wird bedauert, daß es keine Methode zur Fixierung der Sprachtöne, also eine in Noten geschriebene Vorlage, gibt. Dichter und Schriftsteller hätten dann die Möglichkeit, genaue Vorschriften für die Wiedergabe zu machen, nach denen sich der Schauspieler oder Rezitator richten könnte. In diesem Zusammenhang sind die Erfahrungen Theodor Fontanes mit den beiden gefeierten Vorlesern Louis Schneider und Rhetor Schramm aufschlußreich. Nachdem sie dem Dichter seine für den Vortrag bestimmten Werke zur Beurteilung vorgelesen hatten, notierte dieser: „Beide lasen gleich schlecht, weil nach demselben falschen Prinzip, das in dem altehrwürdigen Gegensatz von Gebrüll und Gewisper wurzelte. Dabei kam es vor, daß Schneider eine ganz zweifellose Wisperstelle geradezu donnerte. Junge Dichter begehen gewöhnlich den Fehler, der-
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gleichen korrigieren zu wollen, was bloß verschnupft. Darauf hab' ich mich aber nie eingelassen, weil ich schon damals eine ziemlich richtige Vorstellung von dem hatte, was .Publikum' bedeutet." Sollen nun Dichter ihre Werke selbst lesen oder von Berufssprechern vortragen lassen? Hans Brandenburg „sah sich von früh an genötigt, den Schauspieler als Podiumssprecher abzulehnen, von wenigen rühmlichen Ausnahmen abgesehen". Oskar Maria Grafs Meinung lautete: „Schauspieler können überhaupt nicht lesen, immer spielen sie! Meine Sachen kann nur ich selber richtig lesen." Friedrich Georg Jünger fand „kaum Schauspieler, die ein Gedicht angemessen lesen können, weil sie etwas hineinbringen, was nicht hineingehört". Nach Ansicht des Balladendichters Börries Freih. v. Münchhausen sprachen alle ihm bekannten Dichter Verse „ohne jene unnatürliche Sprach-,Kunst', die dem Schauspieler von heute anerzogen wird, sobald er sprechen' lernt. Alle Dichter lehnen die Gedichtvorträge von berufsmäßigen Rezitatoren, Deklamatoren, besonders Schauspielern ab. Wir alle finden, daß unsere eigene sprechtechnisch völlig ungelernte Vortragsart bei weitem richtiger und wirkungsvoller ist. Der Dichter soll sich hüten, Sprechunterricht zu nehmen." Rudolf Presber beklagte, daß „Rezitatoren so oft durch Verkünstelung die Schlichtheit und Wärme zerstören". Der in vielen Vortragsabenden erprobte Hans Reimann antwortete indifferent: „Den Dichter präsentieren, alsbald jedoch ablösen lassen von einem guten Sprecher." Sehr bemerkenswert erscheint die jüngste Anregung des auch als Schauspieler aufgetretenen Wilhelm v. Scholz, der Dichter solle seine noch nicht gespielten Stücke „als wertvolle Vorprobe der Aufführung vor Zuhörern selbst lesen". Wir haben heute die schon von Rilke gewünschte literarische Schallplatte mit Dichterlesungen aus eigenen Werken oder ge-
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sprochenen Selbstportraits, z. B. von Andres, Benn, Bergengruen, Th. Mann, Reinh. Schneider, Zuckmayer. Nach einer Schallplattenaufnahme eigener Gedichte notierte Emil Barth die Eindrücke seiner „Spiegelstimme" und forderte: „Man muß über ursprüngliche Unbefangenheit verfügen." Künftig sollte in tönenden Anthologien das Organ des Dichters Berufssprechern gegenübergestellt werden; ein solches vergleichendes Studienmaterial fehlt noch, wäre aber sehr instruktiv. Würden Dichter wie Komponisten Einzelheiten des Vortrages fixieren, so könnte die Interpretation ihren Intentionen wesentlich leichter entsprechen. Von seinen Erfahrungen, fehlerhaftes Sprechen auf der Tonspur mit Feder und Tinte noch zu korrigieren und den Möglichkeiten, Stimmen technisch zu manipulieren, berichtet der Filmregisseur J. v. Sternberg.
15. Schauspieler Obwohl die Stimme als Hauptmittel des Schauspielers, mit der er sogar andere Mängel, z. B. körperlicher Art, vergessen machen kann wie der berühmte Ekhof, der ständigen Bildung und Pflege bedarf, verlassen sich die meisten auf ihre Naturanlage. Wie großartig eine solche sein kann, zeigte Matkowskys Titanenstimme. Stimmbesitz verpflichtet; ungenügend sind deshalb äußerliche Sprechübungen von einigen Monaten Dauer bei gleichzeitig beginnendem Vortragsstudium mit einer nicht fertig gebildeten Stimme. Eine Gesamtstudienzeit von höchstens zwei Jahren, wie es häufig der Fall ist, reicht deshalb nicht aus. Als Resultat hören wir stimmlichen Naturalismus und die Sprache der Alltäglichkeit auf der Bühne. Hinzu kommen technische Mängel. Den Schauspieler strengt das „Charakterisieren" an, einen Schrei, d. h. einen richtigen Orkan im Organ, vermag er nicht
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zu artikulieren, ebenso ist er nicht in der Lage, längere Zeit in hoher Tonlage zu sprechen. Der Stimme fehlt es an Klang und Farbe des Tones, das Gehör für die Musik der Sprache ist mangelhaft. Der Schauspieler Ferdinand Bonn, der ein musikalisches Ohr besaß, hat über verhängnisvolle Methodik seines Lehrers Bericht gegeben: „Mein Lehrer Possart hatte mir u. a. gesagt, daß ich mein Organ stärker machen müsse. Mir schwebte Demosthenes vor, der die Meeresbrandung überbrüllte und Steine in den Mund nahm. Darum schrie ich den ganzen Winter in einem Gartenhaus solange, bis mein wohlklingender Bariton zerbrochen war. Da mir Possarts Tenorlage im Ohr klang, sprach ich jahrelang alles viel zu hoch, bis mich später einmal Hermann Gura darauf hinwies. Beständige Stimmbandlähmungen und Beschwerden waren die Folgen dieses Irrtums, die mir bis in die reifen Jahre zu schaffen machte. Es gelang mir, das mißhandelte Organ so weit herzustellen, daß es nicht ,aus' wurde." Auch viele andere namhafte Schauspieler haben Stimmsorgen gehabt, da Unterricht nicht vermochte, Ansatzfehler und mangelhafte Kehlfunktionen zu beseitigen, einen konzentrierten Klang zu bilden und eine hohe Lage zu gewinnen, die (Über-) Schreien ausschaltet. Tilla Durieux schreibt über ihre Wiener Theaterschule: „Der Unterricht der Sprachbildung war so primitiv wie möglich, unser Wiener Dialekt wurde kaum verbessert, er hat mir in späteren Jahren noch viel Verdruß bereitet. Die Stimme wurde auf drollige Weise gepflegt: entweder mußte man flüstern oder brüllen." Erst nach einem Gesangsstudium (!) bei dem berühmten Bariton Francisco d'Andrade ermüdete ihre Kehle nicht mehr, die früher bei jedem lauten Satz einen Krampf auslöste. Curt Goetz hatte sich noch in seinem ersten Engagement von den Sprechübungen seines Lehrers, des berühmten Tragöden Emanuel Reicher, nicht erholt. Die übertriebenen Atemübungen
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hatten ihm enorm geschadet und ein ständiges Kratzen im Halse verursacht. Fritz Kortner, der sich und andere Kollegen als Stimmbandathleten bezeichnet, nennt die Sprechweise der Wiener Burgschauspielerinnen „oft geziert, maniriert oder penetrant innig, pseudoschmerzvoll mit dem Schmerzensjodler". Bei Jessner stießen ihn die Nur-Sprecher, die Deklamations-Hünen mit ihren Bühnenschwertstimmen ab. Werner Krauss hatte „Gott sei Dank nie einen Lehrer. In der ersten Berliner Zeit machte mir meine Stimme viel zu schaffen. Ich habe mit meinem jugendlichen Organ gesündigt, zu laute Schreie ausgestoßen." Schon in Nürnberg war er täglich beim Halsspezialisten, der einen Berufswechsel empfahl. Aussagen über stimmliche Erfahrungen von Schauspielern, seien sie nun kritischer oder selbstkritischer Natur, gibt es bei der Memoirenfreudigkeit der darstellenden Künstler reichlich. Die folgende Aufzählung nennt die wichtigsten: Jean-Louis Barrault, Sarah Bernhardt, Rudolf Bernauer, Charles Chaplin, Konrad Dreher, Else Eckersberg, Rudolf Forster, Rudolf Frank, Lina Fuhr, Ernst Ginsberg, Vera Hartegg, Gerta Ital, Emil Jannings, Paul Kemp, Hubert v. Meyerinck, die Mistinguett, Stanislawski, Agnes Straub. Wie schnell es zu einem Verlust der Stimme kommen kann, zeigen die Erfahrungen mit dem Schauspieler T.: Sein Riesenorgan machte ihn für den jugendlichen Helden prädestiniert. Nachdem er sidi in einer bekannten Brüllrolle überschrieen hatte, kam es zu einer vierteljährlichen Stimmlosigkeit, dann wurden stimmliche Ausbrüche nicht mehr möglich, jede Anstrengung wirkte schädlich. Durch Stimmbildungsarbeit gelang es, die Empfindlichkeit der Kehle zu beheben und die ursprünglichen Kehlkräfte wieder zu wecken. Die Ausführungen auch dieses Kapitels haben die Notwendigkeit rechtzeitiger richtiger Stimmbildung gezeigt. Bei den Künstlern handelt es sich darum, die gegebenen Naturanlagen
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nicht zu verschwenden, sondern in einen für die Kunsterfordernisse reifen Zustand umzuwandeln. Unerläßlich ist die Kontrolle, ob Ansatzfehler bestehen oder sich verschlimmern. Somit bedürfen die Stimmen ständiger Überwachung und Betreuung durch einen Sachverständigen, dessen Tätigkeit der eines Hausarztes vergleichbar ist. Theater- und Filmfachleute, Kritiker und Publikum sind in Stimmbelangen leider oft ohne zutreffendes Urteil. Um Wort und Ton des Schauspielers zu beeinflussen, müßten die Regisseure selbst ein einwandfreies Vorbild geben. So wünschte Tieck, daß der Regisseur die Partitur des Schauspiels mit seiner Stimme vorspielen könne. Ein Theaterleiter wird zur Hebung der stimmlichen Verhältnisse an seiner Bühne wesentlich beitragen, wenn er sich der Mitarbeit eines beratenden Stimmfachmannes bedient, der aber auch tatsächlich Einfluß auf die Stimmen des Institutes, Engagements und Besetzungsfragen ausüben müßte. Eine stimmlich wie sprechtechnisch anspruchsvolle Aufgabe wird dem Schauspieler bei der Synchronisation in Film und Fernsehen gestellt. Tonfall, Mundstellungen und Pausen müssen lippensynchron übereinstimmen, die handelnden Personen ohne Einbuße der persönlichen Note mit der „geborgten" Stimme genau getroffen sein.
16. Die Stimme als Klangphänomen Durch ein Wehr gehemmt und aufgestaut wird das fließende Wasser eines Flusses aus Druck und Gegendruck zu einer Kraftquelle. Die Technik benutzt dieses Verfahren zur Energiegewinnung (Staudämme). Auch in der menschlichen Stimme vermag das Fließen des Atemstromes (Ausatmung) allein noch keine Stimmkraft zu erzeugen. Diese kommt erst dadurch zustande, daß der geborene Vokalist die Fähigkeit besitzt, die
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unbewußt vor der Tonentstehung in Brust und Kehle gestaute Luft (Atemdruck) mit Hilfe des an den Stimmlippen entstehenden Widerstandes (Gegendruck) ohne äußere Veränderung der beteiligten Organe in Klang umzusetzen. Es handelt sich dabei um eine geheime innere Triebkraft der Stimme, weder um ein Zurückhalten des Atems noch um ein Vollpumpen, sondern um die Umwandlung von Luft in verdichtete Luft. Mithin ist es eine Luftfunktion, die das gesamte Instrument der Stimme, vor allem die Kehle als die Quelle der Tonerzeugung unter Druck und Spannung hält. Auf solcher verdichteten Luftsäule schwebt der Ton wie eine Kugel auf einer Fontäne, der Ton steht dann „pneumatisch hoch". Die unterhalb des Kehlkopfes zu einem höheren Verdichtungsgrad komprimierte Luft wird an die Stimmlippen herangedrängt, die ihren Widerstand aufgeben, um in Schwingungen überzugehen, wodurch ein Ton entsteht, der im Ansatzrohr sein eigentliches Klanggepräge erhält. Bei der Tonentstehung eines Blasinstrumentes dagegen drängt der Bläser die Luft durch den offenen, unbeteiligten Kehlkopf an das Mundstück, seine eigenen Lippen geraten in Schwingungen, die das Instrument in Klang umsetzt. Zur gleichen Zeit, als dieses Grundprinzip in der Stimme erkannt und methodisch ausgebaut wurde, versetzte Enrico Caruso die Welt in hellste Begeisterung und Bewunderung durch seine geradezu eruptive Macht sowohl im getragenen Stil mit dem seelenvollsten Ton wie auch im spritzigsten Staccato und einer beispiellosen Steigerung aller stimmlichen Fähigkeiten in der hohen Tenorlage - begann doch schon sein Name symbolisch mit dem C. Die fast gleichzeitige Erfindung des Grammophons ermöglichte es, ein solches Stimmwunder in häuslicher Ruhe zu studieren oder im Hörsaal zu demonstrieren. Mit Caruso hatte die Natur ein einzigartiges Modell dafür geschaffen, wie beim echten Gesang die Kehle immer unter starkem Druck steht, der freilich während eines Gesangstones unhörbar bleibt, sich aber
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am Ende einer Gesangsphrase durch ein explosionsartiges Austreiben des nicht mehr tönenden Luftstromes mit einem leichten „Abknallen" bemerkbar macht; Carusos Schallplattenaufnahmen z. B. von der Bajazzo-Arie „Jetzt spielen" und der Tarantella bilden hierzu ein ideales Studienmaterial. Von grundlegender Bedeutung ist somit die Frage nach Beschaffenheit und Leistungsgrad der Muskulatur von Kehlkopf und Brust, die bei Gesangsgrößen wie Caruso einen idealen Zustand zeigten. Die Fähigkeit des Singens hängt zum großen Teil von der Spannkraft und Elastizität dieser Muskeln ab, die meist zu schwach sind, zu spröde oder zu hart, also nicht voll leistungsfähig sind. Falschem Stimmgebrauch liegt eine Muskelarbeit mit Verkrampfungen und gewaltsamen, unzweckmäßigen Bewegungen zugrunde. Es genügt nicht, die falsche Muskeltätigkeit durch Schlafflassen und Lockern beseitigen zu wollen; bei dieser Entspannungs-Methodik bleibt die Frage unberücksichtigt, ob und welche Spannungen überhaupt vorhanden sind. Die Aufgabe des Vokalisten besteht darin, dem Zwang der falschen Muskeltätigkeit eine richtige, zwanglose Muskelspannung entgegenzusetzen. Das Innere eines Flügels (Klavier) zeigt Saiten innerhalb eines Gußrahmens ausgespannt, dessen Festigkeit erst die ungeheure Spannung der Saiten je nach ihrer Länge und Dicke ermöglicht. Auch die Stimme braucht einen solchen „Rahmen"; er wird gebildet vom Knorpelgerüst des Kehlkopfes und der Muskulatur zwischen Zungenbein und Brustbein. Hier liegt die Befestigungsmuskulatur, die unter Aufhebung unzweckmäßiger Bewegungen zu trainieren ist, was zugleich ein Wecken aller an der Stimmgebung beteiligten Kräfte bedeutet. Wie wir von Gegenständen des täglichen Lebens wissen, bedeutet Elastizität z. B. eines Gummibandes, die Fähigkeit zur Straffung, zugleich aber auch zum Lockerlassen. Diese Elastizität gilt es zu gewinnen. Regulierung der Druck- und Spannungsverhältnisse
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ergibt sowohl stimmliche Kraft wie auch ihre Entspannungsfähigkeit. Aber nicht nur diese neuen Erkenntnisse über die Triebkraft, d. h. Antrieb und Kraft der Stimme, beinhalten den Fortschritt. Hatten die alten Methodiker an eine einheitliche Harmonie in der Stimme geglaubt, so erweist sich diese als disharmonisch, dualistisch: Während der vollkommene Ton eine Einheit darstellt und ein Gebilde der Kunst ist, zeigt der unvollkommene Ton ( = Naturton) eine Gespaltenheit, eine Zweiheit, einen Dualismus. Deshalb birgt jede Stimme ein Etwas in sich, das Ausmerzung und Umbildung verlangt. Die uns angeborene Sprechund Singweise läuft einer höheren, künstlerischen Tongebung zuwider, sie wird allein schon durch die sogenannten Ansatzfehler gehemmt. Ansatzfehler sind Spezifika der einzelnen Stimmgattungen: für den Sopran kann ein kehliger Ton sowie ein scharfer Klang, namentlich in der Höhe, unangenehm und schädigend wirken, die Altstimme neigt zum gaumigen Klang, die Tenorstimme ist durch starken Kehlton (Knödel) sowie forcierte oder gedeckte Höhe gefährdet, der Baß verfällt leicht in hohle Tongebung. Am günstigsten liegen die Mittelstimmen (Mezzo und Bariton), dafür wird aber von ihnen Ebenmäßigkeit und Ausgeglichenheit in hohem Maße verlangt. Die Ansatzfehler mit ihrem kehligen, halsigen, gaumigen, hohlen, flachen oder nasalen Klang ergeben sich auch aus der Natur der Vokale, indem I und E spitze, nasale, U und O halsig-gaumige und A kehlig-flache Tonprodukte bilden, die einen offenen, quellenden Ton und die Automatik der Kehle verhindern. Als wichtigstes Kriterium gilt die hohe Lage der Stimme: d. h. bei hohen Tönen müssen alle Vorzüge der Mittellage organisch weitergeführt und mühelos noch gesteigert werden.
