Steuerung staatlicher, gesellschaftlicher und privater Akteure in Portugal: Besonders in den Politikfeldern Raumordnung und Umweltschutz [1 ed.] 9783428532490, 9783428132492

Staat und Gesellschaft in Portugal haben sich in den letzten Jahren durch Demokratisierung und EU-Beitritt stark verände

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German Pages 576 Year 2010

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Steuerung staatlicher, gesellschaftlicher und privater Akteure in Portugal: Besonders in den Politikfeldern Raumordnung und Umweltschutz [1 ed.]
 9783428532490, 9783428132492

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Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 204

Steuerung staatlicher, gesellschaftlicher und privater Akteure in Portugal Besonders in den Politikfeldern Raumordnung und Umweltschutz

Von

Heinz Meditz

Duncker & Humblot · Berlin

HEINZ MEDITZ

Steuerung staatlicher, gesellschaftlicher und privater Akteure in Portugal

Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 204

Steuerung staatlicher, gesellschaftlicher und privater Akteure in Portugal Besonders in den Politikfeldern Raumordnung und Umweltschutz

Von Heinz Meditz

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer hat diese Arbeit im Jahre 2008 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L 101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0561-6271 ISBN 978-3-428-13249-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

. . ., y sólo el lo ignoraba, por supuesto, habia creido en el progreso dentro del orden porque entonces no tenia mas contactos con la vida real que la lectura del periódico del gobierno [. . .] hasta que yo mismo pude comprobar con estos mis ojos incredulos que detras de los edificios de vidrios solares de los ministerios continuaban intactas las barracas de colores de los negros en las colinas del puerto, . . .* Gabriel García Márquez

* Márquez, Gabriel García: El oton˜o del patriarca (Barcelona 1975) S. 240. Márquez, Gabriel García: Der Herbst des Patriarchen. Roman. Aus dem Spanischen von Curt Meyer-Clason (Köln 1978) S. 298: „. . ., und nur er wußte es natürlich nicht, er hatte an den Fortschritt innerhalb der Ordnung geglaubt, denn schon damals kam er mit dem wirklichen Leben nur noch durch die Lektüre des Staatsanzeigers in Berührung, [. . .] bis ich selber mit diesen meinen ungläubigen Augen feststellen konnte, daß hinter den Sonnenglasgebäuden der Ministerien noch immer die bunten Negerbaracken auf den Hafenhügeln unversehrt vorhanden waren, . . .“.

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

A. Themenstellung und Methode der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

B. Verwendeter theoretischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

C. Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

D. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

Kapitel 1 Akteure

42

A. Die Europäische Union. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42

B. Gesamtstaatliche Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50

C. Kommunale Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 D. Private Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 Kapitel 2 Konstellation der Akteure

164

A. Konstellation Gesamtstaatlicher Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 D. Konstellation von EU und portugiesischen Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Kapitel 3 Politikfelder Umwelt und Raumordnung

219

A. Einführung in das Politikfeld Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229

8

Inhaltsübersicht Kapitel 4 Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

253

A. Trend zu Territorialakteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 B. Unterschiedliche Steuerungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 C. Steuerung im Politikfeld Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 D. Steuerung im Politikfeld Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Kapitel 5 Interaktion zwischen den Gemeinden

296

A. Interessenvertretungen der Gemeinden – ANMP und ANAFRE . . . . . . . . . . . 297 B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 C. Interaktion zwischen den Ortsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 D. Interaktion zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . 317 Kapitel 6 Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

325

A. Nicht institutionalisierte Interaktionen – Persönliche Beziehungen . . . . . . . . . 326 B. Spezielle Akteure für die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Kapitel 7 Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

399

A. Normative Grundlagen der Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure . . . . . . . . . . . . . 408 C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren . . . . . . . . . . . . . . 452 E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren . . . . . . . . . . 469

Inhaltsübersicht

9

Kapitel 8 Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

487

A. Veränderung von Konstellation und Interaktion portugiesischer Akteure . . . 487 B. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 C. Steuerung portugiesischer Akteure durch die Europäische Union . . . . . . . . . . 517 Kapitel 9 Hauptthesen

533

A. Die Europäisierung verlief in Portugal wegen ihrer Verspätung intensiv und schnell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 B. Die EU stärkt staatliche Akteure, besonders gesamtstaatliche . . . . . . . . . . . . . 534 C. Staatliche Akteure haben in Portugal typischerweise parallele Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 D. Innerhalb der staatlichen Akteure überlagern in Portugal die Personen die Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 E. Staatliche Akteure steuern andere staatliche Akteure leichter als Private oder gesellschaftliche Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 F.

Normative Steuerung kann in einer Negativspirale an Wirkung verlieren . . 540

G. In Portugal herrscht problematischerweise zwischen den Akteuren wenig Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 H. Politikfeldakteure sollen durch starke Territorialakteure ergänzt werden . . . 542 I.

Eine Regionalisierung würde in Portugal die Lösung einer Reihe von Problemen ermöglichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545

Schrifttumsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 Sach- und Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

A. Themenstellung und Methode der Arbeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

B. Verwendeter theoretischer Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33

C. Gliederung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

D. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

Kapitel 1 Akteure

42

A. Die Europäische Union. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Handlungsorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Personelle und finanzielle Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ressourcen allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ressourcen in Portugal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 42 44 44 47

B. Gesamtstaatliche Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Oberste Staatsorgane und ähnliche Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Präsident der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nationalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Regierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Autonome Inselregionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Akteure der unmittelbaren Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesamtstaatliche Akteure außerhalb der Hauptstadt . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kommissionen für regionale Koordinierung und Entwicklung (CCDR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Distriktsgouverneure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Budget der Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . . 2. Staatliche Institute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatliche Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Akteure in Privatrechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kontrollierende und beratende Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechnungshof und Generalinspektion für Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Generalinspektion für die öffentliche Verwaltung (IGAP) . . . . . . . . .

50 50 54 54 55 56 58 59 59 60 64 66 68 70 74 76 78 80 80 81

12

Inhaltsverzeichnis 3. Generalinspektion für die Gebietskörperschaften (IGAT) . . . . . . . . . . 4. Kontrollinstitutionen in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beratende Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ministerium für Umwelt und Raumordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Institutionelle Entwicklung des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ressourcen des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung . . . . . . 3. Unterakteure des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung. . . . . VII. Kommissionen für regionale Koordinierung und Entwicklung – CCDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Institutionelle Entwicklung der CCDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die vier Aufgabenbereiche und Fachabteilungen der CCDR . . . . . . . 3. Interne Organisation der CCDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ressourcen der CCDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. CCDR-Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97 97 100 105 106 107

C. Kommunale Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gebietsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbandszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interne Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Interessen in den Politikfeldern Raumordnung und Umweltschutz . . II. Ortsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbandszuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interne Organisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Finanzen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Interessen und Handlungsorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unterschiedliche Problemlage und Gebietsreform. . . . . . . . . . . . . . . . .

109 110 111 114 118 122 126 127 129 131 133 136 138 139

D. Private Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bürger. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Handlungsressourcen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Handlungsorientierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfluss auf das Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesellschaftliche Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Katholische Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gewerkschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unternehmensverbände. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Umweltschutzorganisationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140 141 141 143 145 147 148 149 151 152 152 155 158

82 82 85 86 86 90 91

Inhaltsverzeichnis

13

7. Genossenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 8. Lokale Entwicklungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 9. Weitere Träger funktionaler Selbstverwaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 Kapitel 2 Konstellation der Akteure

164

A. Konstellation gesamtstaatlicher Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hauptprobleme der Konstellation gesamtstaatlicher Akteure . . . . . . . . . 1. Vielzahl schwacher Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mangelnde Ressourcen und Zuständigkeiten außerhalb der Hauptstadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unnötige organisatorische Heterogenität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Parallele Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

165 165 171 171 173 175 176

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesamtstaat zu Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinden zu Gesamtstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Politikfeld Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Politikfeld Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

176 180 183 183 186 186 188

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Personalausgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einstellungen zwischen privaten und staatlichen Akteuren . . . . . . . . . . . 1. Einstellungen zum Handeln staatlicher Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einstellungen zu politischer Beteiligung und Bürgerbeteiligung . . . 3. Einstellungen zu Korruption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vertrauen und Respekt zwischen privaten und staatlichen Akteuren 5. Einstellungen zwischen privaten und kommunalen Akteuren . . . . . .

190 191 195 196 202 205 206 212

D. Konstellation von EU und portugiesischen Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 I. Ressourcen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 II. Einstellungen portugiesischer Akteure zur Europäischen Union. . . . . . . 217 Kapitel 3 Politikfelder Umwelt und Raumordnung A. Einführung in das Politikfeld Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Heutige Sachprobleme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Konstellation der Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219 220 220 222 227

14

Inhaltsverzeichnis

B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschichte und heutige Sachprobleme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschreibung der Raumordnungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nationaler Raumordnungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regionaler Raumordnungsplan (PROT). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Interkommunaler Raumordnungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Politikfeldpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Spezialpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kommunale Raumordnungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Flächenwidmungsplan (PDM). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Städtischer und punktueller Bebauungsplan (PU/PP) . . . . . . . . . . . 7. Hierarchie der Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Bestandskraft der Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

229 230 233 235 236 239 240 241 244 245 247 248 250

Kapitel 4 Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

253

A. Trend zu Territorialakteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 B. Unterschiedliche Steuerungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerung gesamtstaatlicher Akteure über Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufsichtsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Korruption gesamtstaatlicher Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Häufige Umorganisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerung über Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerung über Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Steuerung über Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beihilfen für öffentliche Unternehmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Steuerung über Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Steuerung über Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leitende Beschäftigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

259 259 261 262 263 264 266 268 268 270 271 271 272

C. Steuerung im Politikfeld Umwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerung der Akteure des Umweltministeriums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Interaktion von Akteuren der mittelbaren Staatsverwaltung . . . . . . . . . . . III. Interaktion unterschiedlicher Ministerien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unterschiedliche Steuerungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

276 276 278 281 282

D. Steuerung im Politikfeld Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Interessenausgleich bei der Erstellung von Raumordnungsplänen . 1. Begleitkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Politikfeldpläne und PROT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

284 284 286 287 288

Inhaltsverzeichnis

15

Die Rolle einzelner Akteure bei der Erstellung der Raumordnungspläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rolle der DGOTDU. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rolle der CCDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rolle der Umweltbehörden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vollzug der Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Unterschiedliche Steuerungsebenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289 290 290 291 292 293

II.

Kapitel 5 Interaktion zwischen den Gemeinden

296

A. Interessenvertretungen der Gemeinden – ANMP und ANAFRE . . . . . . . . . . . 297 B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gebietsgemeindeverbände nach Lei 11/2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Metropolitanverbände nach Lei 10/2003 und Lei 11/2003 . . . . . . . . . . . 1. Bisherige Erfahrungen mit Metropolitanverbänden nach Lei 44/1991 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Risiken der neuen Metropolitanverbände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Politikfelder Umwelt und Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

301 303 305 308 311 313

C. Interaktion zwischen den Ortsgemeinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 D. Interaktion zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Vertragliche Übertragung von Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 II. Der politische Entscheidungsspielraum der Ortsgemeinden. . . . . . . . . . . 322 Kapitel 6 Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

325

A. Nicht institutionalisierte Interaktionen – Persönliche Beziehungen. . . . . . . . . 326 B. Spezielle Akteure für die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden I. Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten (DGAL) . . . . . . . . . . II. Kommission für regionale Koordinierung und Entwicklung (CCDR) . . 1. Allgemeine Interaktion zwischen Gebietsgemeinden und CCDR . . . 2. Einfluss der Gebietsgemeinden auf die CCDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Distriktsversammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Interessenvertretungen der Gebiets- und Ortsgemeinden . . . . . . . . . . . . .

329 329 331 331 334 337 338

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Steuerung der Gemeinden über Normen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbandszuständigkeiten der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Übertragungen von Zuständigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Situation der Ortsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

340 342 345 350 354

16

Inhaltsverzeichnis 2. Gemeindeaufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Korruption bei kommunalen Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerung der Gemeinden über Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erstellung von Raumordnungsplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rolle der Begleitkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rolle der CCDR. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Genehmigung kommunaler Raumordnungspläne . . . . . . . . . . . . . . . d) Einfluss der PROT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Spezialpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollzug von Raumordnungsplänen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerung der Gemeinden über Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einnahmearten der Gemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Finanzielle Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ortsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Steuerung der Gemeinden bei den überörtlichen Infrastruktursystemen 1. Überörtliche Infrastruktursysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Investitionen und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerung der Gebietsgemeinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

355 360 363 364 364 367 368 369 371 374 379 379 388 390 392 392 396 397

Kapitel 7 Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

399

A. Normative Grundlagen der Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Normativ festgelegte Prinzipien der Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. System der Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsgesetze (Leis constitucional) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Höherrangige Gesetze (Leis de Valor Reforçado). . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfache Gesetze (Leis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gesetzesdekrete (Decretos-Lei) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hoheitsakte mit generellem Adressatenkreis (Regulamentos) . . . . . . 6. Hoheitsakte mit individuellem Adressatenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Durchsetzung subjektiver Rechte gegenüber staatlichen Akteuren . . . . .

399 399 400 402 403 403 404 404 405 405

B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure . . . . . . . . . . . . . I. Qualitätsprobleme bei Normen und Plänen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Mangelnde Kontrollen und Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Interessengegensätze zwischen staatlichen und privaten Akteuren . . . . . 1. Eigentumsbeschränkungen in der Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Begleitende finanzielle Steuerung zur Milderung von Interessengegensätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Staatliche Akteure bevorzugen Einzelentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . V. Negative Einstellung zu den steuernden staatlichen Akteuren . . . . . . . . . VI. Reformmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

408 411 413 418 420 423 427 430 432

Inhaltsverzeichnis

17

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Legitimation in politischen Wahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Informationszugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtslage zur Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bürgerbeteiligung im Politikfeld Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bürgerbeteiligung im Politikfeld Umweltschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erfahrungen in der Praxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Popularklage als Form der Bürgerbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

433 434 435 437 437 439 441 444 450

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren . . . . . . . . . . . . . I. Langfristige Kooperationen in Form von Public-Private-Partnership . . 1. Anstaltsähnliche kommunale Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligung privater Unternehmen an der Wasser- und Abfallwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerung der Unternehmen durch staatliche Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . 1. Regulierung privater Unternehmen der Wasser- und Abfallwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umweltanpassungsverträge als vertragliches Steuerungsinstrument III. Politische Beteiligung von Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

452 454 455

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren. . . . . . . . . . I. Unterstützung durch staatliche Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Rolle der CCDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Rolle der Gemeinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Beteiligung in den Politikfeldern Raumordnung und Umwelt. . . . . . . . . V. Beteiligung in Beiräten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beteiligung im nationalen Wirtschafts- und Sozialrat . . . . . . . . . . . . . VI. Interaktion staatlicher Akteure mit den Sozialpartnern . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Interaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Soziale Konzertierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

469 470 473 474 476 477 480 482 482 484

459 462 464 466 467

Kapitel 8 Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU A. Veränderung von Konstellation und Interaktion portugiesischer Akteure . . . I. Private Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschaftliche Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesamtstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gebietsgemeinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ortsgemeinden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Veränderung staatlicher Akteure insgesamt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Akteure in der Hauptstadt und der Peripherie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

487 487 487 489 491 495 497 499 502

18

Inhaltsverzeichnis

B. Das I. II. III.

EU-Rahmenprogramm 2000–2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Politikfeld- und Regionalprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinschaftsinitiativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das EU-Rahmenprogramm in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der Vollzug des EU-Rahmenprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rolle der CCDR und der Gebietsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollzug und Koordination der Programme am Beispiel des Umweltprogramms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Legitimation der EU und ihrer Entscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

504 504 507

C. Steuerung portugiesischer Akteure durch die Europäische Union . . . . . . . . . . I. Steuerung über Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuerung über Pläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuerung über Finanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Europäische Union als Teil der „Europäischen Republik“ . . . . . . . .

517 520 525 527 530

507 511 511 513 515 516

Kapitel 9 Hauptthesen

533

A. Die Europäisierung verlief in Portugal wegen ihrer Verspätung intensiv und schnell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 B. Die EU stärkt staatliche Akteure, besonders gesamtstaatliche. . . . . . . . . . . . . . 534 C. Staatliche Akteure haben in Portugal typischerweise parallele Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 D. Innerhalb der staatlichen Akteure überlagern in Portugal die Personen die Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 E. Staatliche Akteure steuern andere staatliche Akteure leichter als Private oder gesellschaftliche Akteure. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 F.

Normative Steuerung kann in einer Negativspirale an Wirkung verlieren . . . 540

G. In Portugal herrscht problematischerweise zwischen den Akteuren wenig Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541 H. Politikfeldakteure sollen durch starke Territorialakteure ergänzt werden . . . . 542 I.

Eine Regionalisierung würde in Portugal die Lösung einer Reihe von Problemen ermöglichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545

Schrifttumsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 I. Verzeichnis der schriftlichen Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 558 II. Verzeichnis der Interviews des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 562 Sach- und Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 564

Verzeichnis der Tabellen und Grafiken Verzeichnis der Tabellen Tabelle 1:

Gesamtausgaben der EU nach Funktionen 2005 . . . . . . . . . . . . . . . . .

44

Tabelle 2:

Politikfelder der EU, gereiht nach Höhe der Ausgaben 2005 . . . . .

45

Tabelle 3:

Portugal zugerechnete Ausgaben der EU 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . .

49

Tabelle 4:

Art der Regierungsbildung 1976–2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

Tabelle 5:

Organisationsform Gesamtstaatlicher Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

70

Tabelle 6:

Budgetanteile der Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung 2004 nach Ressorts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

Vollzug der Investitionen des PIDDAC 2004 nach Akteursgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

Tabelle 8:

Basisdaten für den Rechnungshof 2003. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80

Tabelle 9:

Basisdaten der IGAP 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

Tabelle 10: Basisdaten der IGAT 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

Tabelle 11: Basisdaten der IGA 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

83

Tabelle 12: Kontrollpersonal in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung ~ 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

Tabelle 13: Verbindung von Umwelt und Raumordnung mit anderen Politikfeldern in einzelnen Ministerien 1998–2005 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

88

Tabelle 14: Gliederung der Ausgaben des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung 2004. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

Tabelle 7:

Tabelle 15: Die Ressourcen der fünf CCDR 2004 im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . 106 Tabelle 16: Beschäftigte und Personalausgaben aller fünf CCDR ~ 2002 . . . . . 107 Tabelle 17: Bevölkerung und Fläche der CCDR-Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 Tabelle 18: Entwicklungsunterschiede zwischen den CCDR-Regionen Ende der 1990er Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Tabelle 19: Politikfelder, in denen Gebietsgemeinden nach Art. 13 Lei 159/1999 Zuständigkeiten übertragen werden können. . . . . . . . . . . . 111 Tabelle 20: Detaillierte Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden nach Art. 16–31 Lei 159/1999 u. Art. 64 Lei 169/1999 idF Lei 5-A/2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 Tabelle 21: Kompetenzen der Organe einer Gebietsgemeinde. . . . . . . . . . . . . . . . 115

20

Verzeichnis der Tabellen und Grafiken

Tabelle 22: Einnahmen der Gebietsgemeinden 2001. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 Tabelle 23: Ausgaben der Gebietsgemeinden 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Tabelle 24: Veränderung der Ausgaben von Gebiets- und Ortsgemeinden 2002–2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 Tabelle 25: Anzahl und Dienstklasse der Beschäftigten bei Gebiets- und Ortsgemeinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Tabelle 26: Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden: Durchschnittliche Fläche und Bevölkerung 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Tabelle 27: Politikfelder, in denen Ortsgemeinden nach Art. 14 Lei 159/1999 Zuständigkeiten übertragen werden können. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Tabelle 28: In Art. 34 Lei 169/1999 übertragene Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . 130 Tabelle 29: Kompetenzen der Organe einer Ortsgemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 Tabelle 30: Beschäftigungsverhältnis der Bürgermeister von Ortsgemeinden 2002. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Tabelle 31: Angestellte und Arbeiter pro Ortsgemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 Tabelle 32: Aktivitäten von Bürgern im Politikfeld Umwelt 2000 . . . . . . . . . . . . 146 Tabelle 33: Spitzenverbände portugiesischer Unternehmen mit Sitz im nationalen Wirtschafts- und Sozialrat. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 Tabelle 34: Die 14 Umweltschutzorganisationen von „nationaler Bedeutung“ 2005. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 Tabelle 35: Finanzierungsquellen von Umweltschutzorganisationen 2002. . . . . . 160 Tabelle 36: Jährliche Ausgaben staatlicher Akteure in Portugal 2002–2004. . . . 164 Tabelle 37: Ausgaben gesamtstaatlicher Akteure im Vergleich 2002–2004. . . . . 165 Tabelle 38: Ausgaben und Investitionen gesamtstaatlicher Akteure 2004 . . . . . . 167 Tabelle 39: Verteilung der Beschäftigten auf die Regierungsressorts 2004 . . . . . 170 Tabelle 40: Anteil der Gemeinden an den Ausgaben aller staatlichen Akteure in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Tabelle 41: Ausgaben der Gemeinden in % des BIP und pro Kopf 2003 . . . . . . 181 Tabelle 42: Ausgaben staatlicher Akteure in % des BIP und pro Kopf . . . . . . . . 191 Tabelle 43: Personalausgaben staatlicher Akteure in Portugal 2002–2004 . . . . . 192 Tabelle 44: Personalausgaben staatlicher Akteure 1995–2004 . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Tabelle 45: Einstellung zu Maßnahmen des Gesamtstaats im Politikfeld Umwelt 2000. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 Tabelle 46: Vertrauen der Bürger in verschiedene Akteure 2001. . . . . . . . . . . . . . 207 Tabelle 47: Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit von Akteuren in Umweltfragen 2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212

Verzeichnis der Tabellen und Grafiken

21

Tabelle 48: Größenvergleich zwischen Portugal und den EU-Mitgliedsstaaten in Bezug auf Fläche, Bevölkerung und BIP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Tabelle 49: EU-Netto-Zahlungen an Portugal 1997–2003. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Tabelle 50: Anteil von EU-Mittel am gesamtstaatlichen Investitionsprogramm (PIDDAC) einzelner Ministerien 2004. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Tabelle 51: Ausgaben staatlicher Akteure im Schnitt der Jahre 2001/2002 nach Problembereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Tabelle 52: Ziele der EU-Rahmenprogramme 1994–1999 und 2000–2006 und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Tabelle 53: Ausgaben im Politikfeld Umwelt im Schnitt der Jahre 2001–2002 228 Tabelle 54: Personal im Politikfeld Umwelt nach Akteuren 2002 . . . . . . . . . . . . 229 Tabelle 55: Typen von Raumordnungsinstrumenten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 Tabelle 56: Arten von Gebietsgemeindeverbänden nach Lei 10/2003 und Lei 11/2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 Tabelle 57: Verhältnis der Einnahmearten von Gebiets- und Ortsgemeinden 2002–2004. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Tabelle 58: Grundfinanzierung der Gemeinden durch den Gesamtstaat 2003 . . 381 Tabelle 59: Einzelfinanzierungsverträge der Generaldirektion für Gemeindeangelegenheiten-DGAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 Tabelle 60: Contratos-Programa zwischen dem Gesamtstaat und Gebietsgemeinden in der CCDR-Region Lissabon nach Verwendungszweck 1987–1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 Tabelle 61: Anteil von Contratos-Programa an den kommunalen Haushalten der Gebietsgemeinden 2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Tabelle 62: Finanzierung der Ortsgemeinden durch den Gesamtstaat 2003 . . . . 391 Tabelle 63: Arten von Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 Tabelle 64: Arten und Verfahrensausgang der UVP-Verfahren 1995 bis 2003

443

Tabelle 65: Versorgungsgrad bei Trinkwasser und Abwasser 1999 . . . . . . . . . . . 460 Tabelle 66: Förderung von Umweltschutzorganisationen durch das Umweltinstitut 2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 Tabelle 67: Finanzierung des EU-Rahmenprogramms 2000–2006 . . . . . . . . . . . . 504 Tabelle 68: Finanzvolumen der Politikfeld- und Regionalprogramme 2000–2006. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 Tabelle 69: Ausgaben der EU im Politikfeld Umwelt 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 Tabelle 70: Die Verteilung der Mittel auf die Bereiche des Umweltprogramms 2000–2006. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 509

22

Verzeichnis der Tabellen und Grafiken

Verzeichnis der Grafiken Grafik 1:

Legitimation der Organe einer Gebietsgemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Grafik 2:

Legitimation der Organe einer Ortsgemeinde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Grafik 3:

Ausrüstung der Ortsgemeinden mit KFZ und Bürotechnik 2002 . . . 135

Grafik 4:

Finanzierung der Infrastruktur für Trinkwasser, Abwasser und Abfall 2000–2006 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397

Abkürzungsverzeichnis und Glossar portugiesischer Begriffe Portugiesischer Begriff (Abkürzung)

Deutsche Übersetzung

Águas de Portugal – ADP

Portugiesische Wasserwerke

ANAFRE – Associação Nacional de Freguesias

Nationale Interessenvereinigung der Ortsgemeinden

ANMP – Associação Nacional de Municípios Portugueses

Nationale Interessenvereinigung portugiesischer Gebietsgemeinden

Área Metropolitana

Metropolitanverband

Assembleia de Freguesia

Ortsgemeindevertretung

Assembleia Distrital

Distriktsvertretung

Assembleia Intermunicipal

Gemeindeverbandsversammlung

Assembleia Municipal

Gebietsgemeindevertretung

Assembleia Regional

Regionsversammlung (Verwaltungsregion)

Associação de municípios de fins específicos iSv Lei 11/2003

Gemeindeverband

Associação Nacional de Freguesias – ANAFRE

Nationale Interessenvereinigung der Ortsgemeinden

Associação Nacional de Municípios Portugueses – ANMP

Nationale Interessenvereinigung portugiesischer Gebietsgemeinden

Autarquia Local

Territoriale Selbstverwaltungskörperschaft

Bacia Hidrográfica

Einzugsgebiet (EU Richtlinie 60/2000/CE)

BIP

Brutto Inlands Produkt

CA – Comissão de Acompanhamento

Technische Begleitkommission (z. B. bei Erstellung von Raumordnungsplänen)

Câmara Municipal

Gemeindevorstand

24

Abkürzungsverzeichnis und Glossar portugiesischer Begriffe

Portugiesischer Begriff (Abkürzung)

Deutsche Übersetzung

CCDR – Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional

Kommission für Regionale Koordinierung und Entwicklung

CCDR-LVT

CCDR Lisboa e Vale do Tejo (Kommission für Regionale Koordinierung und Entwicklung für Lissabon und das Tejotal)

CCR – Comissão de Coordenação Regional

Kommission für Regionale Koordinierung Seit dem DL 104/2003 CCDR

Código do Procedimento Administrativo

VerwaltungsverfahrensG

Código do Procedimento Administrativo – CPA

Verwaltungsverfahrensgesetz

Código Penal

Portugiesisches Strafgesetzbuch

Comissão Consultiva

Beratungskommission (für den Nationalen Raumordnungsplan)

Comissão de Acompanhamento – CA

Technische Begleitkommission (z. B. bei Erstellung von Raumordnungsplänen)

Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional – CCDR

Kommission für Regionale Koordinierung und Entwicklung

Comissão de Coordenação Regional – CCR

Kommission für Regionale Koordinierung Seit dem DL 104/2003 CCDR

Comissão de Gestão de Albufeiras

Lagunenverwaltungskommission

Comissão de Gestão do Ar

Luftreinhaltekommission

Comissão Mista de Coordenação

Koordinierungskommission (für PROT und PDM)

Complemento de Programação

Durchführungsbestimmungen eines EUFörderprogramms (Originalübersetzung)

Comunidade Intermunicipal de Fins Gerais iSv Lei 11/2003

Metropolitanverband

Comunidade Urbana iSV Lei 10/2003

Metropolitanverband

Concelho da Região

Regionalrat (Beratendes Gremium der CCR)

Concelho de Bacia Hidrográfica

Einzugsgebietsbeirat

Conselho Económico e Social

Wirtschafts- und Sozialrat

Abkürzungsverzeichnis und Glossar portugiesischer Begriffe

25

Portugiesischer Begriff (Abkürzung)

Deutsche Übersetzung

Conselho Nacional da Água

Nationaler Wasserrat

Conselho Nacional do Ambiente e do Desenvolvimento Sustentável

Nationaler Rat für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung

Constituição da Repfflblica Portuguesa – CRP

Verfassung der Republik Portugal

Constituição da Repfflblica Portuguesa – CRP

Verfassung der portugiesischen Republik

Contrato de urbanização Art. 123 Dl 380/1999

Bebauungsverträge

Contratos – Programa

Kooperationsvertrag

CPA – Código do Procedimento Administrativo

Verwaltungsverfahrensgesetz

CRP – Constituição da Repfflblica Portuguesa

Verfassung der Republik Portugal

Decreto Lei – DL

Gesetzesdekret

DGDR – Direcção Geral do Desenvolvimento Regional

Generaldirektion für Regionalentwicklung

DGOTDU – Direcção Geral do Ordenamento do Território e Desenvolvimento Urbano

Generaldirektion für Raumordnung und Stadtentwicklung

Diário da Repfflblica

Gesetzblatt

Direccão de Serviços

Direktion (~ Referat einer Behörde)

Direcção de Serviços Regionais de Estradas

Regionaldirektion für Straßenbau

Direcção Geral do Ambiente

Generaldirektion für die Umwelt

Direcção Geral do Desenvolvimento Regional – DGDR

Generaldirektion für Regionalentwicklung

Direcção Geral do Ordenamento do Generaldirektion für Raumordnung und Território e Desenvolvimento Urbano – Stadtentwicklung DGOTDU Direcção Regional do Ambiente e Ordenamento do Território – DRAOT

Regionaldirektion für Raumordnung und Umweltschutz

Directiva

EU-Richtlinie

DL – Decreto-Lei

Gesetzesdekret

26

Abkürzungsverzeichnis und Glossar portugiesischer Begriffe

Portugiesischer Begriff (Abkürzung)

Deutsche Übersetzung

DRAOT – Direcção Regional do Ambiente e Ordenamento do Território

Regionaldirektion für Raumordnung und Umweltschutz

EFRE

Europäische Fonds für regionale Entwicklung

EG

Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft

Entidades Pfflblicas

öffentliche Akteure

Estratégia Nacional de Conservação de Natureza

Nationaler Naturschutzplan

EU

Europäische Union

Freguesia

Gemeindebezirk

Gabinete de Apoio Técnico – GAT

Technische Unterstützungsbüros

Gabinete de Relações Internacionais

Kabinett für internationale Beziehungen

GASP

Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik

GAT – Gabinete de Apoio Técnico

Technische Unterstützungsbüros

Governador Civil

Distriktsgouverneure

Grande Área Metropolitana iSV Lei 10/2003

Metropolitanverband

ICN – Instituto de Conservação da Natureza

Institut für Naturschutz

Ilícito de mera Ordenação Social

Verwaltungsübertretung

INAG – Instituo Nacional da Água

Institut für Wasser

Inspecção Geral de Administração do Território

Generalinspektion für die kommunale Selbstverwaltung

Inspecção Geral de Finanças

Generalinspektion des Finanzministeriums

Inspecção Geral do Ambiente

Generalinspektion für die Umwelt

Instituto de Conservação da Natureza – Institut für Naturschutz ICN Instituto de Meteorologia

Institut für Meteorologie

Instituto de Promoção Ambiental

Institut für Umwelterziehung

Abkürzungsverzeichnis und Glossar portugiesischer Begriffe Portugiesischer Begriff (Abkürzung)

Deutsche Übersetzung

Instituto do Resíduos

Institut für Abfall

Instituto Nacional da Água – INAG

Institut für Wasser

Instituto Português do Património Arqueológico e Arquitectónico

Denkmalamt

Instituto Regulador de Águas e Resíduos – IRAR

Regulierungsinstitut für Wasser und Abfall

Junta Autónoma das Estradas

Straßenverwaltungsbehörde

Junta de Freguesia

Vorstand eines Gemeindebezirks

Junta Regional

Regionsregierung (Verwaltungsregion)

L – Lei

Gesetz

Lei – L

Gesetz

Lei 48/1998 establece as bases da polí- RaumordnungsrahmenG tica de ordenamento do território e de urbanismo Lei das Organizações Não Govermentais de Ambiente, L 35/1998

UmweltschutzorganisationenG

Lei de Águas, Decreto 5 787-4I, de 10 de Maio 1919

WasserG

Lei de Base

RahmenG

Lei de Bases do Ambiente, L 11/87

UmweltrahmenG

Lei de Direito de Participação Procedi- PopularklageG mental e de Acção Popular, L 83/1995 Lei Quadro das Regiões Adminsitrativas RegionalisierungsrahmenG lit.

litera

MAOT – Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território

Ministerium für Umwelt und Raumordnung

Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território – MAOT

Ministerium für Umwelt und Raumordnung

Município

Gemeinde

PDM – Plano Director Municipal

Flächenwidmungsplan

PDR – Plano de Desenvolvimento Regional

Regionalentwicklungsplan

27

28

Abkürzungsverzeichnis und Glossar portugiesischer Begriffe

Portugiesischer Begriff (Abkürzung)

Deutsche Übersetzung

PIDDAC – Programa de Investimentos e Despesas de Desenvolvimento da Administração Central

Investitionsprogramm des Gesamtstaats

Plano de Desenvolvimento Regional – PDR

Regionalentwicklungsplan

Plano de Pormenor – PP

Punktueller Bebauungsplan

Plano de Urbanização – PU

Städtischer Bebauungsplan

Plano Director Municipal – PDM

Flächenwidmungsplan

Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais

Strategieplan zur Wasserversorgung und Entsorgung

Plano Geral de Saneamento Básico

Wasserinfrastrukturplan

Plano Intermunicipal de Ordenamento do Território

Interkommunaler Raumordnungsplan

Plano Municipal de Ordenamento do Território – PMOT

Kommunaler Raumordnungsplan

Plano Nacional da Água

Nationaler Wasserplan

Plano Nacional da Política do Ambiente

Nationaler Plan zur Umweltpolitik

Plano Nacional de Desenvolvimento Económico e Social 2000–2006

Nationaler Plan der Wirtschafts- und Sozialentwicklung 2000–2006

Plano Regional de Ordenamento do Território – PROT

Regionaler Raumordnungsplan

Plano Sectorial

Politikfeldplan

Planos de Bacia Hidrográfica

Einzugsgebietspläne

Planos de Ordenamento da Orla Costeira – POOC

Küstenpläne

PMOT – Plano Municipal de Ordenamento do Território

Kommunaler Raumordnungsplan

PO – Programa Operacional

Förderprogramm der EU

POA – Programa Operacional do Ambiente

Umweltprogramm

POOC – Planos de Ordenamento da Orla Costeira

Küstenpläne

Abkürzungsverzeichnis und Glossar portugiesischer Begriffe Portugiesischer Begriff (Abkürzung)

Deutsche Übersetzung

POR – Programa Operacional Regional Regionales Förderprogramm PP – Plano de Pormenor

Punktueller Bebauungsplan

Presidente da Câmara Municipal

Bürgermeister

Programa de Investimentos e Despesas de Desenvolvimento da Administração Central – PIDDAC

Investitionsprogramm des Gesamtstaats

Programa Operacional – PO

Förderprogramm der EU

Programa Operacional do Ambiente – POA

Umweltprogramm

Programa Operacional Regional – POR Regionales Förderprogramm PROT – Plano Regional de Ordenamento do Território

Regionaler Raumordnungsplan

PU – Plano de Urbanização

Städtischer Bebauungsplan

QCA Quadro Comunitário de Apoio

EU-Rahmenprogramm/Gemeinschaftliches Förderkonzept/EU-Förderrahmen

RAN – Reserva Agrícola Nacional

Agrarschutzgebiet

Região Administrativa

Verwaltungsregion

Região Autónoma

Autonome Inselregion

Região de Turismo

Tourismusregion

Regulamento

Durchführungsverordnung

REN – Reserva Ecológica Nacional

Naturschutzgebiet

Reserva Agrícola Nacional – RAN

Agrarschutzgebiet

Reserva Ecológica Nacional – REN

Naturschutzgebiet

SEALOT – Secretaria de Estado da Administração Local e Ordenamento do Território

Staatssekretariat für Kommunalverwaltung und Raumordnung

Secretaria de Estado da Administração Local e Ordenamento do Território – SEALOT

Staatssekretariat für Kommunalverwaltung und Raumordnung

Secretaria de Estado do Ambiente

Umweltstaatssekretär

Secretaria Geral

Generalsekretariat

29

30

Abkürzungsverzeichnis und Glossar portugiesischer Begriffe

Portugiesischer Begriff (Abkürzung)

Deutsche Übersetzung

Sistemas Multimunicipais e Municipais Überörtliche und Kommunale Wasserde Abastecimento de Água systeme Sociedades Gestoras de Sistemas Multimunicipais de Abastecimento de Água

Betreibergesellschaften Kommunaler oder Überörtlicher Wassersysteme

Supremo Tribunal Administrativo

Verwaltungsgerichtshof

Tribunal de Contas

Rechnungshof

Unidades de execução Art 120 Dl 380/1999

Vollzugseinheiten

Einleitung A. Themenstellung und Methode der Arbeit In Portugal waren, ausgelöst durch die Demokratisierung in den 1970erJahren und dem EU-Beitritt Mitte der 1980er, Staat und Gesellschaft einem hochinteressanten und ungleich stärkeren Wandel unterworfen als in Mitteleuropa. Ziel dieser Arbeit ist, dem deutschsprachigen Leser aus verwaltungswissenschaftlicher Sicht eine Analyse staatlicher Akteure und ihrer Steuerung im EU-Mitgliedsland Portugal zu vermitteln. Besonders ausführlich werden dabei die Politikfelder Raumordnung1 und Umweltschutz untersucht. Dafür wurde neben der portugiesischen Literatur eine Vielzahl primärer Quellen staatlicher Akteure während zweier mehrmonatiger Forschungsaufenthalte gesammelt und durch mehr als ein Dutzend ausführliche Interviews mit portugiesischen Politikern und leitenden Beamten ergänzt.2 Ein Teil der Arbeit besteht deshalb aus Quellen basierter Beschreibung, die allerdings wegen der raschen Entwicklung in Portugal nur einige Jahre gültig sein wird. Aus diesem Grund wird diese Beschreibung durch einen theoretischen Ansatz fokussiert und zu mittelfristig gültigen Erklärungen von Problemen und Entwicklungen weiterentwickelt. Am Ende der Arbeit 1 Der Begriff „Raumordnung“ wird im Rahmen dieser Arbeit als Oberbegriff für die Bereiche Raumordnung (im engeren bundesdeutschen Sinn) sowie Flächennutzungs- und Bauleitplanung verwendet. Dies deshalb, da der Begriffe „ordenamento do territorio“ in Portugal in diesem umfassenderen Sinne verstanden wird und keine geschlossenen Ebenen von Raumordnungsinstrumente nach dem Unterscheidungsmerkmal der Begründung von Rechten und Pflichten für Private gebildet werden können. Dieses weite Verständnis von „Raumordnung“ entspricht im Ergebnis etwa auch dem österreichischen Begriffsverständnis. 2 Fragestellungen aus dem Bereich der Staats- und Verwaltungswissenschaften haben mich seit Studienbeginn an der geisteswissenschaftlichen und der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Salzburg stets besonders interessiert. Dies führte schließlich zu einem Promotionsstudium an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften. Mein persönliches Interesse an Portugal rührt daher, dass ich mich im Laufe des Studiums der Geschichte und Politologie besonders mit der Iberischen Halbinsel und Iberoamerika beschäftigt und in diesem Zusammenhang auch ein Forschungsprojekt in Mittelamerika durchgeführt habe. Das Studienjahr 1999/2000 verbrachte ich an der katholischen Universität in Lissabon, um für mein Studium der Rechtswissenschaften im Rahmen des EU-Austauschprogramms „Erasmus“ Prüfungen abzulegen. Dort wurde ich auch zur engeren Themenwahl der nun vorliegenden Dissertation angeregt.

32

Einleitung

stehen einige Thesen größerer Reichweite, die über die derzeitige Situation und teilweise über den Fall Portugals hinausreichen und an anderen Fällen überprüft werden sollten. Eine Angreifbarkeit der entwickelten Thesen wurde dabei bewusst in Kauf genommen, da in den Sozialwissenschaften vor allem durch These und Gegenthese Erkenntnisfortschritt möglich ist. Die vorliegende Arbeit ist eine Dissertation auf dem Gebiet der Verwaltungswissenschaften, weshalb Methoden und Konzepte verwendet werden, die in den Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften entwickelt wurden. Zudem wurde insoweit ein historischer Ansatz gewählt, als Erklärungen auch in längeren zeitlichen Entwicklungen gesucht wurden. Die Vergleiche mit Österreich und Deutschland wurden wegen der Vertrautheit deutschsprachiger Leser mit diesen Ländern gewählt. Sachlich wären Vergleiche z. B. mit Griechenland oder Spanien vielleicht angemessener gewesen, aber ohne nähere Kenntnis der dortigen Verhältnisse gewinnt die Darstellung dadurch für den Leser wenig Anschaulichkeit. Außerdem wurde versucht, sprachlich allgemein verständlich zu bleiben, weshalb auf wenig geläufiges Fachvokabular und Abkürzungen sowie portugiesische Begriffe mit den notwendigen Ausnahmen verzichtet wurde. Das portugiesische Rechtssystem ist in dieser Arbeit nur ein Untersuchungsgegenstand unter anderen, aber die Rechtswissenschaft als Methode zur Beschreibung und Analyse von staatlichen Akteuren spielt eine zentrale Rolle: In einem Rechtsstaat entstehen staatliche Akteure erst durch Zuständigkeits- und Organisationsnormen, Normen beeinflussen ihre Handlungsfähigkeiten und Interessen und sagen etwas über ihr durchschnittliches Verhalten aus. Außerdem ermöglicht das in sich stimmige und disziplinierte juristische Begriffssystem auch international einen raschen Zugang zu den Themen und gibt eine erste Vermutung über die Realität, die in der Folge mit anderen Methoden näher geprüft werden muss. Die Analyse eines ganzen Staatswesens ist ein so weites Thema, dass es im Rahmen einer Dissertation durch die Bildung von Schwerpunkten eingegrenzt werden muss. Staatliche Akteure werden heute in beinahe allen Lebensbereichen tätig. Betrachtet man diese einzelnen Bereiche, findet man jeweils andere Akteure, die anders organisiert sind und anders interagieren. Eine Untersuchung eines ganzen Staatswesens kann daher aus Zeitgründen vor allem in ihrem empirischen Teil nicht alle Aufgabenbereiche staatlicher Akteure abdecken. Nähere Berücksichtigung finden im Rahmen dieser Arbeit deshalb vor allem die Politikfelder Umwelt und Raumordnung, die aus mehreren Gründen ausgewählt wurden: Viele Entscheidungen staatlicher Akteure haben sowohl einen Umwelt- als auch einen Raumordnungsaspekt, weshalb beide eng mit anderen Politikfeldern verbunden sind und sich an ihrem Beispiel die Schwierigkeiten der Integration mehrerer Politikfelder

B. Verwendeter theoretischer Ansatz

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für ein bestimmtes Territorium zeigen lassen. Genau dies ist ein entscheidendes Problem von Gesamtstaaten wie Portugal, die auf regionaler Ebene keine starken staatlichen Akteure haben. Außerdem weisen beide Politikfelder intensive Interaktionen zwischen dem Gesamtstaat und den Gemeinden einerseits und der EU andererseits auf. Zusätzlich gibt es in beiden Feldern eine interessante Beteiligung von Bürgern und gesellschaftlichen Akteuren. Schließlich führten die starken Veränderungen Portugals seit dem EU-Beitritt zu einem großen Problemdruck, der in beiden Politikfeldern zu einer großen Dynamik führt.

B. Verwendeter theoretischer Ansatz Neben der Konzentration auf zwei Politikfelder wird das Thema vor allem durch die Verwendung eines theoretischen Ansatzes eingegrenzt. Seine Funktion besteht darin, ein schlüssiges System brauchbarer Begriffe zur Beschreibung des Forschungsgegenstandes zur Verfügung zu stellen und dadurch die wissenschaftliche Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte der Wirklichkeit zu richten. Der theoretische Ansatz, der in dieser Dissertation Verwendung findet, basiert auf dem von Renate Mayntz und Fritz Scharpf entwickelten akteurzentrierten Institutionalismus.3 Durch Veränderungen in Zielsetzung, Detailliertheit und Begrifflichkeit wird der Ansatz dem Untersuchungsgegenstand angepasst, bleibt aber trotzdem anschlussfähig an ähnliche Forschungsarbeiten.4 Der wesentliche Nutzen des akteurzentrierten Institutionalismus besteht darin, in der Vielfalt staatlicher Institutionen und in ihrem komplexen Verhältnis zur Gesellschaft einzelne Akteure zu definieren und damit analytische Schwerpunkte zu setzen. Kriterien für die Definition von Akteuren sind eine gewisse Organisation und Unabhängigkeit, die kollektive Entscheidungen und Handlungen ermög3 Mayntz, Renate et al.: Der Ansatz des akteurzentrierten Institutionalismus, S. 39–73 [in: Mayntz, Renate et al. (Hg.): Gesellschaftliche Selbstregelung und politische Steuerung, (Frankfurt am Main 1995)]. 4 Unterschiede zum ursprünglichen akteurzentrierten Institutionalismus bestehen darin, dass die Zielsetzung weniger auf die Policy-Ergebnisse und mehr auf die Interaktionen staatlicher Akteure gerichtet ist. Da nicht Einzelsituationen im Detail, sondern die Entwicklung eines ganzen Staatswesen über mittlere Zeiträume untersucht wird, bleiben spieltheoretische Aspekte unberücksichtigt. Da außerdem der Begriff „Institution“ in einzelnen Fachsprachen ohnehin unterschiedlich benutzt wird, wurde er in dieser Arbeit (enger an juristische Verwendungsweisen angelehnt) anders benutzt: Die „Institutionen“ des akteurzentrierten Institutionalismus werden von mir als „Normen“ bezeichnet, der Begriff „Institutionen“ hingegen als Sammelbegriff für Ministerien, Behörden und Dienststellen verwendet.

34

Einleitung

lichen. Rechtsform, Zuständigkeiten, Personal und finanzielle Mittel spielen dabei eine Rolle. So kann man einen Gesamtstaat als einheitlichen Akteur ansehen, aber auch einzelne Ministerien, Sonderbehörden oder Organe als eigenständige Akteure definieren. Beides ist nicht eigentlich richtig oder falsch, sondern nur mehr oder weniger brauchbar für die zu beantwortenden Fragestellungen. So ist zum Beispiel der in Folge verwendete Begriff „Gesamtstaat“ ein Sammelbegriff für das Geflecht von portugiesischen Verfassungsorganen, den Ministerbüros, den Generaldirektionen mit nachgeordneten Behörden und einer Reihe halbautonomer Institute. Vielleicht hat dieser Begriff Unschärfen, aber die Alternative „nationale Ebene“ wäre nur eine andere Formulierung, „Regierung“ würde eine Einheit der politischen Ebene und der Verwaltung vortäuschen, „Staat“ würde in gewissem Sinne auch Gemeinden und die EU umfassen. Auf diese Abgrenzungsfragen muss für das vorliegende Thema aber keine allgemeingültige Antwort gefunden werden, die Arbeitsdefinition „Gesamtstaat“ ist ausreichend: Die portugiesische Republik repräsentiert seit Anfang des 20. Jahrhunderts die gesamtstaatlichen Interessen der portugiesischen Nation und nimmt damit eine konkrete Ebene europäischer Staatlichkeit, eben den „Gesamtstaat“ ein. Sind die staatlichen Akteure voneinander abgegrenzt, kann man ihre Handlungsmöglichkeiten analysieren. Dafür spielen vor allem personelle und finanzielle Ressourcen und Handlungsorientierungen eine Rolle. In einem Rechtsstaat sind dies bei staatlichen Akteuren vor allem rechtliche Handlungsorientierungen, welche wesentliche Rückschlüsse auf das durchschnittliche Verhalten erlauben. Dieses Verhalten wird aber durch Normen nicht bis ins Detail vorherbestimmt. Normen werden verletzt, Akteure weichen auf informelle Interaktionen aus. Entscheidend ist hier, die aus den Normen abgeleiteten Handlungsorientierungen der Akteure, um die Beschreibung ihrer Ziele und sonstigen Interessen zu erweitern. Dazu kommen noch die dauerhaften Einstellungen anderen Akteuren gegenüber, die wechselnde Interessenlagen überdauern können. Sind so die für eine Fragestellung relevanten Akteure und ihre Ressourcen sowie Handlungsorientierungen beschrieben, hat man in der Gesamtschau ein Bild von der „Konstellation“ dieser Akteure gewonnen. Man versteht also die grundlegenden Handlungsoptionen, die Interessenkonflikte und Stärkeverhältnisse. Die vor diesem Hintergrund tatsächlich stattfindenden Handlungen zwischen den Akteuren werden dadurch erklärbar und hier als „Interaktionen“ bezeichnet. Sie umfassen die ganze Bandbreite von einseitigem Handeln, Verhandlung, Mehrheitsentscheidung und hierarchischer Steuerung. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt auf der Beschreibung und Analyse dieser Interaktion zwischen den staatlichen Akteuren. Untersucht wird, wie intensiv die Interaktionen sind, durch welche Akteure sie beeinflusst werden und wie sich Normen auf die Interaktionen auswirken.

B. Verwendeter theoretischer Ansatz

35

Hier kann das Konzept Steuerung, verstanden als „bewusste Interaktion mit dem Ziel, andere Akteure zu beeinflussen“, zur näheren Analyse eingesetzt werden.5 Dadurch geraten ins Blickfeld: Einerseits die Funktionsbereiche im Steuerungsprozess wie Definition von Zielen, Normsetzung, Planung, Genehmigung, Umsetzung von Projekten und Kontrolle, andererseits die unterschiedlichen Steuerungsmittel wie Normen, Pläne, Finanzen und Personen.6 Wesentliche Themen, die in diesem Zusammenhang in Portugal eine Rolle spielen, sind die Vollzugsdefizite der normativen Steuerung, die finanzielle Steuerung der EU und der Verzicht auf staatliche Steuerung zu Gunsten von Marktmechanismen. Auch der Aspekt der Steuerung von Bürgern und Unternehmen durch staatliche Akteure und die Auswirkungen dieser Steuerung auf die Gesellschaft werden so erfasst. Staatliche Akteure sind weder in der Praxis noch als Forschungsgegenstand der Wissenschaft ein Selbstzweck, sondern dienen der Lösung gesellschaftlicher Probleme. Allerdings ist der Zusammenhang zwischen dem Zustand staatlicher Akteure und der Lösung gesellschaftlicher Probleme so vielschichtig und kontextabhängig, dass direkte Kausalbeziehungen wissenschaftlich kaum hergestellt werden können. Die Auswirkungen auf gesellschaftliche Probleme sollen deshalb in dieser Arbeit nur in groben Zügen glaubhaft gemacht, nicht aber wissenschaftlich nachgewiesen werden. Dies ist letztlich auch die Vorgangsweise im Rahmen des „Good-Governance“ Diskurses der letzten Jahre: Reformen staatlicher Akteure werden diskutiert und entworfen, ohne ihre positiven Auswirkungen auf gesellschaftliche Probleme vorrangig und lückenlos nachzuweisen. Stattdessen verlässt man sich in diesem Bereich auf einleuchtende und konsensfähige Zusammenhänge. Beurteilt werden die Ergebnisse des Handelns staatlicher Akteure vor allem bei demokratischen Wahlen. Dadurch beeinflusst und begrenzt demokratische Legitimation das Handeln staatlicher Akteure und wird unter diesem Aspekt in der Arbeit berücksichtigt.

5 Mayntz, Renate: Politische Steuerung. Aufstieg, Niedergang und Transformation einer Theorie, S. 148–168 [in: Beyme, Klaus von et al. (Hg.): Politische Theorien in der Ära der Transformation. Politische Vierteljahresschrift. Sonderheft 26/95, (Opladen 1995)] S. 157; Mayntz, Renate: Soziale Dynamik und politische Steuerung. Theoretische und methodologische Überlegungen (Frankfurt 1997) S. 209. 6 Schuppert, Gunnar Folke: Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre (Baden-Baden 2000) S. 457.

36

Einleitung

C. Gliederung der Arbeit Die Gliederung der Arbeit ist eng am gewählten theoretischen Ansatz ausgerichtet, weicht aber davon ab, wenn dies für die Fragestellung oder deren Verständnis angemessen ist. Das erste Kapitel definiert die maßgeblichen Akteure in Portugal und analysiert ihre Ressourcen und Interessen. Dargestellt werden ihre personellen und finanziellen Ressourcen, ihre Zuständigkeiten und Zielsetzungen. Diese Akteure werden in vier Kategorien angeordnet, wobei bei jedem Akteur die Politikfelder Raumordnung und Umweltschutz besonders berücksichtigt werden: • Die Europäische Union (soweit engere Bezüge zu Portugal bestehen) • Gesamtstaatliche Akteure (Ministerien, autonome Institute und staatliche Unternehmen) • Kommunale Akteure (Gebiets- und Ortsgemeinden, ihre Verbände und Unternehmen) • Private Akteure (Bürger, Unternehmen und Interessenvertretungen) Im zweiten Kapitel wird die Konstellation dieser Akteure entwickelt. Ein Gesamtvergleich der finanziellen und personellen Ressourcen dieser Akteure, ihrer Interessenkonflikte und Einstellungen zueinander verdeutlicht ihre grundlegende Situation, innerhalb der sich ihre Interaktionen entfalten. Dabei werden die wichtigsten Konstellationen zwischen einzelnen Akteursgruppen herausgegriffen und ausführlicher dargestellt: • Konstellation Gesamtstaatlicher Akteure • Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden • Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten • Konstellation von EU und portugiesischen Akteuren Es folgt im dritten Kapitel eine Einführung in die portugiesischen Verhältnisse in den beiden ausgewählten Politikfeldern Umwelt und Raumordnung durch eine kurze Darstellung ihrer historischen Entwicklung und der heutigen Sachprobleme. Nachdem so die Akteure, ihre Konstellation und die zwei ausgewählten Politikfelder untersucht wurden, handelt der folgende Hauptteil der Arbeit von den stattfindenden Interaktionen insbesondere in der Steuerungsperspektive und ist nach den wichtigsten Interaktionsbeziehungen der Akteursgruppen in einzelne Kapitel gegliedert:

D. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

37

• Kapitel 4 – Steuerung gesamtstaatlicher Akteure • Kapitel 5 – Interaktion zwischen den Gemeinden • Kapitel 6 – Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden • Kapitel 7 – Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren • Kapitel 8 – Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU Innere Struktur und Schwerpunkte dieser fünf Teile sind der jeweiligen Akteursgruppe angepasst und daher durchaus unterschiedlich. Den Abschluss der Arbeit bildet in Kapitel 9 der Thesenteil, in dem die wichtigsten Ergebnisse herausgearbeitet und zusammengefasst werden. Im Anhang finden sich ein integriertes Verzeichnis der Abkürzungen und portugiesischen Begriffe, das Tabellen- Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein kurzer Lebenslauf.

D. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit Zum Überblick werden auf den folgenden Seiten die Hauptthesen der Arbeit kurz zusammengefasst, die auch in Kapitel 9 ausführlicher behandelt werden. Die Europäisierung verlief in Portugal wegen ihrer Verspätung intensiv und schnell: Die wechselseitige Beeinflussung staatlicher und privater Akteure über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg ist seit Jahrhunderten ein wesentliches Merkmal Europas. Im Falle Portugals begann Mitte der 1970er Jahre, wie in Kapitel 8 – „Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU“ dargestellt, eine Phase intensiver Europäisierung. Der EU-Beitritt Mitte der 1980er-Jahre führte zusätzlich zu einer intensiven Europäisierung der staatlichen Akteure Portugals: Umsetzung des europäischen Rechts und Modernisierung des nationalen Rechts, Vollzug von Plänen nach den Vorgaben der EU, Schwerpunktverlagerung zwischen den Politikfeldern, intensive Interaktion mit den staatlichen Akteuren anderer europäischer Länder und mit der EU; Weil dieser Prozess verspätet begann, verlief er schnell und intensiv. Anstatt einer jahrzehntelangen Anpassung aus eigener Kraft wurde das fertige europäische Modell übernommen und mit europäischen Ressourcen umgesetzt. Die EU stärkt staatliche Akteure, besonders gesamtstaatliche: Die EU hat insofern zu einer Veränderung der portugiesischen Akteurskonstellation geführt, als die staatlichen Akteure insgesamt stärker wurden. Sie erhielten

38

Einleitung

zusätzliche Ressourcen und wurden durch die Interaktion mit der EU im Zuge der Verwendung dieser Ressourcen zu einer umfassenden Modernisierung gezwungen. Beides hat ihre Handlungsfähigkeiten, wie in Kapitel 8 Abschnitt „A. Veränderung von Konstellation und Interaktion portugiesischer Akteure“ deutlich wird, erweitert. Vor allem aber hat die EU als Union von Nationalstaaten die Position des portugiesischen Nationalstaats innerhalb der portugiesischen Akteurskonstellation gestärkt. In Portugal heißt das konkret, dass der Nationalstaat über seine Planungen und die Verwaltung der EU-Gelder z. B. darüber entscheidet, welche Projekte gefördert werden, die Unternehmen oder Gemeinden einreichen. Für Letztere besteht in Bezug auf EU-Gelder kaum eine niedrigere Abhängigkeit vom Nationalstaat als bei rein nationalen Geldern. Dadurch wirken die EU-Gelder als massive Ausweitung gesamtstaatlicher Ressourcen. Staatliche Akteure haben in Portugal typischerweise parallele Zuständigkeiten: Eine Besonderheit portugiesischer staatlicher Akteure ist ihre große Anzahl paralleler Zuständigkeiten, wie in Kapitel 2 Abschnitt „4. Parallele Zuständigkeiten“ näher dargestellt ist. Dies ist einerseits zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden der Fall, andererseits zwischen gesamtstaatlichen Akteuren verschiedener Ressorts oder unterschiedlicher Hierarchieebenen. Ein Beispiel für Letzteres ist die Zuständigkeitsverteilung in den Ministerien. Der Minister erhält per Gesetz alle Zuständigkeiten in seinem Ressort und macht durch Erlass seine Staatssekretäre für einzelne Angelegenheiten parallel zuständig, diese wiederum die Leiter von Oberbehörden, ohne jeweils die eigene Zuständigkeit aufzugeben. Bei der Übertragung von Zuständigkeiten an Gemeinden ist typisch, dass immer auch ein gesamtstaatlicher Akteur zuständig bleibt. Die Folgen des Systems der Parallelkompetenzen sind unklare und fehlende Verantwortungen. Außerdem verursachen bei mehreren staatlichen Akteuren parallel vorgehaltene Fähigkeiten zum Vollzug höhere Kosten. Auch unter Rechtsschutzaspekten sind mehrfache Zuständigkeiten problematisch. Innerhalb der staatlichen Akteure überlagern in Portugal die Personen die Normen: Der Spielraum von Personen innerhalb staatlicher Akteure ist in Portugal erheblich und ihre persönlichen Interaktionen überlagern die Geltung von Normen, wie in Kapitel 4 Abschnitt „IV. Steuerung über Personen“ dargestellt. Auf politischer Ebene kann man von einer „Personalisierung politischer Macht“ sprechen. Öffentliche Güter werden über persönliche Beziehungen zwischen den Mandatsträgern, den öffentlichen Beschäftigten und Privatpersonen verteilt, wodurch z. B. kommunale Mandatsträger nur mit persönlichen Kontakten erfolgreich sein können.

D. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

39

Die Steuerung über Normen und Pläne wird durch die Steuerung über Personen ersetzt, wodurch politische Ideen und Strategien durch persönliche Gefolgschaft überlagert werden. Außerdem kommt dies dem Streben öffentlicher Akteure nach Flexibilität in Einzelfallentscheidungen entgegen. Die Überlagerung von Normen durch Personen hängt auch mit den Vollzugsdefiziten von Normen und Plänen zusammen. Einerseits wird die Überlagerung von Normen durch Personen durch die hohen Vollzugsdefizite notwendig, andererseits schwächt diese Überlagerung den Vollzug der Normen zusätzlich. Staatliche Akteure steuern andere staatliche Akteure leichter als private Akteure: Die Steuerung privater Akteure ist mit einer Reihe von Problemen verbunden, wie in Kapitel 7 Abschnitt „B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure“ dargestellt wird. Das Handeln privater Akteure kann also von staatlichen Akteuren schwerer gesteuert werden als dasjenige anderer staatlicher Akteure. Ursache dafür ist der Unterschied zwischen der prinzipiellen Handlungsfreiheit der Privaten und der Steuerungsorientiertheit staatlicher Akteure. Um Schwierigkeiten zu vermeiden, konzentrieren sich EU und gesamtstaatliche Regierungen auf die Schaffung und genaue Steuerung staatlicher Akteure. Dadurch entstehen enge und professionelle Interaktionen zwischen staatlichen Akteuren. Auch die Organisation staatlicher Akteure wird stark an der Steuerung anderer staatlicher Akteure ausgerichtet, weniger an der Steuerung privater Akteure. Im Ergebnis funktioniert z. B. die Interaktion zwischen EU und gesamtstaatlichen Akteuren gut, die Interaktion der EU mit privaten Akteuren aber mangelhaft. Funktionierende Interaktion zwischen staatlichen Akteuren soll aber kein Ziel in sich sein, sondern nur ein Mittel zur Interaktion mit privaten Akteuren, um gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen. Normative Steuerung kann in einer Negativspirale an Wirkung verlieren: Normative Steuerung kann, wie in Kapitel 7 Abschnitt „B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure“ dargestellt, aus mehreren Gründen fehlschlagen, die sich in ihrer Wirkung im Fall von Portugal gegenseitig verstärken: • Starke Interessengegensätze zwischen staatlichen und privaten Akteuren • Qualitätsprobleme bei Normen und Plänen • Mangelnde Kontrollen und Sanktionen • Staatliche Akteure bevorzugen Einzelentscheidungen und vollziehen die eigenen Normen nicht.

40

Einleitung

Die aus solchen Gründen fehlgeschlagene normative Steuerung wirkt sich als zusätzliche Ursache auf die weitere Wirksamkeit normativer Steuerung negativ aus. Am Ende steht eine Kultur mangelnder Normbefolgung und mangelnden Vertrauens zwischen den privaten und staatlichen Akteuren sowie zwischen den staatlichen Akteuren untereinander. In Portugal herrscht problematischerweise zwischen den Akteuren wenig Vertrauen: Wie unter anderem in Kapitel 7 Abschnitt „B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure“ dargestellt, sind Belege mangelnden Vertrauens zwischen staatlichen portugiesischen Akteuren: beabsichtigte Doppelzuständigkeiten, direkte Steuerung über Vertrauenspersonen statt normativer Steuerung, Bildung großer Koordinierungskommissionen zur gegenseitigen Kontrolle sowie Einzelfinanzierungen kommunaler Projekte durch den Gesamtstaat statt höherer Globalbudgets für die Gemeinden. Hinweise auf geringes Vertrauen der Bürger in staatliche Akteure sind die bei europaweiten Umfragen niedrigen Vertrauenswerte in Portugal. Negative Folgen des mangelnden Vertrauens zwischen den Akteuren sind höhere Vollzugsdefizite bei der normativen Steuerung, höhere Interaktionskosten durch umständliche Beteiligungsverfahren zwischen staatlichen Akteuren, höhere Informationskosten für staatliche Akteure durch die mangelnde Zusammenarbeit mit den Privaten und insgesamt eine geringere Effizienz staatlichen Handelns. Politikfeldakteure sollen durch starke Territorialakteure ergänzt werden: Ein Politikfeldakteur ist, wie in Kapitel 4 Abschnitt „A. Trend zu Territorialakteuren“ dargestellt, ein staatlicher Akteur, dessen Zuständigkeiten in einem oder mehreren inhaltlich eng verwandten Politikfeldern liegen. Dagegen ist ein Territorialakteur in einer Reihe von Politikfeldern tätig, bis man von einer Gesamtverantwortung für ein Territorium sprechen kann. In Portugal sind traditionell diejenigen Akteure stark mit Ressourcen und Zuständigkeiten ausgestattet, die für ein Politikfeld verantwortlich sind, die Territorialakteure hingegen eher schwach. Ein offensichtliches Problem zahlreicher und starker Politikfeldakteure mit sich überschneidenden territorialen Zuständigkeitsbereichen ist ihre Koordination für ein bestimmtes Territorium. Außerdem erreichen bei der heutigen Dynamik der Politikfelder in Portugal Politikfeldakteure nicht mehr die notwendige institutionelle Kontinuität. Aufgrund der Probleme mit der Vielzahl von Politikfeldakteuren gibt es in Portugal in letzter Zeit einen Trend zu Territorialakteuren. Eine Regionalisierung würde in Portugal die Lösung einer Reihe von Problemen ermöglichen: Unter Regionalisierung wird hier die Schaffung von Regionen mit demokratisch legitimierten Organen an der Spitze einer

D. Zusammenfassung der Ergebnisse der Arbeit

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Regionalverwaltung verstanden, ähnlich wie sie in Italien oder Spanien existieren. Eine derartige Regionalisierung würde in Portugal die Lösung einer Reihe von Problemen ermöglichen: • Verbesserung der Interessenvertretung der peripheren Regionen gegenüber der Hauptstadt • Ermöglichung der Integration von Politikfeldern für einzelne Territorien • Erleichterung des Vollzugs der EU Regionalprogramme • Verbesserung der Steuerung und Koordination der Gemeinden • Ermöglichung einer Reform der gesamtstaatlichen Verwaltung.

Kapitel 1

Akteure Die in Portugal bedeutsamen Akteure werden in Kapitel 1 gegliedert in vier Gruppen dargestellt und analysiert: • Die Europäische Union • Gesamtstaatliche Akteure • Kommunale Akteure • Private Akteure

A. Die Europäische Union Die EU ist vergleichsweise schwer als eigener Akteur zu fassen. Primär dazu geschaffen, die Interaktion ihrer Mitgliedsstaaten zu verändern, ist sie eng mit ihnen verflochten und ihr Wirken wird eben in der Beeinflussung dieser Interaktion sichtbar. Es ist aufwendig, das Verhältnis gemeinschaftlicher und gesamtstaatlicher Normen festzustellen, Finanzmittel oder Entscheidungen einem bestimmten Akteur klar zuzuordnen oder die dahinter stehende Legitimationskette zu erkennen. Letztlich stellen diese Schwierigkeiten bei der Definition als Akteur keine grundsätzlichen Unterschiede etwa zu den Gesamtstaaten dar, weshalb die EU je nach Fragestellung als einheitlicher Akteur oder Interaktion mehrerer Akteure darstellbar bleibt. In diesem Sinne wird etwa die für diese Arbeit nicht bedeutsame Unterscheidung zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union fallen gelassen und einheitlich der Begriff EU verwendet. Auch wird in der Folge die EU nur soweit beschrieben, als es in Bezug auf Portugal und die ausgewählten Politikfelder notwendig ist.

I. Handlungsorientierungen Die Handlungsorientierungen der EU werden von den Mitgliedsstaaten und in geringerem Maße von anderen staatlichen Akteuren, Unternehmen und gesellschaftlichen Akteuren beeinflusst. Bei dieser Vielzahl beteiligter Akteure ist es für alle Akteure wichtig, einmal erzielte Kompromisse öffentlich und verbindlich zu machen. Die grundsätzlichen und langfristigen

A. Die Europäische Union

43

Handlungsorientierungen für die EU sind in ihrem Primärrecht festgelegt. Mittelfristig und spezifischer sind Strategien für einzelne Politikfelder, wie die Lissabon-Strategie im wirtschafts- und sozialpolitischen Bereich oder die mehrjährigen Umweltaktionsprogramme. Das sechste Umweltaktionsprogramm verabschiedete die EU 2001 für die Jahre bis 2010. Vorgesehen sind Maßnahmen in den Bereichen Klimaschutz, Umweltschutz, Naturschutz, natürliche Ressourcen, Abfallwirtschaft sowie natürliche und technologische Risiken. Ziele in diesen Bereichen werden mit einer Mischung verschiedener Steuerungsinstrumente verfolgt: Verordnungen, Richtlinien, Finanzierungsinstrumente und Maßnahmen wie Öffentlichkeitsarbeit. Beispiele dafür sind die Europäische Energiecharta, die Öko-Audit-Verordnung (Environmental Management and Auditing Scheme – EMAS), die Förderprogramme LIFE, SAVE, STEP und EPOCH oder die Richtlinien zur Umweltverträglichkeitsprüfung und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie.1 Dazu kommen auf einer jährlichen Basis die Haushalte der EU-Organe und die Verwaltungspläne einzelner Generaldirektionen und Agenturen. Die zentrale Handlungsorientierung der EU für Portugal ist aber das mehrjährige EU-Rahmenprogramm 2000–2006, das zwischen der portugiesischen Regierung und der EU ausgehandelt und mit Entscheidung der Kommission verabschiedet wurde.2 Es legt auf 170 Seiten für die Verwendung der Struktur- und Kohäsionsfonds Ziele, Finanzierung, Organisation und Zuwendungsverfahren fest. In Ausführung des EU-Rahmenprogramms 2000–2006 werden für einzelne Regionen und Politikfelder eigene, ähnlich umfangreiche Planungsdokumente erstellt, welche den Programmverwaltern als zentrale Handlungsorientierung dienen, aber noch durch detailliertere Bestimmungen für Verfahren und Kontrolle ergänzt werden. Neben den offiziellen Handlungsorientierungen hat die EU wie jeder andere staatliche Akteur auch institutionelle Eigeninteressen, die ihr Handeln beeinflussen: Sicherung von Ressourcen, Autonomie in den Entscheidungen und Steuerung anderer Akteure. Bisher waren diese institutionellen Eigeninteressen gleichzeitig ein wesentlicher Motor der europäischen Einigung, da die EU vor allem im Zuge einer immer stärkeren Integration diese institutionellen Eigeninteressen verwirklichen kann.

1 2

http://www.eu-kommission.de/html/themen/umwelt.asp 02/2005. CCI Nº: 1999 PT 16 1 CC 001.

44

Kap. 1: Akteure

II. Personelle und finanzielle Ressourcen 1. Ressourcen allgemein Wie man der folgenden Tabelle entnehmen kann, lag 2005 der Anteil der Verwaltungsausgaben der EU mit 6.351 Mio. e bei 6% ihrer Gesamtausgaben. Relativ zum Vorjahr ist der Verwaltungsaufwand der EU zwischen 2000 und 2005 jährlich um 6,7% gestiegen. Verantwortlich ist dafür zwar auch die Erweiterung der EU auf 25 Mitgliedsstaaten, aber auch ohne diesen Einfluss hätte die jährliche Steigerung bei etwa 4% gelegen.3 Die wichtigsten Zuständigkeiten der EU beziehen sich auf die Sicherung der Grundfreiheiten des Binnenmarktes und den freien Wettbewerb, die Wirtschaftsund Währungspolitik, die gemeinsame Handelspolitik, die Beschäftigungspolitik, die Regionalpolitik und die Landwirtschaft. Der Grad der Betätigung der EU in einem Politikfeld zeigt sich auch an der Höhe ihrer diesbezüglichen Ausgaben. Tabelle 1 Gesamtausgaben der EU nach Funktionen 20054 Zweck

Beispiele

%

Mio. e

Landwirtschaft

Erzeugerbeihilfen, ländliche Entwicklung

46,2

49.115

Strukturmaßnahmen

Struktur- und Kohäsionsfonds, Gemeinschaftsinitiativen

30,5

32.396

Interne Politikbereiche

Forschung, Verkehr, Umwelt, etc.

7,5

7.924

Verwaltung der EU

Personal, Gebäude

6,0

6.351

Externe Politikbereiche

GASP, Entwicklungshilfe

5,2

5.476

Heranführungsstrategie

Neue Mitgliedstaaten, Beitrittswerber

3,1

3.287

1,6

1.751

100,0

106.300

Verschiedenes Gesamt

Neben den dominierenden Bereichen Landwirtschaft und Strukturmaßnahmen bleiben für alle übrigen internen Politikbereiche nur mehr 7,5% 3 Europäische Kommission (Hg.): Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2005. Übersicht in Zahlen (Brüssel, Luxemburg 2005) S. 6. 4 (= Mittel für Zahlungen) Ibid. S. 8.

A. Die Europäische Union

45

des Haushalts. Wählt man eine weniger funktionale, sondern mehr inhaltliche Unterteilung der Ausgaben nach Politikfeldern, erhält man nachfolgende Tabelle: Tabelle 2 Politikfelder der EU, gereiht nach Höhe der Ausgaben 20055 Politikfeld

% der Ausgaben

Landwirtschaft, Ländlicher Raum, Fischerei

48,1

Regionalpolitik

23,8

Beschäftigung, Soziales

10,2

Außenbeziehungen, Entwicklungshilfe

4,8

Technologie, Forschung

4,2

Verwaltung der EU

2,9

Erweiterung der EU

1,3

Energie und Verkehr

1,2

Bildung, Kultur, Medien

1,1

Wirtschaft, Finanzen

0,8

Inneres, Sicherheit

0,6

Gesundheit, Verbraucherschutz

0,5

Umwelt

0,3

Zollunion, Binnenmarkt, Wettbewerb

0,2

Gesamt

100,0

Die drei ersten Politikfelder Landwirtschaft, Regionalpolitik und Soziales summieren sich bereits auf 82,1% der Ausgaben. Es folgen die Außenbeziehungen, Technologie und die Verwaltung der EU. Die übrigen Politikfelder haben nur einen Anteil um die 1%, entweder weil die EU sie bisher den Nationalstaaten überlässt (z. B. Inneres), oder weil sie in diesen Politikfeldern nicht finanziell, sondern normativ steuert (z. B. Wettbewerb). Rechnet man das gesamte Status- und Hilfspersonal der EU in allen diesen Politikfeldern zusammen, hatte sie 2005 Personalressourcen, die 29.559 Vollzeitbeschäftigten entsprechen.6 5 6

Ibid. S. 17. Ibid. S. 16.

46

Kap. 1: Akteure

Mit dem Politikfeld Umwelt begann sich die EU erst spät, dann aber rasch intensiver zu beschäftigen. Bis in die 1980er-Jahre war Umweltschutz für die Union lediglich ein Element der Verwirklichung des Binnenmarktes. Nationale Umweltschutzbestimmungen sollten nicht zu Handelshindernissen führen, sondern zur Sicherung eines freien Wettbewerbs europaweit vereinheitlicht werden. Erst mit der einheitlichen europäischen Akte erhielt der Umweltschutz 1987 eine eigene Kompetenzgrundlage.7 Heute enthalten die Art. 174–176 EG diese Bestimmungen. In Art. 174 EG werden vor allem die Ziele und die allgemeinen Prinzipien festgelegt. Die Kompetenzgrundlage für Maßnahmen der EU findet sich in Art. 175 Abs. 1 EG. Nach Art. 175 Abs. 4 EG sind für die Vollziehung und Finanzierung die Mitgliedsstaaten zuständig. In Art. 176 EG wird schließlich den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit gegeben, vom Gemeinschaftsrecht abweichende, strengere Umweltstandards einzuführen. Nach der Querschnittsklausel in Art. 6 EG müssen die Ziele der Umweltpolitik in allen übrigen Politikfeldern berücksichtigt werden. Dies macht sich vor allem in der Regional- und der Agrarpolitik der Union bemerkbar. Außerdem sieht die EU den Umweltschutz in enger Verbindung mit der Raumordnung. Für Fragen des Umweltschutzes, der nuklearen Sicherheit und des Zivilschutzes ist innerhalb der Kommission die Generaldirektion XI zuständig. Ihre Personalressourcen entsprechen 505 Vollzeitbeschäftigten, von denen die Hälfte mit der Implementierung bestehender Normen beschäftigt ist. 2005 beträgt ihr Verwaltungshaushalt 11 Mio. e, womit sie einen Gesamthaushalt von 206 Mio. e vollzieht.8 Als weiterer Akteur im Umweltbereich wurde Mitte der 1990er-Jahre in Kopenhagen als Informations- und Dokumentationszentrum für staatliche Akteure und Bürger die Europäische Umweltagentur errichtet. 2003 verfügte sie mit mehr als 100 Beschäftigten über ein Budget von 25 Mio. e.9 Obwohl Beschäftigte und Ressourcen der EU in mehreren Politikfeldern gleichzeitig wirksam werden, können sie doch einzelnen Politikfeldern grob zugeordnet werden, was die EU in ihrer Statistik auch vornimmt: So gab die EU 2005 im Politikfeld Umwelt gemeinschaftsintern 231 Mio. e und außerhalb des Territoriums der EU-Mitgliedstaaten nochmals 16 Mio. e aus.10 Dieser Ressourceneinsatz von deutlich weniger als 1 % des EU-Budgets zeigt, dass das Politikfeld Umwelt für die EU eines der vergleichs7

Streinz, Rudolf: Europarecht (Heidelberg 2003) S. 400. http://europa.eu.int/comm/dgs/environment/management_plan_2005.pdf 03/2005. 9 Streinz, Rudolf: Europarecht (Heidelberg 2003) S. 403. 10 Europäische Kommission (Hg.): Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2005. Übersicht in Zahlen (Brüssel, Luxemburg 2005) S. 14. 8

A. Die Europäische Union

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weise weniger wichtigen Politikfelder ist. Zu einem ähnlichen Ergebnis führt eine Betrachtung der Personalressourcen. Die EU hat ausschließlich für den Politikbereich Umwelt bei ihren Organen, den Agenturen und ihren Vertretungen in den Mitgliedsstaaten Personalressourcen, die 697 Vollzeitbeschäftigten oder ein Prozent aller ihrer Beschäftigten entsprechen.11 Im Politikfeld Raumordnung hat die EU keine ausdrücklichen Zuständigkeiten. Dennoch spielt Raumordnung als faktische Querschnittsmaterie in vielen Politikfeldern, in denen die EU aktiv wird, eine Rolle. Die Generaldirektion XVI und ein informeller „Ministerrat“ der zuständigen nationalen Minister befassen sich ebenso mit der Raumordnung wie ein von den Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission gebildeter Ausschuss für Raumentwicklung. Da die EU über ihre Strukturfonds indirekten Einfluss auf dieses Politikfeld nimmt, ist Raumordnung für sie eher eine räumliche Ordnung ihrer Entwicklungspolitiken und weniger Raumordnung im klassischen Sinne.12 Die EU sieht das Politikfeld Raumordnung außerdem eng mit dem Politikfeld Umwelt verknüpft und wendet einzelne Instrumente in beiden Politikfeldern an. Ein Beispiel ist die Umweltverträglichkeitsprüfung, in der auch raumordnerische Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Ausgearbeitet wurden von der EU bisher eine Darstellung der derzeitigen nationalen Probleme und Instrumente, 1999 ein Europäisches Raumentwicklungskonzept (EUREK) und eine Raumordnungsstrategie für die Großstädte und Küsten. Die Zusammenarbeit nationaler Experten fördert die EU seit 2002 durch ein Forschungsnetzwerk zur Beobachtung der europäischen Raumentwicklung (European Spatial Planning Observation Network (ESPON).13 Insgesamt versucht die EU in Ermangelung eigener Zuständigkeiten in diesem Politikfeld, die Ziele, Methoden und Interaktionen anderer staatlicher Akteure zu beeinflussen. 2. Ressourcen in Portugal Die EU unterhält in Portugal bis auf eine Agentur für Schifffahrtssicherheit und eine Beobachtungsstelle für Drogensucht praktisch keine eigene Verwaltung. Es gibt lediglich die diplomatischen Vertretungen von Kommission und Parlament, also jeweils einen Botschafter und Pressesprecher mit Hilfspersonal und eine Europabibliothek. Dafür gab die EU im Schnitt der 11

Ibid. S. 16. Präambel DL 271/1994. 13 http://www.eu.int/comm/environment/land_use/index_en.htm 02/2005; González Gómez, Manuel: Médio Ambiente, políticas sectoriais e instrumentos financeiros na UE [in: Sociedade e Território, Nº 31/32 (Dezembro 2000), S. 198–212, 2000] S. 208 f. 12

48

Kap. 1: Akteure

letzten Jahre in Portugal jährlich 13 Mio. e aus. Aufgabe dieser Vertretungen ist hauptsächlich die Information portugiesischer Akteure über die EU und umgekehrt.14 Die gesamte restliche Interaktion mit den portugiesischen Akteuren übernehmen Behörden der EU außerhalb Portugals. Dies ist möglich, da der Vollzug des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten nach Art. 10 EG der Normalfall ist und ein Vollzug durch die Organe der EU selbst, der so genannte „externe gemeinschaftsunmittelbare Vollzug“, nur in Ausnahmefällen wie dem Wettbewerbsrecht, dem Beihilfenrecht und der Handelspolitik stattfindet. Die finanziellen Ressourcen, welche die EU in Portugal ausgibt, stammen aus verschiedenen Fonds: Die vier Strukturfonds sollen der Beseitigung der strukturellen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme in der EU dienen. Der Europäische Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) soll den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt in der Europäischen Union durch die Verminderung der Ungleichgewichte zwischen Regionen oder sozialen Gruppen fördern. Der Europäische Sozialfonds (ESF) dient beschäftigungspolitischen Zielen. Der Europäische Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL – Abteilung Ausrichtung) soll die Strukturreform in der Landwirtschaft und die Entwicklung des ländlichen Raums unterstützen. Ähnliche Zielsetzungen verfolgt in seinem Bereich das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF). Portugal erhält diese Mittel hauptsächlich über das Ziel 1 dieser Fonds „Unterstützung der Entwicklung der am wenigsten wohlhabenden Regionen“ (BIP unter 75% des EU Schnitts). Ganz Portugal fiel bisher unter dieses Kriterium, wobei die CCDR-Region Lissabon ihren Status als Ziel-1-Gebiet 2000 verlor und eine spezielle Übergangshilfe 2006 ausläuft. Ziel 2 „Wiederbelebung der Gebiete mit Strukturproblemen“ und Ziel 3 „Entwicklung der Humanressourcen“ wurden in Portugal bisher nicht gefördert. Aus den vier Strukturfonds erhielt Portugal zwischen 2000 und 2006 insgesamt 20,5 Mrd. e.15 Seit 1993 gibt es den Kohäsionsfonds, der heute diejenigen Mitgliedsstaaten fördert, deren BIP pro Kopf unter 90% des Gemeinschaftsdurchschnitts liegt. Diese Bedingungen erfüllten in der EU-15 neben Portugal und Spanien noch Irland und Griechenland. Gefördert werden damit Großinvestitionen in die transeuropäischen Verkehrsnetze und der Umwelt14 http://europa.eu.int/portugal/organizacao/intro_pt.htm 03/2005; Europäische Kommission (Hg.): Aufteilung der operativen EU-Ausgaben 2003 nach Mitgliedstaaten (2004) S. 95. 15 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Portugal 2000–2006 (Lisboa 1999) S. 7.

A. Die Europäische Union

49

bereich.16 Von den Mitteln des Kohäsionsfonds, die bisher nach Portugal flossen, wurde etwas mehr als die Hälfte für den Bereich Verkehrsnetze und der Rest für den Umweltschutz verwendet.17 Aus dem Kohäsionsfonds erhielt Portugal zwischen 2000 und 2006 3,3 Mrd. e.18 Koordiniert werden die Struktur- und Kohäsionsfonds der EU für Portugal durch das so genannte EU-Rahmenprogramm 2000–2006. Zusätzlich gibt es EU-Mittel für die Landwirtschaft und die internen Politikbereiche, die aus verschiedenen Quellen stammen und nicht so offensichtlich Portugal zugerechnet werden können wie die im EU-Rahmenprogramm 2000–2006 erfassten. In einem komplizierten Verfahren wird deshalb die Gesamtaufteilung der Mittel der EU auf ihre Mitgliedsstaaten in einer eigenen Statistik berechnet. Im Jahr 2003 gab die EU 90.558 Mio. e aus, von denen 90,1% einzelnen Mitgliedstaaten zugerechnet werden konnten. Von diesen zurechenbaren Ausgaben entfielen 5,3% auf Portugal, was etwa auch dem Schnitt der Jahre 1997–2003 entsprach.19 Tabelle 3 Portugal zugerechnete Ausgaben der EU 200320 Bereich

Mio. e

%

Strukturfonds

3.484

73,3

Landwirtschaft allgemein

.704

14,8

Kohäsionsfonds

.258

5,4

Interne Politikbereiche

.156

3,3

Entwicklung des ländlichen Raums

.152

3,2

4.754

100,0

Gesamt

2003 war ein Jahr, in dem überdurchschnittlich viele EU-Mittel nach Portugal flossen. Der Schnitt der Jahre 1997–2003 lag bei 3.697,1 Mio. e, was 16

Kubat, Gabriele: Die EU-Osterweiterung aus der Sicht Portugals und Österreichs. Auswirkungen der EU-Erweiterung auf den Arbeitsmarkt und die Strukturförderungen am Beispiel Portugals und Österreichs (Innsbruck, Univ. Dipl. 2001) S. 24. 17 Ministério do Planeamento et al. (Hg.): Impacto Macroeconómico do Quadro Comunitário de Apoio. 1994–1999 (Lisboa 2001) S. 5 f. 18 http://europa.eu.int/comm/regional_policy/funds/procf/back/prcf2_de.htm 02/ 2005. 19 Europäische Kommission (Hg.): Aufteilung der operativen EU-Ausgaben 2003 nach Mitgliedstaaten (2004) S. 15 u. 95. 20 Ibid. S. 58.

50

Kap. 1: Akteure

3,4% des portugiesischen BIP der jeweiligen Jahre entsprach.21 Wirklich ausgegeben werden diese geplanten Mittel zeitversetzt, da in manchen Projekten die genehmigten Mittel erst über Jahre hinweg abgerufen werden. Im europäischen Vergleich fällt auf, dass in Portugal (wie in den anderen Kohäsionsstaaten) der Anteil der Landwirtschaft und der internen Politikbereiche im Vergleich zu den Strukturmaßnahmen relativ gering ist. Der relative Anteil der internen Politikbereiche ist etwa in Österreich oder Deutschland dreimal so hoch.22 Weitere Finanzierungsinstrumente, die in der obigen Tabelle nicht enthalten sind, bestehen in den vergünstigten Krediten der Europäischen Investitionsbank, von denen im Zeitraum 2000–2006 1.428 Mio. e nach Portugal fließen. Außerdem gibt es weitere Finanzierungsinstrumente z. B. im Rahmen des EWR, die sich im Falle Portugals für den Zeitraum 2000–2006 auf 17 Mio. e belaufen.23

B. Gesamtstaatliche Akteure Im folgenden Teil wird ein Überblick über die gesamtstaatlichen Akteure gegeben, wobei diejenigen mit besonderer Relevanz in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung detaillierter beschrieben werden. Es soll dabei deutlich werden, welche gesamtstaatlichen Akteure in den beiden Politikfeldern tätig sind, welche Funktionen sie dabei ausüben und welche Ressourcen sie dafür mitbringen.

I. Historische Entwicklung Portugal entstand nicht wie die Länder auf dem Boden des mittelalterlichen Imperium Romanum auf der Grundlage vorher vorhandener kleinerer Territorien. Stattdessen mussten die Christen, welche die Iberische Halbinsel von Norden nach Süden zurückeroberten, auf keine staatlichen Strukturen aus der Zeit des Islam Rücksicht nehmen. Die zentrale Aufgabe des jungen portugiesischen Staates des 12. und 13. Jh. blieb die militärische Expansion. Militär, Finanzwesen, Verwaltung und Gerichtsbarkeit waren zentralisiert und auf das Ziel der Reconquista ausgerichtet, die mit der Errei21 Ibid. S. 94; Die portugiesischen Zahlungen an die EU sind hier nicht abgezogen, da an dieser Stelle nicht die Nettoempfänge Portugals relevant sind, sondern diejenigen Ressourcen, die der EU in Portugal zur Verfügung stehen. 22 Ibid. S. 31, 57. 23 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Portugal 2000–2006 (Lisboa 1999) S. 7.

B. Gesamtstaatliche Akteure

51

chung der heutigen Landesgrenzen (1248) früher als in Spanien abgeschlossen war.24 Dieser einheitliche und zentralisierte Charakter des nunmehrigen Königreichs änderte sich auch nicht, als man Anfang des 15. Jh. zur „Conquista“ der Atlantischen Inseln und der nord- und westafrikanischen Küste überging.25 Vor allem nach der Öffnung des Seewegs nach Indien 1498 verschafften die Einkünfte aus dem staatlich kontrollierten Fernhandel dem Zentralstaat Mittel, die von anderen Akteuren in Portugal unabhängig waren. Ein merkantiles Bürgertum entwickelte sich nicht. Es gab vom 15. bis zum 19. Jh. keine Revolten gegen den Zentralstaat, außer der Erhebung des Adels gegen die Thronfolge der spanischen Habsburger im 17. Jh. Mit dem Erfolg dieser Erhebung gelangte das Haus Bragança, die einzige Adelsfamilie mit großen eigenen Ländereien, an die Regierung und verstärkte so nochmals die dominante Stellung des Zentralstaats. Auch die Kirche stellte nie eine Konkurrenz zum Zentralstaat dar, da dieser die Bischofsernennungen vornahm, die Kirche eng an sich band und so zur Festigung seiner Position nutzen konnte. Eine weitere Zentralisierung brachte die Regierungszeit des Marquês de Pombal, der den aufgeklärten Absolutismus in Portugal zu verwirklichen suchte und dafür rücksichtslose Maßnahmen ergriff. So wurde 1760 der intellektuell und wirtschaftlich gegenüber dem Zentralstaat selbständige Jesuitenorden europaweit zum ersten Mal verboten. Eine Einberufung der Generalstände wie im Frankreich des Jahres 1788 wäre zu dieser Zeit in Portugal unmöglich gewesen, da es neben dem Zentralstaat keine eigenständigen öffentlichen Akteure mehr gab. Die einzigen staatlichen Akteure außer dem Gesamtstaat waren die Gemeinden. Als die liberalen Reformer des 19. Jh. dem Zentralstaat noch mehr Macht verschaffen wollten, blieb genau diese Kontrolle den Gemeinden und deren lokalen Eliten über, die durch Einrichtung staatlicher Beamter auf Gemeindeebene angestrebt wurde. Die ländliche Bevölkerung sollte so in Staatsbürger verwandelt werden. Das Bild von Portugal als einer seit jeher geeinten Nation, die einen zentralisierten Gesamtstaat zur Folge hat, wurde im 19. Jh. geprägt. Einerseits begründeten liberale Reformer so ihre Zentralisierungen, andererseits definierte Portugal auf diese Weise seinen Platz im entstehenden Europa der Nationalstaaten. Erst zu dieser Zeit hatte der Gesamtstaat auch die Mittel, um sein Geschichtsbild über das Schulsystem unter das Volk zu bringen. Weitere Themen waren die seit jeher unveränderlichen Grenzen des Königs24

Marques, A. H. de Oliveira: Breve História de Portugal (Lisboa 1998) S. 33 ff. Coelho, Maria Helena da Cruz: O Poder na Idade Média. Um Relacionamento de Poderes, S. 25–46 [in: Silveira, Luís Nuno Espinha da (Hg.): Poder central, poder regional, poder local. Uma perspectiva histórica, (Lisboa 1997)] S. 43. 25

52

Kap. 1: Akteure

reichs (unter Ausblendung der überseeischen Expansion) und die Projektion der portugiesischen Nation in die Frühzeit des portugiesischen Zentralstaates. Erst in den 1980er-Jahren begannen Historiker diese Geschichtsbilder zu hinterfragen und Gegenmodelle zu entwerfen. Sie betonten gegenüber dem alles dominierenden Gesamtstaat etwa den ständischen Aufbau der Gesellschaft, die wichtige Rolle der Gemeinden und die geringen materiellen Ressourcen der gesamtstaatlichen Akteure. Tatsache ist, dass sich zwar in den portugiesischen Landesteilen durchaus soziale Unterschiede entwickelten, es aber ohne regionale staatliche Akteure zu keiner Ausprägung regionaler Identitäten kam.26 Mit einem Militärstaatsstreich wurde 1910 die Republik eingeführt, welche unter britischem Druck 1916 dem Deutschen Kaiserreich den Krieg erklärte und auch durch die Belastungen des Ersten Weltkriegs in den Folgejahren zu keiner Stabilität mehr gelangte. 1926 fand ein Militärputsch statt, zwei Jahre später wurde der 39-jährige Wirtschaftsprofessor António Oliveira Salazar zum Finanzminister ernannt, der innerhalb kurzer Zeit die Staatsfinanzen sanierte. Er entwarf auf der Grundlage des politischen Katholizismus das Modell eines autoritären Ständestaates, des so genannten „Estado Novo“, den er ab 1932 als Ministerpräsident zu verwirklichen suchte. Die neue Verfassung von 1933 wurde per Volksentscheid angenommen und zentralisierte alle Ressourcen und Zuständigkeiten beim Gesamtstaat. Zwar wurden die politischen Parteien und die Gewerkschaften zu Gunsten korporatistischer Gremien aufgelöst, aber der „Estado Novo“ ging auch gegen faschistische Bewegungen vor und es gelang ihm, Portugal aus dem 2. Weltkrieg herauszuhalten. Überzeugt davon, als einziger Portugal regieren zu können, verstärkte sich nach dem Krieg die Zentralisierung unter Ministerpräsident Salazar so weit, dass er als Ministerpräsident mehrere Ministerämter selbst übernahm und auch völlig nebensächliche Angelegenheiten persönlich erledigte. Erst sein plötzlicher Tod 1968 beendete seine Regierung.27 Sein Nachfolger, der Professor für öffentliches Recht Marcelo Caetano, hatte weder die politische noch persönliche Kraft, die erstarrten autoritären Strukturen des Landes zu ändern. Hinzu kam das Festhalten an den afrikanischen Kolonien auch nach der Auflösung der anderen westeuropäischen Kolonialreiche. Dies half dem Land, seine eigene Identität zu festigen, hatte aber wirtschaftlich und politisch keine Zukunft und endete in aussichtslosen Kolo26 Monteiro, Nuno Gonçalo: Poder Local e Corpos Intermédios. Especificidades do Portugal Moderno Numa Perspectiva Histórica Comparada, S. 47–62 [in: Silveira, Luís Nuno Espinha da (Hg.): Poder central, poder regional, poder local. Uma perspectiva histórica, (Lisboa 1997)] S. 50–58. 27 Marques, A. H. de Oliveira: Breve História de Portugal (Lisboa 1998) S. 623 ff.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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nialkriegen.28 Im Jahr 1974 beendete ein linksgerichteter Militärputsch den Estado Novo. In wirtschaftlicher Hinsicht hatte der Estado Novo Strukturen des 19. Jh. konserviert, um gesellschaftliche und damit politische Stabilität zu sichern. Im Bereich der Staatsverwaltung war es ihm nach der Phase der Instabilität nach dem Ende der Monarchie gelungen, den Gesamtstaat zu stabilisieren und seine Dominanz gegenüber den anderen öffentlichen und privaten Akteuren für die nächsten Jahrzehnte zu sichern. Die staatlichen Zuständigkeiten und die Ressourcen des ganzen Landes und der Kolonien wurden in der Hauptstadt konzentriert, die zumindest auf einer symbolischen Ebene einigermaßen mit anderen europäischen Städten mithalten konnte. Außerhalb der Hauptstadt war der Estado Novo hauptsächlich als Sicherheitsverwaltung präsent. Es gab Distrikte mit dem ständisch zusammengesetzten kollegialen Distriktsvorstand und dem von der Regierung ernannten „allzuständigen“ Distriktsgouverneur. Aber auch die Gebietsgemeinden hatten nur das allernötigste Personal und Ressourcen, sodass staatliches Handeln ohne die Regierung in der Hauptstadt unmöglich war.29 Die Situation des portugiesischen Gesamtstaats unterschied sich Mitte der 1970er-Jahre von derjenigen anderer europäischer Länder deutlich: Ein entwickelter Wohlfahrtsstaat, starke Gebietskörperschaften und gesellschaftliche Akteure in einer entwickelten modernen Demokratie fehlten. Wie im Fall des österreichischen „Ständestaats“ (1934–1938), den der „Estado Novo“ in einzelnen Aspekten bewusst zum Vorbild nahm, wurden beide Staatswesen aus parteipolitischen Gründen in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg in die Nähe von Faschismus und Nationalsozialismus gerückt. Der Umsturz von 1974 führte zu einer kurzen und chaotischen, kommunistisch dominierten Phase, die ab August 1975 durch eine Koalition aus Sozialisten und Sozialdemokraten beendet wurde. Bis in die Mitte der 1980er-Jahre kam es zu häufigen Regierungswechseln, letztlich wurde Portugal aber langsam zu einer Demokratie nach westlichem Muster, wozu die NATO-Mitgliedschaft und die Perspektive des EU-Beitritts beitrugen.30 Die Erreichung dieses Ziels 1986 sollte das Land tief greifend verändern und die Rolle des Gesamtstaats als bevorzugtem Interaktionspartner der EU und Verwalter der umfangreichen EU-Mittel neuerlich festigen. 28 The Economist Intelligence Unit (Hg.): Country Profile. 2001. Portugal (o. O. 2001) S. 5. 29 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 8. 30 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 9.

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Kap. 1: Akteure

II. Oberste Staatsorgane und ähnliche Akteure 1. Präsident der Republik Das in Art. 120–140 CRP (Constituição da Repfflblica Portuguesa) geregelte Präsidialsystem wird in der portugiesischen Literatur als „Semipresidencialismo“ bezeichnet, das durch folgende Punkte charakterisiert ist: Direktwahl des Präsidenten auf fünf Jahre mit einmaliger Wiederwahlmöglichkeit, Doppelspitze der Exekutive in Gestalt des Ministerpräsidenten und des Präsidenten, doppelte Verantwortung der Regierung gegenüber der Nationalversammlung und dem Präsidenten (Ernennung des Ministerpräsidenten durch den Präsidenten der Republik nach Art. 187 Abs. 2 CRP unter Berücksichtigung der parlamentarischen Mehrheiten, Entlassung der Regierung unter bestimmten Voraussetzungen nach Art. 195 Abs. 2 CRP), Veto des Präsidenten gegenüber Gesetzen und Gesetzesdekreten, Auflösungsmöglichkeit der Nationalversammlung durch den Präsidenten.31 Die Regierung kann der Präsident nach Art. 195 Abs. 2 CRP nur auflösen, wenn dies notwendig ist, um die geordnete Funktionsweise des Regierungssystems sicherzustellen. Allerdings ist der Präsident in der portugiesischen Verfassung dahingehend angelegt, dass er über den Parteien stehend, sich aus der Tagespolitik heraushält und nur zu grundsätzlichen Entwicklungen Stellung nimmt. Andererseits empfängt er einmal wöchentlich den Premier. Bis 2004 hatte der portugiesische Präsident niemals von Art. 195 Abs. 2 CRP Gebrauch gemacht und eine Regierung während der Legislaturperiode und mit einer stabilen Mehrheit in der Nationalversammlung auf eigene Initiative entlassen. Verfassungskommentare hatten als Voraussetzungen dafür massive Verletzungen der Verfassung durch die Regierung oder schwere Staatskrisen angesehen.32 Während der Kohabitation zwischen einer Mitte-Rechts-Regierung und dem sozialistischen Präsidenten wurde dennoch die Regierung im November 2004 überraschend entlassen. Der ursprüngliche Ministerpräsident war an die Spitze der EU-Kommission gewechselt und sein schillernder Nachfolger hatte bei mehreren Regierungsumbildungen wenig Fortune bewiesen. Eine Staatskrise oder Verfassungsverletzungen waren zu dieser Zeit jedoch nicht zu erkennen, wohl aber gute Umfragewerte für die Partei des Präsidenten bei den für Februar 2005 angesetzten Neuwahlen. Diese Entlassung beruht auf einer Interpretation von Art. 195 Abs. 2 CRP, die mit dessen Wortlaut33 zwar vereinbar ist, einer 31 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 35 ff. 32 Sousa, Marcelo Rebelo de et al.: Constituição da Repfflblica Portuguesa Comentada. Introdução Teórica e Histórica. Anotações. Doutrina e Jurisprudência. Lei do Tribunal Constitucional (Lisboa 2000) S. 316.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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systematischen Auslegung der Stellung des Präsidenten in der Verfassung allerdings widerspricht. Trotzdem wurde die Regierung entlassen, die Neuwahlen fanden statt. Die portugiesische Realverfassung scheint sich dahingehend zu entwickeln, dass der Präsident in seiner Entscheidung, die Regierung zu entlassen, inhaltlich weitgehend frei ist. Eine zentrale Stellung nimmt der Präsident nach Art. 136 CRP auch im Gesetzgebungsverfahren ein. Sein suspensives Veto bezieht sich auf die Form des Zustandekommens und den politischen Inhalt der Gesetze und verweist Gesetze an die Nationalversammlung zurück, wo mit einfacher Mehrheit das Gesetz endgültig verabschiedet werden kann. Einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedarf die Beharrung der Nationalversammlung gegenüber dem präsidentiellen Veto bei bestimmten höherrangigen Gesetzen (leis orgânicas) und Gesetzen, welche auswärtige Angelegenheiten, die Wirtschaftsverfassung oder Wahlen betreffen. In Bezug auf Gesetzesdekrete der Regierung (decretos leis) ist das Veto des Präsidenten nach Art. 136 Abs. 4 CRP absolut. Außerdem kann der Präsident noch vor Inkrafttreten einer Norm ein Prüfungsverfahren vor dem Verfassungsgericht einleiten und er entscheidet über die Abhaltung eines landesweiten Referendums.34 2. Nationalversammlung Die Nationalversammlung besteht aus einer Kammer und wird auf vier Jahre gewählt. Nur politische Parteien können Kandidaten für die Nationalversammlung aufstellen. Sie erlässt verschiedene Arten von Gesetzen, kontrolliert die Regierung und ernennt mit Zwei-Drittel-Mehrheit folgende Organwalter: Zehn der dreizehn Richter am Verfassungsgericht, den Präsidenten des Wirtschafts- und Sozialrats und den Provedor da Justiça (Ombudsmann). Die Nationalversammlung hat etwa 15 Ausschüsse, davon einen zu Lokalverwaltung, Umwelt und Raumordnung. (Comissão Permanente de Poder Local, Ambiente e Ordenamento do Território).35 Das Gesetzgebungsverfahren unterscheidet sich nicht wesentlich von dem anderer europäischer Staaten. Allerdings ist das System aus Gesetzen der Nationalversammlung und Gesetzesdekreten der Regierung sehr dem französischen Modell angenähert.36 Gesetzesdekrete können demnach nur von 33 Art. 195 Abs. 2 CRP „O Presidente da Repfflblica só pode demitir o Governo quando tal se torne necessário para assegurar o regular funcionamento das instituições democráticas, ouvido o Conselho de Estado.“ 34 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 35 ff. 35 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 14. 36 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 33 u. 56 f.

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Kap. 1: Akteure

der Regierung erlassen werden. Im Bereich ihrer internen Organisation ist sie dabei völlig frei, ansonsten existiert nach Art. 169 CRP ein Ablehnungsund Abänderungsrecht der Nationalversammlung. In Bereichen wie Strafrecht, Menschenrechte, Sozialrecht und Wirtschaftsverfassung kann die Regierung nach Art. 165 CRP nur dann Gesetzesdekrete erlassen, wenn sie dazu von der Nationalversammlung autorisiert wurde. Schließlich gibt es Bereiche, die nur durch ein Gesetz der Nationalversammlung geregelt werden können: Staatsorganisation, Wahlrecht, Finanzverfassung und Militärrecht. 3. Regierung In der Verfassung sind die Zusammensetzung und die Aufgaben der Regierung in Art. 182–202 CRP geregelt. Der Präsident der Republik kann nach Art. 187 CRP jeden Bürger seines Vertrauens mit der Regierungsbildung beauftragen. Allerdings legt ihm die Verfassung nahe, dabei die Mehrheitsverhältnisse in der Nationalversammlung zu berücksichtigen und Gespräche mit den dort vertretenen Parteien zu führen. Stellt die neu gebildete Regierung ihr Programm in der Nationalversammlung vor, braucht sie dafür nicht deren Zustimmung. Es reicht, wenn ihr nicht das Misstrauen ausgesprochen wird, was auch zu jedem späteren Zeitpunkt möglich ist. Minderheitsregierungen hat es bisher nur vereinzelt Ende der 1970er-Jahre gegeben. Bisher arbeiteten nur drei Regierungen bis zum Ende ihrer Amtsperiode, womit man auf eine durchschnittliche Amtszeit von 22 Monaten kommt. Allerdings hat die Stabilität der Regierungen nach dem EU-Beitritt stark zugenommen. Tabelle 4 Art der Regierungsbildung 1976–2005 Art der Regierungsbildung

Anzahl

Koalitionsregierung

6

Minderheitsregierung

4

Regierung auf Präsidenteninitiative

3

Einparteienregierung

3

Gesamt

15

Mit stabileren Mehrheitsverhältnissen seit Ende der 1980er-Jahre ist die Position des Mehrheitsführers in der Nationalversammlung deutlich gefestigt worden. Da dieser gleichzeitig Ministerpräsident ist, wurde die Position

B. Gesamtstaatliche Akteure

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der Regierung gegenüber dem Präsidenten und der Nationalversammlung gestärkt. Auch die legislative Tätigkeit der Regierung weitet sich in der Praxis auf Kosten der Nationalversammlung aus. Einerseits werden immer mehr Gesetzesdekrete der Regierung erlassen, andererseits die wenigen Parlamentsgesetze ebenfalls von der Regierung eingebracht. Die Wahlen zur Nationalversammlung werden in der Bevölkerung als Abstimmung über den Ministerpräsidenten wahrgenommen. Im Ergebnis kommt es in Portugal zu einer Dominanz der Exekutive in Gestalt des Ministerpräsidenten und seiner Regierung.37 Nach Art. 183 CRP besteht die Regierung aus Ministern, Staatssekretären und Unterstaatssekretären, wobei Letztere in jüngerer Zeit nicht mehr ernannt wurden. Portugiesische Regierungen hatten in den letzten Jahrzehnten zwischen 51 und 66 Mitglieder mit steigender Tendenz.38 Durch die große Anzahl von Regierungsmitgliedern wird das Amt des Ministerpräsidenten als Koordinationsstelle wichtiger. Es gibt mittlerweile eine so genannte Präsidentschaft des Ministerrats, in die außer dem Premier noch andere Minister und Staatssekretäre mit Koordinierungsfunktion eingegliedert sind und die einige Politikfelder koordiniert. Neben dem allgemeinen Ministerrat gibt es kleinere Sonderministerräte, die sich nur mit bestimmten Politikfeldern wie Wirtschaft oder EU befassen.39 Der Ministerrat versammelt sich einmal wöchentlich, verabschiedet Gesetzesdekrete und wichtige Pläne. Er wird von einem Treffen der Staatssekretäre (Reunião de Secretários de Estado) vorbereitet, in dem technische Fragen geklärt, die politischen Entscheidungen aber dem Ministerrat überlassen werden. In der Verfassung ist dieses „Organ“ nicht vorgesehen.40 Die Minister erhalten ihre Kompetenzen vom Ministerpräsidenten in einem eigenen Rechtsakt delegiert, der auf dem Regierungsdekret zur Organisation der Regierung beruht.41 Einen Teil dieser Kompetenzen delegieren die Minister an ihre jeweiligen Staatssekretäre. Diese machen normalerweise keine vom Minister unabhängige Politik und sind die eigentliche Verbindung zur Verwaltung. Die Ressortaufteilung ändert sich häufig und massiv. Darunter, auf Ebene der Generaldirektionen (die größten Organisationseinheiten innerhalb eines 37

Ibid. S. 39 f. u. 51. Campos, António Correia de: Coordenação do Trabalho Governamental [in: Revista Portuguesa de Administração e Políticas Pfflblicas, V.1 Nº1, S. 50–72, 2000] S. 55. 39 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 87. 40 http://www.portugal.gov.pt/pt/Sistema+Politico/Default.htm 11/2003. 41 Z. B. Lei Orgânica do XVI Governo Constitucional, DL 215-A/2004. 38

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Kap. 1: Akteure

Ministeriums) und den Instituten als autonomen gesamtstaatlichen Akteuren gibt es etwas mehr Stabilität. Vor allem Generaldirektionen, die sich mit der Verwaltung selbst beschäftigen, wie die Personal- und die Finanzgeneraldirektionen, entwickeln größeres institutionelles Gewicht und Beständigkeit.42 Ende der 1990er-Jahre gab es in Portugal etwa 40 Generaldirektionen. Wenn sie hauptsächlich Kontrollfunktionen ausüben, werden sie auch als Generalinspektionen bezeichnet, wenn sie in Nähe zum Minister der Koordinierung des Ministeriums dienen als Generalsekretariate. Generaldirektionen werden weiter unterteilt in: departamentos, direcções de serviços, divisões oder repartições, schließlich in secções. Die Anzahl der Beschäftigten im Rang eines Generaldirektors ist deutlich höher als die Anzahl der Generaldirektionen. 2003 hatte allein das Ministerium für Umwelt und Raumordnung 21 Beschäftigte im Rang eines Generaldirektors.43 4. Gerichtsbarkeit Neben der allgemeinen Gerichtsbarkeit in Zivil- und Strafsachen gibt es nach Art. 212 CRP eine eigene dreistufige Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit. Die Verfassungsgerichtsbarkeit ist sowohl diffus als auch konzentriert.44 Einerseits obliegt sie nach Art. 204 CRP allen Gerichten, welche verfassungswidrige Normen nicht anwenden dürfen, andererseits ist das Verfassungsgericht nach Art. 280 CRP allein für die endgültige Entscheidung im Anlassfall mit Wirkung erga omnes zuständig. Außerdem gibt es nach Art. 278 CRP eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichts zu einer präventiven Normenkontrolle im Gesetzgebungsverfahren und zu einer abstrakten Normenkontrolle auf Antrag bestimmter staatlicher Akteure nach Art. 281 CRP. Das portugiesische Verfassungsgericht übt trotz anfänglicher Befürchtungen einer Politisierung seine Funktion unabhängig, juristisch korrekt und politisch ausgewogen aus.45

42

Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001. Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 93; Annex zu DL 97/2003. 44 Die diffuse Verfassungskontrolle wurde in Portugal mit Gründung der Republik 1911 von der brasilianischen Verfassung von 1891 übernommen, die sich in diesem Punkt am US-amerikanischen Modell orientiert hatte. 45 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 19. 43

B. Gesamtstaatliche Akteure

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5. Autonome Inselregionen Obwohl die portugiesische Republik nach Art. 6 CRP ein Einheitsstaat ist, genießen die Atlantischen Inseln Azoren und Madeira nach Art. 225–234 der portugiesischen Verfassung eine spezielle Autonomie, die stärker politisch geprägt ist als etwa die Selbstverwaltung der Gemeinden. In Art. 225 Abs. 3 CRP wird sie als „autonomia político-administrativa regional“ bezeichnet. Die Zuständigkeiten der autonomen Inselregionen sind nicht abschließend in der Verfassung geregelt, sondern in einem eigenen Statut auf einfachgesetzlicher Ebene. Sie haben eine Regionalregierung und eine gesetzgebende Versammlung, welche bestimmte nationale Normen an die regionalen Verhältnisse anpassen und Gesetzesvorschläge in die Nationalversammlung einbringen kann. Im Bereich von Umwelt und Raumordnung übernehmen autonome Inselregionen weitgehend die Rolle des Gesamtstaats auf dem Festland. Wegen der speziellen Verhältnisse ihrer sehr peripheren Lage und ihrer geringen Bedeutung für ganz Portugal werden die autonomen Inselregionen im weiteren Verlauf der Arbeit nicht näher behandelt.

III. Akteure der unmittelbaren Staatsverwaltung Die (regierungs)unmittelbare Staatsverwaltung wird in Portugal als „administração directa“ bezeichnet und ist in Lei 4/2004 geregelt. Nach Art. 2 Abs. 2 Lei 4/2004 sind einige staatliche Aufgaben den regierungsunmittelbaren gesamtstaatlichen Akteuren vorbehalten: Ausübung der Souveränitätsrechte, Repräsentation des Staates auf politischer Ebene, verbindliche Planung von Politikfeldern, Kontrolle und Koordinierung anderer staatlicher Akteure. Im Rahmen dieser Kontrolle und Koordinierung muss immer ein Ministerium für die Gesamtplanung eines Politikfelds und die Aufsicht über die gesamtstaatlichen Akteure mit Autonomie die Verantwortung übernehmen und kann diese auch nicht an einen gesamtstaatlichen Akteur mit Autonomie abgeben. Im Jahr 1999 arbeiteten in der unmittelbaren Staatsverwaltung 366.000 Beschäftigte, was 65% aller Beschäftigten des Gesamtstaats entsprach. Der Rest arbeitete für autonome gesamtstaatliche Akteure. Dieselbe Personalstatistik wies damals für die unmittelbare Staatsverwaltung 1.623 Akteure mit eigenem Personal aus, was einen Schnitt von 225 Beschäftigten pro Akteur ergibt.46 Diese Zahlen zeigen, wie selbst in dem Bereich der un46

Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 5–8.

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Kap. 1: Akteure

mittelbaren Staatsverwaltung es mehr auf die Steuerung einer Vielzahl kleiner Akteure ankommt als auf die interne Koordinierung einiger weniger Großakteure. 1. Gesamtstaatliche Akteure außerhalb der Hauptstadt In Art. 11 Abs. 4 Lei 4/2004 wird im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung zwischen „Serviços Centrais“ und „Serviços Periféricos“ unterschieden.47 Der örtliche Zuständigkeitsbereich von Ersteren umfasst das gesamte Staatsgebiet. Der zweite Begriff bezeichnet gesamtstaatliche Organe, Behörden und Dienststellen, die lediglich für Teile des Staatsgebiets zuständig sind. Meist haben sie ihren Sitz außerhalb der Hauptstadt. Die Gruppe der gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt wird im Wesentlichen von den Unterbehörden der Ministerien gebildet, womit sich die Frage nach dem Vorteil dieser zusätzlichen Unterscheidung stellt. Er besteht darin, dass die Konstellation zwischen diesen Akteursgruppen das ungleiche Verhältnis zwischen Hauptstadt und Peripherie beleuchtet. Laut Art. 3 Abs. 3 Lei 4/2004 sollen zwar die Entscheidungen der unmittelbaren Staatsverwaltung räumlich so nah wie möglich an den betroffenen Bürger fallen und nach Art. 5 lit. b Lei 4/2004 soll ein Gleichgewicht zwischen gesamtstaatlichen Akteuren außerhalb Lissabons und denjenigen in der Hauptstadt bestehen, derzeit herrscht aber zwischen den beiden Akteursgruppen in Bezug auf Zuständigkeiten und Ressourcen ein starkes Missverhältnis. Im Bereich der Zuständigkeiten führt die große Anzahl von Ministerien in Verbindung mit ihrem traditionellen Hang zur Zentralisierung dazu, dass für ihre jeweiligen Dienststellen außerhalb der Hauptstadt neben dem kleinen örtlichen Zuständigkeitsbereich auch ein relativ kleiner, sachlicher Zuständigkeitsbereich verbleibt. Außerdem haben die rund 15 Ministerien jedes für sich nicht die Ressourcen, um neben einer leistungsfähigen Zentrale innerhalb ihrer Politikfelder auch noch starke Unterbehörden außerhalb der Hauptstadt hinreichend auszustatten. Gleichzeitig gibt es in Portugal aber keine Behörden der allgemeinen Verwaltung, die schwache oder fehlende Unterbehörden anderer Ministerien ersetzen oder unterstützen könnten. Dadurch sind die gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt zwar zahlreich (Ende der 1990er-Jahre fand sich kein Distriktshauptort mit weni47 Der Begriff wurde in Portugal eingeführt bei: Caupers, João: A administração periférica do Estado. Estudo de ciência da administração. Dissertação de doutoramento em ciências jurídico-políticas na Faculdade de Direito da Universidade de Lisboa (Lisboa 1993) S. 87.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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ger als zehn gesamtstaatlichen Dienststellen.)48, jedoch schwach mit Ressourcen und Zuständigkeiten ausgestattet. Die Folge der geringen Zuständigkeiten und Ressourcen außerhalb der Hauptstadt in Verbindung mit der wirtschaftlichen Dominanz Lissabons ist, dass der Gesamtstaat die regionalen Entwicklungsunterschiede eher spiegelt und vergrößert, anstatt sie zu verringern. Dies wird dadurch verstärkt, dass im Vergleich der staatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt untereinander tendenziell diejenigen mehr Ressourcen haben, die für eine höher entwickelte Region zuständig sind. Dies geht so weit, dass der landesweite gleichmäßige Vollzug, der normalerweise ein Vorteil zentralistischer Verwaltungsorganisation ist, durch die stark unterschiedliche Ressourcenausstattung gesamtstaatlicher Akteure außerhalb der Hauptstadt eingeschränkt wird. Dienststellen in peripheren Landesteilen haben wegen der tendenziell geringeren Ressourcen und faktischen Zuständigkeiten sowie der niedrigeren Dienstpostenbewertung Schwierigkeiten, gut ausgebildetes Personal zu finden. DL 190/1999 sollte für staatliche Beschäftigte in der Hauptstadt finanzielle Anreize für den Wechsel in periphere Landesteile schaffen, hat aber in der Praxis kaum etwas bewirkt. Insgesamt sind diese Probleme seit langem erkannt und „Dekonzentration und Dezentralisierung“ ständig verwendete Schlagwörter. Dass Veränderungen in diesem Bereich schwer zu erzielen sind, liegt wohl auch daran, dass nur die zentralen politischen Organe des Gesamtstaats demokratisch legitimiert sind. Geben sie Ressourcen und Zuständigkeiten zur selbständigen Koordination an gesamtstaatliche Akteure außerhalb der Hauptstadt ab, müssten diese vor allem in der Integration unterschiedlicher Politikfelder für ein Territorium häufig gerade politische Entscheidungen treffen. Diese wollen und müssen sich aber die demokratisch legitimierten Organe in der Hauptstadt vorbehalten. Dementsprechend kam auch eine Reformkommission 2001 zu dem Schluss, dass es bisher nicht zu einer Verlagerung echter Entscheidungsbefugnisse an gesamtstaatliche Akteure außerhalb der Hauptstadt gekommen ist. Sie empfahl dies vor allem für die Bereiche Serviceerbringung sowie der Kontrolle und Umsetzung öffentlicher Investitionen.49 Bei den örtlichen Zuständigkeitsbereichen gibt es in Portugal keine dominierenden Grenzen, an denen sich die Mehrzahl der gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt orientiert. Stattdessen existieren sogar bei 48 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 94. 49 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 12 ff.

62

Kap. 1: Akteure

unterschiedlichen Unterbehörden derselben Ministerien mehrere unterschiedliche Grenzziehungen, die sich gegenseitig schneiden.50 Jedes Ministerium verteilt nach eigenen Regeln Zuständigkeiten auf seine Dienststellen in und außerhalb der Hauptstadt und legt auch deren örtliche Zuständigkeitsbereiche nach den Interessen des Politikfelds und seinen institutionellen Eigeninteressen fest. In dem jeweiligen Politikfeld mögen die gewählten territorialen Gliederungen ihre sachliche Berechtigung haben, allerdings wird die Zusammenarbeit über die Grenzen von Politikfeldern und damit die Integration von Politikfeldern für ein bestimmtes Territorium erschwert.51 Die Interessenvertretungen der Gemeinden sprechen von unnötigen Überlagerungen der örtlichen Zuständigkeitsbereiche der gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt, welche Konflikte und anarchische Verhältnisse produzierten.52 Insgesamt wird dies aber seit Jahren als Problem erkannt und es gibt einen Trend zu einheitlicheren örtlichen Zuständigkeitsbereichen insbesondere zur Anknüpfung an die CCDR-Regionen. 1989 folgten erst sechs Behörden den Grenzen der CCDR-Regionen,53 Ende der 1990er-Jahre waren es bereits 13 Akteure aus den Bereichen Umwelt, Raumordnung, Erziehung und Kultur.54 Heute sind die beiden am häufigsten gewählten Anknüpfungspunkte für örtliche Zuständigkeitsbereiche die CCDR-Regionen (34 gesamtstaatliche Akteure folgen diesem Muster), gefolgt von den Distrikten (21 Akteure) und Gruppierungen von Distrikten (8 Akteure). Im Jahr 2001 schlug eine Reformkommission vor, das Dutzend davon abweichender Zuständigkeitsbereiche aufzugeben. Auf Ebene der fünf CCDR-Regionen sollen die nationalen Politikfelder an die regionalen Verhältnisse angepasst und untereinander für jede CCDR-Region koordiniert werden, auf Ebene der 18 Distrikte sollen die Serviceeinrichtungen für die Bürger angesiedelt werden. Untergliederungen dieser beiden territorialen Ebenen sollen möglich sein, wenn 50

Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 26. 51 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 43. 52 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 89 Februar 2001; Associação Nacional de Freguesias: Parecer da ANAFRE relativo aos Projectos de Lei da Regionalização pendentes na Assembleia da Repfflblica, S. 109–124 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 123. 53 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 27. 54 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 94.

B. Gesamtstaatliche Akteure

63

dadurch nur Teilmengen und keine Schnittmengen entstehen und außerdem keine Grenzen von Gebietsgemeinden geschnitten werden.55 Bis Mitte 2005 waren noch keine Veränderungen im System der örtlichen Zuständigkeiten erkennbar. Erfolg versprechend wäre die Übernahme einer echten Koordinierungsfunktion durch die CCDR. Diese könnten auch Zuständigkeiten und Ressourcen anderer gesamtstaatlicher Akteure übernehmen und so deren Anzahl verringern. Erste Schritte in diese Richtung wurden mit der Stärkung der CCDR und ihrer ergänzenden Legitimation durch die Gebietsgemeinden in den letzten Jahren unternommen. Typisch für die Steuerung gesamtstaatlicher Akteure außerhalb Lissabons ist, dass sie hauptsächlich Informationen an die Entscheidungsträger in der Hauptstadt weiterleiten und anschließend deren Entscheidungen ausführen.56 Zwischen den Ministerien in der Hauptstadt und den peripheren Dienststellen ist die dominierende Interaktionsform also die klassische hierarchische Steuerung mit ihren Vor- und Nachteilen: Zwar wird eine bessere sachliche Arbeitsteilung durch die große Anzahl von Ministerien mit ihren spezialisierten Unterakteuren erreicht, jedoch führen die großen Oberbehörden zu Reibungsverlusten, geringer Problem- und Bürgernähe und zu Koordinationsproblemen auf Regierungsebene. In Lei 4/2004 wird an mehreren Stellen die Steuerung über Zielvereinbarungen betont und in Art. 3 Abs. 8 Lei 4/2004 sogar die Vereinbarung von Zielen und die Kontrolle ihrer Erreichung als Prinzip der unmittelbaren Staatsverwaltung definiert. Für ein solches Steuerungsmodell würde man aber relativ fähige und selbstständige gesamtstaatliche Akteure in der Fläche benötigen, die nicht vorhanden sind. Dieses Fehlen von mit Ressourcen und Zuständigkeiten gut ausgestatteten gesamtstaatlichen Akteuren außerhalb der Hauptstadt erschwert auch die Interaktion des Gesamtstaats mit gesellschaftlichen Akteuren und den Gemeinden in der Fläche. Im Vergleich zu den Gebietsgemeinden haben sich die gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt in den letzten Jahren weniger stark entwickelt und sind heute ihnen gegenüber weniger einflussreich als früher. Dies zeigt sich auch an der geringen Häufigkeit persönlicher Kontakte der Bürgermeister von Gebietsgemeinden mit ihnen. Während 47% der Bürgermeister persönliche Kontakte in Ministerien unterhalten, tun dies nur 13% 55 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 13 f. u. 151. 56 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 88.

64

Kap. 1: Akteure

zu den räumlich viel näher liegenden CCDR und bloße 6% zu sonstigen gesamtstaatlichen Dienststellen außerhalb der Hauptstadt.57 Um eine stärkere Interaktion des Gesamtstaats mit den Gemeinden sowie mit privaten und gesellschaftlichen Akteuren zu erreichen, empfahl eine Reformkommission 2001 diese Interaktionen bewusst an Dienststellen außerhalb der Hauptstadt zu verlagern.58 Dies wird allerdings nur dann gelingen, wenn mehr Ressourcen und Zuständigkeiten auf diese Akteure übertragen werden, da sie nur so als Interaktionspartner interessant werden. Die Charakteristika gesamtstaatlicher Akteure außerhalb der Hauptstadt bestehen also in geringen Zuständigkeiten und Ressourcen, sich schneidenden Zuständigkeitsbereichen, hierarchischer Steuerung, starker Interaktion mit Akteuren des eigenen Ministeriums und schwacher Interaktion mit den übrigen Akteuren. Die Beseitigung dieser Probleme ist aber nicht nur für die gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt wichtig, sondern auch für die Verwaltung in der Hauptstadt. Die ehemalige Ministerin für Verwaltungsreform hielt die Verwaltung des Gesamtstaats insgesamt nur dann für reformierbar, wenn vorher Zuständigkeiten und Ressourcen an die gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt abgegeben würden.59 Anfang 2004 wurde durch neue Organisationsgesetze (Lei 3/2004, Lei 4/2004) versucht, die gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt zu reformieren. Ob dies in Zukunft die institutionellen Eigeninteressen der Ministerien und ihre Orientierung an dem jeweils eigenen Politikfeldern überwinden kann, ist fraglich. 2. Die Kommissionen für regionale Koordinierung und Entwicklung (CCDR) Zwischen den Akteuren der mittelbaren und unmittelbaren Staatsverwaltung nehmen die CCDR eine Sonderstellung ein. Einerseits sind sie im Gegensatz zu den Instituten des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung60 keine juristischen Personen, sondern Unterbehörden dieses Ministeriums. Nach Art. 4 DL 97/2003 zählen sie ausdrücklich zur unmittelbaren Staatsverwaltung und sind damit auch keine öffentlichen Institute iSv Lei 3/2004. Allerdings sind sie auch als Dienststellen mit Finanz- und Verwaltungs57 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 231. 58 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 12 ff. 59 Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001. 60 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 100.

B. Gesamtstaatliche Akteure

65

autonomie definiert und zählen daher finanzrechtlich zu den „Fundos e Serviços Autónomos“, was für Akteure der unmittelbaren Staatsverwaltung typisch wäre. Zusätzlich nehmen die Gebietsgemeinden der jeweiligen CCDR-Regionen auf die Tätigkeit ihrer CCDR politischen Einfluss. Die CCDR stehen also zwischen einer bloßen Dienststelle des MAOT außerhalb der Hauptstadt und einem autonomen Akteur. Unter den gesamtstaatlichen Akteuren außerhalb der Hauptstadt nehmen sie eine Sonderstellung ein, da sie über ungleich mehr Ressourcen und Zuständigkeiten verfügen als viele dieser Akteure. Aus Sicht der gesamtstaatlichen Regierung ist die Übertragung von Zuständigkeiten und Ressourcen auf die CCDR gleichzeitig Dekonzentration innerhalb des Gesamtstaats und Dezentralisierung im Verhältnis zu den Gebietsgemeinden, da diese mittlerweile ein Vorschlagsrecht für den Präsidenten der CCDR haben.61 Die CCDR entwickeln Züge eines regionalen Territorialakteurs, haben aber keine eigene demokratische Legitimation, weshalb sie wenig eigene Entscheidungsbefugnis haben und von ihrem Ministerium abhängig bleiben. Eigene politische Strategien für die Region entwickeln sie noch nicht. Sie sind oft gegen ihren eigenen Willen die verlängerte Hand auch anderer Ministerien in der Region.62 Da die CCDR räumlich und sachlich viel näher an den Problemen sind als die Ministerien, gibt es eine enge Kooperation zwischen den Generaldirektionen verschiedener Ministerien und den CCDR. Das geschieht in Arbeitsgruppen, welche die gleichförmige Umsetzung der Regierungspolitik sicherzustellen suchen.63 Eine weitere Hauptaufgabe der CCDR ist die Koordinierung von staatlichen Investitionen auf regionaler Ebene.64 Hier übernehmen sie in Ansätzen die doppelte Aufgabe, zum einen die Unterstützung Gesamtstaatlicher Akteure für ein Projekt in der CCDR-Region zu gewinnen, zum anderen die Wünsche regionaler Akteure in die Planung von Investitionsprojekten durch die gesamtstaatlichen Akteure einzubringen.65

61

Präambel zu DL 104/2003. Costa, Adalberto et al.: O Poder Local em Portugal. Contributos para o seu Conhecimento. (Porto 1995) S. 15. 63 Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 64 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 40. 65 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 141. 62

66

Kap. 1: Akteure

3. Die Distriktsgouverneure Die Distrikte wurden in der liberalen Periode des frühen 19. Jh., genauer mit der Verfassung 1822, erstmals eingeführt, kurz darauf aber wieder abgeschafft. In den folgenden Jahrzehnten wurden den Distrikten sehr unterschiedliche Zuständigkeiten zugewiesen. Zwischenzeitlich waren sie auch als echte Gebietskörperschaften eingerichtet.66 Auch nach der Verfassung von 1933 genossen die Distrikte Selbstverwaltungsrechte.67 Heute gibt es 18 Distrikte mit durchschnittlich 575.000 Einwohnern, wobei manche Distrikte zehnmal so viele Einwohner haben wie andere.68 In der geltenden Verfassung sind die Distrikte nur mehr vorläufig bis zur Einrichtung der vorgesehenen Verwaltungsregionen angelegt. Deshalb findet sich auch zu diesem Thema nur mehr der kurze Art. 291 CRP in den Übergangs- und Schlussbestimmungen der Verfassung. Danach gibt es nach geltender Verfassung auf Ebene der Distrikte drei Organe. Erstens den Distriktsgouverneur (Governador Civil) als monokratische Unterbehörde des Innenministeriums, zweitens den Koordinationsbeirat (conselho coordenador consultivo) als Beratungsgremium des Distriktsgouverneurs besetzt mit gesamtstaatlichen Akteuren und drittens die Distriktsversammlung (assembleia deliberativa) als Informations- und Beratungsgremium zwischen Distriktsgouverneur und Gemeinden. Letztere hat heute kaum noch Bedeutung und wird im Kapitel 6 Abschnitt „III. Distriktsversammlungen“ kurz behandelt. Auch das zweite Beratungsgremium des Distrikts, der Koordinationsbeirat, hat nur geringe praktische Bedeutung. Seine Mitglieder sind die leitenden Beschäftigten der gesamtstaatlichen Akteure im Distrikt. Er tritt dreimal pro Jahr zusammen oder wird im Anlassfall einberufen, wie bei Naturkatastrophen oder z. B. in Vorbereitung eines sportlichen Großereignisses. In diesem Gremium über die Regionalentwicklung zu sprechen und eine echte Koordinierung der hier vertretenen staatlichen Akteure zu erzielen, wäre zwar möglich, wird aber nicht gemacht, da der Distriktsgouverneur dafür nicht primär zuständig ist. Anders als etwa die Präfekten in Frankreich blieb der Distriktsgouverneur in Portugal ein reines politisches Vertrauensorgan der Regierung ohne formelle Qualifikationen als Anstellungsvoraussetzungen. In einer politisch 66 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 16. 67 Barreto, António: As Freguesias e a Regionalização, S. 43–51 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 43. 68 http://www.ine.pt/prodserv/censos_definit/censos_definit.asp 06/2004.

B. Gesamtstaatliche Akteure

67

schwierigen Situation verlangt ein Minister Informationen von seinen Unterbehörden, der Distriktsleitung seiner Partei aber eben auch vom Distriktsgouverneur.69 Diese politische Rolle und die Beschränkung auf eine bloß informelle Koordination der übrigen gesamtstaatlichen Akteure im Distrikt waren für den Niedergang der Institution in den letzten Jahrzehnten mitverantwortlich. Schließlich hatten die Distriktsgouverneure keine größeren Zuständigkeiten, Ressourcen oder Interaktionen mit anderen Akteuren mehr.70 Im Falle eines positiven Ausgangs des Regionalisierungsreferendums 1998 wären die Distriktsgouverneure, wie in der Verfassung vorgesehen, überhaupt abgeschafft worden. Anfang der 1990er-Jahre verliehen DL 5/1991 und DL 252/1992 den Distriktsgouverneuren einige auf dem Papier gewichtige Zuständigkeiten: Vertretung der Regierung im Distrikt, Begleitung von Verwaltungsverfahren von allgemeinem Interesse bei gesamtstaatlichen Akteuren im Distrikt, Förderung der Interaktion gesamtstaatlicher Akteure im Distrikt, Rechtskontrolle der Gemeinden, Koordinierung der Sicherheitskräfte, allgemeine Notfallkompetenz. Zusätzlich erhielten die Distriktsgouverneure im Laufe der Jahre eine Reihe von völlig zusammenhangslosen Aufgaben übertragen. So bekam in den 1990er-Jahren der Distriktsgouverneur von Lissabon die Aufgabe zugewiesen, gesamtstaatliche Akteure im Rahmen eines Drogenbekämpfungsprogramms zu koordinieren.71 Wohl brachte der Distriktsgouverneur dafür keine besonderen Voraussetzungen mit, war aber der Einzige, der damals dafür in Frage kam. Von den über Jahre angesammelten Zuständigkeiten haben die Distriktsgouverneure mittlerweile einige wieder an die Gebietsgemeinden abgegeben. So wurde in Art. 3 DL 264/2002 die langjährige Zuständigkeit der Distriktsgouverneure bei ihnen eingebrachte Anträge an die zuständigen gesamtstaatlichen Akteure weiterzuleiten an die Gebietsgemeinden übertragen. Weitere Übertragungen durch DL 310/2002 fanden in Bezug auf die Genehmigung von Feuerwerken, Sportveranstaltungen, Glücksspielen und Alarmanlagen statt. Nach wie vor zuständig sind die Distriktsgouverneure somit für Berufungen in Verwaltungsstrafverfahren bei Verkehrsübertretungen, Verbesserung der Verkehrssicherheit, verwaltungspolizeiliche Aufgaben bei der Überwachung von Diskotheken, Genehmigung von Ankündigungen und Versammlungen, Ausstellen von Reisepässen und Zivilschutz. An diesem Kompetenzgewirr der Distriktsgouverneure zeigen sich auch das Fehlen der regionalen Ebene und die Schwierigkeit, eine Verwaltung lückenlos nach Politikfeldern zu organisieren. 69 70 71

Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003. Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 26. http://www.gov-civil-lisboa.pt/04_actividades/acti02.asp 07/2003.

68

Kap. 1: Akteure

Die Distriktsgouverneurin von Lissabon sagte zur Erosion ihrer Kompetenzen im Interview, dass dies zwar die Erfüllung der verbliebenen Aufgaben erleichtert, aber in einer kleinen Behörde wie dem Distriktsgouvernement von Lissabon (einschließlich der Gouverneurin lediglich drei Beschäftigte des wenigstens gehobenen Dienstes) keine konkreten Einsparungen beim Personal bringt. Nach wie vor fehlen den Distriktsgouverneuren die Ressourcen, um die verbliebenen Kompetenzen auszuüben. Ein Beispiel dafür ist der Zivilschutz: Zwar sind die Distriktsgouverneure die Leiter der Zivilschutzmaßnahmen im Distrikt, aber nur in einem politisch koordinierenden Sinn. Die wirkliche Einsatzleitung liegt bei einem Berufsfeuerwehrmann. Auch die Zuständigkeiten des Gouverneurs, die Gemeinden zu beaufsichtigen oder die Sicherheitskräfte zu koordinieren, werden in der Praxis nicht ausgeübt. Weder hat ein Distriktsgouverneur dafür die Ressourcen, noch besteht nach Meinung der Gouverneurin von Lissabon die Notwendigkeit, sich in die Tätigkeit dieser spezialisierten gesamtstaatlichen Akteure einzumischen.72

IV. Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung Im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung wird in Portugal zwischen „administração indirecta“ und „administração autónoma“ unterschieden, wobei letzterer Begriff die Selbstverwaltung der Gemeinden umfasst und im Kapitel 1 Abschnitt „C. Kommunale Akteure“ behandelt wird. In dieser Arbeit wird „mittelbare Staatsverwaltung“ als Synonym für die „administração indirecta“ verwendet, umfasst also die Selbstverwaltung der Gemeinden nicht. Unter den Begriff „gesamtstaatliche Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung“ fallen also alle Akteure, die gesamtstaatliche Zuständigkeiten wahrnehmen, aber nicht einem direkten Weisungsrecht, sondern einem bloßen Aufsichtsrecht des zuständigen Ministers unterstehen und eigene Rechtspersönlichkeit haben. Damit kommt man auf die drei Definitionsmerkmale Rechtspersönlichkeit sowie Verwaltungsautonomie und Finanzautonomie unter Staatsaufsicht bei der Ausübung gesamtstaatlicher Kompetenzen. Weiters können juristische Personen des öffentlichen Rechts von denjenigen des Privatrechts, die vom Gesamtstaat beherrscht werden, unterschieden werden. Innerhalb der juristischen Personen des öffentlichen Rechts gibt es die Gruppe der öffentlichen Unternehmen nach DL 558/1999 und als Sammelbegriff für alle übrigen Typen die staatlichen Institute nach Lei 3/2004. Die Autonomie der gesamtstaatlichen Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung in fachlicher und finanzieller Hinsicht wird aber nicht nur durch 72

Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003.

B. Gesamtstaatliche Akteure

69

die formellen Aufsichtsrechte des jeweiligen Ministers eingeschränkt. Vor allem werden die Leiter dieser Akteure direkt vom jeweiligen Minister bestellt und abberufen, was eine informelle und intensive Steuerung nach politischen Zielen ermöglicht. Diese Tatsache macht die Schaffung solcher Akteure für die politischen Organe interessant: Einzelne politische Aufgaben werden einem neu gegründeten Akteur zugewiesen, damit organisatorisch und finanziell gegenüber der Linienverwaltung unabhängig gemacht und einem monokratischen Leiter unterstellt, der nach politischen Gesichtspunkten bestellt wurde. Ein weiterer Grund bei der Gründung ist der Wunsch nach einer Flucht aus dem engen Korsett des öffentlichen Rechts, insbesondere des Budgetrechts, die durch jeweils maßgeschneiderte Statuten und Budgetregeln ersetzt wurden. Neben dem Streben nach übersichtlicheren Organisationseinheiten hat auch die Übernahme neuer Aufgaben durch den Gesamtstaat zur Schaffung gesamtstaatlicher Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung geführt. Zum Beispiel wurde für den sozialen Wohnbau das nationale Wohnungsinstitut (Instituto Nacional de Habitação – INH) geschaffen, das einen landesweiten Wohnbauplan erstellt und die Immobilien des Gesamtstaats verwaltet.73 Heute umfasst der Gesamtstaat vor allem in technischen, wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bereichen eine Reihe von Akteuren der mittelbaren Staatsverwaltung.74 Eine einheitliche und mehrjährige Statistik über Anzahl und Ressourcenausstattung von Akteuren der mittelbaren Staatsverwaltung wird in Portugal nicht geführt, was das organisatorische Chaos belegt, das durch die undisziplinierte Gründung gesamtstaatlicher Akteure ohne Typenzwang verursacht wurde. Voraussetzung für eine solche Statistik wäre die Abgrenzung, Zählung und Klassifizierung der einzelnen Akteure: Mitte der 1990er-Jahre kam eine Studie auf eine Zahl von rund 900 Akteuren der mittelbaren Staatsverwaltung.75 2001 untersuchte eine Kommission diejenigen gesamtstaatlichen Akteure der mittelbaren und unmittelbaren Staatsverwaltung, die keine öffentlichen Unternehmen waren oder ausschließlich Serviceleistungen an Bürger erbrachten. Identifiziert wurden 450 Untergliederungen des Gesamtstaats, die genug Ressourcen, Zuständigkeit und Unabhängigkeit besaßen, um in dieser Studie als eigenständige Akteure angesehen zu werden. Die folgende Tabelle zeigt die Organisationsform derjenigen 389 Akteure, die sich an der Umfrage der Reformkommission beteiligten. 73 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 78. 74 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 75 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 23 u. 58.

70

Kap. 1: Akteure Tabelle 5 Organisationsform Gesamtstaatlicher Akteure76

Organisationsform

Anzahl

%

Generaldirektion und ähnliches

162

42

Öffentliches Institut

107

28

Kommission, Beirat

40

10

Projektorganisation

26

7

Andere

54

14

Gesamt

389

100

Zahlenmäßig dominieren die Generaldirektionen als typische Organisationsform der „administração directa“ und die öffentlichen Institute als diejenige der „administração indirecta“. Die geringe Anzahl von Kommissionen und Beiräten ist darauf zurückzuführen, dass in der obigen Statistik nur diejenigen aufgenommen wurden, die über ein eigenes Budget und Personal verfügen. Nach Kriterien der portugiesischen Personalstatistik wurden im selben Jahr 2001 allein im Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung 459 Akteure mit eigener Personalverantwortung gezählt. 201.000 Beschäftigte, oder 35% aller beim Gesamtstaat Beschäftigten, arbeiteten für diese Akteure. Damit kommen nach dieser Statistik rund 440 Beschäftigte auf einen Akteur der mittelbaren Staatsverwaltung.77 Dies entspricht dem Personalstand von Mittelbetrieben und zeigt, dass der Gesamtstaat in personeller Hinsicht nicht mit „Großunternehmen“ mit hunderttausenden Beschäftigten zu vergleichen ist, sondern eher mit einem „Konzern“ bestehend aus einer Vielzahl von Mittelbetrieben. 1. Budget der Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung Der Anteil der Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung am Budget des Gesamtstaats ist höher als ihr Anteil am Personal. Allerdings ist der Anteil an den Finanzen in den letzten Jahren im Sinken begriffen: Im Schnitt der 76 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final (2001) S. 133 f. 77 Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 5 u. 8.

B. Gesamtstaatliche Akteure

71

Tabelle 6 Budgetanteile der Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung 2004 nach Ressorts78 Ressort

Gesamt (Mio. e)

Regierungsunmittelbare Akteure (Mio. e)

Akteure der mittelbaren Verwaltung (Mio. e)

Akteure der mittelbaren Verwaltung (%)

Gesundheit

6.530

. 114

6.416

98,3

Forschung und Hochschulen

1.890

. 86

1.804

95,5

Wirtschaft

1.525

. 135

1.391

91,2

Landwirtschaft

2.380

. 279

2.101

88,3

Infrastruktur und Wohnbau

1.502

. 320

1.183

78,7

Justiz

1.130

. 530

. 600

53,1

Kultur

. 273

. 150

. 124

45,2

15.274

8.815

6.458

42,3

6.223

4.241

1.983

31,9

. 917

. 733

. 185

20,1

Verteidigung

1.966

1.771

. 194

9,9

Inneres

1.508

1.414

. 94

6,2

Äußeres

. 345

. 332

13

3,7

Schulwesen

5.513

5.391

. 122

2,2

Umwelt und Raumordnung80

2.893

2.830

.

63

2,2

49.868

27.140

22.729

45,6

Finanzen Soziales und Arbeit Allgem. Staatsfunktionen79

Gesamt

.

78 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 101 (Eingerechnet in die Budgets der Ressorts ist auch der nationale Investitionsplan PIDDAC des jeweiligen Ministeriums.). 79 Präsident, Ministerpräsident, Nationalversammlung, Rechnungshof. 80 In der originalen Statistik steht das Budget der CCDR in Höhe von 128 Mill e auf Seiten der Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung. Da diese aber keine Rechtspersönlichkeit aufweisen, dem Weisungsrecht des Ministers unterstehen und in ihrer Rechtsgrundlage ausdrücklich als Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung bezeichnet werden, wurde die Statistik dementsprechend umgestellt.

72

Kap. 1: Akteure

Jahre 2002–2004 lag er bei 47,4% und 2004 schließlich bei 45,6%. Dies ist einerseits das Ergebnis einer bewussten finanziellen Stärkung der unmittelbaren Staatsverwaltung, andererseits dasjenige von echten Privatisierungen, die sich vor allem als Einschränkung der mittelbaren Staatsverwaltung äußern. Zuvor war Ende der 1980er-Jahre das Budget der Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung außer Kontrolle geraten. Auf sie entfielen damals 77% der gesamtstaatlichen Ausgaben, wobei ihre Budgets im regulären Haushalt als Transfers aufschienen. Die formellen Kontrollrechte des Gesamtstaats konnten in der Praxis nicht mehr ausgeübt werden. Niemand wusste mehr, wie viel Geld und Personal diesen hunderten Akteuren zur Verfügung stand, zumal sie keinen einheitlichen Bilanzierungsregeln oder Personalrecht unterworfen waren.81 Zudem hielten bis in jüngere Zeit Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung die vorhandenen Normen im Budgetbereich häufig nicht ein. Die Regierung musste noch 2003 einigen dieser Akteure drohen, ihnen deshalb die Finanzautonomie zu entziehen.82 Als Erstes fällt auf, dass der finanzielle Anteil der Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung in den einzelnen Ressorts sehr unterschiedlich ist, von 98 % im Gesundheitsressort bis zu 2 % im Bereich von Umwelt und Raumordnung. Auch die Ursachen für einen hohen Anteil von Akteuren der mittelbaren Staatsverwaltung an den Budgetmitteln ihrer Ressorts ist von Ressort zu Ressort unterschiedlich: Intensive Förderung von Unternehmen (Wirtschaft, Landwirtschaft), Nachbildung unternehmerischer Strukturen als Vorbereitung einer Privatisierung (Krankenhäuser, Wohnbau), Sicherstellung politischer Unabhängigkeit von der Regierung (Hochschulen, Justiz), Steuerung öffentlicher Unternehmen (Finanz). Der Anteil autonomer Akteure am Budget des Ressorts für Umwelt und Raumordnung fällt mit 2,2% am niedrigsten aus, weil dieses Ministerium viele Investitionen nicht über seine Akteure der unmittelbaren Verwaltung (Institute), sondern über die Gebietsgemeinden abwickelt. Das Investitionsprogramm des Gesamtstaats (PIDDAC) wurde 2004 zu 45% von der EU finanziert, zu 40% von den Ministerien des Gesamtstaats und zu 15% aus den Budgets gesamtstaatlicher Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung.83 Während die Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung also einen bedeutenden Anteil von 15% an der Finanzierung dieses Pro81

Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 23 u. 58. 82 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-58. 83 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) III-2.

B. Gesamtstaatliche Akteure

73

gramms haben, ist ihr Anteil am Vollzug des Programms mit 32% mehr als doppelt so hoch. Dies zeigt, dass Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung weniger zur Finanzierung als vielmehr zum Vollzug gesamtstaatlicher Investitionen verwendet werden, wobei es vor allem die öffentlichen Unternehmen sind, welche Investitionen tätigen. Tabelle 7 Vollzug der Investitionen des PIDDAC 2004 nach Akteursgruppen84 Akteursgruppe

Anteil am Vollzug des PIDDAC in %

Ministerien des Gesamtstaats

37

Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung (davon öffentliche Unternehmen 26%)

32

Gesamtstaatliche Akteure gesamt

69

Gemeinnützige Akteure Privatunternehmen Privathaushalte Private Akteure gesamt

5 14 6 25

Gebiets- und Ortsgemeinden

3

Andere

3

Gesamt

100

Natürlicherweise dominieren gesamtstaatliche Akteure mit 69% den Vollzug des Investitionsprogramms des Gesamtstaats. Gefolgt werden sie von privaten Akteuren mit einem beachtlichen Anteil von 25%. Auffällig ist der geringe Anteil der Gemeinden, der darauf zurückzuführen ist, dass diese eher direkt gesamtstaatliche Sonderzuweisungen erhalten und damit eigene Investitionsprojekte durchführen, anstatt gesamtstaatliche Projekte zu vollziehen. Allerdings steigt über ihre Beteiligung an öffentlichen Unternehmen (z. B. im Bereich der Wasserwirtschaft) indirekt ihre Beteiligung am Vollzug des PIDDAC.

84

Ibid. III-12.

74

Kap. 1: Akteure

2. Staatliche Institute In Art. 3 u. 4 Lei 3/2004 werden staatliche Institute (Institutos Pfflblicos) als vom Gesamtstaat gegründete juristische Personen des öffentlichen Rechts definiert, die keine öffentlichen Unternehmen iSv DL 558/1999 sind. Allerdings gibt es in der Praxis Mischformen zwischen staatlichen Instituten und staatlichen Unternehmen im Bereich der Statistik, Staatsschuldverwaltung, Berufsausbildung und des Straßenbaus.85 Staatliche Institute sind in Portugal also ein Oberbegriff für juristische Personen des öffentlichen Rechts, wobei der Begriff die staatlichen Unternehmen nicht mitumfasst. Die Regierung richtet staatliche Institute durch Hoheitsakt ein und gibt Ziele sowie die wesentlichen Mittel zu ihrer Erreichung vor. Dabei unterlag sie keinem Typenzwang und konnte Mischformen aus Körperschaften, Stiftungen und Anstalten einrichten. Ressourcen erhalten die staatlichen Institute hauptsächlich durch direkte Transfers aus dem Staatshaushalt. In der Vergangenheit wurden staatliche Institute gegründet, um der parlamentarischen Kontrolle und dem öffentlichen Dienstrecht ein Stück weit zu entgehen. Der Wunsch nach einer Flucht ins Privatrecht war wohl bei einem Drittel der Institute ausschlaggebend. Bei anderen war es die Schaffung parteipolitisch vertrauenswürdiger Akteure nach einem Regierungswechsel, was zu Parallelstrukturen und Verschwendung von Ressourcen führte. Vor allem wurden Institute, die nicht mehr gebraucht wurden, nicht aufgelöst, sondern bestanden weiter.86 Schon im Estado Novo war es üblich, dass die Linienorganisation der Generaldirektionen durch spezialisierte staatliche Institute mit relativ großer Entscheidungsfreiheit ergänzt wurde.87 Allerdings gab es am Ende dieser von jahrzehntelanger Budgetdisziplin geprägten Periode nur 24 staatliche Institute, ebenso viele wurden allein in den fünf Jahren nach dem Umsturz 1974 gegründet. In den 1980er-Jahren kamen 119 dazu, in den 1990er-Jahren nochmals 126. Damit wurde in einem Zeitraum von 20 Jahren monatlich im Schnitt ein staatliches Institut gegründet, wobei nur die eingerechnet sind, die am Ende des Untersuchungszeitraums 2002 noch immer bestanden und sich auf 309 beliefen. Etwa ein Drittel davon gehörte zum Gesundheitsministerium, zehn Prozent zum Bildungsministerium, weitere zehn Prozent zum Wirtschaftsministerium. Die Aufsicht über die restliche Hälfte hatten 85

Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 94. Direcção-Geral da Administração Pfflblica: Os institutos pfflblicos contribuem para a crise das contas pfflblicas?, (2002) S. 12 u. 25. 87 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 24. 86

B. Gesamtstaatliche Akteure

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verschiedene, teilweise auch mehrere Ministerien. Mit Lei 16-A/2002 wurden schließlich 40 dieser staatlichen Institute aufgelöst.88 Nach ihrer Funktion kann man drei Arten von Instituten unterscheiden: Dienstleistungsinstitute wie Krankenhäuser, Universitäten und Sozialzentren; Regulierungsinstitute bzw. Aufsichtsinstitute, welche in Portugal in folgenden Bereichen tätig sind: Medien, Immobilien, Elektrizität, Eisenbahn, Bankwesen und Versicherungen, Nahrungsmittel und Arbeitshygiene; schließlich Infrastrukturinstitute wie dasjenige für die Justizverwaltung, den sozialen Wohnbau oder für die Hafenanlagen.89 Insgesamt entsprachen die portugiesischen „institutos pfflblicos“ mit den Merkmalen juristische Persönlichkeit, Verwaltungs- und finanzielle Autonomie in etwa den französischen „établissements publics“, hatten aber anders als diese keine einheitliche Rechtsgrundlage.90 Dass jedes Institut sein eigenes Statut hatte und nicht von vornherein offensichtlich war, was ein Akteur der mittelbaren Staatsverwaltung darf und soll, wurde seit langem kritisiert. Lei 3/2004 schuf für staatliche Institute endlich eine neue einheitliche Rechtsgrundlage, indem es die Gründung, Kompetenzen, staatliche Aufsicht und Evaluierung der Leistungen staatlicher Institute regelt. In der Folge sollten die einzelnen Statuten der existierenden Institute vereinheitlicht und mit der neuen Rechtsgrundlage in Einklang gebracht werden.91 Es gibt allerdings Ausnahmen für Universitäten, Sozialversicherungsträger, Krankenhäuser, Tourismusverbände und die Nationalbank. Für diese sind nach Art. 48 Lei 3/2004 die gemeinsamen Regeln für alle staatlichen Institute dann nicht bindend, wenn dies ihre jeweilige Aufgabe erfordert. Nach Art. 9 Lei 3/2004 werden staatliche Institute per Gesetzesdekret (Decreto-Lei) gegründet. Nach Art. 6 u. 10 Lei 3/2004 dürfen sie nur dann eingerichtet werden, wenn die Erfüllung der in Frage stehenden staatlichen Aufgabe eine eigene juristische Person und das Fehlen einer direkten Leitung durch den Minister erforderlich machen. Staatliche Institute verfolgen öffentliche Interessen und nicht die Interessen einzelner Bevölkerungsgruppen, deshalb werden ihre Organwalter auch von Organen des Gesamtstaats bestellt und nicht extra demokratisch legitimiert.92 Es wird also von den 88 Direcção-Geral da Administração Pfflblica: Os institutos pfflblicos contribuem para a crise das contas pfflblicas?, (2002) S. 19, 23 u. 29. 89 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 94 f. 90 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 23. 91 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-35. 92 Caupers, João: A administração periférica do Estado. Estudo de ciência da administração. Dissertação de doutoramento em ciências jurídico-políticas na Faculdade de Direito da Universidade de Lisboa (Lisboa 1993) S. 103.

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Kap. 1: Akteure

politischen Organen des Gesamtstaats an eine juristische Person zwar operative, nicht aber politische Verantwortung abgegeben. Die Vielzahl staatlicher Institute und deren häufige Interessenkonflikte steigern die Bedeutung der politischen Ebene, weil nur diese im Zweifelsfall Entscheidung treffen kann. Ein Beispiel sind Meinungsverschiedenheiten zwischen den CCDR und anderen Instituten im Umweltbereich, welche der Minister für Umwelt und Raumordnung entscheiden muss.93 Nach Art. 5 Lei 3/2004 genießen staatliche Institute jedenfalls Verwaltungsautonomie und normalerweise zusätzlich finanzielle Autonomie. Für jedes staatliche Institut muss ein Minister die Aufsicht übernehmen, welcher das Budget, den Jahresplan und den Stellenplan genehmigt. Außerdem kann er Weisungen erteilen in Bezug auf zu erreichende Ziele und den entsprechenden Zeitplan. Welche Mittel dafür im Einzelnen einzusetzen sind, ist im Normalfall der Leitung des staatlichen Instituts überlassen. Die Überwachung der Finanz- und Verwaltungsautonomie der staatlichen Institute durch die Minister bezeichnet man als „superintendência“. Davon ist die weniger intensive Aufsicht „tutela“ über die Gemeinden zu unterscheiden.94 Das Verwaltungsverfahrensrecht, das öffentliche Dienstrecht und das öffentliche Finanzrecht sind nach Art. 6 Lei 3/2004 auf staatliche Institute anzuwenden, was in der Vergangenheit nicht eindeutig war. Dementsprechend sind nunmehr auch die Verwaltungsgerichte und der Rechnungshof für sie zuständig. Nach Art. 17 Lei 3/2004 haben alle staatlichen Institute ein kollegiales Exekutivorgan, dessen Präsident, ähnlich wie die leitenden Beschäftigten der unmittelbaren gesamtstaatlichen Verwaltung, für maximal drei jeweils dreijährige Funktionsperioden bestellt werden kann. 3. Staatliche Unternehmen Art. 82 CRP handelt in heute antiquiert anmutender, marxistisch vorgeprägter Wortwahl vom „Eigentum an Produktionsmitteln“95 und schafft nach diesem Kriterium drei Sektoren: den „öffentlichen Sektor“, in dem Eigentum und Verwendung der Produktionsmittel durch staatliche Akteure erfolgt, den „privaten Sektor“, in dem diese Funktionen durch private Akteure ausgeübt werden, und schließlich den „kooperativen und sozialen Sektor“. Vor der Verfassungsreform 1997 garantierte die Verfassung Wirtschaftssektoren, in denen private Akteure nicht tätig werden durften.96 In der heutigen 93 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 26. 94 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 88. 95 „Sectores de propriedade dos meios de produção“.

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Fassung enthält Art. 86 Abs. 3 CRP97 nur mehr eine Ermächtigung an den einfachen Gesetzgeber, solche Sektoren vorzusehen, was mit Lei 88/A/1997 auch wahrgenommen wurde. DL 379/1993 regelt z. B. die Abgrenzung der Sektoren extra für den Bereich der Wasserwirtschaft und der Abfallentsorgung. Auch in Portugal bedarf die Einrichtung staatlicher Unternehmen einer besonderen Begründung, da dem Staat verfassungsrechtlich gerade kein Recht auf allgemeine wirtschaftliche Betätigung zukommt.98 Nach DL 558/1999 der zentralen Norm zu diesem Thema, ist eine solche Begründung in der Verfolgung öffentlicher Interessen zu suchen. Art. 4 DL 558/1999 gibt den Akteuren des öffentlichen Unternehmenssektors als Ziel vor, einen Beitrag zum wirtschaftlichen und finanziellen Gleichgewicht des gesamten öffentlichen Sektors zu leisten und Bedürfnisse der Daseinsvorsorge der Bürger zu befriedigen. Damit dienen Unternehmen des öffentlichen Sektors entweder anderen staatlichen Akteuren oder unmittelbar den Bürgern und sind Instrumente, um öffentliche Ziele zu erreichen. Nach Art. 37 DL 558/1999 bedarf jede Beteiligung des Gesamtstaats an Privatunternehmen außerdem der zentralen Genehmigung des Finanzministers. Für die nach dem Umsturz 1974 verstaatlichten Unternehmen stellte DL 260/1976 eine eigene Rechtsform zur Verfügung, die später auch zur Neugründung staatlicher Unternehmen durch den Gesamtstaat und die Gebietsgemeinden genutzt wurde. Nach der Verfassungsänderung 1998 verblieben durch Privatisierungen und die Umgründung in Unternehmen des Handelsrechts nur mehr wenige Unternehmen in dieser Rechtsform. 1999 waren es nur mehr 18 Unternehmen, von denen zwei Drittel aus dem kommunalen Bereich stammten.99 Ein Grund für diese Flucht ins Privatrecht war, dass man so der Kontrolle durch den Rechnungshof entgehen konnte und nicht an das Gehaltsschema des öffentlichen Dienstes gebunden war.100 Nach dem katastrophalen Ende der sozialistischen Planwirtschaft im östlichen Teil Europas und dem Beitritt Portugals zur EU, also unter völlig veränderten politischen und wirt96

Sousa, Marcelo Rebelo de et al.: Constituição da Repfflblica Portuguesa Comentada. Introdução Teórica e Histórica. Anotações. Doutrina e Jurisprudência. Lei do Tribunal Constitucional (Lisboa 2000) 200. 97 Art. 86 Abs. 3 CRP: A lei pode definir sectores básicos nos quais seja vedada a actividade às empresas privadas [. . .]. 98 Amorim, João Pacheco de: As empresas pfflblicas no direito português. Em especial, as empresas municipais (Lisboa 2000) S. 99. 99 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 89. 100 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 26.

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Kap. 1: Akteure

schaftlichen Rahmenbedingungen, wurde die Rechtslage aus den 1970erJahren schließlich durch DL 558/1999 ersetzt. Man folgt nunmehr der Definition von staatlichen Unternehmen (Empresas Pfflblicas) anderer europäischer Länder und des Europarechts, die nicht auf eine eigene Rechtsform, sondern auf die Beherrschung eines Unternehmens durch staatliche Akteure abstellt, sei es über Kapitalanteile, Stimmrechte oder Ernennungsrechte von Organwaltern.101 Prinzipiell gelten für diese Unternehmen nunmehr die rechtlichen Rahmenbedingungen privater Unternehmen. Nach Art. 14 DL 558/1999 verbleibt staatlichen Unternehmen aber eine öffentlich-rechtliche Sonderstellung bei Enteignungen im öffentlichen Interesse und der Nutzung staatlichen Eigentums. Obwohl das Personal staatlicher Unternehmen privatrechtliche Arbeitsverträge hat, kann es nach Art. 17 DL 558/1999 befristet für staatliche Akteure tätig werden. Umgekehrt können Beschäftigte staatlicher Akteure auf Zeit in staatlichen Unternehmen tätig sein. Die Aufsichtsrechte des Gesamtstaats über staatliche Unternehmen werden vom Rechnungshof und der Generalinspektion des Finanzministeriums ausgeübt. Eine Untergruppe staatlicher Unternehmen bilden nach Kapitel III DL 558/1999 die „Entidades pfflblicas empresariais“. Sie sind als juristische Personen des öffentlichen Rechts mit Unternehmenscharakter definiert und werden durch DL eingerichtet. Sie stehen im ausschließlichen Eigentum staatlicher Akteure, sind aber ins Firmenbuch eingetragen und unterliegen den Bilanzierungsvorschriften der Privatwirtschaft. Intern sind sie im Wesentlichen wie Aktiengesellschaften organisiert. Der Hauptunterschied zu den übrigen staatlichen Unternehmen ist die eigene Rechtsform und die direkte staatliche Aufsicht durch den Finanzminister und einen weiteren Fachminister. Die Reichweite der Aufsicht richtet sich nach dem Einzelfall und ist heute tendenziell weniger stark als früher.102 Ein interessanter Aspekt ist der Ausbau der Bürgerbeteiligung in Bezug auf solche Unternehmen und eine diesbezügliche Regelung in einem eigenen DL, welche in Art. 22 DL 558/1999 angekündigt wird. 4. Akteure in Privatrechtsform Für unternehmerische und nichtunternehmerische Zwecke wurden in Portugal von staatlichen Akteuren auch juristische Personen des Privatrechts 101 In diesem weiten Sinne wird der Begriff „öffentliches Unternehmen“ auch in dieser Arbeit verstanden. 102 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-62.

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errichtet. 1999 arbeiteten für solche Akteure 11.700 Beschäftigte, was 2% aller Beschäftigten gesamtstaatlicher Akteure entsprach.103 Während die Zahl staatlicher Unternehmen in Privatrechtsform durch Privatisierungen seither zurückging, wurden für nicht unternehmerische Zwecke zusätzliche staatliche Akteure in Privatrechtsform gegründet.104 Eine neuere Entwicklung ist, dass der Gesamtstaat auch für reine Verwaltungsaufgaben juristische Personen des Privatrechts einrichtet.105 Für den Vollzug des POLISProgramms zur Stadterneuerung wurden etwa 22 Gesellschaften gegründet.106 An solchen Gesellschaften (associações pfflblicas) kann ein einziger staatlicher Akteur beteiligt sein oder mehrere, die etwa ein gemeinsames längerfristiges Projekt auf diese Weise organisieren. Auch die Beteiligung von Privatunternehmen ist möglich. Ähnliches gilt für Aktiengesellschaften (sociedades anónimas). Neben den juristischen Personen des Handelsrechts finden sich seit Jahrzehnten auch staatliche Stiftungen. Für die Gebietsgemeinden existiert zur Gründung von Stiftungen eine ausdrückliche Ermächtigung in Art. 53 Abs. 2 Lei 169/1999, für den Gesamtstaat gibt es eine solche Ermächtigung nicht. In der Lehre ist man der Auffassung, dass der Staat Stiftungen gründen kann, was er seit den 1930er-Jahren auch getan hat. Allerdings wird der Ausnahmecharakter solcher Gründungen betont sowie die Bindung an die Grundrechte und die parlamentarische Kontrolle. Beispiele für Stiftungen sind die Stiftung für das Kulturzentrum in Belem bei Lissabon oder für die Naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Lissabon. Dieser Rechtsform bedienen sich staatliche Akteure häufig für soziale Aufgaben: Bildung, sozialer Wohnbau, Altersheime, Krankenhäuser, Sozialeinrichtungen, Waisenhäuser, Versicherungen. In Art. 63 Abs. 5 CRP ist die Verpflichtung des Gesamtstaats festgeschrieben, die staatlichen Stiftungen zu unterstützen und zu beaufsichtigen.107

103 Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 4. 104 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 91. 105 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 89 f. 106 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-60. 107 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 97 f. u. 108.

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Kap. 1: Akteure

V. Kontrollierende und beratende Akteure 1. Rechnungshof und Generalinspektion für Finanzen Der Rechnungshof (Tribunal de Contas) ist nach Art. 214 CRP ein echtes Gericht, das allerdings auch administrative Funktionen ausübt. Es ist das oberste Kontrollorgan für die Finanzen staatlicher Akteure, das sowohl Unregelmäßigkeiten feststellen als auch die Verursacher zur Verantwortung ziehen soll. Die Amtsperiode seines Präsidenten verläuft parallel zur Legislaturperiode der Nationalversammlung. Ernannt wird er vom Präsidenten der Republik auf Vorschlag der Regierung. Nach Lei 98/1997 hat der Rechnungshof auch Dienststellen außerhalb der Hauptstadt. Insgesamt gibt es eine Abkehr von der präventiven Kontrolle und Genehmigung finanzieller Transaktionen staatlicher Akteure hin zu einer nachträglichen Gebarungskontrolle. Letztere fordern vor allem die Gemeinden seit Jahren vehement. Seit den 1990er-Jahren gibt es die zusätzliche Tendenz zur Ausweitung des Prüfungsmaßstabs des Tribunal de Contas in meritorischer Hinsicht.108 Der EU-Beitritt brachte eine Veränderung in Richtung einer von politischen Organen unabhängigen, finanziellen Kontrollinstitution, da eine solche für den Erhalt von EU-Mitteln notwendig ist.109 Tabelle 8 Basisdaten für den Rechnungshof 2003110 Beschäftigte Budget Davon Personalausgaben

624 24,1 Mio. e 20,2 Mio. e

Vom Gesamtpersonal des Rechnungshofs sind 52% wirklich als Prüfer tätig. Damit ist er die weitaus am besten ausgestattete Kontrollinstitution des Landes. Seine Stellung ist auch dadurch herausgehoben, dass er jährlich die Kontrollberichte von rund 160 internen Kontrollinstitutionen anderer staatlicher Akteure erhält.111 108 Sousa, Marcelo Rebelo de et al.: Constituição da Repfflblica Portuguesa Comentada. Introdução Teórica e Histórica. Anotações. Doutrina e Jurisprudência. Lei do Tribunal Constitucional (Lisboa 2000) S. 341. 109 http://www.tcontas.pt/pt/apresenta/historia/tc1976-.shtm 01/2005. 110 Tribunal de Contas de Portugal: Relatório de Actividades do Ano 2003. Versão resumida, (2004) S. 15. 111 Ibid. S. 5.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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Daneben existiert im Finanzministerium noch die weisungsgebundene Generalinspektion für Finanzen. Sie untersucht alle Akteure, die mit öffentlichen Mitteln wirtschaften, außerdem gemeinnützige private Akteure. Sie kann von sich aus die Initiative zu einer Prüfung ergreifen, trifft aber selbst keine Entscheidungen darüber, wie mit Unregelmäßigkeiten umzugehen ist.112 2. Generalinspektion für die öffentliche Verwaltung (IGAP) Die Generalinspektion für die öffentliche Verwaltung (Inspecção-Geral da Administração Pfflblica, IGAP) ist im Finanzministerium dem Staatssekretär für die öffentliche Verwaltung unterstellt. Im Jahr 1998 im Bereich des Ministeriums für Verwaltungsmodernisierung gegründet, ist die IGAP nach Art. 1 DL 154/2001 für die Kontrolle aller staatlichen Akteure in Bezug auf die Bereiche Personalangelegenheiten, Bürgerservice und Verwaltungsmanagement zuständig.113 Nach dem Wortlaut sind auch die Gemeinden umfasst, nach Art. 3 lit. g DL 154/2001 auch Unternehmen, die öffentliche Konzessionen ausüben. Damit besteht in Bezug auf die Gemeinden eine Parallelkompetenz zur Generalinspektion für die Gebietskörperschaften (IGAT), die aber in der Praxis von der IGAP nicht ausgeübt wird, wie ein Blick in ihre Jahresberichte zeigt. Ganz allgemein ist die IGAP zur Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof und den Kontrollbehörden anderer Ministerien verpflichtet. Vor allem im Bereich des Verwaltungsmanagement übt die IGAP eine Zweckmäßigkeitskontrolle in Bezug auf Effizienz und Servicequalität aus. Dazu soll die IGAP Evaluierungen und Inspektionen durchführen und Vorschläge erarbeiten. Ihr stehen dafür 102 Dienstposten des wenigstens gehobenen Dienstes zur Verfügung sowie 50 Dienstposten mit einer niedrigeren Bewertung.114 Besetzt sind davon aber nur 40%, also 63 Posten. Zieht man die Verwaltungsposten ab, bleiben schließlich 45 aktive Inspektoren für ganz Portugal übrig.115 Im Jahr 2003 hatte die IGAP ein Budget von 2,2 Mio. e, von dem 87% für Personalausgaben verwendet wurden. In den nächsten Jahren plant die IGAP ihre stichprobenartigen Kontrollen, um systematische Vergleiche einzelner Dienststellen verschiedener Ministerien zu ergänzen.116 112

Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 54. Art. 1 DL 154/2001 „. . . todos os serviços pfflblicos e pessoas colectivas de direito pfflblico.“ (öffentlicher Dienst und juristische Personen des öffentlichen Rechts). 114 Ministério das Finanças, Portaria 1014/2001. 115 Inspecção-Geral da Administração Pfflblica: Balanço Social 2002, (2003) S. 5. 116 Inspecção-Geral da Administração Pfflblica: Plano de actividades 2003, (2003) S. 15 f. 113

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Kap. 1: Akteure Tabelle 9 Basisdaten der IGAP 2003117 Beschäftigte insgesamt davon gehobener Dienst oder höher

63 42 (67%) 2,2 Mio. e

Budget

3. Generalinspektion für die Gebietskörperschaften (IGAT) Die Generalinspektion für die Gebietskörperschaften (Inspecção-Geral da Administração do Território, IGAT) wurde 1987 gegründet und ist für die allgemeine Gemeindeaufsicht zuständig. Sie kontrolliert auch gesamtstaatliche Akteure, deren Akte Voraussetzung für Verwaltungsverfahren der Gemeinden sind. Die IGAT führt auch die Kontrolle der zweiten Ebene für EU-Projekte durch.118 Tabelle 10 Basisdaten der IGAT 2001119 Beschäftigte insgesamt davon gehobener Dienst oder höher Budget

71 48 (67%) 2,3 Mio. e

Die IGAT hat 71 Beschäftigte, wovon 30 den wirklichen Inspektionsdienst durchführen. Eigentlich wären dafür 110 Dienstposten vorgesehen. Der überwiegende Teil des Budgets von 2,3 Mio.e wurde 2001 für das Personal verwendet. 4. Kontrollinstitutionen in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung 1991 traten sechs Inspektoren ihren Dienst im Umweltministerium an und führten jährlich 200 Inspektionen durch. Diese Zahl wuchs bis 1997 auf 300 Inspektionen. Erst mit der Gründung der Generalinspektion für die 117

Ibid. S. 15 f. Inspecção Geral da Administração do Território: Relatório de actividades 2001, (2002) S. 3. 119 Ibid. S. 7. 118

B. Gesamtstaatliche Akteure

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Umwelt (Inspecção General do Ambiente, IGA) im Jahre 1997 schnellte die Zahl der Kontrolleure auf 17, die der Kontrollen auf 1.100.120 Tabelle 11 Basisdaten der IGA 2001121 Beschäftigte insgesamt davon gehobener Dienst oder höher Budget (ohne Personalausgaben)

229 132 (57%) 4,5 Mio. e

Die IGA ist für die Politikfelder Umweltschutz und Raumordnung zuständig. Ihr Aufgabenbereich umfasst nach Art. 13 DL 97/2003 die Kontrolle öffentlicher und privater Akteure in den Bereichen Raumordnung, Umweltschutz und Naturschutz, ausdrücklich auch für von der EU finanzierte Vorhaben und für Anlagen, die einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen wurden. Sie ist für die Führung von Verwaltungsstrafverfahren zuständig und zur Ausübung kriminalpolizeilicher Befugnisse im Bereich der Umweltkriminalität. Außerdem ist die IGA die interne Kontroll- und Beratungsabteilung des Umweltministeriums. Typisch für Portugal ist das System der Parallelkompetenzen zwischen der IGA und den Instituten des MOTA, die im Politikfeld Umwelt parallele Kontrollfunktionen mit leicht veränderten Schwerpunkten ausüben. Außerdem ist noch die Generalinspektion für Gebietskörperschaften in Bezug auf die Gemeinden zuständig. Ein Blick in den Jahresplan der IGA zeigt allerdings, dass diese in der Praxis nur einen kleinen Teil ihrer Zuständigkeiten wirklich ausübt und letztlich nur mittlere bis große Unternehmen im Bereich der Schadstoffemissionen kontrolliert. Eine Kontrolle im Politikfeld Raumordnung findet ebenso wenig statt wie die Kontrolle staatlicher Akteure, womit die juristisch angelegten positiven Kompetenzkonflikte in der Praxis nicht stattfinden. 76% aller 1.039 Kontrollen der IGA waren im Jahr 2001 geplante Kontrollen, ein Großteil davon bezog sich auf große Unternehmen. Für diese Planung erhält die IGA Informationen von den Regionaldirektionen für Raumordnung und Umweltschutz (DRAOT). 8% der Kontrollen erfolgten nach Hinweisen von Privaten. Die ganz große Mehrheit der Kontrollen fand im stärker industrialisierten Küstenstreifen statt. Im Schnitt der Jahre 2000 und 2001 leitete die IGA jährlich etwa 300 Verfah120 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 39 u. 44. 121 Inspecção Geral do Ambiente (Hg.): Relatório Anual 2001 (Amadora 2002) S. 20.

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Kap. 1: Akteure

ren wegen Verletzung von Umweltschutznormen ein. Sieben Fälle wurden als Vergehen gegen das Umweltstrafrecht bei der Staatsanwaltschaft angezeigt, zwei Anlagen wurden von der IGA sofort geschlossen.122 Durch die Tätigkeit der IGA verringerte sich das Vollzugsdefizit in einigen Problembereichen.123 Eine Reihe weiterer gesamtstaatlicher Akteure wird in einer Nebenfunktion in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung kontrollierend tätig: Das Forstinstitut hat eine eigene, 290 Mann starke Forstwache und ist für 38% der Landesfläche in den Bereichen Jagd, Fischerei und Forstwirtschaft tätig. Bei der „Guarda Nacional Republicana“, einem in dünn besiedelten, ländlichen Gebieten tätigen Wachkörper, wurde 2001 eine spezielle Kontrolleinheit mit 202 Beschäftigten für das Politikfeld Umwelt eingerichtet (Serviço de Protecção da Natureza e do Ambiente, SEPNA). Neben der Kontrolle des Handelns Privater im Bereich von Umwelt-, Natur- und Denkmalschutz zählt auch die Aufklärung in Schulen zu den Aufgaben der SEPNA. Im Jahr 2002 deckte die SEPNA 82 strafrechtlich relevante Verstöße und 4.452 Verwaltungsübertretungen im Umweltbereich auf.124 Das sind 13 pro Tag und zehnmal mehr, als die Generalinspektion für Umwelt aufdecken konnte, die etwa gleich viele Beschäftigte aufweist. Die fünf derzeit in die CCDR integrierten Regionaldirektionen für Umwelt und Raumordnung (DRAOT) haben für Kontrollaufgaben 187 Beschäftigte.125 Außerdem haben zwei weitere Institute des Umweltministeriums solche Einheiten. Das Wasserinstitut (INAG) hat 67 Beschäftigte zur Überwachung der Binnengewässer und der Küsten126 und das Naturschutzinstitut (ICN) 155 eigene Kontrollorgane für die Naturschutzgebiete, die 22% der Landesfläche ausmachen.127 Geht man davon aus, dass die Hälfte des Personals in den Kontrolleinheiten für Leitung und Verwaltung der Kontrolle und die Auswertung der Ergebnisse eingesetzt ist, bleiben 470 Beschäftigte gesamtstaatlicher Akteure über, die wirklich als Kontrolleure und Inspektoren tätig sind. Damit kommt auf 21.300 Einwohner oder 183 km2 Landesfläche ein Kontroll122

Ibid. S. 20. Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 39 u. 44. 124 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/Posicoes/2003/03_20_sepna_gnr. html 05/2003. 125 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.1. 126 Ibid. Volume 1, Capitulo II, 2.3.1. 127 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al.: Relatório de Actividades do Instituto da Conservação da Natureza 2000, (2001) S. 60. 123

B. Gesamtstaatliche Akteure

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Tabelle 12 Kontrollpersonal in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung ~ 2001128 Institution

Personal

Forstinstitut (Jagd, Fischerei, Forstwirtschaft)

290

Naturwache der Guarda Nacional Republicana – SEPNA

202

Regionaldirektionen für Umwelt und Raumordnung – DRAOT

187

Naturschutzinstitut – ICN

155

Wasserinstitut – INAG

67

Generalinspektion für Umwelt – IGA

35

Gesamt

936

organ. Obwohl diese Zahlenverhältnisse auf eine halbwegs ausreichende Kontrolle schließen ließen, gibt es die einhellige Meinung, dass die schwache Kontrolle hauptverantwortlich für die Vollzugsdefizite im Umweltbereich ist. Dies wird im Kapitel 7 Abschnitt „B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure“ näher dargestellt. 5. Beratende Akteure In Portugal gibt es eine Vielzahl beratender Gremien, die nach Art. 7 Lei 4/2004 durch Gesetzesdekret gegründet werden und der Zusammenarbeit des Gesamtstaats mit gesellschaftlichen Akteuren dienen. Der Staatsrat (conselho do Estado) und der Wirtschafts- und Sozialrat (conselho económico e social) sind durch ihre Erwähnung in der Verfassung herausgehoben. In Gegensatz etwa zum französischen Staatsrat hat der portugiesische laut Art. 145 u. 195 CRP nur die Funktion der Beratung des Präsidenten und das Recht, sich über die Auflösung der Nationalversammlung oder die Entlassung der Regierung auszusprechen. Er besteht aus dem Präsidenten und seinen Vorgängern, dem Premier, dem Präsidenten der Nationalversammlung, dem Präsidenten des Verfassungsgerichts, dem Ombudsmann Provedor de Justiça und je fünf vom Präsidenten und der Nationalversammlung ausgewählten Mitgliedern. Nach Art. 92 CRP ist der Wirtschafts- und Sozialrat für die Beratung und Abstimmung zwischen Regierung und Sozialpartnern (Konzertierung) 128

Quellenangaben im vorigen Absatz.

