Steuerpolitik Und Gesellschaft: Vergleichende Untersuchungen Zu Preussen Und Baden 1815-1848 (Schriften Zur Wirtschafts Und Sozialgeschichte, 63) (German Edition) 3428100352, 9783428100354


136 37 44MB

German Pages 458 [459] Year 2001

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Steuerpolitik Und Gesellschaft: Vergleichende Untersuchungen Zu Preussen Und Baden 1815-1848 (Schriften Zur Wirtschafts Und Sozialgeschichte, 63) (German Edition)
 3428100352, 9783428100354

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

ROSEMARIE SIEGERT

Steuerpolitik und Gesellschaft

Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte In Verbindung mit Rainer Fremdling, Carl-Ludwig Holtfrerich, Hartmut Kaelble und Herbert Matis herausgegeben von Wolfram Fischer

Band 63

Steuerpolitik und Gesellschaft Vergleichende Untersuchungen zu Preußen und Baden 1815-1848

Von Rosemarie Siegert

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Siegert, Rosemarie:

Steuerpolitik und Gesellschaft: vergleichende Untersuchungen zu Preußen und Baden 1815- 1848 I Rosemarie Siegert. Berlin : Duncker und Humblot, 2001 (Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte; Bd. 63) Zugl.: Berlin, Freie Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-10035-2

Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2001 Duncker &

ISSN 0582-0588 ISBN 3-428-10035-2 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97068

Vorwort Die Anregung zu dieser vergleichenden Auseinandersetzung mit der Thematik Steuerpolitik im frühen 19. Jahrhundert verdanke ich Herrn Prof. Dr. J. Kocka, meinem Erstgutachter. Das Interesse an Besteuerung, ihren vielfarbigen historischen Erscheinungsformen und tiefgreifenden sozioökonomischen Wirkungen rührte bereits aus meiner Studienzeit her. Ich danke Herrn Prof. Dr. Kocka sehr für seine geduldige jahrelange Begleitung und vielfältige kritisch-impulsgebende Unterstützung meiner Arbeit, die neben beruflichen und familiären Aufgaben entstand. Meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. W. Fischer, verdanke ich wertvolle Hinweise und sachkundigen Rat. Die Leiterin der Bad Oeynhausener Stadtbibliothek, Frau C. Lindhorst-Braun, war mir außerordentlich behilflich bei der Beschaffung der benötigten Sachliteratur vor allem des frühen 19. Jahrhunderts. Mein Mann hat mich in jeder Hinsicht gestützt und ermutigt. Ihm widme ich diese Arbeit. Bad Oeynhausen, im Juni 1999

Rosemarie Siegert

Inhalt I. Einblick und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

I. Untersuchungsgegenstände, historischer Rahmen, Fragestellungen und Vor· gehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

a) Untersuchungszeitraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

b) Untersuchungsgegenstände

21

c) Wahl der Vergleichsstaaten

22

d) Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

e) Literatur ...... . . . . ...... . .. . .......... . .... ·.... . ... . .................. . ..

25

f) Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .

26

g) Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

28

2. Frankreich - altes Erbe und neue Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

a) Frankreich: Abgaben des Ancien Regime und objektive Ertragsbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . ... . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . .

30

b) Frankreich 1789: Das Steuervorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

32

3. England: ,Die verfrühte Neuerung'- Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

4. Wirksame Wirtschafts- und Besteuerungstheorien in Deutschland . . . . . . . . . . .

35

a) Smiths Wirtschafts- und Steuerpostulate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

36

b) Smiths Entwurf eines Steuersystems .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. .. .. .

37

c) Smiths ,klassische' Steuermaximen .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .

38

d) Die Fortentwicklung der Ertragbesteuerungsidee in Deutschland . . . . . . . . .

39

e) Die Frage der Steuergerechtigkeit.. .. ........ . .. . ... .... .. .. .. .......... .

40

f) Einkommensermittlung-unerlaubterVorstoß in die Privatsphäre? . . . . . . .

42

5. Resümee und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

ß. Die Vergleichsstaaten Preußen und Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

I. Territoriale Zuwächse und Neugliederung in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45

2. Territoriale Zuwächse und Neugliederung in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

8

Inhalt 3. Land und Stadt in Baden und Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48

4. Feudal- und Herrenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53

5. Verfassungsfragen: Die badische Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

54

a) Landtag und Haushaltsrecht in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

56

6. Verfassungsfragen: Die preußische Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

57

a) Die Einrichtung der preußischen Provinziallandtage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

b) Innere Organisation und Verhandlungsrecht der preußischen Provinziallandtage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

7. Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60

8. Behördenwandel in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

a) Badische Ministerialorganisation seit 1808 und Neuerungen im Behördenmittelbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

b) Badische Organisation der Steuereinnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

63

c) Badische Konstitutionalisierung der Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

9. Behördenwandel in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66

a) Preußischer Übergang zu Fachministerien seit 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

68

b) Preußische Organisation der Steuereinnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

69

10. Steuerdirektionen in Preußen und Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

11. Haushaltspolitik und Staatssteuervolumen der Vergleichsstaaten (18201850) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

a) Trends der Haushaltspolitik in Preußen und Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

74

b) Ertragsentwicklung der preußischen und badischen Staatssteuern innerhalb der Einnahmehaushalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

76

lll. Staatssteuerreform in Preußen und Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

1. Der preußische Reformanlauf 1810- 1812 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

a) Preußisches Steuersystem im Ancien Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

b) Staats- und Finanzmisere von 1807 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

84

c) Aufbruch in die Steuerreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85

d) Schwerpunkte des Finanzedikts von 1810: Konsumtions- und Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

86

Inhalt

9

e) Fehlschläge und finanzielle Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

f) Ein erster landesweiter Versuch: Einkommensteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

g) ,Heiße Eisen': Grundsteuerreform und Repräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

91

2. Baden: Neugestaltung der Steuerwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

a) Integrations-und Modernisierungsbemühungen im neuen Großherzogtum

93

b) Badische Steuervielheit im Ancien Regime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

c) 1808: Die Finanzreform als Wendepunkt.... . .... . ................. . .....

95

d) Der Beginn der Steuerreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

e) Durchsetzung öffentlicher Finanzgewalt und Entprivilegierung des Steuerwesens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

f) Die Haushaltslage während der Steuerreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

g) 1814/15: Die hastige Inkraftsetzung der ,Dreiheit'.......... . .. . .. .. ..... 101 h) Besonderheiten des badischen Abgabensystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 3. Preußen: Reformerische Nacharbeit 1817-1820 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Klärungen im Vorfeld: Neue indirekte Steuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Die Gesetzentwürfe in der allgemeinen Sachdiskussion der Steuerkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 c) Kritik am Mahl- und Schlachtsteuerentwurf.. . .. . . ................. . ..... 108 d) Staatsbedarf, Schuldenwesen und Provinziallasten in Relation zu den Steuereinnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 e) Vorweg abgefertigt: Zollgesetzgebung und Getränkesteuern . . . .. . . ... ... . llO f) Streitpunkt Staatshaushaltsplan als Rahmen der Steuerreform . . . . . . . . . . . 111

g) Wende: Eine direkte Steuer als Favorit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll2 h) Ohne Staatsratsmitwirkung entwickelt: Staatsschuldengesetz und -haushaltsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll3 i) Beschleunigter Reformabschluß mit Unbehagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll4 4. Resümee.... . .. . .... . .. .. . . . ...... . .... . .. . ... . ... . ..... . . . .. . ... . . . ... . . .. . ll5 IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Preußen: ,Die Verlegenheit wegen der Grundsteuern'................. . ..... . ll9

a) Die gespaltene Grundsteuersituation und die Regelungen des 1820er Abgabengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ll9 b) Katastrierung in Rheinpreußen und Westfalen . .. . ... . .. .. . . . ... . ... ... . .. 121

10

Inhalt c) Das rheinisch-westfälische Grundsteuergesetz im Umriß . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Die integrierte Gebäudesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 bb) Schwächen des westlichen Grundsteuergesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Uneinheitliche Grundsteuerverfassungen im übrigen Preußen . . . . . . . . . . . . 124 e) Ritterliche Grundsteuerprivilegien und interprovinzielle Steuerungleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 f) Das Problem der städtischen Grundsteuern, Gerichtskosten und gleich-

mäßigen Kommunalbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130

g) Warum blieb die Grundsteuer-Reform stecken? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 2. Die preußische Klassensteuer- das fatale Mittelding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Die ländliche Hauptsteuer im Umriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Klassensteuer-Exemtionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Steuervollzug . ... .... .. ......... .. .. .. . . .... .. . . . ... . . .. . .. . .. . .... ... .. . 137 d) Frühe Schwierigkeiten und Gesetzesänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 e) Die Aufweichung des Klassenkonzepts in der Rheinprovinz . . . . . . . . . . . . . 141 f) Provinzielles und gesamtstaatliches Klassensteueraufkommen . . . . . . . . . . . 144

g) Verborgene erhebliche Klassensteuerpotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 h) Sozialstruktur der Steuernden und Steueraufkommen nach Klassen . . . . . . 146 aa) Die unteren Steuerklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Die oberen Steuerklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 cc) Bäuerliche Steuerträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 i) Die (Kiassen)-Steuerkrise der 40er . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 j) Die Frage nach der Steuerfähigkeit der Unterschichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Die preußische Mahl- und Schlachtsteuer im Kreuzfeuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Für und Wider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Alltagsbedeutung und Steuerabwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Steuerumgehung und Steuerbetrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 d) Getreidekonsum und Brotverzehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 e) Fleisch- und Fettkonsum. . .. . . . . ....... .. . . .. . .. . . .. ... ......... . . . . .. . . . 165 f) Steuerbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166

g) Befürchtete Folgen dieser Verbrauchsteuer... . .. . ......... . .... . .. . . ..... 167

Inhalt h) Was bringt die Streichung der Steuer?

11 168

i) Verteidiger der Mahl- und Schlachtsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 4. Die preußische Gewerbesteuer - der unternehmerfreundliche Appendix . . . . . 170 a) Unterschiede zum Vorläufergesetz und grundlegende Züge . . . . . . . . . . . . . . 170 b) Das Gewerbesteuergesetz im Umriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Fabriken, industrielle Mühlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 bb) Freie Berufe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. .. .. . . .. . . .. . . . .. . . . 175 c) Die Steuergesellschaften .. . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . 176 d) Allgemeine Ertragsentwicklung und provinzielles Aufkommen . . . . . . . . . . 178 e) Appendixcharakter und Gerechtigkeitsaspekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179

5. Die schwerfällige badische Dreiheit.......................... .. .......... . . . 183 6. Die badische Grundsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 a) Das Grundsteuergesetz im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 b) Schwierigkeiten bei der Steuer-Erstanlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 c) Katasterpflege und Grundlastenfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . .. . . . 191 d) Ländliche Bevölkerung und Grundsteuerklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 e) Steuerlast und steuerliche Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 f) Zeitgenössische und spätere Kritik an der Grundsteuerordnung . . . . . . . . . . 194

7. Die schwerfällige badische Dreiheit: Die Häusersteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Das Häusersteuergesetz im Umriß . . .. . . . . . . . .. . . .. .. .. .. .. .. .. . . . .. .. . . . 197 b) Zeitgenössische Kritik am Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 c) Resümee: Kontraste und Ähnlichkeiten der badischen und preußischen Grundsteuer . .. . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . . . . . . 199 8. Die schwerfällige badische Dreiheit: Die Gewerbesteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Das Gewerbesteuergesetz im Umriß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . .. . 201 b) Gewerbebegriff und Streuung der Gewerbetreibenden in den Klassen . . . . 205 c) Steuerfreilassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 d) Steuerlastbeispiele und Entlastungspetitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 e) Zeitgenössische Kritik am Gesetz und behördliche Reaktionen . . . . . . . . . . . 211 f) Die Entwicklung des Gewerbesteuerkapitals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213

g) Staatseinnahmen aus der Gewerbesteuer und Resümee . . .. . . ..... . ... . .. . 214

Inhalt

12

9

0

Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer a) Das Klassensteuergesetz im Umriß

00

00

00

00

b) Zur Belastung der steuerlichen Zielgruppe c) Das Ergänzungsgesetz von

1837

00

0

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

0

00

00

00

0

0

00

00

00

0

0

00

00

00

0

0

0

0

0

00

0

00

00

00

00

00

0

00

00

00

0

0

0

0

0

00

00

00

00

d) Beispiele: Gehobene Beamtengehälter und Steuerbelastung seit e) Klassensteuer-Aufkommensentwicklung

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

00

0

0

00

0

0

1837

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

217

00

0

217

0

219

0

0

220

0

0

222

0

224

0

f) Die Anteile der Steuerklassen am Gesamtaufkommen der Klassensteuer

g) Exkurs: Badische und preußische Schullehrer - unterste Personalsteuerkontribuenten 0

0

0

0

00

0

0

0

0

0

0

0

00

0

00

0

00

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

00

00

0

00 0

00

0

00

0

00

0

00

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

227

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

238

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

240

0

242

0

0

242

h) Resümee: Personalbesteuerung in den Vergleichsstaaten 100

Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

0

0

0

0

0

0

a) Die preußischen Verbrauchsteuern auf ,inländische Erzeugnisse' aa) Die Branntweinsteuer bb) Die Biersteuer

0

00

0

0

cc) Die Weinmoststeuer dd) Die Tabaksteuer

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

00

0

00

0

00

0

00

0

bb) Die Biersteuer

0

0

0

00

0

0

(1819)

0

0

0

00

0

00

0

0

0

0

0

00

0

0

00

0

245

0

0

0

0

00

0

00

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

00

0

00

0

00

0

..

0

0

0

0

0

0

00

0

00 0

00

0

00

0

00

0

00

00

0

00

0

0

0

0

0

246

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

248

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

250

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

o

0

0

0

0

0

0

0

0

0

252

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

o

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

o

0

0

0

0

0

253

0

00

0

00

0

0

00

0

0

00

0

0

0

0

00

0

00

0

00

0

00

0

00

0

0

0

00

0

0

00

0

0

0

0

255

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

256

0

0

0

0

0

0

0

0

00

0

00

0

00

0

0

0

0

..

0

00

0

00

00

0

.. 0

0

0

259

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

00

0

00

0

00

0

00

0

00

0

..

0

00

00

00

00

0

261

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

263

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

264

cc) Die Branntweinsteuer

00

0

0

0

ee) Akzisen oder Aversalzahlung?

c) Die Salzsteuer Preußens und Badens aa) Staatseinnahmen durch das Salz

bb) "Das kleine Baden beschämt uns"

(1812)

0

0

dd) Die Schlachtviehsteuer

11.

0

0

b) Die badischen Verbrauch- und Erzeugersteuern aa) Die Weinsteuer

224

0

0

00

Behördeneifer und Steuermoral: ,Am Geldbeutel hört die Gemütlichkeit auf' a) Reelle Steuerentrichtung -eine Ehrensache? b) Steuererhebung und Steuerpersonal

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

265

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

o

0

0

0

0

0

0

0

270

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

271

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

275

c) Ärger über amtliche Vorschriften und Kontrollen d) Rechtswidrigkeiten auf beiden Seiten

0

0

0

0

0

0

e) Unstimmigkeiten bei der Katastererstellung f) Rechtsverfolgung fiskalischer Delikte

0

0

0

0

0

265

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0.

0.

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

278

0

0

0

0

.

0

0

0



0



0



0



0

0

0

0

0

0

0

0

0

o

0

o o

279





Inhalt

13

V. Kommunale Lasten- Kommunale Revenuen . . . . . . . . . . . .. .. . .. .. . . . . . . .. .. . . . 282 1. Neue Kommunalverfassungen in Preußen und Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 a) Die preußische Städteordnung von 1808 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 b) Die besonderen badischen Verhältnisse und die Badische Gemeindeordnung von 1831 .. .. .. .. ................. .. ............................ 290 c) Die preußische Revidierte Städteordnung von 1831 ... . ....... . . . .. . . .. . . 292 2. Die Organisation der Gemeindefinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 a) Gemeindefinanzierung in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 b) Gemeindefinanzierung in Preußen .. . .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. 298 3. Haushaltsanforderungen und Deckungsbemühungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 a) Allgemein wachsender Mittelbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 b) Das Großproblem der Armenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 c) Schulfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 d) Kommunale Schulden . . ...................... .. ........................ . 313 e) Finanzierung kommunalen Straßenbaus ..... .. . . .................. . ..... . 316 f) Kreis- und Provinzialnebensteuern . .. . . . . .. .. .. .. . . . . . . .. . .. .. . . . . . . . . . . . 317

g) Kommunalsteuerbefreiungen und -belastungen . ... . . ... .. . ... ... . .. .... . 318 aa) Staatsbeamte in Preußen .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .. .. . .. .. . .. .. . .. .. .. . 318 bb) Schutzverwandte in Preußen .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 319 cc) Staatsbeamte, Ortsgeistliche und Lehrer in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 dd) Fabrikbesitzer in Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 4. Soziale Gemeinde-Steuerpolitik in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 a) Die Berücksichtigung ,persönlicher Verhältnisse' in der preußischen Kommunalbesteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 b) Der Vergleich mit Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

5. Kommunale Lasten- Ko mmunale Revenuen: Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 VI. Steuerleistung, politische Mitwirkung und Soziale Frage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 1. Wahlrecht und Steuerleistung in den Vergleichsstaaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 a) Steuerleistungs- und Verfassungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 aa) Baden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 bb) Preußen . . . . . . . . . . . .. . . .. . . . .. . . . . . . .. . . .. .. . . .. . . . . .. .. . . . . . . . . .. . . . 334 b) Der ,Fall Rheinland': Kommunale Dreiklassen-Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

14

Inhalt c) Pluralstimmrecht für den Gesamtstaat

340

d) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 2. K. Mathy I Baden, D. Hansemann I Preußen - zwei einflußreiche Liberale zu sozialer Frage und Besteuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 a) Zum liberalen Umfeld in Baden und Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 b) Kar1Mathy/Baden(l806-1868) ........ . .. . . . . ........ . ...... .. . . . .. . . 348 aa) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 c) David Hansemann/Preußen (1790-1864) ...... . ........ .. .. . ........ . .. 353 aa) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 VII. Steuerliche Impulse im Sog der 48er Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Das preußische Einkommensteuerprojekt im Vereinigten Landtag von 1847 359 a) Zur innenpolitischen Situation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 b) Zusammensetzung und Kompetenzen des Ersten Vereinigten Landtags . . . 359 c) Zu Entstehungssituation und Motiven für den Steuerentwurf . . . . . . . . . . . . . 360 d) Der Gesetzentwurf in seinen wesentlichen Zügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 aa) Klassensteuer-Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 bb) Einkommensteuer-Entwurf............................... . ... .. ..... 363 cc) Zeitgenössische Kritik am Gesamtentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 e) Die Steuerproposition im Vereinigten Landtag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 aa) Die Plenumsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 368 bb) Das Abstimmungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 2. Steuerforderungen und Ergebnisse der Revolution . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 a) Allgemeine Steuerforderungen in 1847 und 1848 . . . . .. . .. ... ... . . . .. .... 375 b) Baden: Altbekannte Steuerforderungen und neue Realisationsansätze . . . . 379 c) Steuerproteste und angestrengte Reformarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 d) Die Entwicklung der Steuerfrage in Preußen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 e) Preußische Verfassungsfrage und Steuerverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 f) Erneuerte Chance durch neues Wahlrecht: Einkommensteuer für Preu-

ßen? .. .. ............. . .. . .. .. ....... . ....... . .................... .... .. . . 396

g) Die fortdauernde Verlegenheit wegen der preußischen Grundsteuern . . . . . 398 h) Der begrenzte späte Durchbruch in der preußischen Personalbesteuerung 399 i) Resümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

Inhalt

VIII. Ergebnisse

15 402

Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 Preußisch-badischer Währungsvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430

Literaturverzeichnis . . . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . .. .. . .. . .. . . .. . . . . . . . . . .. .. . . 431 Zeitungen . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . . .. .. . . . . . .. . . . .. . .. . . .. . . . . . . . . . . . .. . .. . . 445 Ungedruckte amtliche Quellen . .. ................... .. . . ... . ............... . . .. . ... . 445 Gedruckte amtliche Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 445

Anhang ...... . ......... . ... ... . ..... . . .. . ...... .. ..... .. . . ... .................. . .. .. . . 448

Verzeichnis der Tabellen, Schaubilder, Landkarten Tabellen Tabelle 1:

Preußen und Baden: Staatseinnahmen (1821-1850) . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

Tabelle 2:

Preußen I Steuererträge ( 1848) - Baden I Steuererträge (1845) . . . . . . . . .

78

Tabelle 3:

Preußen: Aufkommen der direkten und indirekten Steuer (1848) . . . . . . 119

Tabelle 4:

Preußen: Verhältnis des steuerfreien Grund und Bodens zur Gesamtfläche der Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

Tabelle 5:

Preußen: Interprovinzielle Ungleichheit der Grundabgaben-Belastung 129

Tabelle 6:

Preußen: Klassensteuer-Jahresbelastung pro Haushaltung bzw. Person (1821) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

Tabelle 7:

Preußen: Provinzielle Klassensteuerleistungen (1829) . . . . . . . . . . . . . . . . . 144

Tabelle 8:

Preußen: Entwicklung von klassensteuerpflichtiger Bevölkerung und Klassensteueraufkommen (1822-1848) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Tabelle 9:

Preußen: Anteilige Leistungen der vier Steuerklassen zur Klassensteuer (1821-1848) ..... ..... . ......... . . . .. . .................. . .. . .. . 147

Tabelle 10:

Preußen: Brutto-Aufkommen der Mahl- und Schlachtsteuer (1833 1846) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Tabelle 11

Preußen: Provinzielles Gewerbesteuer-Aufkommen (1828) . . . . . . . . . . . . 178

Tabelle 12:

Preußen: Stadt I Land-Verteilung des Gewerbesteuer-Aufkommens (1847) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Tabelle 13:

Baden: Aufkommen der direkten und indirekten Steuern (1845) . . . . . . . 185

Tabelle 14:

Baden: Einzelerträge direkter und indirekter Steuern aus verschiedenen Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Tabelle 15:

Baden: Gesamtsteuerlast der Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

Tabelle 16:

Baden: Steuertarife der Verdienstkapitalklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202

Tabelle 17

Baden: Steuertarife der Betriebskapitalklassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Verzeichnis der Tabellen, Schaubilder, Landkarten Tabelle 18:

Baden: Gewerbesteuer-Aufkommen (1820; 1846/ 48)

Tabelle 19:

Baden: Tarifklassen der Klassensteuer

Tabelle 20:

Baden: Revision des Klassensteuerkapitals (1837)

Tabelle 21:

Baden: (1845)

00

00

00

00

00

00

0

17 0

0

000

0

0000000000000000000

ooooooo

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

00

00

00

00

00

00

00

00

00

00

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

Klassensteuer-Aufkommensverteilung nach 00000000000

0

0

0

0

0

0

0

0

Steuerklassen

ooooooooooooo

OO

OOoo

O

OOo

214 219 222 225

Preußischer Vereinigter Landtag (1847): Abstimmungsspiegel zur Ein373 führung einer Einkommensteuer

Tabelle 22:

00

00

0

00

00

00

0

00

0

0

0

0

0

0

00

0

00

0

00

0

0

0

00

0

00

0

0

Schaubilder Schaubild I:

Badischer Finanz- und Steuerbehördenaufbau im Vormärz

Schaubild 2:

Preußischer Finanz- und Steuerbehördenaufbau im Vormärz

Schaubild 3:

Das System der preußischen Gewerbesteuer

Schaubild 4:

Das System der badischen Gewerbesteuer

Schaubild 5:

Preußische/Badische Kommunalverfassungen im Vergleich

o

o

72 0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

o

o

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

o

o

o

o

o

o

0

o

0

o

o

o

o

0

0

o

0

0

~

0

73 174 207

283-287

Landkarten Preußen nach 1815 Baden 1848

2 Siegen

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

00

00

0

00

0

0

0

0

00

00

00

00

00

00

00

0

00

00 00 00

00

0

00

0

0

00

0

00

00

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0.

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

00

00

0.

0

00 . . 00

00

00

0

0

0

0

0

0

0

0

0

0

46 48

Abkürzungen a.a.O.

am angegebenen Ort

abgedr. Abg.

abgedruckt

Abs. Abt. akt./pass.

Absatz Abteilung

ALR

Abgeordneter

aktiv I passiv Allgemeines Landrecht

Art. BadGewStO BADLTKA/KH

Artikel Badische Gewerbesteuerordnung Badische Landtagskammer der Abgeordneten I der Herren

Bd. Beil. betr.

Band Beilagenband betreffend Badische Gemeindeordnung

BGO Dekl. ders. Diss.