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Von diesen Ansatzfehlern ist der Kehlton der schlimmste und als die Wurzel allen Übels zu bezeichnen. Bei hohen Männerstimmen (Tenor) wird er zum Quetschton (Knödel) in Sprache wie Gesang. Dieser meist angeborene Kehlton entsteht durch Verengen und Abschnüren der Kehle, nimmt ihr die Freiheit und überanstrengt den Kehlapparat, im Gegensatz zum freien Ton, der die Kehle weitet und in die richtige Lage rückt. Da der Kehlkopf mit Bändern am Zungenbein aufgehängt ist, kann eine Verschiebung seiner Lage, hauptsächlich nach oben, erfolgen. Modelle für kehltonfreies Singen waren Caruso und Raimund von Zur Mühlen, ein deutscher Caruso, beide ihrem Stimmcharakter nach zwischen lyrischem und Heldentenor. Während beim idealen Ton Kraft und Gegenkraft, Atem und Kehle, deckungsgleich übereinstimmen, fehlt dieser Kräfte-
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ausgleich beim Kehlton. Angenommen, die Triebkraft einer Kehle betrage 100 Einheiten und es würde ihr eine Atemkraft von nur 50 entgegengesetzt, so stünde diese stark gebaute Kehle unter ungenügendem Luftdruck. Im umgekehrten Falle würde eine zu schwache Kehle durch überstarken Atemdruck verschoben, weil sie keine Gegenkraft zu bieten vermag. In beiden Fällen besteht also ein Mißverhältnis zwischen den
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Kräften von Kehle und Atem. Wo sich dagegen die Kräfte zahlenmäßig die Waage halten, z. B. bei 1 0 0 : 1 0 0 (die punktierte Linie), decken sich Triebkraft und Gegenkraft, es entsteht eine Balance des Tones. Ein Sänger oder Schauspieler mit Kehlton zehrt von seinem Kapital statt von den Zinsen. Da der Kehlton oft mit einem schönen, auffallenden Timbre verbunden ist, wird der falsche Klang und Glanz kaum diagnostiziert und infolgedessen auch nicht ausgemerzt. Durch „Entlasten" der Kehle ist er nicht zu beseitigen, weil dabei die vorhandene Stimmkraft durdi jahrelanges Pianoüben, Hauchen und Säuseln immer mehr abgebaut wird statt sie systematisch zu schulen, um die richtig verteilte „Belastung" tragen zu lernen. Wie der Ton alle pneumatischen Höhlen von Brust und Kopf erfüllt, veranschauliche eine vereinfachte Zeichnung:
Unterhalb der Trennungslinie zwischen Brust und Kopf geht der Ton durch einen Tiefgriff nach abwärts in die Brust. Hier gewinnt das Stimminstrument einen wichtigen Stützpunkt, den
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der Vokalist tatsächlich als einen „Griff" am Brustbein fühlt. Das Streben nach Luftverdichtung stärkt die Muskulatur an der Brustwand, den Schultern, Flanken und am Rücken von den Halswirbeln ab. So wird der schon von Schmitt geforderte Brustton gewonnen und geschult. Nach einem Wort Treitschkes „Mit dem Brustton der Uberzeugung" gibt der aus der Brust kommende Ton einer Rede Nachdruck; und für die Gesangsstimme bedeutet der Brustton das Fundament, den Boden, die Urkraft. Der Ton dringt aber auch nach dem Munde zu im weiten Bogengang. Der Vokalist spürt die Schwingungen in Nase, Stirn und Schädel. Wenn der Ton sowohl über als auch unter den Stimmbändern steht, wird ein Gegengewicht balanceartig ausgeübt. Der dualistische Charakter der Stimme zeigt sich auch in den Registern. Der Name Register, von der Orgel auf die menschliche Stimme übertragen, bedeutet, daß eine Reihe von Tönen mit ungefähr gleicher Stimmbandfunktion erzeugt wird. Der angeborene Dualismus spaltet aber die Register durch einen Bruch unvermittelt in Brustregister und Falsettregister (falsetto = falsche Stimme, weil Kopfstimme statt Bruststimme). Die Frauenstimme ist eine Fortsetzung und Erweiterung der Mädchenstimme, insofern der Männerstimme gegenüber im Vorteil, dafür aber stärker abhängig vom körperlichen Zustand. Sie wird in der Tiefe vom Brustregister gebildet, dem sich auf weit größerem Gebiet die Falsettstimme anschließt. Die schwierige Zone liegt im Übergangsgebiet von beiden Registern: ein roher Brustton wechselt mit einem ausdruckslosen Falsetton ab, der erst mit zunehmender Höhe seine Qualitäten entfaltet. Die Männerstimme zeigt ein wesentlich anderes Bild, da sie der Stimmwechsel von der Knabenstimme trennt. Niemals darf man die Männerstimme als eine um eine Oktave tiefer liegende Frauenstimme ansehen; denn beim Mann dominiert die BrustBiehle, Stimmkunde
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stimme, während die Anwendung des Falsetts begrenzt ist und zudem unmännlich wirken kann. Also eine grundlegend andere Situation als bei der Frau. Folgende schematische Skizze zeigt, daß (ungefähr) die Oktave zwischen c1 und c2 in der Männer- wie Frauenstimme sowohl im Brustregister als auch im Falsett gesungen werden Brustregister Tenor Sopran
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1' cl I.
Falsett * _ Brustreg.
^ c2 .1
cs
Falsett kann. Die Lage von c2 aufwärts bleibt dem Falsett der Frauenstimme vorbehalten, gewissermaßen als Fortsetzung der Männerstimme. Die Lage der Männerstimme von c1 abwärts wird nur vom Brustregister ausgeführt. Dieses Schema verschiebt sich selbstverständlich bei tiefen Stimmen nach unten. Schließlich zeigt sich der dualistische Charakter auch in der Dynamik der Stimme: Beim Singen einer Tonleiter von unten nach oben wird der Ton mit zunehmender Höhe immer stärker. Es liegt hier ein Naturgesetz vor, das auch die Komponisten kennen müßten, um nicht dagegen zu verstoßen; denn es werden in der tiefen Lage oft genug kräftige Töne verlangt, z. B. am Anfang des Chorales „Wachet auf, ruft uns die Stimme" und in Schuberts Lied „Dem Unendlichen". Deshalb lautet die Aufgabe für stimmliche Schulung; das dynamische Verhältnis umkehren zu können, also in der Höhe Zartheit und in der Tiefe eine gewisse Stärke zu ermöglichen, ja nach der Höhe zu einen Pianoton ohne Bruch in einen Fortissimoton anschwellen
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und nach der Tiefe einen Forteton zu einem Pianissimoton abschwellen zu lassen. In der Gesangskunst steht die Forderung nach schönem Stimmklang obenan, deshalb der terminus Belcanto. Aber Schönheitsbegriffe sind ungenau, auch variabel im Wandel der Zeiten u n d bei den einzelnen Völkern, zudem ist der schöne T o n in sehr vielen Fällen mit falschem Ansatz gepaart. Hier zeigt sich ein schwerwiegendes Problem: schönes Timbre, das die Z u h ö r e r begeistert und bezaubert, von unkritischen Ohren als Ergebnis besonderer Schulung bewertet, kann einen Ansatzfehler verdecken u n d überlagern, dem aber für Entwicklung und Fortbestand der Stimme entscheidende Bedeutung zukommt. Deshalb m u ß die Stimmästhetik mit exakteren Begriffen operieren. Seit Müller-Brunow (s. S. 140) liegt das ganze Geheimnis der Beurteilung und Bildung einer Stimme im Hören, also einer spezifischen Beobachtungsgabe. Wer aber diagnostiziert n u n richtig? Das m u ß wiederum durch einen Vergleich erklärt werden: Weder ein Tisch, eine Treppe noch ein H a u s kann ohne das M a ß des rechten Winkels gebaut werden. O h n e den „rechten Winkel" im Gehör gibt es ein schiefes H ö r e n , eine falsche Beurteilung. Als genaues M a ß für den Bau einer Stimme gilt der Begriff des echten Tones. Was echt ist, wissen wir bei Schmuckgegenständen, Edelsteinen u n d Perlen zu schätzen. Das Unechte glänzt auch, aber nur der Fachmann unterscheidet mit Kennerblick Echtheit von Talmi. Drei Grundeigenschaften, nämlich Reinheit, Ruhe u n d R u n dung bilden die Voraussetzungen zum echten T o n , einem von Armin eingeführten Begriff, dessen Schriften obige Skizzen entnommen wurden. Unter Reinheit des Tones ist die absolute Intonationsreinheit zu verstehen, die sich mit der sogenannten Pedalprobe am Flügel exakt demonstrieren u n d kontrollieren läßt. W e n n die 9*
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Intonationsreinheit fehlt, darf dieses Manko nicht mit mangelnder Musikalität identifiziert werden, denn es handelt sich beim habituellen Unreinsingen sozusagen um einen Konstruktionsfehler im Bau des Stimmkörpers, nicht um musikalisches Versagen. Es gibt berühmte Beispiele für ständiges Zutief- oder auch Zuhochsingen, - eine Qual für Dirigenten und mitwirkende Musiker. Hiervon zu unterscheiden ist mangelnde Musikalität (Gehör) bei gut gebauter Kehle. Die Ruhe des Tones ist gegeben durch eine physikalische Eigenschaft, seine rhythmische Gliederung. Erfolgt die Tonwelle in Berg und Tal etwa 5,4 mal pro Sekunde, so hat der Gesangston eine ebenmäßige Form, die seinen Wohllaut bildet; liegt die Zahl unter 5 pro Sekunde, wird der Ton träge und schleppend, liegt er über 6 pro Sekunde, so entsteht ein Tremolo bis zum Meckern. Diese Zahlen fand Thausing mit bloßem Ohr, ohne apparative Hilfe, abgesehen von einer Uhr. Was als „Seele" des Gesangstones empfunden wird, ist also durch ein physikalisches Phänomen manifestiert. Rundung des Tones betrifft die Vokalisation: keine spitze oder flache, sondern runde Vokalform, was als behelfsmäßiger Fachausdruck zu verstehen ist. Der runde Vokal kann auf einigen günstigen Vokalen und Tönen vorhanden sein, auf anderen fehlen. Durch Überbilden vom offenen zum geschlossenen Vokal und umgekehrt läßt sich der Unterschied einem Vokalisten hörbar und begreiflich machen. Nur der runde Vokal ermöglicht plastische Aussprache, und zwar in jeder Sprache. Wenn es auch den „Text an der Kasse" zu kaufen gibt, so kann der Opernbesucher erwarten, ohne vorherige Kenntnis oder Mitlesen des Wortlautes alles zu verstehen. Der runde Vokal ermöglicht dies, weil ein frei fließender Tonstrom auch die tonhemmenden Konsonanten erfaßt, so daß damit das Dilemma „Ton oder Wort?" von selbst gemildert oder aufgehoben wird.
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Echt heißt also ein Ton, der vollkommen intonationsrein (nicht zu hoch, nicht zu tief), tragfähig, konzentriert, ausdrucksvoll, absolut musikalisch ist. Man könnte ihn mit einem Celloton, vergleichen, wenn nicht beim Gesang die Sprache hinzukäme. Kein ungünstiger Vokal, keine Konsonantenhäufung darf diesen Tonstrom hemmen, dessen Charakter stets ein fließender sein muß. Die Ruhe im Ton, d. h. physikalisch seine Ausgeglichenheit der Schwebungen, bildet ein weiteres Kriterium für die Echtheit des Tones. Somit gibt es objektive Maßstäbe im Gesangsfach. Eine bisher zu wenig genutzte Möglichkeit ist der Klangfarbenvergleich mittels der E. Schumann'schen Gesetze. Rein äußerlich ist der echte Ton an der fast geschlossenen, höchstens halbgeöffneten, aber zwanglosen Mundstellung zu erkennen. Diesen echten Ton in der eigenen Kehle erworben zu haben, führt zu untrüglichem Gehör in der Stimmdiagnostik. Um das Gehör für die Beurteilung stimmlicher Vorgänge zu schärfen, lautet die erste Forderung: Höre dich selbst! Die gleichen klangästhetischen Prinzipien gelten für die Sprechkunst. Auch beim Schauspieler ist die Stimmlage mitbestimmend für das Fach. Es werden bei den Sprechstimmen ebenfalls hohe und tiefe Frauenstimmen, hohe und tiefe Männerstimmen unterschieden. Wie bei den Singstimmen können die gleichen spezifischen Ansatzfehler beobachtet und beseitigt werden. Auch beim Schauspieler ist die hohe Stimmlage ein wesentlicher Prüfstein, nämlich die Fähigkeit, ganze Sätze auf hohe Töne zu legen, ohne in Schreien zu verfallen und sich anzustrengen. Ein weiteres Attribut der Stimmtechnik des Schauspielers ist die Modulationsfähigkeit und die Kunst des Charakterisierens, d. h. das Klangprodukt zu variieren. Nur ein zum edlen, musikalischen Ton geschultes Sprechorgan kann ohne Schaden bei voller Natürlichkeit auf naturalistisches Kreischen oder Schreien umgeschaltet werden. Gerade das Verstellen der
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Die Stimme in Forschung und Pädagogik
Stimme - denken wir z. B. an den betrunkenen Totengräber im „Hamlet" - gelingt erst künstlerisch, wenn ein durchgebildeter Grundton für die verschiedensten ihn entstellenden Modulationen vorhanden ist. Für komische Wirkungen genügt noch nicht heiseres Fistulieren. Es ist wohl das tiefste Geheimnis der Sprechkunst, daß die Sprache einen musikalischen Klang annimmt, der jedoch nicht in „Singen" verfällt. Schon die Antike betonte dieses musikalische Element in der durch Sprachgewalt erhöhten Rede. Allerdings fehlt die dem instrumentalen Vibrato ähnliche Schwebung des Gesangstones im Sprechton, deshalb kann Sprechen niemals die Gesangssprache fördern, wohl aber ist das Umgekehrte der Fall.
IV. Die Stimme in Forschung und Pädagogik 17. Entwicklung der Stimmphysiologie und Methodik Im klassischen Altertum haben Ärzte und Heilgymnasten bereits die Wichtigkeit der Innenmassage durch bestimmte Phonations-Ubungen (sehr starke Rufe, Seufzer, Lachen) sowie durch eine Methode der Atemstauung erkannt und diese therapeutisch eingeführt zur Kräftigung der Atemorgane und Herausbeförderung des Schleimes. Diese empirisch gewonnenen Erfahrungen an Athleten und Gymnasten zur Erzielung von Höchstleistungen bei den Olympischen Spielen, aber auch an Rednern und Schauspielern, blieben bis um 1900 unbeachtet. Im 2. Jahrhundert n. Chr. wurde die Wissenschaft des Kehlkopfes durch Galens Beschreibung begründet. Den Stimmbändern, d. h. dem bei ihrer Öffnung gebildeten Spalt, gab er den Namen Glottis. Mehr als ein Jahrtausend lang sind nach Galen, dem bedeutendsten Arzt der Antike nach Hippokrates, keine neuen Fortschritte zu verzeichnen. Erst im 16. Jahrhundert
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haben Anatomen wie Vesalius in Padua Abbildungen (Holzschnitte) des Kehlkopfes mit neuen Theorien über die Stimmerzeugung gebracht. Die Pädagogik der damaligen Kunstepoche mit ihrem mehrstimmigen Gesang bestand in allgemein-musikalischen Bemühungen um einen schönen Gesangston. Im 17. und 18. Jahrhundert haben drei Forscher Bedeutung für unser Fachgebiet erlangt: erstens der berühmte Pater Mersenne, der den Schlüssel für die physikalische Erklärung der Stimmerzeugung in einer Parallele mit der Zungenpfeife fand, zweitens Morgagni durch seine Entdeckung der oberen „falschen" Stimmbänder, über den unteren „wahren" Stimmbändern liegend, deren Zwischenraum heute Morgagnische Tasche heißt, und drittens der Pariser Akademie-Professor Ferrein, der experimentelle Stimmphysiologie trieb und dabei das Gesetz vibrierender Saiten auf die Stimmbänder übertrug. Wir befinden uns damit in jener bereits geschilderten Epoche des Belcanto mit seinem Kastratengesang. Diese Kastraten waren aber zugleich auch die gesuchtesten Gesangslehrer. Von ihnen und ihren Schülern, darunter auch Nichtkastraten, stammen die Lehrbücher der altitalienischen Gesangsmethode. Was den Kastraten, diesen großen Wunderkindern mit ihrem Mißverhältnis von knabenhaftem Kehlkopf und gewaltigem Körper auszuführen spielend möglich war, wurde auch auf die männlichen und weiblichen Stimmgattungen übertragen. Die Kastratenmethode gipfelte in der einseitigen Bevorzugung des Vokales A als Hauptübung, gesungen mit lächelnder Mundstellung. Was hier in jahrelangen, unvorstellbar harten Exzerzitien geübt wurde, war eigentlich nur Musikunterricht für Stimm-Instrumente. Wie ein Pianist oder Geiger hatte der Sänger Tonleitern, Intervalle, Triller und Kadenzen zu üben, denn es kam vorwiegend auf die Kehlfertigkeit an. Diese Methode wurde natürlich bald ins Deutsche übertragen, wobei sich herausstellte, daß die italienischen Übungen keine genügende Schulung für deutschen Textgesang bieten
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konnten. Die Altfranzosen hatten die Sprachbehandlung in den Vordergrund gestellt, aber die 1795 erschienene Gesangsschule des Pariser Konservatoriums, der damals berühmtesten Musikschule der Welt, war den Lehrprinzipien des Kastratengesanges verfallen. Eine solche Kastratengesangsmethode, ursprünglich für ganz spezielle Aufgaben und einmalige Abnormitäten zugeschnitten, auf unsere heutigen Gesangsverhältnisse und Kunsterfordernisse anzuwenden, hat Sinn und Berechtigung verloren. Diese altitalienische Gesangsmethode aus historischer Sicht richtig zu beurteilen, ist Aufgabe jedes Fachmannes. Während die Gesangsmethodik stagnierte, ergaben sich neue Aspekte durch den Berliner Mediziner Prof. Johannes Müller, der auch die Stimmphysiologie experimentell fundierte. Allerdings dürfen die an Kehlköpfen von Leichen und durch Tierversuche erzielten Ergebnisse nicht ohne weiteres auf die Verhältnisse beim Lebenden und schon gar nicht auf den singenden Künstler übertragen werden. Auch fehlte noch die Möglichkeit, die Funktionen der Stimme am lebenden Menschen zu beobachten. Nach einigen Vorversuchen seitens verschiedener Forscher gelang dies dem Gesangslehrer Manuel Garcia mit Hilfe eines zahnärztlichen Spiegels; seine Entdekkung des Kehlkopfspiegels (Laryngoskop) brachte ihm die Ernennung zum medizinischen Ehrendoktor der Universität Königsberg. Die laryngoskopische Inspektion offenbarte nun die Schwingungsweise der Stimmbänder und die Entstehung des Stimmtones im gesunden und kranken Zustande. Durch Czermak wurde der Kehlkopfspiegel in klinischen Gebrauch mit Verwendung des künstlichen Lichtes und eines Reflektors genommen. Damit war eine neue Epoche für die Erforschung der Stimme angebrochen, die sich ebenso in der medizinischen Praxis wie in der Pädagogik auswirkte, freilich nun auch eine Gefahr mit sich brachte, indem die freie Beobachtung mit dem
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Gehör durch die Wahrnehmungen mit dem Auge Verdrängt wurde. Wir haben dadurch Jahrzehnte der Überschätzung des Kehlkopfspiegels erlebt, weil man so weit ging, aus dem laryngoskopischen Befund Schlüsse auf die Qualität und Tonlage einer Stimme zu ziehen. Von den Stimmpädagogen, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts hervorgetreten sind, verdienen genannt zu werden: Chr. G. Nehrlich, ein studierter Theologe, dessen Lehre schwülstig war wie der Titel seines 1841 erschienenen Werkes „Die Gesangskunst oder die Geheimnisse der großen italienischen und deutschen Gesangsmeister vom physiologisch-psychologischen, ästhetischen und pädagogischen Standpunkte aus", wollte unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der Wissenschaft den hellen Ton auf dem italienischen A kultivieren, dem er eine „Wunderwirkung" zusprach. Ein solches flaches A kann man auch heute noch häufig bei italienischen Sängern hören (z. B. Tamagno-Platten). So ist Nehrlich auch nicht durchgedrungen. Friedrich Schmitt wurde mit seiner „Großen Gesangschule für Deutschland" 1854 zum Antipoden Nehrlichs. Hatte dieser den Tonsatz als etwas Gegebenes hingenommen, so sah Schmitt hierin das ganze Geheimnis der Stimmbildungskunst, das er ohne physiologische Hilfe lösen wollte. Mit neuen genialen Beobachtungen verband er aber noch die alte Methodik, indem er das breite offene A der Silbe La hammerschlagartig ausführen ließ. Schmitt betonte als erster die Wichtigkeit des Brusttones und der Ausbildung der Stimme zum Instrument, woran sich die Ausbildung der Stimme als Instrument anschließt. Was er über den Atem sagte, war ebenso neuartig: „In tiefster Brust spürt man, daß sie ganz gefüllt ist. Hat man aber einen solchen Atem gefaßt, so drängt es einen natürlich, denselben loszulassen. Diesem Drang muß jedoch widerstanden werden". Erst viel später wurde die praktische Bedeutung dieser Vorschrift richtig verstanden.