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Kap. 1: Akteure

zuständig. In diesem Rahmen nimmt er an der Ausarbeitung der „Grandes Opções do Plano“ und anderer Wirtschaftspläne teil. Im Wirtschafts- und Sozialrat sind der Gesamtstaat, die autonomen Inselregionen und die Gemeinden vertreten, außerdem die Arbeitgeber und Arbeitnehmer und seit 1997 die „Familien“ (Näheres dazu im Kapitel 7 Abschnitt „V. Beteiligung in Beiräten“). Sein Präsident wird nach Art. 163 lit. i CRP mit Zwei-Drittel-Mehrheit von der Nationalversammlung gewählt.129

VI. Ministerium für Umwelt und Raumordnung 1. Institutionelle Entwicklung des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung Die erste Generaldirektion für Umweltschutz war mit DL 130/1986 im damaligen Planungsministerium gegründet worden. Von 1990 bis 1999 gab es dann ein eigenes Umweltministerium. Darin lag einerseits die Chance, eine starke Interessenvertretung für die Umwelt aufzubauen, andererseits das Risiko, dass das Umweltministerium als Außenseiter alleine gegen alle anderen Ministerien unterlag.130 Im Jahr 1999 wurde das Umweltministerium in das Planungsministerium eingegliedert, das für Raumordnung und die regionalen Koordinierungskommissionen – CCDR zuständig war. Seither blieben auf Regierungsebene die Politikfelder Umwelt und Raumordnung verbunden, was bereits 1987 im UmweltrahmenG als Ziel vorgegeben war. Dieses gemeinsame Ministerium erhielt 2001 auch noch die Stadterneuerung und Gemeindeangelegenheiten dazu. Als MCOTA umfasste es damit drei große Aufgabenbereiche, denen je ein Staatssekretär vorstand. Dieses „Superministerium“ wurde als einflussreichster gesamtstaatlicher Akteur im Großraum Lissabon bezeichnet.131 Außerdem verfügte es mit den CCDR über den besten Behördenunterbau aller Ministerien außerhalb der Hauptstadt und die intensivsten Beziehungen zu den Gebietsgemeinden. Die CCDR sollten als Interaktionszentren zwischen öffentlichen, gesellschaftlichen und privaten Akteuren in jeder der fünf CCDR-Regionen dienen.132 Mit DL 97/2003 wurde in der 129

Barata, José Fernando Nunes: Ordenamento do Território, S. 263–297 [in: Fernandes, José Pedro (Hg.): Dicionário jurídico da administração pfflblica. 1º suplemento, (Lisboa 1998)] S. 290. 130 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 131 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 16.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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Folge die interne Organisation des Ministeriums durch Zusammenlegung der CCDR und der Regionaldirektionen für Umwelt und Raumordnung (DRAOT) gestrafft. Nach dem Wechsel von Ministerpräsident José Manuel Durão Barroso an die Spitze der EU-Kommission wurde bei der Regierungsumbildung im Sommer 2004 diese Entwicklung zu einer Anhäufung von Zuständigkeiten im Ministerium für Raumordnung und Umweltschutz unterbrochen. Die Zuständigkeiten für Gemeinden und Stadterneuerung wurden abgetrennt und mit dem sozialen Wohnbau und der Regionalentwicklung zu einem eigenen Ministerium zusammengefasst.133 Übrig blieb damit praktisch das MAOT von 1999, zuständig für Umwelt und Raumordnung, allerdings ohne seine zentralen Dienststellen und ohne die Generaldirektion für Raumordnung, die ins oben genannte Ministerium wanderte. Da aber auf Ebene der CCDR die Gemeindeangelegenheiten, die Umwelt und die Raumordnung organisatorisch seit Jahren eng verknüpft waren und nicht so schnell getrennt werden konnten, erhielten beide neuen Ministerien eine parallele Aufsicht über die CCDR.134 Die Sinnhaftigkeit dieser Gliederung war nicht einmal in Ansätzen erkennbar und hielt sich auch nur einige Monate bis zum Regierungswechsel nach den Neuwahlen Anfang 2005. Mit DL 79/2005 wurde das Ministerium für Umwelt und Raumordnung zum Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Regionalentwicklung (Ministério do Ambiente, do Ordenamento do Território e do Desenvolvimento Regional – MAOTDR) umgewandelt. Damit wurde die Anhäufung von Zuständigkeiten durch die Zusammenfassung der Politikfelder Umwelt, Raumordnung, Gemeindeaufsicht, Regionalpolitik und Wohnungsbau im MAOTDR weiter fortgesetzt. Eine Reihe von staatlichen Akteuren aus dem Bereich von Infrastruktur und Regionalentwicklung wurden in das Ministerium integriert. Hier ist vor allem die Generaldirektion für regionale Entwicklung (Direcção-General do Desenvolvimento Regional) zu nennen, welche mit DR 31/1992 als Fachabteilung für die EU-Förderprogramme gegründet worden war.135 Die Abteilung für Vorausschau und Planung (Departamento de Prospectiva e Planeamento – DPP) erstellt Studien im Bereich volkswirtschaftlicher und demographischer Fragen. Die Generaldirektion für nationale 132

Präambel DL 120/2002. MCALHDR, Ministro das Cidades, Administração Local, Habitação e Desenvolvimento Regional. 134 http://www.portugal.gov.pt/Portal/PT/Governos/Governos_Constitucionais/GC 16/Composicao/?Tutela=MinistroAmbienteOrdTerritorio 01/2005. 135 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 26. 133

88

Kap. 1: Akteure Tabelle 13 Verbindung von Umwelt und Raumordnung mit anderen Politikfeldern in einzelnen Ministerien 1998–2005136

Halbjahre

1998/1

Umwelt

Raumordnung

MARN

Kommunale Angelegenheiten

Regionalpolitik Wohnbau

MEPAT

1998/2 1999/1 1999/2

MAOT

2000/1 2000/2 2001/1 2001/2 2002/1 2002/2

MCOTA

2003/1 2003/2 2004/1 2004/2 2005/1

MAOT

MCALHDR MAOTDR

2005/2 2006/1 2006/2 . . .

Gebäude und Denkmäler (Direcção-General dos Edifícios e Monumentos Nacionais – DGEMN) kümmert sich um den Denkmalschutz. Zwei weitere Institute sind für Bauwesen allgemein, die öffentliche Bauvergabe und den sozialen Wohnbau zuständig. (Instituto dos Mercados de Obras Pfflblicas e Particulares e do Imobiliário – IMOPPI, Instituto de Gestão e Alienação do Património Habitacional do Estado – IGAPHE). Schließlich gehört noch

B. Gesamtstaatliche Akteure

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das Institut für Hafen und Seetransport (Instituto Portuário e dos Transportes Marítimos – IPTM) seit dieser Zeit zum Ministerium.137 Insgesamt hat die bewährte Zusammenfassung mehrerer Politikfelder bei den Unterbehörden CCDR im Laufe der Zeit auch ein Ministerium bewirkt, das diese Zuständigkeiten umfasst. Die sinnvolle Integration mehrere Politikfelder auf Ebene der Territorialakteure der CCDR hat sich damit gegenüber einer beliebigen Verteilung von Politikfeldern auf gesamtstaatliche Politikfeldakteure durchgesetzt. In dieser Tabelle wird die Häufigkeit kurzlebiger Umgliederungen deutlich, die in der Praxis die Arbeit der betroffenen staatlichen Akteure behindert hat und bis zur nächsten Umgliederung oft gar nicht vollständig umgesetzt wurde. Ähnlich häufig wie die Zuschnitte der Ressorts wechselten auch diejenigen der Staatssekretariate. Ihre Nummer schwankte zwischen einem und drei, wobei fast alle Kombinationen der Politikfelder Umweltschutz, Raumordnung und Gemeindeangelegenheiten vorlagen. Es wird daher in der Folge der Begriff „Ministerium für Umwelt und Raumordnung“ verwendet, ohne auf kurzfristige zusätzliche Zuständigkeiten einzugehen. Unabhängig von den wechselnden Verteilungen der Politikfelder auf einzelne Ministerien blieben nämlich die Zuständigkeiten des Gesamtstaats in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung stabil. Nach Art. 3 Abs. 2 lit. d UmweltrahmenG soll es einen gesamtstaatlichen Akteur geben, der alle staatlichen Akteure im Politikfeld Umwelt koordiniert und diese in an136

Name der für die Politikfelder zuständigen Ministerien

Zeitraum

MARN Ministério do Ambiente e Recursos Naturais (DL 94/1990)

1990–1999

MEPAT Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território

1992–1999

MAOT Ministério do Ambiente e Ordenamento do Território (DL 474-A/1999)

1999–2002

MCOTA Ministério das Cidades, Ordenamento do Território e Ambiente (DL 120/2002)

2002–2004

MAOT Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território

2004–2005

MCALHDR Ministério das Cidades, Administração Local, Habitação e Desenvolvimento Regional

2004–2005

MAOTDR Ministério do Ambiente, do Ordenamento do Território e do Desenvolvimento Regional (DL 79/2005)

ab 2005

137 http://www.governo.gov.pt/Portal/PT/Governos/Governos_Constitucionais/ GC17/Gabinetes/Gab_MAOTDR/05/2005.

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Kap. 1: Akteure

dere Politikfelder integriert. Diese Rolle übernimmt das Ministerium für Umwelt und Raumordnung, der dominierende Akteur in diesem Politikfeld. Er ist intern stark differenziert und weist eine Reihe spezialisierter Akteure auf, die entweder bestimmte Funktionen oder einzelne Teilbereiche des Politikfelds vertreten.138 Auch in der Raumordnung ist das Ministerium für Umwelt und Raumordnung der zentrale Akteur. Die Normen dieses Politikfeldes werden hier entworfen und in Form von Regierungsdekreten verabschiedet. Außerdem werden die regionalen Entwicklungspläne – PROT unter der Federführung der CCDR und die Spezialpläne unter derjenigen der Institute dieses Ministeriums erstellt, wobei in beiden Fällen Abstimmungen mit anderen Ministerien notwendig werden. Bei den kommunalen Raumordnungsplänen sind zwar eigentlich die Gebietsgemeinden für den Inhalt verantwortlich, aber das zuständige Ministerium kontrolliert das Verfahren und hat eine starke Vetoposition, denn die Pläne bedürfen am Ende formell seiner Zustimmung und die Gebietsgemeinden sind von den finanziellen Einzelzuweisungen des Ministeriums abhängig, das zudem die Gemeindeaufsicht ausübt. Diejenigen Spezialpläne, die in die Zuständigkeit anderer Ministerien fallen, werden zwar inhaltlich von diesen Akteuren bestimmt, aber das Ministerium ist an entscheidender Stelle am Verfahren und an den materiellen Entscheidungen beteiligt. Schließlich spielt das Ministerium in der Vollziehung aller Raumordnungspläne eine wichtige Rolle. Es kann Bauvorhaben stoppen und den Abbruch rechtswidriger Bauten anordnen. In Gestalt der Generalinspektion hat das Ministerium eine eigene Zentralabteilung, welche die Einzelfallentscheidungen der Gebietsgemeinden in Raumordnungssachen überprüft. Verstöße gegen die Raumordnungspläne können von ihr bei den Verwaltungsgerichten angezeigt werden.139 2. Ressourcen des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung Ende der 1990er-Jahre hatte das Ministerium für Umwelt und Raumordnung rund 3.600 Beschäftigte.140 Bis 2003 war die Beschäftigtenzahl des 138

http://www.ine.pt/prodserv/destaque/2003/d030311/d030311.pdf 02/2005. Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 904 ff. 140 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 35. 139

B. Gesamtstaatliche Akteure

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Ministeriums auf 4.615 angewachsen, was 0,9% aller gesamtstaatlichen Beschäftigten entspricht. Die Mehrheit entfiel auf die autonomen Institute und die CCDR.141 21 Beschäftigte standen zu dieser Zeit im Rang eines Generaldirektors und etwa doppelt so viele im Rang eines Vize-Generaldirektors.142 Das Budgetvolumen des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung belief sich 2004 auf 2,9 Mrd. e was 5,8% des gesamtstaatlichen Haushalts entsprach. Tabelle 14 Gliederung der Ausgaben des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung 2004143 Ausgabenbereich

Mio. e

%

Transfers an die Gebietsgemeinden

2.380

82

Transfers an die CCDR und die finanzautonomen Institute für Naturschutz und Regulierung

. 191

7

Entwicklungsinvestitionen

. 131

5

Betriebskosten

. 96

3

Personalkosten

. 95

3

Gesamt

2.893

100

An den hohen Transfers an autonome Unterakteure zeigt sich, dass das Ministerium nur einen geringen Teil der Investitionen im Politikfeld Umwelt und Raumordnung direkt tätigt. Zusätzlich ist zu bedenken, dass von den Transfers an die Gebietsgemeinden die CCDR und die finanzautonomen Institute noch einmal etwa 6% Personal- und Betriebskosten anfallen. Damit sind die gesamten Verwaltungskosten höher als in der obigen Tabelle ausgewiesen und liegen bei etwa 10% des Gesamtbudgets. 3. Unterakteure des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung Innerhalb des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung haben einige nachgeordnete Dienststellen ein Maß an Zuständigkeiten, Ressourcen und 141 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 172. 142 Annex zu DL 97/2003. 143 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 173.

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Kap. 1: Akteure

Selbständigkeit erreicht, dass es sinnvoll ist, sie für die nähere Beschreibung des Ministeriums als Unterakteure zu definieren. Auf das Politikfeld Raumordnung ist die Generaldirektion für Raumordnung und Stadtentwicklung (DGOTDU) spezialisiert. Im Politikfeld Umwelt sind fünf Institute für Wasser, Abfall, Naturschutz, Umweltschutz und Regulierung tätig. Als Unterbehörden des Ministeriums außerhalb der Hauptstadt und Kontaktstelle zu den Gemeinden dienen die Regionalen Koordinierungskommissionen (CCDR), die in beiden Politikfeldern tätig sind und wegen ihrer Bedeutung im folgenden Abschnitt ausführlich dargestellt werden. Ergänzt werden diese Institutionen durch die zentralen Dienststellen, die Verwaltungseinheiten von EU-Programmen und zwei beratende Gremien. Die Aufgaben der zentralen Dienststellen sind in Art. 8–11 DL 97/2003 geregelt. Die Kabinette des Ministers und der Staatssekretäre unterstützen die Regierungsmitglieder politisch. Das Generalsekretariat ist für Statistik, Personal, Finanzen und die allgemeine Unterstützung der Regierungsmitglieder zuständig. Die Rechtsabteilung berät in juristischen und legistischen Fragen, führt Disziplinarverfahren und verwaltungsgerichtliche Verfahren für das Ministerium. Ein Büro für internationale Beziehungen erledigt Fragen der internationalen Zusammenarbeit, insbesondere EU-Angelegenheiten. Ein Büro für Planung und Studien ist für die strategische Planung zuständig. Geleitet werden beide Büros von einem Generaldirektor. Die Generalinspektion für die Gebietskörperschaften und die Generalinspektion für Umwelt sind mit unterschiedlichen Schwerpunkten für die Gemeindeaufsicht und Kontrollaufgaben im Bereich von Umweltschutz und Raumordnung zuständig. Sie sind oben im Kapitel 1 Abschnitt „V. Kontrollierende und beratende Akteure“ näher beschrieben. Als beratende Gremien für das ganze Ministerium sind seit Mitte der 1990er-Jahre der „Rat für Umwelt und nachhaltige Entwicklung“ und der „Wasserrat“ eingerichtet.144 Ersterer hat eine allgemeine beratende Funktion im Umweltbereich und geht schon auf einen Vorläufer zurück. Der neue Minister für Umwelt und Raumordnung präsentierte etwa im September 2004 diesem Gremium sein 50-Punkte-Programm.145 Gesellschaftliche Akteure haben hier ein größeres Gewicht als im Wasserrat. Aber auch dort sind außer sieben Ministerien und den Gemeinden Interessenvereinigungen sowie Vertreter der Wissenschaft und der Wirtschaft repräsentiert. Aufgaben des Wasserrats sind die Ausarbeitung des Nationalen Wasserplanes, der Vorschlag von Forschungstätigkeiten, die Begutachtung von Großprojekten und von Fragen, die über einzelne CCDR-Regionen hinausgehen.146 Die Gene144 Conselho Nacional do Ambiente e Desenvolvimento Sustentável bzw. Conselho Nacional da Água (Art. 24 f. DL 97/2003). 145 http://www.portugaldiario.iol.pt/noticias/noticia.php?id=446704 11/2004.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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raldirektion für Raumordnung – DGOTDU und das Regulierungsinstitut für Wasser und Abfall haben zusätzlich eigene beratende Gremien. Außerdem werden zur Erstellung der Raumordnungs- und Politikfeldpläne Begleitkommissionen eingerichtet, in denen gesellschaftliche Akteure vertreten sind. Die Generaldirektion für Raumordnung und Stadtentwicklung (DGOTDU)147 existiert nach verschiedenen Vorläufern mit Kontinuität seit 1986. Damals wurde ihr Behördenunterbau außerhalb der Hauptstadt, die Regionaldirektionen für Raumordnung, abgetrennt und an den CCDR angegliedert. Eigentlich sollte die Generaldirektion in der Folge als Stabsabteilung Regierung und Nationalversammlung beraten und auf nationaler Ebene die Einhaltung der Normen und Pläne überwachen. Sie behielt aber viele Befugnisse zu Einzelentscheidungen, die erst im Laufe der Jahre zugunsten der CCDR zurückgedrängt wurden.148 Heute überwacht, koordiniert und unterstützt die DGOTDU Planungsaktivitäten anderer nationaler Dienststellen, sammelt Informationen und erstellt Studien. Außerdem beaufsichtigt sie die territoriale Verteilung der öffentlichen Infrastruktur und die Erstellung der kommunalen Raumordnungspläne (PDM), wozu sie in den Begleitkommissionen zur Erstellung der PDM direkt vertreten ist. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben muss die DGOTDU eng mit den CCDR, den Gebietsgemeinden und den für die öffentliche Infrastruktur verantwortlichen Institutionen zusammenarbeiten.149 Im Jahr 2002 hatte die DGOTDU für 104 Beschäftigte ein Personalbudget von 2,3 Mio. e zur Verfügung. Die Hälfte ihres Personals stand im gehobenen oder höheren Dienst.150 Während das Ministerbüro und das Büro des Staatssekretärs für Raumordnung eindeutig politische Aufgaben haben, soll die DGOTDU als Teil der Verwaltung politisch neutralen Sachverstand einbringen und den zuständigen Fachminister beraten. Zwar ist ihr Generaldirektor politisch bestellt, aber der derzeitige Generaldirektor hat seine Funktion trotz der Regierungswechsel seit 1994 behalten.151 Den Generaldirektor berät nach Art. 5 DL 271/1994 ein Beirat bestehend aus 12 Vertretern nationaler Politikfelder und drei Vertretern der Interessenvereinigung der Gebietsgemeinden. 146 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.5. 147 Direcção-Geral do Ordenamento do Território e Desenvolvimento Urbano (DL 130/1986, DL 271/1994, DL 97/2003). 148 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 149 Art. 2 DL 271/1994. 150 Direcção Geral do Ordenamento do Território e Desenvolvimento Urbano: Balanço Social DGOTDU 2002, (2003). 151 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003.

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Kap. 1: Akteure

Die Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten (Direcção-Geral das Autarquias Locais – DGAL) ist die zweite, mit 35 Beschäftigten deutlich kleinere, Generaldirektion des Ministeriums. Sie ist für die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden insbesondere in finanzieller Hinsicht zuständig und wird im Kapitel 6 Abschnitt „I. Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten (DGAL)“ behandelt. Nach dem Grad der Autonomie der Unterakteure eines Ministeriums wird in Portugal zwischen „Administração directa“ und „Administração indirecta“152 unterschieden. Zur Letzteren zählen vor allem die staatlichen Institute, welche juristische Personen des öffentlichen Rechts sind und in unterschiedlichen Aufsichtsbeziehungen (tutela bzw. superintendência153) zum Minister stehen. Im Bereich des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung genießen etwa das Regulierungsinstitut und das Naturschutzinstitut nicht nur Verwaltungs- sondern auch Finanzautonomie. Sie alle werden von einem Präsidenten und zwei Vizepräsidenten geleitet, die Generaldirektoren und Vizegeneraldirektoren gleichgestellt sind. Vor allem in den 1990er-Jahren wurden mehrere Institute gegründet. Nachdem die Institute für die Staatsforste, für Meteorologie und für Umwelterziehung mittlerweile wieder aufgelöst worden sind, gibt es noch die Institute für Umwelt, Wasser, Abfall, Naturschutz, Regulierung und Kartographie. Letzteres wird wegen seiner sehr speziellen Funktion in der Folge nicht näher behandelt. Das Naturschutzinstitut (Instituto da Conservação da Natureza – ICN) wurde mit DL 193/1993 gegründet, seine heutigen Aufgaben sind in Art. 17 DL 97/2003 geregelt: Sicherstellung von Natur- und Artenschutz durch die Verwaltung der verschiedenen Naturschutzgebiete und der Meeresküsten. Sein Aufgabenbereich umfasst auch die Sicherheit von Personen in diesen Zonen und die Sicherstellung ihrer nachhaltigen wirtschaftlichen Nutzung. Im Jahre 2000 hatte das ICN 842 Beschäftigte, 247 (29%) davon im gehobenen oder höheren Dienst. Es hat Dienststellen in den 29 Naturschutzgebieten außerhalb der Hauptstadt, wo auch 74% seines Personals direkt beschäftigt sind. Zusätzlich verwendet das Institut die in die CCDR integrierten Regionaldirektionen für Raumordnung und Umweltschutz (DRAOT), um außerhalb der Hauptstadt Daten zu sammeln, die Naturschutzgebiete zu verwalten und die Einhaltung der Naturschutzgesetze zu kontrollieren. Im Jahr 2000 standen dem ICN 14,4 Mio. e zu Verwaltungszwecken zur Verfügung (davon 14% aus eigenen Einnahmen). Den Betrag von 21,5 Mio. e konnte das ICN zusätzlich investieren, wobei die Hälfte dieser Investitionen aus EU-Mitteln stammte.154 152 153

Art. 5 DL 97/2003. Siehe Kapitel 4.B.I.2 Aufsichtsbeziehungen.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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Unter der Leitung eines Präsidenten, der einem Generaldirektor gleichgestellt ist, nimmt das ICN folgende Zuständigkeiten wahr: Verwaltung und Überwachung nationaler Naturschutzgebiete, Beteiligung an der Ausarbeitung von Raumordnungsplänen sowie Erteilung von Ausnahmegenehmigungen, Studien und Artenschutz. Hinzu kommt noch die Beteiligung an Umweltverträglichkeitsprüfungen und der Genehmigung von Industrieanlagen, wenn eine Berührung zum engeren Aufgabengebiet vorliegt.155 Das Wasserinstitut (Instituto da Água – INAG) gibt es zwar erst seit DL 187/1993, aber bei Gründung des Instituts wurde die wesentlich ältere Generaldirektion für natürliche Ressourcen aufgelöst und ihr Personal zur Gänze auf das Wasserinstitut übertragen.156 Das Personal des INAG wurde seit 1999 um 20% reduziert und erreichte 2004 noch immer die stattliche Anzahl von 344 Beschäftigten, wovon 40% im gehobenen oder höheren Dienst standen.157 Die Zuständigkeiten des INAG umfassen den gesamten staatlichen Steuerungszyklus im Bereich von Wasser und Abwasser:158 Vorbereitung von Normen und Politikfeldplänen (nationaler Wasserplan, Einzugsgebietspläne und Wasserinfrastrukturpläne), Genehmigung von Wasserinfrastruktur, Genehmigung privater Nutzung öffentlicher Wasserressourcen, Beteiligung an Umweltverträglichkeitsprüfungen, Errichtung und Kontrolle von Wasserinfrastruktur, Konzessionierung des Betriebs von Wasserinfrastruktur, Sonderfinanzierung kommunaler Projekte, Subventionen wassertechnischer Projekte von Unternehmen, Kontrolle der Wasserqualität. Es hat allerdings keine nennenswerten Dienststellen außerhalb Lissabons und bedient sich der in die CCDR eingegliederten Regionaldirektionen für Umwelt und Raumordnung. Der Investitionshaushalt (PIDDAC) des Wasserinstituts sah im Schnitt der Jahre 2000–2002 folgende jährliche Beträge vor: Für den Bau von Wasserinfrastruktur 46 Mio. e, für den Umweltschutz 32 Mio. e, für Sonderfinanzierungen für Gemeinden 19 Mio. e und für Kontrolle und Verwaltung der Gewässer 13 Mio. e. Der Verwaltungshaushalt des INAG betrug 2000 zusätzlich 14,5 Mio. e oder 13% des Gesamthaushalts.159 154 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al.: Relatório de Actividades do Instituto da Conservação da Natureza 2000, (2001) S. 60–68. 155 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 32. 156 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.4 u. 2.3.2. 157 http://www.inag.pt/inag2004/port/quem_somos/r_humanos1.html 02/2005. 158 DL 191/1993, DL 45–47/1994, DL 218/1994. 159 Instituto da Água (Hg.): Plano de Actividades 2000 (Lisboa 2000) S. 23 ff.

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Kap. 1: Akteure

Das Institut für Umweltschutz (Instituto do Ambiente – IA) entstand 2002 durch die Zusammenlegung der Generaldirektion für Umweltschutz mit dem Institut für Umweltschutzförderung. Damit erreichte das Institut einen Personalstand von 298 Beschäftigten, wovon 163 (55%) dem gehobenen oder höheren Dienst angehörten.160 Geleitet wird das IA von einem Präsidenten, der von einem Verwaltungsrat in finanzieller Hinsicht kontrolliert und von einem Beirat aus gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren beraten wird. Das IA hat nach Art. 18 DL 97/2003 im Politikfeld Umwelt all jene zentralen Kompetenzen, die nicht anderen Institutionen übertragen wurden: Integration des Umweltschutzes in andere Politikfelder, Umwelterziehung und Förderung von Umweltschutzorganisationen, Erstellung der Politikfeldpläne für Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung; Koordinierung verschiedener Dienststellen des Umweltministeriums z. B. bei der Genehmigung von Industrieanlagen, alleinige Zuständigkeiten für hochgiftige und radioaktive Stoffe sowie für die Risiken großer Industrieanlagen, Umweltverträglichkeitsprüfung, Genehmigung der Abwasserentsorgung von Städten mit mehr als 25.000 Einwohnern, Kontrolle der Meeres- und Luftverschmutzung und von Lärm sowie im Bereich von Trink- und Abwasser.161 Das Institut für Abfall (Instituto dos Resíduos – INR) wurde mit DL 142/1996 gegründet und ist der gesamtstaatliche Akteur im Abfallbereich schlechthin mit umfangreichen Kompetenzen in Bezug auf Genehmigung und Kontrolle von Abfallbeseitigungsanlagen sowie Fortbildung ihrer Betreiber; Förderung von Recycling und von Abfall vermeidenden Technologien, Forschungsförderung, Legistik und Erstellung der betreffenden Politikfeldpläne. 1999 hatte das INR 43 Beschäftigte, davon 60% im gehobenen oder höheren Dienst. 0,7 Mio. e standen für Verwaltungszwecke zur Verfügung, verwaltet wurde ein Investitionshaushalt von 10,5 Mio. e.162 Geleitet wird das INR nach Art. 4 DL 236/1997 von einem Präsidenten, den in finanzieller Hinsicht ein Verwaltungsrat kontrolliert, in fachlicher Hinsicht ein technischer Beirat berät. Das Regulierungsinstitut für Wasser und Abfall (Instituto Regulador de Águas e Resíduos – IRAR) wurde 1998 als typische Regulierungsbehörde zur Überwachung eines teilprivatisierten Sektors eingerichtet, hatte aber einen drei Jahre älteren Vorläufer. 160

http://www.iambiente.pt/pls/ia/doc?id=5114&p_acc=0&plingua=1&pmenu_id= 5140 07/2003. 161 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 29. 162 Ambiente, Ministério do et al.: Plano Anual de Actividades 1999, (1999) S. 5.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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Nach Art. 22 DL 97/2003 hat das IRAR folgende Zuständigkeiten: normative Steuerung, Kontrolle und Sicherung der Wirtschaftlichkeit der kommunalen und überörtlichen Ver- und Entsorgungsbetriebe, Beratung staatlicher Akteure bei der Vergabe von Konzessionen, Kontrolle von Grenzwerten, Interessenvertretung der Bürger gegenüber den Unternehmen der Wasser- und Abfallwirtschaft. In letzterem Bereich soll vor allem auf das Verhältnis zwischen den erbrachten Leistungen und den anfallenden Gebühren geachtet werden, wobei Kriterien sowohl technische als auch wirtschaftliche Aspekte sind.163 Finanziert wird es nach Art. 23 DL 362/1998 zur Gänze von den Unternehmen im Infrastrukturbereich, die pro Einwohner oder pro Mengeneinheit Gebühren an das Institut entrichten. Im budgetären Bereich sind die Regeln für staatliche Institute anwendbar, im Personalbereich werden privatrechtliche Arbeitsverträge eingesetzt. Das IRAR hat aber ohnehin nur 26 eigene Beschäftigte und kauft die restlichen Dienstleistungen im Einzelfall zu.164 An der Spitze des IRAR steht ein Kollegialorgan mit drei Mitgliedern, das von der Regierung ernannt wird. Ein weiteres, lediglich beratendes Organ wurde mit 20 Mitgliedern eingerichtet. Gesamtstaatliche Akteure wählen sieben Mitglieder aus, vier weitere werden von den Vertretern der Ver- und Entsorgungsbetriebe gestellt, drei Vertreter kommen von den Gebietsgemeinden sowie je zwei von Interessenvereinigungen der Konsumenten, Umweltschützern und Unternehmen.

VII. Kommissionen für regionale Koordinierung und Entwicklung – CCDR 1. Institutionelle Entwicklung der CCDR Die fünf Kommissionen für regionale Koordinierung und Entwicklung (Comissões de Coordenação e Desenvolvimento Regional – CCDR) sind die wichtigsten staatlichen Akteure Portugals außerhalb der Hauptstadt. Sie spielen eine zentrale Rolle für die Koordinierung von EU, Gesamtstaat und Gebietsgemeinden und haben mittlerweile die gesamtstaatlichen Unterbehörden in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung eingegliedert. Außer dem Minister für diese Politikfelder übt auch das Finanzministerium Aufsichtsrechte aus,165 was die Bedeutung der CCDR unterstreicht. 163 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.2. 164 Präambel DL 362/1998, Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al.: Relatório de Actividades do Instituto Regulador de Águas e Resíduos. Exercício de 2001, 2002. 165 Art. 4 Abs. 5 DL 97/2003.

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Kap. 1: Akteure

Vorläufer der CCDR waren im Estado Novo seit 1969 die vier regionalen Beratungskommissionen in Planungsfragen (Comissões Consultivas Regionais de Planeamento): Norte, Centro, Lisboa und Sul. Ihre Aufgaben bestanden darin, an regionalen Entwicklungsplänen mitzuarbeiten und ihre Umsetzung zu begleiten. Dafür sammelten sie die Vorstellungen regionaler Akteure zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und leiteten sie an die Regierung weiter. Außerdem sollten sie regionale Akteure zu einem gemeinsamen Handeln bewegen, wodurch die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes für die nationale Regierung besser planbar gemacht werden sollte. Die Kommissionen selbst bestanden aus einem Präsidenten und fünf oder sechs Mitgliedern, die für drei Jahre ernannt waren. Organisatorisch waren sie dem Ministerrat zugeordnet und konnten Arbeitsgruppen zu einzelnen Politikfeldern einsetzen.166 Wirklich eingerichtet wurde die erste Kommission für Regionalplanung 1971 im nördlichsten Landesteil.167 Der Umsturz 1974 unterbrach zwar die Arbeit der Kommissionen für mehrere Jahre, letztlich überstanden sie aber diese Zeit und wurden mit DL 494/1979 in die Kommissionen für regionale Koordinierung (Comissões de Coordenação Regional – CCR) umgewandelt, die dem Innenministerium unterstellt waren. Ihre Planungsaufgaben blieben weitgehend unverändert, es kamen aber Koordinierungsaufgaben zwischen Gesamtstaat und Gemeinden hinzu sowie die fachliche, organisatorische und finanzielle Unterstützung der Gemeinden durch die technischen Unterstützungsbüros (Gabinetes de Apoio Técnico – GAT).168 Gleichzeitig sollten nach Art. 256 Abs. 2 CRP in der Fassung 1976 die CCR-Regionen als Grundlage für die einzurichtenden Verwaltungsregionen dienen. Es gibt also seit den 1970er-Jahren eine eigene portugiesische Tradition regionaler Entwicklungspolitik, die damit älter ist als diejenige der EU und wohl auf dem französischen Vorbild basierte. Mit dem EU-Beitritt wurden die CCR dem Planungsministerium unterstellt und sollten vor dem Hintergrund der Regionalförderung der EU die regionale Ebene Portugals darstellen.169 Die alten Abteilungen für Regionalplanung übernahmen die Verwaltung der EU-Strukturprogramme. Diesel166 Sarmento, Jffllio Saraiva: Planeamento e Ordenamento do Território num Quadro Regional, [in: Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (CEDREL) (Hg.): Seminário Internacional. A Regionalização, a Sociedade e a Reforma do Estado, (nicht publiziert 1998)] S. 3 f. 167 DL 494/1979. 168 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 129 ff. 169 Ibid. S. 134 f.

B. Gesamtstaatliche Akteure

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ben Beschäftigten, die bisher eher theoretische Studien als Entscheidungsgrundlage für die Regierung erstellt hatten, sollten nun das Management von EU-Projekten übernehmen, was sich als schwierig erwies. Die EU-Mitgliedschaft hat insgesamt die Stellung der CCR gestärkt, da für die Strukturprogramme unterschiedliche Politikfelder auf regionaler Ebene integriert werden mussten. 1986 wurden in die CCR die Regionaldirektionen für Raumordnung eingegliedert, weil deren Hauptaufgabe in der Beratung und Kontrolle der Gebietsgemeinden bestand und die CCR in der Zusammenarbeit mit den Gemeinden viel Erfahrung hatten. Auch inhaltlich war das sinnvoll, weil damit die Regionalentwicklungsplanung und die in Portugal relativ junge Raumordnung vereint waren, wobei die Raumordnung ab diesem Zeitpunkt dominierte.170 Ende der 1980er-Jahre wurde der Umweltschutz wichtiger und bei den CCR wurden Umweltabteilungen eingerichtet. Als aber 1990 ein eigenes Umweltministerium gegründet wurde, trennte man mit DL 94/1990 diese Umweltabteilungen von den CCR und machte unabhängige Regionaldirektionen daraus, die direkt dem neuen Umweltminister unterstellt wurden. 1999 wurde dann ein Ministerium eingerichtet, das Umwelt und Raumordnung verbinden sollte. Dazu wurden die Raumordnungsabteilungen mit DL 120/2000 aus den CCR herausgelöst und mit den schon unabhängigen Regionaldirektionen für Umweltschutz zu den DRAOT (Direcções Regionais de Ambiente e Ordenamento do Território) vereinigt. In den folgenden Jahren bezogen diese ehemals getrennten Behörden gemeinsame Dienststellen und wurden auch in der Praxis integriert.171 Damit waren die CCR wieder in der Situation wie zu Beginn der 1980er-Jahre, nämlich mit den Abteilungen für Regionalentwicklung (jetzt hauptsächlich EU-Programme) und den kommunalen Angelegenheiten.172 Schon damals wäre aber die Integration all dieser Politikfelder auf regionaler Ebene am sinnvollsten gewesen.173 Mit dem Regierungswechsel 2003 fand diese Reintegration schließlich statt. Durch DL 104/2003 wurden die DRAOT mit den CCR zu den CCDR (Comissões de Coordenação e Desenvolvimento Regional) vereinigt. Dies hatte mit der Erkenntnis zu tun, dass man Raumordnung von Regionalentwicklung nicht trennen kann.174 Durch die Zusammenlegung wurden Einsparungen von 148 Mio. e oder 14% des Gesamtaufwands der ehemals getrennten Behörden erzielt.175 Allerdings war die Umsetzung der Zusammen170 171 172 173 174

Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003.

100

Kap. 1: Akteure

legung noch Anfang 2005 z. B. im Bereich der CCDR-Norte nicht wirklich vollzogen. DRAOT und CCR bestanden organisatorisch parallel mit getrennten Räumlichkeiten und Internetauftritten weiter, nur an ihrer Spitze standen die drei Organe der neuen CCDR-Norte.176 Insgesamt störten die häufigen Umorganisationen die Arbeit der Behörden empfindlich und waren teilweise mit aufwändigen Übersiedlungen verbunden.177 Eigentlich sind die wechselnden Aufgaben der CCDR thematisch eng verflochten: Strategische Planung der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung einer Region, Verwaltung der EU-Mittel für diese Regionalentwicklung, Raumordnung im engeren Sinne als Nutzungszuweisung für einzelne Grundstücke sowie Umweltschutz; schließlich die Koordinierung von Gebietsgemeinden, Gesamtstaat und gesellschaftlichen Akteuren. Trotzdem gab es bei der Integration dieser gesamtstaatlichen Zuständigkeiten für einzelne Regionen immer Probleme und häufige Umorganisationen. Die Ursache ist darin zu suchen, dass hier nicht nur technisch-fachliche Entscheidungen zu treffen sind, sondern häufig politische Entscheidungen. Daher benötigt die Wahrnehmung dieser Aufgaben für eine Region auch eine regionale politische Legitimierung, die in Portugal jedoch fehlt. Auf regionaler Ebene hätte man wegen der überschaubareren Problemlage diese Aufgaben ohnehin kaum getrennt oder innerhalb einer Regionalregierung unkompliziert koordinieren können. Die Vielzahl an Umgliederungen zeigt die Schwierigkeiten, thematisch eigentlich verwandte Politikfelder für ein bestimmtes Territorium zu integrieren, wenn dafür keine regionale politische Legitimation besteht und diese Politikfelder auf der übergeordneten nationalen Ebene in einzelnen Ministerien getrennt sind. 2. Die vier Aufgabenbereiche und Fachabteilungen der CCDR Heute sind die CCDR nach Art. 1 u. 4 DL 104/2003 für die vier Bereiche Umweltschutz, Raumordnung und Stadterneuerung, strategische Regionalentwicklung sowie die Unterstützung der Gemeinden und ihrer Verbände zuständig. Neben mehreren internen Abteilungen für Finanzen, Personal etc. haben die CCDR für ihre vier Zuständigkeitsbereiche je eine Fachabteilung: Im ersten dieser Bereiche, dem Umwelt- und Naturschutz, umfassen ihre Zuständigkeiten: Vollzug und Evaluierung von Programmen und Projekten, Führung eines Informationssystems, Durchführung der Umweltverträglich175

Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 173. 176 http://www.ccr-norte.pt/ccrn/contacto.php 01/2005. 177 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003.

B. Gesamtstaatliche Akteure

101

keitsverfahren, Verwaltung der Naturschutzgebiete, Genehmigungsverfahren und Kontrolle im Bereich von Gewässerschutz, Wasserwirtschaft und Abfallbeseitigung, Kontrolle der Bereiche Sondermüll, Luftverschmutzung und Lärm, Maßnahmen der Umwelterziehung. Die Umweltschutzabteilungen der CCDR wurden aus den ehemaligen DRAOT gebildet. Sie sind nach Art. 17 DL 104/2003 für den Umweltschutz und die Verwaltung des öffentlichen Wasserguts und der Meeresküsten zuständig. Sie haben vier Referate für: Wasser; Luft, Lärm und Abfall; Naturschutz und Umwelterziehung; Konsumentenschutz.178 Funktional betrachtet, erfüllen die Umweltschutzabteilungen im Wesentlichen Überwachungsfunktionen, die ihnen von den zentralen Dienststellen übertragen wurden. Sie dienen daher eher der Präsenz der zentralen politischen Organe des Ministeriums im ganzen Land (z. B. zur Sammlung technischer Daten) als der Schaffung regionaler Umweltpolitik. Sie sollen nur auf regionaler Ebene die nationale Umweltpolitik umsetzen und die Ergebnisse kontrollieren. Daneben spielen sie eine wichtige Rolle in der Genehmigung einer Reihe von wirtschaftlichen Aktivitäten. Eine weitere Funktion besteht darin, Kontaktstelle zwischen den zentralen gesamtstaatlichen Entscheidungsträgern sowie den Gemeinden und Bürgern zu sein.179 Im Bereich gefährlicher und radioaktiver Substanzen wären die Umweltschutzabteilungen eigentlich für die Kontrolle von Erzeugung und Handel zuständig, sind aber technisch nicht in der Lage, eine solche Funktion auch auszufüllen. Sie haben eigentlich recht umfangreiche Kompetenzen in der Umwelterziehung, die von speziellen Informationskampagnen unter Beteiligung von staatlichen Stellen und NGOs bis zum vorbeugenden Konsumentenschutz reichen. In der Praxis wurden diese Kompetenzen bisher nicht wahrgenommen. Dies ist insofern erstaunlich, da ja jede Region eigene konkrete Umweltprobleme hat und privates Engagement für die Umwelt vor allem in der eigenen Region am ehesten zu wecken ist. Die Umweltschutzabteilungen haben nur eher schwache formelle Kompetenzen im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung, wobei die Generaldirektion für die Umwelt parallel die gleichen Kompetenzen hat und eigentlich für die Koordinierung mit den drei ebenfalls beteiligten spezialisierten Instituten des Umweltministeriums verantwortlich ist. In der Praxis übernehmen die Umweltschutzabteilungen die Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung fast zur Gänze und nehmen aktiv an den Genehmigungsverfahren von Industrieanlagen teil. 178 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 41. 179 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 31.

102

Kap. 1: Akteure

Am ausgeprägtesten sind die Kompetenzen der Umweltschutzabteilungen im eher nebensächlichen Bereich der Lärmvermeidung, wo nur Normgebung und Planung in die ausschließliche Zuständigkeit der Zentralstellen fällt, Genehmigung und Überwachung hingegen ausnahmsweise alleine den Umweltschutzabteilungen zukommt. Nur hier haben sie also Kompetenzen, die nicht auch gleichzeitig von den zentralen Dienststellen wahrgenommen werden. Im Bereich der Luftreinhaltung bedient sich das Institut für Meteorologie der Umweltschutzabteilungen, um Daten zu sammeln. Weiters leiten die Umweltschutzabteilungen die Luftreinhaltekommissionen und übernehmen einen Teil der Abgaskontrolle. Bei der Abfallbeseitigung zählen zu ihren Aufgaben: Ausübung der Kontrolle für die zentralen Dienststellen, Förderung von Abfallvermeidung und Recycling, Kontrolle der Abfallbeseitigungsanlagen. Die größte Bedeutung hat innerhalb der Umweltschutzabteilungen der Themenbereich Wasser, was sich auch in personeller Hinsicht niederschlägt. Dies ist auch der einzige Bereich, in dem sogar Planungsaufgaben übernommen werden.180 An diesem Beispiel sieht man den Konflikt zwischen auf einzelne Politikfelder spezialisierten Behörden wie dem Wasserinstitut INAG, das versucht, sich einen eigenen Behördenunterbau zu schaffen, und dem Bestreben mehrere Politikfelder, in einer regionalen Behörde wie der CCDR zu integrieren.181 Seit dem Ende des 19. Jhs. entsprach die Gliederung der Wasserverwaltung den Flussläufen. Als die CCDR im Jahr 1986 Aufgaben im Bereich des Umweltschutzes und der Raumordnung erhielten, richteten sie dafür Direktionen ein, die den Grenzen der CCDR folgten und damit die Flussläufe schnitten.182 Vier Jahre später wurden eigene Behörden zur Wasserverwaltung geschaffen, die dem Wasserinstitut – INAG unterstanden und in ihren Grenzen wieder den Flussgebietseinheiten der Flüsse folgten. Das betreffende Gesetzesdekret wurde aber nicht umgesetzt und später aufgehoben.183 1993 wurden schließlich die für Wasserfragen zuständigen Umweltabteilungen der CCDR abgetrennt und als Regionaldirektionen für die Umwelt direkt dem Umweltministerium unterstellt.184 Seither folgt die Verwaltung von Umwelt und Raumordnung den Grenzen der CCDR. Die Regionaldirektionen für die Umwelt waren entweder direkt dem Minister unterstellt oder später in die CCDR eingegliedert. Jedenfalls konnte das Wasserinstitut INAG keinen eigenen unabhängigen Behördenunterbau entwickeln und kri180 181 182 183 184

Ibid. S. 33 u. 85. Näheres dazu im Kapitel 4 Abschnitt: „A. Trend zu Territorialakteuren“. DL 130/1986. DL 70/1990 aufgehoben durch DL 46/1994. DL 190/1993.

B. Gesamtstaatliche Akteure

103

tisiert die Aufgabe der Flussgebietseinheiten als Anknüpfungspunkt für die örtlichen Zuständigkeitsbereiche der Behörden im Wasserbereich scharf,185 zumal sowohl die EU Richtlinie 60/2000/CE als auch das UmweltrahmenG von den Flussgebietseinheiten als den Grundeinheiten der Wasserbewirtschaftung ausgeht.186 Auch die OECD forderte dies in ihren Umweltberichten über Portugal.187 Trotzdem stellen im Wasserbereich die Umweltabteilungen der CCDR nach wie vor den Behördenunterbau des Wasserinstituts dar. Sie verwalten das öffentliche Wassergut, genehmigen und kontrollieren dessen Nutzung durch Private, erheben Benutzungsgebühren, leisten technische und finanzielle Hilfe bei Wasserprojekten und schließen die Kooperationsverträge mit den Gebietsgemeinden. Zudem führen sie Verwaltungsstrafverfahren durch. Zu ihrer Beratung sind für jede Flussgebietseinheit Beiräte (Conselho Regional de Bacia- CRB) eingerichtet, die neben einer beratenden Funktion auch über die Verwendung der Hälfte der eingenommenen Gebühren entscheiden.188 Im zweiten der Aufgabenbereiche der CCDR, nämlich Raumordnung und Stadterneuerung, bestehen ihre Zuständigkeiten in: Vollzug und Evaluation von Programmen und Projekten, Planung und Unterstützung öffentlicher Infrastrukturprojekte gesamtstaatlicher Akteure, Federführung bei der Erstellung der PROT, Unterstützung und Kontrolle der Erstellung der kommunalen Raumordnungspläne, der Spezialpläne und der Politikfeldpläne, Planung und Unterstützung von Stadterneuerungsprojekten, Führung eines Informationssystems. Die Raumordnungsabteilungen der CCDR bestehen aus Teilen der ehemaligen DRAOT (Regionaldirektionen für Umwelt und Raumordnung) und sind nach Art. 17 DL 104/2003 für die allgemeine Raumordnung, insbesondere in Naturschutzgebieten und an der Küste, zuständig. Sie sind im Verfahren zur Erstellung der regionalen Raumordnungspläne – PROT federführend und sitzen bei der Erstellung der kommunalen Raumordnungspläne – PDM der Begleitkommission vor, weil sie einerseits die nötige Fachkompetenz haben, um die Gebietsgemeinden in Raumordnungsfragen fachlich zu beraten, andererseits haben sie die Aufgabe, auf einen Konsens aller beteiligten Akteure hinzuwirken. Zusätzlich sind sie an der Erstellung der 185 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.10. 186 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 33. 187 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 69. 188 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 33.

104

Kap. 1: Akteure

Pläne für die Küsten und verschiedene Naturschutzgebiete beteiligt. Im Vollzug werden Bescheide des Ministeriums in Bezug auf Schwarzbauten auch von den Raumordnungsabteilungen der CCDR vollzogen.189 Im dritten Aufgabenbereich der CCDR, der strategischen Regionalentwicklung, sind die CCDR zuständig für: Teilnahme an der Erstellung der Entwicklungsstrategien des Gesamtstaats für die fünf CCDR-Regionen, insbesondere des Regionalentwicklungsplans PDR und des Investitionsplans PIDDAC, Vollzug des Regionalentwicklungsplans und der Regionalprogramme des EU-Rahmenprogramms, Beitrag zur Koordinierung des Handelns gesamtstaatlicher Akteure in den fünf CCDR-Regionen, interregionale Zusammenarbeit. Die dafür eingerichteten Abteilungen für Regionalplanung und -entwicklung haben die folgenden Aufgaben: Sammeln von Basisdaten über die sozioökonomische Entwicklung der Region (öffentliche Einrichtungen, Verkehrsströme, Wasserwirtschaft, Siedlungstätigkeit, Gewerbeparks), Entwurf und Begleitung von Entwicklungsstrategien für die Region, sozioökonomische Gutachten für die Umweltverträglichkeitsverfahren, Entwicklung und Umsetzung von öffentlichen Investitionsprojekten, Vertretung der CCDR in mehr als 30 Beratungsgremien und Arbeitsgruppen.190 Die Abteilungen für regionale Entwicklungsstrategie sind allerdings fachlich nicht sehr leistungsfähig. Meistens ist ihr Leiter der einzige gut ausgebildete Mitarbeiter. Wenn sie eigene Studien erstellen, sind diese zu akademisch und keine Entscheidungshilfen. In der Praxis geben diese Abteilungen Studien bei Universitäten in Auftrag und reflektieren deren Ergebnisse.191 Der vierte Aufgabenbereich umfasst die Unterstützung von Gemeinden und gesellschaftlichen Akteuren: Förderung der Kooperation zwischen Gesamtstaat und Gemeinden, Förderung der Beteiligung gesellschaftlicher Akteure auf regionaler Ebene, Kontrolle der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen Gesamtstaat und Gemeinden, Teilnahme an der Schaffung und der Aufsicht über Metropolitanverbände, Begleitung von Infrastrukturprojekten der Gemeinden. Zu den Aufgaben der dafür eingerichteten Gemeindeabteilung der CCDR zählen: Rechts- und Budgetberatung der Gebietsund Ortsgemeinden (400 Rechtsgutachten und 700 telefonische Auskünfte pro Jahr), Förderung der Aus- und Weiterbildung des Personals der Gemeinden durch das Programm FORAL eingebunden in das EU-Förderpro189

Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 909 ff.; European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 41, 104. 190 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Relatório de actividades 2002 (Lisboa 2003) S. 45–70 u. 101–104. 191 Farias, João: Interview am 14. August 2003.

B. Gesamtstaatliche Akteure

105

gramm der CCDR-Region, Datensammlung über den Personalstand und die Finanzsituation der Gemeinden, Unterstützung der Reform der Gemeindeverwaltung durch Wettbewerbe und Kooperationsverträge, Beratung in Budgetfragen.192 3. Interne Organisation der CCDR Obwohl die CCDR Finanz- und Verwaltungsautonomie genießen, können sie ihre interne Organisation nicht verändern, die ihnen von der Regierung durch DL vorgegeben wird. Eine CCDR hat nach Art. 9 DL 104/2003 vier Organe: Den Präsidenten, den Verwaltungsrat, die Kontrollkommission und den Regionalrat. Den Präsidenten der CCDR wählt die Regierung für eine Amtszeit von drei Jahren aus einem gereihten Dreiervorschlag des Regionalrats aus. Juristisch ist sie an diesen Dreiervorschlag nach Art. 10 Abs. 5 DL 104/2003 allerdings nicht gebunden. Der Präsident ist Behördenleiter der CCDR im Rang eines Generaldirektors und für die Zusammenarbeit zwischen der CCDR und anderen gesamtstaatlichen Akteuren zuständig. Er hat drei Stellvertreter im Rang von Vizegeneraldirektoren. Der Verwaltungsrat ist das kollektive Entscheidungsgremium der CCDR in finanziellen Angelegenheiten. Er besteht aus Beschäftigten der CCDR. Die Kontrollkommission, welche die Entscheidungen des Verwaltungsrats kontrolliert, wird hingegen vom zuständigen Minister bestellt. Im Regionalrat stellen die Bürgermeister der Gebietsgemeinden der jeweiligen CCDR-Region die Mehrheit der Mitglieder. Daneben gibt es einige Vertreter der Ortsgemeinden und gesellschaftlicher Akteure. Der Regionalrat wählt sich einen Präsidenten und eine ständige Kommission, welche die Arbeit der CCDR begleitet und die vierteljährlichen Treffen des Gesamtgremiums vorbereitet. Nach Art. 16 DL 104/2003 hat der Regionalrat eine Reihe beratender Funktionen. Die Interaktion zwischen CCDR und Gemeinden wird näher im Kapitel 6 Abschnitt „II. Kommission für regionale Koordinierung und Entwicklung (CCDR)“ ausgeführt.

192 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Relatório de actividades 2002 (Lisboa 2003) S. 45–70 u. 101–104.

106

Kap. 1: Akteure

4. Ressourcen der CCDR Die CCDR werden nach Art. 22 DL 104/2003 hauptsächlich aus dem nationalen Budget finanziert. Dazu kommen noch Gebühren, Strafgelder und Einnahmen aus Dienstleistungen für Dritte. Tabelle 15 Die Ressourcen der fünf CCDR 2004 im Vergleich193 CCDR

Budget in Mio. e

Norte

31

24

38

9

Lisboa e Vale do Tejo

33

26

35

10

Centro

22

17

18

13

Alentejo

21

16

5

41

21

16

4

60

128

100

100

13

Algarve Portugal Gesamt

194

Budgetanteil Bevölkerungsin % anteil in %

Budget pro Kopf in e

Die CCDR Algarve hat pro Einwohner ihres örtlichen Zuständigkeitsbereichs mehr als sechsmal soviel Ressourcen wie die CCDR-Norte. Der Grund ist die Kombination aus wenigen Einwohnern und vielen Touristen, die Umwelt- und Raumordnungsprobleme verursachen. Die CCDR Norte und Lisboa haben auf der anderen Seite großstädtische Gebiete, in denen sich die hohe Bevölkerungsdichte günstig auf den Verwaltungsaufwand auswirkt und die leistungsfähigen Gebietsgemeinden Lissabon und Porto wenig Unterstützung durch die CCDR benötigen. Die Integration der DRAOT in die CCR brachte Letzteren einen Zuwachs an Personal von 71%. Damit umfassten die fünf CCDR etwa die Hälfte des Personals des Ministeriums. Auf dem Papier vorhanden sind etwa doppelt so viele Dienstposten, die aber immer schon unbesetzt waren.195 Von internen und externen Weiterbildungsmaßnahmen waren 2003 68% des Per193

Departamento de Prospectiva e Planeamento et al. (Hg.): PIDDAC em nfflmeros (Lisboa 2001) S. 237; Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 173. 194 Da es die CCDR nur auf dem Festland gibt, sind die autonomen Inselregionen aus dieser Statistik herausgenommen. 195 Farias, João: Interview am 14. August 2003.

B. Gesamtstaatliche Akteure

107

Tabelle 16 Beschäftigte und Personalausgaben aller fünf CCDR ~ 2002196

CCR DRAOT CCDR Gesamt

Beschäftigte

Personalausgaben Mio. e

%

1.303

26,4

64

.925

15,1

36

2.228

41,5

100

sonals der CCDR-Lissabon betroffen. Dafür wurden 82.000 e ausgegeben, die hauptsächlich von EU-Fonds finanziert wurden.197 Das zeigt, wie selbstverständlich EU-Mittel für zentrale interne Bereiche wie die Mitarbeiterweiterbildung verwendet werden und wie abhängig dadurch portugiesische staatliche Akteure von den EU-Mitteln sind. 5. CCDR-Regionen Der örtliche Zuständigkeitsbereich der fünf CCDR wird in dieser Arbeit als CCDR-Region bezeichnet, was auch der neueren legistischen Terminologie in Portugal, etwa in DL 104/2003 entspricht. Die beiden dominierenden Metropolen des Landes (Lissabon und Porto) prägen auch die Bevölkerungsstruktur ihrer jeweiligen CCDR. Die beiden entsprechenden CCDR-Regionen haben jede für sich mehr als ein Drittel der Bevölkerung und eine hohe Bevölkerungsdichte, obwohl beide CCDRRegionen auch sehr ländliche Gebiete beinhalten. Dies ist bei den übrigen drei CCDR-Regionen fast zur Gänze der Fall, von denen die beiden kleineren nur etwa je 5% der Bevölkerung des Landes umfassen. 196 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Relatório de actividades 2002 (Lisboa 2003) S. 101–104; Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Relatório de Actividades da CCDRN 2003 (2003); Comissão de Coordenação da Região do Alentejo: Balanço Social da CCR e dos GAT do Alentejo 2000, (2000); Comissão de Coordenação da Região Centro: Balanço Social da CCR-Centro 2000, (2000); Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional do Algarve: Plano de Actividades 2004, (2003); Direcção Regional do Ambiente e do Ordenamento do Alentejo (DRAOT-Alentejo): Relatório de Actividades 1999, (2000); Direcção Regional do Ambiente e do Ordenamento do Território Centro: Relatório de Actividades 1999, (2000). 197 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Relatório de actividades 2002 (Lisboa 2003) S. 101 ff.

108

Kap. 1: Akteure Tabelle 17 Bevölkerung und Fläche der CCDR-Regionen198

CCDR

Bevölkerung 2001

%

Fläche km2

%

Bevölkerung pro km2

CCDR-Norte

3.632.000

38

21.278

24

171

CCDR-Lisboa e Vale do Tejo

3.338.000

35

11.931

13

280

CCDR-Centro

1.713.000

18

23.668

27

72

513.000

5

26.931

30

19

347.000

4

4.989

6

70

9.543.000

100

88.797

100

107

CCDR-Alentejo CCDR-Algarve 199

Portugal gesamt

Die fünf örtlichen Zuständigkeitsbereiche der CCDR gibt es seit nunmehr 25 Jahren. Sie haben sich in manchen Aspekten zu echten Territorien entwickelt: Bei den Gebietsgemeinden hat eine stärkere Orientierung zu ihrer örtlich zuständigen CCDR und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Gebietsgemeinden derselben CCDR-Region stattgefunden. Auch bei gesamtstaatlichen Akteuren gibt es die Tendenz, ihre örtlichen Zuständigkeitsbereiche denjenigen der CCDR-Regionen anzupassen. Auch als die statistischen Einheiten NUTS in Portugal eingeführt wurden, richtete der Gesamtstaat die NUTS II in den Grenzen der CCDR-Regionen ein. Seither folgt das gesamte Zahlenmaterial öffentlicher Akteure diesen Grenzen. In DL 104/2003 wurden schließlich die örtlichen Zuständigkeitsbereiche der CCDR ausdrücklich als „Regionen“ (regiões) bezeichnet. Zumindest in den zwei südlichen der fünf CCDR-Regionen, nämlich dem Alentejo und dem Algarve, identifizieren sich die Bürger in gewissem Sinne auch mit ihrer CCDR-Region, weil es sich um Landschaften mit einer gewissen historischen Identität handelt. Auch die drei übrigen CCDR-Regionen dürften den meisten Bürgern mittlerweile ein Begriff sein, zumal sie in ihrer Ausrichtung auf die Städte Lissabon, Porto und Coimbra der alltäglichen Orientierung vieler Bürger entsprechen. Zur Identität der CCDR-Regionen tragen auch ihre sozioökonomischen Charakteristika bei, welche die jeweilige CCDR vor unterschiedliche Herausforderungen stellt. 198 Departamento de Prospectiva e Planeamento et al. (Hg.): PIDDAC em nfflmeros (Lisboa 2001) S. 237; http://www.ccr-c.pt/regiao/regiao.php3 07/2003. 199 Da es die CCDR nur auf dem Festland gibt, sind die autonomen Inselregionen aus dieser Statistik herausgenommen.

C. Kommunale Akteure

109

Tabelle 18 Entwicklungsunterschiede zwischen den CCDR-Regionen Ende der 1990er Jahre200 Indikator BIP pro Kopf (EU = 100) Kaufkraft pro Kopf Alphabetisierung in %

Portugal LVT

Norte

Algarve

Centro Alentejo

74

92

64

74

63

64

100

143

83

107

71

68

89

94

92

89

88

81

Kaufkraftunterschiede von über 100% belegen die bis heute unterschiedliche Entwicklung der einzelnen Landesteile. Die hohen Analphabetenraten in bestimmten ländlichen Regionen, die auf hohen Raten unter der älteren Bevölkerung basieren, weisen auf Jahrzehnte alte Entwicklungsrückstände hin. Auch wenn die Zahlen aus dem Jahr 1997 stammen, haben sich die Unterschiede der Lebensverhältnisse zwischen den CCDR-Regionen seither nicht wesentlich vereinheitlicht.

C. Kommunale Akteure In der portugiesischen Verfassung werden in Art. 235 u. 236 CRP die Ortsgemeinden, die Gebietsgemeinden und die noch einzurichtenden Verwaltungsregionen als „Autarquias Locais“ (Territoriale Selbstverwaltungskörperschaften) bezeichnet und wie folgt definiert: Gebietskörperschaften mit gewählten Organen, welche die Interessen ihrer jeweiligen Bevölkerung verfolgen.201 Nach Art. 236 Abs. 3 CRP ist der einfache Gesetzgeber ermächtigt, in städtischen Ballungsgebieten andere Arten territorialer Selbstverwaltungskörperschaften einzurichten. Inwiefern dies durch die Metropolitanverbände in Lei 10/2003 geschehen ist, wird im „Kapitel 5 – Interaktion zwischen den Gemeinden“ behandelt. Die Verfassung gibt den territorialen Selbstverwaltungskörperschaften in den Art. 237–243 CRP folgende Garantien: Kompetenzverteilung nach dem Prinzip der Dezentralisierung, Recht auf Eigentum, finanzielle Autonomie und eigenes Personal, ein direkt gewähltes beratendes Kollegialorgan und ein ausführendes, das Recht, Referenden abzuhalten und Verordnungen zu 200

http://www.ccr-c.pt/regiao/regiao.php3 07/2003. Art. 235 Abs. 2 CRP: „Pessoas colectivas de base territorial, dotadas de órgãos representativos, que visam a prossecução de interesses próprios das populações respectivas.“ 201

110

Kap. 1: Akteure

erlassen sowie die Beschränkung auf eine Rechtsaufsicht durch den Gesamtstaat. Naturgemäß ist die Situation der jeweils einzelnen Gemeinden, was ihre finanziellen und personellen Ressourcen und ihre Beziehung zum Gesamtstaat betrifft, sehr unterschiedlich. Trotzdem lassen sich Aussagen über typische Probleme und Interessenslagen treffen, die vielen Gemeinden gemeinsam sind

I. Gebietsgemeinden Eine Gemeindereform in den 1830er-Jahren reduzierte die Anzahl der Gebietsgemeinden auf weniger als die Hälfte, seither hat Portugal auf Ebene der Gebietsgemeinden eine der großflächigsten Kommunalstrukturen in ganz Europa. Die durchschnittliche portugiesische Gebietsgemeinde (município) umfasst beinahe 300 km2 und hat mehr als 30.000 Einwohner. Auf ihrem Gebiet liegen im Schnitt 13 Ortsgemeinden (freguesías).202 Nur 30% der portugiesischen Gebietsgemeinden haben unter 10.000 Einwohner, im benachbarten Spanien sind es 93%, in Deutschland 91%.203 Diese Unterschiede zeigen, dass die portugiesischen Gebietsgemeinden quantitativ nicht den deutschen oder spanischen Gemeinden entsprechen. Diesen entsprechen – was Bevölkerung und Fläche betrifft – die portugiesischen Ortsgemeinden. Auch wenn in international vergleichenden Darstellungen immer wieder die Gebietsgemeinden mit der kommunalen Ebene anderer Länder verglichen werden, lassen sie sich quantitativ eher mit den deutlich größeren deutschen Landkreisen oder den österreichischen Bezirken vergleichen. Dies bedeutet lange Wege für den einzelnen Bürger und kommunale Gebietskörperschaften, die über eine örtliche Gemeinschaft deutlich hinausgehen, zumal die Gebietsgemeinden nach Zuständigkeiten und Ressourcen die wichtigste Gruppe kommunaler Akteure darstellen und die kleineren Ortsgemeinden nur sehr schwache Akteure sind. Vor dem Umsturz von 1974 drückten sich im Estado Novo die großen Unterschiede zwischen einzelnen Gebietsgemeinden in ihrer unterschiedlichen Rechtsstellung aus. Es gab städtische und ländliche Gebietsgemeinden, und zwar in je drei Größenordnungen.204 In dieser Zeit kann man die 202 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 25. 203 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 61. 204 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 22.

C. Kommunale Akteure

111

Gebietsgemeinden eigentlich nicht als eigene Akteure bezeichnen. Ohne Wahlen gab es keine eigene politische Legitimation. Die Organwalter der Gebietsgemeinden wurden vom Gesamtstaat aus der örtlichen Honoratiorenschicht ausgewählt. Zu klären gälte es, inwiefern lokale Eliten Einfluss auf die Gemeindeverwaltung ausüben konnten und insofern deren lokale Interessen Berücksichtigung fanden. Außerdem standen den Gebietsgemeinden einfach nicht die Ressourcen zur Verfügung, um eigene Projekte zu finanzieren. Mit dem Umsturz 1974 folgten Jahre sozialistischer Experimente, Unruhen und rechtloser Zustände. Erst langsam konnten sich auf dem flachen Land rechtsstaatliche Strukturen entwickeln.205 Allerdings gelang es den Gebietsgemeinden im Gegensatz zu den Ortsgemeinden schon Anfang der 1980er-Jahre, einen steilen Aufschwung zu nehmen, zu handlungsfähigen Akteuren und letztlich zu unverzichtbaren Interaktionspartnern des Gesamtstaats zu werden. 1. Verbandszuständigkeiten Die Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden setzen sich im Wesentlichen aus im Gesetz vorgesehenen und per Verordnung oder Vertrag übertragenen Zuständigkeiten des Gesamtstaats zusammen. Außer in Politikfeldern wie Rechtsprechung und Landesverteidigung werden die Gebietsgemeinden aber auch in praktisch allen Zuständigkeitsbereichen des Gesamtstaats privatrechtlich tätig oder arbeiten an der Ausführung gesamtstaatlicher Projekte mit. Im Detail wird dies im „Kapitel 6 – Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden“ behandelt. Tabelle 19 Politikfelder, in denen Gebietsgemeinden nach Art. 13 Lei 159/1999 Zuständigkeiten übertragen werden können Infrastruktur Energie, Transport und Verkehrswege

Umweltschutz Abwasserbeseitigung Abfallbeseitigung

Sozialwesen Sozialer Wohnbau Freizeit und Sport

Kultur und Wissenschaft Gesundheit Denkmalschutz Konsumentenschutz

Gemeindepolizei Zivilschutz

Erziehung

lokale Wirtschaftsförderung

Raumordnung

205 Costa, Adalberto et al.: O Poder Local em Portugal. Contributos para o seu Conhecimento. (Porto 1995) S. 13.

112

Kap. 1: Akteure

Die Bedeutung dieser Liste besteht darin, dass die Nationalversammlung es der Regierung per Gesetz ermöglicht, in diesen Politikfeldern einzelne Zuständigkeiten ganz oder teilweise an die Gebietsgemeinden durch Gesetzesdekret zu übertragen. Im Jahr 2003 wurden den Gebietsgemeinden in einem so genannten Dezentralisierungspaket folgende zusätzliche Zuständigkeiten vertraglich übertragen: Bau von Gesundheitszentren, Erhaltung der Grundschulen, alle Zuständigkeiten der Zivilgouverneure in Genehmigungssachen, Genehmigung von Tankstellen und Kontrolle der Lagerung von Treibstoffen, Ausstellen von Waffenscheinen und KFZ-Führerscheinen.206 Im Politikfeld Raumordnung erstellen die Gebietsgemeinden nach Art. 29 Lei 159/1999 und DL 380/1999 gemeinsam mit verschiedenen gesamtstaatlichen Akteuren die kommunalen Raumordnungspläne, wobei sie bei den untergeordneten Detailplänen größere Entscheidungsfreiheit haben und die Bürgerbeteiligung leiten. Sie nehmen an den Begleitkommissionen der regionalen Raumordnungspläne PROT und der Spezialpläne für Küsten, Binnengewässer und Naturschutzgebiete teil.207 Beim Vollzug sind sie parallel zu gesamtstaatlichen Akteuren für die Einhaltung der Raumordnungspläne durch Private zuständig. Art. 26 Lei 159/1999208 regelt die Kompetenzen der Gebietsgemeinden in Umweltschutzfragen. Demnach sind die Gebietsgemeinden für die Planung, die Errichtung und den Unterhalt von Anlagen verantwortlich, welche der Trinkwasserversorgung, der Abwasserentsorgung und der Abfallbeseitigung dienen. Zusätzliche Kompetenzen,209 welche die Gebietsgemeinden erst 1999 in einzelnen Materiengesetzen erhielten, sind: Teilnahme an der Vollziehung der Lärmschutzbestimmungen, Teilnahme an der Überwachung der Luftreinhaltebestimmungen, Vorschlag von Naturschutzgebieten, Verwaltung lokaler Naturschutzgebiete, Teilnahme an der Verwaltung regionaler und nationaler Naturschutzgebiete, Pflege von Gewässern in verbautem Gebiet, Teilnahme an der Pflege der Wasserressourcen, Pflege von Stränden, Wiederverwertung von Reststoffen. 206 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-41. 207 Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 912. 208 Ersetzt Decreto-Lei n.º 77/1984. 209 Costa, Gonçalo Ribeiro da (Hg.): Nova legislação autárquica anot. e coment. (Lisboa 1999) S. 38 f.

C. Kommunale Akteure

113

Tabelle 20 Detaillierte Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden nach Art. 16–31 Lei 159/1999 u. Art. 64 Lei 169/1999 idF Lei 5-A/2002 Gebietsgemeinden alleine

In Kooperation mit dem Gesamtstaat

Infrastruktur

Elektrische Energie, Trinkwasser, Abwasser, Abfallentsorgung, Grünflächen, Friedhöfe, Gemeindestraßen und Tankstellen, Märkte, Feuerwehr, Zivilschutz, Öffentlicher Nahverkehr

Anhörung bei überörtlichen Straßenbauvorhaben

Schulwesen

Errichtung von Kindergärten und Grundschulen; Transport, Unterbringung und soziale Unterstützung der Kinder, berufliche Weiterbildung

Kultur und Sport

Kulturzentren, Theater, Bibliotheken, Museen, Unterstützung von Laienkulturarbeit und der Kultur auf kommunaler Ebene, Errichtung von Sportstätten

Erhaltung geschützter Kulturgüter

Gesundheit und Soziales

Errichtung von Gesundheitszentren, Verwaltung von Heimen für Alte und Behinderte, Konsumentenschutz

Planung und Verwaltung von Gesundheitszentren und von Sozialwohnungen, Sozialpolitik

Umwelt und Raumordnung

Vorschlag von Naturschutzgebieten, Reinigung und Überwachung der Strände, Genehmigung des Abbaus bestimmter Bodenschätze, Örtliche Raumordnung und Enteignungen zu ihrer Durchsetzung, Bauplatzerklärung, Erneuerung von Stadtzentren, Genehmigung von Personenaufzügen

Lärm, Luftverschmutzung, Verwaltung von Naturschutzgebieten, Gewässerschutz, Regionale Raumordnungspläne, Gesamtstaatliche Spezialpläne, Baubewilligungen in Hafengebieten und an der Küste

Polizei

Gemeindepolizei

Wirtschaftsförderung

Beteiligung an örtlichen Entwicklungsgesellschaften, Verwaltung örtlicher Programme der regionalen EU-Programme, Genehmigung von gewerblichen Anlagen, Einkaufszentren und touristischer Infrastruktur

Beschäftigungs- und Fortbildungsinitiativen, Verwaltung der Tourismusregionen, Forstverwaltung

114

Kap. 1: Akteure

Im Bereich des Naturschutzes können die Gebietsgemeinden lokale oder regionale Naturschutzgebiete vorschlagen, diese verwalten und die Einhaltung der Schutzbestimmungen kontrollieren. Diese Aufgaben können auch an Gebietsgemeindeverbände übertragen werden. Bisher spielten die Gebietsgemeinden im Naturschutz aber noch keine große Rolle,210 allerdings üben die Gebietsgemeinden durch ihre Beteiligung an der Raumordnung Einfluss auf die Lokalisierung umweltgefährdender Aktivitäten und von Naturschutzgebieten aus. Durch einen korrekten Vollzug dieser Raumordnungsinstrumente vor Ort kann eine Gebietsgemeinde einen entscheidenden Beitrag im Politikfeld Umwelt leisten.211 2. Interne Organisation Art. 249–254 CRP regeln in groben Zügen die Stellung der Organe der Gebietsgemeinden. Nach Art. 250 der Verfassung sind dies die Gebietsgemeindevertretung (Assembleia Municipal) und der Gebietsgemeindevorstand (Câmara Municipal). Der Bürgermeister (Presidente da Câmara Municipal) findet in der Verfassung keine Erwähnung als eigenes Organ, was in der Vergangenheit auch der Situation auf einfachgesetzlicher Ebene entsprach. Mit Lei 18/1991 wurden dem Bürgermeister, der bis dahin nur der Vorsitzende des Gebietsgemeindevorstands war und in der Praxis einige Zuständigkeiten des Gebietsgemeindevorstands übernahm, eigene Kompetenzen zugewiesen. Erst recht mit der Direktwahl des Bürgermeisters und der Übertragung einer ganzen Liste eigener Kompetenzen durch Lei 159/1999 und 169/1999 muss man von einem eigenen Organ sprechen, das lediglich in der Verfassung nicht erwähnt ist. Insgesamt kam es in den letzten Jahren also zu einer Stärkung der Stellung des Bürgermeisters gegenüber dem Gebietsgemeindevorstand. Der Gebietsgemeindevorstand hat 16 Mitglieder in Lissabon, zehn in den Städten über 100.000 Einwohner und vier in denjenigen unter 10.000. Er hat wöchentlich ordentliche Sitzungen, die aber auf vierzehntägige Intervalle reduziert werden können. Der Gebietsgemeindevorstand kann nach Art. 70 Lei 169/1999 einen Teil seiner Zuständigkeiten an den Bürgermeister übertragen, der sie wiederum an einzelne Mitglieder des Gebietsgemeindevorstands oder an leitende Beschäftigte der Gebietsgemeinde zusammen mit detaillierten Anweisungen übertragen kann. 210 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 32 u. 95. 211 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 105.

C. Kommunale Akteure

115

Tabelle 21 Kompetenzen der Organe einer Gebietsgemeinde212 Gemeindevertretung (auf eigene Initiative)

Gemeindevertretung (auf Vorschlag des Gemeindevorstands)

Nachträgliche Einzelfallprüfung des Gebietsgemeindevorstands, der Gemeindeverwaltung und von kommunalen Betrieben, Ausspruch des Misstrauens (moções de censura) gegenüber dem Gebietsgemeindevorstand oder einem seiner Mitglieder (z. B. dem Bürgermeister), Stellungnahme zu allen Aufgaben der Gebietsgemeinde, Stellungnahme gegenüber gesamtstaatlichen Akteuren insbesondere zu Maßnahmen der Gebietsgemeindeaufsicht, Genehmigung von Bürgerbefragungen Beschluss kommunaler Verordnungen, der Gemeindesteuern, des Haushalts, des jährlichen Arbeitsprogramms und der Raumordnungspläne, Gründung oder Beteiligung an öffentlichen oder privaten Unternehmen, Immobiliengeschäfte, Kreditaufnahmen, Organisationsreform und kommunaler Stellenplan, Kompetenzübertragungen an Ortsgemeinden, Beteiligung an Gebietsgemeindeverbänden, Subventionen von Akteuren des 3. Sektors

Gemeindevorstand

Vorschläge an die Gebietsgemeindevertretung und Ausführung ihrer Beschlüsse, Leitung kommunaler Dienststellen und Kontrolle kommunaler Betriebe, Festlegung von Gebühren, finanzielle Unterstützung anderer staatlicher Akteure und solcher des 3. Sektors, Liegenschaftsverwaltung, Erlass eigener Verwaltungsakte, Vollzug kommunaler und staatlicher Verwaltungsakte

Bürgermeister

Vertretung der Gebietsgemeinde nach außen insbesondere in Prozessen, Koordinierung des Gebietsgemeindevorstands und Ausführung seiner Beschlüsse, Vertretung des Gebietsgemeindevorstands in den Sitzungen der Gebietsgemeindevertretung und in Notfällen, Personalaufsicht der kommunalen Beschäftigten, Kontrolle und Vollzug kommunaler Verwaltungsakte, Einleitung von Verwaltungsstrafverfahren, Ausübung der vom Gebietsgemeindevorstand übertragenen Kompetenzen

212 Capítulo IV Lei 169/1999 idF Lei 5-A/2002; zusätzlich können durch Einzelgesetze weitere Kompetenzen verliehen werden.

116

Kap. 1: Akteure

Die Gebietsgemeindevertretung hat jährlich fünf ordentliche Sitzungen, zu außerordentlichen Sitzungen kann sie von einem Drittel ihrer Mitglieder, vom Gebietsgemeindevorstand oder einer bestimmten Anzahl von Bürgern einberufen werden. Im Politikfeld Raumordnung liegen die zentralen exekutiven Kompetenzen beim Gebietsgemeindevorstand. Die Gebietsgemeindevertretung muss fertig ausgearbeiteten Plänen ebenso zustimmen wie deren Aufhebung im öffentlichen Interesse. Der Gebietsgemeindevorstand leitet Strafverfahren in Bausachen ein. Der Bürgermeister hat hingegen die Kompetenzen, den Vollzug der Raumordnungspläne durch Baustopp und zwangsweisen Abriss von Schwarzbauten sicherzustellen.213 Mehr als die Hälfte der Mitglieder der Gebietsgemeindevertretung und der Gebietsgemeindevorstand werden nach Art. 56 Lei 169/1999 in zwei gleichzeitig abgehaltenen Wahlen direkt von den Bürgern alle vier Jahre214 gewählt. Durch das derzeitige System der Kandidatenauswahl und der Verteilung von Verantwortung nach der Wahl ist ein großer Einfluss der Parteien auf das politische Leben der Gebietsgemeinden vorhanden.215 Dass auch der Gebietsgemeindevorstand direkt gewählt und nicht von der Gebietsgemeindevertretung ernannt wird, ist ein wesentlicher Unterschied zur Legitimation der Organe der Ortsgemeinden. Bürgermeister (presidente da câmara municipal = Präsident des Gebietsgemeindevorstands) wird der Spitzenkandidat der meist gewählten Liste bei den Wahlen zum Gebietsgemeindevorstand. Etwa die Hälfte der Mitglieder der Gebietsgemeindevertretung stellen die Bürgermeister der Ortsgemeinden auf dem Gebiet der betreffenden Gebietsgemeinde. Die von der Bevölkerung gewählten Mitglieder müssen deren Anzahl nach Art. 42 Lei 169/1999 mindestens um einen übersteigen. Damit existiert auf Ebene der Gebietsgemeinden eine getrennte Wahl von zwei Kollegialorganen: Eines für Legislativ- und Kontrollaufgaben, das andere für die Exekutivfunktionen. Durch diese getrennten Wahlen und die Entsendung der Bürgermeister der Ortsgemeinden in die Gemeindevertretung der Gebietsgemeinden können die Organe einer Gebietsgemeinde durchaus unterschiedliche politische Ausrichtungen haben. 213 Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 912 u. 921. 214 Durch Lei 35/1991 wurde das kommunale Mandat von drei auf vier Jahre verlängert. 215 Barreto, António: As Freguesias e a Regionalização, S. 43–51 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 45.

C. Kommunale Akteure

Gemeindevorstand Bürgermeister

Wahl zum Gemeindevorstand Spitzenkandidat der meistgewählten Liste wird Bürgermeister

117

Gemeindevertretung

Übrige Mitglieder

KONTROLLE

Direkt gewählt auf Ebene der Gebietsgemeinde > 50% der Sitze

Bürgermeister der Ortsgemeinden < 50% der Sitze

Wahl zur Gemeindevertretung der Gebietsgemeinde

Wahl zu den Gemeindevertretungen der Ortsgemeinden

Bürger der Gebietsgemeinde Bürger einzelner Ortsgemeinden

Grafik 1: Legitimation der Organe einer Gebietsgemeinde216

Alle drei Organe sind damit direkt demokratisch legitimiert. Wenn die „moções de censura“217 des Art. 53 Abs. 1 lit. l Lei 169/1999 ein echtes Misstrauensvotum der Gemeindevertretung gegenüber dem Gemeindevorstand oder einem seiner Mitglieder darstellten, würde dies bedeuten, dass die Gemeindevertretung Mitglieder eines anderen selbst demokratisch legitimierten Organs absetzen kann. Bei unterschiedlichen politischen Mehrheiten hätten dann die Wahlen zum Gemeindevorstand keinen Sinn mehr. Deshalb ist dieses Misstrauensvotum als politische Erklärung ohne Konsequenzen für die betreffenden Organwalter aufzufassen. Pattsituationen zwischen den beiden kommunalen Organen werden dadurch vermieden, dass die Gebietsgemeindevertretung den Gemeindevorstand zum Rücktritt und zu Neuwahlen zwingen kann, indem sie den Haushalt nicht genehmigt.218 Schon im Código Administrativo von 1940 waren drei Organisationsformen öffentlicher Leistungen vorgesehen. Einmal die Erbringung von Dienstleistungen direkt durch die Gemeindeverwaltung „serviços municipais“. Dies war lange Jahre die häufigste Organisationsform. Zweitens die 216

Capítulo IV Lei 169/1999 idF Lei 5-A/2002. Art. 53 Abs. 1 lit. l Lei 169/1999 – Votar moções de censura à câmara municipal, em avaliação da acção desenvolvida pela mesma ou por qualquer dos seus membros. 218 Amaral, Diogo Freitas do: Curso de direito administrativo. Volume 1 (Coimbra 1994) S. 490. 217

118

Kap. 1: Akteure

kommunalen Eigenbetriebe „serviços municipalizados“ mit Finanz- und Verwaltungsautonomie, aber ohne Rechtspersönlichkeit. Sie wurden häufig von größeren Gebietsgemeinden im Bereich der Daseinsvorsorge eingesetzt. Drittens konnten Gebietsgemeinden die Erbringung von Dienstleistungen durch Konzession an Privatunternehmen vergeben.219 Daneben gründeten oder beteiligten sich viele Gebietsgemeinden an Unternehmen in den Formen des Handelsrechts oder des Privatrechts. Auch Vereine und Stiftungen wurden für rein unternehmerische kommunale Tätigkeiten oder zur Erbringung von Leistungen der Daseinsvorsorge gegründet.220 Zu trennen sind von den genannten Organisationsformen die anstaltsähnlichen kommunalen Unternehmen auf der Grundlage von Lei 58/1998. Da sie sich besonders für PPP Konstruktionen eignen, werden sie im Kapitel 7 Abschnitt „D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatliche Akteuren“ behandelt. Durch die Gründung kommunaler Unternehmen wurden verschiedene Servicebereiche der Gebietsgemeinden wie öffentlicher Personennahverkehr oder der Trinkwasser- und Abfallbereich von direkten politischen Zwängen befreit.221 Außerdem gibt es seither auf dem Gebiet einer Gebietsgemeinde häufig mehrere kommunale Dienstleister.222 3. Finanzen Die Gebietsgemeinden genießen wirtschaftliche Autonomie, was ein eigenes Budget, eigene Steuern und Gebühren und die Verwaltung des eigenen Vermögens umfasst.223 Die gesamtstaatliche Aufsicht betrifft auch in finanziellen Fragen nur die Rechtmäßigkeit. Nachdem das Budget der Gebietsgemeinden 2001 im Vergleich zum Vorjahr um 18% angewachsen war, wuchs es 2002 noch einmal um 7%, womit 219 Oliveira, António Cândido de: Empresas Municipais e Intermunicipais. Entre o Pfflblico e o Privado, S. 131–146 [in: Coimbra, Faculdade de Direito da Universidade de (Hg.): Os caminhos da privatização da administração pfflblica. IV colóquio Luso-Espanhol de direito administrativo, (Coimbra 2000)] S. 133 f. 220 Amorim, João Pacheco de: As empresas pfflblicas no direito português. Em especial, as empresas municipais (Lisboa 2000) S. 35 ff. 221 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 190 f. 222 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 14. 223 Lei 169/1999.

C. Kommunale Akteure

119

pro Kopf 713 e erreicht wurden. 250 e davon wurden investiert. Diese Steigerungen sind großteils auf höhere Ausgaben und eine daraus resultierende höhere Neuverschuldung zurückzuführen. Setzt man die Verschuldung mit den jährlichen Einnahmen in Relation, so kam man 1999 auf 4%, 2002 waren es bereits 11%.224 Die starke Konzentration von Bevölkerung und Wirtschaftskraft an der Küste spiegelt sich auch in der Finanzkraft der Gebietsgemeinden wider. 55% der eigenen Einkünfte aller Gebietsgemeinden werden von den zwei größten Städten Lissabon und Porto erzielt.225 Die Hauptquelle der Gebietsgemeindefinanzen sind Zuschüsse des Gesamtstaats. Kriterien für die Höhe dieser Zuschüsse sind Einwohnerzahl, Größe des Gebietsgemeindegebiets, Anzahl der Ortsgemeinden, Länge des Straßennetzes und ein Indikator der wirtschaftlichen Entwicklung der Gebietsgemeinde. Die zweitwichtigste Einnahmequelle sind Steuern und Gebühren: Innerhalb eines gesetzlich vorgegebenen Rahmens können die Gebietsgemeinden auf Immobiliengeschäfte, Fahrzeuge und touristische Aktivitäten Steuern erheben. Bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen können die Gebietsgemeinden einen Zuschlag einheben. Gebühren können erhoben werden für Jagdscheine, Werbeplakate, die Nutzung von Gebietsgemeindegrund oder die Erteilung von Baubewilligungen. Außerdem können Gebietsgemeinden seit Lei 1/1987 Kredite unterschiedlicher Laufzeit aufnehmen, wobei ihnen staatliche Kreditlinien zu Sonderkonditionen zur Verfügung stehen.226 Nach Lei 42/1998 können sie außerdem Anleihen auflegen. Seit den 1990er-Jahren waren vor allem zwei Trends in der Zusammensetzung der Gebietsgemeindefinanzen festzustellen: Eine Verdoppelung des Anteils der Finanzierung über Kredite und Anleihen und zweitens der Anstieg der EU-Transfers von 5% auf 8%.227 Die Berechnung eines EU Anteils von 8% an den Einnahmen der Gebietsgemeinden gibt allerdings nur eine ungefähre Vorstellung. EU-Mittel werden ja meist in Bezug auf konkrete Projekte vergeben. Es ist daher nicht so einfach, einem bestimmten öffentlichen Akteur diese Ressourcen zuzuordnen. Eine Möglichkeit wäre, denjenigen Akteur zu wählen, der die Projektleitung übernimmt. Aber erstens kann dieser über EU-Mittel nicht wie über eigene Ressourcen ver224 Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Anuários Estatísticos Regionais – Um Retrato Territorial de Portugal 2002 (Lisboa 2003) S. 135. 225 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 63. 226 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 43. 227 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 68.

120

Kap. 1: Akteure Tabelle 22 Einnahmen der Gebietsgemeinden 2001228

Einnahmequelle

Mio. e

%

Transfers vom Gesamtstaat

2.368

37

Steuern und Gebühren

1.984

31

Anleihen

804

12

Sonstige (vor allem Kredite)

758

12

EU (Europäischer Sozialfonds, Strukturfonds)

548

8

6.462

100

Gesamt

fügen, da er die Verfahrensvorschriften der EU einhalten muss. Zweitens dienen die Projekte oft der Verwirklichung von Zielen der EU, die nicht unbedingt den Zielen des betreffenden Akteurs entsprechen müssen. Drittens können andere öffentliche oder private Akteure die wahren Nutznießer eines solchen Projekts sein, weil sie dadurch eigene Ressourcen sparen. Betrachtet man die Einnahmen der Gebietsgemeinden pro Kopf im Jahre 2000, so zeigt sich, daß die Gebietsgemeinden im Landesinneren teilweise höhere Einnahmen haben. Dies gilt auch für diejenigen am Algarve und in Lissabon. Niedrigere Einnahmen findet man um Porto und an der Nordküste. Zu erklären ist dies durch die Regeln über die Transfers des Gesamtstaats, welche unterentwickelte Regionen bevorzugen. In Verbindung mit der niedrigen Bevölkerungszahl ergeben sich hohe pro Kopf Einnahmen.229 Die normale Verwaltung der Gebietsgemeindeausgaben obliegt dem Gebietsgemeindevorstand, der für größere Verfügungen die Zustimmung der Gebietsgemeindevertretung braucht und weniger bedeutende Angelegenheiten dem Bürgermeister übertragen kann. Insgesamt tätigen die Gebietsgemeinden etwa 10% der Ausgaben aller öffentlichen Akteure.230 Auffällig sind hier der geringe Schuldendienst, der hohe Investitionsanteil und die relativ hohen Transfers an andere Akteure in Gestalt von Ortsgemeinden und gesellschaftlichen Akteuren. Ihre Gemeindebetriebe bezuschussten die Gebietsgemeinden 2001 mit 44,87 Mio. e, was 0,7% ihrer 228

http://www.dgaa.pt/desp_receit_geral.htm 06/2003. http://www.dgaa.pt/cap%20rec97.htm 06/2003. 230 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 104 Februar 2002. 229

C. Kommunale Akteure

121

Tabelle 23 Ausgaben der Gebietsgemeinden 2001231 Ausgabenart

Mio. e

%

Investitionen in Anlagevermögen (z. B. Infrastruktur)

2.656

41

Personalaufwand

1.534

24

Sachaufwand

1.078

17

Transfers an andere Akteure

790

12

Schuldendienst

182

3

Sonstiges

209

3

6.450

100

Gesamt

Ausgaben entsprach. Im zeitlichen Vergleich der Anteile der Ausgaben ist seit 1990 der Anteil der Personalausgaben an den Gesamtausgaben um 20% gestiegen, der Anteil der Ausgaben für den Schuldendienst um 67%. Allerdings lagen die Verbindlichkeiten der portugiesischen Gebietsgemeinden in Relation zum BIP des Landes Ende der 1990er-Jahre mit 0,2% unter den europäischen Durchschnittswerten. Tabelle 24 Veränderung der Ausgaben von Gebiets- und Ortsgemeinden 2002–2004232 Ausgabenart

2002

2004

Veränderung 2002–2004

Mio. e

%

Mio. e

%

%

Investitionen

2.825,6

42

3.263,9

47

+16

Personal und andere laufende Ausgaben

3.194,6

48

3.245,3

46

+2

Transfers

462,9

7

317,0

5

–32

Andere

187,7

3

170,0

2

–9

6.670,8

100

6.996,2

100

+5

Gesamt 231

http://www.dgaa.pt/desp_receit_geral.htm 06/2003. Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 72. 232

122

Kap. 1: Akteure

Der Ausgabenanstieg von 5% floss vor allem in Investitionen. Die laufenden Ausgaben stiegen nur leicht an. Bei den Transfers an gesellschaftliche Akteure und Ortsgemeinden gab es hingegen eine deutliche Reduktion. Diese Zahlen beziehen sich auf Orts- und Gebietsgemeinden. Der relativ geringe Anteil der Ortsgemeinden beträgt davon mit 410 Mio. e etwa 6%.233 4. Personal Erst mit DL 116/1984 erhielten die Gebietsgemeinden mehr Autonomie im Bereich des Personalwesens, in welchem vorher das Innenministerium weit reichende Aufsichtsrechte hatte. Allerdings gilt weiterhin das Dienstrecht des Gesamtstaates für die Gebietsgemeinden, was diese vehement ablehnen, da ihr geringer Personalstand ein flexibleres Dienstrecht erfordert. So könnten Arbeiter nur in der untersten Besoldungsklasse in den öffentlichen Dienst eintreten, wenn eine Gebietsgemeinde nun aber einen erfahrenen Facharbeiter braucht, findet sie keinen, der zu den angebotenen Bedingungen dazu bereit ist.234 Rein rechtlich sind die Grenzen zwischen den staatlichen Akteuren für ihr Personal ziemlich durchlässig: Wenn eine Gebietsgemeinde Personal einstellt, muss sie vorher beim Gesamtstaat anfragen, ob dieser nicht geeignetes Personal hat, das er nicht mehr braucht.235 Folgende Tabelle zeigt, dass im Lauf der Jahre der Anteil höher bewerteter Dienstposten zunahm. Allerdings ist die Verbesserung bis Mitte der 1990erJahre eigentlich nur gering. Die deutliche Verbesserung in den Jahren bis 2001 ist teilweise darauf zurückzuführen, dass sich diese Zahlen nur auf die CCDR-Region-LVT beziehen, wo mit Lissabon und den umgebenden Gebietsgemeinden die am besten ausgestatteten kommunalen Akteure des Landes liegen. Insgesamt gibt es aber immer noch sehr viele schlecht ausgebildete Beschäftigte. Trotz einer neunjährigen Schulpflicht haben zwei Drittel der Beschäftigten der Gebietsgemeinden eine geringere Schulbildung.236 Obwohl die Gewerkschaft der Gemeindebeschäftigten mit 56.000 Mitgliedern die größte Gewerkschaft im öffentlichen Bereich ist, hatten etwa 50% der Beschäftigten 2002 ein Nettoeinkommen von unter 500 e. Im Vergleich zu anderen Sektoren herrschen große Mängel bei Arbeitssicherheit, 233 http://www.anafre.pt/anafre/anafre_informa/informa2002.html 07/2003; http:// www.dgaa.pt/desp_receit_geral.htm 06/2003. 234 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 8. 235 Farinha, Carlos: Aspectos Gerais sobre o Regime Jurídico das Freguesias [in: Revista da Administração Local, N 161, S. 747–754, 1997] S. 753. 236 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 34.

C. Kommunale Akteure

123

Tabelle 25 Anzahl und Dienstklasse der Beschäftigten bei Gebiets- und Ortsgemeinden237 Jahr

Höherer und Mittlerer Arbeiter und gehobener Dienst in% Hilfskräfte Dienst in% in%

Absolute Anzahl

Portugal 1968







41.542

1979

3

17

80

58.266

1996

7

14

79

100.446

17

24

60

39.163

7

22

71

616

CCDR-Region – LVT 2001 Gebiets- und Ortsgemeinden 2001 nur Ortsgemeinden

Hygiene und Fortbildung.238 Zwar gibt es auf nationaler Ebene als Fortbildungszentrum das CEFA (Centro de Formação Autárquica) in Coimbra, das von Gesamtstaat und der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden gemeinsam geleitet wird, allerdings erfüllt es nicht alle Erwartungen, da dort fast nur Ausbildung in Verwaltungsrecht unter dem Einfluss der juristischen Fakultät von Coimbra betrieben wird. Schulungen im Managementbereich und das Erstellen von verwaltungswissenschaftlichen Studien über die Situation der Gebietsgemeinden finden nicht statt. Die Personalsituation der Gebietsgemeinden ist also kritisch. Schlecht ausgebildetes und schlecht bezahltes Personal schwächt die Handlungsfähigkeit jedes Akteurs. Interessant ist das Problem im mittleren Management, das sich auch bei anderen staatlichen Akteuren in Portugal findet. Die leitenden Beschäftigten sind durchaus auf europäischem Niveau, die einfachen Arbeiter und Hilfskräfte erledigen ihre Arbeit und sind nicht das Problem. Dazwischen aber mangelt es an Fähigkeiten und Verantwortung. Dies bestätigte auch der Geschäftsführer der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden im Interview: Was den Gebietsgemeinden fehlt, ist nicht juristisches, 237 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 16; http://www.ccr-lvt.pt/user_files/39.xls 07/2003. 238 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 2 u. 8.

124

Kap. 1: Akteure

sondern technisches Fachpersonal und Leute für die mittlere Führungsebene.239Das Personalproblem schwächt die Gebietsgemeinden gegenüber dem Gesamtstaat ganz entscheidend, nämlich in der Auseinandersetzung bei unterschiedlichen Interessen und in Bezug auf künftige Kompetenzübertragungen. Selbst kommunale Mandatsträger geben im Interview zu, dass der Gesamtstaat den Gebietsgemeinden nur dann mehr Kompetenzen übertragen kann, wenn sie geeignete Leute zur Vollziehung haben.240 Die Lösung liegt in der Fortbildung und in der Einstellung neuer Beschäftigter auf höher bewerteten Dienstposten. Dafür fehlen den Gebietsgemeinden derzeit die Ressourcen. Die leitenden Stellen der Gemeindeverwaltung entsprechen mittleren Rängen in der Verwaltung des Gesamtstaates und werden daher öffentlich ausgeschrieben. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden will aber eine politische Besetzung für die Dauer eines Mandats wie bei den Spitzenbeamten des Gesamtstaates.241 Je nach Größe der Gebietsgemeinde kann der Bürgermeister nach Art. 73 Lei 169/1999 zwischen drei und fünf persönliche Referenten als politische Beschäftigte einstellen. Wer unter den Mitgliedern des Gebietsgemeindevorstands Vollzeit und wer Teilzeit arbeitet, bestimmt der Bürgermeister. In Lissabon und Porto können das bis zu vier Mitglieder sein, in Städten über 100.000 Einwohner bis zu drei, bei mindestens 20.000 Einwohnern bis zu zwei und darunter lediglich ein Mitglied.242 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden fordert, die Gehälter kommunaler Mandatsträger auf das Niveau von Stellen ähnlicher Budgetund Entscheidungsverantwortung bei anderen staatlichen Akteuren anzuheben. Unter der Berücksichtigung von geringerer Arbeitsleistung und der fehlenden politischen Verantwortung für die Ergebnisse seien die höheren Ränge in der gesamtstaatlichen Verwaltung überbezahlt.243 Es gibt generell Schwierigkeiten, fähige Kandidaten für kommunale Mandate zu finden. Ein Mandatsträger aus Coimbra forderte im Interview eine bessere Schulung kommunaler Mandatsträger.244 239

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 241 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 8. 242 Art. 58 u. 73 f. Lei 169/1999. 243 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998) Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 9. 244 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 240

C. Kommunale Akteure

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Die Probleme der Gebietsgemeinden im Politikfeld Umwelt und Raumordnung sind im Wesentlichen die gleichen wie in anderen Politikfeldern: Gut ausgebildetes Personal wäre dauerhaft nötig, für das aber die Ressourcen fehlen. Es gibt viele Probleme beim Fachpersonal: Sie beginnen bei der mangelnden Qualifikation bei der Einstellung und enden bei der fehlenden Fortbildung.245 Sie gehen so weit, dass in der Praxis einigen Gebietsgemeinden die Unterschiede zwischen den einzelnen kommunalen Raumordnungsplänen nicht klar sind.246 Ein leitender Mitarbeiter einer DRAOT forderte im Interview: Ideal wäre es, wenn eine Gebietsgemeinde ein bis zwei Fachleute hätte, die ständig mit der Raumordnung beschäftigt wären. Es handelt sich ja um ein dynamisches Politikfeld, das jemand fachkundig begleiten muss. Diese Situation gibt es in Portugal praktisch nirgends, höchstens in den allergrößten Städten. Die anderen Gebietsgemeinden müssen Fachwissen im Einzelfall zukaufen, was natürlich teuer ist. Auch deshalb haben viele Gebietsgemeinden lange Zeit gar keine Raumordnungspläne aufgestellt.247 Die Forderung nach einem Raumordnungsspezialisten in jeder Gebietsgemeinde wird auch in der Literatur erhoben.248 In Ermangelung eigener Fachkräfte beauftragen die Gebietsgemeinden für die Raumordnung oft externe Fachleute. Manchmal werden PDMs völlig von externen Büros erstellt. Die fachlichen Vorschläge dieser Spezialisten werden aber durch die Entscheidungen der lokalen Politiker überlagert.249 Ähnliches wurde auch im Interview beklagt: Zwar stehen endlich genügend Fachleute für Raumordnung in Portugal zur Verfügung, aber nunmehr dominierten die politischen Mandatsträger deren Inhalte.250

245 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 51. 246 Sá, Manuel Fernandes de: Planos Operativos de Escala Intermédia. Caracterização Técnica e Arquitectónica [in: Sociedade e Território, 33, S. 46–56, 2002] S. 51. 247 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 248 Lobo, Manuel da Costa et al.: Planos Directores Municipais em fase de transição (Oeiras 2003) S. 52. 249 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 26. 250 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 1: Akteure

5. Interessen in den Politikfeldern Raumordnung und Umweltschutz Einen Großteil der Handlungsorientierungen im Politikfeld Raumordnung bekommen die Gebietsgemeinden vom Gesamtstaat normativ vorgegeben. Einerseits enthalten die betreffenden Gesetze eine Reihe von raumordnerischen Prinzipien und detaillierte Verfahrensvorschriften, andererseits geben die übergeordneten Pläne des Gesamtstaats detaillierte inhaltliche Orientierungen für die kommunale Raumordnung. Gemeindeinterne Handlungsorientierungen wie der jährliche Tätigkeitsplan, der Haushaltsentwurf und die Raumordnungspläne sind häufig zu wenig aufeinander abgestimmt.251 Das Interesse einer Gebietsgemeinde an der Raumordnung hängt von ihrer demographischen und wirtschaftlichen Entwicklung ab. Gebietsgemeinden mit Bevölkerungsrückgang und ohne wirtschaftliche Dynamik haben kein Interesse an Raumordnung.252 Es gibt daher viele Gebietsgemeinden, in denen Raumordnungspläne niemanden interessieren und sich niemand fachlich auskennt. Ein tendenzielles Desinteresse ist weit verbreitet.253 Außerdem stellen die Gebühreneinnahmen bei Neubauten eine wichtige Finanzierungsquelle für die Gebietsgemeinden dar, wodurch ein Interessenkonflikt mit einer geordneten Raumordnung entsteht.254 Wenn aber in einer Gebietsgemeinde ein großer Problemdruck herrscht, ist das Interesse an einer korrekten Raumordnung größer. Dann bedarf es nur noch eines guten Bürgermeisters und eines guten Fachmanns vor Ort und eine korrekte Raumordnung ist möglich. Ein positives Beispiel für so eine Entwicklung ist die Stadt Viseu.255 Die wesentlichen Handlungsorientierungen im Politikfeld Umweltschutz erhalten die Gebietsgemeinden ebenfalls durch die Gesetzgebung des Gesamtstaats. So trägt Art. 38 des UmweltrahmenG außer den gesamtstaatlichen Akteuren auch den Gebietsgemeinden die Befolgung der Prinzipien und Bestimmungen dieses Gesetzes auf. Neben dem grundsätzlichen Inte251 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 51. 252 Soares, Luís Bruno: Pensar o Ordenamento do Território. Estratégias e Perspectivas, S. 142–149 [in: UNL, Universidade Nova de Lisboa. (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 144. 253 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 254 Soares, Luís Bruno: Pensar o Ordenamento do Território. Estratégias e Perspectivas, S. 142–149 [in: UNL, Universidade Nova de Lisboa. (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 142. 255 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003.

C. Kommunale Akteure

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resse jedes Akteurs an Autonomie, das heißt seine Entscheidungen möglichst selbst zu treffen, sind die Interessen einer Gebietsgemeinde in Umweltfragen tendenziell darauf gerichtet, Umweltgefahren von ihren Gemeindebürgern abzuhalten. Allerdings sind die Gebietsgemeinden stärker an der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ihres Territoriums interessiert. Sie begreifen das als übergeordnete Verantwortung gegenüber den Bürgern. Der Umweltschutz ist im Vergleich dazu nur ein Nebenziel. Sie fordern Entschädigungen, wenn auf ihrem Gebiet ein Schutzgebiet eingerichtet und dadurch die Entwicklung gebremst wird.256 Umweltschutz ist letztlich ein vom Gesamtstaat und der EU vorgegebenes Ziel, das die Mandatsträger einer Gebietsgemeinde ihren Bürgern nur schwer vermitteln können. Unterstützen allerdings andere staatliche Akteure ihre umweltpolitischen Ziele mit Ressourcen für konkrete Projekte, sind Gebietsgemeinden an einer Umsetzung auf ihrem Territorium sehr wohl interessiert.

II. Ortsgemeinden Während die Gebietsgemeinden auf Gerichtsbezirke des Königs oder anderer Grundherren zurückgehen, fußen die Ortsgemeinden (Freguesias) auf den kirchlichen Pfarrstrukturen. Diese entsprachen den lokalen Gemeinschaften der Landbevölkerung und nahmen öffentliche Aufgaben wie Standeswesen, Bestattung und Sozialwesen wahr. Im Jahr 1830 wurden parallel zu den Pfarren staatliche Verwaltungsbezirke errichtet, die Zivilpfarren genannt wurden.257 Dies wurde wohl dadurch erleichtert, dass der König durch das so genannte „Padroado“ oberster Kirchenherr in seinem Land war. Die Zuständigkeiten der Ortsgemeinden umfassten kirchliche Angelegenheiten, Grundschulwesen sowie Erhalt und Reinigung der Straßen. In den folgenden Jahrzehnten wurden diese Ortsgemeinden häufig verändert oder wieder abgeschafft. Seit 1878 bestehen sie durchgehend.258 Der Estado Novo sorgte auch hier nach langer Zeit für institutionelle Stabilität. Sein Verwaltungsgesetzbuch aus den 1930er-Jahren blieb vierzig Jahre in Kraft. Es gab verschiedene Klassen von Ortsgemeinden mit unterschiedlichen Zuständigkeiten. Der Gemeindevorstand der Ortsgemeinden wurde direkt gewählt, stand aber unter enger gesamtstaatlicher Kontrolle.259 256

Associação Nacional de Municípios Portugueses: Resolução. Rede Natura 2000, (2000) S. 10. 257 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 92 f. 258 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 8.

128

Kap. 1: Akteure

Während in den 40 Jahren des Estado Novo nur 87 Ortsgemeinden gegründet wurden, gab es in den ersten 20 Jahren seit dem Umsturz von 1974 hauptsächlich aus parteipolitischen Gründen 380 Neugründungen.260 Da nämlich die Bürgermeister der Ortsgemeinden in der Gemeindevertretung der Gebietsgemeinde sitzen, können geschickt zugeschnittene Ortsgemeinden einer bestimmten Partei diese Mandate sichern.261 Anfang der 1990erJahre waren es im Schnitt zwölf Neugründungen pro Jahr. Dies verringerte sich aber Anfang der 2000er-Jahre auf vier Gründungen jährlich.262 Insgesamt schadete diese Entwicklung der Verwaltungskraft und dem Ansehen der Ortsgemeinden.263 Tabelle 26 Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden: Durchschnittliche Fläche und Bevölkerung 2001264 Fläche in km2 Ortsgemeinden Gebietsgemeinden Portugal gesamt

Bevölkerung

Anzahl

22

2.500

4.250

288

32.500

320

92.152

10.350.000



Eine Ortsgemeinde hat also im Schnitt 2.500 Einwohner und 22 km2. Eine Gebietsgemeinde ist etwa 13 Mal so groß. 259 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 92 f. 260 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 40. 261 Montalvo, António Rebordão: Contributos para a Reforma das Freguesias Portuguesas [in: Revista da Administração Local, N 131, S. 577–594, 1992] S. 579; Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 95. 262 Comissão de Coordenação da Região Norte (Hg.): Guia do eleito local. Vol 3: Freguesia (Lisboa 1995) S. 15; Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 5. 263 Montalvo, António Rebordão: Contributos para a Reforma das Freguesias Portuguesas [in: Revista da Administração Local, N 131, S. 577–594, 1992] S. 579; Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 95. 264 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 5; Ergebnis der Volkszählung von 2001: http:// www.ine.pt/prodserv/censos_definit/censos_definit.asp 06/2004.

C. Kommunale Akteure

129

Weder die juristische noch die faktische Lage der Ortsgemeinden änderten sich schlagartig mit der Revolution 1974. Während die Gebietsgemeinden einen, wenn auch langsamen, Aufschwung nahmen, stagnierten die Ortsgemeinden bis weit in die 1990er-Jahre.265 Manche Ortsgemeinden hatten auch damals nur so geringe Mittel, dass sie eigentlich nur das Amtsgebäude ein paar Stunden offen hielten und Dokumente beglaubigten. Bei anderen kamen noch Mithilfe bei der Wählerevidenz und die Friedhofsverwaltung hinzu. Weitere Aufgaben übertrug zusammen mit den erforderlichen Mitteln in einigen Fällen die Gebietsgemeinde.266 Mittel und Zuständigkeiten verbesserten sich erst Ende der 1990er-Jahre mit Lei 159/1999, 169/1999 und den neuen Gemeindefinanzgesetzen. 1. Verbandszuständigkeiten Tabelle 27 Politikfelder, in denen Ortsgemeinden nach Art. 14 Lei 159/1999 Zuständigkeiten übertragen werden können Infrastruktur

Abwasserbeseitigung

örtliche Sicherheitspolizei

Umweltschutz

Erziehung

Kultur, Freizeit und Sport

Raumordnung

Sozialhilfe

medizinische Grundversorgung

Zivilschutz

lokale Wirtschaftsentwicklung

In diesen Politikfeldern können die Ortsgemeinden selbst planen, investieren und Einrichtungen leiten. Voraussetzung ist aber, es werden ihnen konkrete Zuständigkeiten in diesen Politikfeldern durch DL oder öffentlichrechtlichen Vertrag übertragen und die dafür nötigen Mittel zugewiesen. Einige wenige Zuständigkeiten werden den Ortsgemeinden bereits in Art. 34 Lei 169/1999 übertragen. Die weiteren Zuständigkeiten der Ortsgemeinden setzen sich im Wesentlichen aus per Gesetzesdekret übertragenen Zuständigkeiten des Gesamtstaats zusammen. Dazu kommen noch vertragliche Übertragungen von Sei265 Comissão para a Qualidade e Racionalização da Administração Pfflblica: Autarquias locais. Notas de reflexão sobre a Dimensão dos Municípios, as Funções e a Liderança Política Local, (Lisboa 1993) S. 13. 266 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 96.

130

Kap. 1: Akteure Tabelle 28 In Art. 34 Lei 169/1999 übertragene Zuständigkeiten

Öffentliche Einrichtungen

Soweit sie im Eigentum der Ortsgemeinde stehen, die Errichtung und Erhaltung von: Friedhöfen, Parks, Spielplätzen, Brunnen, Toiletten, Wartehäuschen; Bauliche Instandhaltung von Kindergärten und Grundschulen

Standeswesen

Erstellung der Wählerlisten, Beglaubigung von Dokumenten, Bestätigung der Identität von Personen

Raumordnung

Beteiligung an der Erstellung der Pläne und der Organisation der Bürgerbeteiligung, wenn von der Gebietsgemeinde übertragen

Interaktion

Art. 34 Abs. 6 Z n Lei 169/1999: Unterstützung aller anderen staatlichen Akteure insbesondere in den Bereichen Statistik, wirtschaftliche Entwicklung, Erziehung, Gesundheit, Sozialwesen, Kultur; Art. 34 Abs. 6 Z l Lei 169/1999: Unterstützung gemeinnütziger sozialer, kultureller, sportlicher Einrichtungen Zusammenarbeit mit dem Zivilschutz und der Feuerwehr

ten der Gebietsgemeinden. Im Detail wird dies bei der Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden behandelt. Im Politikfeld Raumordnung haben die Ortsgemeinden praktisch keine eigenen Kompetenzen.267 Bis 1990 fanden die Ortsgemeinden in Normtexten zur Raumordnung überhaupt keine Erwähnung, Beschlüsse eines Gemeinderats einer Ortsgemeinde zu diesem Thema stützten sich auf das Recht, zu allen die Ortsgemeinde betreffenden Themen Meinungen zu formulieren. Mit DL 69/1990 wurde den Ortsgemeinden eine organisatorische Rolle in der Bürgerbeteiligung bei Raumordnungsplänen der Gebietsgemeinden, später auch der des Gesamtstaates (DL 151/1995), zugewiesen. Mit DL 445/1991 und 448/1991 bekamen die Ortsgemeinden Aufgaben bei der Genehmigung von Vermessungsarbeiten, der Aufschließung und der Bauplatzerklärung. Mit Art. 34 Abs. 3 Lei 169/1999 erhielten die Ortsgemeinden die Aufgabe, die Raumordnungspläne der Gebietsgemeinden zur Einsicht für die Bürger bereit zu halten sowie Bauplatzerklärungen und Baubewil267 Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 923.

C. Kommunale Akteure

131

ligungen für die im Eigentum der Ortsgemeinde stehenden Grundstücke zu erteilen.268 Eigene Bauprojekte der Ortsgemeinde bedürfen aber nicht der Zustimmung der Gebietsgemeinde, wenn für das betreffende Gebiet ein PDM existiert.269 Ein Mandatsträger einer Gebietsgemeinde meinte im Interview: Für eine echte Beteiligung an der Raumordnung mit Entscheidungsrechten fehlt es den Ortsgemeinden an technischen Fähigkeiten und Personal.270 Zusammenfassend kann man sagen, dass die Stellung der Ortsgemeinden im Politikfeld Raumordnung sehr schwach ist. Letztlich unterscheidet sie sich nicht wesentlich von derjenigen der Privaten. Normen und Raumordnungspläne anderer staatlicher Akteure haben für sie unbeschränkte Geltung. Auf deren Erstellung können sie aber nur im Rahmen der allgemeinen Bürgerbeteiligung oder über ihren Einfluss auf die Gebietsgemeinde einwirken. Es können Projekte privater Akteure auf dem Territorium der Ortsgemeinde von anderen staatlichen Akteuren genehmigt oder Projekte von staatlichen Akteuren beschlossen werden, ohne dass die betroffene Ortsgemeinde ernsthaft mitentscheiden kann oder ein Vetorecht hat. Im Politikfeld Umwelt können einzelne Aufgaben bei der Wasserversorgung den Ortsgemeinden durch Gesetz übertragen werden, wie etwa die Ausführung von Reparaturen vor Ort. Die Gemeindevertretung kann ihnen außerdem gestatten, sich an öffentlichen Unternehmen von lokalem Interesse mit Infrastrukturaufgaben zu beteiligen.271 2. Interne Organisation Die Organe der Ortsgemeinden sind in den Art. 244–248 CRP sowie im Dritten Kapitel von Lei 169/1999 geregelt. Es sind dies die Gemeindevertretung (Assembleia de Freguesia), der Gemeindevorstand (Junta de Freguesia) und der Bürgermeister (Presidente da Junta de Freguesia). Genau wie der Bürgermeister der Gebietsgemeinde ist auch der Bürgermeister der Ortsgemeinde ein Organ, auch wenn er als solches nicht in der Verfassung, sondern nur in einfachen Gesetzen erwähnt ist. 268 Freire, José (Hg.): O papel das freguesias no ordenamento do território e no urbanismo Ano 23, nº 180 Nov.–Dez. 2000, S. 843 ff. 269 Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 923. 270 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 271 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.4.

132

Kap. 1: Akteure

Gewählt wird die Gemeindevertretung nach Verhältniswahlrecht und hat zwischen sieben und neun Mitgliedern, bei mehr als 20.000 Einwohnern auch darüber. Die Gemeindevertretung hat vier ordentliche Sitzungen pro Jahr und wird zu außerordentlichen Sitzungen auf Verlangen des Bürgermeisters oder eines Drittels ihrer Mitglieder einberufen. Die Mitglieder des Gemeindevorstands sind nicht direkt demokratisch legitimiert, sondern von der Gemeindevertretung aus ihrer Mitte gewählt. Dies ist auch der Hauptunterschied zur Legitimation der Organe einer Gebietsgemeinde. Die zwei bis sechs Mitglieder des Gemeindevorstands versammeln sich mindestens einmal monatlich. Außerdem müssen sie auch an den Sitzungen der Gemeindevertretung teilnehmen. Ihnen kann dabei das Wort erteilt werden, stimmberechtigt sind sie in diesem Kollegialorgan nicht. Der Spitzenkandidat der Wahlliste mit den meisten Stimmen bei der Wahl zur Gemeindevertretung wird automatisch Bürgermeister (Presidente da Junta de Freguesia). Er ist also Vorsitzender des Gemeindevorstands und einziges direkt gewähltes Mitglied dieses Gremiums. Diesem Modell entspricht in Deutschland am ehesten die Magistratsverfassung272, in Österreich die Gemeindeverfassungen der Bundesländer ohne Direktwahl des Bürgermeisters.273 Als Unterschied bleibt, dass der Bürgermeister in Portugal nicht von der Gemeindevertretung gewählt wird, sondern sich dessen Wahl direkt aus dem Wahlergebnis der Wahl zur Gemeindevertretung ergibt. Diese Konstruktion verhindert unterschiedliche politische Ausrichtungen der Organwalter der Ortsgemeinden: Bürgermeister ist immer der Spitzenkandidat der Mehrheitsfraktion der Gemeindevertretung, welche auch den Gemeindevorstand bestimmen kann. Außerdem wird der Bürgermeister nicht vom Gemeinderat gewählt, kann also auch nicht von diesem abgesetzt werden, was ihm während seiner Amtszeit eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber dem Gemeinderat und seiner Partei geben kann. Die Stellung des Bürgermeisters wird durch diese direkte Wahl, die auch eine Abberufung durch andere Gemeindeorgane verhindert, gestärkt. Ebenfalls in diese Richtung wirkt die Vertretung der Ortsgemeinde durch ihren Bürgermeister in der Gemeindevertretung der Gebietsgemeinde. Wenn eine Ortsgemeinde weniger als 150 Wähler hat, wird keine Gemeindevertretung gewählt. An ihre Stelle tritt nach Art. 21 Lei 169/1999 die Vollversammlung der wahlberechtigten Bürger (Plenário de Cidadãos Eleitores), für welche die Regeln der Gemeindevertretung analog angewandt werden. Sie wählen dann auch direkt den Gemeindevorstand. Ein Element direkter Demokratie ist die Einberufung der Gemeindevertretung auf Wunsch einer bestimmten Anzahl von Bürgern nach Art. 14 Lei 272 273

Maurer, Hartmut: Allgemeines Verwaltungsrecht (München 2000) § 23, Rn. 9. Raschauer, Bernhard: Allgemeines Verwaltungsrecht (Wien 1998) Rz 316.

C. Kommunale Akteure

Gemeindevorstand Bürgermeister

2–6 Mitglieder

Wahl aus den Mitgliedern der Gemeindevertretung

133

Gemeindevertretung

Spitzenkandidat der siegreichen Liste der Gemeindevertretungswahl wird Bürgermeister Wahl

Bürger der Gebietsgemeinde

Grafik 2: Legitimation der Organe einer Ortsgemeinde

169/1999. Zwei dieser Bürger können in solch einer Sitzung sprechen und Anträge stellen, über welche die Gemeindevertretung aber nicht verpflichtet ist abzustimmen. (Verweis Tabelle 29) 3. Finanzen Die Einnahmen der Ortsgemeinden setzen sich aus folgenden Quellen zusammen: Gebühren und Steuern, Grundfinanzierung durch den Gesamtstaat, Kredite bis zu 10% ihrer Grundfinanzierung, Projektbezogene Sonderfinanzierung durch die EU, den Gesamtstaat und die Gebietsgemeinden. Im Jahr 2003 erhielten die Ortsgemeinden vom Gesamtstaat als reguläre Gemeindefinanzierung 176 Mio. e. Weitere 230 Mio. e274 erhalten sie etwa jährlich von den Gebietsgemeinden als Transfers. Mit 406 Mio. e insgesamt stehen einer Ortsgemeinde im Schnitt 95.000 e Jahresbudget zur Verfügung. Allerdings sind die Mittel bei den größeren Ortsgemeinden konzentriert, sodass fast die Hälfte aller Ortsgemeinden ein Budget von weniger als 25.000 e hat. Die Interessenvertretung der Ortsgemeinden fordert ein Mindestbudget in dieser Höhe für jede Ortsgemeinde.275 Insgesamt ist die Mittelausstattung der Ortsgemeinden viel zu gering, selbst um die wenigen Kompetenzen auszuüben, die sie haben.276 Ein eigenes Amtsgebäude haben 83% der Orts274 275 276

(Für 2001) http://www.dgaa.pt/desp_receit_geral.htm 06/2003. http://www.anafre.pt/anafre/anafre_informa/informa2002.html 07/2003. Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003.

134

Kap. 1: Akteure Tabelle 29 Kompetenzen der Organe einer Ortsgemeinde277

Gemeindevertretung

Wahl und Kontrolle des Gemeindevorstands (Diskussion eines vierteljährlichen Arbeitsberichts, Misstrauensvoten gegen den Gemeindevorstand und gegen einzelne seiner Mitglieder, Diskussion aller die Ortsgemeinde betreffenden Angelegenheiten und Einrichtung von Arbeitsgruppen, Aufstellung allgemeiner Regeln für die Verwaltung von Gemeindeeigentum, Einsicht und Stellungnahme zu Akten der Gemeindeaufsicht, Genehmigung von Bürgerbefragungen

Gemeindevertretung auf Vorschlag des Gemeindevorstands

Genehmigung des Arbeitsplans und des Budgets des Gemeindevorstands, Beschluss kommunaler Verordnungen, Steuern und Kredite, Genehmigung der Beteiligung an öffentlichen Unternehmen, an PPPs und an Gemeindeverbänden, Genehmigung von Grundstücksgeschäften und Personalentscheidungen, Genehmigung von Subventionen von Akteuren des 3. Sektors

Gemeindevorstand

Vorschläge an die Gemeindevertretung und Ausführung ihrer Beschlüsse, Vertretung der Ortsgemeinde nach außen, Leitung der Verwaltung der Ortsgemeinde, Verwaltung ihres Eigentums, Vertretung der Eigentümerrolle der Ortsgemeinde in öffentlichen Unternehmen, Vorschlag und Ausführung des Budgets, des jährlichen Arbeitsprogramms und von Gemeindeverordnungen, Zusammenarbeit mit dem Rechnungshof, von der Gemeindevertretung delegierte Kompetenzen

Bürgermeister

Vertretung der Ortsgemeinde nach außen, besonders in Prozessen, Vertretung des Gemeindevorstands vor der Gemeindevertretung, Sitz und Stimmrecht in der Gemeindevertretung der Gebietsgemeinde, Vollzug der Beschlüsse des Gemeindevorstands, Führung von Verwaltungsstrafverfahren, von der Gemeindevertretung oder dem Gemeindevorstand nach Art. 38 Abs. 1 Lei 169/1999 an den Bürgermeister übertragene Kompetenzen

gemeinden, weitere 3% mieten eines an. Vor allem in den Großstädten werden die Amtsgebäude von den Gebietsgemeinden gratis überlassen (11%). Schließlich haben 3% der Ortsgemeinden überhaupt kein Amtsgebäude. Ein Fünftel aller Ortsgemeinden benötigt nach eigenen Angaben ein neues Amtsgebäude, der Finanzbedarf für Renovierung oder Neubau beläuft sich 277 Capítulo III. Lei 169/1999 idF Lei 5-A/2002; zusätzlich können durch Einzelgesetze weitere Kompetenzen verliehen werden.

C. Kommunale Akteure

135

93 %

Computer

Kopierer

Fax

74 %

53 %

Internet

51 %

Kraftfahrzeug

49 %

Grafik 3: Ausrüstung der Ortsgemeinden mit KFZ und Bürotechnik 2002278

pro Ortsgemeinde im Schnitt auf 100.000 e.279 Dies ist für viele Ortsgemeinden ein Vielfaches ihres Jahresbudgets und daher nicht leistbar. Ein brauchbares Amtsgebäude ist nach Aussagen einer Juristin der Interessenvertretung der Ortsgemeinden wichtig, um sich ein Mindestmaß an Respekt bei anderen Akteuren zu sichern.280 Den Ortsgemeinden stehen also nur sehr geringe Ressourcen zur Verfügung, und dies, obwohl der Ressourceneinsatz durch die Ortsgemeinden effizienter ist als durch alle anderen staatlichen Akteure, weil kaum Verwaltungskosten anfallen und die Ausgaben den Bürgern in unmittelbarer Form zugute kommen.281

278 Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 23, 27, 43, 45. 279 Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 23, 27, 45. 280 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 281 Rosa do Egipto, José: A Revisão do Estatuto das Freguesias [in: Revista da Administração Local, N 168, S. 835–838, 1998] S. 836; Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 24.

136

Kap. 1: Akteure

4. Personal In ländlichen Gebieten haben viele Ortsgemeinden keinerlei geeignete Personen als Kandidaten für die kommunalen Mandate.282 Deshalb wurde das vom Gesamtstaat und der EU finanzierte Ausbildungsprogramm FORAL für die Mandatare der Gebietsgemeinden im Jahre 2003 auf die Mandatsträger der Ortsgemeinden ausgeweitet.283 Von der Interessenvertretung der Ortsgemeinden wird allerdings auch vertreten, dass es genügend geeignete kommunale Mandatsträger in den Ortsgemeinden gäbe, um mehr Kompetenzen und Ressourcen zu verwalten.284 Die Mandatsträger der Ortsgemeinden sind nebenberuflich oder ehrenamtlich tätig und oft selbst nicht gut ausgebildet. Sie stellen sich aus Verantwortungsbewusstsein und wegen des sozialen Prestiges zur Wahl. Finanziell rechnet sich das für sie nicht. Letztendlich haben sie auch eher eine gesellschaftliche als eine politische Funktion.285 Die Interessenvertretung der Ortsgemeinden fordert bisher vergeblich, dass die Arbeit als kommunaler Mandatsträger für die Pension angerechnet wird.286 Hat eine Ortsgemeinde mehr als 5.000 Wähler oder mindestens 3.500 Wähler und mehr als 50 km2, kann der Bürgermeister sein Mandat in bezahlter Teilzeit ausüben. Einen in Vollzeit arbeitenden Bürgermeister kann eine Ortsgemeinde mit mehr als 10.000 Wählern oder mit mindestens 7.500 Wählern und einer Fläche von 100 km2 haben. Diese Mindestanzahl von Wählern kann unterschritten werden, wenn die Personalausgaben für den Bürgermeister 12% des Gemeindebudgets nicht überschreiten. Für welches Modell er optiert, entscheidet der Bürgermeister selbst. Eine gesetzlich erlaubte Vollzeitstelle kann auch innerhalb des Gemeindevorstands auf beliebig viele Mitglieder aufgeteilt werden.287 Der Gesamtstaat bezahlt einen Teil dieser Gehälter direkt.288 Die Fälle von Vollzeit oder Teilzeitbeschäftigung konzentrieren sich in der Praxis auf die urbanisierten Distrikte von Lissabon und Setfflbal, wo sie ein Drittel erreichen sowie Porto und dem Algarve, wo sie etwa 12% ausmachen. Vor allem in den ländlichen Regionen bleibt es in der Praxis beim Ehrenamt.289 282 Montalvo, António Rebordão: Contributos para a Reforma das Freguesias Portuguesas [in: Revista da Administração Local, N 131, S. 577–594, 1992] S. 588. 283 http://www.anafre.pt/anafre/pdf/PM2003.doc 01/2003. 284 Rosa do Egipto, José: A Revisão do Estatuto das Freguesias [in: Revista da Administração Local, N 168, S. 835–838, 1998] S. 836. 285 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 286 Associação Nacional de Freguesias: Moção de Estratégia do oito congresso da ANAFRE (Strategiepapier vom 8. Kongress der ANAFRE), (28. Mai 2002). 287 Art. 27 f. Lei 169/1999 idF Lei 5-A/2002. 288 http://www.anafre.pt/anafre/anafre_informa/informa2002.html 07/2003.

C. Kommunale Akteure

137

Tabelle 30 Beschäftigungsverhältnis der Bürgermeister von Ortsgemeinden 2002290 Beschäftigungsverhältnis

Anteil in %

% aller Bürgermeister, die vom Gesamtstaat direkt entlohnt werden

Vollzeit

10

4

Teilzeit

20

10

Ehrenamt

70



100

14

Gesamt

Die Forderung, alle Bürgermeister entweder Vollzeit oder Teilzeit anzustellen, hat die Interessenvertretung der Ortsgemeinden wegen Aussichtslosigkeit zwischenzeitlich wieder fallengelassen.291 Stattdessen fordert sie eine Erhöhung der Aufwandsentschädigungen und Repräsentationsgebühren für die ehrenamtlich tätigen Mandatsträger. Ein eigenes Dienstrecht für die Ortsgemeinden gibt es nicht,292 Art. 39 f. Lei 169/1999 erklärt das gesamtstaatliche Dienstrecht für anwendbar und den nationalen Rechnungshof für die Überprüfung der Verträge zuständig. Kompetenzen und Ressourcen der Ortsgemeinden sind so gering, dass es für gut ausgebildete Leute nicht attraktiv ist, für eine Ortsgemeinde zu arbeiten.293 Interessant sind auch die Unterschiede zwischen Gebiets- und Ortsgemeinden. Die Ortsgemeinden haben weniger komplexe Zuständigkeiten und weniger Ressourcen und deshalb einen höheren Anteil niedrig bewerteter Dienstposten. Im Jahr 2001 standen den Ortsgemeinden in der CCDRRegion LVT 9% des Personalbudgets aller Gemeinden zur Verfügung, den Gebietsgemeinden die restlichen 91%.294 Dieses Verhältnis wird auch in den anderen Landesteilen sehr ähnlich sein. Freiwillige Arbeit der Gemein289 Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 11. 290 Ibid. S. 11 ff. 291 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 106. 292 Associação Nacional de Freguesias: Moção de Estratégia do oito congresso da ANAFRE (Strategiepapier vom 8. Kongress der ANAFRE), (28. Mai 2002). 293 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 294 http://www.ccr-lvt.pt/user_files/39.xls 07/2003.

138

Kap. 1: Akteure Tabelle 31 Angestellte und Arbeiter pro Ortsgemeinde295

Landesteil

Personal pro Ortsgemeinde

Distrikte Lissabon und Porto

5,8

Übrige Distrikte

1,6

Portugal gesamt

2,3

debürger zugunsten der Ortsgemeinden wie unter sozialistischen Vorzeichen in den 1970er-Jahren gibt es heute praktisch keine mehr.296 5. Interessen und Handlungsorientierungen Die Interessen der Ortsgemeinde sind sehr konkret auf einige Sachprobleme ausgerichtet, die sich aus ihren wenigen Zuständigkeiten, den geringen Ressourcen und den lokalen Umständen ergeben. Andererseits spielen sich Projekte aller anderen öffentlichen Akteure letztlich räumlich auf dem Gebiet irgendeiner Ortsgemeinde ab, deren Interessen davon massiv betroffen sein können. Daraus ergibt sich, dass die Ortsgemeinden primär auf die Aktionen anderer staatlicher Akteure reagieren. Auch die für eine Ortsgemeinde wesentlichen normativen, planerischen und finanziellen Entscheidungen werden von anderen staatlichen Akteuren getroffen. Daraus ergibt sich, dass es für die Ortsgemeinden entscheidend ist, die Entscheidungen anderer staatlicher Akteure in ihrem Sinne zu beeinflussen. Formelle Einflussmöglichkeiten bestehen aber nur sehr begrenzt über den Sitz des Bürgermeisters der Ortsgemeinde in der Gemeindevertretung der jeweiligen Gebietsgemeinde. Außerdem stehen einer Ortsgemeinde alle Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung offen. Die restliche Einflussnahme muss auf politische und informelle Weise erfolgen. Die drei Hauptforderungen der Ortsgemeinden sind: mehr eigene Kompetenzen (und weniger von den Gebietsgemeinden übertragene), die dafür nötigen Finanzmittel sowie mehr hauptamtliche Bürgermeister.297 Diese aktuellen Forderungen der Ortsgemeinden lassen sich dahingehend interpretie295 Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 47. 296 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 297 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 23.

C. Kommunale Akteure

139

ren, dass sie mehr Ressourcen, mehr Autonomie und mehr direkte Interaktion mit anderen Akteuren als den Gebietsgemeinden wünschen (direkter Zugang zu Bankkrediten und den Förderprogrammen der EU, Erhöhung der direkten und globalen Mittelzuweisungen durch den Gesamtstaat). 6. Unterschiedliche Problemlage und Gebietsreform Als staatliche Akteure der untersten Ebene treffen die Ortsgemeinden regionale Strukturprobleme am unmittelbarsten. Tritt ein soziales oder ökologisches Problem auf, betrifft es meist den gesamten örtlichen Zuständigkeitsbereich der Ortsgemeinde, was die Möglichkeit mit der Situation fertig zu werden, einschränkt. 13% der Ortsgemeinden liegen innerhalb städtischer Siedlungsbereiche, 30% haben einen städtischen Siedlungskern, umfassen aber auch ländliche Bereiche, und die restlichen 57% haben keinen städtischen Siedlungskern, der über kleine Dörfer hinausgeht.298 Dieser Typus der sehr ländlichen und peripheren Ortsgemeinde hat eine große Fläche und eine geringe Bevölkerung. Typisch sind hier Probleme wie massive Abwanderung und daraus resultierende Überalterung, zu wenig eigene Budgetmittel und keine geeigneten Kandidaten für die kommunalen Mandate.299 Es handelt sich also um staatliche Akteure an der Grenze ihrer Funktionalität, weshalb teilweise vorgeschlagen wird, solche Ortsgemeinden in einer Gemeindereform zusammenzulegen, da sie eigentlich nur aus historischen Gründen weiter bestehen.300 Dagegen spricht aber, dass diese Ortsgemeinden vor Ort die einzigen Akteure überhaupt sind. Eine Auflösung würde die Gegend endgültig veröden lassen, weshalb als Alternative die Bildung von Gemeindeverbänden empfohlen wird. Verfügt eine solche Ortsgemeinde über ein eigenes mittleres Siedlungszentrum von 3.000–4.000 Einwohnern, sind die Probleme etwas gemildert und sie könnten Aufgaben von den Gebietsgemeinden übernehmen. Ein weiterer Typus von ländlicher Ortsgemeinde findet sich in den kleineren Landstädten mit etwa 15.000 Einwohnern, die gleichzeitig Sitz einer Gebietsgemeinde sind. Meist gibt es im Siedlungskern zwei bis drei Ortsgemeinden, denen neben der dominierenden Gebietsgemeinde vor Ort kaum noch Aufgaben verbleiben. Ein Reformvorschlag ist hier, diese eigentlich überflüssige Parallelstruktur aufzulösen. Der dritte Typ von Ortsgemeinden in den Großstädten ist in den historischen Zentren von abneh298 Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 7. 299 Montalvo, António Rebordão: Contributos para a Reforma das Freguesias Portuguesas [in: Revista da Administração Local, N 131, S. 577–594, 1992] S. 582 ff. 300 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 1: Akteure

mender Bevölkerung betroffen. Andererseits haben diese Ortsgemeinden aber eine starke Identität und können Minderheiten integrieren. Sie haben vor allem kulturelle, nachbarschaftliche und soziale Aufgaben zu erfüllen und verfügen dazu über Informationen aus dem Stadtviertel. Als letzten Typ von Ortsgemeinden kann man solche bezeichnen, die nahe der Küste und am Rand der großen Städte einen rasanten Bevölkerungsanstieg zu verzeichnen haben, der auf Landflucht und die Entleerung der Stadtzentren zurückzuführen ist. In diesen urbanen Problemzonen übernehmen die Ortsgemeinden wichtige Verwaltungsaufgaben, welche die überforderten Gebietsgemeinden der Metropolitanverbände nicht wahrnehmen können und ihnen übertragen. Mit viel zu geringen Mitteln müssen sie die Funktion einer Gebietsgemeinde erfüllen. Für diese vier sehr unterschiedlichen Arten von Ortsgemeinden gilt nun eine im Wesentlichen gleiche Rechtslage, was vielfach kritisiert wird.301 Auch die Interessenvertretung der Ortsgemeinden forderte schon immer Zuständigkeiten und die allgemeine Rechtslage unterschiedlicher Ortsgemeinden auch unterschiedlich zu gestalten, zumal es bei den Ortsgemeinden, anders als bei den Gebietsgemeinden, in den letzten 200 Jahren keine große Gemeindereform gab.302 Neben der Zusammenlegung von kleinen oder der Teilung großer Ortsgemeinden werden derzeit zur Anpassung der Ortsgemeinden an ihre konkrete Problemlage die Schaffung von Verbänden von Ortsgemeinden und vor allem die Einzelübertragung von Ressourcen und Kompetenzen durch die Gebietsgemeinden praktiziert.303

D. Private Akteure Dem Begriff „staatliche Akteure“ stehen die Begriffe „private Akteure“ oder kürzer „Private“ gegenüber. Sie werden als Oberbegriff für Bürger, Unternehmen und gesellschaftliche Akteure verwendet. Unter Letzteren werden Interessenvereinigungen von Bürgern oder Unternehmen verstanden.

301 Montalvo, António Rebordão: Contributos para a Reforma das Freguesias Portuguesas [in: Revista da Administração Local, N 131, S. 577–594, 1992] S. 582 ff. 302 Santarém, Governo Civil do Distrito de (Hg.): As Freguesias do distrito de Santarém. Algumas referéncias e principais indicadores territoriais, sociais e económicos (Santarém 2001) S. 23. 303 Rosa do Egipto, José: A Revisão do Estatuto das Freguesias [in: Revista da Administração Local, N 168, S. 835–838, 1998] S. 837.

D. Private Akteure

141

I. Bürger Auch in den Politikfeldern Raumordnung und Umwelt gibt es nicht „den“ Bürger, sondern verschiedene Bürger mit ganz unterschiedlichen Ressourcen und Handlungsorientierungen. Bürger können interessiert und gut informiert sein und ausreichend Zeit haben, in einem Politikfeld tätig zu werden oder eben nicht. Einerseits gibt es Bürger, die nur ihre Eigeninteressen oder die einer bestimmten Gruppe von Bürgern vertreten, und andere, die Gemeinwohl orientiert handeln. Bürger stehen auch in jeweils unterschiedlichen rechtlichen Beziehungen zu anderen staatlichen und privaten Akteuren. Anknüpfungspunkte für spezielle Rechte gegenüber staatlichen Akteuren ergeben sich beispielsweise aus dem gewöhnlichen Aufenthalt, dem Nachbarrecht oder der Gemeindebürgerschaft. Im Folgenden sollen einige typische Eigenschaften von privaten Akteuren in Bezug auf ihre Handlungsressourcen und Handlungsorientierungen herausgearbeitet werden. 1. Handlungsressourcen Bürger verfügen über eine Reihe von Handlungsressourcen: Fähigkeiten und Wissen, Unterstützung oder Ablehnung von Normen, Plänen sowie anderen Akteuren,304 Beteiligungs- und Informationsrechte in Verwaltungsverfahren und dem politischen Prozess, finanzielle Ressourcen und die Wahlmöglichkeit bei Konsumentscheidungen. Im Vergleich mit staatlichen Akteuren sind die Handlungsressourcen einzelner Bürger naturgemäß gering. So haben sie mehrheitlich ein Defizit an Fachwissen über Inhalte und Verfahren in Umwelt- und Raumordnungsfragen. Andererseits verfügen sie über konkrete Informationen über Zustände und Veränderungen in ihrem näheren Lebensumfeld und treffen die Entscheidung, ob sie staatliche Akteure darüber informieren. Letztere sind aber auf solche Informationen angewiesen. Die Portugiesen schätzen ihr Wissen in Umweltfragen gering ein. Sowohl 1997 als auch 2000 hielten sich knapp über 60% für gar nicht oder schlecht informiert in Umweltfragen.305 Ähnliche Werte finden sich im benachbarten Spanien. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2000 zu den 12 wichtigsten Umweltthemen gab die Hälfte der Befragten an, über kein einziges oder höchs304 Schuppert, Gunnar Folke: Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre (Baden-Baden 2000) S. 922. 305 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.4.

142

Kap. 1: Akteure

tens eines dieser Themen auch nur annähernd informiert zu sein. 65% gaben an, nicht zu wissen, was mit ihrem Hausmüll nach dessen Abholung geschieht. Das Wissen in Umweltfragen hängt einerseits mit dem Alter, andererseits der Ausbildung der Befragten zusammen. Unter 35-Jährige sind deutlich besser informiert, ebenso Abiturienten und Akademiker. Beide Gruppen finden sich verstärkt in den Städten.306 Betrachtet man nur diese Bevölkerungsgruppe mit höherer Bildung, so können 75% etwas mit dem Namen des wichtigsten portugiesischen Raumordnungsplans (PDM) anfangen (30% der Gesamtbevölkerung), auch steigt der Anteil derjenigen, welche die „Natura 2000“ Naturschutzgebiete der EU kennen auf 15% (4% der Gesamtbevölkerung).307 Insgesamt ergibt sich eine Zweiteilung der Gesellschaft: Etwa die Hälfte ist aufgrund geringer Bildung und fortgeschrittenem Alter von der relativ jungen Diskussion über Umwelt- und Raumordnungsthemen völlig ausgeschlossen, hat in diesem Bereich kaum Wissen und vertraut auch den Akteuren, die Informationen geben könnten, sehr wenig. Betrachtet man lediglich die Zahlen für ganz Portugal, senkt diese große Gruppe mit sehr geringen Wissens- und Vertrauenswerten den Landesschnitt ganz erheblich. Sie wuchs in Portugal vor dessen Öffnung nach Europa auf und unterscheidet sich grundlegend von der Generation, welche die Modernisierung und Europäisierung der Gesellschaft mit vollzogen hat. Von denjenigen Befragten, die nach 1950 geboren wurden, fühlte sich im Jahr 2000, wenigstens die Hälfte, in Umweltfragen ausreichend informiert. Dieser Wert sank bei den älteren Bevölkerungsgruppen auf 21%.308 Im Politikfeld Raumordnung treffen Bürger als Grundeigentümer die Entscheidung, ob sie die Bebauung eines Grundstücks anstreben und ob sie dabei Raumordnungspläne oder Genehmigungspflichten beachten oder nicht. Hier können sie auch Einfluss nehmen, indem sie eigene Parzellierungsvorschläge einreichen.309 306 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 107 ff., 114 ff., 127. 307 Almeida, João Ferreira de et al. (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente (Oeiras 2000) S. 232; Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 107 ff. 308 Almeida, João Ferreira de et al. (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente (Oeiras 2000) S. 234. 309 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 45.

D. Private Akteure

143

Manche Antrags-, Entscheidungs- oder Beteiligungsrechte von Bürgern in Raumordnungsfragen hängen also vom Eigentum an Grund und Boden oder vom Wohnsitz in einer bestimmten Gebietsgemeinde ab. Andere Rechte stehen allen Bürgern zu. Unabhängig von privatem Grund und Boden sind etwa die allgemeine Bürgerbeteiligung am Politikfeld „Raumordnung“ und das Recht auf die Popularklage. Weitere Beispiele sind das Recht auf Information und Meinungsäußerung über das Handeln staatlicher Akteure in diesen Politikfeldern und das Recht, Interessenvereinigungen zu gründen. Während durchschnittliche Bürger im Politikfeld Raumordnung im Normalfall nur mittelbar und in größeren zeitlichen Abständen tätig werden, können sie im Politikfeld Umwelt täglich aktiv werden. Für die Bürgerbeteiligung gelten die gleichen Regeln wie im Politikfeld Raumordnung, mit der Beteiligungsmöglichkeit am Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung steht ein zusätzliches Instrument zur Verfügung. Die Nutzung all dieser rechtlichen Handlungsressourcen erfordert von den Bürgern aber weitere Ressourcen wie Zeit, Geld und soziale Beziehungen. Diese weiteren Ressourcen werden von den Bürgern aber nur eingesetzt, wenn bei ihnen die entsprechenden Handlungsorientierungen vorhanden sind. 2. Handlungsorientierungen Außer Normen dienen den Bürgern vor allem ihre Interessen als Handlungsorientierungen in den Bereichen Raumordnung und Umweltschutz, wobei einzelne Bürger auch nach Ansicht von staatlichen Akteuren in Portugal hier sehr unterschiedliche Interessen verfolgen.310 Im Schnitt haben die Bürger auch in diesen Bereichen konkrete Eigeninteressen und denken wenig strategisch, langfristig oder gemeinwohlorientiert.311 Hauptsächliches Eigeninteresse der Privaten und der Unternehmen ist dabei die Maximierung wirtschaftlicher Vorteile.312 Meistens werden raumordnerische Probleme wegen mangelnder Bildung nicht einmal als Probleme erkannt. Selbst wenn dies der Fall ist, gehen 310

Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/1995. Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)]. 312 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 49. 311

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Kap. 1: Akteure

eigene Interessen dem Gemeinwohl vor. Wenn etwa Basisinteressen wie Wohnraum nicht erfüllt sind, spielt eine gute Raumordnung keine Rolle.313 Am meisten Interesse besteht deshalb im Bereich der Raumordnung für raumordnerische Entscheidungen, die den eigenen Grund und Boden betreffen. Die direkt betroffenen Bürger beteiligen sich dann auch an den öffentlichen Anhörungen. Planungs- und Entwicklungsstrategien der Gebietsgemeinde im Allgemeinen interessieren sie dagegen nur wenig. Am ehesten ist letzteres noch in größeren Städten der Fall.314 Für das Politikfeld Umwelt zeigte eine Umfrage aus dem Jahr 2000, dass die Portugiesen hier zuerst wirtschaftliche Interessen verfolgen, an zweiter Stelle die eigene Gesundheit.315 Allerdings spielt auch der gemeinwohlorientierte Umweltschutz bereits eine Rolle: Nach den Gründen für die Einschränkung des privaten Wasserverbrauchs gefragt, gab die Hälfte der Portugiesen 2000 an, dies aus Umweltgründen zu tun, bloß ein Drittel aus wirtschaftlichen Gründen.316 Ähnlich wie die Interessen bestimmt auch die Wahrnehmung eines Politikfelds das Handeln der Bürger. Eine im Vergleich der Politikfelder große Rolle in der Wahrnehmung der Portugiesen spielt der Umweltschutz, der nach den Themen Drogen, Arbeitslosigkeit und Gesundheitswesen 2000 an vierter Stelle der Probleme des Landes gereiht wurde – z. B. deutlich vor der Kriminalität. Interessant ist, dass in derselben Umfrage die Portugiesen in einer Rangliste von 14 Umwelt- und Raumordnungsproblemen das Ausufern der Städte an dritter Stelle reihten, die Entvölkerung des Landesinneren jedoch an drittletzter.317 Dies deutet darauf hin, dass Raumordnungsprobleme von den Bürgern nur in ihrem lokalen Bereich wahrgenommen werden. Da deutlich mehr Personen die Probleme an den 313 Azevedo, Mário de: Problemas dos planos, hoje. Uma visão pragmática, S. 87–95 [in: Universidade Nova de Lisboa (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 91. 314 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 26 u. 45. 315 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 140. 316 Garcia, José Luís et al.: Orientação, Cidadania e Responsabilização, S. 145–184 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 169 f. 317 Almeida, João Ferreira de et al. (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente (Oeiras 2000) S. 218 ff.

D. Private Akteure

145

Stadtrandzonen aus eigener Erfahrung kennen, wird diesem Problem auch eine größere Bedeutung eingeräumt. 3. Einfluss auf das Handeln Wie wirken sich Handlungsorientierungen und Handlungsressourcen nun auf das Handeln der Bürger aus? Die Portugiesen selbst sehen als Hauptgründe für umweltfreundlicheres Verhalten der Bürger in anderen europäischen Ländern deren größeres Wissen (Handlungsressource) und „kulturelle Unterschiede“ (Handlungsorientierungen).318 Diese Faktoren stehen in einem engen Zusammenhang: Ressourcen werden nur genutzt, wenn die entsprechenden Handlungsorientierungen vorhanden sind. Umgekehrt verstärken Ressourcen wie Wissen oder Bürgerbeteiligungsrechte die Handlungsorientierungen der Bürger. So hat die Einführung der Umweltverträglichkeitsprüfungen in Portugal zu einem verstärkten Interesse der Bürger an Umweltfragen geführt.319 Handlungsressourcen und Handlungsorientierungen bedingen und verstärken einander und führen zum Handeln der Bürger in einem Politikfeld. Die Erfahrung erfolgreichen Handelns fördert wiederum aktive Handlungsorientierungen und stellt Erfahrung als Ressource für zukünftiges Handeln zur Verfügung. Es kann sich ein Kreislauf bilden, der insgesamt zu interessierten und aktiv handelnden Bürgern führt. In Portugal konnte sich dies in den in Frage stehenden Politikfeldern nicht langsam über Jahrzehnte entwickeln, sondern wurde in den 1980er-Jahren vor allem von Seite staatlicher Akteure in Gang gebracht. Ein Beispiel dafür ist die Mülltrennung: Eine Umfrage aus dem Jahr 2000 untersuchte, ob die Bürger eine entsprechende Sammelstelle in ihrer Nähe kennen und nützen würden. Ein Drittel bejahte dies für Altglas, 20% für Aluminium aber nur 10% für Altpapier. Hier zeigt sich, dass das älteste Sammelsystem für Altglas am bekanntesten ist und am häufigsten genutzt wird. Da Umweltthemen in Portugal insgesamt erst sehr jung sind, wird sich das Niveau der Bürgeraktivitäten wohl erst in einigen Jahren mitteleuropäischen Werten annähern. Insgesamt ist der Anteil derjenigen Bürger, die ihr persönliches Verhalten bereits umweltfreundlicher gestalten, gering, wobei der Anteil derjenigen, die prinzipiell zu Aktivitäten bereit sind, hoch ist. So erklärte etwa im Jahr 318 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 127. 319 Partidário, Maria do Rosário: Introdução ão Ordenamento do Território (Lisboa 1999) S. 117.

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Kap. 1: Akteure

2000 ein Drittel der Portugiesen, bereit zu sein, seinen privaten Wasserverbrauch aus Umweltschutzgründen einzuschränken.320 Deutlich geringer ist der Anteil der Portugiesen, die über den persönlichen Bereich hinaus durch die Unterstützung gesellschaftlicher oder staatlicher Akteure in diesem Politikfeld aktiv ist. Tabelle 32 Aktivitäten von Bürgern im Politikfeld Umwelt 2000321 Aktivitäten

%

Aktive Unterstützung – Mitglied einer Umweltschutzorganisation, Teilnehmer an Demonstrationen oder Melden umweltschädigenden Verhaltens)

6

Passive Unterstützung – Geld oder Unterschriften für Umweltschutzorganisation

6

Sympathie für die Umwelt

55

Keine Sympathie für die Umwelt

25

Keine Antwort Gesamt

8 100

Das ergibt einen Kern von Umweltaktivisten von 6% und einen ebenso großen Kreis von passiven Unterstützern. Der Sympathisantenkreis für den Umweltschutz ist mit 55% mehr als doppelt so groß wie derjenige der Gleichgültigen. Im Vergleich mit anderen Politikfeldern wie Menschenrechte, soziale Probleme und Kulturgüterschutz gibt es im Umweltbereich viele aktive Unterstützer. Übertroffen wird dieser hier nur vom Bereich der Arbeitnehmerrechte, wo es etwa doppelt so viele aktiv beteiligte Bürger (Gewerkschaftsmitglieder) gibt. Verhältnismäßig gering ist im Umweltbereich die Anzahl der passiven Unterstützer, wo soziale Themen sechs Mal mehr Bürger motivieren. Dies ist wohl auf traditionell stark verwurzelte, gesellschaftliche Akteure in diesem Bereich wie etwa die Caritas zurückzuführen.322 320

Garcia, José Luís et al.: Orientação, Cidadania e Responsabilização, S. 145–184 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 167 ff. u. 173. 321 Ibid. S. 157. 322 Ibid. S. 157.

D. Private Akteure

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II. Unternehmen Es gibt wenige portugiesische Großunternehmen, mehr als 75% der Arbeitnehmer sind bei Klein- und Mittelbetrieben beschäftigt.323 Im europäischen Wettbewerb sind niedrige Arbeitskosten ihr wesentlicher Wettbewerbsvorteil.324 Seit dem Beitritt Mitte der 1980er-Jahre dominieren Unternehmen aus dem EU-Raum weite Teile des Wirtschaftslebens. Wie in anderen EU-Ländern stehen den Unternehmen in Portugal, abgesehen von der Teilnahme an politischen Wahlen, ähnliche Beteiligungs- und Verfahrensrechte wie den Bürgern zur Verfügung. Sie sind aber eher in der Lage, diese zu nützen, da sie häufig ungleich mehr Handlungsressourcen als einzelne Bürger besitzen. Typischerweise sind größere Unternehmen in Bezug auf Information, Personal, Budget und internationale Kontakte eher mit staatlichen als mit anderen privaten Akteuren vergleichbar. Ein Unterschied zu den staatlichen Akteuren bleiben die fehlenden hoheitlichen Steuerungsinstrumente. Bei den Handlungsorientierungen ist das Interesse an der Gewinnerzielung geradezu Definitionsmerkmal eines Unternehmens. Dafür müssen Werte für Kunden und Wettbewerbsvorteile gegenüber konkurrierenden Unternehmen geschaffen werden. Die übrigen Interessen von Unternehmen stehen damit in engem Zusammenhang: Autonomie, Information, Ressourcen und die Erlangung positiver Einstellungen bei anderen Akteuren. Im Politikfeld Raumordnung spielen Unternehmen als Raumordnungsbüros und Bauträger eine Rolle, schließlich als Bauwerber, da ja bis auf Projekte staatlicher Akteure und Einfamilienhäuser von Privaten eigentlich immer Unternehmen Bauprojekte konzipieren und umsetzen. Nachdem ein großer Teil der EU-Mittel der letzten zwanzig Jahre in den Bausektor geflossen ist, ist diese Gruppe von Unternehmen überdurchschnittlich groß. Die Gewinninteressen von Unternehmen der Baubranche geraten typischerweise mit den Zielen einer geordneten Raumordnung in Konflikt. Im Politikfeld Umweltschutz gaben portugiesische Unternehmen im Schnitt der Jahre 2001 bis 2002 jährlich 392 Mio. e aus, wovon 217 Mio. e Investitionen Umweltschutzmaßnahmen betrafen und der Rest von 175 Mio. e laufende Ausgaben.325 In portugiesischen Unternehmen wurden 323 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 123. 324 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 5. 325 http://www.ine.pt/prodserv/destaque/2003/d030311/d030311.pdf 02/2005.

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Kap. 1: Akteure

2002 unternehmensintern Arbeiten für den Umweltschutz verrichtet, die insgesamt dem Volumen von 3.011 Vollzeitbeschäftigten entsprachen und Personalkosten in der Höhe von 35 Mio. e verursachten. Leistungen für den Umweltschutz nehmen mit der Betriebsgröße zu. Sind es bei Unternehmen mit unter 50 Beschäftigten weniger als 10%, die solche Leistungen 2002 erbracht haben, ist es bei doppelt so großen Unternehmen bereits die Hälfte, bei Unternehmen mit über 500 Beschäftigten trifft dies auf alle zu.326 Da schon in der Vergangenheit keineswegs das ganze Land mit Wasserinfrastruktur versorgt war, deckten eine Reihe von Betrieben aus der Industrie, der Landwirtschaft und des Tourismus ihren Wasserbedarf selbst und entsorgten auch ihr eigenes Abwasser.327 Es existiert eine Interessenvereinigung portugiesischer Unternehmen im Bereich der Umwelttechnologie (Associação Portuguesa de Empresas de Tecnologias Ambientais, APEMETA), der sich auf Grund der hohen Investitionen staatlicher Akteure in seinem Wirtschaftszweig trotz der anhaltenden Rezession Anfang der 2000er-Jahre über ansehnliche Wachstumszahlen freuen konnte.328 Heute stellen insbesondere ausländische Infrastrukturkonzerne im Bereich der Abwasser- und Abfallentsorgung Kapital und Know-how in steigendem Maße zur Verfügung.

III. Gesellschaftliche Akteure Die gesellschaftlichen Akteure sind in Portugal im europäischen Vergleich schwach ausgeprägt. Ein Grund dafür ist wohl die fehlende Tradition und die historische Dominanz durch staatliche Akteure. Eine andere Meinung geht davon aus, dass die Beziehungen innerhalb der Familien und der Nachbarschaft so stark seien, dass sie die Funktionen von gesellschaftlichen Akteuren übernehmen würden.329 Manche Autoren gehen so weit zu sagen, dass in den 1990er-Jahren die einzigen bedeutenden gesellschaftlichen Akteure die Gewerkschaften waren.330 Dementsprechend gering sind auch die eigenen Ressourcen gesellschaftlicher Akteure, welche durch Transfers von staatlichen Akteuren ausgeglichen werden. Allerdings sind die gesellschaftlichen Akteure in der Verfas326 Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Estatísticas do Ambiente 2002 (Lisboa 2003) S. 31 u. 38. 327 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.4. 328 http://www.ambienteonline.pt/noticias/detalhes.php?id=1697 11/2004. 329 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 44. 330 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 76.

D. Private Akteure

149

sung verankert. Art. 82 Abs. 4 CRP garantiert einen „Dritten Sektor“ (sector cooperativo e social). Zu ihm zählen verschiedene Arten von gewinnorientierten Genossenschaften und gemeinnützigen Einrichtungen. Die meisten gesellschaftlichen Akteure fallen ebenfalls in diesen Bereich. Die Handlungsorientierungen gesellschaftlicher Akteure sind naturgemäß sehr unterschiedlich bzw. sogar gegensätzlich, da sie ja zur Vertretung unterschiedlichster gesellschaftlicher Interessen gegründet werden. Neben den unten näher beschriebenen Arten gesellschaftlicher Akteure gibt es als Kultur- und Sozialzentren auf dem Land noch die sozialistischen Volksheime (casas do povo), das portugiesische Rote Kreuz, Sportvereine und wissenschaftliche Akademien.331 Auch die Stiftung „Fundação Gulbenkian“ spielt seit Jahrzehnten im kulturellen Bereich eine herausragende Rolle. Traditionell sind die freiwilligen Feuerwehren diejenigen gesellschaftlichen Akteure, die flächendeckend freiwillige Mitarbeit mobilisieren können. In Portugal gibt es 40.300 Feuerwehrmänner, von denen 81% unbezahlt bei freiwilligen Feuerwehren arbeiten und 2,8 Mio. Einsätze im Jahr 2002 absolvierten.332 1. Katholische Kirche Zur besseren Missionierung der portugiesischen Kolonien wurde die Kirche in Portugal der Krone in Form des „Padroado“ eng unterstellt. Dies sicherte dem Staat eine enge Kontrolle über die Kirche und ließ sie nur phasenweise zu einem eigenständigen Akteur werden. In den Zeiten kirchenfeindlicher Regierungen wie unter dem absolutistischen Minister Marquês de Pombal im 18. Jh. oder den liberalen Regierungen der zweiten Hälfte des 19. Jh. erwiesen sich die Verwaltungsrechte des Staates als verhängnisvoll.333 Nach einer letzten Verfolgungswelle bei Gründung der Republik 1910 folgen die portugiesischen Verfassungen ab 1911 dem laizistischen Vorbild Frankreichs. Einer schwachen, aber nunmehr freien Kirche sollte ein neutraler Staat gegenüber stehen. Im Jahr 1940 schloss die Regierung des Estado Novo ein Konkordat mit dem Heiligen Stuhl, das mit Veränderungen im Eherecht bis heute gültig ist334 und 2005 neu verhandelt wurde. 331

Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996)

S. 25. 332

Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Estatísticas do Ambiente 2002 (Lisboa 2003) S. 42. 333 Marques, A. H. de Oliveira: Breve História de Portugal (Lisboa 1998) S. 155 ff. 334 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 79.

150

Kap. 1: Akteure

Heute gibt es zwar einen seit Jahrzehnten beliebten katholischen Radiosender, eine katholische Universität mit mehreren Standorten und sehr bekannte kirchliche Schulen, aber die Kirche ist in Portugal in finanzieller und institutioneller Hinsicht im Vergleich zur Kirche in Mitteleuropa nur ein schwacher Akteur. Ähnlich ist es im theologischen Bereich – weltweite Entwicklungen in der Kirche werden in Portugal zwar nachvollzogen aber nicht von dort aus beeinflusst. Ein Grund für diese relative institutionelle Schwäche der Kirche in Portugal sind massive Enteigungen und Einschränkungen der Religionsfreiheit durch den Gesamtstaat bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Teilweise wurden antikirchliche Maßnahmen anderer romanischer und lateinamerikanischer Nationalstaaten wie Spanien oder Teile Lateinamerikas in Portugal als „Modernisierung“ nachgeahmt. Die Jesuiten etwa wurden vom 18. bis zum 20. Jh. dreimal (1759, 1834, 1910) zugunsten des Gesamtstaates enteignet, der diese Gebäude bis heute entschädigungslos nutzt. Die meisten ehemaligen Klostergebäude in Lissabon sind heute abgenutzte Kasernen verschiedener Sicherheitskräfte. Ein Beispiel aus der Peripherie ist der Alentejo. Nach der Reconquista erhielten Klöster einen Großteil des Landes, um es zu kultivieren. Sie errichteten als Keimzellen von Siedlungen ein Pfarrsystem und in dem Landstädtchen Évora 1559 sogar eine Universität. Genau 200 Jahre später wurde diese Universität im Zuge der Jesuitenverfolgung unter der Regierung des Marquês de Pombal ersatzlos geschlossen. Im 19. Jahrhundert wurden die Klöster des Alentejo vom Gesamtstaat gewaltsam aufgelöst und damit die einzigen gesellschaftlichen Akteure in der Region zerstört. Der Gesamtstaat wollte und konnte die kirchlichen Strukturen aber nicht ersetzen. Pfarr- und Schulsystem brachen zusammen, die Universität Évora wurde erst 1973 in der letzten Phase des Estado Novo wieder eröffnet. Der Landbesitz der Klöster im Alentejo wurde formell verstaatlicht, in Wirklichkeit eigneten sich ihn großteils hauptstädtische Politiker der liberalen Partei an und trugen durch ihre unproduktive Bewirtschaftung als „absentee landlords“ weiter zum Niedergang der Region bei. Von diesem wirtschaftlich und ideologisch bedingten Zugriff der Hauptstadt auf den Alentejo sollte sich dieser bis heute nicht erholen.335 Privater Großgrundbesitz mit niedrigster Produktivität, schwache staatliche und kaum gesellschaftliche Akteure sowie eine weit fortgeschrittene Entvölkerung prägen den Alentejo heute.

335

http://www.companhia-jesus.pt/intro/hist_port.htm 10/03/2005 http://www. uevora.pt/index_2.php3?op=menu&cat=0&subcat=2&submenu=Apresentação 10/03/ 2005.

D. Private Akteure

151

2. Parteien Das Parteiensystem war in den dreißig Jahren seit dem Umsturz 1974 relativ stabil. Es gibt zwei Volksparteien: links der Mitte die Sozialisten (PS), rechts davon die Sozialdemokraten (PSD). Am linken Rand die Kommunisten (PCP) und am rechten Rand die Volkspartei (CDS/PP). Wurden anfangs immer Koalitionsregierungen gebildet, kam es ab Ende der 1980er-Jahre zu einer Schwächung der beiden kleineren Parteien und häufiger zu Einparteienregierungen einer der beiden Volksparteien.336 Die Grünen (Os Verdes), eine reine Umweltpartei, waren bisher in der Nationalversammlung noch nicht vertreten. Da der Estado Novo laut seiner Verfassung ein korporatives ständestaatliches System ohne politische Parteien vorsah, rückte die verfassungsgebende Versammlung nach 1974 die politischen Parteien ins Zentrum des Staatswesens. Auch den oppositionellen Parteien stehen nach Art. 114 Abs. 3 CRP weitgehende Informationsrechte im Gesetzgebungsprozess und Sendeminuten in den Medien zu. Vielfach wird die Dominanz der Parteien bei den Wahlen kritisiert. Erst seit 1997 sind auf Gemeindeebene parteiunabhängige Kandidaten möglich. Obwohl die Gründung politischer Parteien in Art. 51 CRP garantiert wird, ist der Status einer „politischen Partei“ nicht so einfach zu erlangen. Gegründet werden politische Parteien durch Registrierung beim Verfassungsgericht, wobei aber die erhebliche Hürde von 5.000 Unterstützungserklärungen zu nehmen ist. Das Verfassungsgericht kann eine Partei wieder auflösen, wenn sie weniger als 4.000 Mitglieder hat. Verboten sind außerdem nicht nur rassistische oder faschistische Parteien, sondern erstaunlicherweise auch solche regionalen Zuschnitts. Als Kuriosum ist zu werten, dass es nach Art. 51 Abs. 2 CRP verboten ist, in mehr als einer Partei Mitglied zu sein. Lei 56/1998 verbietet die Parteienfinanzierung durch gesellschaftliche Akteure, öffentliche Unternehmen oder ausländische Privatunternehmen. Auch die Finanzierung durch portugiesische private Unternehmen ist stark eingeschränkt: Ein Unternehmen darf pro Jahr nur etwas mehr als 30.000 e spenden. Insgesamt darf eine Partei von Privatunternehmen pro Jahr nur etwas mehr als 300.000 e erhalten. Daneben gibt es eine staatliche Unterstützung der Parteien. Weniger als 5% der Portugiesen sind Mitglieder einer politischen Partei.337

336 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 48. 337 Ibid. S. 70 f.

152

Kap. 1: Akteure

3. Medien Obwohl Medien viele Eigenschaften von Unternehmen haben, werden sie hier in die Gruppe der gesellschaftlichen Akteure eingeordnet. Dies deshalb, da sie eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe erfüllen, was auch durch Sondergesetze und staatliche Förderungen in diesem Bereich deutlich wird. In Portugal wurde nach dem Umsturz 1974 der Großteil der portugiesischen Medien verstaatlicht. Heute ist die große Mehrheit der Medien wieder in privater Hand. Es gibt keine staatlichen Zeitungen mehr, nur noch staatliches Fernsehen, Rundfunk und eine staatliche Nachrichtenagentur. Im Jahr 1982 wurde eine Regulierungsbehörde für die Medien geschaffen. Ihre 11 Mitglieder werden von den höchsten Staatsorganen ernannt und wachen über die Einhaltung der Pressefreiheit ebenso wie über die Lizenzvergabe an private Rundfunk- und Fernsehbetreiber.338 In einer Verfassungsreform wurden mit Lei Constitucional n.º 1/2004 eine unabhängige Medienbehörde geschaffen und die Grundrechte auf Presse- und Meinungsfreiheit neu gefasst. Für die Größe des Landes ist die Medienlandschaft Portugals mit einer großen Anzahl von Tageszeitungen und Radiosendern sowie zwei privaten Fernsehstationen sehr vielfältig. Besonders die Fernsehstationen zählen zu den portugiesischen Akteuren mit den höchsten Vertrauenswerten.339 4. Gewerkschaften Die Gewerkschaftslandschaft ist in Portugal im Vergleich zu Mitteleuropa stark zersplittert. Im Jahr 2000 gab es in Portugal insgesamt 326 Einzelgewerkschaften, 25 Verbände von Einzelgewerkschaften, 39 regionale Verbände und 5 nationale Dachverbände.340 Allerdings dominieren zwei parteipolitische Dachverbände: Die sozialdemokratische UGT341 hat hauptsächlich Angestellte als Mitglieder, die kommunistische CGTP342 vertritt hauptsächlich Arbeiter und vereint 75% der Gewerkschaftsmitglieder in sich.343 Die insgesamt 186 unabhängigen Gewerkschaften außerhalb der beiden großen 338

Ibid. S. 80. European Commission et al. (Hg.): The attitudes of Europeans towards the environment. Eurobarometer 58 (Brussels 2002) S. 27. 340 Almeida, Ana et al.: 2000 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 341 União Geral de Trabalhadores (= Allgemeine Arbeiter Union). 342 Confederação Geral dos Trabalhadores Portugueses (= Allgemeine Vereinigung Portugiesischer Arbeiter). 343 The Economist Intelligence Unit (Hg.): Country Profile. 2001. Portugal (o. O. 2001) S. 21 ff. 339

D. Private Akteure

153

Gewerkschaftsverbände vertreten 12% der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer.344 Die Struktur der Gewerkschaften ist nach wie vor in Bewegung. In den Jahren 1999 und 2000 kam es, wie in den vergangenen Jahren, zu Zusammenschlüssen von Gewerkschaften, vor allem auf regionaler Ebene. Bei Post und Bahn wurden nach der Privatisierung eigene Betriebsgewerkschaften gegründet.345 In den Jahren 2001 und 2003 wurden je acht neue Gewerkschaften und Gewerkschaftsverbände im Dienstleistungsbereich und dem öffentlichen Sektor gegründet. Drei Einzelgewerkschaften wurden aufgelöst. Es gab Bemühungen, regionale Gewerkschaftsverbände im Bankenbereich auf nationaler Ebene zu einen.346 Vergleicht man die Anzahl der Gewerkschaftsmitglieder im OECD Raum, so war diese in absoluten Zahlen Ende der 1980er-Jahre größer als Ende der 1970er. Der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer ging in dieser Periode aber um 7% zurück. Auch die Anzahl der Streiktage verringerte sich in den 1980er-Jahren. In Portugal betrug die Anzahl der Streiktage Ende der 1980er-Jahre nur mehr die Hälfte der Werte der 1970er. Auch die soziologische Zusammensetzung der Gewerkschaftsmitglieder und die Einstellung zu Gewerkschaften änderten sich.347 Von 1985 bis 1995 halbierte sich in Portugal die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder. Auf Grund einer leichten Zunahme in den Folgejahren wurde 2001 wieder 25,6% gewerkschaftlicher Organisationsgrad erreicht.348 Betrachtet man die 500 größten Unternehmen Portugals, so gibt es in 40% dieser Unternehmen einen gewerkschaftlichen Organisationsgrad unter 5%. In weiteren 40% sind weniger als die Hälfte der Beschäftigten gewerkschaftlich organisiert. In den verbleibenden 20% der Unternehmen sind mehr als die Hälfte Gewerkschaftsmitglieder. Der Grad der gewerkschaftlichen Organisation nimmt vom primären über den sekundären zum Dienstleistungssektor zu.349 Auch in den Metropolen Lissabon und Porto ist der 344 Rodrigues, Nascimento: Significant drop in trade union membership [in: European industrial relations observatory on-line, 1997]. 345 Cristovam, Maria Luisa: 1999 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 1999]; Almeida, Ana et al.: 2000 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 346 Almeida, Ana et al.: 2001 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2002]. 347 Cerdeira, Maria de Conceição: A Sindicalização Portuguesa de 1974 a 1995 [in: Sociedade e Trabalho, Nº 1 (Out 1997), S. 46–57, 1997] S. 47. 348 Royo, Sebastián: Ainda o século do corporativismo? Espanha e Portugal comparados [in: Análise Social, Vol XXXVI (158–159), S. 85–117, 2001] S. 106, International Labour Office: Organizing for Social Justice. Global Report under the Follow-up to the ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work. Report I (B) (Geneva 2004) S. 52.

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Kap. 1: Akteure

Anteil gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer traditionell höher.350 Die Gewerkschaften sind also sehr unterschiedlich stark in den Betrieben vertreten: kaum gewerkschaftlicher Einfluss auf fast die Hälfte der Unternehmen, starke Unterschiede bei den Mittel- und Großbetrieben. In einem kleinen Teil der Unternehmen sind sie stark organisiert, in einem großen Teil gar nicht. In den letzten Jahren ist der Einfluss der Gewerkschaften vor allem durch die Privatisierung öffentlicher Unternehmen in Verbindung mit einem schwachen gewerkschaftlichen Organisierungsgrad in der Privatwirtschaft zurückgegangen. Außerdem ist angesichts hoher Arbeitslosigkeit die Verhandlungsmacht der Gewerkschaften gering.351 Die gewerkschaftlichen Aktivitäten in den portugiesischen Groß- und Mittelbetrieben wird von Unternehmerseite für den Zeitraum der letzten zehn Jahre von 40% als gleich bleibend, von 35% als abnehmend beurteilt. Nur 10% sehen eine Zunahme. Von den größeren portugiesischen Unternehmen sehen zehn Prozent die Aktivitäten der Gewerkschaften als vorteilhaft, ein gleich großer Prozentsatz als schädlich an; für je ein Drittel der Unternehmen sind die Aktivitäten der Gewerkschaften entweder gleichgültig oder akzeptabel. In 22% der größeren portugiesischen Unternehmen wurden von den Gewerkschaften in den letzten zehn Jahren Fälle vor das Arbeitsgericht gebracht. In 66% dieser Unternehmen gab es in den letzten zehn Jahren aber keinen Streik.352 Die Akzeptanz von Streiks durch davon betroffene Dritte hat in Portugal parallel dazu in den letzten Jahren deutlich abgenommen.353 Diese geringe Häufigkeit von Streiks ist entweder Zeichen für eine Schwäche oder für eine erstaunliche Verhandlungsbereitschaft parteipolitisch organisierter Gewerkschaften. Da die mit den Gewerkschaften ausgehandelten Kollektivverträge in Portugal auch auf die übrigen Arbeitnehmer ausgedehnt werden, liegt der Anteil der Beschäftigten, deren Arbeitsbedingungen durch Kollektivverträge geregelt werden, in Portugal bei 87%. Damit liegt Portugal im europäischen 349 Instituto Superior de Ciências do Trabalho e da Empresa et al. (Hg.): Recursos Humanos e Relações Laborais. Inquérito às maiores empresas em Portugal. Alguns resultados do inquérito 2003) S. 2. 350 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 76. 351 The Economist Intelligence Unit (Hg.): Country Profile. 2001. Portugal (o. O. 2001) S. 21 ff. 352 Instituto Superior de Ciências do Trabalho e da Empresa et al. (Hg.): Recursos Humanos e Relações Laborais. Inquérito às maiores empresas em Portugal. Alguns resultados do inquérito 2003) S. 2 u. 4. 353 Almeida, Ana et al.: 2001 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2002].

D. Private Akteure

155

Vergleich im oberen Mittelfeld. Ähnlich wie in Deutschland oder Österreich werden die meisten Kollektivverträge auf Branchenebene abgeschlossen. Ergänzt wird dies durch Betriebsvereinbarungen.354 Im Jahr 1998 wurden 43% der Tarifvereinbarungen von der CGTP abgeschlossen, 40% von der UGT. Weitere 14% wurden von diesen beiden Dachverbänden gemeinsam abgeschlossen, nur 3% von unabhängigen Gewerkschaften.355 5. Unternehmensverbände In Portugal gibt es seit dem 19. Jh. eine Tradition zahlreicher Verbände von Unternehmen auf Vereinsbasis.356 Die Anzahl von Unternehmensverbänden wuchs in den letzten Jahren leicht an und erreichte im Jahr 2000 die Zahl von 506.357 Zwischen 1990 und 2000 wurden 27 Unternehmensverbände aufgelöst, jedoch 103 neue gegründet. Bei den Gewerkschaften standen hingegen 61 Neugründungen 76 Auflösungen gegenüber.358 Allein 2000 wurden 17 neue Unternehmensverbände gegründet, 2001 waren es sieben.359 Insgesamt gibt es also eine große Dynamik bei Gründung und Auflösung von Unternehmensverbänden in Portugal, wobei auch im europäischen Vergleich Gewerkschaften nicht so komplexe Verbandsstrukturen haben wie die Unternehmensverbände und die Mitgliedszahlen Letzterer im Gegensatz zu denjenigen der Gewerkschaften weitgehend stabil bleiben.360 80% der portugiesischen Mittel- und Großunternehmen gehören einem Unternehmensverband an.361 Unternehmensverbände gibt es für Wirtschaftszweige und für Regionen. Letztere werden um größere Städte gebildet und treten als Vertreter der regionalen Wirtschaftsinteressen insgesamt auf. 25% der portugiesischen Un354 International Labour Office: Organizing for Social Justice. Global Report under the Follow-up to the ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work. Report I (B) (Geneva 2004) S. 64 f. 355 Cristovam, Maria Luisa: 1998 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 1998]. 356 Matos, Jorge Rocha de: A Reestructuração do Associativismo Empresarial [in: Anuário da Economia Portuguesa. O Economista, 2000, S. 240–242, 2000]. 357 Almeida, Ana et al.: 2000 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 358 Cristovam, Maria Luisa: Employers’ associations undergo restructuring [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 359 Almeida, Ana et al.: 2001 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2002]. 360 Behrens, Martin et al.: Interview am 2004. 361 Instituto Superior de Ciências do Trabalho e da Empresa et al. (Hg.): Recursos Humanos e Relações Laborais. Inquérito às maiores empresas em Portugal. Alguns resultados do inquérito 2003) S. 1.