Deklaration derselbe Dissertation

Dok./ Dokument.

des Jahres Dokumentation

E. ebd. entspr. FBPG

Einwohner ebenda entsprechend Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte

fl. GLA

Gulden Generallandesarchiv (Karlsruhe)

GS

(Preußische) Gesetzsammlung

Hdb. Hg./ hg./ hrsg.

Heft Handbuch Herausgeber I herausgegeben von

d.J.

H.

KO/CO

Kabinettsordre

komm.

kommunal

kr.

Kreuzer

lt. Mio.

laut Million(en)

ND

Neudruck

Abkürzungen p.a pass.

per anno. passim

Pf. Pfd. Prot. Reg.Bl. Rev.StO Sgr. Sitzg. StA StÄ Tit. Tir./Thlr.

vo

Pfennig Pfund Protokollband (Badisches) Regierungsblatt (Preußische) Revidierte Städteordnung Silbergroschen Sitzung Staatsarchiv Städtisches Archiv Titel Taler Verordnung

Vol. zit.

Volume I Band zitiert

19

I. Einblick und Überblick 1. Untersuchungsgegenstände, historischer Rahmen, Fragestellungen und Vorgebensweise

Entwurf und Entwicklung öffentlicher Finanzbedarfdeckungssysteme, schlichter formuliert, Abgabensysteme, vollziehen sich in enger Bindung an die bestimmenden politischen und sozioökonomischen Kräfte und Strömungen in einem Land, in einer Epoche. Wir wissen dies gleicherweise von den an- und abschwellenden Steuerdebatten der Gegenwart und jüngsten Vergangenheit innerhalb der westlichen Industriestaaten wie von historischen Untersuchungen etwa zur absolutistischen Ära in Europa, als beispielsweise die Ausformung der Steuerverfassung eines Landes mit der Ausformung zentralstaatlicher Gewalt dicht zusammenging. a) Untersuchungszeitraum

Der Vormärz, dieser Zeitabschnitt zwischen Wiener Kongreß (1815) und Märzrevolution ( 1848), ist für den deutschen Bereich gekennzeichnet durch die Vielzahl von Einzelstaaten, die im Rahmen des Deutschen Bundes nur locker verbunden waren, durch äußeren Frieden und gewaltsam erzwungene innere Ruhe, durch Knebelung nationaler und liberaler Bewegungen mit Hilfe von Bundesbeschlüssen, durch Nachwirkungen aus der Reformphase zu Anfang des Jahrhunderts, durch einsetzende Industrialisierung und ein sich seit etwa 1830 besonders verbreitendes Massenelend. b) Untersuchungsgegenstände

Die Untersuchungsgegenstände dieser Arbeit sind die vormärzliehen Staatssteuersysteme Preußens und Badens - nicht individuelle Steuerleistungen preußischer und badischer Staatsbürger. Diese beiden Staatssteuersysteme mit ihren direkten und indirekten Steuern und auch den korrelierenden Kommunalabgaben werden, so gut es Quellen- und Literaturlage gestatten, systematisch und empirisch, nach den ihnen zugrundeliegenden Theorien und den praktischen gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichen Auswirkungen beleuchtet und verglichen. Dabei wird der Genesis dieser Steuersysteme, den leitenden Ideen und deren gelungener oder nicht gelungener Umsetzung Aufmerksamkeit gewidmet.

22

I. Einblick und Überblick

Unberücksichtigt bleiben in der Untersuchung a) die Liegenschafts-, Schenkungs- und Erbschaftsakzisen beider Staaten, die nur sporadisch, nämlich bei Besitzwechsel, erhoben wurden, b) die Zölle, die als selbständige Einnahmen gelten, sowie c) die Sporteln und Stempel, die nicht Steuern im engeren Sinne, vielmehr (Geschäfts-) Gebühren waren, welche für Verwaltungshandlungen der Gerichts-, auch Rechtspolizeibehörden, erhoben wurden.

c) Wahl der Vergleichsstaaten Die Welt des Ancien Regime, seit der Französischen Revolution von 1789 durch und durch erschüttert, war unter den neuen und revolutionären politischen Machtbedingungen der Herrschaft Napoleons zusammengebrochen. In Preußen und in den Rheinbundstaaten, zu denen das neue Großherzogtum Baden bis 1813 gehörte, war die napoleonische Ära zugleich eine Periode großer innerstaatlicher Reformen. Gegen die aus Frankreich hereinströmenden Leitvorstellungen einer auf Freiheit und Gleichheit sich gründenden Staatsbürgergesellschaft konnte, so meinten badische und preußische Reformer, nicht mehr nach den Maßstäben selbst eines aufgeklärten Absolutismus anregiert, noch an den ständegesellschaftlichen Normen festgehalten werden. In den großen Reformen wurden in Preußen und Baden die Grundlagen moderner Staatlichkeil und Gesellschaft gelegt. Baden stand in seinen Rheinbundjahren als Satellitenstaat Frankreichs unter dessen besonderem Reformdruck und hatte zugleich die Aufgabe zu bewältigen, bei enormem Gebietszuwachs einen behauptungsfähigen Staatsverband herzustellen. Ebenfalls noch in der Rheinbundzeit bildete sich in der badischen Bevölkerung eine Verfassungsbewegung. Diese Bewegung, entsprechende Pläne der Regierung und außenpolitischer Druck, schufen die Voraussetzung dafür, daß das Großherzogtum 1818 schließlich eine Konstitution erhielt. Obwohl kleinster der sogenannten Mittelstaaten im Deutschen Bund, ,engbrüstig auf der Landkarte und in den Lebensverhältnissen' , erlangte das Großherzogtum Baden als frühkonstitutioneller Staat im politischen Leben Deutschlands im Vormärz eine weit über seine reale machtpolitische Stellung hinausgehende Bedeutung. 1 Auf Preußen kam, nach einschneidenden Gebietsverlusten des Tilsiter Friedens, die Herausforderung administrativer und wirtschaftlicher Integration neuer Territorien erst nach dem Wiener Kongreß zu. Obgleich sich die Reformen in Preußen wie kaum sonst bündelten und durchsetzten, gelangte die konstitutionelle Bewegung dort im Gegensatz zu Baden nur partiell und spät zum Zuge. In beiden Staaten stand die Reorganisation des Steuerwesens am Schnittpunkt ihrer Reformen der Staats- und Gesellschaftsverfassung; zudem wurden übereinstimmend in Preußen und Baden vier Schwerpunkte für diese Steuerreformen gesetzt: a) Steuergleichheit aller Bürger, b) steuerliche Vereinheitlichung in umfassendem Sinn, I

Vgl. L. Gall, Liberalismus, Vorwort und 1. Kapitel.

1. Untersuchungsgegenstände

23

c) Vereinfachung des Gesamtsystems und d) vor allem Einnahmensteigerung, die in beiden Staaten aus Gründen der Finanzierung großer Kriegslasten und Reformkosten äußerst dringlich war. Ausgehend von der gemeinsamen Plattform dieser tiefgreifenden steuerlichen Reorganisation sprachen für die Wahl Preußens und Badens als Vergleichsstaaten einerseits die oben umrissenen ähnlichen allgemeinhistorischen Rahmenbedingungen ihres Starts in die vormärzliche Periode, andererseits gerade auch die Unterschiede zwischen beiden, vor allem die unterschiedlichen Entwicklungswege zur neuen Staatsbürgergesellschaft Es ist schon erwähnt worden, daß das Großherzogtum im Gegensatz zum nicht-konstitutionalisierten Preußen eine Landesvertretung hatte; Badens politisch-soziales Leben wurde durch sie stark geprägt. In Preußen standen König und Administration unter dem Druck von Verfassungszusagen mit Gesetzeskraft, die nicht eingelöst wurden. Ebenfalls anders als in Baden wurde das frühliberale politische Leben in Preußen mit Hilfe von Beschlüssen des Deutschen Bundes weithin erstickt, obgleich Preußen hinsichtlich seiner Wirtschaftsstrukturen stark auf Liberalität und Modernisierung setzte. Baden war wirtschaftspolitisch eher moderat und schonte lange seine überkommenen Strukturen, denkt man etwa an das Zunft- und Innungswesen. Die Unterschiede sowohl zwischen Preußens Landesteilen wie auch zwischen Land und Stadt waren ungleich erheblicher als im Großherzogtum. Auch durch seine ungleichgewichtige Sozialstruktur mit großen Gütern im Osten und bedeutenden Städten und Industrie im Westen hob sich Preußen von Baden ab. Es sind also nicht nur die oben skizzierten Ähnlichkeiten, die die Wahl Preußens und Badens als Vergleichsstaaten interessant machen, es sind ebenso die erheblichen Unterschiede zwischen beiden. Der Vormärz stellte für beide Staaten eine Zeitspanne der reformerischen Nachwirkungen, der Erprobung und potentiellen Weiterentwicklung ihrer neuen Steuersysteme dar. Für beide, auch für das frühkonstitutionelle Baden, mündete diese Phase in die Revolution, in der Grundlegendes der Staatsbesteuerung neu verhandelt wurde.

d) Fragestellungen Die Installierung neuer Steuerverfassungen wirft eine Fülle von Fragen auf: Welche Kriterien - in welcher Rangfolge - welche Forderungen legte man den Steuerreformen in den Vergleichsstaaten zugrunde, und wie wurden diese Kriterien gewonnen beziehungsweise woher stammten die Forderungen? Welche alten Abgabentypen wurden hier und dort zugunsten welcher neuen aufgegeben, welche neuen steuerlichen Grundmuster wurden in Preußen und Baden angelegt? Zu fragen ist nach den Personen(gruppen), die in den Steuerreformen der beiden Länder ihre Interessen verfolgten und bestimmend waren. Wieweit wirkte sich im Großherzogtum die Arbeit einer Landesvertretung aus, das Vorhandensein einer

24

I. Einblick und Überblick

Verfassung? Bot Baden als frühkonstitutioneller Staat seinen Parlamentariern, ja seinen Bürgern (bessere) Möglichkeiten der Einwirkung auf Abgabenfragen im Vergleich zum konstitutionslosen Preußen? Was bedeuteten die weiteren gewichtigen Unterschiede zwischen beiden für die Steuerfrage: Die Konzentration großen Grundbesitzes, an dem bedeutende Privilegien hafteten, in Preußens Osten, das ausgeprägte preußische Stadt I Land- und West/Ost-Gefalle im Gegensatz zu den ausgeglicheneren Strukturen Badens? Welche sozialen Schichten oder Gruppen gedachte man in den Vergleichsstaaten steuerlich (besonders) zu belasten - und wie sah letztlich die Steuerrealität aus? Spielten soziale Kriterien eine entscheidende Rolle? Behauptete sich auch in den Abgabenfragen das Postulat der Gleichheit und Gerechtigkeit aus der Großen Revolution? - Wie löste man in Preußen, wie in Baden die widerstreitenden Aufgaben der Gewerbe- und I oder Industrieförderung einerseits und der Besteuerung dieser Wirtschaftssektoren andererseits? Wie hielt man es hier und dort mit der Besteuerung des Kapitalbesitzes?- Grund und Boden stellte bekanntlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen eminent wichtigen Produktionsfaktor und Steuerträger dar, deshalb wird die Frage nach der Reform gerade der Grundbesteuerung und des Umgangs mit den an den Boden gebundenen Steuerfreiheiten besonders interessieren. In welchen zeitlichen und prozeduralen Schritten wurden die neuen Abgabenverfassungen entwickelt und inkraftgesetzt? Innerhalb welcher technischen und institutionellen Grenzen geschah dies jeweils und welche Widerstände und Rückschläge waren in Preußen und Baden zu überwinden oder hemmten entscheidend? War eine Umformung und Anpassung der Steuerbehörden an die neuen Systeme nötig?

Wie sahen und erlebten die betroffenen ,Landeskinder' ihre neuen Abgabenpflichten und die Pflichtkontakte mit den Steuerbehörden? Welche Forderungen aus den Bevölkerungen entstanden im Untersuchungszeitraum neu oder waren bislang unberücksichtigt geblieben? Welche Steuervorstellungen hatten maßgebliche liberale Politiker des Vormärz auf preußischer und badischer Seite? Ganz allgemein ist zu fragen, ob es zentrale Bedingungen der Steuerpolitik und des Steuerwesens gab, die we~ig mit den jeweiligen Strukturen und eingeschlagenen Wegen der beiden Staaten zu tun hatten. Nicht unwichtig ist bei Untersuchung und Vergleich der Staatssteuersysteme die Auseinandersetzung auch mit den kommunalen Abgaben, die in engem Ineinander oder lockerem Nebeneinander zu den staatlichen doch stets dasselbe pflichtige Subjekt, den steuernden Bürger trafen und darum mit dem staatlichen Fiskus konkurrierten. Es erscheint in diesem Zusammenhang unumgänglich, die Bestimmungen der im Untersuchungszeitraum reformierten preußischen und badischen Kommunalverfassungen und -finanzgesetze mit ihren neuerlich strikten Trennungen von Staats- und Gemeindehaushalten in den Vergleich einzubeziehen und die wesentlichen Veränderungen und Züge festzuhalten.

l. Untersuchungsgegenstände

25

Die Revolution von 1848 samt den ihr unmittelbar vorangehenden Jahren mit dem akuten Aufbrechen der sozialen Frage bildet nochmal einen für Preußen, aber auch für Baden eigenen Ansatzpunkt für Fragen nach der Bewährung, dem Versagen, der Nachbesserungswürdigkeit oder dem resoluten Ersatz der zu Beginn des Vormärz angelegten Steuerverfassungen in den Vergleichsstaaten. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, wieweit die Steuerpolitik innerhalb der Bevölkerungen oder von Politikern als Instrument der Sozialpolitik verstanden wurde. Eine entscheidende Rolle bei dem Versuch einer Beurteilung der Bewährung oder des Versagens von Steuersystemen spielt naturgemäß die prospektierte und reale Ertragsentwicklung. Wurde das von beiden Staaten angestrebte vorrangige Ziel der Vermehrung des Steueraufkommens erreicht? Wie stand es um die Ertragsentwicklung der einzelnen Steuertypen, die Belastung der Steuerträger durch sie, die den Einzelsteuern innewohnende Elastizität hinsichtlich Einnahmensteigerung? - Daher muß auch ein Vergleich der steuerlich aufgebrachten Staatseinnahmen in den beiden Staatsbudgets und Strukturwandlungen in der Haushaltspolitik beider Länder unternommen werden. e) Literatur

Vor und innerhalb der vormärzliehen Periode, auch im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts, erschienen bedeutende Veröffentlichungen zur allgemeinen Steuerlehre und Finanzgeschichte. Hervorzuheben sind die Nationalökonomen bzw. Finanzwissenschaftler Chr. Kraus, G. Sartorius, J. F. E. Lotz, L. H. v. Jakob und K. H. Rau als Autoren mit zum Teil ausgeprägtem Bezug ihrer Schriften zum epochemachenden Werk des Schotten Adam Smith ,An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations' von 1776. Breite Informationen liefern auch die Veröffentlichungen historisch ausgerichteter Finanzwissenschaftler. Einen hohen zeitgenössischen Bekanntheitsgrad und Einfluß auf die Entwicklung der neuen vormärzliehen Steuersysteme hatten einige badische und preußische Steuerexperten mit ihren Veröffentlichungen, beispielsweise die engagierten liberalen Politiker K. Mathy (Baden) und D. Hansemann (Preußen) und das für die preußische Reformgesetzgebung federführende Staatsratsmitglied J. G. Hoffmann mit der detaillierten Schrift zur Lehre von den Steuern. Ihre praxisnahen Arbeiten erleichtern den Zugang zur vormärzliehen Steuersituation. Orientierungshilfe bieten auch die immer noch wichtigen Publikationen A. Wagners zur allgemeinen Steuerlehre und deutschen Besteuerung im 19. Jahrhundert, die während der Kaiserzeit entstanden. Basisinformationen zu den Staatsetats liefern F. A. Regenauers umfassendes Gesamtbild des badischen Staatshaushalts mit wertvollem statistischen Material (1863) und auf der Gegenseite A. Riedeis Darstellung des preußischen Staatshaushalts (1866), die auch den Vormärz erfassen. Hervorzuheben sind unter den gedruckten Quellen zum Steuerwesen die ,Gesetzessammlung für die Königlich-Preußischen Staaten' und das großherzogliche

26

I. Einblick und Überblick

Pendant, die ,Badischen Regierungsblätter' neben vielen anderen monographisch publizierten Instruktionen und ,Ordnungen' speziell für Baden. Wesentliche Hilfe bietet C. Dietericis Veröffentlichung von Regierungsakten ,Zur Geschichte der Steuerreform in Preußen von 1810 bis 1820'. Wichtig sind unter den ungedruckten Quellen die des Generallandesarchivs in Karlsruhe, des Staatsarchivs Münster und etlicher städtischer Archive beider Vergleichsstaaten, darunter Berlin und Karlsruhe, ebenso vormärzliche Statistiken, Aufsätze und Zeitungsberichterstattung, und nicht zuletzt, die sehr aufschlußreichen Protokolle des badischen Landtags und der preußischen Provinzialstände als gedruckte Materialien. Verwertet werden ferner Schriften, Flugblätter und Pamphlete aus dem gesamten Untersuchungszeitraum und aus der vor allem in den 40er Jahren reichlich erschienenen, zum Teil kämpferisch verfaßten Literatur zum Thema Besteuerung und soziale Frage. Ausgiebiger Gebrauch wird von der einschlägigen Literatur des 20. Jahrhunderts zu benachbarten Sachgebieten der Steuerthematik gemacht (Budgetrecht, Kommunalgesetzgebung, Staatsverbrauch, Sozial-, Wirtschafts-, Verwaltungs- und Verfassungsgeschichte). Das Literaturverzeichnis führt sämtliche benutzte Literatur in alphabetischer Verfasserreihenfolge bzw. bei Quellen in Titelfolge auf. Die dort durch Unterstreichung markierten Kernbegriffe der Titel stehen in den Anmerkungen der Arbeit jeweils stellvertretend für den vollständigen Titel.

fJ Vorgehen Die gesamte Untersuchung ist in acht Kapitel nebst einem Annex gegliedert. Zum erleichterten Verstehen der Einflüsse auf die steuerstaatlichen Reformen in Preußen und Baden wird in Kapitel I. kurz auf die von Frankreich und England ausgegangenen Steuerimpulse und die nach Deutschland vorgedrungenen Smithschen Steuervorstellungen hingewiesen. Eng bezogen auf die Vergleichsstaaten gibt Kapitel II. sodann Auskunft zu steuerrelevanten Fragen bzw. zu verfassungsrechtlichen und institutionellen Aspekten wie Vertretungskörperschaften, (Steuer-)Behördenaufbau, etc. und schließt mit einem Ausblick auf die Haushaltspolitik der Länder und die Ertragsentwicklung ihrer Staatssteuern im Untersuchungszeitraum. Der erste Hauptteil (Kapitel ill.) befaßt sich mit der Genese der jeweiligen Steuerverfassungen in beiden Staaten. Obwohl hier kaum neue Quellen erschlossen werden, ist es ftir das Verständnis der weiteren Hauptteile der Arbeit, die die jeweilige steuerliche Alltagspraxis und -bedeutung vergleichend untersuchen, wichtig, Entwicklungsschritte, Hemmnisse und Umwege der Genesen zu diskutieren, die die spätere Steuerwirklichkeit und -akzeptanz maßgeblich bestimmten. Das neue preußische System wurde in zwei Phasen entwickelt. Dieser Prozeß wird eingehender entfaltet als der badische. Nicht, daß die Steuerreformphase im

1. Untersuchungsgegenstände

27

Großherzogtum etwa problemlos gewesen wäre und ihre minutiöse Darstellung hier nicht Raum verdient hätte, doch gab es in Preußen durch ständische Widerstände, durch Verschränkungen zwischen progressiven und restaurativen Kräften, durch die krasseren Unterschiede zwischen den östlichen und westlichen Landesteilen, das Verschleppen der Verfassungsfrage, etc. in der Steuerreformzeit auffällige Spannungen. Der zweite Hauptteil (Kapitel IV.) geht detailliert auf die Einzelsteuern der Abgabensysteme beider Staaten ein. Analoge preußische und badische direkte und indirekte Steuern werden in Gruppen nacheinander analysiert und auf ihre sozioökonomischen Auswirkungen und Bedeutungen hin untersucht. Zum besseren Verständnis der spröden steuerlichen Gesetzesgrundlagen auf beiden Seiten wird bei den direkten, den sogenannten Hauptsteuern, der eigentliche Vergleich nachgestellt, das heißt, an die Behandlung der badischen Abgaben in Form eines Resumees angehängt. Diese Vorgehensweise entzerrt zum einen die Analyse der Einzelsteuern und ermöglicht zum anderen schnelleres Auffinden der relevanten Ergebnisse des Vergleichs. Auch bei der Behandlung der indirekten Besteuerung beider Staaten wird nach ähnlichem Muster verfahren, indem nämlich der Vergleich in der Diskussion der badischen Konsumtionsteuern zu ziehen ist. Lebensverhältnisse und Abgabenbelastung der sowohl auf badischer wie preußischer Seite zu den jeweiligen Klassensteuern beigezogenen Volksschullehrer werden in einem Exkurs beleuchtet. Das vierte Kapitel schließt mit einem quellennahen vergleichenden Blick auf Behördentätigkeit und -ansehen, aber auch Steuermoral der Bevölkerungen beider Länder. Im dritten Hauptteil (Kapitel V.) wird die kommunale Abgabensituation der Vergleichsstaaten anhand der neuen gemeindlichen Verfassungen und Finanzgesetze in vergleichenden Einzeluntersuchungen bearbeitet. Einen Überblick der wesentlichen Ergebnisse dieses Vergleichs vermittelt das mehrteilige Schaubild, das dem Kapitel vorangestellt ist. Unter dem Titel ,Haushaltsanforderungen und Deckungsbemühungen' zeichnet ein weiterer Untersuchungsabschnitt dieses dritten Hauptteils die wichtigsten Lasten und Wege der Mittelbeschaffung in den Gemeinden beider Staaten nach. Das fünfte Kapitel bietet zudem einen Exkurs zu preußischen Ansätzen in sozialer gemeindlicher Steuerpolitik verbunden mit einem vergleichenden Blick auf Baden. Das Kapitel schließt mit einem Resumee. In gewisser Hinsicht setzt der vierte Haupteil (Kapitel VI.) das kommunale Thema des dritten fort, indem unter steuerlichem Aspekt die politische Mitwirkung der Bürger beider Staaten in Gemeinden, Provinziallandtag (Preußen) und schließlich Parlament (Baden) behandelt wird. Zur politischen Mitwirkung, steuerlich zugemessen oder nicht, und zur sozialen Frage werden zwei prominente liberale Politiker, je im vormärzliehen Preußen und Baden tätig, mit ihren politischen und steuerlichen Lösungsvorschlägen vorgestellt.