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Friedrich Schmitt darf als geborener Stimmbildner bezeichnet werden, als erster, der die Belange der deutschen Sprache voll erkannte und dem auch die Wiederherstellung versunkener Stimmen glückte. Als Bühnentenor war er mit RichardWagner in Berührung gekommen; hieraus entstand später eine Freundschaft. Da aber jeder eine irrtümliche Auffassung von der Kunst des andern hatte, so zerschlug sich eine künstlerische Zusammenarbeit, die Gegenstand des Briefwechsels beider war. Schmitt hatte nur einen treuen Schüler, Julius Hey, gehabt, und dieser verstand ihn nicht. Julius Hey wollte mit seinem gründlichen vierbändigen Werk „Deutscher Gesangsunterricht" 1886 auf sprachphysiologischer Grundlage den Wagnergesang verbessern, erklärte er doch, da für ihn Gesang ein „multipliziertes Sprechen" bedeutete, das Versagen der Sänger als Folge mangelnder Sprechweise. Methodisch verlief seine Ausbildung von der Feststellung eines Naturtones über das Aufsuchen eines Normaltones zum Entwickeln des Idealtones. Von Wagner nach München und Bayreuth berufen, schuf er eine Stilbildungsschule für den Vortrag deutscher musikdramatischer Werke. Seit dieser Zeit datiert die „Deklamation", die eine natürliche Sprechweise fast ganz aufhebt. Im gleichen Jahre wie Hey war auch Stockhausen mit einer Sohn „Gesangsmethode" hervorgetreten. Julius Stockhausen, einer Sängerin, Schüler von Garcia, gehörte zu den bedeutendsten Konzertsängern seiner Zeit; seine großen musikalischen Fähigkeiten ermöglichten ihm auch die erfolgreiche Leitung der Hamburger Singakademie und des Berliner Sternschen Gesangvereins. Als Freund und Verehrer von Brahms schätzte er Wagner und Wagnergesang weniger. Auch Stockhausen glaubte, mit dem Studium sämtlicher Vokale und Konsonanten zum künstlerisch durchgebildeten Ton zu gelangen. Dabei bediente er sich eines nicht ungefährlichen Mittels: er forderte eine
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künstliche Kehlkopf-Tiefstellung, durch die der Ton scheinbar leichter, in Wirklichkeit aber allmählich festgeklammert wird. Mit Stockhausen ist ein gewisser Endpunkt in dem Suchen nach einer Methode der Stimmbildung erreicht; denn die Pädagogen kommen immer mehr in Fiktionen, Spekulationen und Konstruktionen und entfernen sich von der Natur. Ihre Theorien lassen ein eigenes Stimmerlebnis vermissen, d. h. einen Wendepunkt, ein stimmliches Damaskus. Und wenn hier noch Dutzende von Gesangsschulen besprochen würden, immer ist die entscheidende und energische Frage nach der Natur des Stimmkörpers, der Schwebung des Tones, dem Kräfteverhältnis zwischen Kehlkopf und Lunge (Atemdruck), der gesundheitlichen Beschaffenheit zu vermissen, weil die Lehrer einseitig fragen: Ist die Sprache physiologisch richtig? oder: Klingt der Ton altitalienisch? oder: Hat der Ton nasale Färbung? usw. Erschwerend wirkt zudem die Tatsache, daß auf dem Gesangsgebiet die Musiker, also Dirigenten, Korrepetitoren, Komponisten, Kritiker, auch Intendanten und Regisseure, autoritativ mitzureden haben, ohne selbst einen richtigen Ton zu singen. Dadurch fehlt ihnen - was unzählige Fälle gezeigt haben - der Tonsinn für die Stimme; sie urteilen nur nach ihrem Musikempfinden, vom Klavier aus. Beim Anschlagen eines Tones oder Akkordes am Klavier in tiefer Lage und Widerholung in höheren Lagen ist der gleiche Kraftaufwand nötig. Ein Blick ins Innere des Instrumentes zeigt, daß die Saiten nach der Höhe zu dünner und kürzer, aber auch straffer werden, doch gleicht die Spielmechanik diese Unterschiede aus - worin die Kunst des Klavierbauers besteht. Auch innerhalb der 2-3 Oktaven einer Stimme finden sich diese
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Unterschiede der Schwingungsform in verkleinertem Maßstabe, die aber der Sänger selbst ausgleichen muß. Für ihn bedeutet ein hoher Ton eine ganz andere Funktion als ein tiefer. Während ferner der Klavierspieler hauptsächlich seine Technik zu entwickeln hat, muß der Sänger mit dem Ton die Sprache verbinden, eine grundsätzlich andere Aufgabe! Und endlich: während sich zwei Flügel ziemlich gleichen, gibt es nicht zwei gleiche Stimmen einer Gattung. Weil die Musiker und Pädagogen diese Gegensätze von Instrumentalisten und Vokalisten nicht genügend beachten, wird auch der Gesangsunterricht meistens nach rein musikalischen Gesichtspunkten aufgebaut. Wer aber an die Stimmbildung herangehen will, muß erst einmal den Musiker in sich und seine musikalisch-künstlerischen Ziele vergessen können. Diese Umstände lassen erkennen, welche Schwierigkeiten die Entwicklung der Methodik beeinflussen und hemmen. Wenn im folgenden trotzdem von einer Reform auf dem Gebiete der Stimmpädagogik berichtet werden kann, so verdanken wir diese nicht einem berühmten Gesangsprofessor, nicht einem hochbedeutenden Forscher oder einem gelehrten Autor dickleibiger Lehrbücher, sondern einem Mann ohne jede äußere Stellung, ohne Titel und Ehren. Sein Name ist Müller-Brunow. Müller-Brunow, eigentlich Bruno Müller, gelernter Fotograf, aber auch als Schauspieler und, nach Gesangsstudien, als Gesangslehrer tätig, also ein Praktiker, gab in seinem Todesjahr 1890 eine Schrift „Tonbildung oder Gesangsunterricht? Beiträge zur Aufklärung über das Geheimnis der schönen Stimme" heraus. Es sind ganze 70 Seiten, die einfachsten Naturgesetze enthaltend. Müller-Brunow stellte folgende kühne Behauptung auf: Die uns angeborene Sprache und anerzogene Sprechweise ist schon so unnatürlich, daß sie nicht zum Ausgangspunkt einer stimmlichen Entwicklung genommen werden kann. Die Natur der menschlichen Stimme ist überhaupt nicht ohne weiteres für die
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Kunst brauchbar, vielmehr erst nach „Hinwegräumen aller Kulturanhängsel". Das Material der Stimme muß deshalb auf einen Vrbestandteil zusammengeschmolzen werden, aus dem die Neugeburt des Tones hervorgeht. Es gilt, den Organismus so umzubilden, daß er den Eigenton jedes Menschen erzeugt, einen Ton, der vollkommen mühelos, ja automatisch dem Mund entströmt, ohne durch irgendeine Methode beeinflußt zu sein. Diesen Primärton findet man nicht durch Üben von Mund-Hals-Zungen- und Kehlkopf-Stellungen, sondern unter Distanzierung von der bisherigen Muskeltätigkeit der Vokalwerkzeuge durch eine richtige Luftfunktion. Die ausströmende Luft ist aufzufangen, zu konzentrieren - was mit Atemtechnik im bisherigen Sinne nichts zu tun hat. Der so gebildete Sänger spielt mit klingender Luft. Ebenso mußte der alte Streit, welcher Vokal das geeignete Bildungsmittel sei, verstummen, als Müller-Brunow nachwies, daß keiner der Grundvokale den Ton zu bilden vermag. Der primärste Vokal jedes Menschen ist das Oe, beim Redner als Interjektion beliebt. Dagegen ist der Vokal A der schwierigste. Seine Entwicklung zum runden, vollen A ist nach 4 bis 5j ährigem Studium als Endresultat der Stimmbildung anzusehen. Wem es gelingt, alle Vokale im ganzen Stimmumfang rund zu bilden, der hat das Geheimnis der schönen Stimme enthüllt. Die gesamte sogenannte Gesangstechnik fällt als Frucht der runden Vokalbildung ab, sie braucht also nicht besonders geübt zu werden. Das ganze Studium ist demnach nur ein solches zum Instrument. Hier wurde eine ganz andere und neue Sprache schlicht und klar gesprochen. Man sollte meinen, die Gesangswelt hätte mit Freuden die neue Lehre aufgegriffen. Das Gegenteil trat jedoch ein: fast niemand vermochte ihren Wert wirklich zu erkennen. Erst nach dem Tode des Schöpfers fand die Lehre Befürwortung, namentlich durch den dänischen Hofopernsän-
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ger L. Chr. Törsleff in Leipzig. Damit wurde die Pädagogik vor ein Entweder-Oder gestellt: entweder sich mit der Erscheinung Müller-Brunows gründlich vertraut zu machen oder seine Erkenntnisse zu ignorieren, die erstmals nachwiesen, daß die Bildung der Stimme zu einem Instrument der Kunst sowohl für Sprechende wie Singende auf gleichen Grundelementen beruht. Als aufrichtiger Verehrer, aber auch als strenger Richter Friedrich Schmitts hatte Müller-Brunow dessen Bedeutung zu Recht erkannt. Beiden war gemeinsam, daß sie aus Verzweiflung über die Erfolglosigkeit ihrer Stimmstudien nach den üblichen Methoden mit einer neuen Lehre hervortraten, wobei ihnen das eigene Organ zur Erfahrungsquelle wurde. MüllerBrunows Bemühen um einen runden, mühelos fließenden Ton zielte nur auf das Ansatzrohr ab, nicht aber auf den ganzen Stimmkörper, was Schmitt mit einem kraftvollen Brustton erstrebte. Eine deshalb notwendige Synthese beider Pädagogen bereitete den Boden für die geschilderte Lehre vom stimmlichen Dualismus nach dem Prinzip der Luftverdichtung, womit George Armin selbständig völlig neue Einblicke in den Bildungsvorgang der Natur sowie in die Entwicklungsfähigkeiten und -möglichkeiten von Stimmen gab. 18. Grundsätze für die Stimmpädagogik An den Anfang dieses Kapitels seien die Erkenntnisse dreier Persönlichkeiten gestellt, eines Dichters, eines Komponisten und eines Arztes, die auch für die Stimmpädagogik von grundlegender Bedeutung sind: Goethe: „Ein jeder lernt nur, was er lernen kann." Paul Hindemith: „Statt nach dem ausschließlichen Hervorbringen von Uberspezialisten trachtet man heute mehr nach allgemeiner Verwendbarkeit. Trotzdem lassen sich niemals
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AHerweltssänger produzieren, welche wie Instrumentalisten jede Partie übernehmen können, die in ihren Stimmumfang fällt." Nervenarzt Hans Lungwitz: „Auch die Erziehung kann den Menschen nicht kausalisch oder konditionell oder teleologisch ändern, ihm nichts wegnehmen, was zu seiner Spezifität gehört, und zu ihm nichts hinzutun, was nicht zu seiner Spezifität gehört . . . Es wäre unverständig, gegen die Erziehung und ihre Methoden anzugehen, sozusagen ihnen mehr zuzuschreiben und mehr von ihnen zu verlangen, als in ihrer biologischen Existenz gegeben ist. Die Erziehung ist keineswegs Ursache oder Bedingung des Verhaltens des Zöglings und seiner Veränderung." Hieraus ergibt sich: 1. Auch die Stimmpädagogik darf nur lehren, was tatsächlich lehrbar und lernbar ist, ein Gesichtspunkt, der bisher nicht genügend befolgt wurde. 2. Der Schüler kann ein gewünschtes Ziel nur soweit erreichen, wie es seine Anlagen zulassen. 3. Das übliche kausale Denken in Ursache und Wirkung sowie der Glaube, mit dem Willen sei viel oder alles zu erreichen, ist in Frage gestellt. Hindemith hat den tiefgreifenden Unterschied zwischen Vokalisten und Instrumentalisten aufgezeigt: Der Instrumentalist spielt auf einem Instrument, das er in vollständig gebrauchsfähigem Zustand erhalten hat, und es kommt für ihn darauf an, eine möglichst hohe technische Meisterschaft auf diesem Instrument zu erlangen. Die Instrumente einer Gattung haben die gleiche Spielbarkeit, deshalb läßt sich der methodische Weg, den ein Instrumentalschüler zu gehen hat, auch schriftlich fixieren und Übungsmaterial im Druck veröffentlichen. Ganz anders dagegen der Vokalist. Soll seine Stimme künstlerischen Ansprüchen genügen, ein Leben lang gesund und dauerhaft bleiben, so muß das Instrument erst von Grund auf gebaut werden. Die Tätigkeit eines Stimmpädagogen ist des-
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halb vergleichbar der eines Instrumentenbauers, der einen Flügel oder eine Violine zusammensetzt. Dieser Vorgang hat mit Musikausübung nichts zu tun, die erst nach Aufziehen der Saiten, Intonieren und Stimmen möglich ist. Auf die Stimmbildung übertragen heißt das, ihre Funktion besteht einzig im Aufbau des Instruments. Dieser Aufbau einer Stimme, ein rein akustischer Vorgang, vollzieht sich mit Aufsuchen und Üben der richtigen Luftfunktion; wie schon in Kapitel 16 ausgeführt, hängt die Qualität und auch Quantität einer Stimme ab von der Umwandlung der Luft in verdichtete Luft sowie von dem Kräftespiel zwischen Luftdruck und Kehlkopfwiderstand, das die motorische Triebkraft der Stimme und zugleich die Verschlußdichte der Stimmlippen ermöglicht; denn Singen ist ein Spielen mit klingender Luft, mit tönendem Atem. Schon hier, bei Atmung und Atemübungen, beginnen viele Fehlvorstellungen, die zu Fehlhandlungen in Form falscher Maßnahmen führen. So ist nach Thausing „die Bedeutung, die der Atmung in der Literatur beigelegt wird, nicht durch den Sachverhalt gerechtfertigt". Das erklärt sich auch dadurch, daß Atmung jetzt zunehmend mit Religiösem, Mythisch-MagischMeditativem in Verbindung gebracht wird, was zur heute überall sachlichen Exaktheit geradezu anachronistisch wirkt. Nach seinem Besuch indischer Weiser und Yoga-Lehrer an Ort und Stelle nannte Arthur Koestler die „Atemübungen, die auf Hyperventilation und Selbstvergiftung abzielen, gelinde ausgedrückt, problematisch". Eine Beobachtung des Sängeratems zeigt die - angeborene Fähigkeit, einen langen Atem ökonomisch und kunstgerecht im Gesang anzuwenden oder als Sprechender in der Rede; das bedeutet „Atemtechnik". Obwohl die Sänger den höchsten Atemverbrauch haben, sind sie doch nie „atemlos"; während sie blitzschnell unmerklich Atem holen und auf die Achtelnote genau mit ihrem Ton einsetzen, muß der Nichtsänger oder Dilettant „erst mal Atem holen". Erfahrungsgemäß läßt sich
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Atembeherrschung mit einem Ansatzfehler verbinden, d. h. eine Atemschulung als SpezialÜbung hat so gut wie keinen Einfluß auf die innere Kehlbildung. Ein Towstudium dagegen nach den Gesetzen der Luftverdichtung bringt automatisch den für die Anwendung der Stimme in Rede und Gesang erforderlichen langen Atem wie auch die Fähigkeit, ihn einzuteilen. Also nicht der Atem bildet den Ton, sondern der Ton den Atem! Dabei werden Übertreibungen und Verkrampfungen, wie sie bei isolierten, tonlosen Atemübungen zu beobachten sind, vermieden. Die üblichen Einatmungsübungen müssen überhaupt als unphysiologisch abgelehnt werden; denn durch zeitweilige Ubersättigung des Organismus mit Sauerstoff bewirken sie geradezu eine Abnahme der Atmungsenergie, worauf Internisten (Lungenfachärzte) hingewiesen haben. Am Modellfall Caruso wurden bereits Kraft, Macht und Ausdauer im Gesang erklärt, die einen erfolgreichen Berufssänger von einer schwachen Dilettantenstimme prinzipiell trennen. Allerdings darf der Kraftaufwand nicht hörbar oder gar sichtbar werden. Das hat Richard Strauss einmal dem Sänger Hotter gegenüber sehr richtig formuliert: „Ich möchte manchmal merken, daß der Sänger sich bei einem Ton beinahe anstrengt. Beinahe - denn sein technisches Können wird verhindern, daß eine wirkliche Anstrengung spürbar wird." Wie vorrangig die Kraftfrage ist, zeigen andere, vergleichbare Künste: mit einer Art Löwenpranke, beim Händedruck spürbar, erzielt der Pianist donnernde Akkordik, virtuose Leichtigkeit und ein klingendes, singendes Pianissimo: Die Kraft ist immer primär, ihre Anwendung allerdings graduiert. Die stark muskulösen Beine der Tänzerin sind Träger einer Kraft, die den graziösesten Spitzentanz erst ermöglicht. Die Aufgabe der Stimmbildung besteht demnach darin, eine Kehlkraft mit verdichteter Atmungsluft zu erzielen, wo sie fehlt oder unzureichend ist; bei dem Sänger aber ist diese vorhandene Anlage zu stabilisieren und zu steigern. Man kann Biehle, Stimmkunde
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mit Worten nicht beschreiben, wie wohl ein Singender sich fühlt, dessen Kehle vielleicht schon jahrelang unter falschem Druck und Zwang gestanden hat, nun aber endlich ein freies Gefühl beim Singen erhält, und man muß erlebt haben, wie eine unscheinbare Dilettantenstimme aus einem hauchdünnen Ton zu sängerähnlicher Tongebung gelangt. Damit ist aber nicht nur die wesentliche Voraussetzung aller Stimmbetätigung aufgedeckt, sondern zugleich der Weg gefunden, auf dem jeder, auch der Redner und Nichtsänger, zu Stimme gelangt. Dieser Bildungsvorgang, soweit er überhaupt beschrieben werden kann, nimmt seinen Ausgangspunkt im Stöhnlaut, dessen Funktion schon früher erklärt wurde. Bei diesem Abseufzen entsteht durch ein Hemmen der Luft ein Druck, der bei Lösung des Verschlusses der Stimmbänder einen gestöhnten Explosivlaut erzeugt. In diesem primitiven und scheinbar unkünstlerischen Urlaut liegt die schöpferische Stimmkraft, der Keim des echten Stimmklanges verborgen. Wird die Funktion des Stöhnlautes richtig ausgeführt, so erhält die Kehle dadurch eine elastische Spannung, Freiheit und ihre richtige Lage. Zugleich wächst damit die Möglichkeit, den Stöhnlaut unmittelbar in einen Ton zu verwandeln, und zwar in einen gestauten Ton, der aber für die Anwendung noch nicht reif, nur Wurzel, noch nicht Frucht ist. Da er noch längere Zeit mit Fehlern des Ansatzes verbunden bleibt, kann ihn erst ein gründliches Studium zu einem mühelosen und elastischen Ton umbilden. Dieser Werdegang läßt sich nur in der Werkstatt des Stimmbildners durch Vormachen und Nachmachen verdeutlichen. Während das Stimmgenie durch seine Veranlagung diese Entwicklung sozusagen übersprungen hat, muß der weniger oder gar nicht Stimmbegabte alle Stufen schrittweise durchlaufen. Hierbei wird nur noch das gelehrt, was wirklich lehrbar und lernbar ist, nämlich die Voraussetzungen für eine Stimmbetätigung in Rede und Gesang, aber nicht die Anwendung