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Kap. 1: Akteure

ternehmensverbände sind auf diese Weise nur auf regionaler Ebene tätig. Organisiert sind sie in den unterschiedlichen juristischen Formen des Handels- und Zivilrechts. Einige Nachfolgeorganisationen der Wirtschaftsgremien des ständestaatlich organisierten Estado Novo beruhen auch auf einem eigenen Unternehmensverbandsgesetz (DL 215-C/1975). Die Unternehmensverbände haben drei Hauptaufgaben: Erstens Information und Weiterbildung ihrer Mitglieder, wo auch die Hauptaktivität der Verbände in den letzten Jahren lag. Im Jahr 1997 nahmen über 30.000 Unternehmer an Schulungen teil, ein Jahr später waren es über 60.000362, zweitens Interessenvertretung gegenüber staatlichen und anderen gesellschaftlichen Akteuren. Im Wirtschafts- und Sozialrat sind vier Arbeitgeberverbände vertreten: Landwirtschaft, Industrie, Dienstleistungen und Handel sowie Tourismus.363 Tabelle 33 Spitzenverbände portugiesischer Unternehmen mit Sitz im nationalen Wirtschafts- und Sozialrat364 Name

Abkürzung

Mitgliedsverbände

Dachverband der portugiesischen Landwirtschaft

CAP – Confederação da Agricultura Portuguesa

331

Dachverband der portugiesischen Industrie

CIP – Confederação da Indfflstria Portuguesa

42

Portugiesischer Dienstleistungs- und Handelsverband

CCP – Confederação do Comércio e Serviços de Portugal

104

Portugiesischer Dachverband für Tourismus

CTP – Confederação do Turismo Português



Einige übernehmen als dritte Aufgabe die Interessenvertretung ihrer Mitglieder in Tarifverhandlungen. Früher gab es eine klarere Trennung zwischen Vereinigungen, welche mit den Gewerkschaften Löhne aushandelten und solchen, die allgemein die Interessen der Unternehmen vertraten. Mittlerweile vermischt sich das aber.365 362 Cristovam, Maria Luisa: Employers’ associations undergo restructuring [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 363 Behrens, Martin et al.: Interview am 2004. 364 Ibid. 365 Matos, Jorge Rocha de: A Reestructuração do Associativismo Empresarial [in: Anuário da Economia Portuguesa. O Economista, 2000, S. 240–242, 2000].

D. Private Akteure

157

Das System portugiesischer Unternehmensverbände ist von unten entstanden und wird erst langsam auf freiwilliger Basis geordnet und in Vereinigungen von Verbänden strukturiert. 2000 gab es 22 Vereinigungen von Verbänden, neun regionale Vereinigungen von Verbänden und 7 nationale Dachverbände.366 Eine Vereinigung zu Wirtschaftsverbänden höherer Ordnung sollte zu einer Ressourcenbündelung, Effizienzsteigerung und zur Schaffung einer einheitlichen Vertretung nach außen dienen. So schlossen sich etwa zwei große Industriellenvereinigungen 1993 zur Confederação da Indfflstria Portuguesa (CIP) zusammen. Diese Dynamik der 1990er-Jahre ist aber wieder erlahmt, eine wirkliche landesweite Ordnung der einzelnen Unternehmensverbände erfolgte nicht.367 Es gibt bereits Spitzenverbände im Bereich von Handel, Industrie, Landwirtschaft und Tourismus, die aber wiederum keine gemeinsame Spitze haben und nicht alle Verbände ihres Bereichs umfassen.368 Insgesamt hat Portugal die im europäischen Vergleich hohe Anzahl von sieben solcher Spitzenverbände, die alle bestimmte Branchen umfassen. Zwischen ihnen besteht eine gewisse Konkurrenz um Mitglieder, besonders bei Klein- und Mittelbetrieben. Diese Konkurrenz wurde verstärkt durch die Neugründung von vier Spitzenverbänden in den letzten Jahren: für kleine und mittlere Unternehmen (1996), Tourismus (1996), Landwirtschaft (1995) und Fischerei (2000). In allen diesen Fällen wurde die Zielgruppe der neuen Verbände bereits bisher von den vorhandenen Spitzenverbänden vertreten. Andererseits sind die Spitzenverbände nach Branchen organisiert, werben also nicht alle um dieselben Unternehmensverbände.369 Zusammenfassend kann man sagen, dass Gewerkschaften und Unternehmensverbände nach regionalen, sektoralen und politischen Gesichtspunkten gegründet und wieder aufgelöst werden. Auch bei den Spitzenverbänden dieser gesellschaftlichen Akteure gibt es eine relativ große Dynamik. Dies führt zu Konkurrenz um Mitglieder. Eine stabile, rationale Struktur von Sozialpartnern, die den staatlichen Akteuren als starke Partner zur Verfügung stehen, gibt es in Portugal noch nicht.

366 Almeida, Ana et al.: 2000 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 367 Matos, Jorge Rocha de: A Reestructuração do Associativismo Empresarial [in: Anuário da Economia Portuguesa. O Economista, 2000, S. 240–242, 2000]. 368 Matos, Jorge Rocha de: Associativismo Empresarial [in: Anuário da Economia Portuguesa. O Economista, 1997, S. 250–252, 1997]. 369 Behrens, Martin: Arbeitgeberverbände in Europa [in: http://www.eiro.euro found.eu.int/2003/11/study/tn0311102s.html 06/2004].

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Kap. 1: Akteure

6. Umweltschutzorganisationen Die älteste, heute noch existierende portugiesische Umweltschutzorganisation wurde 1928 gegründet, bis Mitte der 1980er-Jahre wuchs die Zahl der Umweltschutzorganisationen auf etwa 25 an.370 Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfolgte 1987, welche 1998 vom recht ähnlichen, noch heute geltenden UmweltschutzorganisationenG371 abgelöst wurde. Dieses schafft keine neue Organisationsform, sondern regelt, unter welchen Voraussetzungen juristische Personen sich als Umweltschutzorganisationen registrieren lassen können. Dies ist der Fall bei juristischen Personen des Privatrechts, die nicht gewinnorientiert sind, Ziele im Umweltbereich verfolgen und mindestens 100 Mitglieder aufweisen. Die Eintragung erfolgt beim Umweltinstitut und ist konstitutiv für den Status als Umweltschutzorganisation. Von 1987 bis 1997 gab es im Schnitt jährlich sechzehn Neueintragungen.372 In den Jahren 2000 bis 2005 sank die Zahl der jährlichen Neueintragungen auf sieben, was auf eine Konsolidierung dieser Akteursgruppe hindeutet. Allerdings werden einige Organisationen auch wieder aufgelöst, da ihre Gesamtzahl zwischen 1995 und 2005 stabil bei etwa 145 blieb. 14 davon haben „nationale Bedeutung“ (= mehr als 2.000 Mitglieder, landesweite Tätigkeit) und 22 „regionale Bedeutung“ (= mehr als 400 Mitglieder, regionale Tätigkeit).373 Die QUERCUS ist eine der ältesten und heute die landesweit aktivste portugiesische Umweltschutzorganisation. Die GEOTA ist wegen ihres Interesses für die Raumordnung bekannt. Sie wurde Anfang der 1980er-Jahre gegründet, ihr Sitz ist in Lissabon, wo auch die Mehrheit ihrer Mitglieder und Arbeitsgruppen zu finden ist. Im restlichen Land ist die GEOTA durch Kooperationsabkommen mit lokalen und regionalen Umweltschutzorganisationen vertreten. Dazu kommt noch die Zusammenarbeit bei einzelnen Projekten. Von Anfang an war es ein Ziel der GEOTA, das Handeln von staatlichen Akteuren zu beeinflussen. Dazu werden Studien verfasst und Ge370 Nave, Joaquim Gil et al. (Hg.): As Organizações não Governamentais de Ambiente – Elementos de Fenomenologia. Resultados parciais do Inquérito as ONGA, aplicado no ambito de Projecto „Contextos Institucionais de Acção Colectiva e Participação na Área das Políticas do Ambiente“ (Lisboa 2000) S. 12. 371 Lei 35/1998. 372 Ministério do Ambiente (Hg.): Anuário do Ministério do Ambiente 1998 (Lisboa 1998) S. 152. 373 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.7; http://www.iambiente.pt/docs/5026/RNOE_0105.pdf 02/2005; Conselho dos Ministros (Hg.): Plano Nacional da Política de Ambiente. Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/95 (1995) Anexo II.

D. Private Akteure

159

Tabelle 34 Die 14 Umweltschutzorganisationen von „nationaler Bedeutung“ 2005374 Name und Abkürzung

Betätigungsfeld

Confederação Portuguesa de Associações de Defesa do Ambiente – CPADA

Dachverband der Umweltschutzorganisationen

Associação Nacional de Conservação da Natureza-QUERCUS

Naturschutz

Liga para a Protecção da Natureza – LPN

Naturschutz

Grupo de Estudos de Ordenamento do Território e Ambiente – GEOTA

Raumordnung und Umwelt

Aliança para o Mundo Rural Português – ARP

ländlicher Raum

Amigos do Mar – Associação Cívica para Defesa do Mar

Meeresschutz

Associação Nacional para a Cidadania Ambiental

Bürgerbeteiligung

Associação para a Conservação do Lobo – Grupo Lobo

Schutz des Wolfes

Associação Portuguesa de Agricultura Biológica – AGROBIO

biologische Landwirtschaft

Federação Portuguesa de Cicloturismo e Utilizadores de Bicicleta – FPCUB

Fahrradnutzer

Fundo para a Protecção dos Animais Selvagens

Wildtierschutz

Liga Portuguesa dos Direitos dos Animais – LPDA

Tierschutz

Liga de Amigos de Conimbriga – LAC

Denkmalschutz

Associação Portuguesa dos Amigos dos Castelos

Denkmalschutz

setzesprojekte vorgeschlagen oder beurteilt.375 Die Vereinigung portugiesischer Umweltschutzorganisationen (CPADA) existiert seit 1991 und hat 110 Umweltschutzorganisationen als Mitglieder. Sie ist im Wirtschafts- und Sozialrat vertreten und organisiert die Auswahl einzelner Umweltschutzorganisationen für staatliche Beiräte. Sie koordiniert die Arbeit ihrer Mitgliedsorganisationen, vertritt sie gegenüber staatlichen Akteuren und erteilt ihnen juristischen Rat. Außerdem wirbt sie in der Bevölkerung für die Idee der Umweltschutzorganisationen.376 374 375

http://www.iambiente.pt/docs/5026/RNOE_0105.pdf 02/2005. http://www.despodata.pt/geota/07/2003.

160

Kap. 1: Akteure

Im Jahr 2002 hatten die Umweltschutzorganisationen 137.000 Mitglieder, wovon 83% in Lissabon und Umgebung lebten. Zwei Drittel der Portugiesen hatten 2000 von den Aktivitäten von Umweltschutzorganisationen schon einmal gehört und konnten wenigstens eine namentlich nennen. Insgesamt beschäftigten Umweltschutzorganisationen 225 bezahlte Beschäftigte und verwalteten ein Budget von 7,1 Mio. e.377 Registrierte Umweltschutzorganisationen erhalten finanzielle und fachliche Unterstützung durch das Gesamtstaatliche Umweltinstitut. Tabelle 35 Finanzierungsquellen von Umweltschutzorganisationen 2002378 Finanzierungsquelle

%

Transfers des Gesamtstaats

31

Mitgliedsbeiträge

19

Verkauf von Dienstleistungen und Waren

17

Transfers der EU und von gesellschaftlichen Akteuren

13

Transfers der Gemeinden und autonomen Inselregionen

8

Transfers von Unternehmen und Bürgern

7

Kapitaleinkünfte

5

Gesamt – 7,1 Mio. e

100

Damit haben alle Umweltschutzorganisationen zusammen in etwa das bezahlte Personal und das Jahresbudget einzelner Institute des Umweltministeriums. Allerdings können sie zusätzlich auf die 4,6% ihrer Mitglieder zählen, die aktiv mitarbeiten (6.300 Personen).379 376

http://www.cpada.pt/perfil.htm 11/2004. Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Estatísticas do Ambiente 2002 (Lisboa 2003) S. 45; Garcia, José Luís et al.: Orientação, Cidadania e Responsabilização, S. 145–184 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 165. 378 Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Estatísticas do Ambiente 2002 (Lisboa 2003) S. 46. 379 Garcia, José Luís et al.: Orientação, Cidadania e Responsabilização, S. 145–184 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 165. 377

D. Private Akteure

161

65% der Umweltschutzorganisationen haben ein eigenes Büro mit Telefon und Internetanschluss, 30% haben eigene KFZ. Bei leitenden Funktionsträgern der Umweltschutzorganisationen gibt es jahrelange Kontinuität. In einem Drittel der Fälle sind sie seit Gründung der Umweltschutzorganisationen in diesen Funktionen tätig. Allerdings wird das Fehlen fix angestellter Beschäftigter und das Fehlen von freiwilligen Helfern von über 75% der Umweltschutzorganisationen als ihre größten Probleme angegeben.380 7. Genossenschaften In Art. 82 CRP wird die Existenz von Genossenschaften garantiert. Dies ist ein Erbe der Revolution der 1970er-Jahre, deren Ziel es war, die Eigentumsverhältnisse durch die Gründung von Genossenschaften grundsätzlich umzugestalten. In den Verfassungsänderungen 1982, 1989 und 1997 wurde dieser Artikel in Richtung marktwirtschaftlicher Grundsätze verändert. Neben der klassischen Form gewinnorientierter Genossenschaften sind vom Gesetz noch so genannte Arbeiterkollektive vorgesehen. Eigene Normen gelten für Genossenschaften mit Beteiligung staatlicher Akteure. Im landwirtschaftlichen Bereich unterscheidet man landwirtschaftliche Vereine und Genossenschaften, die wiederum unterschiedliche Organisationsformen aufweisen. Selbständige Bauern oder deren Vereinigungen können Mitglieder dieser Organisationen sein. Die Zielsetzung kann gewinnorientiert sein oder breiter die Interessenvertretung des Berufstands oder des ländlichen Raum umfassen.381 8. Lokale Entwicklungsgesellschaften Auf lokaler Ebene gibt es seit Ende der 1980er-Jahre so genannte lokale Entwicklungsgesellschaften (Associações de Desenvolvimento Local). Diese Bezeichnung ist weder geschützt noch verbirgt sich dahinter eine eigene Rechtsform. Sie dienen der Verbesserung der materiellen und kulturellen Lebensbedingungen einer bestimmten Orts- bzw. Gebietsgemeinde oder Region. Dazu soll das Selbstbewusstsein der lokalen Bevölkerung gestärkt und ihr mehr Kontrolle über die eigene Entwicklung gegeben werden. Synergien zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren sollen entdeckt und 380 Nave, Joaquim Gil et al. (Hg.): As Organizações não Governamentais de Ambiente – Elementos de Fenomenologia. Resultados parciais do Inquérito as ONGA, aplicado no ambito de Projecto „Contextos Institucionais de Acção Colectiva e Participação na Área das Políticas do Ambiente“ (Lisboa 2000) S. 26 u. 36. 381 http://www.dgdr.min-agricultura.pt/associativismo/index.html 01/2003.

162

Kap. 1: Akteure

genutzt werden. Weitere Ziele sind Bürgerbeteiligung, Selbstbestimmung und das Wecken von Kreativität. Manche Entwicklungsgesellschaften haben ein einziges Betätigungsfeld wie den Umwelt- oder Denkmalschutz, andere sind in mehreren Politikfeldern tätig. Eine Erklärung für die Existenz solcher lokalen Entwicklungsgesellschaften ist, dass die staatlichen Akteure nicht in der Lage sind, gewisse Aufgaben zu erfüllen. So sind lokale Entwicklungsgesellschaften heute unverzichtbar zur Umsetzung vieler Entwicklungspläne der EU und des Gesamtstaats. Problematisch ist dabei, dass es oft zu keiner Partnerschaft bei den Entscheidungen kommt. Die Entwicklungsgesellschaften werden vom Staat teilweise nur als billiger verlängerter Arm der Verwaltung behandelt, um bereits ausgearbeitete Programme umzusetzen. Die Mitglieder dieser Entwicklungsgesellschaften variieren von Fall zu Fall. Manchmal gibt es nur wenige Dutzend Mitglieder, manchmal sind es hunderte. Mitunter kann jeder Bürger Mitglied sein oder nur gesellschaftliche oder staatliche Akteure oder beide Gruppen. Auch die Initiative zur Gründung kann von jeder dieser drei Arten von Akteuren ausgehen. Die Mehrheit wurde allerdings von Gebietsgemeinden gegründet. Die Mitarbeiter der Entwicklungsgesellschaften sind häufig unentgeltlich tätig, aber es gibt auch angestellte Beschäftigte. Die Entwicklungsgesellschaften sind alle gemeinnützig und beziehen ihre Ressourcen hauptsächlich über Projektgelder. Finanziell sind sie damit fast zur Gänze von EU-Mitteln abhängig. Manchmal findet auch eine Arbeitsteilung zwischen einer regionalen Entwicklungsgesellschaft und mehreren lokalen Entwicklungsgesellschaften statt. Anfang der 1990er-Jahre schlossen sich auch mehrere Entwicklungsgesellschaften zu Netzen zusammen, wobei es bisher zu keiner funktionierenden landesweiten Vernetzung kam.382 9. Weitere Träger funktionaler Selbstverwaltung In Portugal unterscheidet man von der territorialen Selbstverwaltung der autonomen Inselregionen und der Gemeinden die funktionale Selbstverwaltung (administração autónoma não territorial). In diesem Bereich finden sich juristische Personen des öffentlichen Rechts und des Privatrechts. Die Associações Pfflblicas sind juristische Personen des öffentlichen Rechts. Sie verfolgen öffentliche Interessen, die nur bestimmte Personen382 Agência para o Desenvolvimento Local no Alentejo Sudoeste: Práticas e Pistas para o Desenvolvimento Local no Alentejo. Desenvolver Desenvolvendo (Aljustrel 1997) S. 47–85; Melo, Alberto: Do Global ao Local. 20 Teses em Torno das Associações de Desenvolvimento Local, S. 5 [in: Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (CEDREL) (Hg.): A regionalização, a sociedade e a Reforma do Estado. Seminário internacional, (Lisboa 1998)].

D. Private Akteure

163

gruppen betreffen. Ein Beispiel sind die Berufsvereinigungen freier Berufe. Es besteht bei einigen von ihnen Zwangsmitgliedschaft und Zuständigkeit in Disziplinarangelegenheiten. Allgemeine Regelungen diese Träger funktionaler Selbstverwaltung betreffend finden sich in Art. 267 Abs. 4 CRP, wo ihnen verboten wird, Funktionen der Gewerkschaften zu übernehmen. Außerdem müssen die Rechte ihrer Mitglieder festgelegt und effektiv geschützt werden, sowie die Organe demokratisch legitimiert sein. Insgesamt haben aber privatrechtlich organisierte gesellschaftliche Akteure mehr Bedeutung. Vereine, die der Selbstregulierung ihrer Mitglieder dienen, sind Profisportlerverbände, Weinbauverbände oder die Lissabonner Börse.383

383 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 105 f. u. 108.

Kapitel 2

Konstellation der Akteure Nach der Darstellung der einzelnen Akteursgruppen in Kapitel 1 wird in Kapitel 2 die Konstellation einzelner Akteursgruppen analysiert. Die Gliederung orientiert sich dabei an den vier bedeutendsten Konstellationen in Portugal: • Konstellation Gesamtstaatlicher Akteure • Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden • Konstellation von staatlichen Akteure und Privaten • Konstellation von EU und portugiesischen Akteuren Einen ersten Überblick über die Konstellation staatlicher Akteure in Portugal in Bezug auf die finanziellen Ressourcen gibt die folgende Tabelle. Da die Anteile einzelner Akteure in verschiedenen Jahren deutlich von einander abweichen, wurde ein mehrjähriger Schnitt gewählt, der den langjährigen Verhältnissen entspricht. Tabelle 36 Jährliche Ausgaben staatlicher Akteure in Portugal 2002–20041 jährlicher 1 in Mio. e

%

Gesamtstaat Gesamt

54.408

80,3

– Ministerien

21.003

31,0

– autonome gesamtstaatliche Akteure

18.918

27,9

– Sozialversicherungen

14.487

21,4

Gebiets- und Ortsgemeinden

6.799

10,0

EU in Portugal

4.306

6,4

Inselregionen Azoren und Madeira

2.181

3,2

67.694

100,0

Gesamt

A. Konstellation gesamtstaatlicher Akteure

165

Es fällt auf, dass der Gesamtstaat mit 80% der klar dominierende Akteur ist. Allerdings ist er intern in finanzkräftige autonome Akteure gegliedert, die ein Drittel seiner Ressourcen ausgeben. Auf die Gemeinden entfallen auch im internationalen Vergleich geringe 10%. Der Anteil der EU ist mit 6,4% beachtlich, wirkt sich aber von der finanziellen Steuerungsleistung her sehr viel deutlicher aus, wie unten gezeigt wird.

A. Konstellation gesamtstaatlicher Akteure I. Ressourcen Gesamtstaatliche Akteure tätigen 80% aller staatlichen Ausgaben in Portugal. Um Einzelschwankungen auszugleichen, wurde in der folgenden Tabelle der Schnitt dreier Jahre dargestellt. Tabelle 37 Ausgaben gesamtstaatlicher Akteure im Vergleich 2002–20042 1 2002–2004 in Mio. e

1 2002–2004 in %

2002–2004 jährliche Steigerung in %

2004 in Mio. e

Ministerien direkt

21.003

38,6

1,0

21.075

Autonome gesamtstaatliche Akteure

18.918

34,8

6,2

20.052

Sozialversicherungen

14.487

26,6

8,7

15.599

Gesamt

54.408

100,0

4,8

56.726

1 Da hier Ausgaben dargestellt sind und nicht die Finanzierung, werden die Transfers zwischen öffentlichen Akteuren nicht abgebildet. Die Ausgaben der EU in Portugal sind also mit den portugiesischen EU-Beiträgen nicht gegengerechnet (keine EU-Nettozahlungen). Die Ausgaben portugiesischer Akteure entsprechen dem Schnitt der Jahre 2002–2004: Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 47 f. u. 72; Die EU Ausgaben entsprechen dem Schnitt der Jahre 2002–2003: Europäische Kommission (Hg.): Aufteilung der operativen EU-Ausgaben 2003 nach Mitgliedstaaten (2004) S. 94. 2 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 47 f. u. 72.

166

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Kennzeichnend für Portugal ist der hohe Anteil der Ausgaben autonomer gesamtstaatlicher Akteure. Bei einem jährliche Anstieg dieser Ausgaben von 6,2% im Vergleich zu dem 1 % bei den Ministerien, werden autonome Akteure bald an erster Stelle stehen. Um strategische Investitionen mit politischen Zielen ein Stück weit von Routineausgaben zu trennen, haben die gesamtstaatlichen Akteure in Portugal ein eigenes Finanzplanungsinstrument, den PIDDAC zur Verfügung. Der PIDDAC (Programa de Investimentos e Despesas de Desenvolvimento da Administração Central) ist der Investitions- und Entwicklungsplan des Gesamtstaats. 2004 umfasste er 5.861 Mio. e, was 4,3% des portugiesischen BIP entsprach. Dieser PIDDAC ist in 52 Programme aufgeteilt, diese in 921 Maßnahmen, die mit 2.495 Projekten umgesetzt werden sollen.3 Von der EU stammen 44,5% des Finanzvolumens des PIDDAC 2004. Insgesamt sind aber Projekte in Höhe von 73% des Finanzvolumens des PIDDAC 2004 von der Mitfinanzierung der EU betroffen.4 Die Entwicklung der letzten 10 Jahre zeigt, dass sich die absolute Summe des PIDDAC etwa verdoppelt hat und dass die Anteile der EU und der autonomen gesamtstaatlichen Akteure stetig auf Kosten der Ministerien gestiegen ist.5 Die Analyse des PIDDAC nach Ministerien zeigt die Investitionskraft gesamtstaatlicher Akteure in verschiedenen Politikfeldern. Dadurch wird auch sichtbar, in welchen Politikfeldern Mittel zur Verfügung stehen, die über Routineausgaben hinausgehen. Da viele Investitionen von Unternehmen vollzogen werden, kommt es in diesen Bereichen auch zu besonders intensiven Interaktionen mit Unternehmen. Die folgende Tabelle zeigt die Ressorts nach der Höhe ihrer Gesamtausgaben geordnet und im Vergleich dazu die Höhe der Investitionen laut PIDDAC. Die höchsten Investitionen im Rahmen des PIDDAC fallen in den Ressorts Wirtschaft sowie Infrastruktur und Wohnbau an. Da 44% des PIDDAC von der EU stammen und diese EU-Mittel nicht in den Gesamtausgaben der Ministerien enthalten sind, kann wie im Fall des Ministeriums für Infrastruktur und Wohnbau der PIDDAC höher sein, als die Gesamtausgaben aus dem nationalen Budget. Die hohen Gesamtausgaben der Ressorts Finanzen, Gesundheit sowie Soziales und Arbeit sind durch die Leistungen der Sozialversicherungen erklärbar, denen nur geringe PIDDAC Investitio3

Ibid. S. 39 f. Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) III-2. 5 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2005 (Lissabon 2004) III-2. 4

A. Konstellation gesamtstaatlicher Akteure

167

Tabelle 38 Ausgaben und Investitionen gesamtstaatlicher Akteure 20046 Ministerien

Gesamtausgaben in Mio. e

%

15.274

31

72

1,2

Gesundheit

6.530

13

210

3,6

Soziales und Arbeit

6.223

13

133

2,3

Schulwesen

5.513

11

140

2,4

Umwelt und Raumordnung

2.893

6

280

4,8

Landwirtschaft und Fischerei

2.380

5

793

13,5

Verteidigung

1.966

4

23

0,4

Forschung und Hochschulen

1.890

4

318

5,4

Wirtschaft

1.525

3

1.003

17,1

Inneres

1.508

3

49

0,8

Infrastruktur und Wohnbau

1.502

3

2.337

39,9

Justiz

1.130

2

112

1,9

Präsident u. Ministerpräsident

917

2

240

4,1

Äußeres

345

1

20

0,3

Kultur

273

1

131

2,2

49.868

100

5.861

100,0

Finanzen

Gesamt

Investitionen (PIDDAC) in Mio. e

%

nen gegenüberstehen; im Gesundheitsbereich auch deswegen, weil die Mehrheit der Spitäler privatisiert wurde und deren Investitionen nicht mehr unter den PIDDAC fallen. Hohe Personalausgaben im Schulwesen und im Gesundheitsbereich führen ebenfalls zu hohen nationalen Budgets bei geringen Investitionsleistungen. 6

Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 101; Die Erklärung, weshalb diese und die vorangehende Tabelle bei der Gesamtsumme der Ausgaben nicht übereinstimmen ist wohl darin zu suchen, dass nicht alle Sozialversicherungen einem Ministerium zugerechnet werden und damit in der unteren Tabelle enthalten sind.

168

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Das Ministerium für Umwelt und Raumordnung ist für 6% der Gesamtausgaben gesamtstaatlicher Akteure verantwortlich, womit es im oberen Mittelfeld der Ministerien liegt. Diese hohen Ausgaben sind vor allem auf Transfers an die Gebietsgemeinden zurückzuführen, welche sie im Umweltbereich investieren, sodass diese Investitionen nicht im PIDDAC des Ministeriums aufscheinen. Im Personalbereich konservierte der Estado Novo bis in die 1970er-Jahre Verhältnisse aus den 1930er-Jahren: Die Mehrheit der Beschäftigten hatten jährlich zu erneuernde Verträge. Sozialleistungen gab es nur in Ansätzen. Nach dem Umsturz 1974 wurden Mutterschutz, bezahlter Urlaub, 5 Tage Woche, neues Disziplinarrecht eingeführt. 1984 kam das System von Kollektivverhandlungen und 1987 wurden alle damaligen Beschäftigten unkündbar gestellt.7 Heute sind 82% der Beschäftigten von portugiesischen staatlichen Akteuren, mit einseitigem Hoheitsakt (nomeação) bestellt und damit Beamter (funcionário pfflblico). Die übrigen 18% der Beschäftigten haben zweiseitige Arbeitsverträge (contrato de trabalho) und sind damit Vertragsbedienstete (agentes). In diesem Bereich gibt es befristete und unbefristete Verträge.8 Mit Lei 23/2004 wurde das Dienstrecht der Vertragsbediensteten reformiert. Zusätzlich haben die Beschäftigten in den Politikfeldern, Verteidigung, Bildung, Gesundheit und Justiz eigene Personalregimes, sodass die allgemeinen Regeln nur für 15% der gesamtstaatlichen Beschäftigten gelten. Für alle verbindlich sind die Regeln für den öffentlichen Dienst in Art. 266 + 269 CRP und im Verhaltenskodex für öffentliche Bedienstete von 1993. Letzterer unterscheidet zwischen Basistugenden sowie Pflichten gegenüber den Bürgern, den Vorgesetzten und den staatlichen Akteuren.9 Anfang 2000 wurde eine umfangreiche Zählung aller öffentlichen Beschäftigten durchgeführt, wonach gesamtstaatliche Beschäftigte 78% aller staatlichen Beschäftigten ausmachten. Von diesen 566.548 gesamtstaatlichen Beschäftigten arbeiteten 36% bei autonomen gesamtstaatlichen Akteuren, was die Bedeutung dieser Akteure unterstreicht.10 7 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 7 f. 8 Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 6. 9 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 33 u. 37. 10 Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 3 ff.

A. Konstellation gesamtstaatlicher Akteure

169

In der Periode des Estado Novo war der Gesamtstaat in vielen Politikfeldern wenig oder nicht aktiv. Mit der sprunghaften Ausweitung gesamtstaatlicher Tätigkeit auf neue Politikfelder nach dem Umsturz 1974 stieg besonders die Anzahl gesamtstaatlicher Beschäftigter stark an. Auch der EU-Beitritt veränderte viele Politikfelder grundlegend. Durch diese sprunghafte Modernisierung ergab sich als Hauptproblem, das Fehlen von Fachleuten zur Umsetzung der neuen Politiken. Man versuchte zwar neue Beschäftigte anzustellen, aber die Qualität war in der erforderlichen Menge vor allem außerhalb der Hauptstadt nicht vorhanden.11 Von 1980 bis 2000 verdoppelte sich der Anteil der Akademiker von 14% auf 32%. Während der Akademikeranteil in den 1980er-Jahren lediglich um 1% pro Jahr zunahm, beschleunigte sich diese Zunahme in den 1990erJahren auf jährlich 1,5%. Zählt man Akademiker und Abiturienten zusammen, erreicht man einen Anteil von 55% des Personals gesamtstaatlicher Akteure. Dieser Wert sinkt auf 21%, wenn man die Gesundheits- und Erziehungsministerien mit ihrem hohen Akademikeranteil unberücksichtigt lässt.12 Für die Aus- und Weiterbildung gesamtstaatlicher Beschäftigter ist das 1979 gegründet Instituto Nacional de Administração (INA) zuständig. Eine etablierte universitäre Ausbildung eigens für den öffentlichen Dienst gibt es bisher nicht. In den Jahren 2000–2010 wird rund ein Drittel der staatlichen Beschäftigten in den Ruhestand treten. Dies gibt Spielraum für eine quantitative Reduktion und eine qualitative Verbesserung.13 (Verweis Tab. 39) Ähnlich wie in anderen Staaten liegen die Personalschwerpunkte in den Bereichen Bildung, Sicherheit und Gesundheit. Es folgen hoheitliche Kernbereiche wie Justiz und Finanzen, gefolgt von Ministerien welche für Politikfelder zuständig sind, die weniger personalintensiv sind. Im Fall des Politikfelds Umwelt und Raumordnung ist der geringe Personalstand des Gesamtstaats auch dadurch zu erklären, dass Gemeinden und Unternehmen den Großteil des Personals beschäftigen. Das Finanzministerium kam 2004 zu dem Schluss, dass der Gesamtstaat vor allem sein Personal reduzieren muss, um seine Finanzen zu stabilisieren. Zwischen 2000 und 2004 wurde das Personal zwar jährlich um 1,0% reduziert, die Personalkosten stiegen ohne Berücksichtigung der Inflation 11

Farias, João: Interview am 14. August 2003. Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 3 ff.; Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 92 f. 13 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 35 u. 37. 12

170

Kap. 2: Konstellation der Akteure Tabelle 39 Verteilung der Beschäftigten auf die Regierungsressorts 200414

Ministerien

Personalstand

%

Schulwesen15

211.259

39,3

16

81.395

15,1

Verteidigung

57.781

10,7

Inneres

55.644

10,3

Forschung und Hochschulen

38.934

7,2

Justiz

26.271

4,9

Finanzen

17.258

3,2

Landwirtschaft und Fischerei

13.598

2,5

Soziales und Arbeit

9.247

1,7

Wirtschaft

5.421

1,0

Infrastruktur und Wohnbau

5.092

0,9

Umwelt und Raumordnung

4.615

0,9

Allgemeine Staatsfunktionen

3.942

0,7

Kultur

3.752

0,7

Äußeres

3.507

0,7

Gesamt

537.716

100,0

Gesundheit

im selben Zeitraum um 5,0%. In Zukunft wird eine jährliche Reduktion des Personalstands um 1,5% angestrebt.17 Zusammenfassend kann man die Personalentwicklung gesamtstaatlicher Akteure in den letzten Jahren folgendermaßen charakterisieren: steigende 14 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 101–180. 15 Davon 153.833 Lehrer (29% aller gesamtstaatlichen Beschäftigten). 16 Verringerung um 40 903 Beschäftigte, durch die Privatisierung einiger Spitäler seit Juli 2002. 17 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 31 u. 47; Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 3 ff.

A. Konstellation gesamtstaatlicher Akteure

171

Personalkosten insbesondere in den Bereichen Erziehung, Gesundheit und Justiz; steigender Anteil von Beschäftigten des gehobenen oder höheren Dienstes; Erhöhung des Altersdurchschnitts und des Frauenanteils; Gleichbleibende Konzentration von mehr als der Hälfte der gesamtstaatlichen Beschäftigten in den Distrikten Lissabon und Porto.18 Probleme des öffentlichen Dienstes in Portugal sind: teilweise geringe Produktivität, bisher nicht zu ändernde ständige Zunahme der Beschäftigten und Ausdehnung des Berufsbeamtentums auf zu viele Bereiche, Beurteilung und Beförderung belohnen Leistung zu wenig und Verwaltungsreformen werden von der Personalseite her erschwert;19 Eine Reformkommission kam 2001 auch zu dem Schluss, dass viele leitende Beschäftigte gravierende Schwächen in den Kompetenzfeldern Organisation, Finanzen und Technologie hätten.20

II. Hauptprobleme der Konstellation gesamtstaatlicher Akteure Die gesamtstaatlichen Akteure weisen in Portugal einige typische strukturelle Probleme auf, die im Folgenden dargestellt werden. 1. Vielzahl schwacher Akteure Ein Bericht einer Reformkommission über die gesamtstaatlichen Akteure aus 2001 beschreibt das Problem der Aufteilung der gesamtstaatlichen Zuständigkeiten und Ressourcen auf zu viele selbständige Akteure. Unter Ausschluss öffentlicher Unternehmen und Institutionen die ausschließlich direkte Serviceleistungen an die Bürger erbringen (z. B. Krankenhäuser und Schulen) wurden 2001 knapp über 400 gesamtstaatliche Akteure gezählt, die im Schnitt einen Personalstand von 590 Beschäftigten hatten.21 Aller18 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 92 f. 19 Corte-Real, Isabel: Carreiras e Progressão, S. 345–349 [in: Instituto Nacional de Administração (Hg.): A Reinvenção da Função Pfflblica. Da Burocracia à Gestão. Encontro INA realizado na Fundação Gulbenkian em Lisboa de 14–15 Março de 2002, (Lisboa 2002)] S. 347. 20 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 9. 21 Die Differenz zu den Angaben von Garandeau von Mitte der 1990er Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 23 u. 58 oder der Personalstatistik von 2001 Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros.

172

Kap. 2: Konstellation der Akteure

dings sind die Verhältnisse in den einzelnen Politikfeldern sehr unterschiedlich: In den Politikfeldern Justiz, Finanz, Gesundheit, Verteidigung und innere Sicherheit liegen die Durchschnittswerte bei 1.500 Beschäftigten pro Akteur, in den übrigen Politikfeldern zwischen 150 und 250 Beschäftigten. Insgesamt hat die Hälfte der gesamtstaatlichen Akteure unter 100 Beschäftigte, ein weiteres Drittel bleibt unter 500 Beschäftigten. Ähnlich sieht es beim Budget aus, wo 40% der gesamtstaatlichen Akteure jährlich weniger als 2,5 Mio. e zur Verfügung haben.22 Im Bereich der Privatwirtschaft würde die große Mehrzahl der gesamtstaatlichen Akteure also in die Kategorie Kleinbetriebe fallen. Die Vielzahl gesamtstaatlicher Akteure zeigt sich auch in der Raumordnung, wo für die Erstellung eines kommunalen Raumordnungsplans (PDM) 46 gesamtstaatliche Akteure Stellungnahmen abgeben.23 Die politischen Ursachen für diesen Zustand sind: Erstens erfordert die Konzentration von sachlichen und örtlichen Zuständigkeiten beim Gesamtstaat die Schaffung spezialisierter Akteure, um die Menge der Zuständigkeiten überhaupt bewältigen zu können. Zweitens können mehr Leitungspositionen politisch besetzt werden wenn viele kleine gesamtstaatliche Akteure geschaffen werden. Dies ermöglicht eine sichere Steuerung über Personen und erhöht nach dem Erfahrungssatz „divide et impera“ den Einfluss der politischen Organe, da die vielen kleinen gesamtstaatlichen Akteure laufend die politischen Organe brauchen, um zusätzliche Ressourcen zu erhalten und ihre Zuständigkeiten gegen Parallelakteure zu wahren. Eine Folge dieser Vielzahl von Akteuren ist, dass viele nicht die kritische Masse an Ressourcen und Zuständigkeiten erreichen, um ihre Aufgaben wirklich selbständig erfüllen zu können. Eine Reformkommission stellte 2001 als Folge auch große Ungleichgewichte bei der Verteilung der Ressourcen fest.24 Ressourcen können nämlich nicht je nach Veränderung der Aufgaben innerhalb eines größeren Akteurs umgeschichtet werden, sondern müssen immer einem Akteur weggenommen werden, damit sie ein anderer erhält. Dies widerspricht den institutionellen Eigeninteressen des ersteren Akteurs, der dagegen Widerstand leistet. Außerdem sind die politischen Or2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 5 u. 8 ist auf die unterschiedlichen Definitionen von Akteuren in den Statistiken zurückzuführen. 22 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 45 u. 138 u. 140. 23 http://www.dgotdu.pt/formularios/ficha_de_instPDM_alt.pdf 08/2003. 24 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 11 u. 121.

A. Konstellation gesamtstaatlicher Akteure

173

gane mit der Steuerung dieser hohen Zahl relativ unselbständiger gesamtstaatlicher Akteure überfordert. Es fehlt unterhalb der Regierung an starken staatlichen Akteuren, welche in der Lage wären, die übrigen Akteure zu koordinieren und selbständig Probleme zu lösen. Lei 4/2004 sollte der Tendenz der Fragmentierung des Gesamtstaats in immer mehr Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung zu Gunsten der unmittelbaren Staatsverwaltung Einhalt gebieten und legt einige Voraussetzung für die Gründung solcher Akteure fest: Art. 3 Abs. 5 Lei 4/2004 knüpft ihre Schaffung, an die effiziente Nutzung vorhandener Ressourcen, insbesondere soll die Schaffung vieler kleiner Akteure für jede einzelne Staatsaufgabe verhindert werden. In Art. 5 lit. g Lei 4/2004 wird die Bevorzugung der Reform vorhandener Akteure gegenüber der Schaffung neuer angeordnet und Art. 6 Lei 4/2004 ordnet die Zusammenführung aller allgemeinen Verwaltungsfunktionen eines Ministeriums in ein Generalsekretariat an, statt dafür einzelne Akteure zu schaffen. 2. Mangelnde Ressourcen und Zuständigkeiten außerhalb der Hauptstadt Im Programm der XV. portugiesischen Regierung von 2002 heißt es, dass das uralte Problem des Zentralismus bisher nicht überwunden worden sei.25 Bei einer Umfrage 2001 gaben 66% der gesamtstaatlichen Akteure an, einen landesweiten Zuständigkeitsbereich ohne Dienststellen außerhalb der Hauptstadt zu haben. Diese Akteure repräsentierten ein Drittel aller Beschäftigten. Weitere 15% der Akteure mit knapp einem weiteren Drittel der Beschäftigten hatten einen einzigen landesweiten örtlichen Zuständigkeitsbereich, allerdings mit Dienststellen außerhalb der Hauptstadt. Lediglich 18% der Akteure mit 36% der Beschäftigten haben Dienststellen außerhalb der Hauptstadt mit eigenen abgegrenzten Zuständigkeitsbereichen. Hier fällt auf, dass in diesen Fällen das meiste Personal bei den Dienststellen auf Distriktsebene angesiedelt ist (29%) und nur 6% des Personals bei Dienststellen, auf Ebene der CCDR-Regionen. Gleichzeitig haben die Dienststellen auf Distriktsebene ein geringes Maß an Autonomie.26 Dies zeigt, dass die gesamtstaatlichen Akteure ihre Ressourcen vor allem auf die Hauptstadt und die nationale Ebene konzentrieren, an zweiter Stelle folgen Akteure auf 25 http://www.governo.gov.pt/PortalDoGoverno/ProgramaDoGoverno/default_pn_ 000.htm 09/2002. 26 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 151 u. 164.

174

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Distriktsebene mit geringer Autonomie, die der Informationssammlung für die Hauptstadt und dem Kontakt mit den Gemeinden und den privaten Akteuren dienen. Auf der Ebene der CCDR-Regionen, auf der eine sinnvolle Regionalpolitik möglich wäre, stehen den gesamtstaatlichen Akteuren hingegen am allerwenigsten Ressourcen (6% des Personals) zur Verfügung. Dasselbe gilt für die Verteilung von Informationen: Es ist noch immer schwer von einer Unterbehörde aus in einem Ministerium anzurufen und eine korrekte Auskunft zu erhalten, weil man dort glaubt, dass alles geheim ist und nur für das Ministerbüro zugänglich sein sollte.27 Durch das Fehlen handlungsfähiger regionaler staatlicher Akteure werden praktische alle Politikfelder von der gesamtstaatlichen Regierung bearbeitet. Dies führt zu im europäischen Vergleich zahlreichen Regierungsmitgliedern und einem enormen Koordinationsaufwand auf Regierungsebene. Es müssen Sonderministerräte gebildet werden, etwa seit 1980 für Wirtschaft oder seit 1991 für die EU. Bis 1990 hatte der Premier einen oder im Falle von Koalitionen zwei Stellvertreter, welche die Koordinierung der übrigen Regierungsmitglieder übernahmen. Seither gibt es dem Premier beigeordnete Minister, die keine Ministerien führen, aber für die Koordinierung bestimmter Politikfelder zuständig sind. Außerdem bereitet der Rat der Staatssekretäre den Ministerrat vor. Trotzdem wird im Wesentlichen nur eine negative Koordinierung erreicht, bei der jedes Ressort es vor allem vermeidet, Interessen anderer Ressorts zu verletzen.28 Nach dem Grad ihrer juristischen Autonomie werden in Portugal die gesamtstaatlichen Akteure ohne Autonomie (21%), diejenigen mit Verwaltungsautonomie (45%) und diejenigen, die zusätzlich noch Budgetautonomie besitzen (34%) unterschieden.29 Diese Zahlen ließen eigentlich auf einen geringen Grad an Zentralisierung schließen. Allerdings geben diese Prozentsätze nur die Anzahl der jeweiligen Akteure wieder, nicht ihre Bedeutung in Bezug auf Ressourcen oder Zuständigkeiten. Hier behalten sich die politischen Organe aber die direkte Steuerung der bedeutendsten Akteure vor. Außerdem wird der Grad der rechtlich gewährleisteten Autonomie durch die personelle Steuerung überlagert. In deren Rahmen werden die Organe autonomer staatlicher Akteure durch politische Vertrauensleute besetzt, welche diese Autonomie im Sinne der politischen Akteure ausüben. 27

Farias, João: Interview am 14. August 2003. Campos, António Correia de: Coordenação do Trabalho Governamental [in: Revista Portuguesa de Administração e Políticas Pfflblicas, V.1 Nº1, S. 50–72, 2000] S. 55 f. 29 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 134. 28

A. Konstellation gesamtstaatlicher Akteure

175

3. Unnötige organisatorische Heterogenität Es gibt eine große Heterogenität von Organisationsformen mit verschiedenen Varianten, die in keinem Zusammenhang zu den Aufgaben der staatlichen Akteure stehen. Im Jahr 2001 besaßen insgesamt 51% der gesamtstaatlichen Akteure Rechtspersönlichkeit und waren damit der adminstração indirecta zuzurechnen. Dazu zählten 95% der öffentlichen Institute, aber auch ein Drittel der Akteure in der Organisationsform einer Generaldirektion, die ja typischerweise für Akteure der unmittelbaren Staatsverwaltung verwendet wird. Außerdem hat die Organisationsform nicht immer die in der Theorie vorgesehene Beziehung zu den politischen Organen zur Folge: 20% der Akteure des Typs Generaldirektion gaben an, in keiner unmittelbaren hierarchischen Beziehung zu einem Minister zu stehen und 15% der öffentlichen Institute standen nach eigenen Angaben nicht unter dem für sie typischen Aufsichtsverhältnis zu einem Regierungsmitglied. Eine ähnliche Diskrepanz zwischen Organisationsform und Eigenschaften des Akteurs gibt es bei auf Zeit eingerichteten Akteuren für Projekte. Von ihnen sind schon 20% älter als 6 Jahre.30 Die Organisationsform lässt auch keine klaren Schlüsse auf den Autonomiestatus eines Akteurs zu: 15% der Generaldirektionen haben keinerlei Autonomie, ebenso viele aber sowohl Verwaltungs- als auch Budgetautonomie. Obwohl alle öffentlichen Institute wenigstens Verwaltungsautonomie genießen, gibt es auch hier Abstufungen. Ein weiterer Hinweis auf zu hohe Heterogenität der Organisationsformen ohne Zusammenhang zur Aufgabe der Akteure ist, dass die befragten Akteure über ihre eigene Rechtssituation im Unklaren waren: Dutzende behaupteten über Budgetautonomie und eigenes Eigentum zu verfügen, ohne aber Rechtspersönlichkeit zu besitzen, andere bejahten ihre Rechtspersönlichkeit, wähnten sich aber in einem hierarchischen Verhältnis ohne jede Autonomie.31 Diese große juristische und organisatorische Vielfalt erschwert naturgemäß die Steuerung. Schon Ende der 1980er-Jahre hatte man versucht, die völlig unterschiedlichen Statute autonomer gesamtstaatlicher Akteure etwas zu vereinheitlichen.32 30

Ibid. S. 133 u. 135 u. 141. Ibid. S. 135. 32 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 23 u. 58; In Fußnote wurde basierend auf Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 45 eine Zahl von 400 Akteuren genannt, die auch noch diejenigen der unmittelbaren Staatsverwaltung mit um31

176

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Laut einem Reformplan aus 2002 sollte es nur mehr drei Arten von gesamtstaatlichen Akteuren geben: unmittelbare Verwaltung, die öffentlichen Institute und unabhängige Regulierungsbehörden.33 Erst 2004 hat man durch Reformgesetze wie Lei 4/2004 umzusetzen begonnen. 4. Parallele Zuständigkeiten Im Jahr 2001 erschien ein Bericht einer Reformkommission über die gesamtstaatlichen Akteure, der zwar das System der Parallelkompetenzen identifizierte und beklagte,34 allerdings nicht die beiden politischen Funktionen dieser Parallelkompetenzen benannte: Die erste Funktion besteht darin, die Kontrolle der politischen Akteure in der Hauptstadt über andere staatliche Akteure zu erhöhen, in dem ihnen parallele Zuständigkeiten zu den Gemeinden oder gesamtstaatlichen Akteuren außerhalb der Hauptstadt gegeben wird. Die zweite politische Funktion paralleler Zuständigkeiten wird im Programm der XV. Regierung erwähnt, worin es heißt, dass die Verwaltung in der Vergangenheit als Instrument für parteipolitischen Klientelismus verwendet worden sei, durch den sich die gesamtstaatlichen Akteure in Parallelinstitutionen vervielfältigt hätten. Die Entscheidungen seien dadurch schwieriger und die Verantwortung verwischt worden.35 Konkret heißt dies, dass nach einem Regierungswechsel Parallelinstitutionen geschaffen werden, weil man den Beschäftigten in den Institutionen der Vorgängerregierung politisch nicht traut und für die eigene Klientel Arbeitsstellen schaffen möchte.

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden Bis zu den liberalen Reformen der 1830er-Jahre gab es verschiedene Arten von Gemeinden, in denen unterschiedliche Grundherren die Hoheitsgewalt ausübten. Nur in 60% der Fälle konnte der König über seinen „Juíz de fora“ direkt Einfluss auf die Gebietsgemeinde nehmen.36 fasst. Die Differenz ist auf die unterschiedlichen Auswahlkriterien der beiden Statistiken zurückzuführen, da in diejenige von 2001 die Akteure, welche Dienstleistungen direkt an die Bürger erbringen (z. B. Krankenhäuser) und öffentliche Unternehmen nicht mitgezählt wurden. 33 http://www.portugal.gov.pt/pt/Documentos/20030624_Reforma_AP.htm 07/2003. 34 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 12. 35 http://www.governo.gov.pt/PortalDoGoverno/ProgramaDoGoverno/default_pn_ 000.htm 09/2002.

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden

177

Wenn es nicht um Rechtsprechung, religiöse Angelegenheiten oder Steuern ging, blieben sich die ländlichen Siedlungen selbst überlassen. Die liberalen Reformen hatten das Ziel, direkten Einfluss auf die Gebietsgemeinden zu erlangen, um die Nation von Lissabon aus umzugestalten. Dies führte zu starken Widerständen. Nur langsam wuchs der Einfluss des Gesamtstaats, der außerhalb der Hauptstadt im Wesentlichen auf die Gebietsgemeinden zur Umsetzung seiner Entscheidungen angewiesen war, da er außerhalb der Hauptstadt bis in die zweite Hälfte des 19. Jh. zu wenig präsent war. Zuständigkeiten, welche die Gebietsgemeinden faktisch immer schon ausgeübt hatten, wurden ihnen jetzt per Gesetz vom Gesamtstaat übertragen.37 Im Jahr 1836 wurden die Grundherrschaften beseitigt, mehr als die Hälfte der 828 Gebietsgemeinden aufgelöst und damit die Zahl von 350 erreicht, welche in etwa bis heute erhalten geblieben ist.38 In diesen radikal veränderten Territorien begann dann der eigentliche Aufbau der staatlichen Verwaltung außerhalb der Hauptstadt. 1852 gab es im Bezirk Leiria schon fünfmal mehr Funktionsträger, die vom König ernannte wurden, als von den Gebietsgemeinden. Allerdings handelte es sich bei den Führungspositionen in der königlichen Verwaltung um unbezahlte Ehrenämter. Diese staatlichen und die kommunalen Funktionsträger stammten aus denselben Familien und hatten einige Möglichkeiten, Anordnungen des Gesamtstaates Widerstand zu leisten. So scheiterte die Einhebung von Steuern an den Beziehungen dieser Funktionsträger zu den Steuerpflichtigen. Man könnte sagen, dass durch die liberalen Reformen der 1830er-Jahre die territoriale Gliederung des Landes rationalisiert wurde, nicht aber das Personal der staatlichen Verwaltung außerhalb der Hauptstadt.39 In der Republik nach 1911 gab es auf Ebene der Gebietsgemeinden zwei Spitzenfunktionen, den gewählten Bürgermeister und einen Verwaltungsbeamten der Regierung. Der gewählte Bürgermeister wurde in den 1930erJahren im Estado Novo abgeschafft,40 die verbleibenden Gebietsgemeindeverwalter auch weiterhin vom Innenministerium aus den örtlichen Honoratioren ausgewählt. Sie waren Repräsentanten der Regierung und hatten die 36 Silveira, Luís Espinha da: Estado Liberal e Centralização. Reexame de um tema, S. 63–84 [in: Silveira, Luís Nuno Espinha da (Hg.): Poder central, poder regional, poder local. Uma perspectiva histórica, (Lisboa 1997)] S. 66. 37 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 6 u. 12 f. 38 Barata, José Fernando Nunes: Ordenamento do Território, S. 263–297 [in: Fernandes, José Pedro (Hg.): Dicionário jurídico da administração pfflblica. 1º suplemento, (Lisboa 1998)] S. 276. 39 Silveira, Luís Espinha da: Estado Liberal e Centralização. Reexame de um tema, S. 63–84 [in: Silveira, Luís Nuno Espinha da (Hg.): Poder central, poder regional, poder local. Uma perspectiva histórica, (Lisboa 1997)] S. 75 ff.

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Kap. 2: Konstellation der Akteure

wesentlichen exekutiven Kompetenzen. Daneben gab es eine Gebietsgemeindevertretung, die von den Ortsgemeinden und berufsständischen Vertretern beschickt wurde. Die Gebietsgemeindevertretung wählte die Mitglieder des Gebietsgemeindevorstands und kontrollierte diesen. Die Ortsgemeinden waren demokratischer organisiert, hier wählten die verheirateten Männer den dreiköpfigen Gebietsgemeindevorstand.41 Allerdings hatten die Ortsgemeinden damals kaum Kompetenzen und Ressourcen. Es gab also bis 1974 keine politische Autonomie auf Gemeindeebene, keine gewählten Gemeindevertreter. Aber selbst dieser gesamtstaatlich kontrollierten Gemeindeverwaltung standen kaum Personal und Budget zur Verfügung, was die Abhängigkeit von Einzelzuweisungen erhöhte. In der Praxis kontrollierten der Innenminister und die Gouverneure die Gebietsgemeinden und von dieser Ebene aus auch die Ortsgemeinden. Nach Art. 5 der Verfassung von 1933 waren die Gemeinden ein „Strukturelement“ der Nation, ähnlich den einzelnen Familien und den Berufsständen. Alle diese Strukturelemente waren aber eben Teil des Gesamtstaates.42 Daher war die Regierung der Ansicht, dass im Prinzip alle Angelegenheiten gesamtstaatlich seien und nur ausnahmsweise einige einzelne Zuständigkeiten den Gemeinden übertragen werden können. Der Gesamtstaat dominierte die Gemeinden durch eine systematische meritorische Prüfung der Entscheidungen der Gemeinden, durch die Auswahl der Bürgermeister und die Möglichkeit, die restlichen Gemeindeorgane aufzulösen. Andererseits benötigte der Estado Novo die Gebietsgemeinden in zweifacher Hinsicht: Erstens brauchte er sie, um gesamtstaatliche Entscheidungen in der Fläche umzusetzen, zweitens konnte ein Ständestaat ideologisch eben nicht auf vermittelnde Institutionen zwischen Bürger und Nation verzichten. Schließlich waren Orts- und Gebietsgemeinden ein Korrektiv zu den berufständischen Akteuren, die bei Ausübung ihrer von der Verfassung gewährleisteten Rechte dem Machtmonopol der gesamtstaatlichen Regierung gefährlich hätten werden können.43 40 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 92 f. 41 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 8. 42 Costa, Adalberto et al.: O Poder Local em Portugal. Contributos para o seu Conhecimento. (Porto 1995) S. 11 f. 43 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 24 ff. u. 28.

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden

179

Zusammenfassend ist die Kontinuität zwischen dem liberalen Zentralismus um die Wende vom 19. zum 20. Jh., dem konservativen Zentralismus bis 1974 und dem sozialistischen Zentralismus nach 1974 zu betonen. Die wesentliche Frage ist, ob die Gemeinden ausreichend Zuständigkeiten und Ressourcen sowie einen eigenen politischen Entscheidungsspielraum haben. Erstmals als Akteure anerkannt zu werden, die eigene politische Entscheidungen treffen, war eine große Veränderung, die erst Jahre nach 1974 langsam möglich wurde. Die Betonung der Unfreiheit der Gemeinden im Estado Novo im Vergleich zu der Zeit davor und danach ist aber einseitige politische Übertreibung. Lediglich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wirkte sie in der zweiten Hälfte des 20. Jh. unzeitgemäßer als die Bevormundung der Gemeinden unter anderen politischen Vorzeichen in den Jahrzehnten zuvor. In den Jahren nach dem Umsturz von 1974 änderte sich zwar die rechtliche Situation der Gemeinden gegenüber dem Gesamtstaat relativ rasch, es dauerte aber bis in die 1990er-Jahre, bis in der Praxis eine grundlegende Änderung eintrat.44 Die portugiesische Staatslehre unterscheidet seit der Verfassung von 1976 zwischen obersten Staatsorganen (órgãos de soberania) und politischen Organen (órgãos do poder político). Nach Art. 110 CRP sind der Präsident, die Regierung, die Nationalversammlung und die „Gerichtsbarkeit“ oberste Staatsorgane. Gemeinden und die autonomen Inselregionen werden als politische Organe angesehen, was aus ihrer Eingliederung in den dritten Teil der Verfassung „Organização do poder político“ (wörtlich: „Organisation der politischen Macht“; treffender: „Organisation des Staates“) deutlich wird. Damit ist der politische Freiraum der Gemeinden gegenüber dem Gesamtstaat in der Verfassung verankert. Ein Zeichen für die Anerkennung als eigene politische Ebene ist, dass der Wechsel von Politikern von Gemeinden zu gesamtstaatlichen Akteuren und zurück mittlerweile üblich ist. Als die Kommunalwahlen 2001 zu einem Sieg der Opposition führten, trat sogar die gesamtstaatliche Regierung zurück.45 Andererseits begann der Gesamtstaat erst nach 1974, die Gemeinden intensiver normativ zu steuern und etablierte verstärkt außerhalb der Hauptstadt eigene Dienststellen.46 Verstärkt wird dies durch eine enge finanzielle Steuerung. Auch die Anerkennung als eigene demokratisch legitimierte 44

Barreto, António: As Freguesias e a Regionalização, S. 43–51 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 44. 45 Almeida, Ana et al.: 2001 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2002]. 46 Lopes, Fernando Farelo: Descentralização e Práticas Clientelares na Democracia Portuguesa [in: Territórios alternativos, Nº 1, Set.-Out. 2000, S. 37–46, 2000] S. 38.

180

Kap. 2: Konstellation der Akteure

politische Akteure ist noch nicht selbstverständlich, wenn der Präsident der portugiesischen Republik 2002 in einer Ansprache die Kommunalwahlen als „eleições administrativas locais“ (lokale Verwaltungswahlen) bezeichnet.47 Auch die Situation der Ortsgemeinden änderte sich bis in die 1990erJahre kaum. Zuständigkeiten und Ressourcen blieben gering. Für den Gesamtstaat vereinfacht die Überlagerung der Ortsgemeinden durch die Gebietsgemeinden die Steuerung der kommunalen Akteure bis heute, da er dadurch weniger Ansprechpartner hat. Deshalb kommt es weiterhin kaum zu Interaktionen zwischen gesamtstaatlichen Akteuren und den Ortsgemeinden. Der Präsident der Interessenvertretung der Ortsgemeinden stellte im Interview fest: Eine Ortsgemeinde hat mit gesamtstaatlichen Akteuren auch heute noch praktisch keine Kontakte, nur im Falle der Wahlen direkt mit der nationalen Wahlkommission und am Ende jeden Jahres mit der Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten DGAL wegen der staatlichen Zuschüsse zu den kommunalen Budgets.48

I. Ressourcen Der Anteil der kommunalen Ausgaben an den Ausgaben aller staatlichen Akteure war in Portugal traditionell niedrig. Er lag schon im Estado Novo etwa bei 10%, sank in den 1980er-Jahren bis auf 7% (weil der Gesamtstaat an den insgesamt schnell wachsenden Ausgaben am stärksten partizipierte) und hatte sich bis Mitte der 1990er-Jahre nicht wesentlich erhöht. Ein ähnliches Bild zeigen historische Vergleiche der Anzahl der Beschäftigten. Auch hier wuchsen die Beschäftigtenzahlen des Gesamtstaats in den 1980er-Jahren so schnell, dass der Anteil der Gemeinden sogar unter die Werte der Periode des Estado Novo zurückfiel.49 Obwohl der Vorwurf des Zentralismus und der Bevormundung der Gemeinden durch den Estado Novo zur gängigen politischen Rhetorik in Portugal gehören, zeigen auch diese Beispiele die große Kontinuität im Verhältnis von Gesamtstaat und Gemeinden über den Umsturz 1974 hinweg. Der Anteil der Gemeinden an den Ausgaben aller staatlichen Akteure ist in Deutschland und Österreich in den vergangenen Jahren gesunken, in Portugal hingegen gestiegen. Der Grund dafür ist, dass die Sparmaßnahmen im öffentlichen Bereich in Mitteleuropa stärker zu Lasten der Gemeinden 47 http://www.presidenciarepublica.pt/pt/cgi/noticias.pl?ver=discursos&id=702 07/ 2002. 48 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 49 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 104 u. 134.

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden

181

Tabelle 40 Anteil der Gemeinden an den Ausgaben aller staatlichen Akteure in %50 Portugal

Deutschland

Österreich

1993

10,9

17,7

19,1

2003

13,5

14,6

15,7

gingen und sich daher ihr Anteil an den Gesamtausgaben aller staatlichen Akteure verringerte. In Portugal hingegen wurden von einem sehr niedrigen Ausgangsniveau Zuständigkeiten und eben auch Ressourcen an die Gemeinden übertragen. Insgesamt kam es auf den ersten Blick zu einer Angleichung der Verhältnisse. Allerdings muss bei dem Vergleich berücksichtigt werden, dass es in Portugal keine staatliche Ebene zwischen den Gemeinden und dem Gesamtstaat gibt. In nicht-föderalen Staaten ist der Anteil kommunaler Ausgaben normalerweise aber deutlich höher. Dies zeigt ein Blick auf den Durchschnittswert der EU 15, der durch die skandinavischen Einheitsstaaten mit starken Gemeinden etwa 2003 auf 23,6% angehoben wird. Im Ergebnis haben es die portugiesischen Gemeinden zwar geschafft, ihren Anteil an den Ausgaben staatlicher Akteure auszuweiten, der portugiesische Gesamtstaat behält aber für einen Einheitsstaat einen außergewöhnlich hohen Anteil der Ressourcen der eigenen Verwendung vor. Dies vor allem durch seine Zuständigkeiten in den kostenintensiven Bereichen Sozialwesen, höhere Schulbildung und Gesundheitswesen. Um die portugiesischen Gemeinden international als Akteure vergleichen zu können, interessiert nicht nur das Verhältnis zum Gesamtstaat, sondern auch zur Wirtschaftskraft des Landes. Tabelle 41 Ausgaben der Gemeinden in % des BIP und pro Kopf 200351 1 EU 15

Deutschland

Österreich

Portugal

in % des BIP

11,5

7,1

8,0

6,5

pro Kopf in e

2.800

1.840

2.221

804

50 http://europa.eu.int/comm/eurostat/newcronos/suite/retrieve/de/theme2/gov/02/ 2005. 51 http://europa.eu.int/comm/eurostat/newcronos/suite/retrieve/de/theme2/gov/02/ 2005.

182

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Die hohen Werte im EU Durchschnitt sind wiederum auf Staaten ohne regionale staatliche Akteure zurückzuführen, die ihren Gemeinden Zuständigkeiten übertragen, die in Deutschland oder Österreich Ländersache sind. In Portugal ist dies aber gerade nicht der Fall. Daher hat eine portugiesische Gemeinde in absoluten Zahlen pro Gemeindebürger nur 44% einer deutschen Gemeinde zur Verfügung. Die Höhe kommunaler Ausgaben muss man aber im Vergleich zu den Zuständigkeiten der Gemeinden sehen, die eben in Portugal geringer sind als in Deutschland. Ähnlich ist es beim Personal: 79% aller Beschäftigten bei öffentlichen Akteuren arbeiteten 1999 beim Gesamtstaat, 16% bei Gebietsgemeinden und Ortsgemeinden und die verbleibenden 5% bei den autonomen Inselregionen. Ein noch deutlicheres Bild ergibt sich bei Betrachtung der Ausbildung der Beschäftigten: Dem Gesamtstaat stehen 245.300 Akademiker (43% seiner Beschäftigten) zur Verfügung, den Gemeinden 10.200 (9% ihrer Beschäftigten). Engt man die Analyse jedoch auf die engeren Verwaltungsbereiche ein, indem man den gesamtstaatlichen Gesundheits- und Bildungssektor mit seinem hohen Personalstand und hohen Akademikeranteil völlig abzieht, ergibt sich ein weniger drastisches Bild. Das Verhältnis zwischen Gesamtstaat und Gemeinden in Bezug auf diese „Verwaltungsakademiker“ beträgt dann nur mehr 2 : 1. Anteilsmäßig bleiben die Gemeinden bei 9%, der Anteil beim Gesamtstaat sinkt jedoch auf 19%. Vor allem verdienen die Beschäftigten der Gemeinden deutlich weniger als diejenigen des Gesamtstaats. Im Jahr 1999 verdienten 85% unter 945 e Grundgehalt monatlich. Beim Gesamtstaat waren nur 42% in dieser niedrigen Gehaltsklasse.52 Auch im internationalen Vergleich waren die Gemeinden in Portugal Ende der 1990er-Jahre mit wenig Personal ausgestattet: Arbeiteten in Portugal 16% aller öffentlichen Beschäftigten bei den Gemeinden, so waren es in Österreich 27% und in Deutschland mit über 37% mehr als doppelt so viel, wobei der Anteil der Gemeinden in Ländern ohne regionale Ebene wie in Finnland oder Dänemark auf über 70% steigen kann.53

52 Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 5 u. 12 u. 19. 53 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 37.

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden

183

II. Einstellungen Bei den Einstellungen zwischen Gemeinden und gesamtstaatlichen Akteuren geht es nicht um die tatsächlich stattfindenden Interaktionen, sondern um die Interaktionsorientierungen der beteiligten Akteure. 1. Gesamtstaat zu Gemeinden Eine Interviewpartnerin aus der DGAL versicherte, dass die gegenseitige Grundeinstellung von größtem Respekt und Sachlichkeit geprägt sei.54 Auch eine leitende Mitarbeiterin einer CCDR schätzte die Einstellung der CCDR zu den Gemeinden als sachlich und auf gegenseitigem Vertrauen basierend ein. Natürlich sei der Präsident der CCDR politisch besetzt, aber die restlichen Beschäftigten verstünden sich als unpolitisch und behandelten die Gemeinden unabhängig davon, welche Partei dort die Mehrheit habe.55 Ein Beschäftigter der CCDR Algarve beschrieb für den Algarve ein positives Klima zwischen Gesamtstaat und Gemeinden, was die Arbeit aller erleichtere.56 Auch die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden sieht sich als glaubwürdiger Partner akzeptiert und in ihren Meinungsäußerungen ernst genommen.57 Die offiziell verkündete Einstellung gesamtstaatlicher Akteure ist von der weiteren Übertragung von Zuständigkeiten und Ressourcen auf die Gemeinden, guter Zusammenarbeit und der Wahrung von Sachlichkeit und politischer Neutralität geprägt. Insgesamt sehr gemeindefreundlich, was aber in der Praxis oft nicht umgesetzt wird. Dies bestätigt die Regierung selbst, wenn sie 2002 auf ihrer Homepage feststellt, dass es seit langem politischer Konsens sei, den Gemeinden mehr Zuständigkeiten und Ressourcen zu übertragen, dass aber bisher noch keine echte Annäherung der politischen Entscheidungen an die Bürger erfolgt sei.58 In vielen Bereichen sind die Gemeinden für den Gesamtstaat notwendige Partner, um Ziele zu erreichen. Im Programm der XV. Regierung heißt es z. B., dass die Gemeinden ein entscheidender Faktor seien, um die vorhandenen öffentlichen Ressourcen besser zu nutzen und bessere staatliche Dienstleistungen für die Bürger zu erzielen.59 Besonders nach der geschei54

Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. 56 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 57 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 58 http://www.governo.gov.pt/PortalDoGoverno/ProgramaDoGoverno/default_pn_ 000.htm 09/2002. 55

184

Kap. 2: Konstellation der Akteure

terten Regionalisierung erkannte der Gesamtstaat die Notwendigkeit, stärker mit den Gebietsgemeinden zusammenzuarbeiten.60 Mittlerweile sind die Gemeinden so starke Akteure, dass es auch für den Gesamtstaat wichtig ist, sie zu kennen und in Rechnung zu stellen.61 Das sieht auch der Präsident der Republik so, wenn er die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden als gleichwertigen Partner des Gesamtstaats im Nachdenken über die Modernisierung Portugals bezeichnet und eine intensive Verantwortungsteilung zwischen Gesamtstaat und Gemeinden einmahnt, von der beide gleichermaßen profitieren würden.62 Auch Vertreter der Gemeinden sehen sich in dieser Rolle, so der Präsident der Interessenvertretung der Ortsgemeinden, wenn er von den Gemeinden als erste Ansprechpartner für staatliche Entwicklungspolitik und für die Schaffung von Wohlstand durch effizientere staatliche Investitionen spricht.63 Allerdings wird in der Literatur auch kritisiert, dass es eine irrationale Vorstellung sei, dass die Gemeinden eine Aufgabe automatisch effizienter wahrnehmen als der Gesamtstaat, ohne dass dafür im Einzelfall Beweise geliefert werden.64 Trotz der gestiegenen Notwendigkeit der Kooperation werden die Gemeinden vielfach noch nicht als vollwertige Partner des Gesamtstaats behandelt.65 Der Präsident der Republik spricht von zentralistischen und unbeweglichen gesamtstaatlichen Akteuren,66 und der Staatsekretär für die Gemeinden ist sich bewusst, dass Portugal eines der zentralisiertesten Länder Europas ist.67 Die ANMP findet sogar, dass der Gesamtstaat die Gemeinden wie untergeordnete Dienststellen behandelt, und fordert Respekt und einen Dialog unter Gleichen.68 Als Grund für die schwierige Akzeptanz der Auto59 http://www.governo.gov.pt/PortalDoGoverno/ProgramaDoGoverno/default_pn_ 000.htm 09/2002. 60 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 44. 61 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 62 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 82 Juni 2000. 63 Rede des Präsidenten der (ANAFRE) am 16. Dezember 2002 (http://www. anafre.pt/anafre/anafre_informa/informa2002.html 07/2003. 64 Matos, António: A Educação e a Administração Local. Das Competências legais às competências reais [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 26–27, 2002] S. 26. 65 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 66 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 82 Juni 2000. 67 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 24.

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden

185

nomie der Gemeinden werden autoritäre Einstellungen aus der Zeit des Estado Novo vermutet. Richtig ist sicher, dass der politische Entscheidungsspielraum der Gemeinden für viele gesamtstaatliche Akteure schwer zu akzeptieren ist. Nachdem man der Meinung ist, dass in einer komplexen modernen Gesellschaft alles zusammenhängt, zieht man die Schlussfolgerung, dass alle Angelegenheiten letztlich auch und vor allem gesamtstaatliche seien.69 Verantwortungsteilung hieße aber auch Ressourcenteilung und Teilung der Erfolge auf politischer Ebene, wovon man noch weit entfernt ist. Hauptsorge des Gesamtstaates ist stattdessen, die Koordinierung der gesamtstaatlichen Akteure zu optimieren. An die Übertragung von Aufgaben auf die lokale oder regionale Ebene, damit sie dort koordiniert werden, wird noch zu selten gedacht. Zum Beispiel wird eine Verbesserung des städtischen Lebensraumes nicht etwa primär durch eine Verstärkung der Kompetenzen der städtischen Gemeinden erwartet, sondern durch die Zusammenlegung der Politikfelder Umwelt und Raumordnung in einem Ministerium.70 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden bemängelt, dass der Gesamtstaat den Gemeinden seit Jahrzehnten systematisch misstraut. Sie sieht dieses Misstrauen vor allem bei den leitenden Beschäftigten der gesamtstaatlichen Verwaltung und fordert von den gesamtstaatlichen Politikern öffentliche Vertrauensbekundungen, um die Einstellung ihrer Verwaltung zu ändern.71 Es stimmt wohl, dass der Gesamtstaat den Gemeinden in Bezug auf Fähigkeiten und Korruptionsanfälligkeit nicht viel zutraut. Dabei wird ihm vorgeworfen, er habe noch nicht begriffen, dass die Gemeinden heute ungleich mehr Fachpersonal und Fachwissen haben als früher.72 Derzeit verlässt er sich lieber auf sich selbst und bevorzugt eigene Dienststellen, statt mit den Gebietsgemeinden zu interagieren.

68

Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 24. 69 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 30 u. 33. 70 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 132. 71 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 3. 72 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003.

186

Kap. 2: Konstellation der Akteure

2. Gemeinden zu Gesamtstaat Einerseits ist den Gemeinden der Sachverstand des Gesamtstaats willkommen. Vorschläge von den CCDR werden ernst genommen, da man den Sachverstand und die Sinnhaftigkeit der überörtlichen Perspektive anerkennt.73 Außerdem erwarten die Gemeinden besonders in finanzieller Hinsicht ständig Hilfe vom Gesamtstaat. Andererseits lehnen die Gemeinden die bürokratische Organisationskultur des Gesamtstaats ab und werfen ihm veraltete Strukturen und große Funktionsprobleme vor.74 Selbst sieht man sich als schlanke und bürgernahe Verwaltungen.75 Außerdem beklagt man die mangelnden Ortskenntnisse des Gesamtstaats.76 Vor allem gewinnen die Gemeinden aus ihrer demokratischen Legitimation und den kommunalen Leistungen neues Selbstbewusstsein. Sie fühlen sich durch ihre politische Verantwortung, die Verwaltung großer Haushalte und ihren hohen persönlichen Einsatz gegenüber den Spitzenbeamten des Gesamtstaats ebenbürtig und sind nicht mehr wie früher bereit, sich unterzuordnen.77 Gegenüber den Mandatsträgern auf nationaler Ebene haben die Mandatsträger von Gebiets- und Ortsgemeinde („Autarcas“ von Autarquia Local) eine eigene Identität in Richtung „volksnahe Macher“ entwickelt. Sie sehen sich selbstbewusst als diejenigen öffentlichen Akteure, die außerhalb der Hauptstadt die Lebensbedingungen der Bürger verbessert haben.78 3. Politikfeld Umwelt Für das Politikfeld Umwelt wird das Zusammenwirken zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden in Art. 37 des UmweltrahmenG79 normiert. Innerhalb ihrer jeweiligen Kompetenzen sollen diese Akteure die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des Gesetzes miteinander abstimmen. Ein Verfahren dafür oder eine nähere Beschreibung dieser Abstimmung gibt es nicht. Insgesamt sah ein Vertreter der Umweltabteilung einer 73

Gomes, José: Interview am 1. August 2003. Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 75 Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. 76 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003.; Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 77 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 78 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 2. 79 Lei 11/1987 Lei de Bases do Ambiente, zitiert in 23 ff. 74

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden

187

CCDR wenig Konflikte mit den Gemeinden.80 Letztere fühlen aber den Vorwurf von gesamtstaatlicher Seite, sich nicht um die Umwelt zu kümmern und daher streng kontrolliert werden zu müssen. Dies halten sie für eine seit Jahren überholte Realität. Die Zeit, als die Gebietsgemeinden zu wenig Fachwissen hatten und viele Fehler begingen, sei längst vorbei. Heute sei es umgekehrt, wenn jemand in der Lage sei, die Umwelt zu schützen, dann die Akteure vor Ort, die kommunalen Mandatsträger und die Bürger.81 Die Gebietsgemeinden selbst halten sich generell in Umweltfragen wegen ihrer Problem- und Bürgernähe für besonders kompetent.82 Ein Beispiel für einen gesamtstaatlichen Akteur, der von seiner eigenen Problemsicht und seinen Reformvorschlägen für einen kommunale Aufgabenbereich überzeugt ist, aber gleichzeitig Respekt für kommunale Autonomie beteuert, ist das Umweltministerium im Bereich der Wasserwirtschaft: Für das Ministerium ist das Ziel in der Wasserwirtschaft eine Versorgung und Entsorgung auf europäischem Niveau. Den kommunalen Versorgungs- und Entsorgungsbetrieben fehlt seiner Meinung nach aber Know-how, Kapital und gutes Personal. Auch die Tarifgestaltung funktioniert nicht. Der ganze Sektor soll mehr nach unternehmerischen Gesichtspunkten ausgerichtet werden. Die Lösung dafür sind Versorgungsbetriebe, die mehrere Gebietsgemeinden umfassen, was das Ministerium durch finanzielle und normative Steuerung zu erreichen sucht. Gleichzeitig beteuert das Ministerium aber, die Entscheidungsfreiheit der Gebietsgemeinden über die Zukunft der Wasserwirtschaft zu respektieren.83 Interessant ist auch der Umgang des Gesamtstaats mit dem Subsidiaritätsprinzip, auf das die EU in allen Politikbereichen Wert legt. In seinen Planungsunterlagen für den Umweltbereich widmet er diesem Thema zwar seine Aufmerksamkeit, allerdings scheint dies mit wenig innerer Überzeugung zu geschehen, da bei 178 großformatigen Textseiten das betreffende Kapitel lediglich sechseinhalb Zeilen umfasst. Zudem besteht es nur in einem formelhaften Bekenntnis zum Subsidiaritätsprinzip, ohne dieses irgendwie auf Portugal oder den Umweltbereich zu beziehen.84

80

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 82 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 75 Juli 1999. 83 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 37 ff. 84 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 82. 81

188

Kap. 2: Konstellation der Akteure

4. Politikfeld Raumordnung Im Politikfeld Raumordnung gibt es einen natürlichen Konflikt zwischen den Gebietsgemeinden und den gesamtstaatlichen Akteuren. Letztere wollen die Interessen ihres Politikfeldes durchsetzen, Erstere haben ihr gesamtes Territorium im Blick.85 Ein Grundtenor des Raumordnungsrechts ist aber auch die Verpflichtung zu Kooperation und Interessenausgleich zwischen den staatlichen Akteuren.86 Die ANMP findet, dass über die großen Ziele in der Raumordnung Einigkeit zwischen den beteiligten staatlichen Akteuren herrscht. Allerdings werden im Detail verschiedene Interessen und unterschiedliche Auffassung über die Verfahren zur Erstellung der Pläne vertreten.87 Auch verschiedene politische Ausrichtungen können zu Konflikten führen.88 In der Literatur wird die Bedeutung des Politikfelds für beide Seiten betont: Als die Raumordnungsinstrumente begannen, ihre gesellschaftlichen Wirkungen zu entfalten, veränderten sie die Einstellung zwischen Gebietsgemeinde und Gesamtstaat. Beide empfanden diesen Bereich als sehr wichtig, für die eigene Machtausübung als unverzichtbar und wollten ihn daher dem jeweils anderen Akteur nicht überlassen. Misstrauen und gegenseitige Blockaden waren die Folge.89 In Bezug auf die Einstellung des Gesamtstaats zu den Gebietsgemeinden gilt nach Art. 5 lit. d RaumordnungsrahmenG ausdrücklich das Subsidiaritätsprinzip. Trotzdem nimmt der Gesamtstaat Portugal als einen einheitlichen Raum und damit als einen nationalen Verantwortungsbereich war. Das Umweltministerium spricht etwa in Bezug auf die Küste von Gebieten, die im Bereich der Raumordnung unter seiner Jurisdiktion stehen.90 Die ANMP 85 Lopes, Raul M. Gonçalves: Planeamento Municipal e Intervenção Autárquica no Desenvolvimento Local (Lisboa 1990) S. 57. 86 Oliveira, Fernanda Paula: Os princípios da nova lei do ordenamento do território. Da hierarquia à coordenação [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a. 3n .1, S. 21–36, 2000] S. 26. 87 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 85 Oktober 2000. 88 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 101. 89 Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] S. 191. 90 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 39.

B. Konstellation von Gesamtstaat und Gemeinden

189

findet, dass sich in diesem Politikfeld das Misstrauen des Gesamtstaats gegenüber den Gebietsgemeinden deutlich zeigt.91 Leitende Beschäftigte des Gesamtstaats vertreten auch offen die Meinung, dass dieses Misstrauen berechtigt sei.92 Der Leiter der DGOTDU betonte im Gegenteil, dass der Gesamtstaat die Gebietsgemeinden respektieren und von dem Grundprinzip ausgehen muss, dass die Raumordnungspläne korrekt vollzogen werden.93 Umgekehrt sehen die Gebietsgemeinden die Raumordnungspläne teilweise als unangenehme Einmischung des Gesamtstaats.94 Ein Beispiel sind die Spezialpläne des Gesamtstaates, welche Private direkt binden und bei deren Erstellung die Gebietsgemeinden nur ein Anhörungsrecht haben.95 Die ANMP führt diese direkten Eingriffe des Gesamtstaats auf dessen Misstrauen gegenüber den Gebietsgemeinden zurück.96 Außerdem wehrt sie sich gegen den Einfluss der CCDR auf die Erstellung der detaillierten punktuellen Bebauungspläne, wenn es bereits einen PDM für das ganze Gemeindegebiet gibt.97 Die sonstige Beteiligung des Gesamtstaates an den kommunalen Raumordnungsplänen sehen die Gebietsgemeinden als langwierig, bürokratisch und realitätsfern an.98 Gesetze wie das DL 380/1999 seien ein Beispiel dafür. Die knappen Verfahrensfristen und empfindlichen Sanktionen für kommunale Akteure und die fehlenden Fristen und Sanktionen für gesamtstaatliche Akteure zeigten außerdem nach Meinung der Interessenvertretung der 91 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 14. 92 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 93 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 94 Azevedo, Mário de: Problemas dos planos, hoje. Uma visão pragmática, S. 87–95 [in: Universidade Nova de Lisboa (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 92. 95 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 102. 96 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Anteprojecto de Proposta de Lei de Bases da Política de Ordenamento de Território e do Urbanismo. Lei 48/98, 1997) S. 4. 97 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Regime Jurídico dos Instrumentos de Gestão Territorial, DL 380/99 e ao Regime da urbanização e edificação e ao regime de verificação da qualidade e da responsabilidade civil nos projectos e nas obras de edificação, (1999) S. 2. 98 Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 913.

190

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Gebietsgemeinden die abschätzige Haltung des Gesamtstaats gegenüber den Gebietsgemeinden.99 Der Generaldirektor der DGOTDU sah das insgesamt positiver: Die gegenseitige Haltung hängt sehr vom jeweiligen Bürgermeister der jeweiligen CCDR – also von den konkreten Personen ab. Aber im Großen und Ganzen sehen die Gebietsgemeinden ein, dass jemand die Raumordnung für ein größeres Territorium koordinieren muss und es herrscht ein Klima der Zusammenarbeit.100

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten Der Rechnungshof, der für die Kontrolle aller staatlichen Akteure und Unternehmen mit erheblicher staatlicher Beteiligung zuständig ist, schätzt, dass diese beiden Gruppen zusammen 11.000 Akteure umfassen.101 Auch wenn die Abgrenzung der Gruppe der staatlichen Akteure in der folgenden Quelle im Detail differieren kann, erlaubt sie doch, die Position staatlicher Akteure gegenüber Privaten an Hand der Verteilung des BIP zwischen den beiden Gruppen abzuschätzen. Die Ausgaben staatlicher Akteure in Portugal ausgedrückt in % des BIP liegen zwar geringfügig unter dem Schnitt der EU-15, sie sind aber verglichen mit Ländern mit einer ähnlichen Wirtschaftskraft relativ hoch.102 Die Ausgaben pro Kopf in e betrugen allerdings nur 46,3% des EU-15 Schnitts. Zwar ist die Erbringung staatlicher Dienstleistungen in Portugal zu niedrigeren Kosten möglich als im EU-15 Raum, dennoch bedeutet dies im Ergebnis, dass die portugiesischen staatlichen Akteure deutlich geringere Ressourcen zur Verfügung haben, um ihre Aufgaben gegenüber den Bürgern zu erfüllen. Betrachtet man allerdings die Entwicklung der letzten Jahre, so ist wie für die Wirtschaftskraft insgesamt, eine langsame Angleichung der Verhältnisse festzustellen. Während der Anteil staatlicher Ausgaben am BIP in Deutschland und Österreich zwischen 1993 und 2003 zurückging, blieb er in Portugal im selben Zeitraum gleich. In e pro Kopf 99 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Regime Jurídico dos Instrumentos de Gestão Territorial, DL 380/99 e ao Regime da urbanização e edificação e ao regime de verificação da qualidade e da responsabilidade civil nos projectos e nas obras de edificação, (1999) S. 1 u. 3. 100 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 101 Tribunal de Contas de Portugal: Relatório de Actividades do Ano 2003. Versão resumida, (o. O. 2004) S. 4. 102 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 5.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

191

Tabelle 42 Ausgaben staatlicher Akteure in % des BIP und pro Kopf103 1 EU 15

Portugal

Deutschland

Österreich

1993



47,8

49,3

56,7

2003

48,5

47,8

48,8

50,8

1993



3.524

10.142

11.609

2003

11.856

5.943

12.587

14.134

in % des BIP

pro Kopf in e

ausgedrückt, erreichten die Ausgaben portugiesischer staatlicher Akteure 1993 lediglich 35% der deutschen Werte, 10 Jahre später waren sie auf 47% der deutschen Werte gestiegen.

I. Personalausgaben Der Anteil der Personalausgaben an den Ausgaben staatlicher Akteure ist 2002 in Portugal im OECD Vergleich mit 15% sehr hoch. Auffällig ist auch, dass die Gehälter von Beschäftigten staatlicher Akteure zwischen 1995 und 2001 schneller wuchsen als in der Privatwirtschaft. Beschäftigte portugiesischer staatlicher Akteure verdienen heute deutlich mehr als vergleichbare Beschäftigte von Privatunternehmen.104 2002 bis 2004 sanken die Personalausgaben der öffentlichen Akteure hingegen leicht. Der Anteil des Gesamtstaats sank von 84% auf 83%. In den Jahren 1995 bis 1999 hatte das jährliche Wachstum der Personalausgaben aller staatlichen Akteure hingegen 8,3% betragen. Der Anteil gesamtstaatlicher Akteure lag damals konstant bei 86%.105 Damit haben sich in neun Jahren die Personalausgaben staatlicher Akteure in absoluten Werten beinahe verdoppelt, was im krassen Gegensatz zu der Entwicklung in anderen europäischen Ländern steht. 103

http://europa.eu.int/comm/eurostat/newcronos/suite/retrieve/de/theme2/gov/ 02/2005. 104 Ibid. S. 6. 105 Ministério das Finanças (Hg.): Síntese Financeira das Contas do Estado. Ligação às Opções Estratégicas e Políticas. VII Legislatura 1995 – 1999 (Lissabon 1999) S. 30.

192

Kap. 2: Konstellation der Akteure Tabelle 43 Personalausgaben staatlicher Akteure in Portugal 2002–2004106

Ministerien direkt Autonome gesamtstaatl. Akteure Sozialversicherungen Gemeinden und Inselregionen Gesamt

1 in Mio. e

1 in %

jährliche Änderung in %

2004 in Mio. e

11.132

57

–1,6

11.065

5.406

27

2,1

5.198

458

2

10,5

523

2.698

14

0,9

2.772

19.694

100

0,0

19.557

Tabelle 44 Personalausgaben staatlicher Akteure 1995–2004107 Jahr

Personalausgaben staatlicher Akteure in Mio. e

Veränderung in % des Vorjahres

1995

10.955,5

1996

11.891,5

+9

1997

12.921,5

+9

1998

14.096,3

+9

1999

15.602,3

+11

2000

17.326,3

+11

2001

18.715,4

+8

2002

19.559,1

+5

2003

19.965,2

+2

2004

19.557,4

–2

106 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 47 f. 107 Ministério do Planeamento e da Administração do Território (Hg.): Portugal em nfflmeros. Situação sócio-económica (Lisboa 2001) S. 45; Ministério das Finanças (Hg.): Síntese Financeira das Contas do Estado. Ligação às Opções Estratégicas e Políticas. VII Legislatura 1995 – 1999 (Lissabon 1999) S. 30; Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 47 f.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

193

Die erste „Volkszählung“ aller Beschäftigten staatlicher Akteure fand in Portugal Ende der 1990er-Jahre statt, vorher gab es nur vage Schätzungen. Nach den jüngsten für das Jahr 2000 vorliegenden Ergebnissen arbeiteten damals 716.418 Personen bei staatlichen Akteuren.108 Die Ausweitung der Tätigkeit staatlicher Akteure in Portugal nach dem Umsturz von 1974 zeigt sich am späten, aber rasanten Anstieg des Anteils der öffentlichen Beschäftigten an den gesamten Beschäftigten: Lag dieser 1970 erst bei 8%, so stieg er bis 1995 auf 18,4%. Der Anteil der öffentlichen Beschäftigten entwickelte sich in Deutschland im gleichen Zeitraum von 11,2% auf 13,2%.109 Mitte der 1990er-Jahre hatte der portugiesische Gesamtstaat (ohne öffentliche Unternehmen) etwa gleich viele Beschäftigte wie die deutsche Bundesverwaltung erreicht.110 Die Erklärung ist, dass in Portugal Gliedstaaten oder regionale staatliche Akteure fehlen und auch die Gemeinden geringere Zuständigkeiten als in Deutschland haben, womit die öffentlichen Beschäftigten beim Gesamtstaat konzentriert sind. Trotzdem zeigt der Vergleich, dass der portugiesische Gesamtstaat in personeller Hinsicht auch international zu den großen Akteuren zählt. In Portugal setzte sich das Wachstum öffentlicher Beschäftigter auch seit Mitte der 1990er-Jahre fort: Zwischen 1995 und 2001 wuchs die Anzahl der Beschäftigten staatlicher Akteure jährlich um 3,3% und überstieg ab 2000 den OECD Schnitt. Besonders deutlich wird der hohe Anteil öffentlicher Beschäftigter, wenn man ihn in Relation zur Wirtschaftskraft des Landes setzt: Die Personalausgaben staatlicher Akteure im Verhältnis zum BIP sind in Portugal nämlich besonders hoch und waren mit 15% 2002 etwa doppelt so hoch wie in Deutschland. Etwa ein Drittel der portugiesischen Lohnsumme wird von staatlichen Akteuren gezahlt, in Deutschland waren es 2002 nur 14%.111 Ermöglicht wurde diese Ausweitung staatlicher Tätigkeit auch durch EU Gelder. Zwar werden damit direkt nur jene öffentlichen Beschäftigten ge108 Instituto de Gestão da Base de Dados dos Recursos Humanos da Administração Pfflblica (Hg.): A Administração Pfflblica em nfflmeros. 2º recenseamento geral da Administração Pfflblica. Síntese (o. O. 2001) S. 5. 109 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 38. 110 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Measuring Public employment in OECD Countries. Sources, Methods and Results (Paris 1997) S. 42 u. 75 (deutsche Bundesverwaltung 1995, 546.299 Beschäftigte; portugiesischer Gesamtstaat 1993, 536.552 Beschäftigte). 111 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 6 u. 15.

194

Kap. 2: Konstellation der Akteure

zahlt, welche die EU-Programme umsetzen, aber durch EU-Gelder frei werdende Ressourcen werden indirekt auch für höhere Personalausgaben genutzt. Interessant ist der Vergleich der Arbeitsproduktivität von staatlichen Akteuren und Unternehmen in Portugal. Mitte der 1990er-Jahre erreichten die staatlichen Akteure hier 89% der durchschnittlichen Arbeitsproduktivität im Land. In Frankreich oder Italien erreichten die staatlichen Akteure nur 73%. Dies ist mit der niedrigen Arbeitsproduktivität der portugiesischen Unternehmen zu erklären und zeigt, dass für portugiesische Verhältnisse die staatlichen Akteure relativ effizient arbeiten. Vergleicht man international die absoluten Zahlen, bestätigt sich diese Analyse: Die durchschnittliche Arbeitsproduktivität in der portugiesischen Privatwirtschaft liegt bei nur 32% der französischen, die portugiesischen staatlichen Akteure erreichen aber 40% der staatlichen Akteure Frankreichs.112 Die relativ hohe Produktivität staatlicher im Vergleich zu privaten Akteuren kann auch auf die gute Bezahlung im öffentlichen Dienst zurückzuführen sein. Während männliche Beschäftigte bei staatlichen Akteuren in Österreich 0,8% weniger verdienen als vergleichbare Beschäftigte bei Privatunternehmen, sind es in Portugal deutliche 37,6% mehr. Noch deutlicher, nämlich mit 64%, übertreffen weibliche Beschäftigte portugiesischer staatlicher Akteure ihre Kolleginnen in der Privatwirtschaft.113 Zusammenfassend kann man sagen, dass von einer niedrigen Ausgangsbasis am Ende des Estado Novo staatliche Akteure ab Mitte der 1970erJahre unter sozialistischen Vorzeichen einen personell umfangreichen Staatsapparat aufgebaut haben. Dieser Trend konnte sich ab Mitte der 1980er-Jahre mit Hilfe der EU-Mittel noch verstärken. Heute wird im Vergleich zur Wirtschaftskraft des Landes sehr viel für die öffentlichen Beschäftigten ausgegeben, ohne dass den staatlichen Akteuren auf den einzelnen Bürger bezogen vergleichbare finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen wie in wirtschaftlich höher entwickelten Ländern, was ein entsprechend niedrigeres Niveau öffentlicher Dienstleistungen bedingt.

112 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 39. 113 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 16.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

195

II. Einstellungen zwischen privaten und staatlichen Akteuren Die Quellenlage zur Einstellung der Bürger zu staatlichen Akteuren ist, wie bei einem psychischen und komplexen Phänomen nicht anders zu erwarten, schlecht und widersprüchlich. Dies zeigte sich auch in den getätigten Interviews. Es wurden unterschiedlichste Aspekte der Einstellungen angesprochen und widersprüchlich bewertet. Als Beispiel die Aussage einer leitenden Beschäftigten einer CCDR zu diesem Thema: Aus alter Tradition vertraut das Volk dem Staat nicht und redet nur schlecht über staatliche Akteure, was hinderlich bei Reformen ist. Man müsste den Leuten im Einzelnen konkret beweisen, dass es nicht so schlimm ist. Auch in den Rechtsstaat gibt es wenig Vertrauen. Hier spielt noch die historische Erfahrung des Estado Novo eine Rolle. Allerdings gibt es für das fehlende Vertrauen auch handfeste Gründe: Viele Normen werden nicht vollzogen und immer wieder werden Korruptionsfälle bekannt. Allerdings sind die Portugiesen auch sehr flexibel und akzeptieren neue Realitäten. Es ist beeindruckend, welch positiver Sinneswandel zu Gunsten staatlicher Akteure in den letzten Jahren schon erreicht wurde.114 Eine abschließende Beurteilung der Einstellungen zwischen privaten und staatlichen Akteuren müsste sich stärker auf quantitativ angelegte Umfragen stützen, aber auch ohne diese kann man die wesentlichen Tendenzen erkennen und einen Gesamteindruck erhalten, den man in fünf Thesen zusammenfassen kann: Erstens vertrauen die Bürger den staatlichen Akteuren wenig. Zweitens sind sie mit der Steuerung der Gesellschaft und der Serviceerbringung durch staatliche Akteure unzufrieden. Drittens halten sie Korruption für ein weit verbreitetes Phänomen. Viertens erwarten die Bürger nichts Besseres und der Staat ist ihnen insgesamt eher gleichgültig. Fünftens ist insgesamt die Einstellung der Bürger negativer als die realen Zustände. Anders als die Sozialwissenschaften nehmen die Bürger den Staat nicht als Hierarchie von Normen, als in sich geschlossenes System oder als komplexe Gruppe von interagierenden institutionellen Akteuren wahr. Sie sehen hingegen vor allem die für den Staat handelnden Personen. Damit stehen weniger Behörden oder Organe als vielmehr der momentane Organwalter oder die Mitarbeiter einer Behörde im Vordergrund. Das Organ Präsident und das Staatswesen, für das er handelt, treten z. B. hinter der Person des derzeitigen Präsidenten Jorge Sampaio zurück. Erklärungen kann man dafür in mehreren Phänomenen suchen, die ähnlich auch in anderen Ländern existieren, aber in Portugal in verstärktem 114

Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003.

196

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Maße vorkommen: Vor allem das Fernsehen ist auf Personen angewiesen, die man abbilden kann. Dadurch betont das von den Medien vermittelte Bild staatlicher Akteure die Organwalter gegenüber den Institutionen. Zudem ist die Repräsentation politischer Organwalter stark ausgeprägt (Staatskarossen mit Polizeieskorte, Polizisten vor den Privatwohnungen der Staatssekretäre, etc.) und macht so die handelnden Personen öffentlich sichtbarer. Auch das traditionelle Klientelsystem spielt eine Rolle. Politische Macht stützt sich in Portugal besonders stark auf persönliches Vertrauen und Gefolgschaft. Organwalter verhalten sich dementsprechend, bauen ein teilweise nach außen sichtbares Geflecht privater Beziehungen auf, sodass der Staat für die Bürger erkennbar als Beziehungssystem von Personen erscheint. Schwache Institutionen ohne gefestigte Traditionen, die häufig reformiert werden, werden auch nach außen sichtbar leicht von ihren Organwaltern dominiert. Zudem lassen die üblichen Vollzugsdefizite bei den Normen den einzelnen Organwaltern großen Spielraum. Interessant ist außerdem der Gegensatz zwischen der portugiesischen Nation als stark positiv besetztem Bezugspunkt kollektiver Identität und der Einstellung der Bürger zu den gesamtstaatlichen Akteuren, welche diese Nation repräsentieren und für sie handeln. Zwar sind überdurchschnittlich viele Portugiesen stolz auf ihre Nation,115 aber das Vertrauen in staatliche Akteure und die Zufriedenheit mit öffentlichen Dienstleistungen und dem Funktionieren der Demokratie liegen unter dem europäischen Schnitt. Das könnte ein logischer Gegensatz zwischen dem weit verbreiteten Geschichtsbild der historischen Größe der eigenen Nation und der ernüchternden Realität der heutigen Bedeutung Portugals sein. Ein anderer Erklärungsansatz wäre, dass schlechte Leistungen der staatlichen Akteure das ursprünglich vorhandene Vertrauen der Bürger in den Staat beeinträchtigt haben, nicht aber die abstraktere Identifikation mit der eigenen Nation. Das Ergebnis wäre ein emotional symbolisches Verhältnis zur eigenen Nation, ohne den staatlichen Akteuren die Vertretung eigener Interessen und Bedürfnisse zuzutrauen. Jedenfalls gelingt es in Portugal nicht, die starke Identifikation mit der eigenen Nation für eine positive Interaktionsorientierung gegenüber den staatlichen Akteuren zu nutzen. 1. Einstellungen zum Handeln staatlicher Akteure In Bezug auf die Einstellungen der Bürger zum Handeln staatlicher Akteure werden zwei Bereiche unterschieden. Erstens die grundsätzlichen Einstellungen zur politischen Steuerung der Gesellschaft durch staatliche Ak115 Comissão Europeia et al. (Hg.): Eurobarómetro 62. A Opinião Pfflblica na União Europeia. Outono 2004. Relatório Nacional Portugal (2004) S. 9 u. 11 f.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

197

teure und zweitens die Einstellungen zu konkreten Dienstleistungen, welche den einzelnen Bürgern gegenüber erbracht werden, wobei sich in Portugal zeigt, dass die Bürger erst dann Vertrauen in staatliche Akteure gewinnen, wenn beide Bereiche zufrieden stellend erfüllt werden. Ein Interviewpartner drückte dies so aus: Die Bürger haben wenig Vertrauen, weil sie einerseits für ihr Steuergeld zu wenig konkrete Gegenleistungen bekommen und andererseits die Entwicklung Portugals gegenüber anderen europäischen Ländern als schlecht einschätzen und die staatlichen Akteure dafür verantwortlich machen.116 Wenn staatliche Akteure grundsätzliche Dienstleistungen wie öffentliche Sicherheit nicht leisten können, schaffen auch strategische staatliche Entwicklungsprojekte kein Vertrauen. Dadurch ist es zu erklären, dass es trotz einer deutlichen Erhöhung der Steuerungsfähigkeit staatlicher Akteure in Portugal durch die EU-Mittel noch immer wenig Vertrauen in staatliche Akteure gibt. Umgekehrt führen selbst deutlich sichtbare Verbesserungen im Dienstleistungsbereich noch zu keinem Vertrauen der Bürger in staatliche Akteure, wenn sie ihnen nicht auch in strategisch-politischer Hinsicht vertrauen können. Dieser letzte Aspekt wurde auch in Interviews betont: Insgesamt ist die Haltung der Bürger den staatlichen Akteuren negativ. Hier stehen aber Korruptionsvorwürfe nicht im Mittelpunkt, auch weniger schlechte Serviceleistungen im persönlichen Bereich, da es hier viele Verbesserungen gegeben hat, wohl aber Unzufriedenheit mit der Rolle des Staates als Entwickler der Gesellschaft insgesamt. Der Staat wird in diesem Bereich als langsam und schwach angesehen.117 In Bezug auf die Einstellungen zur Steuerung der Gesellschaft durch staatliche Akteure ist in Portugal eine große Kontinuität zu beobachten. Nach jahrzehntelanger Dominanz staatlicher Akteure über die Gesellschaft bestand im Estado Novo bei den staatlichen Akteuren das Selbstbild, den Privaten in Bezug auf Fachwissen, Moral, die Repräsentation der portugiesischen Nation sowie Fortschrittlichkeit in Richtung der europäischen Moderne überlegen zu sein. Mit dem Umsturz 1974 setzte sich das Selbstbild staatlicher Akteure als planender Gestalter im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich unter sozialistischen Vorzeichen verstärkt fort. Dieses sozialistische Modell der Rolle staatlicher Akteure zerbrach aber relativ rasch am Gegenmodell der europäischen Einigung unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten.118 Ursächlich dafür war auch, dass durch den lan116

Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003. 118 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 93. 117

198

Kap. 2: Konstellation der Akteure

gen Bestand des Estado Novo bis Mitte der 1970er die europäische Perspektive nach dem Umsturz schon so konkret und der Sozialismus in Osteuropa schon so offensichtlich gescheitert war, dass Portugal eine längere und intensive sozialistische Phase erspart blieb. Jedenfalls kam es schon zehn Jahre später, Mitte der 1980er-Jahre, zum EU-Beitritt. Aber auch nach dem in der EU herrschenden Rollenverständnis staatlicher Akteure übernahmen die portugiesischen staatlichen Akteure die Rolle der aktiven Modernisierer und sollten die Gesellschaft an europäische Standards heranführen. Die EU verlangt von den portugiesischen staatlichen Akteuren ausdrücklich eine aktive Rolle zur Modernisierung der Gesellschaft, was durch den Vollzug von EU-Normen und Programmen und die Umsetzung von Investitionsprojekten mit EU-Mitteln durch staatliche Akteure erfolgen soll. Die EU kann gar nicht an der Grundannahme der erfolgreichen Steuerung der Gesellschaft durch staatliche Akteure zweifeln, ohne dadurch ihre eigenen Ressourcen und Zuständigkeiten in Frage zu stellen. So lauteten die im Dialog zwischen der EU und den staatlichen Akteuren in Portugal formulierten strategischen Aufgaben Letzterer Anfang der 1990er-Jahre: Wirtschaftswachstum, internationale Wettbewerbsfähigkeit portugiesischer Unternehmen, Vollbeschäftigung, Verbesserung der Ausbildung, Steigerung der Lebensqualität, Regionalentwicklung.119 Auch im Programm der XV. portugiesischen Regierung ist zehn Jahre später an zentraler Stelle davon die Rede, dass der Staat die wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben müsse, um eine gerechtere Gesellschaft zu schaffen und ein zivilisierteres Land. Dazu müsse das Vertrauen der Bürger in die Vorbild- und Führungsfunktion staatlicher Akteure wieder gewonnen werden.120 Die Argumente gegen eine starke Rolle staatlicher Akteure beruhen in Portugal auf den mageren Ergebnissen bei Übernahme dieser aktiven Rolle in der Vergangenheit: So bezweifelte im Interview jemand, der sowohl in der Kommission in Brüssel als auch in einer portugiesischen CCDR gearbeitet hatte an, dass die Regionalförderung im Zusammenspiel von EU und portugiesischen Akteuren erfolgreich und effizient ist.121 Auch die portugiesische Verwaltungsakademie sieht eine Überforderung des Staates in der Rolle des Motors der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung.122 Ähnlich sahen dies zwei leitende Verwaltungsbeamte im Interview: „Es ist Unsinn 119 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 87. 120 http://www.governo.gov.pt/PortalDoGoverno/ProgramaDoGoverno/default_pn_ 000.htm 09/2002. 121 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 122 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 38 f.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

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zu glauben, dass der Staat den Privaten vorangeht und überlegen ist. Er ist dazu nicht in der Lage, lediglich ein steuerndes Begleiten ist möglich.“123 bzw. „Von Seite staatlicher Akteure hört man oft, dass die Bürger ohne den Staat zu wenig aktiv sind. Dies ist aber auf die bisherige Bevormundung zurückzuführen. Sobald man den Leuten die Freiheit lässt, werden sie auch aktiv werden.“124 Die Regierung sieht neuerdings einen Zusammenhang zwischen einer Beschränkung staatlicher Aufgaben und einer erfolgreichen Steuerung der Gesellschaft: Nach einer Beschränkung auf die Kernaufgaben des Staates können die frei werdenden Ressourcen dazu verwendet werden, um einen entscheidenden Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit Portugals zu leisten.125 Bei modernen Themen wie Umweltschutz sehen sich die staatlichen Akteure aber immer noch als Vorreiter in der Gesellschaft und halten etwa Privatunternehmen für wenig sensibel in Umweltfragen.126 Umgekehrt zeigen Umfragen eher schwache Erwartungshaltungen der Bürger. Obwohl die Portugiesen sich bei einzelnen Umweltthemen besorgter zeigen als der europäische Schnitt,127 erwarten sie von staatlichen Akteuren weniger dringend Aktivitäten im Politikfeld Umwelt als durchschnittliche Europäer, da wirtschaftliche und soziale Themen für sie im Vordergrund stehen.128 Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2000 wurde gefragt, wer nach Meinung der Portugiesen an den Problemen im Abfallbereich Schuld habe. Ein Drittel gab an, das Verhalten der Bürger sei daran Schuld, weitere 20% sahen die meiste Schuld bei den Unternehmen, lediglich 15% sahen die Schuld bei den Gebietsgemeinden und ebenso viele bei fehlenden Plänen auf nationaler und kommunaler Ebene. Auch die Probleme im Wasserbereich führte nur eine kleine Minderheit auf die mangelnden Kontrollen durch staatliche Akteure zurück. Erst mit einer besseren Ausbildung und einem relativ hohen Wissensstand in Umweltfragen wird die Handlungsfähigkeit staatlicher Akteure deutlicher wahrgenommen und ihre Verantwortung stärker einge123

Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 125 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-36. 126 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 119. 127 European Commission et al. (Hg.): The attitudes of Europeans towards the environment. Eurobarometer 58 (Brussels 2002) S. 10. 128 Comissão Europeia et al. (Hg.): Eurobarómetro 62. A Opinião Pfflblica na União Europeia. Outono 2004. Relatório Nacional Portugal (2004) S. 47. 124

200

Kap. 2: Konstellation der Akteure

fordert.129 Innerhalb staatlicher Maßnahmen zu deren Erfolgsaussichten gefragt, wird deutlich, dass 41% der Befragten Veränderungen an der normativen Steuerung für sinnvoll erachten. Dies würde auf grundsätzliches Vertrauen in die normative Steuerung hindeuten, nur sollte diese eben anders erfolgen als bisher. Tabelle 45 Einstellung zu Maßnahmen des Gesamtstaats im Politikfeld Umwelt 2000130 Maßnahmen des Gesamtstaats

Anteil der Befragten, die eine Maßnahme bevorzugen in %

Information und Aufklärung der Bürger

23

Erstellung strengerer Normen für Unternehmen

15

Strengere Kontrollen bestehender Normen

15

Strengere Strafen für Normverletzungen

11

Verbot umweltschädlicher Produkte

10

Subventionen umweltfreundlicher Unternehmen

8

Förderung neuer Technologien

6

Subvention kommunaler Umweltprojekte

6

Keine Angaben

6

Gesamt

100

Verlässt man die Ebene der strategischen Steuerung der Gesellschaft und blickt auf die konkrete Erbringung staatlicher Dienstleistungen, so sind die Portugiesen auch hier mit den staatlichen Akteuren nur eingeschränkt zufrieden. Nach einer Umfrage aus dem Jahr 2001 hatten 48,3% der Portugiesen eine positive Meinung von den Dienstleistungen staatlicher Akteure, eine sehr positive Meinung allerdings nur 0.9%. Die andere Hälfte der Be129 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 125 u. 129. 130 Almeida, João Ferreira de et al. (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente (Oeiras 2000) S. 225.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

201

völkerung hatte eine negative Meinung, wobei der Anteil derjenigen mit einer sehr negativen Meinung bei 6,8% lag.131 Der Verbesserung der Erbringung von Dienstleistungen durch staatliche Akteure widmen diese im normativen Bereich deutliche Aufmerksamkeit. Dies beginnt auf Ebene der Verfassung. Art. 267 CRP legt als Ziele die Serviceorientierung ebenso fest wie die Vermeidung von Formalismen. Auch Art. 3 Abs. 8 Lei 4/2004 definiert als ein Organisationsprinzip der unmittelbaren Staatsverwaltung, dass die Erbringung von Dienstleistungen sich an den Interessen der Bürger orientieren muss. Noch stärker ins Detail geht der Verhaltenskodex für öffentliche Beschäftigte, wenn er Qualität der Dienstleistungen, Höflichkeit, Schnelligkeit und die rasche Weitergabe von Informationen fordert. Nach Meinung der portugiesischen Verwaltungsakademie hat sich auch schon mehr Serviceorientierung gegenüber den Bürgern durchgesetzt. Ein Beispiel dafür sind die „Lojas do Cidadão“ (Bürgerläden), Einkaufszentren vergleichbare Ansammlungen öffentlicher Dienstleister unter einem Dach.132 Ein Interviewpartner sah die Verantwortung vor allem bei der mittleren Führungsebene der Verwaltung: Diese soll den übrigen öffentlichen Beschäftigten eine andere Einstellung zu den Bürgern vermitteln. Letztere werden nämlich noch immer teilweise schlecht bedient, obwohl eine Reihe von Verwaltungsreformen der letzten Jahre auf eine Verbesserung der Dienstleistungen abzielte.133 Allerdings sind durch höhere Einkommen, mehr Bildung und die Demokratisierung die Ansprüche der Bürger an die Serviceleistungen staatlicher Akteure deutlich gestiegen.134 Je mehr Bürgerkontakt eine Dienststelle hat, desto größer ist der Reformdruck auf die Verwaltung. Mit erfolgreichen Reformen bei der Serviceerbringung steigen wiederum die Ansprüche der Bürger. Die Bürger sind mittlerweile sehr anspruchsvoll und logischerweise nur an der Lösung ihrer eigenen Probleme interessiert. Im Ergebnis sind die Serviceleistungen einzelner staatlicher Akteure noch sehr unterschiedlich. Allerdings sehen die 131 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica et al. (Hg.): A imagem dos Serviços Pfflblicos em Portugal 2001. Relatório final (Lisboa 2002) S. 17. 132 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 36 f. 133 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 134 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 10.

202

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Bürger auch, dass im Zuge von Privatisierungen ehemals staatliche Leistungen manchmal teurer und schlechter erbracht werden.135 2. Einstellungen zu politischer Beteiligung und Bürgerbeteiligung Zu betonen ist in diesem Bereich die späte Etablierung von Demokratie und Rechtsstaat in Portugal Mitte bis Ende der 1970er-Jahre: Der Wechsel von dem autoritären Estado Novo über das ideologische Faustrecht der Revolutionsjahre zu einer Demokratie nach westlichem Vorbild ist ein Wandel, der nicht bei allen Portugiesen und staatlichen Akteuren schnell und problemlos vor sich gegangen ist. 70% der Portugiesen gaben in den 1990er-Jahren an, dass Politik für sie uninteressant ist.136 Im Jahr 2004 waren nur 39% der Portugiesen mit dem Funktionieren der Demokratie im eigenen Land zufrieden, 57% aber unzufrieden. Im europäischen Schnitt war die Verteilung annähernd umgekehrt. Gründe dafür sind in der schlechten wirtschaftlichen Lage des Landes und den häufigen Regierungswechseln zu sehen.137 Nach Meinung des Umweltministeriums ist es gerade in einer Demokratie unerlässlich, dass die Bürger ausreichend Informationen bekommen, nur so können sie sich eine politische Meinung bilden und rationale Wahlentscheidungen treffen.138 Der neue Umweltminister beklagte 2004 nach seiner Amtsübernahme die Passivität in politischen Angelegenheiten und die Gleichgültigkeit in wesentlichen Fragen in der Bevölkerung. Es gebe eine gefährliche Grundstimmung, dass sowieso alles so bleibt, wie es ist.139 Nichtbeteiligung an Wahlen und Unzufriedenheit mit den staatlichen Akteuren haben in Portugal in den letzten Jahren zugenommen.140 Viele sind enttäuscht von der Demokratie, aber gleichzeitig wird die Abwahl von Politikern als wichtiges Korrektiv geschätzt.141 135

Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 70. 137 Comissão Europeia et al. (Hg.): Eurobarómetro 62. A Opinião Pfflblica na União Europeia. Outono 2004. Relatório Nacional Portugal (2004) S. 14. 138 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 28. 139 http://www.portugaldiario.iol.pt/noticias/noticia.php?id=446704 11/2004. 140 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 11. 141 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 136

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

203

Als Ergänzung zur politischen Beteiligung in Wahlen findet in portugiesischen Normtexten die Bürgerbeteiligung hohe Aufmerksamkeit: Beispiele sind etwa Art. 267 CRP, eine Reihe von Gesetzesdekrete, welche staatliche Akteure einrichten und ihre Ziele und Handlungsweisen festlegen oder Materiengesetze. Auch in Tätigkeitsberichten nehmen staatliche Akteure wie das Wasserinstitut (INAG) eine positive Haltung zur Bürgerbeteiligung ein: Die Bürger sollten besser informiert werden, sie sollten die Möglichkeit bekommen, sich Gehör zu verschaffen, sie sollten Verantwortung übernehmen und an der Verwaltung teilnehmen. Auch wenn sie sich für wenig informiert halten, haben die Bürger eine Reihe von wertvollen lokalen Kenntnissen über die Umwelt. Sie merken Farb- und Geschmacksveränderungen im Fließ- oder Trinkwasser, sie bemerken Verschmutzungen der Landschaft. Diese Informationen will das INAG nützen, um eine bessere Information staatlicher Akteure zu erreichen.142 Aus Sicht des Umweltministeriums liegt im Umweltbereich eine geteilte Verantwortung zwischen der öffentlichen Verwaltung, den Bürgern und Unternehmen vor. Einerseits soll die Verantwortungsteilung zwischen diesen Akteuren in Zukunft forciert werden, andererseits die privaten Akteure durch positive Anreize und Strafen zur Einhaltung der staatlichen Normen gebracht werden. Im generellen Anwachsen des Umweltbewusstseins sieht das Umweltministerium eine Zukunftschance und spricht vom Ziel einer strategischen Partnerschaft mit privaten und gesellschaftlichen Akteuren für eine ökologische Modernisierung.143 Noch Anfang der 1990er-Jahre sahen die staatlichen Akteure im Politikfeld Umwelt die Privaten als Gegner.144 Dies ist heute sicher nicht mehr der Fall. Viele staatliche Akteure wünschen sich aktivere Bürger, die stärker in gesellschaftlichen Akteuren organisiert sind und damit als Partner für die staatlichen Akteure zur Verfügung stehen. Wenn dies aber geschehen ist und Private andere Interessen als staatliche Akteure vertreten, fehlt bei vielen staatlichen Akteuren eine Kultur der Offenheit gegenüber den Bürgern.145 Ein Beispiel ist, dass der Staat bis 2006 alle streng geschützten Na142 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.4 u. Capitulo IV, 3.7. 143 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 26 u. 119. 144 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 14. 145 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003.

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Kap. 2: Konstellation der Akteure

turschutzgebiete in sein Eigentum bringen will, womit eine Kooperation mit privaten Grundeigentümern hinfällig wird. Als einen Unterfall der Bürgerbeteiligung könnte man die Kooperation zwischen staatlichen Akteuren und Unternehmen ansehen. Die Einstellung staatlicher Akteure zur Kooperation mit Unternehmen ist sehr positiv. Grund dafür ist, dass die Unternehmen das Fachwissen, das Kapital und die Managementfähigkeiten besitzen, um die Aufgabenerfüllung staatlicher Akteure zu ermöglichen oder zu beschleunigen. Zur Anpassung unternehmerischer Aktivitäten an die Ziele des Umweltschutzes will das Umweltministerium in Zukunft stärker auf vertragliche Formen der Zusammenarbeit zurückgreifen.146 Auch der Vollzug von EU-Programmen soll nach Meinung des Planungsministeriums, wo immer möglich, in Zusammenarbeit zwischen öffentlichen und privaten Akteuren erfolgen.147 Gleichzeitig soll eine stärkere Beteiligung von Unternehmen an öffentlichen Investitionen, den Einsatz von EUMitteln reduzieren.148 Laut dem Regierungsprogramm von 2004 soll die öffentliche Abfallentsorgung durch verstärkte Beteiligung von Privatunternehmen restrukturiert werden.149 Dasselbe gilt für die Wasserwirtschaft.150 Die Unternehmen wünschen ebenfalls, in diesen Bereichen stärker tätig zu werden, machen aber staatliche Akteure für Verzögerungen verantwortlich: Das Interesse der staatlichen Akteure, Ressourcen und Einfluss zu behalten, sowie die paternalistische Einstellung staatlicher Akteure verhinderten ihrer Meinung nach bisher eine stärkere Kooperation.151

146 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 28 u. 34 u. 159. 147 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Portugal 2000–2006 (Lisboa 1999) II-89. 148 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 167. 149 Conselho dos Ministros: Programa do XVI Governo Constitucional. Capítulo 6. Ambiente e ordenamento do território [in: www.governo.gov.pt, 2004]. 150 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.2. 151 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 73.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

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3. Einstellungen zu Korruption Der Präsident der Interessenvertretung der Ortsgemeinden fasste seine Meinung über die Einstellung der Bürger zur Korruption folgendermaßen zusammen: Es ist typisch für Portugal, dass die Leute neidisch sind und es die verbreitete Meinung gibt, dass alle Politiker korrupt sind. Teils ist es nur Gerede, teils echte Überzeugung, auch wenn die Realität viel harmloser ist.152 Ein langjähriger Bürgermeister einer Gebietsgemeinde beschrieb im Interview das Entstehen der herrschenden Einstellung der Bürger zur Korruption folgendermaßen: Die Mehrheit der Bevölkerung denkt, dass große Teile der staatlichen Verwaltung korrupt sind. Das ist nicht nur ein kulturelles Phänomen, sondern hat einen realen Hintergrund. Es werden nämlich heute Unregelmäßigkeiten von Politikern durch die Medien öffentlich bekannt gemacht, was auch im Sinne der Transparenz zu begrüßen ist. Aber diese Informationen werden auch für politische Zwecke ausgeschlachtet. Außerdem berichten die Medien von kleineren Unregelmäßigkeiten, die im öffentlichen Interesse begangen werden, als stünde persönliche Bereicherung dahinter. Das Hauptproblem ist, dass die Bürger dadurch das Vertrauen in die staatlichen Akteure und das Interesse am Gemeinwohl insgesamt verlieren.153 Die Portugiesen sind auch der Meinung, dass es in anderen EU-Ländern weniger Betrug mit EU-Mitteln gibt als in Portugal.154 Ein Problem mit der allgemein verbreiteten Idee korrupter staatlicher Akteure besteht darin, dass eigene negative Erfahrungen mit Korruption das negative Gesamturteil verstärken, dieses aber durch positive persönliche Erfahrung kaum zu korrigieren ist: „Nur weil meine Erledigung problemlos geklappt hat, heißt das nicht, dass nicht viele andere Bestechungsgelder zahlen müssen.“ Der einzige Vorteil der allgemeinen Überzeugung korrupter staatlicher Akteure ist, dass der Druck steigt, solche Vergehen zu ahnden.155 Einen Widerspruch zur allgemein verbreiteten Meinung über die Einstellungen der Portugiesen zur Korruption stellt eine Umfrage aus dem Jahr 2000 dar. In ihr reihten die Befragten „Korruption und Unfähigkeit der Politiker“ aus 17 Besorgnis erregenden Themen auf den viertletzten Platz mit einem Wert unter 5%. Die Spitzenwerte der für die Befragten wirklich beunruhigenden Themen lagen bei 30–40%.156 Das Thema Korruption beun152

Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 154 European Commission et al. (Hg.): Attitudes Related to defrauding the European Union and its Budget. Public Opinion in the Member States. (Brussels 2004) S. 47. 155 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 153

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Kap. 2: Konstellation der Akteure

ruhigt die Bürger also nicht wirklich. Womöglich auch deshalb, weil die Idee korrupter Politiker selbstverständlich ist und niemanden mehr aufregt. 4. Vertrauen und Respekt zwischen privaten und staatlichen Akteuren Neben der Bereitschaft zu politischer Beteiligung und Bürgerbeteiligung ist Vertrauen in die Gemeinwohlorientierung und die Leistungsfähigkeit staatlicher Akteure der zentrale Aspekt der Einstellung der Bürger zum Staat. Das starke Vertrauen in staatliche Akteure in fast allen westlichen Demokratien erodierte ab den 1970er-Jahren drastisch. Gerade mit Erreichung eines hohen wirtschaftlichen Niveaus fand ein Wertewandel hin zu mehr Individualität statt. Ein wohl ausgebauter Sozialstaat führte weniger zu Zufriedenheit mit staatlichen Akteuren, als vielmehr zu einer Erhöhung des Anspruchsniveaus.157 Auch wenn in Portugal der Sozialstaat und ein höheres wirtschaftliches Niveau erst sehr viel später in den 1990er-Jahren erreicht wurden, fand der Wertewandel zu mehr Individualität wohl schon in den 1980er-Jahren statt. Dazu kommt noch, dass viele Portugiesen die Leistungsfähigkeit staatlicher Akteure sowohl bei der strategischen Steuerung des Landes als auch bei alltäglichen Dienstleistungen als niedrig einschätzen. Es verwundert daher nicht, dass es im Programm der XV. Regierung heißt: „Wir erleben einen gefährlichen Niedergang des Vertrauens in [staatliche] Institutionen und eine Schwächung der demokratischen Autorität des Staates.“158 Eine neutrale Einstellung der Bürger hätte in dieser Umfrage bei 2,5 gelegen, hohe Vertrauenswerte zwischen 2,5 und 4. Alle Akteure blieben aber im Schnitt der Befragten unter diesen Werten. Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Portugiesen sowohl Unternehmen als auch gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren wenig bis sehr wenig vertrauen. Erstaunlich ist auch das unterdurchschnittliche Vertrauen in die Gerichtsbarkeit. Das Vertrauen in die Institutionen der EU ist in Portugal hingegen mit 63% sehr hoch und liegt damit an dritter Stelle aller europäischen Staaten und deutlich über dem EU-25 Schnitt von 50%. Bei den jüngeren und 156

Almeida, João Ferreira de et al. (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente (Oeiras 2000) S. 218. 157 Klages, Helmut: Vertrauen und Vertrauensverlust in westlichen Demokratien, S. 43–60 [in: Haungs, Peter (Hg.): Politik ohne Vertrauen?, (Baden-Baden 1990)] S. 43 f. 158 http://www.governo.gov.pt/PortalDoGoverno/ProgramaDoGoverno/default_pn_ 000.htm 09/2002.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

207

Tabelle 46 Vertrauen der Bürger in verschiedene Akteure 2001159 Akteur

Vertrauenswert160

Schnitt

2,02

Streitkräfte

2,36

Medien

2,34

Banken

2,17

Freie Berufe

2,13

Verwaltung

2,11

Arbeitgeber

2,08

Gerichte

1,98

Gewerkschaften

1,95

Großunternehmen

1,89

Versicherungen

1,88

Nationalversammlung

1,86

Politische Parteien

1,49

besser gebildeten Portugiesen klettern diese Werte auf über 75%.161 Interessant ist, dass die Portugiesen im Gegensatz zu vielen anderen EU-Bürgern der EU im Schnitt mehr trauen, als den eigenen staatlichen Akteuren. Gefragt, welchen staatlichen Akteuren sie am ehesten die Bekämpfung von Betrug bei EU-Mitteln zutrauen würden, fallen die Antworten von Portugiesen und anderen EU-Bürgern unterschiedlich aus. Während nur rund 4% der Deutschen oder Österreicher dies am ehesten der EU selbst zutrauen, liegt dieser Wert in Portugal bei 15%.162 159 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica et al. (Hg.): A imagem dos Serviços Pfflblicos em Portugal 2001. Relatório final (Lisboa 2002) S. 47. 160 Der Vertrauenswert ergibt sich aus der Schnitt folgender Antworten: vertraue sehr wenig = 1, vertraue wenig = 2, vertraue viel = 3, vertraue sehr viel = 4. 161 Comissão Europeia et al. (Hg.): Eurobarómetro 62. A Opinião Pfflblica na União Europeia. Outono 2004. Relatório Nacional Portugal (2004) S. 12. 162 European Commission et al. (Hg.): Attitudes Related to defrauding the European Union and its Budget. Public Opinion in the Member States. (Brussels 2004) S. 38.

208

Kap. 2: Konstellation der Akteure

Fünf Ursachen für den Verlust von Vertrauen und Respekt der Bürger in staatliche Akteure kann man im Falle Portugals anführen: Erstens gibt es historische Gründe. Die Solidarität der Bürger untereinander gegen staatliche Akteure entstammt noch der Zeit des autoritären Estado Novo, wo Zusammenarbeit mit dem Staat für viele Denunziation war. Während des Estado Novo fürchteten alle die staatlichen Akteure, dieser Respekt ging mit der Revolution verloren und bisher hat man zu keinem neuen geordneten Verhältnis gefunden.163 Besonders die Erfahrung des Umsturzes von 1974 beeinflusst die Einstellung der Bürger zum Staat: Den Niedergang und schließlich den Zusammenbruch staatlicher Akteure durch militärischen und zivilen Ungehorsam sowie ein längeres Aussetzen auch der formellen Rechtsstaatlichkeit. Zudem werden diese Ereignisse bis heute in der Öffentlichkeit stark positiv bewertet. Die Schlussfolgerung daraus ist tendenziell, dass man durch massenhaften Ungehorsam oder wilde Proteste seine Forderungen durchsetzen kann. Der zwangsweise Vollzug von Normen wird hingegen in die Nähe der autoritären Methoden des Estado Novo gerückt. Zweitens gibt es große Vollzugsdefizite bei Plänen und Normen und damit Widersprüche zwischen Aussagen und Handlungen der staatlichen Akteure. Überschwänglichen Formulierungen der Normen sowie detaillierten Planungen folgen keine Taten, die staatlichen Akteure halten sich selbst nicht an die Normen und angekündigte Sanktionen werden nicht vollzogen. So werden Strafmandate für Falschparken von den Bürgern häufig einfach weggeworfen, in den Wochen vor den Wahlen ohne Rechtsgrundlage von den staatlichen Akteuren generell nicht vollzogen. Drittens sind die Bürger mit den Ergebnissen staatlichen Handelns unzufrieden. Ihrer Meinung nach versagen die staatlichen Akteure in der strategischen Steuerung des Landes relativ zu anderen europäischen Staaten. Außerdem werden staatliche Grundfunktionen wie öffentliche Sicherheit oder Bildung nur mangelhaft erfüllt und staatliche Akteure bieten im Anlassfall mangelhaften Service. In der Meinung, dass Korruption weit verbreitet ist, sehen Portugiesen viertens in den Organwaltern die Vertreter von privaten und nicht von öffentlichen Interessen. Auch das Klientelsystem trägt dazu bei, staatliche Akteure als Vertreter bestimmter Parteiinteressen und nicht des Gemeinwohls zu sehen. Fünftens führen Zentralismus und die Bürgerferne des Gesamtstaats zu Vertrauensverlust. Traditionell gab es kaum einen persönlichen Kontakt zwischen Entscheidungsträgern staatlicher Akteure und Bürgern.164 163

Saldanha Sanches, José Luís: Interview am 16. August 2003. Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 29. 164

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

209

Auch eine durchschnittliche Ortsgemeinde hatte kaum jemals Kontakt zu einem Ministerium. Wie stark sich das Fehlen staatlicher Akteure auf regionaler Ebene und die Zentralisierung innerhalb des Gesamtstaats auf den direkten Kontakt zwischen Bürger und Gesamtstaat auswirkt, zeigt sich an der Notwendigkeit der Distriktsgouverneure: Die wichtigste Funktion des Gouverneurs ist es, Anliegen der Bürger an die Regierung heranzutragen und umgekehrt die Regierung im Distrikt zu repräsentieren. Eine Freiwillige Feuerwehr benötigt z. B. Unterstützung und interveniert über den Gouverneur beim zuständigen Minister.165 Als Folgen des Verlusts von Vertrauen und Respekt wird die Steuerung des Handelns Privater über Normen und Pläne schwieriger. Ohne Respekt vor den staatlichen Akteuren werden Normen nur dann befolgt, wenn die Sanktion unmittelbar droht. Diesen Sanktionsdruck können die portugiesischen staatlichen Akteure aber nicht aufrecht erhalten. Die Vollzugsdefizite werden größer, die Einstellung der Bürger zu den staatlichen Akteuren verschlechtert sich weiter. Zweitens gibt es weniger freiwillige Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren, weniger aktive Bürgerbeteiligung, weniger politische Beteiligung. Die Leute sind nicht mehr an der Entwicklung ihrer Gebietsgemeinde, ihres Landes interessiert, gehen nicht mehr zur Wahl, weil sie denken, der ganze Staat ist korrupt und unfähig, gleich welche Partei an der Macht ist.166 Drittens schwindet die Gemeinwohlorientierung der Bürger, da sie dessen Repräsentanten, den staatlichen Akteuren, nicht mehr trauen. Die Bürger sind weniger bereit, Veränderungen mit zu tragen, die staatliche Akteure fordern, weil sie kein Vertrauen in die Gemeinwohlorientierung und die Professionalität staatlicher Akteure haben. Gerade für strategische Reformen muss der Einzelne aber im Interesse des Gemeinwohls mittelfristige Nachteile in Kauf nehmen, um langfristig davon zu profitieren. Dafür fehlt aber das Vertrauen. Als Folge des Verlusts von Vertrauen und Respekt reagieren die staatlichen Akteure mit symbolischer Politik, betonen ihre Würde und ihre hehren Ziele deutlicher. Die Planungen werden umfangreicher und kühner, die Normen geschraubter und realitätsferner. Gleichzeitig werden vor allem Projekte in Angriff genommen, welche die Handlungsfähigkeit der staatlichen Akteure für die Bürger unter Beweis stellen sollen: Errichtung sichtbarer Infrastruktur statt politisch schwer vermittelbarem Strukturwandel. Im Politikfeld Raumordnung strukturieren Pläne nicht nur das Verfahren zur Entscheidungsfindung, sondern sind vor allem Selbstbindungen der Ak165 166

Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003. Gomes, José: Interview am 1. August 2003.

210

Kap. 2: Konstellation der Akteure

teure an einen einmal gefundenen Kompromiss und stellen damit vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den Akteuren dar. Klare Pläne, die auch vollzogen werden, schaffen Vertrauen und Rechtssicherheit zwischen den staatlichen Akteuren und zwischen diesen und den Bürgern. Dieses Ziel haben die Akteure im Politikfeld Raumordnung in Portugal in mehrfacher Hinsicht noch nicht erreicht: In der Bevölkerung existiert wenig Respekt für die Raumordnungspläne.167 Über lange Jahre waren private Akteure gewohnt, Bauten illegal zu errichten. Die lockere Einstellung des Staates gegenüber den illegal errichteten Bauten von Privaten hat dieses Phänomen gefördert.168 Bei vielen älteren Raumordnungsplänen ist sogar unklar, welche Teile noch in Geltung stehen.169 Nach Meinung der GEOTA, einer auf Raumordnung spezialisierten Interessenvereinigung, führt dieses Vollzugsdefizit zu einem Vertrauensverlust in die staatlichen Akteure insgesamt.170 Schließlich ist es zu einer feindlichen Interaktionsorientierung zwischen Grundeigentümer und Staat gekommen, die einerseits aus den Interessengegensätzen, aber auch aus willkürlichen Entscheidungen staatlicher Akteure resultiert. Ein Autor spricht von einer Geschichte des Misstrauens in den vergangenen Jahrzehnten, die von Phasen der Reformeuphorie unterbrochen wird.171 Ein weiterer Faktor, der Vertrauen und Respekt untergräbt, ist die Bevorzugung von Einzelfallentscheidungen mit großem Ermessensspielraum durch staatliche Akteure, die ihr Handeln gegenüber den Privaten nicht durch Normen binden wollen. Dadurch entsteht von Seiten der Privaten kein Vertrauen in die Entscheidungen staatlicher Akteure. Selbst die Fachleute der Gebietsgemeinden vertrauen dem Vollzug ihrer eigenen Pläne nicht, weil sie wissen, dass die Ressourcen oder der politische Wille fehlen.172 167 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 136. 168 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 24 f. 169 Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] S. 198. 170 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 171 Azevedo, Mário de: Problemas dos planos, hoje. Uma visão pragmática, S. 87–95 [in: Universidade Nova de Lisboa (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 87. 172 Sá, Manuel Fernandes de: Planos Operativos de Escala Intermédia. Caracterização Técnica e Arquitectónica [in: Sociedade e Território, 33, S. 46–56, 2002] S. 54.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

211

Durch die zurzeit laufende Reform der regionalen Raumordnungspläne (PROT) soll zwischen den staatlichen und privaten Akteuren in einer Region ein Klima des Vertrauens in Bezug auf die Entscheidungen anderer Akteure und die zukünftige Entwicklung geschaffen werden.173 Auch die Tatsache, dass nunmehr in allen Gebietsgemeinden Flächenwidmungspläne vorhanden sind, führt dazu, dass die Beziehungen zwischen Gebietsgemeinde und Bürger klarer und berechenbarer werden.174 Zusammenfassend kann man sagen, dass das Raumordnungssystem bisher wenig Vertrauen zwischen Bürger und Staat schuf. Verursacht wurde dies durch juristische Mängel der Pläne und Planungsverfahren, die Bevorzugung von Einzelfallentscheidungen durch staatliche Akteure und die für alle beteiligten Akteure offensichtlichen Vollzugsdefizite. Allerdings entwickelt sich die Situation langsam zum Besseren. Für das Politikfeld Umwelt zeigte eine europaweite Umfrage 2002, dass die Vertrauenswerte zu verschiedenen Akteuren in Umweltfragen in Portugal insgesamt unter dem europäischen Schnitt lagen.175 Bei einer nationalen Umfrage aus dem Jahr 2000 vertrauten die Portugiesen bei Informationen über die Umwelt vor allem Bekannten und den Umweltschutzorganisationen, gefolgt von den Medien und der Wissenschaft (65–75% Vertrauen). Unter den staatlichen Akteuren führte das Umweltministerium mit 60% deutlich. Es folgten die Gemeinden, die EU und die nationale Regierung mit Werten über 40%. Geringes Vertrauen bestand in die Aussagen politischer Parteien und der Unternehmen mit Werten unter 30%.176 Ähnliche Ergebnisse bringt die Frage nach dem Vertrauen in die Fähigkeiten bestimmter Akteure, nationale Umweltprobleme zu lösen. Man kann die Vertrauenslage dahingehend zusammenfassen, dass die Bürger erstens stärker privaten und gesellschaftlichen als staatlichen Akteuren vertrauen, zweitens trauen im Umweltbereich fast doppelt so viele Bürger dem Gesamtstaat Problemlösungen zu wie den Gemeinden. 173 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 98. 174 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 136. 175 European Commission et al. (Hg.): The attitudes of Europeans towards the environment. Eurobarometer 58 (Brussels 2002) S. 27. 176 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 132.

212

Kap. 2: Konstellation der Akteure Tabelle 47 Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit von Akteuren in Umweltfragen 2000177 Akteure

% der Befragten mit Vertrauen

Umweltschutzorganisationen

31

Nationale Regierung

28

Bürger

16

Gemeinden

15

Unternehmen

9

Schulen

7

Medien

6

5. Einstellungen zwischen privaten und kommunalen Akteuren Insgesamt haben 70% der Bürger aber Vertrauen in die Gemeinden. Dieser Wert wird nur noch vom Präsidenten der Republik übertroffen.178 Eine Beschäftigte in der Interessenvertretung der Ortsgemeinden erklärte das folgendermaßen: Die Einstellungen gegenüber der eigenen Orts- oder Gebietsgemeinde ist eher durch persönliche Erfahrung geprägt und im Schnitt besser als gegenüber sonstigen staatlichen Akteuren, zu denen weniger oder kein direkter Kontakt besteht. Die Gemeinden haben den Vorteil, dass sie unmittelbarere Probleme der Bürger sichtbar lösen, deshalb entwickelt sich hier auch eher Vertrauen. Die Einstellung der Bürger ist gegenüber den Gemeinden also insgesamt positiver als gegenüber dem Zentralstaat, bei dem ein größerer Reformbedarf verortet wird.179 Allerdings hat sich auch das Anspruchsniveau der Bürger gegenüber den Gemeinden deutlich erhöht. Anfangs ging es um die Schaffung der einfachsten Infrastruktur. Mittlerweile aber um Qualität im Service, um Freizeiteinrichtungen und lokale Lebensqualität.180 Die Interessenvertretung der 177

Almeida, João Ferreira de et al. (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente (Oeiras 2000) S. 224. 178 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 92 Mai 2001. 179 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003.

C. Konstellation von staatlichen Akteuren und Privaten

213

Gebietsgemeinden beklagt eine spezielle Form des Vertrauensverlusts. Durch die jahrelangen Diskussionen um Kompetenzübertragungen an die Gebietsgemeinden ist bei den Bürgern der falsche Eindruck entstanden, dass die Gebietsgemeinden schon für bestimmte Politikfelder verantwortlich sind. Sie sehen dann aber, dass diese Probleme nicht gelöst werden und machen die Gebietsgemeinden dafür verantwortlich, obwohl in Wahrheit noch immer der Gesamtstaat zuständig ist und die Gebietsgemeinden gar nicht handeln dürfen.181 Auch bei Umweltthemen erhalten die Gemeinden schlechte Vertrauenswerte. Im EU Vergleich geringe 20% halten sie für die am besten geeigneten Akteure für die Lösung von Umweltproblemen.182 Außerdem existiert gleichzeitig seit Jahrzehnten ein großes Misstrauen gegenüber kommunalen Mandatsträgern, das eine Zeitung Mitte der 1990erJahre so zusammenfasste: Es herrscht die verbreitete Vorstellung, dass die politische Ebene der Gebietsgemeinden unfähig und von Korruption und „Kazikentum“ geprägt ist.183 Die größere Bürgernähe der Gebietsgemeinden im Vergleich zu den gesamtstaatlichen Akteuren gilt in noch stärkerem Maß für die Ortsgemeinden. Der Präsident der Interessenvertretung der Ortsgemeinden sagte im Interview: Wenn Bürger ein Problem haben, kommen sie zur Ortsgemeinde, weil es leichter ist, einen gewählten Vertreter auf dieser Ebene zu erreichen und sie sich hier am ehesten eine Lösung ihrer Probleme erhoffen.184 Der Bürgermeister einer Ortsgemeinde hatte und hat vor allem in ländlichen und abgelegenen Gebieten eine wichtige soziale Stellung.185 Die Ortsgemeinden sind hier Pole des sozialen Zusammenhalts,186 tief in der Gesellschaft verankert,187 und konnten in der Vergangenheit die Bürger sogar zu ehrenamtlicher Tätigkeit für öffentliche Zwecke motivieren.188 Es ist wohl 180 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 92 Mai 2001. 181 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 182 European Commission et al. (Hg.): The attitudes of Europeans towards the environment. Eurobarometer 58 (Brussels 2002) S. 29. 183 Comissão para a Qualidade e Racionalização da Administração Pfflblica: Autarquias locais. Notas de reflexão sobre a Dimensão dos Municípios, as Funções e a Liderança Política Local, (Lisboa 1993) S. 10. 184 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 185 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. 186 Rede des Präsidenten der (ANAFRE) am 16. Dezember 2002, http://www. anafre.pt/anafre/anafre_informa/informa2002.html 07/2003. 187 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 188 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 97.

214

Kap. 2: Konstellation der Akteure

richtig, dass die Ortsgemeinden den Bürgern räumlich am nächsten und ihre Organwalter den Bürgern persönlich bekannt sind, weshalb sie diesen staatlichen Akteuren auch eher vertrauen, aber die allermeisten und wichtigsten Entscheidungen für die Bürger werden nicht von den Ortsgemeinden getroffen, sondern eher von den Gebietsgemeinden und vor allem von spezialisierten Akteuren des Gesamtstaats.

D. Konstellation von EU und portugiesischen Akteuren I. Ressourcen Bei einer Oberfläche von 92.000 km2 hatte Portugal im Jahre 2005 10,6 Millionen Einwohner. Das BIP erreichte im selben Jahr rund 135 Mrd. e. Pro Kopf sind das 50,4% des EU-15 Schnitts. Der Anteil der Bevölkerung Portugals an derjenigen des EU-15 Raums liegt 2005 bei 2,8%. Der portugiesische Anteil am BIP ist mit 1,4% noch geringer. Beide Werte verringern sich in Relation zum EU-25 Raum zusätzlich. Damit spielt Portugal für die Gesamtentwicklung Europas, sei es in positiver oder negativer Hinsicht, nur eine geringe Rolle. Tabelle 48 Größenvergleich zwischen Portugal und den EU-Mitgliedsstaaten in Bezug auf Fläche, Bevölkerung und BIP189 Portugal

in % EU-15

in % EU-25

92.000 km2

2,9

2,3

Bevölkerung 2005

10,6 Mio.

2,8

2,3

BIP geschätzt 2005

135 Mrd. e

1,4

1,3

12.736 e

50,4

57,2

Fläche

BIP/Kopf geschätzt 2005

Allerdings entfielen im Jahr 2003 von den denjenigen EU-Ausgaben, welche einzelnen Mitgliedsstaaten zugerechnet werden können, 5,3% auf Portugal.190 Ob dieser erhebliche Anteil der EU-Mittel in Portugal strate189 http://europa.eu.int/comm/eurostat/newcronos/reference/display.do?screen= welcomeref&open=/economy/nation/aggs/aux_ind&language=de&product=EU_eco nomy_finance&root=EU_economy_finance&scrollto=259 03/2005. 190 Europäische Kommission (Hg.): Aufteilung der operativen EU-Ausgaben 2003 nach Mitgliedstaaten (2004) S. 15 u. 95.

D. Konstellation von EU und portugiesischen Akteuren

215

gisch sinnvoll eingesetzt wird, ist also eine Frage von gesamteuropäischem Interesse, zumal die in Portugal in den letzten Jahren angewandte Strukturund Kohäsionspolitik in den Grundzügen auch auf das östliche Mitteleuropa übertragen werden soll. In Portugal selbst spielen die seit rund zwanzig Jahren ins Land fließenden EU-Mittel naturgemäß eine entscheidende Rolle und liegen im Schnitt der letzten Jahre bei 2,4% des BIP. Die folgende Tabelle soll diese Bedeutung der EU-Mittel für die portugiesische Volkswirtschaft verdeutlichen. Es sind deshalb EU-Netto-Zahlungen dargestellt, das heißt von den ins Land fließenden EU-Mitteln wurden die portugiesischen EU-Beiträge wieder abgezogen. Tabelle 49 EU-Netto-Zahlungen an Portugal 1997–2003191 Jahr

in % des portugiesischen BIP

Mio. e

Abweichung vom Schnitt 97–03 in %

1997

2,9

2.717

+1,5

1998

3,1

3.019

+12,8

1999

2,7

2.858

+6,8

2000

2,0

2.169

–18,9

2001

1,5

1.794

–33,0

2002

2,1

2.694

+0,7

2003

2,7

3.482

+30,1

jährlicher Schnitt

2,4

2.676

0

Die Einbrüche 2000 und 2001 sind darauf zurückzuführen, dass ein EUFinanzrahmen 1999 auslief und einige Projektgelder noch im folgenden Jahr 2000 ausgezahlt wurden. Neue Projekte des Finanzrahmens 2000–2006 aber wurden für 2001 nicht schnell genug eingereicht und genehmigt. Solche Schwankungen sind auch in anderen Mitgliedsstaaten vorgekommen und zeigen, wie stark es bei der komplexen finanziellen Steuerung der EU auf die Leistungsfähigkeit aller beteiligten staatlichen Akteure ankommt. Zwischen 1994 und 1999 flossen die EU-Mittel vor allem in den Infrastrukturbereich. So verdoppelten sich etwa die Anzahl der Autobahnkilometer. Veränderungen im Bereich von Innovation und Forschung waren ge191

Ibid. S. 104.

216

Kap. 2: Konstellation der Akteure

ringer.192 Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 konzentriert sich weniger auf Infrastrukturmaßnahmen und mehr auf die Förderung von Ausbildung und Produktivitätssteigerung.193 Seine Mittel sollen in diesem Zeitraum etwa 20% der gesamten Investitionen darstellen, das BIP um 2,1% erhöhen und jährlich 13.500 Arbeitsplätze (+1,6% der Beschäftigten) schaffen. Die EU-Mittel wirken sich besonders auf die Investitionskraft portugiesischer staatlicher Akteure aus, da sie von diesen verwaltet und zu einem großen Teil von ihnen selbst investiert werden. Die Investitionen staatlicher Akteure im Verhältnis zum BIP lagen in Portugal seit Anfang der 1990er deutlich über dem EU-Schnitt.194 Im Falle des Gesamtstaats betrug 2004 der Anteil der EU-Mittel an seinem offiziellen Investitionsprogramm (PIDDAC) 44,5%. Die folgende Tabelle zeigt die unterschiedliche Intensität der Investitionsförderung nach Politikfeldern. Tabelle 50 Anteil von EU-Mittel am gesamtstaatlichen Investitionsprogramm (PIDDAC) einzelner Ministerien 2004195 < 30%

30–50%

50–70%

> 70%

Finanzen

Raumordnung/Umwelt

Landwirtschaft

Wirtschaft

Soziales

Verteidigung

Gesundheit

Äußeres

Schulwesen

Inneres

Wissenschaft

Justiz

Infrastruktur

Stärker vergemeinschaftete Politikfelder werden tendenziell stärker mit EU-Mitteln gefördert, die beiden näher untersuchten Politikfelder Umwelt und Raumordnung liegen im mittleren Bereich. 192 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 10. 193 Cristovam, Maria Luisa: Unions react to the Community Support Framework 2000–2006 [in: European industrial relations observatory on-line, 1999]. 194 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 7 u. 10. 195 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) III-6.

D. Konstellation von EU und portugiesischen Akteuren

217

Da mit den EU-Förderungen zwar große Infrastrukturprojekte errichtet werden, deren laufender Betrieb und Erhalt aber von portugiesischen Akteuren finanziert werden muss, kommen in Zukunft große finanzielle Probleme auf diese zu, beispielsweise im Bereich der Infrastruktur für die Wasserund Abfallwirtschaft werden diese über Gebührenerhöhungen gelöst werden müssen.196

II. Einstellungen portugiesischer Akteure zur Europäischen Union In der Zeit nach dem ersten Weltkrieg sahen sich die Portugiesen durchaus als Europäer und auch die Regierung nahm aktiv an den damaligen europäischen Einigungsbestrebungen teil. Die 1930er-Jahre überstand Portugal wirtschaftlich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut und konnte sich dank der Neutralitätspolitik des Estado Novo aus dem Zweiten Weltkrieg weitgehend heraushalten. Am Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg nahm es allerdings nur in geringem Maße teil und fiel wirtschaftlich immer weiter zurück. In den 1960er-Jahren kam es zu einer massiven Auswanderung von einem Fünftel der Bevölkerung in europäische Länder und nach Amerika. In dieser Zeit wandte sich der autoritäre Estado Novo von den Demokratien Westeuropas ab und dem eigenen Kolonialreich zu. Die europäische Einigung wurde für undurchführbar und nicht wünschenswert erklärt. Die Bevölkerung teilte diese Einschätzung weitgehend und glaubte an die eigene atlantische und koloniale Berufung. In seinen letzten Jahren näherte sich der Estado Novo der EU wirtschaftlich an. Nach seinem Ende Mitte der 1970er-Jahre wurde ein EU-Beitritt rasch als Ausweg aus politischer Instabilität und wirtschaftlichem Niedergang ausgemacht und ein Beitrittsantrag gestellt. Sicherung der Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung, nicht Begeisterung für die europäische Einheit waren die Beweggründe für diese Entwicklung.197 Man könnte sagen, die staatlichen Akteure betrieben den Beitritt, um durch die Mitgliedschaft von der EU dazu gezwungen zu werden, die Probleme des eigenen Landes anzupacken.198 Nach zwanzig Jahren Mitgliedschaft und drei EU-Rahmenprogrammen hat sich die proble196

Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 38. 197 Silva, António Martins da: Portugal e a Ideia Federal Europeia. Da Repfflblica ao Fim do Estado Novo, S. 69–100 [in: Ribeiro, Maria Manuela Tavares et al. (Hg.): Portugal e a Construção Europeia, (Coimbra 2003)] S. 97 f.; Porto, Manuel: O Sonho da Convergência Real, S. 235–260 [in: Ribeiro, Maria Manuela Tavares et al. (Hg.): Portugal e a Construção Europeia, (Coimbra 2003)] S. 235; The Economist Intelligence Unit (Hg.): Country Profile. 2001. Portugal (o. O. 2001) S. 3. 198 Lopes, António Simões: Desenvolvimento Regional. Problemática, Teoria, Modelos (Lisboa 1987) S. 387.

218

Kap. 2: Konstellation der Akteure

matische Einstellung breit gemacht, dass die EU-Mittel für immer zur Verfügung stehen werden und dass diese Mittel nicht notwendigerweise sinnvoll eingesetzt werden müssen, weil sie ja von der EU stammen.199 Leitende Beschäftigte staatlicher Akteure erwähnten im Interview folgende negative Seiten der EU-Mitgliedschaft: Verlust an Selbstbestimmung durch finanzielle Abhängigkeiten und den übermächtigen Binnenmarkt, ohne Aussicht auf Veränderung Teil der abhängigen Peripherie und nicht des dominierenden Zentrums von Europa zu sein, Angst vor der Osterweiterung, weil diese Länder EU-Mittel wegnehmen und Portugal überholen werden. Wenn Portugiesen bei einer Reise die Pyrenäen überqueren, sprechen sie davon, „nach Europa“ zu fahren. Man sieht also die Iberische Halbinsel und Portugal als etwas von Europa Verschiedenes. Ein Interviewpartner brachte es so auf den Punkt: Objektiv ist die Ähnlichkeit der Portugiesen mit den Deutschen größer als mit den Brasilianern, aber subjektiv spielen die Geschichte und die ehemaligen Kolonien noch eine große Rolle.200 Gleichzeitig ist es das große Ziel portugiesischer Akteure, sich wirtschaftlich und kulturell europäischen Verhältnissen anzunähern, denn der Erfolg der europäischen Moderne wird einstimmig bejaht. Die Mitgliedschaft in der EU ist dabei die Bestätigung, zu Europa und damit zu den entwickelten Nationen zu gehören. Ein starkes Nationalbewusstsein wie es in deutschsprachigen Ländern für das 19. Jh. typisch war, ist weit verbreitet. Die Portugiesen haben also ein positiv-pragmatisches Verhältnis zur EU. Die materiellen Vorteile für Portugal, die historische Notwendigkeit der Mitgliedschaft und die großen Veränderungen für jeden Einzelnen durch die EU sind offensichtlich, weshalb die EU sowohl gefühlsmäßig als auch rational bejaht wird: 60% der Portugiesen hatten 2004 eine positive Einstellung zur EU, wobei der Schnitt in Europa bei 50% liegt. Auch die Überzeugung, dass das eigene Land von der EU profitiert, liegt in Portugal bei 68%, während dies im EU-Schnitt nur 53% der Bürger glauben.201 Diese Werte lassen aber nur bedingte Rückschlüsse auf eine Bejahung der europäischen Einigung an sich zu. Die Vision einer politischen Union findet nur ganz vereinzelt Anhänger.202 199 Constancio, Maria José et al.: Dependência Financeira Externa. Fundos Estruturais, S. 13–21 [in: INA, Instituto Nacional de Administração (Hg.): As Conferências do Marquês. 2º ciclo. A Administração Pfflblica e os desafios de um futuro próximo, (Oeiras 1999)] S. 26. 200 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 201 Comissão Europeia et al. (Hg.): Eurobarómetro 62. A Opinião Pfflblica na União Europeia. Outono 2004. Relatório Nacional Portugal (2004) S. 3 ff. u. 29. 202 Silva, António Martins da: Portugal e a Ideia Federal Europeia. Da Repfflblica ao Fim do Estado Novo, S. 69–100 [in: Ribeiro, Maria Manuela Tavares et al. (Hg.): Portugal e a Construção Europeia, (Coimbra 2003)] S. 97 f.

Kapitel 3

Politikfelder Umwelt und Raumordnung Um den sachlichen Hintergrund für die Analyse der Interaktionen zu liefern, wird nach der Analyse der Akteure und ihrer Konstellationen in den Kapiteln 1 und 2 im folgenden Kapitel 3 die Entwicklung der Politikfelder Umwelt und Raumordnung dargelegt. Dass in einer modernen Industriegesellschaft enge Zusammenhänge zwischen verschiedenen Politikfeldern bestehen, ist selbstverständlich. Trotzdem sind Umwelt und Raumordnung Querschnittsbereiche, die besonders enge Bezüge zu anderen Politikfeldern und untereinander aufweisen. Dies wird in Portugal besonders betont und drückt sich materiell und institutionell deutlich aus.1 Die Integration der beiden Politikfelder wird sowohl in Art. 66 CRP als auch als allgemeines Prinzip in Art. 3 Umweltrahmengesetz gefordert. Auch das Raumordnungsrahmengesetz betont kontinuierlich die Berücksichtigung von Umweltschutzkriterien bei der Erstellung von Raumordnungsplänen. Ein intensiver, derzeit aktueller Berührungspunkt zwischen Umweltschutz und Raumordnung ist der Naturschutz, da bestimmte Gebiete dafür reserviert und ihre Flächennutzung angepasst werden müssen. Bis 2006 sollen für alle Naturschutzgebiete Flächenwidmungspläne aufgestellt werden.2 Auch die Umweltverträglichkeitsprüfung aller größeren Infrastrukturprojekte und der Raumordnungspläne hat sich für die Integration der beiden Politikfelder als wichtig erwiesen, ebenso die Zusammenlegung beider Politikfelder in einem Ministerium 1999 und auf regionaler Ebene 2003 mit Umgestaltung der CCDR. Im Allgemeinen ist man aber der Auffassung, dass die Integration von Umweltgesichtspunkten in die Raumordnung bisher nicht wirklich gelungen ist.3 Eine Spannung besteht etwa zwischen den gesamtstaatlichen Politikfeld- und Spezialplänen im Umweltschutzbereich und den dadurch geschmälerten Raumordnungskompetenzen der Gebietsgemeinden.4 Insgesamt 1

Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 25. 2 Ibid. S. 34. 3 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 105.

220

Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

wird in den Raumordnungsinstrumenten im städtischen Bereich noch zu wenig Wert auf Umweltgesichtspunkte gelegt.5

A. Einführung in das Politikfeld Umwelt I. Historische Entwicklung Schon im Estado Novo beschäftigten sich gesamtstaatliche Akteure mit dem Umweltschutz. Als erste staatliche Institution im Umweltschutzbereich wurde 1971die Nationale Umweltkommission (Comissão Nacional do Ambiente) gegründet. Im Folgejahr nahm Portugal an der betreffenden UNKonferenz in Stockholm teil. In der Folge wurde ein erstes Umweltschutzgesetz in die Nationalversammlung eingebracht.6 Nach dem Umsturz von 1974 wurde im Folgejahr ein Staatssekretariat für Umweltfragen eingerichtet. Auch die Verfassung von 1976 nahm in Art. 66 CRP auf dieses Politikfeld Bezug. Im Jahr 1984 wurde mit DL 100/1984 das erste Mal die Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden in Umweltfragen geregelt. Die Gebietsgemeinden wurden demnach für Trinkwasserversorgung sowie Abwasser- und Abfallentsorgung zuständig. Der Rückstand in Umweltfragen traf Mitte der 1980er-Jahre auf die intensive Wirtschaftsentwicklung in Folge des EU-Beitritts, die zusätzliche Umweltprobleme schuf.7 Daher wurden 1987 das UmweltschutzorganisationenG (Lei 11/1987) und das UmweltrahmenG (Lei 10/1987) verabschiedet.8 Letzteres regelte erstmals in diesem Politikfeld die jeweiligen Ziele und Maßnahmen, die zuständigen Institutionen, die Rechte der Bürger und Strafbestimmungen. Im Jahr 1990 wurde ein eigenes Umweltministerium gegründet, das, bald mit anderen Politikfeldern verbunden, seine Strukturen in den letzten Jahren häufig geändert hat.9 4 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 16. 5 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 117. 6 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 149. 7 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 21. 8 http://www.iambiente.pt/pls/ia/doc?id=5251&p_acc=0&plingua=1&pmenu_id= 5209 08/2003. 9 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 19.

A. Einführung in das Politikfeld Umwelt

221

In der portugiesischen Umweltpolitik gab es bisher drei Phasen, die erste bestand in Aufbau der Infrastruktur zur Wasser- und Abfallentsorgung, die zweite bestand in einer ganzheitlicheren Herangehensweise durch Wiederverwertung, Beteiligung von Bürgern und gesellschaftlichen Akteuren an Umweltproblemen. In der letzten Phase ging es um Nachhaltigkeit und die Veränderung von Lebensgewohnheiten. Die politische und wirtschaftliche Geschichte Portugals hat nun verhindert, dass die erste Phase wie in anderen Teilen Europas schon in den 1970er-Jahren abgeschlossen werden konnte. Erst die EU-Mittel ab Mitte der 1980er-Jahre haben hier eine Veränderung gebracht.10 Auch der Ministerrat stellte Mitte der 1990er-Jahre fest, dass Portugal gleichzeitig die Umweltprobleme der Nachkriegszeit lösen und die aktuellen Problemstellungen weiter entwickelter Mitgliedsländer der EU bearbeiten müsse.11 Ein traditionelles Element im portugiesischen Verständnis des Politikfelds Umweltschutz ist, dass man es in einem Naheverhältnis zum Denkmal- und Kulturgüterschutz sieht. Sowohl in der Verfassung als auch im UmweltrahmenG werden diese Bereiche in einem Atemzug genannt. Auch laut UmweltschutzorganisationenG gelten für gesellschaftliche Akteure in diesen Bereichen dieselben Regeln. Auch die Bürger mussten diese Entwicklung mitmachen. Befragungen Mitte der 1980er und 1990er-Jahre zeigen eine späte, aber stetige Anpassung der Einstellungen von Portugiesen zu Umweltthemen an westeuropäische Verhältnisse. Anfangs beschäftigte die Portugiesen sehr viel stärker die Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität durch Probleme wie herumliegender Abfall. Nach der Verbesserung dieser Problembereiche und der Aufklärung in Umweltfragen standen ab Mitte der 1990er wie im restlichen Europa Sorgen um die globale Entwicklung im Vordergrund.12 Heute wird Umweltschutz als Querschnittsmaterie angesehen, die eng mit anderen Politikbereichen verbunden ist. Zum Ausdruck kommt dies durch Instrumente wie der Umweltverträglichkeitsprüfung, die auf unterschiedlichste Projekte Anwendung findet, sogar auf Raumordnungspläne. Insgesamt kam es zu einer späten Entwicklung des Politikfelds unter ausländischem Einfluss, der z. B. im sehr stark auf internationalen Verträgen und dem EU-Recht beruhenden Natur- und Artenschutz deutlich sichtbar wird. Die rasche Übernahme langjähriger ausländischer Entwicklungen im Rahmen der EU-Mitgliedschaft führte auch zu einem Modernisierungsschub. Es ist ein erklärtes Ziel des Umweltministeriums, den Umweltschutz 10 Correia, José Macário: O Papel das Autarquias na Política do Ambiente [in: Estudos Autárquicos, Ano II, n.3, 2. Semestre, S. 25–31, 1994] S. 26. 11 Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/1995. 12 Conselho dos Ministros (Hg.): Plano Nacional da Política de Ambiente. Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/95 (1995) Anexo II.

222

Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

in die allgemeine Entwicklungspolitik des Landes zu integrieren und deren Nachhaltigkeit sicher zu stellen.13 Trotzdem blieb Umweltschutz immer ein Stück weit politischer Luxus angesichts des zentralen Ziels, wirtschaftlich zu anderen EU-Staaten aufzuschließen. Dafür werden auch hohe Vollzugsdefizite im Umweltbereich in Kauf genommen.

II. Heutige Sachprobleme Insgesamt ist die Umweltverschmutzung in Portugal pro Kopf niedriger als im EU-Schnitt, was auf die geringere Wirtschaftsleistung zurückzuführen ist. Es gelang aber in den 1990er-Jahren nicht, die starke Steigerung der Wirtschaftsleistung von der Steigerung der Umweltverschmutzung abzukoppeln.14 Aus dem UmweltrahmenG ergeben sich folgende Problembereiche des Politikfelds Umweltschutz: Luftreinhaltung, Lärmvermeidung, Abfall- und Abwasserbeseitigung, Umgang mit Chemikalien und Radioaktivität, Artenschutz und Naturschutzgebiete, Umweltverträglichkeitsprüfung, Genehmigung von Industrieanlagen, Risiken durch großtechnische Anlagen, Umweltinformation der Bürger. Die Tabelle 51 zeigt, dass die staatlichen Akteure 67% ihrer Ausgaben in die Infrastruktur der Abfall- und Abwasserwirtschaft investieren. Diese Schwerpunkte bleiben bis zum Ende des EU-Rahmenprogramms 2000–2006 erhalten. Die Konzentration auf große Investitionsprojekte in die Infrastruktur erklärt sich einerseits durch die großen Sachprobleme, andererseits dadurch, dass große Bauprojekte leichter vom Gesamtstaat umgesetzt und von der EU kontrolliert werden können.15 Die unrealistischen Ziele des EU-Rahmenprogramms 1994–1999 waren 1999 teilweise bei weitem nicht erreicht und wurden bis 2006 nochmals aufgestellt. Besonders deutlich war dies im Abwasserbereich. Für 1999 war ein Entsorgungsgrad des Abwassers von 90% vorgesehen gewesen. Nach deutlicher Unterschreitung dieses Ziels wurde es für das Jahr 2006 neuerlich anvisiert. 2001 waren allerdings erst 76% erreicht und gingen 2002 auf 73% zurück, da zwischenzeitlich mehr unbehandeltes Abwasser angefallen 13

Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 7, 33 u. 36 ff. 14 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 121. 15 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 47.

A. Einführung in das Politikfeld Umwelt

223

Tabelle 51 Ausgaben staatlicher Akteure im Schnitt der Jahre 2001/2002 nach Problembereichen16 Mio. e

%

Abfall

334,3

37,8

Wasserwirtschaft

259,7

29,3

Artenvielfalt und Naturschutzgebiete

207,4

23,4

Luft und Klima

5,5

0,6

Forschung und Entwicklung

3,6

0,4

Böden, Grundwasser und Gewässer

1,4

0,2

Lärm

0,5

0,1

Andere

72,8

8,2

Gesamt

885,2

100,0

Tabelle 52 Ziele der EU-Rahmenprogramme 1994–1999 und 2000–2006 und Ergebnisse17 Stand 1994

Ziele für 1999

Ergebnisse 1999

Ziele für 2006

% der Bevölkerung mit Leitungswasser

82

95

90

95

% mit ordentlicher Abfallentsorgung

25

98

94

98

< 25

90

65

90

Entsorgungsgrad des Abwassers in %

16 Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Estatísticas do Ambiente 2002 (Lisboa 2003) S. 11. 17 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Portugal 2000–2006 (Lisboa 1999) II-89; Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 104; Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 16.

224

Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

war.18 Betrachtet man die Entwicklung der Versorgungsgrade in den fünf CCDR-Regionen im Laufe der 1990er-Jahre, werden zwar insgesamt große Fortschritte sichtbar, aber die CCDR-Region Lissabon blieb als hauptstädtischer Großraum über die Jahre an der Spitze, genauso wie die CCDR-Region Norte am unteren Ende blieb. Centro und Algarve konnten sich im Vergleich zum Landesschnitt verbessern, der Alentejo fiel relativ sogar zurück. Insgesamt sind die regionalen Disparitäten 1999 so groß wie 10 Jahre zuvor. Mit dem EU-Rahmenprogramm 2000–2006 werden im Infrastrukturbereich die großen Investitionen allerdings zu Ende gehen und auch der Ausweis von neuen Naturschutzgebieten wird in den nächsten Jahren zu einem Abschluss kommen. Damit werden Themen wie Nachhaltigkeit und Integration des Umweltschutzes in andere Politikfelder wichtiger werden.19 Im Abfallbereich fallen in Portugal bisher pro Kopf im europäischen Vergleich geringe Mengen an (82% des EU 1 2004).20 Mit steigendem Konsum werden sich die Werte aber dem europäischen Durchschnitt anpassen. Ähnlich wie in anderen Umweltbereichen galt es in den 1990er-Jahren, einen jahrzehntelangen Rückstand aufzuholen. Know-how und institutionelle Fähigkeiten mussten geschaffen werden.21 Ein Institut für Abfall wurde 1996 eingerichtet. 2002 wurden die letzten Deponien alten Typs geschlossen, nationale Pläne für den Industrieabfall, den Sondermüll und den Hausmüll wurden erstellt. Ziel war es, den Anteil der geregelten Müllentsorgung zu erhöhen. In der Abfallbeseitigung existieren dafür ähnliche Organisationsformen wie im Wasserbereich: Der Gesamtstaat beteiligt sich über eine Aktiengesellschaft (Empresa Geral de Fomento – EGF) an überörtlichen Müllbeseitigungssystemen, an welchen auch die betroffenen Gebietsgemeinden beteiligt sind. Die zweite Organisationsform besteht in Zweckverbänden der Gebietsgemeinden. Besonders in der Wiederverwertung gibt es noch einen großen Rückstand aufzuholen, Altpapier ist davon ebenso betroffen wie Batterien oder Altöl.22 18

Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Anuários Estatísticos Regionais – Um Retrato Territorial de Portugal 2002 (Lisboa 2003) S. 199. 19 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 107 f., 121. 20 http://www.dpp.pt/gestao/ficheiros/fd_4.pdf 12/2004. 21 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 106. 22 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 11 f. u. 110.

A. Einführung in das Politikfeld Umwelt

225

Im Jahr 2002 erreichte man die niedrige Recyclingquote von 5% der Abfälle.23 Der nationale Abfallplan sieht als Ziel für 2005 eine etwa gleichmäßige Verteilung des Abfalls auf Wiederverwertung, Verbrennung, Kompostierung und geordnete Deponien vor.24 Die dafür nötigen Investitionen werden vor allem vom EU-Kohäsionsfonds finanziert. Der Bereich Trinkwasser- und Abwasserwirtschaft und der damit zusammenhängende Gewässerschutz spielen in der portugiesischen Umweltpolitik traditionell eine besondere Rolle. Im Vergleich zum EU-Schnitt ist der private Wasserkonsum in Portugal zwar relativ niedrig. Die heißen und trockenen Sommer führen aber dazu, dass der Niederschlag der Wintermonate vor allem im Süden gesammelt und das Jahr über verbraucht wird. Trotzdem kommt es immer wieder zu Situationen von Wassermangel und schlechter Wasserqualität. Das Landesinnere ist zunehmend von Trockenheit bedroht, die langfristig zu ernsthaften Problemen in der Landwirtschaft, der Stromerzeugung und der Trinkwasserversorgung führen kann. Allerdings nützte Portugal Ende der 1990er erst 15% seiner Wasserressourcen, was dem Schnitt der europäischen OECD-Länder entsprach, aber nur die Hälfte der spanischen Nutzungsquote darstellte.25 Das Wasserrecht ist auch der älteste und heute noch zentrale Bestandteil des Umweltrechts. Die Bedeutung dieser Materie zeigt sich auch darin, dass das Zivilgesetzbuch eigene Bestimmungen über dingliche Rechte an Wasser enthält (Art. 1385 ff). Demnach ist Wasser mit einigen Ausnahmen öffentliches Gut.26 Durch das EU-Rahmenprogramm 1994–1999 konnte in den Jahren 1994–1999 ein beachtlicher Fortschritt in diesen veralteten und gegenüber europäischem Standard weit zurückgebliebenen Infrastrukturbereichen erzielt werden. Deutlich mehr Menschen steht diese Basisinfrastruktur heute zur Verfügung. Nicht immer konnte aber auch die Qualität gesteigert wer23 Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Anuários Estatísticos Regionais – Um Retrato Territorial de Portugal 2002 (Lisboa 2003) S. 202. 24 Instituto do Ambiente (Hg.): Relatório do estado do ambiente 2001 (Lisboa 2002) S. 51 f. 25 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 19; Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 113; Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 71. 26 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 19.

226

Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

den, die für einen größeren Teil der Bevölkerung noch nicht in ausreichendem Maße gegeben ist. Insgesamt gehen mehr als 40% des Wassers durch Leitungsverluste verloren oder werden von den Endverbrauchern nicht bezahlt. Es gibt illegale Wasserleitungen, sogar einzelne staatliche Akteure bezahlen ihr Wasser nicht. Ein Problem bleibt die mangelnde Koordinierung durch die Trennung von Versorgungs- und Entsorgungsbetrieben sowie die eigenen Infrastrukturen von Industrie und Tourismusbetrieben. Auch das Nebeneinander von kommunalen Betrieben und Versorgern eher regionalen Charakters führt zu unkoordinierten Investitionen. Ein Charakteristikum bleiben viele kleine und veraltete ländliche Versorgungsbetriebe, die über kein gut ausgebildetes technisches Personal verfügen und die vorgeschriebenen Grenzwerte häufig nicht kontrollieren. Es gibt rund 3.000 Versorgungsbetriebe mit weniger als 5.000 Nutzern. Sie repräsentieren 90% aller Versorgungsbetriebe, versorgen aber nur ein Fünftel der Bevölkerung. Der Sektor der Entsorgungsbetriebe ist noch stärker zersplittert. Es fehlt häufig an guter Organisation, wirtschaftliche Probleme sind die Folge. Grenzwerte werden sehr oft überschritten oder gar nicht erst kontrolliert. In den Ballungsräumen wächst die Bevölkerung schneller als die Kapazitäten der Kläranlagen. Insgesamt ist Portugal in einer Phase der Vereinheitlichung im Bereich der Wasserwirtschaft. Der ganze Bereich der Wassergewinnung, Aufbereitung, Verwendung und Abwasserklärung soll organisatorisch neu strukturiert und in einheitlichen Datensystemen erfasst werden. Pläne in diesen Bereichen sollen das Handeln staatlicher Akteure strategisch ausrichten und koordinieren. Umfassende Rechtsreformen wie das neue Wassergesetz und seine Durchführungsverordnungen, die 2004 in Begutachtung waren, sollen die Rechte und Pflichten privater Akteure festlegen und die Organisation staatlicher Akteure in diesem Bereich verbessern.27 In einer ganzheitlichen Sicht versucht man heute, Oberflächen- und Grundwasser ebenso zu berücksichtigen wie den Zusammenhang zwischen Emissionen und Trinkwasserqualität.28 Die Strategie des Umweltministeriums für die Jahre 2000–2006 folgt vier Linien: Umweltschutz, größere Strukturen, höhere Qualität, Nachhaltigkeit.29 27 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-247 ff. 28 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.3. 29 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999)

A. Einführung in das Politikfeld Umwelt

227

Im Naturschutzbereich gibt es in Portugal unterschiedliche Schutzgebiete, von denen einige auf Initiative der EU zurückgehen: Reserva Ecológica Nacional, Reserva Agrícola Nacional, Reserva dos Corredores Ecológicos, Área Protegida, Zona de Protecção Especial, Rede Natura sowie Espaços florestados de protecção.30 Im Jahr 1995 hatte Portugal erst 4,9% der Landesfläche unter Naturschutz gestellt.31 Bis 2004 wurden nach der Habitat Richtlinie (RL 92/43/CEE) dann 17,4% der Landesfläche als Schutzgebiete ausgewiesen. Im Schnitt der EU-15 Länder sind es nur 12,5%.32 Bei Anwendung anderer Kriterien (nur die National- und Naturparks) kommt man auf 7,5% der Landesfläche, auf der immerhin 200.000 Personen leben. Die Naturschutzgebiete wurden vorwiegend im Landesinneren entlang der dünn besiedelten Grenze zu Spanien eingerichtet. Statt einer Ausweitung der Schutzflächen wird in Zukunft die qualitative Verbesserung der Schutzgebietsverwaltung im Vordergrund stehen, die auch durch eine sorgfältige Raumordnung sichergestellt werden soll. Im Bereich Lärm und Luftverschmutzung gibt es selbst über den städtischen Raum wenige Daten. Wie viele Personen unter zu hoher Lärm- und Schadstoffbelastung leiden, ist unbekannt. Ein modernes Informationssystem soll aufgebaut werden. Die Anzahl der mit öffentlichen Verkehrsmitteln beförderten Personen hat in den Metropolitangebieten in den letzten Jahren allerdings abgenommen. Immerhin wurde 1999 der Verkauf von verbleitem Benzin eingestellt.33 Im Jahr 2000 wurde ein Lärmschutzgesetz (DL 292/2000) verabschiedet, das auch die Erfassung aller Lärmquellen vorsah, von den Gebietsgemeinden wegen seiner hohen Vollzugskosten aber heftig bekämpft wurde.34

III. Die Konstellation der Akteure Im Umweltbereich arbeiteten 2001 bei 22 gesamtstaatlichen Akteuren 4.099 Beschäftigte. Das ergibt einen Schnitt von 186 Beschäftigten pro AkS. 23; Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 16–18, 37 ff. 30 Conselho dos Ministros: Programa do XVI Governo Constitucional. Capítulo 6. Ambiente e ordenamento do território [in: www.governo.gov.pt, 2004]. 31 http://www.diramb.gov.pt/data/basedoc/TXT_LN_7518_1_0031.htm 02/2005. 32 http://www.dpp.pt/gestao/ficheiros/fd_4.pdf 12/2004. 33 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 11, 114 u. 116. 34 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 87 Dezember 2000.

228

Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

teur. Im Politikfeld Raumordnung arbeiteten zum selben Zeitpunkt bei insgesamt fünf gesamtstaatlichen Akteuren lediglich 616 Beschäftigte, was 15% des Umweltbereichs entspricht.35 Nachdem erhebliche finanzielle und personelle Ressourcen eher für den Umweltschutz als für die Raumordnung eingesetzt werden, lohnt sich am ehesten in diesem Politikfeld ein Vergleich der Akteure. Tabelle 53 Ausgaben im Politikfeld Umwelt im Schnitt der Jahre 2001–2002 36 Mio. e

%

Gemeinden (hauptsächlich Gebietsgemeinden)

521,2

40,8

Gesamtstaat

309,5

24,2

Inselregionen

47,4

3,7

878,1

68,8

7,1

0,6

392,0

30,7

1277,2

100,0

Akteure

Staatliche Akteure gesamt Umweltschutzorganisationen Unternehmen Gesamt

37

Das wichtigste Ergebnis ist die große finanzielle Bedeutung der Gebietsgemeinden, die auf ihre Zuständigkeiten für Abfallbeseitigung und Wasserversorgung zurückzuführen ist. Diese machen 88% der Ausgaben der Gebietsgemeinden aus.38 Auffällig sind weiters die hohen Ausgaben von Unternehmen, die damit an zweiter Stelle liegen und diejenigen des Gesamtstaats übertreffen. Die im Bereich technologische Investitionen, Reinigung von Abwasser und Abluft getätigten Investitionen sind auf normative Steuerung durch staatliche Akteure zurückzuführen und zeigen, wie hoch deren Wirksamkeit im Vergleich zu direkten staatlichen Investitionen sein kann. Die Ausgaben der Umweltschutzorganisationen machen nur weniger als 1% der Gesamtausgaben aus. Ihre Aufgabe besteht auch nicht da35 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 130. 36 Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Estatísticas do Ambiente 2002 (Lisboa 2003) S. 11. 37 Die Zahl bezieht sich auf das Jahr 2000; http://www.ine.pt/prodserv/destaque/ 2003/d030311/d030311.pdf 02/2005. 38 http://www.ine.pt/prodserv/destaque/2003/d030311/d030311.pdf 02/2005.