28

I. Einblick und Überblick

Im fünften Hauptteil (Kapitel VII.) geht es um den letzten, politisch sehr brisanten Abschnitt des Untersuchungszeitraums, die Revolution von 1848: Darin um die Entscheidung des preußischen Vereinigten Landtags (1847) über die Einführung der Einkommensteuer am Vorabend der Revolution wie überhaupt um Steuerforderungen bzw. die Ergebnisse dieser Forderungen in beiden Staaten im Sog des Jahres 1848. Kapitel VIII. bündelt die Ergebnisse der Gesamtuntersuchung in einer Art Synopse und wertet aus. Der Annex enthält ein Glossar, das in alphabetischer Folge Definitionen und Erklärungen zu den Steuertypen des Untersuchungszeitraums und den häufig benutzten Steuer-, Einkommens- und Wirtschaftstermini bietet. Ferner ist im Annex ein preußisch-badischer Währungsvergleich gezogen, und neben dem Quellen- und Literaturverzeichnis, sind dort auch die Anhangstexte zu finden, auf die in den Kapiteln verwiesen wird. g) Schwierigkeiten

Die relative Fülle steuerlicher und steuerwirtschaftlicher Materialien überdeckt auf den ersten Blick den tatsächlichen Mangel an gesicherten steuerstatistischen Daten für den Untersuchungszeitraum. Die vorliegenden Quellen in Form von amtlichen und halbamtlichen Tabellen, von Haushaltsansätzen und Ertragsaufstellungen, etc. sind oft unzulänglich; es klaffen Lücken zwischen geheimen und publizierten Posten. Nur schwer läßt sich zum Beispiel für Baden die Einzeluntersuchung der direkten Steuern durchführen, weil diese Abgaben in den staatlichen Steuertabellen zusammengefaSt erscheinen. Von den Statistiken der deutschen Staaten gehören die preußischen und auch badischen zwar zu den besten, quantifizierende Aussagen sind für die Zeit vor 1850 jedoch recht unsicher. Trotz relativ breit referierenden Stils der zeitgenössischen Erörterungen von Steuerthemen bleiben zahlreiche Fragen offen; Denkschriften und Steuerentwürfe bieten zumeist nicht die heute erwarteten Spezifikationen und Informationen. Unsicher ist generell die Beurteilung der landwirtschaftlichen Steuerbelastung. Es fehlt in Preußen wie in Baden noch an Fallstudien für diesen Sektor und daher an repräsentativen Durchschnittswerten. Dasselbe gilt für die Gemeindesteuern. Eine Basis für die Verwaltungsstatistik der Gemeindesteuern wurde für Preußen und Baden etwa zwischen 1850 und 1860 gelegt, also nach dem hier abgesteckten Untersuchungszeitraum. Nicht immer ist für diese Untersuchung der Vergleich konsequent durchführbar, sei es, daß die Quellenlage einer Seite kritisch knapp ist, daß Einzelphänomene auftreten, die zu asymmetrischem Vorgehen nötigen, oder daß mit übereinstimmenden Bezeichnungen abweichende Steuertypen etikettiert wurden, wie

2. Frankreich - altes Erbe und neue Prinzipien

29

etwa bei der ,Klassensteuer', die im Großherzogtum etwas ganz anderes war als in Preußen. Kurz, die einzelstaatlichen ,Steuerphysiognomien' Preußens und Badens unterwerfen sich nicht ohne weiteres der "systematischen Identifikation von Ähnlichkeiten und Unterschieden"? Es war bei der Planung der Untersuchung, für deren Methode der Vergleich die zentrale Strategie sein sollte, nicht von vornherein eindeutig, ob eher die Kontrastierung, "mithin die Einsicht in die Unterschiede" oder die Einsicht in Übereinstimmungen, also die "Generalisierung und Erkenntnis allgemeiner Zusammenhänge"3 befördert werden würde. Im Verlauf der Erarbeitung sowohl der einzelstaatlichen Aspekte jeder Seite wie auch der vergleichenden Synopse zeichnete sich das Entstehen eines Mischtyps mit generalisierenden und kontrastierenden Zügen ab. Daß vergleichende Geschichte anspruchsvoll ist, umfangreiches Wissen und häufig auch besondere sprachliche Kompetenz voraussetzt,4 war im Verlauf der Untersuchung stets erfahrbar. Als die anspruchsvollste der für den Vergleich benötigten theoretisch-abstrahierenden Leistungen erschien der ständig erforderliche Rückgriff auf die leitenden Fragestellungen im Umgang mit der Fülle des sich darbietenden, oft dornigen Materials.

2. Frankreich - altes Erbe und neue Prinzipien Die Impulse, die von Frankreich auf die europäischen Nachbarstaaten ausgingen, waren durchaus auch finanzwirtschaftlicher Art. Die folgenden kurzen Darstellungen von Wesen und Mängeln der Besteuerung im Frankreich des 18. Jahrhunderts, der Entwicklung der Ertragsteuern und ihrer Anwendung besonders seit 1789 werden helfen, die Parallelen zur französischen in der badischen und preußischen Steuerwirtschaft kurz vor Ende des Ancien Regime sichtbar zu machen, wie auch das französische Steuervorbild für die Steuerreformen in den Vergleichsstaaten. Mit großer Aufmerksamkeit hatte man in Preußen und Baden - und nicht nur dort - die steuerwirtschaftlichen Reformansätze in Frankreich vor 1789 verfolgt, erst recht aber die der Revolution.

2 Zit. nach J. Kocka, Historische Komparatistik in Deutschland, in: H.G. Haupt, J. Kocka (Hg.), Vergleich, S. 47. 3 Zit. nach H.G. Haupt/ J. Kocka, Historischer Vergleich: Methoden, Aufgaben, Probleme, in: dies., Vergleich, S. II. 4 Frei nach J. Kocka, Historische Komparatistik, a. a. 0 ., S. 49.

30

I. Einblick und Überblick

a) Frankreich: Abgaben des Ancien Regime und objektive Ertragsbesteuerung

Die desolate königlich-staatliche Finanzlage im Frankreich des 18. Jahrhunderts wird allgemein als die wichtigste der unmittelbaren Ursachen für die Revolution von 1789 angesehen. Als die wesentlichen Gründe dieser Misere gelten das unzulängliche Fiskalsystem mit einem ebenso unzulänglichen Eintreibungsverfahren - innerhalb eines sich als verbraucht erweisenden allgemeinen Verwaltungsapparats - und die Steuerungleichheit 5 Das Steueraufkommen im Frankreich des Ancien Regime wurde aus direkten, hauptsächlich aber aus provinziell sehr ungleich angewandten indirekten Abgaben gezogen. Die Menschen auf dem Land, und zwar Bauern und kleine Leute, leisteten den Hauptanteil zu den indirekten, den Verbrauchsteuern, und trugen den weitaus größten Teil der ältesten direkten Steuer von Bedeutung, der Taille. Nicht nur Klerus und Adel genossen weitestgehende Befreiung von der Taille, stark bevorrechtigt waren auch die Bürger der Städte und die Beamtenschaft, insbesondere die Fiskalbediensteten. Die Taille erschien in zwei Formen: Im Norden des Landes als mehr oder weniger willkürliche Versteuerung aller Einkünfte (taille personelle), im Süden als Versteuerung der Einkünfte aus dem tatsächlichen Grundbesitz (taille reelle). 6 Diese Situation ungleicher Beanspruchung der Steuernden und, vielleicht bedrängender noch, leerer Kassen, gab Anlaß zu Reorganisationen und Neuentwürfen des Abgabenwesens. S. Vauban, Festungsbaumeister Ludwigs XIV. mit wirtschaftswissenschaftlichen Interessen, entwarf in seiner 1701 veröffentlichten Schrift ,Projet d'une Dime Royale' in praktischer Fortführung des bekannten kirchlichen Zehntens den Gedanken eines am Einkommen orientierten Steuersystems. Seine in Europa wohl erstmalig geäußerte Forderung, die später der schottische Nationalökonom A. Smith aufgriff, lautete: Jeder soll steuern, und jeder soll steuern im Verhältnis seiner Revenuen.7 Für die von Vauban ins Auge gefaßte Besteuerung bei der Person gab es Schwierigkeiten fiskaltechnischer Art, war doch Voraussetzung der Anwendung die konkrete Erfassung des tatsächlichen Wirtschaftsergebnisses oder Einkommens beim Steuerträger. Das erforderte auf Seiten des Staates eine ausgereifte Steuertechnik mit ausgearbeiteten Kontrollmechanismen samt entsprechender Personalausstattung und auf der des Steuernden zumindest rudimentäre Kenntnisse der Einnahmen- und Ausgabenrechnung in Geldeswert, dazu das Einverständnis, die Finanzsphäre den Behörden offenzulegen. Zudem war in der steuertheoretischen Diskus-

s Vgl. K. Griewank, Revolution, S. 27f.; A. Soboul, Revolution, S. 72; A.Wagner, Steuergeschichte, S. 156: E. Schrernrner, Steuern, S. 61 ff. 6 Vgl. M. Göhring, Revolution, S. 103f.; A. Soboul, Revolution, S. 11, 39, 68 f.; E. Schrernrner, Steuern, S. 65. 7 Vgl. H. Teschemacher, Einkommensteuer, S. 9f.

2. Frankreich - altes Erbe und neue Prinzipien

31

sion des 18., teils auch frühen 19. Jahrhunderts, die gedankliche Scheidung zwischen personaler und sächlicher Seite eines Wirtschaftsergebnisses noch nicht vollzogen, erscheint doch das Wirtschaftsergebnis einer Periode einerseits am Objekt (sächliche Seite), das heißt im Unternehmen, als Ertrag und andererseits bei der Person (personale Seite), das heißt im Haushalt, als Einkommen. Vaubans bestechende Idee, die Einkünfte bei der Person zu besteuern, also eine Personalsteuer zu schaffen, nahm infolge der steuertheoretischen und fiskaltechnischen Schwierigkeiten in Frankreich und in einigen deutschen Territorialstaaten ihren Weg als sich verfeinemde Besteuerung von Objekten bzw. der Erträge aus Objekten (etwa dem Boden mit seinem Ernteertrag), also zu einer Ertragsteuer.8 Die Ertragsbesteuerung als solche war nicht neu, wohl aber ihre einsetzende Ausgestaltung mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit des Steuernden besser zu erfassen. Subjektive, das heißt personalsteuerliche Gesichtspunkte wie die persönlichen Lebensumstände des Steuernden berücksichtigt(e) die Ertragsbesteuerung im Gegensatz zur Einkommensteuer nicht. 9 Mehrere Versuche der französischen Administration, mit teils schon subjektivierten Ertragsteuern die krasse steuerliche Ungleichbehandlung zu beseitigen und damit die Steuersituation im Sinne der Staatskasse zu sanieren, scheiterten am Widerstand von Klerus, Adel und auch Bürgertum: So die ,capitation' , eine vielklassige Kopfsteuer mit progressivem Tarif, die man allen Franzosen aufzuerlegen gedachte, wie auch der ,vingtieme', der Zwanzigste, mit dem Einkünfte von Boden, Handel, Renten und sogar von Feudalrechten besteuert werden sollten. Beide Auflagen verkamen zu einem Zusatz zur Taille und vermehrten die Belastung der traditionell Taillepflichtigen. 10 Steuerreformansätze unmittelbar vor 1789 mit einer exemtions- und unterschiedslos anzuwendenden progressiv angelegten Art von Einkommenbesteuerung des Grundbesitzes mißlangen ebenso wie der Versuch, die steuerliche Gleichbehandlung in den Bereich der Konsumtionssteuern voranzutreiben, die nicht nur ständisch, sondern, wie oben gesagt, auch provinziell sehr ungleich ausgelegt waren. Keines der Ziele der fiskalischen Reformen wurde erreicht, weder die Deckung des Defizits und die Tilgung der Staatsschuld, noch die Realisation des Gleichheitsanspruchs vor der Steuer. 11 8 Vgl. W. Gerloff (Hg.), Finanzwissenschaft 1, S. 403. - In der Ertragsbesteuerung, die durch die Steuergegenstände, Objekte, gekennzeichnet ist, erübrigt sich das Eindringen der Steuerbehörden in die persönlichen Verhältnisse des Steuernden. Andererseits fehlt die Anpassung des Steuergegenstandes an die Wandlungen der Produktionstechnik und die Leistungsfähigkeit des Steuernden mit der Folge geringer werdender fiskalischer Ergiebigkeit der Ertragsteuern. 9 Heute erscheinen die Ertragsteuern kaum noch in der Reinform der Objektsteuer, sondern sind durch Freigrenzen, Familienabzüge, teils sogar leichte Progression subjektiviert. Die wichtigsten gegenwärtigen Ertragsteuern in der BR Deutschland sind: Grundsteuer, Kapitalertragsteuer, Gewerbesteuer. (Vgl. W. Hartz (Hg.), Steuerrecht 1, S. 315.) 10 Vgl. A. Soboul, Revolution, S. 69; A. Wagner, Steuergeschichte, S. 158.

32

I. Einblick und Überblick

b) Frankreich 1789: Das Steuervorbild

In der weiteren Entwicklung der Staats- und Finanzkrise in Frankreich forderten die zur Generalversammlung einberufenen Stände (Ende 1788 - Mai 1789) unter anderem eine nationale Vertretungskörperschaft zur Steuerbewilligung und die Umbildung des Fiskalwesens. Die Menschen- und Bürgerrechtserklärung der Constituante vom 26. 8. 1789 verankerte in Artikel 1 die Gleichheit aller Menschen, ordnete jedoch die Gleichheit dem gesellschaftlichen Nutzen unter; Artikel 6 der Erklärung hingegen anerkannte kompromißlos die Gleichheit vor der Steuer. Artikel 13 erläuterte, daß die unerläßlichen Steuern unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Steuernden gleichmäßig auf alle Staatsbürger umzulegen seien. 12 Diesem eindeutigen Bekenntnis zur Gleichheit vor der Steuer folgte zwischen 1790 und 1791, eingeleitet durch die Verfassunggebende Versammlung, eine umfassende Finanzrefonn mit folgenden Konsequenzen für das Abgabenwesen: Die so ungleich ausgelegten, in ihrer Vielzahl schwer zu verwaltenden indirekten Steuern, die zudem als Verteurer des Lebensunterhalts der einfachen Bevölkerung galten, wurden abgeschafft; die Veranlagung zu den direkten Abgaben wurde insofern rationalisiert, als sie fortan für das ganze Land nach gleichen Grundsätzen einmal jährlich zu vollziehen war, an die Person gebunden wurde und in direktem Verhältnis zum jeweiligen Einkommen stehen sollte. Das neue System einzig direkter Steuern enthielt drei Kategorien: Die Grundsteuer als Ertragsteuer auf Grund und Boden, zunächst noch ohne Einrichtung eines nationalen Katasters, mit zwei Gruppen objektiver Merkmale für die Bestimmung des Reinertrags: Bodeneinteilung nach a) Kulturart (Acker, Wiese, Rebland, etc.) und b) Bonitätsklasse; die Gewerbesteuer als zweites Glied des Ertragsteuersystems aus den Einkünften von Handel und Gewerbe, deren Steuerhöhe mittels eines mehrfachen Klassen-/ Gruppen-Merkmalschemas gemessen wurde (Standort, Ortsgröße, Gewerbeart, Betriebsgröße, - einrichtungen, Beschäftigtenzahl, etc. ); 13 schließlich die Personalund Mobiliarsteuer als Ergänzungssteuer auf die Einkünfte aus dem beweglichen Vennögen und freiberuflicher Tätigkeit in Fonn einer abgestuften Kopfsteuer auf u Auf die von Adam Smith vertretene ethisch neutrale Überzeugung, daß allein durch eine gleichmäßigere Verteilung der Steuerlasten in der Bevölkerung eine Vermehrung der staatlichen Steuereinnahmen zu erreichen wäre, wird noch zurückzukommen sein. 12 Vgl. K. Griewank, Revolution, S. 41; A. Soboul, Revolution, S. 149f., 151. Die Steuerpostulate der Artikel 6 und 13 gingen in die französischen Verfassungen von 1791 und 1793 ein. 13 Das französische gewerbesteuerliche Klassifikationsraster war äußerst detailliert und wurde im Versuch der Anpassung an die voranschreitende Industrialisierung bis 1914 immer feiner und kasuistischer ausgebildet. Vgl. E. Schremmer, Steuern, S. 77f. - Die badische Gewerbesteuer von 1815 war der französischen eng nachgebildet.- Nicht nur für die Gewerbesteuer, auch für die übrigen Ertragsteuern wurden in Frankreich förmliche Verzeichnisse bzw. Kataster angelegt, um eine möglichst exakte Merkmalsklassifizierung zu gewährleisten.

2. Frankreich - altes Erbe und neue Prinzipien

33

der Grundlage des Wertes eines Arbeitstages des Pflichtigen (Personalsteuer) bzw. des Wohnungsaufwands-t Mietwerts (Mobiliarsteuer). 14 Von temporären Zusätzen zur Mittelbeschaffung abgesehen blieb dieses dreiteilige System genau an Merkmalen orientierter Ertragsbesteuerung durch die Jahre der demokratischen Republik und revolutionären Diktatur bestehen. "Hinter dem Prinzip der Merkmalbesteuerung stand eine Mischung von Hoffnung, Glaube und Gewißheit, daß es genügend äußere Merkmale gibt, die das geschützte private Einkommen und Vermögen hinlänglich genau widerspiegeln, so daß die Merkmalbesteuerung eine gerechte Besteuerung nach der durchschnittlichen Ertragsfahigkeit der Steuerobjekte im Besitz des Bürgers ist und damit auch der durchschnittlichen Steuerleistungsfähigkeit des Bürgers." 15 1798, unter der Regierung des Direktoriums, wurde das Steuersystem um eine vierte direkte Abgabe auf Türen und Fenster erweitert. Auch führte das Direktorium als einzige der 1790 aufgehobenen Konsumtionsteuern die Tabaksteuer wieder ein. Mit den Einnahmen aus der Tür- und Fenstersteuer sollten die Steuerausfalle kompensiert werden, die seit der Aufhebung der indirekten Abgaben als regelmäßige und wichtige Einkünfte der Staatskasse fehlten. Bonaparte setzte, obgleich die Tür- und Fenstersteuer beibehalten wurde, die indirekte Besteuerung inklusive der Salzsteuer wieder ein; auch veranlaßte er die Anlage eines nationalen Reinertragskatasters für die Grundsteuererhebung. 16 Die Constituante hatte 1790 in ihrer Verwaltungsreform keine besondere Finanzund Steuerverwaltung vorgesehen. Vielmehr wurde im Zuge der Verwaltungsdezentralisierung und Stärkung der Gemeinden der Steuereinzug den Gemeinden übertragen, ihnen jedoch die Anwendung von Zwangsmaßnahmen zur Beitreibung untersagt, wie denn das Revolutionspostulat ,Freiheit' im neuen französischen Steuerwesen als Nichtbehelligung des Bürgers und strikte Respektierung seiner Privatsphäre umgesetzt wurde. Die kommunal eingezogenen Steuergelder wurden von gewählten Steuereinnehmern distriktweise den Oberzahlmeistem der Departements als Vertretern des nationalen Finanzministeriums zugeleitet. Das Gelingen des Steuereinzugs hing wesentlich von der wirksamen Arbeit der Gemeinden ab. 1797 sah das Direktorium es als notwendig an, die Zuständigkeit des Staates bei der Abgabenerhebung wieder zu erweitern, um den Steuereingang zu verbessern. In jedem Departement wurden Steueragenturen eingerichtet, deren Kommissare den kommunalen Abgabeneinzug kontrollierten. Bonaparte verdichtete die Tatigkeit des Staates im Steuerwesen durch die Bildung einer allein von der Zentralregierung abhängigen Finanzverwaltung weiter. 17

Vgl. A. Soboul, Revolution, S. 175f.; E. Schremmer, Steuern, S. 75-79. Zit. nach E. Schremmer, Steuern, S. 73; ebd.: ,,Es sollte über 100 Jahre dauern, bis der Irrtum der objektiven Merkmale korrigiert wurde." 16 Vgl. A. Soboul, Revolution, S. 550f.; E. Schremmer, Steuern, S. 75. 17 V gl. A. Soboul, Revolution, S. 551. 14 15

3 Siegen

I. Einblick und Überblick

34

3. England: ,Die verfrühte Neuerung' 18 -Einkommensteuer Hoher Schuldenzuwachs durch den Krieg gegen das revolutionäre Frankreich bedingte Ende der 1790er Jahre eine Änderung des Steuersystems in England. Da, wie auf dem Kontinent, die steuerliche Belastung des Verbrauchs im ausgehenden 18. Jahrhundert bereits der unbestreitbare Schwerpunkt des englischen Abgabenwesens war, 19 konnte an eine Ausweitung der indirekten Steuern nicht gedacht werden. Die englische Regierung unter ihrem Premier Pitt suchte der Finanznot 1798 mit einer Einkommensteuer zu begegnen, die die Abgabenbelastung der vermögenden Bevölkerungsgruppen verstärkte. Die neue Steuer führte die Tradition der seit 1785 angewandten ,assessed taxes ' 20 fort bzw. knüpfte direkt an sie an. Dies war eine inhomogene, offene Gruppe von Aufwand- I Luxus- und Vermögensteuern. Entscheidend neu war 1798 die Einsteuerungsmethode: Man bildete für die Steuerpflichtigen der Assessed Taxes zwei Hauptgruppen (Reiche und Wohlhabende) mit je mindestens fünf Untergruppen oder Klassen. Nach der Höhe ihrer Vorjahresveranlagung zu den Assessed Taxes wurden die Steuerpflichtigen den beiden Hauptgruppen bzw. Untergruppen zugeschlagen. In der jeweils höchsten Klasse beider Gruppen war der fünffache Steuersatz des Vorjahres zu zahlen, in der niedrigsten Klasse der dreifache Betrag, was der Steuer den Namen Tripie Assessment eintrug. So wurde mit Hilfe grober Einkommensstufen und fixer Steuerbeträge eine Steuerprogression bzw. -degression erwirkt. Im übrigen sollte ein Steuermaximum von 10% des Einkommens nicht überschritten werden. Um die Steuer so gerecht wie möglich auf die Pflichtigen umzulegen, konnte auf die genaue Erfassung der Individualeinkommen letztlich nicht verzichtet werden, dies aber bedeutete die verpönte Aufdeckung der persönlichen Einkommenssituation. Pitt lockte die Steuerzahler mit der Aussicht auf Steuerminderung in die freiwillige Einkommenserklärung: Gelang einem Pflichtigen mittels eines von Pitt entwickelten Formblatts, das sein Gesamteinkommen aufwies, der Nachweis, über den Maximalsatz von 10 % des Einkommens hinaus belastet worden zu sein, so winkte eine entsprechende Steuerminderung.

Diese erste Frühform einer Einkommensteuer war insofern ein Fehlschlag, als sie sich kaum eintreiben ließ. Pitt ersetzte sie 1799 durch die weiterentwickelte Variante der ,property and income tax' , eine kombinierte Vermögen- und Einkommensteuer. Auch bei dieser Abgabe forderte ein Deklarationsformular zur Darstellung der Gesamteinkommenslage auf. Dafür war der Zuschnitt der Steuer auf das persönliche Einkommen und die Situation des Steuernden revolutionär neu und richtungsweisend für diesen Steuertyp: steuerfreies Existenzminimum, Differenzierung nach familiären Umständen, beschränkt abzugsfaltige Ausgaben, 18 19

20

So E. Schremrner, Steuern, S. 16. Vgl. A. Wagner, Steuergeschichte, S. 220. Assessed - dt. veranlagt, veranschlagt, also: Veranlagungssteuern.