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selbst. Früher wurde das Sprechen und Singen ohne genügende Rücksichtnahme auf die physischen Voraussetzungen geübt. Für eine automatische Aufhebung des Register-Dualismus gelten folgende Grundsätze: Die männliche Stimme wird ausschließlich im Brustregister gebildet, weil nur dieses durch totalen Verschluß der Stimmbänder eine vollkommene Luftverdichtung möglich macht. Dabei stellt sich das Falsett als eine Nebenfunktion, ohne spezielle Studien ein, soweit dazu überhaupt eine Anlage vorhanden ist. Auch in der Frauenstimme bildet das Brustregister das tonbildnerische Fundament, jedoch mit dem Unterschied, daß auch das Falsett in direkte Schulung zu nehmen ist. Der kunstgemäße Ausgleich der Register geht mit wachsender Reife des Tones vor sich. Eine Mischung beider Register bildet die für die hohe Lage des Tenors wichtige Voix mixte. Zwecks Aufhebung des Vokal-Dualismus werden nur diejenigen Vokale zur Tonbildung herangezogen, die den Ton verdichten helfen, die Kehle öffnen, gleichzeitig die Kräfte der Brust entwickeln. Das ist der Vokal Oe (im Worte Hölle); ähnliche Eigenschaften, jedoch in anderen Lagen wirkend, hat der Vokal Ü. Eine Durchbildung dieser beiden Übungsvokale ergibt die runde Vokalform und damit Umwandlung des Naturtones in einen musikalischen Ton, ohne daß die übrigen Vokale besonders zu studieren, nur zu probieren sind. Da die Konsonanten teilweise tonhemmend wirken, sind auch nur diejenigen brauchbar, die den Klang verdichten helfen: Dazu gehören W, L, M, auch J ; ihre Verschmelzung mit den Übungsvokalen ergibt allmählich eine Verbindung aller Konsonanten mit allen Vokalen, die Konsonanten stellen sich dann dem Tonstrom nicht mehr in den Weg, sondern fördern eher seinen Lauf. So ist das Endziel die Konzentration des Tones, wobei harter Tonansatz in einen weichen, gehauchter in einen konzentrierten umgebildet wird. Diese Konzentriertheit des Tones ist auch die Erklärung dafür, daß ein einziger Solist 10*
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einen großen Chor ungeschulter Stimmen und das Orchester mühelos zu durchdringen und zu übertönen vermag. Die Zunge, das Organ mit reichen Bewegungsmöglichkeiten, kann sehr hemmend auf die Phonation wirken. Ist der hintere Zungenteil träge oder steif, so gibt es einen kloßigen Ton. Im Lateinischen heißt lingua sowohl Zunge als auch Sprache. Diese Identifizierung beweist die Wichtigkeit der Zunge als Sprachbildnerin. Aber die als SpezialÜbung betriebene äußere Bändigung und Zügelung gibt eine unfreie Zungenlage und stört die ruhende Spannung im Kehlkopf. Deshalb lautet auch hier die Aufgabe für den Vokalisten: Steigerung von Kraft und Spannung der Zunge nur in Verbindung mit dem Tonstudium, nicht aber separat. Es werden also SpezialÜbungen als Stimmbildungsmittel überflüssig, mögen sie betreffen Atem, Resonanz, Register, Lippen-Mund-Zungenstellung, Summen, Gähnen, alle vor dem Spiegel oder mit einem Korken zwischen den Zähnen auszuführenden Übungen, künstlich gewollte Kehlkopfstellungen, Tonleitern, Skalen, Studien zur Kehlfertigkeit. Es ist ferner die konservative Auffassung überholt, daß die von der Natur gegebene Stimme nur gehegt und gepflegt zu werden brauche, wobei Stimmen lediglich auf ihr Timbre, die äußere Fassade, hin beurteilt und angefaßt werden; aber das Timbre, ein umstrittener, nicht eindeutiger Begriff, ist oft genug trotz Wohllautes mit Unnatur verbunden. Somit verlangt das Gebiet der Stimmbildung eine ganz spezifische Begabung, von der sich der Laie wohl kaum eine rechte Vorstellung macht. Der Stimmpädagoge braucht den „rechten Winkel" im Gehör, da der Schüler seine eigenen, angeborenen Fehler nicht hört. Sie können ihm nur durch Vergleiche langsam zum Bewußtsein gebracht werden. Deshalb müßte ein Stimmpädagoge die wichtigsten stimmlichen Probleme an sich selbst gelöst haben und die Gesetze reiner Stimmbildungskunst vorbildlich und instruktiv demonstrieren können. Er muß ferner
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die Architektur der verschiedenen Stimmgattungen plastisch vor Augen und Ohren haben, um in diesen planmäßigen Aufbau jede einzelne Stimme im jeweiligen Stadium ihrer Entwicklung hineinzuprojizieren. Der Mangel dieser Fähigkeiten läßt sich nicht durch einen berühmten Namen als Sänger oder Musiker, nicht durch Gelehrsamkeit ersetzen. Bei fehlendem Tonsinn werden die eigentlichen Stimmprobleme weder erkannt noch gelöst. Wie kaum ein anderes Fachgebiet wird die Gesangspädagogik in Romanen und Filmen leider verzerrt dargestellt, ja lächerlich gemacht. Erfolgreiche Gesangstätigkeit wird gern mit Lehrtalent identifiziert; aber viele Schüler, von berühmten Sängernamen angelockt, haben schlechte Erfahrungen gemacht, wie z. B. Schilderungen zeigen von Marie Gallison-Reuter (über Stockhausen), Monika Hunnius in zwei Büchern (über Stockhausen) u. a. Dazu hat der bekannte Musikschriftsteller v. Lewinski dankenswerterweise einen Mißstand mutig angeprangert: „Die weitverbreitete Unsitte gerade bei sogenannten Meisterklassen, daß Assistenten während der Abwesenheit des Stars den Unterricht fortführen, ist ein Greuel. Die Schüler kommen wegen des berühmten Namens, sehen den Star aber nur ab und zu beim Unterricht. Das hat einen einzigen Vorteil: Stars sind nicht immer gute Lehrer." Als Konservatoriumsdirektor machte der Dirigent Dr. MeyerGiesow die Erfahrung: „Wenn jemand ein prominenter Sänger ist, heißt das noch lange nicht, daß er gut unterrichten kann. Gerade große Begabungen singen oft intuitiv und begnügen sich damit, ,vorzumachen'. Davon hat der Lernende meist zu wenig, weil er ja wieder ein anderer Typ, ein anderes Individuum ist." Aber von solchen pädagogischen Fachfragen weiß der Stimmschüler noch nichts. Bei seiner jugendlichen Begeisterung speziell für die Bühne wird er dem Wunsche nach Betätigung
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des vorhandenen Talentes oft zu früh nachgeben; denn es locken Erfolge und Gagen. Dieser begreifliche Drang führt leicht zu einer Verkürzung der Studienzeit, ein Schritt, der sich allmählich rächen muß. Wer einmal dem Theater mit seinem ungeheuren, rücksichtslosen Verschleiß an Stimmen verschrieben ist, hat es schwer, noch vorhandene Fehler zu beseitigen. Während einer Bühnentätigkeit kann der Unterricht nur ein Polieren oder Frisieren der Stimme ohne grundlegende Änderungen oder Verbesserungen sein, da das eine Unterbrechung der künstlerischen Tätigkeit erfordern würde. So ergibt sich als primäre Forderung, die Ausbildungszeit nicht zu kurz zu bemessen! Die Dauer des Studiums eines bürgerlichen und akademischen Berufes bei gemeinsamem Unterricht auf Schulen und Hochschulen ist festlegbar, bei der Stimme handelt es sich aber um ganz individuelle Anlagen, die eine bestimmte Entwicklung durchmachen müssen, um f ü r öffentliches Wirken reif zu werden. Diese Umwandlung einer Stimme vom Naturzustand zum Kunstprodukt hängt auch von den Begleitumständen ab. Der Schüler muß außer den stimmlichen, musikalischen und körperlichen Anlagen wirtschaftliche Voraussetzungen mitbringen, um das Studium längere Zeit durchführen zu können. Z u diesen mehr äußeren Erfordernissen kommen noch innere: Mentalität, charakterliche und geistige Einstellung. Ein leidiges Thema ist das notwendige häusliche Üben; denn die Hellhörigkeit der Neubauwohnungen speziell im sozialen Wohnungsbau engt musikalische Betätigung ein. Der zum Üben benutzte Raum mit normaler Zimmerakustik sollte so liegen, daß Mitbewohner und Nachbarn möglichst wenig gestört werden. Die täglichen Gesangsübungen sind nur während der in der „Verordnung zur Bekämpfung des Lärmes" festgelegten Zeiten durchzuführen. Sehr anschaulich hat diese Ubungssorgen als Untermieter der Konzerttenor und Hautarzt Rudo Timper geschildert. Bei Differenzen mit Nachbarn ist der Nachweis lärmmindernder Maßnahmen entlastend. Gerichts-
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entscheidungen in Prozessen wegen störenden Übens zeigen musikfreundliche Tendenz. Das ist um so mehr zu begrüßen, da es an mietbaren Ubungsräumen fehlt. Üben im Freien verbietet sich wegen der fehlenden Resonanz der Zimmerakustik. Für die Begleitung des Gesangs ist am zweckmäßigsten ohne Zweifel das Klavier, wobei es die Verteilung auf zwei Ausführende ermöglicht, stehend zu singen. Gegebenenfalls läßt sich das Klavier durch ein Zupfinstrument ersetzen. Z u m Angeben einzelner Übungstöne eignet sich die Melódica (Hohner), eine Blockflöte oder die verstellbare Stimmpfeife, auch chromatischer Tonangeber genannt. Für die Versorgung mit Notenmaterial sind Musikbüchereien mit langen Ausleihefristen zu empfehlen. Bei der Auswahl von Liedern sollte der Gesangsschüler bedenken, daß ein musikalisch einfaches Kunstlied keineswegs gesanglich leicht sein muß, sondern vokale Schwierigkeiten enthalten kann. Der mit Künstlern oder Berufsnachwuchskräften arbeitende Gesangslehrer sollte bei der Schulung von Amateuren seine Anforderungen zurückschrauben: Zuviel Ernst und Unerbittlichkeit, Grundbedingung für die Kunstausübung, verleiden dem Laien die Lust am Singen als Hobby. Lehrerwechsel ist dann häufig die Folge. Beim Gesangsliebhaber finden sich Eigenschaften und Merkmale des Sängertypus geringer ausgeprägt, dafür sind seelische Ausarbeitung und psychischer Gewinn größer als beim Berufssänger und stärker als beim Instrumentalisten, der absolute Musik ohne Text zu interpretieren hat. Dieses Moment schätzt Egon Friedell überraschend hoch ein, indem er sagt: „Nur der Dilettant, mit Recht auch Liebhaber, Amateur genannt, hat eine wirklich menschliche Beziehung zu seinen Gegenständen, nur beim Dilettanten decken sich Mensch und Beruf; und darum strömt bei ihm der ganze Mensch in seine Tätigkeit und sättigt sie mit seinem ganzen Wesen." Friedell steht mit dieser fast provokatorisch wirkenden Auffassung keineswegs allein da.
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André Malraux, Schriftsteller und Minister, sagte: „Der Amateur ist dem schöpferischen Geist überlegen. Die Chinesen hatten das erkannt und stuften den, der den Garten zu würdigen weiß, höher ein als den Gärtner. Der Mensch, der es versteht, das Leben und die Schöpfung anderer Menschen zu genießen, ist der vollendetste Künstler." Diese Äußerungen nehmen dem Begriff Dilettant den abwertenden Sinn. Die Verschiedenheit der Menschen zeigt sich auch in der Intensität ihrer Stimmübungen: der eine ist ängstlich, um nichts falsch zu machen und niemand zu stören, der andere, von träger Natur, überläßt alles dem Lehrer, der dritte tut in der Begeisterung zuviel des Guten, wie wir es von dem berühmten Wiener Kritiker Eduard Hanslick wissen: „Ich trieb das Singen nur gar zu leidenschaftlich und verdarb meine kleine Tenorstimme bald gänzlich mit Opernarien, in welchen ich möglichst viele hohe b und h mit der Brust hervorschmettern konnte. Das geschah natürlich nicht in der Lektion: Mein Lehrer wußte nichts davon, hatte aber nur zu bald Gelegenheit, den irreparablen Schaden zu konstatieren." Während dem Klavierschüler vor allem an der Aneignung großer Fingerfertigkeit liegt, einem Charakteristikum für virtuoses Spiel, erprobt sich der Gesangsschüler bevorzugt im Erreichen von Spitzentönen, zumal er deren Erfolgswirkung auf das Publikum vom Berufssänger her kennt. Was der Spiegel fürs Auge, ist mit gewisser Einschränkung die Tonwiedergabe fürs Ohr. Dem Gesangsschüler sind daher möglichst frühzeitig Schallplatten- und Bandaufnahmen zu empfehlen, um sich selbst richtig zu hören. Bei der Gesangsausübung ist das nicht der Fall, da der Singende seine Stimme gleichzeitig über die sogenannte Knochenleitung hört. Allerdings können bei der Schallplatten- und Tonbandwiedergabe stimmliche Mängel wie auch Vorzüge verdeckt werden. Nicht jede schöne Stimme ist eine Mikrofonstimme. Unschätzbar ist die Schallplatte als Vergleichsmaterial etwa in der Gegenüber-
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Stellung von Gesangsschüler und Berufssänger oder Durchschnittsstimme und Stimmphänomen, auch von Lehrer und Schüler. Zu beachten ist jedoch die Qualitätsdifferenz zwischen Eigenaufnahme und Studioaufnahme. Der Bildfunk birgt die Gefahr, daß Studierende der Gesangs- und Sprechkunst ebenso wie Laiensänger vor allem durch Großaufnahmen prominenter Interpreten angeregt werden, deren Mund- und Lippenstellungen sowie Zungenbewegungen nachzuahmen. Bei Beginn der Bühnentätigkeit ist zu prüfen und zu bestätigen, ob der junge Künstler im richtigen Stimmfach arbeitet. Das ist durchaus nicht immer geklärt, und es gibt Fälle von Hin- und Herpendeln zwischen Tenor und Bariton, zwischen heldisch und lyrisch. Ein bekannter Sänger der Zwanziger Jahre trat ursprünglich als Bassist, dann als Bariton, schließlich als Tenor auf, weil die richtige Stimmlage nicht rechtzeitig erkannt worden war. Für ihre Festlegung ist allerdings nicht der Stimmumfang, sondern der Klangcharakter maßgebend; nicht maßgebend kann sein, welches Stimmfach Lehrer oder Schüler wünschen. Von grundlegender Bedeutung ist ferner, daß junge Stimmen nicht überanstrengt werden. Beschäftigung in zu vielen Opern, gleichzeitig vielleicht noch mit starker Orchesterbesetzung, das Auftreten in Riesenräumen mit schlechter Akustik und zu frühe Gestaltung gesanglich anstrengender Partien führen häufig zum Forcieren der Stimme. Eine freie Tongebung wird dadurch aufgehoben, der dann angewandte Kehlton führt zu einer falschen Konzentration des Tones. Der Vorgang kann sich über Jahre und Jahrzehnte erstrecken, bis die Folgen stärker hörbar und auch für den Sänger unangenehm fühlbar werden. Dann aber befindet sich der Sänger bereits mitten im Abbau seiner Stimme und auf dem direkten Wege zum Stimmverlust. Am gefährdetsten sind die lyrischen Stimmen, wenn sie nicht genügend fundiert wurden.
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Fehlentwicklungen und Stimmstörungen muß rechtzeitig entgegengewirkt werden. Dem im Engagement stehenden Sänger bieten sich die Theaterferien im Sommer dafür an. In schweren Fällen ist längeres Pausieren unvermeidbar. Nach den Wechseljahren besteht für tiefgreifende stimmliche Korrekturen mit Ausmerzung alter Fehler weniger Hoffnung. Dagegen wird die richtig funktionierende Stimme bis ins hohe Alter für künstlerisches oder rednerisches Wirken erhalten bleiben. Die Kunstgesetze für einen einheitlichen Aufbau aller Stimmen bei geringer Individualisierung gelten im gleichen Maße auch für die Sprechkunst. Wenn sich die Sprechpädagogik der Kontrolle des Auges statt des Gehörs bedient, führen rein äußerliche Sprechexerzitien mit unschön wirkenden Gesichtsverzerrungen zu einer gekünstelten und manirierten Sprechweise, die eine Automatik der Kehle aufhebt und eine Sprechkunst ausschließt. Die lettische Schriftstellerin Zenta Maurina nahm für ihre Vorträge „Deklamationsstunden bei einem Schauspieler alter Schule. Aber nach dem ersten Zyklus seiner Stunden bemerkte meine Schwester, am Vortragsabend habe meine Stimme so fremd geklungen, und eine aufrichtige Freundin sagte: ,Selbst ein Pferd hätte bei Deiner Diktion gestern lachen müssen!' Da gab ich die Deklamationsstunden auf und sprach, wie mir der Schnabel gewachsen war". Einen erfolgreicheren Weg, stimmliche Beeinträchtigung zu überwinden, beschritt die Schauspielerin Lina Fuhr, die von ihrem ersten Jahr am Berliner Kgl. Schauspielhaus schreibt: „Ich hatte mich in dem großen Hamburger Stadttheater arg überschrieen und dadurch mein Organ stark geschädigt. Mit einem Orchestermusiker, der die Noten der Reihe nach anschlug, übte ich wie eine Sängerin fast täglich. So erweiterte ich nach oben und unten die Tonskala meiner Stimme." Stanislawskis Organ, das auf Anstrengungen mit Ermüdung und Heiserkeit reagiert hatte, erstarkte nach zweijährigen täg-
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liehen Übungen, die er von Sängern übernommen hatte. Aus dieser Erfahrung resultierte seine Forderung, Übungen ähnlich denen der Sänger vorzunehmen. Von dem Konzert eines der besten Streichquartette seiner Zeit angeregt, stellte Stanislawski Überlegungen über musikalische Grundlagen einer Sprecherziehung an: „Die Stimme muß wie eine Geige klingen. Wie kann man erreichen, daß der Ton ununterbrochen klingt, Wörter und ganze Sätze durchdringt wie der Faden die Glasperlen einer Kette? Hätte ich diesen langanhaltenden Ton zu meiner Verfügung, dann könnte ich der Stimme die verschiedensten Nuancen geben. Dieser langanhaltende T o n fehlt in unserer Sprache. Wieviel neue Möglichkeiten eröffnet uns die musikalische, klingende Sprache zur Offenbarung des inneren Lebens auf der Bühne! Nur dann werden wir begreifen, wie lächerlich wir jetzt in unseren hausbackenen Mitteln und Sprechmanieren mit einem Stimmumfang von 5 bis 6 Tönen sind." Mit Recht moniert deshalb der frühere Schauspiel-Intendant H. W. Philipp in seiner „Funktionslehre der Sprache" verblüffende Ubereinstimmung aller Lehrbücher: „Um richtig zu betonen, schön zu singen, deutlich zu sprechen und so fort, befleißige man sich einer deutlichen Aussprache, einer richtigen Betonung, einer schönen Tonbildung und so fort, ohne sich überhaupt nur die Mühe zu nehmen, auseinanderzusetzen, durch welche technischen Mittel solche Ziele zu erreichen sind." Die Kunst des Sprechens ist somit abhängig zu machen von der echten Tonproduktion der Kehle, aus der die plastische Gestaltung der Sprache hervorgeht, durch Suchen nach dem Klang als Träger des Wortes und durch Erweitern des Tonbereiches, wobei sich auch die „Zwischentöne" von selbst einstellen. Das läßt sich durch lebendiges Beispiel von M u n d zu Mund lehren und lernen. Den heutigen Anforderungen vermögen nur die Stimmen Auserwählter und die durch eine wirkliche Schulung zur Uber-
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durchschnittlichkeit gebrachten Stimmen ein Leben lang ohne Schaden gerecht zu werden. Stimmbildung schafft die Voraussetzungen hierzu, wenn sie in einer Umbildung und Durchbildung der Stimme besteht. Erst dann kann von einer Stimmbildungskunst die Rede sein. Auf solcher Grundlage sind fertig gebaute Stimminstrumente durch Gesangs- bzw. Schauspielunterricht (Vortragsstudium) für künstlerische Verwendung einzuspielen und an praktischen Aufgaben zu erproben. Ein wirklich architektonischer Aufbau der Stimme geht allerdings keineswegs glatt vor sich, sondern wird von organischen Hemmnissen und funktionellen Schwierigkeiten begleitet, deren Beseitigung und Uberwindung ein wesentlicher Bestandteil des ganzen Bildungsvorganges ist. Erschlaffen, Verengen und Verschleimen stehen häufig im Zusammenhang mit einem die Stimmbänder affizierenden Katarrh des Kehlkopfes (Laryngitis). Es ist ein versteckter Katarrh, von dem die meisten nichts wissen, namentlich wenn er trockener Art, also ohne Schleimabsonderung ist. Erst wenn ein Stimmstudium gleichzeitig auch anfällige und funktionstüchtige Luftwege reinigt, kräftigt und gegen alle Insulte unempfindlich macht, gilt das Wort des Aristoteles: „Die Kunst vollendet, was die Nautr nicht bilden kann."