B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung

229

rin, millionenschwere Investitionen zu tätigen, sondern die Kommunikation zwischen den anderen Akteuren zu beeinflussen. Außerdem können sie zusätzlich auf Freiwilligenarbeit zurückgreifen, was ihre niedrigen Verwaltungskosten erklärt und sie dazu befähigt, trotz geringer Ausgaben eine gewisse Rolle zu spielen. Tabelle 54 Personal im Politikfeld Umwelt nach Akteuren 200239 Personalausgaben in Mio. e

%

Gemeinden

172,3

64,7

Gesamtstaat

56,1

21,1

Inselregionen

1,1

0,4

229,5

86,2

1,8

0,7

35,0

13,1

266,3

100,0

Akteure

Staatliche Akteure gesamt Umweltschutzorganisationen Unternehmen Gesamt

Die noch deutlichere Dominanz der Gemeinden bei den Personalausgaben, als bei den Ausgaben insgesamt, ist darauf zurückzuführen, dass der Gesamtstaat außerhalb der Hauptstadt und den fünf CCDR wenig Beschäftigte im Umweltbereich hat, die Gemeinden aber eine flächendeckende Wasser- und Abfallwirtschaft aufrechterhalten müssen. Dass das Politikfeld insgesamt von Großinvestitionen geprägt ist, zeigt sich beim Vergleich der beiden Tabellen am geringen Anteil der Personalausgaben an den Gesamtausgaben mit 2,1%.

B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung In Portugal wird die strategische Entwicklungsplanung für eine Region und die detaillierte Raumplanung zur Festlegung der Flächennutzung als Einheit gesehen und auch auf Ebene der Raumordnungsinstrumente stark vermischt. In Art. 5 lit. c Raumordnungsrahmengesetz wird z. B. das Prinzip normiert, Raumordnung, regionale Wirtschaftsförderung und Politikfeld39 Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Estatísticas do Ambiente 2002 (Lisboa 2003) S. 11 ff., 23, 38, 46.

230

Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

planung zu verbinden. Die nationalen Raumordnungsinstrumente haben allerdings wenige Verbindungen mit der Regional- und Politikfeldplanung für die EU-Rahmenprogramme. Die CCDR versuchen als einzige, das zu verbinden. Die Hauptbereiche des portugiesischen Raumordnungsberichts 1999 spiegeln das breite Verständnis dieses Politikfelds durch die portugiesischen staatlichen Akteure wider: Demographie, öffentliche Einrichtungen (Schulen, Gesundheit, Soziales, Sport, Kultur, Gerichtsorganisation), Infrastruktur (Verkehr, Energie, Kommunikation), regionale Wirtschaftsentwicklung, Stadterneuerung, Land- und Forstwirtschaft. In allen diesen Bereichen sollen Investitionen öffentlicher und privater Akteure durch Politikfeldpläne, die Auswirkungen auf den Raum durch die Raumordnungsinstrumente gesteuert werden. Raumordnung ist im portugiesischen Verständnis also die Integration einer Reihe von Politikfeldern für ein Territorium. Sie wird als ein Mittel betrachtet, die regionale und lokale Entwicklung zu fördern und so die Entwicklungsunterschiede in Portugal zu verringern.40 Daher nimmt sie auch in Regierungsprogrammen einen breiten und zentralen Platz ein.41

I. Geschichte und heutige Sachprobleme Fachleute und Bürger sind sich einig, dass die Situation von Raumordnung und Städtebau in Portugal von Norden nach Süden, von der Küste ins Landesinnere, katastrophal ist.42 Der zuständige Minister selbst sagte 2004, dass die Raumordnungspolitik der letzten Jahre ein Chaos gewesen sei.43 Die Ursachen sind in der Kombination eines starken Ansteigens der Bautätigkeit in der Nähe der beiden größten Städte Lissabon und Porto mit Schwächen und hohen Vollzugsdefiziten der Raumordnungsinstrumente zu suchen.44 In Art. 6 Lei 48/1998, dem Rahmengesetz zur Raumordnung werden Ziele für das Politikfeld definiert, woraus man die derzeitigen Probleme ab40 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 21 u. 102. 41 http://www.governo.gov.pt/PortalDoGoverno/ProgramaDoGoverno/default_pn_ 000.htm 09/2002. 42 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 49. 43 http://www.ambienteonline.pt/noticias/detalhes.php?id=1702 11/2004. 44 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 50.

B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung

231

leiten kann: Abwanderung aus ländlichen Gebieten, Verbrauch landwirtschaftlich nutzbarer Böden, Mangel an Wohnraum, Verfall von Stadtteilen, mangelnde Belebung historischer Stadtzentren, Existenz illegal errichteter Siedlungen, hohe Infrastrukturkosten durch Streusiedlungen, Erosion, Probleme von Binnen- und Küstengewässern, Störung des Landschaftsbilds. Das zentrale Zukunftsproblem spricht die Regierung in ihren strategischen Politikleitlinien 2004 an: die z unehmenden wirtschaftlichen und demographischen Ungleichgewichte zwischen Portugals Regionen.45 Das erste Phänomen ist in diesem Zusammenhang die Landflucht aus dem Binnenland. Der Siedlungsdruck auf die Küstenregionen wächst, während sich das Landesinnere entvölkert.46 Die dortigen Gemeinden hatten um 1950 den Höhepunkt ihrer Bevölkerungszahl überschritten.47 In den letzten Jahrzehnten wuchsen dafür die Städte an der Küste stark und ungeordnet. Probleme in der Infrastruktur und dem Verkehr sind die Folge. Eine Ursache dafür ist, dass in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg etwa eine Million Portugiesen vor allem aus dem ländlichen Binnenland als Gastarbeiter das Land verließen. Ab Ende der 1970er-Jahre kehrten sie zwar wieder nach Portugal, aber nicht mehr aufs Land zurück, sondern siedelten sich an der Küste neu an.48 Sowohl in den letzten Jahren des Estado Novo bis 1974 als auch in den Jahren danach versuchten die staatlichen Akteure, die Landflucht durch den Erhalt von Arbeitsplätzen in der Landwirtschaft zu verhindern. Anstatt das Wachsen der Städte an der Küste zu ordnen und durch einen Strukturwandel in den ländlichen Regionen zu bremsen, stellte man an der Küste bewusst wenig Bauland zur Verfügung und versuchte, die vormodernen landwirtschaftlichen Strukturen zu erhalten. Beide Maßnahmen waren erfolglos. Der Anachronismus eines Beschäftigtenanteils von 30% in der Landwirtschaft war nicht aufrechtzuerhalten und das fehlende Bauland wurde durch illegale Bauten ersetzt.49 Heute erfordert die Raumordnungssituation an der Küste eine völlige Neuordnung50 und in jedem Regierungsprogramm steht, dass die Landflucht 45

Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-247. 46 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 26. 47 Conselho dos Ministros (Hg.): Plano Nacional da Política de Ambiente. Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/95 (1995) Anexo II 1.1. 48 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 98. 49 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 27.

232

Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

gestoppt und die regionale Ungleichheit der Lebensverhältnisse verringert werden muss.51 Das zweite Charakteristikum ist die Existenz der beiden dominierenden Metropolen Porto und Lissabon, denen keine mittleren Städte gegenüberstehen. Da beide an der Küste liegen, wird deren Übergewicht zusätzlich verstärkt. Coimbra, Évora und Faro sind die einzigen Städte, die höherwertige Funktionen erfüllen, haben aber in ihrem städtischen Kern unter 100.000 Einwohner.52 Der Anteil der städtischen Bevölkerung liegt unter dem europäischen Durchschnitt.53 Nach Meinung des für Raumordnung zuständigen Ministeriums befindet sich das Netz mittlerer Städte in Portugal aber in einer Konsolidierungsphase.54 Die beiden Metropolen dominieren also das restliche Land wirtschaftlich, kulturell und politisch und verstärken die regionalen Ungleichgewichte. Gleichzeitig dehnen sie sich immer weiter ins Umland aus, während Teile ihrer Stadtzentren verfallen. Dieses dritte Phänomen zeigt sich darin, dass Schlafstädte an den Stadträndern entstehen, wo sich die Verkehrs- und Sicherheitslage verschlechtert.55 In der ersten Phase der Raumordnung bis Ende der 1990er-Jahre wurde mit 6% der Landesfläche zu viel städtisches Bauland gewidmet. Das Ergebnis war Zersiedelung am Stadtrand und der fehlende Anreiz, vorhandene Gebäude und damit zu einem Verfall alter Bausubstanz.56 Ein großer Teil der EU-Mittel floss in die Bauwirtschaft, ganze Viertel, die in den 1990er-Jahren entstanden, lassen im Ergebnis keine raumordnerischen Gesichtspunkte erkennen. Nachhaltige Stadtentwicklung fehlt weitgehend.57 Die Herausforderung besteht heute darin, durch Stadterneuerung die Zentren zu renovieren und die Stadtränder zu konsolidieren. 50

Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 85 Oktober 2000. 51 Conselho dos Ministros: Programa do XVI Governo Constitucional. Capítulo 6. Ambiente e ordenamento do território [in: www.governo.gov.pt, 2004]. 52 Ministério do Planeamento e da Administração do Território (Hg.): Relatório do estado do ordenamento do território (Lisboa 1999) S. 5.1. 53 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 26. 54 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 118. 55 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 53. 56 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 29.

B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung

233

II. Beschreibung der Raumordnungsinstrumente Heute ist Raumordnung eine in Art. 9 lit. e CRP verankerte Aufgabe des Gesamtstaates. In Art. 66 Abs. 2 lit. b CRP werden drei Ziele für dieses Politikfeld vorgegeben: Die richtige Verteilung unterschiedlicher Bodennutzung, eine ausgewogene wirtschaftliche und soziale Entwicklung und der Naturschutz. Das Bodengesetz58 aus dem Jahr 1976 beruht auf der Unterscheidung zwischen dem Eigentumsrecht an Grund und Boden und dem Recht, darauf zu bauen.59 Enteignungen im öffentlichen Interesse regelt DL 438/1991(Código de Expropriações). Es gibt eine große Zahl spezieller Enteignungsbestimmungen in verschiedenen Rechtstexten. Ende der 1990er-Jahre wurde das Raumordnungsrecht mit Lei 48/1998 reformiert und mit DL 380/199960 näher ausgestaltet. Daneben gibt es für die einzelnen Raumordnungsinstrumente jeweils eigene Gesetzesdekrete. Wichtigstes Raumordnungsinstrument sind die PDM, Flächenwidmungspläne, die von Gesamtstaat und Gebietsgemeinden gemeinsam erstellt werden und mittlerweile flächendeckend existieren. Sie legen die Bodennutzung und die Errichtung öffentlicher Infrastruktur fest. Durch Bebauungspläne PU bzw. PP können sie weiter konkretisiert werden. Sie haben Verordnungscharakter und sind für staatliche und private Akteure verbindlich. Die gleichen Eigenschaften und Funktionen weisen die Spezialpläne des Gesamtstaates auf, die für raumordnerisch sensible Gebiete wie Gewässer und Naturschutzgebiete erstellt werden. Sie derogieren den Flächenwidmungsplänen der Gebietsgemeinden, sollen aber deren Inhalte berücksichtigen. Diesen Arten von Raumordnungsplänen sind die Instrumente der Raumentwicklung übergeordnet. Sie legen die strategischen Leitlinien, nicht aber eine konkrete Bodennutzung fest und sind nur für staatliche Akteure verbindlich, die sie bei der weiteren Raumordnung berücksichtigen müssen. Wichtigste Instrumente dieser Kategorie sind die PROT, regionale Raumordnungspläne des Gesamtstaates. Ein vorgesehener nationaler Raumordnungsplan und die so genannten interkommunalen Raumordnungspläne werden zurzeit gerade erstmals erarbeitet. In engem Zusammenhang zur Raumordnung wird in Portugal die Politikfeldplanung der einzelnen Ministerien 57 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 118. 58 Lei dos Solos DL 794/1976. 59 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 45. 60 idF DL 310/2003.

234

Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

und anderer staatlicher Akteure gesehen. Ihre Ziele und Maßnahmen wie z. B. geplante öffentliche Investitionen sind in der Praxis Vorgaben für die Erstellung der Raumordnungspläne. Um die Übersichtlichkeit der Planungs- und Raumordnungsinstrumente zu erhöhen, wurde in Art. 34 Lei 48/1998 ein Typenzwang eingeführt. Bestehende Instrumente sind in eine der vier untenstehenden Kategorien einzuordnen. Adressatenkreis und Erstellungsverfahren richten sich dann nach der jeweiligen Kategorie. Tabelle 55 Typen von Raumordnungsinstrumenten61 Typus

Raumordnungs- Bei Erstellung instrument federführender Akteur

Funktion

Raumentwicklung

Nationaler Gesamtstaat Raumordnungsplan Regionale Raumordnungspläne = PROT

Strategische Vor- staatliche gaben für andere Akteure Pläne

Interkommunale Raumordnungspläne

Gebietsgemeinden

Koordination der Gemeinden

Politikfeldplanung

Planungen der einzelnen Ministerien und autonomer gesamtstaatlicher Akteure

Gesamtstaat

Wirkung des Politikfeldes im Raum

Spezialplanung

Spezialpläne für Naturschutzgebiete und Gewässer

Gesamtstaat

Schutz sensibler Gebiete durch den Gesamtstaat

Raumordnung

Flächenwidmungsplan, Städtischer Bebauungsplan, Punktueller Bebauungsplan = PDM, PU, PP

Gebietsgemeinden

Konkretisierung der Raumordnung auf kommunaler Ebene

61

Art. 8 u. 11 Raumordnungsgrundlagengesetz, Art. 3 DL 380/1999.

bindend für . . .

staatliche u. private Akteure

B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung

235

Die Verfahren zur Erstellung der Raumordnungspläne wurden in DL 380/1999 neu geregelt. Sie gliedern sich nunmehr in die Abschnitte: Ausarbeitung, Abstimmung und Bürgerbeteiligung. Während der Ausarbeitung sollen sich die staatlichen Akteure untereinander einigen sowie die Positionen von gesellschaftlichen Akteuren berücksichtigen. Gelingt dies nicht, soll die Phase der Abstimmung eine intensivere Diskussion mit den betreffenden Akteuren ermöglichen. Nachdem so versucht wurde, die Interessen aller Akteure zu berücksichtigen, wird das Ergebnis der Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert. Nach Einbeziehung der Beiträge der Bürgerbeteiligung wird der Plan in Geltung gesetzt. Die Hauptänderungen der Reform von 1998 waren, dass die Verfahren zur Erstellung der verschiedenen Raumordnungsinstrumente vereinheitlicht und die Rollen der daran beteiligten öffentlichen Akteure klarer definiert wurden. Außerdem wurden die regionalen Raumordnungspläne von einem regionalen Flächenwidmungsplan zu einem strategischen Entwicklungsplan für die Regionen umgewandelt.62 Trotz der ständigen Reformen sind Fragen der Erstellung, der Hierarchie und der Bestandskraft der Pläne strittig. Die hohe Anzahl verschiedener Raumordnungsinstrumente ist auf den Einfluss gesamtstaatlicher Politikfeldakteure zurückzuführen, von denen jeder die Raumordnung in seinem Politikfeld mit einem eigenen Instrument selbst bestimmen will. Es herrscht wenig Vertrauen staatlicher und privater Akteure in das System der Raumordnungsinstrumente. Die Vollzugsdefizite sind dementsprechend hoch. 1. Nationaler Raumordnungsplan Die Idee des Nationalen Raumordnungsplanes ist es, die verschiedenen Politikfeld- und Regionalplanungen und die bereits vorhandenen PROT in einem einheitlichen Raumentwicklungskonzept zusammenzufassen. Inhaltlich soll er sich neben allen wesentlichen raumordnerischen Fragen auch mit den Aktivitäten öffentlicher Akteure beschäftigen: öffentliche Investitionen, Infrastruktur und Dienstleistungen. Ein angeschlossenes Aktionsprogramm enthält einen Zeitplan, steuerliche und finanzielle Maßnahmen der Regierung zur Zielerreichung und ihre Pläne zur Zusammenarbeit mit den Gebietsgemeinden. Die Ausarbeitung ist nach Art. 26 ff. DL 380/1999 Aufgabe der Regierung. Gebietsgemeinden, autonome Regionen und gesellschaftliche Akteure werden durch Regierungsbeschluss als Mitglieder in eine Beratungskommission berufen, welche die Ausarbeitung begleitet und eine abschließende Stellungnahme zum Regierungsvorschlag ausarbeitet. Wenn in der Bera62

Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003.

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Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

tungskommission vertretene Akteure dem Regierungsvorschlag ausdrücklich ihre Zustimmung verweigern, schließt sich eine Phase der Abstimmung an. Dazu erhalten diese Akteure den Regierungsvorschlag und die Stellungnahme der Beratungskommission und werden von der Regierung zu einer eigenen Stellungnahme innerhalb einer Monatsfrist aufgefordert. Nach Erhalt dieser Stellungnahme soll die Regierung wieder binnen Monatsfrist versuchen, zu einer Einigung mit dem betreffenden Akteur zu gelangen. Daran schließt sich die Phase der Bürgerbeteiligung an, die mit einer Veröffentlichung des erarbeiteten Vorschlags in den Medien beginnt. In den folgenden zwei Monaten werden Meinungen und Vorschläge gesammelt und das Urteil von drei wissenschaftlichen Institutionen eingeholt. Am Ende sammelt die Regierung all diese Stellungnahmen, bewertet sie und veröffentlicht die Ergebnisse. Schließlich bringt sie die Endversion des Raumordnungsplanes in die Nationalversammlung ein, welche der Vorlage als Gesetz zustimmen muss. Anfang 2002 wurde erstmals mit der Ausarbeitung eines Nationalen Raumordnungsplans begonnen.63 Im Jahr 2004 war der nationale Raumordnungsplan noch in Ausarbeitung, bis Anfang 2005 sollte der Entwurf des nationalen Raumordnungsplans in die Phase der Bürgerbeteiligung eintreten.64 2. Regionaler Raumordnungsplan (PROT) Regionale Raumordnungspläne (Planos Regionais de Ordenamento do Território – PROT) wurden Ende der 1980er-Jahre mit DL 176-A/1988 eingeführt, wobei der erste PROT 1991 in Kraft trat.65 Ein ähnliches, aber kaum angewandtes Planungsinstrument für die übergemeindliche Ebene hatte es schon einmal in den 1970er-Jahren gegeben.66 Die PROT67 umfassen das Gebiet mehrerer Gebietsgemeinden, schneiden aber die Grenzen der CCDR-Regionen und anderer örtlicher Zuständigkeitsbereiche staatlicher Akteure. Die Grenzziehung erfolgt nach wirtschaftlichen, ökologischen oder anderen Kriterien durch Ministerratsbeschluss. Die existierenden PROT betreffen folglich sehr unterschiedlich große Ge63

Resolução do Conselho de Ministros n.º 76/2002 de 11-04-2002. http://www.portugaldiario.iol.pt/noticias/noticia.php?id=446770 11/2004. 65 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 151 ff. u. 204 ff. 66 PAT, Planos Gerais de Urbanização de Áreas Territoriais European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 20. 67 DL 338/1983, 367/1990 u. 249/1994, Art. 51 ff. DL 380/1999. 64

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biete und wurden erst für einen kleinen Teil der gesamten Landesfläche, vor allem die wirtschaftlich höher entwickelten und dichter besiedelten Regionen ausgearbeitet. Dieser Zustand wurde von zwei Interviewpartnern verteidigt,68 hat aber den Nachteil, dass die PROT nicht Territorien administrativer, geschweige denn politischer Verantwortung entsprechen. Ein PROT hat einen programmatischen Teil, der Entwicklungsziele und die Mittel zu ihrer Erreichung beinhaltet. Dieser Teil ist bei den PROT im Vergleich zu den kommunalen Raumordnungsplänen umfangreicher. In seinem normativen Teil macht er den Gebietsgemeinden Vorgaben für deren Raumplanung.69 Inhalte der PROT sind eine grobe Festlegung von Siedlungsräumen, die Aufgabenteilung zwischen städtischen Siedlungen, Verteilung der öffentlichen Infrastruktur, Bestimmung von Zonen nationalen Interesses für Wirtschaft, Landwirtschaft, Umwelt- und Denkmalschutz, Formulierung der regionalen Politik für Umwelt- und Denkmalschutz.70 In Bezug auf die Verbauung enthält z. B. der PROT für den Algarve zwei Zonen. Einmal Verbauungszonen in denen Bauen grundsätzlich erlaubt ist und dann die Naturzonen, wo bauen grundsätzlich verboten ist. Die Festlegung der Ausnahmen bleibt den kommunalen Raumordnungsinstrumenten überlassen.71 Den Beschluss, einen PROT auszuarbeiten, trifft der Ministerrat nach Anhörung der betroffenen Gebietsgemeinden. Solange keine Verwaltungsregionen eingerichtet sind, wird deren Federführung bei der Erstellung von den gesamtstaatlichen CCDR wahrgenommen.72 Auf dem Gebiet der beiden Großen Metropolitanverbände Lissabon und Porto übernehmen diese nach Lei 10/2003 die Federführung. Mit der konkreten Erstellungsarbeit wurden auch schon private Beratungsfirmen beauftragt.73 Außerdem wird eine Begleitkommission gebildet, in der jedenfalls die Ministerien für Planung, Wirtschaft, Landwirtschaft, Umwelt- und Denkmalschutz, der Regionalrat der CCDR und die betroffenen Gebietsgemeinden vertreten sind. Zusätzliche staatliche Institutionen können vertreten sein. Diese Kommission be68 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003., Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 69 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 100. 70 Art. 9 Abs. 1 lit. b Raumordnungsgrundlagengesetz, Art. 53 DL 380/1999. 71 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 229. 72 Art. 51 Abs. 2 DL 380/1999. 73 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 49 u. 52.

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gleitet die Erstellung des PROT und gibt eine abschließende Stellungnahme darüber ab, dass der ausgearbeitete Vorschlag der CCDR den normativen Vorgaben und den bestehenden Raumordnungsinstrumenten entspricht. Diese Stellungnahme und der Vorschlag der CCDR werden dann der Regierung zur Genehmigung vorgelegt. Haben Akteure ihre Zustimmung zu dem Vorschlag verweigert, schließt sich eine einmonatige Abstimmungsphase mit der Regierung an. Die Bürgerbeteiligung erfolgt wie beim nationalen Raumordnungsplan erst gegen Ende. Schließlich wird der PROT durch Ministerratsbeschluss genehmigt. Seine Gültigkeitsdauer ist unbestimmt, bei Bedarf wird er per Ministerratsbeschluss revidiert.74 Mit DL 380/1999 sollen die PROT von einem großräumigen Flächenwidmungsplan zu einem nur mehr für staatliche Akteure bindenden Instrument der strategischen Entwicklungsplanung für eine ganze Region werden. Die Erstellung des nächsten EU-Rahmenprogramms soll auf Grundlage dieser Pläne erfolgen. In der Theorie sollte das auch schon bisher der Fall sein, allerdings waren die PROT in der Praxis zu wenig strategisch und hatten kaum Auswirkungen auf die wirtschaftlichen Entwicklungspläne.75 In Zukunft soll auch die Neuerstellung der interkommunalen Raumordnungspläne und der PDM an diesen PROT ausgerichtet werden. Die Gebietsgemeinden haben dadurch klare Vorgaben anstatt der Einzelfallentscheidungen gesamtstaatlicher Akteure.76 Die Grenzen dieser neuen PROT sollen diejenigen der CCDR nicht schneiden, können aber auch nur Teilgebiete einer CCDR umfassen. Außerdem sollen die PROT die Entscheidungen der EU-Regionalentwicklungspläne raumplanerisch umsetzen und darstellen, wie Politikfeldpläne und Nationaler Raumordnungsplan in der Region aufeinander abgestimmt werden.77 Wenn sich das in der Praxis durchsetzt, wäre damit ein wichtiger Schritt zur Deckung politischer, administrativer und planerischer Verantwortungsgrenzen gesetzt. Drei solcher neuer PROT waren 2004 in Erstellung, wobei der in Entwurf vorliegende des Algarve in der Phase der Bürgerbeteiligung war, derjenige von Trás-os-Montes e Alto Douro in Ausarbeitung, welche im Fall des Alentejo erst begonnen hatte.78 74

Art. 56 f. DL 380/1999. European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 103. 76 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 77 Oliveira, Fernanda Paula (Hg.): Evolução do Quadro Legal dos Planos Regionais de Ordenamento do Território. [in: Sociedade e território, Nº 34, S. 10–17 (Set. 2002)] S. 12 f. Oliveira, Fernanda Paula (Hg.): Evolução do Quadro Legal dos Planos Regionais de Ordenamento do Território. [in: Sociedade e território, Nº 34, S. 10–17 (Set. 2002)]. 75

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Im Jahr 2003 plante die Regierung allerdings, die PROT neuerlich zu reformieren. In Zukunft sollen sie damit zu echten regionalen Entwicklungsplänen weiterentwickelt werden und das Land flächendeckend überziehen.79 Diese so genannten Planos Regionais de Desenvolvimento do Território (PRDT-Regionalpläne zur Raumentwicklung) sollen alle öffentlichen Akteure auf gemeinsame Strategien in Wirtschafts- Sozial- Umwelt- und Raumordnungsfragen festlegen und regional bedeutsame Infrastruktur lokalisieren. Die in Ausarbeitung befindlichen PROT sollen noch nach der Rechtslage von DL 380/1999 beendet werden,80 sodass die Rechtslage erst in einigen Jahren wirksam würde, wenn sie dann noch besteht. 3. Interkommunaler Raumordnungsplan Durch das Raumordnungsrahmengesetz 1998 wurde die Figur der interkommunalen Raumordnungspläne geschaffen. Diese Pläne haben dieselben Inhalte wie PROT und PDM und dienen ihrer Koordination. Sie werden von benachbarten Gebietsgemeinden in freiwilliger Zusammenarbeit erstellt und von den jeweiligen Gebietsgemeindevertretungen einzeln genehmigt. Gibt es einen Metropolitanverband, hat dieser die Federführung bei der Erstellung. Seine Metropolitanvertretung genehmigt den Raumordnungsplan, die Gebietsgemeindevertretungen der Gebietsgemeinden haben nur ein Recht auf Stellungnahme. Erstellung, Abstimmung und Bürgerbeteiligung laufen wie bei den anderen kommunalen Raumordnungsplänen ab. Zusätzlich gibt die CCDR eine Stellungnahme hinsichtlich der Einhaltung normativer Vorgaben und der Berücksichtigung bestehender Raumordnungsinstrumente ab. Schließlich werden diese Pläne durch Ministerratsbeschluss genehmigt. Dabei kommt dem Ministerrat auch ein meritorisches Prüfungsrecht zu. Die Genehmigung kann auch nur teilweise erfolgen. Interkommunale Raumordnungspläne sind nur für staatliche, nicht aber für private Akteure bindend.81 Nachdem diese Pläne auch durch Ministerratsbeschluss aufgehoben werden können, sind sie eigentlich nur für die beteiligten Gebietsgemeinden, nicht aber für gesamtstaatliche Akteure bindend. Dies ist ein typisches Beispiel dafür, dass der Gesamtstaat sich nicht gegenüber anderen Akteuren binden will.

78 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-252. 79 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 80 Conselho dos Ministros: Programa do XVI Governo Constitucional. Capítulo 6. Ambiente e ordenamento do território [in: www.governo.gov.pt, 2004]. 81 Art. 9 Abs. 1 lit. c Raumordnungsgrundlagengesetz, Art. 60 ff. DL 380/1999.

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4. Politikfeldpläne In engem Zusammenhang mit der Raumordnung wird in Portugal die Politikfeldplanung der verschiedenen Ministerien gesehen. Laut Art. 35 DL 380/1999 gibt es drei Arten von Politikfeldplänen im Sinne der Raumordnung. Erstens die Entwicklungspläne der gesamtstaatlichen Akteure für die Bereiche: Transport, Kommunikation, Gesundheitswesen, Kultur, Gewässer, Tourismus, Industrie, Bildung, Wohnungsbau, Landwirtschaft, Umwelt sowie Handel und Industrie. Zweitens Raumordnungspläne für einzelne Politikfelder, die in Sondergesetzen vorgesehen sind, sowie drittens Entscheidungen des Gesamtstaates über die Lokalisierung großer Investitionen. Inhaltlich enthalten diese Politikfeldpläne die Ziele im jeweiligen Politikfeld und die Maßnahmen zu ihrer Erreichung, deren Auswirkungen auf die Raumordnung und Hinweise auf den Abstimmungsbedarf mit bestehenden Raumordnungsinstrumenten. Die enge Verzahnung von Politikfeldplanung und Raumordnung wird am Schutz der Küste und der Ordnung der dortigen Aktivitäten privater und staatlicher Akteure deutlich. Zuerst wurden einzelne Raumordnungspläne (POOC) für Küstenabschnitte erstellt. Dann ein Politikfeldplan (Plano Nacional de Defesa e Valorização da Costa Portuguesa), um diese Raumordnungspläne umzusetzen. Die nötigen Mittel kamen von einem mit EU-Mitteln geförderten gesamtstaatlichen Förderprogramm (Finisterra).82 Die Erstellung eines Politikfeldplans geschieht auf Beschluss der Regierung, in dem auch der gesamtstaatliche Akteur bestimmt wird, welcher die Koordinierung übernimmt. Die betroffenen Gebietsgemeinden und Metropolitanverbände sind am weiteren Erstellungsverfahren beteiligt. Wenn die Regierung wegen der sehr unterschiedlichen Interessenlage der betroffenen Akteure die Einrichtung einer Koordinierungskommission für notwendig hält, tut sie dies und bestimmt ihre Zusammensetzung. Stimmen Mitglieder dieser Kommission dem erarbeiteten Entwurf nicht zu, schließt sich eine Abstimmungsphase an die Ausarbeitungsphase an. Jedenfalls erfolgt am Ende die Phase der Bürgerbeteiligung. Gültigkeit erhalten Politikfeldpläne durch Beschluss des Ministerrates, durch Verordnung oder Gesetzesdekret.83

82 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-253. 83 Art. 20 Raumordnungsgrundlagengesetz, Art. 35 ff. DL 380/1999.

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5. Spezialpläne Spezialpläne sind für private wie staatliche Akteure verbindliche Raumordnungspläne des Gesamtstaates zur Bewahrung natürlicher Ressourcen. Es gibt sie für Naturschutzgebiete, die stehenden und fließenden Binnengewässer und die Meeresküsten. Die neun Pläne für die Meeresküste (Planos de Ordenamento da Orla Costeira – POOC) schneiden die Grenzen von Gebietsgemeinden und CCDR und reichen 500 m ins Landesinnere hinein.84 Weiters gibt es Spezialpläne für Eisenbahnbauten, Häfen, Flughäfen und Militäranlagen.85 Juristisch sind Spezialpläne gegenüber den kommunalen Raumordnungsplänen subsidiär, was sich aus Art. 50 DL 380/1999 ergibt. Demnach ist der Gesamtstaat verpflichtet, gültige Spezialpläne dahingehend zu prüfen, ob sie zum Schutz natürlicher Ressourcen noch unerlässlich sind.86 Wurde ein Spezialplan allerdings erstellt, derogiert er den kommunalen Raumordnungsplänen.87 Im Jahr 2001 waren 21,7% der Landesfläche als Flächen für Spezialpläne vorgesehen. Auch wenn noch nicht alle entsprechenden Pläne erstellt worden waren, ergibt das immerhin einen beträchtlichen Teil des Landes, in dem die raumordnerischen Entscheidungen von gesamtstaatlichen Akteuren direkt getroffen werden.88 Bedenkt man, dass es sich bei den Küsten um wirtschaftlich und sozial besonders wichtige Gebiete für die Gebietsgemeinden handelt, wird die intensive Steuerung des Gesamtstaats deutlich. 84 Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 901 f. 85 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 15. 86 „Art. 50 DL 380/1999: Vigência. Os planos especiais de ordenamento do território vigoram enquanto se mantiver a indispensabilidade de tutela por instrumentos de âmbito nacional dos interreses pfflblicos que visam salvaguardar.“ (Art. 50 DL 380/1999: Gültigkeit. Spezialpläne stehen in Geltung solange ein Schutz durch gesamtstaatliche Raumordnungsinstrumente unverzichtbar ist, um die betreffenden öffentlichen Interessen zu wahren.) Damit wäre die Gültigkeit eines Spezialplans, also einer Verordnung, von der fachlichen Beurteilung ihrer Notwendigkeit im Vergleich zu kommunalen Raumordnungsinstrumenten abhängig gemacht. Korrekterweise wird man dies in eine periodische Pflicht zur Prüfung der Notwendigkeit und ein allgemeines Minimierungsgebot des Einsatzes von Spezialplänen umdeuten müssen. 87 Ministério do Planeamento e da Administração do Território (Hg.): Relatório do estado do ordenamento do território (Lisboa 1999) 7.1.2.3. 88 Instituto do Ambiente (Hg.): Relatório do estado do ambiente 2001 (Lisboa 2002) S. 17.

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Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

Die Erstellung eines Spezialplans beschließt die Regierung. Sie legt seine Zielsetzung und geografische Ausdehnung ebenso fest, wie die Zusammensetzung der Begleitkommission. Weiteres bestimmt sie den für die Erstellung verantwortlichen staatlichen Akteur, meist eines der auf Umweltfragen spezialisierten Institute des Umweltministeriums. In der Begleitkommission sind wohl meistens die betroffenen Gebietsgemeinden und Metropolitanverbände, die CCDR und weitere gesamtstaatliche Akteure vertreten. Erwähnt werden in Art. 47 Abs. 1 DL 380/1999 auch noch Umweltschutzorganisationen. Eine wie auch immer geartete „allgemeine“ Beteiligung ist den Gebietsgemeinden durch Art. 20 Abs. 5 Raumordnungsrahmengesetz garantiert. Die CCDR erstellen jedenfalls ein Gutachten über die Vereinbarkeit des vorgeschlagenen Spezialplanes mit bestehenden Raumordnungsinstrumenten. Spricht sich ein Mitglied der Begleitkommission gegen den Entwurf aus, folgt eine Abstimmungsphase wie bei anderen Raumordnungsinstrumenten. Für die Bürgerbeteiligung ist der federführende gesamtstaatliche Akteur verantwortlich. Der Spezialplan wird durch Ministerratsbeschluss genehmigt.89 Auffällig ist hier der weitgehende Ausschluss von CCDR und Gebietsgemeinden, derjenigen staatlichen Akteure, die am ehesten eine Verantwortung für ein bestimmtes Territorium übernehmen. Dies entspricht der speziellen Politikfeldlogik der Spezialpläne. Im Jahr 2004 waren 21 Spezialpläne für Naturschutzgebiete in Ausarbeitung, die Pläne für die 45 größten Binnengewässer sollten ebenfalls abgeschlossen werden.90 Die häufigsten Spezialpläne betreffen die Agrarschutzgebiete (Reserva Agrícola Nacional – RAN) und die Naturschutzgebiete (Reserva Ecológica Nacional – REN). Nach Art. 2 DL 93/1990 umfassen REN vor allem Zonen entlang von Binnen- und Küstengewässern und sonstigen ökologisch sensible Zonen. Eingerichtet werden sie durch gemeinsamen Erlass mehrerer Ministerien auf Vorschlag der jeweiligen CCDR. Als beratendes Gremium fungiert eine nationale REN Kommission, in der verschiedene Ministerien, die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden und zwei Wissenschaftler vertreten sind. Die Qualifizierung als REN ist für alle anderen Raumordnungspläne verbindlich. Die betroffenen Gebietsgemeinden haben lediglich ein Recht auf Stellungnahme. Nach Art. 1 DL 196/1989 sollen die RAN die für die Landwirtschaft wertvollsten Böden schützen. Sie werden in einem zweistufigen Verfahren festgelegt. Eine technische Abteilung des Landwirtschaftsministeriums beurteilt die Tauglichkeit der Böden für die Landwirtschaft. Dann entscheiden 89

Art. 46 ff. DL 380/1999. Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-253. 90

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in erster Instanz RAN-Kommissionen, die für jede Agrarverwaltungsregion eingerichtet sind. Die CCDR, die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden und die Agrarverwaltungsbehörde sind darin vertreten. Die zweite Instanz bildet eine nationale RAN Kommission. Die Qualifizierung als RAN derogiert anderen Widmungen in den übrigen Raumordnungsplänen. Wenn für einen PDM eine RAN verändert werden soll, muss dieser Änderungswunsch der Gebietsgemeinde von den jeweiligen RAN-Kommissionen genehmigt werden.91 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden beklagt, dass bei der Erstellung der RAN zwar fachlich-geologische, aber zu wenig Gesichtspunkte der lokalen Wirtschaftsentwicklung eine Rolle spielen.92 Die RAN haben allerdings heute nur mehr geringe Bedeutung und wirken sich auf die Raumordnung der Gebietsgemeinden nicht mehr stark aus.93 Obwohl es landesweit einheitliche Kriterien gibt, werden REN und RAN eher nach den Umständen des Einzelfalls festgelegt.94 Dies ist ein Beispiel dafür, wie der Gesamtstaat zentralistische Einzelfallentscheidungen bevorzugt, anstatt Normen für die Unterschutzstellung zu schaffen, die Einrichtung dieser Naturschutzgebiete aber den Gebietsgemeinden zu überlassen. Ein Informations-, Koordinations- und Vollzugsproblem sind die Folgen. Der Gesamtstaat muss sich aufwändig über wechselnde lokale Gegebenheiten informieren und seine Entscheidungen zwischen den gesamtstaatlichen Politikfeldakteuren abstimmen. Diese Abstimmung ist aufwändig und eine eigentlich politische Aufgabe, die aber von Verwaltungspersonal erledigt werden muss, will man nicht auf Ministerebene koordinieren. Das Vollzugsproblem ergibt sich daraus, dass Schutzgebiete, die ohne echte Mitsprache der jeweiligen Gebietsgemeinde, ohne Diskussionsprozess vor Ort eingerichtet wurden, von lokalen Akteuren auch nicht umgesetzt werden. In der Literatur wurden REN und RAN schon als „Absurditäten“ bezeichnet.95 Im Jahr 2004 sollte die Rechtslage im Bereich der REN und RAN grundlegend reformiert werden.96 91 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 47 f. 92 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Stellungnahme der ANMP zum Entwurf von Lei 159/99. Politikfeld Raumordnung, (2000) S. 6. 93 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 94 Matos, António de Jesus Fernandes de: Ordenamento do território e seus instrumentos, S. 469–480 [in: APDR, Associação Portuguesa para o Desenvolvimento Regional. (Hg.): Ensino, Empresas e Território. Actas do IV. Encontro Nacional da APDR, (Coimbra 1998)] S. 475. 95 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 29. 96 http://www.portugaldiario.iol.pt/noticias/noticia.php?id=446770 11/2004.

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Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

6. Kommunale Raumordnungspläne Es gibt drei Arten kommunaler Raumordnungspläne.97 Einmal die Flächenwidmungspläne (Plano Director Municipal – PDM), welche das ganze Gemeindegebiet umfassen, dann die Städtischen Bebauungspläne (Plano de Urbanização – PU), die nur die städtischen Zonen betreffen. Schließlich die Punktuellen Bebauungspläne (Plano de Pormenor – PP), welche im Detail Ausschnitte aus den anderen Plänen behandeln. Es ist rechtlich möglich, dass PPs und PUs aufgestellt werden, ohne dass ein PDM vorhanden wäre. Alle drei Pläne haben Verordnungscharakter. Noch während des Estado Novo wurden Anfang der 1960er-Jahre Flächenwidmungspläne für Teile von Lissabon und Porto ausgearbeitet und 1971 erstmals Bebauungspläne eingeführt, die für die dichter verbauten Zentren von Siedlungen galten.98 Diese Pläne wurden allerdings vom damaligen Ministerium für öffentliche Arbeiten erstellt und nicht von den Gebietsgemeinden selbst. Letztere hätten auch nicht über die Fähigkeiten für solche Planungen verfügt.99 Seit 1984 gab es die PDM als entwicklungspolitisches Raumordnungsinstrument der Gebietsgemeinden. Allerdings wurde ihre Erstellung durch zwei Faktoren behindert, einmal waren die Verfahren dafür sehr aufwändig, zum zweiten waren die Gebietsgemeinden mit der Erstellung eines lokalen sozioökonomischen Entwicklungsplans für ihr Gebiet inhaltlich überfordert. In dieser Phase traten landesweit nur fünf PDM in Kraft. Nach dem EUBeitritt ging es darum, schnell Flächenwidmungen für das ganze Land zu bekommen, DL 69/1990 vereinfachte deshalb Verfahren und inhaltlichen Anspruch der Pläne in Richtung der bloßen Regelung der Bodennutzung.100 Vor allem wurden damals EU-Förderungen mit der Existenz von PDM verknüpft. Bis 1994 wurden so 109 PDM ratifiziert, in den Jahren bis 1999 weitere 140. Damit war eine flächendeckende Raumordnung in Portugal historisch zum ersten Mal gegeben.101 Ein Problem war, dass die PDM dieser Phase benutzt wurden, als gäbe es die untergeordneten Raumordnungsinstrumente PP und PU gar nicht. Die PDM waren daher einerseits zu detailliert und zu wenig strategisch, als ein97

DL 69/1990. DL 24.802/1934, DL 35.931/1946, DL 560/1971. 99 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 185. 100 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 101 Cruz, João Biencard: As singularidades dos PDM relativamente aos outros PMOT. Seminário „Ordenamento do território e revisão dos PDM“. Figueira da Foz, 8 e 9 de Julho de 2003 [in: www.anmp.pt, 2003]. 98

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zig realisiertes Raumordnungsinstrument aber zu wenig genau und nicht geeignet, die Verbauung zu steuern. Am ehesten noch in den Siedlungszentren, aber keinesfalls an den Siedlungsrändern und im ländlichen Raum, gaben sie dem kommunalen Handeln eine Richtschnur.102 Bei der Erstellung der PDM in den 1990er-Jahren gab es noch keine politische Erfahrung mit solchen Vorhaben, es wurden inhaltlich teilweise schlechte Entscheidungen getroffen, die auch technisch nicht optimal umgesetzt wurden. Allerdings begannen sich damit wenigstens staatliche und private Akteure an das Vorhandensein von Plänen zu gewöhnen.103 Die dabei gewonnenen Erfahrungen führten zu den Reformen von Lei 48/1998 und DL 380/1999.104 Portugal befindet sich damit in der Phase, in der die PDM auf Basis der neuen Rechtslage erstmalig revidiert werden.105 a) Flächenwidmungsplan (PDM) Die PDM haben heute einen entwicklungspolitisch-programmatischen und einen normativen Teil, der die Flächenwidmung festlegt und der praktisch bedeutsamere ist.106 Der sehr umfangreiche Inhalt eines PDM wird in Art. 85 DL 380/1999 aufgezählt. Die PDM sollen demnach den Zustand und die Chancen der Gebietsgemeinde beschreiben, alle überörtlichen Raumordnungsinstrumente für das Gemeindegebiet integrieren, den Umwelt- und Denkmalschutz planen, Flächen für spätere Infrastrukturbauten reservieren, zu enteignende Fläche festlegen sowie den Abbau von Bodenschätzen und andere wirtschaftliche Betätigung lokalisieren. Außerdem sollen sie die Politikfeldpläne sowohl des Staates als auch der Gebietsgemeinden miteinander koordinieren. Dies betrifft die Bereiche Straßenbau, öffentlicher Nahverkehr, Telekommunikation, Schulwesen, Abfallentsorgung, Sicherheitsverwaltung, Energie und Wasserversorgung.107 Dazu wird ein Zeitplan der öffentlichen Investitionen und ein Finanzierungsplan ange102

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 104 Cruz, João Biencard: As singularidades dos PDM relativamente aos outros PMOT. Seminário „Ordenamento do território e revisão dos PDM“. Figueira da Foz, 8 e 9 de Julho de 2003 [in: www.anmp.pt, 2003] S. 105 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 139. 106 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 100. 107 Art. 15 Abs. 2 Raumordnungsgrundlagengesetz, Art. 72 und 85 DL 380/1999. 103

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Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

schlossen.108 Trotz dieser Beschäftigung mit vielen einzelnen kommunalen Zukunftsfragen wird kaum jemals ein kompletter strategischer Entwicklungsplan für die Gebietsgemeinde entworfen.109 Auch die portugiesische Raumordnung kennt die grundlegende Unterscheidung zwischen Grünland und Bauland. Die PDM legen diese Widmung nach landesweiten Kriterien fest. Allerdings wird dadurch nur die vorwiegende Bodennutzung und nicht eine ausschließliche Nutzung vorgeschrieben.110 Ein PDM trifft keine städtebaulichen Entscheidungen, gibt aber gewisse Leitlinien für diese Entscheidungen vor. Diese Leitlinien schränken auch die Handlungsfreiheit der Gebietsgemeinden bei einem einzelnen Bauansuchen ein. Die vorwiegende Nutzung ist festgelegt, die Ausnahmemöglichkeiten stehen im Textteil des PDM. Oftmals haben auch die Raumplaner diese Texte gemacht, ohne juristisches Fachwissen zu besitzen, woraus Vollzugsprobleme resultierten.111 Insgesamt verbleibt sehr viel Spielraum bei der Behandlung einzelner Bauvorhaben. So werden sogar Entwicklungen möglich, die dem Grundkonzept des PDM widersprechen.112 In der Praxis sind die einzelnen PDM sehr unterschiedlich. Einige PDM sind so detailliert, als wären sie städtische Bebauungspläne (PP), andere sind wieder sehr allgemein gehalten.113 Ein PDM taugt aber nicht zur städtebaulichen Steuerung, dafür sind seine Konzepte zu weit. In vielen Fällen werden städtebauliche Entscheidungen über die PDM umgesetzt und die Ergebnisse sind dementsprechend schlecht. Faktische Entwicklung überlagern außerdem in städtischem Gebiet die PDM sehr leicht.114 Bei der Erstellung der PDM, die mindestens alle zehn Jahre neuerlich erfolgen muss, ist der Gebietsgemeindevorstand federführend.115 Die Be108

European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 19 u. 53. 109 Matos, António de Jesus Fernandes de: Ordenamento do território e seus instrumentos, S. 469–480 [in: APDR, Associação Portuguesa para o Desenvolvimento Regional. (Hg.): Ensino, Empresas e Território. Actas do IV. Encontro Nacional da APDR, (Coimbra 1998)] S. 475. 110 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 19; Art. 72 Abs. 1 DL 380/1999. 111 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 112 Matos, António de Jesus Fernandes de: Ordenamento do território e seus instrumentos, S. 469–480 [in: APDR, Associação Portuguesa para o Desenvolvimento Regional. (Hg.): Ensino, Empresas e Território. Actas do IV. Encontro Nacional da APDR, (Coimbra 1998)] S. 475. 113 Sá, Manuel Fernandes de: Planos Operativos de Escala Intermédia. Caracterização Técnica e Arquitectónica [in: Sociedade e Território, 33, S. 46–56, 2002] S. 50. 114 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003.

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gleitkommission wird per Ministererlass konstituiert und umfasst neben staatlichen auch gesellschaftliche Akteure. Kann in diesem Gremium keine Einigung erzielt werden, schließt sich eine einmonatige Abstimmungsphase an, während derer die Gebietsgemeinde Einzelverhandlungen führt. Der Gebietsgemeindevorstand organisiert dann die Bürgerbeteiligung und legt den PDM dafür 60 Tage öffentlich aus. Nach allfälligen Änderungen wird der fertige Entwurf des PDM der CCDR zu einer formellen und inhaltlichen Begutachtung vorgelegt. Nur wenn er die volle Zustimmung der CCDR findet, kann er der Gebietsgemeindevertretung zur Annahme vorgelegt werden. Nach der Annahme legt der Gemeindevorstand den PDM über die Generaldirektion für Raumordnung dem Ministerrat zur Genehmigung vor. Schließlich wird der PDM im Gesetzblatt publiziert und erlangt dadurch Gültigkeit.116 b) Städtischer und punktueller Bebauungsplan (PU/PP) Der städtische Bebauungsplan (PU) schreibt die Grenzen städtischer Bebauung, die Verbauungsdichte und die Nutzungsart von Gebäuden vor. Er verzeichnet denkmalgeschützte und öffentliche Gebäude sowie die öffentliche Infrastruktur.117 Der punktuelle Bebauungsplan (PP) regelt für ein kleines Gebiet im Detail die Nutzung und die technischen Bedingungen, unter denen Bauwerke errichtet werden dürfen: Bebauungsdichte, Anzahl der Geschosse, Nutzungsarten der Gebäude, Auflagen bei Renovierungen, Fassadengestaltung, Verkehrsanbindung, Gehwege und Parkordnung.118 Die Erstellung der PU und PP läuft ähnlich ab, wie die der übergeordneten PDM. Allerdings sind weniger staatliche Akteure daran beteiligt, weil deren Meinung ja schon im Rahmen der Erstellung des PDM berücksichtigt wurde. Daher wird keine Begleitkommission eingerichtet. Diese Funktion erfüllt die zuständige CCDR. Deren Bericht wird gemeinsam mit den von der Gebietsgemeinde vorgeschlagenen Plänen anderen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren vorgelegt. Diese können durch negative Stellungnahmen eine eigene Abstimmungsphase herbeiführen. Die Bürgerbeteiligung ist analog der PDM-Erstellung geregelt.119 Ist allerdings kein gültiger PDM vorhanden, ist das Verfahren zur Erstellung der PU und PP gleich 115 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 190 f. 116 Art. 75 ff. DL 380/1999. 117 Art. 87 ff. DL 380/1999. 118 Art. 90 ff. DL 380/1999. 119 Art. 75 Abs. 7 und Art. 76 Abs. 5 DL 380/1999.

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Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

aufwändig wie bei einem PDM.120 Diesfalls übernehmen gesamtstaatliche Akteure die Federführung. Allerdings waren diese mit PU und PP nie sonderlich zufrieden, scheuten den Aufwand und setzten sie deshalb kaum ein. Seitdem es flächendeckende PDM gibt, werden auch von den Gebietsgemeinden nur wenige PU und PP erstellt, weil sie die Kosten scheuen, die Notwendigkeit nicht einsehen und ihnen das Thema schlichtweg egal ist.121 Die wenigen erstellten PU und PP haben auch noch nicht die wünschenswerte fachliche Qualität. Insgesamt kommt es aber langsam zu Verbesserungen.122 Wenn überhaupt, werden von den Gebietsgemeinden in der Praxis PP erstellt und die PU gemieden.123 Der Grund ist, dass es weniger Aufwand bedeutet, für ein konkretes Investitionsprojekt auf einer Parzelle einen PP zu erstellen, als für ein ganzes Viertel einen PU in Angriff zu nehmen. Damit wird zwar der sehr allgemeine PDM respektiert, aber letztlich gebaut, ohne dass jemals in einem PU die städtebaulichen Grundsatzentscheidungen für die Zone getroffen worden wären.124 Das Ergebnis ist, dass mittlerweile alle Gebietsgemeinden PDM haben, aber im urbanen Raum mit den größten raumordnerischen Problemen die PU fehlen.125 7. Hierarchie der Pläne Fraglich ist das Verhältnis gesamtstaatlicher Pläne zu den kommunalen sowie der gesamtstaatlichen Raumentwicklungsinstrumente untereinander. Die Rechtslage ist nicht eindeutig, sodass auch die Lehre geteilter Meinung ist. Eine Ansicht besagt, dass die Pläne des Gesamtstaates denen der Gebietsgemeinden genauso übergeordnet sind wie regionale Pläne den lokalen bzw. Spezialpläne den Allgemeinen.126 Eine andere Meinung geht in Anlehnung an die französische Doktrin davon aus, dass die PDM zwar gegen die PROT nicht direkt verstoßen dürfen, aber bloß „kompatibel“ sein müssen. Den Gebietsgemeinden verbleibt daher relativ großer Spielraum, die 120 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 54. 121 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 122 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 123 Sá, Manuel Fernandes de: Planos Operativos de Escala Intermédia. Caracterização Técnica e Arquitectónica [in: Sociedade e Território, 33, S. 46–56, 2002] S. 51. 124 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 125 Comissão de Coordenação da Região Norte (Hg.): O estado do ambiente e do ordenamento do território na Região do Norte (Porto 1995) S. 69. 126 Pardal, Sidónio et al.: A Hierarquia dos Planos, S. 109–122 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanística Volume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 112.

B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung

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vorgegebenen Planungslinien selbst auszugestalten. Das Verhältnis der kommunalen Raumordnungspläne untereinander wird hingegen in Anlehnung an DL 69/1990 mit dem Begriff „Konformität“ umschrieben.127 Ein Autor vertritt die Meinung, dass es keine Hierarchie zwischen den einzelnen Plänen gebe, sondern lediglich Aufsichts- und Mitwirkungsrechte der Akteure, welche die Pläne erstellen. Eine weitere Meinung geht davon aus, dass jeder Plan andere Ziele und andere Inhalte hat, weshalb es eigentlich zu gar keinen inhaltlichen Widersprüchen kommen könne. Allerdings wird die funktionale Trennung zwischen den einzelnen Planarten bisher nicht eingehalten, woraus die Schwierigkeiten entstünden. Regionale Raumordnungspläne (PROT) können so ins Detail gehen wie ein kommunaler Raumordnungsplan (PDM) und letztere können die technischen Eigenschaften von Bauwerken so vorschreiben wie ein punktueller Bebauungsplan PP.128 Folgt man Art. 9 f. Lei 48/1998 bzw. Art. 23 ff. DL 380/1999, kommt man zu folgender Einschätzung: Im Bereich des Gesamtstaates derogiert der nationale Raumordnungsplan allen anderen Plänen. Regionale Raumordnungspläne und Politikfeldpläne werden aufeinander abgestimmt, wobei zwischen ihnen die Lex-prior-Regel gilt. Nach Art. 23 u. 25 DL 380/1999 sind normalerweise regionale Raumordnungspläne und Politikfeldpläne den Spezialplänen übergeordnet. Umgekehrt können allerdings Spezialpläne Teile der andern Pläne abändern, wenn dies ausdrücklich angeordnet ist. Interkommunale Pläne gehen solchen kommunaler Natur vor. Die Raumordnung der Gebietsgemeinden ist den Planungsinstrumenten des Gesamtstaates nach Art. 23 DL 380/1999 untergeordnet. Mit Zustimmung der Begleitkommission und der CCDR können aber kommunale Raumordnungspläne die regionalen Raumordnungspläne abändern. Neue Raumentwicklungsinstrumente müssen laut Art. 25 Abs. 1 DL 380/1999 angeben, inwieweit bestehende Raumordnungspläne an sie angepasst werden müssen. Diese Normenhierarchie in formeller Hinsicht wird durch Art. 10 Abs. 5 DL 380/1999 in materieller Hinsicht relativiert: Bei der Erstellung neuer Pläne müssen bereits vorhandene Pläne gleich welcher Hierarchiestufe einbezogen und die darin getroffenen Entscheidungen berücksichtigt werden. Auch Art. 20 Abs. 5 DL 380/1999 weist in die gleiche Richtung: Der Gesamtstaat muss bei Erstellung seiner Spezialpläne bereits existierende Raumordnungspläne der Gebietsgemeinden berücksichtigen. Allfällige Änderungen werden mit den Gebietsgemeinden auch unter einer Fristsetzung vereinbart. 127 128

Alves Correia zitiert in: Ibid. S. 112. Ibid. S. 113 u. 115 f.

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Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

Allgemein ermöglicht es Art. 80 Abs. 3 DL 380/1999 dem Gesamtstaat bei der Genehmigung kommunaler Raumordnungspläne, die Bindungswirkung gesamtstaatlicher Raumordnungsinstrumente aufzuheben. Es können also PDM genehmigt werden, die gegen PROT, Politikfeldpläne oder interkommunale Raumordnungspläne verstoßen. Außerdem PP oder PU, die gegen PDM verstoßen. Eine Interviewpartnerin führte die Hierarchieprobleme darauf zurück, dass die hierarchisch eigentlich übergeordneten Pläne zeitlich nach den PDM erstellt wurden.129 Ein Mitarbeiter einer Regionaldirektion für Raumordnung bestritt Probleme mit der Hierarchie der Pläne in der Praxis. Wenn ein neuer Plan gegen einen übergeordneten verstößt, muss er angepasst werden, oder der Übergeordnete wird angepasst. Man weiß stets, welcher Plan anzuwenden und gültig ist.130 Der Generaldirektor für Raumordnung meinte, dass es in der Theorie diese Probleme seit der Reform von 1998 nicht mehr gibt. In der Praxis werden Änderungen in einem Plan nicht immer sofort in einem anderen nachvollzogen, wodurch Widersprüche entstehen können.131 Meiner Einschätzung nach ist die Frage der Hierarchie der Pläne juristisch lösbar, was den beteiligten Akteuren aber nicht klar ist. Deshalb herrscht Unsicherheit, Interessenkonflikte zwischen den Akteuren sind nicht endgültig gelöst, es entsteht wenig Vertrauen. Dies wird durch die schwache Bestandskraft der Hierarchie der Raumordnungsinstrumente gegenüber den Entscheidungen gesamtstaatlicher Akteure verstärkt. Betrachtet man Raumordnungspläne aber als einen verbindlichen Kompromiss zwischen den Akteuren, führt eine geringe Bestandskraft dazu, dass sich überhaupt niemand an den Kompromiss gebunden fühlt. 8. Bestandskraft der Pläne Der Bestandskraft der Pläne sind die Art. 93 ff. DL 380/1999 idF DL 310/2003 gewidmet. Art. 101 DL 380/1999 behandelt die Nichtigkeit und lautet unter der Überschrift „Allgemeines Prinzip“: Die Kompatibilität der einzelnen Raumordnungsinstrumente ist Voraussetzung für ihre Geltung.132 Dies wird in 129

Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 131 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 132 „Art. 101: Princípio Geral: 1. A Compatibilidade entre os diversos instrumentos de gestão territorial é condição da respectiva validade.“ 130

B. Einführung in das Politikfeld Raumordnung

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Art. 102 DL 380/1999 wiederholt, wonach alle Raumordnungsinstrumente nichtig sind, die inhaltlich anderen Raumordnungsinstrumenten widersprechen, mit denen sie eigentlich übereinstimmen müssten. Damit wird ein inhaltliches Kriterium zur Voraussetzung für die formelle Geltung einer Norm gemacht, was der Rechtssicherheit völlig abträglich wäre. In Art. 102 Abs. 2 DL 380/1999 ist allerdings von der Aufhebung solcher Raumordnungsinstrumente die Rede, sodass davon auszugehen ist, dass sie so lange formell gültig bleiben, bis sie aufgehoben werden. Als Revision wird die periodische Anpassung der für private Akteure unmittelbar bindenden Raumordnungsinstrumente bezeichnet, die mindestens alle zehn Jahre zu erfolgen hat. Sie erfolgt analog der Erstellung. Unter außergewöhnlichen Umständen können Raumordnungsinstrumente im öffentlichen Interesse suspendiert werden, wobei dem Ministerrat dabei eine Schlüsselstellung zukommt. Auch kommunale Raumordnungspläne können von ihm suspendiert werden. Falls die Initiative für diese Suspendierung vom Gesamtstaat ausgeht, geschieht sie durch Gesetzesdekret des Ministerrats. Die Gebietsgemeinden werden dabei nur angehört. Kommt die Initiative von der Gebietsgemeinde, geschieht dies durch Entschluss der Gebietsgemeindevertretung auf Antrag des Gebietsgemeindevorstands und mit Genehmigung des Gesamtstaats.133 Eine erste Abänderung von für private Akteure bindenden Raumordnungsinstrumenten kann im Normalfall erst drei Jahre nach ihrer Erstellung erstmals erfolgen. Später bei Änderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung jederzeit, wobei die Abänderung analog dem Erstellungsvorgang vor sich geht. Ein vereinfachtes Abänderungsverfahren besteht darin, dass der zuständige Akteur sein Raumordnungsinstrument selbständig anpasst und darüber die CCDR informiert. Es gilt immer dann, wenn durch eine Änderung der Rechtslage oder die Verabschiedung eines neuen Raumordnungsinstruments Teile bestehender Pläne unmittelbar geändert werden und diese Änderungen bloß in die Unterlagen eingetragen werden müssen. Dies kann durch kommunale Raumordnungspläne oder Spezialpläne geschehen, durch neu erlassene PROT gegenüber kommunalen Raumordnungsinstrumenten und zwischen früheren und späteren Politikfeldplänen.134 Im 133 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 24. 134 Art. 93 ff. DL 380/1999; Ein Widerspruch in sich ist, dass in Art. 97 Abs. 1 lit. a DL 380/1999 ein vereinfachtes Abänderungsverfahren bestehender Raumordnungsinstrumente vorgesehen ist, wenn widersprechende kommunale Raumordnungsinstrumente oder Spezialpläne erlassen werden. Gleichzeitig normiert Art. 95 Abs. 2 DL 380/1999, dass in diesem Fall bestehende Raumordnungsistrumente automatisch geändert werden, was das beschriebene vereinfachte Änderungsverfahren überflüssig machen würde.

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Kap. 3: Politikfelder Umwelt und Raumordnung

Gesetz ist in diesen Fällen nur von der Veröffentlichung dieser Änderungen, nicht aber von einer Genehmigung durch die Regierung die Rede, da diese Genehmigung ja schon in der Genehmigung des abändernden Planes zum Ausdruck gekommen ist. Ein Interviewpartner war der Meinung, dass die Regeln für die Abänderung der Dynamik der Raumordnung nicht gerecht werden. Es ist beinahe so langwierig, einen ganzen Plan neu zu erstellen, wie eine Kleinigkeit zu ändern.135 Mit DL 310/2003 wurde DL 380/1999 reformiert, um punktuelle Abänderung von kommunalen Raumordnungsplänen zu erleichtern und zu beschleunigen, vor allem wenn neue strategische Kriterien auftauchten, die bei Planerstellung noch nicht berücksichtigt werden konnten, und für Infrastrukturbauten und öffentliche Einrichtungen. Das Spannungsverhältnis zwischen Flexibilität für die staatlichen Akteure und der Rechtssicherheit für die Bürger wird vom Gesetzgeber als Problem in der Präambel erwähnt, im weiteren Verlauf von DL 310/2003 aber nicht näher ausgeführt.

135

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003.

Kapitel 4

Steuerung gesamtstaatlicher Akteure Nach der Analyse der Akteure, ihrer Konstellation und zweier ausgewählter Politikfelder wird auf Ebene der Interaktionen in Kapitel 4 die Steuerung gesamtstaatlicher Akteure analysiert. Im Jahr 2004 hatte der portugiesische Gesamtstaat 538.000 Beschäftigte und ein Budget von 57 Mrd. e. Bei diesen Größenordnungen versteht es sich von selbst, dass sich der Gesamtstaat in eine Vielzahl einzelner Akteure gliedert, die alle in unmittelbarer oder mittelbarer Weise von der gesamtstaatlichen Regierung gesteuert werden. Um diese komplexe Steuerung innerhalb der nationalen Verwaltung darzustellen, muss sie analytisch weiter unterteilt werden: • Im Abschnitt A. wird dazu zwischen Politikfeldakteuren und Territorialakteuren unterschieden. • In Abschnitt B. werden unterschiedliche Steuerungsebenen analysiert. • In Abschnitt C. und D. erfolgt die Analyse an Hand der Politikfelder Umwelt und Raumordnung.

A. Trend zu Territorialakteuren Unter Politikfeldakteuren wird hier ein Akteur verstanden, dessen sachliche Zuständigkeit durch ein bestimmtes Politikfeld oder dessen Teile begrenzt ist. Seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich teilt er sich mit anderen Akteuren, ohne Gesamtverantwortung für ein bestimmtes Territorium zu übernehmen. Im Gegensatz dazu steht bei einem Territorialakteur die Verantwortung für seinen örtlichen Zuständigkeitsbereich im Vordergrund. Er ist für mehrere Politikfelder in einem bestimmten Territorium zuständig, sodass er in der Kombination dieser Politikfelder und der Koordination weiterer Politikfeldakteure eine gewisse Gesamtverantwortung für ein Territorium übernimmt. Gebietskörperschaften sind typische Beispiele stark ausgeprägter Territorialakteure. In Portugal sind fast alle staatlichen Akteure Politikfeldakteure. Die Frage ist, ob es daneben noch Akteure gibt, die genug Ressourcen und Zuständigkeiten haben, um eine Gesamtverantwortung für bestimmte Territorien wahrzunehmen. Dies ist für die Gebietsgemeinden zu bejahen, auch wenn sie schwache Territorialakteure sind. Bei den CCDR ist die Entwicklung zu einem Territorialakteur seit Jahren im Gange.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

Schon im Estado Novo dominierten gesamtstaatliche Politikfeldakteure den portugiesischen Staat.1 Innerhalb dieser Politikfeldakteure finden Interaktionen vor allem in der Form hierarchischer Steuerung statt und sind besonders intensiv. Die Interaktion mit anderen Politikfeldakteuren bleibt demgegenüber zurück. Noch weniger Interaktion gibt es mit gesellschaftlichen oder privaten Akteuren: Bei einer Umfrage 2001 gaben 18% der gesamtstaatlichen Akteure an, keine Interaktion mit anderen staatlichen Akteuren zu haben, 44% hatten lediglich Interaktionen mit staatlichen Akteuren desselben Politikfelds und nur die verbleibenden 38% interagierten auch mit staatlichen Akteuren anderer Politikfelder.2 Auch in einem Papier zur Verwaltungsreform wurde 2003 festgestellt, dass es zu wenig Informationsaustausch zwischen staatlichen Akteuren unterschiedlicher Politikfelder gibt.3 Noch deutlicher fallen die Ergebnisse bezüglich der Interaktion mit privaten und gesellschaftlichen Akteuren aus: 78% gaben an, keinerlei Interaktionen mit solchen Akteuren zu haben, 20% interagierten mit nichtstaatlichen Akteuren ihres Politikfelds und nur 2% mit solchen anderer Politikfelder. Im Vergleich zu gesamtstaatlichen Akteuren in der Hauptstadt und in den Distrikten haben gesamtstaatliche Akteure, deren örtlicher Zuständigkeitsbereiche den CCDR-Regionen entsprechen, noch am meisten Interaktion mit Akteuren anderer Politikfelder und mit gesellschaftlichen und privaten Akteuren. Obwohl von dieser Umfrage Akteure, die ausschließlich der Serviceerbringung an die Bürger dienen, ausgeschlossen waren, ergibt sich das Bild von auf sich selbst und ihr Politikfeld bezogenen staatlichen Akteuren.4 Dazu kommt noch, dass aus kulturellen Gründen Interessenkonflikte tendenziell nicht klar angesprochen und offen ausgetragen werden und es an Institutionen zur Konfliktbereinigung zwischen staatlichen Akteuren weitgehend fehlt.5 Der Gesamtstaat steht also vor dem Kernproblem, seine vielen Politikfeldakteure zu koordinieren und damit verschiedene Politikfelder sinnvoll für ein Territorium zu integrieren. Einmal für das ganze Land zur Verteilung von Ressourcen und der Aufstellung von landesweiten Normen und Plänen und zweitens bei deren Umsetzung außerhalb der Hauptstadt vor 1 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 29. 2 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 148. 3 http://www.portugal.gov.pt/pt/Documentos/20030624_Reforma_AP.htm 07/2003. 4 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 148 u. 172. 5 Farias, João: Interview am 14. August 2003.

A. Trend zu Territorialakteuren

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Ort. Das Problem der Koordination auf nationaler Ebene zeigt sich deutlich seit dem EU-Beitritt, da seither koordinierte nationale Interessen in Brüssel vertreten werden müssen.6 Das Problem der Koordinierung vor Ort zeigt sich bei einzelnen gesamtstaatlichen Projekten und Investitionen, wo ein Politikfeldakteur nicht weiß, was der andere genau vorhat. Zahlreiche Politikfelder an nur einem Punkt koordinieren zu wollen, erfordert einen sehr gut funktionierenden Staatsapparat. Ist dies nicht gegeben, ergeben sich gravierende Probleme. Besser wäre es dann, um kleinere politische Zentren überschaubare Apparate an überschaubaren Problemen arbeiten zu lassen, wie es etwa das Ergebnis einer Regionalisierung sein könnte. Bisher soll die Koordination der Politikfeldakteure auf nationaler Ebene durch Koordinierungskommissionen und Pläne gelöst werden, die von allen gesamtstaatlichen Akteuren berücksichtigt werden sollen. Da auf nationaler Ebene selbst ein kleines Politikfeld zu einer komplexen Materie mit vielen beteiligten Akteuren wird, bedarf die landesweite Koordination eines ganzen Planungssystems. So lässt sich die Tradition der aufwändigen Pläne durch die vielen Politikfeldakteure erklären. In der Praxis wird das Planungssystem durch persönliche und politische Beziehungen ergänzt. Bildet man einzelne Politikfelder durch die Schaffung von Politikfeldakteuren ab, erhält man für jedes einen staatlichen Akteur, der nur die Interessen seines eigenen Politikfelds vertritt. Das Ergebnis ist eine inhaltliche Ausrichtung der Politik auf Politikfelder und nicht auf Territorien.7 Dadurch können staatliche Akteure Ziele in ihrem Politikfeld erreichen, obwohl sie einzelne Regionen vernachlässigen. In diesem Konflikt verlieren vor allem periphere Regionen, die keine regionalen Interessenvertreter haben. Ein Beispiel sind die EU-Mittel, die vor allem in die stärker entwickelten Regionen fließen, weil dort auch die handelnden Politikfeldakteure ihren institutionellen Schwerpunkt haben.8 Ein weiteres Problem besteht in der Vervielfachung institutioneller Eigeninteressen. Allgemein kann man Akteuren als institutionelle Eigeninteressen unterstellen, dass sie für sich Entscheidungsfreiheit und Ressourcen sichern wollen.9 Die Vielzahl der relativ autonomen gesamtstaatlichen Politikfeldakteure führt dabei zwangsläufig zu einer Vervielfachung der institutionellen Eigeninteressen. So benötigt jedes der fünf Institute im Politikfeld Um6 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 27. 7 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 8 Comissão de Coordenação da Região Norte (Hg.): O estado do ambiente e do ordenamento do território na Região do Norte (Porto 1995) S. 133. 9 Scharpf, Fritz Wilhelm: Interaktionsformen. Akteurzentrierter Institutionalismus in der Politikforschung (Opladen 2000) S. 117.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

welt schon aus Statusgründen einen Leiter im Rang eines Generaldirektors und zwei Stellvertreter. Ob dies sachlich in jedem Fall notwendig ist, spielt eine sekundäre Rolle. Ein anderes Beispiel ist, dass das Wasserinstitut (INAG) eine Verwaltung nach Flussgebietseinheiten und eine einzige Behörde mit alleiniger Zuständigkeit für die Wasserverwaltung fordert.10 Dafür mag es auch sachliche Gründe geben. Klar ist aber, dass das INAG sich selbst als diese alleinzuständige Behörde sieht und eigene Unterbehörden für jede Flussgebietseinheit haben möchte. Aus ähnlichen Gründen argumentieren Akteure des Gesamtstaates häufig für zentralistische Lösungen. Untereinander in Konkurrenz um knapper werdende Ressourcen, sind sie nicht bereit, diese an die Gebietsgemeinden oder gesellschaftliche Akteure abzugeben. So argumentiert das INAG, dass eine zentrale nationale Wasserbehörde nötig sei, um Vorschläge und Beschwerden der Bürger zu sammeln und an die richtigen Dienststellen weiterzuleiten.11 Was in föderalen oder regionalisierten Staaten selbstverständlich ist, stellt in Portugal eine relativ junge Entwicklung dar: ein Trend zu einer stärkeren Berücksichtigung territorialer Aspekte und damit zu territorialen Akteuren, wie er etwa im Regierungsprogramm von 1999 zum Ausdruck kommt.12 Entwicklungspolitik oder regionale Politik werden zunehmend nicht als eigene Politikfelder verstanden, sondern als Integration anderer Politikfelder.13 Weiters erkennt man, dass man nur in Bezug auf ein konkretes Territorium verschiedene Politikfelder integrieren und unterschiedliche staatliche Akteure koordinieren kann.14 Diese Erkenntnis hat auch zu einem gewissen Gewinn an Zuständigkeiten für die Gebietsgemeinden geführt, so wurden 2003 von einem spezialisierten Politikfeldakteur 16.000 Wohnungen in die Verwaltung der Gebietsgemeinden übertragen.15 Der Einfluss der EU ist hier widersprüchlich. Einerseits führte die EU-Regionalpolitik dazu, die CCDR-Regionen als NUTS II zu deklarieren, eigene Regionalprogramme für sie einzurichten und die CCDR zum Vollzug dieser Programme zu befä10 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.2. 11 Ibid. Volume 1, Capitulo II, 12.3.2.4. 12 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório (o. O. Final 2001) S. 8. 13 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 142. 14 Präambel zu DL 104/2003. 15 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-41.

A. Trend zu Territorialakteuren

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higen, andererseits fließt der Großteil der EU-Mittel in Programme, die einzelnen Politikfeldern entsprechen und von gesamtstaatlichen Politikfeldakteuren umgesetzt werden. Hier stärken die zusätzlichen EU-Ressourcen die vorhandenen starken Politikfeldakteure. Der augenfälligste Ausdruck des Trends zu Politikfeldakteuren ist aber die Stärkung der CCDR und die zunehmende Koordinierung anderer gesamtstaatlicher Akteure durch sie. Die Ursache für die Gründung der CCDR war, wie der Name „Koordinierungskommission“ schon sagt, die Koordinierung gesamtstaatlicher Politikfelder und damit Politikfeldakteure für ihre CCDR-Region. Dies war für die in Politikfeldern organisierte Regierung von großer Wichtigkeit. Da die Grundidee der CCDR aber die Koordination für ihre CCDR-Region war, konnte man nicht bei einigen Politikfeldern Halt machen. Deshalb übernehmen die CCDR auch Aufgaben, die über ihre eigentlichen Kompetenzen hinausgehen, was auch auf konkrete Anfragen anderer staatlicher Akteure zurückzuführen ist.16 Ein weiterer Grund für die Bewährung der CCDR in der Praxis ist, dass ihr örtlicher Zuständigkeitsbereich den Notwendigkeiten der regionalen Koordinierung entspricht. Wirklich näher kommt man der Ausbildung der CCDR als Territorialakteure jüngst durch die Verbindung der Politikfelder Umwelt, Raumordnung mit der Regionalentwicklung. Dies wird insgesamt die CCDR sehr stärken und neue Dynamik in ihre Arbeit bringen. Projekte werden schneller umgesetzt werden und die Ergebnisse besser sein. Zusätzliches Gewicht als Territorialakteure gewinnen die CCDR durch ihre enge Interaktion mit den Gebietsgemeinden und in jüngster Zeit durch den Vorschlag des CCDR-Präsidenten durch die Gemeinden. Dadurch wurde die Sonderstellung der CCDR gegenüber anderen gesamtstaatlichen Akteuren hervorgehoben, sodass man schon von Institutionen spricht, die sich zwischen den Gemeinden und dem Gesamtstaat befinden.17 Die CCDR haben es allerdings bisher nicht geschafft, die gesamtstaatlichen Akteure in ihrer CCDR-Region zu koordinieren.Genau dies forderte 2001 eine Reformkommission auf Ebene der Distrikte für den Distriktsgouverneur und auf Ebene der CCDR-Regionen für den CCDR-Präsidenten. Letzterer soll einem Unterstaatssekretär gleichgestellt werden, womit er an den Treffen der Staatssekretäre teilnehmen könnte und den Dienststellenleitern in seiner CCDR-Region übergeordnet wäre. Seine Aufgabe soll es sein, 16 Leão, Teresa Ponçe: Atribuições e Competências Regionais e Municipais na Área do Planeamento e da Administração do Território, S. 1–17 [in: CCRN, Comissão de Coordenação da Região do Norte (Hg.): Contributos para o debate sobre regionalização/descentralização administrativa. Documento 10, (Porto 1997)] S. 5. 17 Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

die Interessen der CCDR-Region gegenüber der Regierung zu vertreten und die Regierungspolitik gegenüber den Akteuren in seiner CCDR-Region.18 Letztlich liefe dieser Vorschlag auf eine Territorialisierung der CCDR-Region hinaus, weil mit einem Unterstaatssekretär ein politisches Organ für ein Gebiet verantwortlich sein soll. Dies hatte die Regierung Gutierrez mit DL 265/2001 umzusetzen versucht, wodurch die Präsidenten der CCDR in den Rang von Unterstaatssekretären erhoben wurden. Allerdings wurde dieses Dekret in der Praxis nie umgesetzt und nach den kurz darauf folgenden Neuwahlen von der neuen Regierung aufgehoben.19 Auch der mit demselben DL 265/2001 eingerichtete Koordinierungsrat, welcher als Kollegialorgan die gesamtstaatlichen Akteure in den CCDR-Regionen koordinieren sollte, wurde zwei Jahre später mit DL 104/2003 wieder abgeschafft. Im Jahr 2003 griff die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden in ihrer Stellungnahme zu DL 104/2003 diese Vorschläge wieder auf und forderte deren Verwirklichung.20 Begründet wird diese Forderung auch damit, dass endlich klar sein sollte, wer in der Region das Sagen habe, und vor wem die Konflikte gesamtstaatlicher Akteure in der Region auszutragen seien. Zurzeit stehen die Präsidenten der CCDR im Rang eines Generaldirektors, sodass es keine Über- oder Unterordnung im Vergleich zu den Generaldirektionen anderer Ministerien gibt. Hierarchisch unterstellt sind sie nur dem Staatssekretär und dem Minister ihres eigenen Ministeriums und nicht etwa direkt dem Ministerpräsidenten, was zusätzlich die Koordinierung von gesamtstaatlichen Akteuren anderer Ministerien erschwert. Was bleibt, sind informelle Koordinierungsmechanismen wie die Tatsache, dass die CCDR die EU-Regionalprogramme direkt verwalten. Aber das ist nur ein relativer Einfluss, da die Dienststellen anderer Ministerien viel Widerstand dagegen leisten, dass ihre EU-Projekte von der jeweiligen CCDR beeinflusst werden.21 Außerdem müssen bei Übertragung von Zuständigkeiten und Ressourcen auf mittelbare gesamtstaatliche Akteure Legitimationsprobleme gelöst werden. Auch im Fall der CCDR steht der Entwicklung zu territorialen Akteuren die Grenze der fehlenden eigenen politischen Legitimation entgegen. Ohne diese können sie z. B. weder im Wohnbau noch im Tourismus auf regiona18 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 15. 19 Fundació Carles Pi i Sunyer d’Estudis Autono ` mics i Locals (Hg.): La Reforma de la Organización Territorial de la Administracio`n del Estado Portuguès 2002) S. 32. 20 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Projecto de DL que cria as CCDR. DL 104/2003, (2003). 21 Farias, João: Interview am 14. August 2003.

B. Unterschiedliche Steuerungsebenen

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ler Ebene eigene politische Strategien entwickeln.22 Die Integration mehrerer Politikfelder und der Ausgleich sich widersprechender öffentlicher Interessen sind eminent politische Vorgänge, die sich nicht auf bloß sachliche Argumente reduzieren lassen. Wenn dies von den CCDR geleistet werden soll, brauchen sie früher oder später eine eigene rechtliche Legitimation. Natürlich wird der Präsident einer CCDR von der Regierung ernannt und es besteht damit eine Legitimationskette bis zur direkt gewählten Nationalversammlung, aber diese Wahlen finden auf nationaler Ebene statt und können daher schwerlich eine bestimmte Politik für eine Region legitimieren, in der die Mehrheit der nationalen Ebene womöglich gar nicht existiert. Ein erster Schritt, dieses Problem zu lösen, ist das Vorschlagsrecht der Bürgermeister der CCDR-Region für das Amt des CCDR-Präsidenten.

B. Unterschiedliche Steuerungsebenen In jedem Staatswesen ist die Steuerung staatlicher Akteure durch politisch legitimierte Organe eines der zentralen Themen. Die Größe und Zentralisierung des Verwaltungsapparats, politische Instabilität und dominierendes Fachwissen der Verwaltung können diese Steuerung erschweren.23 Um die Steuerung der Verwaltung durch die Politik in Portugal zu untersuchen, wird in der Folge innerhalb des Gesamtstaats analytisch zwischen politischen Organen und der Verwaltung getrennt und vier Steuerungsebenen unterschieden, nämlich die Steuerung über Normen, Pläne, Finanzen und Personen.24

I. Steuerung gesamtstaatlicher Akteure über Normen Wie in einem Rechtsstaat nicht anders zu erwarten, sind die wesentlichen Handlungsorientierungen gesamtstaatlicher Akteure in Portugal rechtlicher 22 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 92 u. 97. 23 Caupers, João: A administração periférica do Estado. Estudo de ciência da administração. Dissertação de doutoramento em ciências jurídico-políticas na Faculdade de Direito da Universidade de Lisboa (Lisboa 1993) S. 136. 24 Schuppert, Gunnar Folke: Verwaltungswissenschaft. Verwaltung, Verwaltungsrecht, Verwaltungslehre (Baden-Baden 2000) S. 455 ff.; Bei Schuppert werden in Anlehnung an Frido Wagener Steuerung über Normen und Pläne zu einer Kategorie zusammengefasst und dafür Organisation als eigene Steuerungsebene eingeführt. Da der Aspekt der Organisation in dieser Arbeit in der Akteursperspektive bereits ausreichend berücksichtigt wird und das Politikfeld Raumordnung eine stärkere Berücksichtigung von Plänen nahelegt, wurde das Thema Organisation in die normative Steuerung eingegliedert und Pläne als eigenständige Steuerungsebene eingeführt.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

Natur. Die unterschiedlichen Arten von Normen werden bei der Interaktion zwischen staatlichen und privaten Akteuren im Kapitel 7 Abschnitt „A. Normative Grundlagen der Interaktion“ geschlossen dargestellt. Prägend für die normative Steuerung staatlicher Akteure in Portugal ist, das ähnlich wie in Frankreich sehr weitgehende Recht der Regierung im Gesetzesrang stehende Decretos-Leis zu erlassen. Dadurch hat die Regierung ohne die Nationalversammlung raschen Zugriff auf die normative Steuerung. Allerdings ist auch in Portugal festzustellen, dass die von der Regierung erlassenen Normen von der Verwaltung erstellt werden. Dadurch ist Letztere an der inhaltlichen Erstellung der Normen beteiligt und gleichzeitig Normunterworfener und entzieht sich so wieder ein Stück weit der normativen Steuerung durch die politischen Organe.25 Das zentrale Gesetz im Verwaltungsverfahren ist das portugiesische Verwaltungsverfahrensgesetz DL 442/1991, dessen erster Entwurf auf das Jahr 1980 zurückgeht. Vorbilder waren sowohl das spanische, US-amerikanische, österreichische als auch das bundesdeutsche Verwaltungsverfahrensrecht.26 Wie in anderen Ländern wird daneben zur Regelung der Organisation staatlicher Akteure und ihrer Interaktion untereinander und mit Privaten immer mehr Privatrecht eingesetzt. Verwaltungsreformvorhaben der letzten Jahre betonten immer wieder die Einführung von Steuerung nach Zielen und die Kontrolle der Erreichung dieser Ziele. Mit Lei 10/2004 wurde die entsprechende Rechtsgrundlage dafür geschaffen.27 Auffällig war in Portugal aber schon bisher die Vielzahl detaillierter Staatszielbestimmungen in der Verfassung und in den Präambeln einfacher Gesetze. Da Zielvorgaben auch in den Normtexten vorkommen, kann man teilweise schwer unterscheiden, was der normativ verbindliche Teil eines Textes ist, und was politische Absichtserklärung. Die Untersuchung einer Reformkommission ergab 2001 jedenfalls, dass vielen gesamtstaatlichen Akteuren ihre spezielle Aufgabe nicht klar war und sie stattdessen eine Mehrzahl unterschiedlicher Aufgaben verfolgten, die nicht immer in ihren Rechtsgrundlagen vorgesehen waren. Das Ergebnis waren unzählige Überlagerungen und doppelte Zuständigkeiten.28 25 Caupers, João: A administração periférica do Estado. Estudo de ciência da administração. Dissertação de doutoramento em ciências jurídico-políticas na Faculdade de Direito da Universidade de Lisboa (Lisboa 1993) S. 136. 26 Präambel Verwaltungsverfahrensgesetz (DL 442/1991). 27 http://www.dgap.gov.pt/2pap/home_padm.htm 03/2003. 28 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 11.

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Strukturelle Probleme beim Vollzug von Normen werden im Kapitel 7 Abschnitt „B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure“ behandelt. Hier sei darauf verwiesen, dass auch bei der Steuerung staatlicher Akteure die Hauptursachen der Probleme in unverständlichen Normtexten und mangelnden Ressourcen für die Kontrolle liegen. Allerdings sind die Vollzugsdefizite bei staatlichen Akteuren geringer ausgeprägt als bei Privaten. Probleme bei der normativen Steuerung werden durch eine intensive Steuerung über Pläne, Finanzen und politische Postenvergabe zu beheben gesucht. 1. Zuständigkeit Auch im portugiesischen öffentlichen Recht unterscheidet man die Zuständigkeiten einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (atribuição = Verbandszuständigkeit) von der Zuständigkeit ihrer einzelnen Organe (competênica = Organzuständigkeit). Obwohl die einzelnen Ministerien nicht als juristische Personen des öffentlichen Rechts angesehen werden, behandelt der Gesetzgeber die Zuständigkeiten der einzelnen Ministerien als getrennte Verbandszuständigkeit. Daher ist ein Ministerium zur Ausübung der Zuständigkeit eines anderen Ministeriums absolut unzuständig. Für Zuständigkeitskonflikte zwischen Exekutive, Judikative und Legislative gibt es einen eigenen Senat, das Tribunal de Conflitos, das beim Obersten Verwaltungsgericht eingerichtet ist. Konflikte zwischen zwei Ministerien entscheidet allein der Ministerpräsident ohne Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten. Bei Zuständigkeitskonflikten zwischen verschiedenen Rechtsträgern entscheidet der Minister, dessen Aufsicht die betreffenden Rechtsträger unterstehen, bei Zuständigkeitskonflikten innerhalb eines Rechtsträgers das hierarchisch übergeordnete Organ.29 In Österreich z. B. sind konkurrierende oder alternative Zuständigkeiten in derselben Sache (also der Anwendung derselben Rechtsnorm auf denselben Sachverhalt) unzulässig. Sie würden gegen das verfassungsrechtliche Rechtsstaatsprinzip verstoßen.30 In Portugal ist Zuständigkeitskonkurrenz normal, ja geradezu ein Prinzip der Verwaltungsorganisation. Schon nach der Gesetzeslage sind häufig zwei oder mehrere Rechtsträger oder Teile von diesen für eine Angelegenheit zuständig. Es können also der Bürgermeister einer Gemeinde, die CCDR und eine Zentralabteilung eines Ministeriums die gleichen Zuständigkeiten haben. 29 Sousa, Marcelo Rebelo de: Lições de direito administrativo (Lisboa 1999) S. 180 f. u. 190. 30 Raschauer, Bernhard: Allgemeines Verwaltungsrecht (Wien 1998) S. 88.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

Auch innerhalb eines Rechtsträgers ist dieses Prinzip durchgehalten. Man unterscheidet zwischen gemeinsamer und exklusiver Zuständigkeit (competência comum bzw. competência propria) der Organwalter. Im ersten Fall umfasst die Zuständigkeit des Vorgesetzten auch die Kompetenzen der nachgeordneten Beschäftigten, was besonders dann der Fall ist, wenn eine der häufigen Delegationen von Zuständigkeiten stattgefunden hat. Im zweiten Fall ist nur der nachgeordnete Beschäftigte, nicht aber der Vorgesetzte zuständig.31 2. Aufsichtsbeziehungen Die verschiedenen Arten von Aufsichtsbeziehungen sind in Art. 199 u. 267 CRP festgelegt. Innerhalb einer juristischen Person wird das Weisungsrecht (poder de direcção) von der Überwachung (supervisão) unterschieden. Das Weisungsrecht ist sowohl für die normale Linienorganisation der Ministerien (administração directa) als auch für das Verhältnis zwischen dem Minister und den CCDR charakteristisch.32 Im Falle der supervisão kann das überwachende Organ zwar keine Anweisungen geben, aber Rechtsakte des überwachten Organs aufheben. Dieses Verhältnis ist vor allem zwischen einem Kollegialorgan und einem seiner Mitglieder gegeben. Zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts kann es zwei Arten von Aufsichtsbeziehungen geben – Superintendência und Tutela. Bei der Superintendência können Ziele vorgegeben und die Vorgangsweise bei ihrer Verwirklichung überwacht und angeleitet werden, häufig weil der überwachende Akteur den überwachten gegründet hat. Typisch sind hier Richtlinien und Zielvorgaben, wobei die Wahl der Mittel frei steht, sowie Empfehlungen.33 Die Institute des Umweltministeriums stehen etwa in solch einer Beziehung zum zuständigen Minister.34 Die Tutela ähnelt einer klassischen Gemeindeaufsicht und existiert auch zwischen dem Gesamtstaat und den Gemeinden in Portugal. Sie ist im Wesentlichen eine Rechtsaufsicht und umfasst nie das Recht, die Handlungen des Beaufsichtigten anzuleiten. Der unter Aufsicht Stehende kann umgekehrt die Akte der Aufsicht anfechten.35

31 32 33

Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 122. ˜ O V von DL 97/2003. Überschrift von SECÇA Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 121 u.

131. 34 35

Art. 5 DL 97/2003. Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 131.

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3. Korruption gesamtstaatlicher Akteure Der Corruption Perceptions Index der Anti-Korruptions-Organisation „Transparency International“ bildet die Meinung von Geschäftsleuten und Journalisten über die Korruption in einzelnen Ländern ab. Hier landete Portugal 2002 zwar auf dem drittletzten Platz der EU-15, aber noch deutlich vor Italien und Griechenland und vor allen neuen EU Mitgliedern aus Ostmitteleuropa.36 Vor allem verbesserte sich Portugal wie die meisten EU Länder gegenüber seinen Werten von Mitte der 1990er-Jahre.37 Viele Portugiesen kontaktieren aber Bekannte, die bei staatlichen Akteuren beschäftigt sind, um Informationen zu erhalten, eine Angelegenheit schneller zu erledigen oder einen Termin bei einem Entscheidungsträger zu bekommen. Der Anteil der Befragten, die solche Kontakte erfolgreich nutzen. liegt bei 21% und nimmt mit steigender Bildung und Einkommen auf 37% zu.38 Dies wurde mir auch im Interview bestätigt: Alle wissen, dass es auf einer persönlichen Ebene leichter ist, etwas von öffentlichen Bediensteten und Mandatsträgern zu bekommen und verhalten sich dementsprechend.39 Europaweite Umfragen zeigen, dass die Portugiesen über Betrug und Korruption in ihrem Land nicht besorgter sind als der europäische Durchschnitt.40 Gefragt nach einzelnen Bereichen, würden die Portugiesen die Korruption am liebsten im Bereich der politischen Parteien und des Gesundheitswesens beseitigt sehen, es folgen die Steuerbehörden und Gerichte.41 Ein portugiesischer Fachmann meinte im Interview, dass es wie in anderen Ländern am meisten Korruption bei der Auftragsvergabe, dem Bauwesen und den verwaltungspolizeilichen Genehmigungen gibt.42 Eine andere Interviewpartnerin räumte einzelne spektakuläre Fällen ein wie die der korrupten Polizisten, die bestimmte Fuhrunternehmen gegen Bezahlung nicht 36 http://www.transparency.org/pressreleases_archive/2002/dnld/cpi2002.press release.de.doc 10/2003. 37 http://www.transparency.org/cpi/1997/cpi1997_de.pdf 10/2003. 38 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica et al. (Hg.): A imagem dos Serviços Pfflblicos em Portugal 2001. Relatório final (Lisboa 2002) S. 34. 39 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 40 European Commission et al. (Hg.): Attitudes Related to defrauding the European Union and its Budget. Public Opinion in the Member States. (Brussels 2004) S. 24. 41 http://www.transparency.org/surveys/barometer/dnld/barometer2003_release.en. pdf 10/2003. 42 Saldanha Sanches, José Luís: Interview am 16. August 2003.

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kontrollierten oder bestraften. Was es aber ihrer Ansicht nach nicht gibt, ist eine weit verbreitete und tief verwurzelte Kultur korrupter Praktiken.43 4. Häufige Umorganisationen Ein prägendes Element für die gesamtstaatlichen Akteure sind die häufigen Umorganisationen durch die Regierung, die dabei juristisch und politisch einen weiten Gestaltungsspielraum haben. Die normative Grundlage dafür sind Gesetzes- und Verwaltungsverordnungen, die von der Regierung selbst erlassen werden und jederzeit wieder geändert werden können. Nach Regierungswechseln werden die Ressorts häufig neu zugeschnitten und zusätzlich die Gliederung der Ministerien tief greifend verändert. Selbst Dienststellen außerhalb der Hauptstadt werden umorganisiert.44 In den letzten 15 Jahren ist auch die Tendenz feststellbar, bei jedem Regierungswechsel neue Strukturen zu schaffen anstatt bestehende zu reformieren. Wenn eine bestimmte Verwaltungseinheit eine Aufgabe bisher nicht gut genug erledigt hatte, wird parallel dazu eine weitere Verwaltungseinheit mit leicht geändertem Schwerpunkt eingerichtet.45 Die Dynamik der Veränderungen im Zuge von Regierungswechseln zeigt sich auch an den Zahlen aufgelöster Verwaltungsinstitutionen: Im Vorfeld von Wahlen wurde 2001 durch Ministerratsbeschluss 110/2001 die Anzahl von 46 Ausschüssen und Arbeitsgruppen mit sofortiger Wirkung aufgelöst, 24 weitere mit Jahresende. Nach einem Regierungswechsel erfolgte mit Lei 16-A/2002 ein halbes Jahr später die Auflösung von 35 gesamtstaatlichen Institutionen, 31 wurden zusammengelegt und 19 grundlegend neu strukturiert.46 Nach dem Wechsel von Ministerpräsident José Manuel Durão Barroso an die Spitze der EU-Kommission wurde 2004 in Lissabon nicht nur ein neuer Ministerpräsident vereidigt oder einige Minister ausgetauscht, sondern es fand eine umfangreiche Umstrukturierung der Ressorts statt, die in den Politikfeldern Raumordnung und Umwelt sinnvolle jahrelange Entwicklungen völlig missachteten.47 Dies zeigt, wie stark in Portugal Personen die Institutionen beeinflussen. Ein Wechsel von Personen und damit von persön43

Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 9. 45 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 46 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-59. 47 http://www.portugal.gov.pt/Portal/PT/Governos/Governos_Constitucionais/GC16/ Ministerios/MAOT/Competencias/02/2005. 44

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lichen Interessen ist stark genug, das Funktionieren ganzer Ministerien in Frage zu stellen. Im Frühjahr 2005 wurden nach Neuwahlen und einem Regierungswechsel diese Entwicklungen teilweise wieder rückgängig gemacht. Die problematischen Folgen der häufigen Umgruppierungen sind Zeitverluste, hohe Kosten und die Notwendigkeit, fachliche und persönliche Beziehungen wieder neu herzustellen. Manchmal dauert es Jahre, bis neue Strukturen wirklich funktionieren. Das Ministerium für Umwelt und Raumordnung z. B. hatte bis Mitte 2005 jahrelang keine funktionierende Homepage, da es durch Umstrukturierungen gelähmt war. Einzelne Unterakteure des Ministeriums wie die CCDR hielten in dieser Zeit ein Basisinternetangebot aufrecht. Die beschriebenen Probleme werden durch die Häufigkeit der Regierungswechsel noch verstärkt. Als Abhilfe wurde vorgeschlagen, die Aufteilung der Ministerien in der Verfassung festzuschreiben oder nur mit qualifizierter Parlamentsmehrheit abänderbar zu machen, um dadurch mehr Stabilität zu erreichen.48 Dieser Vorschlag widerspricht allerdings dem Faktum, dass die Regierung durch einfache Parlamentsmehrheit legitimiert wird und daher auch die Organisation der gesamtstaatlichen Verwaltung mit derselben Mehrheit möglich sein muss. Außerdem wird die Meinung vertreten, dass die Verwaltung des Gesamtstaats in der Vergangenheit unfähig war, sich selbst zu reformieren, und dass für Reformen stets entschiedene Eingriffe politischer Organe notwendig waren.49 Vor diesem Hintergrund erscheint nicht die Einfachheit der Umorganisation der gesamtstaatlichen Verwaltung durch die Regierung als das Problem, sondern die häufige Handhabung dieser Möglichkeit im parteipolitischen oder persönlichen Interesse. Die institutionelle Instabilität gesamtstaatlicher Akteure ist auch für das Politikfeld Umwelt typisch: ein ständiger Wechsel von Ministern und Staatssekretären, Gründung und Auflösung von Instituten, wechselnde Zentralisierung und Dezentralisierung, Akteure für ein Sachproblem oder für eine Region. Von 2003 bis Anfang 2005 gab es fünf verschiedene Umweltminister, die teilweise zuvor nie in diesem Politikfeld tätig gewesen waren, aber rasch umfangreiche institutionelle Veränderungen einleiteten.50 Diese institutionellen Veränderungen haben viele Ressourcen verbraucht, ohne zur Zielerreichung in diesem Politikfeld viel beigetragen zu haben.51 Die Insta48

Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 9. 50 http://www.portugaldiario.iol.pt/noticias/noticia.php?id=359655 11/2004. 51 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 9. 49

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bilität der letzten Jahre zeigt sich darin, dass die gesamtstaatlichen Akteure in diesem Politikfeld die gesetzlich vorgeschriebenen Basisdokumente in den letzten Jahren nicht mehr erstellt haben: Jahresberichte und Pläne sowie Personalübersichten existieren nicht, die Fachbibliotheken mit Publikumsverkehr sind geschlossen, die zentrale Internetseite des Ministeriums war, wie erwähnt, bis 2005 jahrelang inaktiv.

II. Steuerung über Pläne Der Übergang zwischen Normen und Plänen ist fließend, da Normen ähnliche Inhalte wie Pläne haben können und umgekehrt typische Pläne normativen Charakter. Meist ist aber das Abstraktionsniveau von Plänen niedriger als von Normen, da Details der Umsetzung zeitlich und finanziell festgelegt werden. Juristisch werden nach ihrer Bindungswirkung indikative, influenzierende und imperative Pläne unterschieden, wobei Plänen der dritten und teilweise der zweiten Kategorie normative Wirkung zukommt.52 In dieser Arbeit wird der Begriff „Plan“ für die Entscheidungsprogramme der Finanzplanung, Raumplanung, Ressortplanung und Entwicklungsplanung verwendet, obwohl deren Rechtsnatur unterschiedlich sein kann. Portugal steht in der Tradition der französischen „planification“. Schon im Estado Novo wurden umfangreiche Entwicklungspläne für das Mutterland und die einzelnen Kolonien ausgearbeitet. Für die sozialistischen Regierungen der 1970er-Jahre war ein umfangreiches makroökonomisches Planungssystem zur Steuerung der staatlichen Investitionen und Unternehmen selbstverständlich. Auch in diesem Punkt gibt es eine erstaunliche Kontinuität über den Umsturz 1974 hinaus. Im Zweiten Teil der neuen portugiesischen Verfassung „Organisation der Wirtschaft“ wurde dementsprechend ein eigenes Kapitel über ein System von Wirtschafts- und Sozialplänen eingeführt. Trotz der zentralen Stellung in den Rechtstexten erlangte die Planung keine große praktische Bedeutung.53 Bei den „grandes opções do plano“ (Hauptplanungsoptionen) handelt es sich nach Art. 161 CRP um die Strategien der gesamtstaatlichen Akteure in Bezug auf die portugiesische Wirtschaftspolitik. Auf deren Grundlage wurden früher jährlich von der Regierung die übrigen „planos de desenvolvimento económico e social“ abgefasst, umfangreiche und detaillierte nachgeordnete Wirtschafts- und Sozialpläne. Nachdem die Detailplanung in den 52 Maurer, Hartmut: Allgemeines Verwaltungsrecht (München 2000) § 16 Rn. 15 ff. 53 Miranda, Jorge: Conselho Económico e Social e comissão de Concertação Social. Brevíssima Nota [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 139–146, 1999] S. 142.

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letzten Jahren stark an Bedeutung verloren hat und auch nicht mehr jährlich vorgenommen wird, sind eigentlich nur mehr die Hauptplanungsoptionen übrig geblieben.54 Die Verbindung zur Finanzpolitik besteht in Art. 105 CRP, nach dem sich das Budget an den „grandes opções do plano“ orientieren muss. Beide werden von der Nationalversammlung nach Art. 161 lit. g CRP in Gesetzesform verabschiedet. Die „grandes opções do plano“ haben heute vor allem als nationale Vorbereitung für den mit der EU ausgehandelten mehrjährigen EU-Förderrahmen (QCA) Bedeutung, der ja die EU-Mittel und damit auch das Handeln staatlicher Akteure erheblich beeinflusst. Das an den QCA angeschlossene Planungssystem für die fünf CCDR-Regionen und eine Reihe von Politikfeldern hat das portugiesische Planungssystem weitgehend abgelöst. Durch die Ressourcen der EU erhielten die Pläne als Steuerungsinstrumente neue Wirksamkeit, da nur bei Plan konformem Verhalten staatlicher und privater Akteure die EU-Mittel fließen. Das Umweltministerium selbst sieht allerdings die eingeschränkte Steuerbarkeit der eigenen Dienststellen durch Pläne, da ein guter Plan noch keine erfolgreiche Umsetzung durch die Verwaltung garantiert.55 Die Auswirkungen der EU-Pläne nicht nur volkswirtschaftlich zu untersuchen, sondern auch im Handeln der Akteure aufzuzeigen, wäre eine lohnende Forschungsfrage. Die im Planungssystem selbst vorgesehenen Evaluierungen reichen für eine Beurteilung hier nicht aus. Liest man etwa den Plan für das Politikfeld Umwelt (Umweltprogramm – POA), so ähneln sich die einzelnen Teile des Dokuments wie Problemanalyse, Ziele, Maßnahmen und Evaluierung formal und inhaltlich sehr stark. Die gleichen Phrasen und Argumente erfüllen leicht verändert unterschiedliche Funktionen innerhalb des Planungssystems. Interessant ist, dass die Umweltschutzorganisation GEOTA den großen Nutzen des nationalen Wasserplans vor allem darin sieht, dass die beteiligten öffentlichen Akteure dafür eng zusammenarbeiten mussten und sich dadurch auf zukünftige Kooperationen vorbereitet haben.56 Eine Steuerung über Pläne erweist sich in Portugal für politische Organe besonders attraktiv, weil sie im Vergleich zu normativer Steuerung Einzelfallentscheidungen und Flexibilität ermöglicht. Zusätzlich kann man Pläne und Strategien tendenziell unverbindlicher und politischer Eigenwerbung 54

Sousa, Marcelo Rebelo de et al.: Constituição da Repfflblica Portuguesa Comentada. Introdução Teórica e Histórica. Anotações. Doutrina e Jurisprudência. Lei do Tribunal Constitucional (Lisboa 2000) S. 204. 55 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 148. 56 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/Posicoes/2001/10_01_plano_na cional_agua_parecer.html 07/2003.

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dienlicher formulieren als Normtexte. Auch zur Steuerung über Personen sind Pläne die geeignete Ergänzung. Nach der Schaffung vieler gesamtstaatlicher Akteure der mittelbaren Verwaltung und der politischen Auswahl der leitenden Beschäftigten wird das Handeln dieser Akteure über Pläne gesteuert, ohne dadurch die Möglichkeit zu flexiblen Einzelentscheidungen aufzugeben. An die Mehrzahl der Pläne sind allerdings normalerweise nur staatliche Akteure gebunden. Private können vor allem durch finanzielle Anreize dazu gebracht werden, sich am Vollzug der Pläne zu beteiligen. Für beide Gruppen von Steuerungsadressaten dient die Steuerung über Pläne und Finanzen auch als Ersatz für eine mangelhaft funktionierende normative Steuerung. Die Kehrseite der Erhaltung der Flexibilität der politischen Organe ist die geringere Vertrauensbildung zu anderen Akteuren, gelten doch Pläne nach einem Regierungswechsel nicht mehr.57 Neben den Plänen, die das Handeln gesamtstaatlicher Akteure von außen steuern sollen, sind diese nach DL 183/1996 auch zu internen jährlichen Planungen und Berichten verpflichtet. Eigentlich würde sich die hohe Zahl gesamtstaatlicher Akteure der mittelbaren Verwaltung dazu eignen, eine Steuerung über Vereinbarung und Kontrolle von Zielen einzuführen, bei der den akteursinternen Plänen und Berichten eine zentrale Rolle zukommen könnte. Diese Chance wird bisher nicht ausreichend genutzt.

III. Steuerung über Finanzen 1. Allgemeine Steuerung über Finanzen Die wesentlichen Instrumente der finanziellen Steuerung sind in Portugal der jährliche Haushalt, der nationale Investitionsplan PIDDAC (Programa de Investimento e Desenvolvimento da Administração Central) sowie die Finanzpläne des QCA. Die Verteilung der hier erfassten Ressourcen auf gesamtstaatliche Akteure ist ein zentrales Steuerungsmittel politischer Organe gegenüber der Verwaltung. Da staatliche Ressourcen fast zur Gänze zentralisiert sind (verstärkt durch die zentrale Verteilung der EU-Mittel) und die Ausgabe dieser Mittel auch zentral geplant und entschieden wird, entsteht ein Wettbewerb zwischen gesamtstaatlichen Akteuren. Dies gibt den politischen Organen zusätzliche Steuerungs- und Kontrollmöglichkeiten. Die kontrollierenden Organe im finanziellen Bereich wie der Rechnungshof und 57

Soromenho-Marques, Viriato: O Papel das ONG’S, S. 199–214 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 213.

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die Generalinspektion für Finanzen wurden oben bei der Vorstellung gesamtstaatlicher Akteure behandelt. Da in Bezug auf gesamtstaatliche Akteure den politischen Organen des Gesamtstaats sämtliche Steuerungsebenen zur Verfügung stehen, hat die finanzielle Steuerung nicht die große Bedeutung wie etwa gegenüber den Gemeinden. Eine Intensivierung der finanziellen Steuerungsmöglichkeiten vor allem durch die zusätzlichen EU-Mittel hat eine Zunahme der begleitenden normativen und planerischen Steuerung zur Folge. Der Ministerrat betont etwa die Notwendigkeit von Plänen, um umfangreiche EU-Mittel in kurzer Zeit ausgeben zu können.58 Mitte der 1980er-Jahre wurde die finanzielle Steuerung einer Reform unterzogen, die im Wesentlichen aus folgenden Elementen bestand: nachträgliche Kontrollen von Ausgaben an Stelle von vorherigen Genehmigungen, stärkere Dezentralisierung der Verantwortung, einheitliche Konten und Buchhaltung, Tendenz zur Einbeziehung von Akteuren der mittelbaren Staatsverwaltung in das Budget.59 Trotzdem gab es bis vor wenigen Jahren schwere Mängel in der Erstellung und Vollziehung des gesamtstaatlichen Haushalts. Unerwarteten Budgetüberschreitungen wurde häufig mit Budgetstopps begegnet. Es gab kaum Evaluierungen des Finanzgebarens staatlicher Akteure, dafür in einigen Bereichen parallele Kontrollzuständigkeiten, in anderen Bereichen Kontrolllücken. In einem kameralistischen System können nicht verwendete Mittel von den einzelnen gesamtstaatlichen Akteuren nicht in das nächste Finanzjahr übertragen werden. Deshalb geben gesamtstaatliche Akteure in Portugal in einem Finanzjahr alles aus, um die Mittel in Zukunft nicht zu verlieren.60 Es werden also Entscheidungen über Einzelposten ex-ante gefällt, anstatt über Ziele und Globalbudgets zu steuern.61 Eine gewisse Ausnahme davon waren bisher die Akteure der mittelbaren Verwaltung, die jährlich ein Globalbudget erhalten und eigene Einnahmen erschließen können. So ein System funktioniert allerdings nur mit einer effektiven normativen Steuerung in Bezug auf die Höhe der Ausgaben und den dabei zu beachtenden Regeln. Um eine Kontrolle der öffentlichen Aufgaben zu erleichtern, mussten im Jahr 2001 Sanktionen für die Missachtung von Budgetregeln durch autonome gesamtstaatliche Akteure eingeführt wer58

Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/1995. Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 59. 60 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 12. 61 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 59

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den. Die finanzielle Autonomie solcher Akteure wurde eingeschränkt, wenn sie mehr als ein Drittel ihrer Einnahmen vom Gesamtstaat erhielten.62 In letzter Zeit plante die Regierung, die Finanzautonomie gesamtstaatlicher Akteure zum wirklichen Ausnahmefall und bestehende Autonomierechte wieder rückgängig zu machen.63 Der wesentliche Antrieb für Veränderungen in der Verwaltung sind weniger die Forderungen von Privaten nach einer Verbesserung der Dienstleistungen staatlicher Akteure, sondern deren finanzielle Knappheit. Diese Situation verlangt vor allem nach Reformen im Personalbereich, dann in zweiter Linie in der Organisation und ist der Anlass zu allen weiteren Reformüberlegungen.64 Dadurch erhält gleichzeitig das Finanzministerium eine Art Generalzuständigkeit für Veränderungen bei öffentlichen Akteuren, da es in vielen finanziell relevanten Bereichen Mitentscheidungsrechte bekommt. 2. Beihilfen für öffentliche Unternehmen Die finanzielle Steuerung öffentlicher Unternehmen ist in DL 558/1999 geregelt, dessen Präambel als zentrales Anliegen eine Harmonisierung mit europäischem Wettbewerbsrecht angibt. Nach Art. 8 DL 558/1999 sind portugiesisches und europäisches Wettbewerbsrecht grundsätzlich auch auf die Beziehung zwischen öffentlichen Unternehmen und anderen staatlichen Akteuren anzuwenden. Allerdings enthält Kapitel II DL 558/1999 Sonderregeln für öffentliche Unternehmen, die im Infrastrukturbereich im allgemeinen Interesse tätig sind (serviços de interesse económico geral). Auch diese Kategorie erinnert an ausländische und gemeinschaftsrechtliche Vorbilder, etwa an den bundesdeutschen Begriff der „Daseinsvorsorge“.65 Öffentliche Unternehmen zählen nach Art. 19 DL 558/1999 zu dieser Kategorie, wenn sie neben ihrer Gewinnerzielungsabsicht auch die ständige und flächendeckende Versorgung, die Kohäsion unterschiedlich entwickelter Landesteile, den Konsumentenschutz und Investitionen in die Leitungsnetze gewährleisten. Um diese gesamtgesellschaftlichen Ziele zu verwirklichen, kann der Gesamtstaat diesen Unternehmen nach Art. 19 Abs. 2 DL 558/1999 vertrag62 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 12. 63 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-60. 64 Ibid. II-57. 65 Amorim, João Pacheco de: As empresas pfflblicas no direito português. Em especial, as empresas municipais (Lisboa 2000) S. 18.

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lich Beihilfen zukommen lassen. Der Gesamtstaat kann die Rechtsform solcher öffentlichen Unternehmen frei wählen. Will er Unternehmen der Daseinsvorsorge die Ausübung von Hoheitsrechten übertragen, kann er dies bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts im hoheitlichen Gründungsakt tun, bei öffentlichen Unternehmen des Privatrechts in einem Konzessionsvertrag.66 Insgesamt hat DL 558/1999 dazu geführt, dass bisherige Sonderbeziehungen zwischen öffentlichen Unternehmen und anderen staatlichen Akteuren sich den üblichen Wirtschaftsbeziehungen zwischen privaten Akteuren angleichen. Die Interaktion zwischen staatlichen Akteuren und Unternehmen werden dadurch transparenter. Beihilfen staatlicher Akteure an öffentliche Unternehmen müssen vertraglich vereinbart werden und für Außenstehende erkennbar sein. Diese Anpassung der Beziehungen entspricht insgesamt den Zielen des europäischen Wettbewerbsrechts.

IV. Steuerung über Personen 1. Allgemeine Steuerung über Personen Gewählte politische Organe orientieren ihre Handlungen an den Chancen ihrer Wiederwahl. Vor allem durch die politische Besetzung der leitenden Beschäftigten der meisten gesamtstaatlichen Akteure gelingt es der portugiesischen Regierung, deren Handeln ein Stück weit an der eigenen Wiederwahl zu orientieren. Steuerung und Kontrolle gesamtstaatlicher Akteure erfolgt also ganz wesentlich über die Personalpolitik. Solange die persönlichen Beziehungen zwischen dem Minister und seinen leitenden Beschäftigten funktionieren, werden die Ziele der Regierung von allen gesamtstaatlichen Akteuren mit vollzogen. Autonomie für die gesamtstaatlichen Akteure der mittelbaren Verwaltung heißt daher in diesem Zusammenhang: Autonomie für die politiknahen leitenden Beschäftigten dieser staatlichen Akteure und damit mehr Steuerungsmöglichkeiten für politische Organe. Tendenziell kann diese Steuerung über Personen auch Mängel der Steuerung über Normen und Pläne ausgleichen. Für die Regierung ist es Erfolg versprechender und flexibler, die leitenden Positionen der gesamtstaatlichen Akteure mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen, als vorausschauende Gesetze oder Pläne zu erstellen und deren Vollziehung sicherzustellen. Die hohe Flexibilität für die politischen Organe führt allerdings zu geringem Vertrauen anderer beteiligter Akteure in die Ziele und Entscheidungen ge66

Art. 14 Abs. 2 DL 558/1999.

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samtstaatlicher Akteure, da es keine klaren Spielregeln gibt, die der Disposition der politischen Organe ein Stück weit entzogen sind. Außerdem werden Zentralisierungstendenzen verstärkt, da Minister und Staatssekretäre mit ihren politisch besetzten Kabinetten zu einer engen Kontrolle der Leiter gesamtstaatlicher Akteure befähigt sind. Bisweilen sind die Kabinette der Minister auch so einflussreich, dass sie Funktionen der Generaldirektionen selbst übernehmen.67 Neben der Steuerung gesamtstaatlicher Akteure selbst hat die Steuerung über Personen die weitere Funktion, Arbeitsplätze für die eigenen politischen Gefolgsleute bereitzustellen. Für diese Art von Klientelsystem werden viele politische Vertrauensposten benötigt, die hauptsächlich an der Spitze der gesamtstaatlichen Akteure zur Verfügung stehen. Da die politische Postenvergabe inoffiziell aber auch für Arbeitsplätze erfolgt, die nach einem Regierungswechsel nicht neu besetzt werden können, müssen nach einem solchen neue Arbeitsmöglichkeiten für die politischen Gefolgsleute geschaffen werden. Dies geschah in der Vergangenheit durch den Aufbau zusätzlicher staatlicher Akteure. 2. Leitende Beschäftigte Im Estado Novo wurden die leitenden Beschäftigten des Gesamtstaats frei vom jeweiligen Minister unter Zustimmung des Premiers ernannt. Obwohl diese Ernennungen nur für zwei bis vier Jahre galten, blieben die leitenden Beschäftigten recht lange im Amt und entwickelten sich zu wichtigen Stützen der Regierung, mit denen der Premier an den Ministern vorbei viele Angelegenheiten direkt regelte. Durch die lange Amtsdauer und die Tatsache, dass die leitenden Beschäftigten in der Praxis aus der Verwaltung rekrutiert wurden, entstand in der Öffentlichkeit der Eindruck eines politisch neutralen Karrierebeamtentums, das aber in Wirklichkeit von den politischen Organen völlig abhängig war. Belohnt wurden leitende Beschäftigte mit Aufsichtsratsposten in staatlichen Unternehmen. Nach dem Umsturz 1974 gab es zwar juristisch die Möglichkeit, leitende Beschäftigte recht einfach auszutauschen, dies geschah aber bei nur 11%. Bei den Generaldirektoren waren es etwa 20%. Die Erklärung liegt in der damaligen politischen Instabilität, die eine stabile Verwaltungsspitze unerlässlich machte.68 Mit Lei 2/2004 wurde das Dienstrecht leitender Beschäftigter staatlicher Akteure reformiert. Wesentliche Ziele der Reform waren, ihnen mehr Ent67 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 87. 68 Rocha, J. A. Oliveira: O Perfil dos Dirigentes da Função Pfflblica [in: Revista de Administração Local, N 187, Janeiro – Fevreiro, S. 29–49, 2002] S. 31 ff.

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scheidungsfreiheit gegenüber der politischen Ebene z. B. bei der Organisation ihrer Dienststellen zu geben. Außerdem sollte eine Steuerung über Zielvereinbarungen eingeführt werden, deren Erreichen den weiteren Karriereverlauf bestimmen soll.69 Es wird nunmehr zwischen höheren und mittleren Leitungsfunktionen unterschieden. In die erste Gruppe fallen Generaldirektoren und ihre Stellvertreter, in die zweite Abteilungsleiter und die folgende Hierarchiestufe.70 In dieser Arbeit werden diese beiden Gruppen gemeinsam als leitende Beschäftigte bezeichnet. Mitte der 1980er-Jahre hatte es 644 Beschäftigte im Rang eines Generaldirektors oder Vizegeneraldirektors gegeben, 3.148 waren im Rang eines Abteilungsleiters oder der nächstfolgenden Hierarchiestufe gestanden. Die Gesamtzahl leitender Beschäftigter stieg in den Jahren bis 1998 um 50% auf 5.693 an.71 Bei der Auswahl von Personen für höhere Leitungsfunktionen ist der Fachminister gemeinsam mit dem Premier nach Art. 18 Lei 4/2004 fast völlig frei. Voraussetzung ist lediglich eine akademische Ausbildung, nicht aber Erfahrung im öffentlichen Dienst. Die Ernennung erfolgt auf drei Jahre, was zweimal wiederholt werden kann. Bei den mittleren Leitungsfunktionen sind die Auswahlmöglichkeiten des Fachministers beschränkter. Der Bewerber muss nach Art. 20 Lei 4/2004 bereits bei einem staatlichen Akteur beschäftigt sein, benötigt mit wenigen Ausnahmen eine akademische Ausbildung, und vier Jahre Berufserfahrung in einem Beruf, für den diese Voraussetzungen ebenfalls gelten. Allerdings ist zusätzlich eine mehrmonatige Ausbildung an der nationalen Verwaltungsakademie notwendig. Auch die mittleren Leitungsfunktionen werden auf drei Jahre vergeben, können aber beliebig oft erneuert werden. Zwar werden diese Posten öffentlich ausgeschrieben, aber es wird nicht versucht, eine objektive Bewerberauswahl in komplizierten Verfahren sicherzustellen. Daher sind auch diese Posten offiziell politisch besetzt. Im Vorfeld von Neuwahlen können keine Postenbesetzungen mehr vorgenommen werden. Da die Besetzung der Leitungspositionen nicht parallel zu den Wahlen geschieht, kann ein öffentlicher Bediensteter bei einem Regierungswechsel am Beginn oder am Ende seiner dreijährigen Amtszeit sein. 69

Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-35. 70 höhere Leitungsfunktionen: director-geral, secretário-geral, inspector-geral, presidente; mittlere Leitungsfunktionen: director de serviços, chefe de divisão. 71 Rocha, J. A. Oliveira: O Perfil dos Dirigentes da Função Pfflblica [in: Revista de Administração Local, N 187, Janeiro – Fevreiro, S. 29–49, 2002] S. 34.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

Führungspositionen werden eher auf Grund persönlichen Vertrauens des Ministers vergeben, das sich sowohl auf die fachlichen Fähigkeiten als auch die politische Zuverlässigkeit bezieht. Aber nur in Ausnahmefällen werden Generaldirektoren bei einem Regierungswechsel sofort ausgetauscht. Meist beenden sie ihre dreijährige Funktionsperiode.72 Je fachlich spezifischer eine Aufgabe ist und je unumstrittener die fachliche Qualifikation des leitenden Beschäftigten, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass er seinen Aufgabenbereich behält. Auch ist die Personaldecke an Akademikern so dünn, dass nicht ohne weiteres ein politisch zuverlässigerer Kandidat zur Verfügung steht. Für das Politikfeld Umwelt wurde 2004 der fünfte Minister seit 2000 ernannt. Davon wurde der erste noch unter dem Sozialisten António Gutierrez ernannt, drei weitere in der Ära von Ministerpräsident José Manuel Durão Barroso und nach dessen Wechsel an die Spitze der Europäischen Kommission ein neuer Minister der Koalition aus PDS und CDS/PP. In dieser ganzen Zeit blieb z. B. der Generalinspektor für Umweltangelegenheiten der gleiche.73 Dies zeigt, dass fachlich hervorragende Spitzenbeamte sich über Parteigrenzen und Ministerwechsel hinweg halten können. Es gibt auch leitende Beschäftigte, die ihre Parteizugehörigkeit aufgeben, um Karriere unabhängig von Regierungswechseln machen zu können.74 Generell gab es in den letzten Jahren aber eine Tendenz zu einer stärkeren Berücksichtigung des politischen Vertrauens. Generaldirektoren bleiben politische Vertrauensleute der Regierung, die eine eigene Meinung nur sehr vorsichtig entwickeln und dadurch wenig Unabhängigkeit gegenüber der Regierung haben.75 Innerhalb des normativen Rahmens geben die leitenden Beschäftigten dem jeweiligen Staatssekretär oder Minister jede mögliche Unterstützung.76 Ähnlich wie in Frankreich gibt es viele Politiker, die aus dem öffentlichen Dienst kommen. Die Regierungsmitglieder stammten 1997 in Portugal zu 61%, in Frankreich zu 65% aus dem öffentlichen Dienst. In Deutschland waren es auf Bundesebene damals 39%.77 Vor allem wenn Ernennungen zu einseitig parteipolitisch bestimmt sind oder die Person eindeutig mit einer parteipolitischen Option in dem jeweili72

Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. http://www.diarioeconomico.com/edicion/noticia/0,2458,555643,00.html 11/2004. 74 Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. 75 Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001. 76 Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. 77 Cruz, José Maria Teixeira da: A Influência dos Funcionários no Processo de Decisão Política, S. 149–156 [in: Administração, Instituto Nacional de (Hg.): A Reinvenção da Função Pfflblica. Da Burocracia à Gestão. Encontro INA realizado na Fundação Gulbenkian em Lisboa de 14–15 Março de 2002, (Lisboa 2002)] S. 152. 73

B. Unterschiedliche Steuerungsebenen

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gen Politikfeld verbunden ist, ist es klar, dass die nächste Regierung einen neuen Generaldirektor einsetzt. Ein Generaldirektor braucht aber sachlich und sozial einige Zeit, bis er seine Generaldirektion im Griff hat. Bei einer raschen Neubesetzung nach einem Regierungswechsel war inzwischen oft gar keine Zeit, die Generaldirektion wirklich zu führen.78 Die ehemalige Generaldirektorin, portugiesische Ministerin für Verwaltungsreform und Leiterin des European Institute of Public Administration in Maastricht fasste die Problemlage im Interview folgendermaßen zusammen: Bedeutung und Unabhängigkeit gegenüber der Politik erhält die Verwaltung durch ihre Fähigkeit, Informationen zur Verfügung zu stellen, Lösungsansätze zu entwickeln und Folgen von Entscheidungen abzuschätzen. Sowohl zu große Unabhängigkeit der Verwaltung gegenüber der demokratisch legitimierten Regierung als auch zu wenig Stabilität innerhalb staatlicher Akteure durch eine der Politik völlig willfährige Verwaltung gilt es zu vermeiden. Erreicht werden kann das nur durch die Einstellung leitender Beschäftigter, die sich persönlich politisch neutral verhalten und durch ihre fachliche Kompetenz Unabhängigkeit gegenüber der Tagespolitik gewinnen.79 Ein Kommunalpolitiker beklagte allerdings im Interview eben diese Unabhängigkeit: Die leitenden Beschäftigten der gesamtstaatlichen Akteure haben in der Praxis manchmal eine Machtfülle, die ihnen von Rechts wegen nicht zusteht und vertreten Positionen, welche der Minister gar nicht mittragen würde.80 Verstärkt wird die persönliche Beziehung zwischen Politikern und leitenden Beschäftigten durch die persönliche Übertragung von Zuständigkeiten nach Art. 9 Lei 2/2004. In Portugal unterscheidet man zwischen eigener und delegierter Zuständigkeit, im letzteren Falle ist eine Delegation durch ein anderes Organ notwendig. Nach Art. 35 Abs. 1 Código do Procedimento Administrativo (CPA) kann ein Organ, wenn das Gesetz dies erlaubt, einem anderen Organ eine eigene Zuständigkeit übertragen. Innerhalb einer hierarchischen Beziehung erlaubt Art. 35 Abs. 2 generell die Delegation von Kompetenzen. Die große Mehrheit der Delegationen findet innerhalb derselben juristischen Person statt. Allerdings gibt es auch Zuständigkeitsübertragungen zwischen Rechtsträgern, etwa wenn eine Gebietsgemeinde einer Ortsgemeinde Zuständigkeiten überträgt, oder ein Minister einem öffentlichen Institut. Die Delegation muss nach Art. 37 CPA publik gemacht werden, auch in dem Rechtsakt, der auf Grund einer Delegation erlassen wird. 78 79 80

Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001. Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

Der Überträger der Zuständigkeit behält drei wesentliche Rechte laut Art. 39 CPA: Erstens kann er Richtlinien zur Ausübung der Zuständigkeit erlassen, zweitens kann er jeden einzelnen Fall ohne Begründung an sich ziehen, drittens kann er die Rechtsakte, die auf Grund der Delegation erlassen wurden, widerrufen. Wenn dies in der Delegation gestattet wird, kann der Empfänger der Zuständigkeit diese weiter übertragen. In den meisten Fällen findet die Delegation nicht zwischen Organen, sondern zwischen den Organwaltern statt. Werden Organwalter ausgetauscht und die Delegation ad personam nicht erneuert, sind die neuen Organwalter unzuständig.81 Überträger und Empfänger der Zuständigkeit sind im Ergebnis parallel zuständig, weil der Vorgesetzte jeden Fall auch selbst entscheiden kann. Damit kommt man zu dem Prinzip, dass der jeweilige Ressortminister prinzipiell alle Kompetenzen erhält und in der Folge Untergebene und leitende Beschäftigte von Akteuren der mittelbaren Verwaltung für einige Angelegenheiten bis auf Widerruf parallel zuständig macht. Damit führt die Art der Delegation zur Zentralisierung von Zuständigkeiten und Verantwortung an der Spitze und widerspricht dem Dekonzentrationsprinzip von Art. 267 CRP. Es entsteht weder ein Verantwortungsbewusstsein bei den leitenden Beschäftigten noch nach außen Klarheit über die Verantwortungsträger. Es handelt sich hier um ein Grundübel, das zu parallelen Zuständigkeiten, der ständigen Zentralisierung von Einzelentscheidungen und verbreiteter Verantwortungslosigkeit führt.

C. Steuerung im Politikfeld Umwelt I. Steuerung der Akteure des Umweltministeriums Früher war die Generaldirektion für Umweltschutz die Abteilung des Umweltministeriums, welche die Aktivitäten der gesamtstaatlichen Akteure in diesem Politikfeld koordinierte.82 Nach ihrer Umwandlung in das Umweltinstitut, einem Akteur der mittelbaren Staatsverwaltung, ging diese Steuerung direkt an die Büros des Ministers und der Staatssekretäre über. Diese sind auch bei der Steuerung über Normen und Pläne die zentralen Akteure. Normsetzung und Überwachung dieser Normen sind Funktionen, die auch in anderen europäischen Staaten auf nationaler Ebene wahrgenommen 81

Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 122. European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 39. 82

C. Steuerung im Politikfeld Umwelt

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werden. Die Umsetzung der nationalen Politik durch Planung, Genehmigung von Projekten und Vollzug der Normen erfolgt aber in vielen Ländern auf regionaler Ebene. In Portugal ist dies nur in Teilbereichen der Fall. Im Vergleich zu anderen Ländern sind hier besonders wenige Kompetenzen auf die lokale und regionale Ebene übertragen.83 Diese Zentralisierung von Aufgaben könnte nur von besonders leistungsfähigen zentralen Akteuren bewältigt werden. Die Minister der letzten Jahre haben sich eigentlich alle persönlich für ihren Aufgabenbereich eingesetzt. Weniger erreicht, als möglich gewesen wäre, wurde durch organisatorische Unzulänglichkeiten.84 Ein Beispiel ist das mangelhafte Informationsmanagement im Umweltbereich. Normen, die zur Gewinnung von Informationen von den Bürgern dienen, werden nur unvollständig vollzogen. Es gibt kein einheitliches Informationssystem, das die Daten aller beteiligten Dienststellen aufnehmen würde und z. B. alle genehmigten Wassernutzungen enthielte. Die Weitergabe von Informationen innerhalb der Verwaltung ist kaum geregelt.85 Auffällig ist im Verhältnis zwischen den zentralen Dienststellen des Ministeriums und den Regionaldirektionen (DRAOT) das System paralleler Kompetenzen. Hier gibt es unzählige Kompetenzüberschneidungen, die zwar für eine Übergangszeit akzeptabel waren, aber zu einem Dauerzustand geraten sind, ohne dass es Anzeichen für eine endgültige Übertragung an die DRAOT gäbe.86 Zum Beispiel sind mit der Kontrolle der Luftqualität die DRAOT befasst, aber mit der Generalinspektion und dem Umweltinstitut auch zwei politiknähere Dienststellen. Das System paralleler Kompetenzen ermöglicht diesen Dienststellen, wichtige Einzelfallentscheidungen an sich zu ziehen. Diesfalls wird eine Entscheidung in Abstimmung zwischen den Ministerien gesucht. Die Informationen über die Situation vor Ort liefern aber die dortigen Dienststellen. Anstatt in der Region eine Lösung zu suchen, werden die zentralen Institutionen informiert, dort wird koordiniert und in der Region deren Entscheidungen umgesetzt. De facto haben die Dienststellen des Gesamtstaates in der Hauptstadt aber nicht die Ressourcen, das ganze Land zu kontrollieren und ihre Zuständigkeiten stets auszuüben. Zum Beispiel hätte das poli83 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 53. 84 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 10. 85 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.1. 86 Ibid. Volume 1, Capitulo II, 2.3.1.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

tiknahe INAG bei den internationalen Flüssen wirklich exekutive Aufgaben, aber auch hier überträgt sie diese für den Normalfall vertraglich auf die Regionaldirektionen – DRAOT.87 De iure bleiben aber Zuständigkeit und Verantwortung beim INAG. Ergänzt wird das System paralleler Kompetenzen durch die Konzentration von technischem Know-how bei den Zentralstellen. Es werden also nicht außerhalb der Hauptstadt Kompetenzzentren geschaffen, die in der Lage wären, auch komplexere Aufgaben zu erfüllen. Insgesamt kann man sagen, dass die gesamtstaatlichen Akteure des Politikfelds Umwelt ständig auf Ressourcen und Entscheidungen der Zentralstellen angewiesen sind und dadurch gesteuert werden.

II. Interaktion von Akteuren der mittelbaren Staatsverwaltung Die wichtigsten Beispiele für Akteure der mittelbaren Staatsverwaltung sind die Institute des Umweltministeriums und die in die CCDR integrierten DRAOT (Regionaldirektionen für Umwelt und Raumordnung), deren Verhältnis in der Folge dargestellt werden soll. Vor 1999 war das Umweltministerium – MAOT von der sozialistischen Regierung in acht Institute aufgespaltet worden.88 Das sollte eine effiziente Steuerung durch eine politische Besetzung der Institutsleiter ermöglichen. Allerdings hätte sich jedes Institut einen eigenen Behördenunterbau außerhalb der Hauptstadt aufbauen müssen, was nicht finanzierbar war. Es waren also nicht genug Ressourcen vorhanden, um jeden dieser Akteure wirklich handlungsfähig zu machen. Die Institute griffen daher auf die Regionaldirektionen des Ministeriums zurück. Außerdem geriet die Abstimmung zwischen diesen konkurrierenden Akteuren im selben Politikfeld zum Problem. Das Wasserinstitut – INAG z. B. sollte zwar der gesamtstaatliche Akteur schlechthin für die Wasserpolitik sein, hat aber in seinem unmittelbaren Zuständigkeitsbereich Konkurrenz durch die fünf Regionaldirektionen – DRAOT, das Wasserinstitut des Landwirtschaftsministeriums, das Umweltinstitut, das Institut für Naturschutz und die Hafenbehörden.89 Die Institute sollten auch die Interaktion mit anderen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren fördern. So werden nach Art. 18 DL 97/2003 die Integration des Umweltschutzes in andere Politikfelder und die Interaktion 87

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 35 u. 42. 89 Instituto da Água (Hg.): Plano de Actividades 2000 (Lisboa 2000) S. 8. 88

C. Steuerung im Politikfeld Umwelt

279

mit Umweltschutzorganisationen und Unternehmen als zentrale Aufgaben des Umweltinstituts betont. Dafür braucht ein Akteur aber ein gewisses Eigengewicht in Bezug auf Zuständigkeiten und Ressourcen, was bei der Aufteilung in acht Institute nicht mehr gegeben war. Die Überdehnung der Schaffung kleiner spezialisierter Einheiten mit Verwaltungsautonomie und politischer Steuerung über den Leiter dieser Akteure zeigte sich dann in der raschen Auflösung dreier dieser Institute. Schon vor der Integration der DRAOT in die CCDR hatten letztere als Unterbehörde des MAOT einige Aufgaben im Umweltbereich. So waren sie im nationalen Wasserrat vertreten und in der Begleitkommission des EUProgramms für die Umwelt – POA.90 Obwohl die DRAOT heute de jure in die CCDR integriert sind, existieren die Abteilungen unter der Leitung des Präsidenten der CCDR doch räumlich und sachlich getrennt weiter. Eine wirkliche Vereinigung von DRAOT und CCDR kann in der Praxis noch lange dauern, und eine zukünftige Regierung kann diese Vereinigung derzeit noch relativ leicht wieder rückgängig machen.91 Daher ist es sinnvoll, die DRAOT weiterhin von den CCDR zu unterscheiden. Die Interaktionsprobleme zwischen den Regionaldirektionen (DRAOT) und dem Wasserinstitut (INAG) sind typisch für zwei autonome gesamtstaatliche Politikfeldakteure: Ursprünglich hatten die Vorläufer des INAG eigene Unterbehörden, dann wurden diese gemeinsam mit anderen Unterbehörden im Politikfeld Umwelt zu den DRAOT zusammengefasst. Diese sollten im Wasserbereich weiterhin vom INAG gesteuert werden. Gleichzeitig wurde in praktisch allen Gesetzestexten immer beiden Institutionen parallele Zuständigkeiten übertragen. Zudem ist keine direkte organisatorische Verbindung zwischen den beiden Akteuren vorgesehen. Wohl gibt es davon zwei kleinere Ausnahmen,92 die aber in der Praxis nicht eingehalten werden. Das INAG sollte also auf nationaler Ebene die Leitlinien im Politikfeld Wasserwirtschaft definieren und die DRAOT mit ihren eigenen Abteilungen für Wasserwirtschaft sollten diese vor Ort vollziehen.93 Obwohl das INAG laut seinem Statut in einigen Fällen die Funktion einer Oberbehörde in diesem Bereich wahrnehmen sollte, ist dies in der Praxis wegen des fehlenden organisatorischen Zugriffs auf die regionalen Unterbehörden nicht möglich. 90 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Plano de Actividades 2005 2004) S. 28. 91 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 92 Meldepflicht der DRAOT gegenüber dem Instituto da Água in Bezug auf Genehmigungen zur Abwasserbeseitigung DL 236/1998 bzw DL 191/1993. 93 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

In der Praxis bedient sich das Wasserinstitut bei der Erfüllung von Routineaufgaben vor Ort der DRAOT.94 Die in die CCDRN integrierte DRAOT übernehmen etwa den Abschluss von Förderverträgen des INAG mit den Gebietsgemeinden ihrer CCDR-Region.95 In vielen Bereichen beeinflussen die DRAOT in der Praxis die Entscheidungen vor Ort stärker als nach der Rechtslage.96 Bedeutendere Vorhaben und Genehmigungen im Einzelfall werden aber andererseits vom INAG abgewickelt, da die DRAOT nach Meinung des INAG nicht die nötigen fachlichen Fähigkeiten dafür aufweisen.97 Das INAG selbst beklagt das Fehlen einer Behörde, die für den Wasserbereich umfassende Zuständigkeiten besitzt.98 Obwohl man dies vor dem Hintergrund sehen muss, dass das INAG sich am liebsten selbst in dieser Rolle sehen würde, stimmt es, dass im Wasserbereich kein klarer Akteur auszumachen ist. So deckt sich der örtliche Zuständigkeitsbereich der fünf DRAOT nicht mit dem Planungsgebiet der 15 Flussgebietseinheitspläne, was die Vollziehung dieser Pläne verkompliziert.99 Das INAG forderte zuletzt offen, den DRAOT alle Kompetenzen im Wasserbereich zu entziehen und ihm selbst zu übertragen. Als nationale Wasserbehörde will es dann entsprechend den Flussläufen eigene Unterbehörden einrichten und die Wasserpolitik der Regierung einheitlich umsetzen.100 Das INAG will so zu einem landesweit tätigen Politikfeldakteur mit eigenen Unterbehörden werden. Die dafür notwendigen Ressourcen sind aber nicht in Sicht und mit der Integration der DRAOT in die CCDR, deren Verwaltungsgrenzen keine Rücksicht auf Flussläufe nehmen, wurden die Weichen auch in Richtung eines Territorialakteurs gestellt. Probleme gibt es auch in der Interaktion zwischen den gesamtstaatlichen Akteuren und dem für den Vollzug des EU-Umweltprogramms (POA) bestellten Programmverwalter. In der Analyse des POA des EU-Rahmenprogramms 1994–1999 wurden Probleme in der Abstimmung zwischen dem Programmverwalter und den Verantwortlichen des Ministeriums für die Ent94 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.5.1. 95 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Plano de Actividades 2005 2004) S. 39. 96 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 97 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.5.1. 98 Ibid. Volume 1, Capitulo II, 2.1.5.1. 99 Ibid. Volume 1, Capitulo II, 2.3.2. 100 Ibid. Volume 1, Capitulo IV, 3.1.

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wicklung der Umweltpolitik eingeräumt. Probleme ergaben sich auch in der Koordinierung von Umweltprogramm, Umwelt bezogenen Projekten des Kohäsionsfonds und den EU-Programmen mit regionalem Schwerpunkt. Auch die organisatorische Schwäche der DRAOTs hätte zu Problemen bei der Zusammenarbeit mit dem Programmverwalter geführt. Außerdem hatten wohl die Dienststellen des Umweltministeriums bei der Planung des EUUmweltprogramms primär an sich selbst gedacht und versuchten während der Umsetzung, die EU-Mittel für eigene Projekte vom Programmverwalter genehmigt zu bekommen. Dieser hatte aber auch die Orientierungen seiner Programmplanung zu befolgen, die ihm eine Unterstützung der Gemeinden und eine Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft nahe legten. Daraus resultierten Konflikte. Für das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 sollen diese Konflikte dadurch minimiert werden, dass sich der Programmverwalter und die anderen gesamtstaatlichen Akteure strikt an die allgemeinen Planungen im Umweltbereich halten sollen.101

III. Interaktion unterschiedlicher Ministerien Anfang der 1990er-Jahre war der Kontakt zwischen den Umweltbehörden und dem Wirtschaftsministerium eher schwach. Das Ergebnis war ein mangelhafter Vollzug der Umweltnormen.102 Unter dem Einfluss der EU hat die Umweltthematik einen höheren Stellenwert erhalten, was sich in einer gesteigerten Bedeutung des Umweltministeriums niederschlägt. Dieses zählt also zu den Gewinnern der Europäisierung des Politikfeldes. Außerdem wurde der Gedanke der Integration von Umweltthemen in alle Politikfelder betont.103 Im ersten nationalen Umweltplan wurden Meinungsunterschiede zwischen den gesamtstaatlichen Akteuren im Umweltbereich und anderen staatlichen Akteuren als unvermeidbar und sinnvoll beschrieben.104 In Art. 37 UmweltrahmenG werden sie aufgefordert, dies in enger Zusammenarbeit mit anderen Ministerien zu tun. Das Umweltministerium bekennt sich zu einem gemeinsamen Handeln aller gesamtstaatlichen Akteure in der Um101 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 100, 102 f. u. 149. 102 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 38. 103 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 31. 104 Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/1995.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

weltpolitik. Seiner Meinung nach sind Teile der Verwaltung des Gesamtstaates aber wenig sensibel für Umweltfragen.105 Ein Beispiel für mangelnde Abstimmung ist das Verhältnis des INAG als zentraler Akteur des MAOT im Wasserbereich zu anderen Ministerien, die Kompetenzen im Bereich der Wasserpolitik haben. Für den nationalen Plan der landwirtschaftlichen Bewässerung 2000–2006 ist etwa ein eigenes Institut des Landwirtschaftsministeriums zuständig. Es legte diesen Plan dem Beratungsgremium „Nationaler Wasserrat“ vor, ohne vorher irgendwelche Absprachen mit dem INAG getroffen zu haben.106

IV. Unterschiedliche Steuerungsebenen Auf der Ebene der normativen Steuerung wird das Politikfeld Umweltschutz intensiv berücksichtigt.107 Die Verpflichtung gesamtstaatlicher Akteure zum Umweltschutz ist auf verfassungsrechtlicher Ebene in Art. 9 sowie in Art. 66 CRP festgelegt. Art. 9 CRP definiert einige wenige grundsätzliche Staatsaufgaben und nimmt hier an zwei Stellen auf den Umweltschutz Bezug: In lit. d wird den staatlichen Akteuren aufgetragen, die Grundrechte der Bürger zu respektieren, insbesondere das Recht auf eine intakte Umwelt, in lit. e wird schließlich der Schutz der Umwelt und eine korrekte Raumordnung unter die grundsätzlichen Staatsziele aufgenommen. Art. 66 CRP gibt den Bürgern ein Recht auf eine intakte Umwelt und den staatlichen Akteuren eine Reihe von Zielen und Vorgehensweisen vor: Eindämmung der Umweltverschmutzung, Artenschutz durch Nationalparks, nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen, Förderung der Bürgerbeteiligung, Erziehung zum Umweltschutz. Weitere grundsätzliche normative Zielvorgaben finden sich im UmweltrahmenG (Lei de Bases do Ambiente – L 11/1987). Art. 37 L 11/1987 trägt der nationalen Regierung die Koordination aller Ministerien für die Politikfelder Umweltschutz, Raumordnung, Wirtschaftsentwicklung und Lebensqualität auf. Ein wichtiges Gebiet normativer Steuerung ist das Wasserrecht. Auch hier ist die nationale Regierung wichtigster Akteur bei der Normsetzung. Sie schließt etwa im Wasserrecht internationale Verträge, setzt die EU105

Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 28 u. 119. 106 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.2. 107 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 120.

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Richtlinien um und regelt die Materie innerstaatlich in materieller, verfahrensrechtlicher und organisatorischer Hinsicht. Das WasserG von 1919 wurde oftmals geändert und durch Nebengesetze ergänzt. Eine Gesamtreform und Neukodifizierung wird diskutiert, steht aber noch aus.108 In Bezug auf die Steuerung über Pläne schreibt Art. 90 CRP vor, dass die Pläne aller staatlichen Akteure auf Umweltbelange Rücksicht nehmen müssen. Dieses Ziel wird auch erreicht, da es im Bereich staatlicher Planung insgesamt ausreichende Zielvorgaben und Berücksichtigung umweltpolitischer Belange gibt.109 Pläne, die ausschließlich das Politikfeld Umwelt betreffen, sind neben den umweltpolitischen Zielen der europäischen Union der nationale Plan zur Umweltpolitik und der nationale Naturschutzplan, außerdem die nationale Strategie zur Klimaänderung und zur Nachhaltigkeit. Für den Wasserbereich werden der nationale Wasserplan und fünfzehn einzelne Pläne für die Flussgebietseinheiten (DL 45/1994) erstellt. Außerdem gibt es spezielle Pläne für die Küstengewässer, die Badezonen, das Wasser für die Landwirtschaft oder die Abwasserbeseitigung.110 Die mäßige Bedeutung finanzieller Steuerung gesamtstaatlicher Akteure in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung ergibt sich aus den hauptsächlich am Vollzug beteiligten Akteuren. 11% des Haushalts des Ministeriums für Umwelt und Raumordnung vollziehen Akteure der unmittelbaren Staatsverwaltung, gegenüber denen der Minister ohnehin direkt weisungsbefugt ist und nicht finanziell steuern muss. Der Großteil des Haushalts, nämlich 82%, fließt in Projekte, die von den Gebietsgemeinden vollzogen werden. Die hier stattfindende finanzielle Steuerung wird im Kapitel 6 Abschnitt „C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat“ behandelt. Schließlich werden 7% des Haushalts von den CCDR und den finanzautonomen Instituten für Naturschutz und für Regulierung vollzogen.111 In diesem Bereich kann es zu einer finanziellen Steuerung gesamtstaatlicher Akteure kommen, wenn der Minister einem der Akteure seines Ministeriums mehr Mittel zur Verfügung stellt. Auch können unter Berücksichti108 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.5.1. 109 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 120. 110 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.5.1. 111 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 173.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

gung der Normen und Pläne der EU-Programme bestimmte Projekte des Umweltprogramms – POA vorgezogen oder höher dotiert werden. Im Bereich der Steuerung über Personen sind im Politikfeld Umwelt dieselben Phänomene zu finden wie in anderen Politikfeldern, allerdings sind sie durch die hohe Anzahl von gesamtstaatlichen Akteuren der mittelbaren Verwaltung besonders deutlich sichtbar.

D. Steuerung im Politikfeld Raumordnung I. Der Interessenausgleich bei der Erstellung von Raumordnungsplänen Bei der Erstellung eines Raumordnungsplanes wie eines PROT oder PDM müssen einander widersprechende Interessen an demselben Grund und Boden berücksichtigt werden, um Entscheidungen über die Nutzung zu treffen. Dies ist typischerweise eine Aufgabe für einen Territorialakteur, der von den Bürgern eines bestimmten Territoriums dazu legitimiert ist. Nachdem in Portugal solche Akteure für die regionale Ebene fehlen und die kommunalen Akteure von den gesamtstaatlichen Politikfeldakteuren dominiert werden, bleibt die Integration verschiedener Interessen in der Raumordnung den gesamtstaatlichen Politikfeldakteuren überlassen. Laut Art. 7 Abs. 2 lit. a Raumordnungsrahmengesetz soll die Koordinierung einzelner Politikfelder für ein bestimmtes Territorium durch gesamtstaatliche Akteure erfolgen. Der Gesamtstaat versucht so, Interessenkonflikte an der Landnutzung durch spezialisierte Politikfeldakteure abzubilden. Allerdings sind die gesamtstaatlichen Politikfeldakteure keine wirklich unabhängigen Interessenvertreter, da sie von der Regierung eingesetzt werden, weisungsgebunden sind und wieder abberufen werden können. Dadurch haben diese Interessenvertreter alle dieselbe Legitimation in den nationalen Wahlen. Außerdem werden auf diese Weise nur diejenigen Interessen durch einen Politikfeldakteur abgebildet, welche die Unterstützung der Regierung finden. Aus der Vielzahl der beteiligten gesamtstaatlichen Politikfeldakteure folgt aber eine Vervielfältigung der institutionellen Eigeninteressen der Akteure. Im Ergebnis erschwert dies den Interessenausgleich und kann dessen Ergebnis in einer Weise verändern, die nicht den Interessen der betroffenen Bevölkerung entspricht. Die Gemeinwohl fördernde Integration verschiedener Politikfelder in einem Territorium wird so in Frage gestellt. Jeder der gesamtstaatlichen Politikfeldakteure fühlt sich eher für die Durchsetzung seiner Politikfeldinteressen verantwortlich als für das Gesamt-

D. Steuerung im Politikfeld Raumordnung

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ergebnis. Der Kompromiss aus den Politikfeldinteressen mehrerer staatlicher Akteure ist aber nicht unbedingt die sinnvollste Lösung für eine bestimmte Region. Die Bürger einer Gebietsgemeinde oder einer Region sind immer in der Minderheit gegenüber der Nation. Die politische Mehrheit auf gesamtstaatlicher Ebene kann damit der regionalen oder lokalen Minderheit ihre Entscheidungen aufzwingen. Im Ergebnis wird z. B. die Entwicklung des Landesinneren vernachlässigt, wenn die Mehrheit der Bevölkerung in den Küstenregionen lebt und kein Interesse an der Entwicklung peripherer Regionen hat. Es fehlen Akteure, welche die raumordnerischen Interessen solcher Regionen insgesamt gegenüber den anderen staatlichen Akteuren vertreten. Nicht die Bürger einzelner Territorien wählen ihre regionalen Interessenvertreter, sondern die Regierung bestimmt, wer die nächsten Jahre die Interessen des Gewässerschutzes, des Schutzes von landwirtschaftlichem Boden usw. in einer bestimmten Region vertreten wird. Die Erstellung der regionalen Raumordnungspläne in Gestalt der PROT bleibt ein künstlicher Vorgang, da dahinter keine regionalen, sondern gesamtstaatliche Akteure stehen.112 Den aufwändigen Koordinationsprozess mehrerer gesamtstaatlicher Akteure sieht auch der Gesetzgeber, wenn er einen ganzen Unterabschnitt in DL 380/1999 mit „Interessenabstimmung“ überschreibt, wobei in Art. 8 Abs. 2 DL 380/1999 mit Bezug auf gesamtstaatliche Akteure ausdrücklich von der „Abstimmung ihrer verschiedenen öffentlichen Interessen“ die Rede ist. Dazu sollen die gesamtstaatlichen Akteure entweder als Mitglieder von Kollegialorganen zu Entscheidungen kommen oder in beratenden Gremien die Entscheidungen anderer Akteure beeinflussen. Wegen der Abbildung der verschiedenen Interessen zeigt das Planerstellungsverfahren daher viele parallele Kompetenzen und feindliche Interaktionshaltungen. In der Praxis kommt es bei der Erstellung der Pläne regelmäßig zu einer Reihe von Konflikten zwischen den gesamtstaatlichen Akteuren.113 Diese bestehen in einer eifersüchtigen Bewahrung von Kompetenzen und sind schlimmer als etwa die Interessenkonflikte zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinde.114 Dem Denkmalschutzinstitut z. B. wird 112

Ferreira, António Fonseca: Depoimento de Nuno Portas. Secretário de Estado da Habitação no 1º e 2º Governos Constitucionais. Entrevista de António Fonseca Ferreira [in: Sociedade e Território, 33, S. 8–22, 2002] S. 15. 113 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 24 u. 30. 114 Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] S. 192.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

vorgeworfen, sich massiv in die Raumordnung einzumischen, um seinen großen Behördenapparat zu rechtfertigen.115 Das eigentliche Problem in der Raumordnung stellt heute die Lösung solcher Konflikte dar.116 Wobei die Zusammenarbeit der Akteure bei der Erstellung der Pläne zu einzelnen Politikfeldern allerdings oft wichtiger ist als die beschlossenen Pläne selbst.117 So gab es Ministerien, die gewohnt waren, einseitige Entscheidungen zu treffen und gar nicht einsahen, auf irgendjemanden Rücksicht zu nehmen und jede Absprache als Einmischung auffassten. Es war der große Verdienst der PDMs der ersten Generation, dass dieses reine Denken in Politikfeldern zum ersten Mal in Frage gestellt wurde. Heute können in der Begleitkommission zur Erstellung eines PROT alle staatlichen Akteure ihre Interessen einfordern und die bestehenden Gegensätze deutlich machen.118 Während der Erstellung des PROTAL für den Algarve kam es etwa zwischen den Ministerien bereits zu einem regen Handel mit gegenseitiger Einflussnahme.119 1. Begleitkommission Für die Erstellung der PDM und der PROT werden in der Praxis Begleitkommissionen gebildet, in denen die hauptsächlich betroffenen staatlichen Akteure vertreten sind und ihre Investitions- und Entwicklungspläne untereinander und mit der gemeindlichen Raumordnung koordinieren sollen. Weitere betroffene Akteure geben zu den Planungsvorschlägen ihre Stellungnahmen ab, die zu diesem Zweck von den CCDR kontaktiert werden.120 Zum Beispiel wird der Beschluss einer Gebietsgemeinde, einen PDM zu erstellen, der CCDR sowie den regionalen und nationalen Dienststellen der Raumordnungs- und Umweltbehörden mitgeteilt. Diese bilden gemeinsam mit dem Gebietsgemeindevorstand die Begleitkommission zur Erstellung 115

Gomes, José: Interview am 1. August 2003. Oliveira, Fernanda Paula: Os princípios da nova lei do ordenamento do território. Da hierarquia à coordenação [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a. 3n .1, S. 21–36, 2000] S. 29. 117 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 139 f. 118 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 119 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 120 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 22. 116

D. Steuerung im Politikfeld Raumordnung

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des PDM. Die Kommissionsmitglieder können sich auf weitere Mitglieder einigen, was aber der Genehmigung des MAOT bedarf. Anfangs schickten die Ministerien Vertreter in die Begleitkommissionen, an deren Abmachungen sich ihre Vorgesetzten nicht gebunden fühlten. Ein eigener Erlass musste festlegen, dass der Vertreter in der Begleitkommission für den jeweiligen gesamtstaatlichen Akteur spricht.121 2. Politikfeldpläne und PROT Ergebnis der Repräsentation öffentlicher Interessen durch eigene Politikfeldakteure sind auch die große Anzahl von Spezialplänen, welche jeder Akteur für sein Politikfeld produziert. Die Abstimmung dieser allzu zahlreichen überregionalen Pläne ist eine Herausforderung, deren Meisterung Lei 48/1998 den PROT zuweist.122 Bei Erstellung der PROT soll es zu einer Integration des nationalen Raumordnungsplans, der Regionalentwicklungspläne, der Politikfeldpläne der Spezialpläne und der in den PDM zum Ausdruck kommenden überörtlichen Strategien kommen. Diese Schlüsselstellung der PROT in der Koordination verschiedener Akteure wird noch durch Art. 52 lit. d DL 380/1999 verstärkt, wonach die PROT sowohl als Rahmen für die PDM als auch als Basis für die Erstellung des Nationalen Raumordnungsplanes dienen sollen. Andere Raumordnungspläne dürfen gegen die PROT nicht verstoßen. Sie wären damit eigentlich die zentralen Raumordnungsinstrumente, um die Politikfeldplanung regional zu integrieren und das Ergebnis den Gebietsgemeinden für ihre Raumordnung vorzugeben.123 Andererseits müssen bei Erstellung der PROT die vorhandenen Spezialpläne und Politikfeldpläne berücksichtigt werden.124 Außerdem gibt es nur für einen kleinen Teil der Landesfläche PROT, deren Erstellung jeweils mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Da sich der Erstellungsprozess der PROT nicht von dem anderer Pläne unterscheidet, gibt es sowohl bei den Abläufen als auch bei den Ergebnissen größere Probleme. 121

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Ferreira, António Fonseca: Depoimento de Nuno Portas. Secretário de Estado da Habitação no 1º e 2º Governos Constitucionais. Entrevista de António Fonseca Ferreira [in: Sociedade e Território, 33, S. 8–22, 2002] S. 15. 123 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 97. 124 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 49 u. 52. 122

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

3. Beurteilung Der Vorteil des oben beschriebenen Systems der Interessenvertretung durch gesamtstaatliche Politikfeldakteure ist, dass auf diese Weise keine dauerhaften Blockaden möglich sind. Die Regierung stimmt nur zu, wenn eine für alle akzeptable Lösung gefunden ist. Letztlich muss allen Beteiligten klar sein, dass es der Raumordnungsplan der Regierung ist, den sie gemeinsam ausarbeiten sollen, und dass nur ein Teil ihrer Interessen berücksichtigt werden kann.125 Andererseits kann der Interessenausgleich gesamtstaatlicher Politikfeldakteure auch so zu jahrelangen Planerstellungsverfahren führen.126 Nicht nur die eigentliche Erstellung führt zu Verzögerungen, sondern vor allem die Prüfungs- und Genehmigungsphase unter Beteiligung aller betroffenen staatlichen Akteure.127 Außerdem ist das Erstellungsverfahren von undurchsichtigen Einflussnahmen und verstecktem Lobbying geprägt. Die einzelnen Interessen werden durch Politikfeldakteure repräsentiert, welche normativ vorgegebene Interessen, ihre institutionellen Eigeninteressen und die Interessen ihrer politisch besetzten Leiter verfolgen. Daraus soll das Gemeinwohl entstehen, ohne dass es öffentlich diskutiert und zur Abstimmung in Wahlen gebracht wird. Für den Bürger bleibt das Verfahren undurchschaubar. Gehen Entscheidungen zu Lasten seiner Privatinteressen, schreibt er dies der Gegnerschaft staatlicher Akteure zu, ohne dass die Möglichkeit besteht, dass er den Gemeinwohlcharakter der Entscheidung erkennt. Eine Bürgerbeteiligung ist formell erst ganz am Ende des Verfahrens vorgesehen und spielt für das Ergebnis der Planung kaum eine Rolle. Bei der Erstellung von Raumordnungsplänen sind aber politische Entscheidungen zu treffen, die politisch legitimiert sein sollten und eines öffentlichen politischen Diskurses bedürfen. Raumordnungspläne sollen sich daher mit dem örtlichen Verantwortungsbereich demokratisch legitimierter staatlicher Akteure decken. In die richtige Richtung geht der Vorschlag, die Verwirrung bei der Erstellung der gesamtstaatlichen Pläne zu vermindern, indem man die PDM ins Zentrum der Raumordnung rückt.128 Passend dazu gibt es die Gebiets125

Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] S. 192. 127 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 116. 126

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gemeinde als für das Territorium verantwortlichen und legitimierten Akteur. Für viele Raumordnungsprobleme sind die Gebietsgemeinden aber zu klein, der nächste staatliche Akteur mit eigenem Territorium und eigener Legitimation, der Gesamtstaat, ist zu groß. Zu diesem Ergebnis kommen portugiesische Autoren, wenn sie schreiben, dass weder auf nationaler noch auf lokaler Ebene die Raumordnungsprobleme gelöst werden könnten, sondern nur auf regionaler. Allerdings zeigten sich auf dieser Ebene im derzeitigen System Überlagerungen und fehlende Koordinierung.129 Eine Lösung nahe an der bestehenden Akteursstruktur wären PROT, die flächendeckend für das jeweilige Territorium einer CCDR erstellt werden. Allerdings sind die CCDR ja nicht politisch von der Bevölkerung der Region legitimiert, sondern werden von der gesamtstaatlichen Regierung ernannt. Echte Kritik der CCDR an den Planungen der Ministerien wird daher, zumal in der Öffentlichkeit, nicht möglich sein. Damit wird eine Einbeziehung der Bürger in die Diskussion über die Entwicklung ihrer Region aber ausgeschlossen. Ihnen verbleibt nur am Ende eines Raumordnungsverfahrens das schwache Instrument der Bürgerbeteiligung.130 Nach einer Regionalisierung könnten Raumordnungsfragen auf regionaler Ebene politisch diskutiert und entschieden werden. Die Region muss für die getroffenen Entscheidungen politisch ebenso einstehen wie für die Berücksichtigung der Interessen anderer staatlicher und privater Akteure. Auch das Problem der Koordinierung öffentlicher Investitionen könnte eher gelöst werden, war die Raumordnung doch bisher kein taugliches Mittel, um die öffentlichen Investitionen verschiedener staatlicher Akteure zu steuern.131

II. Die Rolle einzelner Akteure bei der Erstellung der Raumordnungspläne In der Folge wird die Rolle der DGOTDU (Generaldirektion für Raumordnung), der CCDR (Kommissionen für Regionale Koordinierung und Ent128 Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] 200. 129 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 263 f. 130 Siehe Kapitel 7.C.III. Bürgerbeteiligung. 131 Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] S. 204.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

wicklung) und der Umweltbehörden bei der Erstellung der Raumordnungspläne dargestellt. 1. Rolle der DGOTDU Die Hauptaufgabe der DGOTDU besteht heute darin, die Raumordnung mit anderen Politikfeldern auf nationaler Ebene zu koordinieren.132 Schon immer war es außerdem ihre Aufgabe gewesen, die Regierung legistisch zu unterstützen und Studien sowie Statistiken auf nationaler Ebene zu erstellen. Dafür musste sie auch nicht viel Personal haben, da die Studien bei Universitäten in Auftrag gegeben wurden. Die ehemaligen Regionaldirektionen der DGOTDU waren personell stärker besetzt, weil sie die Probleme verstehen und Lösungen vorschlagen mussten. Nachdem diese Regionaldirektionen heute in die CCDR eingegliedert sind, wurden die CCDR in Art. 15 DL 271/1994 verpflichtet, die DGOTDU bei ihrer Aufgabenerfüllung zu unterstützen. Nach Meinung des Generaldirektors im Interview hat der Verlust der Regionaldirektionen die Fähigkeit der DGOTDU zu strategischem Handeln erhöht. Auch bei Erstellung der Pläne sollte die Generaldirektion nur auf nationaler Ebene und nicht im Einzelfall eingreifen. Die eigentliche Analyse muss von der Raumordnungsabteilung der CCDR gemacht werden. Es macht keinen Sinn, die städtischen bzw. punktuellen Bebauungspläne (PU bzw. PP) in der Hauptstadt einzureichen und sich dann die Informationen erst recht von den CCDR zu holen. Die notwendige Koordination auf nationaler Ebene wird durch die Federführung der DGOTDU bei den PROT und die Interventionsmöglichkeiten bei den PDM sichergestellt.133 2. Rolle der CCDR Den CCDR kommt in der Raumordnung eine entscheidende Mittlerrolle zu. Sie haben die Aufgabe, mit den Dienststellen der anderen Ministerien inner- und außerhalb der Hauptstadt zusammenzuarbeiten und diese mit den betroffenen Gemeinden zu koordinieren. In einigen Fällen gelingt das sehr gut, wobei entscheidend ist, dass gesamtstaatliche Dienststellen vor Ort als handlungsfähige Ansprechpartner für die CCDR zur Verfügung stehen. In anderen Politikfeldern hat der Gesamtstaat keine handlungsfähigen Akteure in der Region, und die Akteure in der Hauptstadt sehen die Notwendigkeit, ihr Handeln regional zu differenzieren, nur teilweise ein. Das Ergebnis kann eine trotzdem funktionierende Zusammenarbeit oder gegenseitiges 132 133

http://www.dgotdu.pt/main.asp?IdTemas=1 08/2003. Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003.

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Misstrauen und Ablehnung sein.134 Eine weitere Aufgabe der CCDR ist es, Studien über die Region anzufertigen und so die Ergebnisse der Tätigkeit der gesamtstaatlichen Akteure darzustellen.135 Bei Erstellung der PROT sind es die CCDR, die die Interessen der ganzen Region verkörpern, außerdem sind sie in den Begleitkommissionen einer Reihe von Politikfeldplänen vertreten.136 3. Rolle der Umweltbehörden Obwohl Umwelt und Raumordnung in einem Ministerium vereinigt sind, werden laufende Probleme in der Koordinierung der Politikfelder Umwelt und Raumordnung vor allem in den Städten festgestellt.137 Direkte raumordnerische Zuständigkeiten hat das Institut für Naturschutz nach Art. 17 Abs. 2 lit. e DL 97/2003 durch die Federführung bei der Ausarbeitung der Spezialpläne für Küsten, Naturschutzgebiete und REN.138 Außerdem hat seine Zuständigkeit für Umweltverträglichkeitsprüfungen Auswirkungen auf die Raumordnung. Dabei läuft die Umweltverträglichkeitsprüfung für gewerbliche Großprojekte parallel zum Raumordnungsverfahren und der gewerberechtlichen Genehmigung durch das jeweils zuständige Ministerium, was zu schnelleren Genehmigungen führen soll. Das Ergebnis der Umweltverträglichkeitsprüfung ist dabei für die anderen Ministerien nicht bindend, wird aber in der Mehrzahl der Fälle respektiert. Die gewerbliche Genehmigungsbehörde kann sich in begründeten Fällen auch darüber hinwegsetzen, wobei der betreffende Betrieb dann unter spezieller Überwachung des Umweltministeriums steht.139

134 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 139 f. 135 Ibid. S. 139. 136 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 137 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 133. 138 http://www.inag.pt/inag2004/port/a_intervencao/planeamento/pooc/pooc.html 02/2005. 139 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 22 u. 36.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

III. Vollzug der Pläne Der Vollzug kommunaler Raumordnungspläne obliegt zwar prinzipiell den Gebietsgemeinden, aber parallel dazu auch verschiedenen gesamtstaatlichen Akteuren. Die übrigen Raumordnungsinstrumente werden z. B. von den CCDR, der DGOTDU und den Instituten aus dem Umweltbereich vollzogen. Die IGAT (Generalinspektion für die Gebietskörperschaften) ist die zentrale Kontrollinstanz des Gesamtstaats in Bezug auf die Gemeinden und diejenigen gesamtstaatlichen Akteure, deren Entscheidungen die Gemeinden unmittelbar betreffen. Die IGAT informiert etwa die Justiz über rechtswidrige Baugenehmigungen. Die für die Erstellung der Spezialpläne (Küstenpläne, Pläne von Binnengewässern und Naturschutzgebieten) zuständigen Behörden sind parallel zu den vorgenannten Akteuren auch noch für den Vollzug dieser Pläne zuständig.140 Zur Evaluierung der Raumordnung ist beim MAOT eine Beobachtungsstelle eingerichtet. Diese sammelt Daten von den verschiedenen Verwaltungsstellen, hält Kontakt zu wissenschaftlichen Institutionen und beteiligt die Bürger an der Evaluierung. Sowohl die Regierung als auch jede CCDR sollten alle zwei Jahre einen Raumordnungsbericht erarbeiten.141 Da die Erstellung der PROT jahrelang dauert und sie deshalb auch eine Gültigkeit von mehreren Jahren haben, stellt sich die Frage, inwiefern eine neue Regierung an solche Pläne gebunden bleibt. Juristisch betrachtet kann eine neue Regierung die bestehenden Raumordnungspläne über die Steuerung aller relevanten gesamtstaatlichen Akteure jederzeit ändern. Das müsste eigentlich das Vertrauen anderer Akteure in die Bestandskraft der Pläne schwächen. Der Generaldirektor der DGOTDU stimmte dem in der Theorie zu, merkte aber an, dass man in der Praxis damit noch keine Erfahrungen habe. Außerdem seien die Pläne ja hauptsächlich nach fachlichen Kriterien erstellt. Das Fachwissen aller Ministerien sei darin eingeflossen. Das könne in der Praxis auch eine neue Regierung nicht leichtfertig umstoßen.142 Das entscheidendere Argument ist aber, dass die Regierung im Vollzug der Raumordnungspläne ohnehin relativ großen Gestaltungsspielraum hat und daher die Pläne an sich gar nicht ändern muss: Projekte, deren Verwirklichung sie im öffentlichen Interesse sieht, müssen den PROT nicht entsprechen, sondern nur seine Ziele verwirklichen helfen. Es genügt dafür ein gemeinsames Despacho vom für Raumordnung zuständigen Minister und dem jeweiligen dem Projekt entsprechenden Fachminis140

Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 261. 141 Art. 144 DL 380/1999. 142 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003.

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ter. Ein solches Despacho aus dem Jahr 1994 erklärt z. B. alle Tourismusprojekte mit einem Volumen von mehr als 50 Mio. e zu solchen von öffentlichem Interesse, falls ein Drittel der Investitionen für die lokale Infrastruktur aufgewandt wird.143 Ähnlich ist bei Naturschutzgebieten REN eine Durchbrechung der Nutzungsbeschränkungen im öffentlichen Interesse durch das Zusammenwirken mehrerer Minister möglich. Auch bei Wohnbauprojekten, die eine Größenordnung von 10 Hektar oder 500 Wohneinheiten überschreiten, ist die Genehmigung den CCDR entzogen und einer politiknäheren Dienststelle des MAOT vorbehalten.144 Letztlich will sich der Gesamtstaat durch solche Ausnahmen im Vollzug nicht an seine eigenen Pläne halten und vermindert dadurch das Vertrauen zwischen allen Akteuren im Politikfeld Raumordnung.

IV. Unterschiedliche Steuerungsebenen Auf normativer Steuerungsebene verpflichtet Art. 66 Abs. 2 CRP die gesamtstaatlichen Akteure dazu, eine korrekte Raumordnung in Zusammenarbeit mit den Gemeinden und Privaten sicherzustellen. Weitere normative Vorgaben gibt es vor allem für die Verfahren zur Erstellung der Pläne, aber kaum für die Inhalte der Raumordnung. Letztere sind in den Raumordnungsplänen niedergelegt, die nach Erstellung selbst normative Kraft erhalten. Der Vollzug dieser Pläne ist durch zwei Phänomene gefährdet. Einmal durch die nicht ausreichende Kontrolle der Gebietsgemeinden und der privaten Akteure. Zum zweiten bleibt die Möglichkeit der Minister, Einzelentscheidungen entgegen bestehender Pläne zu treffen. In der Praxis geschieht dies weniger durch formelle Weisungen, sondern auf informelle persönliche Weise. Damit kehrt man zur Steuerung durch Einzelfallentscheidungen von Personen zurück. Zusammenfassend kann man sagen, dass die Steuerung über Normen nur für die Verfahren zur Erstellung genutzt wird, der normative Charakter der vorliegenden Pläne von den dominanten Akteuren aber zu umgehen versucht wird, weil dieser sie in ihrer Entscheidungsfreiheit einengt und ihr Handeln zu streng determiniert. Raumordnungs- und Politikfeldpläne sind die Hauptsteuerungsinstrumente des Politikfelds Raumordnung. Zu ihrer Erstellung werden formelle Entscheidungs- und Beteiligungsrechte vergeben. Als fertiger Plan bilden sie Kompromisse zwischen den beteiligten Akteuren ab und sollen nach InKraft-Treten das Handeln privater und staatlicher Akteure steuern. Der na143 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 210. 144 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 48 f. u. 66.

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Kap. 4: Steuerung gesamtstaatlicher Akteure

tionale Raumordnungsplan, die PROT und die Politikfeldplanung dienen ausschließlich der Steuerung staatlicher Akteure. Allerdings waren die maßgeblichen gesamtstaatlichen Akteure in den letzten Jahren eher zurückhaltend bei der Erstellung dieser Pläne, um sich nicht selbst zu binden. Der Nationale Raumordnungsplan ist seit Jahren nicht verwirklicht, die PROT gibt es nur für wenige Gebiete und sie leisten keine echte Integration der Politikfeldplanung und der Spezialpläne für eine Region. Diese Probleme sollen in den nächsten Jahren beseitigt werden. Demgegenüber ist die Politikfeldplanung viel kurzfristiger und kann bei jedem Ministerwechsel geändert werden, auch deshalb wurde sie schon bisher regelmäßig angewandt. Im Ergebnis bilden die Pläne keine strategische Selbstbindung der nationalen Akteure untereinander und gegenüber den Gemeinden und Privaten. Die politischen Organe behalten auch gegenüber der gesamtstaatlichen Verwaltung ihren Spielraum für Einzelfallentscheidungen. Erstens weil die Pläne an sich dafür genug Spielraum lassen und zweitens, weil die zuständigen Minister gemeinsam von diesen Plänen wieder abweichen können. Die Pläne bilden also nur einen momentan erreichten Konsens zwischen den gesamtstaatlichen Akteuren (unter geringer Beteiligung kommunaler und privater Akteure) ab. Bevorzugt wird die Einzelfallentscheidung, die durch bestehende Pläne zwar eingeschränkt, aber letztlich weitgehend frei bleibt. Finanzielle Steuerung gesamtstaatlicher Akteure findet in Raumordnungsfragen am ehesten auf Ebene staatlicher Projekte statt. Nur diejenigen Stadterneuerungs- oder Infrastrukturprojekte können verwirklicht werden, für welche die zentralen politischen Organe Ressourcen bereitstellen. Die Steuerung über Personen wird dadurch ermöglicht, dass alle Spitzenbeamten in den beiden Politikfeldern politisch und auf Zeit besetzt sind, etwa die Leiter der DGOTDU und der IGAT. Der Leiter der CCDR wird hingegen seit DL 104/2003 nicht mehr vom Gesamtstaat allein, sondern auf Vorschlag der Gemeinden bestimmt, hier könnten sich bei unterschiedlicher politischer Ausrichtung zwischen Minister und Leiter der CCDR Steuerungsprobleme ergeben. Wichtig ist, dass durch enge personelle Steuerung nicht das Gleichgewicht zwischen politischen und sachlichen Erwägungen in der Raumordnung gestört wird,145 zumal die Beziehung der Politiker zu den Fachleuten in Raumordnungsfragen bisweilen wenig respektvoll ist.146 Der Generaldi145

Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 51. 146

D. Steuerung im Politikfeld Raumordnung

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rektor für Raumordnung umschrieb das idealtypische Verhältnis zwischen leitenden Beschäftigten und Ministern folgendermaßen: Ein Generaldirektor hat keine politische Meinung, sondern volle Solidarität mit der Regierung. Er muss insofern politisch denken, als er die politischen Implikationen von Sachproblemen verstehen muss und dem Minister Entscheidungsmöglichkeiten und deren Folgen aufzeigen sollte. In der Praxis erfolgt dies in direktem Kontakt zum Minister, wobei ein persönliches Vertrauen da sein muss. Der leitende Beschäftigte ist aber immer an die Gesetze gebunden. Ein neuer Minister gibt Leitlinien vor, setzt Schwerpunkte und die Kernaufgabe eines Generaldirektors ist es, auftauchende Probleme frühzeitig zu erkennen und den Minister darauf aufmerksam zu machen.147

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Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003.

Kapitel 5

Interaktion zwischen den Gemeinden Im fünften Kapitel wird die Interaktion zwischen den Gemeinden gegliedert in die folgenden Aspekte umfassend dargestellt und analysiert: • Interessenvertretungen der Gemeinden – ANMP und ANAFRE • Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden • Interaktion zwischen den Ortsgemeinden • Interaktion zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden Die Interaktion zwischen den Gemeinden kann man nicht von der Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden trennen, da der Gesamtstaat in dreifacher Weise hier Einfluss nimmt: Erstens stellt der Gesamtstaat den normativen Rahmen für Institutionen wie Gebietsgemeinde- und Metropolitanverbände zur Verfügung, die primär der Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden dienen. Obwohl diese Institutionen gleichzeitig die Interaktion zwischen Gebietsgemeinden und Gesamtstaat verändern, werden sie vollständig in „Kapitel 5 – Interaktion zwischen den Gemeinden“ behandelt. Zweitens schafft der Gesamtstaat Institutionen, die primär der Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden dienen, aber in deren Rahmen auch die Gebietsgemeinden untereinander interagieren. Beispiele hierfür sind die CCDR und die Distrikte. Sie werden in „B. Spezielle Akteure für die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden“ behandelt. Drittens organisiert der Gesamtstaat mit EU-Mitteln und eigenen Ressourcen Projekte, die für mehrere Gebietsgemeinden Bedeutung haben. Da sie sich bei deren Umsetzung abstimmen müssen, intensiviert sich auch die Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden. Dieses Thema wird in „IV. Gebietsgemeinden“ in „Kapitel 8 – Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU“ behandelt. Besonders in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen für ihre Zusammenarbeit sind die Gemeinden vom Gesamtstaat abhängig. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ist mit den vom Gesamtstaat zur Verfügung gestellten Rahmen für die Interaktion der Gebietsgemeinden nicht zufrieden. Sie beklagt, dass die Koordinierung der Gebietsgemeinden trotz der Vielzahl von Institutionen ineffizient ist: Örtliche und sachliche Zuständigkeitsbereiche von Gebietsgemeindeverbänden und Metropolitan-

A. Interessenvertretungen der Gemeinden – ANMP und ANAFRE

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verbänden, den Distrikten mit ihrer Distriktsversammlung und den CCDR mit ihrem Regionalrat würden sich zufällig überlagern oder schneiden. Letztlich würden dieselben kommunalen Mandatsträger in verschiedenen Institutionen über ähnliche Fragen diskutieren, wobei die Vielzahl der Institutionen Lösungen verhindere. Eine Reform, welche einen Teil dieser Institutionen auflöse, sei von Nöten. Positive Beispiele seien die autonomen Inselregionen und der Algarve, bei denen die autonome Region bzw. CCDR, Gebietsgemeindeverband und Distrikt, die gleichen örtlichen Zuständigkeitsbereiche hätten.1 Auch finanziell kann der Gesamtstaat die Interaktion zwischen den Gemeinden steuern. Wenn er eigene Kreditlinien und Förderprogramme für kommunale Verbände auflegt, nimmt auch deren Bedeutung zu.2 Betrachtet man sämtliche staatliche Akteure, gibt es tendenziell am meisten Interaktion zwischen gesamtstaatlichen Akteuren, relativ viel zwischen Gesamtstaat und Gemeinden und am wenigsten zwischen den Gemeinden. Hier bestünde eine Möglichkeit für die Entlastung gesamtstaatlicher Akteure, z. B. durch die Übertragung von Zuständigkeiten auf Verbände von Gebietsgemeinden.

A. Interessenvertretungen der Gemeinden – ANMP und ANAFRE Derzeit regelt Lei 54/1998 die Interessenvertretung von Gebietsgemeinden und Ortsgemeinden, wobei seit 2002 eine Reformdiskussion über diese Materie im Gange war. Diese Interessenvertretungen können sich als juristische Personen des Privatrechts konstituieren und dienen der Interessenvertretung gegenüber dem Gesamtstaat und in Zusammenarbeit mit diesem der Vertretung der Gemeinden in internationalen Organisationen. Eine solche Interessenvertretung hat „nationalen Charakter“ wenn sie mindestens ein Drittel der Gebietsgemeinden bzw. der Ortsgemeinden umfasst. Die Rechtsfolge davon ist, dass diese Interessenvertretungen zu Sozialpartnern der Regierung werden, im Wirtschafts- und Sozialrat vertreten sind und im Gesetzgebungsverfahren ein Recht auf Stellungnahme haben, die im Staatsanzeiger veröffentlicht werden. Bisher gibt es zwei Interessenvertretungen von nationalem Charakter: die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ANMP (Associação Nacional de 1 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 17. 2 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 134.