4. Wirksame Wirtschafts- und Besteuerungstheorien in Deutschland

35

Schuldenabzug, Progressivsteuersatz und, ebenfalls neu, Besteuerung sogar von Kapitaleinkünften. 21 Pitt scheiterte auch mit dieser Steuer; zu hoch erschienen die Steuersätze, zu anstößig die Deklarationspflicht für das gesamte Einkommen. Allerdings mochte die Regierung diesem so elastisch22 sich anpassenden Steuertyp nicht grundsätzlich absagen. Pitts Nachfolger im Amt verzichtete auf die Gesamteinkommensdeklaration und ersetzte sie in einem pragmatischen Vorstoß durch fünf partielle Steuererklärungen (nach den Einkommens- bzw. Einkünftearten) mit fünf Teileinkommensteuern und getrennter Steuerentrichtung. Auf diese Weise wurde kompromißhaft die Gesamtaufdeckung des Einkommens vermieden und das fiskalische Interesse gewahrt. Der Steuersatz variierte mit den Einkommenstufen (minimal 1,2 %, maximal 5% des steuerbaren Einkommens). Ein Höchststeuersatz von 10% des steuerbaren Einkommens, der kurzfristig unter größter militärischer Anspannung Englands angewandt wurde, galt als nicht zu überschreitende Obergrenze. Auch die neue fünfgliedrige Vermögen- und Einkommensteuer war unbeliebt, fiskalisch jedoch ein Erfolg. 1815, im Jahr höchster steuerlicher Belastung erbrachte sie 57% des direkten Steueraufkkommens und 21% sämtlicher Staatseinkünfte. 23 Zu Beginn des Vormärz haftete dieser Steuer in den Augen von Bevölkerung und Parlament noch ganz der Zug einer temporären Sondersteuer an. Erst 1842, mit dem Aufstand in Indien, integrierte das Parlament unter Premierminister Peel die Vermögen- und Einkommensteuer in der fünfgliedrigen Version fest in das englische Steuersystem. 24 4. Wirksame Wirtschafts· und Besteuerungstheorien in Deutschland Bis in die 60er Jahre des 19. Jahrhunderts hinein scheint die deutsche Finanzwissenschaft weitgehend von den Wirtschafts- und Besteuerungstheorien Adam Smiths (1723 -1790) und seiner Schule geprägt worden zu sein. Zumindest fand über eine lange Reihe von Jahren hinweg kein anderer klassischer Autor auch nur annähernd die Beachtung, die Smith über die an den Universitäten Göttingen und Vgl. A. Wagner, Steuergeschichte, S. 221-222. (die Finanzwissenschaft) pointiert heraus, daß der steigende Volkswohlstand über das Faktum der Steuerprogression zu einer überproportionalen Zunahme der Staatseinnahmen führt und damit die Ausgabemöglichkeiten des öffentlichen Haushalts beträchtlich erweitert." (0. Weitzel, Staatsausgaben, S. 86.) 23 Vgl. E. Schremrner, Steuern, S. 25. 24 Vgl. A. Wagner, Steuergeschichte, S. 221.- ,,Erst nach 26 Jahren ... kehrte sie wieder ... , um seitdem nicht wieder zu verschwinden, trotz der öfters gehegten Absicht, sondern das notwendige und zweckmäßige ,mobile Element' im großen britischen Staatshaushalt zu bilden." (Ebd., S. 222.) 21

22 " . • •

36

I. Einblick und Überblick

Königsberg lehrenden und schreibenden Hochschullehrer in Deutschland, und besonders in Preußen, hatte. 25

a) Smiths Wirtschafts- und Steuerpostulate

Smith und seiner Schule zufolge sollte in einem Staatswesen die unbevormundete Entfaltung des Einzelnen, seine freie geistige und materielle Betätigung, Vorrang haben vor der Tätigkeit des Staates. Dessen Aufgaben sollten in erster Linie im Macht- und Rechtsbereich liegen, das heißt, der Staat sollte Schutz nach außen und Aufrechterhaltung der Rechtssicherheit nach innen gewährleisten und damit einen Rahmen der inneren und äußeren Sicherheit und Freiheit für die Betätigung des Individuums schaffen. Darüberhinaus sollte der öffentliche Verband allenfalls die Errichtung und den Unterhalt solcher Einrichtungen, wie z. B. Bildungswesen und Verkehrsinfrastruktur übernehmen, die von der Privatwirtschaft mangels Gewinnaussichten nicht begehrt und darum vernachlässigt würden. Im übrigen hatte der Staat schlicht der klassischen Forderung ,Be quiet' zu folgen, womit außer der Limitierung staatlicher Rechte und Pflichten gegenüber dem Staatsvolk auch die ökonomische Tätigkeit des Staates auf staatlichem Grundbesitz oder in Staatsbetrieben ausgeschlossen werden sollte?6 Eine Ausstattung des Staates mit Finanzmitteln war daher im Smithschen Sinne nur insoweit zu billigen, wie sie notwendig war, um den Staat seine Funktion als Schutzanstalt erfüllen lassen zu können. Denn der Staatsaufwand war mit dem Ruf der Unproduktivität, ja Schädlichkeit behaftet. Folglich mußte jeder verantwortungsbewußte Finanzpolitiker die Reduzierung der Staatsausgaben zu seiner vornehmsten Aufgabe machen. Die postulierte Reduzierung der Staatsausgaben werde, so die Erwartung, zu einer Minimierung der Steuerlasten führen, die nach dem französischen Nationalökonomen J. B. Say (1767 -1832), Verbreiter der Smithschen Theorien in Frankreich, ohnehin nur ,Störenfriede der Volkswirtschaft' waren, da sie den Volksreichtum minderten. Überdies, so bekräftigte Say, vereinfache nichts das staatliche Finanzwesen so sehr wie die Sparsamkeit. Say stand nicht allein mit seiner Meinung über Steuern. Wie der Franzose, nur noch dezidierter, stellte der Rigaer Chr. von Schlözer jede Steuer als ein ,drückendes Übel' für die Bevölkerung dar, das für Wirtschaft und Nationalvermögen nur negative, nämlich hemmende bzw. gar zerstörende Auswirkungen 25 Vgl. A. Nahrgang, Die Aufnahme der wirtschaftspolitischen Ideen von A. Smith in Deutschland zu Beginn des XIX. Jahrhunderts, Diss. Frankfurt/M. 1933/34. S. 32ff.; W. Treue, Adam Smith in Deutschland, S. 107; ders., Wirtschaftszustände, S. 121 ff.- ,,Daß die Beschäftigung mit Smith geradezu eine intellektuelle Mode mit bedeutenden politischen Folgen verkörperte, ist vielfach nachweisbar." (H.-W. Wehler, Gesellschaftsgeschichte 1, S. 405.) U> Smith, Inquiry, Vol. 2, S. 213 f.

4. Wirksame Wirtschafts- und Besteuerungstheorien in Deutschland

37

habe?7 Dies war sicherlich eine Extremposition, die durchaus nicht von allen Steuertheoretikern vertreten wurde, die sich an Adam Smith orientierten. Verbreiteter war die Ansicht vom Steuertausch (Assekuranztheorie): Steuerleistung verstanden als Entgelt, als Tausch, als Äquivalent für geleistete Staatsdienste, ein Prinzip, das im Vormärz vor allem in die Kommunalbesteuerung Eingang fand? 8 Laut Smith sollte also der gleichsam hinter sich selbst zurücktretende, sparsam bemittelte Staat am ehesten dem Individuum im großen, harmonisch-laufend vorgestellten Wirtschaftsgetriebe seine ungehinderte Interessenverfolgung - und damit Wohlstand - garantieren können. Bleibt man im Bild dieser Harmonie, begründet in dem optimistischen Glauben an die selbsttätige Wirtschaftsregulierung durch die ,unsichtbare Hand', Smiths berühmte Metapher des Marktes, so versteht es sich von selbst, daß die Eingriffe des Staates in das Wirtschaftsleben der Gesellschaft - seien es nun Subventionsmaßnahmen zur Förderung einzelner ökonomischer Bereiche oder erhöhte Staatsverschuldung, die über einen anwachsenden Zinsendienst letztlich die Steuerlasten anschwellen lassen würden - störend wirken müssen?9

b) Smiths Entwurf eines Steuersystems30 Smith war überzeugt, daß die Steuereinnahmen eines Staates ohne Höherbelastung der Mehrheit der Bevölkerung allein durch gleichmäßigere und gerechtere Verteilung der direkten Abgaben erheblich gesteigert werden könnten. Er griff den Gedanken der Besteuerung des Einkommens auf und unterschied drei Einkommensquellen: Einkommen aus Grundvermögen, aus Kapitalvermögen, aus Gewerbe oder gewinnbringender Beschäftigung (Lohnarbeit). Sein Entwurf eines rationalen, das heißt, zweckmäßig und durchschaubar gestalteten Staatssteuersystems war relativ simpel: Die Basis bildete eine Grundsteuer als direkte Besteuerung der Grundrente (verstanden als Reinertrag des Bodens); sie ergänzte Smith durch Verbrauchsteuem, quasi als indirekte Besteuerung der Kapital- und Gewerbegewinne sowie Löhne als der verbliebenen Einkommensarten. Die eigentliche Einkommensteuer lehnte Smith ab; an ihr haftete ihm zuviel Inquisitorisches und Kreditschädigendes, letztlich Unpraktisches. Vgl. F. K. Mann, Ideale, S. 204f. C. V. Hock, Öffentliche Abgaben, (1863), S. 21 : ,,Die Steuer ist ein Entgelt für geleistete Dienste, sie beruht darum - die Staatsform sey, welche sie wolle - auf einem zweiseitigen verbindlichen Vertrag." 29 Vgl. A. Smith, Inquiry, Vol. 5, Kapitel II zu den Steuerbetrachtungen. H.-U. Wehler, Gesellschaftsgeschichte I, S. 405: " . . . (Smith bot) in seiner ,Inquiry' im Grunde auch ein politisches Programm für ein unterentwickeltes Land." 30 Wie Fußnote 29. 21

28

I. Einblick und Überblick

38

Vor allem wünschte Smith keine Besteuerung des Kapitalvermögens, das er steuerlich ungeschmälert für Investitionen freihalten wollte, und keine direkten Lohnsteuern; sie galten ihm als ,absurd and destructive'. c) Smiths ,klassische' Steuennaximen31

Smith umriß seine steuerpolitischen Forderungen an den Staat in vier Leitsätzen: 1. In der ersten Maxime geht es um Steuernormierung: Im Sinne des oben erwähnten Steuertauschs hat der Bürger Steuerzahlung für staatliche Schutzleistung zu entrichten und zwar entsprechend seinen Möglichkeiten, das heißt, der Höhe seines Einkommens (in proportion to their respective abilities). Steuerverteilung auf die Bürger nach ihrer Einkommenshöhe bedeutet, die Staatssteuern gleichmäßig (equality of taxation) einzufordern. Die Gleichmäßigkeit hat hier also, dem Assekuranzprinzip folgend, keinen ethischen sondern einen wirtschaftlichen Hintergrund. 2. Die zweite Maxime, rein steuertechnischer Art, sucht Willkür der Steuerbeamten auszuschließen und fordert Eindeutigkeit von Steuerbetrag, Zahlungstermin und Zahlungsart für den Steuerträger. 3. Auf Steuertechnisches zielt auch der dritte Leitsatz: Die Steuer soll zu einem solchen Zeitpunkt und auf solche Weise erhoben werden, die dem Steuerzahler am bequemsten ist, etwa zur Zeit des Eingangs bestimmter Renten oder Erträge. 4. In der vierten, sehr komplexen Smithschen Steuerregel geht es ebenfalls um steuertechnische, aber auch um wirtschafts- und rechtspolitische Forderungen: Die Steuerquellen sollen geschont werden, indem a) der Steuereinzug mit geringstrnöglichem Verwaltungsaufwand erfolgt, b) die Belästigung (z. B. Kontrolle) der Steuerträger so gering wie möglich gehalten wird, c) die Steuer den Gewerbefleiß nicht behindert, indem sie den Bürger mittels gezielter rigoroser Steuerabschöpfung von gewissen Tätigkeiten abhält oder gar Fonds verbraucht und d) die Versuchung zu Steuerumgehung und Steuerbetrug (Unterschleif) durch hohe Besteuerung oder ungeeignete Steuerarten erst schafft, um dann die dieser Versuchung Erlegenen zu bestrafen. Smiths Forderung nach Lastenminimierung·(". .. as little burdensome to the people . . .") ist hier also in einem weiter ausgreifenden Sinne zu verstehen als wenn einzig die Minimierung des tatsächlichen individuellen Steuerendbetrages angesprochen wäre.

Die erste und die vierte der Smithschen Steuerregeln haben in ihrer Rezeption im späten 18., frühen 19. Jahrhundert Wandlung bzw. besonders intensive Aufnahme erfahren. So wurde die Gleichmäßigkeit der Steuereinforderung der ersten Maxime mit Steuergerechtigkeit identifiziert und die Steuerverteilung nach Einkommen von einer ursprünglich wirtschaftlichen Erwägung zu einem Gerechtigkeitspostulat, einem leitenden Steuermotiv des 19. Jahrhunderts. 32 3t

Wie Fußnote 29.

4. Wirksame Wirtschafts- und Besteuerungstheorien in Deutschland

39

Die vierte komplexe Maxime schmolz inhaltlich zusammen auf die Minimierung der Erhebungskosten, das heißt, auf eine reine Sparsamkeitsanforderung an die staatliche Steuerverwaltung. Es wird zu zeigen sein, daß in Preußen wie in Baden diese beiden Smithschen Maximen in ihrem gewandelten Verständnis eifrige Beachtung fanden. d) Die Fortentwicklung der Ertragbesteuerungsidee in Deutschland

J. F. E. Lotz (1771-1838), ein Kenner der Smithschen Lehre, schlug in seinem eigenständig entwickelten Steuersystem33 eine Grundsteuer und eine Klassensteuer vor, letztere vornehmlich für die Besteuerung des Gewerbes, und löste sich damit von seinen Mitverbreitem der Smithschen Theorien in Deutschland, G. Sartorius (1765- 1828) und Chr. J. Kraus (1753- 1807), die Smiths Steuervorschläge weitgehend unverändert übernommen hatten.34 Lotz ging vom reinen Wirtschaftsergebnis als Grundlage der Besteuerung aus. Auch für L.H. von Jakob (1759-1827), dessen Werk zur Staatsfinanzwissenschaft als erste geschlossene finanzwissenschaftliche Arbeit gerühmt wird, war der reine Ertrag Besteuerungsgrundlage. Das von ihm entwickelte Steuersystem kombinierte Ertragsteuern, die das Einkommen aus Arbeit (Gewerbe), Boden (Grundrente) und Kapital (Kapitalzinsen) erfassen sollten, mit indirekt zu erhebenden Verbrauchsteuern zur Erfassung der geringen Einkommen in den unteren Volksschichten. Wie Lotz lehnte auch Jakob die Einkommensteuer als praktisch undurchführbar ab; er sah keine Möglichkeit der genauen Einkommensermittlung und ließ die Anwendung der Einkommensteuer allenfalls temporär für Zeiten besonderer staatlicher Finanzengpässe gelten. 35 Jakobs systematische Kombination von direkten und indirekten Steuern unter dem Einheitsgesichtspunkt der Erfassung des Reinertrags wurde von K. H. Rau (1792- 1870) noch ausgebaut. Rau suchte den Gedanken der Gleichmäßigkeit bei der Belastung des Reineinkommens noch stärker zum Zuge kommen zu lassen, indem er vorschlug, direkt bei den Quellen mittels Grund-, Gefall-, Haus-, Gewerbe-, Lohn- und Kapitalabgaben (Zinssteuer) zu besteuern, um damit die Eigenartigkeit der einzelnen Einkommensarten steuerlich besser zu würdigen. Rau setzte sich dafür ein, den nötigen Lebensbedarf freizulas32 Die Gleichmäßigkeitsforderung richtete sich ursprünglich gegen Steuerexemtionen vor allem des Adels und Klerus' sowie allgemein gegen ungleiche Behandlung bei gleichen Verhältnissen, verschob sich jedoch auf die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Besteuerten. 33 Vgl. J. F. E. Lotz, Nationalwirtschaftslehre IV, (1811114), S. llOf., 176; ders., Staatswirtschaftslehre 111, (1821/22), S. 195 ff. 34 G. Sartorius, Staatswirtschaft, (1796); Chr. J. Kraus, Staatswirtschaft, (1808). 35 L. H. von Jakob, Die Staatsfinanzwissenschaft, 2 Bde., Halle 1821 (1. Auflage) vgl. §§ 465, 650, 686.

40

I. Einblick und Überblick

sen. Auch er war im übrigen aus den oben benannten Gründen kein Verfechter der Einkommensteuer.36 Stand bei Adam Smith also noch die Grundsteuer im Mittelpunkt der Staatsbesteuerung, ergänzt durch Verbrauchsteuern, so wurden in der Linie über Lotz, Jakob und Rau allmählich alle bekannten Einkommenszweige steuerlich erfaßt und gemäß französischem Vorbild zu Ertragsteuersystemen verbunden. Vor allem in den süddeutschen Staaten fand die Idee der systematischen Ertragsbesteuerung in den ersten beiden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts breiten Eingang in die Praxis des Steuerwesens. Wieweit die Theorie auf die Praxis eingewirkt bzw. die Steuerpolitik die Theorie beeinflußt hat, ist in den Quellen selten eindeutig auszumachen. Allerdings demonstrieren vor allem die Landtags- und Provinziallandtagsprotokolle aus Baden und Preußen, daß man kritisch-abwartend auf die praktische Bewährung von Gesamtsystemen oder auch Einzelsteuern in den Nachbarstaaten schaute. In Preußen wurde besonders die Erprobungsphase der Einkommenbesteuerung und ihre dann endgültige Einsetzung in England verfolgt, aber der Blick ging auch nach Süddeutschland. Nicht selten waren Steuertheoretiker und Finanzwissenschaftler in den staatlichen Steuerkommissionen oder Finanzverwaltungen tätig. K. H. Rau, zum Beispiel, war Mitglied der I. Kammer des vormärzliehen Badischen Landtags; J. G. Hoffmann, Verfasser der bedeutenden ,Lehre von den Steuern' und Entwickler der preußischen Personalsteuer von 1820 gehörte dem preußischen Staatsrat und dessen Steuerkommissionen an. e) Die Frage der Steuergerechtigkeit

Fraglos galt die Forderung der Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789, daß die Abgaben unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Möglichkeiten der Steuernden gleichmäßig auf alle Staatsbürger umzulegen seien (Artikel 13) oder auch Smiths Postulat ,Proportionalität der Belastung' als weithin anerkannte Basis gerechter Besteuerung in der vormärzliehen Abgabendiskussion. Dennoch bestimmte der gesellschaftliche Standort und die individuelle Lebensphilosophie die Interpretation dieser Gerechtigkeitsforderung erheblich: Wurden die vorgefundenen Ordnungen zumindest in ihrem Grundgefüge als naturgegeben und damit als zu respektieren empfunden, und gar die Nutzung des individuellen Eigentums als höherer Auftrag der Allgemeinheit verstanden, 37 so 36 K. H. Rau, Grundsätze der Finanzwissenschaft/ Bd. 3 des Lehrbuches der politischen Oekonomie, Heidelberg 1832, S. 204-289. 37 J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S .. 31: " ... diese Benutzung alles Nutzbaren wird am zuverlässigsten dadurch gesichert, daß in der Person des Eigenthümers ihm ein Pfleger bestellt wird, dessen eigner Vortheil ihn treibt, es möglichst auszubeuten. Aus dieser höhern Ansicht erfüllt der Eigenthümer nur einen Auftrag, den er von der Gesammtheit empfangen hat, in-

4. Wirksame Wirtschafts- und Besteuerungstheorien in Deutschland

41

mußte ein gerechtes Steuersystem diese Strukturen belassen bzw. konservieren, allenfalls leichte Korrekturen dort vornehmen, wo sozioökonomische Prioritäten gefährdet schienen - etwa bevölkerungspolitische Ziele durch falsch gewählte Verbrauchsbesteuerung verfehlt werden könnten oder ein Stand mißbräuchlich zu Lasten eines anderen steuerlich geschont würde. Von diesem Standpunkt her war außer der ,Proportion der Güter' auch die ,Proportion der Bedürfnisse', nämlich die Verschiedenheit der Lebensbedingungen zu beachten, die sich ,natürlicherweise' ungleich darstellten und als solche verteidigt wurden. Mußte zudem nicht im Sinne Adam Smiths jede Vermischung der privatwirtschaftliehen Sphäre mit der staatswirtschaftlichen um des Erhalts der Harmonie vermieden werden? Also war der Einsatz der Besteuerung zur Verfolgung außerfiskalischer Zwecke, gar die Instrumentalisierung der Progression, die in milder Form als Mittel einer Belastung nach den Fähigkeiten hinnehmbar war, zur gesellschaftlichen Besitzausgleichung scharf abzulehnen?8 Vom sozial-philosophisch entgegengesetzten Standort aus, wo die politischen und sozioökonomischen Ungleichheiten als Ursache menschlichen Elends gesehen wurden, erschien es dagegen folgerichtig und zwingend, die Steuergerechtigkeit als Hebel der Sozialreform einzusetzen und die seit Adam Smith tradierte Proportionalität im sozialreformerischen Sinne zu verschärfen, gegebenenfalls bis hin zu einer Nivellierung der Besitzverhältnisse. Diesen Standpunkt vertrat beispielsweise der badische Liberale Karl Mathy; er erhoffte sich von einer angemessenen Vermögen-, Einkommen- und Erbschaftsteuer nicht nur die steuerliche Entlastung der ärmeren Volksschichten, sondern auch die Einebnung allzu krasser Besitzunterschiede.39 In der Tat bot sich die Einkommensteuer als geeigneter Abgabentyp für sozialreformerische Vorhaben an. Bei Freilassung eines Existenzminimums ließ sich mittels Progression in den oberen Einkommensbereichen für die genannte Zielsetzung in gewünschter Abstufung operieren. Der badische Justizminister Trefurt sah 1848 unter dem Druck der sozialen Forderungen an die großherzogliche Regierung die Zeit reif für eine sozial geprägte Steuerreform seitens der Staatsgewalt: "Was ... mit einer nach einem allgemeinen Prinzip zu tragenden Belastung der Besitzenden irgend durchführbar ist, sollten die Regierungen selbst mit allen Kräften erstreben."40

dem er nach bestem Wissen zum eigenen Vortheil benutzt, was ihm zur Förderung des allgemeinen Wohls mit der Vollmacht, frei darüber zu verfügen, anvertraut wurde." 38 A. Wagner, Steuergeschichte, S. 239: " ... die ,Allgemeinheit und Gleichmäßigkeit' wird bloß ... im Sinn der ,rein finanziellen', nicht der ,sozialpolitischen' Auffassung verstanden: daher ist das Ziel nur Proportionalbesteuerung, unter möglichster Aufrechterhaltung der auf dem Boden der bestehenden wirtschaftlichen Rechtsordnung einmal erreichten Einkommen- und Vermögensverteilung." 39 Siehe Kapitel VI.2: Kar! Mathy zu sozialer Frage und Besteuerung. 40 Zit. nach F. Lautenschlager, Volksstaat (Dokument.), S. 182.

42

I. Einblick und Überblick

f) Einkommensermittlung - unerlaubter Vorstoß in die Privatsphäre?

Die große Hürde, die sich der Steuergerechtigkeit, doch nicht nur ihr, auch der Steuereffizienz und -berechenbarkeit gegenstellte, war die Ermittlung des exakten Einkommens der Steuerpflichtigen.41 Speziell für die Einführung von Einkommenbesteuerung drängte sich die Frage nach der geeigneten Feststellung des Einkommens unabweisbar vor. Die rein steuertechnischen Schwierigkeiten, eine zuverlässige Veranlagungsbasis zu gewinnen, sowie die liberalen Einwände gegen die Inquisition der Privatsphäre wurden eingangs gestreift und werden im Verlauf der Untersuchung immer wieder berührt werden. Die technischen Schwierigkeiten bildeten während des Vormärz ein zwar nicht unüberwindliches, wie das Beispiel Englands zeigt, doch auf dem Kontinent ernsthaftes Hindernis. Der großherzoglich-badische Geheimrat J. B. Hofer, Verfasser einer Anleitung zur Steuerperäquation, empfahl 1808, als man in England schon mit ausgefeilten Einkommensteuererklärungen operierte, dringend, bei der Durchführung einer Steuerreform beim Staatsbedarf anzusetzen, statt bei den schwer zu erlangenden präzisen Einzelfassionen. 42 Ungeachtet der Forderung nach Steuergerechtigkeit, die die badischen Kammerliberalen zum Beispiel in jeder Landtagsperiode vorbrachten, war der bürgerliche Individualismus robust genug, die Einkommensituation als Teil der Privatsphäre vor dem Zugriff des Staates zu verteidigen: ,,Eine Steuereinrichtung steht dann mit den Grundsätzen einer vernünftigen bürgerlichen Freiheit in Einklang, wenn in die Vermögensverhältnisse des einzelnen Bürgers nur insoweit eingedrungen wird, als sie jedem Auge offen liegen oder die Behörden sich durch äußere Anschauungen davon unterrichten können. " 43

J. G. Hoffmann, der Vater der preußischen Klassensteuer, hielt sich beim Entwurf seiner Personalsteuer genau an diese Weisung und schlug auch noch zwanzig Jahre später, in seiner 1840 erschienenen ,Steuerlehre' vor, in den allgemeinen Fragen der Einkommensermittlung ,Schätzungen als erträgliche Näherungen' zu akzeptieren. 44 Tatsächlich setzte sich das liberale, rechtsstaatliche Prinzip der Schutzwürdigkeit der privaten, individuell-familiären, auch privatwirtschaftliehen Sphäre gegen41 "Haller (konservativer Finanztheoretiker des späten 18., frühen 19. Jahrhunderts, R. S.) hatte noch ganz einfach in den Schwierigkeiten der Einkommensschätzung ein absichtliches Werk der Natur gesehen, welche dadurch ,dies Heiligthum der Privatfreiheit' gegen jede ,gewaltsame Ausspähung oder Beschatzung schützen und den Menschen die Lehre geben' wollte, daß die wahre Regel darin bestehe, entweder keine Steuern zu fordern, oder nur freiwillige (das heißt indirekte)." (Zit. bei H. Teschemacher, Einkommensteuer, S. 76 (Anmerkung 28).) 42 J. B. Hofer, Steuerperäquation, (1808), S. 8 f. 43 H. L. Biersack, Über Besteuerung, (1859), S. 96. 44 J. G. Hoffrnann, Steuerlehre, S. 38.