V. Die Stimme in der Heilkunde 19. Stimmpatienten, Katarrhaliker, Asthmatiker, Lungenkranke, Hypertoniker Stimmstörungen (Halsleiden, Kehlkopferkrankungen) sind, unabhängig von ihrer diagnostischen Fachbezeichnung, entweder: 1. Organische Mängel durch Schwäche und Anfälligkeit, auch Mißbildungen (Anomalien).
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2. Funktionelle Auswirkungen falscher (forcierter) Stimmgebung mit Folgen von Überanstrengung, seelischen Insulten, umgekehrt mangelnder naturgemäßer Betätigung, damit auch notwendiger Durchblutung. Im ersten Falle verrät schon äußerlich ein langer, enger Hals mit schlaffer Muskulatur und eingefallenem Brustkasten geringe Stimmfähigkeit. Der Vergleich des Halsprofils einer schwachen, anfälligen Stimme mit dem eines Organs höchster Leistungsfähigkeit zeigt bei jenem vor allem einen scharfen Kinnwinkel von 90 Grad (Knickhals), bei diesem eine volle Rundung. Knickhals
Sängerhals
Schlechte Stimmen sind auch an den äußeren, ganz unzweckmäßigen Bewegungen zu erkennen, wobei die an der Tonbildung beteiligten Organe aus ihrer Lage gebracht werden. Ebenso ist Aufreißen oder schiefes Verziehen des Mundes beim Sprechen und Singen ein Zeichen falscher Stimmgebung. Die Umwandlung einer schon im äußeren Habitus sichtlich mangelhaften Stimme zu einer leistungsfähigen bei allmählicher Annäherung an den Sängertypus ist während der Studienzeit in den meisten Fällen zu beobachten. Diesen Vorgang durfte ich, ursprünglich durch eine Trichterbrust, trockenen Katarrh mit quälenden Hustenattacken bei überaus anfälligen Luftwegen behindert, auch selbst erleben. Im zweiten Falle geht mit erlahmender oder versagender Kehlkopftätigkeit Hand in Hand eine allmähliche Verschmutzung und Verschleimung der Atemorgane. Die davon in Mitleidenschaft gezogene Stimme reagiert mit Katarrhen bis zur Heiserkeit. Für diese Zusammenhänge seien beispielhaft die Äußerungen zweier Übungsteilnehmer zitiert: „Früher sang ich gern, seitdem ich das Singen aufgegeben habe, leide ich an
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einem Katarrh", und „Damals sang ich gern und viel, aber jetzt kriege ich vor lauter Räuspern keinen Ton mehr heraus". Die drei natürlichen Funktionen des Räusperns, Hustens und Expektorierens sind hörbare Häßlichkeiten und bilden paralinguistische Signale, daß in den Luftwegen Stimmstörendes und -behinderndes vorhanden ist. Die teilweise komisch wirkenden katarrhalischen Exzesse sind natürlich auch glossiert und parodiert worden. Berühmt ist die geistreich-witzige Dichtung des Ästhetikers Friedrich Theodor Vischer „Auch Einer". „ . . . überschlug sich die Stimme in lächerliche Fisteltöne, nun ging ein Husten, Niesen los mit Gurgel- und Schnapptönen, Glucksen, Raspeln, Schnarren, schußartigem Bellen . . . " Räuspern klingt meistens hart und kratzig, wobei der Kehlkopf eher gereizt, ein Lösen nicht erreicht wird, und kann zu einer nervösen Gewohnheit werden. Ob aus physischem Bedürfnis entstanden oder zur neurotischen Angewohnheit geworden, dieses störende Räuspern erweist sich in jedem Falle einer Ubungsbehandlung leicht zugänglich. Systematisches Räuspern in Verbindung mit Stimmübungen zeitigt ungeahnte Wirkungen, namentlich bei Menschen, die sich nur auf falsche, unzweckmäßige Art räuspern können, oder denen es untersagt ist. Das unverständliche Verbot dieser natürlichen Funktion begünstigt neue Ansammlung in den Luftwegen, im Volke als „Frosch im Hals" oder als „Kratzer" bezeichnet. Auch harter und festsitzender Husten läßt sich auf stimmlichem Wege in einen weichen, leicht lösbaren umwandeln bis zum allmählichen Abklingen; er darf jedoch nie absichtlich unterdrückt werden. Beim Husten befinden sich die Schleimhäute meist in einem gereizten oder leistungsschwachen Zustand, der die Stimme durch pathologisch vermehrte Schleimmenge oder durch Eintrocknen des Sekrets bremst. Da gute Stimmen stets mit gesunden, leistungskräftigen Schleimhäuten ausgestattet sind, kann umgekehrt bei schlechten Stimmen auch
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auf die Schleimhäute eingewirkt werden, so daß sie sich regenerieren und kräftigen. Dabei massiert der erhöhte Luftdruck die Schleimhäute, gleichzeitig führen die Muskelkontraktionen das Blut intensiver an sie heran. Heiserkeit bildet ein deutliches Symptom behinderter oder kranker Stimme; hierbei kann Schleim auf den Stimmbändern liegen oder eine Muskelgruppe durch Lähmung ausgefallen oder die Höhenlage der Stimmbänder asymmetrisch geworden sein, sodaß Doppeltönigkeit eintritt, die Heiserkeit genannt wird. Bleibt sie ein Dauerzustand, ist an Krebs oder Tuberkulose zu denken. Die Anlässe zu Räuspern, Husten, Verschleimung und Heiserkeit können stimmlich weggeübt werden. Das wird durch einen Hinweis auf die natürlichen Abwehrvorrichtungen des Körpers verständlich. Schutz vor Staub, Ruß, Qualm und Bakterien bieten Nasenreinigung und Flimmerhärchen in den Luftwegen, die durch Eigenbewegungen Schmutzteilchen herausbefördern sollen. Diese Einrichtung fehlt aber an der Stimmritze. Üben von Stimmritzenverschlüssen unterstützt deshalb die Natur. Durch starkes Rauchen wird die Bewegung der Flimmerhärchen in den Bronchien lahmgelegt, so daß eine Ersatzreinigung zu dauernden Hustenstößen führt, dem chronischen Raucherhusten. Erkrankungen der Atmungsorgane stehen an zweiter Stelle hinter den Arbeitsverletzungen und Unfällen. Millionen Menschen leiden an Katarrhen, vom leichten akuten Raucherkatarrh bis zum quälenden chronischen Bronchialkatarrh. Ständige Begleiterscheinungen sind Erkältungen und klimatische Anfälligkeit. Ein solcher Katarrh bleibt nicht lokalisiert, sondern er kommuniziert mit Rachen und Nase, die einen günstigen Boden dazu bieten. Unterhalb des Kehlkopfes erfaßt der Katarrh Luftröhre oder Bronchien oder Lungenspitzen, ein Vorstadium für schlimmere Erkrankungen. In freier Abwandlung einer Äußerung von Paul Heyse, der einen heftigen
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Katarrh aus der Jugendzeit seinen lebenslangen Spielverderber nannte, muß der Katarrh als Stimmverderber bezeichnet werden. Katarrhalische Auswirkungen für die Rednerstimme bringt das 8. Kapitel von Biehle: Redetechnik. Diese Katarrhe sind vom stimmlichen Zustand nicht zu trennen, d. h. Stimmbildung muß ihre Beseitigung und Heilung einschließen, umgekehrt eine therapeutische Behandlung zugleich Stimmbildung sein. Damit wird die Heilaufgabe mehr zu einer pädagogischen Angelegenheit als zu einer Sache der Medizin und gehört in die Hand des Stimmtherapeuten. Viele Katarrhaliker klagen darüber, daß der Charakter ihres Leidens nicht richtig erkannt und sekundäre Erscheinungen zum Hauptsymptom gemacht wurden. Der schwere Fall des Patienten U. soll das demonstrieren: Die Wirkung der operativen Entfernung eines Polypen auf dem rechten Stimmband war nicht anhaltend. Nach vier Jahren wurde sogar eine abermalige Operation für notwendig befunden, in die U. aber nicht einwilligte und das mit Recht. Ein chronischer Katarrh hatte die Stimmbeschwerden (Schwäche, Ermüdung, Verkrampfung, starke Heiserkeit) hervorgerufen, die mit der Knötchenbildung nur ihren sichtbaren Ausdruck und Höhepunkt fanden. Folgerichtig griff die Stimmübungsbehandlung an die Wurzel des Leidens und machte eine zweite Operation überflüssig. U. verspürte auch mehr als 10 Jahre später keinerlei Stimmbeschwerden. In der Behandlung des Bronchialasthmas sind Übungen gegen Kurzatmigkeit angezeigt, denn der Asthmatiker leidet an periodischer Atemnot, weil ein Bronchialkrampf seine Ausatmung behindert. Infolgedessen zerrt er bei der Einatmung seinen Brustkorb hoch, der dadurch eine starre Form erhält. Die medizinische Wissenschaft hat eine Vielzahl von Mitteln gegen das Asthma geschaffen, nicht nur medikamentöser, sondern auch technischer Art, wie z. B. die pneumatischen Kammern mit variablem Luftdruck. Was die künstliche Druck-
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differenz hier erstrebt, kann der Asthmatiker einfacher und natürlicher durch die Stimmwirkung ermöglichen. Es war nämlich ganz übersehen worden, daß die Stimme und Sprache des Asthmatikers auffallend schwach ist, und so kam man auch nicht auf den naheliegenden Gedanken, daß eine Stärkung des Kehlkopfes durch Stimmarbeit eine Verbesserung der Atemfunktion mit sich bringt. Der Ton dringt allmählich in Luftröhre und Bronchien, wo er einen Druck ausübt, der die Verkrampfung löst. Man muß einmal gehört haben, wie ein solcher Asthmatiker mit einem Hauch von Stimme nach wenigen Wochen mit vollen und langen Ubungstönen einen Hörsaal mühelos füllt. Auf dem Wege dahin hat sich etwas sehr Wichtiges ereignet: Das vorher festsitzende Sekret ist zur Lösung gekommen, - zur Erlösung des Patienten, denn nun kann die funktionsgestörte Schleimhaut wieder gesunden. Der Asthmatiker lernt, einem Anfall, sofern ein solcher noch auftritt, durch Ubungslaute zuvorzukommen und ihn dadurch gewissermaßen abzufangen. Es seien hier die Namen derer genannt, die sich für diese Asthma-Übungsbehandlung zuerst eingesetzt haben: Seit etwa 1910 erzielte Frau Marga David-Armin Erfolge, bald darauf konnte A. Thausing über neue Erfahrungen berichten, so daß die Fachärzte Lohfeldt und Siegfried darauf aufmerksam machten. Unter strenger ärztlicher Kontrolle wurden an Klinikinsassen mit heftigsten Anfällen - also zu einem ungünstigen Zeitpunkt - weitere Beweise für die Richtigkeit der neuen Asthmatherapie erbracht. Dabei äußerten Patienten, die teilweise ambulant weiterübten, mir gegenüber folgende charakteristischen Empfindungen: „freieres Gefühl, leichtere Atmung, mehr Luft, kein Angstgefühl mehr, besser als Medizin, befreiende Wirkung, macht froh". Diese spontanen Aussagen über ihre Eindrücke sind bei Asthmatikern besonders wertvoll, weil die subjektive Besserung stärker als der objektive Befund in Erscheinung treten kann. Die stimmliche Ausarbeitung übt Biehle, S u m m k u n d e
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eine starke Beeinflussung in Form innerer Befreiung aus, was besonders in Fällen psychischer Überlagerung oder neurotischer Komponente eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt. Voraussetzung für eine Erfolgswirkung bildet aber eine gewisse Bereitschaft und Ausdauer. In Fällen mit mangelndem Gesundungswillen wie auch bei sehr altem Asthmaleiden ist die Prognose nicht so aussichtsreich; aber ein Versuch mit der Ubungsbehandlung müßte unbedingt gemacht werden. Eine ähnliche Wirkung ist beim Emphysem zu erzielen. Diese Lungenblähung mit Erweiterung der Lungenbläschen tritt als Berufskrankheit besonders bei Holzbläsern, also Orchestermusikern wie auch bei Glasbläsern durch Überdehnung des elastischen Gewebes auf. Während die Bläser von Oboe, Englisch Horn und Fagott einen äußerst starken Luftdruck gegen das Doppelblatt des Instrumentes ausüben, ohne dabei einen entsprechenden Kehlkopf-Widerstand einzuschalten, wird der Sänger durch diesen vor Emphysem geschützt. Weil die Lungenblähung auch eine sehr ungleichmäßige Luftverteilung in der Lunge zeigt, wobei sich manche Bezirke an der Atmung nicht recht beteiligen (Siebeck), ist die Stimmbehandlung angezeigt und bewährt. Es liegt im Zuge der modernen Auffassung, Lungentuberkulöse nicht mehr der Ruhe zu überlassen, namentlich seit August Bier die Ruhe bei Tuberkulose eher als schädlich bezeichnete. Wenn Hufeland von seiner Tochter Rosalie erzählt, daß zu schnelles Wachstum ihr die Anlage zu Bluthusten und Phtisis florida tuberculosa gab, und sie nur durch strengste Diät, Entsagung des Tanzens, Singens und aller jugendlichen Freuden ihres Alters gerettet wurde, so dürfen wir heute sagen: Das Singen hätte, im Gegensatz zu allen anderen Betätigungen, nur nützen können. In der Tuberkulose-Therapie werden nämlich lange und dabei wenige Atemzüge gewünscht, weil wir wissen, daß die am langsamsten atmenden Tiere am langlebigsten und am wenigsten einer Infektion zugänglich sind. Für die erfolg-
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reiche Anwendung von Stimmübungen haben die Lungenfachärzte Siegfried und Wohlfarth in ihren Heilanstalten bahnbrechend gewirkt und auf der Tuberkulosetagung in Bad Kissingen 1931 über ihre Ergebnisse referiert. Letzterer bezeichnete nach fast zehnjährigen Erfahrungen an zwei Heilstätten mit Frauen bzw. Männern die günstige Wirkung der Stimmübungen auf Atmung und Kreislauf als überzeugend. Das äußere Bild eines Lungentuberkulösen zeigt den sogenannten habitus phtisicus. Einer solchen Jammergestalt entspricht die kraftlose Stimme. Der eingefallene Brustkasten, in welchem die Lunge geringe Lebensmöglichkeit hat, ist der polare Gegensatz zum Sängertyp. Wenn es da gelingt, Stimme, Atem und Lungentätigkeit nur etwas anzuregen und zu entwickeln, kann der Heilungsprozeß gefördert werden. Er tritt zuweilen gerade mit Beginn der Übungen ein, weil diese einen Hoffnungsstrahl für den Patienten in die Trostlosigkeit des Lebens oder des Anstaltsaufenthaltes bringen. Ausdrücklich sei betont, daß auch hier nicht zaghaft oder ängstlich geübt werden darf. Von 51 Patientinnen Wohlfarths, darunter 26 Bewahrungskranken, wurden nach abgeschlossener Behandlung 25 bazillenfrei entlassen, davon waren 10 ohne andere Methoden behandelt worden. Mehrere bereits aufgegebene Patientinnen wurden wieder arbeitsfähig. Bedenken wegen Gefährdung durch die Stimmübungen sind durchaus unbegründet; denn während jede andere Anstrengung die Gefahr des Lungenblutens mit sich bringt, ist dies bei der Stimmarbeit nicht der Fall, weil mit ihr auch der Luftdruck in der Lunge wächst, der den Blutdruck daselbst zurückdämmt und damit einer Blutung vorbeugt. Der Kardiologe Bruno Kisch hat zu dem Thema Stimme und Lungenkraft aus eigener Erfahrung einen Beitrag geliefert. Im Alter von einem halben Jahr erkrankte er an einer doppelseitigen Lungenentzündung, sodaß ihn alle Ärzte aufgaben. Der Ii*
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schon zu einem Beileidsbesuch gekommene Hausarzt hörte den kranken Säugling zu seiner Überraschung mit voller Macht brüllen, sodaß er der noch immer ungläubigen Familie Aussicht machen konnte, das Leben zu erhalten, womit er recht behielt. Anlaß zu klinischer Stimmtherapie an Hypertonikern, Patienten mit Bluthochdruck, waren die Erfahrungen des Internisten Prof. Tirala mit der Tiefatmung. Seine Untersuchungen an Münchener Berufssängern und -Sängerinnen hatten ergeben, daß in keinem Falle zu hoher Blutdruck vorlag, - und wohl auch kein zu niedriger. Die stimmliche Ausarbeitung schützt also den Sänger vor Bluthochdruck. Da die essentielle Hypertonie durch Verminderung der Atmung und damit ungenügender Ausscheidung von Kohlensäure ausgelöst wird, ist die Anwendung der Stimmübungen bei solchen Patienten voll begründet und steht auch hier im Rahmen naturgemäßer Heilweisen. Bei meinen Übungen mit Hypertonikern konnte ich in geeigneten Fällen sofort eine Senkung des pathologisch hohen Blutdruckes feststellen. Eine labile Hypertonikerin, Frau V., sprach besonders schnell auf Stimmübungen an und erzielte folgendes Zahlenbild mit dem Quecksilbermanometer (nach Riva-Rocci): 1. Übungstag: von 210 auf 175 mm Hg 2. Übungstag: von 175 auf 160 mm Hg (1 Tag dazwischen) 3. Übungstag: von 170 auf 150 mm Hg Regelmäßiges Üben nähert den Blutdruck ständig den Normalwerten und hält ihn niedrig. Da der Kreislauf von der Atmungsart abhängt, erfährt die große Körperschlagader (Aorta) durch richtige Tiefatmung eine dauernde passive Gymnastik (Roemheld). Stimmübungen fördern den Umlauf und die Verteilung der Blutmenge im Körper sowie schnelle Abgabe der Kohlensäure. Verbesserte Atmung wird von Kreislaufstörungen weniger beeinflußt als mangelhafte
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Atmung. Die Atembewegungen wirken auf den Kreislauf wie eine zusätzliche Pumpe und vermögen deshalb bis zu einem gewissen Grade, das Herz zu entlasten (Cobet). Messungen in Stimmkursen vor und nach höchstens 15 min Üben ergaben überraschend teils unveränderte Pulsfrequenzen, wenn diese bereits normal lagen (etwa 72), teils Frequenzabnahmen, z. B. von 88 auf 72, seltener waren Anstiege. Qualitativ fiel bei manchen Teilnehmern kräftigerer, ruhigerer Pulsschlag auf, ein vor dem Üben stark arhythmischer Puls schlug nach dem Üben in regelmäßigerem Rhythmus. Singen und Stimmübungen sind also in bezug auf die Herzaktion nicht zu identifizieren mit anderer körperlicher Ausarbeitung, auch musizierender Art, die erhöhten Puls mit sich bringen; so erreichten nach Messungen im Arbeitsphysiologischen Institut Dortmund Cellisten und Blechbläser bei schwierigen Stellen bis zu 160 Pulsschläge. Die mir durch ein Forschungsstipendium gewährten Arbeitsmöglichkeiten führten zur günstigen Beeinflussung weiterer Leiden auf stimmlichem Wege; diese trat unbeabsichtigt und unerwartet ein, aber als Nebenwirkung nicht minder wertvoll. So massiert das bei der Stimmarbeit sich energisch kontrahierende Zwerchfell die in der Bauchhöhle liegenden Organe, ein natürliches Therapeutikum u. a. bei chronischer Darmverstopfung (Obstipation), weiblicher Unterleibsschwäche, auch Leberleiden. Da beim Üben auch ein Druck auf die Kopfgefäße ausgeübt wird und die Schädelhöhlen unter erhöhten Luftdruck gesetzt werden, ergibt sich außer der Beeinflussung katarrhalischer Zustände in Nase, Ohr und Stirnhöhlen die Möglichkeit einer Verbesserung der Sehkraft bei Kurzsichtigen mit arteriosklerotischen Veränderungen an den Augen. Das mag überraschend klingen, aber schon Tirala konnte durch seine Atemkuren erhebliche Besserung der Sehschärfe feststellen, und die Stimmübungsbehandlungen führten zu gleichen Erfahrungen. Auch
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hier ist das Resultat der Normalisierung des Blutdruckes und besserer Versorgung der Sehnerven zuzuschreiben. Ferner wurde auf die Drüsen eingewirkt. Menschen, die sonst nie schwitzen konnten, gerieten beim Üben in Schweiß. Bei gestörter Funktion der inkretorischen Drüsen, z. B. endokriner Störung in Form von Pubertätshemmung mit stimmlichem Infantilismus, trat eine Vermännlichung der Stimme, ja des ganzen Menschen ein. Bei Kropf wurde eine Rückbildung der Schilddrüse bemerkt, weil die besseren Atemfunktionen auch direkt mechanisch einwirken, was sich aus der Nachbarschaft von Schilddrüse zu Kehlkopf und Luftröhre erklärt. Gleichzeitig ist die Möglichkeit gegeben, noch in vorgerücktem Alter eine Verjüngung der Stimme zu erreichen. Einwirkung auf die Konstitution wurde an entsprechenden Patienten klinisch beobachtet. Neben der Verbesserung der Körperhaltung schwanden auffallend Ermüdungserscheinungen infolge der regenerierenden Wirkung. Umgekehrt trat bei ganz untrainierten Personen nach dem Üben natürliche Müdigkeit ein, so daß auf Schlafmittel verzichtet werden konnte. Eindrucksvoll war die allgemeine Umstimmung: Patienten wurden lebhafter, mitteilsamer, ihre Klagen über Leiden und Ergehen ließen nach. Damit sei schließlich noch der psychophysischen 'Wechselwirkungen gedacht, die sich schon aus der Wortgleichheit Stimme-Stimmung ergeben. Wie schon im I. Teil hingewiesen wurde, manifestiert sich unser jeweiliger Zustand in stimmlichen Reaktionen. Für die Therapie ist davon auszugehen, daß Einschränkung und Abbau von falschem Stimmaufwand beruhigend wirkt - eine häufige und nicht zu unterschätzende Aufgabe der Stimmbildungsarbeit. Bei dem Industriekaufmann W. hatte ein krampfartiger Kehlton nervlichen Erregungszustand mit psychischen Hemmungen und Beklemmungen ausgelöst, der mit Besserung der Stimme verschwand, weil diese nun nicht mehr unter falschem
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Druck stand. Von einer Wunderwirkung sprach der Kaufmann Z., der immer zu laut gesprochen hatte. Nach Beseitigung des unruhigen Stimmtones fand er geistige Konzentration und Beruhigung. Mit der Lösung stimmlicher Hemmungen werden Erscheinungen wie Unruhe, Angst oder Depression gebessert, Energien mobilisiert, die geistigen Funktionen beim Sprechen freier. Die Gesundschulung wirkt somit über Stimme und Atem hinausgehend noch in andere Bereiche weit hinein. Auf die Frage nach möglichen oder aufgetretenen Mißerfolgen lautet die Antwort: Wo keine Erfolgschancen vorliegen, wird eine Stimmkur gar nicht erst durchgeführt; es entfällt dadurch eine Schädigung. Auch gibt es zwischen vollen Erfolgen und Mißerfolgen noch Zwischenstufen: wird Verschlimmerung oder Rückfall verhindert, Anfälligkeit reduziert, Widerstandskraft mobilisiert, so ist das schon ein wertvolles Teilergebnis. Auf die Frage, welche Menschen für eine Stimmkur geeignet sind, ist zu antworten: Nicht die Schwere des Leidens ist entscheidend, sondern die menschliche Einstellung des Patienten; ob er an einer Übungsbehandlung interessiert ist, wie er sich geistig auf diese einstellt, ob und wie er zuhause übt. Von diesen Faktoren ist das Resultat ebenfalls weitgehend abhängig. Die hier dargestellte Stimmtherapie hat bisherige Vorstellungen überholt, von denen einige genannt seien: Erstens wird noch immer die Atmung zum Sündenbock bei stimmlichen Schwierigkeiten gemacht. Regelmäßig stellen mir Menschen die Frage „Ich atme wohl falsch?" und erwarten eine Besserung durch „richtiges Atmen". Hierauf ist mit dem Halskliniker Prof. Berendes zu antworten: „Die Atmung läuft bei den meisten Menschen unbewußt richtig." Zweitens werden die Grundsätze der auf künstlerisch-ästhetisches Wirken gerichteten Gesangspädagogik auch bei Heilzwecken zugrundegelegt, wodurch falsche Maßstäbe entstanden sind.