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

Municípios Portugueses = Nationale Interessenvertretung portugiesischer Gebietsgemeinden) und die Interessenvertretung der Ortsgemeinden ANAFRE (Associação Nacional de Freguesias = Nationale Interessenvertretung der Ortsgemeinden). Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (Associação Nacional de Municípios Portugueses = ANMP) wurde 1985 als gemeinnütziger, privater Verein gegründet. Mitglieder der ANMP können Gebietsgemeinden und deren Verbände werden. Ziele des Vereins sind die Vertretung der Gebietsgemeinden gegenüber dem Gesamtstaat, fachliche Beratung der Mitglieder, Schulung von Mandatsträgern sowie Informationsaustausch unter den Mitgliedern. Die ANMP ist aber in der Praxis eher eine politische Interessenvertretung gegenüber dem Gesamtstaat, als eine Vereinigung zur fachlichen Unterstützung der Gebietsgemeinden. Allerdings werden juristische, finanztechnische und PR-Fragen beantwortet.3 Die Generalversammlung kann die Statuten ändern, bestimmt die Strategie für die nächsten Jahre und wählt alle übrigen Organe. Dies ist der erweiterte Vorstand von 61 Mitgliedern, welcher vierteljährlich tagt und als Kontrollorgan zwischen den Generalversammlungen dient. Weiters gibt es als Exekutivorgan den 13-köpfigen Vorstand, dann ein Finanzgremium und einen Weisenrat aus ehemaligen Vereinsfunktionären.4 Das Generalsekretariat der ANMP hat 20 ständige Beschäftigte, von denen die Hälfte dem gehobenen Dienst angehört. Einen guten Teil der fachlichen Arbeit erledigen kommunale Mandatsträger oder bezahlte externe Fachleute. Pro Jahr werden etwa 100 Stellungnahmen zu Gesetzes- und Verordnungsentwürfen der Regierung verfasst und 150 Rechtsgutachten für Mitgliedsgemeinden erstellt. Die Kommunikation erfolgt über ein monatliches Periodikum sowie durchschnittlich 25 Einzelschreiben und zwei Rundbriefe pro Arbeitstag.5 Die ANMP hat einzelne Sektionen, denen Gebietsgemeinden mit gemeinsamen Interessen angehören (z. B. Gebietsgemeinden aus gebirgigen Landesteilen, mit Thermalquellen, Stierkampfarenen oder Häfen). Auch hier findet Informationsaustausch und Interessenvertretung gegenüber dem Gesamtstaat statt. Außerdem gibt es Studienkommissionen zu einzelnen Politikfeldern, welche den Sachverstand von Mandatsträgern bündeln, die Gutachten für die Gesetzgebungsverfahren erstellen und etwa zweimal jährlich tagen: Umweltschutz, Raumordnung, EU, Verwaltungsmodernisierung, Finanzen, Tourismus, Sozialwesen, Kompetenzübertragungen.6 3

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Statut der ANMP-Associação Nacional de Municípios Portugueses, http://www. anmp.pt 06/2003. 5 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Relatório de Actividades 1998–1999 (Tätigkeitsbericht der ANMP 1998–1999), (5. März 2000). 4

A. Interessenvertretungen der Gemeinden – ANMP und ANAFRE

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Im Politikfeld Raumordnung ist die ANMP in den Kommissionen für die Naturschutzgebiete ebenso vertreten wie in der Beratungskommission der Generaldirektion für Raumordnung – DGOTDU.7 1987 gründeten größere Ortsgemeinden, die nicht Sitz einer Gebietsgemeinde waren, eine Interessenvertretung der Ortsgemeinden mit dem Namen ANAVIL.8 Aus ihr ging die ANAFRE hervor, die 1989 als gemeinnützige Interessenvertretung aller Arten portugiesischer Ortsgemeinden gegründet wurde.9 Die ersten Jahre nach der Gründung hatte die Interessenvertretung der Ortsgemeinden einen schweren Stand. Sie ist erst dabei, sich institutionell so weit zu festigen, dass ihre Leistungsfähigkeit nicht mehr so abhängig von dem jeweiligen Vorstand aus kommunalen Mandatsträgern ist.10 Die Aufgaben der Interessenvertretung der Ortsgemeinden sind nach Art. 2 ihrer Satzungen: Vertretung der Ortsgemeinden gegenüber dem Gesamtstaat und anderen nationalen und internationalen Institutionen, Erstellung von Studien über die Ortsgemeinden sowie Beratung und Fortbildung kommunaler Mandatsträger.11 Zu Beginn jeder kommunalen Mandatsperiode entsenden die Mitgliedsgemeinden der ANAFRE ihre Bürgermeister und den jeweiligen Vorsitzenden der Gemeindevertretung in den Nationalkongress der ANAFRE. Dieser beschließt die Leitlinien für die nächsten Jahre und wählt die übrigen Organe der ANAFRE, deren Organwalter alle kommunalen Mandatsträger sein müssen. Die Leitungsgremien der ANAFRE sind also nach dem Stärkeverhältnis der letzten Kommunalwahlen politisch zusammengesetzt. Der Nationalkongress versammelt sich laut Satzung ansonsten im Zweijahresrhythmus. Seit ihrer Gründung von 1989 bis 2002 hat die ANAFRE acht Kongresse veranstaltet, an denen zuletzt circa tausend Delegierte teilnahmen.12 Allerdings spielt Parteipolitik auf der Ebene der Ortsgemeinden nicht mehr diese dominierende Rolle, wie auf Ebene des Gesamtstaates 6

http://www.anmp.pt 06/2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Relatório de Actividades 1998–1999 (Tätigkeitsbericht der ANMP 1998–1999), (5. März 2000). 8 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 138. 9 Präambel, Satzung der ANAFRE vom 21.04.2002, http://www.anafre.pt/anafre/ pdf/estatutos.pdf 07/2003. 10 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 11 Satzung der ANAFRE vom 21.04.2002, http://www.anafre.pt/anafre/pdf/ estatutos.pdf 07/2003. 12 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002]. 7

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

oder der Gebietsgemeinden. So wurden auf dem letzten Kongress der ANAFRE Satzungsänderungen, Strategiepapier und Jahresbericht praktisch einstimmig angenommen. Zwischen diesen Kongressen tritt die Generalversammlung als Kollegialorgan mit etwa 80 Mitgliedern zusammen. Sie genehmigt den Haushalt und den Jahresbericht des Vorstandes der ANAFRE, legt den Mitgliedsbeitrag fest und versammelt sich dazu dreimal jährlich. Der Vorstand besteht aus 18 Mitgliedern und führt die Geschäfte. Sein Präsident vertritt die ANAFRE nach außen, und leitet das Büro des Vereins. In 15 von 18 Distrikten ist die ANAFRE auf Distriktsebene in so genannten Sektionen organisiert, denen ein Koordinator vorsteht. Diese Koordinatoren sollen die Kommunikation zwischen Mitgliedsgemeinden und Vereinsvorstand erleichtern und sind ebenfalls in der Generalversammlung vertreten.13 Eine Gruppe junger Mandatsträger forderte 2003, die Sektionen auf Distriktsebene besser auszustatten und stärker in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Eine weitere Forderung betraf eine verbesserte juristische Beratung der Ortsgemeinden durch die ANAFRE.14 Landesweit ist fast die Hälfte der Ortsgemeinden Mitglied der ANAFRE, wobei Ortsgemeinden aus dem weniger entwickelten Hinterland nur zu 20–30% Mitglieder sind.15 Einerseits wollen sie den Mitgliedsbeitrag in Höhe von 0,7% der staatlichen Zuschüsse zu ihrem Budget nicht bezahlen, andererseits fehlt das Bewusstsein für die Wichtigkeit einer Interessenvertretung. In konkreten Sachfragen wenden sich aber auch Nichtmitglieder an die ANAFRE um Rat. Der Präsident der ANAFRE sagte im Interview, daß die großen Unterschiede zwischen den Ortsgemeinden sehr unterschiedliche Interessen mit sich bringen und daher die Interessenvertretung durch die ANAFRE schwierig ist.16 Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden haben naturgemäß auch unterschiedliche Interessen, die von ihren beiden Interessenvertretungen untereinander und gegenüber dem Gesamtstaat vertreten werden. Die Generalversammlung der ANMP tritt am Beginn eines neuen kommunalen Mandates zusammen. Jede Gebietsgemeinde entsendet dazu ihren 13

Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. http://www.anafre.pt/anafre/pdf/PM2003.doc 01/2003. 15 Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 52. 16 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 14

B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden

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Bürgermeister, den Vorsitzenden des Gemeinderates und einen Vertreter der Ortsgemeinden in den Gemeinderat. Damit besteht ein Drittel der Delegierten der Generalversammlung der ANMP aus Vertretern der Ortsgemeinden. Die ANMP erhebt daher auch den Anspruch, die Interessen der Ortsgemeinden zu vertreten, ohne dass diese direkt Mitglieder werden können. Diese Konstellation stammt aus einer Zeit, als es die ANAFRE als Interessenvertretung der Ortsgemeinden noch nicht gab. Nach ihrer Gründung empfand die ANAFRE diese Vertretung der Ortsgemeinden in der ANMP als Konkurrenz. Das könnte daher eines Tages geändert werden, steht aber nicht auf der Tagesordnung.17 Auch beim Europarat und beim Komitee der Regionen der EU werden die portugiesischen Gemeinden derzeit nur von der ANMP vertreten.18 Das Verhältnis zwischen ANMP und ANAFRE hängt auch stark von ihren momentanen Organwaltern ab. Die Zusammenarbeit könnte vielleicht enger sein.19 Die Beziehungen zwischen ANAFRE und ANMP haben sich in letzter Zeit allerdings verbessert, die ANAFRE strebt nach Aussagen ihres Präsidenten eine enge Kooperation mit der ANMP an.20

B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden Die Gebietsgemeinden hatten in der Vergangenheit immer Schwierigkeiten effizient zusammenzuarbeiten. Vor allem gab es Vorbehalte gegen gemeinsame Institutionen wie Gebietsgemeindeverbände oder gemeinsame kommunale Unternehmen.21 Daneben gibt es aber auch nicht institutionalisierte Interaktionen zwischen den Gebietsgemeinden. Neben den persönlichen Beziehungen kommunaler Mandatsträger finden sie auch im Rahmen politischer Parteien statt. Hauptsächliche Interaktionsformen sind hier wechselseitige Anpassung und Verhandlungen. So kann im Bereich der Raumordnung eine Gebietsgemeinde sich über die Entscheidungen der Nachbargemeinden informieren und stillschweigend darauf Rücksicht nehmen, oder im Vorfeld darüber verhandeln. Intensiviert wird diese nicht institutionalisierte Interaktion durch Projekte gesamtstaatlicher Akteure vor allem im Rahmen der EU-Programme, von denen mehrere Gebietsgemeinden betroffen sind. Ein langjähriger Bürgermeister schilderte die Entwicklung der letzten Jahre im Interview folgendermaßen: Seit der Revolution dachte jede 17

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 19 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 20 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 21 Amorim, João Pacheco de: As empresas pfflblicas no direito português. Em especial, as empresas municipais (Lisboa 2000) S. 79. 18

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

Gebietsgemeinde nur an sich und versuchte in Konkurrenz zu den anderen Gebietsgemeinden, das Beste für sich herauszuholen. Mit dem EU-Beitritt gab es finanzielle Mittel für größere Investitionsprojekte in die Infrastruktur und dafür mussten die Gebietsgemeinden die Zusammenarbeit lernen. Ausgangspunkt waren also Vorteile bei Investitionen. Später ging man von einzelnen Projekten und Politikfeldern weg und begann in Subregionen zu denken.22 Mittlerweile haben alle Gebietsgemeinden verstanden, dass sie zusammenarbeiten müssen.23 Auch die Rolle der CCDR war für die mittlerweile stärkere Zusammenarbeit der Gebietsgemeinden fundamental gewesen.24 Die CCDR-Norte etwa versuchte in ihrer Unterstützung der Gebietsgemeinden deren Zusammenarbeit systematisch zu fördern.25 Schon in Art. 177 des Verwaltungsgesetzbuchs von 1936/1940 hatte es die freiwillige und die vom Gesamtstaat angeordnete Bildung von Gebietsgemeindeverbänden gegeben. Trotzdem waren bis Anfang der 1990er-Jahre nur 32 gegründet worden, von denen die Mehrheit nicht aktiv war.26 Bis 2002 hatte sich ihre Anzahl auf 71 verdoppelt.27 2003 wurden durch zwei Gesetze vier Arten von Gebietsgemeindeverbänden geschaffen, die sich analytisch in zwei Hauptgruppen einteilen lassen: Gebietsgemeindeverbände und Metropolitanverbände. Obwohl die Verbände von Gebietsgemeinden Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, ein eigenes Budget haben und Mehrheitsentscheidungen treffen können, werden sie hier nicht als eigene Akteure, sondern als Interaktion zwischen Gebietsgemeinden behandelt. Der Grund dafür ist, dass derzeit noch das Moment der Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden im Vordergrund steht und die Verbände im Vergleich zu ihren Mitgliedsgemeinden im Hintergrund stehen.

22

Gomes, José: Interview am 1. August 2003. Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 24 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 25 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Plano de Actividades 2005 2004) S. 11. 26 Comissão para a Qualidade e Racionalização da Administração Pfflblica: Autarquias locais. Notas de reflexão sobre a Dimensão dos Municípios, as Funções e a Liderança Política Local, (Lisboa 1993) S. 14. 27 Direcção Geral da Administração Autárquica et al.: Descentralização e Desconcentração Administrativa. Serviços Pfflblicos básicos. Sistemas Municipais e Sistemas Multimunicipais, (Lisboa 2002). 23

B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden

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Tabelle 56 Arten von Gebietsgemeindeverbänden nach Lei 10/2003 und Lei 11/2003 Gebietsgemeindeverband (= Associação de municípios de fins específicos)

• Nach dem Willen der gründenden Gebietsgemeinden auf einzelne Politikfelder beschränkt • Kompetenzen von den Mitgliedern übertragen • Sehr frei in ihrem Satzungsrecht • Mitgliedschaft in mehreren Gebietsgemeindeverbänden möglich • Austritt jederzeit möglich

Metropolitanverband • Vom Gesetz übertragene Kompetenzen in mehreren (= Comunidade interPolitikfeldern (z. B. Raumordnung) municipal de fins gerais • Stärkerer Eingriff des Gesetzgebers in die interne bzw. Comunidade urbana, Organisation Grande área metropoli• Mitgliedschaft in nur einem einzigen Metropolitantana) verband möglich • Austritt nur nach einer Wartefrist von fünf Jahren • Geringere Abhängigkeit von den Mitgliedsgemeinden bei der Willensbildung

I. Gebietsgemeindeverbände nach Lei 11/2003 In der Vergangenheit waren die einem bestimmten technischen Unterstützungsbüro (GAT) einer CCDR zugeordneten Gebietsgemeinden oft der Ausgangspunkt für die Gründung von Gebietsgemeindeverbänden.28 Die Initiative zur Gründung ging aber trotzdem eher von den Bürgermeistern und nicht vom Gesamtstaat aus. Diese Verbände dienten eher dazu, kommunale Interessen gegenüber gesamtstaatlichen Akteuren zu vertreten. Wenn zehn Gebietsgemeinden etwas gemeinsam forderten, fanden sie beim Minister eher Gehör. Wenn mehrere Gebietsgemeinden in einem Gebietsgemeindeverband eine gemeinsame Position vertraten, fanden diese auch bei den Bürgern mehr Akzeptanz.29 Die Gebietsgemeindeverbände erfüllten demnach die Funktion einer Interessenvertretung gegenüber anderen staatlichen Akteuren und den Bürgern und dienten weniger der Zusammenarbeit zwischen den Gebietsgemeinden. Natürlich lösten die Gebietsgemeinden auch konkrete Sachprobleme in einzelnen Politikfeldern oder versuchten Stärken der Mitglieder noch auszubauen, z. B. in der Tourismuswerbung, 28 29

Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. Gomes, José: Interview am 1. August 2003.

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

zumal damals einzelne Gebietsgemeinden nicht die Ressourcen dafür hatten.30 Im Energie- und Abwasserbereich wurde die Figur der Verbände von Gebietsgemeinden ebenfalls schon in der Vergangenheit genutzt. Zudem gab es Verbände für die Gasversorgung, die Müllentsorgung und einen landesweiten Verband der Gebietsgemeinden mit historischem Stadtzentrum.31 Durch die Verfassungsänderung 1997 und Lei 172/1999 wurde die Materie der Verbände von Gebietsgemeinden neu geregelt. Seither dürfen Verbände von Gebietsgemeinden nicht nur auf Personal der Gebietsgemeinden zurückgreifen, sondern auch eigenes Personal einstellen. Konnten ihnen die beteiligten Gebietsgemeinden bis dahin nur ihre eigenen Kompetenzen übertragen, kann ihnen nunmehr der Gesetzgeber direkt Kompetenzen zuweisen. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ist der Ansicht, dass Gebietsgemeindeverbände keine eigenen Zuständigkeiten per Gesetz übertragenen bekommen sollen, sondern nur solche von den Gebietsgemeinden oder dem Gesamtstaat. Im letzten Fall soll auch die Kostentragung vertraglich genau geregelt werden. Wenn ein Gebietsgemeindeverband z. B. Schülertransport, Altenbetreuung oder Straßenerhaltung übernimmt, sollen genaue Beträge pro Schüler oder Straßenkilometer festgelegt werden.32 Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit Kompetenzübertragungen des Gesamtstaats per Gesetz ist, dass Verbände von Gebietsgemeinden freiwillig gegründet werden und daher nicht überall existieren. Kompetenzübertragungen durch den Gesamtstaat per Gesetz wären dann nicht flächendeckend. Der Gesamtstaat müsste als Akteur in dem betreffenden Politikfeld für andere örtliche Zuständigkeitsbereiche parallel präsent bleiben. Nur vier Jahre nach Lei 172/1999 wurde die Materie durch Lei 11/2003 wieder novelliert: Jede Gebietsgemeinde entsendet nach Art. 23 Lei 11/2003 den Bürgermeister und maximal zwei weitere Mitglieder ihres Gemeindevorstands in die Versammlung des Gebietsgemeindeverbands. Die Mitglieder dieser Verbandsversammlung wählen aus ihrer Mitte die maximal fünf Mitglieder des Verbandsvorstands. Beide Organe des Gebietsgemeindeverbands werden also von der „Exekutive“ der Gebietsgemeinden bestellt. Der Verbandsvorstand schlägt der Versammlung den Haushalt und das Jahresprogramm vor. Er kann auch einen Geschäftsführer bestellen, der nicht unbedingt kommunaler Mandatsträger oder öffentlicher Bediensteter 30

Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Competências municipais reforçadas. Via de descentralização (Lisboa 1999) S. 45 ff. 32 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 19. 31

B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden

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sein muss. Finanziert werden Verbände von Gebietsgemeinden über Zuwendungen der Gebietsgemeinden oder des Gesamtstaats, diese können durch Gebühren für erbrachte Leistungen und die Aufnahme von Krediten ergänzt werden. Das Handeln der Verbände von Gebietsgemeinden unterliegt der Gemeindeaufsicht des Gesamtstaats. Ein wesentlicher Anreiz zur Gründung von Gebietsgemeindeverbänden waren die finanzielle Bevorzugung durch Gesamtstaat und EU bei Einzelfinanzierungen von Projekten.33 Die Gebietsgemeinden der hauptstädtischen CCDR-Region-LVT sind seit vielen Jahren in fünf flächendeckenden Verbänden von Gebietsgemeinden organisiert. Diese sind sehr gut institutionalisiert. Sie sind Ansprechpartner der CCDR in vielen Bereichen, auch bei der Umsetzung des EU-Rahmenprogramms.34 Die 10 Gebietsgemeinden des Gebietsgemeindeverbandes „Lezíria do Tejo“ planen, sich in einen Metropolitanverband umzuwandeln.35

II. Metropolitanverbände nach Lei 10/2003 und Lei 11/2003 Metropolitanverbände sind juristische Personen des öffentlichen Rechts und haben drei Organe: Als Exekutivorgan den Metropolitanvorstand (Junta), dessen Mitglieder die Bürgermeister der Gebietsgemeinden stellen.36 Als Entscheidungsorgan die Metropolitanvertretung (Assembleia), die von den Gebietsgemeindevertretungen gewählt wird.37 Schließlich als Beratungsorgan den Metropolitanbeirat (Conselho), der aus den Mitgliedern des Verbandvorstands und den Leitern gesamtstaatlicher Akteure wie dem Präsidenten der CCDR besteht.38 Die Metropolitanverbände sollen in zweifacher Hinsicht die Interaktion zwischen staatlichen Akteuren fördern: erstens zwischen den Gebietsgemeinden und zweitens zwischen dem Gesamtstaat und den Gebietsgemeinden. Bei der Koordinierung der Gebietsgemeinden können die Metropolitanverbände nach Art. 11 Lei 11/2003 und Art. 6 Lei 10/2003 eine Reihe kommunaler Aufgaben übernehmen: Investitionsprojekte mit regionaler Bedeutung, öffentlicher Nahverkehr, Systeme zur Umweltüberwachung, Wasserwirtschaft und Abfallbeseitigung, Schülertransport, Gesundheitszentren, Naturschutzgebiete, Straßenreinigung und Straßenerhaltung. Weitere 33 Instituto Nacional de Administração (Hg.): ADAPT. National Report Portugal (2003) S. 11. 34 Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 35 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 36 Art. 17 Lei 10/2003 bzw Art. 13 Lei 11/2003. 37 Art. 13 Lei 10/2003 bzw Art. 8 Lei 11/2003. 38 Art. 23 Lei 10/2003 bzw Art. 17 Lei 11/2003.

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

Aufgaben können ihnen von den Gebietsgemeinden vertraglich übertragen werden. Für die Koordinierung der Gebietsgemeinden ist der Metropolitanvorstand, in welchem die Bürgermeister vertreten sind, das geeignete Forum. Dieser kann den Gebietsgemeinden auch Verordnungen vorschlagen. Die Politikfelder, in denen Koordination zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden geleistet werden soll, überschneiden sich teilweise mit den oben genannten: Abfall- und Abwasserbeseitigung, Umwelt- und Zivilschutz, Gesundheit, Erziehung, Sicherheit, Tourismus, Sport und öffentliche Planung. Weitere Aufgaben kann der Gesamtstaat den Metropolitanverbänden vertraglich übertragen, oder er kann den örtlichen Zuständigkeitsbereich eines Metropolitanverbands verwenden, um den örtlichen Geltungsbereich von Normen festzulegen.39 Speziell für die Koordination zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden wurde der Metropolitanbeirat geschaffen, in dem die Leiter gesamtstaatlicher Akteure und die Bürgermeister der Gebietsgemeinden vertreten sind. Gesellschaftliche Akteure können an seinen Sitzungen ohne Stimmrecht teilnehmen. Eine Aufgabe, die über die Koordinierung hinausgeht, gewinnen Metropolitanverbände durch die Möglichkeit, sich an Entwicklungsprogrammen des Gesamtstaats und der EU durch das Einreichen und die Umsetzung von Projekten zu beteiligen. Zusätzlich kann ein Metropolitanverband zu allen wichtigen Entscheidungen anderer staatlicher Akteure Stellung nehmen oder selbst Vorschläge unterbreiten – vor allem in der Raumordnung und bei öffentlichen Investitionen des Gesamtstaats. Zusammenfassend kann man sagen, dass den Metropolitanvebänden bis auf ein eigenes Verordnungsrecht alle Interaktionsformen staatlicher Akteure zur Verfügung stehen: Stellungnahmen, öffentlich-rechtliche Verträge, Übertragung von Kompetenzen, Beteiligung an öffentlichen und privaten Unternehmen, Kandidatur für Investitionsprogramme, Erstellung von Plänen. Die Terminologie des Gesetzgebers in Lei 10/2003 und Lei 11/2003 ist in Bezug auf die Metropolitanverbände unnötig kompliziert. Es wurden in zwei getrennten Gesetzen drei Typen von Metropolitanverbänden geschaffen, die sich aber kaum von einander unterscheiden. Streckenweise werden juristische Bestimmungen deshalb wörtlich wiederholt; streckenweise ohne Änderung am juristischen Gehalt in der Formulierung verändert; teilweise Unterschiede eingeführt, für die sich keine sinnvolle Erklärung finden lässt. Ein Grund mag in der Wahrung eines unterschiedlichen Status zwischen den Verbänden ländlicher und städtischer Gebietsgemeinden einerseits und 39 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 107.

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den beiden Metropolen Lissabon und Porto andererseits liegen. Jedenfalls rechtfertigen die tatsächlichen Unterschiede nicht, drei Begriffe für die gleiche Sache zu verwenden, weshalb sie in dieser Arbeit auch alle drei als Metropolitanverbände bezeichnet werden. Ein Hinweis, dass es sich um die gleiche Sache handelt ist, dass die Mitgliedschaft in einem Typus, die Mitgliedschaft in einem Verband des anderen Typus ausschließt.40 In der öffentlichen Diskussion und der Literatur werden diese drei Metropolitanverbände aber als echte Alternativen wahrgenommen und darüber diskutiert, ob es vorteilhaft sei, dass eine Organisationsform landesweit häufiger gewählt werde als eine andere.41 Man kann diese drei Typen nach steigender Einwohnerzahl und damit einhergehenden leicht verstärkten Strukturen und Ressourcen ordnen: Am unteren Ende steht dabei die „Comunidade intermunicipal de fins gerais“, welche allen Gebietsgemeinden zur Verfügung steht. Davon sollen 10–12 in den nächsten Jahren entstehen.42 Die Besonderheit dieses Typus von Metropolitanverband besteht eigentlich nur in der Wahl der Mitglieder der Metropolitanvertretung. Sie erfolgt nach Art. 8 Lei 11/2003 durch die Entsendung zweier Mitglieder der Gemeindevertretung jeder betroffenen Gebietsgemeinde. Dies hat den Effekt eines Mehrheitswahlrechts, weil die Mehrheitsfraktion in der Gemeindevertretung beide Vertreter bestimmen kann. Die Bürgermeister im Exekutivorgan werden durch eine Geschäftsführung entlastet, die aber im Vergleich zu den anderen beiden Typen am wenigsten aufwändig ist. Um den zweiten Typus, eine „Comunidade urbana“ zu bilden, müssen sich mindestens drei Gebietsgemeinden mit 150.000 Einwohnern zusammentun. Es ist geplant, dass davon 8–10 zustande kommen.43 Dies hat eine etwas aufwändigere Geschäftsführung und einen anderen Wahlmodus zur Metropolitanvertretung zur Folge. Diesfalls bilden nämlich alle Gemeindevertreter der Gebietsgemeinden ein einziges Wahlkollegium, das nach Art. 13 Lei 10/2003 in parallelen Sitzungen über einheitliche Wahllisten abstimmt. Dadurch spiegelt die Zusammensetzung der Metropolitanvertretung die politischen Verhältnisse in ihrem Gebiet verhältnismäßig wieder. Außerdem muss jede Gebietsgemeinde ihre Vertreter in den jeweiligen politischen Wahllisten des gesamten Verbands unterbringen und hat nicht automatisch Vertreter, die sie direkt entsendet. 40

Art. 4 Lei 10/2003. http://www.novaguarda.pt/120303/g_reg12.htm 07/2003. 42 Der zuständige Staatssekretär Miguel Relvas zitiert nach: Pacheco, Mário: Reforma Administrativa – no diagnóstico decerto todos estamos de acordo [in: http://oeste.online.pt, 2003]. 43 Der zuständige Staatssekretär Miguel Relvas zitiert nach: Ibid. 41

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

Schließlich gibt es noch „Grandes áreas metropolitanas“, wofür sich neun Gebietsgemeinden mit 350.000 Einwohnern zusammenschließen müssen. Sie entsprechen den „Comunidades urbanas“, haben aber eine noch besser ausgebaute Geschäftsführung und als einzige zusätzliche Zuständigkeit die Federführung bei der Erstellung ihres PROT.44 In diese Kategorie fallen nur die beiden auf Basis von Lei 44/1991 bestehenden Metropolitanverbände Lissabon und Porto. Zu Neugründungen wird es kaum kommen.45 1. Bisherige Erfahrungen mit Metropolitanverbänden nach Lei 44/1991 Mit Lei 44/1991 wurden in Portugal zum ersten Mal Metropolitanverbände eingerichtet, nämlich für Porto und Lissabon. Letzterer hat 2,6 Mio. Einwohner und umfasst 19 Gebietsgemeinden und 257 Ortsgemeinden.46 Lei 44/1991 ist ein legistisch korrektes Gesetz und schafft auf den ersten Blick die Grundlagen für handlungsfähige Akteure in den beiden größten städtischen Räumen Portugals. Interessant ist, weshalb die Metropolitanverbände nach alter Rechtslage keine bedeutenden Tätigkeiten entfalten konnten und nach Meinung beteiligter Kommunalpolitiker und universitärer Studien ein Fehlschlag waren.47 Eine Studie der EU kam zum Schluss: Ohne größere finanzielle Mittel und Personal blieben sie im Wesentlichen politische Diskussionsforen für die strategische Entwicklung der Gebietsgemeinden des Metropolitanverbands. Im Vergleich zu den einzelnen Gebietsgemeinden spielen sie auch in der Wirtschaftsförderung und der Koordinierung kommunaler Investitionen nur eine geringe Rolle.48 Der Metropolitanverband Lissabon hatte Mitte der 1990er-Jahre kaum finanzielle Mittel und keine Jahresplanung. Seine Organe versammelten sich einmal jährlich. Derjenige von Porto war etwas aktiver, weil es Großprojekte wie den Metrobau und die Stadterneuerung zu behandeln gab.49 44

Art. 21 und Art. 18 Abs. 4 lit au.b Lei 10/2003. Der zuständige Staatssekretär Miguel Relvas zitiert nach: Pacheco, Mário: Reforma Administrativa – no diagnóstico decerto todos estamos de acordo [in: http://oeste.online.pt, 2003]. 46 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 13. 47 Pacheco, Mário: Reforma Administrativa – no diagnóstico decerto todos estamos de acordo [in: http://oeste.online.pt, 2003]. 48 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 77. 49 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 39. 45

B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden

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Die Frage, warum diese beiden Metropolitanverbände nie zu eigenständigen Akteuren wurden, ist um so wichtiger, da die wesentlichen Merkmale dieser Gebietskörperschaften durch die Reform von 2003 nicht verändert wurden und daher fortbestehen. Das wird auch in der Literatur so dargestellt, wenn zwischen alter und neuer Rechtslage überhaupt nur kleinere formale Unterschiede und keine Hoffnung gesehen werden, dass die Metropolitanverbände nach der Reform zu handlungsfähigen Akteuren werden.50 Eine Schwächung der Metropolitanverbände ist durch Lei 10/2003 und Lei 11/2003 bei der Qualifikation als Gebietskörperschaft eingetreten. Diese stand bisher mit der Formulierung „Körperschaft des öffentlichen Rechts auf territorialer Grundlage“51 formell außer Zweifel. Mit der neuen Rechtslage kam die Formulierung „mit Verbandscharakter“52 hinzu und wurde für den Metropolitanverband des Typus Comunidade intermunicipal gar auf „juristische Person des öffentlichen Rechts“53 abgeschwächt. Auf diese Veränderung der rechtlichen Natur der Metropolitanverbände weisen auch die geänderten Gründungsmodalitäten hin. Waren die beiden Metropolitanverbände nach Lei 44/1991 mit Art. 1 dieses Gesetzes gegründet worden, so gründen nach der neuen Rechtslage die beteiligten Bürgermeister nach Zustimmung der Gemeindevertretungen einen Metropolitanverband per Notariatsakt, welcher im Gesetzblatt veröffentlicht wird. Die Zustimmung eines gesamtstaatlichen Akteurs ist nicht notwendig. Die beteiligten Gebietsgemeinden können nach einer Frist von fünf Jahren auch wieder austreten oder den Verband wechseln. Dies legt es nahe, Metropolitanverbände nach der neuen Rechtslage als Verbände von Gebietskörperschaften, nicht aber selbst als solche zu bezeichnen. Dies drückt sich auch in der Umformulierung der Zielsetzung der Metropolitanverbände aus: Aus der Formulierung „Interessen der Bevölkerung auf dem Gebiet der Mitgliedsgemeinden“ wurden die „gemeinsamen Interessen der Mitgliedsgemeinden“.54 Der wesentliche Grund, weshalb sich die Metropolitanverbände bisher nicht als eigenständige Akteure behaupten konnten, bestand darin, dass sie von ihren Ressourcen und Zuständigkeiten her völlig von mit ihnen konkur50

Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 11. 51 Art. 1 Lei 44/1991 „pessoa colectiva de direito pfflblico de âmbito territorial“. 52 Art. 2 Lei 10/2003 „pessoas colectivas pfflblicas de natureza associativa e de âmbito territorial“. 53 Art. 2 Lei 11/2003: „pessoa colectiva de direito pfflblico“. 54 Aus Art. 1 Lei 44/1991 „visam a prossecução de interesses próprios das populações da área dos municípios integrantes.“ wurde Art. 2 Lei 10/2003 „visam a prossecução de interesses comuns aos municípios que as integram.“

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

rierenden Akteuren wie Gesamtstaat und Gebietsgemeinden abhingen. Beide Seiten hätten Ressourcen und Zuständigkeiten an einen Akteur abgeben müssen, der eigene Entscheidungen fällen kann und dessen politische Ausrichtung eine andere sein kann. Bei den Zuständigkeiten hat die neue Rechtslage deutlich mehr per Gesetz übertragene Zuständigkeiten geschaffen, was eine Forderung der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden darstellte.55 Letztlich haben die Metropolitanverbände aber nur Parallelkompetenzen und werden sich gegen starke Akteure wie ihre Gebietsgemeinden und den Gesamtstaat durchsetzen müssen. Bei den Ressourcen gibt es die Neuerung, dass Metropolitanverbände eigene Kredite aufnehmen können und es in Kapitel IV Lei 10/2003 detaillierte Regeln über das Personal und die Überlassung von Personal durch Gebietsgemeinden und Gesamtstaat gibt. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden hatte sich mit ihrer Forderung nach eigenem Personal der Metropolitanverbände durchgesetzt.56 Dies lässt auf den Willen der Gebietsgemeinden und des Gesetzgebers schließen, die Metropolitanverbände personell in Zukunft ausreichend auszustatten. Allerdings werden Kreditaufnahme und Personalkosten der Metropolitanverbände den betroffenen Gebietsgemeinden auf ihre jeweiligen Ausgabenlimits angerechnet. Es besteht also weiterhin direkte Konkurrenz um Ressourcen zwischen Metropolitanverband und Gebietsgemeinden. Dies macht es wie schon während der Geltung von Lei 44/1991 wahrscheinlich, dass knappe Ressourcen wieder bei den bestehenden starken Akteuren konzentriert werden und die Metropolitanverbände leer ausgehen, zumal die bisher bestehenden Metropolitanverbände in den Gebietsgemeinden Lissabon und Porto starke Konkurrenten mit privilegiertem Zugang zum dominanten Akteur, dem Gesamtstaat hatten. Die gesamtstaatlichen Ministerien und die beiden größten Gebietsgemeinden des Landes interagierten in der Praxis lieber direkt: Gesamtstaatliche Akteure entscheiden lieber Einzelfälle, anstatt einen selbständigen Akteur für die Koordination zu fördern. Die Gebietsgemeinden suchen die direkte Interaktion mit den politischen Organen des Gesamtstaats. Die neue Rechtslage dehnt allerdings diese Organisationsform auch auf das flache Land außerhalb von Lissabon und Porto aus. Hier sind die Gebietsgemeinden nicht so dominant und die Verbände könnten gemeinsame Forderungen der ländlichen Gebietsgemeinden gegenüber dem Gesamtstaat durchsetzen. Außerdem ist der Gesamtstaat von den Einzelfallent55 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 19. 56 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer a Proposta de Lei 37/IX-Gov. Estabelece o regime de criação, o quadro de atribuições e competências das comunidades intermunicipais de direito pfflblico e o funcionamento dos seus órgãos. Lei n.o 11/2003, (2002).

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scheidungen heute schon überfordert und muss auch aus Kostengründen dezentralisieren. Der wesentliche Unterschied zur alten Rechtslage besteht darin, dass die neuen Metropolitanverbände freiwillig von den Gebietsgemeinden gegründet werden und mit gewissen Wartefristen auch wieder verlassen werden können. Gebietsgemeinden, die freiwillig einem Metropolitanverband angehören, sollten eigentlich daran interessiert sein, dass dieser auch handlungsfähig ist. 2. Risiken der neuen Metropolitanverbände 1998 war die sozialistische Regierung mit ihrem Vorschlag der Grenzziehung von Verwaltungsregionen im Referendum gescheitert. Damals war die Mitte-Rechts Opposition als Alternative für die Gründung von Metropolitanverbänden eingetreten. Neben den bestehenden von Lissabon und Porto wurden sechs weitere vorgeschlagen: Aveiro, Braga, Coimbra, Faro, Leiria und Viseu. Mittlerweile an der Regierung, überließ 2003 die Mitte-Rechts Koalition die Grenzziehungen aber vollständig den Gebietsgemeinden.57 Damit entledigte sie sich der eigentlich gesamtstaatlichen Aufgabe, zwischen Gebietsgemeinden und dem Gesamtstaat regionale Akteure zu schaffen.58 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden spricht in ihrem Gutachten zu Lei 10 bzw. 11/2003 von einer unerträglichen Überschneidung von Zuständigkeitsbereichen von Metropolitanverbänden, Gebietsgemeindeverbänden, CCDR, Distrikten und den örtlichen Zuständigkeitsbereichen von Unterbehörden der Ministerien.59 Diese Überschneidungen werden noch zunehmen, da die Metropolitanverbände auf freiwilliger Basis und nicht flächendeckend entstehen. Deswegen wird auch das System der Parallelkompetenzen erhalten bleiben: Gesamtstaat und Gebietsgemeinden werden ihre Zuständigkeiten in Gebieten ohne Metropolitanverbände eben selbst ausüben müssen. Diese Gefahr sah auch die Gouverneurin von Lissabon im Interview: Diese neuen Metropolitanverbände bergen die Gefahr, dass weitere staatliche Akteure entstehen, deren örtliche Zuständigkeitsbereiche sich mit denen anderer staatlicher Akteure schneidet.60 Juristisch könnten sich sogar Gebietsgemeinden verschiedener CCDR zu Verbänden vereinigen, welche 57 Pacheco, Mário: Reforma Administrativa – no diagnóstico decerto todos estamos de acordo [in: http://oeste.online.pt, 2003]. 58 Der zuständige Staatssekretär Miguel Relvas zitiert nach: Ibid. 59 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer a Proposta de Lei 24/IX-GOV. Estabelece o regime de criação, o quadro de atribuições e competências das áreas metropolitanas e o funcionamento dos seus órgãos. Lei 10/2003, (2002). 60 Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003.

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

die Grenzen der CCDR-Regionen schneiden. Ein ehemaliger CCDR-Beschäftigter und kommunaler Mandatsträger meinte im Interview: Das wird in der Praxis nicht geschehen, weil die CCDR-Regionen feste Bezugsgrößen für die Gebietsgemeinden darstellen. Wenn dies aber dennoch eintritt, müsste die betreffende Gebietsgemeinde eigentlich die CCDR wechseln.61 Den Gebietsgemeinden völlige Freiheit bei ihren Zusammenschlüssen zu lassen, hat den Vorteil, dass sie ihre selbst gegründeten Metropolitanverbände auch unterstützen werden; eine Einflussmöglichkeit durch den Gesamtstaat zur Berücksichtigung überregionaler Interessen wäre trotzdem sinnvoll gewesen. Eine weitere zentrale Frage betrifft die Stellung der Metropolitanverbände zwischen den starken Akteuren Gebietsgemeinden und Gesamtstaat. Werden sie diese klare Schwerpunktbildung aufweichen und zu einer Schwächung der Gebietsgemeinden führen oder die Lücke zwischen Gemeinden und Gesamtstaat sinnvoll füllen? Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden forderte in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf zu den Metropolitanverbänden, dass die Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen kommunalen und gesamtstaatlichen Akteuren geklärt und die Gebietsgemeinden ihre Schlüsselstellung behalten müssten.62 Befürchtet werden auch die Aushöhlung der Kompetenzen der Gebietsgemeinden, eine Vermischung von Verantwortung und die Aushebelung der politischen Kontrolle durch die Bevölkerung.63 Vor allem nach Wahlen auf nationaler oder kommunaler Ebene stehen sich bei neuen Mandatsträgern ja neue Akteure gegenüber, die ihre Kompetenzen wieder rückholen können. Was durch Skalenerträge oder Dezentralisierung gewonnen wurde, ginge durch Umorganisieren wieder verloren. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden kritisiert in diesem Zusammenhang, dass keine Mindestdauer für die Kompetenzübertragung vorgesehen ist. Dies sollte gegeben sein, um eine gewisse Stabilität bei der Kompetenzausübung zu ermöglichen.64 61

Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer a Proposta de Lei 24/IX-GOV. Estabelece o regime de criação, o quadro de atribuições e competências das áreas metropolitanas e o funcionamento dos seus órgãos. Lei 10/2003, (2002). 63 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 19. 64 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer a Proposta de Lei 37/IX-Gov. Estabelece o regime de criação, o quadro de atribuições e competências das comunidades intermunicipais de direito pfflblico e o funcionamento dos seus órgãos. Lei n.o 11/2003, 2002). 62

B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden

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Zusammenfassend kann man sagen, dass die Metropolitanverbände neuen Typus insgesamt mehr Aufgaben und Ressourcen haben werden, aber sich ihre Konstellation zwischen Gebietsgemeinden und Gesamtstaat nicht verändert hat. Ein Mandatsträger der Stadt Coimbra sah im Interview die Zukunft der Metropolitanverbände in einigen Politikfeldern, etwa der Abwasserbeseitigung und dem öffentlichen Nahverkehr, positiv, da ganz einfach die Notwendigkeit für solche Formen der Zusammenarbeit gegeben sei: Coimbra hat 140.000 Einwohner aber 47.000 Personen, die täglich in die Stadt pendeln. Diese Aufgabe kann Coimbra nicht alleine bewältigen. Auf lange Sicht werden sowohl der Gesamtstaat als auch die Gebietsgemeinden Aufgaben und Ressourcen auf den Metropolitanverband übertragen.65 Politisch stand die Schaffung von Metropolitanverbänden in engem Zusammenhang mit dem Scheitern des Regionalisierungsreferendums 1998. Fraglich ist, ob diese Form der regionalen Kooperation zwischen den Gebietsgemeinden teilweise die Funktionen einer Region erfüllen kann. Problematisch ist hier die Instabilität und die Überschneidung der örtlichen Zuständigkeitsbereiche, welche keine Akteure mit regionaler Verantwortung entstehen lassen. Ein weiteres Hindernis ist die direkte Konkurrenz zu Gebietsgemeinden und Gesamtstaat um Ressourcen und Zuständigkeiten. Es fehlt die eigene demokratische Legitimation der Metropolitanverbände, ohne die sie nicht zu starken Akteuren werden können, die zwischen Gemeinden und Gesamtstaat gesamtstaatliche Politikfelder und kommunale Territorien regional integrieren. Die Metropolitanvertretung von Lissabon hatte früher schon die direkte demokratische Legitimation von 51% ihrer Mitglieder gefordert, die restlichen 49% sollten von den Gebietsgemeinden bestellt werden.66 Dieses Modell würde demjenigen der Gemeindevertretungen der Gebietsgemeinden entsprechen, die ebenfalls zu 51% direkt gewählt, zu 49% von den Ortsgemeinden beschickt werden.

III. Politikfelder Umwelt und Raumordnung Unabhängig von ihrer Größe suchen die Gebietsgemeinden im Bereich von Wasserwirtschaft und Abfallbeseitigung relativ häufig die Kooperation mit Nachbargemeinden.67 In Zukunft soll diese verstärkt über Gebietsgemeinde- und Metropolitanverbände laufen. 65

Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. Pacheco, Mário: Reforma Administrativa – no diagnóstico decerto todos estamos de acordo [in: http://oeste.online.pt, 2003]. 67 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. 66

314

Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

Alle Arten von Metropolitanverbänden haben folgende Verbandskompetenzen im Politikfeld Umwelt: Naturschutz und Schutz natürlicher Ressourcen;68 Umweltüberwachungssysteme und Teilnahme an der Umweltverträglichkeitsprüfung von staatlichen Plänen, Projekten und Programmen; Einrichtung und Verwaltung von Unternehmen der Wasserwirtschaft und Abfallbeseitigung; Umwelterziehung und die Beteiligung an der Verwaltung von Naturschutzgebieten.69 Im Fall der Gebietsgemeindeverbände (Associações de municípios de fins específicos) sind konkrete Zuständigkeiten vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Diese müssen ja erst von den Gebietsgemeinden übertragen werden. Kritisch wird die Rolle von Metropolitanverbänden im Politikfeld Umwelt in der Literatur gesehen: Die beiden Metropolitanverbände nach alter Rechtslage (Lei 44/1991) haben sich im Umweltbereich bisher als ineffizient erwiesen, eine stärkere Betrauung mit Koordinierungsfunktionen wäre auch in Zukunft nicht Ziel führend.70 Derzeit dominiert im Politikfeld Raumordnung der Wettbewerb zwischen den Gebietsgemeinden und nicht die Kooperation. Die Gebietsgemeinden versuchen so gesamtstaatliche Entwicklungsprojekte und Investitionen zu erlangen.71 Für bestimmte Infrastrukturprojekte oder für die Entwicklung von ärmeren, ländlichen Regionen wäre aber eine langfristige interkommunale Zusammenarbeit notwendig. Da jede Gebietsgemeinde bei der Raumordnung nur ihre eigenen Interessen verfolgt und es keine flächendeckende regionale Raumordnung gibt, werden regionale Zusammenhänge wie ein System von Städten mittlerer Größe nicht hinreichend berücksichtigt.72 Insgesamt fördert der Gesamtstaat die Zusammenarbeit zwischen den Gebietsgemeinden zu wenig.73 Das Ergebnis ist, dass die Pläne der einzelnen Gebietsgemeinden aufeinander keine Rücksicht nehmen.74 Schon die (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 197. 68 Art. 5 Abs. 1 Lei 11/2003 bzw Art. 6 Abs. 1 Lei 10/2003. 69 Art. 18 Abs. 5 Lei 10/2003 bzw. Art. 14 Abs. 4 Lei 11/2003. 70 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 189 u. 198. 71 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 99. 72 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 29. 73 Lobo, Manuel da Costa et al.: Planos Directores Municipais em fase de transição (Oeiras 2003) S. 52.

B. Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden

315

Bezeichnungen und die Klassen der Bodennutzung sind in den PDM unterschiedlicher Gebietsgemeinden so uneinheitlich, dass es bei der Erstellung eines der ersten interkommunalen Raumordnungspläne unmöglich war, ausgehend von den bestehenden PDM eine Gesamtdarstellung zu machen.75 Eine Interaktionsmöglichkeit zwischen benachbarten Gebietsgemeinden ergäbe sich in den Verfahren zur Erstellung von PDM und PROT. Die Nachbargemeinden werden in DL 380/1999 allerdings nicht als Mitglieder der Begleitkommission eines PDM erwähnt, sind aber rechtlich auch nicht ausgeschlossen. In der Praxis sind sie aber nicht vertreten. Daher müsste die zuständige CCDR für ausreichende Koordination sorgen. Allerdings geschieht dies nicht in ausreichendem Maße. Oft haben die Gebietsgemeinden ja entgegengesetzte Interessen und wollen gar nicht, dass diejenigen der Nachbarn berücksichtigt werden.76 Wenn für die betreffenden Gebietsgemeinden ein PROT existiert, ist die Koordination natürlich leichter.77 An der Ausarbeitung eines PROT sind zwar alle betroffenen Gebietsgemeinden beteiligt, sodass dieses Verfahren die Möglichkeit der Abstimmung bietet, allerdings gab es PROT bisher nicht flächendeckend und ihre Erstellung ist stark vom Gesamtstaat dominiert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl bei Erstellung der PDM als auch der PROT es die gesamtstaatlichen Akteure sind, welche die Interessen benachbarter Gebietsgemeinden ausgleichen. Es sind weniger die Gebietsgemeinden untereinander. Im Politikfeld Raumordnung wurden die Kompetenzen der Verbände von Gebietsgemeinden mit Lei 10 + 11/2003 im Vergleich zu Lei 44/1991 deutlich erweitert. Nach Art. 4 Lei 44/1991 hatten die beiden Metropolitanverbände von Lissabon und Porto nur das Recht, an der Erstellung gesamtstaatlicher und kommunaler Raumordnungspläne in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich in den Begleitkommissionen teilzunehmen, was in der Praxis aber ohne Bedeutung blieb. Die Raumordnung zählt nach der neuen Rechtslage zu den Verbandskompetenzen aller Arten von Gebietsgemeindeund Metropolitanverbänden.78 Allerdings handelt es sich hier um eine typische Parallelkompetenz, die schon Gebietsgemeinden und dem Gesamtstaat 74

Matos, António de Jesus Fernandes de: Ordenamento do território e seus instrumentos, S. 469–480 [in: APDR, Associação Portuguesa para o Desenvolvimento Regional. (Hg.): Ensino, Empresas e Território. Actas do IV. Encontro Nacional da APDR, (Coimbra 1998)] S. 479. 75 Douro, Universidade de Trás-os-Montes e Alto: Plano Intermunicipal de Ordenamento do Território do Alto Douro Vinhateiro. Relatório. Volume I. Diagnóstico Da Situação, (ohne Jahresangabe, etwa 2003) S. 12. 76 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 77 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 78 Art. 5 Abs. 1 Lei 11/2003 bzw Art. 6 Abs. 1 Lei 10/2003 gleichlautend: lit. d) Gestão territorial na área dos municípios integrantes.

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

verliehen wurde, sodass dies allein gar nichts über die Bedeutung dieser Verbände in der Raumordnung aussagt. Den Gebietsgemeindeverbänden (Associações de municípios de fins específicos) werden z. B. in Lei 11/2003 keine Einzelkompetenzen in der Raumordnung vom Gesetzgeber übertragen, sodass sie auf vertragliche Übertragung ihrer Mitgliedsgemeinden angewiesen sind. Denkbar ist etwa ein Gebietsgemeindeverband, der extra mit dem Ziel der Koordinierung kommunaler Raumordnung geschaffen wird. Alle drei Arten von Metropolitanverbänden haben hingegen drei Aufgabenbereiche in der Raumordnung: Erstens übernehmen sie die Federführung bei der Ausarbeitung interkommunaler Raumordnungs- und Entwicklungspläne.79 Diese sind für die beteiligten Gebietsgemeinden bei der Erstellung ihrer jeweiligen PDM bindend.80 Allerdings kann mit Zustimmung gesamtstaatlicher Akteure eine Gebietsgemeinde davon abweichen. Die übrigen Gebietsgemeinden, die an der Erstellung mitgearbeitet haben, werden hierbei nur angehört.81 Damit stellen interkommunale Raumordnungspläne eine Vereinbarung zwischen Gebietsgemeinden dar, welche der Gesamtstaat wieder aufheben kann. Zweitens nehmen sie in den Begleitkommissionen an der Erstellung der kommunalen PDM, der gesamtstaatlichen Spezialpläne und Politikfeldpläne ihres örtlichen Zuständigkeitsbereichs teil.82 Drittens geben sie Stellungnahmen zum nationalen Raumordnungsplan ab.83 Zusätzlich übernehmen allein die großen Metropolitanverbände (Grandes Áreas Metropolitanas) Lissabon und Porto die Federführung bei der Erstellung der jeweiligen PROT.84

C. Interaktion zwischen den Ortsgemeinden Da die Ortsgemeinden nach Ressourcen und Zuständigkeiten schwache Akteure sind, die von ihren sehr viel stärkeren Gebietsgemeinden dominiert werden, wird die allfällig notwendige Kooperation zwischen den Ortsgemeinden weitgehend durch das Tätigwerden der jeweiligen Gebietsgemeinde ersetzt. Verbände von Ortsgemeinden waren allerdings schon im Verwaltungsgesetzbuch von 1936/1940 für die beiden Großstädte des Landes vorgesehen.85 Die heutige Regelung der Ortsgemeindeverbände in Lei 79

Art. 17 Abs. 2 lit. d Lei 10/2003 bzw. Art. 14 Abs. 2 lit. d Lei 11/2003. Art. 24 Abs. 2 DL 380/1999. 81 Art. 80 Abs. 3 lit. c DL 380/1999. 82 Art. 17 Abs. 2 Lei lit. e 10/2003 bzw. Art. 14 Abs. 2 lit. e Lei 11/2003. 83 Art. 17 Abs. 3 lit. b Lei 10/2003 bzw. Art. 14 Abs. 3 lit. b Lei 11/2003. 84 Art. 18 Abs. 4 lit. a Lei 10/2003. 85 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 23. 80

D. Interaktion zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden

317

175/1999 entspricht im Wesentlichen derjenigen der Gebietsgemeindeverbände. Aufgaben von Ortsgemeindeverbänden können allerdings nur die gemeinsame kommunale Planung, die gemeinsame Nutzung von Infrastruktur und die gemeinsame Erbringung von Dienstleistungen sein. Auch können diese Verbände kein eigenes Personal haben. Allerdings können nur Ortsgemeinden derselben Gebietsgemeinde einen solchen öffentlich-rechtlichen Ortsgemeindeverband gründen. Ortsgemeinden verschiedener Gebietsgemeinden müssen dazu unmittelbar aneinander grenzen. In diesem Fall können allerdings keine Kompetenzen der betroffenen Gebietsgemeinden auf den Verband übertragen werden. Die Interessenvertretung der Ortsgemeinden, die ANAFRE, befürwortet die Gründung von Ortsgemeindeverbänden, wenn die Ressourcen einer einzelnen Ortsgemeinde (z. B. im dünn besiedelten Landesinneren) für ihre Aufgaben nicht ausreichen.86 In der Praxis wird die Möglichkeit, Verbände zu gründen, insgesamt aber noch zu wenig wahrgenommen. Bei 4.250 Ortsgemeinden gab es 2003 landesweit nur fünf solcher Verbände.87 Dies zeigt, dass solche Verbände für die wirklich schwachen Akteure unter den Ortsgemeinden keine Lösung sind. Ortsgemeinden, die außer ihren Mandatsträgen kein Personal haben und ein Budget von unter 25.000 e im Jahr, können auch bei einer Kooperation mit einer benachbarten Gebietskörperschaft nur minimale Synergien erzielen.

D. Interaktion zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden Im Estado Novo erfolgte die Kontrolle der Ortsgemeinden durch den Gesamtstaat von der Ebene der Gebietsgemeinden aus. Auch Finanzzuweisungen erhielten die Ortsgemeinden nur über die Gebietsgemeinden, nicht direkt vom Gesamtstaat.88 Zwischen Gebietsgemeinden und Ortsgemeinden gab es ein Aufsichtsverhältnis: Der vom Gesamtstaat ernannte Gemeindeverwalter der Gebietsgemeinde ernannte für jede seiner Ortsgemeinden einen ehrenamtlichen „Regedor“ mit Kontroll- und Polizeifunktionen. Dieser konnte auch die gewählten Mitglieder des Gemeindevorstands der Ortsgemeinde entlassen.89 Diese Kontrolle der Ortsgemeinde 86

Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 88 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 92 f. 89 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 8. 87

318

Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

durch die ihrerseits gesamtstaatlich kontrollierten Gebietsgemeinden wird immer wieder als Beweis für die autoritäre Ideologie des Estado Novo herangezogen. Allerdings hatte dieser nur seit dem Verwaltungsgesetzbuch 1836 bestehende Konstellationen nicht verändert.90 Erst durch die lange Beibehaltung bis in die zweite Hälfte des 20. Jh. erschienen sie besonders autoritär. Die lang dauernde formelle Abhängigkeit der Ortsgemeinden von den Gebietsgemeinden wirkt in der Praxis vor allem bei den Einstellungen gegenüber den Ortsgemeinden noch fort: In Portugal herrscht die Vorstellung, dass die wesentlichen Zuständigkeiten den Gebietsgemeinden zukommen sollen, der Rest den Ortsgemeinden.91 Die Ortsgemeinden fühlen sich von der Macht der Gebietsgemeinden absorbiert, in ihrer politischen Funktion nicht anerkannt, als Gebietskörperschaft lächerlich gemacht.92 Die Gebietsgemeinden betrachten die Ortsgemeinden als untergeordnete Dienststellen. Diese hingegen sehen sich als autonome Kooperationspartner der Gebietsgemeinden vor Ort.93 Die Mandatsträger der Ortsgemeinden wünschen seit langem, Kompetenzen der Gebietsgemeinden zu übernehmen und sind bereit, mehr Verantwortung zu tragen.94 Juristisch besteht zwischen der Gebietsgemeinde und den auf ihrem Gebiet liegenden Ortsgemeinden heute keine Überordnung und keine Aufsicht mehr. Auch bekommen die Ortsgemeinden Zuständigkeiten und Budget direkt vom Gesamtstaat. Faktisch weisen die Gebietsgemeinden aber zusätzlich in erheblichem Umfang Zuständigkeiten und Ressourcen den Ortsgemeinden zu. Damit werden sie gleichsam zu Außenstellen der Gebietsgemeinden.95 Der Präsident der Interessenvertretung der Ortsgemeinden führt den großen Einfluss der Gebietsgemeinden vor allem auf die finan90 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 8. 91 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 26. 92 Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 137. 93 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 94 Rosa do Egipto, José: A Revisão do Estatuto das Freguesias [in: Revista da Administração Local, N 168, S. 835–838, 1998] S. 836. 95 Amaral, Diogo Freitas do: Curso de direito administrativo. Volume 1 (Coimbra 1994) S. 517, Associação Nacional de Freguesias: As Freguesias no Quadro da Administração Local Portuguesa, S. 91–108 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 102.

D. Interaktion zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden

319

ziellen Transfers, aber auch auf deren Erstellung der Raumordnungspläne zurück.96 Die Gebietsgemeinden bezuschussten 2001 ihre Ortsgemeinden mit 232,79 Mio. e, was 3,6% ihrer Ausgaben entsprach. Private und gesellschaftliche Akteure erhielten im gleichen Zeitraum etwas mehr als die doppelte Summe.97 Da die Gebietsgemeinden ungleich besser materiell ausgerüstet sind, unterstützen sie ihre Ortsgemeinden häufig auch durch das Überlassen von Grundstücken oder geeigneten Amtsgebäuden.98 Die Zuschüsse der Gebietsgemeinde an die Ortsgemeinden werden allerdings auch nach politischen Gesichtspunkten von Fall zu Fall vergeben.99 In folgenden Bereichen gibt es ein Bedürfnis der Ortsgemeinden, in Zukunft von den Gebietsgemeinden mehr angehört zu werden: Überlassen von Grundstücken der Gebietsgemeinde an private Unternehmen, Straßennamen, Regelung des Parkens von Kraftfahrzeugen, Festlegung der Öffnungszeiten von Geschäften und Lokalen, Abhaltung öffentlicher Veranstaltungen.100 Die Liste zeigt, wie weitgehend der Einfluss der Gebietsgemeinden ist und wie gering die Kompetenzen der Ortsgemeinden. Was bleibt umgekehrt einer Ortsgemeinde an Einflussmöglichkeiten auf die Gebietsgemeinde? Außer politischem Einfluss über die Parteien letztlich nur der Sitz des Bürgermeisters der Ortsgemeinde in der Gemeindevertretung der Gebietsgemeinde.101 Allerdings könnten mehrere Ortsgemeinden gemeinsam, knappe Mehrheitsverhältnisse in der Gemeindevertretung der Gebietsgemeinde vorausgesetzt, durchaus Einfluss auf die Gebietsgemeinde gewinnen. Im Politikfeld Raumordnung können Ortsgemeinden deutlich andere Interessen als eine ganze Gebietsgemeinde haben, trotzdem haben sie keine Möglichkeit diesen Interessen gegenüber der Gebietsgemeinde Nachdruck zu verleihen, da eine Beteiligung einer Ortsgemeinde am Politikfeld Raumordnung nur über ihre Gebietsgemeinde möglich ist. In der Praxis teilen die Ortsgemeinden in der Erstellungsphase der PDM ihre Mei96

Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. http://www.dgaa.pt/desp_receit_geral.htm 06/2003. 98 Associação Nacional de Freguesias (Hg.): Inquérito às Freguesias 2002 (Lisboa 2003) S. 23 u. 41. 99 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 49. 100 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 101 Carvalho, Carlos Palmeiro de: O Papel das Freguesias na Administração de Proximidade, [in: Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (CEDREL) (Hg.): Seminário Internacional. A Regionalização, a Sociedade e a Reforma do Estado, (nicht publiziertes Referat 1998)]. 97

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

nung den Gebietsgemeinden mit und helfen, die Bürgerbeteiligung zu organisieren.102 Die Ortsgemeinden sollten insgesamt mehr Mitsprache haben.103 Sinnvoll wäre ihre Beteiligung an den Koordinierungskommissionen der kommunalen Raumordnungspläne. Dies ist rechtlich möglich, hängt aber von den Gebietsgemeinden ab. Zusätzlich kann die jeweilige Gebietsgemeinde ihren Ortsgemeinden Aufgaben bei der Erstellung der punktuellen Bebauungspläne (PP und PU) vertraglich übertragen.104 Findet dies nicht statt, hat die jeweilige Ortsgemeinde nicht einmal bei den städtischen Bebauungsplänen ihres eigenen Ortskerns irgendwelche Mitspracherechte, die über diejenige von Bürgern in der Bürgerbeteiligung hinausgehen. Die Tatsache, dass die Ortsgemeinden in der Gemeindevertretung der Gebietsgemeinde vertreten sind und dort über deren Raumordnungspläne mit abstimmen, ist ein schwacher Ersatz.105

I. Vertragliche Übertragung von Zuständigkeiten Die Übertragung von Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden an die Ortsgemeinden per Gesetz ist eine alte Forderung der Ortsgemeinden. Solange diese Forderung vom Gesamtstaat nicht erfüllt wird, finden seit Jahren Einzelfallübertragungen durch die Gebietsgemeinden per öffentlich-rechtlichem Vertrag statt. Man erhofft sich dadurch einen besseren Service für die Bürger und Einsparungen, da die Ortsgemeinden vor Ort vieles billiger erledigen können. Letztlich will man auch Erfahrungen sammeln und später diese Aufgaben allgemein und per Gesetz an die Ortsgemeinden übertragen.106 2002 wurde zur Neuverteilung der Zuständigkeiten zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden eine Arbeitsgruppe aus Spitzenvertretern der ANMP, der ANAFRE und des Staatssekretärs für kommunale Angelegenheiten gebildet.107 In Art. 13 u. 15 Lei 159/1999 sowie Art. 37 u. 66 Lei 169/1999 wurde die Übertragung von Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden an die Ortsgemeinden durch öffentlich-rechtlichen Vertrag erstmals ausdrücklich ge102

Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 104 Freire, José (Hg.): O papel das freguesias no ordenamento do território e no urbanismo Ano 23, nº 180 Nov.–Dez. 2000, S. 843 ff. 105 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 106 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 107 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 23. 103

D. Interaktion zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden

321

setzlich geregelt. Als mögliche Zuständigkeiten werden deklarativ aufgezählt: Reinigung und Reparatur von Straßen und Grünanlagen, Erbringung von Dienstleistungen wie die Verwaltung von Märkten, Kindergärten, Grundschulen, Altenheimen, Bibliotheken und Friedhöfen. Im Zuge dieser Zuständigkeitsübertragung kann die Gebietsgemeinde auch das notwendige Personal den Ortsgemeinden überlassen. Gesetzliche Mindestinhalte eines solchen Vertrags sind nach Art. 15 Lei 159/1999: Bezeichnung des betroffenen Politikfelds, Bezugnahme auf die grundlegenden Entwicklungsstrategien in den Verwaltungsplänen, Festlegung von Rechten und Pflichten beider Seiten, finanzielle Regelung, fachliche und personelle Unterstützung durch die Gebietsgemeinde. Wenn eine Gebietsgemeinde Zuständigkeiten per Vertrag an eine Ortsgemeinde überträgt, muss sie diese Möglichkeit nach Art. 13 Abs. 2 Lei 159/1999 auch ihren anderen Ortsgemeinden anbieten. Diese Einzelübertragung von Kompetenzen erfolgt aber immer nur für den Zeitraum eines kommunalen Mandats.108 Umgekehrt können auch Ortsgemeinden nach Art. 36 Lei 169/1999 die Erbringung nicht hoheitlicher Dienstleistungen, die Verwaltung ihres Eigentums und die Unterstützung kultureller, sozialer und sportlicher Aktivitäten an ihre Gebietsgemeinde übertragen. Als Ersatz für eine genauere gesetzliche Regelung der Übertragung von Kompetenzen der Gebietsgemeinden an die Ortsgemeinden, welche die Interessenvertretung der Ortsgemeinden stets gefordert hatte,109 gibt es seit 2002 einen neuen Rahmenvertrag zwischen der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ANMP und der Interessenvertretung der Ortsgemeinden ANAFRE. Ähnliche Rahmenverträge gab es auch früher schon.110 Diesmal ging es um die Verwaltung öffentlicher Einrichtungen, die Erbringung von Dienstleistungen an Bürger, die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Akteuren und den Erlass kommunaler Verordnungen. In allen diesen Bereichen sollen die Ortsgemeinden Aufgaben der Gebietsgemeinden übernehmen. Von den Aufgabenbereichen werden erwähnt: Verwaltung der Kindergärten sowie der Freizeit- und Sportanlagen der Gebietsgemeinde durch die jeweilige Ortsgemeinde; Übertragung der Verwaltungspolizei in Bezug auf Märkte, Jahrmärkte und Plakatwerbung sowie die Kontrolle der Einhaltung von Verordnungen der Gebietsgemeinden allgemein; Teilnahme der Ortsgemeinden an lokalen Wirtschaftsentwicklungs- und Sozialprogrammen. Laut Rahmenvertrag111 soll diese Übertragung vorerst probeweise erfolgen und immer die konkreten Verhältnisse vor Ort berücksichtigen, später 108

Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. Associação Nacional de Freguesias: Moção de Estratégia do oito congresso da ANAFRE (Strategiepapier vom 8. Kongress der ANAFRE), (28. Mai 2002). 110 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 109

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

soll gemeinsam der Regierung vorgeschlagen werden, einzelne Kompetenzen per Gesetz den Ortsgemeinden direkt zu übertragen. Für die Übertragung der Aufgaben zwischen zwei konkreten Gebietskörperschaften erarbeiteten ANMP und ANAFRE einen Mustervertrag und auch Richtwerte für die parallel zu übertragenden Finanzmittel und verpflichteten sich, unter ihren Mitgliedern für die Benützung dieses Mustervertrages zu werben. Die Dauer der Übertragung erfolgt demnach immer für eine kommunale Wahlperiode, wobei sie von beiden Seiten mit Halbjahresfrist gekündigt werden kann. Für die einzelnen Gebietskörperschaften sind weder der Rahmenvertrag zwischen ANMP und ANAFRE noch die vorgeschlagenen Musterverträge juristisch verbindlich. Sie stellen aber politisch gewichtige Absichtserklärungen der Interessenvertreter beider kommunaler Ebenen dar, die auch in Anwesenheit von gesamtstaatlichen Regierungsmitgliedern erfolgten.112 In der Praxis ist der springende Punkt, ob parallel zu einer Kompetenzübertragung den Ortsgemeinden auch die nötigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Die Gebietsgemeinde Coimbra überträgt ihren Ortsgemeinden durch öffentlich-rechtlichen Vertrag Aufgaben und die Mittel zu deren Erfüllung, sodass Letztere ihr Budget fast verdoppeln. Die Verträge sind zwar zeitlich auf teilweise weniger als eine kommunale Wahlperiode beschränkt, aber es werden in ihnen Projekte und deren Reihenfolge vereinbart, sodass die Ortsgemeinden Planungssicherheit haben.113 Ein anderes Beispiel ist die Gebietsgemeinde Viseu (85.000 Einwohner, 34 Ortsgemeinden).114 Sie hat im Schnitt der letzten 10 Jahre mit jeder ihrer Ortsgemeinden jährlich sechs öffentlich-rechtliche Verträge abgeschlossen.115

II. Der politische Entscheidungsspielraum der Ortsgemeinden Haben die Ortsgemeinden genug Kompetenzen und Ressourcen, um als eigenständige Akteure zu handeln, oder sind sie eine Art relativ selbständige Dienststelle der Gebietsgemeinden? Der entscheidende Faktor dabei 111 Vertrag zwischen der ANMP und der ANAFRE vom 16. Dezember 2002 http://www.anafre.pt/anafre/pdf/protocolo_anafre_anmp.pdf 07/2003. 112 Rede des Präsidenten der (ANAFRE) am 16. Dezember 2002, http://www. anafre.pt/anafre/anafre_informa/informa2002.html 07/2003. 113 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 114 http://www.cm-viseu.pt 01/2004. 115 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 23.

D. Interaktion zwischen Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden

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ist, wie viele Ressourcen sie von ihrer Gebietsgemeinde erhalten und ob es ihnen gelingt, deren Entscheidungen zu beeinflussen.116 Die Meinung, dass die Ortsgemeinden bürgernahen Service erbringen sollen, nicht aber eigene politische Planungsentscheidungen treffen,117 entspricht eigentlich weitgehend der derzeitigen Rechtslage und Praxis. Die Ortsgemeinden sind vielfach derart schwache Akteure, dass sie gegenüber ihrer Gebietsgemeinde keine eigenen politischen Entscheidungen treffen können. Damit wären sie lediglich Bürgerservicestellen der Gebietsgemeinden, die vor Ort vieles billiger und effizienter erledigen können. In vielen Städten identifizieren sich die Bürger nicht mehr mit ihrer Ortsgemeinde. Eine eigene Gebietskörperschaft mit eigener politischer Vertretung ist nur dann gerechtfertigt, wenn es auch eigene politische Interessen zu vertreten gilt. Dies ist aber bei einzelnen Stadtteilen nicht der Fall. Hier sollten die bestehenden Ortsgemeinden aufgelöst werden. Die betreffende Gebietsgemeinde sollte die Aufgaben der Ortsgemeinden übernehmen und in den Stadtteilen Servicestellen für die Bürger einrichten. Die frei werdenden Mittel sollte man auf die verbleibenden ländlichen Ortsgemeinden aufteilen, die derzeit nicht genug Mittel haben, um ihre Kompetenzen wahrzunehmen.118 Letztlich ist die überwiegende Meinung in Portugal, dass ohne eigene politische Interessen der Ortsgemeinden und ohne geeignete Mandatsträger vor Ort die Schwerpunktbildung weiterhin bei den Gebietsgemeinden erfolgen soll. Diese seien groß genug, um langfristig als leistungsfähige staatliche Akteure zu bestehen. Meiner Ansicht nach hat eine örtliche Gemeinschaft aber sehr wohl teilweise andere Interessen als eine Gebietsgemeinde, deshalb braucht sie als Interessenvertreter eine handlungsfähige Ortsgemeinde. Die Ortsgemeinden sollen sozial noch einer lokalen Gemeinschaft entsprechen, in der sich die Bürger persönlich kennen. Dann sollen sie gemäß dem Subsidiaritätsprinzip (Art. 6 CRP) alle Zuständigkeiten von anderen staatlichen Akteuren übernehmen, die sie aus Bürgersicht besser erfüllen können. Die Ortsgemeinden sind unverzichtbar, weil die Akteure der nächsten Ebene, die Gebietsgemeinden, zu groß sind. Letztere umfassen im Schnitt beinahe 300 km2 und mehr als 30.000 Einwohner.119 Gleichzeitig sind sie die dominierenden 116 European Union et al. (Hg.): Regional and Local Government in the European Union. Responsibilities and Resources. CdR – Studies E-1/2001 (Luxembourg 2001) S. 195. 117 Montalvo, António Rebordão: Contributos para a Reforma das Freguesias Portuguesas [in: Revista da Administração Local, N 131, S. 577–594, 1992] S. 588. 118 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. 119 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 25.

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Kap. 5: Interaktion zwischen den Gemeinden

kommunalen Akteure, was eine starke Zentralisierung des kommunalen Bereichs darstellt. Als Ausgleich sollen wenigstens die Ortsgemeinden als Interessenvertreter echter örtlicher Gemeinschaften leistungsfähige Akteure werden, zumal über 4.000 Ortsgemeinden ja existieren und niemand ihre völlige Abschaffung fordert. Dass es ohne Ortsgemeinden nicht geht, zeigt sich daran, dass niemand sonst den Wählerzensus und die Einrichtung von Wahllokalen übernehmen kann.120 Auch die bisherige vertragliche Übertragung von Zuständigkeiten spricht für die Notwendigkeit einer bürgernäheren Verwaltung. Allerdings hängen diese Vorteile der Ortsgemeinden mit ihrer politischen Selbständigkeit zusammen. Eine örtliche Gemeinschaft mit gemeinsamen Interessen und die Legitimation politischer Mandatsträger zur Vertretung dieser Interessen stellen den Kern einer Gemeinde dar. Reformen zur Serviceverbesserung dürfen nicht zur Aushöhlung dieses Kerns führen. Die Ortsgemeinden sind außerdem in ländlichen Regionen die einzigen öffentlichen Akteure vor Ort, da die Gebietsgemeinden hier besonders ausgedehnt sind. Ein Land mit derart großen Problemen bei Landflucht und Verödung ganzer Landstriche könnte mit im Vergleich zu den Budgets anderer staatlicher Akteure geringen Investitionen bei den Ortsgemeinden viel erreichen und den ländlichen Raum fördern. Mit dem Wegfall der Ortsgemeinden als selbständigen öffentlichen Akteuren besteht hingegen in der Folge auch eine Gefahr für die örtliche Gemeinschaft, was zu einer Verstärkung der Landflucht beitragen würde.

120 Carvalho, Carlos Palmeiro de: O Papel das Freguesias na Administração de Proximidade, [in: Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (CEDREL) (Hg.): Seminário Internacional. A Regionalização, a Sociedade e a Reforma do Estado, (nicht publiziertes Referat 1998)].

Kapitel 6

Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden Im Kapitel über die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden werden folgende Themen dargestellt und analysiert: • Nicht institutionalisierte Interaktionen – Persönliche Beziehungen • Spezielle Akteure für die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden • Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat auf allen vier Steuerungsebenen Im Verhältnis zwischen den Dienststellen der Ministerien außerhalb der Hauptstadt und den Gemeinden gibt es nach Aussagen eines Interviewpartners die unterschiedlichsten Situationen – Beispiele sehr guter Zusammenarbeit und sehr schlechter Beziehungen.1 Im Bereich der Sozialhilfe und dem sozialen Wohnbau führen die verschiedenen gesamtstaatlichen Akteure zu komplexen Zuständigkeitsproblemen vor Ort. Außerdem müssen die Gebietsgemeinden Teile der Zuständigkeiten gesamtstaatlicher Akteure in der Praxis übernehmen, weil sie sonst nicht erfüllt werden. In diesen Fällen fordern die Gebietsgemeinden, ihnen gesamtstaatliche Zuständigkeiten und Ressourcen gleich direkt zu übertragen.2 Die gesamtstaatlichen Politikfeldakteure, die bestimmte Aufgaben wie den Sozialwohnungsbau landesweit wahrnehmen, schränken den Handlungsspielraum der Gemeinden stark ein.3 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden fordert, dass die für viele kommunale Projekte notwendigen Zustimmungen von gesamtstaatlichen Akteuren als erteilt gelten sollen, wenn sie nicht binnen einer bestimmten Frist ausdrücklich verweigert wurden.4 1

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 24. 3 Barreto, António: As Freguesias e a Regionalização, S. 43–51 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 45. 4 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 8. 2

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Auch ehemals gesamtstaatliche Unternehmen wie Post und Telekommunikationsunternehmen, Stromerzeuger, Fernsehkabel- und Gasleitungsbetreiber haben Privilegien aus einer Zeit, in der sie noch Staatsbetriebe waren. Dadurch brauchen sie keine kommunalen Baubewilligungen und zahlen keine Gemeindeabgaben.5 Die Gemeinden beklagen diese Privilegien heftig, da sie ihrem heutigen Gewinn orientierten Charakter nicht mehr angemessen sind. Gesamtstaatliche und kommunale Akteure gründen bisweilen auch Gesellschaften des Privatrechts, um längerfristige, gemeinsame Ziele zu erreichen. So gibt es im Alentejo eine Gesellschaft zur Wissenschaftsförderung, die u. a. von der Gebietsgemeinde Estremoz, der CCDR Alentejo und der gesamtstaatlichen Universität Évora gegründet wurde.6

A. Nicht institutionalisierte Interaktionen – Persönliche Beziehungen In Ergänzung und Überlagerung von Institutionen und Normen für die Interaktion zwischen Gebietsgemeinden und Gesamtstaat finden informelle Interaktionen zwischen den Gebietsgemeinden und dem Gesamtstaat statt. Alle Bürgermeister versuchen wie eh und je im direkten Kontakt mit gesamtstaatlichen Politikern Vorteile für ihre Gebietsgemeinde zu erlangen. Ihr Erfolg dabei ist ganz entscheidend für die Lebensqualität der Gemeindebürger.7 Die Fragmentierung des Gesamtstaats in viele gesamtstaatliche Akteure erlaubt es den Gemeinden dabei, sich ohne Koordinierung von verschiedenen Seiten Förderungen zu holen.8 Persönliche Beziehungen zwischen Vertretern von Gesamtstaat und Gebietsgemeinden gibt es in allen Ländern, aber ihre Verbreitung und Intensität sind in Portugal besonders groß.9 Im Interview wurde die Notwendigkeit für Gemeindepolitiker, gute Kontakte und persönliche Beziehungen zu haben, als (wie in allen Lebensbereichen) selbstverständlich bezeichnet.10 Vorteile persönlicher Beziehungen zu gesamtstaatlichen Akteuren sind für die Gemeinden: finanzielle Unterstützung, schnellere Verfahren und positive Erledigungen. Erst wegen der Dominanz des Gesamtstaats ist es für kommunale Mandatsträger so wichtig, Einfluss auf gesamtstaatliche Entscheidungen zu bekommen. Letztlich funk5

Ibid. S. 26. Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 100. 7 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. 8 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 9 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 20. 10 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 6

A. Nicht institutionalisierte Interaktionen

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tionieren so die Beziehungen zwischen staatlichen Akteuren, die nur auf Basis der Normen nicht funktionieren würden. Selbst der Einfluss der offiziellen Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ANMP ist gering im Vergleich zu ihrem System persönlicher Kontakte. Daher wird die ANMP vielfach umgangen, weil die Beteiligten persönliche Beziehungen bevorzugen. Das geht so weit, dass die Organwalter der ANMP diese Stellung als offizielle Interessenvertreter aller Gebietsgemeinden ausnützen, um in persönlichen Gesprächen mit gesamtstaatlichen Akteuren Vorteile für ihre eigene Gebietsgemeinde zu erlangen.11 Zwar geben Bürgermeister von Gebietsgemeinden ihren persönlichen Beziehungen doppelt so viel Gewicht wie Beziehungen über ihre Parteigremien, aber parteipolitische Beziehungen entfalten vor allem dann ihren Wert, wenn sie zusätzlich noch in persönliche Beziehungen umgewandelt wurden.12 Bei gleicher Parteizugehörigkeit von nationaler Regierung und einem Gemeindevertreter hat Letzterer vor allem einen Informationsvorsprung gegenüber Kollegen von anderen Parteien und den Vorteil einer höheren Wahrscheinlichkeit persönlicher Beziehungen zu Personen in Regierungsämtern.13 Obwohl politische Karrieren im kommunalen Bereich getrennt von solchen beim Gesamtstaat verlaufen,14 gibt es einige Gemeindepolitiker, die vorher auf nationaler Ebene politische Ämter ausgeübt und aus dieser Zeit beste Kontakte zu Regierungsmitgliedern haben. Da in Portugal noch immer viele Dinge an der Staatsspitze entschieden werden, sind solche Kontakte sehr wichtig.15 Die Bevorzugung kommunaler Mandatsträger durch Regierungsmitglieder führte in den 1990er-Jahren auch zum Parteiwechsel von kommunalen Mandatsträgern während ihrer Amtsperiode.16 Schließlich wurde die Rechtslage geändert, sodass ein Parteiwechsel zum Mandatsverlust führt. Der Einfluss von kommunalen Mandatsträgern auf die Parteien ist von Partei zu Partei unterschiedlich. Traditionell ist er bei der sozialdemokratischen PS (Partido Socialista) am stärksten, was sich auch in der hohen Anzahl kommunaler Mandatsträger in den Parteigremien niederschlägt.17 11 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 64 f., 251 u. 259. 12 Ibid. S. 217 u. 237. 13 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 14 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 67. 15 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 16 Lopes, Fernando Farelo: Descentralização e Práticas Clientelares na Democracia Portuguesa [in: Territórios alternativos, Nº 1, Set.-Out. 2000, S. 37–46, 2000] S. 44. 17 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Eine Vertreterin der Generaldirektion für Gemeindeangelegenheiten DGAL stellte das Thema im Interview folgendermaßen dar: Es gibt formlose Beziehungen zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden, welche die Arbeit erleichtern, aber parallel, vor allem bei heiklen Angelegenheiten, läuft immer das offizielle Verfahren. Im Laufe der Jahre entstanden persönlichere Kontakte zu bestimmten Vertretern der Gemeinden und mit Bekannten redet man natürlich leichter. Andererseits ist die DGAL offen für alle Anfragen, es genügt, wenn ein Gemeindevertreter mit einem Problem anruft, er bekommt sofort einen Termin.18 Auch ein Interviewpartner von einer Gebietsgemeinde betonte die Notwendigkeit die offiziellen Verfahren parallel einzuhalten: Die Gemeindeverwaltung muss immer die sachlichen Grundlagen erarbeitet haben. Ob ein gesamtstaatliches Projekt in einer Gemeinde sinnvoll ist, ist eine sachliche Frage, die auf Expertenniveau geklärt wird. Bei der Reihung der Projekte zu ihrer Realisierung sind politische Kontakte aber besonders wertvoll.19 Eine Folge dieser Personalisierung der Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden und einer entsprechenden Verteilung gesamtstaatlicher Ressourcen ist, dass eher Einzelprobleme gelöst werden und Gesamtstrategien in den Hintergrund treten.20 Außerdem führt es zu einer Umgehung gesamtstaatlicher Dienststellen außerhalb der Hauptstadt. Ein Bürgermeister stellte im Interview klar: Als Bürgermeister möchte ich nicht mit Subalternen reden. Wenn ich die Unterstützung des Gesamtstaats brauche, muss ich direkt zum Minister oder Staatssekretär gehen und intervenieren. Auch wenn man das über die Partei macht, muss man das persönlich machen und ganz an die Spitze gehen.21 Ein leitender Beschäftigter einer CCDR bestätigte als Betroffener diese Praxis: Es gibt immer Gebietsgemeinden, welche direkt in der Hauptstadt intervenieren, um die CCDR zu umgehen, aber wenn die Regierung klare Kriterien für die Mittelvergabe vorgibt, erleichtert sie das Leben der gesamtstaatlichen Akteure außerhalb der Hauptstadt erheblich. Selbst dann kann es zu politischen Vergaben kommen, aber wenigstens existiert eine sachliche Diskussionsgrundlage.22

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Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 20 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 86. 21 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 22 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 19

B. Spezielle Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

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B. Spezielle Akteure für die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden Bestimmte Akteure sind auf die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden spezialisiert. Im Folgenden wird ihr Wirken dargestellt. Man könnte auch die neuen Metropolitanverbände als Akteure bezeichnen, welche auf die Interaktion zwischen Gebietsgemeinden und Gesamtstaat spezialisiert sind, helfen sie doch den Gebietsgemeinden, eine gemeinsame Position zu finden und mit dem Gesamtstaat getroffene Vereinbarungen auch gegenüber den Gemeinden durchzusetzen. Da dabei aber das Moment der Interaktion zwischen den Gebietsgemeinden überwiegt, werden Metropolitanverbände in „II. Metropolitanverbände nach Lei 10/2003 und Lei 11/2003“ behandelt.

I. Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten (DGAL) Die Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten gibt es unter sich ändernden Namen seit den 1970er-Jahren. Sie war schon in verschiedenen Ministerien eingegliedert. Da sie aber als wichtige Generaldirektion mit einer längeren Geschichte stark institutionalisiert ist, hat der Wechsel des Ministeriums keine so großen Auswirkungen. Die DGAL ist das Kompetenzzentrum des Gesamtstaats für kommunale Angelegenheiten. Sie hat neben zwei internen Abteilungen eigene Abteilungen für kommunale Finanzen, Kommunalrecht, vertragliche Kooperation zwischen Gesamtstaat und Gemeinden sowie kommunale Verwaltungsmodernisierung.23 Ihre Aufgaben sind: Legistik in kommunalen Angelegenheiten, juristische und fachliche Studien für die Gemeinden und andere gesamtstaatliche Akteure, kommunales Budgetwesen, Fortbildung kommunaler Mandatsträger, Vergabe von Einzelzuweisungen an Gebiets- und Ortsgemeinden; Vergabe von Subventionen an gesellschaftliche Akteure für Sportanlagen, Kirchen und Kulturstätten auf lokaler Ebene; Führen von Enteignungsverfahren, die von Gebietsgemeinden initiiert werden; Begleitung der Zuständigkeitsübertragungen an die Gemeinden; Führen einer Bibliothek und erstellen von Publikationen; fachliche und finanzielle Unterstützung der Verwaltungsmodernisierung der Gemeinden.24 Dazu schreibt sie Wettbewerbe aus und regt zu Best-Practice-Lernen an.25 Die DGAL hat außerdem die Aufgabe, die Zusammenarbeit der CCDR mit den Gemeinden 23 24 25

http://www.dgaa.pt/quemsomos.htm 06/2003. http://www.dgaa.pt/quemsomos.htm 12/2001. http://www.dgaa.pt/BOAS%20PRATICAS/boas_práticas_geral.htm 06/2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

zu koordinieren. Dies geschieht durch die Genehmigung der finanziellen Mittel für die kommunalen Projekte, die unter Aufsicht der CCDR umgesetzt werden.26 2002 hat die DGAL insgesamt 2,3 Mrd. e an die Gemeinden weitergeleitet. Für alle diese Aufgaben hat die DGAL nach einer Reduzierung des Personals Ende der 1990er-Jahre 53 Beschäftigte, wovon 35 im gehobenen oder höheren Dienst stehen.27 Mit folgenden gesamtstaatlichen Akteuren interagiert die DGAL intensiver: Abteilungen für Gemeindeangelegenheiten der CCDR; CEFA (Centro de Estudos e Formação Autárquica), einem Ausbildungszentrum für kommunale Bedienstete und Mandatsträger, DGAP (Direcção-Geral da Administração Pfflblica), der für den öffentlichen Dienst zuständigen Generaldirektion.28 Ein kommunaler Mandatsträger aus Coimbra sagte über das Verhältnis zwischen Gebietsgemeinden und der DGAL im Interview: Mit den verschiedenen Generaldirektionen wie der DGAL hat eine Gebietsgemeinde wie Coimbra derzeit unproblematische Beziehungen und häufige Kontakte, auch in regelmäßigen Besprechungen. Die Verwaltung der Gebietsgemeinde Coimbra hat selbst drei Generaldirektoren. Ein Großteil der Kontakte läuft zwischen diesen kommunalen Spitzenbeamten und solchen des Gesamtstaates. Aber gleichzeitig ist es immer wieder notwendig, dass Mandatsträger den Minister oder leitende Beschäftigte des Gesamtstaates persönlich kontaktieren.29 Die Tätigkeiten der DGAL, die auf die Verwaltungsmodernisierung, Rechtsberatung und Weiterbildung bei den Gemeinden ausgerichtet sind, könnten meiner Einschätzung nach auf die Interessenvertretungen der Gemeinden ANMP übertragen werden. Dadurch hätten die Nutzer dieser Dienstleistungen mehr Einfluss auf den Dienstleister. Die DGAL sollte die Gemeindeaufsicht behalten und allenfalls die Arbeit der Interessenvertretung der Gemeinden mit staatlichen Mitteln evaluieren. Vorschläge, die DGAL sollte sich intensiver um die Verwaltungsmodernisierung der Gemeinden kümmern oder gar ein neuer gesamtstaatlicher Akteur sollte eigens zu diesem Zweck geschaffen werden,30 gehen fehl.

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Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. Direcção Geral da Administração Autárquica (Hg.): Relatório de Actividades da DGAL 2002 (interner Bericht 2003) S. 36–43. 28 http://www.dgaa.pt/quemsomos.htm 06/2003. 29 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 30 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 141 ff. 27

B. Spezielle Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

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II. Kommission für regionale Koordinierung und Entwicklung (CCDR) 1. Allgemeine Interaktion zwischen Gebietsgemeinden und CCDR Die CCDR übernehmen als Akteure des Gesamtstaats in den einzelnen Landesteilen einen Teil der Interaktion zwischen Gebietsgemeinden und Gesamtstaat. Wichtige kommunale Politikfelder wie Umwelt und Raumordnung werden hier vom Gesamtstaat für das Gebiet einer CCDR-Region ebenso koordiniert wie ein Teil der EU-Förderprogramme und sonstiger gesamtstaatlicher Investitionsprojekte. Immer mehr gesamtstaatliche Behörden verwenden den örtlichen Zuständigkeitsbereich der CCDR als Anknüpfungspunkt für die eigene Behördenorganisation. Dadurch gibt es für die Gebietsgemeinden auf dieser Ebene zusätzliche Ansprechpartner. Von allen Institutionen, die der Gesamtstaat den Gemeinden zur regionalen Koordination seiner Politik zur Verfügung stellt, sind die CCDR am erfolgreichsten und weisen mittlerweile auch eine lange Tradition auf. In den Jahren nach dem Umsturz von 1974 bekamen die Gebietsgemeinden nach und nach mehr Zuständigkeiten übertragen. Sie hatten aber nicht das dafür notwendige Fachwissen oder die Ressourcen, um dieses zuzukaufen. In dieser Situation wurden von den CCDR die Büros für technische Unterstützung (Gabinetes de Apoio Técnico – GAT) eingerichtet. In der CCDR-Centro gibt es z. B. 78 Gebietsgemeinden, die in 18 Gruppen zusammengefasst sind und für die jeweils ein GAT eingerichtet wurde.31 Die GATs wurden also vom Gesamtstaat gegründet, von oben eingesetzt, aber trotzdem entwickelte sich eine gute Zusammenarbeit mit den Gebietsgemeinden. Sie führten zu einer stärkeren Beachtung übergemeindlicher Gesichtspunkte und einer Koordinierung von Projekten unterschiedlicher Gebietsgemeinden.32 Zwischen den Gebietsgemeinden eines GAT entwickelte sich mit der Zeit ein Zusammengehörigkeitsgefühl.33 In der Folge verwendeten gesamtstaatliche Behörden diese Gebietsgemeindegruppen auch als Anknüpfungspunkt für den örtlichen Zuständigkeitsbereich ihrer Dienststellen bzw. Gebietsgemeinden für die Gründung von Gemeindeverbänden.34 Die GAT unterstützen bis heute die Gebietsgemeinden fachlich bei konkreten Projekten. Personalkosten und technische Ausrüstung über31

Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 133. 33 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 34 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 32

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

nehmen dabei die CCDR, die laufenden Kosten für einzelne Projekte die betroffenen Gebietsgemeinden.35 Manchmal war der Leiter eines GAT nicht Beschäftigter der CCDR, sondern einer Gebietsgemeinde. Er traf sich regelmäßig mit den Bürgermeistern, um die Probleme zu besprechen.36 Insgesamt waren die GAT in den ersten Jahren nach der Revolution aktiver und wichtiger für die Gebietsgemeinden als heute, weil die Gebietsgemeinden damals selbst noch kein besser ausgebildetes Personal hatten.37 Allerdings waren die GAT nicht in der Lage, sich zu verändern. Als die Gebietsgemeinden zum Beispiel eigene Architekten anstellten, hätten die GAT andere Spezialisten aufnehmen müssen, um für die Gebietsgemeinden weiterhin attraktiv zu sein.38 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) tritt heute für die Auflösung der GAT ein. Stattdessen sollten die Gebietsgemeinden die Ressourcen erhalten, um eigenes Personal einzustellen. In Ausnahmen könnten Gebietsgemeindeverbände gebildet werden, um die GAT zu übernehmen.39 Die beiden GAT am Algarve beschäftigten sich 2004 neben der technischen Unterstützung der Gebietsgemeinden mit der Abwicklung eines Teils der EU-Programme und der vertraglichen Zusammenarbeit zwischen Gebietsgemeinden und CCDR. Anfang 2005 gab es den Plan, die GAT aus den CCDR auszugliedern, zu eigenen Behörden zu machen und direkt dem Ministerium zu unterstellen.40 Dieser Plan würde aber wenig Sinn machen. Erstens geht der Trend ohnehin zum Zukauf von technischem und fachlichem Wissen bei privaten Unternehmen. Wenn es aber weiterhin der GAT bedarf, dann sollten sie bei den CCDR bleiben, die ebenfalls für die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden zuständig sind. Auch die Gebietsgemeinden könnten über Gemeindeverbände die GAT übernehmen. Vorteile einer direkten Unterstellung unter das Ministerium sind nicht ersichtlich. Eine zentrale Aufgabe der CCDR ist es, den Informationsaustausch zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden zu erleichtern. Wenn die nationale Regierung komplexe Informationen an die Gebietsgemeinden weiterleiten will, macht sie das über die CCDR. Wenn eine Gebietsgemeinde eine schwierige juristische oder sachpolitische Frage hat, wendet sie sich an ihre 35 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 76. 36 Garandeau, Èric: L’Organisation Administrative du Portugal (o. O. 1996) S. 31. 37 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 38 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 39 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 19. 40 http://www.ccdr-alg.pt/ccr/index.php?module=ContentExpress&func=display& meid=4&ceid=67 01/2005.

B. Spezielle Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

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CCDR. Die CCDR unterstützen die Gebietsgemeinden durch Beratung in finanziellen, juristischen und technischen Fragen, aber alles nur auf Anfrage. Außerdem erstellen sie von sich aus Studien über die Situation der Gebietsgemeinden in der Region für die Regierung.41 Die Gebietsgemeinden würden sich die CCDR als Ansprechpartner des Gesamtstaats für alle Politikfelder wünschen. Die ANMP fordert daher schon lange, dass die CCDR die Koordination aller gesamtstaatlichen Akteure in ihrem örtlichen Zuständigkeitsbereich übernehmen.42 Die CCDR sind für die Zusammenarbeit zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden so entscheidend, weil sie viel Erfahrung damit haben und die Bedürfnisse der Gebietsgemeinden aus der Verwaltung nationaler Förderprogramme und der regionalen EUFördergelder genau kennen.43 Durch die Verwaltung der EU-Förderprogramme hat sich die Position der CCDR gegenüber den Gebietsgemeinden stark verbessert. Die CCDR haben jetzt etwas anzubieten, das die Gebietsgemeinden dringend benötigen.44 Hier gibt es im Allgemeinen keine unterschiedlichen Auffassungen und man arbeitet gut zusammen.45 Oft nehmen die CCDR die Anträge auf Förderungen nur für andere gesamtstaatliche Akteure entgegen, aber sie geben eine Stellungnahme dazu ab, weil sie die Situation vor Ort kennen.46 Viele Aufgaben der Interaktion mit den Gebietsgemeinden übernimmt eine eigene Abteilung für Gemeindeangelegenheiten einer CCDR. Gerade in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung spielen die CCDR durch die integrierten Regionaldirektionen für Umwelt und Raumordnung – DRAOT für die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden eine wichtige Rolle. Die Interaktion besteht einerseits aus Zusammenarbeit, andererseits aus Kontrolle, was ein Beschäftigter der CCDR-Centro folgendermaßen begründete: Zusammenarbeit ist wichtig, weil nur die Gebietsgemeinden vor Ort die Probleme wirklich lösen können; Kontrolle genauso, weil noch sehr wenig Interesse und Verständnis für Umweltfragen und Raumordnung bei den Gebietsgemeinden herrscht.47 Direkte Kontakte zwischen CCDR und Ortsgemeinde gibt es erst seit einigen Jahren. Im neuen Regionalrat der CCDR sind etwa je zwei Bürgermeister von Ortsgemeinden vertreten.48 Den Ortsgemeinden kommt insgesamt keine wichtige Rolle in der Zusammenarbeit zwischen Gesamtstaat 41

Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 20. 43 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 44 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. 45 Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 46 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 47 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 48 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 42

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

und Gemeinden zu. Wohl wünschen sich die CCDR stärkere Ortsgemeinden und unterstützen sie daher auch gezielt, vor allem mit Weiterbildung und finanziellen Mitteln.49 So wurde 2003 von der CCDR-Lissabon z. B. die Weiterbildung von mehreren hunderten Beschäftigten der Ortsgemeinden in den Bereichen Dienst- Bau- und Budgetrecht, Umweltschutz und Raumordnung finanziell gefördert.50 Letztlich sind für die CCDR aber eher gut funktionierende Gebietsgemeinden wichtig. 2. Einfluss der Gebietsgemeinden auf die CCDR Nach der gescheiterten Regionalisierung von 1998 plädierten Befürworter wie Gegner dafür, jetzt den Gemeinden mehr Zuständigkeiten zu geben, aber es tat sich in den folgenden Jahren nicht viel. Deshalb versuchten die Gebietsgemeinden auf Institutionen Einfluss zu erlangen, die der Interaktion mit dem Gesamtstaat dienen. Hier boten sich vor allem die CCDR an.51 Bei jeder CCDR war von Beginn an neben dem Präsidenten als weiteres Organ ein Regionalrat eingerichtet, der aus Vertretern der Gebietsgemeinden bestand. Er beurteilte die Arbeit der CCDR und konnte sich zu regionalen Themen äußern, was er insbesondere in Bezug auf die Investitionen des Gesamtstaates in der Region häufig tat.52 Ein Bürgermeister sagte dazu allerdings im Interview: Der Regionalrat nach alter Rechtslage war wenig bedeutsam, in 13 Jahren als Bürgermeister habe ich nur an zwei Sitzungen teilgenommen.53 Ein anderer Kommunalpolitiker sah das anders: Auch nach alter Rechtslage hatte der Regionalrat seine Bedeutung. Er trat viermal pro Jahr zusammen und sonst bei wichtigen Anlässen, etwa wenn ein PDM aufgestellt wurde oder der Regionalentwicklungsplan. Die Regierung nutzte dieses Gremium, um den Gemeinden Gesetzesvorschläge oder Entwicklungsstrategien für die Region vorzuschlagen, sogar wenn es nur Programme eines einzelnen Ministeriums waren.54 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden forderte seit Jahren, dass der von den Gebietsgemeinden dominierte Regionalrat der CCDR der Regierung einen Besetzungsvorschlag für den CCDR-Präsidenten machen 49

Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Relatório de actividades 2002 (Lisboa 2003) S. 45–70 u. 101–104. 51 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 52 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 134. 53 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 54 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 50

B. Spezielle Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

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soll.55 Fast alle Aufgaben der CCDR, etwa die Verwaltung der EU-Förderprogramme, haben etwas mit den Kompetenzen der Gebietsgemeinden zu tun. Daher war es für diese wichtig, hier Einfluss zu erlangen. Es entstand das Ziel, bei der Besetzung der Leiter dieser gesamtstaatlichen Behörden mitwirken zu können.56 Dies wurde 2003 erreicht: Art. 15 DL 104/2003 bestimmt, dass die Mehrheit in diesem Gremium die Bürgermeister der Gebietsgemeinden haben. Daneben sind noch zwei Bürgermeister der Ortsgemeinden vertreten, die von der Interessenvertretung der Ortsgemeinden bestimmt werden und 13 Vertreter gesellschaftlicher Akteure. Einen leitenden Beschäftigten einer CCDR erinnerten diese Zusammensetzung des Regionalrats und sein Vorschlagsrecht für den CCDR-Präsidenten tendenziell an die Ständekammer des Estado Novo.57 Nach der Präambel von DL 104/2003 soll der neue Regionalrat der CCDR ein Ort intensiver Reflexion über nachhaltige Entwicklungsstrategien für eine Region sein und konkreten Einfluss auf die Entscheidungsfindung ausüben. Neben dem nicht bindenden Dreiervorschlag für das Amt des Präsidenten der CCDR hat der Regionalrat nach Art. 16 DL 104/2003 eine Reihe beratender Funktionen: Äußerung zu Budget, Tätigkeitsplänen und wichtigen Projekten des Gesamtstaats in der Region; Vorschlag gesamtstaatlicher Investitionsprojekte, Evaluierung des Regionalentwicklungsplans und anderer von der CCDR geleiteten Entwicklungsprogramme; Äußerung zu den PROT und den Politikfeldplänen. Diese Reform der CCDR hat direkt etwas mit der gescheiterten Regionalisierung von 1998 zu tun.58 An Stelle der Regionalisierung wurden die Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden gestärkt, die Gründung von Metropolitanverbänden gefördert und die Gemeinden bekamen Einfluss auf die CCDR. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) ist damit aber noch nicht zufrieden. Sie hatte im Begutachtungsverfahren zu DL 104/2003 mehr Kompetenzen für den Regionalrat insbesondere im Bereich der strategischen Regionalentwicklung gefordert. Ihre Kritik fasste sie wie folgt zusammen: Die Regierung hat ein aufwändiges Gremium geschaffen, aber mit rein beratender Funktion und nur für die CCDR, die Unterbehörden eines einzigen Ministeriums.59 Dahinter steckt die Forderung, alle gesamtstaatlichen Akteure in einer CCDRRegion dem CCDR-Präsidenten zu unterstellen und anschließend den Gebietsgemeinden Einfluss auf seine Bestellung zu geben. 55 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 20. 56 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 57 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 58 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 59 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Projecto de DL que cria as CCDR. DL 104/2003, (2003).

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Die ersten Nominierungen von Präsidenten der CCDR sind 2003 insgesamt harmonisch verlaufen. Die Regierung akzeptierte alle Vorschläge der Regionalräte. In der CCDR-Centro wurde sogar statt eines Dreiervorschlages vom Regionalrat nur eine Person vorgeschlagen, welche die Regierung auch akzeptiert hat.60 In drei der fünf Fälle konnte man sich im Vorfeld auf die Namen einigen, in zwei weiteren kam es zu Kampfabstimmungen, weshalb diese CCDR-Leiter jetzt nicht von allen Gebietsgemeinden gleichermaßen akzeptiert werden. Für die CCDR-Centro wurde ein Vizebürgermeister bestimmt, für den Alentejo ein ehemaliger Bürgermeister, jedenfalls aber Leute, welchen die Gemeinden vertrauen.61 Bei den ersten Ernennungen kam es nur in der CCDR-Region-LVT zu einem sozialdemokratischen CCDR-Präsidenten und damit zu einer parteipolitischen Konkurrenzsituation zur gesamtstaatlichen Mitte-Rechts Regierung. Im Alentejo haben sich die Bürgermeister der Regierungspartei mit den Kommunisten verbündet, um den sozialdemokratischen Kandidaten zu verhindern.62 Durch die Reform gewinnt der Regionalrat der CCDR an Gewicht, weil in ihm auch noch andere regionale gesellschaftliche Akteure wie die Sozialpartner vertreten sind.63 Außerdem hat er jetzt mehr Kompetenzen und wird seine Rolle spielen, sogar in der täglichen Arbeit der CCDR, da es eine seiner Aufgaben ist, diese zu begleiten. In der CCDR-LVT z. B. wird ein eigenes Büro für den Regionalrat eingerichtet.64 Letztlich wird sich dadurch in den Interaktionen zu den Gemeinden nicht viel ändern, weil es auch bisher nur wenig Konflikte gab.65 Auch das neue Vorschlagsrecht der CCDR-Präsidenten durch den Regionalrat wird die Machtverhältnisse zwischen Gemeinden und Gesamtstaat nicht dramatisch verändern. Aber der Präsident muss in Zukunft sowohl auf die Bedürfnisse der Gemeinden als auch auf die des Gesamtstaats achten. In der Region wird seine Rolle gestärkt und mehr Zustimmung für die von ihm umgesetzte Politik erreicht.66 Die bisher fehlende demokratische Legitimation der CCDR hatte ihre Autorität geschwächt.67 Das wird sich in Zukunft etwas ändern. Sowohl gegenüber den Gebietsgemeinden, als auch gegenüber den übrigen gesamtstaatlichen Akteuren vor Ort.68 Das Amt des CCDR-Präsidenten wird insgesamt eine stärkere politische Komponente bekommen.69 60 61 62 63 64 65 66 67 68

Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Farias, João: Interview am 14. August 2003. Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. Gomes, José: Interview am 1. August 2003. Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Farias, João: Interview am 14. August 2003.

B. Spezielle Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

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Eine Frage bleibt, ob die CCDR ihre Aufsichtsfunktion gegenüber den Gebietsgemeinden auch weiterhin wird ausüben können.70 Hier wird die Meinung vertreten, dass die CCDR als Kontrollorgan gegenüber den Gemeinden an Bedeutung verlieren werden.71 Ein Bürgermeister erklärte, dass die CCDR schon bisher nicht als rein gesamtstaatliche Akteure agiert hätten, sondern eher als Interessenvertreter der Gemeinden und als erste Anlaufstelle, wenn Information benötigt oder ein Problem die Möglichkeiten einer Gemeinde übersteigen würden.72 Da die CCDR aber nur Unterbehörden eines Ministeriums sind, versuchen die Gebietsgemeinden ihre Probleme direkt mit den Ministern zu lösen. Statt mit der Unterbehörde, redet man lieber direkt mit dem Ressortchef.73 Letztlich können die CCDR aber nicht die verschiedenen Politikfelder für ihre Region integrieren und eine eigene Politik für ihre Region entwickeln. Sie ist dafür gegenüber dem Gesamtstaat zu schwach, auch das Fehlen einer eigenen demokratischen Legitimation macht sich bemerkbar. Zudem läuft die Kommunikation der Gebietsgemeinden mit der EU über die Ministerien. Bei politischen Fragen werden die CCDR daher von den Gebietsgemeinden umgangen, und die Verantwortung für eine CCDR-Region teilt sich wieder auf einzelne Fachminister auf.

III. Distriktsversammlungen Nach Art. 291 Abs. 3 CRP ist in jedem der 18 Distrikte eine Distriktsversammlung (assembleia deliberativa) eingerichtet. In diesen Distriktsversammlungen sind nach DL 5/1991 drei kommunale Mandatsträger aus jeder Gebietsgemeinde vertreten: der Bürgermeister und der Präsident der Gemeindevertretung der Gebietsgemeinde sowie ein Bürgermeister einer Ortsgemeinde. Zwar können die Distriktsversammlungen theoretisch Eigentum erwerben und Personal einstellen, Ressourcen und Kompetenzen haben sie aber kaum. Letztlich können sie den Gouverneur zu allen Themen informieren und zu allen wichtigen Fragen im Distrikt ihre Meinung äußern. Die Distriktsversammlung ist heute beinahe ohne jede Zuständigkeit und Bedeutung. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) fordert, entweder die Distrikte abzuschaffen oder die Chancen eines kommunalpoli69

Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 71 Baptista, Abel: Forum com Eleitos Locais. Desconcentração na Administração Pfflblica, S. 181–189 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 185. 72 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 73 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 70

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

tisch besetzten Organs auf Distriktsebene zu nutzen. Sinnvolle Themen wären ihrer Meinung nach gesamtstaatliche Investitionen, gesamtstaatliche Akteure und Zuständigkeitsübertragungen an Gebietsgemeinden im Distrikt. Die Distriktsversammlung könnte hier der Information und Meinungsbildung zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden dienen.74 Allerdings erwuchs den Distriktsversammlungen in den jüngst gestärkten Regionalräten der CCDR ohnehin eine überlegene Konkurrenz. Ähnlich wie die Distrikte im Vergleich zu den CCDR ein Auslaufmodell sind, sind dies auch die Distriktsversammlungen als Interaktionsforum zwischen Gesamtstaat und Gemeinden.

IV. Interessenvertretungen der Gebiets- und Ortsgemeinden Die Interessenvertretungen der Gebiets- und Ortsgemeinden75 haben im Wesentlichen zwei Funktionen: erstens ihre Mitglieder zu beraten und zweitens deren Interessen gegenüber dem Gesamtstaat zu vertreten. Letztere ist ihre Hauptfunktion und Thema dieses Kapitels. Die Interessenvertretungen sind vom Gesamtstaat als Sprachrohr der Gemeinden anerkannt und vertreten im Großen und Ganzen aktiv und erfolgreich die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber dem Gesamtstaat. Umgekehrt sind gut organisierte kommunale Spitzenverbände auch für den Gesamtstaat wichtig: als Informationsquellen, als Verhandlungspartner und zur Durchsetzung getroffener Vereinbarungen gegenüber den Mitgliedsgemeinden. Seit ihrer Gründung hat die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) das Recht zu allen Gesetzesvorhaben und Verordnungsentwürfen, welche die Gemeinden betreffen, Stellung zu nehmen. Dies ist ihre wichtigste und zeitaufwändigste Aufgabe, da diese Stellungnahmen intern diskutiert und fachkundig erstellt werden müssen. Da die ANMP nur wenig Fachpersonal hat, wird der jeweilige Normentwurf einigen Gebietsgemeinden zugeleitet, die davon besonders betroffen sind. Aus deren Antworten erstellt das Personal der ANMP eine Stellungnahme, die vom Vorstand, der aus Bürgermeistern besteht, angenommen und an die Regierung weitergeleitet wird. Normalerweise werden solche Stellungnahmen der ANMP nicht mit Mehrheit sondern einstimmig gefasst. Dies hat den Nachteil, dass die Entscheidungsfindung länger dauert, aber den Vorteil, dass die Regierung der Meinung der ANMP mehr Gewicht beimisst, da die Gebietsgemeinden nach außen geschlossen auftreten und die Stellungnahmen über parteipoliti74 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 20. 75 Als Akteure beschrieben in Kapitel 5 Abschnitt „A. Interessenvertretungen der Gemeinden – ANMP und ANAFRE“.

B. Spezielle Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

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schen Interessen steht. Zu den politischen Parteien hält die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden Kontakt über ihre Vorstandsmitglieder, die aus allen Parteien von landesweiter Bedeutung stammen. Das Recht der ANMP, zu geplanten Gesetzen und Gesetzesdekreten Stellung zu nehmen, welche die Gebietsgemeinden betreffen, wird je nach Stil der Regierung anders gestaltet. Im schlechtesten Fall erhält die ANMP den fertigen Regierungsentwurf, nimmt dazu schriftlich Stellung und erfährt aus dem Gesetzblatt, wie die neue Norm ausgestaltet ist. Fruchtbarer ist es, wenn die ANMP frühzeitig von Regierung oder Nationalversammlung in die Beratungen einbezogen wird.76 Ein weiteres Problem besteht darin, dass in der Praxis die Fristen für die Stellungnahme der ANMP vom Gesamtstaat nicht beachtet werden. Hinweise in Gesetzestexten, dass die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ins Gesetzgebungsverfahren eingebunden gewesen sei, sind teilweise erfunden.77 Insgesamt beklagt die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden laufend, dass ihre Stellungnahmen in den Gesetzgebungsprozess zu wenig einfließen.78 Da die Gebietsgemeinden viele unterschiedliche Kompetenzen haben, sind sie intensiv an der Normproduktion beteiligt und haben enge Kontakte zu fast allen Ministerien. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden hält auch zu den übrigen obersten Organen des Gesamtstaates engen und regelmäßigen Kontakt. Sowohl zum Präsidenten, der die Entwicklung der Gemeinden aufmerksam verfolgt, als auch zu den parlamentarischen Kommissionen, die Gemeindeangelegenheiten behandeln. Während der Zeit von zwei Wochen hat die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden wohl mit im Schnitt drei Ministern Kontakt. Und umgekehrt profitieren die Minister auch davon, weil sie auf diese Weise Informationen bekommen, die sie sonst nicht erhalten können. Oft wird die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden aber auch angehört, und dann wird anders entschieden.79 Insgesamt kann man sagen, dass die ANMP zwar einen gewissen moralischen Einfluss erlangt hat, dass ihre konkreten Vorschläge von gesamtstaatlichen Akteuren aber selten beachtet werden.80 Außer der Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren ist die ANMP noch in 94 der 204 wichtigsten gesamt76

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Regime Jurídico dos Instrumentos de Gestão Territorial, DL 380/99 e ao Regime da urbanização e edificação e ao regime de verificação da qualidade e da responsabilidade civil nos projectos e nas obras de edificação, (1999) S. 2. 78 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Relatório de Actividades 1998–1999 (Tätigkeitsbericht der ANMP 1998–1999), (5. März 2000). 79 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 80 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 66. 77

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

staatlichen Beiräte vertreten.81 Außerdem sitzt sie seit der Verfassungsreform 1989 nach Art. 92 CRP im Wirtschafts- und Sozialrat. Allerdings wird der ANMP selbst vorgeworfen, zentralisierend zu wirken, da sie die Interaktion mit der Regierung für sich monopolisiert und Interessenvertretungen von Gemeinden einzelner Distrikte oder CCDR-Regionen nicht zulässt.82 1993 wurde die Interessenvertretung der Ortsgemeinden (ANAFRE) von der Regierung offiziell als Sozialpartner im Sinne von Lei 54/1998 anerkannt.83 Seither hat sie Begutachtungsrechte im Gesetzgebungsverfahren und ist im Wirtschafts- und Sozialrat vertreten.84 Insgesamt ist in den letzten Jahren eine steigende Beachtung der ANAFRE durch gesamtstaatliche Akteure festzustellen.85 So besuchte der Präsident der Republik 2002 erstmals den Nationalkongress der ANAFRE.86 Zwar hat die ANAFRE für den Gesamtstaat lange nicht die Bedeutung als Interaktionspartner wie die ANMP, aber ihr Einfluss auf die Ortsgemeinden kann wertvoll sein. Sie sieht es als eine ihrer Aufgaben an, auf eine bessere Befolgung gesamtstaatlicher Normen durch die Ortsgemeinden hinzuwirken.87

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat Einerseits hat der Gesamtstaat ein Interesse an starken, handlungsfähigen Gemeinden, die ihm als Interaktionspartner in der Fläche zur Verfügung stehen, andererseits könnten leistungsfähige und selbstbewusste Gemeinden seinen Interessen zuwiderhandeln. In Portugal erhebt der Gesamtstaat einen umfassenden Steuerungsanspruch gegenüber den Gebietsgemeinden. Eigenständige Entscheidungen der Gebietsgemeinden gegen die Interessen des Gesamtstaats sind die Ausnahme und müssen sich in den engen Grenzen aus Normen, Plänen und Finanzzuweisungen des Gesamtstaats halten. Kernfrage ist, wie groß der Spielraum der Gemeinden gegenüber dem Gesamtstaat für politische Entscheidungen ist. Gerade in der Raumordnung gibt es ein breites Feld für essentiell politische Entscheidungen, die nicht sachlich 81 Conselho Económico e Social (Hg.): Administração Consultiva em Portugal. Incluindo Legislação Respeitante aos Conselhos e Comissões Consultivas (Lisboa 1996) S. 104. 82 Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001. 83 Präambel, Satzung der (ANAFRE) vom 21. 04. 2002, http://www.anafre.pt/ anafre/pdf/estatutos.pdf 07/2003. 84 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 85 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 86 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 25. 87 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

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vollständig zu begründen sind und auch politisch legitimiert werden müssen. Es ist im Verhältnis von Gesamtstaat und Gebietsgemeinden nicht klar, wo die Grenzen der Bereiche autonomer kommunalpolitischer Entscheidung liegen. Gesamtstaatliche Akteure tendieren dazu, sich für den Einzelfall Steuerungsmöglichkeiten auf allen Steuerungsebnen zu sichern. Die Steuerung der Gemeinden besteht im Wesentlichen aus dem geschickten Management der Abhängigkeiten von gesamtstaatlichen Akteuren.88 Die Steuerung einer Gemeinde durch den Gesamtstaat wird dadurch erschwert, dass es sich um die Steuerung eines kommunalen territorialen Akteurs durch eine Reihe gesamtstaatlicher Politikfeldakteure handelt. Dies erfordert einiges an Koordination zwischen den gesamtstaatlichen Akteuren und wird umso komplizierter, je mehr Kompetenzen den Gemeinden übertragen werden. Der Gesamtstaat muss sich mit den Raumordnungsproblemen aller 305 Gebietsgemeinden auseinandersetzen, was ihn tendenziell überfordert.89 Hier zeigt sich das Fehlen von regionalen Territorialakteuren, welche die Gemeinden auf ihrem Territorium effizienter steuern könnten. In jeder Steuerungsbeziehung spielen Informationen eine zentrale Rolle. Der Gesamtstaat steuert die Gemeinden, gibt also Entscheidungen an sie weiter und sollte im Gegenzug Informationen von Ihnen erhalten. Der Gesamtstaat hat besseres Fachwissen (Recht, Technik, Sachpolitik) und laufend Zugang zu den Informationen einer großen Organisation, aber die Gemeinden haben mehr empirische Information über die örtlichen Verhältnisse und die Probleme Bürger. Das Wissen von NS und Gemeinden sollte sich ergänzen. Da besonders viel an der Spitze der gesamtstaatlichen Verwaltung entschieden wird, sollte dieser Informationsaustausch besonders umfangreich sein. In der Praxis funktioniert er eher schleppend über die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ANMP und die CCDR. Der Gesamtstaat nutzt bisher das Wissen, das bei den Gemeinden vorhanden ist, nicht effektiv. Die Ortsgemeinden wären z. B. den Problemen am nächsten, der Gesamtstaat könnte ihr Wissen über die Interessenvertretung der Ortsgemeinden nutzen. In der Praxis fragt er höchstens die Gebietsgemeinden und diese müssen wiederum bei den Ortsgemeinden nachfragen.90 Die Steuerungsmöglichkeiten des Gesamtstaates werden durch zwei Faktoren verstärkt: Erstens dadurch, dass er nicht nur in einem, sondern in einer Reihe von Politikfeldern dominiert. Das MAOT z. B. ist eben nicht nur im Umweltbereich, sondern auch in den Bereichen Raumordnung und Ge88 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 18. 89 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 27 u. 32 u. 83. 90 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

meindeaufsicht der dominierende Akteur. Zweitens kontrolliert der Gesamtstaat die Interaktionen der Gemeinden mit der EU, sei es durch die Verwaltung von EU-Mittel oder die Schlüsselrolle in der Umsetzung von EU-Normen und Plänen. Die aktive Rolle des Gesamtstaats in der Steuerung der Gemeinden zeigt sich sowohl in der Raumordnung als auch im Umweltschutz. Im Politikfeld Umweltschutz ist in den letzten Jahren die Kooperation zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden enger und damit das ganze Politikfeld dynamischer geworden. Gleichzeitig ist der Einfluss des Gesamtstaats auf die Gebietsgemeinden in diesem Politikfeld gestiegen.91 Auch in der Raumordnung kommen die Richtung der Entwicklung und wesentliche Entwicklungsimpulse von Seiten des Gesamtstaates. Dieser trifft die wesentlichen Planungsentscheidungen und kontrolliert deren Umsetzung durch die Gebietsgemeinden.

I. Steuerung der Gemeinden über Normen In den ersten Jahren nach der Revolution entwickelten sich die Gebietsgemeinden sehr unterschiedlich und ohne viel Koordination durch den Gesamtstaat weiter. Jede organisierte sich, stellte Personal ein und traf Entscheidungen, wie sie wollte. Der gesamtstaatliche normative Rahmen war recht weit, die Fähigkeiten der Gebietsgemeinden aber sehr beschränkt. Sie waren in vielerlei Hinsicht auf das Fachwissen des Gesamtstaates angewiesen. In den letzten Jahren hat sich das geändert. Die Gebietsgemeinden haben eigenes Fachpersonal und bisweilen mehr Informationen und Willen zu Handeln als der Gesamtstaat. Der normative Rahmen wird gleichzeitig immer enger und die Gebietsgemeinden empfinden die Kontrolldichten heute stärker als früher als unangenehm und überflüssig.92 Allerdings erreichte das besondere Verwaltungsrecht in Portugal bisher nie die Regelungsdichte wie in Deutschland oder Österreich. Erst durch die Umsetzung des EURechts sind die Normen wirklich umfangreich und kompliziert geworden. Auf Verfassungsebene ist die Gemeindeautonomie nach wie vor großzügig ausgestaltet. Allerdings sind die Zuständigkeitsbereiche der Gebietsgemeinden mittlerweile so genau reguliert, dass bei den Gemeinden das Gefühl entsteht, keinen politischen Freiraum mehr zu haben, sondern nur mehr gesamtstaatliche Aufträge zu erfüllen.93 Außerdem behauptet die Interessenvertre91 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 188. 92 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003.

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tung der Gebietsgemeinden, durch die gesamtstaatlichen Normen in ihrer Selbstorganisation behindert zu werden, und fordert in folgenden Bereichen mehr Autonomie: Personalmanagement, Budgetierung, Einrichtung von Generaldirektionen, Zuständigkeitsübertragung von Mandatsträgern auf Beschäftigte, unternehmerische Organisation von Dienstleistungen, Auftragsvergabe und Beschaffungswesen, Anpassung rechtlicher Rahmenbedingungen an die Größe der Gebietsgemeinden.94 Als Wunsch des schwächeren Interaktionspartners nach klaren Spielregeln ist die Forderung der Interessenvertretung der Ortsgemeinden zu interpretieren, das gesamte unübersichtliche Gemeinderecht in einem Gemeindegesetzbuch zu kodifizieren.95 Normative Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat ist zwar die schnellste und billigste Art der Steuerung, allerdings ist ihre Effektivität fraglich. In der Praxis ist es dem Gesamtstaat nur in beschränktem Umfang möglich, bestimmte Handlungen der Gemeinden durch Verbote zu verhindern, noch viel weniger, aktives Verhalten der Gemeinden normativ sicherzustellen. Letzteres wäre aber notwendig, da z. B. in der Abfallpolitik der Gesamtstaat zwar die Normen vorgibt, deren Umsetzung aber stark von der Initiative der Gebietsgemeinden abhängt.96 Ein Grund für Vollzugsdefizite ist, dass der Gesamtstaat nicht die Ressourcen hat, um die Einhaltung der Normen durch die Gemeinden zu kontrollieren. Besonders wenig wirkungsvoll ist die normative Steuerung des Gesamtstaats dann, wenn der Bürgermeister einer Gebietsgemeinde innerhalb seiner Partei einflussreich ist. Solche kommunalen Mandatsträger lassen sich bei Entscheidungen deutlich mehr von dem Kriterium „Effizienz“ als von juristischen Überlegungen leiten. Gefragt, ob sie sich eher als Vollzieher gesamtstaatlicher Normen oder als Organisator gesamtstaatlicher Ressourcen sehen, wählten die Bürgermeister der Gebietsgemeinden mit überwältigender Mehrheit die zweite Rolle.97 Dies lässt den Schluss zu, dass die finanzielle Steuerung des Gesamtstaats die Handlungen der Gemeinden wirkungsvoller beeinflusst als die normative. Erfolgreiche Steuerung funktioniert demnach über die Mitfinanzierung von Projekten, die in Pläne integriert sind. Dabei kann den 93

Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 33. 94 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 95 Associação Nacional de Freguesias: Moção de Estratégia do oito congresso da ANAFRE (Strategiepapier vom 8. Kongress der ANAFRE), (28. Mai 2002). 96 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 106. 97 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 149, 161 u. 176.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Gebietsgemeinden die Vollziehung von Normen zur Auflage gemacht werden. Seitdem z. B. der Gesamtstaat EU-Mittel verteilen konnte, intensivierte sich die normative Steuerung der Gemeinden und das Vollzugsdefizit verringerte sich.98 Auch außerhalb dieses Phänomens verbesserte sich in den letzten Jahren die Befolgung der Normen des Gesamtstaates durch die Gemeinden.99 Nach Meinung einer Interviewpartnerin bestünde im Politikfeld Raumordnung eine sinnvolle normative Steuerung der Gebietsgemeinden darin, dass der Gesamtstaat die Normen erlässt und deren Einhaltung kontrolliert, die Gebietsgemeinden aber ihre eigenen Pläne aufstellen lässt. Keinesfalls sollte der Gesamtstaat wie bisher versuchen, Einzelentscheidungen durchzusetzen.100 Nach Art. 23 Raumordnungsrahmengesetz genehmigt der Gesamtstaat die kommunalen Raumordnungspläne. Prüfungsmaßstab sind dabei die Einhaltung des Verfahrens sowie die materiellrechtlichen Bestimmungen. Nach Meinung der CCDR-Norte ist aber das Fehlen von gesamtstaatlichen Normen für die Raumordnung der Gebietsgemeinden offenkundig: Naturschutzgebiete werden kasuistisch und nicht nach abstrakten Regeln festgelegt; bei der Infrastrukturplanung fehlen die Normen zur Abstimmung zwischen den Gebietsgemeinden; es gibt zu wenig normative Koordinierung der kommunalen Raumordnung in inhaltlicher und methodischer Hinsicht.101 Die Ursache für die mangelnde normative Steuerung und die Bevorzugung einer Einzelfallsteuerung über gesamtstaatliche Politikfeldpläne und Sondergenehmigungen ist der Wunsch gesamtstaatlicher Akteure, flexibel zu bleiben und sich nicht selbst durch abstrakte Normen zu binden. Im Politikfeld Umwelt war das Jahr 1987 mit dem Erlass des UmweltrahmenG (Lei de Bases do Ambiente) ein Wendepunkt in der normativen Steuerung. Zum ersten Mal wurde damit in Portugal ein übergreifendes normatives System im Umweltbereich geschaffen.102 Trotzdem sind bis heute die Zuständigkeiten der Gemeinden so wenig klar, dass die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden einen „Umweltvertrag“ zwischen den Gebietsgemeinden und den gesamtstaatlichen Akteuren fordert. Dieser soll rechtsverbindlich festlegen, wer welche Zuständigkeiten und Zahlungsverpflichtungen hat.103 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden beklagt 98

Lopes, Fernando Farelo: Descentralização e Práticas Clientelares na Democracia Portuguesa [in: Territórios alternativos, Nº 1, Set.-Out. 2000, S. 37–46, 2000] S. 41. 99 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 100 Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 101 Comissão de Coordenação da Região Norte (Hg.): O estado do ambiente e do ordenamento do território na Região do Norte (Porto 1995) S. 68. 102 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 24.

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außerdem eine zentralistische Grundhaltung des Gesetzgebers im Umweltbereich.104 Nach ihrer eigenen Einschätzung kennt sie im Umweltbereich die Realität im Land besser als der Gesamtstaat. So habe sie vor dem Lärmschutzgesetz DL 292/2000 gewarnt und sei nicht gehört worden. Das Gesetz sei aber völlig unanwendbar: Die Gebietsgemeinden hätten kein Fachpersonal um die vorgeschriebenen Lärmkataster zu erstellen. Privatfirmen wären mit der landesweiten Erstellung überfordert und die Tragung der Kosten von 25 Mio. e sei ungelöst.105 Eine häufige Ursache für nicht vollziehbare Gesetze besteht darin, dass der Gesamtstaat sie in Umsetzung einer EU-Richtlinie erlassen hat. Diese Gesetze bestehen dann nur auf dem Papier, weil die Ressourcen zu ihrer Umsetzung ganz einfach nicht vorhanden sind. 1. Verbandszuständigkeiten der Gemeinden Mit Lei 79/1977 wurde die taxative Aufzählung der Gemeindezuständigkeiten des Verwaltungsgesetzbuchs 1936/1940 durch eine Generalklausel ersetzt. Auch das Gemeindegesetz DL 100/1984 enthielt in Art. 2 eine Generalklausel, wonach Sache der Gebietsgemeinden war, was die eigenen Interessen der jeweiligen Bevölkerung betraf. Ergänzt wurde dies durch eine demonstrative Aufzählung einzelner Gemeindezuständigkeiten. In dieser Phase hatte man die taxative Aufzählung von Gemeindezuständigkeiten als typisch autoritäre Einschränkung kommunaler Selbstverwaltung im Estado Novo interpretiert.106 Mit Lei 159/1999 bzw. Lei 169/1999 kehrte man dann aber genau zu dieser taxativen Aufzählung aller Gemeindezuständigkeiten zurück.107 Sogar die Interessenvertretung der Ortsgemeinden hatte zu dieser Zeit eine taxative Aufzählung gefordert,108 um einen Kern garantierter Zuständigkeiten zu haben. 103 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 16. 104 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Relatório de Actividades 1998–1999 (Tätigkeitsbericht der ANMP 1998–1999), (5. März 2000). 105 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 87 Dezember 2000. 106 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 24. 107 Costa, Adalberto et al.: O Poder Local em Portugal. Contributos para o seu Conhecimento. (Porto 1995) S. 14. 108 Associação Nacional de Freguesias: Parecer da ANAFRE relativo aos Projectos de Lei da Regionalização pendentes na Assembleia da Repfflblica, S. 109–124 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 113.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Der Katalog der Gemeindezuständigkeiten im Verwaltungsgesetzbuch 1936/1940 mutet recht modern an. Im Wesentlichen gibt es einen Grundstock von Aufgaben, der auch heute noch den Gemeinden übertragen ist: Raumordnung, Verwaltungspolizei, Infrastruktur.109 Heute sind die Zuständigkeiten von Gebiets- und Ortsgemeinden insgesamt unsystematisch und legistisch wenig professionell geregelt: Die Untergliederung der Kompetenzkataloge erfolgt einerseits nach Funktionen, wie Normgebung oder Kontrolle, andererseits nach Politikfeldern wie Raumordnung oder Umweltschutz. Obwohl allgemeine Kompetenzen in einem Politikfeld schon erteilt sind, werden speziellere Zuständigkeiten überflüssigerweise noch einmal extra erwähnt (z. B. die Zuständigkeit, Zeitschriften über die Gemeindegeschichte herauszugeben in Art. 64 Abs. 1 lit. t Lei 169/1999). Letztlich scheinen die Klarstellung von Zweifelsfragen und die Lösung von Einzelproblemen die Legistik zu dominieren. Die Verbandszuständigkeit (atribuição) der Gemeinden ist in Lei 159/1999 geregelt, die Organzuständigkeit (competênica) kommunaler Organe in Lei 169/1999. Zumindest legen das die Titel der Gesetze nahe. In Wirklichkeit werden die beiden Begriffe nicht einheitlich verwendet, Mischbegriffe gebildet und im dritten Kapitel von Lei 159/1999 die Verbandszuständigkeit der Gebietsgemeinden zum Beispiel als „competências dos órgãos municipais“ bezeichnet. Die Organzuständigkeit der Organe der Ortsgemeinden wird in diesem Gesetz systemwidrig gar nicht erwähnt, sondern diesbezüglich auf Einzelgesetze verwiesen. Letztlich lohnt es nicht, auf solche Ungereimtheiten einzugehen, da aus dem Zusammenhang immer wieder ersichtlich ist, was der Gesetzgeber eigentlich ausdrücken wollte und offensichtlich niemand an einer einheitlichen Terminologie interessiert ist. Eine klare Regelung der Zuständigkeiten liegt einerseits im Interesse der staatlichen Akteure, um eine Verdoppelung der Entscheidungen und des Ressourceneinsatzes zu verhindern. Außerdem im Interesse der Privaten, da sie wissen wollen, wer für die Erledigung einer Sache zuständig ist und bei wem sie sich gegen das Handeln staatlicher Akteure wehren können. Zusätzlich ist eine klare Regelung der Zuständigkeiten zwischen Akteuren mit unterschiedlicher politischer Legitimation aus demokratiepolitischen Gründen wichtig. Der Bürger soll wissen, welchem Akteur staatliches Handeln zuzurechnen ist, um seine Wahlentscheidung darauf abzustellen. Nach dem rechtsstaatlichen Grundprinzip z. B. der österreichischen Bundesverfassung muss wenigstens für hoheitliches Handeln die Zuständigkeit 109 Costa, Adalberto et al.: O Poder Local em Portugal. Contributos para o seu Conhecimento. (Porto 1995) S. 14.

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präzise festgelegt sein. Konkurrierende oder alternative Zuständigkeiten in derselben Sache (Anwendung derselben Norm auf denselben Sachverhalt) sind unzulässig. Parallel zu dieser strikten Regelung des „Handeln-Dürfens“ steht der andere Aspekt der Zuständigkeit nämlich das „Handeln-Müssens“, die Pflicht die verliehenen Zuständigkeiten zur Erfüllung der Staatsaufgaben auch auszuüben.110 In Portugal gibt es geradezu ein Prinzip konkurrierender Zuständigkeiten, zwischen den Organen und Organwaltern derselben juristischen Person und zwischen denjenigen verschiedener juristischer Personen. In Verbindung damit nimmt keiner der öffentlichen Akteure sein „Handeln-Müssen“ mehr ernst, da ja ohnehin auch andere dafür zuständig sind. Ein Beispiel: nachdem Lei 159/1999 eine Reihe neuer Zuständigkeiten für die Gebietsgemeinden vorsieht, stellt Art. 7 Lei 159/1999 klar, dass sich diese Übertragungen auf die bestehenden Zuständigkeiten anderer staatlicher Akteure gerade nicht auswirkt: „Die Ausübung der Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden erfolgt ohne Schmälerung der Zuständigkeiten, insbesondere beratender Natur, anderer Akteure.“111 Wenn also durch die Übertragung von Zuständigkeiten auf die Gebietsgemeinden die Zuständigkeiten anderer staatlicher Akteure nicht geschmälert werden, entstehen automatisch parallele Zuständigkeiten. Ein anderes Beispiel aus dem Umweltbereich: Wenn die Gebietsgemeinden Zuständigkeiten im Umweltschutzbereich erhalten, dann sind gleichzeitig immer sowohl die in die CCDR integrierten DRAOT als auch eine zentrale Dienststelle des Ministeriums zuständig. Für die Kontrolle der Luftqualität sind also mit der Generalinspektion für Umweltangelegenheiten und dem Umweltinstitut zwei zentrale gesamtstaatliche Dienststellen befasst, welche sich vor Ort der DRAOT bedienen; außerdem zusätzlich noch die Gebietsgemeinden. Diese Parallelkompetenzen werden mit dem Hinweis auf die mangelnde technische Fähigkeit mancher Gebietsgemeinden ihre Zuständigkeiten wahrzunehmen, verteidigt. Hier müsse der Gesamtstaat die Möglichkeit haben, einzuspringen.112 Eine Zuständigkeit der Gebietsgemeinden erspart also dem Gesamtstaat Aufgaben nicht zur Gänze, sondern vermindert nur gesamtstaatliches Tätigwerden in bestimmten Gebietsgemeinden. 110

Raschauer, Bernhard: Allgemeines Verwaltungsrecht (Wien 1998) Rz 150 u.

152. 111 Art. 7 Lei 159/1999: Competências de outras entidades: O exercício das competências dos municípios faz-se sem prejuízo das competências, designadamente consultivas, de outras entidades. 112 Correia, José Macário: O Papel das Autarquias na Política do Ambiente [in: Estudos Autárquicos, Ano II, n.3, 2. Semestre, S. 25–31, 1994] S. 27.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Auch die Distriktsgouverneurin von Lissabon sieht darin eine bewusste Entscheidung: Es hat System, Zuständigkeiten, die den Gemeinden übertragen wurden, sehr allgemein zu formulieren und sie auch gesamtstaatlichen Akteuren zu übertragen. Das Problem dabei ist, dass sich niemand verantwortlich fühlt und wenn etwas schief läuft, niemand dafür gerade stehen will.113 Auch von kommunaler Seite heißt es: Seit jeher werden die Verbandszuständigkeiten parallel verteilt. Für Sport, Kultur und Gesundheit werden sowohl der Gesamtstaat als auch die geplanten Regionen und auch die Gemeinden zuständig erklärt. Erst auf Ebene der Organzuständigkeiten wird etwas klarer getrennt. Auch die Interessenvertretung der Ortsgemeinden fordert seit langem die Zuständigkeiten klar in ausschließliche und geteilte zu unterteilen und vor allem Bereiche festzulegen, für welche der Gesamtstaat nicht zuständig ist.114 Verstärkt wird diese Tendenz durch einen programmatisch-politischen Gesetzgebungsstil. Es werden vollmundig Staatsaufgaben übernommen und verteilt, ohne dass dafür nähere Ausführungsgesetze erlassen oder den staatlichen Akteuren zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Im Ergebnis nimmt niemand diese Staatsaufgaben wahr. Insgesamt kann man sagen, dass die Gebietsgemeinden in allen Politikfeldern parallel zu gesamtstaatlichen Akteuren tätig werden können, ausgenommen Rechtsprechung, Landesverteidigung und bestimmte Bereiche der Gesundheitspolitik. Die portugiesische Verwaltungsakademie kommt zu dem Schluss: Die Zuständigkeiten zwischen Gebietsgemeinden und Gesamtstaat sind nicht klar abgegrenzt, genauso wenig diejenigen zwischen Gebietsgemeinden und Ortsgemeinden.115 Letzteren werden unsinnigerweise seit den 1970er-Jahren teilweise die gleichen Verbandszuständigkeiten übertragen.116 Auch in der Literatur findet sich die Forderung nach einer klareren Abgrenzung.117 113

Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003. Associação Nacional de Freguesias: Parecer da ANAFRE relativo aos Projectos de Lei da Regionalização pendentes na Assembleia da Repfflblica, S. 109–124 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 123. 115 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 27 ff. 116 Montalvo, António Rebordão: Contributos para a Reforma das Freguesias Portuguesas [in: Revista da Administração Local, N 131, S. 577–594, 1992] S. 579. 117 Matos, António: A Educação e a Administração Local. Das Competências legais às competências reais [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 26–27, 2002] S. 27. 114

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Im Politikfeld Raumordnung haben laut Art. 65 Abs. 4 CRP sowohl Gebietsgemeinden als auch der Gesamtstaat Zuständigkeiten. Die wesentlichen Mitwirkungsrechte der Gebietsgemeinden an der staatlichen Raumordnung sind im Raumordnungsrahmengesetz festgelegt, ihre nähere Ausgestaltung aber in DL 380/1999. Die Regierung kann daher die Beteiligung der Gebietsgemeinden jederzeit durch ein DL ändern. Bei der Erlassung von DL 380/1999 ist die Regierung den Stellungnahmen der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) nicht gefolgt. Dadurch sind die erlassenen Normen nach Meinung der ANMP realitätsfern und bringen viele unnötige Probleme für die Gebietsgemeinden.118 Die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden sind bei der Erstellung der Raumordnungspläne relativ klar geregelt, die ganzen Verfahren stark formalisiert. Allerdings überlagern Einzelfallentscheidungen gesamtstaatlicher Akteure den Freiraum eigener raumordnerischer Entscheidungen der Gebietsgemeinden. Beim Vollzug gibt es dann auch offiziell parallele Zuständigkeiten. Im Detail wird dies in „II. Steuerung der Gemeinden über Pläne“ im „Kapitel 6 – Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden“ dargestellt. Neben der allgemeinen Kompetenzverteilung zwischen Gebietsgemeinde und Gesamtstaat gibt es seit Lei 77/1984 eigene Regelungen für den Bereich der öffentlichen Investitionen. Hier wird zwischen Bereichen alleiniger Gemeindekompetenz und den Bereichen unterschieden, wo gemeinsam investiert werden kann.119 Nach Art. 2 Abs. 4 Lei 159/1999 müssen die Gemeinden bei öffentlichen Investitionen die Investitionspläne des Gesamtstaats berücksichtigen. Vor allem durch die EU-Mittel gab es in den vergangenen Jahren große staatliche Investitionsprojekte. Diese Ressourcen wurden in beinahe allen Politikfeldern ausgegeben. Zwar erfolgte die Vollziehung nach den Normen der EU, aber letztlich wurden die Entscheidungen vom Gesamtstaat dominiert, wodurch die Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden weitgehend überlagert wurde. Der Bürgermeister einer Gebietsgemeinde entwickelte im Interview folgende praxisnahe Kompetenzverteilung: Die Interaktionen zwischen Gesamtstaat und einer Gebietsgemeinde kann man in zwei große Gebiete einteilen. Einmal die kommunalen Zuständigkeiten, in denen die Gebietsgemeinde die Initiative ergreift, aber die Ressourcen des Gesamtstaates 118 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Relatório de Actividades 1998–1999 (Tätigkeitsbericht der ANMP 1998–1999), (5. März 2000). 119 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 42.

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oder der von ihm verwalteten EU-Mittel braucht, um sie umzusetzen. Ein Beispiel ist die Umweltpolitik. Zum zweiten Zuständigkeitsbereiche des Gesamtstaates wie sozialer Wohnbau oder Gesundheit, in denen es die Aufgabe der Gebietsgemeinde ist, das Handeln gesamtstaatlicher Akteure für die Gemeindebürger politisch durchzusetzen. Nur die Gebietsgemeinde hat die lokalen Informationen und das Interesse, diese öffentlichen Investitionen zu bekommen.120 a) Übertragungen von Zuständigkeiten Seit langem gibt es in Portugal eine Diskussion über die Übertragung von Zuständigkeiten an die Gemeinden. Das Dezentralisierungsprinzip in Art. 267 CRP bezieht sich zwar nicht nur auf das Verhältnis zwischen Staat und Gemeinden, gibt aber eine klare Entwicklungsrichtung auch in diesem Bereich vor. Neue Impulse kamen in den letzten Jahren vom Subsidiaritätsprinzip der EU, den Vorbildern stärker dezentralisierter europäischer Länder, der portugiesischen Regionalisierungsdiskussion und den Forderungen der Gemeinden selbst. Der Beweggrund für diese starken Dezentralisierungsbestrebungen zu Gunsten der Gebietsgemeinden ist, dass die Bürgermeister im politischen System wichtige Leute sind und die Regierung ihre Unterstützung braucht. Der sachliche Hauptgrund ist die Bürgernähe der Gemeinden wodurch Verbesserungen im Service zu erwarten sind.121 Allerdings sind die Ressourcen des Gesamtstaats knapp und die Regierung will eine Erhöhung der Staatsausgaben durch Zuständigkeitsübertragungen an die Gemeinden verhindern.122 Deshalb weist der Gesamtstaat Zuständigkeiten an die Gebietsgemeinden gemeinsam mit einem fixen Budget zu.123 Zu Grunde liegen der Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstaat und Gemeinden nach Art. 237 Abs. 1 CRP die verfassungsrechtlichen Prinzipien Dezentralisierung der Verwaltung und Autonomie der Gemeinden. Artikel 1 f. Lei 159/1999 normiert folgende Grundsätze für die Übertragung von Zuständigkeiten auf die Gemeinden: Subsidiarität, Dezentralisierung, Gemeindeautonomie, Koordinierung gesamtstaatlichen und kommunalen Handelns, Effizienz und Effektivität staatlichen Handelns, Solidarität zwischen 120

Gomes, José: Interview am 1. August 2003. Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003. 122 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 24. 123 Matos, António: A Educação e a Administração Local. Das Competências legais às competências reais [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 26–27, 2002] S. 27. 121

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Landesteilen. Richtigerweise wird hier der Zusammenhang zwischen der Zuständigkeitsübertragung an die Gemeinden und der Kohäsion der Landesteile sowie einer effizienten Verwaltung gesehen. Als Bedingungen für zukünftige Zuständigkeitsübertragungen fordert die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden: Anstrebung einer Verbesserung der Interaktion der öffentlichen Akteure mit den Bürgern; Beachtung des Prinzips der parallelen Übertragung von Zuständigkeiten und Finanzmitteln; Organisationsfreiheit der Gebietsgemeinden bei der Ausübung von Zuständigkeiten (Eigenverwaltung, kommunale Unternehmen oder Konzession an Privatunternehmen). Vor allem fordern die Gemeinden keine zersplitterten Einzelzuständigkeiten, die zu komplizierten Interaktionen mit dem Gesamtstaat führen, sondern ganze Politikfelder zu übertragen. Die ANMP fordert ihre Mitglieder sogar offen dazu auf, Einzelzuständigkeiten, die ohne Konsens übertragen wurden, nicht zu vollziehen. Zwar betrachten die Gebietsgemeinden die Übernahme von Zuständigkeiten im Schulwesen als vordringlich notwendig, weigern sich aber, Verantwortung für das mittlere Schulwesen zu übernehmen, solange ihre Zuständigkeiten für Vorschule und Grundschule nicht abgerundet und geklärt sind.124 Die Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstaat und Gemeinden kann nach Art. 237 CRP nicht durch Gesetzesdekret (DL) geregelt werden, sondern nur durch ein von der Nationalversammlung zu erlassendes Gesetz. Aus diesem Grund wurde für Lei 159/1999 und Lei 169/1999 die Gesetzesform gewählt. Allerdings werden die in den Gesetzen vorgesehenen Verbandszuständigkeiten erst nach und nach durch Gesetzesdekret wirklich den Gemeinden übertragen. Mit der Übertragung gesamtstaatlicher Zuständigkeiten auf die Gemeinden müssen nach dem Konnexitätsprinzip in Art. 3 Abs. 2 Lei 159/1999 auch die nötigen personellen und finanziellen Ressourcen mit übertragen werden. Nach Art. 4 Abs. 3 Lei 159/1999 müssen sich Gesamtstaat und Gemeinden dabei über die zu übertragenden Finanzmittel einigen. Der juristische Gehalt dieser Pflicht zur Einigung ist fraglich, da auf Seite der Gemeinden überhaupt kein Interaktionspartner zur Verfügung steht, der einer solchen Einigung für alle Gemeinden zustimmen könnte. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ist juristisch ein Verein, dem nicht alle Gebietsgemeinden angehören und an dessen Abmachungen seine Mitglieder nicht gebunden sind. Dass jede einzelne der 320 Gemeinden zustimmen muss, kann auch nicht gemeint sein. Außerdem wird das Budget, welches diese Übertragung der Mittel enthielte, ebenfalls per Ge124 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 20 f. u. 24.

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setz erlassen. Nachdem das konkrete Budgetgesetz für ein bestimmtes Jahr jedenfalls lex specialis und posterior zu Art. 4 Abs. 3 Lei 159/1999 ist, kann der Budgetgesetzgeber an die einfachgesetzliche Anordnung zur Einigung mit den Gemeinden ebenfalls nicht gebunden sein. Die Regelung der Zuständigkeiten und der Finanzierung der Gemeinden sind nur insoweit bestandsfest, als sie nur von einem Gesetz der Nationalversammlung und nicht von einem Gesetzesdekret geändert werden können. Allerdings kann die Nationalversammlung die Regierung zu solchen Verordnungen ermächtigen (Art. 156 Abs. 1 lit. q CRP iVm Art. 137 Abs. 1 CRP). In der Praxis überträgt die Regierung die im Gesetz aufgezählten Zuständigkeiten erst durch Gesetzesdekret, sodass sie diese auch per Verordnung zurücknehmen kann. Nach Art. 6 Abs. 1 Lei 159/1999 ist die Übertragung von Zuständigkeiten an sämtliche Gebietsgemeinden der Normalfall. Es können aber auch Zuständigkeiten des Gesamtstaates nach Art. 6 Abs. 2 Lei 159/1999 nur an einige wenige geeignete Gebietsgemeinden durch öffentlich-rechtlichen Vertrag125 übertragen werden. Aufgeweicht wird die Kompetenzverteilung zusätzlich durch die in Art. 8 Lei 159/1999 geschaffene Möglichkeit, vertraglich nur für einzelne Projekte davon abzuweichen. Die Einzelübertragung von Zuständigkeiten kommt dem Wunsch gesamtstaatlicher Akteure nach der Möglichkeit zu flexiblen Einzelentscheidungen entgegen und führt zu einer Fragmentierung der Gemeinden gegenüber dem Gesamtstaat.126 Ähnliche vertragliche Übertragungen sind auch zwischen Gesamtstaat und Verbänden von Gebietsgemeinden sowie zwischen den Gebietsgemeinden und zwischen diesen und ihren Ortsgemeinden möglich. Im Ergebnis kann die Regierung juristisch die Gemeindezuständigkeiten sehr leicht verändern. Aus politischen und praktischen Gründen wird sie dies aber nicht kurzfristig und ohne triftige Gründe tun. Jedenfalls eignet sich das bestehende System zu einer symbolischen Dezentralisierungspolitik: Per Gesetz werden den Gemeinden umfangreiche Zuständigkeiten in Aussicht gestellt, die dann aber nie durch Gesetzesdekret wirklich übertragen werden. In der Praxis wurden Ende der 1980er-Jahre mit DL 77/1984 einige Zuständigkeiten zur Übertragung an die Gemeinden vorgesehen. Einige, wie 125 „Contratualização entre departamentos da administração central e os municípios interessados“. 126 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 18.

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Schülertransporte und Sozialhilfe an Schulen, wurden sofort übertragen, andere aber bis heute nicht. Seit Jahren lehnt die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden die ungeordnete Übertragung einzelner Zuständigkeiten ab, konnte dies aber oftmals selbst ohne finanziellen Ausgleich nicht verhindern. Beispiele gab es im Bereich des Sozialen Wohnbaus, der Sozialhilfe und dem Zivilschutz. Im Bereich des Zivilschutzes z. B. vollzog die Mehrheit der Gebietsgemeinden ihre neuen Zuständigkeiten nicht, weil sie nie Finanzmittel dafür erhalten hatte.127 Zu einer ähnlichen Situation kam es nach dem Scheitern des Referendums über die Regionalisierung 1998. Damals traten alle Parteien und gesellschaftlichen Akteure als Ersatz für die Regionalisierung für eine Übertragung zusätzlicher Zuständigkeiten an die Gemeinden ein. Als Ergebnis des politischen Drucks der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden wurde Lei 159/1999 verabschiedet, das zwar keine einzige neue Zuständigkeit überträgt, aber die in Zukunft zu übertragenden Zuständigkeiten auflistet und die entsprechenden Verfahren festlegt. In den folgenden drei Jahren konnten allerdings nur kleinere Zuständigkeiten für die Genehmigung von Aufzügen, Rastplätzen an Straßen und Plätzen für Freiluftveranstaltungen übertragen werden. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ist der Ansicht, dass das Misstrauen der gesamtstaatlichen Verwaltung gegenüber den Gebietsgemeinden stärker war, als der Wille der Politiker des Gesamtstaats, Zuständigkeiten zu übertragen.128 Im Politikfeld Umweltschutz jedenfalls ist es seit den 1990er-Jahren insgesamt zu einer Übertragung exekutiver gesamtstaatlicher Zuständigkeiten auf die Gebietsgemeinden gekommen.129 Es gab immer wieder Situationen, in denen der Staat auf Grund seiner Problemferne und seines bürokratischen Gewichts schlechtere Ergebnisse erzielte, als wenn die Gebietsgemeinden dafür zuständig gewesen wären.130 Die Gebietsgemeinden waren allerdings sehr unterschiedlich auf die Übertragung dieser neuen Zuständigkeiten vorbereitet.131 Die portugiesische Verwaltungsakademie kam 2003 zu dem Schluss, dass die Zuständigkeitsübertragungen an die Gemeinden der letzten Jahre am Übergewicht des Gesamtstaats nichts verändert haben.132 Insgesamt hängt 127 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 20 f. 128 Ibid. S. 20 f. 129 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 35. 130 Correia, José Macário: O Papel das Autarquias na Política do Ambiente [in: Estudos Autárquicos, Ano II, n.3, 2. Semestre, S. 25–31, 1994] S. 26. 131 Ibid. S. 26.

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die Stärke der Gemeinden als Akteure gegenüber dem Gesamtstaat nicht so sehr von zusätzlichen Zuständigkeiten ab, als vielmehr von der Ausgestaltung ihrer derzeitigen Kompetenzen. Die Frage ist, ob sie Raum für eigene politische Entscheidungen haben und inwieweit der Gesamtstaat diese respektiert.133 b) Situation der Ortsgemeinden Art. 3 Abs. 1 Lei 159/1999 legt den Grundsatz fest, die Zuständigkeiten je nach Eignung entweder auf die Gebietsgemeinden oder die Ortsgemeinden zu übertragen. Die Interessenvertretung der Ortsgemeinden fordert, dies in der Praxis auch umzusetzen und den Ortsgemeinden mehr Zuständigkeiten direkt per Gesetz zu übertragen.134 Hingegen spricht die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden im Zusammenhang mit der Kompetenzübertragung an Ortsgemeinden von Realitätsferne und Nichtvollziehbarkeit, da diese keine ausreichenden Fähigkeiten zur Vollziehung hätten.135 Die portugiesische Verwaltungsakademie kommt zu dem Schluss, dass in der Vergangenheit unter dem Schlagwort Dezentralisierung die Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden so lange vermehrt wurden, dass für die Ortsgemeinden nicht mehr viel übrig bleibt.136 Die Interessenvertretung der Ortsgemeinden fordert zusätzliche Zuständigkeiten und Mittel in den Bereichen Kindergärten, Sozialhilfe, Freizeit und Sport sowie lokale Wirtschaftsförderung.137 Außerdem im sozialen Wohnbau, wo ihrer Meinung nach die Ortsgemeinden die Probleme vor Ort kennen und effizienter tätig sein würden, als das nationale, darauf spezialisierte Institut.138 Die Wortinterpretation von Art. 6 Lei 159/1999 führt zu dem Ergebnis, dass eine vertragliche Übertragung gesamtstaatlicher Zuständigkeiten nur an 132 Instituto Nacional de Administração (Hg.): ADAPT. National Report Portugal (2003) S. 28. 133 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 2. 134 Associação Nacional de Freguesias: Moção de Estratégia do oito congresso da ANAFRE (Strategiepapier vom 8. Kongress der ANAFRE), (28. Mai 2002). 135 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 136 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 26. 137 Associação Nacional de Freguesias: Moção de Estratégia do oito congresso da ANAFRE (Strategiepapier vom 8. Kongress der ANAFRE), (28. Mai 2002). 138 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 24.

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die Gebietsgemeinden und nicht an die Ortsgemeinden zulässig ist, da Letztere nicht erwähnt werden. In einem Kommentar139 wird dies als Versehen des Gesetzgebers interpretiert und wegen der dezentralistischen Zielsetzung des ganzen Gesetzes auch eine Übertragung an die Ortsgemeinden als zulässig erklärt. Außerdem sei in diesem Teil des Gesetzes sowohl von Gebietsund Ortsgemeinden die Rede, weshalb eine systematische Interpretation zu dem gleichen Ergebnis führte. Ein Vorteil einer flexiblen Übertragbarkeit von Zuständigkeiten per Vertrag wäre eine Anpassung an die großen Unterschiede zwischen den Ortsgemeinden. Andererseits wollen auch die Ortsgemeinden keine komplizierte Gemengelage an Zuständigkeiten, sondern in einzelnen Politikfeldern alle Funktionen komplett übertragen bekommen: Planung, Finanzierung, Vollzug und Kontrolle privater Akteure.140 Im Politikfeld Raumordnung jedenfalls bekommen nur die Gebietsgemeinden mit einer durchschnittlichen Größe von 300 km2 und nicht die Ortsgemeinden Zuständigkeiten übertragen. Ein Grund dafür sind mangelnde administrative Fähigkeiten der Ortsgemeinden (schon die Gebietsgemeinden haben Probleme, korrekte Raumordnungspläne zu erstellen). Außerdem will der Gesamtstaat die 320 Gebietsgemeinden als Ansprechpartner und nicht die 4.200 Ortsgemeinden. Letztlich existiert auch mangelndes Vertrauen gegenüber lokalen Gemeinschaften, dass sie die Raumordnung auf ihrem Gebiet korrekt durchführen würden. 2. Gemeindeaufsicht Die Figur eines übertragenen Wirkungsbereichs der Gemeinden ist dem portugiesischen Kommunalrecht fremd. Zuständigkeiten werden den Gemeinden per Gesetz, Gesetzesdekret oder öffentlich-rechtlichem Vertrag übertragen, ohne dass sich daraus für die staatliche Aufsicht Unterschiede ergäben. Das Verwaltungsgesetzbuch 1936/1940 sah eindeutig eine meritorische Gemeindeaufsicht vor. Nach dem Umsturz 1974 und dem Gemeindegesetz Lei 79/1977 war die Rechtslage umstritten, zumal die Verfassung von 1976 kein diesbezügliches Verbot enthielt. Dies wurde erst mit der Verfassungsänderung 1982 aufgenommen.141 Die Gemeindeaufsicht (tutela) besteht seither nach Art. 243 CRP in einer Rechtmäßigkeitskontrolle und nicht in einer Überprüfung der Zweckmäßigkeit der kommunalen Gebarung. 139

Costa, Gonçalo Ribeiro da (Hg.): Nova legislação autárquica anot. e coment. (Lisboa 1999) S. 22. 140 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 141 Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (Hg.): A descentralização e a competência das autarquias locais: perspectiva e localização (Lisboa 1999) S. 44.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Einfachgesetzlich ist das in Art. 2 Lei 27/1996142 (Gemeindeaufsichtsgesetz) umgesetzt, das für Ortsgemeinden, Gebietsgemeinden, Gemeindeverbände, Metropolitanverbände, Distriktsversammlungen und die autonomen Inselregionen gilt. Allerdings wird de lege ferenda auch eine meritorische Aufsicht zum Schutz bestimmter Güter wie Umwelt, kulturelles Erbe oder Raumordnung diskutiert. In der Literatur findet sich mehrfach die These, dass die Gemeindeaufsicht es der Regierung in der Praxis schon heute erlaubt, politisch auf die Gemeinden einzuwirken.143 Dies behauptet auch die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden: Die Gemeindeaufsicht werde missbraucht, um einzelnen Gebietsgemeinden den politischen Willen des Gesamtstaats aufzuzwingen.144 Sie fordert deshalb eine strikte Beschränkung auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle. Für eine meritorische Prüfung der kommunalen Exekutive seien die Opposition und die Gemeindevertretung zuständig.145 Eine Ursache für diese Praxis sind starke Traditionen kommunaler Bevormundung, die sich auch in der Literatur wieder finden. So wird der Begriff „politische Dezentralisierung“ für die autonomen Inselregionen verwendet, für die Gemeinden jedoch der Begriff „administrative Dezentralisierung“.146 Diese Unterscheidung ist vor dem Hintergrund der heutigen Rechtslage irreführend: Die Gemeinden haben eine eigene demokratische Legitimation und treffen typischerweise politische Entscheidungen, die eben keine dezentralisierten Entscheidungen der Verwaltung des Gesamtstaats sind. Zeichen dieser politischen Autonomie gegenüber dem Gesamtstaat ist gerade das Fehlen einer meritorischen Gemeindeaufsicht. Die Beschränkung der Aufsicht auf den Maßstab der Rechtmäßigkeit drückt den Respekt für den politischen Charakter und die eigene Legitimation der Gemeinden aus. Zur Beaufsichtigung der Gemeinden gibt es mehrere gesamtstaatliche Akteure mit sich überschneidenden Zuständigkeiten:147 Generell teilen sich nach Art. 5 Gemeindeaufsichtsgesetz das für die Gemeindeangelegenheiten zuständige Ministerium (MAOT) und das Finanzministerium die Zuständig142

Lei 27/1996 ersetzte Lei 87/1989. Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 11; Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 23. 144 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 25. 145 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 81 Februar/Mai 2000. 146 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 102. 147 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 143

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keiten in der allgemeinen Gemeindeaufsicht. Ausgeübt wird sie durch die Generalinspektion für Finanzen, die Generaldirektion für Gemeindeangelegenheiten und z. B. im Zusammenhang mit EU-Fördergeldern und in den Politikfeldern Raumordnung und Umweltschutz durch die CCDR.148 Schließlich sind noch der Rechnungshof und die Generalinspektion für die Gebietskörperschaften (IGAT) in der Kommunalaufsicht tätig. Letztere geht auch Medienberichten über Missstände oder Anzeigen von Bürgern nach.149 Pro Jahr gehen bei der IGAT ungefähr 400 Beschwerden ein, die bei ungefähr 35 Gebietsgemeinden zu einer Anlass bezogenen Kontrolle führen. Ebenso viele Gebietsgemeinden werden einer Routineüberprüfung unterzogen. Zusammen sind das 22% aller Gebietsgemeinden. Verstöße werden an den Rechnungshof, die Verwaltungs- Straf- und Zivilgerichte weitergeleitet. Insgesamt ergibt das etwa 100 Anzeigen im Jahr. Bei der Interpretation dieser Zahl muss man allerdings bedenken, dass manche Gebietsgemeinden in einer Sache auch mehrfach angezeigt werden können. Bei fünf kommunalen Mandatsträgern wird pro Jahr ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet. Vor den Kommunalwahlen finden keine Inspektionen mehr statt, um diesen keinen politischen Charakter zu verleihen. Die IGAT klagt über chronischen Personalmangel. Zudem werben Gebietsgemeinden erfahrene Beschäftigte mit höheren Gehaltsangeboten ab. 2001 musste die IGAT sogar Mitte November ihre Inspektionen einstellen, da keine Ressourcen mehr für den Transport der Inspektoren vorhanden waren.150 Wie für Portugal typisch, gibt es parallel zu den Aufsichtsrechten dieser gesamtstaatlichen Akteure noch eine Aufsichtskompetenz der Distriktsgouverneure. Auch sie haben über die Einhaltung der Gesetze durch die Gemeinden zu wachen und insbesondere auf Ersuchen der Gemeindevertretungen tätig zu werden.151 Dies ist als eine politische Kontrolle angelegt, da die Gouverneure eindeutig politische Vertraute der Regierung sind. Allerdings ist dies nach Meinung einer Distriktsgouverneurin im Interview ein typisches Beispiel für eine ihrer virtuellen Zuständigkeiten. Bei dem Personalstand der Distriktsgouverneure sei es unmöglich, Routinekontrollen durchzuführen. Auch wenn ein Gouverneur über Unregelmäßigkeiten informiert werde, wird er nicht selbst aktiv, sondern leitet die Information an spezialisiertere gesamtstaatliche Akteure weiter.152 148 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 40. 149 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 150 Inspecção Geral da Administração do Território: Relatório de actividades 2001, (2002) S. 13 f., 31 u. 36 f. 151 Serrano, Ana et al.: Freguesias. Guia Prático. (Porto 1998) S. 94. 152 Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Art. 3 Gemeindeaufsichtsgesetz (Lei 27/1996) sieht drei Instrumente der Gemeindeaufsicht vor: routinemäßige Inspektionen, Einzelfalluntersuchungen von verdächtigen Handlungen kommunaler Organe sowie die intensive Prüfungen einer Gebietsgemeinde bei Verdacht auf schwere Unregelmäßigkeiten. Aufsichtsorgan ist die Regierung, vertreten durch den Finanzminister und das MAOT.153 Sanktionen sind nach Art. 7 Gemeindeaufsichtsgesetz der Mandatsverlust eines Mandatsträgers oder die Auflösung eines Gemeindeorgans. Damit ist der Verlust des passiven Wahlrechts der Mandatsträger für eine volle Mandatsperiode verbunden. Bei der Reform des Gemeindeaufsichtsgesetzes wurde 1996 das rechtswidrige Handeln von Gemeindeorganen, das zu diesen Sanktionen führen kann, in Art. 8 u. 9 Lei 27/1996 taxativ aufgezählt: die Nicht-Vollstreckung rechtskräftiger Entscheidungen, die schuldhafte Verletzung von Raumordnungsplänen, die schuldhafte Vorschreibung rechtswidriger Gebühren oder Abgaben, das Fehlen eines ordentlichen Haushaltes oder die Überschreitung des erlaubten Verschuldungsrahmens, der Eingriff in Verwaltungsverfahren zur persönlichen Vorteilserlangung; häufiges Nichterscheinen bei Sitzungen; Parteiwechsel während der Mandatsperiode; die vorsätzliche Verfolgung von Zielen, die nicht im öffentlichen Interesse der Gebietsgemeinde stehen. Der letzte Tatbestand ist problematisch, da die Prüfung, was im öffentlichen Interesse der Gebietsgemeinde steht, sehr leicht in eine meritorische Prüfung kommunalen Handelns abgleiten kann. Die Verhängung der Sanktionen wurde von der Regierung auf die Verwaltungsgerichte übertragen. Gegen Akte der Gemeindeaufsicht steht den betroffenen Gemeinden die Berufung in einem abgekürzten verwaltungsgerichtlichen Verfahren offen.154 Zur Wirksamkeit der Gemeindeaufsicht bestehen unterschiedliche Meinungen. Die Gemeinden selbst halten sich für die am besten kontrollierten Institutionen Portugals, da zu den Kontrollinstitutionen des Gesamtstaats noch die politische Opposition in den Gemeindeorganen dazukommt.155 Ein Bürgermeister bestätigte im Interview, dass die gesamtstaatlichen Kontrollen Auswirkungen auf das Handeln der Gemeinden haben: Ein kommunaler Mandatsträger hat das immer im Hinterkopf. Will er schnell ein Projekt umsetzen, muss er zuerst die formellen Ausschreibungsverfahren einhalten. Auch die Gemeindeangestellten müssen sich über die Gesetzeslage infor153

Serrano, Ana et al.: Freguesias. Guia Prático. (Porto 1998) S. 93 f. Sardinha, José Miguel: Estudos de direito do urbanismo e do ordenamento do território (Lisboa 1997) S. 265 f. 155 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 8. 154

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mieren und sie ernst nehmen, was sie ohne Kontrollen nicht machen würden.156 In der Literatur wird andererseits die These vertreten, dass die Gemeindeaufsicht nie besonders wirksam war.157 Ein Beispiel seien Grenzwertüberschreitungen beim Trinkwasser oder Abwasser. Noch nie sei eine Gebietsgemeinde vom Gesamtstaat wegen solcher Überschreitungen belangt worden.158 Außerdem wird den gesamtstaatlichen Akteuren von der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) vorgeworfen, dass die Kontrollen und die Aufsicht übertrieben und zu zeitaufwändig sind, vor allem im Bereich der Auftragsvergabe, des Beschaffungswesens und der Personalverwaltung. Die ANMP fordert hier seit Jahren Änderungen.159 Dieser Meinung schloss sich auch ein kommunaler Mandatsträger im Interview an: Die Gemeindeaufsicht ist zu umfangreich und verkompliziert und verlangsamt das Handeln der Gemeinden. Vor allem die Kontrollen im Finanzbereich sollten nicht ex-ante erfolgen, da dies viele Projekte verzögert. Fachlich sind die Gemeinden heute teilweise kompetenter als der Gesamtstaat. Kontrollen durch den Gesamtstaat, die früher Sinn machten und notwendig waren, sind heute überflüssig.160 Andererseits fordert die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden, dass alle Gebietsgemeinden mindestens einmal pro Mandatsperiode von der Gemeindeaufsicht und von der Finanzaufsicht kontrolliert werden, um das Ansehen kommunaler Mandatsträger zu heben. Der Gesamtstaat ist aber bisher nicht in der Lage diese Kontrolldichte sicherzustellen.161 Gesamtstaatliche Akteure begründen die Notwendigkeit einer strengen Rechtsaufsicht im Politikfeld Raumordnung mit der Laxheit der Gebietsgemeinden beim Vollzug der Pläne. Letztere bestreiten dies.162 Verschiedene gesamtstaatliche Akteure üben diese Rechtsaufsicht aus: die in die CCDR integrierten DRAOT, die zuständige Generaldirektion DGOTDU 156

Gomes, José: Interview am 1. August 2003. Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 17. 158 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 142. 159 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 3. 160 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 161 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 111 Februar 2003; Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 162 Sá, Manuel Fernandes de: Planos Operativos de Escala Intermédia. Caracterização Técnica e Arquitectónica [in: Sociedade e Território, 33, S. 46–56, 2002] S. 55. 157

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und die auf die Gemeindeaufsicht spezialisierte Generalinspektion für die Gebietskörperschaften (IGAT). Eine relativ pragmatische Betrachtungsweise der Rechtsaufsicht im Bereich der Raumordnung ließ ein leitender Beschäftigter einer CCDR erkennen: War es für den Bürgermeister absolut notwendig, einen Investor im Grünland bauen zu lassen, um eine Investition für die Gebietsgemeinde zu sichern, hat die Gemeindeaufsicht ein Problem. Entweder sie schaut weg, weil es sonst keine gröberen Probleme in der Gebietsgemeinde gibt, oder sie muss ein Verfahren gegen den Bürgermeister einleiten.163 Die wichtige Rolle der Gebietsgemeinden beim Vollzug und die Grenzen der gesamtstaatlichen Rechtsaufsicht betonte auch der Generaldirektor der DGOTDU: Für den korrekten Vollzug der Raumordnungspläne kommt es auf die Gebietsgemeinden an. Zwar geht die Generalinspektion für Raumordnung Anzeigen über Missstände nach, aber es ist faktisch unmöglich, dass der Gesamtstaat das ganze Land überwacht. Und es wird auch nicht angestrebt, da die Gebietsgemeinden ihre eigene demokratische Legitimation haben und ihre eigenen Kompetenzen.164 Im Politikfeld Umwelt war das Verhältnis zwischen Gebietsgemeinden und den für die Gemeindeaufsicht in Umweltfragen zuständigen DRAOT immer eher gespannt. Ein Bürgermeister warf diesem gesamtstaatlichen Akteur z. B. vor, fundamentalistische Positionen zu vertreten, welche die Handlungsfreiheit der Gebietsgemeinden stark einschränken.165 Da die DRAOT im Gegensatz zu den Gebietsgemeinden nur sehr indirekt demokratisch legitimiert sind, ergeben sich bei der Gemeindeaufsicht Autoritätsprobleme. Die Position der DRAOT wird noch dadurch untergraben, dass sich die Gebietsgemeinden, soweit politisch möglich, direkten Zugang zum Minister verschaffen und die DRAOT auf diese Weise umgehen.166 Dieses Verhalten belegt, dass trotz Verwaltungsautonomie der DRAOT der Minister als politisches Organ auch in Einzelfällen selbst entscheidet. 3. Korruption bei kommunalen Akteuren Nach Art. 96 f. Lei 169/1999 haften Orts- und Gebietsgemeinden für schuldhafte Verletzung subjektiver Rechte und von Normen zum Schutz privater Interessen durch ihre Mandatsträger oder Mitarbeiter. Bei grober Zu163

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 165 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 166 Comissão de Apoio à Reestruturação do Equipamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Regionalização e ambiente (Lisboa 1998) S. 33. 164

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ständigkeitsüberschreitung und vorsätzlichem Handeln kann der Mandatsträger oder Gemeindemitarbeiter direkt zivilrechtlich haftbar gemacht werden. Die Gebietskörperschaft haftet solidarisch und kann sich bei dem Mandatsträger oder ihrem Beschäftigten regressieren. Seit dem 19. Jh. redet und schreibt man in Portugal über die unerträgliche Korruption auf kommunaler Staatsebene. Da es aber auch in den von mir durchgeführten Interviews vehemente Gegendarstellungen gab und repräsentative empirische Untersuchungen fehlen, lässt sich ein abschließendes Urteil nicht fällen. Daher werden in der Folge zuerst Meinungen wiedergegeben, dass Korruption ein schwerwiegendes und weit verbreitetes Phänomen ist, gefolgt von einigen Gegenstimmen. Ein Professor für Finanzrecht von der Universität Lissabon, der seit Jahren auch in den Medien als heftiger Kritiker kommunaler Korruption bekannt ist, fasste seine Meinung im Interview folgendermaßen zusammen: Korrupt sind sowohl die Kommunalpolitiker als auch die kommunale Verwaltung und die kommunale Polizei. Es gibt hier eine ganze Kultur der Korruption. Besonders betroffen sei der Bausektor: Der gesamte Bausektor hat auf die eine oder andere Weise mit Korruption Erfahrung. Um Aufträge zu bekommen, müssen die Unternehmen Bestechungsgelder an die Gemeinden zahlen. Wenn sie vor Gericht gehen, bekommen sie auch von den anderen Gemeinden keine Aufträge mehr. Kleine und mittlere Unternehmen beherrschen diesen Markt mit hohen Gewinnspannen. Manche Großunternehmen arbeiten überhaupt nicht für Gemeinden, weil sie diese Bestechungsgelder nicht zahlen wollen. Einen Unterschied bei den Parteien gibt es nur insofern, als bei den Kommunisten die Bestechungsgelder der Parteikasse zufließen, bei den anderen Parteien auch Einzelpersonen. Vor allem die Landgemeinden in Nordportugal bieten ein soziales Milieu, das für korrupte Praktiken sehr anfällig ist. Mit steigenden kommunalen Budgets und den EU-Mitteln ist das Problem wieder aktuell geworden.167 Auch andere Gesprächspartner konnten auf Nachfrage konkrete Einzelfälle aus ihrer Erfahrung nennen: Jemand kaufte günstig ein denkmalgeschütztes Haus, beseitigte diesen Schutz über gute Kontakte zur Gebietsgemeinde, riss das Gebäude ab und errichtete dort ein neues Bauwerk.168 Der Präsident der ANAFRE bestritt für die Ebene der Ortsgemeinden überhaupt die Möglichkeit von Korruption: Auf dem Niveau der Ortsgemeinden hat ein kommunaler Vertreter gar keine Möglichkeit, sich illegale Vorteile durch sein Amt zu verschaffen, außer soziales Prestige. Erst 167 168

Saldanha Sanches, José Luís: Interview am 16. August 2003. Farias, João: Interview am 14. August 2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

auf Ebene der Gebietsgemeinden ist das möglich. Dort gab es in der Vergangenheit einiges an kleineren Korruptionsfällen, vor allem bei den Baugenehmigungen. Durch die Raumordnungspläne ist das aber viel besser geworden. Der Gesamtstaat vollzieht seine Gesetzte heute viel strenger.169 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ANMP vertritt die These, dass nur eine verschwindende Minderheit kommunaler Mandatsträger korrupt ist, dass aber Verdächtigungen in den Medien gegenüber den Bürgern schwer auszuräumen sind.170 Konkret angesprochen sagte ein Bürgermeister einer Gebietsgemeinde im Interview: Ich denke, dass es in meiner Gemeindeverwaltung keine Fälle von Korruption gibt. Allerdings räumte er ein, aus praktischen Erwägungen das Legalitätsprinzip nicht immer befolgen zu können: Wenn eine Familie mit sozialen Problemen in meinem Büro sitzt, dann muss ich ihnen sofort helfen. Das ist natürlich nicht legal, weil dies zuerst von den dafür zuständigen Behörden geprüft werden müsste. Die Gemeindeaufsicht rügt mich dann, weil ich nicht unparteiisch sein könne und in einem Einzelfall emotional entscheiden würde und dadurch andere benachteilige, die eben nicht zum Bürgermeister gehen. Aber ich habe da eine andere Einstellung – wenn jemand um Hilfe bittet und ich sehe das Problem, dann will ich auch sofort helfen.171 Vielfach wird eine Lösung in einer effektiveren Strafverfolgung gesucht.172 Mehr Kontrollen, raschere Gerichtsverfahren und höhere Strafen sollen das Vertrauen der Bürger wieder herstellen. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ANMP betont, dass es seit den 1970er-Jahren fast eine halbe Million kommunaler Mandatsträger gegeben hat, von denen fünf vor Gericht wegen Korruption verurteilt worden sind.173 Dem wird entgegengehalten, dass es nur deshalb so wenig Verurteilungen wegen Korruption gibt, weil das Verwaltungsrecht dem Einzelnen nicht genug Möglichkeiten gibt, sich gegen staatliche Entscheidungen zu wehren; außerdem, weil die Gerichte unterster Instanz nicht in der Lage sind, komplexe Wirtschaftskriminalität zu verfolgen; schließlich, weil die lokalen Eliten sich nach außen gegenseitig decken.174 169

Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 111 Februar 2003. 171 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 172 Saldanha Sanches, José Luís: Interview am 16. August 2003. 173 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 111 Februar 2003. 174 Saldanha Sanches, José Luís: Interview am 16. August 2003. 170

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Insgesamt gibt es zwar bisher wenig Anzeigen, allerdings steigt das in letzter Zeit auch gegen kommunale Mandatsträger stark an.175

II. Steuerung der Gemeinden über Pläne Die Übertragung von Zuständigkeiten an die Gebietsgemeinden hat zum Problem der Koordination dieser Zuständigkeiten auf überkommunaler Ebene geführt. Derzeit wird es nur ansatzweise durch interkommunale Zusammenarbeit gelöst.176 Die Alternative ist eine Steuerung der Gebietsgemeinden über Pläne, welche von den gesamtstaatlichen Akteuren auch deshalb gerne eingesetzt werden, weil sie ihnen bei der Vollziehung genug Spielraum für Einzelfallentscheidungen lassen. Um den Steuerungserfolg von Plänen bei den Gemeinden sicher zu stellen, sind aber zusätzliche finanzielle Anreize nötig. Zwar sind die Gebietsgemeinden an der Erstellung von Plänen wie den Regionalentwicklungsplänen, den PROT oder den Entwicklungsprogrammen der EU beteiligt, aber neben den gesamtstaatlichen Akteuren nur am Rande.177 Die Gebietsgemeinden stimmen häufig Plänen zu, die sie nicht wirklich akzeptieren und setzen sie dann einfach nicht um. Wichtig wäre daher, wenige simple Prioritäten festzulegen und die EU-Mittel und andere Ressourcen darauf auszurichten, dann werden diese Ziele auch von den Gemeinden verfolgt.178 In der Raumordnung sollen die Gebietsgemeinden laut Art. 7 Abs. 2 lit. c Raumordnungsrahmengesetz eigene Entwicklungsstrategien für ihr Territorium entwickeln. Der Gesamtstaat steuert aber die Inhalte der kommunalen Raumordnungspläne durch die PROT, seine Spezialpläne, seine Politikfeldplanung und schließlich durch die Beteiligung an der Erstellung und der Genehmigung der kommunalen Pläne im Einzelfall. Damit kann der Gesamtstaat insgesamt die Gebietsgemeinden so weit steuern, dass er die Bodennutzung auch an einzelnen Grundstücken beeinflussen kann. Da hier aber verschiedene gesamtstaatliche Akteure tätig sind, sehen sich die Gebietsgemeinden einer Vielzahl von Akteuren gegenüber, die steuernd Einfluss nehmen, ohne notwendigerweise untereinander koordiniert zu sein. 175

Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. Fundació Carles Pi i Sunyer d’Estudis Autono`mics i Locals (Hg.): La Reforma de la Organización Territorial de la Administracio`n del Estado Portuguès 2002) S. 30. 177 Barreto, António: As Freguesias e a Regionalização, S. 43–51 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 45. 178 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 176

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1. Erstellung von Raumordnungsplänen Ohne gültige PDM wurden bis Mitte der 1990er-Jahre die meisten Raumordnungskompetenzen der Gebietsgemeinden direkt vom Gesamtstaat durch seine CCDR ausgeübt. Dies sah in der Praxis so aus, dass wöchentlich in die größeren Gebietsgemeinden ein Angestellter der CCDR kam und die anstehenden Raumordnungsentscheidungen auf Grund der Gesetze traf. Nach Meinung der CCDR-Norte hätten sich die Gebietsgemeinden dadurch an eine gute Anwendung des Raumordnungsrechts gewöhnt und die Zusammenarbeit sei fruchtbar gewesen.179 Erst als Gebietsgemeinden ohne PDM der Zugang zu Ressourcen des Gesamtstaats und der EU eingeschränkt wurde, erhöhte sich die Zahl der PDM.180 Trotzdem zogen es einige Gebietsgemeinden vor, Raumordnungspläne zwar auszuarbeiten, sie aber nicht beim Gesamtstaat zur Genehmigung einzureichen.181 Gegenüber den Bürgern und bei eigenen Projekten flexibel zu bleiben, war ihnen wichtiger als finanzielle Anreize und mehr Unabhängigkeit vom Gesamtstaat. Mit Verabschiedung aller PDM üben die Gebietsgemeinden ihre Raumordnungskompetenzen heute selbst aus. Ihre technische und personelle Ausstattung hat sich so weit verbessert, dass sie dazu auch weitgehend in der Lage sind. Wenn allerdings ein PROT erstellt wird, müssen während dieser jahrelangen Arbeiten die Gebietsgemeinden auch heute noch ihre raumordnerischen Entscheidungen in enger Abstimmung mit den CCDR treffen.182 a) Rolle der Begleitkommission Die Zusammenarbeit zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden ist durch die Begleitkommissionen institutionalisiert, die bei der Erstellung aller Raumordnungspläne gebildet werden. Im Falle des Nationalen Raumordnungsplanes und der fakultativen Begleitkommissionen der Politikfeldpläne sind von Seite der kommunalen Akteure nur die Interessenvertretun179 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 137. 180 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 24. 181 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 136. 182 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 27, 49 u. 52.