5. Resümee und Ausblick

43

über spätabsolutistischen Übergriffen aller Art im Vormärz erst allmählich durch. Auch gegenüber dem ,Steuer-Staat' galt es, die grundlegenden Rechte Leben, Freiheit, Eigentum (J. Locke) zu verteidigen. Die Behandlung besonders des indirekten Steuerwesens wird herausstellen, wie rauh die private und privatwirtschaftliche Sphäre behandelt wurde, und zwar gleichermaßen in Preußen wie in Baden, wenn es um die Überprüfung der individuellen steuerlichen Schuldigkeit durch die Staatsgewalt ging. Die bürgerliche Abwehr allen inquisitorischen staatlichen Eindringens in die Einkommenssituation verfolgte nicht nur das prinzipielle Ziel, den Staat aus der bürgerlich-privaten Sphäre zurückzuweisen, sondern auch den Zweck, die Grenzen der staatlichen Finanzhoheit stets von neuem zu markieren und der staatlichen Verschwendungsneigung entgegenzutreten. J. G. Hoffmann, durchaus beflissener Staatsdiener und im übrigen entschiedener Gegner der Einkommenbesteuerung, überrascht mit einer Aussage, die dem einzelnen Bürger mit seinen Investitions- und Konsumplänen Vorrang vor der Steuergeldverwendung des Staates gibt: "Wer Steuern nach dem Einkommen vertheilt, unternimmt zu bestimmen, welcher Theil des Einkommens eines Jeden nützlicher durch öffentliche Behörden als durch ihn selbst verwendet werde."4 s

5. Resümee und Ausblick Im großen Wandel, den die Revolution auslöste, wurden in Frankreich steuerwirtschaftliche Reformen vollzogen, wie sie in Preußen und Baden erst Jahrzehnte später in Gang gesetzt werden sollten. Die Mängel des französischen Abgabenwesens hatten sich indes nicht erst im Jahr 1789 gezeigt, sondern schon Jahrzehnte zuvor. Selbst ohne das revolutionäre Schlüsselwort ,egalite' war es offensichtlich geworden, daß die Steuerlasten, allein um den Staatsbedarf zu decken, breiter in der Bevölkerung verteilt werden mußten. Die großen Postulate von 1789 wirkten als Leitlinien der neuen Besteuerung: Gleichheit und Gerechtigkeit wurden als Kriterien der Steuerlastverteilung und -zumessung auf alle Bürger im Verhältnis zu Einkommen und Vermögen angewandt, Freiheit bedeutete die Unantastbarkeit des bürgerlichen Privatbereichs durch die Finanzbehörden. Das in den 1790er Jahren in Frankreich entwickelte System von Ertragsteuern, das sich bei der Steuerzumessung an den äußeren Merkmalen der Steuerleistungsfähigkeit des Bürgers orientierte, (z. B. Bodenkultur seines Grundbesitzes, Betriebsgröße seines Gewerbes, äußerer Aufwand seines Wohnens) verzichtete bewußt auf eine genaue, aber freiheitsmißachtend inquisitorische Einkommensermittlung. Zudem war es für die kommunale Steuererhebung 4S

Ebd., s. 39f.

44

I. Einblick und Überblick

leichter, den Ertrag von Steuerobjekten mittels festgelegter, gar klassifizierter Merkmale zu erfassen als das geldwerte Einkommen steuerbarer Personen nachzuprüfen. Obgleich also die ersten Anstöße zur Entwicklung der Einkommensteuer in Frankreich gegeben wurden, war der Reformsteuertyp nach der Französischen Revolution nicht die Einkommensteuer, der man in späteren Revolutionen die größere Gerechtigkeit zusprach, sondern die Ertragsteuer. Bonaparte verstärkte in der Steuerverwaltung die zuvor zugunsten der Eigentätigkeit der Gemeinden gelockerte Staatsautorität, knüpfte aber sachlich an das neueingesetzte Abgabensystem an, das Frankreich bis weit in das 19. Jahrhundert hinein erhalten blieb. Das Ertragsbzw. Merkmalsteuerwesen und auch eine begrenzte Abkehr von den Konsumtionssteuern übernahmen Preußen und vor allem Baden zusammen mit dem Leitprinzip ,proportionale Besteuerung' , das AdamSmithin seiner Steuertheorie präsentierte. Während Frankreich sein klassisches System der objektiven Ertragsteuern anlegte, wurde in England eine subjektive kombinierte Einkommen- und Vermögensteuer entwickelt, die bereits alle Eigenschaften einer allgemeinen persönlichen Einkommensteuer modernen Zuschnitts aufwies. Besteuert wurde das tatsächliche individuelle Gesamteinkommen. Das Individuum selbst gab der Behörde in einer förmlichen Einkommenserklärung die Höhe seines Einkommens bekannt. Beide großen Abgabentypen, die Ertrag- wie die Einkommensteuer, erfüllten die neuen Steuerpostulate, indem sie direkt waren und allgemein und gleichmäßig aufgelegt werden konnten. Allerdings stand der einkommensteuerliche Vorzug besonderer Anpassung an die Leistungsfähigkeit des Steuernden im Schatten der vom liberalen Bürgertum als Nachteil bewerteten exakten Einkommensfeststellung. Die direkte objektive Ertragsteuer galt dem liberalen Bürger als beste Gewähr für Schutz vor obrigkeitlicher Willkür und fiskalischer Einmischung in seine Belange. Adam Smiths Botschaft, daß die staatlichen Steuereinnahmen durch gleichmäßigere und gerechtere Verteilung der direkten Abgaben gesteigert werden könnten, traf in England und auf dem Kontinent bei den Regierungen auf offene Ohren. Smith war kein Verteidiger der Einkommensteuer, wohl aber ein Verfechter proportionaler Besteuerung im Rahmen eines rationalen, das heißt zweckmäßig und durchschaubar gehaltenen Staatssteuersystems. Den Zugriff des Staates drängte er im Sinne freier und eigenverantwortlicher Betätigung des Individuums sowohl in wirtschaftlicher wie steuerlicher Hinsicht zurück. Seine Steuermaximen flossen in die pragmatische Ausgestaltung der deutschen Ertragsteuersysteme ein.

II. Die Vergleichsstaaten Preußen und Baden 1. Territoriale Zuwächse und Neugliederung in Preußen Im Frieden von Tilsit (1806) hatte Preußen etwa die Hälfte seines Territoriums mit über fünf Millionen Einwohnern eingebüßt und war ganz auf ostelbisches Gebiet zusammengedrängt worden; auch ein Teil seiner polnischen Erwerbungen war verloren. Auf dem Wiener Kongress (1814 115) wurde Preußens Staatsgebiet wieder vergrößert: Zu den zusammenhängenden alten Provinzen Ost- und Westpreußen - 1829 zur Provinz Preußen vereinigt -, Pommern, Brandenburg und Schlesien kamen nun neu hinzu Posen, das einst schwedische Vorpommern, und Sachsen, nämlich die nördliche Hälfte von Kursachsen, sowie, vom übrigen Staatsgebiet durch Hessen und Hannover getrennt, die aus neuerworbenen und vormals preußischen Gebieten gebildete Provinz Westfalen und die Provinzen Niederrhein, Jülich - Kleve - Berg; die letzteren wurden 1822 zur Rheinprovinz zusammengefügt. Die Assimilierung dieser westlichen, überwiegend katholischen und weitgehend frankophil geprägten Bevölkerung bedeutete im Vormärz eine Herausforderung, wenn nicht die Herausforderung für die protestantisch-preußische Staatsführung und Verwaltung. Die neue Gliederung des Staatsgebietes in 10, später in 8 Provinzen, 25 Regierungsbezirke, 333 Kreise fand aufgrund der Verordnung vom 30. 4. 1815 (GS 1815, S. 85) statt. Indem sich diese Gliederung; ganz ähnlich wie in Baden, nur teilweise an vormaligen Verwaltungsgrenzen orientierte, hauptsächlich jedoch Neues schuf, stieß sie, auch darin den badischen Verhältnissen ähnlich, über Jahre, teils Jahrzehnte auf Schwierigkeiten und Widerstreben in Teilen der Bevölkerung. Das preußische Staatsgebiet umfaßte 1815 rund 278.000 qkm mit 10,4 Millionen Einwohnern. Die für die Entwicklung zum Industriestaat wichtigsten deutschen Gebiete waren jetzt preußisch. Das Zollgesetz von 1818 schloß die Monarchie zu einem einheitlichen Wirtschaftsgebiet zusammen. Mit Ausnahme von West-/Ostpreußen und Posen trat Preußen mit allen Provinzen dem Deutschen Bund bei. 1

I

Vgl. W. Hubatsch, Grundlinien, S. 78 ff.

fOO 11i1t

Nordsee

0

Karte 1: Preußen nach 1815 (Karte nach H. W. Koch, Geschichte Preußens, München 1978, S. 431)

POMMERN

0 stsee

0 ::I

~

"'t:l'"

::I

c::

C> 0 ::I

c::

I;r

"'"'

~

€.

~

n;·

t:l

;=

~

2. Territoriale Zuwächse und Neugliederung in Baden

47

2. Territoriale Zuwächse und Neugliederung in Baden Das 1771 aus der Vereinigung der beiden Markgrafschaften Baden-Baden und Baden-Durlach hervorgegangene Baden war ein unbedeutender Kleinstaat mit etwa 3.600 qkm Fläche und 175.000 Einwohnern. Der Reichsdeputationshauptschluß (1803) brachte der Markgrafschaft im Austausch für linksrheinischen Streubesitz recht ansehnliche Entschädigungen: Das Bistum Konstanz, die rechtsrheinischen Teile der Bistümer Basel, Straßburg und Speyer, etliche Reichsabteien und Reichsstädte, aus kurpfälzischem Besitz Heidetberg und Mannheim - die Grundlage für späteren Streit mit Bayern. 1805 folgten im Zuge des Preßburger Friedens die Ortenau, dazu die Stadt Konstanz, weitere Abteien, unter anderem St. Blasien, vor allem aber der Großteil des bis dahin Österreichischen Breisgaus. Baden reichte vom Rhein im Westen und Süden bis zu den Schwarzwaldhöhen im Osten, in der Nord I Südausdehnung von Neckar und Main bis zum Bodensee. Karl-Friedrich von Baden, mit der Rheinbundakte (1806) Großherzog, war damit ein Gesamtterritorium von ca. 15.000 qkm zugefallen mit fast einer Million Einwohner, das heißt, das neue Großherzogtum hatte 738 % an Fläche und 948 % an Bevölkerung hinzugewonnen. Die Zollreform von 1812 erleichterte den Binnenverkehr. Dennoch war Baden unter den Staaten, die 1815 den Deutschen Bund bildeten, der kleinste der sogenannten Mittelstaaten. Nach zweckrationalen Gesichtspunkten und bewußt ohne Rücksicht auf historisch gewachsene Zusammenhänge wurde das Staatsgebiet in mehreren Anläufen in zunächst zehn, dann neun Kreise aufgeteilt (von Nord nach Süd: Main-, Tauber-, Neckar-, Pfinz-, Enz-, Murg-, Kinzig-, Dreisam-, Donau- und Seekreis); schließlich reduzierte man 1832 auf die vier Großkreise Unterrhein-, Mitte/rhein-, Oberrheinund Seekreis, mit vier Regierungen in Mannheim, Rastatt (ab 1847 Karlsruhe), Freiburg und Konstanz. Die Kreise waren in 64 Amtsbezirke untergliedert mit insgesamt 1584 Gemeinden.2 Baden verließ im November 1813 mit dem Gros der Rheinbundstaaten das Bündnis mit Frankreich und trat der Koalition gegen Napoleon bei.

2

Vgl. K. Stiefel, Baden I, S. 171-208; F. A. Regenauer, Staatshaushalt, § 6.

li. Die Vergleichsstaaten Preußen und Baden

48

P I

zu

:. . .r\. ...

t a Bayern)

(Q

·.,

:l

·.

·······~:· :

..........

Frank-

CJ

•"

•'"·.... . .rfrnnt, b11ji fein ~er rr !!!Irin • • • •

20 fl. 20 • 120. -

3) ~!n.!'9!.1P9.'!1'

ßrm !!Do~aung. 0r[olbung. .l;lciufrr, errurr, 1Japit11l I>DII 3 !Diorgcn !!Dirfrn. errnrr, IJapiral »On (!lrunbgrflU r.

euurr • lbpirol »On

I

!lSO 150

1100

100

8000 f!,-

000. -

1000. -

9900 fl,-

297 200 1i57_,__ _

Zwar bestanden gewisse persönliche Befreiungen (§ 3a/b) für Soldaten und Unteroffiziere, für Witwen- und Waisenbenefizien, d. h. für mildtätige Unterhaltszahlungen, und für die ,zufälligen', d. h. nicht zum Grundgehalt gehörenden nichtfixen Einkommensanteile der Lehrer und Hebammen in Orten unter 2.000 Einwohnem,261 nicht vorgesehen war jedoch eine Steuerfreigrenze, wie sie die Gewerbesteuer bot. Die Strenge der Fassionspflicht traf besonders Beamte und alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten, indem ihre Steuererklärungen denjenigen Kassen, vorgesetzten Dienstbehörden, etc. vorzulegen waren, von denen die Bezüge, zumindest deren Hauptanteile, ausgezahlt wurden und die darum in der guten Lage waren, die Fassionen genauestens prüfen zu können. Der Erklärungspflicht aus diesem Grunde entbunden waren ohnehin all diejenigen, deren Gesamtbezüge aus einer Militär-, Zivilstaats- oder Hofkasse flossen. Neben der besonderen Zielgruppe der badischen Klassensteuer erhellt zudem der Blick auf die Tariftabelle, warum diese Personalabgabe mit der preußischen wenig mehr als den Namen gemein hatte: Die klar umrissenen badischen Einkommensklassen lehnten sich in keiner Form an äußere, ständische Klassifizierungsmerkmale der Steuerpflichtigen an, auf denen die preußische Abgabe fußte. Reg.Bl. XVIII (1820). Kopfgeldartige Einkommenszulagen je nach Zahl der Schulkinder bzw. Geburtshilfeleistungen. 260 261

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

219

Tabelle 19

Jahreseinkommen 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Klasse Klasse Klasse Klasse Klasse Klasse Klasse Klasse Klasse Klasse

1 213 % 3 113 % % 5 7 7/10% 83/10% 10 % 11 2/3 % = 13 3110% = 15 % 80.001 und von jedem weiteren Gulden lOkr. = 16 213 % bis 1.000 fl. - I kr. pro 1.001- 2.000 fl. - 2 kr. pro 2.001- 3.000 tl. - 3 kr. pro 3.001- 5.000 fl. - 4 kr. pro 5.001- 7.000 fl. - 5 kr. pro 7.001-10.000 fl.- 6 kr. pro 10.001-30.000 fl. - 7 kr. pro 30.001-60.000 fl.- 8 kr. pro 60.001-80.000 fl. - 9 kr. pro

1 fl. 1 fl. 1 fl. 1 fl. 1 fl. I fl. 1 fl. 1 fl. 1 fl.

= = = = = = =

Anders als in Preußen, wo sich der Staat mit monatlichen Zahlungsterminen in Erinnerung brachte, wurde die badische Klassensteuer zu den vier allgemeinen ,Zielem' des Steuerjahres, jeweils Anfang Mai, August, November und Februar fällig. Vergehen gegen die Steuerordnung zogen auch im Großherzogtum bedeutende Ahndung nach sich (§ 8).

b) Zur Belastung der steuerlichen Zielgruppe Staatsrat Nebenius' anerkennende Bemerkung zur ,Einfachheit' der badischen direkten Besteuerung, die es jedem Bürger ermögliche, seine Steuerrechnung selbst zu erstellen und ihn somit der behördlichen Bevormundung enthebe, traf durchaus auch auf diese nachträglich eingeführte Personalabgabe zu?62 Ob allerdings angesichts der relativen Steilheit ihres progressiven Tarifs im Vergleich zur ,Dreiheit' von gerechter Besteuerung der Klassensteuerzielgruppe gesprochen werden kann, mag bezweifelt werden, auch wenn die Abgabe in sich stimmig war. Die Belastung der durch sie erfaßten Einkommen galt im vormärzliehen Baden als hoch. Kern, Alterspräsident des badischen Landtags von 1837, urteilte, nachdem die Steuer permanent geworden war, nach sechzehn Erhebungsjahren so: ,,Die Classensteuer als eine bleibende Steuer widerspricht anerkanntermaßen allen allgemeinen Grundsätzen einer gerechten Besteuerung. Sie übersteigt aber auch in wirklicher Größe bei weitem das Verhältniß aller übrigen Steuerarten und ist in dieser Hinsicht eine wirkliche Prägravation, eine Verletzung der gesetzlich ausgesprochenen Steuergleichheit."263

Der naheliegende Vergleich der badischen Klassen- und Gewerbesteuerbelastung beweist die relativ höhere Steuerlast, die die Klassensteuer bedeutete: 262 Vgl. die ,Resolvirungs-Tabelle' zur Berechnung der Klassensteuer im Anhang unter IV.9.b). 263 D LT KA 1837, H. 4, S. 151 /Sitzg. v. 8. 6. 1837.

220

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Wurden die Gewerbeverdienst-Steuerbaren der untersten Klasse mit 1 fl. 15 kr. pro Jahr belastet, so belief sich die Steuersumme für die entsprechende Klasse der Klassensteuerpflichtigen auf jährliche 8 fl. 20 kr. - Der Gewerbeverdienstklasse X (mit 6000 fl. Verdienstkapital) wurde eine Jahressteuer von 19 fl. abgefordert, den Klassensteuerzahlern in der entsprechenden 5. Klasse jedoch 500 fl., wobei ihrer Klasse noch weitere fünf mit wachsendem Steuerfuß folgten! ,,Das System der progressiven Bestimmung ist . . . ein Zugriffssystem", kommentierte Finanzminister v. Böckh rückschauend den in die Länge gewachsenen ,Nothbehelf' mit dieser Personalabgabe, den man sich, wie er es ausdrückte, 1820 ,erlaubt' hatte. 264 Denn, obschon als außerordentliche Maßnahme geplant, hatte sich die Besoldungssteuer, wie die Klassensteuer auch genannt wurde, als ordentliche ständige Abgabe eingebürgert. ,,Beschwerden hoher Staatsdiener,265 Beschwerden von Pfarrern, Lehrern, Notarien und sonstigen Dienern"266, sammelten sich im Finanzministerium zu kleinen Aktenstößen, und jede der Petitionskommissionen der Landtage der 30er hatte sich mit Klagen über diese Steuer und Erleichterungsgesuchen zu befassen. Noch schärfer als die milder besteuerten Gewerbetreibenden hoben sich die bis dato steuerlich gänzlich unerfaßten ,Rentiers' gegen die Klassensteuernden ab, was in der perennierenden Kapitalsteuerdiskussion im Landtag auch in aller Deutlichkeit hervorgekehrt wurde.Z67 c) Das Ergänzungsgesetz von 1837 Die Belastungsdiskrepanzen zwischen Gewerbeverdienststeuer und Klassensteuer hatten die Regierung schon lange gedrängt, endlich "auch den Neusteuerharen eine gerechte und billige Erleichterung zu gewähren". "(Die Classensteuer) hat in dieser unvollkommenen, die Contribuenten in doppelter Weise beschwerenden Gestalt so lange gedauert, weil der Regierung noch dringender schien, die Altsteuerbaren vorher zu erleichtern", 268 erläuterte v. Böckh 1837 vor der II. Kammer, als er den lastenmindernden Novellenentwurf der Regierung zur Klassensteuer vorstellte. Der Einnahmeausfall von rund 93.000 fl., der nach dieser Vorlage entstünde, sei durch den ,namhaften Überschuß', den das 37er Budget aufweise, abzufangen.269- Wie wollte man die Lastenminderung bewerkstelligen? BAD LT KA 1837, Beil. 3, S. 14-16/ Sitzg. v. 12. 3. 1837. GLA 237 /14049. 266 GLA 237 /14000. 267 Vgl.: Rede des Abg. Hassermann BAD LT KA 1842, Beil. 2, S. 64. 268 A. a. 0. (siehe oben Fußnote 264).- ,Neusteuerbaren', d. h. die seit 1820 Klassensteuernden im Gegensatz zu den gemäß der ,Dreiheit' seit 1815 Altsteuernden. 269 Nach den Berechnungen des Finanzministeriums von 1833 hätte der Klassensteuerausfall jenes Haushaltsjahres rund 120.000 fl. betragen, wäre die Abgabe analog zur Gewerbesteuer erhoben worden. 264

265

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

221

Durch Multiplikation der Einkommen mit der Ziffer 3 und Abzug von 300 fl. sollten analog zur Gewerbesteuer auch für die Klassensteuer Kapitalien gebildet werden, die dann - gerechtigkeitsstiftend - mit dem Gewerbesteuerfuß von 23 kr. pro 100 fl. zu belegen wären.270 Die li. Kammer verweigerte einer Änderung dieser Art ihre Zustimmung und erklärte insbesondere den Hinweis des Finanzministers auf die eklatanten Unterschiede zwischen Klassen- und Gewerbesteuerbelastung für gegenstandslos, da ja auch die Gewerbesteuer "nicht nach richtigen Principien angelegt sey", ja, die Kammer verlangte, die Klassensteuer, die ihrer Natur nach einen progressiven Maßstab fordere, als Normsteuer für die Abänderung der Gewerbesteuer zu benutzen!271 Die Zielperspektive der li. Kammer in dieser steuerlichen Grundsatzdebatte mit der Regierung nannte der Liberale v. Itzstein bei seiner Darlegung des Kammervorschlages: ,,Der Herr Finanzminister kämpft gegen das Gesetz, das wir vorgeschlagen, als ein auf unrichtigen Principien beruhendes . .. Es scheint mir, als wenn es nur ein gerechtes Princip gebe, nämlich das der Einkommensteuer. " 272 Was nun die Regierungsvorlage betreffe, so seien die Einkommen nicht mit konstantem, sondern steigendem Multiplikator zu vervielfachen - als gerechte Kompensation der mancherlei Nachteile einer gewerblichen Tatigkeit im Vergleich zu Ansehen und Sicherheit von Beamtenstatus und -einkommen. - Mochten die Regierungsvertreter auch wiederholt die ungerechtfertigte Singularität dieser Progression innerhalb des Gesamtsystems der direkten Steuern ins Feld führen oder die ja relativ geringe Anzahl von Beamten unter den Klassensteuerpflichtigen, 273 die Kammer hielt an der höheren Vollkommenheit ihrer Fassung des Gesetzentwurfs fest, die unter dem 10. Juli 1837 als Gesetz verabschiedet wurde. Trotz des steigenden Multiplikators für die Steuerkapitalien stellte diese Novelle eine Lastenminderung im Vergleich zur ursprünglichen Version von 1820 her. In Art. 4 bestimmte das Ergänzungsgesetz: "Die Bildung des Klassensteuerkapitals erfolgt durch Vervielfachung des der Klassensteuer unterworfenen Einkommens in nachfolgender Abstufung:

270 271

272

BAD LT KA 1837, Beil. 3, S. 16/ Sitzg. v. 12. 3. 1837. So der Abg. Mördes. Vgl. BAD LT KA 1837, II. 4, S. 167/Sitzg. v. 8. 6. 1837. BAD LT KA 1837, H. 4, S. 151/Sitzg. v. 8. 6. 1837.

273 Ein Sechstel der Klassensteuerpflichtigen von 1837 waren nach Aussage des Finanzministers Beamte (BAD LT KA 1837, H. 4, S. 147). Böckh im Blick auf Preußen: "In Preußen sind die Staatsdiener der Classensteuer unterworfen und sollen in Gleichheit mit anderen Staatsbürgern eingeschätzt werden. Eine progressive Besteuerung tritt dabei ... nicht ein." (Ebd., S. 146).

222

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Tabelle 20 Bei einem Einkommen

bis

2000 fl. durch Vervielfachung des Einkommens mit

von 2001 fl.

bis

von 3001 fl. von 4001 fl.

bis

3000 fl. durch Vervielfachung des Einkommens mit 6 4000 fl. durch Vervielfachung des Einkommens mit 7

bis

5000 fl. durch Vervielfachung des Einkommens mit 8

von 5001 fl.

bis

6000 fl. durch Vervielfachung des Einkommens mit 9

von 6001 fl.

bis

7000 fl. durch Vervielfachung des Einkommens mit 10

von 7001 fl.

bis

8000 fl. durch Vervielfachung des Einkommens mit 11

von 8001 fl.

bis

9000 fl. durch Vervielfachung des Einkommens mit 12

3

und darüber."