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Drittens wird noch zuviel von Ruhe- und Schonungsverordnungen incl. südlich-mildem Schonklima erwartet, was Patienten von einer Therapie abhält, die stimmliche Naturkräfte mit dem Ziel weckt, die physischen Voraussetzungen zu verbessern. Viertens setzt sich erst jetzt die Tendenz zu aktiverer Mitarbeit von Patienten durch, die auf dem 59. Deutschen Bädertag für die Badegäste der Heilbäder gefordert wurde. Mit Geräuschfunktionen, auch Räusperübungen, geht die Stimmkur auf primitive und in der Tierwelt zu hörende Lautgebung zurück. Solche naturlautartigen Funktionen sind geradezu das Ei des Kolumbus für alle Stimmen und zudem auf Menschen jeder Sprache anwendbar. Ein möglichst lang ausgehaltener Übungston ist nicht nur Heil- und Bildungsmittel, sondern zugleich untrügliches Kriterium für Sitz und Klang, überhaupt für Quantität und Qualität einer Stimme, da er den Effekt einer Zeitlupe ins Akustische überträgt, so daß jede Einzelheit hörbar wird. Zunächst ist der Ubungston klein, kurz und unscheinbar; aber er wächst, wird größer und länger von Woche zu Woche. Schließlich ist eine kräftige und energische Tonproduktion erreicht; doch wird niemand überanstrengt, denn es ist eine Dosierung in homöopathischer Verdünnung möglich. Dieses Wachsen seiner Stimme zu beobachten und an sich zu erleben, erweckt bei den Patienten Freude und Interesse, namentlich wenn die gewünschten Tonhöhen richtig getroffen werden und auch der Stimmumfang sich erweitert. Der Übende bekommt ein Unterscheidungsgefühl für den (bisherigen) falschen und den (zukünftigen) richtigen Ansatz; selbst der Stimmschwächste und Unmusikalische lernt das und macht stetig Fortschritte. Das Alter spielt dabei keine wesentliche Rolle; die Erfahrungen erstrecken sich auf Menschen zwischen dem Kindes- und Greisenalter. Weil die Stimme immer wieder veranlaßt wird, angegebene Töne zu treffen - für Stimmpatienten, Redner und Schauspieler etwas
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ganz Ungewohntes - ist ein wichtiges Hilfsmittel zur Verständigung und vergleichenden Beobachtung gewonnen. Besser als Klaviertöne werden Stimmtöne durch Übertragung der Muskelanspannung und Kehlkopfeinstellung von Mensch zu Mensch nachgeahmt. Deshalb muß der Stimmtherapeut das gute Beispiel ständig zeigen, wobei der Patient Ahnung und Verständnis dafür bekommt, welche Fähigkeiten beim erfolgreichen Vokalisten vorhanden sind. Gelingt es, zunächst einen Ton zu finden und auszuhalten, so werden sich bald weitere nach der Höhe und Tiefe gewinnen lassen. Erreicht der Tonbereich allmählich eine Quinte oder gar Oktave Umfang, so hat sich inzwischen meist Verschmutzung, Verschleimung, Verengung, ja Verkrampfung in den Luftwegen gelockert oder gelöst, was sich in Räuspern, Husten und Schleimabgang äußern kann und zugleich ein befreiendes, weitendes Gefühl für Stimme und Atem gibt. Dadurch werden die ursprünglich schwachen und kurzen Töne klangvoller und länger; freilich nicht auf allen Vokalen, sondern zunächst auf den Mischvokalen (Oe, Ae, Ue), deren Übungswert die Grundvokale (A, E, I, O, U) turmhoch überragt. Bei Patientinnen wirkt vor allem die Übung der Brusttöne, also der tiefen, männlich klingenden Lage, lösend und heilend auf die katarrhalischen Hemmnisse, während das gesanglichere Falsett infolge seiner hohen Schwingungszahlen die Elastizität der Stimmbänder fördert. Mit dem Wachsen der Stimme hebt sich auch die Stimmung, die Übungen werden zum Kraftspender. Überhaupt gewinnt der Patient durch seine Aktivierung eine ganz neue Einstellung zu seinem Leiden, dessen Besserung nun mit in seine Hand gelegt ist. Schließlich hängt der Erfolg wesentlich davon ab, wie das häusliche Üben betrieben wird, das die Patienten übereinstimmend als eine angenehme Notwendigkeit bezeichnen: notwendig, damit kein Stillstand eintritt, angenehm, weil damit
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eine sonst mit anderen Mitteln nicht mögliche Ausarbeitung verbunden ist. Damit wird auch eine wertvolle Ergänzung aller Sportarten geboten. Während Gymnastik und Leibesübungen vorwiegend die Extremitäten trainieren, ohne mangelhafte Haltung oder flache Brust immer grundlegend zu verändern, wirkt die Stimmarbeit unter Ausschaltung aller unnötigen und störenden Bewegungen gerade auf die in den Körperhöhlen liegenden Organe bei äußerer Ruhestellung. Es ergibt sich so eine optimale, zwanglose Haltung von selbst, und ein vergrößertes „Sportherz" ist nicht zu befürchten. Die Körpergymnastik erstrebt ein Nach-innen-Schauen und Nach-außen-Wirken, die Stimmgymnastik ein Nach-innen-Hören und Nach-außenKlingen. Aus der Heilkunde sind uns die Erscheinungen von Krisen geläufig. Krisis bedeutet Entscheidung. Höhepunkt einer Krankheit mit einer Wendung zum Schlechten oder - meist - Besseren. Solche Krisen werden in der neueren Heilkunde auch künstlich herbeigeführt bzw. unterstützt. Es ist daher ein analoger Vorgang, wenn auch die richtige Übungsbehandlung zu Stimmkrisen führt. Hier bedeutet Krise Kampf mit der Materie (Muskeln, Schleimhäuten, Konstitution) und ist mit einem Muskelkater nach ungewohntem Training für sportliche Leistungen zu vergleichen, mit dem Unterschied, daß sie vorwiegend klanglich, also hörbar in Erscheinung tritt. Nur das Üben bringt die stimmlichen Unreinheiten und Verunreinigungen richtig zum Vorschein, wie ein Fleck beim Reiben erst deutlich wird, um dann ganz zu verschwinden. Als das Resultat eines solchen Reinigungsvorganges in und unterhalb der Kehle meldet sich nach einer echten Krise der neue Klang, wenn auch sporadisch; denn erst allmählich führt der Heilungsprozeß durch Aufdecken tiefer sitzender Schwächen und Hemmnisse an das Fundament der Stimme.
Stimmpatienten, Katarrhalikei, Asthmatiker
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Wir befinden uns in einer Zeitepoche, in welcher die Natur• heilkunde anerkannt wird, nachdem sie sich lange Zeit gegenüber der Schulmedizin nicht durchsetzen konnte. Die Naturheilkunde beruht auf dem Glauben an eine Naturheilkraft im Menschen selbst, die, mit ärztlichen Maßnahmen angesprochen, einen Gesundungseffekt möglich macht. Hat eine Stimme Naturkraft, von Hause aus oder erworben, kann sie Heilkraft entfalten. Die biologische Heilweise hat sich den uralten Begriff der Ausleitung zunutze gemacht: Ausleitung durch Haut, Darm und Nieren, auch durch Aderlaß und Heilfasten. Dazu tritt die Ausleitung durch Entschleimung, die auf stimmlichem Wege idealste und wertvollste therapeutische Unterstützung findet. Im Rahmen dieser Bestrebungen gewinnt die Stimmübungsbehandlung als wichtige Ergänzung medizinischer, speziell naturkundlicher Maßnahmen zunehmende Bedeutung, wird es doch damit möglich, den stimmlichen Allgemeindurchschnitt zu heben, was wichtiger ist als Züchtung von Spitzenleistungen. So erwächst gerade den Menschen mit minderwertigen oder schwachen Stimmorganen die Aufgabe, sich vom Stimmfachmann beraten oder helfen zu lassen, um weiteren gesundheitlichen Nachteil zu vermeiden. Auch hier gilt der alte Satz: Vorbeugen ist leichter als Heilen, was prophylaktische Maßnahmen rechtfertigt und empfiehlt. Ebenso ist auch der Elementarsatz, daß Reinigen die Voraussetzung zum Heilen bildet, für die Kehle voll gültig. Als Reiztherapie verdienen Stimmübungen einen festen Platz innerhalb der physikalischen Heilweisen. Sie ergänzen die Physiotherapie durch Licht, Luft, Wasser, Wärme, Massage usw. und sind volkswirtschaftlich angezeigt, weil kostspielige Kuren und längerer Urlaub eingespart werden können. Oft hat der Stimmpatient negative Resultate hinter sich und kommt erst
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nach diesen Enttäuschungen zu einer Obungsbehandlung, die während der Berufsausübung durchführbar ist. Wenn der berühmte Internist Gustav von Bergmann einst wünschte, der Arzt möchte möglichst schwere Krankheiten durchgemacht haben, um ein richtiges Verständnis für seine Kranken zu gewinnen, so gilt dies auch für den Stimmtherapeuten in bezug auf seine eigene Stimme. Er sollte also z. B. einen Katarrh an sich selbst behandelt und beseitigt haben. Da der Stimmtherapeut verschiedene Patiententypen vor sich hat, forsch-aktive ebenso wie ängstlich-passive, muß er in jedem Fall sicher und richtig zu handeln fähig sein, was diagnostische Gehörsfähigkeit gepaart mit Menschenkenntnis verlangt.
20. Grundsätze für die Therapie und Hygiene der Stimme Die Laryngologie, die medizinische Lehre vom Kehlkopf, hat in Stimmfragen bis in die Gegenwart wissenschaftliche Autorität ausgeübt. Das im Kehlkopfspiegel mit dem Auge Wahrgenommene galt als unwiderlegbar. Weil jedoch nach den neuen Erkenntnissen der Stimmpraktiker der Zustand einer Stimme ebenso aus den akustischen Vorgängen zu erkennen und zu beurteilen ist, haben sich die Anschauungen von konservativen Laryngologen und Stimmpraktikern eher voneinander entfernt als angenähert. Die Auseinandersetzung läßt sich auf die Frage reduzieren: Stimmanalyse mit dem geschulten Ohr oder Diagnose mittels instrumenteller Kehlkopfinspektion? Albert Schweitzer hat die Auffassung Goethes: „Mikroskope und Fernröhre verwirren eigentlich den reinen Menschensinn, wogegen der Mann an sich selbst, insofern er sich seiner gesunden Sinne bedient, der größte und genaueste Apparat ist, den es geben kann" dahingehend interpretiert, daß man mit den komplizierten Instrumenten die Natur auf die Folter spanne.
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Mechanisierte Medizin, die auch der Arzt J. Plesch kritisiert, sollte nicht zu einer technisierten Stimmforschung führen. Vor mechanistischer Naturauffassung warnte schon Driesch, weil sie zu großes Gewicht auf messende Untersuchungen legt und dabei das Nicbtmeßbare übersieht. Wieweit Schärfung eines Sinnesorganes im Dienste der Wissenschaft möglich ist, beweisen die Erfahrungen des Konstitutionsforschers W. Jaensch: „Wir begnügen uns bei der Feststellung des Konstitutionstypus mit der intuitiven Erfassung durch das Auge. Wenn auch anfangs diesem Verfahren gewisse Fehler anhaften, so korrigiert sich dies mit wachsender Übung in weitgehendem Maße. Sobald die Anfangsschwierigkeiten überwunden sind, ist man förmlich erstaunt, wie gut sich das Auge schulen läßt. Jede noch so exakte Messung mittels Tastzirkel und Bandmaß ergibt nur Zahlen, gibt aber keinen Gesamteindruck wieder, der hier das Entscheidende ist. Das leistet allein das Auge. Sehr vorsichtige Untersucher geben die Fehlerquelle bei der intuitiven Erfassung durch das Auge mit 5-10 %> gegenüber der exakten Messung an, fügen aber hinzu, daß diese Prozentzahl sich bei steigender Übung reduzieren ließe." Als Ergänzung einer Diagnostik durch das geschulte Ohr empfiehlt sich die Vornahme folgender Messungen, abgesehen von rein ärztlichen und spezialärztlichen Untersuchungen: Hals- und Brustmaße, diese bei voller Ausatmung, Einatmung und Mittelstellung, Pulszahl, Blutdruck und Atemmenge (Vitalkapazität im Spirometer). Bei letzterer Messung ist aber folgendes zu beachten: Die Ausatmungsmenge läßt nicht auf die Güte der Atemführung oder gar der Stimme schließen, sie sagt, vergleichbar dem Kalorienwert der Nahrung, nichts über die Qualität der Energie aus. So wies z. B. ein Lehrer mit ganz mangelhafter Stimme 6000 ccm, also 6 Liter Lungenvolumen auf. Das Gleiche gilt für Abstoppen der Atemzüge pro Minute. Ferner lassen sich stimmliche Entwicklungsvorgänge durch
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Schallplatten oder Bandaufnahmen in gewissen Zeitabständen verfolgen. Der heute mögliche apparative Aufwand von Oscillogramm und Röntgenfilm, Lichtblitz-Stroboskop und Computer-Diagnose durch elektronische Informationsbearbeitung in der Medizin darf nicht dazu führen, methodische Irrtümer zu verdecken. Die schöpferische Intuition darf nicht durch Rücksichtnahme auf tradiertes Wissen gehemmt werden. Wissen ist Macht, wenn man es anzuwenden weiß. Die Prinzipien ökonomischen Krafteinsatzes und der Leistungssteigerung bei maximaler Ausnützung der physischen Gegebenheiten sind auch auf die Stimme zu übertragen. Das bedeutet z. B. für den Redner und Künstler, die Fähigkeit zu erreichen, mit einer mittelstarken Stimmgebung ausreichende Lautstärke zu erzielen, ohne sie zu unterschreiten oder zu überschreiten, um genügend Reserven zum Durchhalten und zur Steigerung zu haben. Diese Ökonomie vorausgesetzt, gibt es hygienische Maßnahmen, die geeignet sind, die Pflege der Stimme und Stimmbildung zu unterstützen. So lehrt die Stimmhygiene folgende Grundsätze: Schädlich und hemmend sind zu enge Kleidungsstücke wie Rock, Kragen mit Schlips und festgeschnallter Gürtel, namentlich wenn er die Aufgaben eines Hosenträgers übernehmen soll. Nachteilig wirken Staub, Benzingeruch, Abgase, Bazillen, Menschenansammlungen, Aufenthalt in rauchigen Bahnabteilen, Lokalen und Tanzstätten. Abhärtung soll widerstandsfähig machen gegen Witterungsund Temperaturwechsel; dazu gehört morgendliche kalte Ganzabwaschung mit Trockenbürsten, also Warmreiben, und abendliches Wechselfußbad. Anwendungen an den unteren Extremitäten wirken sich an entgegengesetzten Körperteilen aus, z. B.