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gen ANMP und ANAFRE vertreten. Auch in der Begleitkommission bei Erstellung der Spezialpläne sind nicht notwendigerweise die davon direkt betroffenen Gebietsgemeinden vertreten. Dies ist nur bei Erstellung der PROT garantiert. Wird in den Begleitkommissionen von den kommunalen Vertretern am Schluss eine negative Stellungnahme abgegeben, verhandelt der federführende gesamtstaatliche Akteur während einer eigenen Abstimmungsphase nochmals mit ihnen. Damit haben die Gebietsgemeinden bzw. ihre Interessenvertretung und diejenige der Ortsgemeinden Einblick in die Planungsphase gesamtstaatlicher Raumordnungsinstrumente und ein suspensives Veto. Bei den kommunalen Raumordnungsplänen ist die jeweilige Gebietsgemeinde selbst federführend für die Planerstellung. Allerdings kann sie die Geschäftsordnung und die Zusammensetzung der Begleitkommission aus gesamtstaatlichen Akteuren und Interessenvertretern nicht beeinflussen. Dies wird per Erlass des zuständigen Ministeriums geregelt. In der Folge werden lediglich die Begleitkommissionen kommunaler Raumordnungspläne (PDM) behandelt, da diese durch ihre Beurteilung der Gesetzmäßigkeit und der Übereinstimmung des vorgeschlagenen PDM mit bestehenden Raumordnungsinstrumenten am bedeutsamsten für die Steuerung der Gebietsgemeinden sind. Von Seite der gesamtstaatlichen Akteure waren in den Begleitkommissionen der PDM bisher immer die jeweilige CCDR und die DGOTDU vertreten, wobei die Gründe für die Beiziehung zusätzlicher gesamtstaatlicher Akteure nicht immer nachvollziehbar waren und wohl auch von der politischen Situation in der jeweiligen Gebietsgemeinde abhingen.183 Generell sind die Begleitkommissionen heute sehr groß geworden,184 was ein Interviewpartner kritisierte: So große Begleitkommissionen sind nicht mehr arbeitsfähig. Man sollte Besprechungen in kleinerem Rahmen machen und nur ausnahmsweise im Plenum die Leitlinien abstimmen. Es gibt auch immer wieder Vertreter, die nur reden, um auch etwas zu sagen, oder sich unnötig wichtig nehmen. Hier kommt es sehr darauf an, wie der Vorsitzende die Sitzungen leitet. Es gibt aber auch stundenlange Sitzungen und konfliktreiche Diskussionen, weil verschiedene Interessen aufeinander prallen.185 Obwohl die Abstimmung zwischen der Gebietsgemeinde und den gesamtstaatlichen Akteuren oft sehr schwierig ist, wird normalerweise in den Begleitkommissionen zur Erstellung der PDM einiges an Koordinierung und 183

Sá, Luís: Razões do poder local. Finanças locais, ordenamento do território, regionalização. (Lisboa 1991) S. 128. 184 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 185 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

gemeinsamer Verantwortung aller Akteure für die lokale Entwicklung erreicht.186 Ein kommunaler Mandatsträger warf allerdings im Interview den gesamtstaatlichen Akteuren mangelnde Ortskenntnis vor: Die Vorschläge der Gebietsgemeinden werden von Mitgliedern der Begleitkommission oder auch der nationalen Kommissionen für Natur- und Agrarschutzgebiete in Lissabon abgeändert, obwohl diese die lokalen Verhältnisse gar nicht kennen.187 Alle beteiligten gesamtstaatlichen Akteure nehmen also Stellung zu dem von der Gebietsgemeinde vorgeschlagenen Plan. Diese Vorschläge werden von der DGOTDU und der jeweiligen CCDR auf einen Nenner gebracht. Nur wenn sie selbst einverstanden sind, geben sie positive Stellungnahmen ab. Wenn sie damit nicht einverstanden sind, setzen sie ihren Willen gegenüber einer Gebietsgemeinde auf jeden Fall durch. Auch untergeordnete gesamtstaatliche Akteure haben eine relativ starke Stellung gegenüber den Gebietsgemeinden, da ja ihr Ressortchef im Ministerrat der Genehmigung des PDM am Ende seine Zustimmung erteilen muss. Die Gebietsgemeinde kann nur politischen Druck über die nationale Regierung ausüben und mit großem Nachdruck ihre Position vertreten. Aber selbst das ist nicht immer erfolgreich. Wenn sich die Begleitkommission insgesamt mit der Gebietsgemeinde nicht einigt, genehmigt auch die Regierung keinen PDM. Da helfen politische Kontakte der Gebietsgemeinde wenig.188 Wenn aber in der Erstellungsphase alle Beteiligten ausreichend Gehör gefunden haben, ist die Abstimmungsphase schnell erledigt.189 In unproblematischen Fällen dauert es in der Praxis zwei Jahre, bis eine Begleitkommission zu einem PDM ihre Zustimmung erteilt. Bei einem punktuellen Bebauungsplan (PP) dauert es über ein Jahr.190 Deutlich wird, dass der Gesamtstaat die Erstellung der PDM in den Begleitkommissionen eng überwacht und im Detail aktiv an ihrer Erstellung mitarbeitet.

186 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 24. 187 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 188 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003.; Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 189 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 190 Gomes, José: Interview am 1. August 2003.

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b) Rolle der CCDR Im Politikfeld Raumordnung stehen die Gebietsgemeinden einer Vielzahl von gesamtstaatlichen Akteuren gegenüber: das Umweltministerium für die Umweltverträglichkeitsprüfung, das Landwirtschaftsministerium für die Agrarschutzgebiete, das Denkmalamt, das MAOT für Infrastruktur, die jeweiligen Ministerien für verschiedene Betriebsgenehmigungen, das Wasserinstitut für die Küstenpläne, das Naturschutzinstitut für Naturschutzgebiete, die Straßenbehörde „Junta Autónoma das Estradas“ für das Straßennetz.191 Etwas gebündelt werden die Interaktionen zwischen diesen gesamtstaatlichen Akteuren und den Gebietsgemeinden durch die CCDR. Diese sind die allgemeinen Kontaktstellen des Gesamtstaates für Gebietsgemeinden in Raumordnungsfragen. Ihre Aufgabe ist es, die verschiedenen Standpunkte der einzelnen gesamtstaatlichen Akteure und der Gebietsgemeinden auf den Tisch zu legen und einen Dialog in Gang zu bringen.192 Die CCDR erstellen bisher die PROT, koordinieren die Planungen der Gebietsgemeinden untereinander und mit den Ministerien. Zu diesem Zweck stehen sie den Begleitkommissionen der PDM vor. Die Erstellung der PP und PU begleiten nach Art. 75 Abs. 7 DL 380/1999 allein die CCDR. Diese Begleitung der Erstellung kommunaler Raumordnungspläne wirkt vereinheitlichend und qualitätssichernd.193 Außerdem unterstützen die CCDR die Gebietsgemeinden fachlich durch ihre technischen Unterstützungsbüros GAT und sind für die raumordnerische Genehmigung von Großprojekten wie etwa Einkaufszentren zuständig. Bei der Lokalisierung von Industrieanlagen intervenieren die CCDR auf dreierlei Weise: einmal direkt über die Genehmigung solcher Anlagen, dann über ihren Einfluss auf die Erstellung der kommunalen Raumordnungspläne und schließlich über die Erstellung der PROT. Die Gebietsgemeinden haben in diesem Bereich hingegen wenig mitzubestimmen. In der Vergangenheit gab es durchaus auch Konflikte mit einzelnen Gebietsgemeinden, welche den CCDR z. B. ihre bloß indirekte politische Legitimation vorwarfen.194 Wenn die CCDR mehr politisches und institutionelles Gewicht hätten, könnten sie die verschiedenen öffentlichen Akteure leichter zu gemeinsamen Entscheidungen bringen.195 191 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 27 u. 32 u. 83. 192 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 193 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 194 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 25 ff. u. 95. 195 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

c) Genehmigung kommunaler Raumordnungspläne Die Genehmigung kommunaler Raumordnungspläne erfolgt durch Beschluss des Ministerrates. Prüfkriterien sind dabei die Übereinstimmung mit den Normen und den übrigen Raumordnungsinstrumenten. Zusätzlich überprüft der Gesamtstaat die Vereinbarkeit mit allen nationalen Raumordnungsinstrumenten, wobei er auch die nur teilweise Vereinbarkeit feststellen und die Pläne nur teilweise genehmigen kann.196 Dieses letzte Prüfkriterium kommt einer Zweckmäßigkeitsprüfung kommunaler Planungsentscheidungen im Rahmen der eigenen Planungen sehr nahe. Der Generaldirektor der DGOTDU versicherte im Interview, dass der Gesamtstaat die kommunalpolitischen Entscheidungen als solche respektiert.197 Auch ein leitender Beschäftigter einer CCDR meinte: In den letzten Jahren ist der Beitrag der DRAOT zu den kommunalen Raumordnungsplänen, dass man Rechtswidrigkeiten feststellt und seinen Sachverstand zur Verfügung stellt, aber die inhaltliche Entscheidungen der Gebietsgemeinden respektiert. Es ist ja die Kernidee der kommunalen Pläne, den politischen Spielraum der Gemeinden zum Ausdruck zu bringen. Allerdings müssen sie auch mit den Planungen der verschiedenen Ministerien vereinbar sein.198 Jedenfalls fordern die Gebietsgemeinden eine Verhandlungsrunde auf politischer Ebene zwischen dem zuständigen Regierungsmitglied und dem betroffenen Bürgermeister vor der Genehmigung kommunaler Raumordnungspläne.199 Selbst bei mangelnder Übereinstimmung kommunaler Raumordnungspläne mit anderen gesamtstaatlichen Raumordnungsinstrumenten kann die Regierung in einigen Fällen trotzdem eine Genehmigung erteilen: Bei einem Verstoß eines PDM gegen einen PROT, wenn Begleitkommission und CCDR dem zustimmen; bei einem Widerspruch des PDM zu einem Politikfeldplan, wenn der zuständige gesamtstaatliche Akteur zustimmt; bei einem Verstoß gegen interkommunale Raumordnungspläne, wenn Begleitkommission und CCDR zustimmen, nach bloßer Anhörung der betroffenen Gebietsgemeinden. Das dahinter stehende Prinzip ist, dass derjenige staatliche Akteur, welcher federführend bei der Erstellung des betroffenen Raumordnungsinstruments war, der Genehmigung dagegen verstoßender kommunaler Raumordnungspläne zustimmen muss. Im Ergebnis bleibt die Regierung Herrin der bestehenden übergeordneten Raumordnungsinstrumente und da196

Art. 23 Raumordnungsgrundlagengesetz. Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 198 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 199 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 17. 197

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mit der ausgehandelten Kompromisse der staatlichen und privaten Akteure. Sie kann sich auch über damals berücksichtigte Ergebnisse der Bürgerbeteiligung hinwegsetzen. Das Gleiche gilt bei einer Genehmigung durch die CCDR von untergeordneten kommunalen Raumordnungsplänen (PU u. PP), die gegen einen PDM verstoßen.200 Eines der Hauptprobleme in der Raumordnung ist die lange Zeit, die vergeht, bevor gesamtstaatliche Akteure die kommunalen Raumordnungspläne wie einen PDM genehmigen.201 Es wurden schon Pläne genehmigt, welche in der Gebietsgemeinde vor Jahren ausgearbeitet wurden und nichts mehr mit der Realität zu tun hatten.202 Da auch die Genehmigung eines punktuellen Bebauungsplans (PP) sehr lange dauert, erteilen die Gebietsgemeinden bisweilen illegale Baugenehmigungen, um ein Investitionsprojekt verwirklichen zu können. Im Nachhinein werden diese Unregelmäßigkeiten häufig entdeckt und führen zu Problemen.203 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden fordert daher, dass die Regierung nur die PDM genehmigen soll und die detaillierteren kommunalen Raumordnungspläne allein von den Gebietsgemeinden erlassen werden, da sie ja ohnehin mit den PDM übereinstimmen müssen. Der Gesamtstaat soll nur mehr an der Evaluierung dieser Pläne beteiligt sein.204 Neu eingeführt wurde mit Art. 80 Abs. 7 DL 380/1999, dass für die Zeit nach der Erstellung des Nationalen Raumordnungsplans und der neuen PROT die formale Genehmigung von kommunalen Raumordnungsplänen durch die Regierung nur mehr in Ausnahmefällen erfolgen soll, nämlich auf Wunsch der Gebietsgemeinde und falls während der Erstellung der kommunalen Pläne eine Verletzung rechtlicher Vorschriften oder Pläne behauptet wird. Dies würde eine deutliche Abkehr vom bisherigen System darstellen. d) Einfluss der PROT Die PROT selbst und ihre Materialien dienen nach Art. 51 Abs. 1 DL 380/1999 schon bisher als Rahmen und Richtlinien für die Erstellung der PDM. Sie stellen insofern ein strategisches Steuerungsinstrument des Gesamtstaates gegenüber den Gebietsgemeinden dar. Da die PROT ihrer 200

Art. 80 DL 380/1999. Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 202 Azevedo, Mário de: Problemas dos planos, hoje. Uma visão pragmática, S. 87–95 [in: Universidade Nova de Lisboa (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 92. 203 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 204 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Stellungnahme der ANMP zum Entwurf von Lei 159/99. Politikfeld Raumordnung, (2000) S. 7. 201

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

ursprünglichen Konzeption nach nur für staatliche Akteure bindend sind, ist das ihr eigentlicher Hauptzweck. Durch die Existenz eines PROT wird die Aufsicht des Gesamtstaats über die Gebietsgemeinden nicht verändert. Allerdings existieren in diesem Fall inhaltliche Vorgaben für die Ausübung dieser Aufsicht.205 Die PROT stellen damit eine Selbstverpflichtung des Gesamtstaates gegenüber den Gebietsgemeinden dar.206 Schon nach der bestehenden Gesetzeslage hätten die PROT ein strategisches Abkommen zwischen dem Gesamtstaat und den Gebietsgemeinden sein können, welches spätere punktuelle Einmischungen gesamtstaatlicher Akteure verhindert. Dies wurde aber nicht wirklich genutzt. Stattdessen formulierten die PROT keine regionalen Entwicklungsstrategien und waren so detailliert wie ein PDM.207 Dadurch wurden den Gebietsgemeinden keine Richtlinien für ihre PDM gegeben und der Gesamtstaat steuerte eigentlich kommunale Entscheidungen bis ins Detail über seine Pläne.208 Verstärkt wird dies noch dadurch, dass ein neu erstellter PROT in bestehende PDM eingreifen kann. Er enthält einen Verweis auf diejenigen Teile der PDM, die mit ihm nicht vereinbar sind.209 Gegen diese Rechtslage gibt es Widerstand von Seiten der Gebietsgemeinden. Nach Meinung der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ist es unerträglich, dass jeder neue PROT in der Praxis bestehende PDM verdrängt,210 zumal diese ja bereits einen Kompromiss zwischen gesamtstaatlichen Akteuren und Gebietsgemeinde darstellen. Außerdem fordert die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP), dass diejenigen Gebietsgemeinden die durch einen PROT in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung behindert werden, vom Gesamtstaat dafür entschädigt werden. Dadurch würde auch der informelle Druck einzelner Gebietsgemeinden im Erstellungsverfahren der PROT abnehmen.211 205 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 260. 206 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 102. 207 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 208 Soares, Luís Bruno: Pensar o Ordenamento do Território. Estratégias e Perspectivas, S. 142–149 [in: UNL, Universidade Nova de Lisboa. (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 145. 209 Art. 59 DL 380/1999. 210 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 16. 211 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Stellungnahme der ANMP zum Entwurf von Lei 159/99. Politikfeld Raumordnung, (2000) S. 5.

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Das soll es in Zukunft nicht mehr geben. Die PROT sollen in einer veränderten strategischeren Form flächendeckend erstellt werden und hauptsächlich die Regionalentwicklung zum Inhalt haben. Dadurch soll den Gebietsgemeinden genug Spielraum zur Erstellung ihrer PDM verbleiben.212 Zukünftige PDM können so ihre Kernaufgabe erfüllen und eine konkrete Bodennutzung festlegen. Die Begleitkommissionen und das Genehmigungsverfahren der PDM sind der richtige Ort, um konkrete gesamtstaatliche Vorstellungen einzubringen. Direkte gesamtstaatliche Eingriffe kann es aber weiterhin über die Spezialpläne geben.213 e) Spezialpläne Durch die Spezialpläne nach Art. 43 DL 380/1999 erhalten die planerischen Entscheidungen gesamtstaatlicher Akteure Vorrang vor den Planungen der Gebietsgemeinden und sind gegenüber den Bürgern direkt anwendbar. Damit kann der Gesamtstaat die kommunale Raumordnung umgehen und die Bodennutzung ohne nennenswerte Beteiligung der Gebietsgemeinde direkt festlegen.214 Nach Art. 20 Abs. 5 Raumordnungsrahmengesetz ist der Gesamtstaat verpflichtet, bei Erstellung seiner Spezialpläne auf vorhandene kommunale Raumordnungspläne Rücksicht zu nehmen. Umgekehrt müssen kommunale Pläne nach Art. 49 DL 380/1999 an neue Spezialpläne angepasst werden. In Bezug auf Übergangsfristen und Vorgangsweise müssen Abstimmungen mit den Gebietsgemeinden getroffen werden. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden kritisiert, dass im Ergebnis neu erstellte Spezialpläne bestehende PDM verdrängen.215 Offensichtlich werden sie auch gezielt eingesetzt, um komplizierten Absprachen mit den Gebietsgemeinden aus dem Weg zu gehen. Das für Raumordnung zuständige Ministerium spricht offen davon, dass es schwierige Verhandlungen mit den Gebietsgemeinden über die Raumordnung von Naturschutzgebieten bei der Erstellung der nächsten Generation kommunaler Raumordnungspläne erwartet. Deshalb hält es das Ministerium für wichtig, die Spezialpläne für die Naturschutzgebiete fertig gestellt zu haben, bevor die Gebietsgemeinden ihre Raumordnungspläne überarbeiten.216 212

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 214 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 102. 215 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 16. 213

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Auf die Erstellung von Spezialplänen haben die Gebietsgemeinden in der Praxis kaum Einfluss.217 Im Gesetzgebungsverfahren hatte die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) vergeblich gegen diese schwache Stellung der betroffenen Gebietsgemeinden protestiert.218 Die Beteiligung der ANMP selbst hängt davon ab, ob das zu planende Politikfeld im Kompetenzbereich der Gebietsgemeinden liegt. Beim Wasserplan oder anderen Umweltplänen ist das der Fall. Hier vertritt die ANMP auf nationaler Ebene die Interessen der Gebietsgemeinden.219 Begründet werden Spezialpläne damit, dass die Gebietsgemeinden noch zu wenig Erfahrung mit Raumordnung haben,220 außerdem damit, dass es in der Raumordnung Werte von nationaler Bedeutung zu schützen gibt.221 Die Küstenpläne etwa sollen die ökologisch sensiblen Küstenzonen schützen. Durch die Zuständigkeit des Gesamtstaats für die Raumordnung an der Küste mit Hilfe der Spezialpläne POOC wird eine überregionale Planung der Küsten ermöglicht, welche die zahlreichen Grenzen der Gebietsgemeinden schneidet. Allerdings kann die Küste der wichtigste Teil für die Entwicklung einer Gebietsgemeinde sein, über welche dann aber der Gesamtstaat nach überregionalen Gesichtspunkten entscheidet. Die POOC sind teilweise so detailliert, dass den Gebietsgemeinden vorgeschrieben wird, wo einzelne Häuser gebaut werden können.222 Die Zuständigkeit für die Raumordnung der Küste soll laut dem Regierungsprogramm 2004 von einem spezialisierten gesamtstaatlichen Akteur (Agência do Litoral) übernommen werden,223 wodurch sich der Einfluss des Gesamtstaats noch verstärken wird. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden akzeptiert die Notwendigkeit von Spezialplänen an der Küste. Andererseits beklagt sie, dass es keinen echten politischen Dialog zwischen den betroffenen Gebietsgemeinden und den gesamtstaatlichen Akteuren gibt. Gesamtstaatliche Akteure hörten nur die Meinung der Gebietsgemeinden an und argumentierten fachlich, ohne sich auf eine politische Diskussion einzulassen.224 216 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 139. 217 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 218 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Anteprojecto de Proposta de Lei de Bases da Política de Ordenamento de Território e do Urbanismo. Lei 48/98, 1997) S. 4. 219 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 220 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 221 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 222 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 223 Conselho dos Ministros: Programa do XVI Governo Constitucional. Capítulo 6. Ambiente e ordenamento do território [in: www.governo.gov.pt, 2004].

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

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In einer Reihe von weiteren Sonderfällen werden Raumordnungsbefugnisse direkt vom Gesamtstaat ausgeübt: Autobahnen und Flughäfen, militärische Anlagen und alle anderen Flächen in gesamtstaatlichem Besitz sowie bedeutende Denkmäler zählen dazu.225 Im Douro Tal sind 10% der Fläche von 14 Gebietsgemeinden vom Gesamtstaat über Spezialpläne als Naturschutzgebiete (REN) gewidmet.226 Dies zeigt, wie durch die Steuerung über gesamtstaatliche Spezialpläne den Gebietsgemeinden Zuständigkeiten in der Raumordnung entzogen werden. Auf diese Weise werden auch sachliche Argumente kommunaler Fachleute zur Seite geschoben.227 Die Spezialpläne sind wohl eines der Hauptübel des portugiesischen Raumordnungssystems. Den Gebietsgemeinden nehmen sie die Verantwortung für wichtige Teile ihres Gemeindegebiets, gesamtstaatliche Akteure sind mit Detailentscheidungen für ein ganzes Land überlastet: Eine Detailsteuerung des Gesamtstaates über die Spezialpläne für einzelne Politikfelder macht es schwerer, die Gebietsgemeinden zu beeinflussen als durch territoriale Pläne auf nationaler und regionaler Ebene.228 Ein weiteres Beispiel für massive gesamtstaatliche Steuerung der Gebietsgemeinden sowohl bei der Erstellung als auch dem Vollzug von Raumordnungsplänen ist das „Polis“ Programm für Stadterneuerung. Es führt in den 18 davon betroffenen Gebietsgemeinden zur Übertragung von Kompetenzen in der Erstellung von Raumordnungsplänen an gesamtstaatliche Akteure, insbesondere an die jeweilige Aktiengesellschaft des Gesamtstaats, welche das Programm vor Ort leitet. Es entscheiden direkt vier Ministerien und die Gebietsgemeinde mit, nicht aber die CCDR. Deren Funktion, breiten Konsens zwischen öffentlichen und privaten Akteuren herzustellen, fällt ebenso weg wie ausreichende Fristen zur Bürgerbeteiligung.229 Dies ist einerseits ein Hinweis, dass die mit DL 380/1999 reformierte Rechtslage 224 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 85 Oktober 2000. 225 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 25. 226 Douro, Universidade de Trás-os-Montes e Alto: Plano Intermunicipal de Ordenamento do Território do Alto Douro Vinhateiro. Relatório. Volume I. Diagnóstico Da Situação, (ohne Jahresangabe, etwa 2003) S. 18. 227 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 51. 228 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 229 Mendes, Joana: Programa Polis. Programa ou falta de programa para a requalificação das cidades? [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a.4n.1, S. 83–100, 2001] S. 92.

374

Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

nicht ausreicht, um die urbanistischen Probleme der portugiesischen Städte zu lösen.230 Andererseits zeigt es, dass der Gesamtstaat mit den EU-Mitteln im Rücken sich nicht an seine eigenen Normen zur Abstimmung mit den Gebietsgemeinden und privaten Akteuren halten will. Außerdem sucht er die Lösung der großen Probleme in der Stadtentwicklung nicht in einer Stärkung der betroffenen Gebietsgemeinden, sondern in der Schaffung spezialisierter gesamtstaatlicher Akteure. 2. Vollzug von Raumordnungsplänen In Art. 118 DL 380/1999 wird die Zuständigkeit der Gebietsgemeinden zum Vollzug der kommunalen Raumordnungspläne in Zusammenarbeit mit staatlichen und privaten Akteuren festgelegt. Ob ein PDM (Flächenwidmungsplan) wirklich vollzogen wird, hängt auch in der Praxis vor allem von der jeweiligen Gebietsgemeinde ab. Es gibt hier zwischen den Gebietsgemeinden große Unterschiede.231 Ähnlich ist es bei Plänen im Bereich der Wasserwirtschaft: Bis Ende der 1980er-Jahre gab es keinerlei Pläne auf nationaler oder regionaler Ebene im Trinkwasser- und Abwasserbereich. Die Gebietsgemeinden führten unkoordiniert und auf eigene Initiative ihre eigenen Projekte durch, mit den Mitteln, die sie durch ihren Einfluss auf gesamtstaatliche Akteure erhalten konnten. Heute gibt es diese Pläne, die Gebietsgemeinden sind aber die eigentlichen Initiatoren von Projekten vor Ort geblieben.232 Trotzdem sind auch beim Vollzug z. B. der Raumordnungspläne gesamtstaatliche Akteure maßgeblich beteiligt. Sie können Bauarbeiten stoppen, illegale Bauten demolieren lassen und bindende Rechtsmeinungen zu Einzelfallentscheidungen der Gebietsgemeinden abgeben.233 Größere Bauprojekte, die wegen ihres Umfanges erhebliche Bedeutung für die Raumordnung haben, benötigen ein positives Gutachten der CCDR, dass sie dem jeweiligen PROT entsprechen. Dies ist nicht der Fall, wenn sie nur auf dem Gebiet einer einzigen Gebietsgemeinde entstehen sollen und deren PDM nicht widersprechen.234 Auch Verwaltungsakte von Gebietsgemeinden, die vor der 230

Ibid. S. 97. Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 232 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 24. 233 Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 897. 234 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 210. 231

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

375

Erstellung eines PROT erlassen wurden, werden von den CCDR auf ihre Übereinstimmung mit dem neu erlassenen PROT geprüft. Im Falle des Algarve konnte in etwa 10% der Fälle diese Übereinstimmung nicht festgestellt werden.235 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden fordert, dass nach Inkrafttreten eines PDM, die Gebietsgemeinden Baugenehmigungen allein vergeben sollen und nicht auf Stellungnahmen gesamtstaatlicher Akteure angewiesen sind.236 In der Praxis wird auch jetzt schon die Zustimmung der CCDR zu Großprojekten von den Gebietsgemeinden nicht eingeholt. Damit sind derartige Bauplatzerklärungen eigentlich nichtig. Wird dies von der CCDR bemerkt, versucht die Gebietsgemeinde, nachträglich die Zustimmungen zu erhalten.237 Tendenziell können Gebietsgemeinden mit der Zustimmung gesamtstaatlicher Akteure von gültigen Raumordnungsplänen wieder abweichen. Zwischen einer Gebietsgemeinde und einer CCDR können etwa Verträge geschlossen werden, welche die Ausdehnung von städtischen Verbauungsgebieten entgegen bestehender Raumordnungspläne ermöglichen.238 Bei besonderem öffentlichen Interesse kann die Regierung einen PDM teilweise oder zur Gänze aufheben.239 Die Folge ist, dass weder die Bürger noch die Gebietsgemeinden großes Vertrauen in die Bestandskraft der Raumordnungspläne aufbauen. In dieser unsicheren Umgebung ist Flexibilität besonders wichtig und staatliche Akteure wollen sich tendenziell noch weniger binden lassen. So braucht der Gesamtstaat für eigene Bauvorhaben keine kommunalen Aufschließungsgenehmigungen oder Baubewilligungen. Dies gilt sogar für einige ausgegliederte Rechtsträger auf nationaler Ebene. Auch die Gebietsgemeinde selbst muss für eigene Bauvorhaben die normalen Verfahren nicht einhalten.240 235

Ibid. S. 214 f. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 14. 237 Sardinha, José Miguel: Estudos de direito do urbanismo e do ordenamento do território (Lisboa 1997) S. 277 f. 238 Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 916. 239 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 53. 240 Pardal, Sidónio et al.: A Hierarquia dos Planos, S. 109–122 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 119; Oliveira, Fernanda Paula Marques de: A Organização Administrativa do Planeamento Urbanístico em Portugal, S. 895–924 [in: Amaral, Diogo Freitas do et al. (Hg.): Ab Uno Ad Omnes. 75 Anos da Coimbra Editora. 1920–1995, (Coimbra 1998)] S. 896. 236

376

Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Einerseits zeigt dies die geringe Bindung staatlicher Akteure an die Pläne, andererseits die geringe Bindung gesamtstaatlicher Akteure an die ursprünglichen Kompromisse mit den Gebietsgemeinden in Gestalt der Raumordnungspläne. Letztere beklagen, dass die gesamtstaatlichen Akteure und von ihnen konzessionierte private Infrastrukturunternehmen Bauten ohne kommunale Genehmigung und entgegen kommunaler Planung errichten können und Gemeindegrund für den Infrastrukturbau benutzen, ohne Gebühren dafür zu entrichten.241 Die regionalen Raumordnungspläne (PROT) waren nach der Konzeption von Art. 12 DL 176-A/1988 ursprünglich nur für staatliche Akteure bindend und sollten die Erstellung kommunaler Raumordnungspläne steuern. Für den Vollzug dieser Pläne waren wiederum die Gebietsgemeinden zuständig, die damit indirekt den Vollzug des Inhalts der PROT sicherstellen sollten.242 Trotzdem wurden in der Folge viele Bauten entgegen den Vorgaben der PROT errichtet. Der Gesamtstaat reagierte auf diese Mängel in der Steuerung des Verhaltens Privater durch die Gebietsgemeinden mit einer Überlagerung kommunaler Kompetenzen durch gesamtstaatliche. Dies ist in Portugal immer dann der Fall, wenn sich der Gesamtstaat nicht auf die Gebietsgemeinden verlassen kann oder will. Die PROT legten nach einer Gesetzesänderung 1990243 nun auch konkrete Bodennutzungen fest, was bisher eigentlich auf kommunaler Ebene erfolgen sollte. Die Lehre bejahte in der Folge bei ausreichender Bestimmtheit des PROT und dem Fehlen eines PDM eine direkte Anwendbarkeit auf Private.244 1994 erklärte DL 249/1994 das Bauen entgegen der Bestimmungen eines PROT zu einer Verwaltungsübertretung und stellte dadurch die direkte und allgemeine Anwendbarkeit für Private klar. Nachdem nun gesamtstaatliche Pläne direkt für Private verbindlich gemacht worden waren, wurde den Gebietsgemeinden der Vollzug der PROT in diesen Plänen selbst übertragen. Damit sollten die Gebietsgemeinden jetzt über die Einhaltung gesamtstaatlicher Pläne durch Private eifriger wachen, als zuvor über den Vollzug der eigenen kommunalen Pläne. Dies brachte nicht den gewünschten Erfolg und mit DL 249/1994 wurde der 241 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 15. 242 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 214 f. 243 DL 367/1990. 244 Oliveira, Fernanda Paula: Alguns aspectos do novo regime jurídico dos Planos Regionais de Ordenamento do Território. Em especial, a questão da sua eficácia jurídica [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, N 11/12 Ano IV Junho Dezembro 1999, S. 69–85, 1999] S. 72.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

377

Vollzug der PROT einheitlich geregelt und in die Zuständigkeit des Ministeriums übertragen. Außerdem wurden die Sanktionen für Private verschärft. Eine Bodennutzung, die einem gültigen PROT widersprach, stellte eine Verwaltungsübertretung dar und konnte die Verpflichtung zum Abbruch des Bauwerks nach sich ziehen. Verwaltungsakte von Gebietsgemeinden, die entgegen den Bestimmungen eines PROT erlassen wurden, wurden mit der Folge der Nichtigkeit belegt. Kommunalen Mandatsträgern, die Bauten in Verletzung eines PROT genehmigen, drohte die Pflicht zum Schadenersatz und der Verlust des Mandates. Der Gesamtstaat war in der Folge aber nicht in der Lage das Vollzugsdefizit zu beseitigen und das Verhalten privater Akteure landesweit durch seine CCDR zu kontrollieren. Eine Kontrolle der Einhaltung der PROT fehlte fast völlig und war das größte Hindernis, um deren Ziele zu verwirklichen. Die zuständigen CCDR hatten schlicht nicht die personelle Ausstattung, um dies sicherzustellen.245 Man kehrte also mit Lei 48/1998 und DL 380/1999 zum ursprünglichen System zurück: Seither gibt es flächendeckende PDM der Gebietsgemeinden, die den PROT entsprechen sollen, sofern diese vorhanden sind. Der Gesamtstaat kontrolliert auf diese Weise den Inhalt kommunaler Raumordnungspläne und diese sollen von den Gebietsgemeinden gegenüber den Privaten vollzogen werden. Eine Bestätigung dieser Tendenz ist der ausdrückliche Ausschluss der direkten Anwendbarkeit der PROT auf Private durch Art. 11 Lei 48/1998. Die Massierung von gesamtstaatlichen Spezialplänen und raumordnerischen Sonderkompetenzen des Gesamtstaats kann dazu führen, dass eine Gebietsgemeinde auf die Hälfte ihres Territoriums keinen raumordnerischen Einfluss mehr hat.246 Gegen die direkte Anwendbarkeit der Spezialpläne auf Private protestierte die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) schon im Gesetzgebungsverfahren vergeblich.247 Nach der Rechtslage sind die Gebietsgemeinden eigentlich am Vollzug gesamtstaatlicher Spezialpläne wie der Küstenpläne und der Raumordnungspläne der Naturschutzgebiete beteiligt.248 In der Praxis scheinen sie aber keinen großen Einfluss zu haben, 245 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 207 ff., 214 f. u. 261. 246 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 14. 247 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Anteprojecto de Proposta de Lei de Bases da Política de Ordenamento de Território e do Urbanismo. Lei 48/98, 1997) S. 4. 248 Art. 13 DL 218/1994 bzw. Art. 4 u. 21 DL 19/1993.

378

Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

beklagt doch die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden, dass der Einfluss der Gebietsgemeinden auf ihre Strände gleich Null ist. Weder können sie in der Raumordnung die Lokalisierung von Wasserverschmutzern beeinflussen, noch sind sie an der Verbauung der Küsten oder der Pflege der Strände beteiligt. In DL 159/1999 sind diese Kompetenzen zwar zur Übertragung an die Gebietsgemeinden vorgesehen, aber Verhandlungen über Verträge zur Übertragung haben bisher nicht stattgefunden.249 Auch beim Vollzug der Raumordnungspläne der Naturschutzgebiete gab es mit den DRAOT immer wieder Konflikte.250 Überwacht werden die Naturschutzgebiete parallel durch drei Institutionen: die jeweiligen Gebietsgemeinden, die DRAOT und das Institut für Naturschutz.251 Die Gebietsgemeinden kritisieren die Bauverbote in den Naturschutzgebieten mit drastischen Worten und fordern eine demokratische Kontrolle dieser „fundamentalistisch“ gehandhabten Instrumente.252 2004 wollte die Regierung die Normen zum Vollzug der Raumordnungspläne in Naturschutzgebieten klarer ausgestalten.253 Der Eingriff in die Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden im Bereich der Raumordnung durch Umweltschutzkompetenzen des Gesamtstaats zeigt sich an der Umsetzung der EU-Habitat-Richtlinie254 in Portugal. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) lehnt die Art der Umsetzung ab: Die Erstellung der Pläne für die Naturschutzgebiete sei von Technokraten erdacht worden, ohne sich vor Ort ein Bild zu machen. Die Beteiligung der Gebietsgemeinden sei minimal gewesen. In einigen Fällen hätten betroffene Gebietsgemeinden erst im Nachhinein erfahren, dass Schutzgebiete auf ihrem Gemeindegebiet eingerichtet wurden. Vor allem kritisiert die ANMPT, dass die Entscheidung der Gemeindeorgane über die Raumordnung ausgehebelt wird, wenn vom Gesamtstaat 50% des Gemeindegebietes als Schutzgebiet ausgewiesen werden, ohne auf bestehende kommunale Raumordnungsinstrumente und Entwicklungsstrategien Rücksicht zu nehmen. Auch im Vollzug entziehen die weitreichenden Kompetenzen des gesamtstaatlichen Naturschutzinstituts den Gebiets249 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 83 Juli 2000. 250 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 251 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 48 f. 252 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 16. 253 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-249. 254 Habitat: RL 92/43 u. 97/62; umgesetzt in Portugal mit DL 140/1999.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

379

gemeinden Teile ihres Territoriums. Die ANMP verlangt einen direkten und politischen Dialog mit dem Gesamtstaat und nicht das bloße Recht auf Stellungnahme in einer Art Bürgerbeteiligung für Gebietsgemeinden. Ein landesweiter Politikfeldplan zu den Naturschutzgebieten sollte mit den Gebietsgemeinden ausgehandelt werden und als Grundlage für die Ausweisung von Schutzgebieten dienen. Die Praxis der Einzelfallentscheidungen durch den Gesamtstaat müsse aufhören.255 Neben der Steuerung über gesamtstaatliche Spezialpläne trifft der Gesamtstaat eine Reihe von raumordnerischen Einzelentscheidungen selbst. Die ANMP fordert seit langem, dass gesamtstaatliche Genehmigungen im Bergwerks- und Forstbereich, von Wasserbauten, Industrieanlagen, sowie Handels und Tourismusbetrieben nur auf Grundlage der PDM und mit bindender Stellungnahme der Gebietsgemeinden erfolgen sollen.256 Gleichzeitig stellt die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden einen einleuchtenden Zusammenhang zwischen Beteiligung an den planerischen Entscheidungen und dem Vollzugsgrad her: Wenn bei der Erstellung der Spezialpläne über die Interessen der Gebietsgemeinden und der Bürger hinweggegangen wird, dann ist auch der Vollzug nicht sichergestellt.257

III. Steuerung der Gemeinden über Finanzen Rechtliche Basis für die finanzielle Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat sind Lei 42/1998 und Lei 94/2001, in denen die Finanzierungsquellen, Budgetierungsrichtlinien und die Aufsicht durch den Gesamtstaat geregelt sind. 1. Einnahmearten der Gemeinden Die Einnahmearten der Gebiets- und Ortsgemeinden setzen sich aus den Gemeindesteuern sowie der gesamtstaatlichen Grund- und Einzelfinanzierung zusammen. Einnahmenseitige Zuwächse gab es absolut vor allem bei den Einzelfinanzierungen durch den Gesamtstaat und die EU, die dadurch relativ zu den anderen Einnahmearten an Bedeutung gewannen. Dies zeigt einerseits 255

Associação Nacional de Municípios Portugueses: Resolução. Rede Natura 2000, (2000) S. 9 u. 11. 256 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 257 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 85 Oktober 2000.

380

Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Tabelle 57 Verhältnis der Einnahmearten von Gebiets- und Ortsgemeinden 2002–2004258 Einnahmearten

2002

2004

Entwicklung der Einnahmearten 2002–2004

Mio. e

%

Mio. e

%

%

Gemeindesteuern

1.941,9

32

2.031,9

29

+5

Grundfinanzierung (Gesamtstaat)

2.401,3

39

2.597,1

37

+8

Einzelfinanzierungen (Gesamtstaat, EU)

1.750,5

29

2.367,8

34

+35

Einnahmen Gesamt

6.093,7

100

6.996,8

100

+15

die steigende Bedeutung von EU-Mitteln für die Gebietsgemeinden, andererseits die Vorliebe des Gesamtstaats für Einzelfinanzierungen bei gleichzeitiger anteilsmäßig schrumpfender Grundfinanzierung. Diese Entwicklung erweitert die Steuerungsmöglichkeiten des Gesamtstaats, zumal er auf die Verteilung der EU-Mittel an die Gemeinden entscheidenden Einfluss nimmt. Im Bereich der Gemeindesteuern fordert die ANMP mehr Autonomie der Gebietsgemeinden: So sollen die bestehenden Gemeindesteuern in Zukunft von den Gebietsgemeinden selbst eingehoben werden können. Der Finanzverwaltung des Gesamtstaates wirft die ANMP vor, die Überweisung der eingehobenen Steuern zu lange zu verzögern und säumige Steuerpflichtige nicht zu verfolgen. Die dadurch entstandenen Verluste können laut ANMP bis zu 20% betragen.259 Laut ANMP würde die Einhebung der Gemeindesteuern durch die Gebietsgemeinden selbst die Steuerhinterziehung senken, die Einhebung selbst beschleunigen und für die Bürger eine direktere Beziehung zwischen der Bezahlung der Gemeindesteuern und dem Erhalt von Dienstleistungen durch die Gebietsgemeinde herstellen.260 Außerdem wollen die Gebietsgemeinden das Recht, bei Steuern auf Immobilien und Gewerbeausübung unterschiedliche Sätze in Teilen des Gemeindegebiets festlegen 258

Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 72. 259 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 11 f. 260 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 146.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

381

Tabelle 58 Grundfinanzierung der Gemeinden durch den Gesamtstaat 2003261 Verteilungskriterien Gebietsgemeinden

Mio. e

%

2.148

92

317

14

1.444

62

Sockelfinanzierung

die gleiche Summe (~ 1 Mio. e) für jede Gebietsgemeinde

Aufgabenfinanzierung – jährliche Veränderungen gedeckelt

Bevölkerung, Jugendliche, Einkommen, Anzahl der Ortsgemeinden, Meereshöhe und Fläche

Ausgleichsfinanzierung

Unterdurchschnittliches kommunales Steueraufkommen sowie Lebensstandard der Bevölkerung

387

16

Ortsgemeinden

25% der Mittel als Sockelfinanzierung, 50% nach Bevölkerung, 25% nach Fläche,

176

8

2.324

100

Gesamt

zu können, um dies als Steuerungsinstrument gegenüber Privaten zu nutzen.262 Insgesamt haben die Gemeinden kaum Möglichkeiten, ihre Ressourcen durch Erhöhung von kommunalen Steuern und Gebühren aufzubessern und sind daher auf die Finanzierung durch den Gesamtstaat angewiesen.263 Als Grundfinanzierung stehen den Gemeinden 30,5% der Mehrwertssteuer, der Einkommenssteuer und der Körperschaftssteuer zur Verfügung. Allerdings wirft die ANMP dem Gesamtstaat vor, die Vorgaben des Gemeindefinanzgesetzes regelmäßig nicht zu erfüllen.264 Die Grundfinanzierung hat sich, ausgehend von einem sehr niedrigen Niveau, in den letzten Jahren deutlich erhöht. In den 16 Jahren zwischen 1987 und 2003 wuchs sie jährlich um 25%.265 Die 16% Ausgleichsfinanzierung 261

http://www.dgaa.pt/Participa.htm 06/2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 11 f. 263 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 132. 264 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 9. 265 Direcção Geral da Administração Autárquica et al.: Descentralização e Desconcentração Administrativa. Serviços Pfflblicos básicos. Sistemas Municipais e Sistemas Multimunicipais, (Lisboa 2002). 262

382

Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

der Gebietsgemeinden, die nach sozialen Kriterien vergeben werden, erscheinen hingegen eher gering. Vor allem, da ja nur auf Ebene der Gebietsgemeinden ausgeglichen wird, auf Ebene der Ortsgemeinden hingegen die Unterentwicklung einer Gemeinde keine Rolle mehr spielt. Auch wenn durch die 25% der Mittel der Ortsgemeinden, die nach Fläche vergeben werden, tendenziell großflächige, ländliche Ortsgemeinden bevorzugt werden. Schon im Estado Novo gab es eine umfangreiche Einzelfinanzierung der Gebietsgemeinden durch den Gesamtstaat. Die Gebietsgemeinden hatten nur die allernotwendigsten Ressourcen. Größere Vorhaben bedurften immer der Ressourcen gesamtstaatlicher Akteure. Diese konnten nur erfolgreich in Anspruch genommen werden, wenn die Gebietsgemeinde gute Kontakte zur Einheitspartei, der Zentralverwaltung oder den Regierenden hatte. Erst dann flossen Einzelfinanzierungen für dringend benötigte Projekte.266 Heute sollte dies nur in Ausnahmefällen nach objektiven Kriterien möglich sein, die Praxis stellt sich aber anders dar. Schon bei der Grundfinanzierung ist der Teil, der von sozioökonomischen Faktoren abhängt, relativ anfällig für politische Einflussnahme. Als steuerungsrelevante Einzelfinanzierungen können das nationale Investitionsprogramm PIDDAC, die vom Gesamtstaat verwalteten EU-Mittel und die im Folgenden beschriebenen vertraglichen Einzelfinanzierungen angesehen werden.267 Nach Art. 7 Lei 42/1998 sind gesamtstaatliche Einzelfinanzierungen an die Gemeinden im Prinzip verboten, um deren finanzielle Autonomie nicht zu untergraben. Ausnahmen davon sind mehrere Arten von vertraglichen Einzelfinanzierungen, die in Form öffentlich-rechtlicher Verträge für bestimmte Projekte abgeschlossen werden. Diese müssen mindestens enthalten: Projektziele mit Zeitplan, Rechte und Pflichten der beteiligten Akteure, Kontrollmechanismen und Vertragsstrafen. Contratos-Programa schließen seit Beginn der 1990er-Jahre neben der DGAA auch noch viele andere gesamtstaatliche Akteure mit Gebietsgemeinden, Ortsgemeinden sowie deren Gemeindeverbänden ab. Sie sollen der Förderung regionaler und lokaler Entwicklung dienen und werden im Staatsanzeiger veröffentlicht. Normalerweise liegt die maximale Finanzierungsbeteiligung des Gesamtstaates bei 60%. Ist das Projekt Teil eines regionalen Entwicklungsplans (PDR), kann die gesamtstaatliche Beteiligung bis 80% steigen, wenn das Projekt auf Initiative des Gesamtstaates begon266 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 8. 267 Lopes, Fernando Farelo: Descentralização e Práticas Clientelares na Democracia Portuguesa [in: Territórios alternativos, Nº 1, Set.-Out. 2000, S. 37–46, 2000] S. 45.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

383

Tabelle 59 Einzelfinanzierungsverträge der Generaldirektion für Gemeindeangelegenheiten-DGAA268 Einzelfinanzierungsverträge

Beschreibung

Contratos-Programa270

Investitionsverträge – für Projekte deren Volumen ein Fünftel des kommunalen Jahreshaushalts übersteigt

Acordos de Colaboração

Kooperationsverträge für kleinere Projekte

Protocolos de Moderniza- Verträge zur Verwaltungsmodernisierung ção Administrativa (Fortbildung, EDV) Auxílios Financeiros

Finanzhilfen zur Neugründung einer Gemeinde, bei Naturkatastrophen oder negativen Auswirkungen gesamtstaatlicher Projekte

Anzahl 2003269 53

954 Einzelfälle

nen wird oder nicht in den alleinigen Zuständigkeitsbereich der Gebietsgemeinde fällt, auf 90%.271 Das INAG z. B. hatte 2000 bis 2002 mit durchschnittlich 19 Mio. e p.a. über Contratos-Programa dutzende kommunale Projekte im Bereich der Wasserwirtschaft mit Sätzen zwischen 10% und 90% gefördert.272 Contratos-Programa werden in allen Zuständigkeitsbereichen der Gebietsgemeinden eingesetzt: Sozialer Wohnbau, Renovierung von kommunalen Amtsgebäuden, Stadterneuerung, Bildung und Berufsausbildung, Umwelt und Gesundheitswesen.273 Wie die folgende Tabelle zeigt, dominiert insgesamt der Infrastrukturbereich. Die Zuerkennung von Fördermitteln über Contratos-Programa ist gesetzlich geregelt. Die Gemeinden stellen bei den CCDR Anträge und wenden sich bei komplizierteren Fragen auch an die DGAL. Diese übernimmt von den CCDR die regionale Reihung der Anträge und reiht die Projekte noch268

http://www.dgaa.pt/cooperação_técnica.htm 06/2003. Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-43. 270 „Contratos programa“ entsprechen ungefähr den französischen Investitionsverträgen contrat de programme. 271 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 77. 272 Instituto da Água (Hg.): Plano de Actividades 2000 (Lisboa 2000) S. 23. 273 http://www.dgaa.pt/cooperação_técnica.htm 06/2003. 269

384

Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Tabelle 60 Contratos-Programa zwischen dem Gesamtstaat und Gebietsgemeinden in der CCDR-Region Lissabon nach Verwendungszweck 1987–1997274 Verwendungszweck

Anteil an der Gesamtzahl der Verträge in %

Straßenbau

25

Trink- und Abwasser

23

Gemeindebibliotheken

14

Raumordnung

12

Kommunale Amtsgebäude

10

Infrastruktur für Großinvestitionen, Wirtschaftsförderung

6

Modernisierung Gemeindeverwaltung

5

Stadtteilserneuerung

4

Finanzhilfen in Notsituationen

1

Gesamt

100

mals auf nationaler Ebene, dann leitet sie die Liste an den zuständigen Staatssekretär weiter. Dieser akzeptiert in 95% der Fälle den Vorschlag der DGAL. Nur wenn die Projekte mit solchen der EU oder anderer Ministerien abgestimmt werden müssen, kann es größere Änderungen geben. Wenn eine Gemeinde nicht berücksichtigt wird, hat sie keine juristische Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Die CCDR begleiten und kontrollieren die Verwendung der Mittel.275 Ein Charakteristikum der Vergabe von Einzelfinanzierungen über Contratos-Programa ist, dass bisher die gesamtstaatlichen Akteure sich dabei untereinander kaum absprachen. So erfahren die CCDR nur von denjenigen Contratos, die auch von ihrem eigenen Ministerium abgeschlossen werden. Die Rolle eines Koordinators über die Grenzen der Ministerien hinweg haben die CCDR in diesem Bereich nie erreicht.276 Auch die Generaldirektion 274 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo et al. (Hg.): Cooperação Técnica e Financeira. Administração Central – Autarquias Locais (Lisboa 1998) S. 10. 275 Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. 276 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

385

für Gemeindeangelegenheiten erfuhr bisher von den Contratos-Programa anderer Generaldirektionen nur aus dem Staatsanzeiger. In Zukunft soll sie auf diese Informationen online Zugang nehmen können.277 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden fordert mehr Transparenz und Gerechtigkeit bei der Vergabe von Einzelfinanzierungen. Dies soll durch die offizielle Aufstellung klarer Vergabekriterien und die zusammenfassende Publikation aller Zuschüsse erreicht werden.278 Auch eine Interviewpartnerin einer CCDR meinte, dass es für die Vergabe von ContratosPrograma noch immer entscheidend ist, welche politischen Kontakte ein Bürgermeister hat.279 Eine Gesprächspartnerin von der DGAA verneinte dies allerdings und meinte, dass politische Gesichtspunkte dabei keine Rolle spielen.280 Durch die fehlende Transparenz über die abgeschlossenen Contratos-Programa281 und die fehlende Möglichkeit benachteiligter Gemeinden sich zu wehren, wird eine politische Vergabe jedenfalls herausgefordert und es wäre ungewöhnlich, wenn gesamtstaatliche Akteure dieses finanzielle Steuerungsinstrument nicht nutzen würden. Die Entscheidungsfreiheit der Gebietsgemeinden im eigenen Zuständigkeitsbereich wird jedenfalls seit Ende der 1980er-Jahre durch die gesamtstaatlichen Einzelfinanzierungen und die vom Gesamtstaat verwalteten EUTransfers stark eingeschränkt.282 Betroffen sind davon selbst Routineaufgaben im Kernbereich kommunaler Zuständigkeiten. Aus dieser finanziellen Abhängigkeit ergibt sich auch eine politische Abhängigkeit gegenüber der Regierung.283 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden hat die Praxis der Einzelfinanzierungen immer scharf kritisiert, weil sie gegen die Gemeindeautonomie verstößt, und höhere allgemeine Zuweisungen nach allgemein akzeptierten Kriterien gefordert.284 Allein die Contratos-Programa umfassen 8% der kommunalen Haushalte, addiert man andere Einzelfinanzierungen und die von gesamtstaatlichen Akteuren verwalteten EU-Transfers hinzu, summieren sich diese Finanzierungsquellen auf rund 20% der kommunalen Haushalte. 277

Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2000–2001 (Strategie der ANMP 2000–2001), (6. Mai 2000). 279 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. 280 Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. 281 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 282 Lopes, Fernando Farelo: Descentralização e Práticas Clientelares na Democracia Portuguesa [in: Territórios alternativos, Nº 1, Set.-Out. 2000, S. 37–46, 2000] S. 41. 283 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 284 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003; Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 278

386

Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden Tabelle 61 Anteil von Contratos-Programa an den kommunalen Haushalten der Gebietsgemeinden 2001285

Finanzierungsquelle

Mio. e

%

Grundfinanzierung durch den Gesamtstaat

1.858

29

510

8

Gesamt Transfer Gesamtstaat

2.368

37

Andere Finanzierungsquellen (Gemeindesteuern, andere gesamtstaatliche Einzelfinanzierungen, EU-Transfers)

4.094

63

Gesamteinnahmen Gebietsgemeinden

6.462

100

Mittel aus Contratos-Programa mit gesamtstaatlichen Akteuren

Die Einzelfinanzierungen des Gesamtstaats führen dazu, dass Investitionen der Gemeinden nicht nach kommunalen Prioritäten getätigt werden. Entscheidend ist vielmehr, für welches Projekt eine Einzelfinanzierung des Gesamtstaats verfügbar ist.286 Außerdem führt der hohe Anteil gesamtstaatlicher Einzelfinanzierungen an einzelnen Projekten dazu, dass die Gebietsgemeinden selbst dann den Erhalt und die Ausgabe gesamtstaatlicher Ressourcen anstreben, wenn dies mit geringem Nutzen für die eigene Bevölkerung verbunden ist.287 Einzelfinanzierungen werden von gesamtstaatlichen Akteuren auch eingesetzt, um die normative Steuerung der Gemeinden zu ergänzen. Seit 1992 erhalten z. B. nur diejenigen Gemeinden Einzelfinanzierungen, die einen gültigen Flächenwidmungsplan vorweisen können.288 Allerdings gibt es auch Einzelfinanzierungen, die keinen Steuerungszweck gegenüber einzelnen Gemeinden verfolgen. Mit dem Programm FORAL etwa fördert der Gesamtstaat die Fortbildung von 140.000 kommunalen Beschäftigten.289 285

http://www.dgaa.pt/desp_receit_geral.htm 06/2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 9. 287 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 12. 288 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 11. 289 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-42. 286

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

387

Die Finanzielle Steuerung der Gemeinden über Einzelfinanzierungen ist sicherlich wirksam und erlaubt dem Gesamtstaat, seine Steuerungsziele zu erreichen. Allerdings gehen dabei lokale Information und politische Selbstständigkeit der Gemeinden verloren. Außerdem wird die Kompetenzverteilung zwischen Gemeinden und gesamtstaatlichen Akteuren aufgeweicht. Die Politiker des Gesamtstaates erhalten durch diese Art der finanziellen Steuerung in Kompetenzfragen eine Flexibilität zurück, die sie rechtlich sonst nicht hätten. Die Praxis der Einzelfinanzierungen nimmt also den Gebietsgemeinden ein Stück weit die Möglichkeiten, ihre eigenen Kompetenzen selbständig auszuüben.290 Aber Investitionsverträge werden nicht nur im Bereich der ausschließlichen oder mit dem Gesamtstaat geteilten Zuständigkeiten der Gebietsgemeinden abgeschlossen, sondern auch in Bereichen ausschließlicher Zuständigkeit des Gesamtstaates. Die Gebietsgemeinden sehen sich Pressionen des Gesamtstaates ausgesetzt, sich an dessen Projekten finanziell oder durch Sachleistungen wie Überlassen von Maschinen und Personal zu beteiligen. Dies ist beim Bau, der Erhaltung und der Pflege von gesamtstaatlichen Schulen, Spitälern oder Gerichtsgebäuden der Fall.291 Ist z. B. eine bestimmte Gebietsgemeinde an einem neuen Krankenhaus interessiert, muss sie sich im Rahmen eines Contrato-Programa an der Errichtung beteiligen und den Gesamtstaat so zur Realisierung des Projekts bewegen, ohne dass diese Ausgaben eigentlich in ihrer Zuständigkeit liegen würden. Außerdem werden Gebietsgemeinden unter Druck gesetzt, gratis für gesamtstaatliche Projekte Grundstücke zur Verfügung zu stellen, deren Wert auch im Vergleich zur jährlichen Grundfinanzierung der Gebietsgemeinden durch den Gesamtstaat erheblich ist. In umgekehrten Fällen verrechnen gesamtstaatliche Akteure den Gebietsgemeinden für Grundstücke Marktpreise.292 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden bezeichnet diese Praktik als gesetzes- und verfassungswidrig sowie als unmoralisch.293 Auch die Generalinspektion für Finanzen hat diese Praktiken bereits als illegal qualifiziert.294 290 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 69 Jänner 1999. 291 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 29. 292 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 25. 293 Ibid. S. 24; Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 294 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 69 Jänner 1999.

388

Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

2. Finanzielle Steuerung Obwohl sich der Anteil der Gemeinden an den Ausgaben der staatlichen Akteure in den letzten Jahren stetig erhöht hat, war dies nicht in gleichem Maße von größerer finanzieller Entscheidungsfreiheit gegenüber dem Gesamtstaat begleitet.295 Die Gemeinden sind nach wie vor von Entscheidungen des Gesamtstaats im finanziellen Bereich massiv betroffen, ohne dass sie diese wirklich beeinflussen könnten. In finanziellen Fragen ist ihre Verhandlungsmacht gegenüber dem Gesamtstaat nach wie vor gleich Null.296 Der beste Weg für kommunale Mandatsträger, die Interessen ihrer Gemeindebürger zu vertreten, ist eine Berücksichtigung dieser Interessen durch gesamtstaatliche Akteure herbeizuführen. Letztlich müssen sie sich als geschickte Organisatoren gesamtstaatlicher Ressourcen erweisen, um erfolgreich zu sein.297 Als Gegenleistung müssen sie die Steuerung durch den Gesamtstaat akzeptieren. Vor diesem Hintergrund wurde das Handeln der Gemeinden vom Gesamtstaat bisher am erfolgreichsten über Finanzen gesteuert. Der Gesamtstaat steuert die Gemeinden im finanziellen Bereich auch durch die detaillierte Vorgabe der Budgetierungsregeln in DL 54-A/1999. Dadurch ist für ihn die Gebarung der Gemeinden transparenter und damit die Kontrolle einfacher geworden.298 Beim Finanzministerium ist als Kontrollorgan die Inspecção-Geral das Finanças eingerichtet. Die Kontrolle wird allerdings durch verspätete Weiterleitung von Informationen abgeschwächt und wirksame Sanktionen gegen Gemeinden mit zu hohen Ausgaben gibt es bisher nicht. Ebenso fehlt in Portugal bisher ein Gesetz, das Gebietsgemeinden und Gesamtstaat bei der Erreichung des EURO Stabilitätspakts koordiniert.299 Daneben unterliegen die Gebietsgemeinden der Kontrolle durch den Rechnungshof, wobei die ex-ante-Prüfung durch den Rechnungshof mit Lei 295 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 85. 296 Barreto, António: As Freguesias e a Regionalização, S. 43–51 [in: ANAFRE, Associação Nacional de Freguesias. (Hg.): Papel das Freguesias na Administração Portuguesa, (Benedita 1990)] S. 45. 297 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 86. 298 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 51 u. 117. 299 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 14.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

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98/1997 stark eingeschränkt wurde. Sie existiert noch bei Kreditaufnahmen, bei Rechtsgeschäften der Gebietsgemeinden, die einen bestimmten Wert übersteigen und bei der Einstellung von neuem Personal. Geprüft wird sowohl die Rechtmäßigkeit als auch die etwaige Überschreitung von Ausgabegrenzen.300 Diese ex-ante-Genehmigung durch den Rechnungshof verzögert in der Praxis manche Projekte empfindlich.301 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden argumentiert gegen jede ex-ante Kontrolle: Eine nachträgliche Kontrolle des Rechnungshofs sei ausreichend und illegale Verträge könnten ohnehin im normalen Zivilprozess angefochten werden.302 Außerdem ermöglicht die Rechtslage dem Rechnungshof eine meritorische Prüfung des Gemeindegebarens, die weit über eine normale Rechtsaufsicht hinausgeht.303 Wie in anderen Politikfeldern findet auch in den Bereichen Umweltschutz und Raumordnung finanzielle Steuerung vor allem der Gebietsgemeinden durch den Gesamtstaat statt. So erfolgte Erneuerung und Ausbau der kommunalen Abwasseraufbereitungsanlagen in den Jahren 1996 bis 1999 auf der Grundlage von „Kooperationsverträgen zur Umweltverbesserung“. Diese mussten die Gebietsgemeinden zu den Bedingungen des MAOT abschließen.304 Auch im Bereich des Naturschutzes schlägt die Umweltschutzorganisation GEOTA eine begleitende finanzielle Steuerung vor. Gebietsgemeinden, deren Flächen vom Gesamtstaat als Naturschutzgebiete gewidmet werden, sollen eine Entschädigung erhalten und dadurch für den Naturschutz gewonnen werden.305 Die Steuerung der raumordnerischen Entscheidungen der Gebietsgemeinden erfolgt vor allem über die Investitionsprogramme des Gesamtstaates und des von ihm kontrollierten finanziellen EU-Förderrahmens (QCA). Diese finanzielle Steuerung hat für den Gesamtstaat umso größere Bedeutung, als ein nationaler Raumordnungsplan fehlt, der die übrigen Pläne integrieren könnte.306 300 Bravo, Ana Bela Santos et al.: Autarquias Locais. Descentralização e Melhor Gestão (Lisboa 2000) S. 53. 301 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 302 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 81 Februar/Mai 2000. 303 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 8. 304 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 9. 305 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 306 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Eine Förderung der Raumordnungspläne durch finanzielle Steuerung ist in Art. 82 DL 380/1999 vorgesehen. Der Gesamtstaat hat dadurch die Möglichkeit, den Zugang zu Einzelfinanzierungen davon abhängig zu machen, ob eine Gebietsgemeinde ihre Raumordnungspläne korrekt erstellt. In die bisher kommunale Stadterneuerung greift der Gesamtstaat durch das Polis-Programm für Stadterneuerung und umweltpolitische Maßnahmen ein. Es ist ein gutes Beispiel für die finanzielle Steuerung des Gesamtstaats mit Hilfe von Mitteln der EU, da es Ersterem überlassen blieb, 18 Gebietsgemeinden für das Programm auszuwählen. Die übrigen rund 300 Gebietsgemeinden wurden in das Programm nicht einbezogen. Das „Polis“ Programm wird von Aktiengesellschaften im Eigentum des Gesamtstaats und unter Beteiligung der betroffenen Gebietsgemeinden verwaltet.307 Finanzierung, Planung und Vollzug punktueller Bebauungspläne erfolgen durch den Gesamtstaat. Bauvorhaben der vollziehenden gesamtstaatlichen Aktiengesellschaften bedürfen keiner Genehmigung der Gebietsgemeinden. Nach Auffassung der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden stellt dieses Programm einen massiven Eingriff in die Gemeindekompetenzen dar. Sie fordert daher, dass den Gebietsgemeinden der Vollzug dieses Programms übertragen wird.308 3. Ortsgemeinden In der Vergangenheit erhielten die Ortsgemeinden ihre Ressourcen nicht direkt vom Gesamtstaat, sondern von ihrer jeweiligen Gebietsgemeinde. Die direkte Finanzierung durch den Gesamtstaat ohne die Zwischenschaltung der Gebietsgemeinden war eine langjährige Forderung der Ortsgemeinden. Sie wurde 1998 durch die Einrichtung eines Finanzierungsfonds für Ortsgemeinden (Fundo Financiamento de Freguesia – FFF) durch Lei 42/1998 erfüllt.309 Die Ortsgemeinden erhalten seither 8%, die Gebietsgemeinden 92% der gesamtstaatlichen Grundfinanzierung für Gemeinden, was den Bedeutungs307 Mendes, Joana: Programa Polis. Programa ou falta de programa para a requalificação das cidades? [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a.4n.1, S. 83–100, 2001] S. 87 ff. u. 96. 308 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 15; Mendes, Joana: Programa Polis. Programa ou falta de programa para a requalificação das cidades? [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a.4n.1, S. 83–100, 2001] S. 93. 309 Rosa do Egipto, José: A Revisão do Estatuto das Freguesias [in: Revista da Administração Local, N 168, S. 835–838, 1998] S. 837.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

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unterschied zwischen den beiden Gruppen kommunaler Akteure deutlich macht. Die Interessenvertretung der Ortsgemeinden fordert folglich auch eine Erhöhung des Anteils der Ortsgemeinden, außerdem eine Gleichstellung mit den Gebietsgemeinden in Bezug auf geförderte gesamtstaatliche Kredite und den Zugang zu EU-Mitteln.310 Ähnlich wie bei den Gebietsgemeinden existiert auch eine gesamtstaatliche Einzelfinanzierung für die Ortsgemeinden. Tabelle 62 Finanzierung der Ortsgemeinden durch den Gesamtstaat 2003311 Finanzierungsquelle

Mio. e

%

Grundfinanzierung (FFF)

176,0

90

12,5

7

4,9

3

193,4

100

Einzelfinanzierungen Zuschüsse zu Gehältern von Mandatsträgern Gesamt

Zwar fordern die Ortsgemeinden mehr finanzielle Autonomie und weniger Abhängigkeit von Einzelfinanzierungen durch die Gebietsgemeinden und den Gesamtstaat,312 allerdings dienen eher die Einzelfinanzierungen durch die Gebietsgemeinden als Steuerungsinstrument als die Einzelfinanzierungen des Gesamtstaats. Letzterer wählte 2002 nicht einige Projekte der Ortsgemeinden gezielt für Einzelfinanzierungen aus, sondern genehmigte alle und finanzierte sie zu einem geringeren Prozentsatz.313 Der Gesamtstaat verfolgt hier also nicht das Ziel der Steuerung über Finanzen, sondern bezweckt mit Einzelfinanzierungen eher die Stärkung dieser kommunalen Akteure durch die Renovierung ihrer Amtsgebäude und die Modernisierung ihrer Bürotechnik.314 Beispielsweise müssen die Ortsgemeinden in Zukunft nach einheitlichen Regeln (POCAAL) bilanzieren, um ihre Finanzgebarung besser steuerbar zu machen. Dazu muss der Gesamtstaat sie aber zuerst in der Anschaffung von Computern unterstützen.315 Da die Mittel für diese 310 Associação Nacional de Freguesias: Moção de Estratégia do oito congresso da ANAFRE (Strategiepapier vom 8. Kongress der ANAFRE), (28. Mai 2002). 311 http://www.anafre.pt/anafre/anafre_informa/informa2002.html 07/2003. 312 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 25. 313 Curto, Maria Helena dos Santos Lopes: Interview am 8. Juli 2003. 314 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Ausrüstung mit Computern großteils von der EU kommen, ist das ein Beispiel für eine Stärkung des Gesamtstaats gegenüber anderen portugiesischen Akteuren durch die EU. Allgemein steht auch das Instrument der Investitionsverträge (contratosprogramas) seit 1995 den Ortsgemeinden offen, wobei die Initiative dazu von diesen ausgehen muss und gemeinsame Anträge mehrerer Ortsgemeinden bei der Genehmigung bevorzugt werden.316 Eigentlich sollte das MAOT mit dem jeweiligen Fachminister die Leitlinien für die Einzelfinanzierungen der Ortsgemeinden per Verordnung für ein Finanzjahr festlegen, was aber bislang unterblieb.317

IV. Steuerung der Gemeinden bei den überörtlichen Infrastruktursystemen Die Umgestaltung der kommunalen portugiesischen Wasser- und Abfallwirtschaft durch die Einführung überörtlicher Infrastruktursysteme soll das Zusammenspiel verschiedener Steuerungsebenen bei der Steuerung von Gebietsgemeinden durch den Gesamtstaat zeigen. 1. Überörtliche Infrastruktursysteme Am Ende des Estado Novo waren die Verhältnisse in der portugiesischen Wasser- und Abfallwirtschaft vormodern. In den folgenden Jahren unternahmen die Gebietsgemeinden auch unter freiwilliger Mitarbeit aus der Bevölkerung erhebliche Anstrengungen, um die Situation zu verbessern, wozu der Gesamtstaat damals organisatorisch und finanziell nicht in der Lage gewesen wäre. Vom Ende des Estado Novo bis 1990 kümmerten sich allein die Gebietsgemeinden um die Infrastruktur im Trinkwasser- und Abwasserbereich. Selbst mit Hilfe erster EU-Mittel hatten am Ende dieser Periode nur 77% der Bevölkerung fließendes Trinkwasser im Haus und nur 21% der Abwässer wurden gesammelt und geklärt.318 Erst Anfang der 1990er-Jahre übernahm der Gesamtstaat die Kompetenzen für die überörtliche Wasser- und Abfallwirtschaft.319 Die ANMP ist der Meinung, dass diese Kompetenzen den Gebietsgemeinden hätten verbleiben 315

Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. DL 219/1995. 317 http://www.dgaa.pt/cooperação_técnica.htm 06/2003. 318 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 161. 319 http://www.diramb.gov.pt/data/basedoc/TXT_LN_7518_1_0028.htm 02/2005. 316

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

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sollen, die nach wie vor in der Lage gewesen wären, sie gut auszuüben.320 Mit Lei 372/1993 und Lei 379/1993 wurde aber Privaten der Zugang zur Wasser- und Abfallwirtschaft geöffnet. Gleichzeitig wurde die Gründung von überörtlichen und kommunalen Infrastruktursystemen ermöglicht und die Gründung kommunaler Eigenbetriebe eingeschränkt.321 Die Entwicklung seither hat diesen ganzen Sektor weitgehend verändert: Früher gab es viele kleine kommunale Infrastruktursysteme, die mit gesamtstaatlicher Unterstützung gebaut und von den Gebietsgemeinden selbst betrieben wurden. Heute sind Wasser- und Abwasserwirtschaft für Privatunternehmen zugänglich und es dominieren überörtliche Infrastruktursysteme. Letztere wurden geschaffen, um die Zusammenarbeit von gesamtstaatlichen Akteuren und den Gebietsgemeinden sowie die Beteiligung von Privatunternehmen zu erleichtern. Außerdem wurde mit Lei 58/1998 eine neue Form kommunaler Unternehmen geschaffen, welche die Beteiligung von gesamtstaatlichen Akteuren, Gebietsgemeinden und deren Verbänden sowie Privatunternehmen ermöglicht. Der Umbau dieses ganzen Politikfelds wurde dem Gesamtstaat allerdings erst durch die EU-Mittel möglich.322 „Überörtliche Infrastruktursysteme“ (sistemas multimunicipais) umfassen das Gebiet von mehreren Gebietsgemeinden und werden wegen ihrer regionalen Bedeutung hauptsächlich vom Gesamtstaat finanziert. Sie haben Rechtspersönlichkeit und werden durch Gesetzesdekret der Regierung eingerichtet. Die von Gebietsgemeinden und Gebietsgemeindeverbänden gegründeten Infrastruktursysteme werden als „Kommunale bzw. interkommunale Infrastruktursysteme“ (sistemas municipais bzw. intermunicipais) bezeichnet. Ein wesentliches Merkmal beider Arten von Infrastruktursystemen ist, dass ihr Betrieb auf eine andere juristische Person übertragen sein kann. Außerdem können Infrastruktursysteme mehrere physisch voneinander unabhängige Infrastrukturen betreiben oder auch innerhalb eines Infrastruktursystems nur einen Teil der Versorgungs- oder Entsorgungskette abdecken.323 Infrastruktursysteme sind gemeinnützig und müssen damit sowohl öffentliche Interessen verfolgen als auch unternehmerisch effizient geführt werden.324 320

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 17. 322 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 56. 323 Lei 46/1977, DL 372/1993, Lei 88-A/1997. 324 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão 321

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

Betreiber können die Infrastruktursysteme selbst sein oder Gebietsgemeinden oder deren Verbände. Außerdem kann der Betrieb per Konzession an private Unternehmen bzw. auch öffentliche Unternehmen in Privatrechts- oder Anstaltsform übertragen werden. An diesen öffentlichen Unternehmen können wiederum der Gesamtstaat oder neben einer oder mehreren Gebietsgemeinden auch Privatunternehmen beteiligt sein.325 Um die Konzession zum Betrieb kommunaler Infrastruktursysteme können sich im Gegensatz zum Betrieb überörtlicher Infrastruktursysteme auch Privatunternehmen alleine bewerben. In der Praxis übernehmen meistens zwei Privatunternehmen die Konzession gemeinsam. Die Vertragsdauer beträgt zwischen 15 und 35 Jahre.326 Eine weitere Möglichkeit, die allerdings in der Praxis noch nicht erprobt wurde, ist die Übertragung an eine Vereinigung der Nutzer. Der Konzessionsnehmer arbeitet jedenfalls auf eigene Kosten und Risiko, hebt auch selbst die Gebühren ein. Er legt die Benutzungsregeln z. B. die genauen Grenzwerte bei der Einleitung industrieller Abwässer fest,327 muss diese aber an die Regionaldirektion für Raumordnung und Umweltschutz (DRAOT) zur Kontrolle melden.328 Die Vorteile solcher PPP-Betreibermodelle sind, dass die Gebietsgemeinden finanziell entlastet werden, die Infrastruktur weiterhin im Eigentum staatlicher Akteure steht, der Betrieb aber nach unternehmerischen Gesichtspunkten abläuft. Eventuell hätte ein portugiesisches Unternehmertum im Infrastrukturbereich entstehen können, allerdings stand der kleine innerportugiesische Markt multinationalen Unternehmen offen, welche seither starke Akteure im Infrastruktursektor sind.329 Es wurde zwar ein Regulierungsinstitut für Wasser- und Abfallwirtschaft (IRAR Instituto Regulador de Águas e Resíduos) gegründet, laut der Meinung des zuständigen MinisMunicipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 189. 325 Ibid. S. 194 f. 326 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 55. 327 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.2. 328 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 168. 329 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 193.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

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teriums war 2001 die Regulierung dieses neuen Sektors aber eine noch weitgehend ungelöste Aufgabe.330 Das Umweltministerium hat als zentralen Teil seines strategischen Planes für die Jahre 2000–2006 beschlossen, Infrastruktursysteme zu fördern, die erstens das Gebiet mehrerer Gebietsgemeinden umfassen und zweitens wie Privatunternehmen geführt werden. Dabei soll auf die Erfahrungen und die Strukturen vorhandener Gebietsgemeindeverbände zurückgegriffen werden. Ziel ist es, das ganze Land mit 32 überörtlichen Infrastruktursystemen zu überziehen, die alle mehrere Gebietsgemeinden umfassen und von denen mehr als die Hälfte Neugründungen wären. Ein Teil davon würde Ver- und Entsorgung en gros umfassen, ein Teil nur die Entsorgung.331 Mehrheitseigentümer soll jeweils eine gesamtstaatliche Gesellschaft sein, die restlichen Anteile an die Gebietsgemeinden gehen.332 Im Wesentlichen soll es nach diesen Plänen drei Betreibermodelle geben: überörtliche Infrastruktursysteme mit starkem gesamtstaatlichen Einfluss, in denen Eigentum und Betrieb zusammenfallen; Infrastruktursysteme, die von einem Gebietsgemeindeverband direkt betrieben werden oder solche, die von einem Gebietsgemeindeverband an eine Betreibergesellschaft übergeben werden. Nach Meinung des Ministeriums sind damit die notwendigen Bedingungen geschaffen, um die Beteiligung privater Unternehmen weiter auszubauen.333 Nicht zuletzt mit diesem Fernziel hatte die OECD in ihren Umweltberichten zu Portugal 1993 und 2001 vehement die Gründung überörtlicher Infrastruktursysteme gefordert.334 Bis 2002 wurden insgesamt 20 überörtliche Infrastruktursysteme gegründet. Da dies bei den beiden größten städtischen Ballungsräumen des Landes und am Algarve der Fall war, wird so deutlich mehr als die Hälfte der Bevölkerung von überörtlichen Infrastruktursystemen versorgt. Betrieben werden sie alle von konzessionierten Betreibergesellschaften in öffentlichem Eigentum. Weitere derartige Infrastruktursysteme sind in Portugal in Pla330

Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.2. 331 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 49 ff., 54. 332 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 165. 333 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 54. 334 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 69.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

nung,335 wobei überörtliche Infrastruktursysteme eher im Bereich stark besiedelter und urbanisierter Gebietsgemeinden gegründet werden sollen, dünner besiedelte Gebietsgemeinden werden eher bei kommunalen Infrastruktursystemen bleiben, eventuell in Kooperation mit Nachbargemeinden.336 Bei den überörtlichen Infrastruktursystemen im Bereich der CCDR Lisboa e Vale do Tejo sind gesamtstaatliche Unternehmen jeweils Mehrheitseigentümer von 51%, die Gebietsgemeinden halten 49%.337 Nach der Rechtslage muss die öffentliche Hand auf jeden Fall die Mehrheit an diesen Gesellschaften halten. Bisher haben sich private Unternehmen am Eigentum von überörtlichen Infrastruktursystemen noch nicht beteiligt, obwohl dies die Regierung für die Zukunft wünscht.338 2005 sollte schließlich die gesamtstaatliche ADP-Águas de Portugal zu 49% privatisiert werden, welche sieben überörtliche Infrastruktursysteme betreibt. Mit den Erlösen soll die weitere Modernisierung des Sektors betrieben werden.339 Damit würde erstmals nicht nur der Betrieb, sondern auch das Eigentum an der Infrastruktur privatisiert werden. 2. Investitionen und Finanzierung Um die Ziele des EU-Rahmenprogramms 2000–2006 in der portugiesischen Wasserwirtschaft (95% Versorgung, 90% Entsorgung) zu erreichen, waren in diesen sechs Jahren 4,2 Mrd. e notwendig, wobei 40% für die Versorgung, der Rest für die Entsorgung ausgegeben werden sollten. Wollte man aber zusätzlich die Qualität verbessern, die Leitungsverluste reduzieren und aufbereitete Abwässer wieder verwenden, wären 6 Mrd. e nötig.340 335 Direcção Geral da Administração Autárquica et al.: Descentralização e Desconcentração Administrativa. Serviços Pfflblicos básicos. Sistemas Municipais e Sistemas Multimunicipais, (Lisboa 2002). 336 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 191. 337 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Competências municipais reforçadas. Via de descentralização (Lisboa 1999) S. 132. 338 Direcção Geral da Administração Autárquica et al.: Descentralização e Desconcentração Administrativa. Serviços Pfflblicos básicos. Sistemas Municipais e Sistemas Multimunicipais, (Lisboa 2002). 339 http://www.correiomanha.pt/noticia.asp?id=109297&idselect=21&idCanal=21& p=94 17/2004. 340 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 56.

C. Steuerung der Gemeinden durch den Gesamtstaat

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4.240 Mio. EUR National- Andere staat Gemeinden 1% 5% 3% EU-Strukturfonds 12% Infrastruktur47% systeme

32% EU-Kohäsionsfonds

Grafik 4: Finanzierung der Infrastruktur für Trinkwasser, Abwasser und Abfall 2000–2006341

Sichtbar wird die finanzielle Bedeutung der Infrastruktursysteme von 47%. Diese finanzieren sich über Nutzungsgebühren und die Beteiligung von Privatunternehmen am Betrieb. Hinzu kommen Kreditaufnahmen, welche dem Staatshaushalt nicht zur Last fallen, weil sie von den Infrastruktursystemen getätigt werden. Etwa gleich wichtig sind mit 46% Prozent die EU-Mittel. Einzelne Projekte werden vom Kohäsionsfonds im Schnitt mit 55% finanziert, dieser Finanzierungsanteil kann im dünn besiedelten Landesinneren höher sein, um den Endverbrauchern geringere Wassergebühren zu sichern. 3. Steuerung der Gebietsgemeinden Die direkte Beteiligung des Gesamtstaats an der Finanzierung dieses Strukturwandels ist mit 5% auffallend gering, sein Einfluss auf die Verwendung der EU-Mittel und damit auf das ganze Politikfeld aber erheblich. Auf diese Weise steuert der Staat z. B. die Entscheidung der Gebietsgemeinden, wie sie ihre Aufgaben im Bereich der Wasserinfrastruktur in Zukunft erfüllen werden. Das Ministerium betont zwar, dass es den Gebietsgemeinden freistünde, ob sie ihr Wassersystem selbst betreiben oder per Konzession an öffentliche oder private Unternehmen vergeben. EU-Mittel stehen aber nur 341

Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 171.

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Kap. 6: Interaktion zwischen Gesamtstaat und Gemeinden

für Projekte zur Verfügung, die im Einklang mit der staatlichen Planung (Strategieplan zur Wasserversorgung und Entsorgung) stehen. Das bedeutet, dass nur Großprojekte ab 10 Mio. e, die das Gebiet mehrerer Gebietsgemeinden betreffen, überhaupt zu einer Bewerbung zugelassen sind. Zusätzlich müssen sie sowohl Ver- als auch Entsorgung umfassen und schnell umgesetzt werden können. Damit kommen nur Projekte von überörtlichen Infrastruktursystemen und solche von Gebietsgemeindeverbänden in Frage.342 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden befürchtet, dass kommunale Infrastruktursysteme beim Zugang zu EU-Mitteln vom Ministerium benachteiligt werden, da dieses überörtliche Infrastruktursysteme wünscht. Das Ministerium bestreitet dies.343 Der Strukturwandel von kommunalen Infrastruktursystemen hin zu gesamtstaatlich dominierten, überörtlichen Infrastruktursystemen ist letztlich ein Zugriff des Gesamtstaats auf die bisherige kommunale Wasserwirtschaft – ermöglicht durch EU-Mittel und mit dem Ziel sich deren Verwaltung für den Gesamtstaat zu sichern. Schon 1994–1999 sicherte sich der Gesamtstaat durch die Konstruktion von überörtlichen Wassersystemen den Zugriff auf den Großteil der EU-Mittel in diesem Bereich, wobei die Kofinanzierung dieser Projekte durch die EU mit bis zu 85% besonders hoch war. Wenn Gebietsgemeinden ihre Anlagen in solche überörtlichen Infrastruktursysteme einbringen, werden den Gemeinden vom Gesamtstaat die Errichtungskosten abzüglich der EU-Förderungen ersetzt. Sollten diese Infrastruktursysteme nunmehr im Mehrheitseigentum des Gesamtstaats später einmal an Private veräußert werden, erhält der Gesamtstaat natürlich den vollen Marktwert seiner Anteile.344 Der Gesamtstaat eignet sich so die ursprünglich von den Gebietsgemeinden investierten EU-Mittel nachträglich wieder an.

342 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 59. 343 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 88 Januar 2001. 344 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 150, 162 u. 167.

Kapitel 7

Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren Die Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren ist ein sehr facettenreiches Thema. Deshalb können hier nicht alle Aspekte behandelt werden. Themen, wie die Qualität staatlicher Dienstleistungen staatlicher Akteure gegenüber Privaten werden nicht ausführlich behandelt. Folgende fünf zentrale Themen werden herausgegriffen: • Überblick über die normativen Grundlagen der Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren. • Probleme und Reformmöglichkeiten bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure • Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung • Interaktion zwischen Unternehmen und staatliche Akteuren • Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

A. Normative Grundlagen der Interaktion Eine wesentliche Funktion eines Rechtssystems besteht darin, die Interaktion zwischen staatlichen und privaten Akteuren zu regeln. Diese weit gespannte Aufgabe wird im folgenden Kapitel in drei Aspekten umrissen. Erstens werden normativ festgelegte allgemeine Prinzipien der Interaktion dargestellt, dann das System von Normen beschrieben und schließlich die Durchsetzung subjektiver Rechte von Privaten thematisiert.

I. Normativ festgelegte Prinzipien der Interaktion Den staatlichen Akteuren werden in den Art. 266, 267, 268 CRP die wesentlichen Prinzipien ihrer Interaktion mit den Privaten vorgegeben: • In Art. 266 Abs. 1 wird die Verfolgung öffentlicher Interessen unter Berücksichtigung der subjektiven Rechte der Privaten normiert. Das Legalitätsprinzip wird in Art. 266 Abs. 2 CRP ebenso verankert wie der

400

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Gleichheitssatz, die Verhältnismäßigkeit, die Gerechtigkeit und der bona fide Grundsatz. • Nach Art. 267 CRP müssen sich staatliche Akteure so organisieren, dass Bürokratie vermieden, Dezentralisierung erreicht und Bürgerbeteiligung ermöglicht wird. • In Art. 268 Abs. 1–3 werden den Bürgern Informationsrechte und den staatlichen Akteuren Publikations- und Transparenzpflichten auferlegt. Schließlich geben Art. 268 Abs. 4 u. 5 Grundzüge eines geordneten Verwaltungsrechtswegs vor: effektiver Rechtsschutz von subjektiven Rechten und rechtlich geschützten Interessen, Aufhebung von entgegenstehenden oder Erlass von notwendigen individuellen und generellen Rechtsakten, vorläufiger Rechtsschutz. Zwar sollen diese Prinzipien eindeutig das Handeln staatlicher Akteure zum Schutz Privater regeln, aber solche Prinzipien kommen auch den staatlichen Akteuren zugute: Sie disziplinieren die staatlichen Akteure auch in ihrem Verhältnis untereinander, indem sie etwa zur Einhaltung von Zuständigkeiten zwingen oder Entscheidungen auch für andere staatliche Akteure vorhersehbarer machen. Außerdem ermöglichen sie der politischen Ebene eine praxisnahe Kontrolle der Dienststellen vor Ort durch die Bürger. In einzelnen Materiengesetzen werden diese verfassungsrechtlichen Normierungen der Interaktion zwischen staatlichen und privaten Akteuren konkretisiert. So normiert Art. 5 lit. e – i Raumordnungsrahmengesetz1 vier Prinzipien für das Verhältnis zwischen staatlichen und privaten Akteuren: Gleichheitssatz in der Verteilung von raumordnerischen Vorteilen und Belastungen durch die staatlichen Akteure auf einzelne Bürger; Bürgerbeteiligung einschließlich Informationsrechte über laufende Raumordnungsverfahren; das Prinzip der Kooperation durch Verträge zwischen staatlichen und privaten Akteuren, um die Raumordnungspläne umzusetzen; Vertrauensschutz in bestehende Raumordnungspläne und Bebauungsrechte;

II. System der Normen Systeme von Normen sollen in Rechtsstaaten überall ähnliche Bedingungen erfüllen: Klare Definition der einzelnen Normtypen und Beschränkung der Anzahl der Typen auf das rechtspolitisch Notwendige; eine klare Normenhierarchie durch klare Anwendungs- und Derogationsregeln; eindeutige Voraussetzungen für das Zustandekommen von Normen wie z. B. konstitutive Bezeichnung oder bestimmte Mehrheiten in bestimmten Organen. In Portugal werden diese Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt. Der Stu1

Lei 48/1998 – die Prinzipien werden dann in DL 380/1999 näher ausgestaltet.

A. Normative Grundlagen der Interaktion

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Tabelle 63 Arten von Normen2 Norm

Bemerkung

Lei constitucional (Verfassungsgesetz)

Von der Nationalversammlung mit 2/3 oder 4/5 Mehrheit erlassen, konstitutive Bezeichnung, Inkorporationsgebot

Leis de valor reforçado (Höherrangige Gesetze): • Lei orgânica (Staatsorganisatorisches Gesetz) • Lei de autorização (Autorisierungsgesetz)

Gruppe von Normen zwischen Verfassungsrecht und einfachen Gesetzen: • Gesetze, welche die Staatsorganisation betreffen

• Lei de Base (Rahmengesetz)

• Überträgt eine der Nationalversammlung vorbehaltene rechtssetzende Zuständigkeit auf die Regierung • Enthält inhaltliche Vorgaben für andere Gesetze

Lei (Einfaches Gesetz)

Von der Nationalversammlung mit einfacher Mehrheit erlassen

Decreto-Lei (Gesetzesdekret)

Von der Regierung als Kollegialorgan erlassen

Regulamento (Verordnung)

Von der Regierung einem Minister oder den Gebietsgemeinden erlassen; gültig für staatliche und private Akteure; verschiedene Bezeichnungen

Lei Regional (Regionalgesetz)

Von der Regionalversammlung der autonomen Inselregionen erlassen

fenbau der Rechtsordnung ist unnötig komplex und aus der Verfassung nicht restlos zu klären, wenn auch die wesentlichen Arten generell abstrakter Normen in Art. 112 CRP aufgezählt sind. Auch werden die Begriffe nicht einheitlich verwendet. So sind in Art. 278 Abs. 1 CRP Gesetze und Gesetzesdekrete unter dem Oberbegriff „decreto“ zusammengefasst.3 Eine Begriffsbildung an zentraler Stelle der Verfassung, die systematisch aber sonst keine Rolle spielt. Der Begriff „regulamento“ wird in Art. 112 Abs. 6 CRP als Überbegriff für Verordnungen der Exekutive verwendet und im selben Artikel in Absatz 7 als Unterbegriff. 2 Miranda, Jorge et al. (Hg.): Constituição Portuguesa Anotada. Tomo II (Coimbra 2006) Artigo 112º Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 54. 3 Art. 278 Abs. 1 CRP: O Presidente da Repfflblica pode requerer ao Tribunal Constitucional a apreciação preventiva da constitucionalidade . . . de decreto que lhe tenha sido enviado para promulgação como lei ou como decreto-lei . . .

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Der jüngste Verfassungskommentar von Jorge Miranda breitet die Komplexität der Materie deutlich aus.4 An dieser Stelle sollen nur kurze Orientierungen gegeben werden, da die Details für das Thema der Arbeit keine Bedeutung haben und bei den großen allgemeinen Vollzugsdefiziten in Portugal die praktische Bedeutung dieser schlecht strukturierten dogmatischen Nuancen ohnehin fraglich ist. 1. Verfassungsgesetze (Leis constitucional) Die Verfassung wurde 1976 von der verfassungsgebenden Nationalversammlung einschließlich jeder Menge sozialistischer Rhetorik verabschiedet. Sie kann seither alle fünf Jahre mit einer zwei Drittel Mehrheit abgeändert werden, dazwischen nur mit einer vier Fünftel Mehrheit. Trotz dieser Hürden für eine Verfassungsänderung haben bis 2005 sieben Reformen stattgefunden, wodurch sich die Verfassung im Laufe der Jahre immer mehr von ihren revolutionären Ursprüngen entfernte: 1982 wurde der Revolutionsrat abgeschafft, ein Verfassungsgericht eingerichtet und ideologisches Vokabular gestrichen. Die Verfassungsreform 1989 brachte eine wirtschaftliche Wende und war eine Reaktion auf den EU-Beitritt: weitreichende Privatisierungen, ein Abrücken von der Landreform, der Beitritt zur Währungsunion und die Stärkung der Rechte von Unionsbürgern in Portugal. In den Jahren 1992 und 1997 wurde die Verfassung an die Verträge von Amsterdam und Maastricht angepasst, außerdem das Wahlrecht für Auslandsportugiesen erweitert, die allgemeine Wehrpflicht abgeschafft und Volksbefragungen und Volksabstimmungen eingeführt. Auch die Möglichkeit einer Regionalisierung wurde in die Verfassung aufgenommen. Im Jahr 2001 musste die Verfassung geändert werden, um den Vertrag über den internationalen Strafgerichtshof innerstaatlich umzusetzen. Die Verfassungsänderung 2004 brachte durch Lei Constitucional 1/2004 eine Änderung des Medienrechts, eine Erweiterung damit in Zusammenhang stehender Grundrechte sowie eine Erweiterung der Autonomie der autonomen Inselregionen. Die vorerst letzte Verfassungsänderung ermöglicht seit 2005 eine Abstimmung über eine Verfassung der Europäischen Union. Wie in anderen Ländern auch haben mehr als zwei Drittel der Portugiesen noch nie einen Teil der Verfassung gelesen und können mit ihrer Verfassung inhaltlich nichts anfangen.5

4 Miranda, Jorge et al. (Hg.): Constituição Portuguesa Anotada. Tomo II (Coimbra 2006). 5 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 15 ff. u. 19.

A. Normative Grundlagen der Interaktion

403

2. Höherrangige Gesetze (Leis de Valor Reforçado) Zwischen der Verfassung und den einfachen Gesetzen stehen in Portugal eine Reihe besonderer Gesetzesarten, deren Charakteristika man aus der Verfassung und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts ableiten kann. Sie werden als „leis de valor reforçado“ (Höherrangige Gesetze) bezeichnet. Es sind dies Gesetze, die der zwei Drittel Mehrheit in der Nationalversammlung bedürfen, solche die Voraussetzung für den Erlass von Gesetzesdekreten sind oder solche, die anderen einfachen Gesetzen derogieren.6 • So gibt es „leis orgânicas“ (Staatsorganisatorische Gesetze), die nach Art. 278 Abs. 4 CRP einer stärkeren präventiven Kontrolle durch das Verfassungsgericht unterworfen sind und einige derjenigen Bereiche betreffen, in denen die Regierung nach Art. 166 Abs. 2 CRP keine Gesetzesdekrete erlassen darf (z. B. Wahlrecht, Staatsbürgerschaftsrecht, Landesverteidigung, politische Parteien). Sie wurden 1989 nach französischem Vorbild eingeführt.7 • „Leis de autorização“ (Autorisierungsgesetz) oder „Leis de base“ (Rahmengesetze mit inhaltlichen Vorgaben) dienen nach Art. 165 Abs. 2 iVm Art. 198 Abs. 3 CRP als Ermächtigung der Nationalversammlung an die Regierung in bestimmten Materien Gesetzesdekrete zu erlassen. Sie werden von der Regierung mit einem Decreto Lei de Desenvolvimento (Ausführendes Gesetzesdekret) umgesetzt. • Auch die „Estatutos das regiões autónomas“ („Verfassung“ der autonomen Inselregionen) zählen zu den höherrangigen Gesetzen. Sie werden nach Art. 225 CRP von der Nationalversammlung beschlossen und regeln das politische System der Inselregionen und ihre Beziehung zu gesamtstaatlichen Akteuren. • Nach Art. 168 Abs. 6 CRP bedarf eine Reihe von Gesetzen der zwei Drittel Mehrheit in der Nationalversammlung: Gesetz über die Regulierung der Medien, über Wahlen und die Rechte der Sicherheitskräfte. 3. Einfache Gesetze (Leis) In gewissen Politikfeldern kann nur die Nationalversammlung und nicht die Regierung Normen erlassen, da hier die Gesetzesform zwingend vorgeschrieben ist. Beispiele dafür sind: Wahlrecht, Verfassungsgerichtsbarkeit, Streitkräfte und Geheimdienste, Parteiensystem, Haushalt und strategische 6

Ibid. S. 56 ff. Miranda, Jorge et al. (Hg.): Constituição Portuguesa Anotada. Tomo II (Coimbra 2006) Artigo 112º, XXIII. 7

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Pläne. Außerdem kann die Nationalversammlung die legislative Tätigkeit der Regierung in drei Stufen unterschiedlich stark beeinflussen. In gewissen in der Verfassung festgelegten Politikfeldern kann die Nationalversammlung per Gesetz die Gesetzesdekrete der Regierung beliebig stark vorherbestimmen. In anderen die Grundzüge (regime geral) festlegen und schließlich bloß die Grundlagen (bases gerais).8 4. Gesetzesdekrete (Decretos-Lei) Die portugiesischen Decretos-Leis (Gesetzesdekrete) werden von der Regierung auf Grund der Verfassung erlassen und bedürfen keiner einfachgesetzlichen Ermächtigung. Sie entsprechen damit den französischen „règlements autonomes“. Nach Art. 198 CRP kann die Regierung nur in denjenigen Materien keine Decretos-Leis erlassen, die ausdrücklich der Nationalversammlung vorbehalten sind. Decretos-Leis machen rein quantitativ etwa ein Drittel der gesamten Normproduktion aus. Vor allem bei Einparteienregierungen übertreffen Gesetzesdekrete in der Praxis die Gesetze an Häufigkeit und Wichtigkeit.9 5. Hoheitsakte mit generellem Adressatenkreis (Regulamentos) Regulamentos (= Verordnungen) stehen in der Normenhierarchie unter Gesetzen und Gesetzesdekreten und bedürfen einer Verordnungsermächtigung in einer dieser Normen. Die Ausprägungen sind vielfältig: resolução, portaria, despacho normativo, decreto regulamentar, resolução do conselho dos ministros. Verordnungen können von Ministern und von dazu beauftragten Staatssekretären erlassen werden. Auch staatliche Institute und Gesellschaften können Verordnungen erlassen, wenn sie in ihrem Gründungsakt dazu ermächtigt werden. Allerdings kommt es häufig zu einer Ausweitung der Verordnungstätigkeit in Materien, die eigentlich per Gesetz oder Gesetzesdekret geregelt werden müssten. Dadurch sind die Grenzen zwischen Gesetzesdekreten und Verordnungen verwischt. Oft werden rein interne Angelegenheiten der Verwaltung durch Gesetzesdekret geregelt oder Materien, die eigentlich der Form des Gesetzesdekrets bedürften, als Verordnung erlassen. Eine besondere Form nimmt das Decreto Regulamentar ein, das von der gesamten Regierung erlassen wird und vom Präsidenten ähnlich einem Gesetzesdekret beeinsprucht werden kann. Ähnlich ist die resolução do conselho dos ministros (Ministerratsbeschluss) einzuordnen. Insgesamt hat die Menge der Verordnungen in den letzten Jahren stark zugenommen.10 8 9

Ibid. S. 56 ff. Ibid. S. 56 ff.

A. Normative Grundlagen der Interaktion

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Die Gemeindeversammlungen von Gebiets- und Ortsgemeinden können Verordnungen erlassen, die den Gesetzen, Gesetzesdekreten und gesamtstaatlichen Verordnungen untergeordnet sind. Beispiele sind Steuerverordnungen der Gebietsgemeinden. 6. Hoheitsakte mit individuellem Adressatenkreis Der portugiesische „acto administrativo“ ist dem deutschen Verwaltungsakt in Konzeption und Verwendung recht ähnlich. Neben den Verwaltungsakten gibt es auch Verwaltungsverträge. Art. 179 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (Código do Procedimento Administrativo) gibt den Verwaltungsorganen das allgemeine Recht öffentlich-rechtliche Verträge abzuschließen, wenn dies nicht ausdrücklich untersagt ist. Ihre praktische Bedeutung ist insgesamt im Steigen begriffen.11 Da im portugiesischen Recht die staatlichen Akteure aber relativ frei in ihrer Formenwahl zwischen Verwaltungsakt, öffentlich-rechtlichem Vertrag und zivilrechtlichen Verträgen sind, gibt es eine Tendenz zur Flucht staatlicher Akteure ins Privatrecht.12 Dies zeigt sich auch in der Gründung von immer mehr juristischen Personen des Privatrechts (Stiftungen, Gesellschaften und Vereine).13 Zwar stellt das öffentliche Recht staatlichen Akteuren starke Eingriffsmöglichkeiten zur Verfügung, nimmt ihnen aber durch seine stärkere Formalisierung Entscheidungsfreiheit. Genauere Gestaltungsmöglichkeiten und höhere Flexibilität bietet hier das Privatrecht, dessen formelle Gleichheit der Vertragspartner staatliche Akteure durch ihre Ressourcenüberlegenheit zu ihren Gunsten nutzen können.

III. Durchsetzung subjektiver Rechte gegenüber staatlichen Akteuren Um die fundamentalen Grundrechte stand es in Portugal, der konzilianten Landeskultur entsprechend, immer vergleichsweise gut. So war Portugal das erste Land Europas, das 1867 bewusst die Todesstrafe abschaffte – die heutigen staatlichen Akteure in Portugal werden in den Berichten internationaler Menschrechtsorganisationen weitgehend positiv beurteilt.14 10

Ibid. S. 54 u. 59. Oliveira, Fernanda Paula (Hg.): Instrumentos de Participação Pfflblica em Gestão Urbanística (Coimbra 2000) S. 25. 12 Maçãs, Maria Fernanda: Os acordos sectoriais como um instrumento da política ambiental [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, ano 3, nfflmero 1, S. 37–54, 2000] S. 39. 13 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 88. 11

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Zwar war im Estado Novo die Menschenrechtslage in Bezug auf politische Grundrechte im Vergleich zu den heutigen europäischen Standards schlecht, aber dennoch weitaus besser als in anderen autoritären Staaten Europas oder Lateinamerikas der Nachkriegszeit. Ungleich mehr hatten Europäer jedenfalls bis in die 1980er-Jahre unter den massiven und systematischen Menschenrechtsverletzungen der totalitären sozialistischen Regime in Mittelosteuropa zu leiden. Nach dem Umsturz 1974 blieb dies in Portugal wegen der mangelnden persönlichen Erfahrung der Portugiesen mit dem realexistierenden Sozialismus weitgehend ausgeblendet: Der eigene „Faschismus“ wurde in schwärzesten Farben dargestellt, der fremde Sozialismus verharmlost. Eine Verfassungsgerichtsbarkeit15 gibt es in Portugal seit der Verfassungsänderung von 1982. In Art. 280 CRP wird den Bürgern ein eher schmaler Weg zu dieser Verfassungsgerichtsbarkeit in Gestalt einer konkreten Normenkontrolle eröffnet. Demnach kann das Verfassungsgericht angerufen werden, wenn ein Gericht in einem Verfahren die Anwendung einer Norm wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit verweigert oder einer der Prozessbeteiligten eine solche im Prozess behauptet hat. Gleiches gilt für den behaupteten Verstoß einer Norm gegen höherrangige Gesetze oder die Statuten der autonomen Inselregionen. Im Gegensatz zu fundamentalen Menschenrechten bleiben aber der effektive Rechtsschutz und die Durchsetzung subjektiver Rechte der privaten Akteure Kernprobleme im Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Schwierigkeiten gab es in Portugal z. B. mit langen Verfahrensdauern, welche zahlreiche Verurteilungen Portugals vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nach sich zogen. Die Schwächen des Justizsystems führten außerdem zu mangelndem Vertrauen der Bürger in den Staat insgesamt.16 Bei der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen objektiver Rechtsdurchsetzung und dem Schutz subjektiver öffentlicher Rechte wurde in Folge des EU-Beitritts eine Reihe von Fortschritten gemacht.17 1992 wurde das Verwaltungsgesetzbuch reformiert, das einen Vorgänger aus den 1930er-Jahren ablöste. Es veränderte auch in der Praxis die Arbeitsweise der Verwaltung und ihren Umgang mit den Bürgern. Dies war nicht zuletzt ein Erfolg von umfangreichen Schulungsmaßnahmen des Personals der staatlichen Akteure. Gleichzeitig bedienten sich die Bürger sehr 14 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 78. 15 Ausführungsgesetz Lei 28/1982. 16 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 77. 17 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003.

A. Normative Grundlagen der Interaktion

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schnell ihrer neuen Informationsrechte, die in Art. 100 des Verwaltungsgesetzbuchs als allgemeines Informationsrecht aller Beteiligten im weiteren Sinne festgelegt ist.18 Im Jahr 2001 wurde dann sowohl das verwaltungsgerichtliche Verfahren (Código de Processo nos Tribunais Administrativos = CPTA) als auch die Verwaltungsgerichtsorganisation (Estatuto dos Tribunais Administrativos e Fiscais = ETAF) durch Decreto 195/VIII und 196/VIII reformiert. Nach Art. 4 ETAF ist der Verwaltungsrechtsweg in folgenden Fällen eröffnet: Schutz der Grundrechte, der subjektiv öffentlichen Rechte und der gesetzlich geschützten Interessen, Rechtmäßigkeitskontrolle von Verordnungen und Verwaltungsakten, Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen, Amtshaftung, Organhaftung, Verletzung von Staatszielbestimmungen sowie Wahlgerichtsbarkeit; Den ordentlichen Rechtsweg ergänzt nach Art. 112 Abs. 2 CPTA eine Reihe von Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes. Neben dem Verwaltungsrechtsweg haben die Bürger die Möglichkeit, sich nach Art. 23 CRP über Handlungen staatlicher Akteure beim Provedor de Justiça zu beschweren, der ähnlich einem Ombudsmann daraufhin Empfehlungen an die betroffenen staatlichen Akteure ausspricht. Gewählt wird der Provedor nach Art. 163 lit. i CRP von der Nationalversammlung mit zwei Drittel Mehrheit. Nach Art. 142 lit. d CRP ist er Mitglied des Staatsrats des Staatspräsidenten und nach Art. 281 Abs. 2 lit. d CRP hat er das Recht, eine abstrakte Normenkontrolle beim Verfassungsgericht zu beantragen. Beschwerden werden in der Praxis auch von staatlichen Akteuren (z. B. Gemeinden) eingebracht.19 Die vorherige Ausschöpfung anderer Rechtsbehelfe ist nicht notwendig. Alle öffentlichen Akteure sind zur Zusammenarbeit mit ihm verpflichtet. Lei 30/1996 weitet auf einfachgesetzlicher Ebene seine Zuständigkeit auf den Schutz der Grundrechte in Beziehungen zwischen Privaten aus, sofern eine besondere Dominanz20 eines Teils besteht. In den letzten Jahren pendelte die Zahl der jährlichen Verfahren beim Provedor de Justiça um die 5.500.21 Im Bereich der Raumordnung können sich Private auf mehrfache Weise gegen Entscheidungen staatlicher Akteure wehren. In Art. 7 DL 380/1999 werden das Einklagen von Schadenersatz erwähnt, die Popularklage sowie das Beschwerderecht bei Staatsanwaltschaft und Ombudsmann. Die Popularklage und der Gang zum Ombudsmann stehen auch gegen höherrangige 18 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 83. 19 Sousa, Marcelo Rebelo de et al.: Constituição da Repfflblica Portuguesa Comentada. Introdução Teórica e Histórica. Anotações. Doutrina e Jurisprudência. Lei do Tribunal Constitucional (Lisboa 2000) S. 106. 20 Art. 2 Abs. 2 Lei 30/1996 „uma especial relação de domínio“. 21 www.provedor-jus.pt/graficos.php 01/2006.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Planungsinstrumente zu, die auf den Einzelnen nicht direkt anwendbar sind. Diejenigen Pläne, die direkt anwendbar sind, können von privaten Akteuren vor den Verwaltungsgerichten angefochten werden. Es geschieht allerdings nur sehr selten, dass Private Raumordnungspläne vor Gericht beeinspruchen. Dies liegt zum einen daran, dass in der Vergangenheit viele PDMs zwar erstellt wurden, aber nie formell in Kraft traten. Dadurch konnten sie von den Gebietsgemeinden als Grundlagen für Entscheidungen verwendet werden, ohne aber formell vor Gericht beeinsprucht werden zu können. Außerdem dauern Gerichtsverfahren so lange und sind so kostspielig, dass außergerichtliche Lösungen bevorzugt werden.22

B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure Wenn staatliche Akteure gegenüber Privaten Anordnungen in Form von Normen oder Plänen treffen, diese aber nicht befolgt werden, spricht man von Vollzugsdefiziten. Thema dieses Kapitels sind die Ursachen für die in Portugal besonders stark ausgeprägten Vollzugsdefizite. Der mangelhafte Vollzug von Normen durch die staatlichen Akteure selbst wird hingegen in Bezug auf gesamtstaatliche Akteure in „I. Steuerung gesamtstaatlicher Akteure über Normen“ und in Bezug auf kommunale Akteure in „I. Steuerung der Gemeinden über Normen“ beschrieben. Einer der vier Hauptteile der strategischen Planung des Gesamtstaats für 2005 heißt „Ein moderner, effizienter Staat mit Autorität“, womit den Steuerungsproblemen von staatlicher Seite eine zentrale Rolle eingeräumt wird.23 Der Umweltbereich ist ein Beispiel für erhebliche Vollzugsdefizite. In vielen Fällen werden die Normen, die dem Schutz des Wassers dienen, nicht eingehalten. Für gewerbliche Abwässer gibt es die Verpflichtung zur Selbstkontrolle und Übersendung der Daten, was aber nur in Ausnahmefällen befolgt wird. Auch die Nutzungsgenehmigungen für Wasser werden nur in geringer Anzahl nach den gesetzlichen Vorschriften vergeben und das dazugehörige Gebührensystem wird nicht angewandt. Dies geht so weit, dass selbst staatliche Akteure in einigen Bereichen von virtuellem Recht sprechen.24 Auch im Politikfeld Raumordnung finden sich erhebliche 22 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 21. 23 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2005 (Lissabon 2004) III-4. 24 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.2.

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und allgemein sichtbare Vollzugsdefizite. Vor 1965 war es eine rein staatliche Aufgabe gewesen, Bauland auszuweisen und aufzuschließen. Schon damals konnten der Gesamtstaat und die Gebietsgemeinden die private Nachfrage nicht erfüllen, was zu zahlreichen Schwarzbauten führte. Schließlich wurde Privaten die Möglichkeit gegeben, in diesem Bereich Anträge zu stellen und Projekte einzureichen. Innerhalb kurzer Zeit wurde dann mit Ausnahme des sozialen Wohnbaus die große Mehrheit der Baulandwidmungen auf private Initiative durchgeführt. Private Bauvorhaben, die öffentliche Interessen natürlich nicht berücksichtigten, wurden so von staatlicher Seite genehmigt, ohne dass dem eine entsprechende staatliche Raumordnung gegenüber gestanden hätte. Dies fiel zudem in eine Periode großer Landflucht. Das Ergebnis war ein rasches und unkontrolliertes Anwachsen der Städte. Die Aufschließung von Grünland und dessen Bebauung durch Private wurde in Portugal also erst spät von Seite der staatlichen Akteure durch Raumordnungsinstrumente wirklich gestaltet.25 Auch gab es bis zum Erlass von DL 380/1999 keine speziellen Rechtsvorschriften über den Vollzug von Raumordnungsplänen. Man schloss diese Gesetzeslücke notdürftig mit Normen des Bodengesetzes26 oder mit Regelungen aus den Raumordnungsplänen selbst.27 Der Gesamtstaat versuchte also, wenn auch mit Verspätung, durch Normen und Pläne die Nutzung des Raumes zu ordnen. Trotzdem entstand ein teilweise vollkommen wilder Markt, der von Spekulation, fehlendem Vertrauen und Schwarzbauten geprägt war, ohne dass das Gemeinwohl ausreichend berücksichtigt worden ist.28 Das Problem illegaler Siedlungen begann mit dem Regimewechsel in den 1970er-Jahren und verändert bis heute die ländlichen Gegenden nahe der Großstädte massiv. Einerseits wird mitten im Grünland gebaut, andererseits entstehen Siedlungen ohne die mindeste städtebauliche Qualität. Bis heute ist das Problem nicht unter Kontrolle. Anfang 2003 lebten 700.000 Personen auf einer Fläche von 12.000 ha in illegalen Siedlungen.29 Fünfzehn davon hatten eine Größe von mehr als 50 ha, fünf weitere von mehr als 1.000 ha. Das Phänomen ist im ganzen Land verbreitet, vor allem in der Nähe der beiden Metropolen.30 In einigen Fällen ist 25 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 24 f. 26 Lei dos Solos, DL 794/1976 u. DL 313/1980. 27 Oliveira, Fernanda Paula: Sistemas e instrumentos de execução dos planos [in: Cadernos CEDOUA, S. 58, 2002] S. 15 u. 33. 28 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 23. 29 Trigueirão, Sónia: 700 mil Ilegais [in: Correio da Manhã, S. 27/01/03].

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der Erwerber von Grünland der Meinung, Bauland zu erwerben, andererseits wird Grünland auch bewusst erworben, um darauf illegale Bauten zu errichten. Die Eigentümer solcher illegalen Häuser bilden dann manchmal sogar formelle Vereine, um Druck auf die Gebietsgemeinde auszuüben, ihre Siedlungen zu legalisieren.31 Folgende Ursachen für die erheblichen Vollzugsdefizite lassen sich in Portugal identifizieren: Qualitätsprobleme bei Normen und Plänen; mangelnde Kontrollen und Sanktionen; Interessengegensatz der Bürger zu den Normen und Plänen; Bevorzugung von Einzelentscheidungen durch staatliche Akteure; negative Einstellung Privater zu den staatlichen Akteuren. Die beiden großen Linksparteien brachten 2003 einen Gesetzesvorschlag ein, um die seit acht Jahren laufende Frist für die Legalisierung illegaler Siedlungen (Lei 91/1995) um weitere zwei Jahre zu verlängern. Nach diesem Gesetz sollten Besitzerkommissionen gebildet werden, die als Vertragspartner für eine Umwandlung in geordnete Stadtviertel dienen sollten. Dieser Prozess verzögerte sich aber immer wieder, laut den Bewohnern illegaler Siedlungen, weil die Gebietsgemeinden keine Information und finanzielle Unterstützung anbieten, laut den Gebietsgemeinden, weil die Bewohner unter sich uneins sind und die Besitzverhältnisse sich schwierig gestalten.32 Im Sommer 2002 bildete der Metropolitanverband Lissabon eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von 19 Gebietsgemeinden, um bestehende illegale Siedlungen zu legalisieren und neue Siedlungen zu verhindern. Als wichtig betrachtete man auch die Zusammenarbeit von Gebietsgemeinden, Staatsanwaltschaft, Finanzbehörden und den für das Grundbuch zuständigen Notaren. Gerichtsverfahren sind zwar anhängig, dauern aber sehr lange, außerdem sehen manche Gebietsgemeinden die wahren Schuldigen in den Verkäufern der Grundstücke und sympathisieren politisch mit den Erwerbern. Entscheidend wäre aber ein Signal an die Bürger, dass neue illegale Siedlungen nicht mehr geduldet werden.33 Obwohl die Probleme grundsätzlich weiter bestehen, verringerte sich insgesamt das Vollzugsdefizit im Raumordnungsrecht in den letzten Jahren.34 Heute ist der Vollzug von Gebietsgemeinde zu Gebietsgemeinde sehr verschieden. Wenn es keine große Dynamik bei Wohn- und Industriebauten 30

Ministério do Planeamento e da Administração do Território (Hg.): Relatório do estado do ordenamento do território (Lisboa 1999) S. 7.2.3. 31 Monteiro, João: Loteamentos Clandestinos Voltam em Força [in: Correio da Manhã, 19/06/02]. 32 Trigueirão, Sónia: 700 mil Ilegais [in: Correio da Manhã, S. 27/01/03]. 33 Monteiro, João: Loteamentos Clandestinos Voltam em Força [in: Correio da Manhã, 19/06/02]. 34 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 69.

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gibt, lösen die kommunalen Flächenwidmungspläne PDM die auftauchenden Probleme. In diesen Fällen geht man aber nicht mit den detaillierten Bebauungsplänen PP und PU den Schritt weiter, um zu einem echten Städtebau zu gelangen. Erst in letzter Zeit beginnt hier ein Umdenken. Wenn es in einer Gebietsgemeinde aber großen Siedlungsdruck gibt, versagt die Raumordnung nach wie vor.35 Im Folgenden werden fünf Ursachen für Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure dargestellt: • Qualitätsprobleme bei Normen und Plänen • Mangelnde Kontrollen und Sanktionen • Interessengegensätze zwischen staatlichen und privaten Akteuren • Staatliche Akteure bevorzugen Einzelentscheidungen • Negative Einstellung zu den steuernden staatlichen Akteuren

I. Qualitätsprobleme bei Normen und Plänen Viele portugiesische Normen muten sehr modern an, Begriffe der neueren rechtspolitischen Diskussion aus anderen Ländern werden bereitwillig und rasch aufgegriffen, modernen Steuerungsansätzen oder aktuellen Grundrechtsthemen wird breiter Raum eingeräumt. Gleichzeitig kritisiert die portugiesische Verwaltungsakademie, dass in den letzten Jahren die Menge der Normen stark zugenommen habe, während ihre Qualität schlechter geworden sei. Die schlechte Qualität der Normen wird auf kurzfristige politische Einflüsse und die überhastete Umsetzung des Gemeinschaftsrechts zurückgeführt. Eine Vielzahl von Normtypen und häufige Novellierungen schaffen komplexe Fragen von Vorrang und Anwendbarkeit, die auch verfassungsrechtlich nicht geklärt sind. Es gibt Normen, die inhaltlich kaum mehr anwendbar sind, aber nie formell aufgehoben wurden. Dazu kommt noch, dass es mit Regierung und Nationalversammlung zwei Zentren der Normenproduktion gibt.36 Dies ist insofern problematisch, als die für den Gesetzesvollzug notwendigen Ausführungsbestimmungen jahrelang nicht erlassen, aber immer wieder neue Termine dafür festgelegt werden. Dies schafft Unsicherheit über das geltende Recht, was in Genehmigungsverfahren allgemein zum Einfallstor für politische Entscheidungen wird.37 35

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 53; Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.3.1. 36

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Widersprüche innerhalb eines Gesetzes, mangelnde Systematik und uneinheitliche Begriffsverwendung gibt es in allen Rechtsordnungen, allerdings sind sie in Portugal besonders offensichtlich und häufig. Ein Beispiel ist Lei 159/1999 über die Zuständigkeiten der Gemeinden: Meistens wird in diesem Gesetz der verfassungsrechtliche Begriff „autarquias locais“ als Oberbegriff für Gebietsgemeinden (municípios) und Ortsgemeinden (freguesias) verwendet. Gleichzeitig steht mehrmals der Unterbegriff „municipio“ an Stelle des Oberbegriffs „autarquia local“ (z. B. Art. 8 Abs. 2 und Art. 6 Lei 159/1999). Wobei inhaltlich nicht immer klar ist, ob damit beide Arten von Gemeinden gemeint sind oder eben nur die Gebietsgemeinden. Da solche Ungenauigkeiten auch in der kommentierenden Literatur nicht thematisiert werden, entsteht der Eindruck, dass die portugiesische Rechtsgemeinschaft eben einen geringeren Perfektionsgrad akzeptiert. Die Interessenvereinigung der Gebietsgemeinden ANMP fasst die Folgen unklarer Normen so zusammen: Widersprüche und Auslassungen verstärken die Unsicherheit der Rechtsunterworfenen und machen es schwer, sich normkonform zu verhalten. Dadurch wird gleichzeitig gesetzwidriges Verhalten gefördert.38 Auch im Umweltbereich ist es für private Akteure zeitaufwändig und schwierig, aus den staatlichen Normen klare Vorgaben für ihr eigenes Verhalten abzuleiten. Das Gleiche gilt für staatliches Handeln, das durch unklare Normen für die Privaten unberechenbar bleibt. Ein Beispiel, welches das Wasserinstitut (INAG) selbst anführt, ist die Genehmigung der Wassernutzung Privater. Das dabei zu vollziehende Recht betreffend die Nutzung, die Gebühren und das Planungssystem ist nach Meinung des INAG zu kompliziert.39 Ein anderes Beispiel sind die Regeln für die Nutzung von Naturschutzgebieten, von denen es mindestens sechs Arten unterschiedlicher Schutzgebiete gibt: „Reserva Ecológica Nacional“, „Reservas dos Corredores Ecológicos“, „Áreas Protegidas“, „Zonas de Protecção Especial“, „Rede Natura und Espaços florestados de protecção“. Die unterschiedlichen hier geltenden Normen sollen allerdings laut dem Regierungsprogramm von 2004 vereinheitlicht werden.40 37 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2000–2001 (Strategie der ANMP 2000–2001), (6. Mai 2000) Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.3.1. 38 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2000–2001 (Strategie der ANMP 2000–2001), (6. Mai 2000). 39 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.2. 40 Conselho dos Ministros: Programa do XVI Governo Constitucional. Capítulo 6. Ambiente e ordenamento do território [in: www.governo.gov.pt, 2004].

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Im Politikfeld Raumordnung sind die unklaren Pläne ein Teil der Ursache der Vollzugsdefizite. Viele kommunale Flächenwidmungspläne sind schlechter Qualität und veraltet. Es gibt viel zu wenig detaillierte Bebauungspläne (PP und PU), bei der Entscheidung über Bauansuchen stehen daher keine Richtlinien zur Verfügung.41 Unterschiedliche Pläne können sich auch mehrfach überlagern, wobei die Grenzen ihrer örtlichen Geltungsbereiche nicht deckungsgleich sind,42 und inhaltliche Widersprüche43 nicht so ohneweiters über die lex-posterior oder die lex-specialis Regel gelöst werden können. Geht es um die Errichtung einer Hotelanlage am Meer können gleichzeitig fast ein Dutzend Raumordnungsinstrumente gelten, deren Verhältnis zueinander nicht geklärt ist. Solche inneren Widersprüche senken die Wirksamkeit des Planungssystems insgesamt. Die Steuerleistung nimmt ab.44 Das Vollzugsdefizit wiederum bringt komplizierte Verfahren und übertriebene Detailplanungen mit sich. Gerade die Tradition der Missachtung von Raumordnungsinstrumenten führt zu einer Betonung dieser formellen Planungen und der Verfahren zu ihrer Erstellung, ohne dass man je bei der Vollziehung und den Ergebnissen Fortschritte macht.45 Insgesamt gibt es daher einen deutlichen Trend zu einer juristisch verbindlicheren und detaillierteren Planung.46

II. Mangelnde Kontrollen und Sanktionen Nach dem Umsturz 1974 haben die staatlichen Akteure sehr lange nicht zu einem neuen Gleichgewicht aus Respekt vor den subjektiven Rechten und Freiheiten der Bürger und der Durchsetzung des objektiven Rechts gefunden.47 Noch in den 1990er-Jahren gab es etwa überhaupt keine Kontrol41

Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 52. 42 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 193. 43 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 30. 44 Pardal, Sidónio et al.: A Hierarquia dos Planos, S. 109–122 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 122. 45 Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] S. 204. 46 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 27. 47 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003.

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len der Grenzwerte bei der Einleitung von Abwässern in die Flüsse, weil das Personal dafür fehlte.48 Der für die Steuerung Privater zentrale Bereich von Kontrollen und Sanktionen wird heute durch drei Hauptprobleme geprägt: Erstens fehlen den staatlichen Akteuren die Ressourcen, zweitens sind sie mangelhaft untereinander koordiniert und drittens sind die Verfahren mangelhaft. Wie in Tabelle 12 „Kontrollpersonal in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung ~ 2001“ dargestellt, stehen in beiden Politikfeldern etwa 470 Kontrolleure zur Verfügung. Obwohl dies auf den ersten Blick ausreichend erscheint, sind sich staatliche und gesellschaftliche Akteure einig, dass nicht genug Ressourcen für die Kontrolle in diesen Politikfeldern zur Verfügung stehen. Auch die OECD fordert in einem Bericht aus dem Jahr 2001 mehr personelle und finanzielle Mittel für den Vollzug von Normen im Umweltund Raumordnungsbereich. Im Vergleich zu der großen Anzahl kleiner und mittlerer Betriebe sei die personelle Ausstattung der Generalinspektion für die Umwelt unzureichend.49 Dies sehen auch gesamtstaatliche Akteure so. Laut dem Wasserinstitut (INAG) gibt es für die Kontrolle und Durchsetzung der Normen zu wenig eigenes Personal, auch den anderen gesamtstaatlichen Akteuren fehlten die Mittel, um Kontrollen durchzuführen.50 Um die Flussgebietspläne und den nationalen Wasserplan zu vollziehen, würden die zuständigen gesamtstaatlichen Akteure mehr Ressourcen benötigen.51 Auch eine Regionaldirektion für Umwelt und Raumordnung (DRAOT-Norte) gab an, dass sich ihr Personalmangel am deutlichsten im Bereich der Kontrollen bemerkbar mache.52 Hinzu kommt noch die mangelhafte Ausbildung des Kontrollpersonals. Die Hälfte des Gesamtpersonals von INAG und DRAOT haben nur den Hauptschulabschluss, weniger als ein Viertel Abitur oder einen höheren Abschluss.53 Auch bei den Gebietsgemeinden sind für das Vollzugsdefizit in der Raumordnung mangelnde Ressourcen verantwortlich.54 Ein Gemeindevor48 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 13. 49 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 33 u. 39. 50 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.3.1. 51 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/Posicoes/2001/10_01_plano_na cional_agua_parecer.html 07/2003. 52 http://www.dra-n.pt/instituicao/instituicao.htm 02/2003. 53 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.1.

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stand der Großstadt Coimbra urteilte, dass im Politikfeld Raumordnung und Städtebau der Bereich „Kontrolle“ erst noch geschaffen werden muss. In dieser Stadt mit 160.000 Einwohnern gibt es für den gesamten Bereich der Baupolizei sechs Kontrolleure des mittleren Dienstes. Seit Herbst 2003 beteiligt sich die Gemeindepolizei an der Überwachung. Das sei zwar eine Innovation, ersetze aber nicht eine fachlich geschulte Kontrolleinheit.55 Nach Meinung der Umweltschutzorganisation QUERCUS haben die fehlenden Ressourcen für Kontrollen massive Auswirkungen. Gebäude werden illegal errichtet, die Grenzwerte bei den Emissionen von Abwasser und Abluft überschritten und die Verursacher kommen mit Leichtigkeit ungestraft davon. Dadurch habe sich ein Gefühl völliger Straflosigkeit verbreitet und es fehle der Anreiz, Normen einzuhalten.56 Das Problem mangelnder Ressourcen wird noch dadurch verstärkt, dass die Vielzahl gesamtstaatlicher Politikfeldakteure zu einer Schwächung dieser einzelnen Spezialbehörden gegenüber den Privaten führt. In einer allgemeinen unteren Verwaltungsbehörde etwa könnten sich die einzelnen Abteilungen gegenseitig stützen, ihre Ressourcen gemeinsam nutzen und anderen Akteuren geschlossen gegenübertreten. So ist das Wasserinstitut nur für Wasser zuständig, nicht aber gleichzeitig für raumordnerische Entscheidungen oder die Vergabe von EU-Förderungen. Allerdings ist nach Art. 8 DL 104/2003 die CCDR bei einer Reihe von Gesetzen für die Kontrolle des Handelns Privater und dem Verhängen von Sanktionen in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung zuständig. Damit könnte ein gewichtiger staatlicher Akteur entstehen, dessen Autorität sich auf Kontrollfunktionen in mehreren Politikfeldern stützt. Außer dem Problem der Verteilung zu geringer Ressourcen auf zu viele kontrollierende staatliche Akteure ergeben sich daraus negative Zuständigkeitskonflikte. So sieht das Wasserinstitut beim Vollzug des Wasserrechts das Vorhandensein von mehreren Organen mit konkurrierender und nicht koordinierter Zuständigkeit als Problem an.57 Die Parallelkompetenzen in der Exekution sind Ausdruck des Misstrauens zwischen den staatlichen Akteuren. Einerseits will sich jeder die Möglichkeit der eigenen Einflussnahme im Vollzug sichern, andererseits überträgt der Gesetzgeber die Vollzugskompetenz gleich mehrfach, weil er einzelnen gesamtstaatlichen Akteuren 54 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 55 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 56 http://quercus.sensocomum.pt/pages/defaultArt.icleViewOne.asp?storyID=832 11/2004. 57 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.3.1.

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einen korrekten Vollzug nicht zutraut. Gleichzeitig verhindern die mehrfachen Kompetenzen in der Exekution echte administrative und politische Verantwortung einzelner Akteure für mangelhaften Vollzug: Obwohl mehrere staatliche Akteure dafür zuständig wären, sind nach Aussage eines Beschäftigtes einer in die CCDR integrierten Regionaldirektion für Raumordnung (DRAOT), letztere die einzigen, die sich um die Einhaltung der Raumordnungspläne kümmern. Einerseits kontrollieren sie auf eigene Initiative und reagieren andererseits auf Anzeigen. Dann nehmen sie Kontakt zur betroffenen Gebietsgemeinde auf und schicken nötigenfalls eine Darstellung an das Ministerium. Das nötige Personal, um einen gewissen Kontrolldruck auf die Gebietsgemeinden aufrecht zu erhalten, ist bei ihnen laut eigener Aussage vorhanden.58 Straftaten im Umweltbereich sind im Strafgesetzbuch in den Art. 278 + 279 geregelt. Ursprünglich war Mitte der 1990er-Jahre ein eigenes Gesetz über die strafrechtliche Verantwortung juristischer Personen geplant. Dieses Projekt wurde aber wieder fallengelassen, so dass nach Art. 12 Código Penal juristische Personen nicht selbst, sondern nur deren Organwalter oder Bevollmächtigte strafrechtlich verantwortlich gemacht werden können.59 Selbst wenn strafrechtlich sanktionierte Verstöße im Umweltbereich festgestellt werden, ahndet die Staatsanwaltschaft diese viel zu selten. Bis zum Jahr 2001 kam es in ganz Portugal erst zu 13 Strafprozesse wegen Umweltdelikten.60 Laut Art. 48 UmweltrahmenG gibt es für Übertreter des Umweltrechts die Verpflichtung, die Folgen ihrer Handlungen zu beseitigen, und wenn dies unmöglich ist, einen finanziellen Ausgleich zu leisten. Die zivilrechtliche Verantwortung, die den Zustand vor der Verschmutzung annähernd wieder herstellen soll, wird derzeit in der Praxis überhaupt nicht geltend gemacht.61 Einziges wirklich angewandtes Sanktionsmittel sind im Umweltbereich Verwaltungsstrafen. Aber auch diese sind nur begrenzt wirksam, da die Geldstrafen zu niedrig sind und die gesetzlich vorgesehenen begleitenden Strafmaßnahmen nicht eingesetzt werden. Außerdem ermöglicht das Verfahrensrecht die Strafverfahren zu verzögern und die Verwaltung verhängt die Geldstrafen systematisch nach Opportunitätsgesichtspunkten und nicht nach der Gesetzeslage.62 Die Verletzung eines kommunalen Raumordnungsplanes 58

Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. Silva, Germano Marques da: A Tutela Penal do Ambiente, S. 9–23 [in: Rocha, Mário de Melo (Hg.): Estudos de Direito do Ambiente, (Porto 2003)] S. 14. 60 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.3.1. 61 Ibid. Volume 1, Capitulo II, 2.3.1. 62 Ibid. Volume 1, Capitulo II, 2.3.1. 59

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oder eines Spezialplanes stellt eine Verwaltungsübertretung dar, die mit einer Strafe zwischen 2.500 und 100.000 e bestraft wird. Kann die Verwaltungsübertretung einer juristischen Personen zugerechnet werden, erhöht sich das Strafmass bei Vorsatz auf 250.000 e. Auch der Versuch und die fahrlässige Begehung sind strafbar. Bei der Verletzung eines kommunalen Raumordnungsplanes sind für das Strafverfahren der Bürgermeister oder der Präsident der jeweiligen CCDR zuständig. Bei der Verletzung eines Spezialplanes, der für das Politikfeld verantwortliche gesamtstaatliche Akteur. Bei der Bekämpfung von Schwarzbauten sind bei Verletzung kommunaler Raumordnungspläne die Gebietsgemeinden kompetent, bei bestimmten Spezialplänen das Umweltministerium. Jedenfalls aber das zuständige Ministerium und die CCDR wenn nationale oder regionale Interessen in Frage stehen. Mögliche Zwangsmaßnahmen sind ein zwangsweiser Baustopp und der Vollzug von Abbruchbescheiden. Die Missachtung eines Baustopps ist nach Art. 104 ff. DL 380/1999 eine gerichtlich strafbare Handlung. Straf- und Sicherungsmaßnahmen werden aber im Raumordnungsbereich nur in Ausnahmefällen eingesetzt.63 Gesellschaftliche Akteure und Wissenschaftler sind sich einig, dass die Verfahren zur Vollziehung der Raumordnungspläne versagt haben und bisher effiziente Strafen für die Übertretung von Raumordnungsinstrumenten fehlen.64 Kontrollen und Sanktionen entfalten nur dann ihre Wirksamkeit, wenn am Ende staatliche Entscheidungen auch zwangsweise durchgesetzt werden. Damit gelangt man zu Fragen der Zustellung, der Verfahrensdauer und der Vollstreckung von Geldstrafen. Erst funktionierende Vollstreckungsverfahren verleihen den materiellen Normen und Plänen Verbindlichkeit und den Kontrollen generalpräventive Wirkung. Das Wasserinstitut stellte für den Umweltbereich fest, dass selbst bei einer Verurteilung die Gerichte oft Probleme haben, die Strafen oder die Schadenersatzpflicht zu vollstrecken.65 Die These, dass die Vollstreckungsverfahren in Portugal zu wenig wirksam und zu langsam sind und dadurch Kontroll- und Sanktionsmechanismen zusätzlich geschwächt werden, müsste empirisch weiter überprüft werden. Die OECD im Rahmen ihres „Good-Governance-Ansatzes“ und die EU in Hinblick auf den Vollzug ihrer eigenen Normen sind an einer effektiven 63 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 65. 64 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003; Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] S. 204. 65 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.3.1.

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Kontrolle und Sanktionierung des Handelns Privater durch staatliche Akteure interessiert. Beispielsweise werden die EU-Mitgliedsstaaten in Art. 23 der Wasser-Rahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) verpflichtet, Sanktionen zur Einhaltung der Richtlinie zu schaffen, die wirksam, angemessen und abschreckend sind. Im Bereich von EU-Projekten ist die Situation insofern besser, als die Einhaltung der Normen und effektive Kontrollmechanismen zu den Bedingungen der Mittelanweisung zählen. Außerdem finanziert die EU auch Verwaltung und Kontrolle ihrer eigenen Programme und Projekte, wodurch die Sicherstellung des Normenvollzugs verbessert wird. Die OECD forderte 2001 von Portugal schnellere Verwaltungsstrafverfahren mit höheren Geldstrafen und die strafrechtliche Haftung juristischer Personen.66 Die portugiesische Regierung plante 2004 die Verwaltungsstrafen im Umweltrecht zu verschärfen und die Verfahren zu straffen. Dadurch sollten häufig angewandte Verzögerungstaktiken der Parteien verhindert werden.67 Außerdem sollte laut Regierungsprogramm 2004 ein völlig neues System zivilrechtlicher Haftung für umweltschädigendes Verhalten eingeführt werden.68 Für den Bereich der Raumordnung versprach der zuständige Minister bei seinem Amtsantritt 2004, dass er die Straflosigkeit einflussreicher Leute beenden werde, die sich bisher in Naturschutzgebieten Häuser gebaut hätten.69

III. Interessengegensätze zwischen staatlichen und privaten Akteuren Interessengegensätze zwischen steuernden staatlichen Akteuren und den Privaten als Steuerungsobjekten liegen in der Natur der Sache, da bei Übereinstimmung von Gemeinwohl- und Privatinteressen gar keine Steuerung nötig wäre. So besteht im Umweltbereich ein Gegensatz zwischen dem Interesse des Privaten an umweltschädigendem Verhalten als Nebeneffekt anderer für ihn vorteilhafter Aktivitäten und dem Interesse der Allgemeinheit an einer intakten Umwelt.70 Auch in der Raumordnung besteht ein grundsätzlicher Interessengegensatz zwischen dem öffentlichen Interesse an 66

Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 39. 67 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 171. 68 Conselho dos Ministros: Programa do XVI Governo Constitucional. Capítulo 6. Ambiente e ordenamento do território [in: www.governo.gov.pt, 2004]. 69 http://www.governo.gov.pt/Portal/PT 11/2004. 70 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 140.

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einer funktionierenden Raumordnung und dem privaten Interesse an der Nutzung von Grundstücken. In beiden Fällen überwiegt im Normalfall das Eigeninteresse des Privaten seine Gemeinwohlorientierung, so dass staatliche Akteure das öffentliche Interesse konkretisieren und das Handeln Privater steuern müssen. Vielfach wird in Portugal das Vollzugsproblem z. B. in der Raumordnung auf die scharfen Interessengegensätze in diesem Bereich zurückgeführt. Art. 118 DL 380/1999 legt eine klare Rangordnung zwischen Einzelinteressen und dem in den Raumordnungsplänen zum Ausdruck kommenden öffentlichen Interesse fest: Private müssen ihre Handlungen an den Zielen der staatlichen Pläne ausrichten. Trotzdem gibt es von Seiten der Grundstückseigentümer viel Widerstand gegen die Einrichtung von Naturschutzgebieten (REN),71 und sie haben immer großen Druck auf die Gebietsgemeinden ausgeübt, auf Grund von Ausnahmengenehmigungen trotzdem bauen zu dürfen.72 Hier entstehen auch Probleme aus den unterschiedlichen Geschwindigkeiten staatlicher und privater Entscheidungen. Weil es lange dauert, Raumordnungspläne zu erstellen bzw. der gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen, geht im Ergebnis die Entwicklung an den veralteten Plänen vorbei. In der Praxis heißt das, dass ein Investor eine Ausnahme für eine Baubewilligung braucht, aber nicht drei Jahre auf die Abänderung der Raumordnungspläne warten kann. In den vier Monaten, die er Zeit hätte, ist aber eine formal korrekte Ausnahmegenehmigung durch die zuständigen gesamtstaatlichen Akteure nicht möglich. Im Ergebnis sieht der Bürgermeister die Entwicklung seiner Gebietsgemeinde durch die gesamtstaatliche Raumordnung behindert, oder er lässt den Investor illegal bauen.73 In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass die Raumordnungspläne in der Praxis nur dann umgesetzt werden, wenn sie auf dem Konsens der davon betroffenen staatlichen und privaten Akteure beruhen.74 Außerdem, dass sie die gesellschaftliche Dynamik nur kanalisieren, sich aber nicht dagegenstemmen sollten, da sie in diesem Fall einfach nicht vollzogen würden.75 Generell ist die 71

Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 186. 72 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 73 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 74 Correia, Paulo V. D.: A Regionalização e o planeamento regional, S. 95–103 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Regionalização e desenvolvimento, (Lisboa 1996)] S. 102. 75 Azevedo, Mário de: Problemas dos planos, hoje. Uma visão pragmática, S. 87–95 [in: Universidade Nova de Lisboa (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 90.

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Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP) der Meinung, dass nicht so sehr das Raumordnungsrecht oder die vorhandenen Pläne die Probleme verursachen, sondern deren Vollzug. Hier sei mehr Flexibilität bei der Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen notwendig.76 1. Eigentumsbeschränkungen in der Raumordnung Die Interessen Privater in der Raumordnung sind durch Planungsentscheidungen staatlicher Akteure starken Eingriffen ausgesetzt. So kann sich der Wert von Grundstücken durch eine Änderung der Widmung oder der Bebauungsdichte massiv erhöhen oder vermindern. Die großen Probleme in der portugiesischen Stadtentwicklung, die durch Einzelentscheidungen der Grundeigentümer nicht gelöst werden können, sind der politische Hintergrund für die massiven Eingriffsrechte staatlicher Akteure in das Eigentum Privater. Der Interessengegensatz zwischen Grundeigentümern und staatlichen Akteuren spitzt sich in der Möglichkeit von Eigentumsbeschränkungen zu. Zuständigkeit und Verfahren bei den Enteignungen regelt Lei 168/1999, der so genannte „Código das Expropriações“. Nach Art. 14 Lei 168/1999 können der Gesamtstaat, die Inselregionen und die Gebietsgemeinden enteignen. Schon bisher gab es starke Eingriffsmöglichkeiten in das Privateigentum mit großem Entscheidungsspielraum staatlicher Akteure. Nach dem Bodengesetz77 hat der Gesamtstaat ein Vorkaufsrecht, wenn Private untereinander Grundstücksgeschäfte tätigen und das Gebiet für öffentliche Projekte benötigt wird. Ähnliche Rechte der Gebietsgemeinden sind in Art. 126 ff. DL 380/1999 geregelt: Demnach haben sie bei entgeltlichen Immobiliengeschäften zwischen Privaten ein Vorkaufsrecht, wenn es für die betreffende Zone einen Raumordnungsvollzugsplan (execução programada) gibt. Beträgt der zwischen den Privaten vereinbarte Kaufpreis mehr als 120% des objektiven Schätzwertes, muss die Gebietsgemeinde diesen Kaufpreis nicht übernehmen. Sie kann ihn wie in einem Enteignungsverfahren neu festsetzen lassen. Diese Tendenz schwerwiegender staatlicher Eingriffe wird durch die gravierenden Probleme in der Raumordnung und im Städtebau verstärkt. Forderungen nach noch stärkeren staatlichen Eingriffen werden laut. So verlangt die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden zur Sanierung von Stadtteilen einfachere Enteignungsverfahren.78 Durch DL 380/1999 wurden 76 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Parecer ao Anteprojecto de Proposta de Lei de Bases da Política de Ordenamento de Território e do Urbanismo. Lei 48/98, 1997) S. 10. 77 Lei dos Solos, DL 794/1976 u. DL 313/1980.

B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure

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diese Forderungen erfüllt.79 Nach Art. 126 ff. DL 380/1999 kann eine Gebietsgemeinde etwa eine zwangsweise Demolierung eines Gebäudes anordnen, wenn dies für den Vollzug eines punktuellen Bebauungsplanes notwendig ist. Generell sind Enteignungen durch staatliche Akteure für den Vollzug von Raumordnungsplänen möglich, insbesondere zur Schaffung von öffentlichen Wegen und Plätzen, zur Nutzung von Bauplätzen an städtischen Verkehrswegen und zur Instandsetzung von Gebäuden aus ästhetischen, hygienischen und technischen Gründen. Erklärt eine Gebietsgemeinde ein Gebiet zur urbanen Problemzone, was allerdings nur selten geschieht, hat sie zusätzliche Eingriffsrechte ins Privateigentum: Enteignung, Auftrag von Renovierungsmaßnahmen oder der Abriss von Gebäuden. Eine weitere spezielle Enteignungsmöglichkeit besteht entlang öffentlicher Straßen.80 Das in DL 380/1999 eigens geschaffene Instrument der Eigentumsrestrukturierung greift, wenn die Eigentümerstruktur der Sanierung einer bereits verbauten Fläche entgegensteht. Entweder einigen sich die Gebietsgemeinde und die privaten Akteure in Bebauungsverträgen auf die Einzelheiten der Sanierung, wobei diese von den Privaten durchgeführt wird, oder die Gebietsgemeinde setzt eine Lösung hoheitlich durch und vergibt in öffentlicher Ausschreibung die Sanierung des Areals an einen Konzessionsnehmer, wobei sie auch eine Lösung für die Eigentumsverhältnisse an den entstehenden Gebäuden vorgibt. Im Rahmen des Polis-Programms für Stadterneuerung und umweltpolitische Maßnahmen in den Städten gibt es zusätzliche Enteignungsrechte für die gesamtstaatlichen Aktiengesellschaften, die das Programm vollziehen.81 Einen neuen Ansatz zur Lösung der enormen Probleme der Raumordnung in städtischen Gebieten und zugleich sehr weitgehende staatliche Eingriffsmöglichkeiten stellt die Vollziehung von Raumordnungsplänen mit Hilfe von Vollzugseinheiten dar. Der Generaldirektor für Raumordnung und Stadtentwicklung führte dazu im Interview aus: Hauptmotor beim Vollzug der Pläne waren bisher immer private Akteure. Diese verfolgen natürlich private 78 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 79 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 53. 80 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 46. 81 Mendes, Joana: Programa Polis. Programa ou falta de programa para a requalificação das cidades? [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a.4n.1, S. 83–100, 2001] S. 93.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Interessen, wodurch die Pläne weder zeitlich noch inhaltlich gleichmäßig vollzogen werden. Durch die in DL 380/1999 neu eingeführten Figuren der Vollzugseinheiten und des finanziellen Ausgleichs zwischen den Grundeigentümern sollen diese Probleme vor allem für die Stadtteilerneuerung gelöst werden. Man setzt große Hoffnungen in diese Regelung, die sich aber erst in der Praxis bewähren muss.82 Diese Aussagen vier Jahre nach Erlass von DL 380/1999 legen den Schluss nahe, dass die Gebietsgemeinden (wahrscheinlich auf Grund beschränkter Ressourcen) noch nicht stärkeren Gebrauch von ihren in der Folge beschriebenen Eingriffsrechten machen. Die Vollziehung kommunaler Raumordnungspläne in so genannten „Vollzugseinheiten“83 fasst die betroffenen Grundeigentümer zu einem Akteur zusammen, obwohl diese Eigentümer womöglich wenig gemeinsame Interessen haben. Dies ist für den Staat eine pragmatische Lösung, da er es nur mit einem Gesamtakteur zu tun hat. Außerdem werden so letztlich die Interessengegensätze zwischen staatlichen und privaten Akteuren innerhalb der Vollzugseinheit, also zwischen die privaten Akteure, verlagert. Der für jede Vollzugseinheit aufgestellte Vollzugsplan bezieht sich auf einen bestimmten Teil des Gebietsgemeindegebietes, der nach raumordnerischen Gesichtspunkten ausgewählt wird. Flächen, die einer öffentlichen Nutzung zugeführt werden sollen, und öffentliche Infrastruktureinrichtungen sind darin verzeichnet. Für jede Vollzugseinheit wird ein Kompensationsfonds eingerichtet, der von den Grundeigentümern gespeist und von der Gebietsgemeinde verwaltet, dem Ausgleich von Wertänderungen privater Immobilien durch den Vollzug des Raumordnungsplans dient. Beim Vollzug eines Raumordnungsplanes für eine Vollzugseinheit gibt es im Verhältnis der Gebietsgemeinde gegenüber den Privaten drei Möglichkeiten:84 das Kompensations-, das Kooperations- und das Interventionsverfahren. Im Kompensationsverfahren geht die Initiative von den privaten Grundstückseigentümern einer Vollzugseinheit aus, welche die Wertänderungen ihrer Grundstücke untereinander auszugleichen versuchen. Kommt es dabei zu einer Einigung, wird ein Bebauungsvertrag abgeschlossen. In der jeweiligen Baugenehmigung wird die Höhe der allfällig zu entrichtenden Kompensation angegeben. Im Kooperationsverfahren geht die Initiative zur Bebauung einer Vollzugseinheit von der Gebietsgemeinde aus, wobei die Grundeigentümer mit ihr kooperieren. Der Bebauungsvertrag, der den Wertausgleich und die Eigentumsbeschränkungen im öffentlichen Interesse regelt, wird entweder auf Initiative der Gebietsgemeinde hin von den Grundeigentümern untereinan82 83 84

Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. Unidades de execução Art. 120 – 125 DL 380/1999. Art. 119 ff. DL 380/1999.

B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure

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der geschlossen, oder die Gebietsgemeinde bzw. ein anderer staatlicher Akteur sind die Vertragspartner der Grundeigentümer. Im Interventionsverfahren verwirklicht die Gebietsgemeinde selbst den Raumordnungsplan für eine Vollzugseinheit, oder sie erteilt dazu einem Privatunternehmen die nötige Konzession. Dies geschieht in öffentlicher Ausschreibung. Der Konzessionsnehmer übt dann die Eingriffsrechte der Gebietsgemeinde in eigenem Namen aus. 2. Begleitende finanzielle Steuerung zur Milderung von Interessengegensätzen Der Interessengegensatz zwischen den Steuerungszielen staatlicher Akteure und Privatinteressen könnte durch finanzielle Anreize gemildert werden, die normwidriges Verhalten verteuern und normkonformes Verhalten belohnen. Dies kann durch Anreize im Steuer- oder Beihilfenbereich geschehen oder durch die Schaffung eines Marktes für Verschmutzungszertifikate. Eine Umfrage aus dem Jahr 2000 zeigt für Portugal, dass der Teil der Bevölkerung, der nur geringes Interesse an Umweltthemen hat, vor allem durch wirtschaftliche Anreize zu umweltfreundlichem Verhalten angeregt werden kann.85 Ähnlich argumentiert die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden (ANMP), wenn sie beklagt, dass es zu wenig positive Anreize im Zuge der Einrichtung von Naturschutzgebieten gibt, Verbote in der Praxis aber keine Schutzwirkung haben.86 In Portugal werden bisher viel zu wenig wirtschaftliche Steuerungsinstrumente eingesetzt, sondern allein juristische. Millionen Bürger allein durch Normen steuern zu wollen, hat bisher aber nicht funktioniert.87 Über finanzielle Anreize das Verhalten Privater zu steuern, ist zwar wirksam, aber auch sehr teuer. Der portugiesische Staat kann sich das in einigen Bereichen nur mit Hilfe der EU leisten. Beispiele sind, dass die Bewerbung einer Gebietsgemeinde um EU-Mittel an die Durchsetzung der staatlichen Normen zum Gewässerschutz und der Raumordnung gebunden ist.88 Auch in verschiedenen Förderprogrammen für Private ist normkonformes Verhal85 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 140. 86 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Resolução. Rede Natura 2000, (2000) S. 11. 87 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 88 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 67.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

ten Bedingung für die Gewährung von Fördermitteln.89 Seit 1997 gibt es schließlich eine staatliche Sammlung umweltverträglicher Verfahren in der Landwirtschaft (Código de Boas Práticas Agrícolas, DL 235/1997), die z. B. Wasserverschwendung oder Nitratbelastung thematisiert. Diese Sammlung wurde anfangs mit mäßigem Erfolg auf verschiedene Weise in der Zielgruppe bekannt gemacht. Erst die Verknüpfung der Einhaltung dieser Verfahren mit der Auszahlung von EU-Mitteln führte zu größerer Beachtung dieser Sammlung.90 Durch die Unterstützung portugiesischer staatlicher Akteure beim Normvollzug werden diese Akteure von der EU insgesamt gestärkt. Für den Umweltbereich sind die portugiesischen staatlichen Akteure sogar verfassungsrechtlich (Art. 66 Abs. 2 CRP) verpflichtet, steuerliche Anreize einzuführen. Es gibt auch einige positive Anreize für umweltschonendes Verhalten Privater: ein Glasflaschenpfandsystem, Steuererleichterungen für umweltfreundlichen Treibstoff und KFZ, spezielle Absetzbarkeit von Ausgaben für erneuerbare Energien und von Spenden an Umweltschutzorganisationen.91 Bei der Höhe der Umweltsteuern ausgedrückt in % des BIP lag Portugal mit 3,0% 2003 auch über dem EU-15-Schnitt von 2,6%. Auch der Anteil der Umweltsteuern am Gesamtsteueraufkommen ist in Portugal mit 8,4% deutlich höher als der EU-15-Schnitt von 6,5%.92 Gleichzeitig wird aber in der Literatur beklagt, dass finanzielle Anreize zur Verhaltenssteuerung erst ansatzweise genutzt werden.93 Auch die OECD stellt fest, dass das Steuersystem in Portugal zu wenig auf die Umweltpolitik ausgerichtet ist.94 Dies legt den Schluss nahe, dass die hohen Prozentwerte von Umweltsteuern in Portugal nicht auf intensive finanzielle Steuerung zurückzuführen sind, sondern auf bestimmte Asymmetrien im Steueraufkommen wie z. B. einer besonders großen Bedeutung der Mineralölsteuer. 89 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 64. 90 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.3.3. 91 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 39 u. 47. 92 http://europa.eu.int/comm/eurostat/newcronos/suite/retrieve/de/theme8/milieu/ exp/taxe/02/2005. 93 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 140. 94 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 39 u. 47.

B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure

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Im Wasserbereich wird in Art. 6 der Wasser-Rahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) den Mitgliedsstaaten bis 2010 Zeit gegeben, durch die Wassergebührenpolitik angemessene Anreize für eine effiziente Nutzung der Wasserressourcen zu schaffen. Zwar wurde in Portugal ein solches Finanzregime beginnend für große Wassernutzern 1994 eingeführt,95 dieses ist aber bisher nur teilweise umgesetzt. Obwohl auch das Wasserinstitut (INAG) betont, dass die Bürger durch die Preisgestaltung zu sparsamer Trinkwasserverwendung angehalten werden sollen,96 zahlen private Haushalte und Landwirtschaft in Portugal bisher nur einen Teil der Kosten. Ähnlich ist es bei den Abwassergebühren, die nur für Industrie- und Tourismusbetriebe kostendeckend sind.97 Neben finanziellen Anreizen wären indirekte Steuerungsinstrumente, die Änderung der internen Betriebsorganisation oder Partizipationsmöglichkeiten für Private möglich. Allerdings setzt dies Wissen und Akzeptanz der Steuerungsziele durch die Beteiligten voraus. Eine Möglichkeit, Interessenkonflikte auf einer subjektiven Ebene zu mildern, besteht daher in einer größeren Identifikation der Beteiligten mit den Zielen der Steuerung. Den staatlichen Akteuren und den Umweltschutzorganisationen ist es aber bisher nicht gelungen, das Wissen der Bürger über Umwelt wesentlich zu heben.98 Deshalb sollte 2004 ein nationaler Plan zur Erziehung zur Nachhaltigkeit entwickelt werden,99 und von 2000 bis 2006 plant das Umweltministerium 20.000 Lehrer und 300.000 Schüler durch Projekte der Umwelterziehung zu erreichen.100 Im Bereich der Raumordnung wird den Gebietsgemeinden vorgeworfen, ihr Besteuerungsrecht von Erschließungs- und Baumaßnahmen nicht aktiv als Steuerungsinstrument zu nutzen. Bestimmte Steuern werden nicht eingehoben, andere nur in sehr geringer Höhe.101 Die Umweltschutzorganisation GEOTA fordert die finanzielle Entschädigung Privater für raumordnerische 95

DL 47/1994. Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.3. 97 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/Posicoes/2001/10_01_plano_na cional_agua_parecer.html 07/2003. 98 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 121. 99 Estratégia Nacional de Educação Ambiental para a Sustentabilidade (ENEAS) -Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-254. 100 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 36. 96

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Entscheidungen staatlicher Akteure.102 Dieser Forderung nachzukommen, ist auch bei geltender Rechtslage schon teilweise möglich, wie die folgenden Ausführungen zeigen. Der Ausgleich wirtschaftlicher Folgen der Raumordnung für die Grundeigentümer wird in Portugal erstmals mit DL 390/1999 geregelt. Er wird in den punktuellen Bebauungsplänen oder den Vollzugsplänen der Vollzugseinheiten vorgenommen und dient laut Art. 137 DL 380/1999 folgenden Zielen: der Umverteilung der Wertsteigerung einzelner Grundstücke, Beschaffung von Finanzmitteln für Infrastruktur und Enteignungsentschädigungen durch die Gebietsgemeinde, Beschaffung von Grundstücken und Gebäuden für öffentliche Zwecke, Vermehrung von Bauland und Verhinderung von Grundstücksspekulation und schließlich der Verhinderung von Einflussnahme der Grundeigentümer auf die Vollziehung der Raumordnung. Der Wertausgleich wird dann folgendermaßen vorgenommen: Für ein Gebiet wird die durchschnittliche Bebauungsdichte und eine durchschnittliche Flächenabtretung im öffentlichen Interesse festgelegt. Das Ergebnis der Raumordnung wird mit diesen Durchschnittswerten verglichen und durch Grundabtretungen an die Gebietsgemeinde, durch Steuerbefreiung oder den Ankauf nicht verwertbaren Grundes durch die Gebietsgemeinde ausgeglichen. Dann werden die insgesamt entstehenden Infrastrukturkosten auf die einzelnen Grundstücke aufgeteilt. Dies geschieht nach der Grundstücksgröße und der Intensität ihrer Nutzbarkeit. Entschädigungen von Seiten des Plan erstellenden staatlichen Akteurs für die Minderung der Nutzbarkeit eines Grundstückes gibt es für Private nur unter den sehr engen Voraussetzungen des Art. 143 DL 380/1999: Erstens darf ein Wertausgleich zwischen den Grundstückseigentümern derselben Vollzugseinheit nicht möglich sein. Außerdem müssen die Beschränkungen der Nutzbarkeit des Grundstücks einer Enteignung nahe kommen und die ursprüngliche Nutzbarkeit sich aus einem ordentlichen Raumordnungsplan ergeben, der schließlich nicht älter als fünf Jahre sein darf.103 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden fordert die Ausdehnung dieses Ausgleichssystems auch auf die PROT.104

101 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 24; Lobo, Manuel da Costa et al.: Planos Directores Municipais em fase de transição (Oeiras 2003) S. 52. 102 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/Posicoes/2002/03_05_velhas_ preocupacoes_para_novo_governo.html 07/2003. 103 Art. 143 DL 380/1999. 104 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Stellungnahme der ANMP zum Entwurf von Lei 159/99. Politikfeld Raumordnung, (2000) S. 6.

B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure

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IV. Staatliche Akteure bevorzugen Einzelentscheidungen Ein Grund, weshalb die Steuerung Privater über Normen und Pläne nur bedingt funktioniert, liegt darin, dass die staatlichen Akteure selbst diese Normen und Pläne als Grundlagen ihrer Entscheidungen meiden. Stattdessen bevorzugen sie es, möglichst freie Einzelentscheidungen zu treffen und schwächen dadurch das Vertrauen aller beteiligten Akteure in die geltenden Normen und Pläne, was zu weiteren Vollzugsdefiziten führt. Diese These soll am Beispiel des Politikfelds Raumordnung näher ausgeführt werden, wo sie im Interview angesprochen wurde: Natürlich ist es den Gebietsgemeinden lieber, Einzelentscheidungen treffen zu können, anstatt sich an strenge Pläne halten zu müssen. Dies wurde von ihnen bisher auch weitgehend erreicht.105 Auch in der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Raumordnung in Bezug auf die Gebietsgemeinden bisher für keine klaren Richtlinien sorgt und willkürliche Einzelfallentscheidungen vorherrschen.106 Ein Gemeindepolitiker von Coimbra vertrat allerdings im Interview die gegenteilige Ansicht: Die Phase, als die Gebietsgemeinden keine Raumordnungspläne verabschieden wollten, um sich mehr Entscheidungsfreiheit in Einzelfällen vorzubehalten, ist endgültig vorbei. Sie haben eingesehen, dass sie ihre Entscheidungen gegenüber den gesamtstaatlichen Akteuren sachlich begründen müssen und dass die Ergebnisse der Raumordnung andernfalls nicht zufrieden stellend sind.107 Es ist wahrscheinlich, dass die allgemeine Notwendigkeit einer geordneten Raumordnung bei den kommunalen Akteuren akzeptiert ist. Aber im konkreten Fall wird trotzdem versucht, möglichst freie Einzelfallentscheidungen zu treffen, um die damit verbundene politische Gestaltungsmacht nicht zu verlieren. Da für den Vollzug politische Organe verantwortlich sind, führen deren politische Interessen und Einstellungen anderen Akteuren gegenüber zu Vollzugsdefiziten. Im einfachsten und direktesten Fall führt dies zu Einzelfallentscheidungen die bestehenden Plänen widersprechen. Bis in die 1990er Jahre war unter kommunalen Mandatsträgern die Einstellung weit verbreitet, dass sich die Gebietsgemeinden nicht wirklich an die Flächenwidmungspläne PDM halten müssten.108 Auch heute wird kommunalen Mandatsträgern in der Literatur vorgeworfen, direkt entgegen bestehender Raumordnungspläne zu entschei105

Farias, João: Interview am 14. August 2003. Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 51. 107 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 108 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 122. 106

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

den.109 Eine legale Möglichkeit, relativ freie Einzelfallentscheidungen treffen zu können besteht darin, die rechtsverbindlichen Pläne inhaltlich möglichst vage zu halten. Diesfalls legen die PDM z. B. nur eine vorherrschende Nutzung für eine Grundfläche fest.110 Viele Gebietsgemeinden verabschieden im Ergebnis derart unbestimmte PDM, dass praktisch jede Bodennutzung im Einzelfall genehmigt werden kann.111 Eine ähnliche Methode besteht darin, diejenigen Raumordnungsinstrumente nicht einzusetzen, welche die Möglichkeit, Einzelfallentscheidungen zu treffen, stärker einschränken. Von den vorgesehenen Raumordnungsinstrumenten sind daher bisher nur die PDM flächendeckend verwirklicht. Es fehlen der nationale Raumordnungsplan und großteils die PROT als regionale Pläne, welche die gesamtstaatlichen Akteure untereinander und gegenüber den Gemeinden binden würden. Schließlich fehlen unterhalb der PDM als Flächenwidmungspläne weitgehend die detaillierteren Bebauungspläne PP und PU, welche die Gemeinden gegenüber den Privaten binden würden.112 In der am stärksten urbanisierten CCDR-Region um die Hauptstadt gab es 2001 nur in 15 von 51 Gebietsgemeinden überhaupt die detaillierten PU wenigstens für einzelne Ortsteile.113 Damit behalten die Gebietsgemeinden Entscheidungsspielraum bei den Bauansuchen der Bürger,114 schwächen aber das Vertrauen zwischen allen beteiligten Akteuren in das Raumordnungssystem. Umgekehrt wird nach erfolgter Einzelfallentscheidung das Instrument der PP genutzt, um eine Vereinbarungen zwischen einer Gebietsgemeinde und einem Privaten rechtlich verbindlich zu machen.115 Eine weitere Methode der Gebietsgemeinden, ihre Entscheidungsfreiheit zu behalten, besteht darin, Detailpläne zwar auszuarbeiten, aber dann nicht in Kraft treten zu lassen. So werden bei vorhandenem PDM die PP und PU zwar erstellt, dann aber nicht formell verabschiedet. Sie stehen den Gebietsgemeinden dadurch als 109

Azevedo, Mário de: Problemas dos planos, hoje. Uma visão pragmática, S. 87–95 [in: Universidade Nova de Lisboa (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 93. 110 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 23. 111 Oliveira, Fernanda Paula: Alguns aspectos do novo regime jurídico dos Planos Regionais de Ordenamento do Território. Em especial, a questão da sua eficácia jurídica [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, N 11/12 Ano IV Junho Dezembro 1999, S. 69–85, 1999] S. 81. 112 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 113 http://www.drarn-lvt.pt/organica/dsgt_pp.asp 07/2003. 114 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 115 Sá, Manuel Fernandes de: Planos Operativos de Escala Intermédia. Caracterização Técnica e Arquitectónica [in: Sociedade e Território, 33, S. 46–56, 2002] S. 52.

B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure

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flexible Orientierungslinien gegenüber den Privaten zur Verfügung. Ohne die formelle Gültigkeit der offiziellen Pläne nehmen sie unterschiedlichste Formen an, die dem jeweiligen Zweck angepasst sind. Um z. B. das Investitionsprojekt eines Unternehmens rasch genehmigen zu können, werden für Gewerbegebiete informelle Detailplanungen bevorzugt. Gleichzeitig ermöglichen diese Planungen es den Gebietsgemeinden, Verhandlungsergebnisse mit Privaten festzuhalten, oder sie werden von den Privaten selbst erstellt, um ihre geplante Initiative gegenüber der Gebietsgemeinde darzustellen. Manchmal entstehen diese informellen Pläne aus Vor- und Detailstudien der formellen Pläne und werden sogar im Gebietsgemeinderat als Anlage zu einem Beschluss verwendet, was ihnen auf lokaler Ebene eine gewisse praktische Verbindlichkeit verleiht.116 Ähnlich wie sich die kommunalen Akteure gegenüber den Privaten ihre Entscheidungsfreiheit bewahren wollen, streben dies auch gesamtstaatliche Akteure an. Insgesamt können sie im bestehenden Raumordnungssystem Raumordnungspläne jederzeit neu erstellen, wenn sie den gemeinsamen Willen dazu aufbringen.117 Über ihre Politikfeldpläne können gesamtstaatliche Akteure auch nachträglich in bestehende kommunale Raumordnungspläne eingreifen. Die Bevölkerung, die sich auf bestehende kommunale Raumordnungspläne verlässt, wird enttäuscht, wenn der Gesamtstaat sich über lokal beschlossene Entwicklungsstrategien hinwegsetzen kann. Die Gebietsgemeinden fordern in diesen Fällen schon lange Entschädigungen für betroffene Bürger.118 Außerdem gewähren Sonderregeln den gesamtstaatlichen Akteuren zusätzliche Entscheidungsfreiheit. So wurde für die Umgestaltung eines heruntergekommenen Industrieviertels zum EXPO-Gelände 1998 ein juristisches Sonderregime geschaffen, das dem Gesamtstaat Eingriffsmöglichkeiten in die Zuständigkeiten und Rechte der betreffenden Gebietsgemeinden und Privaten ermöglichte. So konnte die EXPO Gesellschaft die Raumordnungspläne für ihr eigenes Gelände selbst erstellen, die dann direkt von der Regierung genehmigt wurden. Dieses Modell diente als Vorbild für das POLIS-Programm für umweltpolitische Maßnahmen im städtischen Bereich, mit dem derzeit landesweit städtische Problemzonen saniert werden.119 Auch die Tatsache, dass gesamtstaatliche Akteure keine kommunalen Baugenehmigungen brauchen, zeigt, dass sie bestrebt sind, 116

Ibid. S. 53 f. European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 23. 118 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Resolução. Rede Natura 2000, (2000). 119 Mendes, Joana: Programa Polis. Programa ou falta de programa para a requalificação das cidades? [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a.4n.1, S. 83–100, 2001] S. 88. 117

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Einzelfallentscheidungen möglichst unabhängig von bestehenden Plänen und Verfahren zu treffen. Die Folgen sind mangelndes Vertrauen aller beteiligten staatlichen und privaten Akteure in das gemeinsame Raumordnungssystem mit den entsprechenden daraus resultierenden Vollzugsdefiziten.

V. Negative Einstellung zu den steuernden staatlichen Akteuren Wie in Kapitel 2 Abschnitt „II. Einstellungen zwischen privaten und staatlichen Akteuren“ dargestellt, vertrauen die Bürger den staatlichen Akteuren wenig, sind mit der Steuerung der Gesellschaft durch staatlichen Akteure unzufrieden, halten Korruption für weit verbreitet und erwarten von einem ihnen tendenziell gleichgültigen Staat wenig. Diese negativen Grundeinstellungen stellen auch ein Problem für die Steuerung Privater durch staatliche Akteure dar. Zu Problemen bei Erstellung und Vollzug von Normen sowie inhaltlichen Interessengegensätzen kommt noch eine negative Interaktionsorientierung zwischen Privaten und den steuernden staatlichen Akteuren hinzu. Die Privaten lehnen also weniger den Inhalt der Normen ab, sondern betrachten den Staat als unglaubwürdigen Interaktionspartner und lehnen die normative Steuerung an sich ab. Eine Ursache dafür ist die historische Erfahrung mit dem autoritären Estado Novo, außerdem der revolutionäre Ursprung der heutigen portugiesischen Republik und die ständige positive Bezugnahme auf diese Revolution: Im Estado Novo gab es einen starken Gesamtstaat, dessen Entscheidungen allgemein respektiert und auch vollzogen wurden. Der Regierungschef der letzten Jahre Marcelo Caetano war gleichzeitig der bedeutendste Professor für öffentliches Recht. Nicht in der Lage, Portugal schnell genug zu modernisieren, verlor die Regierung des Estado Novo aber über die Jahre das Vertrauen und die Unterstützung durch die Bürger, was sich schließlich im Umsturz von 1974 entlud. Gleichzeitig mit der Regierung hatte aber auch der Rechtsstaat das Vertrauen der Bürger verloren. Diese Entwicklung verstärkte sich noch in den Jahren nach 1974: Befehlsverweigerung der Armee, außerrechtliche Machtergreifung, wilde Sozialisierungen, gewaltsame Landreform und Gesinnungsterror am Arbeitsplatz prägten die nächsten Jahre. Politische Freiheit drückte sich in „Rechtsfreiheit“ aus. Da nunmehr alle frei waren, musste man auch keine Regeln mehr befolgen. Im Bereich der Raumordnung z. B. hatten die Bürger das Gefühl, dass es ihr gutes Recht ist, ihr Haus dorthin zu bauen, wo sie wollten.120 Der Staat ver120

Rebelo, João: Interview am 13. August 2003.

B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure

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sucht heute entschiedener, seine Normen durchzusetzen. Aber die Bereitschaft der Bürger, sich normenkonform zu verhalten, wächst nur langsam. Erst langsam lernen sie aus den rechtlosen Jahren nach der Revolution und begreifen, was ein Rechtsstaat ist.121 Ein Beleg für das grundlegend niedrige Vertrauen in die Wirksamkeit staatlicher Steuerung ist, dass sich die Portugiesen im europäischen Vergleich nur in geringem Maße von strengeren Normen und strengerer Vollziehung eine Lösung von Umweltproblemen erwarten.122 Auch für den Bereich der Raumordnung wird in der Literatur die Meinung vertreten, dass das Hauptproblem nicht die Rechtslage, sondern die Einstellung der handelnden Akteure sei.123 Es gibt hier aber mittlerweile insofern eine Verbesserung, als dass die große Mehrheit der Bürger vor dem Kauf eines Grundstücks wissen will, ob ihre geplante Bebauung legal oder illegal ist.124 Die negative Einstellung staatlichen Akteuren gegenüber zeigt sich auch in der mangelnden aktiven Kooperationsbereitschaft der Bürger. Nach dem Ende des Estado Novo wurde es von der öffentlichen Meinung als Verrat interpretiert, mit den Behörden zusammengearbeitet zu haben. Deshalb wurde in den folgenden Jahren auch bei Umweltverschmutzungen oder einem Schwarzbau kaum jemand angezeigt, was sich aber seit Mitte der 1990er-Jahre zu ändern beginnt.125 Die Bürger haben aber noch zu wenig Vertrauen in die Effizienz staatlicher Akteure, weil z. B. Gerichts- oder Behördenverfahren zu lange dauern. Deshalb glauben Private auch nicht, dass ihre Kooperation mit staatlichen Akteuren an den Ergebnissen staatlichen Handelns etwas ändert.126 Negative Einstellungen zu staatlichen Akteuren sind einerseits die Ursache von Vollzugsdefiziten, aber gleichzeitig auch deren Folge, was zu einer Selbstverstärkung der Steuerungsprobleme führt. So greifen staatliche Akteure in Portugal zu häufig auf direkte Steuerung mittels Geboten und Ver121

Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. European Commission et al. (Hg.): The attitudes of Europeans towards the environment. Eurobarometer 58 (Brussels 2002) S. 32. 123 Azevedo, Mário de: Problemas dos planos, hoje. Uma visão pragmática, S. 87–95 [in: Universidade Nova de Lisboa (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 91. 124 Sá, Manuel Fernandes de: Planos Operativos de Escala Intermédia. Caracterização Técnica e Arquitectónica [in: Sociedade e Território, 33, S. 46–56, 2002] S. 51. 125 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 126 Lamas, António Ressano Garcia: Síntese e Recomendações. O Desenvolvimento da „Eco-Cidadania“, S. 241–248 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 244. 122

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

boten zurück, die aber dann nicht durchgesetzt werden.127 Der Staat erlässt Normen, verschafft diesen aber unter den Privaten keine Geltung und respektiert sie auch selbst nicht. Dadurch entsteht bei den Privaten der Eindruck von Unentschlossenheit und Unzuverlässigkeit, was insgesamt zu einer negativen Einstellung gegenüber staatlichen Akteuren führt.

VI. Reformmöglichkeiten Um die Probleme in der Steuerung Privater durch staatliche Akteure zu lösen und den Kreislauf auf sich verstärkender Vollzugsdefizite zu durchbrechen, ist ein mehrfacher Ansatz nötig: Das Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Akteuren ist derzeit durch den Versuch einer hoheitlichen Kontrolle privaten Handelns durch staatliche Akteure geprägt. Dieser Versuch scheitert aber zu einem erheblichen Teil. Daher wäre die ergänzende Betonung von Formen der Kooperation sinnvoll.128 Gerade in der Raumordnung sieht man, dass das Handeln staatliche Akteure allein den Vollzug der Pläne nicht sicherstellen kann, und dass langfristige Ziele von Plänen nur gemeinsam mit den Privaten verwirklicht werden.129 Bis heute hat der Staat hauptsächlich die Privatinitiative kontrolliert und verzögert. Erst langsam beginnt sich eine positive Kooperation in der Raumordnung zu entwickeln.130 So anerkennt der Gesetzgeber die Fähigkeit privater Akteure zur Initiative in Raumordnungs- und Bebauungsfragen z. B. bei den Instrumenten zur Stadtteilerneuerung in Art. 129 DL 380/1999 ff. Ein anderes Beispiel ist, dass die Versorgungsunternehmen in Art. 21 DL 249/1994 verpflichtet werden, ihre Lieferungen einzustellen, sobald sie von einem staatlichen Akteur über die Illegalität eines bestehenden Baues unterrichtet werden.131 Ergänzend wären auch finanzielle Anreizsysteme sinnvoll. Neben dem traditionellen Steuerungssystem von Normierung, Kontrolle und Sanktionen steht heute in Portugal die Gründung von Regu127

Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. (Oeiras 2000)] S. 121. 128 Lopes, Raul M. Gonçalves: Planeamento Municipal e Intervenção Autárquica no Desenvolvimento Local (Lisboa 1990) S. 50. 129 Azevedo, Mário de: Problemas dos planos, hoje. Uma visão pragmática, S. 87–95 [in: Universidade Nova de Lisboa (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 94. 130 Lobo, Manuel da Costa et al.: Políticas urbanísticas nas fflltimas décadas, S. 23–31 [in: Pardal, Sidónio et al. (Hg.): Normas urbanísticaVolume IV. Planeamento Integrado do Território. Elementos de Teoria Crítica, (Lisboa 2000)] S. 28. 131 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 209.

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

433

lierungsbehörden, die sowohl private als auch staatliche Akteure beaufsichtigen sollen, auf der Tagesordnung. 2004 sollte dies etwa im Gesundheitswesen132 und für den Bereich der Wasserwirtschaft erfolgen.133 Dies ist ein wichtiger Beitrag zur dringend notwendigen Verbesserung des Normenvollzugs durch die staatlichen Akteure selbst. Außerdem wird damit begonnen, die Ergebnisse normativer Steuerung zu evaluieren, beispielsweise sieht Art. 28 f. Raumordnungsrahmengesetz ein Evaluations- und Informationssystem vor. Die negative Interaktionsorientierung der Privaten kann langfristig durch eine besser funktionierende normative Steuerung verringert werden. Klare Regeln, deren Einhaltung durch staatliche Akteure sichergestellt wird, schaffen Vertrauen in den Beziehungen zwischen Staat und Bürger. In diesem Sinne ist eine funktionierende Raumordnung auch eine Investition in das Vertrauen zwischen den Akteuren einer Gesellschaft.134 Vertrauen können staatliche Akteure auch wieder dadurch gewinnen, dass sie ihre Entscheidungen begründen, sie dem Bürger verständlich machen und gesellschaftliche Akteure stärker einbinden.135 Tendenziell bietet auch die Schaffung regionaler staatlicher Akteure mit eigener demokratischer Legitimation die Chance, einige Probleme der Steuerung Privater zu verringern. Stärkere Identifikation und Beteiligungsmöglichkeiten können die Einstellung der Privaten verbessern, eine Integration mehrerer Politikfelder bei einem regionalem Territorialakteur staatliche Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und die größere Nähe zwischen regionalen und kommunalen staatlichen Akteuren deren Zusammenarbeit verbessern.