Art. 5 nahm die Apanagen und Witwengehälter von der mäßigenden Wirkung des neuen Gesetzes aus: ,,Auf die gegenwärtig von den Gliedern der großherzogliehen Familie aus der Staatskasse zu beziehenden Wittumsgehalte und Apanagen finden die vorstehenden Artikel keine Anwendung; für diese bleibt vielmehr das Gesetz vom 31. Oktober 1820 seinem ganzen Inhalte nach in Kraft. " 274

25.600 fl. betrug im 1837er Budget bei einem Klassensteuertotalaufkommen von 190.954 fl. der Steueranteil der großherzogliehen Familie mit Wittumsgehältern und Apanagen, das heißt, 13,4 %.275 Die Veränderungen durch das Ergänzungsgesetz zusammengefaßt: Der Klassensteuersatz wurde dem Gewerbesteuersatz von 19 kr. pro 100 fl. Steuerkapital gleichgesetzt, die Progression des Steuersatzes wurde nun in die Veranlagung, das heißt, in die Bildung der Steuerkapitalien verlegt, was, wie gesagt, eine Milderung des steuerlichen Zugriffs bedeutete. - Die Auswirkungen für höhere und hohe Besoldungen sollen im folgenden kurz beleuchtet werden.

d) Beispiele: Gehobene Beamtengehälter und Steuerbelastung seit 1837 F. A. Regenauer zum formalistischen Versuch von 1837, die Klassensteuer den älteren Ertragsteuern anzupassen: "Hierdurch wurde freilich die Klassensteuer nicht ganz der Gewerbsteuer gleich gestellt. Denn während z. B. der persönliche Verdienst des Bankiers, vom Steuerkapitalzuschlage für Gehülfen abgesehen, nur mit 5000 fl. bis 8000 fl., sodann jener des Handelsmannes mit offenem Laden bei einem Betriebskapital über 45.000 fl. unter gleicher Voraussetzung

274 21s

Reg.Bl. XXI (1837). BAD LT KA 1837, Beil. 3, S. 14-16/ Sitzg. v. 12. 3. 1837.

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

223

nur mit 6000 fl. bis 8000 fl. an Gewerbsteuerkapital belegt ist, wird ein der Klassensteuer unterworfenes Einkommen von 2000 fl. schon mit einem Steuerkapital von 6000 fl., ein solches von 3000 fl. mit einem Steuerkapital von 12.000 fl., ein Einkommen von 4000 fl. mit einem Steuerkapital von 19.000 fl. u.s.f. zur Klassensteuer beigezogen. Wahrend darum jener Bankier oder Handelsmann seinen persönlichen Verdienst höchstens mit 80 23/60 fl. oder mit 30 fl. 40 kr. besteuert findet,. hat der Beamte von 2000 fl. Einkommen 23 fl., der von 3000 fl. Einkommen 46 fl., der von 4000 fl. Einkommen 72 fl. 48 kr. u.s.f. für seinen persönlichen Verdienst an Steuer zu entrichten. " 276

Die wirklich hohen Einkommen unter den beamteten KJassensteuer-Pflichtigen, wie sie Regenauer hier heranzieht, waren im Großherzogtum dünn gesät: Die Direktoren der 1832 eingerichteten vier Kreisregierungen zu Konstanz, Freiburg, Rastatt und Mannheim bezogen ein Jahresgehalt von 3500 fl., ursprünglich mit ca. 133 fl. p.a. besteuert, nach 1837 mit rund 94 fl. Die ihnen untergeordneten Räte hatten Einkommen zwischen 1600 und 2000 fl. p.a., ehemals etwa 36 fl. steuerbelastet bzw. 50 fl., nun mit 15 und 19 fl. pro Jahr belegt. Die Sekretärsgehälter lagen zwischen 800 und 1200 fl., ein Kanzlist erhielt jährlich in dieser Behörde 700 fl.; das machte nun Steuerbeiträge von rund 6 1/2 fl. bis 11 1/2 fl. aus. Der Direktor der 1823 eingerichteten Wasser- und Straßenbaubehörde bezog pro Jahr 2500 fl., seine Räte 1800 fl. und die dort ebenfalls als Beamte tätigen Geometer zwischen 800 fl. und 1100 fl. Weit schwächer waren die Jahresbezüge der als Sanitätsbeamte wirkenden Ärzte: zwei bezogen 1836 1000 fl., die größere Anzahl der Amtsärzte erhielt ein Gehalt von 500 fl., ja, es gab auch einige, die nur 353 fl. p.a. bezogen. Stolze Gehälter finden sich nur in den Ministerien: Das Jahresgehalt des Innenministers machte 1836 9000 fl. aus, sein Ressortdirektor bezog 5000 fl., so auch die Staatsräte. Das bedeutete ab 1837 Steuerbeiträge zwischen 342 fl. (ehemals 600 fl.) und 126 fl. (einst 233 fl.), die Erleichterung war also evident.- Die Gehälter der Ministerialräte lagen zwischen 2200 fl. und 2600 fl. jährlich, ihre neuerliche Steuerbelastung zwischen rund 42 und 49 fl?77 Die steuerliche Belastung dieser Einkommen durch die progressiv ausgestaltete Klassensteuer wurde auch nach der Angleichung an die Ertragsteuern des älteren Typs als hoch empfunden. Die im Landtag auftretenden Regierungsmitglieder oder beamteten Abgeordneten hielten sich, verfolgt man die Kammerprotokolle, mit Klagen über die Höhe ihrer persönlichen Belastung zurück, hätte es doch gegen ihr Ehrgefühl verstoßen, Unwillen zu zeigen. Auch Finanzminister v. Böckh beeilte sich bei der Vorstellung des 1837er Ergänzungsentwurfs zur Klassensteuer zu versichern, daß er die ihm auferlegte Steuerlast bisher klaglos getragen habe, wennF. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 442. Fundort sämtlicher oben aufgeführter Gehälter: Staatsbudget für 1837/38 in: BAD LT KA 1837, Beil. 2 (Beilage 10), S. 50-54. Die aufgeführten Jahresgehälter berücksichtigen einzig die Barbezüge, Naturalien oder sogenannte Beinutzungen sind nicht enthalten. 276 211

224

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

gleich er nicht umhin konnte, die fortbestehende Ungerechtigkeit zwischen Klassen- und Gewerbebesteuerung zu pointieren: ,,Die sechsmal so große Zahl der (sich nicht im Staatsdienst befindenden, R. S.) Classensteuerpflichtigen soll fortdauernd einer viel höheren Besteuerung als die Gewerbesteuerpflichtigen unterworfen bleiben, weil Ihre verehrliche Commission glaubt, die Staatsdiener seyen zu reichlich besoldet. Finden Sie dieses consequent? Ich weiß, wo sich die Güter häufen, daß umsichtige Freier aus dem Staatsdienerstand die Töchter der Handels- und Gewerbsleute viel schöner finden als die ihrer Standesgenossen!"278

e) Klassensteuer-Aufkommensentwicklung

Mit 180.000 fl. hatte das Finanzministerium den Klassensteuereingang für das erste Erhebungsjahr veranschlagt, tatsächlich betrug die Reineinnahme 177.000 fl. Für 1825 ist im Einnahmeetat die Reineinnahme mit 192.150 fl. beziffert. In 1835 ging die Reineinnahme auf 172.209 fl. zurück. Die Lastenminderung nach dem Klassensteuer-Ergänzungsgesetz von 1837, sowie das Erlöschen von Witwen- und Apanagenbezügen des großherzoglichen. Hauses samt daraus bezogenem Steuerertrag, schließlich das Apanagengesetz von 1839279 ließen die Reineinnahme aus dieser Personalsteuer im Jahr 1845 auf 129,093 fl. schrumpfen. Etwa zwischen 5 und 7 % des badischen direkten Steueraufkommens bewegte sich der Anteil der Klassensteuer im Erhebungszeitraum 1820 bis 1845.280

j) Die Anteile der Steuerklassen am Gesamtaufkommen der Klassensteuer

Das badische Klassensteueraufkommen speiste sich in seiner Hauptmasse aus den unteren beiden Steuerklassen, nämlich der 1. und 2. Klasse. Eine Aufstellung F. A. Regenauers von 1845 über Steuerklassen und Einkommensverteilung - frühere Analysen dieser Art finden sich auch in den Akten des Finanzministeriums nicht - gibt folgende Daten:

278 BAD LT KA 1837, H. 4, S. 141 f. 279 Vgl. Reg.BI. XXIV vom 21. 7. 1839, § 32: "Sämmtliche in Folge dieses Gesetzes ausgeworfenen Apanagen, Wittume ... unterliegen keiner Art von Besteuerung." 280 Daten nach F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 726.

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

225

Tabelle 21

Steuerklassen

Summe der Einkommen I Klasse 8.771.940 fl. 194.070 fl.

von

unter und bis 2000 fl. 2000 fl. bis 3000 fl. 3001 fl. bis 4000 fl.

von

4001 fl. bis 5000 fl.

23.890 fl.

von

500 I fl. bis 6000 fl.

16.130 fl.

von

6001 fl. bis 7000 fl. 7001 fl. bis 8000 fl.

11.700 fl. 9.530 fl.

über 8000 fl.

33.140 fl.

von

von

total

56.420 fl.

9.116.820 fl. 281

Regenauers blockartige Erfassung der I. und 2. S~euerklasse läßt keine detailliertere Auswertung zu als die, daß mehr als 95 % des zur Klassensteuer veranlagten Einkommens sich aus den Bezügen ,subalterner Diener', sowie unterer, mittlerer und gehobener Beamtenschaft in Staats-, Hof-, standes- und auch grundherrliebem Dienst zusammensetzte, wobei die Volksschullehrer und Geistlichen, die Finanzminister v. Böckh 1837 als ,die zahlreichste Categorie der Classensteuerpflichtigen' bezeichnete, zu den ,Subalternen' zu rechnen sind. Über mehr als ein Jahrzehnt eifrigen Klassensteuereinzugs wurden innerhalb der untersten Klasse offensichtlich auch Niedrigst- und Taglohneinkommen beigezogen. 282 In den 30ern scheint man in den Obereinnehmereien dazu übergegangen zu sein, diejenigen, die nur mit 75 fl. Jahreseinkommen oder weniger in den Klassensteuerregistern erschienen, als steuerfrei zu behandeln, weil der Aufwand des SteuereiDzugs in ungesundem Verhältnis zur Steuerzahlung stand, wie v. Böckh 1833 vor der II. Kammer äußerte. Doch erst mit der Vollzugsverordnung vom 8. 4. 1857 wurde eine Freigrenze bei 30 fl. Jahreseinkommen fixiert und gleichzeitig eine konsequente Registerbereinigung vorgenommen. Die Zahl der eigentlichen Freiberuflichen unter den Klassensteuerpflichtigen, der Juristen, Ärzte, Journalisten, Künstler, muß auch 1845 noch recht klein gewesen sein. Mit 0,5 % war ihr Anteil 1829283 an der Gesamtzahl der steuerlich erfaßten Erwerbstätigen im Großherzogtum verschwindend gering, wie aus der damals angefertigten Gewerbestatistik hervorgeht.

F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 445. "Vielfach waren früher aus irriger Auffassung der einschlägigen Gesetzes- und Vollzugsvorschriften auch solche Personen zur Klassensteuer beigezogen worden, deren Einkommen lediglich als Verdienst aus Taglohn anzusehen ist . .." (Ebd.). 283 Gewerbestatistik von 1829: GLA 237/6841. 281

282

15 Siegen

226

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Zahlenmäßig nicht unbedeutend und ebenfalls dem untersten Block in Regenauers Aufstellung zuzuschlagen ist die Gruppe der Kontribuenten, die Ruhebezüge bzw. Hinterbliebenenversorgung im weiteren Sinne erhielten. Anders als in Preußen, wo die Klassensteuerzahlung mit dem 60. Lebensjahr endete, sofern der Pflichtige zu den sozial Schwachen gehörte, endete die Klassensteuerpflicht auch der untersten Steuernden in Baden nicht mit einer gesetzten Altersgrenze oder dem Empfang von Ruhebezügen. - Die unter steuerlichen Gesichtspunkten angelegte Gewerbezählung des Finanzministeriums von 1829 ermittelte 269.840 steuerlich erfaßte Erwerbstätige; mit 38.949 steuernden Familienvorständen betrug der Anteil klassensteuerpflichtiger Personen laut Gewerbestatistik 14,4% an der eben genannten Gesamtzahl Erwerbstätiger. Der von den Klassensteuernden abhängige Bevölkerungsanteil wird auf 130.000 Personen bzw. 11 % geschätzt, geht man von einer Familiengröße von 4,8 Köpfen bei Erwerbstätigen, für die Familien der Ruheständier und Witwen von 3 Köpfen aus?84 Auch hier zeigt sich, wie am Überblick über die Entwicklung des Klassensteueraufkommens, daß die badische Personalabgabe - bestimmungsgemäß - nicht Breiten- bzw. Hauptsteuer wie die preußische Klassensteuer war, die ihrerseits sechs Siebtel der Bevölkerung erfaßte. Die den oberen Steuerklassen subsummierten Spitzengehälter in Regenauers Aufstellung von 1845 sind wohl überwiegend den hohen Zivilbeamten und Militärs zuzuordnen. Leider liefert die Gewerbestatistik, die die Steuerdirektion 1843/ 44 auf Geheiß des Finanzministeriums erstellte, keine vergleichbare Datenfülle zur Klassensteuer wie die von 1829, wünschte man im Finanzministerium neben Informationen zum aktuellen Stand der Fabrikindustrie im Land vor allem Material für die Entwicklung einer neuen Gewerbeordnung zu erhalten. 285 Für die letzten vormärzliehen Jahre beziffert Regenauer die Zahl der Klassensteuernden und die Höhe der seit dem 1837er Novellengesetz zu bildenden Steuerkapitalien (ohne Apanagen und Witwenbezüge des großherzogliehen Hauses) so: 1845: 24.695 Steuerpflichtige - 28.830.980 fl. Steuerkapital 1847: 25.397 Steuerpflichtige - 30.106.290 fl. Steuerkapital 1849: 25.875 Steuerpflichtige - 30.731.750 fl. Steuerkapital 286

Er deutet die Zunahme der Zahl der Steuerpflichtigen und das Anwachsen des Steuerkapitals als Ergebnis der ,fortschreitenden Erweiterung verschiedener Staatsanstalten, namentlich der Eisenbahn' (Eisenbahn-Gesetz vom 29. 3. 1838) und der ,allmähligen Aufbesserung des Einkommens der Bediensteten'. - Vermutlich erfaßte Regenauer hier nur die tatsächlich Erwerbstätigen, denn die Zahl der Vgl. W. Fischer, Staat, S. 286. Die im Winter 1843/44 erstellte Gewerbestatistik wurde am 31. 5. 1844 vorgelegt (GLA 237 /6837). 286 F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 444. 284 285

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

227

Klassensteuernden wird z. B. für 1843/44 mit 37.248 Personen angegeben, 287 was einen Anteil von nur noch 11,9% an der Gesamtzahl der 312.748 besteuerten Erwerbstätigen ausmachte. Im folgenden Abschnitt sollen Kontribuenten der ,zahlreichsten Categorie der Classensteuerpflichtigen' (Böckh)., die badischen Schullehrer nämlich, in ihren Lebens-, Berufs- und Steuerverhältnissen vorgestellt und mit den preußischen Vertretern dieses Standes verglichen werden.

g) Exkurs: Badische und preußische Schullehrerunterste Personalsteuerkontribuenten

Im Juni 1819 bewegte der Kommissionsbericht des Abgeordneten Fecht über die Lage der Schullehrer, dieser ,4. Klasse von Dienern' (Regenauer), die junge II. Kammer in Baden, die sich mit dem Antrag ihres Abgeordneten Dr. Kern auf ,Besserstellung der Schullehrer' zu befassen hatte. Was im Kommissionsbericht "von dem Elend so manchen Lehrers besonders auf dem Schwarzwald, in der Rheinpfalz und Odenwald" zu hören war, von "lauter verarmten Menschen, die kaum ihr und ihrer Kinder physisches Leben fristen", von "traurigen Folgen für den Schulzustand selbst",288 das mußte die Initiative der Kammer herausfordern. Kerns Antrag umriß in seinen Einzelpunkten die landesweiten charakteristischen Mängel der Lehrerversorgung. Er forderte, daß 1. da, wo die Gemeinden zu arm seien, um ihre Lehrer besser zu stellen, die Staatskasse sich verpflichte einzuspringen; 2. jedoch zur Erleichterung der staatlichen Subsidiarhaftung überall da, wo bisher Grundherren, Schutzpatrone, Stiftungen, etc. Beiträge zu Schulbesoldungen liefern mußten, diese Instanzen auch fernerhin heranzuziehen seien; 3. jeder Lehrer Staatsbeamter werde; 4. die Lehrer zur Beteiligung an der Generalwitwenkasse zuzulassen seien; 5. jedem städtischen Lehrer 400 fl., jedem ländlichen 300 fl., jedem Schulgehilfen 150 fl. als Mindestbesoldung zukomme und neben dieser Geldbesoldung jedem angestellten Lehrer freie Wohnung und unentgeltlich Holz zu gewähren sei. 289

287 Von W. Fischer aus den von Innen- und Finanzministerium erstellten Statistiken ermittelt. (Vgl. ders., Staat, S. 297f.). 288 BAD LT KA 1819, H. 5, S. 157 (Beilage 215)/Sitzung v. 17. 6. 1819. 289 Ebd., S. 158-160. -Eine Besteuerungsverordnung von 1815, Pfarr- und Schulgüter betreffend, umreißt in ihrem wohl wenig beachteten 2. Artikel die Lehrergehälter: "Die standesgemäße Sustentation, alle Nutzungen eingerechnet, soll bestehen: Für einen Lehrer an Trivialschulen in 300 fl., für einen Lehrer an höhern Schulen in 800 fl." (Reg.Bl.XVIII (1815)).

IS•

228

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Bis 1834/35290, als die Sachlage einschneidende Änderungen erfuhr, war das badische Elementarschulwesen, oft auch das weiterführende, Kirchspielsache. Die Mittel zur Lehrerbesoldung und zum Unterhalt der Geistlichen, teils auch für den Unterhalt der Schulgebäude und natürlich für den der kirchlichen Gebäude, flossen aus Stiftungen, Fonds, Sammlungen, die den Kirchengemeinden zur Verfügung standen. Zum Teil waren allerdings auch politische Gemeinden für Lehrerbesoldung bzw. Anteile davon zuständig. Handelte es sich nun um konfessionelle oder politische Gemeinden - vielfach waren sie, besonders in den kargen Regionen des Großherzogtums, außerstande, ihren Lehrern und Geistlichen existenzsichemden Unterhalt zur Verfügung zu stellen, wie auch Fechts Bericht bestätigt. Selbst solche Gemeinden, die wirtschaftlich besser gestellt waren, scheinen ihren Lehrern die Zulagen zum Grundgehalt verweigert zu haben. 291 Der Tradition folgend überließen die Gemeinden ihren Lehrern und Geistlichen Acker- bzw. Gartenland und Zehntabgaben. "So mancher Geistliche und Schullehrer", stellte der Abgeordnete Fecht in einer weiteren Sitzung der Kammer zum selben Gegenstand fest, ,,hat die Nutznießung von Gütern und Zehnten, welche oft seine ganze Besoldung, oft einen großen Theil derselben ausmacht."292 Hand in Hand mit diesem zeittypischen Brauch ging die Überwälzung der Grund- und Häusersteuerpflichten auf Lehrer und Geistliche für die zur Nutznießung überlassenen Stücke Land oder Gebäude, fußte doch diese Steuerpflicht auf dem Prinzip des Genusses und nicht des ,bloßen' Eigentums. Im übrigen wurden die Schullehrer mit Einführung der Klassensteuer 1820, trotz ihrer prekären Einkommenslage personalsteuerpflichtig; einzig ihre ,zufälligen' Einkommensanteile, nämlich die je nach Schülerzahl bemessenen (geringen) Zulagen blieben steuerfrei. Zu den üblichen Mißständen muß auch die Wahl desjenigen Bewerbers um eine Lehrerstelle gezählt werden, der die bescheidensten materiellen Forderungen stellte und sich auf die Bedingungen der Nichtverehelichung und des ,Wandertisches' einließ; letzteres bedeutete, in zugewiesenen wechselnden Familien der Gemeinde beköstigt zu werden. Die Lehrer wiederum suchten durch Übernahme von Ämtern in den Gemeinden ihre mißliche Lage aufzubessern. Doch die ,Vereinigung des Schullehr-Amtes mit Handwerken oder anderen Nebenverdiensten' warf Schatten auf die eigentliche Berufsaufgabe und führte bisweilen zu merkwürdigen Auswüchsen. So vereinigte der Lehrer Sättele aus Wohlmatingen im Bereich des Steuerbezirksamtes Konstanz neben der Unterrichtstätigkeit in seiner Person vier weitere Siehe unten: Schulreglement und Gesetze vom 28.8. und 7. 10. 1835. Dies geht aus einer Petition der Lehrer des Oppenauer Tals hervor. (BAD LT KA 1833, H. 23, S. 63/ Sitzg. v. 11. 11. 1833). 292 BAD LT KA 1820, H. 6, S. 109/Sitzg. v. 19. 10. 1820. 290 291

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

229

Ämter: Waisenrichter, Gerichtsschreiber, Kirchenpfleger, Gerichtsvogt Der Abgeordnete Fecht, der sich mit einem diese Ämterkumulation Sätteles betreffenden Beschwerdebrief der Gemeinde Wohlmatingen auseinanderzusetzen hatte, vor der Kammer den Brief referierend: ,,Durch die Verbindung aller dieser Stellen habe er die ganze Gemeinde in seiner Willkühr, und schalte und walte nach Belieben, vernachlässige, wie es auch nicht anders seyn könnte, seinen eigentlichen Berufsdienst, für welchen er doch honnet und genügend besoldet sey. Sie bitten daher dringend, daß diesem Manne von seinen vielen Funktionen ein großer Theil durch die hohe Regierung abgenommen werden möchte." 293

Bemerkenswert ist an diesem Fall, neben der beispielhaften Ämterfülle Sätteles, daß die Gemeinde ihren Lehrer als solchen durchaus anständig und ausreichend besoldet ansah. Heftig diskutierte die Kammer 1819 die weitere Forderung Kerns, den Lehrern Beamtenstatus zu verleihen. Diese Forderung stand im Zusammenhang der Frage nach dem künftigen Verhältnis von Schule und Staat, Kirche und (politischer) Gemeinde, und Kerns Eintreten für die Erhebung der Lehrer in den Beamtenstand war eine Konsequenz der primären Forderung nach beserer, staatlich betreuter Ausbildung und zeitgemäßer landesweiter Schulorganisation, kurz, die Volksschule zur Staatsanstalt zu machen. Dieser Plan gefiel durchaus nicht allen Abgeordneten; etlichen bereitete die mögliche ,Überbildung' der Lehrer Sorge, die diese außerstande setze, den Bedürfnissen der Landbevölkerung gerecht zu werden, andere befürchteten, daß wegen der ,abschreckenden gedungenen Subjekte', die in manchen Gemeinden das Lehreramt versähen, der Stand des Staatsdieners herabgewürdigt werde, und daß ,ja selbst manchen ganz armen Schulmeister dieser Rang zu einem über seine Kräfte und gegen den Charakter der Einfachheit verleitenden Aufwand führen dürfte'. 294 Die Kammer nahm Abstand von dieser Forderung ihres Abgeordneten. "Es ist zu hoffen", so schlossen die vorläufigen Überlegungen dieses ersten Landtags, "daß mit 20.000 fl. jährlichem Beytrag aus der Staatskasse und sorgfältiger Aufsuchung und Benutzung aller andern Hülfsquellen die Besoldungen so erhöhet werden können, daß die Lehrer, ohne im Schmutz und Elend zu versinken, leben können." 295 Über die Verwendung der 1819 bewilligten 20.000 fl. erhielten spätere Landtage nur sehr unscharfe Auskünfte. Eine Schulstatistik, die zuverlässige Daten über den Lehrerstand und seine materielle Lage im Großherzogtum hätte liefern können, ließ noch bis in die 30er hinein auf sich warten.

293 BAD LT KA 1831, H. 27, S. 47f./ 18. Sitzg. v. 19. lO. 1831.- Das Gesuch der Gemeinde wurde übrigens abschlägig beschieden; vielmehr forderte die Kammer die Gemeinde auf, ihre Kompetenzen aus der künftigen neuen Gemeindeordnung wahrzunehmen. 294 BAD LT KA 1819, H. 5, S. 160 (Beilage 215)/ Sitzg. v. 17. 6. 1819. 295 Ebd. S. 164.