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an den Schleimhäuten von Nase, Kehlkopf usw. Deshalb hielt Kneipp viel vom Barfußgehen, das, „allein schon die Stimme um vieles verbessern kann"; er war gegen Umwickeln des Halses mit einem Wollschal und unnatürlichen Druck durch Kragen. Abhärtung darf nicht zu Leichtsinn, Schonung nicht zu Verweichlichung führen. Die Lufttrockenheit in zentralbeheizten Zimmern, unter der auch Musikinstrumente leiden, ebenso den Wechsel zwischen Zentralheizungs- und Ofenheizungsluft muß eine durch Gesundschulung stabil gewordene Stimme vertragen. Wasserverdunstung auf den Heizkörpern mindert die Lufttrockenheit. Hausenstein vergleicht die „authentische Wärme" des Ofens mit dem Surrogat der Zentralheizung. Ausreichend Schlaf bietet die beste Erholung auch für die Stimme, die unausgeschlafen tonlos und kratzig klingt. Es sollte die von Stöckmann angegebene Schlafzeit möglichst beachtet werden, der den Schlaf vor Mitternacht als Kraft- und Heilquelle empfiehlt. Notwendig ist Mundpflege, weil die Zähne auch als Artikulationsorgan dienen; ihre Mängel und Lücken werden beim Sprechen und Singen nicht nur sichtbar, sondern auch hörbar. Die Ernährung soll ohne scharfe Gewürze und salzarm sein. Vor jeder Hauptmahlzeit ist auf leeren Magen etwas Rohkost zu nehmen. Falsche Ernährung begünstigt Verschlackung und Verschleimung, blähende Speisen drücken das Zwerchfell nach oben und behindern dadurch die Tiefatmung. Nach Prof. Jaeger beeinflussen Speisen und Getränke die stimmliche Disposition: alle übelschmeckenden verschlechtern den Klang, verbessernd wirken rohe Eier, Äpfel, gedörrte Pflaumen usw. Der Vorsitzende des Deutschen Bundes für naturgemäße Lebens- und Heilweise, Herbert Groening, hat über Eigenbeobachtungen berichtet, wie sich jeweilige Ernährung auf seine in vielen Vorträgen beanspruchte Stimme auswirkt und wünscht
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für eine reine Stimme reine Nahrung: Rohes, Frisches, Diättage mit Milch, Obst, Trauben (Saft), Fastenkuren. Kein Mißbrauch mit Alkohol! Bekannt ist der Zustand einer Stimme nach reichlichem Genuß alkoholischer Getränke. Sie klingt wie verschleiert, verkratzt und erholt sich erst unter der Wirkung eines Gegengiftes, des Koffeins. Bei ständigem Alkoholgenuß tritt der chronische Kehlkopfkatarrh der Trinker (Laryngitis der Potatoren) ein, im Volke Bierbaß oder Schnapsstimme genannt. Vor allem sind die hochprozentigen Spirituosen und sehr kalte Alkoholika schädlich, diese besonders auch nach stimmlichen Leistungen. Gefährlich ist die Sucht nach Nikotin. Der Tabaksaft vermengt sich mit dem Speichel, dringt in die Schleimhautfalten und verstopft die Bronchialwege. Zwar rauchen auch manche Sänger vor ihrem Auftreten und in den Pausen als Stimulans gegen Nervosität (Lampenfieber); es darf aber nicht von dem hervorragend intakten Schleimhautzustand beim Berufssänger auf den fragwürdigen Zustand bei den meisten übrigen Menschen geschlossen werden. Welchen Erfolg bei der Behebung eines Raucherkartarrhs die vorübergehende Enthaltsamkeit vom Tabak hatte, beschreibt Dr. Nebel: „Ich hustete jeden Morgen, während ich die erste Pfeife rauchte, so wüst, daß mir die Sterne vor den Augen tanzten, nun aber fährt mir der Atem nicht mehr rasselnd, sondern schmeichelnd durch die Bronchien." Zu empfehlen ist besonders denen, die aus beruflichen Gründen schon morgens frühzeitig gut bei Stimme sein sollen: Gurgeln zum Reinigen, Kaffee, aber nicht Nikotin zur Anregung, Honig zum Einölen, Räuspern zum Lösen und Liedgesang. Korff schlägt vor, in aller Frühe unter der Wechseldusche lauthals zu singen. Alle genannten Maßnahmen zur stimmlichen Gesundheitspflege dienen aber nur als Ergänzung eines ständigen Trainings mit täglichen Tonübungen. Um diese „Medizin für die Stimme"
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wirksam anzuwenden, sind notwendig: ein möglichst ausgeruhter Zustand, keine Uberfüllung des Magens (also nicht nach den Mahlzeiten üben!) und die im 18. Kap. geforderten häuslichen Voraussetzungen.
Schlußergebnisse Eine Kunde von der Stimme aus heutiger Sicht kommt nach Kritik und Revision früherer Lehrmeinungen mit Notwendigkeit zu neuen Erkenntnissen. Das dürfte niemand überraschen, verlangen doch die Maximen einer Welt, in der das Atom nicht mehr „das kleinste unteilbare Teilchen" ist, ständiges Umlernen und Umdenken. So werden sich auch Leser mit veralteten Vorstellungen bei einigem guten Willen auf fortschrittliche Lehren umstellen, denn das hier vorgetragene, auf der Wirklichkeit des Lebens basierende Erfahrungsmaterial dürfte bei Unbefangenheit und natürlichem Empfinden leicht verstanden werden. Die wesentlichsten Erkenntnisse seien nachfolgend noch einmal zusammengefaßt: 1. Der alte Glaube ist erschüttert, daß Atemübungen die Sprech- und Gesangsstimme verbessern. Namhafte Fachleute haben die Überlegenheit des Singens betont. Der Arzt Claus-Jürgen Mentzel: „Bewußtes Atmen ist häufig eine Fehlatmung. Es wäre besser, dem Patienten das Singen zu empfehlen, etwa in einen Gesangsverein einzutreten." Der Atemspezialist Julius Parow: Absichtlich betontes tiefes Atmen ist schädlich (1952). Die naturgemäße Beanspruchung des Atemapparates muß durch Singen ersetzt resp. erfüllt werden, das früher zum täglichen Leben gehörte (1958). Das ideale Leistungstraining der Lunge ist natürlich der Ton (1963). Die Atmung bedarf an und für sich keiner besonderen Schulung, sie kräftigt sich mit dem Singen ganz automatisch. Sänger sollte man mit Atem-Gymnastik verschonen (1967). Biehle, S t i m m k u n d e
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Landeskirchenmusikdirektor Alfred Stier: „Singen ist die beste Atemübung. Atem- und Zwerchfellkraft wird erzogen durch Bildung von Widerständen im Ausatmen, unter denen Singen der allerbeste ist." Der Stimmpädagoge George Armin: „Keine Art von Atemtechnik hat Einfluß auf die Bildung des echten Tones in der Kehle; dieser ist es, der den Atmungsmechanismus schult." 2. Die alte Auffassung, daß Sprechübungen die Gesangssprache verbessern, ist nicht mehr haltbar. Wie Tilla Durieux, Lina Fuhr, G. B. Shaw und Stanislawski, die an anderer Stelle bereits zu Worte kamen, haben auch die Sängerin Marie Gallison-Reuter und die Politikerin Marie-Elisabeth Lüders bestätigt, daß Gesangsunterricht für das Sprechen (resp. das Rednerorgan) von größtem Nutzen gewesen sei. 3. Fast jeder Mensch hat mehr Stimme als er glaubt und sich zutraut. Diesem Organ kann viel mehr zugemutet werden als man bisher annahm und wagte. Niemand sage: „ich habe gar keine Stimme und brauche auch keine". Das wäre eine bedauerliche Fehleinschätzung und völlige Verkennung; denn gute Stimme ist nicht Sache einiger weniger Begabter, sondern Allgemeingut, das zur Kultur des Menschen gehört. 4. Kinder und Erwachsene, Gesunde und Kranke sollten viel mehr singen, was nicht künstlerisch, nicht einmal musikalisch schön zu klingen, auch nicht öffentlich ausgeübt zu werden braucht. Die meisten Menschen können besser singen als sie meinen, es fehlt ihnen nur Gelegenheit, Ermunterung und Anleitung. 5. Übereinstimmend mit dem Kneippschen Grundsatz: „Die Kraft dringt immer auf die schwachen Teile und verdrängt die Schwäche" kann jede Stimme gekräftigt werden; sind diese potentiellen, meist verborgenen Kräfte geweckt worden, entwickeln sie Heilkräfte. 6. Der gesundheitliche Wert des Singens ist sehr hoch einzusetzen und übertrifft die den Atemübungen zugeschriebene
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Wirkung. Gesangsausübung macht auch gesundheitlich überlegen allen Nichtsingenden gegenüber; denn Nichtsingen (können) bedeutet menschlich und biologisch, physisch und psychisch eine fühlbare und hörbare Einbuße an vitalisierender Ausarbeitung. Auch hierzu einige Kronzeugen. Der englische Organist und Madrigalkomponist William Byrd 1588: „Die Übung des Singens ist gut für die Gesunderhaltung des Menschen. Es kräftigt wirklich alle Teile der Brust und öffnet die Luftwege. Es ist ein einzigartig gutes Heilmittel gegen Stottern und Stammeln beim Sprechen." Daß Stotterer glatt singen, ja in Chören mitwirken, hätte die Sprachheilkunde zum wichtigsten Therapeutikum machen müssen. Chefarzt Dr. P. Beckmann erklärte nach einem Informationsbesuch in Vermont/USA: „Richtiges Singen ist eine wunderbare Sache. Man sollte singen lassen, die Patienten dazu anregen, entsprechende Vorschläge machen. Einige Kollegen haben uns über gute Erfahrungen berichtet, die sie mit regelmäßigen Gesangsübungen in Wiederherstellungskuren gemacht haben." Der Internist von Leyden ließ bei vorübergehendem Spractverlust Worte nicht nachsprechen, sondern nachsingen (G. Jürgens). Der Orthopäde Schede fand, daß Kinder mit spastischen Lähmungen, die nicht sprechen konnten und als schwachsinnig bezeichnet wurden, singen konnten. G. B. Shaw läßt in seiner Komödie „Pygmalion" den Sprachforscher Prof. Higgins nach dieser modernen Methode unterrichten, dessen Schülerin Eliza zur Abgewöhnung von Dialekt und Untugenden der Sprechweise besonders schwierige Worte nicht sprechen, sondern singen muß. 7. Auch an der Musiktherapie ist Singen beteiligt. Hierzu hat Aleks Pontviks, führend auf dem Gebiete „Heilen mit Musik", ein anschauliches Beispiel geliefert. Durch ernste Unruhen war in einem New Yorker Frauengefängnis eine kritische Situation entstanden. Ein in Musiktherapie erfahrener Arzr 12»
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ließ eine republikanische Kampfhymne singen, allmählich gemäßigtere Lieder, schließlich Wiegenlieder. Der Aufruhr war damit im Keim erstickt; das Singen hatte sich wirksamer gezeigt als beruhigende Drogen, Prügel oder Wasserwerfer. 8. Den gleichen Gesundungswert wie das Singen haben, wenn dieses nicht möglich ist, singähnliche Übungen mit gesangsartigen Tönen, wobei die Anlässe zum Räuspern, Husten (Hüsteln), Expektorieren (Spucken), also Katarrhe der Luftwege, weggeübt werden. 9. Das Naturphänomen der Luftstauung, schon im Tierlaut, im Säuglingsschrei und in den Geräuschfunktionen (Husten) deutlich hörbar, wird zur Triebkraft für die Leistungen des Vokalisten, während Ausfall oder Störung dieser Grundvoraussetzung Stimmleiden oder gesundheitliche Schäden mit sich bringt. Dieses Grundprinzip - unter starker Differenzierung Ausgangspunkt aller Stimmarbeit - dient dem Redner und Künstler zur Berufsausübung ebenso wie es dem Patienten zur Gesundung verhilft. Eine solche vielseitige Anwendungsbreite ermöglicht dort Umschmelzung einer Naturstimme in ein Kunstinstrument, hier Umwandlung von Krankem und Schwachem in Gesundes und Kräftiges. Unter diesen Voraussetzungen entfallen SpezialÜbungen zur Beseitigung von Fehlern an einzelnen Organen, wie Nase, Zunge, Zwerchfell. Wichtig ist jedoch dabei, das für richtig erkannte Prinzip ohne Anleihen oder Zusätze von anderen Lehrmethoden durchzuhalten. 10. Pädagogische und therapeutische Mittel, welche die früheren Lehren noch nicht kannten, sind heute verfügbar. So besteht neue Hoffnung auf Hilfe und Förderung, aus der jedermann Nutzen für sich ziehen kann; denn: Die Stimme, ein Organ des menschlichen Körpers, ähnlich einem Blasinstrument mit Doppelrohrblatt (Zungenpfeife) gebaut, doch nach dem Prinzip schwingender Saiten funktionierend, ist zu höchstem künstlerischen wie seelischen Ausdruck
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befähigt. Bei richtiger Befähigung kann die Stimme erstaunlich weit- und tiefgreifenden Einfluß auf den gesunden wie auch kranken Körper ausüben.
Die Zeichnung auf S. 128 ist die vereinfachte Wiedergabe des Titelbildes der Schrift „Die Lehrsätze der automatischen Stimmbildung", Leipzig 1900, von George Armin mit dessen freundlicher Erlaubnis.
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Albert:
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Lüders,
Marie-Elisabeth:
Loerke, Oskar: Tagebücher 1903-1939. 1935. Lorck, Carl von: Europa privat. 1967. Lötz, Erich: Strömender Kreis. 1954.
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Trömel,
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Personenregister Adorno, Theodor W . 104, 185 d'Albert: Tiefland 102 Amery, Carl 24, 182 Anders, Günther 17, 188 d'Andrade, Francisco 121 Andres, Stefan 120 Armin, George 131, 142, 178, 181, 185 ff. B „ R. v. 21, 182 Bach, Joh. Seb. 97, 102 Backhaus, Wilhelm 44, 182 Ballin, Albert 3«, 48 Barrault, Jean-Louis 122, 188 Barth, Emil 120, 188 Bassermann, Albert 117 Beaumarchais 100 Beauvoir, Simone de 77, 184 Bebel, August 44 Beckmann, P. 81, 179, 187 Beethoven, L. v. 97 Behr, Hermann 46, 188 Behrendt, Dora 24 Benn, Gottfried 120 Berendes, Julius 167, 187 Berendt, J . E. 106, 185 Berg, Alban 100, 185 Bergel-d'Albert, Violante 102 Bergengruen, Werner 120 Bergmann, Gustav v. 172, 188 Bernauer, Rudolf 122, 188 Bernhardt, Sarah 122, 188 Biehle, Herbert 63 , 67, 70, 8 2 f . , 157, 160, 165, 167, 184 f., 187 Bier, August 162 Bilbo, Jack 44, 188 Billroth, Theodor 78 Bismarck, Otto Fürst 35, 59
Bizet: Carmen 16 Bjarnhof, Karl 17, 39, 188 Blacher: Abstrakte Oper 99 Blech, Leo 103, 185 Blei, Franz, 23, 188 Bleibtreu, Hedwig 117 Blomdahl, Karl-Birger 108 Boehm, Theobald 109 Boll, Heinrich 24, 182 Bonaventura, Maria 36, 182 Bonn, Ferdinand 121, 188 Bonn, Moritz Julius 44, 188 Borchert, W . : Draußen vor der Tür 80 Brahms, Johannes 138 Brandenburg, Hans 119, 188 Braun, Felix 23, 188 Braun, Lily 59, 188 Briand, Aristide 59 Bronnen, Amolt 17, 188 Bülow, Bernh. Fürst 12, 62, 188 Busch, Fritz 103, 193 Butting, M a x 17, 188 Byrd, William 179 Caccini, Guilio 93, 115 Carlson, Lois 5, 188 Caruso, Enrico 124 f., 127, 145 Catt, H. A. de 27, 182 Chaplin, Charles 122, 188 Chasser, Eustace 50, 182 Cobet, Rudolf 165 Cochrane, Cliff 25, 182 Collaer, Paul 101, 185 Comedian Harmonists 106 Corinth, Lovis 26, 188 Cowles, Virginia 82, 184
Curschmann, Karl Friedrich 50 Czermak, Joh. Nepomuk 136 David-Armin, Marga 161, 187 Debussy, Claude 101 Dekker, Hermann 9, 182 Demosthenes 121 Devrient, Therese 86 Dickens, Charles 37 Diesel, Eugen 17, 188 Dietrich, Marlene 106 Dingeldein, Otto 96, 185 Dirks, Heinz 43, 182 Dirksen, Herbert v. 59, 188 Domela, Harry 53, 188 Drach, Erich 34, 182 Dreesbach, August 58 Dreher, Konrad 122, 188 Driesch, Hans 173, 188 Duisburg, Carl 82, 188 Duprez, Gilbert 96 Durieux, Tilla 121, 188 Eckersberg, Else 122, 188 Egk: Abstrakte Oper 99 Eipper, Paul 17, 47, 188 Ekhof, Konrad 116, 120 Ernst, Otto: Flachsmann als Erzieher 62 Evans, Arthur 40 Fährmann, Rudolf 34, 42, 46, 57, 182 Falke, Jacob v. 17, 189 Faust, Johannes 81, 184 Fechner, Hanns 33, 189 Ferrein, Antonius 135 Feuerlein, Ludwig 9, 182 Filchner, Wilhelm 30, 189 Fontane, Theodor 118, 189
Personenregister Forster, Rudolf 122, 189 Frank, Rudolf 122, 189 Friedell, Egon 92, 151, 185 f. Friedlaender, Hugo 51, 182 Friedrich II., König 13, 27, 182 f. Fröbel, Friedrich 9 Fröscheis, Emil 34, 182 Fuchs, Johannes 186 Fuhr, Lina 122, 154, 178, 189 Galen 134 Gallison-Reuter, Marie 149, 178, 189 Garcia, Manuel, 136, 138 Gary, Romain 23, 182 Gast, Peter 102 Gide, André 71, 189 Gigli, Beniamino 23, 189 Ginsberg, Ernst 117, 122, 189 Giordano, Umberto 98 Glaser, Georg K. 48, 189 Glöckel, Otto 14, 189 Gluck, Chr. W. v. 95 Goethe, J . W. v. 13, 116 f., 142, 172, 187 Goetz, Curt 121, 189 Goldoni, Carlo 76, 189 Gollancz, Victor 105, 189 Gounod, Charles 102 Graf, Oskar Maria 31, 119, 189 Graves, Robert 82, 189 Green, Paul D. 25, 182 Grillparzer, Franz 26, 116, 189 Groening, Herbert 175, 187 Groß, Hanns 51, 182 Groult, Benoite u. Flora 67, 189 Guareschi, Giovannino 8, 189 Gulbenkian, Nubar 49, 189