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung In einem demokratischen Staat geht die Legitimation der Existenz und des Handelns staatlicher Akteure von seinen Bürgern aus. Neben der klassischen Form der Legitimation in politischen Wahlen findet in den letzten Jahren eine ergänzende Legitimation staatlichen Handelns über Bürgerbeteiligung statt. In der Folge wird ein Überblick über die diesbezügliche Situation in Portugal gegeben. 132 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território (Hg.): Exame da OCDE ao desempenho ambiental de Portugal. Conclusões e recomendações (Lisboa 2001) S. 87. 133 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-251. 134 Galvão, Sofia de Sequeira: Alguns Tópicos para uma Reflexão sobre Política de Ordenamento do Território em Portugal [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 7, S. 187–207, 1997] S. 204. 135 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

I. Legitimation in politischen Wahlen Die portugiesische Republik ist ein Einheitsstaat, dessen Souveränität nur auf nationaler Ebene entsteht. Politische Wahlen gibt es zu den Organen der Ortsgemeinden, der Gebietsgemeinden sowie der autonomen Inselregionen, zur Nationalversammlung und zum Präsidenten der Republik. Schließlich gibt es noch Wahlen zum europäischen Parlament. Bei den Wahlen zur Nationalversammlung gilt das Verhältnismäßigkeitswahlrecht. Die politischen Parteien stellen dazu Kandidatenlisten in zwanzig Wahlkreisen auf.136 Die Möglichkeit landesweiter Referenden zu Einzelthemen wurde durch die Verfassungsreform 1997 eingeführt. Im folgenden Jahr wurden zwei Referenden über die Legalisierung der Abtreibung und die Regionalisierung durchgeführt. Allerdings war die Beteiligung daran nur gering und die anfangs von den Möglichkeiten der direkten Demokratie überzeugten Parteien haben seither auf diese Instrumente nicht mehr zurückgegriffen.137 Das kommunale Wahlrecht wird allgemein zuvor in Kapitel 1 Abschnitt „C. Kommunale Akteure“ dargestellt. Auf Gemeindeebene kandidierten seit dem Ende des Estado Novo insgesamt eine halbe Million Portugiesen für politische Ämter.138 Daher werden die Gemeinden auch als „Schule der Demokratie“ bezeichnet.139 Vom Präsidenten der portugiesischen Republik Jorge Sampaio wurden die kommunalen Mandatsträger sogar als die „namenlosen Helden der Demokratie“ bezeichnet, die aus nächster Nähe mit den Problemen der Bürger konfrontiert sind.140 Im Schnitt empfinden die Bürger ihre Gemeinden als weniger distanziert als die nationale Regierung. Erstens leben die kommunalen Mandatsträger täglich mit ihren Bürgern und wissen, was deren Probleme sind. Zweitens müssen sie sich auch stärker als die nationale Regierung bemühen, diese Probleme zu lösen.141 Der engere Zusammenhang zwischen den Ergebnissen staatlichen Handelns und dem Wahlverhalten der Bürger auf kommunaler Ebene wird immer wieder als 136 The Economist Intelligence Unit (Hg.): Country Profile. 2001. Portugal (o. O. 2001) S. 7. 137 Ibid. S. 8. 138 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 2. 139 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 2. 140 Domingos, Paula: Freguesias em congresso. Unidos à Descentralização [in: Municípios e Regiões de Portugal, Nr. 11 Mai 2002, S. 22–25, 2002] S. 24. 141 Gomes, José: Interview am 1. August 2003.

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

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Argument für die Übertragung gesamtstaatlicher Kompetenzen auf die Gemeinden gebraucht.142 Wie bei den Wahlen auf nationaler Ebene dominieren die Parteien auch auf der kommunalen Ebene den politischen Prozess. Wenn die Bürger aber nicht mit den von den Parteien aufgestellten Kandidaten einverstanden sind oder ihre lokalen Interessen nicht vertreten fühlen, gründen sie seit einigen Jahren freie Wählergemeinschaften, die auch Wahlerfolge erzielen.143 Freie Wählergemeinschaften konnten früher nur für die Gemeindevertretung der Ortsgemeinden kandidieren. Nach der Verfassungsreform 1997 können sie dies auch für die Gebietsgemeinden.144 Dies ist von umso größerer Bedeutung, als politische Parteien nur ab einer hohen Mitgliederzahl gegründet werden können. Lokale Referenden werden durch Art. 240 CRP ermöglicht. Durch Lei Orgânica 4/2000 ist diese Materie einfachgesetzlich geregelt. Gegenstand eines Referendums können nur Zuständigkeiten der Gebietsgemeinde oder von ihr mit dem Gesamtstaat geteilte Zuständigkeiten sein, Budget und Gemeindesteuern sind davon ebenso ausgenommen wie öffentlich-rechtliche Verträge. Ein Referendum einleiten können auf Ebene der Orts- oder Gebietsgemeinde mindestens 15 einzelne Gemeindevertreter, der Gemeindevorstand oder eine Bürgerinitiative. Im letzteren Fall sind die Unterschriften von 8% der Wahlberechtigten, maximal aber von 5.000 Bürgern notwendig, in kleineren Gemeinden von 20%, maximal jedoch 300 Bürgern. Über alle Anträge auf Abhaltung eines Referendums entscheidet die Gemeindevertretung mit einfacher Mehrheit. Vor einer eventuellen Abhaltung muss aber noch eine Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit des Referendums eingeholt werden. Die Ergebnisse des Referendums sind für die Gemeindeorgane bindend, wenn mindestens 50% der Wahlberechtigten zur Wahl gegangen sind.

II. Informationszugang Auf verfassungsrechtlicher Ebene werden den Bürgern in differenzierter Weise Informationsrechte gegeben: Meinungs- und Informationsfreiheit in Art. 37 Abs. 1 CRP, objektive Information über politische Handlungen staatlicher Akteure in Art. 48 Abs. 2 CRP, Information als Verfahrensbeteiligter in Art. 268 Abs. 1 CRP und schließlich der allgemeine Informationszugang zu Verwaltungsdokumenten in Art. 268 Abs. 2 CRP. 142

Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003. Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 144 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 25. 143

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Auf einfachgesetzlicher Ebene erklärt die Präambel des Verwaltungverfahrensgesetzes (VwVfG-DL 442/1991) die Transparenz der Verwaltung und die Information betroffener Bürger zu grundlegenden Zielen jeder Verfahrensordnung. In Art. 68 VwVfG wird den Bürgern (wortgleich mit der Verfassung) das allgemeine Recht, in beliebige Verwaltungsunterlagen einzusehen, gegeben, wobei Einschränkungen aus Gründen der inneren und äußeren Sicherheit, kriminalistischer Untersuchungen und dem Schutz personenbezogener Daten für zulässig erklärt werden und schließlich auf ein eigenes Gesetz verwiesen wird. Mit Lei 65/1993145 wurde dieses Gesetz in Umsetzung der EU-Richtlinie 90/313/CEE über den Informationszugang der Bürger im Politikfeld Umwelt erlassen. Art. 7 Lei 65/1993 gewährt allen Bürgern den Zugang zu Informationen, insbesondere im Umweltbereich, ohne dass ein persönliches Interesse an der Angelegenheit nachgewiesen werden muss. Allerdings wird dies für personenbezogene Unterlagen (documentos nominativos) eingeschränkt. Diese sind nur für die betreffenden Personen zugänglich und für Dritte, die ein direktes und persönliches Interesse an der Angelegenheit nachweisen. Das Recht auf Akteneinsicht kann nach Art. 7 Abs. 3 und Art. 12 Lei 65/1993 auf drei Arten ausgeübt werden: kostenlose Einsichtnahme, Kopieren von Unterlagen zu den Materialkosten und das Verlangen einer formellen Bestätigung über die Existenz oder Nichtexistenz bestimmter Akten. Das VerwaltungsmodernisierungsG DL 135/1999 regelt ebenfalls den Zugang zu Dokumenten der Verwaltung und richtet zur Überwachung eine bei der Nationalversammlung angesiedelte Kommission für den Zugang von Verwaltungsdokumenten ein.146 Allgemeine Informationsrechte der Bürger werden auch in einzelnen Materiengesetzen präzisiert, etwa in DL 236/1998 in Bezug auf die Wasserqualität. Es besteht demnach die gesetzliche Verpflichtung der Verwaltung, die Ergebnisse der Trinkwasserkontrollen in der regionalen Presse und in amtlichen Kundmachungen zu veröffentlichen (DL 236/1998). Die Grenzen einer transparenten Verwaltung, der Schutz personenbezogener und unternehmensbezogener Daten, ist in Portugal durch DL 67/1998 geregelt, das in Umsetzung der EU Richtlinie 95/46/CE erlassen wurde. Trotz dieser umfangreichen und grundrechtsfreundlichen Gesetzgebung ist das Recht auf Information nach Meinung der Umweltschutzorganisation GEOTA in der Praxis nicht ausreichend verwirklicht: Die betreffenden Normen sind in der Bevölkerung unbekannt und werden von den staatlichen Akteuren nicht beachtet, wenn sie denn einmal eingefordert werden. Zum 145 146

Lei de acesso aos documentos da Administração idF Lei 94/1999. Comissão de Acesso aos Documentos Administrativos (CADA).

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

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Beispiel wird der Nachweis eines konkreten persönlichen Interesses am Verfahren verlangt, obwohl dies nach der Rechtslage nicht notwendig ist. Die Gemeinden wiederum verlangten oft übertriebene Gebühren für das Kopieren von Unterlagen und vielfach sei vorschriftswidrig niemand bestimmt, der solche Begehren überhaupt behandelt.147

III. Bürgerbeteiligung Die Bürgerbeteiligung bringt den staatlichen Akteuren den Vorteil, dass zusätzliche Informationen aus der Bevölkerung die Planung eines Projekts erleichtern. Außerdem erkennen sie so frühzeitig Interessengegensätze in der Bevölkerung. An die Stelle eines theoretischen öffentlichen Interesses, das der staatliche Akteur allein vertritt, werden so konkrete Interessengegensätze deutlich. Außerdem hilft die Bürgerbeteiligung stets vorhandene Widerstände gegen Veränderungen zu dämpfen;148 Zusätzlich steigt durch die Beteiligungsverfahren der Begründungsaufwand der Entscheidungen und damit tendenziell die Entscheidungsqualität. Die Vorteile für die Bürger sind die frühzeitige Information und die Möglichkeit der Beeinflussung staatlicher Entscheidungen. 1. Rechtslage zur Bürgerbeteiligung In internationalen Verträgen149 und im Gemeinschaftsrecht150 sind das Recht auf Information und Teilhabe im Umweltbereich festgeschrieben, ohne dass dies konkretisiert und ein Verfahren dafür festgelegt würde. Das Gleiche gilt für die portugiesische Verfassung, welche das Prinzip der Bürgerbeteiligung (princípio da participação dos particulares) schon 1976 in Art. 267 Abs. 5 CRP zu einem Strukturprinzip des Handelns staatlicher Akteure erklärte. Die einfachgesetzliche Umsetzung erfolgte im UmweltrahmenG von 1987 und dem vier Jahre jüngeren VerwaltungsverfahrensG (DL 442/1991). In Art. 8 DL 442/1991 wird allerdings nur geringfügig konkreti147 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 148 Jesus, Jffllio de: Consulta Pfflblica. Experiência Portuguesa, S. 41–52 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 45 f. 149 Die 1998 im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa unterzeichneten Konvention von Aarhus betrifft etwa den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten. 150 Wasser-Rahmen-Richtlinie 2000/60/EG, Umweltverträglichkeitsprüfung RL 85/337/CE, später RL 97/11/CE.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

siert, dass dieses Prinzip in der Teilnahme an Anhörungen von in ihren Interessen betroffenen Bürgern und deren Vereinigungen besteht. Allerdings werden die staatlichen Akteure in Art. 7 Abs. 1 lit. b DL 442/1991 zur aktiven Unterstützung der beteiligungswilligen Bürger verpflichtet. Wie in anderen Verfahrensordnungen auch lässt sich eine Reihe von Verfahrensrechten der Parteien im Verwaltungsverfahren auch als Instrumente der Bürgerbeteiligung interpretieren. Die nähere Ausgestaltung der Bürgerbeteiligung im engeren Sinne erfolgte schließlich im Popularklagegesetz (Lei de Direito de Participação Procedimental e de Acção Popular, Lei 83/1995). Im II. Kapitel sind die Informations- und Anhörungsrechte von Bürgern und deren Vereinigungen bei staatlichen Planungsprozessen näher geregelt. Dies betrifft die Jahresplanung der Verwaltung, die Genehmigung von Entwicklungs- und Raumordnungsplänen sowie von öffentlichen Investitionsprojekten von erheblicher Bedeutung (d.h. mehr als 5 Mio. e Projektumfang oder erheblicher Einfluss auf die Lebensqualität einer Bevölkerungsgruppe). Kundmachungsund Einspruchsfristen sind ebenso geregelt, wie die Möglichkeit der Verfahrensbündelung in Massenverfahren. Die jeweilige Behörde hat die Pflicht, eine öffentliche Anhörung durchzuführen, die Einwendungen zu erwägen und zu beantworten sowie ihre Entscheidung zu begründen. Das VerwaltungsverfahrensG ist auf diese Bürgerbeteiligungsverfahren anwendbar. Außerdem enthalten einige Materiengesetze ergänzende Regeln zur Bürgerbeteiligung: Umweltverträglichkeitsprüfung, Risikoabschätzung für Industrieunfälle, Risikoabschätzung von Industrieanlagen, Bauplatzerklärungen und Bauvorhaben, Raumordnung, Einrichtung von Naturschutzgebieten.151 Ein zusätzliches Beschwerde- und Vorschlagsrecht garantiert Art. 52 Abs. 1 CRP und das ausführende Lei 83/1995. Demnach haben alle Bürger das Recht, einzeln oder gemeinsam an alle staatlichen Akteure Bitten, Vorschläge und Beschwerden zu richten. Innerhalb einer angemessenen Frist müssen diese Vorbringen beantwortet werden. Beschwerde- und Vorschlagsmöglichkeiten der Bürger sind außerdem allgemein im VerwaltungsmodernisierungsG DL 135/1999 geregelt. Eine spezielle Möglichkeit besteht darin, Naturschutzgebiete vorzuschlagen.152 Auf kommunaler Ebene sind Beschwerde- und Vorschlagsrechte in Lei 169/1999 geregelt. Nach Art. 84 Lei 169/1999 sind die Sitzungen der Gemeindevertretungen von Orts- und Gebietsgemeinden öffentlich. Auch der 151 Jesus, Jffllio de: Consulta Pfflblica. Experiência Portuguesa, S. 41–52 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 44. 152 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 50.

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

439

Gemeindevorstand ist verpflichtet, monatlich wenigstens eine seiner Sitzungen öffentlich abzuhalten. In diesen öffentlichen Sitzungen muss den Bürgern am Ende die Gelegenheit gegeben werden, Fragen zu stellen. Eine größere Anzahl von Bürgern kann nach Art. 14 u. 50 Lei 169/1999 Sondersitzungen der Gemeindevertretungen von Orts- und Gebietsgemeinden verlangen, auf denen sie ihre Anliegen vorbringen können. 2. Bürgerbeteiligung im Politikfeld Raumordnung Art. 65 Abs. 5 CRP, in der Verfassungsrevision 1997 neu eingeführt, garantiert die Bürgerbeteiligung ausdrücklich für das Politikfeld Raumordnung. Anwendbar auf die Bürgerbeteiligung in der Raumordnung sind drei einfachgesetzliche Rechtsquellen, die allerdings aufeinander nicht besonders gut abgestimmt sind: das allgemeine PopularklageG, das RaumordnungsrahmenG und das ausführende DL 380/1999.153 Vor in-Kraft-Treten dieser Normen gab es in der Raumordnung lediglich das Instrument der öffentlichen Anhörung. Diese fand meist als reine Formsache am Ende eines jahrelangen Planungsprozesses statt. Die staatlichen Akteure waren dann aber nicht mehr bereit, von den untereinander mühsam ausgehandelten Kompromissen wieder Abstand zu nehmen, sodass dieses Bürgerbeteiligungsinstrument ins Leere lief.154 Das nicht nur auf die Raumordnung anwendbare PopularklageG aus dem Jahre 1995 brachte eine Ausweitung der Bürgerbeteiligung. Erstens wurde der Beteiligtenkreises auf alle Interessierten, seien es Einzelpersonen, Bürgerinitiativen oder Gemeinden, ausgeweitet. Zweitens durch eine zeitliche Vorverlegung in die Anfangsphase der Planung dahingehend verändert, dass nunmehr die strategischen Entscheidungen hinterfragt werden konnten. Dieses Gesetz wurde in den folgenden Jahren aber nur vereinzelt angewandt. Verantwortlich dafür waren mangelndes Interesse der Bürger sowie fehlender politischer Wille und geschultes Personal auf Seite der staatlichen Akteure.155 Das RaumordnungsrahmenG bezeichnet in Art. 5 die Bürgerbeteiligung als Grundprinzip der Raumordnung und führt diesbezüglich die Unterscheidung zwischen Plänen ein, die nur staatliche Akteure binden und solchen, die auch für Private verbindlich sind. Diese Unterscheidung wird im ausführenden DL 380/1999 wieder aufgegriffen. Bei den nur für staatliche Ak153

Lei 83/1995, Lei 48/1998. Cunha, José Luis: A Participação dos Cidadãos na Elaboração dos Instrumentos de Gestão Territorial. Um Comentário à Recente Legislação Urbanística [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 11–12 (Jun-Dez 1999), S. 85–109, 1999] S. 87. 155 Ibid. S. 88 f. 154

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

teure verbindlichen Plänen findet die Bürgerbeteiligung als öffentliche Anhörung in der Endphase des Planungsprozesses statt und die Bürger haben ein allgemeines Recht, Vorschläge einzubringen. Ergänzt werden diese Beteiligungsrechte nach Art. 6 DL 380/1999 durch eine umfassende Informationspflicht der staatlichen Akteure, die bei Erstellung von Raumordnungsplänen über Verfahren und Inhalt in den Medien informieren müssen. Beispiele für nur die staatlichen Akteure bindende Pläne sind die PROT. Im Erstellungsverfahren des PROT organisiert der Begleitausschuss des PROT die Anhörungen der Bürger, zumindest eine in jeder Gebietsgemeinde, die im örtlichen Geltungsbereich des PROT liegt. In diesen Anhörungen werden die Eingaben behandelt, die vorher schriftlich an die Gebietsgemeinde oder die CCDR herangetragen wurden, ergänzt durch die bei der Anhörung auftauchenden Fragen. Über diese Anhörungen verfasst der Begleitausschuss einen Bericht und kann der CCDR Änderungen des PROT vorschlagen.156 Im Falle der Erstellung des PROZED am Mittellauf des Douro in Nordportugal fand die Bürgerbeteiligung erst gegen Ende des gesamten Planungsprozesses statt und dauerte einen Monat.157 Direkt verbindlich für Private sind die Raumordnungspläne der Gebietsgemeinden und die Spezialpläne des Gesamtstaates. Bei Erstellung dieser Pläne findet deshalb auch eine erweiterte Bürgerbeteiligung statt: Erstens haben die Bürger während des ganzen Verfahrens ein Recht auf die Information, die notwendig ist, um den Planungsprozess von Anfang an nachzuvollziehen und Vorschläge zu machen. Es ist nicht möglich, die Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Organe zu diesen Plänen auszuschließen. Zweitens ist eine zusätzliche Beteiligungsphase am Anfang des Planungsprozesses vorgesehen, die der Erörterung der strategischen Leitlinien der Planung dient. Schließlich liegt der Entwurf des PDM zwei Monate lang zur Einsicht auf. Dies findet nach der Abstimmung aller staatlichen Akteure und vor der Annahme des Planes in der Gemeindevertretung statt. Öffentliche Diskussionen können von der Gemeindevertretung organisiert werden. In den Medien muss darüber informiert werden. Die Einwendungsfrist beträgt bei den Spezialplänen einen Monat und bei den PDM doppelt so lange. Bei behauptetem Widerspruch zu anderen Raumordnungsinstrumenten oder Rechtsvorschriften oder der Verletzung subjektiver Rechte ist der für die Ausarbeitung verantwortliche staatliche Akteur zu einer konkreten schriftlichen Antwort verpflichtet. Am Ende werden die Einwendungen bewertet, veröffentlicht und eventuell in den Entwurf des PDM einbezogen.158 156 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 179 ff. 157 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 52.

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

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3. Bürgerbeteiligung im Politikfeld Umweltschutz Die Bürgerbeteiligung im Politikfeld Umweltschutz wird durch Art. 66 Abs. 2 CRP verfassungsrechtlich garantiert. Auf einfachgesetzlicher Ebene ist das Recht auf Bürgerbeteiligung in Planungsprozessen im allgemeinen PopularklageG159 ausgestaltet. Diese Rechtsgrundlage ist auch auf die Planungen für das EU-Rahmenprogramm anwendbar, also auch für die Erstellung des Entwicklungsplans für den Umweltbereich (Programa Operacional do Ambiente – POA). Zusätzlich spielen Raumordnungspläne, besonders die Spezialpläne des Gesamtstaats für ökologisch sensible Bereiche wie die Küste, Binnengewässer oder Naturschutzgebiete im Politikfeld Umwelt, eine zentrale Rolle und damit auch die dafür geschaffenen Beteiligungsverfahren. Außer im Falle der Raumordnungspläne weist der Gesetzgeber aber beim Umweltschutz den gesellschaftlichen Akteuren eine stärkere Stellung zu als dem einzelnen Bürger oder Bürgerinitiativen in öffentlichen Anhörungen. In einzelnen Materiengesetzen gibt es spezielle Verfahrensbeteiligungen, etwa bei der Erteilung von Wassernutzungen nach DL 46/1994 oder bei der Ausarbeitung der Bewirtschaftungspläne für die Flussgebietseinheiten, wo laut EU-Wasser-Rahmenrichtlinie 2000/60/EG eine Beteiligung der Bevölkerung vorgesehen sein muss. Den bedeutendsten Fall für Bürgerbeteiligung im Umweltbereich stellen die Umweltverträglichkeitsprüfungen dar, mit denen zwischen den Interessen der Bürger und den wirtschaftlichen Interessen der Projektwerber vermittelt werden soll. In Portugal wurden Umweltverträglichkeitsprüfungen mit DL 186/1990 in Umsetzung der betreffenden EU Richtlinie160 eingeführt und durch DL 69/2000 zuletzt reformiert. Portugal unterzeichnete außerdem im Jahr 2000 die UN-Konvention über Umweltverträglichkeitsprüfung.161 Dies ist ein Beispiel dafür, dass zwar die Idee der Bürgerbeteiligung unter sozialistischen Vorzeichen schon in der portugiesischen Verfassung von 1976 angelegt war, der Zeitpunkt aber und die Art der konkreten Umsetzung auf die normative Steuerung der EU zurückzuführen sind. Außer umweltrelevanten Großprojekten privater Unternehmen müssen auch alle staatlichen Pläne, Programme und Projekte mit Auswirkungen auf

158 Art. 48 und 77 DL 380/1999; Cunha, José Luis: A Participação dos Cidadãos na Elaboração dos Instrumentos de Gestão Territorial. Um Comentário à Recente Legislação Urbanística [in: Revista Jurídica do Urbanismo e do Ambiente, Nº 11–12 (Jun–Dez 1999), S. 85–109, 1999] S. 92 f. 159 Lei 83/1995. 160 RL 85/337/CEE, später RL 97/11/CE. 161 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 41.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

die Umwelt nach Art. 30 UmweltrahmenG (Lei 11/1987) einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzogen werden. Von den verpflichtenden Studien über die Umweltverträglichkeit eines bestimmten Projekts wird vom Antragsteller eine allgemein verständliche Zusammenfassung angefertigt, welche die Grundlage für die Bürgerbeteiligung bildet. Die Projektbeschreibung allgemein verständlich zu machen, ist dabei eine der größten Herausforderungen. Das Umweltinstitut überprüft dies und leitet die Bürgerbeteiligung ein, indem es den Kreis der Betroffenen festlegt. Dann werden die Studien über die Umweltverträglichkeit auf der örtlich zuständigen CCDR und den Amtslokalen der Gebietsgemeinden, manchmal auch der Ortsgemeinden ausgelegt. Letztere weisen aber oft nicht die Voraussetzungen auf, um die Unterlagen den Bürgern geordnet zugänglich zu machen. Die allgemein verständliche Zusammenfassung wird auch an lokale oder regionale Medien versandt, die aber kaum Interesse zeigen. Daran schließt sich eine öffentliche Anhörung an, die in der Praxis aber nur besucht werden, wenn die Bürger von dem betreffenden Projekt auch persönlich betroffen sind. Dabei kommt es manchmal zu hitzigen Diskussionen. Jedenfalls werden die Anhörungen protokolliert und gemeinsam mit den schriftlichen Anregungen der Behörde übergeben, die das Genehmigungsverfahren leitet.162 Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Arten der Projekte, in denen in den letzten Jahren Umweltverträglichkeitsprüfungen durchgeführt wurden. Seitdem das Umweltinstitut die Bürgerbeteiligung organisiert, steht ein spezialisierter staatlicher Akteur zur Verfügung, der das nötige Fachwissen dafür aufbauen kann. Dadurch ist die Bürgerbeteiligung intensiver geworden. Am meisten Beteiligung gibt es bei Straßenbauprojekten gefolgt von Abfallbeseitigungsanlagen und den großen Staudämmen. Ein Problem ist, dass Beteiligungen der Bürger sich öfter auf zivilrechtliche Entschädigungen oder Aspekte beziehen, die nicht Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung sind. Eine stärkere Beteiligung der Gebietsgemeinden an der Vorbereitung der Bürgerbeteiligung kann die Beteiligung intensivieren, wenn aber Interessengegensätze zwischen den Projektwerbern und der Gebietsgemeinde bestehen, ist es für die Gebietsgemeinde ein Leichtes, ihre Bürger gegen ein Projekt zu instrumentalisieren. Mitte der 1990er-Jahre wurden im Schnitt 80 Verfahren pro Jahr durchgeführt. Bei 20% dieser Verfahren wurden keinerlei Stellungnahmen von Bürgern abgegeben, bei 65% weniger als zehn, bei den verbleibenden 15% mehr als zehn. Am meisten 162 Gil, Helder: Organização da Consulta Pfflblica na Avaliação de Impactes Ambientais em Portugal, S. 91–102 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 94 f.

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

443

Tabelle 64 Arten und Verfahrensausgang der UVP-Verfahren 1995 bis 2003163 Art des Projekts

Verfahrensanzahl

in %

Straßenbau

154

26

Wasserbau

151

25

Energiewesen

63

11

Bergbau

60

10

Verarbeitende Industrie, Transport von Chemikalien

55

9

Land- und Forstwirtschaft

41

7

Tourismus

24

4

Abfallbeseitigung

16

3

Flughäfen oder Häfen

11

2

Andere

23

4

Gesamt

598

100

Verfahrensanzahl

in %

Positiver Ausgang

409

68

Negativer Ausgang

64

11

Technische Studie negativ

78

13

Verfahren abgebrochen

36

6

Projektänderung

11

2

598

100

Verfahrensausgang

Gesamt

beteiligen sich einzelne Bürger und die Gemeinden, gefolgt von beruflichen Interessenvertretungen, den NGOs und gesamtstaatlichen Akteuren.164 163 http://www.iambiente.pt/pls/ia/doc?id=49&p_acc=0&plingua=1&pmenu_id=18 08/2003. 164 Gil, Helder: Organização da Consulta Pfflblica na Avaliação de Impactes Ambientais em Portugal, S. 91–102 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 97 f.

444

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Nach der Änderung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Jahr 1997 wurden die Auswirkungen des neuen Gesetzes untersucht. Insgesamt stieg die Zahl der Stellungnahmen, wobei 80% von einzelnen Bürgern abgegeben wurden. Nach der neuen Rechtslage wird mehr auf individuelle Information z. B. durch Informationsstände gesetzt, um den Informationszugang weniger gebildeter Bürger zu erleichtern. Verstärkt wurde auch der Kontakt zu Gemeindevertretern wegen ihres Multiplikatoreneffekts. Weniger Gewicht wurde auf öffentliche Anhörungen und Diskussionen gelegt. Das Ergebnis ist, dass Einwände nun hauptsächlich durch schriftliche Stellungnahmen geäußert werden.165 Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2000 gab etwa ein Drittel der erwachsenen Portugiesen an zu wissen, was eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist,166 was einen beachtlich hohen Anteil darstellt. 4. Erfahrungen in der Praxis Obwohl die rechtlichen Voraussetzungen vorhanden sind und auch die staatlichen Akteure Bürgerbeteiligung im Wesentlichen unterstützen, entwickelt sich diese bisher nur mäßig. Dies ist auf kulturelle Ursachen zurückzuführen, die nur langsam geändert werden können. Wie oben dargestellt, hält das portugiesische Recht nach dem Vorbild anderer europäischer Länder und ausgehend vom Ideal des „engagierten Staatsbürgers“ eine ausreichend starke Stellung für gebildete, interessierte und organisierte Bürger bereit.167 Insgesamt betonen die Normtexte immer wieder die Verantwortung aller Bürger für den Umweltschutz und die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den staatlichen Akteuren. Literatur und staatliche Akteure stimmen darüber ein, dass man nicht mehr Beteiligungsmechanismen braucht, es aber einen Gegensatz gibt zwischen den vielfältigen Möglichkeiten, die das portugiesische Recht bietet und dem Wenigen, das auch in die Praxis umgesetzt wird.168 In einem Interview wurde allerdings die 165 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.2.1. 166 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 107. 167 Jesus, Jffllio de: Consulta Pfflblica. Experiência Portuguesa, S. 41–52 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 44. 168 Lamas, António Ressano Garcia: Síntese e Recomendações. O Desenvolvimento da „Eco-Cidadania“, S. 241–248 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 241; Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracteriza-

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

445

Rechtslage dahingehend kritisiert, dass die Bürgerbeteiligung nach Abstimmung aller staatlichen Akteure stattfinde, gleichzeitig aber keine erneuten Verhandlungen der staatlichen Akteure über die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung vorgesehen sind, was eine inhaltliche Beeinflussung der Pläne erschwere.169 Was die tatsächliche Beteiligung in der Praxis betrifft, so bezeichnet die erfahrene Umweltschutzorganisation GEOTA die Bürgerbeteiligung als allgemein sehr schwach und teilweise als inexistent. Die Bürger sind ihrer Meinung nach an eine rein repräsentative Demokratie gewöhnt, nicht an aktive Teilhabe. Stellen sich Schwierigkeiten ein, geben sie schnell wieder auf. Wenn überhaupt, wird nachträglich reagiert, aber werden nicht aktiv und konsequent Gemeinwohlinteressen vertreten.170 Schon für die Zeit Anfang der 1990er-Jahre stellte der Ministerrat fest, dass das Interesse der Bürger an formellen Beteiligungsverfahren sehr gering sei. Wenn aber eigene Interessen akut bedroht seien, würden diese mit tumultartigen Protesten verteidigt. Aufgabe der staatlichen Akteure sei es, diese Proteste in die geordneten Bahnen der Bürgerbeteiligung zu lenken.171 Für das Ende der 1990er-Jahre wurde dieser Befund in der Literatur wiederholt: Typisch für die Interessenlage der Bürger ist, dass sie kein dauerhaftes Interesse am Gemeinwohl entwickeln, sondern höchstens die Verteidigung der eigenen Interessen im Anlassfall pflegen. Dies führt zu einer Oppositionshaltung und zu Konfrontation nicht aber zu einem verantwortungsbewussten Miteinander. Die fehlende Kultur einer effektiven Bürgerbeteiligung führt also dazu, dass die Haltung der Bürger aggressiver und anklagender ist.172 Für die Gemeindeebene schilderte ein Bürgermeister die Situation im Interview folgendermaßen: Die Bürger interessieren sich durchaus für die Probleme der Gebietsgemeinde und sind bereit, sich die Vorschläge der Mandatsträger anzuhören, und verfolgen deren Lösung. Sie nehmen auch am Vereinswesen teil. Das Erstellen von Plänen, das Treffen von Entscheidungen, das Abwickeln von Projekten überlassen sie der Verantwortung der Mandatsträger. Aktive Beteiligung für das Gemeinwohl ist hier schwer zu erreichen. Nur wenn die Bürger konkrete Privatinteressen haben, kann sie die Gebietsgemeinde als Partner gewinnen.173 ção e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.4. 169 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 170 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 171 Conselho dos Ministros (Hg.): Plano Nacional da Política de Ambiente. Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/95 (1995) Anexo II 2. 172 Partidário, Maria do Rosário: Introdução ão Ordenamento do Território (Lisboa 1999) S. 117.

446

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Auch im Politikfeld Raumordnung zeigen die praktischen Erfahrungen ein äußerst geringes Interesse der Bürger, sowohl an den PDM als auch an den PROT. Gleichzeitig ist aber die Kritik an der schlecht oder nicht geplanten Verbauung weit verbreitet.174 Beispielsweise findet nur wenig Diskussion über die PDM statt. Vor allem beschäftigt man sich höchstens mit dem Siedlungskern der Gebietsgemeinden, über die übrigen ländlichen Gebiete wird nicht diskutiert. Es gibt dort auch gar keine interessierten Bürger, die hier Information und Meinung hätten einbringen können.175 Anders ist es, wenn solche Bürger vorhanden sind und sich gut organisieren. Dann können sachliche Argumente kommunaler Fachleute von den Bürgern durchaus überstimmt werden.176 Im Politikfeld Umwelt gibt es wenig systematische Information über die Interaktion privater und staatlicher Akteure im Allgemeinen oder die Bürgerbeteiligung im engeren Sinne. Die verschiedenen Dienststellen des Gesamtstaates unterhalten ihre eigenen Kontakte auf Grund eigener Initiative. Informationen darüber werden nicht gesammelt oder zentral ausgewertet. Die Bürgerbeteiligung wird bisher nicht evaluiert oder deren Einfluss auf die Verwaltung untersucht.177 Ende der 1990er-Jahre gab es am meisten Beschwerden an die Umweltbehörden wegen Lärmbelästigung, nämlich durchschnittlich landesweit 600–700 pro Jahr.178 Insgesamt gibt es aber in beiden Politikfeldern eine Tendenz zu einer stärkeren Nutzung der Instrumente der Bürgerbeteiligung.179 Die Förderung durch das Umweltinstitut und die Aktivitäten gesellschaftlicher Akteure bleiben nicht ohne Auswirkung. Obwohl die Bürgerbeteiligung noch immer in der Schlussphase von Entscheidungsprozessen stattfindet, zeigte sich doch einiger Einfluss auf die Entscheidungen.180 Zudem ist Bürgerbeteiligung ein selbst verstärkendes Phänomen. 173

Gomes, José: Interview am 1. August 2003. Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 179 ff. 175 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 176 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 51. 177 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) S. Volume 1, Capitulo II, 12.4. 178 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 113. 179 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 180 Partidário, Maria do Rosário: Introdução ão Ordenamento do Território (Lisboa 1999) S. 117. 174

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

447

Sie ist geeignet, aus einzelnen Personen engagierte, organisierte Bürger zu machen, die sich auch in Zukunft aktiv beteiligen.181 Eine unmittelbare Ursache für schwache Bürgerbeteiligung ist sicher mangelndes Wissen der Bürger über ihre Beteiligungsrechte182 bzw. über die betroffenen Politikfelder. Die Umweltschutzorganisation GEOTA konstatiert zwar bereits ein gewisses Wissen und Verständnis für Raumordnung in der Bevölkerung;183 bei einer Umfrage aus dem Jahr 2000 konnten aber nur etwa 30% der erwachsenen Portugiesen dem für sie wichtigsten Raumordnungsinstrument (PDM) eine grobe, annähernd korrekte Erklärung zuordnen.184 Dies bedeutet umgekehrt, dass 70% der Bevölkerung über Raumordnung absolut nicht informiert sind und es daher von vornherein nicht möglich ist, sie für ein Bürgerbeteiligungsverfahren zu gewinnen. Außer Wissen werden als Hindernisse für mehr Bürgerbeteiligung noch die Faktoren Zeit und finanzielle Mittel genannt, welche vielen Bürgern fehlen.185 Ein sehr viel langfristiger zu beeinflussender Faktor sind aber kulturelle Hindernisse in der Interaktionsorientierung der Bürger gegenüber staatlichen Akteuren: Es gibt in Portugal keine Tradition, dass sich normale Bürger um öffentliche Angelegenheiten kümmern, sodass Instrumente der Bürgerbeteiligung praktisch nicht genutzt werden.186 Neben der fehlenden Tradition spielt noch eine Rolle, dass sich die Bürger nur für ihre Privatinteressen einsetzen, nicht für die Interessen der Allgemeinheit.187 Es beteiligen sich also nur Personen mit Privatinteressen in Bezug auf ein konkretes Grundstück. Das Interesse am Gemeinwohl reicht in der Raumordnung dafür nicht aus.188 In der Literatur wird dies so zusammenfassend dargestellt: Das erste Problem ist die fehlende Motivation, sich zu beteiligen, einen Vorschlag zu 181 Soromenho-Marques, Viriato: O Papel das ONG’S, S. 199–214 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 203. 182 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 183 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 184 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 107. 185 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 186 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 187 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 188 Gomes, José: Interview am 1. August 2003., Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

unterbreiten, eine Studie zu lesen. Gründe dafür sind einerseits der moderne Individualismus, andererseits die mangelnde Identifikation mit dem Gemeinwohl. Nur wenn ihre privaten Interessen ganz unmittelbar betroffen sind, werden Bürger aktiv. Die fehlende Motivation wird noch verstärkt durch das Gefühl, dass die wesentlichen Entscheidungen schon im Voraus gefällt sind.189 Die GEOTA, eine erfahrene Nichtregierungsorganisation im Umwelt- und Raumordnungsbereich, fordert wiederholt ein stärkeres Engagement staatlicher Akteure, um die Bürgerbeteiligung zu fördern. Ein Kulturwandel würde nicht von selbst eintreten, sondern nur durch Anstrengungen staatlicher Akteure.190 Interessant ist, dass auch ein gesellschaftlicher Akteur im Wesentlichen staatliche Akteure zur Stärkung der Zivilgesellschaft in der Pflicht sieht. An Bekenntnissen zur Förderung der Bürgerbeteiligung durch staatliche Akteure fehlt es in Portugal nicht. Nach Meinung des Ministerrats ist der Umweltschutz das Politikfeld, in dem staatliche Akteure am meisten auf die Unterstützung der Bürger und gesellschaftlicher Akteure angewiesen sind.191 Deshalb wird Bürgerbeteiligung von staatlichen Akteuren hier besonders gefördert. Auch für das Politikfeld Raumordnung versucht der Staat, gezielt das Wissen und das Interesse der Bürger zu fördern. Beispielsweise wurde von der Generaldirektion für Raumordnung ein diesbezüglicher Schülerwettbewerb ins Leben gerufen.192 Mitte der 1990er-Jahre wurde im Rahmen des Umweltministeriums ein eigenes Institut für Umwelterziehung eingerichtet, dessen Aufgaben in der Förderung der Bürgerbeteiligung bestanden: Information der Bürger zu Umweltthemen, Unterstützung von Privaten bei der Informationsbeschaffung von staatlichen Akteuren, Durchführung der öffentlichen Anhörung bei Umweltverträglichkeitsprüfungen, Registrierung und Unterstützung von Umweltschutzorganisationen.193 Spätestens mit DL 97/2003 wurde dieses Institut aus Kostengründen aber wieder aufgelöst, seine Aufgaben übernahm das weniger spezialisierte Umweltinstitut. Auch der Ombudsmann „Provedor de Justiça“ fördert die Bürgerbeteiligung, da die Bürger bei ihm Beschwerden über Fehler oder Unterlassungen 189 Jesus, Jffllio de: Consulta Pfflblica. Experiência Portuguesa, S. 41–52 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 48–50. 190 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 191 Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/1995. 192 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 193 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 39.

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

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der Verwaltung einbringen können und diese von ihm weitergeleitet und aktiv behandelt werden.194 Auch einzelne Gemeinden lassen es nicht an Bemühungen fehlen, die Bürgerbeteiligung zu fördern, wie dies die Liste entsprechender Aktivitäten der Gebietsgemeinde Abrantes belegt: informelle Besprechungen mit Bürgern vor Ort über konkrete Probleme, Umfragen zur Klärung der Wünsche der Bürger, öffentliche Diskussionen zwischen Bürgern und Politikern, Institutionen für den Dialog zwischen Gebietsgemeinde und Bürger wie ein kommunaler Beirat für Wirtschafts- und Sozialentwicklung und für Umweltfragen, Einrichtung eines Bürgerbeauftragten und eines Konsumentenschutzbeauftragten, Abwicklung von Projekten in Partnerschaft mit gesellschaftlichen Akteuren, Herausgabe einer Gemeindezeitung zur Information der Bürger.195 Zusätzlich ist der Gemeindevorstand jeder Gebietsgemeinde gesetzlich verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht über den Stand der Raumordnung auszuarbeiten und die Bürger darüber zu informierten.196 Insgesamt unternehmen staatliche Akteure also durchaus Anstrengungen zur Förderung der Bürgerbeteiligung: Gefragt, warum nicht mehr Bürger aktiv für den Umweltschutz arbeiten würden, antworteten im Jahr 2000 nur 2,7% der Befragten, dass dies an der mangelnden Unterstützung durch die staatlichen Akteure läge.197 Allerdings gibt es auch Kritik an der Einstellung staatlicher Akteure, die durch mangelhafte Verfahrensgesetze zur Bürgerbeteiligung erst ermöglicht wird und einer besseren Entfaltung dieser Instrumente entgegensteht.198 Erstens sind für eine intensivere Bürgerbeteiligung die intransparenten Entscheidungsprozesse staatlicher Akteure hinderlich.199 Außerdem wird der Vorwurf erhoben, dass der Prozess der Bürgerbeteiligung nicht ergebnis194 Jesus, Jffllio de: Consulta Pfflblica. Experiência Portuguesa, S. 41–52 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 41. 195 Carvalho, Nelson: As Novas Formas de Participação Cívica, [in: Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (CEDREL) (Hg.): Seminário Internacional. A Regionalização, a Sociedade e a Reforma do Estado, (nicht publiziert 1998)] S. 10 f. 196 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Competências municipais reforçadas. Via de descentralização (Lisboa 1999) S. 78. 197 Garcia, José Luís et al.: Orientação, Cidadania e Responsabilização, S. 145–184 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 182. 198 Partidário, Maria do Rosário: Introdução ão Ordenamento do Território (Lisboa 1999) S. 117. 199 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

offen geführt wird. Staatliche Akteure würden stattdessen die Ziele verfolgen, ihr Projekt ohne die kleinsten Änderungen umzusetzen und die Bürgerbeteiligung nur zu dessen Legitimierung zu verwenden.200 Diese These vertritt auch ein Autor für den Bereich der Raumordnung: Die Bürgerbeteiligung bei den PDM dient mehr der Vorstellung der getroffenen Entscheidungen und ihrer Rechtfertigung, als dem Ziel, Informationen und Meinungen einzuholen, welche die Entscheidungen noch beeinflussen könnten.201 Auch die Interessenvereinigung der Gebietsgemeinden bekennt, dass in der Vergangenheit die Bürger zwar ihre Meinung geäußert hätten, inhaltlich aber übergangen worden seien, was Desinteresse an weiterer Bürgerbeteiligung zur Folge gehabt hätte.202 Ein gesamtstaatlicher Akteur kritisiert, dass staatliche Akteure in der Praxis die Informationen der Bürger nicht systematisch in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen würden.203 Eine Erklärung für eine negative Haltung staatlicher Akteure zur Bürgerbeteiligung ist in dem natürlichen Streben jedes Akteurs nach Entscheidungsfreiheit zu suchen. Ein weiteres Problem für die staatlichen Akteure ist, dass Bürgerbeteiligung substantielle Kosten verursacht. Außerdem werden durch die höhere Transparenz Konflikte zwischen verschiedenen staatlichen Akteuren sichtbar, was diese insgesamt durch Private angreifbarer macht.204

IV. Die Popularklage als Form der Bürgerbeteiligung Durch die Einfügung von Art. 52 Abs. 3 CRP in die portugiesische Verfassung wurde im Jahr 1989 portugiesischen Staatsbürgern und von ihnen gebildeten gesellschaftlichen Akteuren sehr weitreichende Rechte auf Popularklage gegeben. Dadurch sollen in Bezug auf bestimmte Güter eine Vorsorge staatlicher Akteure, die Unterlassung einer Verletzung und die Ahndung dieser Verletzungen von allen Bürgern eingeklagt werden können. Solcherart geschützte Güter sind die Umwelt, die öffentliche Gesundheit, die Konsumentenrechte, das kulturelle Erbe und das Eigentum staatlicher Ak200

Jesus, Jffllio de: Consulta Pfflblica. Experiência Portuguesa, S. 41–52 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 46. 201 Partidário, Maria do Rosário: Introdução ão Ordenamento do Território (Lisboa 1999) S. 117. 202 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 85 Oktober 2000. 203 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.2.4. 204 Jesus, Jffllio de: Consulta Pfflblica. Experiência Portuguesa, S. 41–52 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 46.

C. Politische Legitimation und Bürgerbeteiligung

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teure. Die Raumordnung ist hier nicht direkt erwähnt. Man wird einige Themen der Raumordnung aber unter das ebenfalls erwähnte Gut „Lebensqualität“ (qualidade de vida) subsumieren können, das eine saubere Umwelt ebenso umfasst wie eine funktionierende Raumordnung. Mit dem PopularklageG205 wurde dieses Grundrecht sechs Jahre später einfachgesetzlich umgesetzt. Damit können in den besagten Bereichen Interessen, die keinen bestimmten Rechtssubjekten direkt zuzuordnen sind, von jedem Bürger prozessual eingefordert werden. Dies bei drohender Gefährdung, bei aktueller Verletzung und zur Geltendmachung ziviler und strafrechtlicher Verantwortung. Träger dieser Rechte sind Staatsbürger und Vereinigungen, die allgemein zum Schutz öffentlicher Interessen in diesen Bereichen auftreten sowie die Gemeinden in Bezug auf die Interessen, die ihre eigenen Bürger betreffen. Ihnen stehen dafür im Verwaltungsverfahren die Einleitung eines Verfahrens und die verwaltungsgerichtliche Klage offen, im Zivilprozess alle Klagsarten. Allerdings gibt es einen speziellen Zurückweisungsgrund wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg. Nach Art. 14 PopularklageG vertritt der Kläger auch diejenigen, deren subjektive Rechte direkt betroffen sind und die nicht in den laufenden Prozess eintreten wollen. Die Wirkungen des Urteils oder der Verwaltungsentscheidung erstrecken sich auch auf die solcherart Vertretenen. Art. 26 PopularklageG verpflichtet alle staatlichen Akteure, in den Verfahren die notwendige Unterstützung zu leisten. Für Verwaltungsverfahren sind Art. 4–12 PopularklageG einschlägig, die im Wesentlichen ähnliche Bestimmungen wie für die gerichtliche Popularklage enthalten. Im VerwaltungsverfahrensG wird in Art. 53 noch folgende Differenzierung bei der Aktivlegitimation getroffen: Nach Abs. 1 sind die Inhaber subjektiver Rechte und gesetzlich geschützter Interessen aktiv legitimiert, gleichzeitig aber auch Vereinigungen, deren Ziel die Verteidigung solcher Interessen ist. Nach Abs. 2 lit. a zählen außerdem Bürger zum Kreis der aktiv Legitimierten, deren Interessen an Gesundheit, einer intakten Umwelt, Raumordnung, Kulturgüterschutz, Wohnung und Erziehung durch das Handeln staatlicher Organe betroffen sind, nach Abs. 2 lit. b auch die Bürger in der näheren Umgebung eines öffentlichen Gutes, das in oben genannter Hinsicht durch staatliches Handeln betroffen ist. Für diese Bürger können nach Abs. 3 auch Vereinigungen aktiv werden oder die betreffende Gebietsgemeinde. Das Einklagen von Schadenersatz auf Grundlage dieses Gesetzes wird außer durch das begrenzte Funktionieren des Gerichtssystems durch einige weitere Detailprobleme behindert: Notwendigkeit die Verursachung nachzuweisen, Probleme beim Zugang der Kläger zu Informationen über das schädi205

Lei da acção popular e da participação procedimental, Lei 83/1995.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

gende Ereignis, Konkurrenz zwischen verschiedenen Schadenersatzforderungen, unzureichende Definition der Verantwortlichen.206 Vor allem existiert nach Art. 22 PopularklageG eine Verschuldenshaftung, welche eine Einschränkung gegenüber der ansonsten im portugiesischen UmweltrahmenG vorgesehenen Gefährdungshaftung darstellt. Eine Ausnahme davon besteht allerdings nach Art. 23 PopularklageG für objektiv gefährliche Handlungen, für die der Handelnde unabhängig von seinem Verschulden haftet. Die Höhe des Schadenersatzes wird bei fehlender Verletzung subjektiver Rechte pauschal festgelegt. Dass auch in diesen Fällen den Klägern der Schadenersatz zukommen soll, ist eine wohl nicht vollständig befriedigende Lösung.207 Bis 2001 gab es jährlich etwa fünf Klagen auf Grund dieses Gesetzes, eingebracht teils von Einzelpersonen, teils von Umweltschutzorganisationen. Die große Mehrheit war gegen staatliche Akteure gerichtet.208

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren In Portugal gibt es eine lange historische Tradition starker wirtschaftlicher Betätigung staatlicher Akteure, die zum Beispiel stets den Handel mit den Kolonien dominierten. Auch im Estado Novo gab es einen staatlichen Unternehmenssektor: Post, Alkoholerzeugung, Druckerei, Luftfahrt, U-Bahn, Rundfunk.209 Außerdem waren die Verbindungen zwischen den staatlichen Akteuren und den großen portugiesischen Privatunternehmen in dieser Zeit sehr eng. In der chaotischen sozialistischen Enteignungswelle nach dem Umsturz von 1974 übernahm der Gesamtstaat die Kontrolle über etwa 2.000 weitere Unternehmen. Als Ergebnis dominierten Anfang der 1980er-Jahre staatliche Unternehmen, die strategisch wichtigsten Zweige der portugiesischen Wirtschaft: Banken und Versicherungen, Schiffsbau, Baustoffe und Brauereien.210 206

Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.5.1. 207 Dias, José Eduardo Figueiredo et al.: Legislação ambiental. Sistematizada e Comentada (Coimbra 2000) S. 69. 208 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 12.3.3.1. 209 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 89. 210 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Competências municipais reforçadas. Via de descentralização (Lisboa 1999) S. 108.

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren

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Erst im Zuge des EU-Beitritts begannen die Reprivatisierungen. Der Gesamtstaat ist heute dazu übergegangen, staatliche Unternehmen, die keine strategisch-politische Bedeutung mehr haben, zu verkaufen. Dadurch werden zwei erwünschte budgetäre Effekte erzielt: Der Kaufpreis fließt dem Budget zu und zukünftige Verluste werden ausgeschlossen. Es gibt nämlich neben profitablen Unternehmen nach wie vor solche, deren negatives Ergebnis vom Gesamtstaat ausgeglichen werden muss. Im Jahr 2002 betrugen diese Subventionen immerhin noch 467,3 Mio. e.211 Außerdem sieht die Regierung die Privatisierungen als Befreiung der Privatunternehmen von historischen Einschränkungen durch staatliche Akteure, die das Wachstum in der Vergangenheit behindert haben.212 Zu einer Beschleunigung der Privatisierungen kam es Ende der 1990er-Jahre. In den drei Jahren von 1996–1998 betrugen die Erlöse aus Privatisierungen pro Jahr 3,5 Mrd. e, sechsmal mehr als im Schnitt des vorangehenden Jahrzehnts.213 Insgesamt verringerte sich der Anteil der staatlichen Unternehmen am BIP zwischen 1998 und 2002 von 7% auf 3%. Der Anteil der Beschäftigten sank von 3% auf 2%.214 Privatisiert wurde in allen Branchen, auch die bedeutenden Zellulosefabriken wie die Gescartão oder Portucel, die in den 1970er-Jahren verstaatlicht wurden, ebenso das staatliche Netz von Luxusherbergen in historischen Bauten, das Tankstellennetz und die ehemals staatlichen Notariate.215 Übrig blieben vorläufig solche staatlichen Unternehmen, welche zentrale öffentliche Leistungen erbringen oder Infrastruktur zur Verfügung stellen. Den größten Anteil hat hier der Transportsektor mit der Eisenbahn und den großstädtischen Verkehrsbetrieben, der in den nächsten Jahren reformiert werden soll. Im Energiesektor sollen Gas- und Elektrizitätsversorger zusammengelegt werden. Aber auch im Bereich von Gesundheit, Bildung, Sozialversicherung und Wohnbau sind derzeit weitgehende Privatisierungen im Gange.216 Paral-

211 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 90. 212 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-63. 213 Ministério das Finanças (Hg.): Síntese Financeira das Contas do Estado. Ligação às Opções Estratégicas e Políticas. VII Legislatura 1995 – 1999 (Lissabon 1999) S. 14. 214 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 88; Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-62. 215 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-60. 216 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 20.

454

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

lel dazu will die Regierung die Regulierungsbehörden stärken und eine eigene Wettbewerbsbehörde einrichten.217

I. Langfristige Kooperationen in Form von Public-Private-Partnership Staatliche Akteure und Unternehmen gründeten schon in den 1990er-Jahren Gesellschaften des Privatrechts, um in der Wirtschaftsförderung längerfristige Ziele gemeinsam zu erreichen. Auch wurden Technologiezentren von öffentlichen und privaten Akteuren in Form von PPP gemeinsam betrieben. Weitere Beispiele sind Gesellschaften zur Förderung der regionalen Wirtschaft oder des ländlichen Raumes, an denen Unternehmen, Unternehmensverbände und staatliche Akteure beteiligt sind.218 Erstmals gesetzlich geregelt wurden Public Private Partnerships mit DL 86/2003. Demnach sind das Fachministerium und das Finanzministerium dafür zuständig, den Abschluss eines PPP gemeinsam zu begleiten. Während der Dauer werden die Kosten und Risiken für die gesamtstaatlichen Akteure ständig beurteilt. Bevor PPP eingegangen werden, muss erwiesen sein, dass dies finanziell vorteilhaft für den öffentlichen Akteur ist und dieser nicht in der Lage wäre, die Leistung zum selben Preis zu erbringen. Geplant sind PPP im Gesundheitsbereich, dem Transportwesen und bei der Infrastruktur.219 2002 wurden 31 Spitäler in Anstaltsform in ebenso viele Aktiengesellschaften in Staatsbesitz umgewandelt, die dann vom Ministerium als PPP über Verträge gesteuert werden sollen.220 Die Spitäler sollen dann von Privatunternehmen gemanagt werden. Ein Unternehmen soll für 30 Jahre die Verwaltung der Infrastruktur übernehmen, ein anderes für 10 Jahre den laufenden Betrieb. Einige neu zu errichtende Autobahnteilstücke werden ebenso in der Form von PPPs errichtet und die Erhaltung von bestehenden Autobahnen wird in PPP überführt. Die privaten Betreiber heben dafür Nutzungsgebühren von den Nutzern ein. Der Neubau von Metro und S-Bahn Linien wird ebenso in Form von PPP organisiert wie die Modernisierung von Häfen oder die Entwicklung von Ökotourismus in Naturschutzgebieten. Hauptgründe sind private Finanzierung und das effizientere Management durch Private. Auf diese Weise sollen Infrastrukturprojekte 217 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-62. 218 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 100. 219 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 90. 220 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) II-60.

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren

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schneller verwirklicht werden können.221 Damit liegt Portugal beim Anteil von PPP bei Bauvorhaben im OECD Schnitt. Im Gegensatz dazu wird ein vergleichsweise noch geringer Anteil von Dienstleistungen im engeren Verwaltungsbereich von Unternehmen erbracht.222 Gebietsgemeinden können nach Art. 67 Lei 169/1999 ihre Aktivitäten im Bereich der Sozialpolitik, die Beteiligung an Initiativen zur lokalen Wirtschaftsentwicklung und die Unterstützung von gesellschaftlichen Akteuren an Unternehmen übertragen. Bei den Ortsgemeinden betrifft das nach Art. 36 Lei 169/1999 die Erbringung nicht hoheitlicher Dienstleistungen, die Verwaltung ihres Eigentums und die Unterstützung kultureller, sozialer und sportlicher Aktivitäten. Eine interessante Partnerschaft gehen die Post und die Ortsgemeinden seit einigen Jahren ein. Etwa 450 Ortsgemeinden haben entgeltlich die Funktion eines Postamts übernommen und dafür Einzelverträge mit der Post abgeschlossen. Dadurch erhalten die Bürger vieler Ortsgemeinden erst ein Postamt in ihrer Nähe, die Post senkt ihre Kosten und die Ortsgemeinden erhalten eine Aufwandsentschädigung von 5.400 e jährlich. Dies ist für kleine Ortsgemeinden ein Viertel ihres Budgets. Durch einen 2003 abgeschlossenen Rahmenvertrag zwischen der portugiesischen Post CTT und der Interessenvertretung der Ortsgemeinden ist dies nun allgemein geregelt.223 1. Anstaltsähnliche kommunale Unternehmen Die Gründung anstaltsähnlicher kommunaler Unternehmen war schon in DL 100/1984 als eine Gemeindekompetenz erwähnt, allerdings wurde die Unternehmensform nie normativ ausgestaltet. Nach einer umstrittenen Praxis gründeten einige wenige Gebietsgemeinden trotzdem solche anstaltsähnlichen Unternehmen und wandten dazu analog die Regeln für gesamtstaatliche Unternehmen in Anstaltsform an.224 Nach jahrelangen Forderungen der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden nach Regulierung und Legalisierung dieses Wildwuchses wurde schließlich Lei 58/1998 erlassen.225 Eine Welle von Neu- und Umgründungen war die Folge, weniger um die wirt221 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 93. 222 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 17. 223 http://www.anafre.pt/01/2004. 224 Amorim, João Pacheco de: As empresas pfflblicas no direito português. Em especial, as empresas municipais (Lisboa 2000) S. 35 ff. 225 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 9.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

schaftliche Tätigkeit der Gebietsgemeinden auszuweiten, als vielmehr bestehende öffentliche Dienstleistungen besser zu organisieren.226 Bis 2001 wurden 76 kommunale Unternehmen auf dieser Rechtsgrundlage gegründet.227 Diese stellt für kommunale Unternehmen eine eigene öffentlich-rechtliche Organisationsform zur Verfügung, nähert diese aber in der Ausgestaltung weitgehend dem Regime von Privatunternehmen an. Lei 58/1998 gilt nur für Gebietsgemeinden und deren Verbände, nicht für die Ortsgemeinden. Ebenso gälte es für Unternehmen der Verwaltungsregionen, würden diese eines Tages eingerichtet. Je nach der Eigentümerschaft werden drei Kategorien unterschieden: Unternehmen, die vollständig im Eigentum kommunaler Akteure stehen, solche, die teils kommunalen, teils gesamtstaatlichen Akteuren gehören und solche, deren Eigentum sich kommunale Akteure mit privaten Minderheitseigentümern teilen. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden betont, dass es für die Gebietsgemeinden wichtig ist, Mehrheitseigentümer zu bleiben. Nur so seien sie in der Lage, öffentliche Interessen zu sichern und diese mit privatem Gewinnstreben in Einklang zu bringen.228 Alle drei Typen kommunaler Unternehmen, auch diejenigen mit privater Minderheitsbeteiligung, sind als juristische Personen des öffentlichen Rechts zu qualifizieren.229 Erstens geht Lei 58/1998 von einer einheitlichen Qualifikation aller drei Typen aus, da es ein einheitliches Regime für alle drei Formen vorsieht. Wenn aber alle drei Formen gleich zu qualifizieren sind, dann als Anstalten. Zweitens unterscheidet Art. 53 Abs. 2 lit. l Lei 169/1999 bei den Gemeindekompetenzen zwischen der Gründung kommunaler Unternehmen iSv Lei 58/1998 und der Gründung von Unternehmen in Form des Privatrechts durch Gebietsgemeinden.230 Handelte es sich bei den kommunalen Unternehmen iSv Lei 58/1998 nicht um Anstalten, 226 Oliveira, António Cândido de: Empresas Municipais e Intermunicipais. Entre o Pfflblico e o Privado, S. 131–146 [in: Coimbra, Faculdade de Direito da Universidade de (Hg.): Os caminhos da privatização da administração pfflblica. IV colóquio Luso-Espanhol de direito administrativo, (Coimbra 2000)] S. 136. 227 Direcção Geral da Administração Autárquica et al.: Descentralização e Desconcentração Administrativa. Serviços Pfflblicos básicos. Sistemas Municipais e Sistemas Multimunicipais, (Lisboa 2002). 228 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 9. 229 Dies wird in der Literatur teilweise bestritten; z. B. Oliveira, António Cândido de: Empresas Municipais e Intermunicipais. Entre o Pfflblico e o Privado, S. 131–146 [in: Coimbra, Faculdade de Direito da Universidade de (Hg.): Os caminhos da privatização da administração pfflblica. IV colóquio Luso-Espanhol de direito administrativo, (Coimbra 2000)] S. 137. 230 Amorim, João Pacheco de: As empresas pfflblicas no direito português. Em especial, as empresas municipais (Lisboa 2000) S. 52 ff. u. 110.

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren

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wäre diese Unterscheidung überflüssig. Folgerichtig wird in der Literatur auch zu Recht abgelehnt, dass kommunale Unternehmen in Konkurs gehen können.231 Schon aus Gründen der Verkehrssicherheit müssten dann aber die öffentlichen Mehrheitseigentümer für die Gesamtheit der Verbindlichkeiten haften. Ein Hinweis darauf ist, dass kommunale Unternehmen keineswegs unbegrenzt Kredite aufnehmen können, sondern nach Art. 25 Lei 58/1998 hier durch den Kreditrahmen ihrer Eigentümergemeinden beschränkt sind. Die wichtigsten Merkmale kommunaler Unternehmen iSv Lei 58/1998 sind: Erstens: Gründung durch Beschluss der Gebietsgemeindevertretung, der durch Notariatsakt dokumentiert und im Gesetzblatt veröffentlicht wird. Zweitens: subsidiäre Anwendung der Regeln von DL 558/1999 für gesamtstaatliche Unternehmen und subsidiär dazu die Normen des allgemeinen Handelsrechts. Drittens: Anwendung des normalen Arbeits- und Steuerrechts, ebenso des Wettbewerbsrechts. Viertens: weitgehende Leitungs- und Eingriffsrechte kommunaler Exekutivorgane bei Unternehmen ohne Privatbeteiligung nach Art. 16 u. 23 DL 558/1999. Bei solchen mit Privatbeteiligung üben die Gebietsgemeinden bloße Aufsichtsrechte aus. Schließlich sind die Ziele solcher Unternehmen auf die Verfolgung öffentlicher Interessen innerhalb der Verbandskompetenzen der Gebietsgemeinden und die Förderung der örtlichen Entwicklung allgemein beschränkt.232 Kommunale Unternehmen werden in der Praxis meist von einer Gebietsgemeinde allein gegründet, selten kommt es in dieser Unternehmensform zu Kooperationen zwischen Gebietsgemeinden. Die interne Struktur kommunaler Unternehmen, die einer einzelnen Gebietsgemeinde gehören, beinhaltet nach Art. 9 DL 558/1999 als Exekutivorgan einen dreiköpfigen Verwaltungsrat und einen Rechnungsprüfer. Beide werden vom Gemeindevorstand der Gebietsgemeinde ernannt.233 Kommunale Unternehmen, die mehreren staatlichen Akteuren gehören oder an denen Private beteiligt sind, haben nach Art. 19 DL 558/1999 zusätzlich eine Generalversammlung, in der sich die Stimmrechte nach den Eigentumsverhältnissen richten und wo mit einfacher Mehrheit entschieden wird. Diese Generalversammlung gibt die Leitlinien und Ziele der Unternehmensführung vor und ernennt die restlichen Organwalter. Einige Sonderregeln gelten für kommunale Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge. In diesem Fall können allen drei Unternehmensarten nach 231

Ibid. S. 52 ff. u. 70. Art. 1 Lei 58/1998, Art. 10 Lei 169/1999. 233 Oliveira, António Cândido de: Empresas Municipais e Intermunicipais. Entre o Pfflblico e o Privado, S. 131–146 [in: Coimbra, Faculdade de Direito da Universidade de (Hg.): Os caminhos da privatização da administração pfflblica. IV colóquio Luso-Espanhol de direito administrativo, (Coimbra 2000)] S. 139. 232

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Art. 6 Abs. 3 DL 558/1999 hoheitliche Befugnisse übertragen werden. Es handelt sich hierbei um keine Beleihung Privater (concessão), sondern um eine Zuständigkeitsübertragung zwischen staatlichen Akteuren (delegação de poderes), die meist durch den hoheitlichen Gründungsakt erfolgt.234 Wenn die Gebietsgemeinden von solchen Unternehmen zur Verwirklichung anderer politischer Ziele ein betriebswirtschaftlich unrentables Verhalten wünschen, können sie mit ihnen öffentlich-rechtliche Verträge (contratosprograma) abschließen und sie dadurch finanziell entschädigen. Beispiele sind niedrige Preise aus sozialen Gründen, Investitionen, die sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen oder die Verwirklichung anderer nicht wirtschaftlicher öffentlicher Interessen.235 Private können sich nur als Minderheitseigentümer an kommunalen Unternehmen beteiligen. Ihre Minderheitsrechte bestehen im Wesentlichen in speziellem Informationszugang, nicht aber in wirklichem Einfluss auf die Unternehmensführung. Daher kann man diese private Beteiligung wirtschaftlich als Aufnahme von Fremdkapital mit der Infrastruktur als Besicherung sehen. Hier wird auch der Hauptnutzen für die Gebietsgemeinden deutlich: Privates Kapital fließt den kommunalen Unternehmen zu, ohne dass die Gemeinden die Kontrolle über das Unternehmen verlieren und ohne dass der kommunale Verschuldensrahmen belastet wird. Der zweite wesentliche Vorteil der privaten Minderheitsbeteiligung besteht für die Gebietsgemeinden darin, diese Sektoren für privates Fachwissen zu öffnen, und zwar ohne Konzessionsvergabe an Private mit vorausgehender Ausschreibung, die für die Gründung eines kommunalen Unternehmens mit privater Minderheitsbeteiligung nicht notwendig ist. Da die laufende Kreditaufnahme eines einmal gegründeten kommunalen Unternehmens in den Verschuldensrahmen der jeweiligen Gebietsgemeinde eingerechnet wird, lösen solche Konstruktionen das Problem eines laufenden Betriebsabgangs nicht. Die Folge davon ist, dass teilweise die Vergabe von Konzessionen an Privatunternehmen der Gründung von kommunalen Unternehmen vorgezogen wird. Dies schränkt aber den Handlungsspielraum der Gebietsgemeinden in mehrfacher Hinsicht ein: Erstens haben sie nach Ausschreibung und Vergabe keinen direkten Einfluss auf die Privatunternehmen, welche nur der Aufsicht der Regulierungsbehörde unterliegen. Zweitens haben die Gebietsgemeinden keinen Zugriff auf das Fachwissen dieser oft ausländischen Privatunternehmen.236 234 Amorim, João Pacheco de: As empresas pfflblicas no direito português. Em especial, as empresas municipais (Lisboa 2000) S. 72. 235 Art. 31 Lei 58/1998. 236 Amorim, João Pacheco de: As empresas pfflblicas no direito português. Em especial, as empresas municipais (Lisboa 2000) S. 79 f.

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren

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2. Beteiligung privater Unternehmen an der Wasser- und Abfallwirtschaft In ganz Europa kam es in den letzten Jahren zu einer stärkeren Beteiligung privater Akteure im Trinkwasser-, Abwasser- und Abfallbereich. Während beispielsweise in Großbritannien das Eigentum an der Infrastruktur privatisiert wurde und staatliche Regulierungsbehörden eingerichtet wurden, blieb die Infrastruktur in Frankreich im Eigentum staatlicher Akteure. Ihr Betrieb wurde dann durch Konzession vergeben.237 In Portugal betrieben Anfang der 1990er-Jahre Gebietsgemeinden und Gebietsgemeindeverbände die Trinkwasser- und Abwassersysteme alleine. Private Betreiber gab es nicht. Die Gebietsgemeinden stellten ihre Dienstleistungen im Bereich von Abfallentsorgung und Wasserwirtschaft unter den Produktionskosten zur Verfügung. Die Gebühren für Trinkwasser liegen seit dem Ende der 1990er-Jahre zwar im Landesdurchschnitt auf EU-Niveau, diejenigen für die Abwasserbeseitigung decken die entstehenden Kosten aber nicht.238 In vielen Gebietsgemeinden wird bis heute für die Abwasserentsorgung keine Gebühr verlangt, oder eine Gebühr, die vom Wert des Grundstücks abhängig ist, nicht von der Menge des entsorgten Wassers.239 Die Gebühren für die Aufbereitung industrieller Abwässer sind ebenfalls noch nicht kostendeckend. Das hat zur Folge, dass die Steuerzahler und nicht die Verursacher der Abwässer für deren Beseitigung aufkommen240 und der gesamte Wasser- und Abwassersektor dadurch von öffentlichen Mitteln abhängig bleibt. Viele der Wasserwerke im Eigentum staatlicher Akteure erfüllten Anfang der 1990er-Jahre die geltenden Qualitätsstandards nicht. Die öffentlichen Serviceerbringer waren für die Kontrolle ihrer eigenen Leistungen zuständig und die Bürger waren nicht bereit, für ein besseres Service höhere Gebühren zu zahlen. Vor allem waren die staatlichen Akteure im Laufe der 1990er-Jahre nicht in der Lage, die eigenen Ziele bei der Steigerung des 237 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 177 f. 238 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 78 u. 82 ff. 239 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 191. 240 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 40.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Versorgungsgrads der Bevölkerung zu erreichen.241 Wie die unten stehende Tabelle zeigt, mussten die ursprünglichen Ziele für 1999 um sieben Jahre auf 2006 hinausgeschoben werden. Tabelle 65 Versorgungsgrad bei Trinkwasser und Abwasser 1999242 Bereich

ursprüngliche Ziele für 1999 in %

tatsächliche Situation 1999 in %

Neue Ziele bis 2006 in %

Trinkwasser

95

90

95

Kanalisation

90

70

90

Kläranlage

90

55

90

Drei Ursachen führten auch in Portugal Ende der 1990er-Jahre zu einer stärkeren Beteiligung von Unternehmen im Bereich der Wasser- und Abfallwirtschaft: Erstens der Druck der EU zur Liberalisierung aller Märkte, zweitens die Einsicht, dass unternehmerische Methoden im Management unerlässlich sind und schließlich das fehlende Kapital staatlicher Akteure, die Infrastruktur zu modernisieren. Die letzten beiden Phänomene machten sich besonders auf Gemeindebene bemerkbar.243 1993 wurde die Investition privater Unternehmen in diesem Bereich gesetzlich erlaubt. Seither errichten und betreiben private Unternehmen örtliche und überörtliche Infrastruktursysteme. Im Abfallbereich haben Spezialisierungen etwa auf Recycling und den internationalen Abfalltransport stattgefunden. Außerdem beraten Privatunternehmen technisch, bilden Mitarbeiter staatlicher Akteure aus, erstellen Umweltverträglichkeitsprüfungen, planen und evaluieren in technischer und organisatorischer Hinsicht.244 Bis 2001 investierten Privatunternehmen 350 Mio. e und versorgten damit 1,2 Mio. Menschen mit Wasser und fast ebenso viele mit Kanalisation. Allerdings betraf dies insgesamt nur etwa 30 Gebietsgemeinden. Die restlichen waren an einer Beteiligung privater Unternehmen nicht interes241 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 16 u. 165. 242 Ibid. S. 165. 243 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 177 f. 244 http://www.uehr.panteion.gr/adapt/Portuguese_National_Report.zip 02/2005.

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren

461

siert.245 Ein weiterer Grund für den langsamen Anstieg der privaten Beteiligung ist in den Aktivitäten der gesamtstaatlichen Infrastrukturgesellschaft IPE (Investimentos e Participações Empresariais) zu sehen. Ende der 1990er-Jahre verstärkte sie in direkter Konkurrenz zu privaten Unternehmen ihre Aktivitäten im Trinkwasser und Abwasserbereich, um ein einheitliches landesweites Infrastrukturunternehmen zu schaffen. Private sollten sich daran in Partnerschaft mit den staatlichen Akteuren lediglich in einer Minderheitenposition beteiligen können. Anstatt diesen Wirtschaftszweig der Initiative Privater zu überlassen, wuchs auf diese Weise die Beteiligung des Gesamtstaats. Gleichzeitig wurde durch die Zentralisierung der Wasserinfrastruktur in der Hand der gesamtstaatlichen IPE, ein so großes öffentliches Unternehmen geschaffen, dass es bei einer etwaigen Privatisierung eines Tages nur an ausländische Unternehmen verkauft werden kann.246 Betreffend die landesweite Betriebsgesellschaft für Trinkwasser (Águas de Portugal) fasste die portugiesische Regierung im Mai 2004 bereits den Beschluss, diese bis Ende 2005 durch eine Kapitalerhöhung von bis zu einer Mrd. e zu 49% zu privatisieren. Dies war nicht unumstritten, der im Sommer 2004 neu ernannte Minister für Umweltschutz nahm etwa eine Gegenposition ein.247 Kooperationen zwischen staatlichen und privaten Akteuren im Wasserbereich gibt es auch durch die Beteiligung von Wassernutzern an der Verwaltung der Wasserinfrastruktur. Wasserbauten, die vom gesamtstaatlichen Wasserinstitut errichtet wurden, werden nicht nur von diesem selbst verwaltet, sondern auch an Nutzer etwa aus der Landwirtschaft übergeben. Allerdings fehlt eine geeignete Organisationsform für Staudämme, die mehreren Zwecken dienen und verschiedene Nutzergruppen haben, da hier mehrere einander widersprechende Ziele realisiert werden sollen: Überschwemmungen verhindern, Umweltgesichtspunkte beachten sowie gleichzeitig Landwirtschaft, Industrie und das öffentliche Wassernetz versorgen.248 Im Jahr 1990 wurden zwar mit DL 70/1990 so genannte „Nutzervereinigungen“ geschaffen, bis 2001 allerdings nicht eingerichtet. Nutzervereinigungen wären juristische Personen des Privatrechts, sollen die an der Wassernutzung interessierten Unternehmen umfassen und bei Nutzungsgenehmigungen und finanzieller staatlicher Unterstützung bevorzugt behandelt werden.249 Aller245

Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 163. 246 Ibid. S. 19, 75 u. 147. 247 http://www.diarioeconomico.com/edicion/noticia/0,2458,555643,00.html 11/2004. 248 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.10. 249 Ibid. Volume 1, Capitulo II, 2.2.6.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

dings gibt es private Genossenschaften zur landwirtschaftlichen Bewässerung oder zur Energiegewinnung aus Wasserkraft. Erstere existieren seit den 1930er-Jahren und finden sich vor allem in Nordportugal. Ende der 1990er-Jahre gab es etwas mehr als zweitausend Genossenschaften mit durchschnittlich fünfzig Mitgliedern.250 Sie stellen im Gegensatz zu den Nutzervereinigungen ein erfolgreiches Beispiel der Beteiligung Privater an der Verwaltung des Wassers dar. Auch im Abfallbereich hat sich eine maßgebliche private Beteiligung entwickelt. So unterzeichnete das Abfallinstitut mit der Interessensvereinigung der Pharmaziewirtschaft einen Vertrag, um die Beseitigung von pharmazeutischem Sondermüll zu regeln. Dazu wurde von staatlichen und privaten Akteuren gemeinsam im Jahr 2000 das Unternehmen VALORMED gegründet. Schon seit 1997 wurde die Gesellschaft „Ponte Verde“ (Der grüne Punkt) aufgebaut, die Verträge mit den Verpackungsproduzenten, den Recyclingbetrieben und den Abfallbeseitigungssystemen abschließt, bis 1999 immerhin in Bezug auf bereits 65% der verwendeten Verpackungen.251 Insgesamt hatten die Beteiligungen privater Akteure in der Abfall- sowie der Wasserwirtschaft neben dem Kapital- und dem Know-how-Zufluss auch teilweise deutliche Gebührenerhöhungen zur Folge.252

II. Steuerung der Unternehmen durch staatliche Akteure Durch den EU-Beitritt hat der portugiesische Gesamtstaat Möglichkeiten zur Steuerung der Unternehmen an die EU abgegeben. In vielen Bereichen der Wirtschaftsgesetzgebung ist europäisches Recht maßgeblich geworden. (z. B. bei öffentlichen Ausschreibungen, bei Subventionen, in der Außenwirtschaft, bei Umweltgrenzwerten oder im Wettbewerbsrecht). Damit wird die Interaktion zwischen Gesamtstaat und Unternehmen durch einen Dritten, nämlich die EU, normiert. Der Gesamtstaat verliert normative Steuerungsmöglichkeiten und damit auch Einfluss auf die Unternehmen. Allerdings sind portugiesische staatliche Akteure nach wie vor für den Vollzug des Gewerbe- und Wirtschaftsrechts zuständig und können auf dieser Ebene die Unternehmen deutlich beeinflussen. Will ein Unternehmen beispielsweise eine Industrieanlage errichten, entscheiden über Fragen der 250

Ibid. Volume 1, Capitulo II, 2.2.2. Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 12 u. 158. 252 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 20. 251

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren

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Raumordnung die Gebietsgemeinde oder die CCDR. Falls notwendig, folgt eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Weitere Genehmigungsverfahren vor portugiesischen staatlichen Akteuren gibt es für Unternehmen im Umweltbereich für Luftverschmutzung, die Einleitung von Abwässern, die Entnahme von Brauchwasser. In allen diesen Fällen sind die Raumordnungsund Politikfeldpläne als Voraussetzung für eine Genehmigung einzuhalten. Als unternehmensfreundliche Maßnahme der Verwaltungsreform gibt es nach Art. 9 DL 109/1991 iVm Art. 9 DL 69/2003 im Genehmigungsverfahren der Industrieanlage selbst für das Unternehmen nur mehr einen einzigen staatlichen Akteur als Ansprechpartner. Dessen Aufgabe ist es, die Stellungnahmen anderer beteiligter staatlicher Akteure einzuholen und einen genehmigungsfähigen Kompromiss herbeizuführen.253 Trotzdem diagnostizierte die Regierung in einem Plan einer Verwaltungsreform, dass der schlechte Zustand der Verwaltung die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gefährde.254 Im Bereich der finanziellen Wirtschaftsförderung und der finanziellen Förderung von Entwicklungsprojekten hat der EU-Beitritt zu einem massiven Anstieg der Fördermittel geführt. Der Verlust normativer Steuerungsmöglichkeiten wurde aus der Sicht portugiesischer staatlicher Akteure durch diese vermehrten finanziellen Steuerungsmöglichkeiten teilweise ausgeglichen. Auch die Mehrheit der Gebietsgemeinden spielt eine zunehmend wichtigere Rolle in der lokalen Wirtschaftsförderung, indem sie private Investitionen und die lokale Infrastruktur fördern.255 In den Jahren nach dem EU-Beitritt unter dem damaligen Ministerpräsidenten und dem späteren Präsidenten (ab 2006) Aníbal Cavaco Silva herrschte das Entwicklungsparadigma vor, dass der Staat große Infrastrukturprojekte verwirklichen müsse, damit sich in deren Gefolge private Unternehmen entwickeln können.256 Einerseits war dies eine bewusste politische Entscheidung, andererseits standen staatliche Akteure vor dem Problem, die hohen EU-Fördermittel überhaupt ausgeben zu können und waren dazu am ehesten durch große Bauvorhaben in der Lage. Für die Tourismusbranche waren die Ziele des Gesamtstaats etwas komplexer: Durch öffentliche Investitionen sollte das touristische Angebot diversifiziert, Privatinvestitionen in die Modernisierung der Betriebe gefördert und die Ausbildung in dieser Branche verbessert werden. Das Marketing sollte staatlich unterstützt, Konsumentenrechte und Qualitätsstandards gestärkt und die staatliche Verwaltung des Touris253

Art. 4 DL 46/1994. http://www.portugal.gov.pt/pt/Documentos/20030624_Reforma_AP.htm 07/2003. 255 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 77. 256 Ibid. S. 87; Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001. 254

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

mus reformiert werden.257 Dennoch flossen die meisten Mittel 20 Jahre lang in infrastrukturelle Bauprojekte, wodurch der Bausektor insgesamt aufgebläht und nachhaltigere Projekte wie Investitionen in Bildung und Forschung verhindert wurden. Das EU Rahmenprogramm 2007–2013 korrigierte diese jahrelange Ausrichtung tendenziell. Die Liberalisierung bringt allerdings auch zusätzliche Steuerungsmöglichkeiten mit sich. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden übt etwa Druck auf den größten Energieproduzenten Portugals aus, um dessen Leistungsqualität im Interesse der Bürger zu verbessern. Seit der Liberalisierung kann sie damit drohen, dass die Gebietsgemeinden die Energieverteilung auf ihrem Gebiet an ausländische Versorger vergeben.258 Außerdem sind die Gebietsgemeinden nicht mehr bereit, den ehemals gesamtstaatlichen und nunmehr privaten Versorgungsunternehmen im Telefon-, Gas- und Strombereich die bisherigen Privilegien zuzugestehen. Es kommt zu Konflikten, weil die Versorgungsunternehmen für ihre Infrastruktur Liegenschaften der Gemeinden benutzen, ohne dafür Gebühren zu bezahlen, durch Bauarbeiten verursachte Schäden nicht beheben und ihre mittelfristige Planung gegenüber den Gebietsgemeinden nicht offen legen. Rahmenverträge zwischen den Unternehmen und der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden sollen ausgehandelt werden, um solche Konflikte in Zukunft zu vermeiden.259 1. Regulierung privater Unternehmen der Wasserund Abfallwirtschaft Typisch für den Infrastrukturbereich ist, dass es wegen der Leitungsnetze auf lokaler Ebene zu Monopolen kommt, die einer Regulierung durch staatliche Akteure bedürfen.260 Zuständig für die Regulierung im Wasser- und Abfallbereich ist das Regulierungsinstitut für Wasser und Abfall (IRAR). Insgesamt ergibt sich allerdings aus dem Jahresbericht 2001 der Eindruck, dass das noch junge Institut Probleme hat, seine Entscheidungen gegenüber den Unternehmen durchzusetzen. So braucht es für die Festsetzung der 257 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 96. 258 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 111, Februar 2003. 259 Ibid. Nº 113, April 2003. 260 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 178.

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren

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Endverbraucherpreise genaue finanzielle Daten der Unternehmen, die wegen fehlender Sanktionsmechanismen nur schwer in ausreichender Qualität von den Unternehmen zu bekommen sind. Auch die Beurteilung von Anboten in Konzessionsausschreibungen durch das IRAR wurde dadurch erschwert, dass die Unterlagen erst wenige Tage vor Ablauf der Fristen dem IRAR übermittelt wurden. Das IRAR ist seit 2001 auch die zuständige Behörde zur Trinkwasserkontrolle iSv RL 98/1983/CE.261 Schon in der Vergangenheit beklagten sich aber staatliche Akteure darüber, nicht genügend Personal für die Kontrolle der Normen im Umweltbereich zur Verfügung zu haben. Deshalb wurde auch immer wieder gefordert, diese Kontrollaufgaben an Private zu übertragen.262 Heute sind im Wesentlichen öffentliche und private Wasserwerke für die Messung der Trinkwasserqualität verantwortlich, deren Ergebnisse sie an das Umweltinstitut weiterleiten.263 (Auch bei der Überwachung der Luftverschmutzung gibt es neben staatlichen Messstationen auch solche von großen Luftverschmutzern, die ihre Immissionen in der Nähe ihrer eigenen Betriebsanlagen messen.264) Aus einer Untersuchung des Umweltministeriums über die Durchführung gesetzlich vorgeschriebener Analysen geht hervor, dass die größeren Wasserversorger sich eher an die gesetzlichen Bestimmungen halten und auch bessere Messergebnisse erzielen. Dies wird vom Gesamtstaat als Argument für eine Zusammenlegung kleinerer Wasserversorger angeführt.265 Den Gebietsgemeinden wird vom Umweltministerium vorgeworfen, trotz technischer Kapazität ihnen übertragene Kontrollkompetenzen nicht auszuüben, weil die Beziehungen zwischen Gemeindepolitikern und den Umweltverschmutzern zu eng sind. Die Ernsthaftigkeit, mit der Gebietsgemeinden ihre Kompetenzen wahrnehmen, hängt nach Meinung des Ministeriums stark mit der Einstellung der betroffenen Bevölkerung zusammen. Ein verstärktes Umweltbewusstsein und Selbstvertrauen der Bürger soll zu einem konsequenteren Verhalten der Gemeinden führen.266 261 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al.: Relatório de Actividades do Instituto Regulador de Águas e Resíduos. Exercício de 2001, 2002 S. 4 u. 17. 262 Levy, João de Quinhones: 10 anos de política ambiental. O movimento do pião (Lisboa 2002) S. 26. 263 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 76. 264 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 32. 265 Ministério do Ambiente e do Ordenamento do Território et al. (Hg.): Plano Estratégico de Abastecimento de Água e de Saneamento de Águas Residuais. 2000–2006 (2000) S. 83. 266 Ibid. S. 27, 31.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

2. Umweltanpassungsverträge als vertragliches Steuerungsinstrument Umweltanpassungsverträge sind ein Beispiel für den Ersatz hoheitlicher durch vertragliche Handlungsformen und ein weiteres Beispiel für den Wunsch staatlicher Akteure, in Portugal Einzelfallentscheidungen zu treffen anstatt sich generell an normative Vorgaben zu halten. Schon seit den 1970er-Jahren wurden in europäischen Ländern wie Spanien und Deutschland Verträge zwischen staatlichen Akteuren und den Interessenvertretungen von Unternehmen über Umweltschutzmaßnahmen abgeschlossen. In den frühen 1990er-Jahren war der Gesamtstaat in Portugal vor allem darauf bedacht, die Wettbewerbsfähigkeit portugiesischer Unternehmen innerhalb der EU zu sichern. Deshalb wurden Umweltnormen vor allem gegenüber der Mehrheit der Klein- und Mittelbetriebe kaum vollzogen. Im Jahr 1994 wurde schließlich das Instrument der Umweltanpassungsverträge geschaffen, wodurch eine deutliche Änderung eintrat. Umweltanpassungsverträge wurden durch die Vertretung des jeweiligen Wirtschaftssektors und den Gesamtstaat abgeschlossen, wobei eine gemeinsame Genehmigung des Umweltministers und des für den Wirtschaftszweig zuständigen Fachministers notwendig war. Die Interessensvertretungen der Unternehmen bildeten fachliche Arbeitsgruppen, welche den Plan ausarbeiteten, die Umweltsituation bis 1999 zu verbessern. Die Umsetzung der Pläne wurde von einer Kommission begleitet, die aus staatlichen Akteuren und Vertretern der Unternehmensverbände bestanden.267 Insgesamt hatte die Einbindung der Interessenvertretungen der einzelnen Wirtschaftssektoren einen großen Mobilisierungseffekt.268 Ein wesentliches Motiv sich zu beteiligen waren kurzfristig vorhandene EU-Mittel für die Modernisierung von Unternehmen zu Umweltschutzzwecken. Die eingegangenen Verpflichtungen waren von Seiten der Unternehmer aber bei Ende der Laufzeit der Verträge in erheblichem Umfang nicht erfüllt. Einerseits wegen technischer Probleme, andererseits weil die Kandidatur für die betreffenden EU-Mittel zu lange gedauert hatte und nicht genug EU-Mittel vorhanden waren, um die Modernisierung der Anlagen aller teilnehmenden Unternehmen zu fördern. Ein weiteres Problem bestand darin, dass die Unternehmensverbände keine Möglichkeiten hatten, ihre Mitglieder zur Umsetzung der Verträge zu zwingen. Außerdem waren nicht alle Unternehmen in den unterzeichnenden Interessenvertretungen organisiert. Ein ju267 Maçãs, Maria Fernanda: Os acordos sectoriais como um instrumento da política ambiental [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, ano 3, nfflmero 1, S. 37–54, 2000] S. 41 ff. 268 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 138.

D. Interaktion zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren

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ristisches Problem bestand darin, dass die Verträge den Unternehmen gestatteten, Grenzwerte während der Anpassungsfrist zu überschreiten. Diese Derogation gesetzlicher Grenzwerte durch einen öffentlich-rechtlichen Vertrag hatte aber großteils keine Rechtsgrundlage. Mit DL 236/1998 wurde eine solche Rechtsgrundlage schließlich geschaffen. Diese Norm sieht neben den Umweltanpassungsverträgen (Contratos de Adaptação Ambiental) auch Umweltförderungsverträge (Contratos de Promoção Ambiental) vor, die umweltfreundlichere Grenzwerte zum Inhalt haben.269 Letztere Verträge wurden aber in der Folge überhaupt nie abgeschlossen.270 Umweltanpassungsverträge, welche die Grenzwerte herabsetzen, galten 2001 hingegen für 17 Wirtschaftssektoren mit 4.300 Betrieben.271 Bedenklich erscheint dem Wasserinstitut bei dieser Praxis, dass diese niedrigeren Grenzwerte nicht etwa durch höhere Strafdrohungen bewehrt sind. Sie stellen dadurch eigentlich nur ein Instrument dar, um den Unternehmen noch eine Zeit lang eine Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte zu ermöglichen.272

III. Politische Beteiligung von Unternehmen Unternehmen sind, was Ressourcen und Wissen betrifft, besonders leistungsfähige private Akteure und haben auch ohne aktives oder passives Wahlrecht häufig mehr politische Einflussmöglichkeiten gegenüber staatlichen Akteuren als einzelne Bürger. Staatliche Akteure suchen geradezu die Zusammenarbeit mit Unternehmen und räumen ihnen besondere Beteiligungsrechte ein. Mit Regierungsbeschluss 188/1996 wurde etwa die Kommission für Beziehungen zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren reorganisiert. Zu ihren Hauptaufgaben zählt es, Vorschläge für Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens zu machen und Gesetzesentwürfe zu begutachten. Zusätzlich sind Unternehmen nicht nur über ihre Interessenvertreter, sondern auch direkt in einer Reihe staatlicher Beiräte vertreten.273 269 Maçãs, Maria Fernanda: Os acordos sectoriais como um instrumento da política ambiental [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, ano 3, nfflmero 1, S. 37–54, 2000] S. 47 ff. 270 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) S. Volume 1, Capitulo II, 2.1.5.1. 271 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 41. 272 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) S. Volume 1, Capitulo II, 2.1.5.1. 273 Conselho Económico e Social (Hg.): Administração Consultiva em Portugal. Incluindo Legislação Respeitante aos Conselhos e Comissões Consultivas (Lisboa 1996) S. 87.

468

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

Die Struktur portugiesischer Unternehmen zeichnet sich allerdings durch viele kleine einheimische Unternehmen sowie starke ausländische Konzerne aus. Die portugiesischen Unternehmensverbände sind nach Branchen und Regionen aufgesplittert und haben als freiwillige Vereinigungen nur bedingte Einwirkungsmöglichkeiten auf ihre Mitglieder. Beides zusammen führt dazu, dass den staatlichen Akteuren nur bedingt geeignete Interaktionspartner auf Unternehmensseite gegenüber stehen. Im Bereich der Raumordnung beteiligen sich Unternehmen auf mehrfache Weise an den politischen Entscheidungen: Erstens stehen ihnen die Möglichkeiten der allgemeinen Bürgerbeteiligung offen, die sie wegen ihrer größeren Ressourcen stärker nützen können. Zweitens können Unternehmensverbände wie andere gesellschaftliche Akteure auch in den Begleitkommissionen vertreten sein, was bei Plänen oberhalb der kommunalen Ebene auch der Fall ist. Drittens müssen sich vor allem die Gebietsgemeinden den Sachverstand zur Planerstellung bei privaten Planungsbüros holen. Die CCDR, die sie eigentlich in technischen und fachlichen Fragen unterstützen sollten, sind hier nie besonders aktiv gewesen.274 Folglich werden fast alle PDM und PROT von technischen Büros von Unternehmen oder von freiberuflichen Raumplanern erstellt.275 Während ein staatlicher Akteur hier die Federführung inne hat und die Unternehmen hier nur ausführend tätig sind, beeinflussen sie durch ihr überlegenes Fachwissen natürlich die Entscheidungen der staatlichen Akteure. Die Idee, Verantwortung für urbanistische Lösungen Fachleuten zu übertragen, wird in der Literatur dahingehend kritisiert, dass bei Fehlleistungen diese Verantwortung nicht geltend gemacht werden kann.276 Viertens ist es in Portugal aber auch ausnahmsweise möglich, dass Unternehmen (in teils öffentlichem, teils privatem Eigentum) bei der Erstellung von Raumordnungsplänen anstelle eines öffentlichen Akteurs federführend sind. Beispiele sind die EXPO 98 Gesellschaft in Lissabon oder die Stadterneuerungsgesellschaften im Rahmen des POLIS Programms.277 Die relative Ferne zu politischen Organen staatlicher Akteure ist von diesen durchaus gewünscht, weil Verantwortung für unangenehme Entscheidungen kontrolliert abgegeben werden kann und die schnelleren Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb privater Unternehmen genutzt werden können. 274

Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. Sá, Luís: Razões do poder local. Finanças locais, ordenamento do território, regionalização. (Lisboa 1991) S. 125. 276 Ruivo, César de Jesus: O Novo Regime Jurídico de Urbanização e Edificação, S. 43–111 [in: ATAM, Associação dos Técnicos Administrativos Municipais (Hg.): Colóquio Nacional da ATAM, Santarém, 10 a 13 de Outubro de 2001. Comunicações, (Santarém 2001)] S. 60. 277 http://www.geota.pt/Htmls/Opiniao/Posicoes/2004/06_25_parecer_directiva_ 2001_42_CE.html 11/2004. 275

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

469

Schließlich vertreten Unternehmen und ihre Verbände ihre Interessen im Politikfeld Raumordnung gegenüber staatlichen Akteuren auf informelle Weise. Die Gebietsgemeinden stehen unter beträchtlichem Druck von Seiten der Immobilienunternehmen. In vielen Fällen sind es letztlich diese, die Art und Zeitplan der Verbauung maßgeblich beeinflussen.278 Eine weitere Einflussmöglichkeit von Unternehmen auf kommunale Akteure ergibt sich dadurch, dass viele Kommunalpolitiker gleichzeitig Unternehmer sind.279 Im Fall des PROTAL kritisiert ein oppositioneller Politiker, dass es während der Erstellung zu einer massiven Einflussnahme von Unternehmen auf den Inhalt dieses regionalen Raumordnungsplans kam und dass allgemein der Einfluss von Unternehmen auf die Raumordnung die Grenzen des gesetzlich Erlaubten übersteige.280

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren kann hierarchische Steuerung Privater durch den Staat und die Erbringung öffentlicher Leistungen ergänzen. Das Ergebnis kann als Netz von gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren beschrieben werden, in dem staatliche Akteure eine Sonderrolle spielen. Nur sie haben im Hintergrund hoheitliche Handlungsformen und können so Verfahrensregeln und Verhandlungsergebnisse allgemein verbindlich machen. Probleme entstehen in solchen Netzwerken durch den Zwang zu Kompromissen und durch Entscheidungsblockaden. In Portugal hat die Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren in den letzten Jahren zugenommen,281 was sich auch in einer Vielzahl beratender Organe zeigt.282 Der Schwerpunkt liegt dabei im Bereich der Vollziehung. Einerseits kann durch Einbindung gesellschaftlicher Akteure die freiwillige Befolgung von Normen verbessert werden, andererseits übernehmen gesellschaftliche Akteure die Abwicklung von Projekten. 278 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 176. 279 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 280 Sá, Luís: Razões do poder local. Finanças locais, ordenamento do território, regionalização. (Lisboa 1991) S. 131. 281 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 11. 282 Fundació Carles Pi i Sunyer d’Estudis Autono ` mics i Locals (Hg.): La Reforma de la Organización Territorial de la Administracio`n del Estado Portuguès 2002) S. 31.

470

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

In diesem Kapitel soll dargestellt werden, in welchen Bereichen und auf welche Weise in Portugal gesellschaftliche und staatliche Akteure interagieren.

I. Unterstützung durch staatliche Akteure Der Gesamtstaat versucht auf nationaler und regionaler Ebene, gesellschaftliche Akteure zu fördern, um stabile Partnerschaften aufzubauen und die Entstehung von Interessenvertretungen für bestimmte Politikfelder oder Regionen zu fördern.283 Er unterstützt gesellschaftliche Akteure durch direkte finanzielle Zuwendungen und durch den Status der Gemeinnützigkeit. Außerdem werden ihnen durch normative Steuerung geeignete Rechtsgrundlagen und Beteiligungsrechte zur Verfügung gestellt. Da erst diese Unterstützungen in den letzten Jahren zu vermehrter Gründung und Aktivität gesellschaftlicher Akteure geführt hat, sind diese in Portugal insgesamt eher staatsnah. Außer den Gewerkschaften und den Unternehmensverbänden besitzen sie wenig Stärke und Unabhängigkeit gegenüber dem Gesamtstaat.284 In der CCDR-Region Algarve etwa sind die gesellschaftlichen Akteure sehr schwach und zu 70–90% von öffentlichen Mitteln abhängig. Von Beschäftigten der CCDR werden sie scherzhaft als „Kollegen“ bezeichnet, weil sie ja auch von öffentlichen Mitteln leben. Von gleicher Seite wird die Ansicht vertreten, dass es besser gewesen wäre, der Gesamtstaat hätte auf die Gründung einiger weniger und dafür handlungsfähiger gesellschaftlicher Akteure gedrängt, als viele kleine Akteure gleichmäßig zu unterstützen.285 An diesem massiven Einfluss staatlicher Akteure auf gesellschaftliche wird auch Kritik laut. Von den oppositionellen Kommunisten wird z. B. die Meinung vertreten, dass einzelne politisch genehme gesellschaftliche Akteure bevorzugt und andere an den Rand gedrängt werden.286 Dies könnte sich nach einer anderen Meinung nur dadurch ändern, dass der Staat sich weniger in diejenigen Bereiche einmischt, die die Gesellschaft selbst organisieren kann. Erst dadurch kann sich das soziale Engagement der Bürger eigenständig entfalten.287 Gerade im Politikfeld Umweltschutz fördern staatliche Akteure sehr bewusst Entstehung und Aktivität von Umweltschutzorganisationen. Der Status einer Umweltschutzorganisation bringt Steuerprivilegien, technische und finanzielle Unterstützung durch staatliche Umweltlabors und das Umwelt283 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Plano de Actividades 2005 2004) S. 12. 284 Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001. 285 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 286 Sá, Luís: Concertação Social e „Corporativismo Selectivo“ [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 162–173, 1999] S. 167. 287 Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001.

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

471

institut.288 Registrierte Umweltschutzorganisationen, die fünf Jahre lang in Kooperation mit dem Umweltinstitut tätig sind, können den Status der Gemeinnützigkeit beantragen.289 In Portugal hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass es für Umweltschutzorganisationen erfolgsentscheidend war, außer der engen Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Akteuren wie den Medien alle juristischen und institutionellen Unterstützungen durch staatliche Akteure zu nützen.290 In den 1990er-Jahren betrug die Förderung von Umweltschutzorganisationen pro Jahr 170.000 e. Im Schnitt wurden jährlich von 36 Umweltschutzorganisationen je zwei Projekte gefördert, womit die Förderhöhe pro Organisation 4.700 EUR betrug.291 Bis 2003 stieg dieser Betrag um 51% auf 257.000 e an. Auch die Zahl der geförderten Organisationen erhöhte sich auf 47, womit etwa ein Drittel aller Organisationen staatlich gefördert wurde.292 Letztlich sind auch diese nunmehr höheren Förderungen recht bescheiden. Außerdem bezeichnen 75% der Umweltschutzorganisationen Verspätungen bei staatlichen Finanztransfers als eines ihrer größten Probleme.293 Für eine wirkliche Veränderung in diesem Bereich, eine echte Erhöhung der Fördermittel benötigte der Gesamtstaat die Hilfe der EU: Im Jahr 1997 wurde ein Protokoll zwischen dem damaligen Umwelterziehungsinstitut und dem Umweltprogramm des EU-Rahmenprogramms geschlossen, um den Umweltschutzorganisationen Zugang zu den Mitteln des Umweltprogramms zu ermöglichen.294 Verantwortliche Akteure für die Zuerkennung dieser EU-Mittel sind die verschiedenen Institute des Umweltministeriums. Außerdem können sich Umweltschutzorganisationen um Mittel aus regionalen Entwicklungsprogrammen bewerben, für deren Verwaltung die CCDR zuständig sind.295 288 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.7. 289 Art. 4 Lei 35/1998. 290 Soromenho-Marques, Viriato: O Papel das ONG’S, S. 199–214 [in: Fundação Luso-Americana (Hg.): Participação Pfflblica e Planeamento. Práctica de Democracia Ambiental, (Lisboa 1998)] S. 208. 291 Ministério do Ambiente (Hg.): Anuário do Ministério do Ambiente 1998 (Lisboa 1998) S. 153. 292 Instituto Nacional de Estatística (Hg.): Estatísticas do Ambiente 2002 (Lisboa 2003) S. 46. 293 Nave, Joaquim Gil et al. (Hg.): As Organizações não Governamentais de Ambiente – Elementos de Fenomenologia. Resultados parciais do Inquérito as ONGA, aplicado no ambito de Projecto „Contextos Institucionais de Acção Colectiva e Participação na Área das Políticas do Ambiente“ (Lisboa 2000) S. 49. 294 Ministério do Ambiente (Hg.): Anuário do Ministério do Ambiente 1998 (Lisboa 1998) S. 153.

472

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren Tabelle 66 Förderung von Umweltschutzorganisationen durch das Umweltinstitut 2003296 Gesamt in e

Zahl geförderter Organisationen

Pro Organisation ~ in e

154.000

21

7.300

Allgemeine Projekte

45.000

22

2.000

Projekte im Bereich Nachhaltigkeit

19.900

18

1.100

Publikationen

14.800

18

800

Verbesserung der Verwaltung der Umweltschutzorganisationen

14.700

12

1.200

Teilnahme an nationalen und internationalen Veranstaltungen

8.600

18

500

257.000

47

5.500

Förderungszweck Projekte in vom Umweltinstitut definierten Bereichen

Gesamtschnitt

Die Gebietsgemeinden bezuschussten 2001 gesellschaftliche Akteure und Private mit 513 Mio. e, was 8% ihrer Ausgaben entsprach. Die Ortsgemeinden erhielten von ihnen im gleichen Zeitraum nur etwa die Hälfte dieser Zuschüsse.297 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden fordert eine bessere Abstimmung zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden bei der Förderung von gesellschaftlichen Akteuren. Als Beispiel führt sie die freiwilligen Feuerwehren an, die von beiden staatlichen Akteuren unterstützt werden, ohne dass dies regional koordiniert würde.298 Ein weiteres von ihr kritisiertes Beispiel ist die Förderung von gemeinnützigen Vereinen oder Kirchen durch Zuschüsse zu Bau- und Restaurierungsarbeiten. Dazu werden die Anträge bei den CCDR eingereicht und nach einer landesweiten, vom 295 http://www.iambiente.pt/pls/ia/doc?id=5729&p_acc=0&plingua=1&pmenu_id =6 08/2003. 296 http://www.iambiente.pt/ngt_server/ngtifs/iFileDialog.jsp?path=//Servidor/103/ Lproj_03.pdf&action=7 02/2005. 297 http://www.dgaa.pt/desp_receit_geral.htm 06/2003. 298 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2000–2001 (Strategie der ANMP 2000–2001), (6. Mai 2000).

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

473

Ministerium erstellten Prioritätenliste entschieden.299 Die Verfahren zur Zuerkennung und zur Kontrolle sind kompliziert und zeitaufwändig, zumal gerade Kleinprojekte mit einem Volumen um die 50.000 e gefördert werden sollen. Bessere Informationen vor Ort hätten natürlich die Gebietsgemeinden, die auch die Abwicklung solcher Förderungen übernehmen könnten, was die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden auch massiv fordert.300

II. Die Rolle der CCDR Die CCDR sind in zweifacher Hinsicht für die Interaktion zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren bedeutsam. Erstens wäre die Zusammenarbeit bei einzelnen Projekten zwischen gesellschaftlichen Akteuren und gesamtstaatlichen Akteuren in Lissabon sehr schwierig. Es zeigt sich, dass Projekte nur von den CCDR als gesamtstaatliche Akteure in den fünf CCDR-Regionen sinnvoll umgesetzt werden können. So fördern die Gemeindeabteilungen der CCDR Investitionsprojekte gesellschaftlicher Akteure in den Bereichen Freizeit, Sport, Religion und Kultur.301 Außerdem entwickeln, begleiten und leiten die CCDR öffentliche Investitionsprojekte (Stadterneuerung, Stützung von Gewerbestrukturen, Gründung von Kleinunternehmen Technologieförderung) in Partnerschaft mit Gemeindeverbänden, Regionalentwicklungsgesellschaften, Arbeits- und Sozialämtern, Banken und gesellschaftlichen Akteuren.302 Zweitens fördern die CCDR die Entstehung und das Funktionieren gesellschaftlicher Akteure sowie deren Interaktion mit staatlichen Akteuren. Dafür ist von staatlicher Seite ein Akteur notwendig, der in mehreren Politikfeldern tätig ist und für ein ganzes Territorium Verantwortung übernimmt. Nur ein solcher kann ein Beziehungsnetz mit den unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteuren aufbauen. Die CCDR-Norte versucht, dadurch bei Planung und Umsetzung regionaler Entwicklungsstrategien eine Zusammenarbeit möglichst vieler Akteure in ihrer Region zu erreichen.303 Dazu nahmen Vertreter der CCDR-Norte 2002 an Sitzungen von 34 Kollegialorganen regionaler gesellschaftlicher Akteure aus den Bereichen Wissenschaft, Kultur, Wirtschaftsförderung und Landwirtschaft teil;304 die CCDR-Lissabon baut solche Netze sowohl auf 299

http://www.dgaa.pt/piddac_geral.htm 06/2003. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 24. 301 http://www.ccr-lvt.pt/content/index.php?action=detailFo&id=139 07/2003. 302 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Relatório de actividades 2002 (Lisboa 2003) S. 101-10411-26. 303 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Plano de Actividades 2005 2004) S. 12. 300

474

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

regionaler als auch auf lokaler Ebene auf.305 Auch die CCDR-Centro hat im Bereich ihrer CCDR-Region immer versucht, ein regionales Netz aus staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren zu bilden. Nicht um eine solche Netz zentral zu steuern, aber doch um ein sehr aktiver Partner zu sein. Zum Beispiel gelang die Gründung einer Vereinigung aller bestehenden Unternehmensverbände in der ganzen Region. Es ist auch für die CCDR wichtig, dass es in der Region Akteure gibt, die für die ganze Region sprechen. Insgesamt hatte die CCDR-Centro dabei aber nur mäßigen Erfolg, da ihre wichtigsten Partner in der Region die Gebietsgemeinden bleiben.306 Auch ein leitender Beschäftigter der CCDR-Algarve hielt es im Interview für notwendig, dass staatliche Akteure auch weiterhin in allen Landesteilen stark präsent bleiben, weil es keine privaten oder gesellschaftlichen Akteure gibt, die einspringen könnten.307 Umgekehrt sind nach Art. 15 DL 104/2003 auch einige ausgewählte gesellschaftliche Akteure am Handeln der CCDR über ihren Sitz im Regionalrat der CCDR beteiligt: Gebietsgemeinden mit absoluter Mehrheit, acht Vertreter derjenigen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, die auch Sitz im Wirtschafts- und Sozialrat haben, drei Vertreter der Universitäten und Fachhochschulen, ein Vertreter der Tourismusverbände und ein Vertreter der Umweltschutzorganisationen. Dadurch können sich die hier vertretenen gesellschaftlichen Akteure über die Tätigkeit der CCDR im Detail informieren, ihr eigenes Wissen einbringen und ihre Meinung ebenso äußern wie den CCDR-Präsidenten wählen. In der Präambel von DL 102/2003 wird diese Beteiligung gesellschaftlicher Akteure an den neuen Regionalräten der CCDR als Öffnung des Staates zur Gesellschaft gepriesen.

III. Die Rolle der Gemeinden Ortsgemeinden können nach Art. 248 CRP und Art. 36 Lei 169/1999 die Erbringung nicht hoheitlicher Dienstleistungen, die Verwaltung ihres Eigentums und die Unterstützung kultureller, sozialer und sportlicher Aktivitäten an Private oder gesellschaftliche Akteure übertragen. Darunter fallen auch so genannte Anwohnervereinigungen (organicações de moradores), die Bürgerinitiativen ähneln. Allerdings nahm die Bedeutung dieser Anwohnervereinigungen in den 1990er-Jahren stark ab und existiert heute nur noch in einigen städtischen Ortsgemeinden.308 Gebietsgemeinden kön304 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Relatório de Actividades da CCDRN 2003 2003) S. 21. 305 http://www.ccr-lvt.pt/content/index.php?action=detailFo&id=140 07/2003. 306 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003. 307 Farias, João: Interview am 14. August 2003.

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

475

nen an gesellschaftliche Akteure nach Art. 67 Lei 169/1999 ihre Aktivitäten im Bereich der Sozialpolitik, die Beteiligung an Initiativen zur lokalen Wirtschaftsentwicklung und die Unterstützung anderer gesellschaftlicher Akteure übertragen. Für die Gemeinden ist eine in gesellschaftlichen Akteuren organisierte Gesellschaft vorteilhaft, weil ihnen Kooperationspartner zur Verfügung stehen, z. B. um Planungen oder Investitionsprojekte zu verwirklichen. Deshalb helfen die Gemeinden durch eigene Abteilungen bei der Gründung gesellschaftlicher Akteure und unterstützen ihre laufende Arbeit finanziell.309 Daraus ergeben sich durchaus dichte Interaktionen zwischen Gemeinden und gesellschaftlichen Akteuren. Etwa 70% der Umweltschutzorganisationen gehen Partnerschaften mit Gebietsgemeinden ein, etwa 50% mit Ortsgemeinden.310 Ein Bürgermeister meinte im Interview, dass seine Arbeit leichter wird, wenn es mehr gesellschaftliche Akteure gibt, da er diesfalls nicht mit so vielen einzelnen Bürgern umgehen müsse.311 Allerdings zeigte eine Umfrage Ende der 1990er-Jahre, dass nur 32% der Bürgermeister der Unterstützung eines Projekts durch gesellschaftliche Akteure eine große Wichtigkeit beimessen würden. Persönliche Beziehungen erhalten hier mit 82% deutlich höhere Priorität.312 Dies ist ein Hinweis, dass Personalisierung in Portugal auch die Rolle gesellschaftlicher Akteure überlagert. Dazu passt, dass nach einer Studie sowohl die kommunalen Mandatsträger als auch gesellschaftliche Akteure auf lokaler Ebene eine eher private, persönliche Lösung von Interessenkonflikten bevorzugen, öffentliche, „politisierte“ Forderungen lehnen sie ab.313 Auch die Interessenvertretungen der Gebietsgemeinden und der Ortsgemeinden sind Ansprechpartner für gesellschaftliche Akteure.314 Die verschiedensten gesellschaftlichen Akteure treten mit ihren Anliegen vor allem an die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden heran, Arbeitgeber308

Sousa, Marcelo Rebelo de et al.: Constituição da Repfflblica Portuguesa Comentada. Introdução Teórica e Histórica. Anotações. Doutrina e Jurisprudência. Lei do Tribunal Constitucional (Lisboa 2000) S. 381. 309 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 310 Nave, Joaquim Gil et al. (Hg.): As Organizações não Governamentais de Ambiente – Elementos de Fenomenologia. Resultados parciais do Inquérito as ONGA, aplicado no ambito de Projecto „Contextos Institucionais de Acção Colectiva e Participação na Área das Políticas do Ambiente“ (Lisboa 2000) S. 43. 311 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 312 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 217. 313 Mozzicafreddo, Juan (Hg.): Gestão e Legitimidade no Sistema Politico Local (Lisboa 1991) S. 124 f. 314 http://www.anafre.pt/01/2003.

476

Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

verbände ebenso wie Gewerkschaften, die ein traditionelles Näheverhältnis zur Interessenvertretung der Gebietsgemeinden haben, aber auch zahllose andere. Man versucht einerseits, den Einfluss der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden auf die Regierung zu nutzen, andererseits ihren Sachverstand und ihre Informationen aus allen Landesteilen. Dies zeigt ein Vertrauen in die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden, als wäre diese eine Parallelregierung. Es gibt auch formalisierte Abkommen, etwa mit der Industriellenvereinigung in Umweltfragen oder mit der Architektenvereinigung über deren Berufsausübung, aber tendenziell werden solche formalisierten Verpflichtungen vermieden, weil die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ihre Handlungsfreiheit als Interessenvertretung behalten will.315

IV. Beteiligung in den Politikfeldern Raumordnung und Umwelt Im Rahmen der Mechanismen der allgemeinen Bürgerbeteiligung kommen gesellschaftlichen Akteuren im Wesentlichen die gleichen Rechte zu wie den einzelnen Bürgern. Darüber hinaus haben gesellschaftliche Akteure zusätzliche Beteiligungsrechte. In Art. 3 lit. c des UmweltrahmenG ist ihre Beteiligung als Prinzip des gesamten Politikfelds vorgeschrieben, was sich in einem allgemeinen Anhörungsrecht bei der Formulierung der Umweltpolitik ausdrückt. Nach Art. 5 UmweltschutzorganisationenG bestehen für die Umweltschutzorganisationen Informationsrechte in Bezug auf die Umweltpolitik und die Flächenwidmungspläne. Nach Art. 5 Abs. 3 UmweltschutzorganisationenG haben sie das Recht, den Verwaltungsrechtsweg zu beschreiten, um diese Informationsrechte gegenüber staatlichen Akteuren durchzusetzen. In einer Umfrage Ende der 1990er-Jahre beklagten 25% der Umweltschutzorganisationen, dass es schwierig sei, von staatlichen Akteuren Informationen zu erhalten, 30% klagten über die großen Zeitverluste, die damit verbunden sind. 72% gaben an, durch die Bürokratie staatlicher Akteure in ihrer Arbeit behindert zu werden.316 In den Verfahren vor Verwaltungsbehörden und Gerichten werden den Umweltschutzorganisationen sehr weitgehende Rechte zuerkannt. Laut Art. 10 UmweltschutzorganisationenG haben sie im Verwaltungsverfahren sowie dem Zivil- und Strafpro315 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 65 September 1998; Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 316 Nave, Joaquim Gil et al. (Hg.): As Organizações não Governamentais de Ambiente – Elementos de Fenomenologia. Resultados parciais do Inquérito as ONGA, aplicado no ambito de Projecto „Contextos Institucionais de Acção Colectiva e Participação na Área das Políticas do Ambiente“ (Lisboa 2000) S. 47.

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

477

zess die Möglichkeit einer Popularklage gegen den Staat oder Private, wobei sie von den Verfahrensgebühren befreit sind. Weitere intensive Verfahrensbeteiligungen stehen ihnen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfungen und der Öko-Audit Verfahren zu. Auch im Gesetzgebungsverfahren geben die Umweltschutzorganisationen Stellungnahmen ab, allerdings kritisieren sie, dass ihnen dafür zu wenig Zeit (häufig lediglich drei Wochen) gegeben wird.317 Nach Ansicht der OECD hat die Beteiligung der Umweltschutzorganisationen in Portugal dazu geführt, dass staatliche Akteure Umweltgesichtspunkte heute viel eher in Betracht ziehen als früher.318 Auch nach Meinung des Wasserinstituts spielten Umweltschutzorganisationen bei der Kritik mangelhafter Zustände im Rahmen ihrer Beteiligung eine gewisse Rolle.319

V. Beteiligung in Beiräten Geht man nach der Häufigkeit der Vertretung gesellschaftlicher Akteure in staatlichen Beiräten, ergibt sich eine Rangordnung der von gesellschaftlichen Akteuren vertretenen Interessen: Arbeitgeber, Gewerkschaften, freie Berufe, Konsumenten- und Umweltschutz, Soziales, Familie, Kultur, Studenten, Sport, Wissenschaft, Frauen.320 Eine vom Wirtschafts- und Sozialrat Mitte der 1990er-Jahre durchgeführte Untersuchung aller Beiräte Portugals mit Beteiligung gesellschaftlicher Akteure kam zu folgender Charakterisierung: Die Anzahl der Beiräte ist zu hoch, ihre Zuständigkeiten sind nicht immer klar und es fehlt an Koordination zwischen den Beiräten, die gesellschaftlichen Akteure sind mit der Mitarbeit in den zahlreichen Beiräten überfordert und die Beiräte werden von den staatlichen Akteuren klar dominiert. Die Anzahl der Beiräte erreichte damals auf nationaler Ebene die Zahl von 204, hat aber seither weiter zugenommen. Die Mehrheit war in dem Politikfeld Wirtschaft tätig, gefolgt vom Sozialbereich und der Kultur. Keineswegs ging die Initiative zur Gründung solcher Beiräte von den gesellschaftlichen Akteuren aus, sondern staatliche Akteure gründeten sie zur Legitimierung ihrer Politik. Eine beträchtliche Anzahl der Beiräte hat nie 317 http://www.geota.pt/Htmls/Opiniao/Posicoes/2004/06_25_parecer_directiva_ 2001_42_CE.html 11/2004. 318 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 129. 319 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.7. 320 Conselho Económico e Social (Hg.): Administração Consultiva em Portugal. Incluindo Legislação Respeitante aos Conselhos e Comissões Consultivas (Lisboa 1996) S. 83.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

ordentlich funktioniert, was man als Hinweis auf den legitimatorischen Charakter ihrer Gründung interpretieren kann. Die Einbringung des Sachverstands der gesellschaftlichen Akteure steht demgegenüber im Hintergrund. Besonders viele Beiräte werden von den autonomen gesamtstaatlichen Akteuren gegründet. Staatliche Akteure dominieren nicht nur durch die Gründung und die Auswahl der Mitglieder, sondern auch durch die Gestaltung der Mehrheitsverhältnisse in den Beiräten. Innerhalb der gesellschaftlichen Akteure sind die klassischen Sozialpartner deutlich stärker repräsentiert als andere gesellschaftliche Akteure, die von der regelmäßigen Mitarbeit in Beiräten teilweise überfordert sind. Auch die klassischen Sozialpartner konzentrieren sich auf die wichtigeren Beiräte, beachten andere kaum oder fordern eine finanzielle Entschädigung für ihre Teilnahme.321 Bei der Beteiligung von Umweltschutzorganisationen in staatlichen Beiräten wird laut UmweltschutzorganisationenG nach ihrem örtlichen Betätigungsfeld und ihrer Mitgliederanzahl unterschieden: Bei landesweiter Betätigung und mindestens 2.000 Mitgliedern hat eine Umweltschutzorganisation „nationale Bedeutung“. Sie gilt damit als Sozialpartner und ist im Wirtschafts- und Sozialrat und in einem beratenden Gremium des Umweltinstituts vertreten. „Regionale Bedeutung“ liegt bei einem entsprechenden Tätigkeitsbereich und mindestens 400 Mitgliedern vor, für „lokale Bedeutung“ sinkt die Mindestanzahl auf 100 Mitglieder. Umweltschutzorganisationen sind in folgenden staatlichen Beiräten vertreten: Wirtschafts- und Sozialrat, Nationaler Rat für Umwelt und Nachhaltige Entwicklung,322 Nationaler Wasserrat,323 Flussgebietsbeiräte, Lagunenverwaltungskommission (DL 21/1998), Regionalrat der CCDR.324 In der Raumordnung können Umweltschutzorganisationen in den Begleitkommissionen zur Erstellung der Raumordnungspläne vertreten sein, in der Begleitkommission zur Erstellung der PDM außerdem noch Interessenvertreter aus dem Wirtschafts- und Sozial- sowie dem Kulturbereich.325 Ihre Beteiligung richtet sich nach der konkreten Notwendigkeit, welche die jeweilige CCDR beurteilt. In Bezug auf die Begleitkommission bei Erstellung der Spezialpläne werden in einer wohl lediglich deklarativen Aufzählung in Art. 47 Abs. 1 DL 380/1999 als mögliche Mitglieder nur Umweltschutzorganisationen erwähnt. Außerdem sollen sie bei der Evaluierung der Pläne eine wichtige Rolle spielen. Umgekehrt erhebt der Gesamtstaat den Anspruch, mit seinen Politikfeldplänen 321

Ibid. S. 129 ff. Conselho Nacional do Ambiente e Desenvolvimento Sustentável (DL 221/1997). 323 Conselho Nacional da Água (DL 45/1994, DL 166/1997, DL 120/2000). 324 Nach Art. 15 Abs. 2 lit. g DL 104/2003 sitzt in jedem Regionalrat der fünf CCDR ein Vertreter der Umweltschutzorganisationen. 325 Art. 75 Abs. 2 DL 380/1999. 322

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

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das Handeln der Umweltschutzorganisationen inhaltlich zu beeinflussen, auch wenn diese Pläne juristisch für Letztere nicht verbindlich sind.326 Auch für das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 hatte es sich der Gesamtstaat zum Ziel gesetzt, die Beteiligung der Umweltschutzorganisationen zu verbessern. In der Begleitkommission des EU-Rahmenprogramms waren diejenigen Umweltschutzorganisationen vertreten, die vom Wirtschafts- und Sozialrat dazu ernannt worden waren.327 Eine kritische Haltung nimmt die Umweltschutzorganisation GEOTA zu den Beteiligungen der Umweltschutzorganisationen in den unzähligen staatlichen Beiräten ein: Zwar sei dies eine alte Forderung gewesen, die der Gesamtstaat nach und nach erfüllt habe, aber von wenigen Beispielen abgesehen, habe die Beteiligung der Umweltschutzorganisationen keinerlei Auswirkung auf die Entscheidungen staatlicher Akteure und verursache nur viel Arbeit und zeitlichen Aufwand für die Umweltschutzorganisationen.328 Eine spezielle Beteiligungsmöglichkeit für Umweltschutzorganisationen stellen die Flussgebietsbeiräte dar: Im Jahr 1990 wurde in Portugal ein Gesetzesdekret verabschiedet, welches gesellschaftliche Akteure auf regionaler Ebene in die Verwaltung der Wasserressourcen einbeziehen sollte.329 Als beratendes Organ wurden die „Regionalen Wasserbeiräte“ geschaffen, ohne aber vorerst wirklich eingerichtet zu werden. Im Jahr 1994 wurde ein neuer Anlauf unternommen und fünfzehn Flussgebietsbeiräte eingerichtet. Die wichtigste Aufgabe der Beiräte liegt in der Begleitung der staatlichen Planung der Flussgebietseinheiten. Ausgearbeitet werden diese Pläne von den in die CCDR integrierten Regionaldirektionen für Raumordnung und Umweltschutz. Die Flussgebietsbeiräte geben dann eine Stellungnahme ab, bevor das Umweltministerium die Pläne genehmigt und ihnen Verbindlichkeit verleiht.330 Weitere Aufgaben sind, Vorschläge zu unterbreiten und bestimmte Gebühren festzusetzen.331 Was die Zusammensetzung der Beiräte betrifft, so werden acht Mitglieder von der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden entsandt, ebenso 326

Resolução do Conselho de Ministros n.º 38/1995. Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 77. 328 http://www.despodata.pt/geota/Htmls/Opiniao/apa/agenda_de_politica_de_am biente_do_geota_dez_2002.pdf 07/2003. 329 DL 70/1990. 330 Brito, António José dos Santos Lopes de: A Protecção do Ambiente e os Planos Regionais de Ordenamento do Território (Coimbra 1997) S. 198. 331 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.2.6. 327

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

viele repräsentieren die Wassernutzer, verschiedene Ministerien entsenden sieben Vertreter und zwei weitere die Umweltschutzorganisationen. Die Repräsentanten der Wassernutzer werden vom Wasserinstitut und den CCDR dem Umweltminister vorgeschlagen, der sie dann ernennt. Das Ergebnis ist, dass im Landesdurchschnitt die Hälfte dieser Vertreter aus der Landwirtschaft kommen, 25% von Unternehmensverbänden und 15% von Wasserkraftwerksbetreibern. Die Gewichtung dieser Gruppen ist in den einzelnen Beiräten teilweise umstritten. Hauptsächlich sind es regionale Akteure, die in den Beiräten vertreten sind. Auch bei den Umweltschutzorganisationen entfällt nur ein Drittel auf Organisationen von nationaler Bedeutung.332 Im Ergebnis heißt das, dass das Ministerium die Mehrheit der Mitglieder bestimmt und Akteure, die sich nicht in seinem Sinne verhalten, wieder entfernen kann. Dies stellt ein grundsätzliches Problem der Beteiligung gesellschaftlicher Akteure in staatlichen Gremien dar. Obwohl die Beiräte einen Beitrag zur regionalen Problemlösung leisten, ist ihre Tätigkeit öffentlich weitgehend unbekannt. Legitimation und Bekanntheitsgrad dieses Gremiums könnte durch eine veränderte Auswahl ihrer Mitglieder nach klaren Kriterien verbessert werden. Die Umweltschutzorganisationen betrachten ihre Arbeit in den Beiräten zwar als wichtig, beklagen aber ihren unverbindlichen Charakter.333 1. Beteiligung im nationalen Wirtschafts- und Sozialrat Der Estado Novo hatte mit Art. 102 der Verfassung von 1933 eine Ständekammer, mit Vertretern der Verwaltung, der Kultur, der Kirche und der Wirtschaft. In der Praxis hatte diese Institution allerdings zu wenig politisches Gewicht gegenüber der Regierung, um eine echte Interessenvertretung gegenüber dem Gesamtstaat zu werden. Nach dem Umsturz 1974 wurde mit der Verfassung von 1976 ein nationaler Planungsbeirat eingerichtet, der von den Gebietsgemeinden, den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern beschickt wurde. Neben der Beteiligung an der Ausarbeitung der Wirtschaftspläne konnte sich diese Institution allgemein zur Wirtschaftspolitik äußern. Mit der Verfassungsänderung 1989 wurde dieses Gremium in Wirtschaftsund Sozialrat umbenannt und ist heute in Art. 92 CRP geregelt. Ähnliche Institutionen sehen die Verfassungen von Italien und Frankreich vor. Die einfachgesetzliche Ausgestaltung erfolgte durch Lei 108/1991. Der Wirtschafts- und Sozialrat hat drei Aufgabengebiete: Allgemeine Beratung mit Beteiligung am Gesetzgebungsverfahren, Beteiligung am Planungswesen und soziale Konzertierung. Seine Organe sind ein Präsident, 332 333

Ibid. Volume 1, Capitulo II, 12.3.2.2. Ibid. Volume 1, Capitulo II, 12.3.2.2.

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

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ein Verwaltungsrat, ein Koordinationsrat sowie verschiedene thematische Ausschüsse. So ist für die Koordinierung zwischen Regierung und den Sozialpartnern der ständige Ausschuss für soziale Konzertierung eingerichtet.334 Der zuständige Parlamentsausschuss stellte in Bezug auf den Wirtschafts- und Sozialrat fest, dass die Zusammenarbeit zwischen staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren eines der Hauptelemente der Demokratie in Portugal geworden ist.335 Im portugiesischen Wirtschafts- und Sozialrat sind heute neben den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern auch die gesamtstaatliche Regierung und die autonomen Inselregionen vertreten, seit einer Verfassungsänderung 1997 auch Interessenvertreter der Familien, Frauen und Konsumenten.336 Der 2003 neu ernannte Präsident des Wirtschafts- und Sozialrats trat in der Folge dafür ein, mehr gesellschaftliche Akteure als bisher in die Arbeit der Institution einzubeziehen. Gleichzeitig wurde in der Nationalversammlung eine Änderung der diesbezüglichen gesetzlichen Regelung diskutiert.337 Die Mitglieder des Wirtschafts- und Sozialrats sind juristische Personen des Privatrechts und unterliegen keiner staatlichen Kontrolle in Bezug auf ihre interne demokratische Willensbildung. Ihren Mitgliedsstatus erhalten sie per Gesetz auf Grund einer politischen Entscheidung der Nationalversammlung. Der Gesamtstaat wählt also seine gesellschaftlichen Partner im Einzelfall selbst aus und veröffentlicht keine abstrakten Kriterien, welche Gewerkschaften oder Unternehmensverbände vertreten sein sollen. Letztlich muss die Wahl des Staates aber von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervereinigungen insgesamt akzeptiert werden.338

334 Miranda, Jorge: Conselho Económico e Social e comissão de Concertação Social. Brevíssima Nota [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 139–146, 1999] S. 140 ff. 335 Cristovam, Maria Luisa et al.: Economic and Social Council to be reorganised [in: European industrial relations observatory on-line, 2003]. 336 Miranda, Jorge: Conselho Económico e Social e comissão de Concertação Social. Brevíssima Nota [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 139–146, 1999] S. 142 f. 337 Cristovam, Maria Luisa et al.: Economic and Social Council to be reorganised [in: European industrial relations observatory on-line, 2003]. 338 Rodrigues, Nascimento: CGTP questions representativeness of social partners [in: European industrial relations observatory on-line, 1997].

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

VI. Interaktion staatlicher Akteure mit den Sozialpartnern 1. Allgemeine Interaktion Da die portugiesischen Sozialpartner in Tarifverhandlungen eine bedeutende Anzahl von Arbeitgebern und Arbeitnehmern vertreten, erhält ihr Handeln wirtschaftspolitische Bedeutung für die gesamtstaatliche Regierung. Deshalb sind sie attraktive Interaktionspartner bei der wirtschaftspolitischen Steuerung des Landes. Die Gewerkschaften werden finanziell vom Gesamtstaat unterstützt339 und es stehen ihnen nach Art. 114 Abs. 3 CRP Sendeminuten in den Medien zu. Nach Art. 56 Abs. 2 lit. d CRP sind sie im Wirtschafts- und Sozialrat vertreten. Sie nehmen auch am Gesetzgebungsverfahren im Bereich des Arbeitsrechts teil, wobei die Erfahrungen mit dem Vollzug von Gesetzen zeigen, dass die Sozialpartner im Gesetzgebungsverfahren stärker einbezogen werden sollten.340 Außerdem sind sie an der Verwaltung der Sozialversicherung beteiligt. Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Landwirtschaft sind an der Ausrichtung der Agrarpolitik beteiligt, genauso wie die Lehrervereinigungen an der Politik im Erziehungswesen.341 Die Gewerkschaften haben gegenüber staatlichen Akteuren eine Kultur der Konfrontation entwickelt, was nichts Ungewöhnliches für ein südeuropäisches Land ist, außerdem eine kulturelle Folge des erfolgreichen Umsturzes 1974 und der Tatsache, dass die Gewerkschaften nach politischen Parteien organisiert sind. Daher sind sie leicht gegen eine Regierung einer anderen Partei zu instrumentalisieren.342 Gegenüber dem Gesamtstaat haben die Sozialpartner immer betont, dass sie sich aktiv an der Entwicklung der Wirtschaftspolitik beteiligen wollen.343 Allerdings hatten sie in der Vergangenheit teilweise den Eindruck, dass ihre Vorschläge von der Regierung nicht ernst genommen wurden.344 In anderen Jahren waren sie mit dem Ergebnis ihrer Beteiligung zufrieden.345 Insgesamt hat der Gesamtstaat eine dominierende Rolle gegenüber den Sozialpartnern, wobei nicht klar ist, 339

Behrens, Martin et al.: Interview am 2004. Cristovam, Maria Luisa: Social partners renew dialogue [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 341 Sá, Luís: Concertação Social e „Corporativismo Selectivo“ [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 162–173, 1999] S. 166. 342 Real, Isabel Corte: Interview am 15. Juli 2001. 343 Cristovam, Maria Luisa: Economic and Social Council resumes tripartite dialogue [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 344 Almeida, Ana et al.: 2001 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2002]. 345 Cristovam, Maria Luisa et al.: Social partner involvement in the 2002 NAP [in: European industrial relations observatory on-line, 2002]. 340

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

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ob er diese behalten wird oder ob die Sozialpartner Initiative und Autonomie gegenüber dem Staat zurückgewinnen werden.346 Der Staat kann Unternehmensverbände und Gewerkschaften durch die Gestaltung des kollektiven Arbeitsrechts stärken. Etwa durch die Ausdehnung der Verhandlungsergebnisse von Tarifverhandlungen auf Nichtmitglieder der beteiligten Parteien. Zumindest auf Arbeitgeberseite bewirkt dies häufig ein stärkeres Engagement der Unternehmen im Unternehmerverband.347 So wurden in Portugal im Jahr 1999 von den 400 abgeschlossenen Tarifverträgen beinahe die Hälfte durch Verordnung auf Arbeitnehmer und Unternehmer ausgedehnt, die nicht in den Verhandlungen vertreten waren.348 Die wichtigste staatliche Unterstützung für die Kernaufgabe der Sozialpartner ist jedoch die Bereitstellung von Mechanismen zur Konfliktlösung zwischen den Sozialpartnern. Das Recht der Gewerkschaften, Kollektivverträge zu schließen, ist in Art. 56 der Verfassung garantiert. Auch wenn Arbeitgeberverbände von der sozialistisch geprägten portugiesischen Verfassung nicht erwähnt werden, wird ihre Existenz und ihr Recht, an Tarifverhandlungen teilzunehmen, an dieser Stelle implizit vorausgesetzt. Außerdem sanktioniert der Staat Verstöße gegen Kollektivverträge, wobei das Strafmaß mit der Größe des Unternehmens steigt. Im Jahr 1999 wurden in Portugal die Strafen für solche Verstöße neu festgelegt. Im selben Jahr gab es eine intensive Diskussion über die Vermeidung ruinöser Streiks und eine stärkere Beteiligung des Staates bei mangelnder Einigung der Sozialpartner.349 Insgesamt stärkte die Anpassung des kollektiven Arbeitsrechts an europäische Standards die Sozialpartnerschaft in Portugal.350 Die Sozialpartner wären auch bereit, Teile der hoheitlichen Normsetzung durch Kollektivverhandlungen zu ersetzen. Die Gewerkschaften, weil sie sich dadurch neue Mitglieder erhoffen, die Unternehmer, weil sie in den Verhandlungen mit den Gewerkschaften mehr Handlungsspielraum sehen als gegenüber dem Gesamtstaat.351 Kritik an der staatlichen Regulierung der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern wird dahingehend laut, dass der Staat sich zu weitgehend einmischt und die Normen zu formalistisch, zu wenig innovativ 346 Royo, Sebastián: Ainda o século do corporativismo? Espanha e Portugal comparados [in: Análise Social, Vol XXXVI (158–159), S. 85–117, 2001] S. 114. 347 Behrens, Martin et al.: Interview am 2004. 348 Cristovam, Maria Luisa: 1999 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 1999]. 349 Ibid. 350 Royo, Sebastián: Ainda o século do corporativismo? Espanha e Portugal comparados [in: Análise Social, Vol XXXVI (158–159), S. 85–117, 2001] S. 86 u. 112. 351 Cristovam, Maria Luisa: Economic and Social Council resumes tripartite dialogue [in: European industrial relations observatory on-line, 2000].

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

und inkohärent sind. Durch diese strukturellen Mängel werde der Verhandlungsprozess behindert352 2. Soziale Konzertierung Unter sozialer Konzertierung im engeren Sinne werden bi- oder trilaterale Verhandlungen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern über die Regulierung des Arbeitsmarkts und der Wirtschaftspolitik allgemein verstanden. Das Ergebnis sind Absichtserklärungen der beteiligten Akteure, welche die Regelung von Arbeitsbedingungen zum Gegenstand haben und oftmals einen Rahmen für Kollektivverhandlungen bilden.353 Die wesentliche Rolle der Regierung ist es dabei, die Abkommen zu Stande zu bringen und durch den Erlass von Gesetzesdekreten rechtlich verbindlich zu machen. Da im Wirtschafts- und Sozialrat außer der Regierung und den Sozialpartnern auch andere staatliche und gesellschaftliche Akteure vertreten sind, fürchteten die Sozialpartner um den Verlust ihrer ursprünglich dominierenden Stellung. Deshalb wurde ein ständiger Ausschuss für soziale Konzertierung (Comissão Permanente de Concertação Social, CPCS) eingerichtet, der von den übrigen Organen des Wirtschafts- und Sozialrats unabhängig ist.354 Es ist aber immer wieder notwendig, die Meinung von gesellschaftlichen Akteuren zu berücksichtigen, die selbst nicht im ständigen Ausschuss vertreten sind, zumal der ständige Ausschuss heute auch Themen behandelt, die über die eigentliche soziale Konzertierung hinausgehen. Die Regierung entsendet in den ständigen Ausschuss sechs Vertreter, die zwei großen Gewerkschaftsverbände je drei, Industrie, Handel und Landwirtschaft je zwei Vertreter.355 Es wurde kritisiert, dass die Auswahl der Mitglieder und die Stimmverteilung willkürlich sind und nicht schnell genug den Veränderungen bei den gesellschaftlichen Akteuren angepasst werden.356 Geleitet wird der Ausschuss vom Premier oder einem anderen Minister.357 Der starke 352 Almeida, Ana et al.: 2000 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 353 Leite, Jorge: Algumas Notas sobre a Concertação Social [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 147–161, 1999] S. 150 ff. 354 Rodrigues, Nascimento: CGTP questions representativeness of social partners [in: European industrial relations observatory on-line, 1997]. 355 Pimentel, Menéres: O Sistema de Concertação Social, o Diálogo e a Negociação Colectiva em Portugal e Riscos da sua Corporativização [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 123–139, 1999] S. 129 f. 356 Sá, Luís: Concertação Social e „Corporativismo Selectivo“ [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 162–173, 1999] S. 172. 357 Pimentel, Menéres: O Sistema de Concertação Social, o Diálogo e a Negociação Colectiva em Portugal e Riscos da sua Corporativização [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 123–139, 1999] S. 129 f.

E. Interaktion zwischen gesellschaftlichen und staatlichen Akteuren

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Einfluss der Regierung auf den ständigen Ausschuss steht im Gegensatz zur Unabhängigkeit des übrigen Wirtschafts- und Sozialrats.358 Beschlüsse mit einfacher Mehrheit sind möglich, machen aber wenig Sinn, da dann die Umsetzung durch die Mitglieder nicht garantiert werden kann.359 Die 1970er-Jahre waren in Europa die Hochzeit der drei Parteien Verhandlungen zwischen Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden zur Steuerung nationaler Volkswirtschaften. Diese nationale Handlungsfähigkeit verringerte sich durch die Öffnung der Märkte auf europäischer und globaler Ebene. Trotzdem kam es in den 1980er- und 1990er-Jahren in Portugal zu einem Erstarken der sozialen Konzertierung. Dies war auf die Interessenlage aller beteiligten Akteure zurückzuführen: Einmal verloren die Gewerkschaften an Mitgliedern und wurden auf betrieblicher Ebene so geschwächt, dass sie auf die nationale Ebene ausweichen mussten. So konnten sie weiterhin Ergebnisse für ihre verbleibenden Mitglieder erzielen und Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und wurden auch für Nichtmitglieder wieder attraktiv. Die Arbeitgeber waren verstärkter internationaler Konkurrenz ausgesetzt und suchten, eine Erhöhung ihrer Produktivität oder sozial verträgliche Restrukturierungen durch Abkommen mit den Gewerkschaften zu erreichen.360 Außerdem erhielten sie als Gegenleistung vom Gesamtstaat Reformen des Steuer- und Wirtschaftsrechts.361 Die Regierung musste für den Beitritt zur Währungsunion die Inflationsrate senken, war dazu aber ohne die Sozialpartner nicht in der Lage.362 Ähnlich wie in Spanien und Italien führte das nationale Ziel des Beitritts zur Währungsunion auch in Portugal zu einer Reihe von Abkommen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern.363 Liberalisierung, Privatisierung und Europäische Integration führten so in Portugal zu einem verstärkten Einsatz nationaler Abkommen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern. Die Abkommen zur sozialen Konzertierung erfahren auch in der Öffentlichkeit und den Medien nach wie vor eine große Aufmerksamkeit.364 Kritiker sehen in der 358 Miranda, Jorge: Conselho Económico e Social e comissão de Concertação Social. Brevíssima Nota [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 139–146, 1999] S. 144. 359 Leite, Jorge: Algumas Notas sobre a Concertação Social [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 147–161, 1999] S. 156. 360 Royo, Sebastián: Ainda o século do corporativismo? Espanha e Portugal comparados [in: Análise Social, Vol XXXVI (158–159), S. 85–117, 2001] S. 86 u. 112. 361 Cristovam, Maria Luisa: Conference examines social pacts [in: European industrial relations observatory on-line, 1999]. 362 Royo, Sebastián: Ainda o século do corporativismo? Espanha e Portugal comparados [in: Análise Social, Vol XXXVI (158–159), S. 85–117, 2001] S. 86 u. 112. 363 International Labour Office: Organizing for Social Justice. Global Report under the Follow-up to the ILO Declaration on Fundamental Principles and Rights at Work. Report I (B) (Geneva 2004) S. 72.

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Kap. 7: Interaktion zwischen privaten und staatlichen Akteuren

sozialen Konzertierung eine Vertuschung von politischer Verantwortung und eine Einmischung in die Zuständigkeiten der Nationalversammlung, vor allem seitdem sie in Bereiche der allgemeinen Politik ausgedehnt wurde und die Ergebnisse der Nationalversammlung als legislative Aufträge der Regierung übermittelt werden.365 Im Jahr 2000 kam es zu einer Wiederaufnahme von Aktivitäten der sozialen Konzertierung. Nachdem ein Pakt von 1996 im Jahr 1999 ausgelaufen war und es eine Pause von einem Jahr in den Verhandlungen gegeben hatte, wollte man zeitlich und inhaltlich begrenzte Abkommen über Einzelthemen wie Weiterbildung, Produktivität, Schwarzarbeit und Sicherheit am Arbeitsplatz schließen. Themen wie die mittelfristige Lohnpolitik sollen ausgeklammert werden.366 Im Jahr 2001 wurden schließlich drei Abkommen über Sicherheit am Arbeitsplatz, die Weiterbildung und eine Reform des Pensionssystems geschlossen.367 Ein Vorstoß der Regierung, einen weiteren mittelfristigen Pakt über die Tarifpolitik zu schließen, scheiterte 2003, sollte aber im folgenden Jahr weiterverfolgt werden.368

364

Rodrigues, Nascimento: CGTP questions representativeness of social partners [in: European industrial relations observatory on-line, 1997]. 365 Moreira, Vital: Neocorporativismo e Estado de Direito Democrático [in: Questões Laborais, Ano VI – 1999, S. 174–188, 1999] S. 185. 366 Almeida, Ana et al.: 2000 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 367 Almeida, Ana et al.: 2001 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 2002]. 368 Cristovam, Maria Luisa et al.: 2003 Annual Review for Portugal. This record reviews 2001’s main developments in industrial relations in Portugal. [in: European industrial relations observatory on-line, 2003].

Kapitel 8

Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU Im achten Kapitel über die Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU werden drei Kernaspekte ausführlicher dargestellt und analysiert. • Veränderung von Konstellation und Interaktion portugiesischer Akteure • Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 • Steuerung portugiesischer Akteure durch die Europäische Union

A. Veränderung von Konstellation und Interaktion portugiesischer Akteure In Bezug auf die Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU zeigt sich erstens, dass die Konstellation zwischen den portugiesischen Akteuren kein Nullsummenspiel ist. Durch die EU gewinnen alle an Ressourcen, verwirklichen alle ihre Interessen ein Stück mehr. Zweitens werden die Interaktionen portugiesischer Akteure durch die EU intensiver, weil mehr Entscheidungen getroffen und Projekte umgesetzt werden und sich alle Akteure insgesamt schneller und stärker verändern. Drittens erhalten die portugiesischen Akteure durch die EU neue Ziele und Verfahren sowie Pläne, wie diese Ziele zu erreichen sind. Dadurch werden sie berechenbarer. Viertens gibt es Akteure, die durch den Einfluss der EU stärker profitieren als andere; die Konstellation zwischen den portugiesischen Akteuren ändert sich also.

I. Private Akteure Die Lebensqualität der Portugiesen hat sich durch die EU verbessert.1 Beim Beitritt 1986 betrug die Kaufkraft eines Portugiesen im Schnitt 53% derjenigen eines Deutschen. Bis zum Jahr 2000 stieg dieser Prozentsatz auf 71,5%.2 Diese Annäherung ist einerseits auf die Integration in den Binnen1

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. The Economist Intelligence Unit (Hg.): Country Profile. 2001. Portugal (o. O. 2001) S. 19. 2

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

markt zurückzuführen, andererseits auf die an portugiesische Akteure geflossenen EU-Mittel. In den Jahren 1994–1999 gingen 9% der EU Ausgaben in Portugal an Familien, 12% der EU-Mittel flossen an Unternehmen. Direkt auf die EU-Mittel zurückzuführen war in diesem Zeitraum nach volkswirtschaftlichen Berechnungen ein jährlicher Anstieg der Beschäftigten um 2,1% und des Einkommens um 3%.3 Neben den wirtschaftlichen Vorteilen wirkt sich die persönliche Freiheit, in ganz Europa studieren und arbeiten zu können, im Falle eines kleinen und peripheren Landes wie Portugal auf die persönliche Situation besonders deutlich aus. Als Wirtschaftsgemeinschaft hat die EU die Position portugiesischer Unternehmen grundlegend geändert. Einerseits traten durch die Öffnung des portugiesischen Marktes internationale Unternehmen in direkte Konkurrenz zu portugiesischen Unternehmen, die dieser häufig nicht gewachsen waren. Auch das Verhältnis zwischen Unternehmen und staatlichen Akteuren änderte sich.4 Portugiesische Unternehmen können durch das neue Wettbewerbsrecht nur mehr bedingt von den staatlichen Akteuren gefördert werden. Andererseits wurden öffentliche Dienstleistungen zu Gunsten von Unternehmen stark zurückgedrängt.5 Durch die Liberalisierung des Wasser-, Energie-, und Telekommunikationssektors eröffneten sich neue Geschäftsfelder. Die starke Zunahme von PPP ist auf die EU zurückzuführen, weil deren Projekte meist durch nationale Mittel mitfinanziert werden müssen. Da die staatlichen Akteure in Portugal diese Ressourcen nicht zur Verfügung hatten, mussten Unternehmen beteiligt werden.6 Durch die vier Freiheiten des Binnenmarkts haben Unternehmen eine Opt- out Option gegenüber den nationalen staatlichen Akteuren. Zusätzlich erlauben es die EUFörderungen einigen Sektoren der Wirtschaft, vor allem der Bauwirtschaft, sehr stark zu wachsen.7 Auch in diesem Effekt der EU auf die portugiesischen Unternehmen zeigt sich der Widerspruch zwischen der freien Marktwirtschaft als einem Ziel der EU und ihrer Methode der Steuerung der Gesellschaft durch die Aktivitäten staatlicher Akteure. 3 Ministério do Planeamento et al. (Hg.): Impacto Macroeconómico do Quadro Comunitário de Apoio. 1994–1999 (Lisboa 2001) S. 10 u. 15. 4 Instituto Nacional de Administração (Hg.): ADAPT. National Report Portugal (2003) S. 31. 5 Sindicato Nacional dos Trabalhadores da Administração Local: Fórum Social Português. Oficina: Poder Local – Os Trabalhadores/as das autarquias ao serviço do Poder Local, (2003) S. 17. 6 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 7. 7 Farias, João: Interview am 14. August 2003.

A. Veränderung von Konstellation und Interaktion

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Insgesamt kam es zu einer Intensivierung der Interaktion zwischen staatlichen und privaten Akteuren: mehr Ressourcen für gemeinsame Projekte, Erbringung von bisher staatlichen Dienstleistungen (z. B. Abwasserentsorgung) durch Private bei gleichzeitiger Regulierung dieser Sektoren. Zugleich veränderte sich die Interaktion zwischen öffentlichen und privaten Akteuren. Sie wurde berechenbarer durch Veröffentlichung der Ziele staatlicher Akteure in mittelfristigen Plänen und einen stärkeren rechtlichen Einfluss auf die dabei angewandten Verfahren. Mindeststandards bei Grundrechten sind auch im Rahmen der EU garantiert, willkürliche Eigentumseingriffe wie Ende der 1970er-Jahre mittlerweile undenkbar. Dass dadurch nicht auch das Vertrauen zwischen privaten und staatlichen Akteuren deutlicher gestiegen ist, ist am ehesten auf die Vollzugsdefizite bei Normen und Plänen zurückzuführen.

II. Gesellschaftliche Akteure Laut Art. 258 EG sind die gesellschaftlichen Akteure Portugals mit 12 Sitzen im Wirtschafts- und Sozialausschuss der EU vertreten. Die Vertretung der Interessen portugiesischer Sozialpartner gegenüber der EU zwingt deren rivalisierende Dachverbände zu mehr Zusammenarbeit, da sie sich in der Vertretung in internationalen Gremien abwechseln müssen. Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt den Gewerkschaften, dass sie eine zentrale Organisation auf nationaler Ebene brauchen.8 Die EU fördert grundsätzlich die Beteiligung gesellschaftlicher Akteure. Nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung des Rates 1260/1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds soll sich die Zusammenarbeit mit Wirtschafts- und Sozialpartnern auf die Vorbereitung, Finanzierung, Begleitung und Bewertung der von der EU geförderten Interventionen erstrecken. Dies zwingt den portugiesischen Gesamtstaat, die Beteiligung gesellschaftlicher Akteure immer wieder nachzuweisen und die Ergebnisse dieser Beteiligung darzustellen, auch wenn dies bisweilen recht formelhaft geschieht.9 Einige Beiräte staatlicher Akteure mit Beteiligung gesellschaftlicher Akteure sind auf den Einfluss der EU zurückzuführen. Einerseits weil für die Vollziehung von EU-Programmen eine Beteiligung gesellschaftlicher Akteure von der EU gefordert wird, andererseits weil die Existenz von bestimmten Beiräten auf Ebene der EU die Gründung von parallelen Einrich8 Cristovam, Maria Luisa: 1999 Annual Review for Portugal [in: European industrial relations observatory on-line, 1999]. 9 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Portugal 2000–2006 (Lisboa 1999) S. 151.

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

tungen auf nationaler Ebene erfordert.10 Der Beitritt zur EU hat auch zu einer verstärkten sozialen Konzertierung zwischen Staat und Sozialpartnern geführt,11 einmal zur Erreichung der Maastricht Kriterien, dann zur Produktivitätssteigerung gegenüber dem verstärkten internationalen Druck, schließlich durch die Ausarbeitung des von der EU vorgeschriebenen und evaluierten Beschäftigungsplans. Dieser beruht auf der EU-Strategie zur Beschäftigungspolitik und jährlich dazu erstellten Richtlinien. Dabei wird die Beteiligung der Sozialpartner von der EU regelmäßig forciert. Der portugiesische Gesamtstaat muss sich mit dieser Forderung nach Beteiligung auseinandersetzen. Im Beschäftigungsplan für 2002 heißt es dann auch ausdrücklich, dass Einigungen der Sozialpartner über Weiterbildung, Gleichbehandlung zwischen den Geschlechtern und Produktivitätssteigerung vom Gesamtstaat gezielt gefördert werden sollen. In Portugal wurde im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrats eine Arbeitsgruppe eingerichtet, welche die Umsetzung des nationalen Beschäftigungsplans begleitet.12 Zwar hat die EU für mehr Wettbewerb und eine Liberalisierung der Märkte gesorgt, was eigentlich langfristig den Einfluss der portugiesischen Sozialpartner vermindern sollte, aber in dieser Umbruchsituation benötigt der Gesamtstaat die Sozialpartner stärker als zuvor und diese sind auch untereinander zu mehr Zusammenarbeit und vorzeigbaren Erfolgen genötigt. Insgesamt hat der Beitritt zur EU die Sozialpartner also gestärkt und deren Dialog mit dem Gesamtstaat intensiviert. Im Rahmen des portugiesischen Beschäftigungsplans und im Zusammenhang mit von der EU geförderten Projekten wurden in Portugal regionale und lokale Entwicklungsgesellschaften zur Schaffung von Arbeitsplätzen gegründet. Diese bauten einerseits auf bestehenden Beziehungen zwischen Unternehmen, staatlichen und gesellschaftlichen Akteuren auf lokaler Ebene auf, schufen aber auch viele derartige Beziehungen neu. Insgesamt sind daran an die 400 Akteure beteiligt.13 Nach Aussagen eines Bürgermeisters im Interview ist es schwer zu sagen, wie viele gescheiterte lokale Entwicklungsgesellschaften es gibt, da man nur von den erfolgreichen hört. Insgesamt fördern die Gebietsgemeinden die Bildung gesellschaftlicher Akteure, beziehen sie in ihre Projekte ein und helfen ihnen bei der eigenen 10 Conselho Económico e Social (Hg.): Administração Consultiva em Portugal. Incluindo Legislação Respeitante aos Conselhos e Comissões Consultivas (Lisboa 1996) S. 130. 11 Royo, Sebastián: Ainda o século do corporativismo? Espanha e Portugal comparados [in: Análise Social, Vol XXXVI (158–159), S. 85–117, 2001] S. 111. 12 Cristovam, Maria Luisa et al.: Social partner involvement in the 2002 NAP [in: European industrial relations observatory on-line, 2002]. 13 Cristovam, Maria Luisa: The social partners and the regional employment networks [in: European industrial relations observatory on-line, 1999].

A. Veränderung von Konstellation und Interaktion

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Bewerbung um Fördermittel, da die Beteiligung von gesellschaftlichen Akteuren den Zugang zu EU-Mitteln erleichtert.14 Zur Förderung der Beteiligung gesellschaftlicher Akteure auf kommunaler Ebene durch die EU gibt es auch einschränkende Meinungen: Da die gesamtstaatlichen Akteure die Verteilung der EU-Mittel kontrollieren, sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren für Gebietsgemeinden persönliche Kontakte zu gesamtstaatlichen Akteuren und Wissen über bürokratische Verfahren. Die Beteiligung der Bürger oder gesellschaftlicher Akteure ist im Vergleich weniger wichtig und hat sich daher durch die EU auch nicht besonders verstärkt.15 Ein Beispiel, das diese These stützt, ist das Projekt „Lisboa Alcântara“ im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative Urban II. Es dient der Revitalisierung des Gebiets um das ehemalige Elendsviertel Casal Ventoso.16 Betrachtet man hier die Ausführenden der 2003 genehmigten Projekte, zeigt sich, dass hauptsächlich staatliche Akteure die Empfänger der Mittel sind und für die konkrete Durchführung der Arbeiten Unternehmen beauftragen. Die Beteiligung gesellschaftlicher Akteure resultierte jedenfalls nicht in der Verwaltung von Projektmitteln durch diese. Neben der Beteiligung an mit EU-Mitteln geförderten Projekten staatlicher Akteure bewerben sich gesellschaftliche Akteure auch selbst um EU-Mittel für eigene Projekte. Die Hälfte der Mittel, welche die Unternehmerverbände Ende der 1990er-Jahre etwa zur Schulung ihrer Mitglieder aufwendeten, kam von der EU.17 Durch die Aufwertung gesellschaftlicher Akteure durch die EU haben sich die Transfers von staatlichen zu den gesellschaftlichen Akteuren verstärkt.18

III. Gesamtstaat Die Position des portugiesischen Gesamtstaats verändert sich durch die EU in zweierlei Hinsicht: Erstens wird seine Position innerhalb der portugiesischen Akteurskonstellation gestärkt, zweitens gerät er dafür in Abhängigkeit zur EU. Unter Steuerungsgesichtspunkten betrachtet, erhält er neue Steuerungsmöglichkeiten gegenüber den anderen portugiesischen Akteuren, aber nur in Richtung der von der EU vorgegebenen Ziele, unter Beachtung ihrer Verfahren und mit Hilfe ihrer Ressourcen. 14

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Costa, Manuel da Silva e et al.: Poder local e integração europeia. O caso dos municípios do Minho (Braga 1999) S. 115. 16 http://www.ccr-lvt.pt/user_files/267.pdf 07/2003. 17 Cristovam, Maria Luisa: Employers’ associations undergo restructuring [in: European industrial relations observatory on-line, 2000]. 18 Conselho Económico e Social (Hg.): Administração Consultiva em Portugal. Incluindo Legislação Respeitante aos Conselhos e Comissões Consultivas (Lisboa 1996) S. 131. 15

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

Entscheidend für die Stärkung der Position des Gesamtstaats ist seine weitgehende Monopolisierung der Beziehungen zwischen der EU und den portugiesischen Akteuren. Zwar gibt es Vertreter der portugiesischen Gebietsgemeinden im Ausschuss der Regionen und auch Unternehmen und gesellschaftliche Akteure haben direkte Kontakte mit der EU, diese Interaktionen sind aber qualitativ und quantitativ ungleich weniger bedeutend als die Interaktion zwischen Gesamtstaat und EU. Regelmäßige Interaktionen mit der EU gehören zu den Funktionen von 77% der gesamtstaatlichen Akteure.19 Ursache dafür ist, dass die EU als Gemeinschaft von Nationalstaaten sich vorwiegend des mitgliedstaatlichen Vollzugs bedient und deshalb automatisch die Position der Gesamtstaaten gegenüber anderen Akteuren stärkt. Die EU hat durch die Konzentration auf den portugiesischen Gesamtstaat auch den Vorteil eines einzigen Interaktionspartners, mit dem die Kommunikation gut funktioniert und der mittlerweile über ausreichendes Fachwissen in Verfahrensfragen verfügt. Dem Gesamtstaat bleiben dann die Steuerung und die Beteiligung anderer staatlicher und privater Akteure überlassen. Durch die Mitgliedschaft in der EU erhält der Gesamtstaat als der Vertreter portugiesischer Interessen schlechthin neue Bedeutung. In einem europaweiten Feld unterschiedlicher staatlicher Akteure stiftet er auch gegenüber den Bürgern wieder Identität. Von einer Aushöhlung des Gesamtstaats durch EU einerseits, regionalen und lokalen staatlichen sowie gesellschaftlichen Akteuren andererseits kann in Portugal keine Rede sein. Der Gesamtstaat bleibt als der bedeutendste öffentliche Akteur erhalten und gewinnt an Bedeutung durch seine Schlüsselstellung zwischen der EU und den portugiesischen Akteuren. In Bezug auf den Hauptteil der EU-Mittel existiert außerdem ein Nullsummenspiel zwischen den gesamtstaatlichen und anderen Akteuren. In der Praxis können Gebietsgemeinden, Unternehmen, gesellschaftliche Akteure und z. B. ein gesamtstaatliches Institut um dieselben EU-Förderungen konkurrieren. Der Gesamtstaat kann dabei seine Vormachstellung als Verwalter der EU-Mittel nützen, um möglichst viele EU-Mittel auf eigene Institutionen umzuleiten. Das Umweltministerium ist sich der Tatsache bewusst, dass seine autonomen gesamtstaatlichen Akteure Druck auf die Programmverwalter ausüben, um Mittel für eigene Projekte zu erhalten. Dies wird allerdings gebremst, indem die EU-Mittel durch eigene Mittel ergänzt werden müssen und die autonomen gesamtstaatlichen Akteure so durch ihr nationales Budget eingeschränkt sind.20 Im Ergebnis ge19 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 169. 20 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 149.

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hen die Mittel für die Bereiche Gewässer- und Küstenschutz, Natur- und Artenschutz, Umwelterziehung und Information sowie Verwaltung des EUUmweltprogramms (zusammen 53% des Programms) fast zur Gänze an Akteure des Umweltministeriums.21 Zwar werden mit den Mitteln Projekte finanziert, deren Ergebnisse auch anderen Akteuren nützen, aber die Verwaltung der Mittel und die Begleitung der Projekte liegen in Händen gesamtstaatlicher Akteure. Da der Gesamtstaat diese Schlüsselstellung behält und so den Zugang anderer Akteure zu den EU-Mitteln kontrolliert, stärkt die EU die Rolle des Gesamtstaates innerhalb der portugiesischen Akteurskonstellation. Ein Beispiel ist ein EU-Programm für Sportstätten und Kirchenrenovierungen, das mit EU-Mitteln finanziert, durch die Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten verwaltet wird und frei zur Steuerung gesellschaftlicher Akteure und Gebietsgemeinden verwendet werden kann. Ein anderes Beispiel ist, dass die gesamtstaatliche Regierung per Verordnung eine Obergrenze für EU-Förderungen kommunaler Projekte festgelegt hat, was die Gebietsgemeinden als unzulässige Einmischung in ihre Finanzautonomie betrachten.22 Es gibt Beobachter, welche die Stärke der sozialistischen Regierung zwischen 1985 und 1995 auf deren geschickte Steuerung anderer Akteure mit EU-Mitteln zurückführen.23 Gleichzeitig besteht die Abhängigkeit des Gesamtstaats von der EU vor allem in einer Abhängigkeit von EU-Mitteln. Die Nettozahlungen betragen immerhin 6,5% des Budgets gesamtstaatlicher Akteure.24 Die Abhängigkeit ist aber aus zwei Gründen größer, als sich in diesem Prozentsatz ausdrückt. Der erste Grund ist, dass die EU-Mittel immer zur lediglich teilweisen Finanzierung von Projekten verwendet werden. Der Finanzierungsanteil des Gesamtstaats muss aber ebenfalls strikt nach den Zielvorgaben und den Verfahren der EU ausgegeben werden. Dadurch erhöht sich unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Steuerung des Gesamtstaats durch die EU die Bedeutung der EU-Mittel in den Jahren 2000–2006 um 28%.25 Der zweite Grund liegt darin, dass der Großteil der von der EU stammenden Mittel 21

Ibid. S. 149. Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 13. 23 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 11. 24 Europäische Kommission (Hg.): Aufteilung der operativen EU-Ausgaben 2003 nach Mitgliedstaaten (2004) S. 104; Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 47 f. 25 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Portugal 2000–2006 (Lisboa 1999) S. 7. 22

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

vom Gesamtstaat für Investitionen verwendet werden kann. Er kann also damit andere Akteure steuern und Politik machen, was mit dem Großteil der fix verplanten Haushaltsmittel des Gesamtstaats gerade nicht der Fall ist. Deutlich werden die Größenordnungen, wenn man den Investitionsanteil der EU-Nettoausgaben in Portugal mit den Investitionen des Gesamtstaats vergleicht. Die vom Gesamtstaat getätigten Investitionen beliefen sich 2003 auf 3.475 Mio. e.26 Im gleichen Jahr betrugen die Nettoausgaben der EU in Portugal 4.754 Mio. e, von denen nach Abzug von Direktbeihilfen schätzungsweise 85% oder 4.041 Mio. e für Investitionen übrig blieben.27 Fielen diese von der EU stammenden, aber im Wesentlichen vom Gesamtstaat verwalteten Investitionen weg, würde der Gesamtstaat 54% seiner Investitionskraft verlieren. Addiert man die beiden Effekte, betrachtet man also den Anteil aller Investitionen des Gesamtstaats, der durch die Zielsetzungen und Verfahren der EU bestimmt wird, so kommt man auf 69%. Nur die restlichen 31% investiert der portugiesische Gesamtstaat ohne direkten Einfluss der EU. Die nationalen Mittel reichen nur mehr für die stark gestiegenen Personalausgaben, die übrigen laufenden Ausgaben sowie für Erhaltung und Betrieb der neuen Infrastruktur. Diese Abhängigkeit staatlicher Investitionen von der EU ist umso problematischer, als die Höhe der EU-Mittel nach 2006 nicht gesichert ist. Die Osterweiterung wird nicht, wie die Süderweiterung, nur über eine Steigerung des EU Budgets finanziert, sondern auch über eine Umverteilung der Mittel von Südeuropa nach Ostmitteleuropa. Portugal wird von dieser Entscheidung in Zukunft stark benachteiligt werden, kann sie aber kaum beeinflussen. Im Interview hieß es dazu, dass zwar in der Verwaltung darüber gesprochen wird, es aber noch keine Strategie gibt, wie es nach der Reduktion der EU-Mittel weitergehen soll. Ein Einbruch bei den öffentlichen Investitionen wird allgemein erwartet. Außerdem wurde die Ansicht vertreten, dass die steigende Abhängigkeit Portugals von der EU mit dem Beitritt zu einer Freihandelszone vorauszusehen und unvermeidbar war.28 Vermeidbar wäre es aber gewesen, die EU-Mittel hauptsächlich für Infrastruktur mit hohen Erhaltungskosten auszugeben, ohne zukunftsträchtige Wirtschaftszweige aufzubauen. Vermeidbar wäre es auch gewesen, die EU-Mittel als „billiges Geld“ zu behandeln, das auch für unsinnige Projekte ausgegeben werden kann, solange es nur überhaupt fließt.

26 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2003 (Lissabon 2002) IV-1. 27 Europäische Kommission (Hg.): Aufteilung der operativen EU-Ausgaben 2003 nach Mitgliedstaaten (2004) S. 58. 28 Farias, João: Interview am 14. August 2003.

A. Veränderung von Konstellation und Interaktion

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IV. Gebietsgemeinden Seit dem EU-Beitritt stellten die EU-Mittel eine wichtige Finanzierungsquelle für die Gebietsgemeinden dar, ohne die viele ihrer Projekte nicht möglich gewesen wären.29 Im Schnitt der letzen Jahre stammen etwa 10% des Budgets der Gebietsgemeinden von der EU,30 deutlich mehr als die 6,5% beim Gesamtstaat. Allerdings ist, wie beim Gesamtstaat, die Bedeutung der EU-Mittel deutlich größer, da sie einen hohen Anteil an den Investitionen der Gebietsgemeinden ausmachen und eigene Mittel der Gebietsgemeinden in Höhe eines Drittels der EU-Mittel als kommunale Mitfinanzierung der EU-Projekte hinzukommen. Außerdem führen Transfers der EU an den Gesamtstaat indirekt zu höheren Transfers des Gesamtstaats an die Gebietsgemeinden, was deren Haushalte nochmals positiv beeinflusst. Mit den EU-Mitteln haben die Gebietsgemeinden vor allem ihre Infrastruktur ausgebaut. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden spricht mit Bezug auf das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 von einer letzten Gelegenheit, die kommunale Infrastruktur noch zu verbessern.31 Allerdings werden auch für die Gebietsgemeinden die Betriebskosten der überall mit EU-Mitteln entstandenen Infrastruktur zu einem zunehmenden Problem.32 Die EU-Mittel haben den Gebietsgemeinden nicht nur die Finanzierung vieler Projekte ermöglicht, sondern auch ihre Fähigkeiten als Akteure verbessert. Bessere technische Ausstattung, Fach- und Verfahrenswissen, Managementfähigkeit und Beziehungen zu anderen Akteuren wären hier zu nennen. Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden ist der Meinung, dass die Gebietsgemeinden durch die Erfahrungen mit den bisherigen EUProjekten nunmehr in der Lage sind, größere Projekte selbstständig umzusetzen und dass sich ihre Fähigkeiten denen gesamtstaatlicher Akteure angenähert hätten.33 Abgesehen von dem Trainingseffekt des Managements von EU-Projekten fördert die EU auch gezielt die Verwaltungsmodernisie29 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 30. 30 Costa, Manuel da Silva e et al.: Poder local e integração europeia. O caso dos municípios do Minho (Braga 1999) S. 117; European Union et al. (Hg.): Regional and Local Government in the European Union. Responsibilities and Resources. CdR – Studies E-1/2001 (Luxembourg 2001) S. 197. 31 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 83 Juli 2000. 32 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998) S.; Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 9. 33 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 75 Juli 1999.

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rung der Gebietsgemeinden. Zwischen den Jahren 2000 und 2006 läuft ein mit 213 Mio. e aus EU-Mitteln gefördertes Ausbildungsprogramm in organisatorischer und fachlicher Hinsicht für Beschäftigte von Gebietsgemeinden.34 Zusätzlich verändert die EU die Gebietsgemeinden durch normative Steuerung. Den Alltag der Gebietsgemeinden prägen sowohl die Normen der EU als auch die von ihr angestoßene Veränderung von Begriffen, Verfahren und Zielen.35 Wohl haben die Gebietsgemeinden als Akteure unzweifelhaft durch die EU profitiert, aber die Machtbalance zwischen Gebietsgemeinden und Gesamtstaat hat sich dadurch nicht geändert.36 Insgesamt hat dieser mehr von den EU-Mitteln profitiert als die Gebietsgemeinden, vor allem über die großen Infrastrukturprojekte. Eine Interviewpartnerin meinte dazu, dass es wirkliche Konkurrenz der Gebietsgemeinden mit dem Gesamtstaat um die EU-Mittel nicht geben kann, da der Gesamtstaat die Bedingungen einseitig festlegt. Die Gebietsgemeinden können nur politische Forderungen stellen.37 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden tut dies, wenn sie verlangt, dass die Gemeindemuseen beim Zugang zu EU-Mitteln nicht mehr gegenüber den gesamtstaatlichen Museen benachteiligt werden.38 Außerdem beklagt sie, dass der Gesamtstaat die Gebietsgemeinden von EU-Mitteln im Grundschulbereich ausgeschlossen habe, um die Mittel für die gesamtstaatlichen mittleren und höheren Schulen verwenden zu können.39 Ein Bürgermeister schränkte im Interview für seinen Bereich ein, dass wirkliche Konkurrenz zwischen gesamtstaatlichen Akteuren und seinen Gebietsgemeinden um EU-Mittel nicht so häufig ist, weil es sich meist um unterschiedliche Förderprogramme handelt, jedoch gibt es reale Konkurrenz bei Politikfeldprogrammen mit den Dienststellen der Ministerien außerhalb der Hauptstadt.40 Die EU-Fördermittel haben zu einer Intensivierung der Interaktion zwischen Gesamtstaat, Gebietsgemeinden und Ortsgemeinden geführt.41 Vor allem die Interaktion mit den Ministerien nahm zu, gefolgt von derjenigen mit den CCDR. Diesen rechnen die Gebietsgemeinden auch den meisten Einfluss auf eigene Entscheidungen im Zusammenhang mit EU-Förderungen zu. Deutlich weniger stiegen die Interaktionen mit anderen Gebiets34

Ibid. Nº 109 Februar 2002. Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 36 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 37 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 38 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 96 Oktober 2001. 39 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 2002–2005 (Strategie der ANMP 2002–2005), (12. April 2002) S. 21. 40 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 41 Bagão, Maria Helena: Interview am 19. Juli 2003. 35

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gemeinden oder gesellschaftlichen Akteuren – obwohl die Gebietsgemeinden diesen durchaus Wichtigkeit für den Erfolg bei der Bewerbung um EUMittel beimessen.42 Die Ursache für den starken Einfluss der CCDR ist, dass nur diese unter den gesamtstaatlichen Akteuren außerhalb der Hauptstadt die Fähigkeiten hatten, von der Definition einer Entwicklungsstrategie für eine Region bis zur Begleitung einzelner Projekte die erfolgreiche Teilnahme an EU-Programmen sicherzustellen.43 Die CCDR-Algarve hat es geschafft, dass sich kein fixer Schlüssel zwischen den Gebietsgemeinden für die Verteilung der EU-Mittel einbürgerte. Jedes Projekt wird von ihr einzeln geprüft. Wenn eine Gebietsgemeinde kein gutes Projekt einreicht, bekommt eine andere die Mittel. Hier übernimmt die CCDR eine durchaus politische Rolle in der Region, obwohl sie dazu nur indirekt in nationalen Wahlen und nicht auf regionaler Ebene legitimiert ist. Die EU hat den Gesamtstaat veranlasst, mittelfristig zu planen und bestimmte Verfahrensnormen einzuhalten. Durch diese klaren Regeln haben sich auch die Beziehungen zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden verbessert.44 Allerdings hängt die Zustimmung eines gesamtstaatlichen Akteurs zum Antrag einer Gebietsgemeinde auf EU-Mittel häufig auch von parteipolitischen Gesichtspunkten ab.45 Es zeigt sich, dass diejenigen Gebietsgemeinden mit stärkerer Wirtschaftskraft und besseren Beziehungen zum Gesamtstaat eher in der Lage sind, EU-Förderungen zu bekommen. Erstens weil sie mehr personelle Ressourcen und größere Fähigkeiten haben, Projekte umzusetzen und zweitens, weil sie Entscheidungen gesamtstaatlicher Akteure zu ihren Gunsten verändern können. Auch hier haben die EU-Mittel bestehende Ungleichgewichte eher verstärkt. Letztlich wurden die Chancen der EU-Mitgliedschaft von den einzelnen Gebietsgemeinden auf Grund ihrer vorhandenen Ressourcen und Beziehungen unterschiedlich stark genutzt.46

V. Ortsgemeinden Lange Zeit von Interaktionen mit dem Gesamtstaat abgeschnitten und ganz auf ihre Gebietsgemeinde angewiesen, haben die Ortsgemeinden auch keinen direkten Kontakt zur EU. Die Interessenvertretung der Ortsgemein42 Costa, Manuel da Silva e et al.: Poder local e integração europeia. O caso dos municípios do Minho (Braga 1999) S. 103 ff. 43 Gomes, José: Interview am 1. August 2003. 44 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 45 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 117. 46 Costa, Manuel da Silva e et al.: Poder local e integração europeia. O caso dos municípios do Minho (Braga 1999) S. 100 u. 110.

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

den fordert als Interessenvertretung der Ortsgemeinden einen Sitz im Komitee der Regionen der EU, der ihr bisher von Seiten des Gesamtstaats verweigert wird.47 Die Ortsgemeinden sind von der EU hauptsächlich über Veränderungen bei gesamtstaatlichen Akteuren oder ihrer Gebietsgemeinde betroffen. Sie können nicht selbst für EU-Projekte kandidieren,48 profitieren aber indirekt von den EU-Mitteln über Projekte ihrer Gebietsgemeinde oder Programme der gesamtstaatlichen Generaldirektion für Gemeindeangelegenheiten. Diese Intensivierung der Kooperation zwischen Gesamtstaat und Ortsgemeinden durch die EU sowie die Bedeutung der Ortsgemeinden, um die Ziele des Gesamtstaats in der Fläche zu erreichen, sieht man an einem Projekt für öffentlichen und kostenfreien Internetzugang: Die EU stellte in ihrem Rahmenprogramm 2000–2006 für Portugal Mittel für das Politikfeldprogramm Informationsgesellschaft zur Verfügung und genehmigte den Plan des Wissenschaftsministeriums, im ganzen Land öffentlichen und kostenfreien Internetzugang zur Verfügung zu stellen. Daraufhin schloss das Wissenschaftsministerium als nationaler Verantwortlicher für dieses EU-Programm mit der Interessenvertretung der Ortsgemeinden einen Vertrag ab.49 Dieser sieht vor, dass das Ministerium 75% der Anschaffungskosten der Computer, die Verbindungsentgelte, einen Teil des Verwaltungsaufwands der Ortsgemeinden und die Kosten für die Information der Bürger trägt. Die Interessenvertretung der Ortsgemeinden übernimmt die Information aller Ortsgemeinden und garantiert deren Mitwirkung in Gestalt der Bereitstellung der Amtsgebäude und des Personals. Die näheren Bedingungen regelt ein Kooperationsvertrag, welcher der Interessenvertretung der Ortsgemeinden gegen Aufwandsersatz die vollständige Verwaltung dieses Projekts mit Entgegennahme und Entscheidung der Anträge sowie Auszahlung der Mittel überträgt. Die Verteilung der Finanzierung geht aus dem Anhang des Vertrags hervor: Von den Gesamtkosten in Höhe von 4,8 Mio. e übernehmen die Ortsgemeinden 13%, das Wissenschaftsministerium 26% und die EU in Gestalt des EFRE 61%.50 Ohne die EU wäre das ganze Projekt nie gestartet worden, Gesamtstaat und Interessenvertretung der Ortsgemeinden hätten nicht miteinander kooperiert und die Ortsgemeinden könnten in ihren Amtsgebäuden den Bürgern keinen kostenfreien Internetzugang anbieten oder selbst nutzen. Umgekehrt wäre der Gesamtstaat mangels ausrei47 Associação Nacional de Freguesias: Moção de Estratégia do oito congresso da ANAFRE (Strategiepapier vom 8. Kongress der ANAFRE), (28. Mai 2002). 48 Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. 49 Associação Nacional de Freguesias et al.: Vertrag zwischen Wissenschaftsministerium und ANAFRE über den öffentlichen Internetzugang vom 16. Februar 2002. 50 Associação Nacional de Freguesias et al.: Kooperationsvertrag zwischen der ANAFRE und dem Verwalter des Sektorialen Förderprogramms Informationsgesellschaft.

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chender eigener Dienststellen außerhalb der Hauptstadt ohne Unterstützung der Ortsgemeinden nicht in der Lage gewesen, so ein Projekt umzusetzen.