230

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Hinsichtlich der Besteuerung änderte sich nach acht Jahren folgendes: Zahlten bis zum 31. 5. 1828 Lehrer und Geistliche nach § 4 des Klassensteuergesetzes ,.von ihren genießenden Gütern, Gefallen und Gebäuden die gewöhnliche Steuer", das heißt, Grund-, Gefall- und Häusersteuer, so änderte sich dies mit dem Gesetz vom 14.5. d.J.; dessen einziger Artikel besagte, daß vom l. Juni an die auf der gegenwärtigen Dotation ihrer Dienste haftende gewöhnliche Gebäude-, Grund- und Gefällsteuer nicht mehr zu erheben sei, dafür aber ihre gesamten Diensteinkünfte klassensteuerpflichtig würden. 296 Dies bedeutete Steuererleichterung insofern, als statt einer Zahlung von 19 kr. auf ein Grundsteuerkapital von 100 fl. bezogen, beim Beizug von 3 % des Klassensteuerkapitals von 3 fl. nur 3 kr. zu entrichten waren. Auch auf dem Sektor der Lehrerausbildung tat sich etwas: Zum vorhandenen katholischen Seminar in Rastatt kam in den 20ern eine protestantische Ausbildungsstätte in Karlsruhe. Dem Blick nach Preußen bietet sich kein wesentlich anderes Bild hinsichtlich der vormärzliehen Bildungssituation von Elementarlehrern (und Schülern!) wie auch der Einkommenslage; anders sah es mit der Pflicht zu direkter Steuerzahlung aus. Die in der Regel unzureichende Bezahlung der Schullehrer auch in Preußen ließ keine besonderen Ansprüche an ihre Ausbildung zu. Noch Anfang der 30er soll das durchschnittliche Schullehrereinkommen in der Stadt 212 Tlr., auf dem Land 85 Tlr. p.a. betragen haben, wobei in der Quelle vermerkt wird, daß 4293 Lehrerstellen mit weniger als 60 Tlr. ausgestattet waren. 297 Wie im Großherzogtum nötigte die Geringfügigkeit ihrer Einkünfte die Lehrer und ihre Familien in weitere Erwerbstätigkeiten wie Weberei oder Schneiderei, die auf dem Lande nicht selten in der Schulstube als einzigem Raum des Schulhauses parallel zum Unterricht ausgeübt wurden. 298 Eine andere Folge der schwachen Bezahlung war das Bestreben der Lehrer, möglichst viele Kinder pro Zeiteinheit zu unterrichten; im Schnitt kamen wohl90 Schüler auf einen Lehrer.299 Die Verkettung mißlicher Bedingungen - Kümmergehälter, mangelnde Ausbildung, fehlende Lehrmittel, ungeeignete Unterrichtsräume - zog die pädagogisch Talentierten nicht in den Lehrerberuf und schon gar nicht in eine Lehrerstelle auf dem Land. Der preußische Staat seinerseits lockte mit der Befreiung von der Grundsteuer in die Erziehungs- und Bildungsaufgabe und ganz speziell mit der Befreiung von der Klassensteuer in die dörflichen Schulstuben, galt es doch 296 Reg.BI. VII (1828). -Die Vollzugsverordnung zu diesem Gesetz bestimmte, daß 3% der Steuerkapitalien der von Lehrern und Geistlichen genutzten Gebäude, etc. ihrem klassensteuerbaren Diensteinkommen zuzuschlagen seien, womit beide Berufsgruppen nachträglich in die entsprechende allgemeine Regelung von § 6a des 1820er Klassensteuergesetzes einbezogen wurden, der ja besagte, daß zur Nutzung überlassene Güter so in Ansatz gebracht werden sollten. 297 F. Harkort, Bemerkungen, S. 47 f. 298 H. Heppe, Volksschulwesen, S. 77. 299 K. Wöbe, Volksschule, S. 91.

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

231

nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem platten Land eine expandierende Bevölkerung mit Elementarbildung auszustatten. Beispielsweise wurden seit 1816 innerhalb weniger Jahre durch Initiative des damaligen Oberpräsidenten Westpreußens, Schön, über 400 Volksschulen in der neugebildeten Provinz gegründet. 300 Die Befreiung der Geistlichen und Schullehrer als eines gemeinsamen Standes von direkter Steuerpflicht war sogleich 1815 mit der Kabinettsordre vom 13.9?01 für ganz Preußen geregelt worden, also auch für die neuen Gebiete im Westen, wo unter französischer Herrschaft Steuerprivilegien zuvor beseitigt worden waren. Die Exemtion umfaßte nicht nur die unverändert belassene Grundsteuer, sondern auch die 1820 neu eingeführte Klassensteuer, wobei jedes bewegliche und unbewegliche Privatvermögen der Pfarrer und Lehrer von der Veranlagung auszunehmen war, wie ein Zirkular von 1841 klarstellte. 302 Einzig zusätzlich betriebene Gewerbe waren steuerpflichtig. Die Staatsratskommission für Steuerfragen ging 1820 landesweit von 148.025 Befreiten dieses Standes aus, darunter 19.158 Elementarlehrern.303 Der Verbrauchsteuer auf Gemahlenes und Fleisch in den mahl- und schlachtsteuernden preußischen Städten konnten sich die Lehrer indes nicht entziehen. Die mittlere Konsumtionssteuerbelastung machte - nach Minister v. Düesberg - pro Kopf 51 Sgr. aus, bedeutete für eine fünfköpfige Familie also schon 8 1 I 2 Tlr. jährlicher Steuer, die zwar indirekt und peu peu, aber dennoch aufzubringen waren. Krankheit, außerordentliche Aufwendungen. verursachten bei einem nur knapp Tageslohn erreichenden Einkommen sogleich verschärfte Notlage.

a

Ob auf dem Dorf oder in der Stadt, selbständige Haushaltsführung war ftir preußische Junglehrer ähnlich unerreichbar wie für badische. Eine städtische Unterkunft mit Kost verlangte in den 40ern selbst in einer Mittelstadt wie dem westfälischen Bietefeld mindestens 10 Tlr. monatlich, mit Licht, Heizung und Wasche 12-14 Tlr. 304 Es galt als Glück, wenn ein Junglehrer eine Anstellung als Hauslehrer auf einem Gut erhielt. 305 Wie in Baden blieb das Gebiet der Volksschulbildung und des Lehrerberufs ein schwieriges und umkämpftes Feld im Vormärz. Man war sich der Wichtigkeit eines verbesserten und vereinheitlichten Elementarschulwesens bewußt als Grundlage aller weiteren Bildung und des ,geistigen Kapitalumlaufs', wie Th. G. von Hippe!, Mitinitiator der preußischen Reformen formuliert hatte. Doch anders als im GroßB. Schumacher, Ost- und Westpreußen, S. 240. K. A. v. Kamptz, Annalen I, S. 138. 302 Vgl. R. Koselleck, Preußen, S. 104, Fußnote 98. 303 Gutachten der Staatsratskommission, abgedr. bei C. Dieterici, Steuerreform, S. 341. 304 Schulte, Westfalen, S. 518, Fußnote 21. 30~ 45 llr. betrug beispielsweise 1840 das Entgelt eines Hauslehrers in Schlesien p.a. neben Kost und Logis. (R. Koselleck, Preußen, S. 483, Fußnote 138.). 300

301

232

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

herzogturn wurde zum Beispiel die vielerorts als unzureichend erkannte geistliche Aufsicht im preußischen Volksschulwesen zwar nach und nach durch die Aufsicht von Beamten ersetzt, nicht jedoch durchgreifend bereits im Vormärz per Gesetz neu und einheitlich geregelt. Mit wenig Erfolg wurde 1825 per Kabinettsordre vom 14. Mai 306 die Verpflichtung zum Schulbesuch explizit auf das gewerbereiche Rheinpreußen mit seiner Kinderarbeit in Fabriken und im Heimgewerbe ausgeweitet. Auch der Erfolg des Regulativs von 1839307 , das Kinderarbeit vor dem vollendeten neunten Lebensjahr verbot, Arbeitszeiten älterer Kinder eingrenzte und dreijährigen Grundschulbesuch jedem Arbeitsvertrag voraussetzte, blieb fraglich. Andererseits kamen Erfolgsmeldungen von den Generalkommissionen, jenen dem Innenministerium direkt unterstellten Sonderbehörden, die Hardenberg 1817 für die Agrarreform einsetzte; sie waren auch für die angemessene Versorgung der Lehrer in den Dörfern und Neuansiedlungen ihrer Tatigkeitsbereiche zuständig. Durch sie wurden bis 1834, wie der Innenminister berichtete, 4353 Schulstellen aufgewertet, indem Dotierungen aufgestockt, Land und Weidefläche zugeteilt und Getreideabgaben festgesetzt wurden?08 Ob jedoch eigene Initiative der Lehrer für ihre Fortbildung und das Wohl ihrer Schüler bei der Berliner Regierung erwünscht war, muß bezweifelt werden. Als 1842 eine Delegation westfalischer Lehrer aus der Mark und Wittgenstein im Ministerium um Behebung der Mängel im Volksschulwesen vorstellig wurde, maßregelte man sie und wies ihre Eingabe als unbegründet zurück. 309 Die Lauterkeit der politischen Gesinnung bei den Lehrern muß schon im frühen Vormärz die Mühe der Überprüfung wert gewesen sein, denn schon 1819 wurden Conduitenlisten wie bei den Geistlichen für sie eingeführt. 310 Ihre zunehmende Beteiligung auf demokratisch-republikanischer Seite bestärkte Berlin in dem Verdacht, es bei den Lehrern eher mit unsicheren Stützen preußischer Gesinnung zu tun zu haben. ,,Für das Gehalt von täglich 10 Sgr.", sagte Fr. Harkort, Vorkämpfer für eine gute Volksschule, "kann nicht viel Patriotismus gefordert werden". 311 Die Regierung Arnsberg verfügte am 20. I. 1844 das künftige Entfallen von Festen und Zusammenkünften der Lehrer. "Ihre Veranstaltungen, so habe die Erfahrung gezeigt, dienten fast nur dazu, bei den Teilnehmern übertriebene Vorstellungen von den Vorzügen und den Rechten ihres Standes zu erregen, Ansprüche hinsichtlich ihrer äußeren Stellung und ihres Verhältnisses zu den ihnen vorgesetzten Behörden. laut werden zu lassen, wohl gar ein absolutes Stimmrecht in allgemeinen Schulangelegenheiten in Anspruch zu nehmen . . . ; dadurch bei sich 306

307

Vgl. R. Koselleck, Preußen, S. 626. GS 1839, S. 156.

308 Es handelte sich um 26.000 Morgen Land, 2.117 Tir. Jahresrenten, 137 Scheffel Getreideabgaben und 12.084 Kuhweiden, also respektable Werte. (R. Koselleck, Preußen, S. 495.). 309 Vgl. W. Schulte, Westfalen, S. 600, Fußnote 14. 310 Vgl. R. Koselleck, Preußen, S. 404. 311

Zit. bei W. Schulte, Westfalen, S. 600, Fußnote 14.

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

233

selbst und ihren Standesgenossen Unzufriedenheit mit ihrem Zustande und den bestehenden Verhältnissen zu erregen und zu nähren ..." 312 Die wirtschaftlichen Nöte der Teuerungszeiten in den 40ern und der Revolution von 1848 teilten die Lehrer mit den Arbeitern und Ungelernten. Der Ruf nach mehr und wohlfeiler Bildung verband sich in einer 10-Punkte-Bittschrift Iserlohner Arbeiter an ihren Landrat ( 1848) mit einem Lösungsvorschlag zur Lehrerbesoldung, der darüber hinaus ins Zentrum der Steuerforderungen in Deutschland traf: ,,Es muß einem jeden Bürger freistehen, seine Kinder von der untersten bis zur obersten Rektoratsschule lernen zu lassen, ohne einen extra jährlichen Zuschuß zu entrichten. Die Besoldung der Lehrer muß durch verschiedene Klassifizierung nach dem Vermögen und Einkommensteuer aufgebracht werden."313 Lehrerbesoldung als gesellschaftlicher Beitrag derer, die die Mittel besitzen, damit das Bildungsangebot allen eröffnet werden kann. Bis 1830 befand sich die Gesetzgebung über Unterrichtswesen und Lehrerversorgung in Baden sozusagen im Stillstand; dann empfing auch sie Impulse von der französischen Juli-Revolution. Bildung, und damit Wohlstand, in die breiten Schichten des Volkes zu tragen, wurde Staatsraison im Großherzogtum. ,Die Macht des gebildeten Teils des Gewerbstandes' war in der Lage - wie sich gezeigt habe die Zerstörungskraft des ungebildeten Volksteils aufzuhalten, erläuterte der Abgeordnete Buhl der ll. Kammer auf dem Landtag von 1831. 314 Die Kammer ersuchte die Regierung, "ein genaues Verzeichnis aller Schulen, ihrer Stärke und ihrer Lehrer - eine Nachweisung der Beiträge aller Art, welche die Gemeinden, die Stiftungen und Kirchenmittel zu den Besoldungen und Bedürfnissen der Schule leisten - und ein specielles Verzeichnis der Zuschüsse, welche der Staat, die Standesherrschaften oder andere Personen zu den Schulen geben - und eine Übersicht, ob und welche Mittel die betreffende Gemeinde besitze, aus welchen sie Beiträge zu den Schulbedürfnissen leisten könne", 315 zu erstellen. Wieder stand auf diesem Landtag für die ll. Kammer unter den Schulfragen das Verhältnis von Schule I Staat und Beamtenstatus der Schullehrer vorrangig zur Debatte. Der Schlußantrag der ll. Kammer in dieser Sache forderte den Charakter der Staatsanstalt für alle öffentlichen Schulen und Staatsdienerschaft samt staatlicher Dienstordnung für alle pädagogisch geprüften und ausgebildeten Lehrer. Doch in der I. Kammer hatte sich das Klima für Schulreformfragen nach dem Ausscheiden eines bewegenden Befürworters von Verbesserungen im Bildungs312 313 314 315

Zit. ebd., S. 518, Fußnote 21. Zit. ebd., S. 541. BAD LT KA 1831, Beil. 13, S. 218 (Kommissionsbericht). Zit. bei L. Müller, Badische Landtagsgeschichte III, S. 84.

234

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

wesen gewandelt; sie trat den ,großartigen Beschlüssen' (Abg. Winter I Heidelberg) der II. Kammer nicht bei. Prälat Rüffel, Mitglied der I. Kammer, vermutete in dem Antrag auf Lösung der Verbindung von Schule und Kirche die ,Entfernung des Volksschulwesens von seiner ursprünglichen Bestimmung.' Kam es also nicht zu einer gemeinsamen Adresse beider Kammern für die hohen Ziele der Schulreform, so gingen doch von diesem Landtag Anregungen aus, die teils in der Gesetzgebung der Folgejahre realisiert wurden, und das bewegte Jahr 1831 schloß mit dem Gesetz über Sorge für Witwen und Waisen des Lehrerstandes.316 Die bewilligten Sondermittel des Staates in Höhe von 30.000 fl. lieferten die finanzielle Basis für die Gründung der Witwenkasse und konfessioneller Pensionsfonds, sollten aber auch für Dienstaushilfen und Gratifikationen verwendet werden. Auf das Gesamtproblem bezogen waren diese Gelder Tropfen auf den heißen Stein. Die Petitionskommission der II. Kammer sah sich 1833 wieder überhäuft von Gesuchen der Lehrer ganzer Bezirke, Ämter und Gemeinden um Besserstellung ihres Standes bzw. um Hilfe in Einzelfällen. "Ich frage Sie", beschwor wieder einmal Fecht als Berichterstatter der Eingabenkommission seine Kammer, "ob es vor Gott und der Welt gerecht ist, von diesen Männern so viel zu fordern und ihnen nicht einmal so viel zu geben, als ein Tagelöhner hat, nämlich 36 kr. per Tag?" Ja, ob es denn wohl angemessen sei, "für Hengsterei und Stuterei mehr zu thun als für die Volksbildung?"317 Der Abgeordnete Welcker ergänzte mit Blick auf die größeren Nachbarstaaten: ,Jn Baiern hat die Kammer schon auf dem vorletzten Landtage beschlossen, daß es nicht einen einzigen Lehrer unter 400 fl. geben solle und in Preußen ist diese Summe noch größer."318 - Welcker hätte auch für Preußen den Optativ benutzen sollen! Wie es in Baden in den frühen 30ern tatsächlich um das Volksschulwesen stand, konnte derzeit erstmalig der auf Kammergesuch erstellten Schulstatistik entnommen werden. Diese verzeichnete ein Total von 1857 Schulstellen im Land und folgenden Besoldungsspiegel: Jahres-Diensteinkommen: unter 100 fl.: 135 Lehrerstellen 100-150 fl.:

680 Lehrerstellen

150-200 fl.:

291 Lehrerstellen

200-300 fl.:

417 Lehrerstellen

300 fl. und mehr:

334 Lehrerstellen 319

Gesetz vom 31. 12. 1831 (Reg.BI. IV (1832)). BAD LT KA 1833, H. 23, S. 53/Sitzg. v. 11. 11. 1833. - Das badische Landesgestüt war ein finanziell aufwendiges Steckenpferd des Großherzogs. 318 Ebd. 316 317

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

235

Wurden, wie W. Fischer feststellt, 320 in der Frühphase des Vormärz um 1816, ländliche Hauptlehrerstellen im südlichen Schwarzwald mit kaum mehr als 14-16 kr. pro Tag dotiert, vergleichbar also den derzeit dort gezahlten Kindertageslöhnen in Spinnereien, so hatte sich die Einkommenslage zu Beginn der 30er kaum gebessert, denn 815 der 1857 Stelleninhaber lebten weiterhin mit einem Einkommen, das noch unter dem der schwächsten Gewerbe, der Schneider, und dem der Tagelöhner lag. Bei 36 kr. Tageslohn a24 Arbeitstage im Monat machte dieses Einkommen etwa 175 fl. pro Jahr aus; es gab jedoch auch Lehrer im Großherzogtum, die nur 15-30 kr. pro Tag erreichten. Geht man von einem Gulden als Tagessatz zur Ernährung und Kleidung einer Familie aus, so wird die prekäre Lage dieser Stelleninhaber deutlich. Krankheit, Dienstunfähigkeit, ja auch Pensionierung321 des Inhabers einer so oder auch besser dotierten Schulstelle aggravierten, wie in Preußen, die Situation; der Tod des Stelleninhabers bedeutete in der Regel, daß die Witwe mit den Kindem die zur Verfügung gestellte Wohnung oder das Schulhaus zu verlassen hatte. Das allgemeine Schulwesen in Baden betreffend, bat die Kammer der Abgeordneten 1833 in ihrer Adresse an den Großherzog, - die Besoldung der Lehrer nicht unter 200 fl. pro Jahr zu bestimmen, - der Regierung Kredite für die Aufbesserung der Schulbesoldung zu eröffnen, - flir die Vermehrung des Lehrerpensionsfonds eine Summe ins Budget aufzunehmen, - die notwendige Summe flir die Organisation der allgemeinen Lehrerwitwenkasse ebenfalls ins Budget aufzunehmen.

Das im wesentlichen von Staatsrat Nebenius ausgearbeitete richtungweisende neue Schulreglement vom 15. 5. 1834322 stellte grundsätzlich fest, daß die Schule eine Staatsanstalt sei und umriß innerhalb der vielfaltigen Bestimmungen für das Schulwesen auch die Jahresgrundgehälter der Hauptlehrer (nach vier Ortsklassen):

Nach L. Müller, Badische Landtagsgeschichte III, S. 83. W. Fischer, Wirtschaft, S. 417 f. 321 Da abgesehen von nur lokal gültigen Einzelregelungen bis in die 30er hinein keine allgemeine Pensionsberechtigung für Lehrer bestand, erhielt die Kammer natürlich auch Bittbriefe um Pensionsbeihilfen. So richtete der im Ruhestand lebende Lehrer Vögelein aus Brötzingen 1831 eine Petition um jährlich 78 fl. aus der Staatskasse an die II. Kammer. Vögelein war 33 Jahre im Schuldienst gewesen und hatte sich zudem um die Ausbildung von Junglehrern verdient gemacht. Die oberste Kirchenbehörde hatte ihm eine Pension von 150 fl. p.a. zugesprochen, Vögelein erhielt jedoch nur 72 fl., weil von der ausgesetzten Gesamtbesoldungssumme wegen der Größe der Schule außer dem Adjunkt (Hilfslehrer) noch ein Gehilfe für den Unterricht nötig war. Von 378 fl. jährlich bestritten der Ruheständler samt Angehörigen, Adjunkt und Gehilfe, die nun den Unterricht versahen, ihren Lebensunterhalt. (BAD LT KA 1831, H. 33, S. 213 (Beilage 8)/151. Sitzg. vom 6. 12. 1831.) 322 Reg.Bl. XXV (1839). 319 320

236

I. II. III. IV.

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt Klasse Klasse Klasse Klasse

140 fl. in den Orten bis zu 500 Einwohnern 175 fl. in den Orten bis zu 1500 Einwohnern 250 fl.i n den Orten bis zu 1500 Einwohnern 350 fl.in den Orten mit mehr als 3000 Einwohnern

Zum Grundgehalt sollte die von der Gemeinde zu stellende freie Dienstwohnung kommen. Grundgehalt und Dienstwohnung waren durch den ,zufalligen' Einkommensanteil, das Schulgeld der Kinder, zu ergänzen, was, je nach Ortsklasse, für jedes zu unterrichtende Kind jährlich zwischen mindestens 30 kr. bis maximal 2 fl. ausmachen durfte (Ausnahme: die vier großen Städte Karlsruhe, Mannheim, Freiburg, Heidelberg mit bis zu 4 fl.). Die Schulbehörde behielt sich vor, die vorgesehene Schülerzahl von 120 Kindern pro Lehrer im einklassigen Unterricht ggf. auf 150 zu erweitern. Für Unterlehrer gab das Reglement ein Jahresgrundgehalt von 45 fl. vor, wozu freies Wohnen - in der Regel im Haushalt eines Hauptlehrers - Kost, Wasche, Licht und Heizung kamen. Auch Unterlehrer unterlagen der Klassensteuerpflicht.