Gura, Eugen 121 Gurlitt, Ludwig 63, 189 Gutzkow, Karl 23, 55, 80, 189 Gutzmann, Hermann 34, 182 Haba, Alois 115, 185 Habersbrunner, H. 53, 183 Haböck, Franz 185 Haeberlin, Carl 78, 184 Haeckel, Emst 35 Haeseler, G. Graf 35 Hahn, Otto 75, 189 Hanft, Walter 26, 183 Hanslick, Eduard 152, 189 Hantsche, H. 53, 183 Hartegg, Vera 122, 189 Härtung, Hugo 71, 189 Hasek, Jaroslav 82, 184 Hau, Carl 52, 184, 189 Haun, Ernst 40, 189 Hausenstein, Wilhelm 175, 189 Hausner, Hermann M . 112, 185 Heiden, Konrad 44, 183 Heimeran, Ernst 17, 63, 189 Heine, Heinrich 44, 189 Heinkel, Ernst 35, 190 Heiseler, Bernt v. 80,190 Heliot, Ciaire 47 Hempel, Frieda 112, 190 Henckel, Gräfin 22 Hensel, Olga 20, 183 Herzog, Herta 37, 183 Heuss, Theodor 44, 190 Hey, Julius 138 Heyse, Paul 159, 190 Hindemith, Paul 102, 142 f., 186 Hippokrates 134 Hitler, Adolf 44, 183 Holmes, Gordon 186
195 Honegger, Arthur 186 Hotter, Hans 145, Hufeland, Christ. 162, 190 Hunnius, Monika 190
100, 186 Wilh. 149,
Ionesco, Eugène 17, 190 Isabella, Königin 35 Ital, Gerda 122, 190 Jacob, Walter 186 Jaederholm, G. A. 83, 184 Jaeger, Gustav 78, 175, 184 Jaensch, Walther 173, 187 Janäcek: Jenufa 99 Jannings, Emil 116, 122, 190 Jessner, Leopold 122 Judd, F. C. 108, 186 Jünger, Friedr. Georg 119, 190 Jürgens, Georg 179, 187 Kainz, Josef 117 Kayssler, Friedrich 117 Kearton, Cherry 47, 190 Keil, Wilhelm 58 f., 190 Keller, Gottfried 22, 183 Keller, Samuel 73, 190 Kemp, Paul 122, 190 Kempff, Wilhelm 11, 190 Kennan, George F. 29, 190 Kerr, Alex 47, 190 Kienzl: Der Evangelimann 16 Kirst, Hans Helmut 82, 184 Kisch, Bruno 163, 190 Kleist, Heinrich v. 116 Klopstock, Friedr. Gottlieb 115 Klose, Friedrich 92, 190
196 Kneipp, Sebastian 175, 178, 187 Knigge, A. Freih. v. 30, 190 Kodäly, Zoltan 86, 109, 190 Koehler, Louis 86, 184 Koestler, Arthur 144, 186 Korff, Ernst 83, 185 K o r o l e n k o , W . 67, 190 Kortner, Fritz 122, 190 K o w a , Victor de 23, 190 Krauss, W e r n e r 122, 190 K f e n e k , Ernst 114, 186 Kretschmer, Ernst 35, 77, 183, 185 Krumbacher, A. 186 Kühlmann, Richard v. 36, 190 Lang, Klaus 18, 183 Lanza, M a r i o 112, 185 Lassalle, Ferdinand 58 L a w r e n c e , T h o m a s 82, 190 Ledebour-Prozeß 75, 185 Lehndorff, G r a f 22, 183 Leider, Frida 112, 190 Lenz, L. 28, 79, 190 Lessing, G . E . 115, 190 Lessing, T h e o d o r 9 , 190 Lewinski, W . - E . v. 149, 186 Lewis, Sinclair 32 Leyden, E . V . v. 179 Lindau, Paul 5 8 , 190 Lindenberg, Wladimir 17, 190 Lingen, T h e o 190 Lippe, V . Freih. v. d. 75, 190 Lipsius, M a r i e 17, 191 Loebell, H . 185 L o e r k e , O s k a r 28, 191 Lohfeldt, Paul 161, 187 L o n d o n , J a c k 11, 183 L o r c k , Carl v. 23, 25, 191
Personenregister Lorenz, Adolf 80, 191 Lorenz, Albert 80, 191 Lorenz, M a x 110 Lötz, Erich 40, 113, 191 Ludendorff, Erich 3 6 Lüders, Marie-Elisabeth 178, 191 Lungwitz, Hans 45, 143, 183, 186 Lusseyran, J a q u e s 41, 191 Luther, M a r t i n 7 2 M a h l e r , Gustav 16 M a l r a u x , André 23, 152, 191 M a l r a u x , Clara 23, 191 M a n n , E r i k a 14, 183 M a n n , T h o m a s 23, 120 M a n s f e l d , Michael 80, 190 Mantegazza, P a o l o 43, 183 L a M a r a , s. Lipsius, Marie Marchwitza, H a n s 82, 191 M a t k o w s k y , Adalbert 120 M a t z k e , H e r m a n n 103, 107, 186 M a u r i n a , Z e n t a 154, 191 M a y e r , Gustav 48, 191 M c C a r t h y , M a r y 22, 183 M e n t z e l , Claus-Jürgen 177, 187 M e r k e r , Emil 62, 191 Mersenne, Pater 135 Metternich, Pauline 102, 191 Meyer-Giesow, Walther 149, 191 Meyerinck, H u b e r t v. 122, 191 Miller, Henry 2 4 f . , 183 Mistinguett 122, 191 M o e d e , W a l t h e r 83, 185 M o i s s i , Alexander 117 M o o r e , Gerald 114, 186
Moreschi, Alessandro 95 M o r g a g n i , G. B . 135 M o r i t z , Karl Phil. 12, 74, 191 M o s e s , Paul J . 19, 78 f . , 183 M o s z k o w s k i , Alexander 47, 191 M o z a r t , W . A. 16, 95, 97, 100 M ü l l e r , J o h a n n e s 136 M ü l l e r - B r u n o w 131, 140 ff. Münchhausen, B . Freih. v. 119, 191 N a s o , Eckart v. 17, 191 N a u m a n n , J o h a n n e s 73, 191 Nebel, Gerhard 22, 176, 191 Neher, Caspar 104 Nehrlich, Chr. G . 137 N e u b e r i n , die 116 N e u m a n n , Paul 61, 185 Niese, Charlotte 191 Nievo, Ippolito 24, 191 Nightingale, Florence 48, 184 N o m a , Seiji 29, 191 O e l f k e n , T a m i 44, 191 Ortloff, Hermann 76, 185 O t t l i k , Geza 82, 191 Packard, Vance 48, 183 Pantenius, T h . H . 35, 191 P a r o w , Julius 177, 188 Paul, J e a n : Der T i t a n 51 Pear, T . H . 37, 183 Peter, Hildemarie 109, 186 Peters 62 Peters, W . E . 38, 183 Pfitzner: Palestrina 27 Philipp, H . Wolfgang 155, 186
Personenregister Piper, Otto 26, 191 Platen, August Graf 50 Plesch, J . 173, 191 Pleßner, Helmuth 5, 183 Pontviks, Aleks 179, 188 Possart, Ernst v. 117, 121 Presber, Rudolf 119, 191 Prieberg, Fred K. 115, 18« Priestley, J . B. 82, 191 Prokofieff: Peter u. d. Wolf 117 Puccini, Giacomo 98 - La Bohème 16 Puttkamer, Alberta v. 35, 191
Rossini, Gioacchino 98 Rost, Thomasrektor 12 Roth, Eugen 17, 192 Rother, Hermann 53, 193 Rousseau, J . J . 96 Russell, Bertrand 24, 192 Russell, Robert 24, 42, 192
Sachs, Hans 93 Sack, Erna 11 Salonion, Albert 76 Schede, Franz 179, 192 Schering, Arnold 12, 183 Schiller: Braut von Messina 116 Schillings, M . v.: Das Hexenlied 117 Ragaz, Leonhard 67, 73, Schleich, Carl 78 192 Schmarje, Johannes 67, Rauber-Kopsch 17, 27, 192 183 Schtnidt-Scherf, Wilh. Reicher, Emanuel 121 18, 184 Reimann, Hans 119, 192 Schmitt, Friedr. 129, Reinhardt, M a x 118 137 f., 142 Renoir, Auguste 183 Schmitt, Joh. Ludwig 81 Renoir, Jean 24, 183 Schneider, Louis 118 Resnik, Regina 61 Schneider, Reinhold 120 Rezzori, Gregor v. 22, Schnitzler, Arthur 24, 192 33, 183 Schönberg, A.: Pierre Richter v. Innfeld, lunaire 101 Josefine 109, 186 Schönburg-Waldenburg, Rieffert, Ernst 34, 38, Heinr. Prinz 82, 192 183 Scholz, W. v. 119, 193 Riemann, Johannes 18 Schopenhauer, Johanna Rilke, Rainer Maria 119 87, 192 Rilla, Paul 183 Schopp, Joseph 184 Ringelnatz, Joachim 82, Schramm, Rhetor 118 192 Schröder, Rud. Alex. 17, Rittelmeyer, Friedrich 192 44, 192 Schubart, Chr. F. D. 46, Rocholl, Rudolf 73, 192 192 Roedemeyer, Friedr.-Karl Schubert, Franz 97, 100, 185 130 Roemheld, L. 164 Schünemann, Georg 13, Röpke, Friedrich 87 184 Roosevelt, Eleanor 49, Schulenburg, Werner v. d. 82, 192 192 Schumann, Albert 47 Roscius 92
197 Schumann, Erich 133, 186 Schumann, Robert 50 Schwarzkopf, Nikolaus 61, 192 Schweitzer, Albert 172, 187 Schwerin v. Krosigk, Lutz Graf 44, 192 Sebald, O. 53, 183 Sello, Erich 52, 184 Severing, Carl 59, 192 Sheakespeare 115 - Antonius u. Cleopatra 50 - Hamlet 134 Shaw, G. B. 178 f. - Der Arzt am Scheideweg 77 - Pygmalion 49 Shuster, George N . 60, 192 Siebeck, Richard 162 Siegfried, Arzt 161, 163, 187 Silex, Karl 10, 192 Simoneit, M a x 184 Sokrates 55 Stahr, Adolf 24, 61, 192 Stanislawski, K. S. 122, 154 f., 178, 192 Starlinger, F. 77 Stein, Leopold 18, 184 Sternberg, Josef v. 120, 192 Stier, Alfred 17, 178, 192 Stockhausen, Julius 138 f., 149 Stöckmann, Theodor 175, 187 Strachey, Lytton 48, 184 Strauss, Richard 98 f., 103, 145 - Enoch Arden 117 - Ariadne auf N a x o s 98 - Capriccio 99 - Intermezzo 99 - Der Rosenkavalier 98
198 Strawinski, Igor 102, 186 Stresau, Hermann 44, 192 Stresemann, Gustav 44, 59 Strindberg, August 22, 32, 192 Stromeyer, G. F. L. 77, 192 Stuckenschmidt, H. H. 112, 117, 186 Stumpf, Carl 102, 186 Suhr, Werner 55, 83 Surén, Hans 81, 185 Tacitus 39 Tau, Max 24, 192 Tennyson, Alfred 117 Thausing, Albrecht 10, 79, HO, 132, 144, 184, 186 f. Thiess, Frank 17, 26, 82, 192 Tieck, Ludwig 123 Timper, Rudo 150, 192 Tirala, L. G. 164, 187 Törsleff, L. Chr. 142 Tornasi, Guiseppe 24, 184 Treitschke, Heinr. v. 44, 129 Trömel, Paul 82, 192 Troian, Felix 38, 184 Tucholsky, Kurt 24, 193 Unger-Winkelried, Emil 17, 193
Personenregister Unruh, Friedr. Franz v. 81, 193 Ventzke, Karl 109, 186 Verdi, Giuseppe 98 Vesalius 135 Vierordt, Heinrich 33, 193 Viktoria Luise, Herzogin 82, 193 Vischer, Friedr. Theodor 158 Voigt-Diederichs, Helene 32, 193 Voltaire 101 Wagner, Richard 98, 102, 138 - Der Flieg. Holländer 31 - Lohengrin 39 - Parsifal 16 - Siegfried 31 Wagner-Régeny, Rudolf 20, 104, 193 "Waldoff, Ciaire 106 Walinski, W. 187 Wallaschek, Richard 57, 184 Walser, Martin 25, 184 Wangenheim, Inge v. 17, 193 Weber, C. M. v.: Der Freischütz 97 Weber, Otto H. 15, 184
Wedekind, Frank: Der Kammersänger 112 Weimann, Jurist 51 Weinschenk, H. E. 11, 110, 184 Weisenborn, Günther 49, 193 Weil?, Georg 47, 193 Weiss, Peter 24, 184 Weizmann, Chaim 112, 193 Weltlinger, Siegmund 114, 193 Werth, Chr. de 187 Wiechert, Ernst 19, 193 Wildenbruch, Ernst v. 117 Wilhelm II., Kaiser 48, 82, 193 Wohlfarth, Arzt 163, 187 Wolf, Hugo 98 Wolzogen, Ernst v. 102, 186 Wrobbel, Gustav 30, 193 Wüllner, Ludwig 117 Zahn, Peter v. 36, 193 Zelter, Carl Friedrich 13, 184 Zeppelin, Graf 35 Zuckmayer, Carl 120 - Der Seelenbräu 10 Zur Mühlen, Raimund v. 127 Zwirner, Eberhard 19, 184
Sachregister A b h ä r t u n g 35, 174 Ärzte 33, 64, 7 3 f . , 7 6 f f . , 89, 122, 143, 145, 161, 163, 172 f. Alkohol 32, 35, 63, 176 Alt 23, 32, 93, 98, 126 Altargesang 72 Altertum s. Antike Altitalienische Gesangsm e t h o d e 135 Ansatzfehler 123, 126 f., 133, 145, 168 Antike 90 ff., 115, 134, 186 Arbeitsgesänge, Arbeitslieder 30 f., 184 Arie 96, 98 Asthma 7, 75, 160 ff., 187 A t e m ü b u n g e n 9, 89, 121, 144 f., 148, 177 f. A t m u n g 5, 8, 21, 36, 45, 81, 84, 94, 101, 123 ff., 127, 134, 144 f., 161 f., 165, 167, 173, 175, 177 f., 185, 187 Auswurf s. Expektorieren
Bruststimme 10, 20, 96, 129 Brustton 129, 137
Halsärzte s. Ärzte Handschrift 56 f. Heiserkeit 11, 19, 5 0 f . , 58, 6 4 f . , 73 f., 82, 87, C, hohes 96, 124 116, 154, 157, 159 f. C h a r a k t e r 34, 38, 40, 46, H e r m a p h r o d i t e n 79 56 f. H ö r f u n k s. R u n d f u n k H u s t e n 7, 9, 31, 39, 41, Choräle 17, 67, 72, 74 66, 75, 78, 87, 157 f., 180 Diät 162, 175 f., 187 Hypertonie s. Blutdruck Dialekt 43 , 53 , 60, 74, Infantalismus d. Stimme 88, 116, 121, 179 18, 166 Diphterie 19, 61 Dirigenten 103, 132, 139 Italien 39, 9 4 f . , 9 7 f . , 135, 137, 139 Drüsen 21, 4 5 f . , 94, 166 Dualismus i. d. Stimme 126, 129 f., 142, 147 Jazz 106, 185 Juristen 7, 74 ff. Elektronische M u s i k 108 Emphysem 7, 162 K a m m e r t o n 106 f. Entschleimung (ExpekKanzehon 71 torieren) 158, 171, 180 Kastraten 18, 94 ff., 135 f., 185 Falsett 10, 20, 28, 93, Katarrhe der L u f t w e g e 7, 129 f., 9, 11, 43, 62, 66, 72 ff., Fernsehen 14, 107 f., 123, 87 f., 113, 156 ff., 172 153 • K e h l k o p f k a t a r r h 66, 87 Kehlkopfspiegel 78, 89, B a n d a u f n a h m e n s. T o n - Film 120, 123, 149 Flüstern 5, 16, 72, 89 band 136 f., 172 Frankreich 96, 115, 136 Bariton 32, 39, 98, 126, Kehlton 75, 126 ff., 166 Frauenstimme 15, 2 0 f f . , Kindergärtnerinnen 7, 70 153 57, 92, 94, 129 f., 147 Baß 26, 32, 39, 93, 95, Kirchengesang 11 ff., 26, 111, 126, 153 92, 94 f. Belcanto 94, 112, 131, Geisteskranke 19 Knabenchöre 13 ff., 105, 135 Geistliche 7, 33 , 7 0 f f . , 88 110 Berufsberatung 88, 114 Gemischte C h ö r e 15, 105 Knabenstimme 10 ff., 94, Blinde 39 ff. Ge r ma ne n 38 f. 129 Blutdruck 65 f., 164, 173, Gesang 5, 16, 93 ff., 108, Knickhals 157 187 147, 179 f. Körperbau 35, 183 Bronchialkatarrh s. Geschlechtsreife 17 f., 20, Körpertypen 3 5 f f . , 79 Katarrhe der Luft94, 166 Koloratur 95 f., 98 wege Gesundschulung 7, 175 Komponisten 15 f., 31, Bronchitis 7, 63, 65 f., G r a m m o p h o n s. Schall94, 100 ff., 118, 120, 68, 88 platte 130, 139, 142 B r u m m e r 10 f. Gregorianischer Gesang Konsonanten 39, 9 7 f . , Brustregister 10, 130 132 f., 138, 147 71
200 Konstitution 3 4 f . , 79, 125, 166, 170, 173 Kreislauf 163 ff. Kriminalistik 34, 51 f., 76 Kurrende 12 f., Lachen 5, 31 f., 43, 183 Lärm 28, 87 Laryngitis s. Kehlkopfkatarrh Laryngologie 79, 136f., 172, 186 Lehrer 7, 61 ff. Lied 97 f., 151 Liturgie 71 f., 74, 92, 184 L u f t r ö h r e n k a t a r r h s. Katarrhe Lunge 8 f., 31, 55, 65, 73, 139, 163 Lungenkranke 7 Lungenfachärzte 145, 161, 163
Sachregister Schleim, Schleimhäute 43, 158 f., 170, 175 Schreien 5, 9, 16, 19, 29 f., 77 f., 80, 85, 93, 115, 121 f., 133 Ofenheizung 175 Sex appeal 22, 50 Oper 13, 16, 21, 31 f., Singen 5, 81, 109, 178 94 ff., 101 ff., 132, 153 S o n o g r a m m , Sonograph Operette 13, 100, 113 53 f., Sopran 32, 39, 93, 98, Phonasken 92 126, 130 Phonologie 42, 56 Sprechchor 92, 116 ff. Phonotherapie 57 Sprechen 5, 43, 84 ff., Plädoyer 75, 88 101, 115 ff., 134, 147, Politiker 7, 58 f. 155 Predigerkatarrh 72 Sprechübungen 89, 118 f., Psychophonetik 34, 42 154 f., 178 Psychotechnische EigS t i m m b a n d p o l y p e n 85, n u n g s p r ü f u n g 83 89, 160 Pubertät s. GeschlechtsStimmbildung (Schulung) reife 8, 25 , 33, 60, 69, 84, Pulsfrequenz 165, 173 90, 122, 137, 140 ff., 148 ff., 155 f., 160, 170, Räuspern 7, 39, 59, 62 f., 176, 185 f. 66, 75, 158, 168, 180 Stimmkrisen 170, 187 Rauchen 159, 176 R a u m a k u s t i k 62, 75, 84, S t i m m k u r 70, 74, 85, 167 f. 150 f., 153 Regisseure 103, 105, 123, Stimmtherapie 57, 167 Stimmverlust 73, 122, 153 139 Stimmwechsel 12, 18 f., Register 10, 101, 129 f., 110 f. 147 f. S t ö h n e n , Stöhnlaut 5, Resonanz 111, 148, 151 19, 31, 146 Rezitativ 95 f., 98 Stottern 41, 60, 179 R o m a n e n 25, 38 f. Synchronisieren 123 R u n d f u n k 14ff., 2 4 f . , 37, 49, 51, 100, 107f., T a b a k s. N i k o t i n 117 Telefon 18, 28, 36, 49, Nikotin 35, 63, 159, 176 N o r m a l t o n s. Kammerton
Mädchenchöre 16 Mädchenstimme 11, 16, 18, 129 M ä n n e r c h ö r e 19, 105 M ä n n e r s t i m m e 15, 19, 57, 129 f., 147 M e l o d r a m a 91, 96 f., 100, 117, 186 Menschenkenntnis 53 f. Mezzosopran 126 M i k r o f o n 24, 106 f., 152 Militär 7, 19 f., 33, 56, 80 ff., 185 M i m u s 92 Sängertyp 7, 27, 109 f., Mittelalter 92 f. 151, 157, 163 Musiktherapie 179 f., 188 Schallplatte 14, 17, 34, M u t a t i o n s. Stimm49 f., 95, 107, 119 f., wechsel 124, 137, 152, 174 Schauspieler 5, 7, 91, 96, 117 ff., 128, 133, Nervosität 29, 43, 62, 168 64, 73 , 88, 176 Neurose 43, 70, 88, 162, Schilddrüse 166 Schlager 15, 106, 108, 1 183
52 f., 82 T e m p e r a m e n t e 28, 3 4 f . , 69 T e n o r 32, 39, 50, 93, 95 f., 98, 110f., 126f., 130, 152 f. Tiere 9, 47 ff., 162, 168, 180 T i m b r e 128, 131 T o n b a n d 34, 48 f., 55 f., 86, 152, 174
Sachregister T o n f i l m 14, 107, 123 T u b e r k u l o s e (Lunge) 27, 35, 78, 159, 162 f. Transvestiten 49
U b u n g s b e h a n d l u n g 63 ff. 69, 161 ff., 171 f.
Verschleimung 82, 85, 169 Verstellen der Stimme 49, 52 f. Vibrato 5, 25, 97 Voix mixte 96, 147 Vokale 14, 99, 102, 126, 132, 138, 141, 147, 169
201 Vox h u m a n a (Orgel) 97 W e i n e n 5, 31, 183 Zentralheizung 175 Z u n g e 5, 141, 148, 180 Zwerchfell 9, 21, 31, 85, 165, 175, 178, 180
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