VI. Veränderung staatlicher Akteure insgesamt Der Einfluss der EU ist auf staatliche Akteure stärker als auf private Akteure, da staatliche Akteure leichter normativ und finanziell steuerbar sind. Die EU stellt dafür die Ressourcen zur Verfügung, gibt Ziele und Verfahren in mehreren Politikfeldern vor und beeinflusst die Konstellation zwischen den staatlichen Akteuren. Außerdem führten die Demokratisierung und Modernisierung der Gesellschaft und der Beitritt zur EU zu einer Veränderung des Lebensstils und der kulturellen Werte der Bürger. Dieser Wandel hat auch Veränderungen bei den staatlichen Akteuren ausgelöst.51 Die EU wurde von Nationalstaaten gegründet und ist selbst ein staatlicher Akteur. Ihr Budget besteht aus öffentlichen Mitteln, ihr Personal aus staatlichen Beschäftigten. Da die portugiesischen staatlichen Akteure im Rahmen des EU-Rechts über die Verwendung der EU-Mittel entscheiden, erhöhen sie deren Möglichkeiten zur finanziellen Steuerung anderer Akteure beträchtlich. Außerdem wird ein großer Teil der EU-Mittel von ihnen selbst investiert, bewirkt also in einem Netto-Empfängerland wie Portugal eine Ausweitung des Budgets staatlicher Akteure um etwa 5,5%. Da die Investitionskraft portugiesischer staatlicher Akteure sehr gering ist, die EU-Mittel aber zum Großteil investiert werden können, erhöht sich die Investitionskraft staatlicher Akteure in deutlich stärkerem Maße. 2003 steigerte sich die Investitionskraft staatlicher Akteure durch die EU-Mittel in einer Größenordnung von 70%.52 Normalerweise müssen staatliche Akteure Mittel bereitstellen, um notwendige Projekte zu realisieren. Durch die EU kam es in Portugal zu einer Umkehrung: Staatliche Akteure mussten Projekte organisieren, um die vorhandenen Mittel innerhalb der knappen Fristen möglichst vollständig auszugeben. Während in den letzten Jahren im EU-Schnitt staatliche Akteure mit geringeren Ressourcen auskommen müssen, kam es durch die EU-Mittel in Portugal im Ergebnis zu einer späten aber erheblichen Ausweitung staatlicher Akteure: im EU-Schnitt sank der Anteil der Beschäftigten staatlicher 51 Silva, Carlos Nunes et al.: Governing Lisbon. Internationalisation, State Power and the City-Region [in: Reinventing Regions in the Global Economy. Pisa Congress Centre, Pisa, 12th–15th April, 2003. Gateway 5: New Forms of Regional Governance, 2003] S. 2. 52 Ministério das Finanças (Hg.): Orçamento do Estado para 2004. Relatório (Lissabon 2004) S. 50; Europäische Kommission (Hg.): Aufteilung der operativen EUAusgaben 2003 nach Mitgliedstaaten 2004) S. 58.

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

Akteure an allen Beschäftigten von 1990 bis 2002 von 18,3% auf 18,0%, in Portugal stieg er von 14,2% auf 18,2% an.53 Die EU finanziert nicht nur direkt einen Teil der Aufgabenerfüllung staatlicher Akteure, sondern auch dafür notwendige Verwaltungsreformen. Eigentlich ist es nicht das Ziel der EU, die Reform nationaler staatlicher Akteure voranzutreiben, sondern über Projekte die Gesellschaft zu verändern. Dies war aber in Portugal mit staatlichen Akteuren, die Mitte der 1980er-Jahre noch viele Züge des Estado Novo trugen, nicht möglich. Diese staatlichen Akteure behinderten den Fortschritt und wurden schließlich von außen gezwungen, sich zu reformieren.54 Die EU unterstützte die Verwaltungsreform des Gesamtstaats über Jahre hinweg durch die Finanzierung von Ausbildungsprogrammen.55 Diese Mittel waren für die Weiterbildung der öffentlichen Bediensteten des Gesamtstaats entscheidend.56 Außerdem finanziert die EU die Verwaltung der EU-Mittel durch den Gesamtstaat (108 Mio. e im Zeitraum 2000–2006)57, was dessen Fähigkeit, hochwertige Dienstleistungen zu erbringen, zusätzlich fördert. Dies verdeutlicht, wie sich durch die EU die Handlungsfähigkeit, Entscheidungs- und Steuerungsmöglichkeiten staatlicher Akteure in Portugal erweitern. Eingebettet in eine mehrjährige Entwicklungsstrategie und Koordinationsmechanismen erhalten diese Handlungen auch eine neue Qualität. Ein Bürgermeister fasste im Interview seine Sicht dahingehend zusammen, dass die EU gerade bei den staatlichen Akteuren so viel erreicht hat, wie es sich vorher niemand hatte vorstellen können. Grund dafür sind die Mittel zur Modernisierung der Verwaltung und der Zwang zum Vollzug der komplizierten Pläne und Normen der EU gewesen. Letzteres hat von den staatlichen Akteuren eine große Anstrengung erfordert, sie aber deutlich weitergebracht und schließlich zu einer professionelleren Einstellung zur eigenen Aufgabenerfüllung geführt. Die Auswirkungen des EU-Beitritts sind in der ganzen Gesellschaft sichtbar, aber am stärksten bei den staatlichen Akteuren.58 Ein anderer Interviewpartner zog eine zwiespältige Bilanz: 53 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 17. 54 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 55 Caupers, João: A administração periférica do Estado. Estudo de ciência da administração. Dissertação de doutoramento em ciências jurídico-políticas na Faculdade de Direito da Universidade de Lisboa (Lisboa 1993) S. 67. 56 Instituto Nacional de Administração (Hg.): A glance over the portuguese public sector (o. O. 2000) S. 37. 57 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Portugal 2000–2006 (Lisboa 1999) S. 11. 58 Gomes, José: Interview am 1. August 2003.

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Durch die EU-Mittel konnten eine Reihe von Reformen in der Verwaltung durchgeführt werden. Aber die Managementfähigkeit der Verwaltung wurde einem so großen staatlichen Investitionsprogramm nicht entsprechend erhöht, während die EU-Mittel es den staatlichen Akteuren erlauben, künstlich stark zu wachsen. Heute kann die Verwaltung die finanzielle Seite korrekt abwickeln, hat aber keinen Begriff mehr davon, wie viel fremde Mittel hier eigentlich verbraucht werden und ist bei der Erreichung der damit angestrebten Ziele nicht effizient. Jetzt, wo die Mittel der EU zur Neige gehen, wird sich die fehlende Reform staatlicher Akteure auszuwirken beginnen, die bisher durch das künstliche Wachstum überdeckt war.59 Eine Interviewpartnerin minimierte gänzlich den Einfluss der EU: Wenn überhaupt, dann gab es bisher nur einen sehr geringen Einfluss der EU-Mitgliedschaft auf die Organisation der portugiesischen Verwaltung.60 Alle drei Meinungen haben etwas für sich: Einerseits haben sich die Strukturen vieler staatlicher Akteure durch die EU nicht geändert. Die Fähigkeiten zur korrekten Abwicklung großer Projekte und zum richtigen Umgang mit den Steuerungsinstrumenten der EU haben sich ungleich verbessert. Eine große Staatsreform, die zu besseren Resultaten bei der Steuerung der Gesellschaft durch die Politik führen soll, hat nicht stattgefunden. Die Interaktionen staatlicher Akteure haben sich durch die EU in drei Richtungen verändert: Sie haben sich verstärkt, weil mehr Ressourcen vorhanden und mehr gemeinsame Projekte umzusetzen waren. Sie sind berechenbarer und zielgerichteter geworden, weil Verfahrensnormen und mittelfristige Pläne mit abschließender Evaluierung eingeführt wurden.61 Die fachliche Qualität vieler Entscheidungen staatlicher Akteure (gerade in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung) hat zugenommen, weil neue Konzepte und Verfahren eingeführt wurden und die EU eine Verbesserung der technischen Ausstattung und Ausbildung finanziert hat. Auch wenn es Einflüsse der EU gibt, welche die Privaten gegenüber den staatlichen Akteuren stärken (z. B. Opt-Out-Optionen für Unternehmen, subjektiv-öffentliche Rechte für Bürger), bewirkt die EU in Portugal insgesamt eine Stärkung staatlicher Akteure gegenüber den Privaten.

59

Farias, João: Interview am 14. August 2003. Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 61 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 21. 60

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

VII. Akteure in der Hauptstadt und der Peripherie Die Entwicklung der Regionen und die Angleichung der regionalen Lebensverhältnisse ist das große Ziel der EU-Struktur- und Kohäsionspolitik. Ob diese Ziele im Falle Portugals erreicht werden, ist sehr fraglich. Obwohl sich alle Landesteile Portugals durch die EU-Strukturfonds wirtschaftlich dem EU-Schnitt annähern, haben sich die Unterschiede zwischen den Landesteilen vergrößert. Die Hauptstadtregion konnte sich überdurchschnittlich schnell entwickeln, ärmere Landesteile deutlich langsamer.62 Im wichtigsten Planungsdokument des Gesamtstaats für den Zeitraum 2000–2006 ist davon die Rede, dass sich die beiden Metropolen des Landes wie in der Dritten Welt zu Wachstumszentren entwickelten, während das Hinterland verarme.63 Auch in der Literatur findet sich die Meinung, dass das Landesinnere systematisch vernachlässigt worden sei.64 So wurden in den Jahren 1993–1999 in der reichsten CCDR-Region um die Hauptstadt mit 33% der Bevölkerung 39% der Mittel des Kohäsionsfonds ausgegeben. Umgekehrt erhielt die ärmste CCDR-Region, der Alentejo bei 5,3% der Bevölkerung nur 4,5% der Kohäsionsmittel.65 Das Ziel der Kohäsion zwischen reicheren und ärmeren EU-Regionen wird vom portugiesischen Gesamtstaat offensichtlich nur auf internationaler Ebene, nicht innerhalb Portugals angestrebt. Zwar wird die Hauptstadtregion in Zukunft kein Ziel-1-Gebiet mehr sein und konkurriert nicht mehr mit ärmeren Landesteilen um dieselben EU-Mittel, aber die gesamtstaatliche Regierung, die schon bisher die Hauptstadtregion bevorzugt hatte, kann in Zukunft zum Ausgleich nationale Ressourcen, die durch EU-Mittel in anderen Landesteilen frei werden, in die Hauptstadtregion umleiten, was sie auch bereits offiziell angekündigt hat.66 Die erste Ursache dafür liegt darin, dass die gesamtstaatlichen Akteure, welche praktisch alle Phasen des Verteilungsprozesses der EU-Mittel kontrollieren, in der Hauptstadt angesiedelt sind. Auch am Rande beteiligte gesellschaftli62

Porto, Manuel: O Sonho da Convergência Real, S. 235–260 [in: Ribeiro, Maria Manuela Tavares et al. (Hg.): Portugal e a Construção Europeia, (Coimbra 2003)] S. 243. 63 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Portugal. Plano de Desenvolvimento Regional 2000–2006 (Lisboa 1999) III-10. 64 Reigado, Felisberto Marques: Desenvolvimento e planeamento regional. Uma abordagem sistémica. Volume 1 (Lisboa 2000) S. 144. 65 Ministério do Planeamento et al. (Hg.): Impacto Macroeconómico do Quadro Comunitário de Apoio. 1994–1999 (Lisboa 2001) S. 6; Departamento de Prospectiva e Planeamento et al. (Hg.): PIDDAC em nfflmeros (Lisboa 2001) S. 237. 66 Rocha, Oliveira J. A.: A viabilidade da regionalização em Portugal [in: Revista da Administração Local, A. 20 (157), Jan.-Fev. 1997, S. 15–39, 1997] S. 248.

A. Veränderung von Konstellation und Interaktion

503

che Akteure und Unternehmen haben ihren Sitz in der Hauptstadt. Lediglich die Gebietsgemeinden an der Peripherie vertreten direkt die Interessen der dort lebenden Bürger, müssen sich aber gegen die besser mit Ressourcen und Beziehungen zu den gesamtstaatlichen Akteuren ausgestatteten zentraler gelegenen Gebietsgemeinden durchsetzen. Weitere Ursache für die Bevorzugung der wirtschaftlich höher entwickelten Regionen durch die gesamtstaatlichen Akteure liegen zum einen in der Logik ihrer demokratischen Legitimation: In den reicheren Regionen sind am meisten Stimmen zu holen. Außerdem leben und arbeiten im Falle Portugals die Organwalter und Beschäftigten der gesamtstaatlichen Akteure überwiegend in den zentralen Regionen. Nicht nur, dass die laufenden Ausgaben der gesamtstaatlichen Akteure so die Ungleichgewichte verstärken, auch bei Investitionsentscheidungen bevorzugen Organwalter und Beschäftigte staatlicher Akteure ihr näheres Lebensumfeld. Zusätzlich sind nur in den höher entwickelten Landesteilen die staatlichen Akteure vorhanden, um Großprojekte schnell umzusetzen. Der Erfolg einer Region hängt auch von der Stärke ihrer staatlichen Akteure ab. Insgesamt hat die EU die Position von Akteuren in der Hauptstadt weiter gestärkt. Sie verfügen durch die EU über zusätzliche Ressourcen und Fachwissen, die sie zur Steuerung peripherer Akteure einsetzen. Die EU hat diese innerportugiesische Benachteiligung peripherer Akteure und Regionen nicht verhindert und sogar offiziell die illusorische Strategie der gesamtstaatlichen Akteure in der Hauptstadt akzeptiert, die Hauptstadtregion besonders zu fördern, um mit dieser „Spitzenregion“ in einen gesamteuropäischen Wettbewerb der Regionen einzutreten. Ein Einfluss der EU in Richtung Stärkung der Peripherie ist, dass sowohl die Gebietsgemeinden als auch die gesamtstaatlichen CCDR in den fünf CCDR-Regionen sich durch das Management von EU-Projekten als Akteure weiterentwickelt und neue Fähigkeiten und Beziehungen gewonnen haben. Aber auch hier haben die gesamtstaatlichen Akteure in der Hauptstadt ungleich mehr profitiert. Außerdem betreffen die Fähigkeiten der gesamtstaatlichen Akteure CCDR eher die technische Umsetzung und nicht politische Fragen. Es entstanden durch die Regionalpolitik der EU außerhalb der Hauptstadt keine politischen Akteure, die eine Entwicklungsstrategie für die Interessen ihrer Region in Zusammenarbeit mit anderen regionalen Akteuren formulieren und umsetzen können. Ohne Regionalisierung, die Schaffung regionaler staatlicher Akteure, gibt es keine Institutionen, welche die Interessen der ärmeren Landesteile politisch und damit wirkungsvoll vertreten würden.

504

Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

B. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 Das EU-Rahmenprogramm 2000–200667 ist ein Finanz- und Entwicklungsplan, welcher zwischen der EU und dem Gesamtstaat ausgehandelt wurde und die Verwendung der Struktur- und Kohäsionsfonds in Portugal festlegt.

I. Politikfeld- und Regionalprogramme Das EU-Rahmenprogramm besteht aus mehreren Politikfeld- und Regionalprogrammen, die nicht nur von der EU, sondern auch von portugiesischen staatlichen Akteuren und Privatunternehmen finanziert werden. Tabelle 67 Finanzierung des EU-Rahmenprogramms 2000–200668 Akteur

Mio. e

%

Strukturfonds

20.540

43,8

Kohäsionsfonds

3.299

7,0

Europäische Investitionsbank

1.433

3,1

EU gesamt

25.272

53,8

Gesamtstaat

7.097

15,1

Gesamtstaatliche Unternehmen

3.388

7,2

Gebietsgemeinden

1.260

2,7

527

1,1

12.272

26,1

9.400

20,0

46.944

100,0

Autonome Inselregionen Portugiesische staatliche Akteure gesamt Unternehmen Gesamt

67 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Portugal 2000–2006 (Lisboa 1999). 68 Ibid. S. 7.

B. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006

505

Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Beteiligung der EU überdurchschnittlich hoch. Interessant sind ferner die hohe Beteiligung öffentlicher Unternehmen, was die Fragmentierung des Gesamtstaats in autonome Akteure zeigt, sowie die geringe Beteiligung der Gebietsgemeinden, was auf ihre Finanzlage zurückzuführen ist. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 umfasst folgende Politikfeldprogramme: Schulbildung, Berufliche Fortbildung, Informationsgesellschaft, Wissenschaft, Gesundheit, Kultur, Landwirtschaft, Fischerei, Wirtschaft, Transport, Umwelt. Regionalprogramme gibt es für die fünf CCDR-Regionen des Festlands und für die zwei autonomen Inselregionen: Norte, Centro, LVT, Alentejo, Algarve, Açores, Madeira. (Verweis Tabelle 68) Das Programm für Wirtschaft ist sehr umfangreich, weil es nicht nur von staatlicher Seite, sondern zu etwas mehr als der Hälfte von Unternehmen finanziert wird. Eine ähnlich hohe Beteiligung Privater hat das Landwirtschaftsprogramm. Die Programme Verkehrsinfrastruktur und Umwelt sind wegen der Mittel aus dem Kohäsionsfonds umfangreicher, Schulbildungsund Beschäftigungsprogramm wegen der Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds. Die elf Politikfeldprogramme sind mit 58% der Mittel dotiert, die sieben Regionalprogramme mit 36%. Diese Betonung der Politikfelder gegenüber den Regionen entspricht der Tradition und der derzeitigen Struktur staatlicher Akteure in Portugal: Parallel zu den nach Politikfeldern organisierten dominierenden Akteuren, den Ministerien, werden hoch dotierte Politikfeldprogramme eingerichtet. Die Rolle der nicht vorhandenen regionalen staatlichen Akteure zur Umsetzung der Regionalprogramme übernehmen die CCDR. Diese Regionalprogramme basieren auf Regionalentwicklungsplänen, die jedoch nicht Ausdruck einer regionalen Politik sind. Ohne politische Akteure auf regionaler Ebene bleiben diese Pläne eine Projektion sehr vager Ziele und Einzelprojekte der unterschiedlichen Ministerien auf die jeweilige CCDR-Region.69 In einem Staat mit starken regionalen staatlichen Akteuren wie Österreich wurden im Gegensatz dazu überhaupt keine Politikfeldprogramme eingerichtet, sondern pro Bundesland jeweils ein Regionalprogramm.70

69 Montalvo, António Rebordão: O „Fim“ Anunciado da Regiao de Lisboa e Vale do Tejo [in: Revista de administração local, Nfflmero 190, Julho Agosto 2002, S. 421–427, 2002] S. 424. 70 www.austria.gv.at/2004/4/15/strukturfonds2000_2006.pdf 03/2005.

506

Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU Tabelle 68 Finanzvolumen der Politikfeld- und Regionalprogramme 2000–200671

Programme

Mio. e

%

Politikfeldprogramme Gesamt

27.321

58,2

Wirtschaft

9.464

20,2

Verkehrsinfrastruktur

4.995

10,6

Landwirtschaft

3.367

7,2

Beschäftigung, Soziales

2.822

6,0

Umwelt

2.036

4,3

Schulbildung

1.665

3,5

Wissenschaft, Technologie

957

2,0

Gesundheit

698

1,5

Informationsgesellschaft

625

1,3

Fischerei

365

0,8

Kultur

327

0,7

16.728

35,6

Norte

4.861

10,4

LVT

3.074

6,5

Centro

2.980

6,3

Alentejo

2.388

5,1

Acores

1.281

2,7

Madeira

1.273

2,7

Algarve

871

1,9

2.787

5,9

108

0,2

46.944

100,0

Regionalprogramme Gesamt

Programmreserven Verwaltungsausgaben Gesamt

71

Ibid. S. 7.

B. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006

507

II. Gemeinschaftsinitiativen Parallel zu den Politikfeld- und Regionalprogrammen versucht die Kommission mit derzeit vier eigenen Gemeinschaftsinitiativen, direkt auf spezielle Probleme zu reagieren. Diese sind zwar finanziell nicht in das EURahmenprogramm 2000–2006 integriert, aber werden von denselben Akteuren nach ähnlichen Regeln vollzogen, weshalb sie auch in den Quellen gemeinsam mit dem EU-Rahmenprogramm dargestellt werden. Die für Gemeinschaftsinitiativen verwendeten EU-Mittel betragen 2000–2006 671 Mio. e oder lediglich 2,8% der Politikfeld- und Regionalprogramme. Die Initiative INTERREG III ist 2000–2006 in Portugal mit 394 Mio. e dotiert und soll die Zusammenarbeit zwischen den Regionen durch interregionale Zusammenarbeit und ausgewogene räumliche Entwicklung stärken. Portugal arbeitet in den Projekten „Atlantischer Raum“, „Südwesteuropa“, „Westliches Mittelmeer“ und „Açores Madeira Canarias“ mit. LEADER+ (152 Mio. e) soll den Akteuren im ländlichen Raum dabei helfen, integrierte und qualitativ hoch stehende Strategien für eine nachhaltige Entwicklung zu erarbeiten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf Partnerschaften für den Austausch von Erfahrungen. EQUAL (107 Mio. e) soll im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie ein Integrations förderndes Arbeitsleben unterstützen, indem Diskriminierungen wegen Geschlechtszugehörigkeit, Rasse, Religion, Behinderung oder Alter bekämpft werden.72 URBAN II (18 Mio. e) dient der wirtschaftlichen und sozialen Wiederbelebung städtischer Krisengebiete. Zusätzlich sollen Informationen und Erfahrungen im Bereich der nachhaltigen Stadtentwicklung in der Europäischen Union ausgetauscht werden. Hier gibt es in Portugal zwei Projekte im Großraum Lissabon und eines in Porto.

III. Das EU-Rahmenprogramm in den Politikfeldern Umwelt und Raumordnung Im Politikfeld Umwelt fördert die EU in Portugal Projekte aus unterschiedlichen Quellen. Umweltprojekte sind in die Gemeinschaftsinitiativen, die Regionalprogramme und einzelne Politikfeldprogramme integriert, allerdings ist die Berechnung der Höhe dieser Mittel schwierig, da sie nicht eigens als Umweltprojekte erfasst werden. Die Gesamtstatistik zeigt im internationalen Vergleich der folgenden Tabelle, dass die EU Ende der 1990er72

http://europa.eu.int/comm/regional_policy/funds/prord/sf_de.htm 02/2005.

508

Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

Jahre pro Kopf vergleichsweise hohe Ausgaben im Politikfeld Umwelt in Portugal tätigte. Dies ist auf die zur Hälfte in diesem Bereich ausgegebenen Kohäsionsmittel zurückzuführen. Tabelle 69 Ausgaben der EU im Politikfeld Umwelt 199773 Mio. e

Ausgaben pro Kopf in e

Deutschland

492,2

6,2

Portugal

334,3

33,1

3.959,2

10,7

EU 15 Gesamt

Mit den Gemeinschaftsinitiativen der EU wurden in Portugal Maßnahmen zum Küstenschutz und zur Raumordnung von Naturschutzgebieten gefördert. Mit dem Landwirtschaftsprogramm wurden Projekte zur Flächenstilllegung und Aufforstung finanziert.74 Bisweilen wird allerdings kritisiert, dass zwar die finanziellen Mittel für den Umweltschutz in den letzen Jahren gestiegen sind, aber ihre Wirksamkeit beschränkt bleibt, da sie in Programme anderer Politikfelder integriert sind.75 Das Ziel, den Umweltschutz in diese Politikfelder einzubringen, muss von den Verwaltern der betreffenden Politikfeldprogramme aufgegriffen werden. Der deutlich überwiegende Teil der EU-Mittel im Politikfeld Umwelt stammt aus zwei Quellen: dem Politikfeldprogramm „Umwelt“ mit 456 Mio. e und vor allem aus dem Kohäsionsfonds mit 2.036 Mio. e. Ihr gemeinsamer Anteil am EU-Rahmenprogramm 2000–2006 beträgt 4,3%. Obwohl das Finanzvolumen des Umweltprogramms im Vergleich zu anderen Politikfeldprogrammen gering ist, soll es trotzdem durch eine Beschränkung auf strategische Bereiche größere Wirkung entfalten. Aus diesem Grund werden durch das Umweltprogramm im Gegensatz zu den 1990erJahren nicht mehr Investitionen in die Infrastruktur im Müllentsorgungsund Abwasserbereich finanziert und dies den höher dotierten Kohäsionsfonds und den Regionalprogrammen überlassen. Die Großprojekte mit regionaler Bedeutung werden über den Kohäsionsfonds, die kleineren Pro73

http://europa.eu.int/comm/eurostat/newcronos/suite/retrieve/de/theme8/02/2005. González Gómez, Manuel: Medio Ambiente, políticas sectoriais e instrumentos financeiros en la UE [in: Sociedade e Território, Nº 31/32 (Dezembro 2000), S. 198–212, 2000] S. 200 ff. 75 Ibid. S. 209. 74

B. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006

509

jekte über die Regionalprogramme der Strukturfonds finanziert. Bei Projekten wie Gewässer- und Küstensanierung und Wasserbauten liegt diese Grenze bei 250.000 e. Im Ergebnis gibt die EU den Großteil ihrer Mittel im Politikfeld Umwelt über den Kohäsionsfonds für Infrastruktur aus. Für das eigentliche Umweltprogramm 2000–2006 stehen nur etwas mehr als ein Viertel dieser Mittel zur Verfügung, obwohl es im Vergleich zum Umweltprogramm 1995–1999 ohne Berücksichtigung der Geldentwertung eine Steigerung um 30% erfuhr. Ein Problem dabei ist, dass das Umweltprogramm als eigener Akteur dadurch häufig nicht sichtbar wird. Oft finanziert es nur die Umweltmaßnahmen bei anderen Projekten mit, was auch auf die vergleichsweise geringen Mittel zurückzuführen ist. Das Umweltprogramm wurde von der Generaldirektion für Umwelt (heutige Bezeichnung: Umweltinstitut) des Umweltministeriums erstellt. Dazu wurden eine Reihe von Institutionen aufgefordert, ihren Investitionsbedarf im Umweltbereich anzumelden: Gebietsgemeinden, die autonomen Akteure des Umweltministeriums sowie die beiden großen öffentlichen Unternehmen für Wasserinfrastruktur und öffentliche Bauten. Außerdem wurden gesellschaftliche Akteure und die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden beteiligt.76 Im Ergebnis verteilen sich die Mittel des Umweltprogramms auf folgende Bereiche: Tabelle 70 Die Verteilung der Mittel auf die Bereiche des Umweltprogramms 2000–200677 Mio. e

%

Stadterneuerung

146

32

Gewässer- und Küstenschutz

119

26

Natur- und Artenschutz

91

20

Nachhaltigkeit der Wirtschaft

68

15

Umwelterziehung und Information

27

6

5

1

456

100

Bereiche

Verwaltung des Programms Gesamt

76 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 41, 76, 105, 125–145. 77 Ibid. S. 48.

510

Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

Der Bereich Stadterneuerung ist am höchsten dotiert, da es wegen des raschen Anwachsens der Städte zu großen Umweltproblemen gekommen ist, die man nun zu korrigieren versucht. Fragen der Nachhaltigkeit von Stadtentwicklung, die in anderen Ländern eine Rolle spielen, stehen in Portugal noch nicht auf der Tagesordnung. Von den Projekten der Stadterneuerung sollen insgesamt 2,1 Mio. Menschen profitieren. Maßnahmen sind die Renovierung von Altbauten und Grünflächen, Kultur und Freizeitprojekte, Sanierung öffentlicher Räume in Sozialvierteln und städtischen Industriegebieten, Investitionen in den öffentlichen Verkehr, Emissionskontrolle. Dafür ist besonders die Zusammenarbeit zwischen Gebietsgemeinden und Gesamtstaat notwendig. Projekte mit der Beteiligung gesellschaftlicher Akteure sollen besonders berücksichtigt werden. Im Bereich Gewässer- und Küstenschutz sollen jene stehenden und fließenden Binnengewässer bevorzugt werden, die der Trinkwasserproduktion dienen. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Hochwasserschutz durch Verbauung, vor allem in Lissabon und den größeren Städten. Projekte an der Küste sollen die wirtschaftliche Nutzung mit den ökologischen Zwängen dieses sensiblen Bereichs auch durch raumordnerische Maßnahmen in Einklang bringen. Im Naturschutzbereich soll statt der Vergrößerung der geschützten Flächen in Zukunft eher die Qualität des Naturschutzes verbessert werden. Ein weiteres Ziel ist die Unterstützung der lokalen Wirtschaftsentwicklung in Naturschutzgebieten, da diese meist von der allgemeinen Landflucht betroffen sind. Infrastruktur für Ökotourismus soll geschaffen, lokale Produkte und ländliche Kultur sowie die örtliche Infrastruktur sollen gefördert werden. Im Bereich „Nachhaltigkeit in der Wirtschaft“ sollen Zertifizierung und Innovationen im Umweltbereich ebenso gefördert werden wie die Senkung der Emissionen. Die im Vergleich zur Aufgabe bescheidenen Mittel sind eher als Ergänzung zu anderen, spezielleren Politikfeldprogrammen gedacht. Der Bereich „Umwelterziehung und Information“ hat bessere Umweltmessdaten über eine Ausweitung der Meßsysteme und der Verbesserung der bestehenden Umweltlabors zum Ziel. Studien über Umweltverhalten und Medien zur Umwelterziehung sollen finanziert werden. Insgesamt sollen 1.500 Schulprojekte unterstützt werden, die 300.000 Schüler und 20.000 Lehrer umfassen. Da das Politikfeld Raumordnung nicht zu den Zuständigkeiten der EU zählt, sind die EU-Programme hier auch in geringerem Maße und in engem Zusammenhang mit Umweltzielen aktiv. Die beiden Gemeinschaftsinitiati-

B. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006

511

ven INTERREG III und URBAN II fallen mit den Themen internationale Zusammenarbeit in der Raumordnung und Stadterneuerung in dieses Politikfeld. Die Programme INSPIRE und GMES beschäftigen sich mit der Information der Bürger durch staatliche Akteure.78 Das Programm zur Stadterneuerung und für umweltpolitische Maßnahmen im städtischen Raum „Polis“ ist zwar vom Gesamtstaat aufgelegt,79 wird aber aus mehreren EUProgrammen finanziert. Einmal fördert das Umweltprogramm Projekte, bei denen der Umweltgesichtspunkt deutlich im Vordergrund steht. Aus den Regionalprogrammen werden Infrastrukturmaßnahmen im Verkehrsbereich, die Überwachung von Grenzwerten und die Information und Sensibilisierung der Bürger finanziert. Koordiniert wird dies durch das Verwaltungsbüro des „Polis“ Programms, bei dem die Förderanträge gestellt werden und welches sie den richtigen EU-Programmen zuweist.80 Kritiker behaupten, dass „Polis“ nur entstanden ist, um den Erhalt von EU-Mitteln zu rechtfertigen.81

IV. Der Vollzug des EU-Rahmenprogramms 1. Rolle der CCDR und der Gebietsgemeinden Die CCDR spielen eine gewisse Rolle in der Erstellung und Vollziehung des EU-Rahmenprogramms 2000–2006.82 Sie sind im Rahmen der Vollziehung an der Begleitkommission des Rahmenprogramms und aller Politikfeldprogramme vertreten.83 Nach Art. 11 Abs. 1 lit. c DL 104/2003 ist der Präsident der CCDR der Leiter des Regionalprogramms seiner CCDR-Region. Außerdem vollziehen die CCDR Teile von Politikfeldprogrammen und von Gemeinschaftsinitiativen in ihrer Region. Die CCDR-Norte leitet z. B. URBCOM, ein Teilprogramm für den städtischen Handel des Politikfeldprogramms Wirtschaft.84 Die CCDR-Lissabon z. B. leitet zwei Stadterneuerungsprojekte der Gemeinschaftsinitiative URBAN II. Für die anfal78

http://www.eu.int/comm/environment/land_use/index_en.htm 02/2005. Resolução do Conselho de Ministros n.º 26/2000. 80 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 41. 81 Mendes, Joana: Programa Polis. Programa ou falta de programa para a requalificação das cidades? [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a.4n.1, S. 83–100, 2001] S. 86. 82 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 83 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Plano de Actividades 2005 2004) S. 13; Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Relatório de Actividades da CCDRN 2003 2003) S. 26. 84 Comissão de Coordenação e Desenvolvimento da Região do Norte (Hg.): Plano de Actividades 2005 2004) S. 38. 79

512

Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

lende Verwaltungstätigkeit erhielt sie 2002 von der EU 21.000 e.85 Diese zusätzlichen Ressourcen und die wichtige Rolle beim Vollzug der EU-Programme insgesamt hat die CCDR verändert. Es entwickelten sich Fachwissen und intensive Beziehungen zu anderen staatlichen Akteuren. Dadurch wurde die fehlende Koordination unterschiedlicher Politikfelder deutlich spürbar und die CCDR wuchsen etwas mehr in die Rolle eines staatlichen Akteurs mit Verantwortung für eine Region hinein. Allerdings ist diese Entwicklung der CCDR nicht allein auf die Anforderungen der EU-Programme zurückzuführen.86 Nicht zu vergessen ist auch die Bedeutung der CCDR bei Beratung, Koordination und Genehmigung von Anträgen der Gebietsgemeinden auf EU-Mittel.87 Praktisch die gesamten EU-Programme befinden sich unter unmittelbarer Kontrolle gesamtstaatlicher Akteure.88 Bis Mitte der 1990er-Jahre wurden die EU-Mittel von gesamtstaatlichen Akteuren verteilt, ohne dass die Meinung eines einzigen Bürgermeisters gehört wurde.89 Die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden fordert seit Jahren eine stärkere Beteiligung der Gebietsgemeinden an der Verwaltung der EU-Mittel.90 Laut Art. 9 Lei 159/1999 sollten die Regionalprogramme von Kollegialorganen verwaltet werden, in denen die betroffenen Gebietsgemeinden die Mehrheit haben sollen. Allerdings beschränkt Art. 32 DL 54-A/2000 die Zuständigkeit dieser Organe auf nicht bindende Stellungnahmen und überträgt die eigentliche Entscheidung über die eingereichten Projekte dem von der Regierung eingesetzten Verwalter des Programms. Erst eine Intervention der Interessenvertretung der Gebietsgemeinden beim Planungsministerium führte zu einem stärkeren Einfluss der Gebietsgemeinden.91 Auch die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden selbst ist in diesen Kollegialorganen vertreten, wobei ein Bürgermeister der Region diese Vertretung für sie wahrnimmt und dabei große Handlungsfreiheit hat. Einmal weil er die Verhält85

Comissão de Coordenação e Desenvolvimento Regional de Lisboa e Vale do Tejo (Hg.): Relatório de actividades 2002 (Lisboa 2003) S. 101-104101-104. 86 Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 87 Rebelo, João: Interview am 13. August 2003. 88 Sá, Carlos Pinto de: A Regionalização, o Financiamento Municipal e o Acesso aos Fundos Comunitários, [in: Centro de estudos para o desenvolvimento regional e local (CEDREL) (Hg.): Seminário Internacional. A Regionalização, a Sociedade e a Reforma do Estado, (nicht publiziert 1998)] S. 11. 89 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 82 Juni 2000. 90 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Linhas Gerais de Actuação 1998–2001 (Strategie der ANMP 1998–2001), (5. März 1998). 91 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 83 Juli 2000.

B. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006

513

nisse vor Ort am besten kennt, dann auch weil die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden gar nicht die Ressourcen hat, diese Vertreter zu kontrollieren. Daneben funktioniert die Interessenwahrnehmung der Gebietsgemeinden auch durch direkten Einfluss auf gesamtstaatliche Akteure. An der Vollziehung und Begleitung der Politikfeldprogramme ist die Interessenvertretung der Gebietsgemeinden zwar erst seit dem Jahr 2000 und auch weniger stark beteiligt, aber die daraus resultierende bessere Information der Gebietsgemeinden wirkt sich bereits positiv auf deren Zugang zu EU-Mitteln aus.92 2. Vollzug und Koordination der Programme am Beispiel des Umweltprogramms Die Organe des Umweltprogramms sind der Programmverwalter, der Programmverwaltungsrat und die Begleitkommission. Der Programmverwalter wird auf Vorschlag des Umweltministers vom Ministerrat ernannt und steht unter der direkten Aufsicht des Umweltministers. Zu seinen Aufgaben zählen: Ausarbeitung der Durchführungsbestimmungen des Programms, Leitung des Verfahrens zur Fördervergabe, Vergabe und Auszahlung der Förderungen nach Stellungnahme des Programmverwaltungsrats, interne Kontrolle der Finanzgebarung, Kommunikation mit der EU Kommission sowie die Einhaltung der nationalen und der EU-Normen insbesondere in Bezug auf die Freiheit des Wettbewerbs, den Umweltschutz und die Gleichbehandlung der Geschlechter. Der Programmverwaltungsrat ist ein exekutives Kollegialorgan unter dem Vorsitz des Programmverwalters, das aus Vertretern der hauptsächlich vom Umweltprogramm betroffenen Ministerien besteht. Seine Zusammensetzung wird durch Erlass des Umweltministers bestimmt. Seine Hauptaufgabe ist die Abgabe von Stellungnahmen zu einzelnen Förderungsansuchen und zum Tätigkeitsbericht des Programmverwalters. Als beratendes Organ ist eine Begleitkommission eingerichtet, der ebenfalls der Programmverwalter vorsitzt. Weitere Mitglieder sind alle Ministerien, durch den Umweltminister ernannte Vertreter der Sozialpartner, die Generalinspektion des Finanzministeriums, Vertreter der Verwaltung der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds, der EU-Kommission und der europäischen Investitionsbank. Aufgaben der Begleitkommission sind Genehmigung der Durchführungsbestimmungen des Programms, Beurteilung der Verwaltung des Programms und die Annahme des Tätigkeitsberichts.93 92

Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 69 ff. u. 149. 93

514

Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

Projekte einreichen können private und gesellschaftliche Akteure, Gebietsgemeinden und Gebietsgemeindeverbände sowie gesamtstaatliche Akteure, insbesondere die Dienststellen des Umweltministeriums. Über die Mittelvergabe wird mit Verwaltungsakt (decisão de concessão) entschieden, über die restlichen Bedingungen zwischen Förderungswerber und Vergabestelle ein Vertrag abgeschlossen.94 Da einzelne Projekte im Umweltbereich auch von mehreren EU-Programmen gleichzeitig gefördert werden und die Ziele der verschiedenen Förderprogramme sich teilweise überschneiden, bleibt die Abstimmung der Programme gerade nach den problematischen Erfahrungen der 1990er-Jahre ein wichtiges Ziel. Hier kommt dem Umweltministerium eine zentrale Rolle zu. Da für die EU Umweltschutz ein in allen Politikfeldern zu berücksichtigendes Querschnittsthema ist, wird das Umweltministerium im Zuge des EU-Rahmenprogramms 2000–2006 in vielen Bereichen tätig. Neben seiner Zuständigkeit für die Einhaltung von europäischen und nationalen Normen und der Umweltverträglichkeitsprüfung aller großen Projekte ist es für die Verwaltung des Umweltprogramms und seiner Koordinierung mit anderen Förderprogrammen zuständig. Dafür entsendet es seine Vertreter in den Programmverwaltungsrat aller Regionalprogramme und folgender Politikfeldprogramme: Landwirtschaft, Fischerei, Wirtschaft, Transport. In den übrigen Politikfeldprogrammen ist es in den Begleitkommissionen vertreten. Zusätzlich gibt es eine eigene Kommission für die Koordinierung des Umweltprogramms mit den Regionalprogrammen.95 Schließlich gibt es für das gesamte EU-Rahmenprogramm 2000– 2006 eine Begleitkommission, in der das Umweltministerium ebenso repräsentiert ist. Weitere Koordinierung erfolgt durch die CCDR in den Begleitkommissionen aller Politikfeldprogramme, wo sie regionale Gesichtspunkte einbringen sollen. Sicherlich werden durch diese komplizierten Interaktionen die Politikfelder einigermaßen koordiniert und die Programmverwalter versuchen das auf Ebene der einzelnen Projekte ebenfalls, aber die strategische Abstimmung der Programme für eine Region erfolgt nur in jahrelangen Abständen über die gesamtstaatliche Planung und deren abstrakte Zielvorgaben im EU-Rahmenprogramm. Es ist offensichtlich, dass ein politisch legitimierter Akteur auf regionaler Ebene, der gleichzeitig die EU-Programme verwaltet, effizienter und erfolgreicher koordinieren würde.

94 95

Ibid. S. 51 ff., 148 f. Ibid. S. 42 f. u. 77.

B. Das EU-Rahmenprogramm 2000–2006

515

3. Kommunikation Für die Interaktion zwischen den beteiligten Akteuren spielt die Art der Kommunikation eine wichtige Rolle. Das Umweltprogramm zum Beispiel hat einen eigenen Plan für die Kommunikation und einen Verantwortlichen dafür. Staatliche Akteure, Dienststellen der EU, Sozialpartner und potentielle Projektwerber sind seine hauptsächlichen Kommunikationspartner. Auch die Datenverarbeitungssysteme sind mit denen anderer Förderprogramme und der EU-Kommission abgestimmt. Organisation und technische Umsetzung der Kommunikation wird ebenso stark von der EU vorgegeben wie das verwendete Vokabular. Offiziell bevorzugtes Kommunikationsmittel ist das Internet, über das jedem Akteur ein bestimmter Teil der Information zugänglich gemacht wird. Zusätzlich sollen die Leistungen des Umweltprogramms gegenüber den Bürgern kommuniziert werden.96 Kommunikation läuft also sehr bewusst und gesteuert ab. Dies ist einerseits vorteilhaft für die Interaktion der beteiligten Akteure, engt aber andererseits deren Wahrnehmung ein. Staatliche Akteure benutzen alle die gleiche EU-Fachsprache, um eigene Erfolge zu kommunizieren. Dies ist wiederum Basis für die Aussagen anderer Akteure, die wiederum „intelligent und gezielt“ kommunizieren. Es entsteht eine Eigendynamik aus beeindruckend ausgearbeiteten Plänen, umfangreichen Evaluierungen und der Vermittlung der eigenen Leistungen den Bürgern gegenüber. Auch Unternehmen machen den Kunden gegenüber Werbung mit geringer Objektivität, versuchen aber intern realistisch zu kommunizieren. Auf staatliche Akteure übertragen heißt das, dass sie gegenüber den Bürgern ihre Leistungen nicht so bewerben sollen wie Unternehmen gegenüber Kunden, sondern maximal so, wie der Vorstand einer AG gegenüber dem Aufsichtsrat oder den Aktionären. Gegenüber anderen staatlichen Akteuren (also „unternehmensintern“) muss aber noch viel sachlicher und realistischer kommuniziert werden. In Portugal kommunizieren staatliche Akteure im Bereich der EU-Rahmenprogramme aber im Stil der Werbung und „täuschen“ sich dadurch gegenseitig. Dies gilt noch verstärkt für die Kommunikation mit der EU. Eine Evaluierung des Umweltprogramms ist bei der Hälfte der Laufzeit des Programms vorgesehen, die abschließende Evaluierung folgt maximal drei Jahre nach dem Ende des Programms. Sie wird von unabhängigen Experten unter Verantwortung des Programmverwalters in Zusammenarbeit mit der Verwaltung des gesamten EU-Rahmenprogramms 2000–2006 und der EU-Kommission durchgeführt.97 Bei diesen langen Evaluationszeiträu96 97

Ibid. S. 81. Ibid. S. 72.

516

Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

men ist eine politische Verantwortung allerdings nur mehr schwer geltend zu machen.

V. Legitimation der EU und ihrer Entscheidungen Die einzelnen Organe und Nebenorgane der EU werden unterschiedlich legitimiert. Der Rat ist ständig und unmittelbar an die Legitimation derjenigen gesamtstaatlichen Regierungen gekoppelt, die ihre Vertreter entsenden. Das Parlament wird durch Wahl in den einzelnen Mitgliedstaaten legitimiert, der Ausschuss der Regionen und die Kommission über die Auswahl ihrer Mitglieder durch die Regierungen der Nationalstaaten. Die Kommission wird zusätzlich über ihren Charakter als Verwaltungsbehörde legitimiert, die keine politischen, sondern rationale, juristisch und fachlich begründete Entscheidungen trifft. Der Ausdruck „zum Wohl der Gemeinschaft“ in Art. 213 Abs. 2 EG weist auf diese Output-Legitimation hin. Im Falle Portugals funktioniert diese Output-Legitimation: Seit seinem Beitritt Nettoempfänger, sind die EU-Projekte im ganzen Land verteilt und die positiven Veränderungen offensichtlich. Zusätzlich werden sie von der staatlichen Verwaltung des EU-Rahmenprogramms in der Öffentlichkeit sichtbar gemacht.98 Ein Legitimationsproblem ergibt sich aus der undurchschaubaren Interaktion mehrerer Akteure bei der Umsetzung der EU-Rahmenprogramme: Es ist für Bürger nur sehr schwer möglich, zwischen der EU, verschiedenen gesamtstaatlichen Akteuren, den Gebietsgemeinden, gesellschaftlichen Akteuren und Unternehmen die Verantwortlichen für Erfolg und Misserfolg der Förderprogramme auszumachen. Ein Beispiel ist, dass die Regierung das mehrjährige EU-Rahmenprogramm mit der EU aushandelt, vollziehen muss dieses aber nach etwaigen Neuwahlen die Nachfolgeregierung. Wohl werden auch sonst von Parlament und Regierung Entscheidungen getroffen, die langfristige Wirkung haben, aber das EU-Rahmenprogramm ist immerhin das mehrjährige zentrale Investitionsprogramm des Staates. Die Planungsreserve von 2,6% der Mittel, um während der Laufzeit der Pläne noch andere Akzente setzen zu können, mindert dieses Problem etwas.99 Betrachtet man Erstellung und Vollzug des EU-Rahmenprogramms in Portugal unter dem Gesichtspunkt der Legitimation staatlicher Entscheidungen, erhält man eine überlange Legitimationskette: von den Bürgern eines Nettozahlerlandes über die EU zu den gesamtstaatlichen portugiesischen 98

Ibid. S. 81. Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) III-16. 99

C. Steuerung portugiesischer Akteure durch die Europäische Union

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Akteuren und der Verwendung der Mittel für Projekte. Klare politische Legitimation verschwindet in einem System von Normen, Plänen und einer Vielzahl von Akteuren. Zusätzlich entsteht eine supranationale Bürokratie, die nur mittelbar demokratisch legitimierten Organen verantwortlich ist, aber weitreichende politische Entscheidungen trifft.100 Dies ist nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen, keineswegs aber für den Großteil der Investitionen eines ganzen Staates zur Lösung von vielfach eigentlich lokalen Problemen (z. B. der Renovierung einer Sportanlage). Entweder werden die zuständigen Organe der EU direkt legitimiert, oder Zuständigkeiten und Ressourcen an andere staatliche Akteure zurückgegeben. Unter Legitimationsgesichtspunkten sollte sich die EU auf wenige strategische Ziele von gesamteuropäischem Interesse konzentrieren und ihren detaillierten Steuerungsanspruch aufgeben. Auch der normative Steuerungszyklus der EU wirft ähnliche Legitimationsfragen auf und ist ebenfalls nur im Ausnahmefall zu rechtfertigen. Das Subsidiaritätsprinzip auf Steuerungsfragen angewandt heißt, dass die EU nur dann steuert, wenn sie nach Berücksichtigung der höheren Steuerungsdefizite und Kosten sowie der Legitimationsprobleme noch immer besser dazu geeignet ist, als andere staatliche Akteure. Für die Mehrheit der Portugiesen stellen sich diese Probleme allerdings nicht, denn Portugal war 2004 das einzige Land der EU, in dem die Bürger mit dem Funktionieren der Demokratie auf europäischer Ebene zufriedener waren als auf nationaler Ebene.101

C. Steuerung portugiesischer Akteure durch die Europäische Union Durch niedrige Bevölkerungszahl, geringes wirtschaftliches Gewicht sowie die Situation als Nettoempfänger haben portugiesische Akteure auf die EU geringen Einfluss. Dies sucht etwa die gesamtstaatliche Regierung durch Allianzen mit anderen Nationalstaaten auszugleichen, vor allem mit Spanien, dessen Interessen in der EU ähnlich gelagert sind.102 Zwischen der EU und portugiesischen Akteuren kommt es zu verschiedenen Interaktionsformen. In vielen Bereichen handelt jeder Akteur für sich (einseitiges Handeln) oder vermeidet stillschweigend negative Auswirkungen auf den anderen (negative Koordination). Außerdem finden Verhandlungen und 100

Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. Comissão Europeia et al. (Hg.): Eurobarómetro 62. A Opinião Pfflblica na União Europeia. Outono 2004. Relatório Nacional Portugal (2004) S. 14. 102 The Economist Intelligence Unit (Hg.): Country Profile. 2001. Portugal (o. O. 2001) S. 19. 101

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

schließlich hierarchische Steuerung statt. Natürlich gelingt es portugiesischen Akteuren in Verhandlungen, die Erstellung der Normen und Pläne der EU etwas zu beeinflussen. Auch bei deren Vollzug haben sie Spielräume für eigene Entscheidungen. Trotzdem ist der Einfluss der EU auf die portugiesischen Akteure so dominierend und der umgekehrte Fall von so geringerer Bedeutung, dass es gerechtfertig ist, diese Interaktion insgesamt unter der Perspektive „Steuerung portugiesischer Akteure durch die EU“ zu beschreiben. Nachdem die EU in Portugal kaum Dienststellen unterhält oder Personalentscheidungen trifft, fällt die Steuerung über Personen weg. Es bleibt die Steuerung über Normen, Pläne und Finanzen, wobei diese hier mit analytisch getrennten Steuerungsebenen in der Praxis eng verbunden sind. Normen und Pläne regeln die Ausgabe von EU-Mitteln besonders intensiv. Die finanzielle Steuerung unterstützt entscheidend den Vollzug von Normen und Plänen. Dies wird am Beispiel des portugiesischen Wasserinstituts deutlich, das es in seinem Jahresplan für 2000 als seine vordringliche Aufgabe bezeichnet, die normativen Vorgaben der EU zu erfüllen, um die EU-Förderungen voll ausnutzen zu können.103 Außerdem ergänzen sich die Steuerungsebenen der EU und der portugiesischen Akteure gegenseitig. EU-Normen werden durch nationale Normen umgesetzt oder nach nationalen Verfahren angewandt, strategische EU-Pläne in nationalen Ausführungsplänen konkretisiert sowie EU-Mittel durch die Mittel nationaler Akteure ergänzt. Als Gemeinschaft von Staaten gegründet, steuert die EU direkt vor allem staatliche Akteure. Diesen fällt die Aufgabe zu, steuernd auf Unternehmen und Bürger einzuwirken. Dahinter steht ein Modell aufwändiger Interaktionen staatlicher Akteure, um die Probleme der Bürger zu lösen: Staatliche Akteure in Nettozahlerländern nehmen Ressourcen ihrer Bürger, um sie über den staatlichen Akteur EU zu den staatlichen Akteuren der Empfängerländer zu transferieren. Diese sollen damit Probleme ihrer Bürger lösen. Zwar funktioniert die Interaktion zwischen EU und nationalen staatlichen Akteuren, über Normen und Pläne gesteuert, relativ reibungslos und macht auf die Beteiligten einen erfolgreichen Eindruck. Ein eigener Jargon aus Begriffen und Methoden ist entstanden, den die Spezialisten der portugiesischen Akteure und der EU gut beherrschen. Das sagt aber nicht mehr viel über die Lösung von Problemen der Bürger aus und ist für Außenstehende unverständlich. Die Transparenz gegenüber den Bürgern und den nicht auf EU-Fragen spezialisierten staatlichen Akteuren geht verloren.104 Die EU steuert vor allem das Handeln staatlicher Akteure, weniger die Ergebnisse 103 104

Instituto da Água (Hg.): Plano de Actividades 2000 (Lisboa 2000) S. 16. Farias, João: Interview am 14. August 2003.

C. Steuerung portugiesischer Akteure durch die Europäische Union

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ihres Handelns. Ergebnisse staatlichen Handelns stellen sich nämlich oft erst mittelfristig ein und beruhen auf Ursache-Wirkungsbeziehungen, die über einzelne Politikfelder und den Einfluss einzelner staatlicher Akteure hinausgehen. Deshalb sind Ergebnisse sehr viel schwieriger steuerbar und kontrollierbar als das Handeln staatlicher Akteure. Die EU betont folglich die Einhaltung formeller Regeln für das Handeln staatlicher Akteure und nicht die Verantwortung für Ergebnisse. Zwar findet auch eine Output Kontrolle mit komplexen physischen Indikatoren statt (Kubikmeter Beton pro Mio. e Förderung), aber das sind eigentlich keine Ergebnisse, sondern nur Zwischenziele auf dem Weg zur z. B. eigentlich angestrebten Regionalentwicklung. Die Konzentration auf das Handeln staatlicher Akteure wird dadurch problematischer, dass dieses Handeln von der EU sehr detailliert und damit sehr aufwändig gesteuert wird. Die Grenzen, innerhalb derer portugiesische Akteure mit ihrem lokalen Wissen entscheiden, was konkret gemacht wird, sind eng. Die EU legt nicht nur Ziele fest, sondern sie schreibt auch im Detail die Methoden zu deren Erreichung vor. Kernfragen sind, welche Wirkung für den Bürger dieser teure europaweite Steuerungsprozess erzielt und welche Ressourcen die Steuerung selbst verbraucht. Vor allem sind im Rahmen dieses Steuerungsprozesses eine Reihe von eminent politischen Wertentscheidungen zu treffen, die aber mit großem Aufwand zu „objektiven“ Sachentscheidungen umgearbeitet werden. Kritiker fordern, dass sich die EU auf einige wenige Ziele konzentrieren und nicht versuchen soll, sich um Details zu kümmern.105 Ein Beispiel: In einem heruntergekommenen Stadtteil Lissabons soll ein Spielplatz um 150.000 e gebaut werden. Wo und in welcher Form dieser gebaut wird, wie dieser Bau finanziert wird und welche Akteure daran beteiligt werden, sollte eigentlich die betreffende Ortsgemeinde selbst entscheiden. Dafür sind die Organwalter der Ortsgemeinde von den Bürgern vor Ort gewählt, dafür bezahlen diese Bürger Steuern und benützen schließlich auch den fertigen Spielplatz. In der Realität erhält die EU über die Nettozahler unter den Mitgliedstaaten die Ressourcen und teilt diese z. B. URBAN, einem europaweiten EU-Programm zur Stadterneuerung zu. Dann werden umfangreiche Regeln für die Mittelvergabe und den Vollzug der Projekte in mehreren Sprachen aufgelegt und nationale staatliche Akteure in der Mittelvergabe und Projektkontrolle geschult. Diese schreiben die Förderung aus und schulen Gemeinden in der Bewerbung und den korrekten Vollzug solcher Projekte. Schließlich wird von einer Ortsgemeinde ein Projekt eingereicht, der Programmverwalter genehmigt die Mittel und kontrolliert den Vollzug der Maßnahme. Er selbst wird wieder von der EU kontrol105

Ibid.

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liert, genauso wie die Verwendung der Mittel insgesamt vor und nach deren Verwendung evaluiert wird.106 Dies alles in stark formalisierten und normierten Prozessen, die deshalb langsam und teuer sind. Irgendwann und zu irgendeinem Preis ist der Spielplatz schließlich gebaut. Eine derartige Steuerung ist wohl nur mäßig erfolgreich und sollte selbst nach den durchführbaren Reformen eine auf wenige Politikfelder und kürzere Zeiträume beschränkte Ausnahme sein. Ein Interviewpartner, der sowohl für eine CCDR als auch die EU gearbeitet hatte, fasste seine Kritik der Steuerung durch die EU folgendermaßen zusammen: Die Verwaltung der EU-Mittel hat eine völlig unnotwendige und irreale Komplexität erreicht. Der Vollzug an sich wird hochstilisiert und mit viel Phantasie und Ressourcen zu einer eigenen Wissenschaft ausgebaut. Das hat aber mit den Zielen, den gesellschaftlichen Veränderungen, die herbeigeführt werden sollen, nichts mehr zu tun. Kein sowjetischer Technokrat hätte sich in seinen krankhaftesten Träumen eine derartige Bürokratie ausgemalt, wie wir sie täglich mit der EU erleben.107

I. Steuerung über Normen Dass die EU vor allem auch eine Rechtsgemeinschaft ist, zeigt sich in Portugal am durch sie ausgelösten quantitativen und qualitativen Wachstum normativer Steuerung. In Bezug auf das Primärrecht der EU wird die Auffassung vertreten, dass dieses unter dem nationalen Verfassungsrecht steht. Dabei wird argumentiert, dass 1992 die Verfassung geändert wurde, um den Vertrag von Maastricht zu ratifizieren. Richtlinien wurden bis 1997 oft durch Verordnungen (regulamento) von Ministern in nationales Recht umgesetzt, seit der damaligen Verfassungsänderung bedarf es hierzu eines Gesetzes (Lei) oder eines Gesetzesdekrets (Decreto-Lei) der Regierung. Dies hat zu einer Überlastung der damit befassten Verfassungsorgane geführt.108 Im Normalfall wird das EU-Recht von staatlichen Akteuren der Mitgliedstaaten vollzogen, die auch selbst entscheiden, wie sie sich organisieren und welches Verfahren sie dabei anwenden. Sie sind aber für entstehende Vollzugsdefizite verantwortlich. Dadurch wirkt das materielle EU-Recht auf Organisation und Verfahren der vollziehenden nationalen Akteure zurück. Mit der entsprechenden Rechtsgrundlage im Primärrecht kann auch das Sekundärrecht der EU hier direkt Organisation und Verfahren der vollziehen106

http://www.ccr-lvt.pt/user_files/267.pdf 07/2003. Farias, João: Interview am 14. August 2003. 108 Instituto Nacional de Administração (Hg.): O Sistema Político-Administrativo Português (Lisboa 2001) S. 65 f. 107

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den nationalen Akteure regeln. Dies ist in von der EU dominierten Politikfeldern wie Landwirtschaft und Zollwesen der Fall.109 Die Umsetzung von EU-Normen in nationales Recht und der Vollzug des EU-Rechts ist ein zentrales Thema der Interaktion zwischen den portugiesischen staatlichen Akteuren und der EU. Zusätzlich zu den offiziellen, periodisch vorgeschriebenen Berichten betonen die portugiesischen Akteure auch in ihren Planungsunterlagen gebetsmühlenartig, dass der Stand bei der Umsetzung von Richtlinien weit fortgeschritten ist und die EU-Normen auch vollzogen werden. Defizite werden mit einem gewissen Aufwand entschuldigt.110 Das von der EU verursachte Ansteigen der Tätigkeit portugiesischer staatlicher Akteure führt auch zu einer Vielzahl neuer Normen. Die CCDR-Lissabon zum Beispiel führt auf ihrer Homepage 71 nationale Normtexte als Durchführungsbestimmungen zum aktuellen EU-Rahmenprogramm 2000–2006 an.111 Das juristische Niveau des Rechtssystems hat sich erhöht, die Vollzugsdefizite in einigen Bereichen durch zu detaillierte und komplizierte Normen ebenfalls. So wird beklagt, dass die Richtlinien im Umweltbereich von Technokraten erstellt werden, welche die portugiesische Realität nicht kennen.112 Die Dienststellen der EU-Kommission sind aber nicht nur an der Legistik massiv beteiligt, sondern auch bei der Sicherstellung des Vollzugs. Die Generaldirektion für Umweltschutz der EU verzeichnet etwa eine Verschiebung ihres Tätigkeitsschwerpunkts hin zur normativen Steuerung: Die Zahl der Beschwerden und Verstoßverfahren mit Umweltbezug ist in den letzten Jahren beständig gestiegen. Besonders ist dies bei der Umsetzung der Abfallrechtsvorschriften, der Habitat- und Vogelschutzrichtlinien, der Rechtsvorschriften zum Klimawandel, der Chemikalienvorschriften und der Richtlinie zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung gegeben. Eine umfassende Beteiligung der Betroffenen bei Ausarbeitung der Normen, Unterstützung der Mitgliedstaaten und eine verstärkte Überwachungs- und Berichtstätigkeit wird in Zukunft angestrebt.113 Von portugiesischen gesamtstaatlichen Akteuren wird diese intensive und detaillierte Überwachung teilweise als Bevormundung empfunden und einzelnen Dienststellen der EU-Kommission vorgeworfen, Macht auszuüben, die ihr 109

Streinz, Rudolf: Europarecht (Heidelberg 2003) S. 206 ff. Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 45. 111 http://www.CCDRLVT.pt/legislacao/index.php 01/2005. 112 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 83 Juli 2000. 113 Europäische Kommission (Hg.): Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union für das Haushaltsjahr 2005. Übersicht in Zahlen (Brüssel, Luxemburg 2005) S. 113. 110

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eigentlich formell von den politischen Organen der EU nicht übertragen wurde.114 Die normative Steuerung der EU funktioniert vor allem dann, wenn sie mit finanzieller Steuerung kombiniert wird. Erstens bezahlt die EU den staatlichen Akteuren die direkten Vollzugskosten ihrer Normen. So werden den staatlichen Akteuren die Vollzugskosten der Wasser-Rahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) teilweise ersetzt. In der CCDR-Region Norte übernahm die EU 56% der Planungskosten für die dafür erforderlichen Flussgebietseinheitspläne.115 Zweitens fördert die EU die Herstellung normenkonformer Zustände und Verhaltens finanziell. Die vorgeschriebenen Umweltstandards können in Portugal im Bereich der Abfall- und Abwasserentsorgung nur erreicht werden, wenn die dafür notwendigen Modernisierungen auch von der EU bezahlt werden.116 Mittlerweile verlangen portugiesische staatliche Akteure sogar: Wenn die EU durch Richtlinien höhere Standards im Umweltschutz vorschreibt, dann muss sie auch die notwendigen Ressourcen dafür bereitstellen, sonst wird das nicht vollzogen.117 Drittens finanziert die EU die Reform staatlicher Akteure und ermöglicht so erst den korrekten Vollzug. Um die EU-Normen vollziehen zu können, musste sich der Gesamtstaat umstrukturieren und Fachwissen aufbauen.118 Auch die Verhaltensweisen portugiesischer Gebietsgemeinden wurden auf diese Weise durch die normative Steuerung der EU verändert. Die Richtlinien der EU im Umweltbereich konnten die Gebietsgemeinden immer weniger erfüllen, was der Anlass zu grundlegenden von der EU finanzierten Reformen war.119 Die zentrale Mittlerrolle spielt auch bei der Kombination von finanzieller und normativer Steuerung der Gesamtstaat. Er ist der EU für den Vollzug ihrer Normen verantwortlich und erhält auch die finanziellen Mittel, ein normkonformes Verhalten anderer portugiesischer Akteure sicherzustellen. Die EU-Mittel im Hintergrund stärken auch das EU-Rechtsschutzsystem: Trotz der Möglich114

Farias, João: Interview am 14. August 2003. Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II. 116 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 167. 117 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 83 Juli 2000. 118 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 119 Queirós, Margarida: Flexibilidade Institucional em Grandes Áreas Urbanas. Empresarialização dos Serviços Pfflblicos de Ambiente e Reorganização da Gestão Municipal, S. 175–201 [in: Fundação para a Ciência e a Tecnologia, FCT et al. (Hg.): Território e administração. Gestão de grandes áreas urbanas. Actas do seminário. Lisboa, 2–3 Fev. 2000, (Lisboa 2001)] S. 190. 115

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keit einer Popularklage nach nationalem Recht ziehen es Bürger und gesellschaftliche Akteure vor, Umweltsünder bei EU-Institutionen anzuzeigen.120 Schwieriger und mit größeren Vollzugsdefiziten verbunden als die Steuerung staatlicher Akteure ist für die EU die Steuerung von Bürgern und Unternehmen. Hier bedarf sie der Hilfe portugiesischer staatlicher Akteure, um das EU-Recht zu vollziehen. Besonders schwierig ist es für die EU, die Bürger zu erreichen, europaweite Medienkampagnen sind Versuche dem abzuhelfen. Bei einer Umfrage im Jahr 2000 wussten nur 4% der Portugiesen, was das mit großem Aufwand betriebene Natura-2000-Programm der Union ist, 88% dagegen hatten davon noch nie gehört.121 Das Verhalten von Bürgern zu verändern, ist letztlich vor allem in einem politischen Prozess innerhalb eines Gemeinwesens möglich, mit dem sich die Bürger identifizieren. Im Politikfeld Raumordnung ist die EU bisher normativ kaum aktiv geworden und hat das portugiesische Raumordnungssystem in Bezug auf Verfahren und Institutionen nicht wesentlich beeinflusst. Selbst eine Vereinheitlichung von Bezeichnungen und graphischen Symbolen in Raumordnungsplänen wurde mangels Zuständigkeit nicht unternommen.122 Im Politikfeld Umwelt steuert die EU hingegen besonders intensiv. Einerseits integriert die EU den Umweltschutz in alle ihre Förderprogramme, sodass jeder Projektwerber gezwungen ist, Umweltgesichtspunkte zu berücksichtigen, andererseits gibt es viele normative Instrumente, welche öffentliche und private Akteure in diesem Politikbereich steuern. In Portugal schuf der Entwicklungsschub durch den EU-Beitritt viele Probleme im Umweltbereich, aber gleichzeitig sensibilisierte die EU durch ihre normative Steuerung die staatlichen Akteure für die Umweltprobleme und stellte die Finanzen zu deren Beseitigung zur Verfügung.123 Dass portugiesische staatliche Akteure heute im Umweltbereich mehr erreichen wollen und strengere Normen auch durchgesetzt werden, ist direkt auf den Einfluss der EU zurückzuführen.124 Das EU-Recht hatte in ganz Südeuropa die Funktion, vorher nicht vorhandene nationale Umwelt-Normen anzuregen.125 120 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 45. 121 Nave, Joaquim Gil et al.: Informação e Cultura Ambiental, S. 103–144 [in: Almeida, João Ferreira de (Hg.): Os Portugueses e o Ambiente. Primeiro Inquérito Nacional às Representações e Práticas dos Portugueses sobre o Ambiente, (Oeiras 2000)] S. 109. 122 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 123 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 124 Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 125 Aragão, Maria Alexandra de Sousa: Direito Comunitário do Ambiente (Coimbra 2002) S. 11.

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Auch im Falle Portugals sind in Ermangelung einer nationalen Tradition in diesem Rechtsbereich die Prinzipien der Umweltpolitik der EU wie Verursacherprinzip, Vorsorgeprinzip, Integration des Umweltschutzes in andere Politikfelder, Schutz der menschlichen Gesundheit, sorgsamer Umgang mit Ressourcen126 besonders deutlich in nationales Recht umgesetzt worden (z. B. Art. 3 Lei 11/1987, Umweltrahmengesetz). Seither prägen diese Prinzipien die Pläne und Normen der portugiesischen Umweltpolitik. Natürlich gab es auch Verzögerungen und Schwierigkeiten bei der Umsetzung, aber insgesamt beruhen neue Normen im Umweltbereich seit den 1990er-Jahren im Wesentlichen auf Vorgaben der EU.127 Neben dem Gesetz zur Bürgerbeteiligung ist das portugiesische Gesetz zur Umweltverträglichkeitsprüfung DL 186/1990 ein Beispiel dafür. Es wurde in Umsetzung einer EU-Richtlinie aus dem Jahr 1985 erlassen.128 Das Gleiche galt für die Umweltverträglichkeitsprüfung von Raumordnungsinstrumenten, die schon im portugiesischen Umweltrahmengesetz von 1987 vorgesehen war, aber nie umgesetzt wurde. Dies erfolgte erst 17 Jahre später mit Näherrücken einer Frist der RL 2001/42/CE.129 Ein weiteres Beispiel ist die Umsetzung der Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IPPC). Hier drängt sich der Gesamteindruck auf, dass der Steuerungsanspruch der EU zu sehr ins Detail der Umsetzung geht und dadurch den portugiesischen staatlichen Akteuren und Unternehmen hohe Kosten verursacht. Besser wäre es gewesen, lediglich strategische Ziele vorzugeben, die Mittel zu deren Erreichung den Akteuren in Portugal zu überlassen sowie anschließend die Ergebnisse zu evaluieren. Ein erstes Tätigwerden der EU im Wasserrecht fand bereits Mitte der 1970er-Jahre mit Richtlinien zur Trinkwasserqualität und der Begrenzung von Emissionen statt, die in Portugal jedoch kaum umgesetzt wurden. Verstärkte Aufmerksamkeit wurde diesem Bereich wieder Anfang der 1990erJahre mit Richtlinien geschenkt, die stärker das Ökosystem als Ganzes in ihr Blickfeld nahmen.130 Die Dichte europäischer Richtlinien im Wasserbereich ist beachtlich: Trinkwassernutzung von Oberflächenwasser, Bade126

González Gómez, Manuel: Medio Ambiente, políticas sectoriais e instrumentos financeiros en la UE [in: Sociedade e Território, Nº 31/32 (Dezembro 2000), S. 198–212, 2000] S. 199. 127 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): Environmental performance reviews. Portugal (Paris 2001) S. 35. 128 RL 1985/337/EG, später RL 1997/11/EG. 129 http://www.geota.pt/Htmls/Opiniao/Posicoes/2004/06_25_parecer_directiva_ 2001_42_CE.html 11/2004. 130 Instituto da Água (Hg.): Plano Nacional da Água. Introdução, Caracterização e Diagnóstico da Situação Actual dos Recursos Hídricos (Lisboa 2001) Volume 1, Capitulo II, 2.1.3.

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wasserqualität, Einleitung gefährlicher Substanzen, Trinkwasserqualität, Grundwasserschutz, einzelne giftige Substanzen und schließlich die WasserRahmenrichtlinie. Ziel der Wasser-Rahmenrichtlinie (RL 2000/60/EG) ist es, Oberflächengewässer und das Grundwasser Europas bis 2015 in guten ökologischen Zustand zu bringen. Dafür werden Begriffe und Bewertungskriterien vereinheitlicht, die Planung und Kontrolle des Gewässerschutzes genau geregelt, Bürgerbeteiligung und Höhe der Nutzungsgebühren festgelegt, ergänzt durch Zeitpläne und Berichtspflichten. In Portugal zählte es 2004 zu den zentralen politischen Zielen des Umweltministeriums, diese RL auf nationaler Ebene umzusetzen.131 Im Bereich des Naturschutzes sind die Richtlinien zum Vogelschutz und die Habitat-Richtlinie132 mit ihren jeweiligen Finanzierungsinstrumenten bedeutsam. Hier gibt die Union den Nationalstaaten einen über zwölf Jahre reichenden Zeitplan und detaillierte inhaltliche Vorgaben, welche Gebiete für den Naturschutz auszuweisen sind.133

II. Steuerung über Pläne Das in der portugiesischen Verfassung vorgesehene, aus den 1970er-Jahren stammende, nationale Planungssystem wurde durch das Planungssystem der EU fast völlig verdrängt. Dieses beruht in Portugal auf dem jeweils gültigen mehrjährigen EU-Rahmenprogramm. Fachliche und politische Grundlage dafür ist der mehrere hundert Seiten starke Regionalentwicklungsplan.134 In Struktur und Sprache ist er stark von den Anforderungen der EU-Struktur- und Kohäsionsfonds beeinflusst. Unter Federführung der Generaldirektion für Regionalentwicklung wird er nach den Politikfeldern und Regionen der späteren EU Politikfeld- und Regionalprogramme ausgeführt. Regionale staatliche Akteure spielen bei seiner Erarbeitung nur eine geringe Rolle, wenn auch regionale Dienststellen der verschiedenen Ministerien zur Formulierung beitragen.135 Etwas größer ist der Einfluss der CCDR. Die CCDR-Norteorte etwa hat in der Vorbereitungsphase zum Regionalentwick131

http://dn.sapo.pt/2004/10/29/pais/nobre_guedes_pode_privatizar_aguas_p.html 11/2004. 132 Vogelschutz: RL 79/409; Habitat: RL 92/43 u. 97/1962; umgesetzt in Portugal mit DL 140/1999. 133 González Gómez, Manuel: Medio Ambiente, políticas sectoriais e instrumentos financeiros en la UE [in: Sociedade e Território, Nº 31/32 (Dezembro 2000), S. 198–212, 2000] S. 206 f. 134 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Alentejo (Lisboa 1999). 135 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 103.

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lungsplan 2000–2006 eigene Vorschläge gemacht und diese in der Region in Dutzenden von öffentlichen Veranstaltungen zur Diskussion gestellt.136 Die etwa zweihundert Seiten starken Planungsdokumente der einzelnen Politikfeld- und Regionalprogramme steuern dann den Vollzug dieser Programme. Neben diesen mit dem EU-Rahmenprogramm in Zusammenhang stehenden Plänen spielen noch die Strategiepläne der EU für bestimmte Politikfelder eine Rolle. Sie werden in Portugal durch parallele nationale Strategiepläne aufgegriffen – etwa bei der Beschäftigungspolitik, der Klimaänderungen oder im Bereich der Nachhaltigkeit.137 Im Politikfeld Umwelt wird seit 1973 etwa alle vier Jahre ein EU-weites Umweltprogramm erstellt, in dem die Ziele der Union im Umweltbereich konkretisiert werden. Bis 2010 ist das sechste Umweltaktionsprogramm gültig, zu dessen Umsetzung in der Folge Normen verabschiedet und Förderprogramme aufgelegt werden.138 Im Politikfeld Raumordnung gibt es keinen EU-Plan, der die Raumordnungspläne in Portugal steuert. In Bezug auf eine korrekte Bodennutzung steuert die EU eher finanziell über ihre Beteiligung an Großprojekten. Diese müssen in Übereinstimmung mit den nationalen Raumordnungsplänen stehen und raumordnerische Gesichtspunkte bei den Umweltverträglichkeitsprüfungen einbezogen werden. Ein weiteres Beispiel für die Steuerung der Bodennutzung in Portugal ist das „Natura 2000“ Programm der EU, dessen Auswirkungen von einem Interviewpartner beklagt wurden: 23% von Portugal sind mittlerweile „Natura 2000“ Schutzgebiete. Wenn die EU diese Schutsgebiete wünscht, dann soll sie das auch dauerhaft bezahlen. Sie kann aber nicht zuerst Entwicklung durch die Beeinflussung der Bodennutzung verhindern und dann die Förderungen reduzieren.139 Nach Meinung eines Interviewpartners hat die Übernahme des Planungssystems der EU die staatlichen Akteure in Portugal stark verändert: Wie in anderen romanischen Ländern hatten die portugiesischen staatlichen Akteure früher große Analysen und Pläne bevorzugt, sich aber nicht um die Details der Umsetzung gekümmert. Durch die EU wurden sie gezwungen, nicht nur nebulos-allgemeine Pläne zu erstellen, sondern ganz konkrete Pro136 Cruz, Luís Braga da: Relações do Planeamento Regional com os outros Níveis de Planeamento, S. 129–142 [in: ISCSP, Instituto Superior de Ciências Sociais e Políticas et al. (Hg.): Forum 2000. Renovar a Administração. Estratégia e Planeamento na Gestão e Administração Pfflblica, (Lisboa 1995)] S. 128. 137 http://www.iambiente.pt/portal/page?_pageid=33,32142&_dad=gov_portal_ia &_schema=GOV_PORTAL_IA&id_menu=54&id_doc=0 02/2005. 138 Streinz, Rudolf: Europarecht (Heidelberg 2003) S. 402. 139 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003.

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jekte mittelfristig zu planen. Dadurch wurde ihr Handeln rationaler und gegenüber den Bürgern und anderen staatlichen Akteuren transparenter. Ein erfolgreiches Beispiel war die Einrichtung von Gemeindebibliotheken. Um EU-Mittel zu erhalten, legte das Ministerium die Ausstattung je nach Größe der Gebietsgemeinde fest, machte einen Zeitplan und sorgte für dessen Umsetzung. Ohne die EU hätten einzelne Bürgermeister unkoordiniert beim Gesamtstaat um Sonderfinanzierungen gebeten, wenn sie eine Bibliothek errichten wollten.140

III. Steuerung über Finanzen Wie auch in anderen Mitgliedstaaten ist in der Haushalts- und Inflationspolitik der Einfluss der EU in Portugal deutlich zu spüren. Schon um die Maastricht Kriterien für die Währungsunion zu erreichen, war eine drastische Reduktion der Ausgaben staatlicher Akteure notwendig.141 Es wurden damals kurzfristige Budgetsperren verfügt, die zu teilweise chaotischen Engpässen vor allem in Politikfeldern mit wenig EU-Mitteln führten.142 Indem die EU die staatlichen Akteure zum Sparen zwingt, wirkt sich ihre Förderung bestimmter Politikfelder und politischer Ziele besonders stark aus. Hier können dann nämlich ein paar der wenigen politischen Impulse gesetzt werden. Teilweise stehen in einzelnen Programmen dann so viel EU-Mittel in kurzen Zeiträumen zur Verfügung, dass es zur Hauptsorge für die portugiesischen staatlichen Akteure wird, sie unter Einhaltung der EU-Normen schnell genug ausgeben zu können. In der Vergangenheit häufiger und manchmal auch jetzt noch verfallen auf diese Weise EU-Mittel. Eine wesentliche Kennziffer in portugiesischen Quellen ist der „Vollzugsprozentsatz“, an dem man ablesen kann, wie weit das EU-Rahmenprogramm 2000–2006 bereits ausgeschöpft wurde.143 Dass dabei die eigentlichen Ziele des Programms leiden, ist nahe liegend. Häufig werden Projekte von einer Gebietsgemeinde nicht nach sachlichen Gesichtspunkten vorgezogen, sondern weil dafür eine Teilfinanzierung aus EU-Mitteln genehmigt wurde. Das Ergebnis ist, dass wichtigere Vorhaben gar nicht durchgeführt werden.144 140

Farias, João: Interview am 14. August 2003. The Economist Intelligence Unit (Hg.): Country Profile. 2001. Portugal (o. O. 2001) S. 19. 142 Organisation for Economic Cooperation and Development (Hg.): The effectiveness of public expenditure in Portugal. Economics department working papers no. 349 (Paris 2003) S. 10. 143 Ministério das Finanças (Hg.): Portugal. Grandes Opções Do Plano 2004 (Lissabon 2003) III-15. 144 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 115. 141

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

Dies bedeutet zwar, dass die EU ihr Steuerungsziel erreicht, da die von ihr geförderten Ziele vorgezogen werden, jedoch verfügen die Gebietsgemeinden eher über die lokalen Informationen und die demokratische Legitimation, um die Dringlichkeit von Projekten zu beurteilen. Die finanzielle Steuerung der EU wird andererseits durch die Reaktion der portugiesischen Akteure teilweise unterlaufen: Die EU fördert bestimmte Ziele finanziell und erstellt für die Zielerreichung Normen und Pläne. Die portugiesischen Akteure richten ihre Politik daraufhin auf diese Ziele so aus, dass Normen oder Pläne erfüllt werden und die EU-Mittel wirklich fließen. Die EU hat damit vordergründig ihr Steuerungsziel erreicht. Gleichzeitig werden nationale Mittel aber aus den geförderten Bereichen abgezogen und für andere Politikfelder oder Ziele ausgegeben. Am Ende haben sich zwar die Mittel staatlicher Akteure in Portugal insgesamt erhöht, aber diejenigen für die geförderten Ziele sind absolut oder anteilsmäßig gleich geblieben. Dieser Effekt tritt vor allem dann ein, wenn, wie im Falle Portugals, Förderungen langfristig und planbar fließen. Das Ergebnis ist, dass die EU direkt oder indirekt fast alle Politikfelder mitfinanziert und ihre Steuerungsziele nicht erreicht, obwohl die Steuerungsinstrumente inhaltlich sehr ins Detail gehen und hohe Kosten bei der Umsetzung verursachen. Einen nur oberflächlichen Erfolg der finanziellen Steuerung der EU aus dem Politikfeld Raumordnung zeigt folgendes Beispiel: Bis Anfang der 1990er-Jahre gab es in Portugal nur wenige Flächenwidmungspläne (PDM), weil sich die Gebietsgemeinden dafür einfach nicht interessierten und die Normen daher nicht vollzogen wurden. Gleichzeitig wurden Raumordnungspläne wegen der durch den EU Einfluss steigenden Bauprojekte immer wichtiger. Schließlich legte der Gesamtstaat mit DL 69/1990 fest, dass nur mehr die Gebietsgemeinden für EU-Mittel kandidieren können, die auch einen PDM haben. Dadurch wurden in sehr kurzer Zeit flächendeckend Raumordnungspläne erstellt.145 Es blieb keine Zeit, gesellschaftliche und private Akteure einzubinden und ihnen die Sinnhaftigkeit der Raumordnung zu vermitteln. Es konnte kein System langsam wachsen, in das alle Beteiligten Vertrauen hätten fassen können. Ohne die nötigen personellen Ressourcen waren außerdem schlechte Pläne das Ergebnis. Besser wäre es gewesen, für die wichtigsten Gebiete ordentliche Pläne zu erstellen. In der Folge wurden die wenig brauchbaren Pläne nicht vollzogen und die Akteure vertrauten einander nicht mehr.146 145 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003, Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003. 146 Soares, Luís Bruno: Pensar o Ordenamento do Território. Estratégias e Perspectivas, S. 142–149 [in: UNL, Universidade Nova de Lisboa. (Hg.): Pensar o Ordenamento do Território. Ideias, Planos, Estratégias, (Lisboa 2000)] S. 142 f.

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Direkt steuert die EU im Politikfeld Raumordnung, indem sie einzelne Raumordnungspläne von der EU mitfinanziert.147 Eine indirekte finanzielle Steuerung durch die EU besteht darin, dass sie über die Finanzierung Einfluss auf die Infrastruktur nimmt. Ein Projekt mit Aussichten auf EU-Förderung hat deutlich höhere Chancen, in einen Raumordnungsplan aufgenommen zu werden.148 Die finanzielle Steuerung der EU im Politikfeld Umwelt geschieht auf vielfältige Weise. Erstens müssen alle von der EU geförderten Projekte den Umweltschutz beachten, zweitens werden Umweltschutzprojekte direkt durch das Umweltprogramm und andere Förderprogramme finanziert. Neben diesen großen Finanzinstrumenten gibt es noch ein Dutzend weiterer Instrumente finanzieller Steuerung, die teilweise von der Generaldirektion Umwelt vergeben werden und in einem eigenen „Handbuch zur Finanzierung von Umweltprojekten“ zusammengefasst sind.149 Auch die europäische Investitionsbank und der europäische Investitionsfonds vergeben geförderte Darlehen und Bürgschaften für Umweltprojekte. Die finanzielle Steuerung der EU stellt ein beachtliches Prinzipal-AgentProblem dar und führt zu einem umfangreichen Kontrollsystem auf drei Ebenen: Erstens intern auf Ebene der Programmverwaltung, wo die Funktionen Verwaltung und Kontrolle getrennt sein müssen. Die zweite Kontrolle erfolgt extern durch die Verantwortlichen für einen EU-Fonds auf nationaler Ebene. Sie beurteilen auch das Kontrollsystem der ersten Ebene. In Portugal ist dafür die IGAT zuständig. Im Fall des Umweltprogramms ist vorgesehen, wenigstens Projekte in der Höhe von 5% der Gesamtmittel auf dieser Ebene zu kontrollieren. Die ersten beiden Kontrollebenen werden teilweise an private Unternehmen vergeben. Die dritte Kontrolle erfolgt durch den portugiesischen Rechnungshof, der auch die Zusammenarbeit mit den Kontrollinstanzen der Europäischen Union organisiert. Letztere behalten sich die Prüfung der nationalen Kontrollsysteme, die Kontrolle einzelner Vorgänge sowie die Möglichkeit vor, nationale Kontrollinstanzen Anlass bezogen zum Tätigwerden aufzufordern.150 Es wird behauptet, dass trotz dieser Kontrollsysteme die EU-Mittel auf zwei Ebenen Korruption geschaffen haben. Einmal bei den Gebietsgemeinden in der Umsetzung lokaler Projekte und dann beim Gesamtstaat, wo große Summen in Projekte umgesetzt werden müssen und dabei viel Spielraum für Betrug verbleibt.151 147

http://www.espigueiro.pt/douro-vinhateiro/piot_adv/08/2004. Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 149 http://www.eu.int/comm/environment/funding/pdf/handbook_funding_de.pdf 02/2005. 150 Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): QCA. Quadro Comunitário de Apoio III. Ambiente (Lisboa 1999) S. 74 f. u. 80. 151 Saldanha Sanches, José Luís: Interview am 16. August 2003. 148

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

IV. Die Europäische Union als Teil der „Europäischen Republik“ Der Begriff „Europäische Republik“ wird spätestens seit dem 18. Jh. und bis heute gelegentlich als Bezeichnung für ein zukünftiges europäisches Staatswesen verwendet.152 Hier wird der Begriff näher an der lateinischen Wurzel „res publica“ (öffentliche Angelegenheit) und damit inhaltlich in einem weiteren Sinn verstanden: Am Beispiel Portugals sieht man, dass es einen europäischen Einfluss gibt, der nicht auf das Handeln der EU zurückgeführt oder direkt einzelnen Akteuren zugeschrieben werden kann. Vielmehr gründet er auf der geplanten und ungeplanten Interaktion einer Reihe von Akteuren: EU, gesamtstaatliche regionale und kommunale Akteure, internationale Organisationen wie die OECD oder der Europarat. Ermöglicht und mitgestaltet wird diese Interaktion durch die Medien, Universitäten, andere gesellschaftliche Akteure, internationale Unternehmen und einzelne Bürger. Als Ergebnis dieser Interaktion kommt es zu europäischen Interpretationen historischer Erfahrungen und aktueller Probleme, zu europäischen Standards und Werten, zu einer Konjunktur politischer Themen und Modelle für den Modernisierungsprozess europäischer Staatlichkeit. Diese Gruppe von Akteuren und ihre gemeinsame europaweite Beschäftigung mit den „öffentlichen Angelegenheiten“ kann man als „Europäische Republik“ bezeichnen. Im Folgenden soll diese Europäische Republik für Portugal beschrieben werden: Schon lange vor der EU gab es einen europäischen Einfluss auf Portugals staatliche Akteure. Ein Beispiel sind die grundlegenden Reformen, die der Marquês de Pombal im 18. Jh. durchführte, nachdem er einige Zeit als Botschafter am Wiener Hof gelebt hatte und dort dem Einfluss aufgeklärter Ideen ausgesetzt war. Ein anderes Beispiel ist der starke Einfluss der französischen auf die portugiesische Republik nach 1910. Auch die Stabilisierung der portugiesischen Demokratie nach dem Umsturz 1974 war auf die Vorbildwirkung der anderen westlichen Demokratien zurückzuführen. Selbst das Gegenmodell der sozialistischen Staaten übte seinen Einfluss aus, erwies sich aber letztlich als schwächer. In den beiden letzten Jahrzehnten des 20. Jh. gab es einen starken kulturellen Einfluss durch das Vorbild höher entwickelter und besser organisierter europäischer Länder: mehr Leistungsbereitschaft, bessere Organisation, mehr Disziplin, mehr Bereitschaft zur Selbstkritik und Reformen, mehr Bürgersinn, Verantwortung und Nachhaltigkeit.153 In dem zentralen portugiesischen Planungs152

Vogt, Nicolaus: Ueber die Europäische Republik (Frankfurt a. M. 1789 – 1792), Collignon, Stefan: The European Republic. Reflections on the Political Economy of a Future Constitution (London, Gütersloh 2003).

C. Steuerung portugiesischer Akteure durch die Europäische Union

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dokument für die Jahre 2000–2006 werden genau diese Werte als Ziele vorgegeben.154 Transportiert wird der europäische Einfluss auch durch den persönlichen Kontakt der Portugiesen zu anderen Europäern. Andererseits gibt es traditionelle Charakteristika der Mentalität und der Organisationskultur privater und staatlicher Akteure, die stabil bleiben. Beispiele sind die Betonung persönlicher Beziehungen und die geringe Beachtung juristischer Normen.155 Die portugiesischen Akteure werden auch durch gesamteuropäische Konzepte, Themen und Verfahrensregeln beeinflusst, die man als Prinzipien bezeichnen kann. Beispiele für einflussreiche Prinzipien sind: Demokratie, Marktwirtschaft, Menschenrechte, Einbeziehung des Umweltschutzes in andere Politikfelder, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, das Subsidiaritätsprinzip. Teilweise haben diese Prinzipien auch normativen Charakter, werden aber nicht hauptsächlich in dieser Eigenschaft wirksam. Stattdessen müssen sich die portugiesischen Akteure als Teile der Europäischen Republik mit diesen Prinzipien auseinander setzen. Sie müssen nachweisen, dass ihre Pläne, Handlungen und Normen diesen Prinzipien entsprechen. Verletzungen dieser Prinzipien müssen vor der europäischen Öffentlichkeit verborgen oder gerechtfertigt werden. Wenn sich ein Akteur dauerhaft wenigstens verbal mit Prinzipien identifizieren muss, wird es für ihn irgendwann zu aufwändig, konsequent entgegengesetzt zu handeln. Diese Prinzipien finden sich deshalb mit zeitlicher Verzögerung in den Plänen, Normen und Handlungen portugiesischer Akteure wieder. Ein Beispiel ist die Karriere des Subsidiaritätsprinzips, das, ursprünglich auf die Beziehung zwischen EU und Mitgliedsstaaten angewandt, mittlerweile bei vielen Gelegenheiten auch zwischen portugiesischen Akteuren benutzt wird. Etwa in einem Abkommen zwischen den Interessenvertretungen der Gebiets- und Ortsgemeinden über Kompetenzübertragungen.156 Auch die zunehmende Bedeutung von Umweltthemen in Portugal war nicht nur auf bewusste Steuerung zurückzuführen, sondern auch auf die ständige Beschäftigung der portugiesischen Akteure mit diesem Ziel bei vielen Interaktionen mit der EU und anderen Mitgliedstaaten.157 Selbst das portugiesische Rechtssystem 153

Vieira, Armando Manuel Diniz: Interview am 19. Juli 2003. Ministério do Equipamento do Planeamento e da Administração do Território et al. (Hg.): Portugal. Plano de Desenvolvimento Regional 2000–2006 (Lisboa 1999) III-1. 155 Farias, João: Interview am 14. August 2003. 156 Protocolo entre a Associação Nacional de Municípios Portugueses e a ANAFRE do 6 de Decembro 2002, http://www.anafre.pt/anafre/pdf/protocolo_anafre_ anmp.pdf 07/2003. 157 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 98. 154

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Kap. 8: Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU

ist heute sehr offen für europäische Einflüsse, was sich auch am relativ raschen Übergang von französischen zu deutschen Einflüssen in den letzten Jahren zeigt. Sowohl im Studium als auch in der Legistik und der Rechtssprechung sind Bezugnahmen auf ausländische Vorbilder häufig und selbstverständlich. Durch die Öffnung zu Europa wurde es für portugiesische staatliche Akteure wichtig zu vergleichen, wo Portugal in einem bestimmten Bereich steht, und daraus Ziele abzuleiten. Ziele, die es vor dem Vergleich nicht gegeben hatte.158 Allgemein spielen Kennzahlen anderer Mitgliedsstaaten in Portugal als Referenzwerte eine große Rolle.159 Eine Interviewpartnerin bezeichnete es als den Haupteinfluss der EU, dass staatlichen und privaten Akteuren das Ziel gegeben wurde, das Niveau der höher entwickelten Mitgliedsstaaten zu erreichen. Dies ergab eine neue Kultur des Handelns staatlicher Akteure.160 Mehrere Interviewpartner waren der Meinung, dass der diffuse europäische Einfluss stärker sei als derjenige durch den Akteur EU: Die portugiesische Gesellschaft und auch der Staat haben sich in den letzten zwanzig Jahren stark verändert. Dies ist aber auf eine allgemeine Modernisierung nach europäischem Vorbild und nicht auf die Tätigkeit der EU als Institution zurückzuführen.161 Natürlich haben die EU-Mittel Portugal geholfen, wirtschaftlich zu wachsen, aber Mentalitäten werden so nicht verändert. Vielleicht noch am ehesten im Umweltbereich, wo der Einfluss der EU ganz entscheidend war.162 Insgesamt ist die EU trotzdem der zentrale Akteur der Europäischen Republik und hat in den vergangenen Jahrzehnten viel zu ihrer Festigung beigetragen. Umgekehrt unterstützt die Europäische Republik mittelfristig viele Ziele der EU, sollte sich aber auch bei Fehlentwicklungen kritisch zu Wort melden.

158 Caeiro, Teresa: Interview am 7. August 2003, Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 159 European Commission (Hg.): The EU Compendium of Spatial Planning Systems and Policies. Portugal (Luxembourg 2000) S. 98. 160 Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 161 Basso, Armando Frausto: Interview am 13. August 2003.; Carvalho, Isabel: Interview am 25. Juli 2003. 162 Neves, Maria Castanheira: Interview am 28. Juli 2003.

Kapitel 9

Hauptthesen In diesem abschließenden Kapitel werden neun wesentliche Ergebnisse der Arbeit als Hauptthesen herausgegriffen und zusammenfassend präsentiert.

A. Die Europäisierung verlief in Portugal wegen ihrer Verspätung intensiv und schnell Die wechselseitige Beeinflussung staatlicher und privater Akteure über die Grenzen von Gesamtstaaten hinweg ist seit Jahrhunderten ein wesentliches Merkmal Europas. Zu bestimmten Zeiten waren diese Interaktionen so intensiv, dass man von Europäisierung sprechen kann. Im Falle Portugals begann, wie in „Kapitel 8 – Interaktion portugiesischer Akteure mit der EU“ dargestellt, Mitte der 1970er eine solche Europäisierung. Als europäisches Land hat Portugal natürlich auch schon vorher die wesentlichen Entwicklungen auf dem Weg in die europäische Moderne mitgemacht und zu bestimmten Zeiten auch maßgeblich mitgestaltet. Eine Sonderentwicklung im Vergleich zu Mitteleuropa ergab sich im 19. Jahrhundert dadurch, dass die politische Auseinandersetzung zwischen Konservativen und Liberalen in jahrelangen Bürgerkriegen ausgetragen wurde. Dadurch fehlte die lange Friedensphase des 19. Jahrhunderts, in der in Mitteleuropa die staatlichen Akteure von den Universitäten bis zu den Nationalbanken stark institutionalisiert wurden und eine umfassende Industrialisierung und Modernisierung der Gesellschaft stattfand. Diese Modernisierung wurde selbst durch die schweren politischen und militärischen Katastrophen des 20. Jh. in Mitteleuropa nur zeitweise verlangsamt, mittelfristig sogar verstärkt. Portugal hingegen erreichte die Mitte des 20. Jahrhunderts mit einer außergewöhnlich hohen Analphabetenquote, einer vormodernen Landwirtschaft, Rückständen bei Technik und Industrie und staatlichen Akteuren mit Aufgaben, Fähigkeiten und Methoden des 19. Jahrhunderts. Durch die bewahrende Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik des Estado Novo entwickelte sich das Land in den Nachkriegsjahrzehnten dann deutlich weniger dynamisch als mitteleuropäische Länder. Nach dem Umsturz 1974 ermöglichten diese Änderungen bei den staatlichen portugiesischen Akteuren eine

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Kap. 9: Hauptthesen

späte, aber schnelle Europäisierung: Viele Portugiesen, die aus wirtschaftlichen und politischen Gründen das Land verlassen hatten, kehrten aus anderen europäischen Ländern zurück, durch den Massentourismus kamen Portugiesen auch daheim in direkten Kontakt mit anderen Europäern, europäische Waren wurden verstärkt konsumiert, Informationen ausländischer Medien verbreitet, der Lebensstil veränderte sich rasch. Der EU-Beitritt Mitte der 1980er-Jahre intensivierte die grenzüberschreitenden Interaktionen privater Akteure und führte zusätzlich zu einer Europäisierung der staatlichen Akteure: Umsetzung des europäischen Rechts und Modernisierung des nationalen Rechts, Vollzug von Plänen nach den Vorgaben der EU, Schwerpunktverlagerung bei den Politikfeldern, intensive Interaktion mit den staatlichen Akteuren anderer europäischer Länder und mit der EU. Eine zusätzliche Europäisierung ergab sich für die staatlichen Akteure durch die Interaktion mit den eigenen europäischer und moderner gewordenen Bürgern. Dies erfolgte einerseits über den politischen Prozess, andererseits durch die Überlagerung der traditionellen Verwaltungskultur durch die veränderte Alltagskultur der Mitarbeiter staatlicher Akteure. Dies alles führte zu einer Angleichung von Einstellungen und Handlungen portugiesischer Akteure mit denjenigen anderer europäischer Länder. Weil dieser Prozess spät begann, verlief er schnell und intensiv. Anstatt einer jahrzehntelangen Anpassung aus eigener Kraft wurde das fertige europäische Modell mit europäischen Ressourcen umgesetzt. Wegen der geringen Größe des Landes kam es zu einer relativ einseitigen Beeinflussung Portugals durch Europa. Heute hat Portugal seine im 19. Jahrhundert angelegte Sonderentwicklung weitgehend überwunden und ist in der europäischen Moderne angekommen.1

B. Die EU stärkt staatliche Akteure, besonders gesamtstaatliche Die EU hat insofern zu einer Veränderung der portugiesischen Akteurskonstellation geführt, als die staatlichen Akteure insgesamt stärker wurden. Sie erhielten zusätzliche Ressourcen und wurden durch die Interaktion mit der EU im Zuge der Verwendung dieser Ressourcen zu einer umfassenden Modernisierung gezwungen. Beides hat ihre Handlungsfähigkeiten, wie in Kapitel 8 Abschnitt „A. Veränderung von Konstellation und Interaktion portugiesischer Akteure“ deutlich wird, erweitert. 1 Dargestellt wird diese These vor allem in Kapitel 8 und hier insbesonders im Abschnitt 8.1.

B. Die EU stärkt staatliche Akteure, besonders gesamtstaatliche

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Vor allem aber hat die EU als Union von Gesamtstaaten die Position des portugiesischen Gesamtstaats innerhalb der portugiesischen Akteurskonstellation gestärkt. Die EU will in jedem Mitgliedsstaat einen zentralen Ansprechpartner, einen verantwortlichen Akteur für ihre normative und finanzielle Steuerung. Von dieser strategischen Position zwischen innerstaatlichen Akteuren und der EU haben die Gesamtstaaten der Empfängerländer besonders profitiert. Da dieser Ansprechpartner die gesamtstaatliche Exekutive ist, profitiert diese gegenüber Akteuren mit legislativen Funktionen. In Portugal heißt das konkret, dass der Gesamtstaat über seine Planungen und die Verwaltung der EU-Gelder z. B. darüber entscheidet, welche Projekte von Unternehmen oder Gemeinden gefördert werden. Für Letztere besteht in Bezug auf EU-Gelder kaum eine niedrigere Abhängigkeit vom Gesamtstaat als bei rein nationalen Geldern. Dadurch wirken die EU-Gelder als massive Ausweitung gesamtstaatlicher Ressourcen. Die daraus resultierende Stärkung des Gesamtstaats wird außerdem durch den Umstand vertieft, dass generell bei sehr ungleichen Konstellationen die dominierenden Akteure durch intensive Interaktionen noch dominanter werden. So kann ein dominierender Akteur seine Stärke in bestimmten Politikfeldern auch in anderen ausspielen und gewinnt dadurch insgesamt an Stärke. Die Intensivierung der Interaktionen innerhalb der portugiesischen Akteurskonstellation in Folge des EU-Beitritts hat also zusätzlich den Gesamtstaat gestärkt. Die These von der Stärkung der stärkeren Akteure bestätigt sich auch auf Gemeindeebene. Die Gebietsgemeinden profitieren von der EU-Mitgliedschaft Portugals durch zusätzliche Ressourcen und Zuständigkeiten ungleich mehr als die viel schwächer institutionalisierten Ortsgemeinden. Die Stärkung gesamtstaatlicher Akteure hat im Falle Portugals außerdem großen Einfluss auf das Verhältnis zwischen Hauptstadt und Peripherie. Der Grund dafür ist, dass der portugiesische Gesamtstaat seine Unterakteure, Ressourcen und Entscheidungen traditionell in der Hauptstadt zentriert. Dadurch wurde durch den EU-Beitritt auch die Hauptstadt gegenüber der Peripherie gestärkt. Dies erklärt, weshalb der EU-Beitritt die Verödung der portugiesischen Peripherie nicht umkehren konnte. Aufhalten kann man den Prozess der Stärkung der stärkeren Akteure nur durch gezielte Veränderungen an der Konstellation: Zusätzliche Zuständigkeiten und Ressourcen für die schwächeren regionalen oder kommunalen Akteure, abgesichert durch Vetorechte oder überproportionale politische Repräsentation in Finanz- und Kompetenzfragen. Eine solche geänderte Konstellation verändert auch langfristig die Interaktionen.

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Kap. 9: Hauptthesen

C. Staatliche Akteure haben in Portugal typischerweise parallele Zuständigkeiten Eine Besonderheit portugiesischer staatlicher Akteure ist ihre große Anzahl paralleler Zuständigkeiten, wie in Kapitel 2 Abschnitt „4. Parallele Zuständigkeiten“ näher dargestellt ist. Dies ist einerseits zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden der Fall, andererseits zwischen gesamtstaatlichen Akteuren verschiedener Ressorts oder unterschiedlicher Hierarchieebenen. Ein Beispiel für Letzteres ist die Zuständigkeitsverteilung in den Ministerien. Der Minister erhält per Gesetz alle Zuständigkeiten in seinem Ressort und macht durch Erlass seine Staatssekretäre für einzelne Angelegenheiten parallel zuständig, diese wiederum die Leiter von Oberbehörden, ohne jeweils die eigene Zuständigkeit aufzugeben. Bei der Übertragung von Zuständigkeiten an Gemeinden ist typisch, dass immer auch ein gesamtstaatlicher Akteur zuständig bleibt. So sind in der Raumordnung sowohl gesamtstaatliche als auch kommunale Akteure für den Vollzug der Pläne verantwortlich. Innerhalb der gesamtstaatlichen Akteure parallel die Generaldirektion für Raumordnung und die Fachabteilungen bei den CCDR. Die Häufigkeit paralleler Zuständigkeiten ist erstens auf politisches Misstrauen gegenüber den Gemeinden und anderen Ministerien zurückzuführen – zur Sicherheit behält man sich die Zuständigkeit selbst vor. Zweitens steht die Erfahrung großer Vollzugsdefizite bei der Steuerung über Normen und Pläne im Hintergrund. Parallel vollziehende Akteure sollen die Vollzugsdefizite verringern. Aus den Vollzugsdefiziten ergibt sich auch die Notwendigkeit von Steuerung über Personen, denen man in Gestalt von leitenden Mitarbeitern staatlicher Akteure einen Teil der eigenen Kompetenzen parallel überträgt. Personelle Steuerung funktioniert aber nur bei ähnlichen Interessen oder dem Aufbau einer persönlichen Beziehung. Dies ist bei den politisch besetzten Leitungsfunktionen in der Hauptstadt besser möglich, was die parallelen Zuständigkeiten zwischen Abteilungen des Ministeriums und der peripheren Dienststellen erklärt. Die Folgen des Systems der Parallelkompetenzen sind unklare und fehlende Verantwortungen, da bei paralleler Zuständigkeit niemand für schlechte Ergebnisse alleine verantwortlich ist. Außerdem verursachen bei mehreren staatlichen Akteuren parallel vorgehaltene Fähigkeiten zum Vollzug höhere Kosten. Auch unter Rechtsschutzaspekten sind mehrfache Zuständigkeiten problematisch. Dies ist prinzipiell als Problem erkannt und soll durch Art 24 Lei 4/2004 in Zukunft vermieden werden. Die Schaffung neuer Dienststellen darf demnach nur erfolgen, wenn es keine anderen Dienststellen gibt, die bereits ähnliche Aufgaben erfüllen. Der Finanzminister und der für die öffentliche Verwaltung zuständige Minister haben ein Vetorecht.

D. Innerhalb der staatlichen Akteure überlagern die Personen die Normen

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D. Innerhalb der staatlichen Akteure überlagern in Portugal die Personen die Normen Der Spielraum von Personen innerhalb staatlicher Akteure ist in Portugal erheblich und ihre persönlichen Interaktionen überlagern die Geltung von Normen, wie in Kapitel 4 Abschnitt „IV. Steuerung über Personen“ dargestellt. Auf politischer Ebene kann man von einer „Personalisierung politischer Macht“ sprechen. Öffentliche Güter werden über persönliche Beziehungen zwischen den Mandatsträgern, öffentlichen Beschäftigten und Privatpersonen verteilt, wodurch z. B. kommunale Mandatsträger nur mit persönlichen Kontakten erfolgreich sein können.2 Auch die Beziehungen zwischen Gemeinden und Gesamtstaat hängen oft weniger von Sachthemen ab, sondern von den daran beteiligten Personen.3 Die Steuerung über Normen und Pläne wird durch die Steuerung über Personen ersetzt, wodurch politische Ideen und Strategien durch persönliche Gefolgschaft überlagert werden. Außerdem kommt dies dem Streben öffentlicher Akteure nach Flexibilität in Einzelfallentscheidungen entgegen. Auch die große Bedeutung der Koordinierung gesamtstaatlicher Akteure über Begleitkommissionen ist eine Folge davon. Personen sprechen in diesen Kommissionen jeweils für einen staatlichen Akteur und handeln Lösungen aus. Die Koordination über Pläne und Normen spielt im Vergleich dazu eine geringere Rolle. Auch das Raumordnungsrecht betont heute weniger die klare Hierarchie von Plänen, vielmehr entwickelte es sich zu einem Verfahrensrecht, das Verhandlungen hin zu einem Interessenausgleich zwischen öffentlichen Akteuren regelt. Pläne einer niedrigeren Hierarchiestufe können gegen höherrangige Pläne verstoßen, wenn die verantwortlichen Akteure zustimmen.4 Der Nachteil für die Privaten ist die geringere Rechtssicherheit. Es ist weniger Verlass auf den einmal gefundenen Kompromiss zwischen den staatlichen Akteuren oder beispielsweise auf die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung. Umgekehrt ersetzen diejenigen Akteure, die dazu in der Lage sind, die mangelnde Rechtsdurchsetzung durch persönliche Kontakte und Verhandlungsmacht. Wenn z. B. ein Infrastrukturunternehmen eine Gemeindestraße beschädigt, bietet das Rechtssystem in der Praxis keine Abhilfe dagegen. Die Interessenvereinigung der Gebietsgemeinden ist aber in der 2 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 18 u. 181 ff. 3 Cruz, Fernando: Interview am 13. August 2003. 4 Oliveira, Fernanda Paula: Os princípios da nova lei do ordenamento do território. Da hierarquia à coordenação [in: Revista do Centro de Estudos de Direito do Ordenamento, do Urbanismo e do Ambiente – CEDOUA, a. 3n .1, S. 21–36, 2000] S. 21.

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Kap. 9: Hauptthesen

Lage, eine Verhandlungslösung herbeizuführen und in einem Rahmenvertrag für alle ihre Mitglieder abzusichern.5 Weitere Symptome für die starke Personalisierung staatlicher Akteure in Portugal sind, dass Zuständigkeitsübertragungen juristisch nicht zwischen Organen erfolgen, sondern zwischen Organwaltern, beruhend auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis.6 Auch das Verhältnis zwischen CCDR und Gebietsgemeinden hängt im Wesentlichen von den daran beteiligten Personen ab.7 Letztlich werden die staatlichen Akteure auch von den Bürgern als Gruppe von Personen, verbunden durch ein Geflecht persönlicher Beziehungen, wahrgenommen. Die Überlagerung von Normen durch Personen hängt mit den Vollzugsdefiziten von Normen und Plänen zusammen. Einerseits wird die Überlagerung von Normen durch Personen durch die hohen Vollzugsdefizite notwendig, andererseits schwächt diese Überlagerung den Vollzug der Normen zusätzlich: Die geringe Wirksamkeit der Normen gibt den Akteuren einen großen Handlungsspielraum, der zu einer weiteren Personalisierung staatlicher Akteure führt und eine Steuerung über Personen und Einzelfallentscheidungen notwendig macht. Dadurch wird die Wirksamkeit der Normen weiter verringert. Ein weiterer Nachteil ist, dass Einzelpersonen auch immer persönliche Interessen durchsetzen wollen und dies in einem System, das ihnen dazu Spielraum lässt, auch auf Kosten des Gemeinwohls anstreben. Die Personalisierung staatlicher Akteure ist allerdings seit langem Teil der historisch-politischen Tradition des Landes: Eine starke Personalisierung staatlicher Akteure und deren Interaktionen mit den Bürgern gab es schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der liberalen Ersten Republik, was zur gleichen Zeit in Spanien als „Fulanismo“ bezeichnet wurde. Zwar trat der konservative Estado Novo an, das „Kazikentum“ der 1. Republik zu beseitigen, aber ohne Parteien und gesellschaftliche Akteure zur Interessenvertretung verlagerte sich diese wiederum auf die persönliche Ebene. Die starke Personalisierung setzte sich auch nach dem Ende des Estado Novo fort und dauert bis heute an.8 Letztlich spiegelt die Überlagerung von Institutionen und Normen durch Personen bei den staatlichen Akteuren auch die Verhältnisse in der Gesellschaft insgesamt wieder.9

5 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 111 Februar 2003. 6 Caupers, João: Introdução ao Direito Administrativo (Lisboa 2000) S. 128. 7 Cruz, João Biencard: Interview am 12. August 2003. 8 Ruivo, Fernando: O Estado Labiríntico. O Poder Relacional entre Poderes Local e Central em Portugal (Porto 2000) S. 78 ff. 9 Ibid. S. 150.

E. Staatliche Akteure steuern andere staatliche Akteure leichter als Private

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E. Staatliche Akteure steuern andere staatliche Akteure leichter als Private oder gesellschaftliche Akteure Die Steuerung privater Akteure ist mit einer Reihe von Problemen verbunden, wie in Kapitel „B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure“ dargestellt wird. Das Handeln privater Akteure kann daher von staatlichen Akteuren schwerer gesteuert werden als dasjenige anderer staatlicher Akteure. Ursache dafür ist der Unterschied zwischen der prinzipiellen Handlungsfreiheit der Privaten und der Steuerungsorientiertheit staatlicher Akteure. Schon bei ihrer Entstehung werden staatliche Akteure zu ihrer rechtsstaatlichen und demokratischen Legitimation unter dem Gesichtspunkt der normativen Steuerung und der Steuerung durch politische Organe gestaltet. Als Konsequenz ist das öffentliche Recht wesentlich auch ein Steuerungsrecht. Umgekehrt sind private Akteure durch ihre große Anzahl und starke Heterogenität bei Interessen, Ressourcen und Fähigkeiten charakterisiert, was ihre Steuerung erschwert. Ihre Rechtsstellung garantiert ihnen möglichst große Bereiche, die frei von staatlicher Steuerung sind. Die vergleichsweise schwierige Steuerung Privater durch staatliche Akteure zeigt sich auch bei den dafür relevanten Erfolgsfaktoren: Akzeptanz der inhaltlichen Ziele staatlicher Steuerung, Identifikation der Privaten mit den staatlichen Akteuren in der Überzeugung, dass ihre eigenen Interessen durch die staatlichen Akteure vertreten werden, ausreichende Informationen (Kontrolldichte) über die zahlreichen Privaten durch staatliche Akteure, freiwillige Einschränkung der Handlungsfreiheit privater Akteure durch positive Anreize. Ein Beispiel für die Schwierigkeit der Steuerung Privater durch staatliche Akteure ist der Versuch, die Bürgerbeteiligung in Portugal von staatlicher Seite zu fördern. Trotz großzügiger gesetzlicher Regelungen, gezielter Information und materieller Unterstützung bleibt die Bürgerbeteiligung seit Jahren schwach ausgeprägt, wobei sich die im Beispiel relevante Steuerung von Privaten in Richtung aktiver Handlungen als besonders schwierig erweist. Zu spüren bekommen die Schwierigkeiten der Steuerung privater Akteure verstärkt die Gemeinden, welche keine staatlichen Akteure mehr haben, die sie steuern könnten. Sie interagieren gezwungenermaßen intensiver mit privaten und gesellschaftlichen Akteuren, was sich am hohen Anteil kommunaler Investitionen an den gesamtstaatlichen Investitionen zeigt. Um Schwierigkeiten zu vermeiden, konzentrieren sich EU und gesamtstaatliche Regierungen auf die Schaffung und genaue Steuerung staatlicher Akteure. Dadurch entstehen enge und professionelle Interaktionen zwischen staatlichen Akteuren. Auch die Organisation staatlicher Akteure wird stark an der Steuerung anderer staatlicher Akteure ausgerichtet, weniger an der

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Steuerung privater Akteure. Im Ergebnis funktioniert z. B. die Interaktion zwischen EU und gesamtstaatlichen Akteuren gut, die Interaktion der EU mit privaten Akteuren aber mangelhaft. Funktionierende Interaktion zwischen staatlichen Akteuren soll aber kein Ziel in sich sein, sondern nur ein Mittel zur Interaktion mit privaten Akteuren, um gesellschaftliche Veränderungen zu erreichen. Daher sollen sich staatliche Akteure den Schwierigkeiten der Steuerung privater Akteure stellen und sich nicht auf die bequemere Steuerung staatlicher Akteure verlegen.

F. Normative Steuerung kann in einer Negativspirale an Wirkung verlieren Normative Steuerung kann wie in Kapitel 7 Abschnitt „B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure“ aus mehreren Gründen fehlschlagen, die sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärken: • Starke Interessengegensätze zwischen staatlichen und privaten Akteuren wecken großen Widerstand gegen den Vollzug. • Qualitätsprobleme bei Normen und Plänen • Mangelnde Kontrollen und Sanktionen • Staatliche Akteure bevorzugen Einzelentscheidungen und vollziehen die eigenen Normen nicht. • Negative Einstellung der Privaten zu den steuernden staatlichen Akteuren Die aus solchen Gründen fehlgeschlagene normative Steuerung wirkt sich als zusätzliche Ursache auf die weitere Wirksamkeit normativer Steuerung negativ aus. Dadurch entsteht eine Negativspirale abnehmender Wirksamkeit, die sich am Beispiel Portugals zeigen lässt. Analytisch kann man diese Negativspirale bei der mangelhaften legistischen Qualität der Normen beginnen lassen, welche sich in folgenden Phänomenen ausdrückt: Unklarheit über den Geltungszeitraum, offensichtlich widersprüchliche Begrifflichkeit, unnötig wortreiche und komplexe Bestimmungen, fehlende Kodifizierung und häufige Abänderungen ohne Wiederverlautbarung10 sowie schlechte Trennung zwischen politischen Absichtserklärungen auf der einen Seite und echten normativen Inhalten auf der anderen. Die schlechte legistische Qualität führt dazu, dass Juristen ihre Arbeit weniger sorgfältig machen, die juristische und inhaltliche Qualität von wissenschaftlichen Aufsätzen ebenso sinkt wie von staatlichen Entscheidun10 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 89 Februar 2001.

G. In Portugal herrscht zwischen den Akteuren wenig Vertrauen

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gen. Dadurch verringert sich aber die Akzeptanz bei den privaten und staatlichen Rechtsunterworfenen. Durch nachträgliche Ausnahmeregelungen, Amnestien (z. B. bei Schwarzbauten oder illegal arbeitenden Ausländern) und Gesetzesänderungen, also der Anpassung der Normen an das Faktum ihrer Nichtbefolgung, nimmt deren Akzeptanz weiter ab. Weder Befolgung durch Private noch die Durchsetzung durch die staatlichen Akteure werden mehr ernst genommen. Gleichzeitig sichern sich staatliche Akteure Ausnahmen und befolgen bestehende Normen nicht, um praktische Einzelfallentscheidungen treffen zu können. In der Folge benutzt die Regierung Gesetzestexte immer stärker für symbolische Politik. Blumig werden neue Rechte verliehen und unrealistisch weitreichende Ziele öffentlich verkündet. Es kommt zu einer Inflation von Versprechen und Garantien, die nicht eingehalten werden. Dadurch steigt auch die Quantität der Normen, ihre Qualität sinkt weiter. Beispiele sind die immer ambitionierter formulierten Ziele in den Raumordnungsgesetzen, während sich die realen Zustände kaum bessern. Auch die Flucht vor der Realität in die Schaffung und Steuerung staatlicher Akteure in komplexen staatlichen Verfahren setzt ein. Durch die gleichzeitig für alle offensichtliche Nichtbefolgung geltender Normen sinkt ihre Akzeptanz weiter. Die öffentliche Nichtbefolgung geltender Normen durch staatliche Akteure tut ein Übriges. Der Vertrauensverlust in den Vollzug der Normen führt zu schwächerer Befolgung und dadurch zu weiterem Vertrauensverlust. Schließlich kommt es zu einem Vertrauensverlust der Bürger nicht nur in den Vollzug einzelner Normen, sondern in die staatlichen Akteure insgesamt. Am Ende steht eine Kultur mangelnder Normbefolgung und mangelnden Vertrauens zwischen den privaten und staatlichen Akteuren sowie zwischen den staatlichen Akteuren untereinander.

G. In Portugal herrscht problematischerweise zwischen den Akteuren wenig Vertrauen Wie unter anderem in „B. Probleme bei der Steuerung Privater durch staatliche Akteure“ dargestellt, sind Belege mangelnden Vertrauens zwischen staatlichen portugiesischen Akteuren: beabsichtigte Doppelzuständigkeiten, direkte Steuerung über Vertrauenspersonen statt normativer Steuerung, Bildung großer Koordinierungskommissionen zur gegenseitigen Kontrolle, Einzelfinanzierungen kommunaler Projekte durch den Gesamtstaat statt höherer Globalbudgets für die Gemeinden sowie die ex-ante-Kontrolle finanzieller Entscheidungen der Gemeinden durch den Gesamtstaat. Hinweise auf geringes Vertrauen der Bürger in staatliche Akteure sind die bei

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Kap. 9: Hauptthesen

europaweiten Umfragen niedrigen Vertrauenswerte in Portugal und das stärkere Vertrauen der Portugiesen in die EU als zu den eigenen nationalen Akteuren. Andere Beispiele sind die geringe Bereitschaft Privater zur Zusammenarbeit mit staatlichen Akteuren sowie die allgemeine Überzeugung, dass die Organwalter staatlicher Akteure ihre Eigeninteressen vertreten und Korruption vorherrscht. Negative Folgen des mangelnden Vertrauens zwischen den Akteuren sind höhere Vollzugsdefizite bei der normativen Steuerung, höhere Interaktionskosten durch umständliche Beteiligungsverfahren zwischen staatlichen Akteuren, höhere Informationskosten für staatliche Akteure durch die mangelnde Zusammenarbeit mit den Privaten und insgesamt eine geringere Effizienz staatlichen Handelns. Zudem ist mangelndes Vertrauen zwischen Bürger und Staat ein Problem für das Funktionieren von Demokratie. Vertrauen zwischen den Akteuren ist also ein hohes Gut, das schnell zerstört, aber nur mehr schwer wieder aufzubauen ist. Als Interaktionsorientierung ist Vertrauen schwer normativ zu beeinflussen und kann hauptsächlich durch neue Erfahrungen und nur mittelfristig verändert werden.

H. Politikfeldakteure sollen durch starke Territorialakteure ergänzt werden Ein Politikfeldakteur ist, wie in Kapitel 4 Abschnitt „A. Trend zu Territorialakteuren“ dargestellt, ein staatlicher Akteur, dessen Zuständigkeiten in einem oder mehreren inhaltlich eng verwandten Politikfeldern liegen. Dagegen ist ein Territorialakteur in einer Reihe von Politikfeldern tätig, sodass man von einer Gesamtverantwortung für ein Territorium sprechen kann. In Portugal sind traditionell diejenigen Akteure stark mit Ressourcen und Zuständigkeiten ausgestattet, die für ein Politikfeld verantwortlich sind, die Territorialakteure hingegen eher schwach.11 Dies nützt den Politikern, da die Lösung von Konflikten um Ressourcen und Zuständigkeiten zwischen Politikfeldakteuren nur durch sie erfolgen kann. Sie werden dadurch unentbehrlich und festigen ihre Position gegenüber der Verwaltung. Ein offensichtliches Problem zahlreicher und starker Politikfeldakteure mit sich überschneidenden territorialen Zuständigkeitsbereichen ist allerdings ihre Koordination für ein bestimmtes Territorium. Vor allem bei komplexen Problemen versagt die Koordination der Politikfeldakteure vor Ort. 11

Fundació Carles Pi i Sunyer d’Estudis Autono`mics i Locals (Hg.): La Reforma de la Organización Territorial de la Administracio`n del Estado Portuguès 2002) S. 6.

H. Politikfeldakteure sollen durch starke Territorialakteure ergänzt werden

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Außerdem erreichen bei der heutigen Dynamik der Politikfelder und dem raschen Wechsel von ministeriellen Gliederungen in Portugal (siehe Umweltbereich) Politikfeldakteure nicht mehr die notwendige institutionelle Kontinuität. Dies führt dazu, dass die vielen, aber schwachen Politikfeldakteure unterhalb der politischen Ebene Autoritätsprobleme in der Interaktion mit den Privaten bekommen. Ein weiterer Nachteil von vielen und starken Politikfeldakteuren ist, dass sie Reformen in einem Politikfeld erschweren. Ihre Existenz hängt an der Ausübung ihrer Kompetenzen in einem einzigen Politikfeld. Sie versuchen also, diesen Kompetenzbereich zu erhalten und werden daher im Eigeninteresse strukturkonservativ. Ein Territorialakteur, der in mehreren Politikfeldern tätig ist, kann hingegen intern Ressourcen umschichten, wenn eines seiner Politikfelder an Bedeutung gewinnt. Abstrakter ausgedrückt, erhöht die Anzahl der spezialisierten Politikfeldakteure die Summe ihrer institutionellen Eigeninteressen. Ein demokratiepolitisches Problem zu vieler Politikfeldakteure besteht darin, dass sie zwar die Interessen ihres Politikfelds intensiv vertreten mögen, aber nur sehr schwer extra für dieses Politikfeld legitimiert werden können. Territoriale Akteure können hingegen von den jeweils hauptsächlich betroffenen Bürgern einzeln legitimiert werden, die Interessen des jeweiligen Territoriums zu vertreten. Schlussendlich werfen starke Politikfeldakteure die Frage auf, welche Akteure nun eigentlich die Interessen eines bestimmten Territoriums wahrnehmen, da ja auch Private und gesellschaftliche Akteure nur ihre Einzelinteressen und nicht diejenigen eines ganzen Territoriums vertreten. Ein weiteres Problem liegt in der Steuerung von Territorialakteuren durch mehrere Politikfeldakteure, wie sich am Beispiel der Steuerung der Territorialakteure Gemeinden durch die gesamtstaatlichen Politikfeldakteure zeigt. Dies erfordert viel Koordination zwischen den gesamtstaatlichen Akteuren und wird mit zunehmenden Kompetenzen der Gemeinden komplizierter. Hier zeigt sich das Fehlen von regionalen Territorialakteuren, welche die Gemeinden auf ihrem Territorium effizienter steuern könnten. Augrund der oben angeführten Probleme mit der Vielzahl von Politikfeldakteuren gibt es in Portugal einen Trend zu Territorialakteuren. Ein Beispiel ist die Sozialpolitik, für deren einzelnen Bereiche hoch spezialisierte gesamtstaatliche Politikfeldakteure zuständig sind: Arbeitsmarktverwaltung, sozialer Wohnbau, Sozialhilfe, Drogenbehandlung, Kriminalitätsbekämpfung, Erwachsenenbildung, Gesundheitswesen usw. Wenn diese Bereiche nun für ein schwieriges Stadtviertel in einer konkreten Gemeinde in Kooperation mit gesellschaftlichen Akteuren stabilisiert werden sollen, gibt es große Koordinationsprobleme, zumal gar nicht alle gesamtstaatlichen Ak-

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Kap. 9: Hauptthesen

teure vor Ort vertreten sind. In der Praxis können nur die Gebietsgemeinden als Territorialakteure die notwendige Koordination leisten.12 Obwohl die Gebietsgemeinden bis Lei 159/99 und 169/99 nur Zuständigkeiten in einigen einzelnen Politikfeldern hatten, entwickelten sie sich ebenso in Richtung Territorialakteure wie die CCDR. Die Bedeutung beider Akteursarten beim Vollzug des komplexen EU-Rahmenprogramms wächst ebenfalls. Ein weiteres Beispiel ist der Vollzug der Spezialpläne im Umweltbereich: Die Politikfeldakteure sind zu schwach, um landesweit zu kontrollieren. Das müssen letztlich die Gebietsgemeinden machen. Ein Grund ist, dass es für einen Akteur, der nur in einem Politikfeld tätig ist, zu teuer ist, einen landesweiten Behördenunterbau aufzubauen. Bei den territorialen Akteuren können in mehreren Politikfeldern Serviceleistungen insgesamt effizienter erbracht werden. Das vor einigen Jahren gegründete portugiesische Institut zur Verwaltung und Veräußerung der gesamtstaatlichen Wohnungen (IGAPHE) überträgt zum Bespiel seine Immobilien nunmehr auf die Gebietsgemeinden.13 Auch 6.000 km des bisher gesamtstaatlichen Straßennetzes wurden vom „Institut für Bewirtschaftung und Erhaltung der Straßen“ (ICERR) auf die Gebietsgemeinden übertragen.14 Insgesamt erkennt man am Beispiel Portugals die Notwendigkeit, im Netzwerk der Politikfeldakteure starke territoriale Akteure zu schaffen, die als Handlungs- und Verantwortungszentren für ein Territorium dienen und die Politikfeldakteure koordinieren können. So wird auch dem Problem begegnet, dass sich Politik immer stärker in spezielle Politikfelder mit eigenen Akteuren ausdifferenziert. Auch die Bürger identifizieren sich viel eher mit einem Territorium als mit einem Politikfeld. Nur so kann ein Gemeinwesen durch die Identifikation von Bürgern, ihren Interessen und den staatlichen Akteuren zu deren Durchsetzung entstehen. Eine portugiesische Kommission für die Koordinierung der Politikfelder für bestimmte Territorien kam 2001 zu dem Schluss, dass die gesamtstaatlichen Politikfeldakteure von starken, demokratisch legitimierten Organen gesteuert werden müssten.15 12 Associação Nacional de Municípios Portugueses: Relatório de Actividades 1998–1999 (Tätigkeitsbericht der ANMP 1998–1999), (5. März 2000). 13 Boletim da Associação Nacional de Municípios Portugueses, Associação Nacional de Municípios Portugueses (Hg.). Nº 107 Oktober 2002. 14 Wobei für die Erhaltung ein fixer Preis pro Kilometer vereinbart wurde, so dass jährlich etwa 45 Mill e von den Gemeinden statt von einem gesamtstaatlichen Institut investiert werden. Dazu unterzeichneten ANMP und die Regierung des Gesamtstaates einen Rahmenvertrag, den das ICERR durch Einzelverträge mit den Gebietsgemeinden vollziehen wird. Dies gilt als Testphase für eine spätere vollständige Übertragung per Gesetz auf die Gemeinden. 15 Ministério da Reforma do Estado e da Administração Pfflblica (Hg.): Missão para a Reforma da Organização Territorial da Administração do Estado. Relatório Final, (o. O. 2001) S. 10.

I. Regionalisierung

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Diese Legitimation ist allerdings nur auf territorialer Ebene möglich, die Integration der Politikfelder am ehesten auf regionaler.

I. Eine Regionalisierung würde in Portugal die Lösung einer Reihe von Problemen ermöglichen Unter Regionalisierung wird hier die Schaffung von Regionen mit demokratisch legitimierten Organen an der Spitze einer Regionalverwaltung verstanden, ähnlich wie sie in Italien oder Spanien existieren. Als Anknüpfungspunkt für solche Regionen bieten sich etwa die fünf CCDR-Regionen an. Eine derartige Regionalisierung würde in Portugal die Lösung einer Reihe von Problemen ermöglichen: Erstens würde eine Regionalisierung die Interessenvertretung der peripheren Regionen gegenüber der Hauptstadt ermöglichen. Der portugiesische Gesamtstaat ist in der Hauptstadt zentriert und bevorzugt diese gegenüber der Peripherie. Gleichzeitig veröden periphere Regionen durch Landflucht in großem Umfang. Eine Regionalisierung würde hier Territorialakteure schaffen, welche die Interessen der peripheren Regionen gegenüber der Hauptstadt vertreten könnten. Die Interessenvertretung der dort lebenden Bürger würde auch zu einer Förderung des Vertrauens zwischen Bürger und Staat führen. Zweitens würde eine Regionalisierung die Integration von Politikfeldern für einzelne Territorien erleichtern. Die Regionen könnten in Portugal die Rolle der fehlenden Territorialakteure übernehmen und die nötigen Schwerpunkte im Netz der gesamtstaatlichen Politikfeldakteure bilden. Eine Koordination verschiedener Politikfelder für ihre regionalen Territorien wäre ihre Hauptaufgabe. Drittens würde durch eine Regionalisierung der Vollzug der EU Regionalprogramme erleichtert. In Portugal fehlen die Anknüpfungspunkte für die von der EU finanzierten Regionalprogramme. Die Regionen wären hier die idealen Akteure, um die EU-Regionalprogramme zu vollziehen. Viertens würde eine Regionalisierung die Steuerung und Koordination der Gemeinden verbessern. Die derzeit große Spanne zwischen Gesamtstaat und Gebietsgemeinden macht die Interaktion zwischen diesen Akteuren kompliziert. Der Gesamtstaat hat ein Informationsproblem vor Ort, die Koordination und Steuerung einer Gruppe von Gemeinden können die gesamtstaatlichen CCDR nur bedingt wahrnehmen. Das 2003 eingeführte System aus drei Arten von Gemeindeverbänden bietet derzeit nur für einen Teil der Politikfelder und Gebietsgemeinden Abhilfe. Eine Koordination der Territorialakteure Gebietsgemeinden durch die Territorialakteure Regionen hätte hier viele Vorteile. Fünftens würde eine Regionalisierung eine tief greifende Reform der gesamtstaatlichen Verwaltung ermöglichen. Die Einführung von Regionen mit eigenen Verwaltungen ist nur finanzierbar, wenn dafür ge-

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Kap. 9: Hauptthesen

samtstaatliche Akteure aufgelöst oder ihre personellen und finanziellen Ressourcen an die Regionen übertragen werden. Dadurch würde die gesamtstaatliche Verwaltung verkleinert, was eine wichtige Voraussetzung für eine Verwaltungsreform darstellt. Gleichzeitig würde der Zwang entstehen, die gesamtstaatliche Verwaltung außerhalb der Hauptstadt grundlegend zu reformieren und beispielsweise die Zuständigkeitsbereiche gesamtstaatlicher Akteure an denen der Regionen ausrichten. Parallel zu den bedeutenden Chancen der Regionalisierung ergeben sich aber auch große Risiken, die der status quo nicht mit sich bringt. Ein wesentliches Risiko ist die Verdoppelung der gesamtstaatlichen Verwaltung auf Ebene der Regionen, ohne dass es zu Reformen auf gesamtstaatlicher Ebene kommt. Ein weiteres Risiko sind mögliche Blockaden durch die Institutionalisierung unterschiedlicher Interessen durch die Schaffung von Regionen. In einer Volksabstimmung haben die Portugiesen 1998 die Regionalisierung abgelehnt. Die Bürger hatten die Risiken einer Regionalisierung gesehen, wegen ihres mangelnden Vertrauens in die staatlichen Akteure aber nicht an die Realisierung der Chancen einer Regionalisierung geglaubt.

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Quellenverzeichnis II. Verzeichnis der Interviews des Autors

Baga˜o, Maria Helena (Juristin der Interessenvereinigung der Ortsgemeinden (ANAFRE)): Unveröffentlichtes Interview vom 19. Juli 2003. Basso, Armando Frausto (Ingenieur, Mitarbeiter in einem GAT, Regionaldirektor für Raumordnung der Region Centro 1991–2001, Regionaldirektor für Umwelt der Region Centro): Unveröffentlichtes Interview vom 13. August 2003. Caeiro, Teresa (Anwältin, parlamentarische Mitarbeiterin der Fraktion der Volkspartei (Partido Popular), Gouverneurin von Lissabon): Unveröffentlichtes Interview vom 7. August 2003. Carvalho, Isabel (Beamtin in der Generaldirektion für Raumordnung, Vizepräsidentin der CCDR-Lissabon): Unveröffentlichtes Interview vom 25. Juli 2003. Cruz, Fernando (Betriebswirt, 12 Jahre Bürgermeister der Gebietsgemeinde Montemor-O-Novo im Alentejo, Präsident des Regionalrats der CCDR Alentejo, Stellvertretender Generalsekretär der Interessenvereinigung der Gebietsgemeinden (ANMP)): Unveröffentlichtes Interview vom 13. August 2003. Cruz, Joa˜o Biencard (Architekt, Leiter eines GAT, Vizepräsident der CCDR-Lissabon, Leiter der Generaldirektion für Raumordnung seit 1994): Unveröffentlichtes Interview vom 12. August 2003. Curto, Maria Helena dos Santos Lopes (zuständig für kommunale Angelegenheiten in verschiedenen Ministerien, stellvertretende Leiterin der Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten): Unveröffentlichtes Interview vom 8. Juli 2003. Farias, Joa˜o (Manager in der Privatwirtschaft, Europäische Kommission und Investitionsbank, Pressesprecher der EU-Komission in Portugal, 2000 beurlaubt und bis 2003 Vizepräsident der CCDR-Algarve): Unveröffentlichtes Interview vom 14. August 2003. Gomes, José (seit 1990 sozialdemokratischer Bürgermeister der Gebietsgemeinde Almeirim, Präsident des Gemeindeverbands Lezíria do Tejo, Präsident des Regionalrats der CCDR-Lissabon): Unveröffentlichtes Interview vom 1. August 2003. Neves, Maria Castanheira (Beamtin der CCDR-Centro seit deren Gründung 1979, heute dort zuständig für kommunale Angelegenheiten, Lehrbeauftragte an der juristischen Fakultät der Universität Coimbra): Unveröffentlichtes Interview vom 28. Juli 2003. Prates, Maria do Carmo (Unternehmerin in der Korkproduktion und Gründerin der „Fábrica das Festas“): Unveröffentlichtes Interview vom 4. März 2001. Real, Isabel Corte (Leiterin einer Generaldirektion in den 1980er Jahren, Ministerin für Verwaltungsreform, Direktorin des European Institute of Public Administration in Maastricht, Professorin an der portugiesischen Verwaltungsakademie (Instituto Nacional de Administraça˜o), Leiterin der Parlamentsverwaltung): Unveröffentlichtes Interview vom 15. Juli 2001. Rebelo, Joa˜o (Ingenieur, Vizepräsident der CCDR-Centro, Stadtrat von Coimbra für Raumordnung und Bauwesen): Unveröffentlichtes Interview vom 13. August 2003. Saldanha Sanches, José Luís (Universitätsprofessor für Finanzrecht, Publizist): Unveröffentlichtes Interview vom 16. August 2003.

Quellenverzeichnis

563

Vieira, Armando Manuel Diniz (Unternehmer, ehemaliger Abgeordneter zur Nationalversammlung, Präsident der Ortsgemeinde Oliveirinha in der Gebietsgemeinde Aveiro, Präsident der Interessenvereinigung der Ortsgemeinden (ANAFRE) seit 2002): Unveröffentlichtes Interview mit Heinz Meditz am 19. Juli 2003.

Sach- und Personenverzeichnis Abfall 43, 92, 94, 96–97, 101–102, 111–112, 217, 221–224, 228–229, 305–306, 313–314, 392, 394, 397, 443, 459–460, 462, 464, 522 Abwasser 95–96, 113, 148, 220, 222, 228, 359, 384, 397, 415, 459–460 Agrarschutzgebiet 242–243 Akteurzentrierter Institutionalismus 33 Alentejo 106, 108–109, 150, 224, 238, 326, 336, 502, 505–506 Algarve 106, 108–109, 120, 136, 183, 224, 237–238, 286, 297, 332, 375, 395, 470, 474, 497, 505–506 Altpapier 145, 224 Amtshaftung 407 ANAFRE 296–301, 317, 320–322, 340, 361, 365 ANMP 184, 188–189, 296–300, 320–322, 327, 330, 332–333, 335, 337–341, 349, 351, 359, 362, 365, 370, 372, 377–381, 392, 412, 420, 423 Anstalt 74, 394, 454–456 Aufsicht 59, 74–76, 78, 82, 87, 90, 92, 104, 110, 118, 134, 261–262, 305, 318, 330, 342, 355–360, 362, 370, 379, 389, 458, 513 Ausgaben 44–45, 49, 72, 91, 119–122, 135, 147, 164–168, 180–182, 190–191, 214, 222–223, 228–229, 269, 319, 387–388, 424, 472, 488, 494, 503, 508, 527 Autonome Inselregion 59, 504 Baugenehmigung 113, 119, 131, 292, 326, 362, 369, 375, 419, 422, 429 Bebauungsplan 189, 233–234, 244, 246–247, 249, 290, 320, 366, 390, 413, 428

Behörde 34, 48, 60, 62, 68, 99, 102, 195, 256, 280, 292, 331, 335, 362, 431, 438, 442, 465 Beihilfe 270–271 Beirat 70, 93, 96, 103, 159, 340, 449, 467, 477, 479, 489 Beschäftigte 38, 46, 58–59, 61, 66, 68, 70, 76, 78–80, 82–84, 90, 93–97, 99, 105, 107, 114–115, 122–124, 148, 153–154, 160–162, 168–171, 173, 176, 180, 182–183, 185, 189, 191, 193–195, 201, 212, 216, 218, 227, 229, 253, 262, 268, 271–276, 295, 298, 312, 328, 330, 332–335, 343, 357, 360–361, 368, 386, 453, 470, 474, 488, 496, 499, 503, 537 Bestandskraft 235, 250, 292, 375 Binnenmarkt 44–46, 218, 488 Budget 46, 70, 72, 76, 80–83, 106, 118, 124, 133, 147, 160, 166, 172, 178, 253, 267, 269, 300, 302, 317–318, 322, 335, 350–351, 435, 453, 492, 499 Bürger 36, 40, 46, 56, 60, 62–63, 69, 77, 97, 108, 110, 130, 132, 140–147, 162, 171, 178, 183, 186–187, 194–203, 205–209, 211–213, 218, 220–222, 230, 252, 254, 256, 282, 285, 288–289, 292, 320–321, 323, 341, 346, 350, 362, 375, 379–380, 400, 406–407, 410, 413, 423, 425, 428–431, 433–442, 444–451, 455, 459, 464–465, 467, 470, 491, 498–499, 501, 503, 511, 516–519, 523, 530, 541–542, 544–545 Bürgerbeteiligung 78, 112, 130–131, 138, 143, 159, 162, 202–204, 206, 209, 235–236, 238–240, 242, 247, 282, 288–289, 320, 369, 373, 379,

Sach- und Personenverzeichnis 399–400, 433, 437–442, 444–450, 468, 476, 524–525, 537, 539 Bürgermeister 63, 105, 114–116, 120, 124, 126, 128, 131–132, 134, 136–138, 177–178, 190, 205, 213, 259, 261, 299, 301, 304–307, 309, 319, 326–328, 333–337, 343, 349–350, 358, 360, 362, 368, 385, 417, 419, 445, 475, 490, 496, 500, 512, 527 Caetano, Marcelo 52, 430 CCDR 48, 62, 64–65, 76, 84, 86–87, 89–95, 97–109, 122–123, 137, 173, 183, 186–187, 189–190, 195, 198, 219, 224, 229–230, 236–239, 241–243, 247, 249, 251, 253–254, 256–258, 261–262, 265, 267, 278–280, 283, 286, 289–294, 296–297, 302–303, 305, 311, 315, 326, 328–329, 331–338, 340–341, 344, 347, 357, 359–360, 364–368, 373–375, 377, 383–385, 396, 415–417, 428, 440, 442, 463, 468, 470–474, 478–480, 496, 502–503, 505, 511, 514, 520–522, 525, 536, 538, 544–545 CCDR-Region 48, 62, 65, 86, 92, 104–105, 107–109, 122–123, 137, 173, 224, 236, 254, 256–257, 259, 267, 280, 305, 312, 331, 335–337, 340, 384, 428, 470, 473–474, 502–503, 505, 511, 522, 545 CCR 98–99, 106–107 Contratos-Programa 382–386 Demokratie 35, 40, 53, 61, 65, 75, 117, 132, 163, 178–179, 196, 202, 217, 275, 288, 313, 336, 356, 360, 378, 433–434, 445, 481, 517, 528, 530–531, 542, 544–545 Denkmalschutz 84, 88, 111, 159, 162, 237, 245, 285 Deutschland 32, 50, 52, 110, 132, 155, 180–182, 190–191, 193, 207, 218, 274, 342, 466, 487, 508

565

Dezentralisierung 61, 65, 109, 265, 269, 312, 350, 354, 356, 400 DGAL 94, 180, 183, 328–330, 383 DGOTDU 92–93, 189–190, 289–290, 292, 294, 299, 359–360, 365–366, 368 Dienstrecht 74, 76, 122, 137, 168, 272 Distrikte 53, 62, 66, 136, 138, 257, 296, 337, 340 Distriktsgouverneur 53, 66–68, 209, 257, 348, 357 Distriktsversammlung 66, 297, 337, 356 DRAOT 83–85, 87, 94, 99, 101, 103, 106–107, 125, 277–280, 333, 347, 359–360, 368, 378, 394, 414, 416 EAGFL 48 EFRE 48, 498 Eigentum 76, 78, 109, 113, 130–131, 143, 175, 204, 233, 337, 390, 394–395, 420–421, 426, 450, 456, 459, 468 Einnahmen 94, 106, 119–120, 133, 269, 380 Einstellung 34, 36, 124–125, 147, 153, 183, 185, 188, 195–197, 200–202, 204–206, 208–210, 212, 217–218, 221, 275, 318, 362, 389, 410–411, 427, 430–431, 433, 449, 465, 500, 534, 540 Einzelentscheidung 39, 93, 268, 276, 293, 344, 352, 379, 410–411, 420, 427, 540 Elite 51, 111, 362 Entwicklungsgesellschaft 113, 161–162, 490 Erlass 38, 115, 242, 287, 321, 344, 365, 400, 403, 409, 422, 484, 513, 536 Ermessen 210 Estado Novo 52–53, 74, 98, 110, 127, 149–151, 156, 168–169, 177–180, 185, 194–195, 197, 202, 208, 217, 220, 231, 244, 254, 266, 272, 317,

566

Sach- und Personenverzeichnis

335, 345, 382, 392, 406, 430–431, 434, 452, 480, 500, 533, 538 EU-Kommission 54, 87, 264, 513, 515, 521 Europäische Republik 530–532 Europäische Union 31, 33–39, 41–49, 53–54, 56–57, 72, 77, 80, 82–83, 87, 92, 94, 97–100, 103–104, 107, 109, 113, 119–120, 127, 133, 136, 139, 142, 147, 160, 162, 164–166, 169, 174, 181–182, 187, 190–191, 193–194, 197–198, 204–206, 211, 213–218, 220–225, 227, 230, 232, 238, 240, 244, 255–256, 258, 263–264, 267–269, 279–282, 284, 296, 298, 301, 305–306, 308, 331–333, 335, 337, 342, 344–345, 349–350, 357, 361, 363–364, 374, 378–380, 382, 384–386, 389–393, 396–398, 402, 406, 415, 417, 423–424, 436, 441, 453, 459–460, 462–463, 466, 471, 479, 487–497, 499–505, 507–508, 510–535, 539, 542, 544–545 Europäischer Sozialfonds 48, 120 Europäisches Raumentwicklungskonzept 47 Faschismus 52–53, 151, 406 Finanzautonomie 68, 72, 94, 270, 493 Finanzierungsinstrument 43, 50 Flächenwidmungsplan 93, 103, 131, 142, 172, 189, 211, 219, 233–235, 238–239, 243–248, 250, 284, 286–288, 290, 315–316, 320, 334, 364–371, 374–377, 379, 386, 411, 413, 427–428, 440, 446–447, 450, 468, 476, 478, 528 Fonds für Regionale Entwicklung 48 FORAL 104, 136, 386 Förderprogramm der EU 43, 87, 105, 240, 297, 331, 333, 335, 496, 514–516, 523, 526, 529 Frankreich 51, 66, 194, 248, 260, 274, 459, 480 Freguesia 131–132, 390

GAT 81–82, 98, 303, 331, 357, 360, 367 Gebietsgemeinde 38, 53, 63, 65, 67, 72, 77, 79, 86, 90–91, 93, 97, 99–100, 103, 105–106, 108–134, 136–140, 143–144, 161–162, 168, 176–178, 180, 182–190, 199, 205, 209–213, 219–220, 224, 227–228, 233, 235–249, 251, 253, 256–258, 275, 280, 283, 285–287, 289, 292–293, 296–332, 334–398, 401, 405, 408–410, 412, 414, 416–417, 419–423, 425–429, 434–435, 438, 440, 442, 445–446, 449–451, 455–460, 463–465, 468–469, 472, 474–475, 479–480, 490–492, 495–497, 503–505, 509–512, 514, 516, 522, 527–529, 535–538, 544–545 Gebietsgemeindeverband 114, 297, 301–303, 314, 316–317, 332, 395, 459, 514 Gebietsgemeindevertretung 114–117, 120, 178, 247, 251, 457 Gebietsgemeindevorstand 114–116, 120, 178, 246, 286 Gebietskörperschaft 53, 66, 83, 109–110, 253, 292, 309, 317–318, 322–323, 361 Gebühr 97, 103, 106, 115, 118–120, 133, 217, 305, 358, 376, 381, 394, 412, 437, 459, 462, 464, 479 Gemeindereform 110, 139–140 Gemeindeverband 332, 356 Gemeindevertretung 116–117, 128, 131–132, 134, 138, 299, 307, 319–320, 337, 356, 435, 440 Gemeindevorstand 117, 127, 131–132, 134, 247, 415, 435, 439, 449, 457 Gemeinschaftsinitiative 44, 491, 507–508, 511 Gemeinschaftsrecht 46, 437 Gemeinwesen 544 Gemeinwohl 141, 144, 205, 284, 288, 409, 418, 445, 447–448

Sach- und Personenverzeichnis Genehmigung 35, 67, 77, 80, 95–96, 101–102, 112–113, 115, 130, 134, 222, 238–239, 247, 250–252, 263, 269, 277, 280, 287, 291, 293, 330, 353, 363–364, 366–369, 371, 376, 379, 389–390, 392, 411–412, 438, 442, 463, 466, 512–513 Generaldirektion für kommunale Angelegenheiten 94, 180, 329, 493 Generaldirektion für Raumordnung und Stadtentwicklung 92–93 Generaldirektion für Regionalentwicklung 525 Generaldirektor 92–95, 190, 250, 272–275, 292, 295, 330, 360, 368, 421 Generalinspektion für die Gebietskörperschaften 81–82, 92, 292, 294, 357, 360, 529 Generalinspektion für die öffentliche Verwaltung 81–82 Generalinspektion für die Umwelt 83, 85 Generalinspektion für Finanzen 80–81, 269, 357, 387 Generalinspektion für Umweltangelegenheiten 83, 347, 414 Genossenschaft 149, 161, 462 GEOTA 158–159, 210, 267, 389, 425, 436, 445, 447–448, 479 Gerichte 50, 58, 80, 111, 177, 179, 206–207, 263, 348, 361–362, 403, 406, 408, 410, 417 Gesamtstaat 33–34, 36–38, 40, 51–53, 61, 68–70, 74, 77, 79, 86, 94, 97–98, 100, 104, 108, 110–111, 113, 120, 122–124, 126–127, 130, 133, 136–137, 139, 150, 164–165, 169, 172, 176–186, 188, 193, 209, 211, 213, 220, 222, 224, 228–229, 233–234, 239, 241, 243, 249–251, 253–254, 257, 262, 270, 283–285, 289–290, 293–294, 296–300, 302–303, 305–306, 310–314, 316–318, 320, 325–329, 331–334, 336–345, 347–352, 354–356,

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359–360, 362–364, 366, 368–382, 384–394, 398, 409, 420, 429–430, 435, 452–453, 462, 465–466, 470–472, 478–483, 485, 489, 491–492, 494–497, 500, 502, 504, 510–511, 522, 527–529, 535–537, 541, 545 Gesamtstaatliche Akteure 36, 42, 50, 59–63, 67–68, 73, 82, 97, 164–165, 171–172, 185, 189, 220, 239, 242, 248, 254, 258, 268–269, 284–285, 310, 326, 329, 333, 337–338, 340–341, 356–357, 359, 363, 366, 369, 372–374, 382, 385, 387–388, 408, 414, 429, 473, 513–514, 546 Geschichte 50, 220 Gesellschaftliche Akteure 33, 42, 53, 63–64, 85, 93, 100, 104, 120, 122, 140, 146, 148, 150–151, 156, 160–161, 163, 203, 221, 235, 247, 254, 256, 278, 319, 321, 329, 336, 414, 433, 441, 449–450, 455, 468–477, 479, 481, 484, 490–492, 497, 503, 509, 514, 516, 523, 530, 538–539, 543 Gesetz 38, 55–56, 111–112, 126, 131, 161, 177, 189, 236, 252, 260, 271, 275, 295, 302–304, 308, 310, 320, 322, 345–346, 351–352, 354–355, 357, 364, 388, 401, 403–404, 406, 410, 412, 416, 436, 439, 481, 524, 536 Gesetzesdekret 55, 57, 75, 85, 102, 112, 129, 203, 233, 240, 251, 351–352, 355, 393, 401, 403–404, 479 Gewerkschaft 52, 122, 148, 152–157, 163, 207, 470, 476–477, 481–483, 485, 489 Gleichheit 400, 405 Good-Governance 35, 417 Handlungsorientierung 34, 42–43, 126, 138, 141, 143, 145, 147, 149, 259 Handlungsressourcen 141, 143, 145, 147

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Sach- und Personenverzeichnis

Hauptstadt 41, 53, 60–61, 63–65, 80, 86, 92–94, 97, 150, 169, 173, 176–177, 179, 186, 229, 254, 264, 277–278, 290, 325, 328, 428, 496, 499, 502–503, 535–536, 545 Hierarchie 195, 235, 248–250, 537 Identifikation 196, 425, 433, 448, 539, 544 Informationsrechte 141, 151, 400, 407, 435–436, 476 Infrastruktur 71, 75, 87, 93, 111, 113, 121, 129, 166–167, 170, 209, 212, 216–217, 221–222, 230–231, 233, 235, 237, 239, 247, 293, 302, 317, 346, 367, 384, 392, 394, 396–397, 426, 453–454, 458–460, 463–464, 494–495, 508, 510, 529 Infrastruktursysteme 392–395, 397–398, 460 Institut für Abfall 96, 224 Institut für Meteorologie 102 Institut für Umwelterziehung 448 Institutionelle Eigeninteressen 43, 62, 64, 172, 255, 284, 288, 543 Interaktion 33–39, 42, 47–48, 63–64, 67, 94, 105, 109, 111, 118, 130, 139, 166, 180, 183, 219, 253–254, 257, 260, 271, 278, 280–281, 296–297, 301–302, 305, 310, 316–317, 325–326, 328–329, 331–334, 336, 340, 342, 349, 351, 367, 399–400, 446, 452, 462, 469, 473, 475, 482, 487, 489, 492, 496–497, 501, 514–516, 518, 521, 530–531, 533–535, 537–539, 543, 545 Interaktionsorientierung 183, 196, 210, 430, 433, 447, 542 Interessenausgleich 188, 284, 288, 537 Interessenkonflikte 34, 36, 76, 250, 254, 284–285, 425 Interessenvertretung 36, 41, 62, 86, 97, 123–124, 133, 136–137, 140, 156, 161, 180, 183–185, 189, 205, 212–213, 242–243, 258, 288, 296–301, 303, 310–312, 317–318,

321, 325, 327, 330, 332, 334–335, 337–342, 344–345, 348–349, 351, 353–354, 356, 359, 362, 365, 369–372, 375, 377–379, 385, 387, 389–391, 398, 420, 423, 426, 443, 455–456, 464, 466, 470, 472, 475, 479–480, 495–497, 509, 512, 531, 538, 545 Interkommunaler Raumordnungsplan 234, 239 Investition 61, 65, 72–73, 91, 94, 121–122, 147–148, 166–168, 184, 204, 216, 224–226, 228, 230, 234–235, 240, 245, 255, 266, 270, 289, 293, 302, 306, 308, 314, 324, 334, 338, 349–350, 360, 386, 396, 433, 458, 460, 463, 494–495, 508, 510, 517, 539 Investitionsprogramm des Gesamtstaats 72–73, 95, 104, 166, 168, 216, 268, 382 Justiz 71–72, 167–172, 216, 292 Kirche 51, 149–150, 480 Klimaschutz 43, 96, 283 Kohäsion 43–44, 48–49, 215, 225, 270, 281, 351, 397, 502, 504–505, 508, 513, 525 Kollegialorgan 97, 109, 132, 258, 262, 300, 401, 513 Kolonien 52–53, 149, 217–218, 266, 452 Kommunale Akteure 36, 42, 68, 109, 189, 326, 408, 434, 456, 469, 530, 536 Kommunaler Raumordnungsplan 151, 233–234, 244, 246–250, 274, 290, 320, 366–367, 369, 411, 413, 428 Konstellation 34, 36, 38, 60, 164–165, 171, 176, 190, 214, 219, 227, 253, 301, 313, 318, 487, 499, 534–535 Kontrolle 35, 39–40, 43, 51, 59, 61, 63, 72, 74, 77, 79–84, 95–97, 99, 101–104, 112, 115, 127, 134, 149, 161, 176, 190, 199–200, 260–261,

Sach- und Personenverzeichnis 268–269, 271–272, 277, 293, 312, 317, 321, 333, 346–347, 355, 357–359, 362, 377–378, 388, 394, 400, 403, 409, 411, 413–415, 417–418, 432, 452, 458–459, 465, 473, 481, 512–513, 519, 525, 529, 540–541 Konzertierung 85, 480, 484–486, 490 Koordinationsbeirat 66 Koordinierung 40–41, 57–61, 63–67, 96–98, 100–101, 104–105, 115, 174, 185, 226, 234, 239–240, 253, 255, 257–258, 281–282, 284, 287, 289–291, 296, 305–306, 308, 310, 315–316, 326, 331, 333, 341–342, 344, 350, 363, 365, 477, 481, 512–514, 517, 537, 542–545 Körperschaft 74, 302, 309 Korruption 195, 205, 208–209, 213, 263, 360–362, 430, 529, 542 Küstengewässer 283 Küstenregionen 231, 285 Landflucht 140, 231, 324, 409, 510, 545 Landwirtschaft 44–45, 48–50, 71–72, 148, 156–157, 159, 167, 170, 216, 225, 231, 237, 240, 242, 283, 424–425, 461, 473, 480, 482, 484, 505–506, 514, 521, 533 Lärm 96, 101, 113, 223, 227 Legistik 96, 329, 346, 521, 532 Legitimation 35, 38, 42, 63, 65, 100, 111, 116–117, 124–125, 127, 131–133, 136–137, 186–187, 258, 284, 289, 297–301, 304, 312–313, 318, 323–324, 326–327, 329–330, 336–337, 343, 346, 356, 358–360, 362, 366–367, 388, 399, 433–434, 445, 450, 475, 477, 480, 503, 516, 528, 537, 539, 545 Lissabon 43, 48, 67–68, 79, 86, 106–108, 114, 119–120, 122, 124, 136, 138, 150, 153, 158, 160, 171, 177, 224, 230, 232, 237, 244, 264, 307–308, 310–311, 313, 315, 334,

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348, 361, 366, 384, 410, 468, 473, 507, 510–511, 521 Luftverschmutzung 96, 101, 113, 227, 463, 465 Medien 45, 75, 151–152, 196, 205, 207, 211–212, 236, 361–362, 403, 440, 442, 471, 482, 485, 510, 530, 534 Menschenrechte 56, 79, 146, 152, 282, 402, 405–407, 411, 451, 531 Metropolitangebiet 227 Metropolitanverband 104, 109, 140, 237, 239–240, 242, 296, 302–303, 305–315, 329, 356, 410 Ministerium 34, 36, 38, 47, 57–60, 62–65, 67, 69, 72–73, 75–76, 81, 86–92, 94, 97, 99–100, 102, 105, 149, 164–170, 174–175, 185, 187, 192, 209, 216, 219, 230, 233–234, 237, 240, 242, 244, 258, 261–262, 264–265, 271–272, 274–275, 277, 281–283, 286–287, 289–295, 303, 310–311, 325, 328–330, 332, 337, 339, 356, 360, 367–368, 371, 373, 384, 397, 401, 416–418, 454, 461, 473, 480, 484, 496, 498, 505, 513, 525, 527, 536 Ministerium für Umwelt und Raumordnung 58, 65, 86–90, 168, 265, 278–279, 282, 287, 292–293, 341, 356, 358, 367, 389, 392 Ministerrat 47, 57, 98, 174, 221, 237, 239, 247, 251, 269, 366, 445, 448, 513 Misstrauensvotum 117 Mitgliedsstaaten 42, 44, 46–49, 214–215, 418, 425, 531–532 Modernisierung 37–38, 142, 150, 169, 184, 198, 203, 384, 391, 396, 454, 463, 466, 499–500, 532–534 Nationaler Raumordnungsplan 235, 238 Nationalversammlung 54–56, 59, 80, 85–86, 93, 112, 151, 179, 207, 220,

570

Sach- und Personenverzeichnis

236, 259–260, 267, 339, 351–352, 401–404, 407, 411, 434, 436, 481, 486 Natura 2000 142, 526 Naturschutz 43, 83, 91–92, 94, 100–101, 114, 159, 219, 227, 233, 283, 314, 389, 525 Naturschutzgebiet 94, 103, 112–114, 224, 242–243, 291–293, 314, 371, 373, 378–379, 412, 418–419, 423, 438, 454, 508, 510 Naturschutzgebiete 84, 94–95, 101, 104, 112, 114, 142, 204, 219, 222–223, 227, 233–234, 241–243, 291, 299, 305, 344, 367, 371, 373, 377–378, 389, 438, 441 Naturschutzinstitut 84–85, 94–95, 278, 291, 367, 378 Nichtregierungsorganisation 101, 443, 448 Norm 32, 34–35, 38–39, 42, 45–46, 55, 58–59, 72, 77, 90, 93, 95, 126, 131, 141, 143, 161, 179, 195–196, 198, 200, 203, 208–210, 243, 251, 254, 259–261, 266, 271, 276–277, 284, 288, 293, 306, 326, 339–340, 342–344, 347, 349, 360, 368, 374, 378, 399–401, 403–404, 406, 408–409, 411–412, 414–415, 417, 423, 427, 430–432, 436, 439, 455, 457, 465, 467, 469, 483, 489, 496, 499–500, 513–514, 517–518, 520–524, 526–528, 531, 536–538, 540–542 NUTS 108, 256 OECD 103, 153, 191, 193, 225, 395, 414, 417, 424, 455, 477, 530 Ombudsmann 55, 85, 407, 448 Organe 34, 40, 43, 47–48, 60–61, 66, 69, 75, 80, 100–101, 105, 109, 114–117, 131–134, 163, 172–175, 179, 195, 259–261, 265, 267–269, 271–272, 276, 294, 298–299, 304–305, 308, 310, 339, 346–347, 358, 400, 415, 427, 434, 440, 451,

468–469, 480, 484, 512–513, 516–517, 522, 538–539, 544–545 Organhaftung 407 Organisation 33, 39, 43, 56–57, 87, 105, 114, 130–131, 153, 158, 161, 171, 179, 226, 260, 263, 265–266, 270, 273, 297, 303, 341, 343, 471–472, 480, 489, 501, 515, 520, 530, 539 Organwalter 55, 75, 111, 117, 132, 195–196, 214, 262, 276, 299, 327, 416, 457, 503, 519, 542 Organzuständigkeit 261, 346, 348 Ortsgemeinde 36, 73, 104–105, 109–111, 115–116, 119–123, 127–140, 164, 178, 180, 182, 184, 186, 205, 209, 212–213, 275, 296–301, 308, 313, 316–324, 329, 333, 335, 337–338, 340–341, 343, 345–346, 348, 352, 354–356, 361, 365, 379–382, 390–392, 405, 412, 434–435, 442, 455–456, 472, 474–475, 496–497, 519, 531, 535 Österreich 32, 50, 132, 155, 180–182, 190–191, 194, 207, 260–261, 342, 505 Partei 52, 54–56, 67, 116, 128, 132, 150–151, 183, 207, 209, 211, 263, 301, 319, 327–328, 339, 343, 353, 361, 403, 418, 434–435, 438, 482–483, 485, 538 Peripherie 41, 60, 150, 218, 255, 285, 502–503, 535, 545 Personalausgaben 80–81, 83, 107, 121, 136, 167, 191–194, 229, 494 Planungsministerium 86, 98, 512 Politikfeldakteur 40, 89, 235, 253–257, 279–280, 284, 287–288, 325, 341, 415, 542–545 Politikfelder 31–33, 36–37, 40–47, 50, 57, 59–62, 64, 67, 82–89, 91–93, 96–100, 102, 111–112, 114, 116, 125–126, 129–131, 141–147, 162, 166, 168–169, 172, 174, 185–186, 188–189, 199–200, 203, 209, 211,

Sach- und Personenverzeichnis 213, 216, 219–220, 224, 228–230, 233–235, 240, 253–257, 259, 264–265, 267, 274–276, 278–279, 281–284, 286–287, 290–291, 293–294, 298–299, 302–303, 306, 313–315, 319, 331, 333, 337, 341, 344, 346, 348–349, 351, 353, 355, 357, 359–360, 367, 372–373, 389, 397, 403, 408, 413–415, 417, 433, 436, 439, 441, 446–448, 469–470, 473, 476–477, 499, 501, 504–508, 510, 512, 514, 519–521, 523–529, 531, 534–535, 542–545 Politikfeldplan 240, 368, 379 Politikfeldpläne 93, 96, 103, 230, 238, 240, 245, 249–250, 287, 293, 316, 344, 364, 429, 463 Popularklage 143, 407, 450–451, 477, 523 Private Akteure 36, 39–40, 42, 73, 76, 81, 83–85, 103, 112, 120, 131, 140, 143, 147, 150, 164, 189–190, 197, 199, 203, 209–210, 233–234, 239, 245, 251, 260–261, 268, 270, 293–294, 319, 346, 376–377, 381, 393, 398–401, 407–412, 414–415, 418–433, 439–440, 448, 450, 454, 457–459, 461–462, 465, 467, 469, 472, 474, 477, 487, 489, 499, 501, 505, 523, 528, 537, 539–543 Privatisierung 72, 77, 79, 153–154, 202, 402, 453, 461, 485 Privatrechtsform 78–79 Public-Private-Partnership 118, 394, 454, 488 QUERCUS 158–159, 415 Rahmenprogramm 43, 49, 216, 224–225, 281, 441, 464, 479, 487, 495, 498, 504–505, 507–508, 514, 516, 521, 525–527 Raumordnung 31–32, 36, 46–47, 50, 55, 59, 62, 64, 71–72, 76, 82–95, 97, 99–100, 102–103, 111–114, 116, 125–126, 129–131, 141–144, 147,

571

158–159, 167, 169–170, 172, 185, 188, 190, 209–210, 216, 219, 227–230, 232–235, 240, 243–244, 246–247, 249–250, 252–253, 257, 264, 278, 282–284, 286–294, 298–299, 301, 303, 306, 313–315, 319, 331, 333–334, 340–341, 344, 346, 349, 355–357, 359–360, 363, 367, 369, 371–374, 378, 384, 389, 407–408, 411, 413–416, 418–421, 423, 425–427, 430–433, 438–439, 446–451, 463, 468–469, 476, 478–479, 501, 507–508, 510, 523, 526, 528–529, 536 Raumordnungsinstrument 114, 188, 229–230, 233–235, 239, 244–245, 250–251, 287, 292, 365, 368, 378, 409, 413, 428, 447 Raumordnungsplan 90, 93, 103, 112–113, 115–116, 125–126, 130–131, 142, 189, 210–211, 219, 221, 233–236, 238–242, 244, 249–251, 285, 287–290, 292, 294, 315, 319–320, 344, 349, 355, 360, 362–365, 367–369, 371, 374–378, 389–390, 400, 408, 416–417, 419, 422–423, 426–427, 429, 440–441, 478, 526, 528–529 Rechnungshof 76–78, 80–81, 134, 137, 190, 268, 357, 388, 529 Rechtsschutz 400, 406 Rechtsstaat 32, 34, 195, 202, 259, 346, 430, 539 Rechtssystem 32, 531, 537 Rechtswidrigkeit 368 Recycling 96, 102, 224, 460 Referendum 311, 435 Reform 35, 41, 105, 173, 176–177, 195, 201, 209, 211, 235, 245, 250, 265, 269–270, 272, 297, 309, 324, 335–336, 358, 402, 485–486, 500–501, 520, 522, 530, 543, 545 Reformkommission 61–62, 64, 69, 171–172, 176, 257, 260 Regierung 34, 39, 43, 51–57, 65–67, 72, 74, 80, 85, 93, 97–99, 105, 112,

572

Sach- und Personenverzeichnis

149–150, 173–174, 176–179, 183, 198–199, 206, 209, 211–212, 217, 231, 235, 238–240, 242, 252–253, 257–260, 264–266, 270–272, 274–275, 278–280, 282, 284–285, 288–290, 292, 295, 297–298, 311, 322, 327–328, 332, 334–336, 338–340, 349–350, 352, 356–358, 366, 368–369, 375, 378, 385, 393, 396, 401, 403–404, 411, 418, 429–430, 434, 453, 461, 463, 476, 480–482, 484–486, 493, 502, 512, 516–517, 520, 539, 541 Regionaldirektion für Raumordnung und Umweltschutz 394 Regionalentwicklungsplan 98, 104, 239, 334, 382, 525 Regionaler Raumordnungsplan 90, 103, 112, 211, 233–239, 248, 250–251, 284–287, 289–292, 294, 308, 315–316, 335, 363–365, 367–371, 374, 376–377, 426, 428, 440, 446, 468 Regionalisierung 40, 184, 255, 289, 334–335, 353, 402, 434, 503, 545 Regionalprogramme 41, 104, 256, 258, 504–507, 509, 512, 514, 525, 545 Regionen 40, 43, 48, 61–62, 65, 67, 86, 98, 100–101, 104, 107–109, 120, 136, 150, 155, 161, 174, 182, 185, 211, 224, 229, 231, 235, 237–238, 255, 257, 259, 265, 277, 284–285, 289–291, 294, 297, 301, 312–314, 324, 333–337, 348, 468, 470, 473, 492, 497–498, 502–503, 505, 507, 511–512, 514, 516, 525, 545 Regulierung 91–92, 94, 283, 395, 403, 455, 464, 483–484, 489 Regulierungsinstitut für Wasser und Abfall 93, 96–97, 394, 464 Religionsfreiheit 150 Respekt 135, 183–184, 187, 206, 208–210, 356, 413 Ressourcen 34, 36–38, 40, 43–44, 46–48, 50, 52–53, 60–61, 63–65,

67–69, 74, 90–91, 95, 106, 110–111, 119, 124–125, 127, 135–141, 143, 145, 147–148, 162, 164–165, 171–174, 178–181, 183, 190, 194, 198–199, 204, 210, 214, 228, 241, 253–255, 257–258, 261, 265, 267–268, 277–280, 282, 294, 296, 304, 307, 309–310, 313–314, 316, 318, 322, 325, 328, 331, 337, 343, 345, 348–351, 357, 363–364, 381–382, 386, 388, 390, 414–415, 422, 467–468, 487–489, 491, 497, 499, 501–503, 512–513, 517–520, 522, 524, 528, 534–535, 539, 542–543, 546 Richtlinie 43, 103, 227, 262, 276, 283, 345, 369–370, 378, 413, 418, 427, 436, 441, 490, 520–522, 524 Salazar, António Oliveira 52 Schadenersatz 377, 407, 451 Schwarzbauten 104, 116, 409, 417, 541 Selbstverwaltung 59, 68, 162–163, 345 Sozialismus 111, 197, 311, 402, 406, 483 Sozialpartner 85, 157, 297, 336, 340, 478, 481–485, 489, 513, 515 Sozialversicherung 164–166, 192, 453, 482 Spezialplan 90, 103, 112–113, 189, 233–234, 241–242, 248–249, 251, 287, 291–292, 294, 316, 363, 365, 371–373, 377, 379, 440–441, 478, 544 Staat 31–32, 34, 53, 77, 79, 149, 151, 162, 195–199, 203, 206, 208–211, 254, 259, 350, 353, 397, 406, 408, 422–423, 430, 432–433, 448, 463, 469–470, 477, 483, 490, 505, 530, 532, 542, 545 Staatliche Akteure 31–32, 35, 37–40, 46–47, 52, 58–59, 76, 78–80, 83, 85, 97, 107, 115, 118, 127, 131, 138–141, 143, 145–148, 161–162,

Sach- und Personenverzeichnis 164–165, 174, 176, 181–182, 190–201, 203–206, 208–211, 216, 218, 223, 226, 228–229, 233, 236, 238, 240–241, 247, 255–257, 259–261, 267–272, 275, 285, 288–289, 293, 297, 306, 311, 323–324, 346–347, 370, 375–376, 394, 399–400, 405, 407–408, 410–411, 415, 418–421, 423–424, 426–427, 430–433, 435, 437, 439, 444, 446, 448–450, 452–454, 459–460, 462–464, 466–470, 474, 476–477, 479, 482, 488–489, 491–492, 499–501, 503–505, 511, 515, 517–519, 521–523, 525, 527–528, 530–532, 534, 536–542 Staatliche Unternehmen 36, 74, 78, 272, 452–453 Staatsaufgabe 173, 282, 347–348 Staatsrat 85, 407 Staatssekretär 38, 57, 81, 86, 92, 174, 196, 257, 272, 274, 276, 328, 384, 536 Staatszielbestimmung 260, 407 Ständestaat 151, 156, 178 Steuern 118–120, 133–134, 177, 358, 380, 423, 425, 485, 519 Steuerung 31, 34–35, 37–41, 43, 60, 63–64, 69, 72, 85, 97, 172–175, 179–180, 187, 195–200, 206, 208–209, 215, 228, 241, 246, 253–254, 259–261, 266–273, 276, 278–279, 282–284, 292–294, 325, 340–344, 349, 363, 365, 373, 376, 379, 386–392, 397, 399, 408, 411, 414, 418, 423–425, 427, 430–433, 441, 462, 469–470, 482, 485, 487–488, 492–493, 496, 499, 501, 503, 517–523, 525–529, 531, 535–543, 545 Steuerungsebene 253, 259, 269, 282, 293, 325, 392, 518 Steuerungsinstrument 43, 147, 267, 369, 381, 385, 391, 423, 425, 466, 528 Steuerungsprozess 35, 519

573

Strafrecht 116, 200, 203, 362, 416–418, 483 Strategie 39, 43, 65, 226, 239, 259, 266–267, 283, 287, 298, 490, 494, 503, 507, 537 Streik 153–154, 483 Strukturmaßnahmen 44, 50 Subsidiarität 187–188, 241, 323, 350, 457, 517, 531 Territorialakteur 40, 89, 253, 257, 284, 433, 542–545 Trinkwasser 113, 118, 131, 203, 225, 228, 245, 359, 374, 392, 397–398, 459–461 Umorganisation 265 Umweltaktionsprogramm 43, 526 Umweltinstitut 158, 160, 276–279, 347, 442, 446, 448, 465, 471–472, 478, 509 Umweltministerium 82, 86, 99, 102, 187–188, 203–204, 211, 220, 267, 278, 281, 367, 395, 417, 425, 465, 479, 492, 514 Umweltpolitik 46, 101, 221, 225, 281–283, 350, 424, 476, 524 Umweltprogramm 267, 279–280, 284, 441, 471, 493, 508–509, 511, 513–515, 526, 529 Umweltrahmengesetz 86, 89, 103, 126, 186, 220–222, 281–282, 344, 416, 437, 442, 452, 476 Umweltschutz 31, 36, 43, 46, 49, 83, 86–87, 89, 92, 94–96, 99–102, 111, 126, 129, 143–144, 146–147, 199, 204, 219–222, 224, 226, 228, 276, 278, 282, 298, 334, 342, 346, 353, 357, 389, 441, 444, 448–449, 461, 470, 477, 479, 508, 513–514, 521–524, 529, 531 Umweltschutzmaßnahmen 147, 466 Umweltschutzorganisation 96, 146, 158–161, 211–212, 228–229, 242, 267, 279, 389, 415, 424–425, 436,

574

Sach- und Personenverzeichnis

445, 447–448, 452, 470–472, 474–476, 478–480 Umweltverschmutzung 222, 282, 521, 524 Umweltverträglichkeitsprüfung 43, 47, 83, 95–96, 101, 104, 143, 145, 219, 221–222, 291, 314, 367, 438, 441–442, 444, 448, 460, 463, 477, 514, 524, 526 Unternehmen 35–36, 38, 42, 68–69, 72–74, 76–79, 81, 83, 95, 97, 115, 118, 131, 134, 140, 143, 147–148, 151–157, 160, 166, 169, 171, 190– 191, 193–194, 198–200, 203–204, 206, 211–212, 228–229, 266, 270– 271, 279, 301, 306, 314, 319, 326, 332, 351, 361, 393–397, 399, 423, 441, 452–464, 466–469, 483, 488, 490–492, 501, 503–505, 509, 515– 516, 518, 523–524, 529–530, 535 Unternehmensverband 155–157, 454, 466, 468, 474, 481, 483 Verantwortung 38, 54, 59, 76, 80, 116, 123–124, 127, 176, 184–186, 188, 199, 201, 203, 237, 242, 253, 269, 276, 278, 288, 312–313, 318, 337, 351, 366, 373, 416, 444–445, 451, 468, 473, 486, 512, 515, 519, 530, 536 Verbandszuständigkeit 111, 129, 261, 345–346, 348, 351 Verbraucherschutz 45 Verfassung 52, 54, 56–57, 59, 66–67, 76–77, 85, 109, 114, 131, 149, 151, 161, 178–179, 201, 220–221, 260, 265–266, 304, 355, 401–404, 406, 436–437, 441, 450, 480–481, 483, 520, 525 Verfassung der portugiesischen Republik 54–59, 66, 76, 79–80, 85, 98, 109, 114, 131, 149, 151, 161, 163, 168, 179, 201, 203, 219–220, 233, 262, 266, 276, 282–283, 293, 323, 337, 340, 349–352, 355, 399–401, 403–404, 406–407, 424, 435, 437–439, 441, 450, 474, 480, 482

Verfassungsgericht 55, 58, 85, 151, 402–403, 406–407, 435 Verkehr 44–45, 230–231, 510 Verordnung 43, 109, 111, 115, 134, 240, 306, 321, 352, 392, 401, 404–405, 407, 483, 489, 493, 520 Vertrauen 40, 56, 183, 185, 188–189, 195–198, 200, 205–213, 235, 250, 271, 291–292, 295, 353, 355, 362, 375, 406, 409, 427–428, 430–431, 433, 476, 489, 528, 536, 541–542 Vertrauensschutz 400 Verwaltung 34, 38, 41, 44–45, 47, 50, 53, 57–60, 63–64, 67–73, 75–76, 81, 84, 93–95, 98, 100–102, 112–113, 118, 120, 124, 134, 162, 173, 175–177, 185–186, 201, 203, 205, 207, 253, 256, 259–260, 265, 267–272, 275–278, 282–284, 294, 314, 321, 324, 330, 333, 335, 341–342, 350, 353, 356, 361, 398, 404, 406, 416, 418, 436, 438, 446, 449, 454–455, 461, 463, 471–472, 474, 479–480, 482, 491, 493–494, 498, 500, 509, 512–516, 520, 529, 535–536, 542, 544–545 Verwaltungsakt 115, 374, 377, 405, 514 Verwaltungsausgaben 44, 506 Verwaltungsgericht 76, 92, 261, 358, 400, 407, 451, 476 Verwaltungsrecht 123, 127, 316, 318, 342, 346, 355, 362, 406 Verwaltungsreform 64, 171, 201, 254, 275, 463, 500, 546 Verwaltungsregionen 66, 98, 109, 237, 311, 456 Verwaltungsverfahren 67, 82, 141, 260, 358, 438, 451, 476 Verwaltungsverfahrensgesetz 275–276 Vollziehung 37–39, 46, 48, 61, 73, 79, 90, 100, 103–104, 112, 114–116, 124, 134, 198, 204, 208, 210, 256, 261, 268–269, 271, 277, 280–281, 292–293, 344, 349, 354–355, 359–360, 363, 373–374, 376–379,

Sach- und Personenverzeichnis 390, 408–410, 413–415, 417, 420–422, 426–427, 430–432, 462, 469, 482, 489, 500, 511, 513, 516, 518–522, 526, 534, 536, 538, 540–541, 544–545 Vollzugsdefizit 35, 39–40, 84–85, 196, 208–211, 222, 235, 261, 343, 377, 408, 410, 413–414, 432, 489, 520–521, 536, 538, 542 Wahlen 35, 55–57, 111, 116–117, 147, 151, 180, 202–203, 208, 259, 264, 273, 284, 288, 312, 358, 402–403, 433–435, 467, 497 Wasserinstitut 84–85, 95, 102, 203, 256, 278–280, 282, 367, 383, 412, 414–415, 417, 425, 461, 467, 480 Wasserwirtschaft 73, 77, 101, 104, 187, 204, 223, 226, 279, 305, 313–314, 374, 383, 396, 398, 433, 459, 462 Wirtschafts- und Sozialrat 55, 85, 156, 159, 297, 340, 474, 477–482, 484, 490

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Zentralismus 61, 173, 179–180, 184, 208, 243, 256, 345 Ziel-1-Gebiet 48, 502 Zivilrecht 68, 74, 77–78, 118, 158, 162, 260, 271, 297, 326, 361, 394, 405, 416, 418, 442, 454, 456, 461, 481 Zollunion 45 Zuschuss 119, 180, 300, 319, 385, 391, 472 Zuständigkeit 34, 36, 38, 40, 44, 47, 52–53, 58–61, 63–69, 83, 87, 89–91, 95–97, 100, 102–103, 107, 110–114, 127, 129–130, 137–140, 163, 171–174, 176–183, 193, 198, 228, 253, 256–258, 260–262, 275–280, 291, 297, 304, 306, 308–309, 311–316, 318, 320–321, 323–325, 331, 333–335, 337, 344–357, 363, 372–374, 377–378, 383, 385, 387, 400–401, 407, 412, 415, 420, 429, 435, 477, 486, 510, 512, 514, 517, 523, 535–536, 542, 544