Mit dem ,Gesetz über den Aufwand für Volksschulen und die Rechtsverhältnisse der Schullehrer' vom 28. 8. 1835323 überwies der Staat die Zuständigkeit für die Schulen den politischen Gemeinden im Großherzogtum und diesen damit die Lehrerbesoldung, die Lasten des Schulbaus und der Unterhaltung der schulischen Einrichtungen. Anders als etwa bei den Gewerbesteuerpflichtigen, läßt sich die Klassensteuerbelastung der badischen Schullehrer nicht aus den Katastern entnehmen, da die Steuerkapitalien der Klassensteuerkontribuenten nicht in den Generalkataster aufgenommen wurden. Ferner läßt sich die Personalsteuerlast der Lehrer nur in groben Zügen umreißen, da zusätzlich zum allgemein wirksamen StadtLandgefälle für die Lehrerbesoldung auch die Unterschiede zwischen kargeren und wohlhabenderen Regionen in Baden eine Rolle spielten; zudem schwankte je nach Stellenzuschnitt der Anteil der ohnehin schwer kalkulierbaren Naturalien, Nutzungsrechte und des monetären Entgelts. Ausgehend von der Berechnungstabelle der Klassensteuer von 1820 und der erwähnten Schulstatistik, mag die Klassensteuerbelastung der Lehrer im Großherzogtum bis in die 30er Jahre hinein zwischen I und 6 fl. per anno ausgemacht haben. Es ist nicht davon auszugehen, daß das Schulreglement bzw. das Schulgesetz von 1835 mit einem Schlag einheitliche und gebesserte Besoldungsverhältnisse schufen. Dagegen spricht unter anderem die Tatsache, daß es während des gesamten Vormärz, das heißt, auch nach dem Schulgesetz von 1835, keinen Landtag gab, der sich nicht mit der wirtschaftlichen Lage der Schullehrer und Verbesserungen des Volksschulwesens zu befassen gehabt hätte. "Verdienen sie, die ehemals nicht ohne allen Grund, ganz steuerfrei waren, höher beigezogen zu werden, als die Gewerbsleute?" 324 fragte 1837 Finanzminister 323 Reg.BI. XLV (1835); Besoldungsangaben unter Titel 2. - Vollzugsverordnung vom 4. 12. 1835 zu diesem Schulgesetz unter Reg.Bl. LXVI (1835). 324 BAD LT KA 1837, H. 4, S. 142/ Sitzg. v. 8. 6. 1837

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

237

v. Böckh in der allgemeinen Debatte um die Reform der Klassensteuer im Landtag und streifte damit indirekt die Frage der Steuerbefreiung, wie sie ja auch in Preußen galt. Exemtionen jedoch waren seit der verfassungsmäßigen Verbriefung der allgemeinen Steuerpflicht für die II. Kammer indiskutabel; Steuerbefreiung zu befürworten wäre für die Abgeordneten einem Abrücken vom Gleichheitsprinzip nahegekommen. Den preußischen Verhältnissen ähnlich wuchs auch in Baden mit der vormärzliehen Bevölkerungszunahme die Zahl der angestellten Schullehrer. Die vom Finanzministerium geführte Übersicht der Klassensteuergesamtbeiträge der Geistlichen und Lehrer im Land 325 stellt für 1828, als sämtliche Einkünfte dieser Gruppe zuungunsten der Grund- und Häusersteuerpflicht klassensteuerpflichtig wurden, ein Steueraufkommen von 27.089 fl. 35 kr. fest, vermerktjedoch nicht die Zahl der Steuernden. Die Gewerbestatistik von 1829 zählt 1925 aktive Schullehrer, dazu 29 Ruheständler und 1442 Geistliche im weitesten Sinne, kommt aber in der Summe aller nicht auf 3396 sondern auf 4181 Personen.326 Bis 1837 wuchs das Steueraufkommen der Geistlichen und Lehrer auf 30.447 fl. 42 kr. an, die Zahl der Kontribuenten, andernorts in der Akte vermerkt, betrug 3747 Personen. Für 1838, nach Inkrafttreten der Klassensteuernovelle, lauten die Zahlen: nur 16.133 fl. Personalsteuerbeitrag von 4208 Kontribuenten. Ob den statistischen Materialien hier voll vertraut werden darf, sei dahingestellt, zumindest wäre der Jahreszuwachs von 461 Personen in 1837/38 für badische Verhältnisse angesichts der früheren und späteren Zuwächse enorm. Die Überarbeitung des Klassensteuergesetzes scheint für diese Kontribuentengruppe Wirkung gehabt zu haben. Dafür spricht der jähe Rückgang ihres Gesamtsteuerbeitrags und das Absinken der durchschnittlichen Steuerleistung von nahezu 7 fl. in 1828/29 auf gut 5 fl. in 1845, als die 4613 Steuernden 23.557 fl. 58 kr. aufbrachten. Ein Sechstel des Klassensteuergesamtaufkommens trugen damit Geistliche und Lehrer Mitte der 40er Jahre in Baden bei. Der notvollen Enge ihrer finanziellen Verhältnisse konnten die badischen und preußischen Lehrer während des gesamten Vormärz327 nicht recht entfliehen. Die kommunalen Finanzsorgen spielten in Baden, wo die Gemeinden schon Mitte der GLA 237/14019. - Auch hier wurden Geistliche und Lehrer summarisch erfaßt. GLA 237/6842. Vermutlich wurden hier sämtliche, im Geist des Klassensteuergesetzes mit Erteilung von Unterricht jedweder Art beschäftigten Freiberuflichen, wie auch die Lehrenden der sieben höheren Lehranstalten, der beiden Landesuniversitäten Freiburg und Heidelberg, sowie des Karlsruher Polytechnikums erfaßt. 327 Auch Anfang des Jahres 1848 gingen den Kammern im Großherzogtum Baden zahlreiche Bittschriften badischer Volksschullehrer zu: ,Petition von 1629 Volksschullehrern um Verbesserung ihrer Verhältnisse' an die I. Kammer I BAD LT KH, H. 1; S. 59/ Sitzg. v. 14. 2. 1848; ,Petition von 31 Volksschullehrern aus dem Amtsbezirk Lörrach um Gehaltserhöhung' an die I. Kammer/BAD LT KH, H. 1, S. 81/Sitzg. v. 16. 2. 1848. In Preußen wurde die Frage der dürftigen Lehrerbesoldung im Zusammenhang der Aufhebung der Klassensteuerbefreiungen in den Kammern debattiert. 325

326

238

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

30er Jahre in die Zuständigkeitspflicht für die Schulen genommen wurden, wohl vielfach eine gewichtigere Rolle als die Besoldungsreglements des Staates. Sehr konsequent und nicht ohne Härte wurde die in der badischen Verfassung gründende allgemeine Steuerpflicht auch auf die Lehrer angewandt. Für die Mehrzahl der preußischen Lehrer, nämlich die auf dem Lande, endete die vormärzliche Personalsteuerfreiheit mit der Revolution; ihre städtischen Berufskollegen hatten ohnehin, sofern sie in mahl- und schlachtsteuernden Städten lebten, zu dieser indirekten Steuer seit 1820 beitragen müssen.

h) Resumee: Personalbesteuerung in den Vergleichsstaaten

Die Namensgleichheit der preußischen und badischen Personalabgabe ,Klassensteuer' suggeriert intentionale und wesensmäßige Nähe. Beide Abgaben hatten erklärtermaßen die fiskalische Aufgabe, Haushaltslücken, wenngleich sehr unterschiedlicher Größenordnung, zu schließen und genügten diesen Aufgaben im großen und ganzen. Mit welchen außerfiskalischen Zielen wurden beide Steuern innerhalb ihrer Abgabensysteme eingesetzt? - Die preußische Klassensteuer sollte auf dem Land und in den Landstädten das Allgemeinheitsprinzip der Besteuerung durch alle sozialen Schichten hindurch realisieren und vor allem im Blick auf die nichtreformierte Grundsteuer das Gerechtigkeitsprinzip vertreten. Diese Absicht verlieh der Abgabe, die tatsächlich sechs Siebtel der Steuerpflichtigen traf, ihre große Anwendungsbreite. Die badische Klassensteuer erfaßte intentionsgemäß den eng umschriebenen Personenkreis einer Steuernische, die das angewendete Ertragsteuersystem in Baden belassen hatte; ihre hauptsächliche Zielgruppe waren die Besoldungsempfänger des öffentlichen Dienstes. Die badische Klassensteuer sollte die bei den Ertragsteuern vorausgesetzte Steuergerechtigkeit auch auf diese steuerliche Zielgruppe ausweiten, wobei das subjektive Moment, das auch bei der badischen Gewerbesteuer schon vorhanden war, in der Klassensteuer verstärkt zum Zuge kam. Wie weitgehend setzten beide Abgaben das Prinzip gerechter Besteuerung per se und innerhalb ihrer Abgabensysteme um? Um den Gerechtigkeitsaspekt beurteilen zu können, soll im Verein mit den jeweiligen steuerlichen Wesenszügen auch das Einkommensteuerprinzip herangezogen und die zeitgenössische Steuerkritik beachtet werden. Für dieses Maßnehmen an der Einkommensteuer sprechen zum einen die sachliche Nähe der badischen Klassensteuer zur Einkommensteuer, zweitens die schon in der frühen preußischen Steuerdiskussion vorhandene gedankliche und praktische Nähe zur Einkommensteueridee, schließlich die in den 40er Jahren einsetzenden Rufe nach Einkommenbesteuerung in den Bevölkerungen Badens wie Preußens.

9. Die ,höhere' Vollkommenheit der badischen Klassensteuer

239

Als Merkmale der allgemeinen Einkommensteuer gelten die allgemeine subjektive Steuerpflicht, die Ermittlung der individuellen Steuerschuld, die Differenzierung der Steuerlast, i.e. die Berücksichtigung der steuerlichen Leistungsfähigkeit.328 Unter Berücksichtigung ihrer grundsätzlich eingeschränkten Anwendung (Land - fester Personenkreis), war die allgemeine subjektive Steuerpflicht dort, wo Einkommen vermutet wurde, für beide Klassensteuern Ausgangsbasis. 329 Doch von der subjektiven Steuerpflicht befreit waren in Preußen Standesherren, Geistliche, Schullehrer und Hebammen, ferner das aktive Militär auch oberhalb der Mannschaftsgrade und Militärbeamte. In Baden waren Soldaten und Unteroffiziere klassensteuerbefreit, Geistliche, Schullehrer und Hebammen nur hinsichtlich ihrer geringfügigen nichtfixen Einkommensanteile. Die subjektive Steuerpflicht innerhalb der gesetzten Anwendungsrahmen wurde also von der preußischen Klassensteuer in weit geringerem Umfang realisiert als von der badischen Abgabe. Bei der Ermittlung der individuellen Steuerschuld bediente sich die badische Klassensteuer ganz im Sinne der Einkommenbesteuerung der Fassionspflicht über das Einkommen, wobei Kapitaleinkünfte in Baden generell unberücksichtigt blieben. Für die preußische Klassensteuer erfolgte keine Ermittlung oder Schätzung der Steuerschuld. Der Gesetzgeber verzichtete hierauf bewußt zugunsten einer steuerlichen Klasseneinstufung nach gesellschaftlichen Merkmalen im Sinne der Merkmalbesteuerung. Die badische Klassensteuer löste die Forderung nach Differenzierung der Steuerlast ein, indem die deklarierten Einkommen mit progressivem Tarif nach zehn klar umrissenen Einkommensklassen besteuert wurden. Das preußische Klassensteuergesetz berücksichtigte die individuelle steuerliche Leistungsfähigkeit schematisch mit insgesamt zwölf Steuerstufen und fallendem Tarif. Für die niedrigste Steuerstufe wurde das sonst geltende Familieneinsteuerungsprinzip aufgegeben und jedes Familienglied ab 16 Jahren mit einem fixen Steuersatz beigezogen, die über Sechzigjährigen wiederum steuerlich freigesetzt. Die badische Klassensteuer entband auch Pensionäre nicht von der Steuerpflicht. Die Freilassung eines Existenzminimums oder die Berücksichtigunsg steuermindernder Lebensumstände sahen beide Steuergesetze nicht vor. Die größten Differenzen zwischen beiden Steuern finden sich also bei der Ermittlung der individuellen Steuerschuld und der steuerlichen Belastung gemäß Leistungsfähigkeit. Progressiv voranschreitend paßte sich die einkommensteuerähnliche badische Klassensteuer dem ermittelten Einkommen und damit der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen an, weit besser als dies die preußische PersonalVgl. Glossar. Beispiel/Preußen: § I " ...alle Einwohner, ohne Unterschied ... " (Klassensteuergesetz). 328

329

240

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

steuer konnte. Im Gegensatz zur badischen setzte die preußische Abgabe eine maximale absolute Steuerbelastungsgrenze bei gleichzeitiger gründlicherer Umsetzung des Allgemeinheilsprinzips der Steuerpflicht bei den sozial Schwächsten. Für sich genommen entsprach die badische Klassensteuer dem Anspruch der Steuergerechtigkeit weitaus besser als die preußische mit ihrem Verzicht auf die Feststellung der Steuerschuld und entsprechende Anpassung der Steuerlast Innerhalb ihres Systems jedoch, vor allem im engen Vergleich mit der badischen Gewerbeabgabe war der tatsächliche steuerliche Zugriff der badischen Personalsteuer unverhältnismäßig hoch. Für Preußen gilt, daß die Klassensteuer für sich der Gerechtigkeitsforderung nur bedingt nachkam, daß gerade in den mittleren und oberen Einkommensklassen die Merkmalschemata im Sinne gerechter Lastenverteilung unbefriedigend anzuwenden waren. Die Ungerechtigkeiten der preußischen Grundsteuersituation vermochte die preußische Personalabgabe in keiner Weise auszugleichen, sie betonte die Begünstigung bessergestellter Steuerträger. Berechtigterweise richtete sich die Kritik an der badischen Klassensteuer gegen die steile Progression des Tarifs und die vergleichsweise höhere Belastung ihrer Pflichtigen. In Preußen traf die Klage die Unzulänglichkeit der Einkommensberücksichtigung mit ihrem Ergebnis der steuerlichen Schonung der höheren Einkommen. Die zeitgenössische Steuerkritik griff also bei beiden Personalabgaben die jeweils schwachen Punkte an.

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten330 in Preußen und Baden ,,Nicht die directe Steuer, sondern die indirecten Steuern müssen auf die möglichste Höhe getrieben werden - fürs erste, weil zu den indirecten Steuern auch der im Land und durch das Land commercirende Ausländer, der im Lande consumirende Ausländer und der im Lande supplicirende Ausländer contribuirt, weil ferner manche Klasse von Staatseinwohnern, denen man im gewöhnlichen Wege nicht wohl zukommen kann . . . beitragen, fürs zweite, weil die indirecten Steuern zum Theil noch eine Art von Freiheit, die dem Menschen so wert ist, dulden, weil sie, nach und nach, wie und wann der Steuerpflichtige kann und will, bezahlt werden. Die einzige Untugend, welche gleichsam aus den Tugenden der indirecten Steuer entspringt, ist, daß sie nicht ganz so zuverlässig wie die directen Steuern ist, weil sie zuviel von Relationes mit Auswärtigen - von Wind und Wetter, auf welchem das Commercialbarometer steht - . . . und von anderen Zufälligkeilen abhängt . . . Aber eben dafür und blos dafür ist die ordinaire oder die sogenannte directe Steuer ..." (Finanzminister v. Sensburg I Baden in seinem ,Erläuternden Vortrag' zu dem Entwurf einer neuen Zollordnung am 21. 6. 1811)331

330 ,Geräuschlos' war das bevorzugte Adjektiv der zeitgenössischen Steueradministration zur Beschreibung des dezenten Charakters indirekter Steuererhebung. 331 GLA 237/1990.

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

241

Sensburg hätte bei der Mehrzahl der preußischen Politiker seiner Zeit mit seiner Anschauung indirekter Besteuerung sicher volle Zustimmung gefunden. 332 Der liberale Gesichtspunkt der ,gewissen' Freiheit bei diesen Abgaben, die Zahlung in kleinen ,unmerklichen' Raten, das Nicht-in-Berührung-Kommen des Steuernden mit den Behörden, kurz, die geringere Induzierung von Steuerwiderstand findet sich als Argument auch in den Laudatien indirekter Besteuerung der preußischen Finanzroutiniers des frühen 19. Jahrhunderts. Steigende Bevölkerungszahlen, die ja im Vormärz in beiden Ländern zu verzeichnen waren, bedeuteten im großen und ganzen recht zuverlässig wachsende Konsumtionssteuereinnahmen. Ihre Legitimität hatten die indirekten Steuern, so fanden die Vertreter der älteren Nationalökonomie, durch die den Indirekten in der Regel zugrundeliegende Konsumtion und den Genuß, denn, wer konsumieren bzw. genießen könne, der besitze auch hinreichende Mittel, um zu den öffentlichen Abgaben beizusteuern - ein Prinzip, das der badische Liberale K. Mathy nur als ,verwerfliches Habhaftwerden' verurteilen konnte. Auch K. v. Rotteck schrieb: ,,Den indirecten Steuern im Staate ist unsere Ansicht .. . nicht hold." 333 Nun ist der indirekten Besteuerung der Wesenszug ja nicht abzusprechen, daß sie das steuerbare Objekt nach Gesichtspunkten erfaßt, die tatsächlich auf den Einzelfall ausgerichtet sind, etwa den Verbrauch des einzelnen Konsumenten an einem bestimmten Gut, und daß sie damit dem steuerlichen Grundsatz gerechter, gleichförmiger Verteilung auf ihre Weise nahekommt Doch so geräuschlos und unfühlbar, wie Sensburg und andere glauben machen wollten, waren die indirekten Abgaben in beiden Vergleichsstaaten nicht. Die Formen, nach denen die Indirekten in Preußen und Baden erhoben wurden, setzten die Gewerbebetriebe bzw. die Vertreiber akzispflichtiger Güter erheblichen Unannehmlichkeiten aus, "häuften", wie der märkische Steuerexperte F.v. Holtzendorff beklagte, "in ihrer Anwendung Controlle auf Controlle" und ließen "durch Anstellung eines Heeres von Aufsehern und Wachtern, einen sehr großen Theil des Ertrags den gesellschaftlichen Zwecken verloren gehen".334 332 Der preußische Finanzminister v. Bübow 1817 in seiner Replik auf die Kritik seiner Reformpläne für die indirekten Steuern: "Preußen muß seiner Existenz entsagen, wenn es sich auf directe Abgaben beschränkt. . .. (Die directe Steuer) fordert (vom Steuerpflichtigen) das Aufsparen der Abgaben für den Zahlungsfall ganz gegen den Character der Mehrheit, sie fordert von ihm einen Antheil an Ersparungen, die er nicht machte.... Darum pries man die Accise damals als eine Landeswohlthai ...." (Zit. nach C. Dieterici, Steuerreforrn, S. 167168.). 333 K. v. Rotteck, C. Welcker, Staatslexicon, Bd. 5, Altona 1847, S. 498 (Stichwort ,Gemeinde'). 334 F. v. Holtzendorff-Vietmannsdorf, Gemeinden, Steuern, S. 63.- Vgl. auch die Präambel zum preußischen Erzeugerabgabengesetz vom 8. 2. 1819: ,,Die fortgesetzten Beratbungen über die Verbesserung des Steuerwesens haben uns die Überzeugung gewährt, daß die Besteuerung des inländischen Branntweins, Braumalzes und Weins, wie auch der inländischen Tabaksblätter vorzüglich geeignet ist, mit der mindesten Belästigung des Landes einen 16 Siegelt

242

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Im folgenden sollen zunächst die preußischen, dann badischen Trank-, Tabakund Fleisch-Steuern samt staatlichen Kontrollapparaten durchleuchtet werden, wobei der Vergleich miteinander in der Darstellung der badischen Indirekten gezogen wird, sodann ist in einem gemeinsamen Abschnitt die für beide Staaten finanziell enorm wichtige Salzsteuer zu untersuchen. a) Die preußischen Verbrauchsteuern auf,inländische Erzeugnisse' (1819)

aa) Die Branntweinsteuer Die preußische Branntweinsteuer, ihrem Wesen nach eigentlich eine Brennereisteuer und direkte Abgabe, zählte bei der Verwaltung zu den Verbrauchsabgaben, also indirekten Steuern, weil sie im Zuge des Marktprozesses auf den Endverbraucher überwälzt wurde. ,,Ein besserer oder auch nur gleich gut zur Besteuerung geeigneter Gegenstand als (die Branntwein-Fabrikation) (dürfte) nicht aufzufinden sein", war die Meinung der Regierung auf den Antrag des 2. schlesischen Landtags um Aufhebung der Branntwein- und auch Biersteuer (1828). 335 Das gesamte Brenngeschäft war mit der Erfüllung so vieler Bestimmungen und Bedingungen verknüpft, daß allein dadurch ständige Recherchen der Steuerbeamten nötig wurden; jede Vernachlässigung einer Formalität wurde mit hohen Strafen bedroht. Selbst das Stillegen der Destilliergeräte - während des Sommerhalbjahres ruhte im allgemeinen der ländliche kleinere Brennbetrieb - war mit Bemühungen beider Seiten, des Brenners und der Behörde, verbunden. Wie C. J. Bergius feststellte, verhielt es sich mit der Branntweinsteuer so, "daß diejenigen, welche das Branntweinbrennen in der größten Vollkommenheit (betrieben), die geringste Steuer entrichte(te)n. Nur in großen kostbaren Anstalten (war) das Gewerbe besonders einträglich und (wurde) daher immer mehr nur in großem Umfange von besonders wohlhabenden Personen (betrieben)." 336 Daß diese besonders wohlhabenden Personen in vielen Fällen Gutsherren waren, ist nicht unbekannt, waren sie doch alte Inhaber von Brenn- und Braurechten und hatten als solche 1817 /20 ihre Lobby im Staatsrat bei der Steuerreform für sich wirken lassen. Die Steuer wurde zunächst nach der Größe der Destilliergefaße (Blasen) bemessen, (wobei jeder Brennvorgang zeitlich begrenzt war) und war vor dem Brennen dem Steueramt als ,Blasenzins' zu entrichten. Verbesserungen an den Destillierbedeutenden Theil des erforderlichen Staatseinkommens herbei zu schaffen ..." (GS 1819, s. 97). 33s J. Rumpf, Provinzialstände V, S. 22. - J.G. Hoffmann: ,,Im preußischen Staat wird durch die Branntweinsteuer allein ein Zehntel der sämtlichen Staatseinkünfte gehoben." (Ders., Steuerlehre, S. 84 (1840)). 336 C. J. Bergius, Zustände, S. 178.

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

243

apparaten erschwerten allerdings den Behörden genaue Kapazitätsmessungen, auch erwies sich der Blasenzins für die kleineren Brennereien, die oft die im Gesetz angenommenen Mengen gar nicht erreichten, als unanwendbar. Daher wurde schon mit Regulativ vom 1. 12. 1820, durch Kabinettsordre vom 10. 1. 1824 zum Gesetz erhoben, eine andere Erhebungsart (Maischsteuer) angeordnet, die die Ausmaße des Gärraums besteuerte, in dem das Getreide angesetzt (eingemaischt) wurde. Gleichzeitig mit einer Anhebung der Maischsteuer, wobei man die kleinen Brennereien weniger belastete als die großen, wurde 1824 die branchenspezifische Gewerbesteuer abgeschafft, die an den jährlichen Verbrauch von Branntweinschrot gekoppelt war (GS 1820, S. 160/G). Da jeder Brennvorgang als Zeit- und Raumeinheit steuerlich festgelegt war, und so die optimale Zeit- und Matschraumnutzung steuerlich belohnt wurde, überboten sich die großen Brennereien in der Entwicklung und Benutzung entsprechend ökonomischer Brennapparaturen derart, daß die kleinen nicht folgen konnten. Bergius beziffert die Gesamtzahl der Brennereien in Preußen für 1831 mit 22.988 (davon 13.819 in Betrieb) und für 1839 mit 15.953 (davon 11.628 betrieben).337 Durch Steuerbefreiung ursprünglich von den Städten auf das Land verschoben, ergänzten Brenngeschäft und Landwirtschaft sich vorteilhaft, da das Getreide in der Wirtschaft anfiel und die Brennrückstände, die Schlempen, als Mast- und Milchviehfutter begehrt waren, ja häufig im zeitigen Frühjahr den Heumangel bis zur Grasmahd im Juni überbrücken halfen. 338 Überdies ließ sich der Branntwein einfacher und weit gewiimbringender verkaufen und transportieren als das zu seiner Produktion benötigte Getreide. Denn natürlich nicht nur die Schlempen, auch das eigentliche Produkt, der Branntwein, war begehrt, so sehr sogar, daß die Staatsverwaltung, ohnehin fortwährend den Schwarzbrennern auf den Fersen, um Volksgesundheit und -moral bemüht, den drängenden Impuls verspürte, er-/ entziehensehe Maßnahmen in puncto Konsum anwenden zu sollen.Der pommersehe Landadlige E. v. Bübow-Cummerow sah den Branntweinkonsum der einfachen Leute sehr nüchtern und wohl nicht ganz uneigennützig: ,,Der Mensch, der sich nicht soviel Fleisch und Brod verdienen kann, um sich vollkommen satt daran zu essen, und deshalb fast einzig von Kartoffeln leben muß, für den ist es ein dringendes Bedürfniß, seinen erschlafften Lebensgeist durch Branntwein zu stärken!"339

Zum anderen mochte und konnte die Regierung die Steuereinnahmen aus dem Brenngeschäft als wichtige Ergänzung des Budgets nicht missen. Ein Beispiel hierfür bildet 1846, das Jahr der fatalen Mißernte, in dem ein beträchtlicher Prozentsatz der Kartoffel- und Getreideernte in die Brennereien wanderte, weil das Staatsministerium trotz der kritischen Ernährungslage ein Verbot der Belieferung 337 338 339

16*

Ebd., S. 179. Vgl. J. Rumpf, Provinzialstände XIV, S. 230 (5. schlesischer Landtag). E. v. Bübow-Cummerow, Mahl- und Schlachtsteuer, (1844), S. 158.

244

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

der Branntweinbrennereien ablehnte. Trotz der zahlenmäßigen Abnahme der Brennereien nahm die Branntweinerzeugung zu. Der Steuerertrag stieg zwischen 1835 und 1839, den vormärzliehen Spitzenjahren der Produktion, von 5.045.675 Tlr. auf 6.482.436 Tlr. 340, nachdem es 1820 nach Einführung der Erzeugerabgaben noch geheißen hatte: ,,Die Getränkesteuern sind vorerst mäßig angeschlagen "341

J. G. Hoffmann berechnete den Branntweinkonsum dieser Spitzenjahre pro Kopf und Jahr im Westen der Monarchie und Posen auf 7 bis 8 Quart342, in Schlesien und Preußen auf 9 bis fast 10 Quart und in Sachsen, Pommern, Brandenburg auffast 11 bis mehr als 15 Quart.343 Je nach Getreide- und Kartoffelpreis konnte das Verhältnis von Steuer und Verkaufspreis des Getränks sehr verschieden sein, Hoffmann geht von einem Steueranteil von 4/9 des Durchschnittsmarktpreises aus. 344 Mehrfach ,berichtigte', d. h., erhöhte, die Regierung die Branntweinsteuer. Als vormärzlicher Höchststand betrug 1838 nach der 33 1/3 % igen Steuererhöhung vom 16.6. d.J. der Branntweinsteuersatz pro Kopf der Bevölkerung 12 Sgr. 5,8 Pf. (1851: 7 Sgr. 7,9 Pf.)- der der preußischen Klassensteuer 16 Sgr. 10 Pf.345 Die zunehmende Verwendung der Kartoffel als Rohstoff346, die es gestattete, in kleinstem Raum die größtmögliche Menge an Trockensubstanz einzumaischen, und die fortschreitenden Verbesserungen, d. h. Beschleunigungen im gesamten Herstellungsprozeß, begünstigten, wie gesagt, das Emporkommen der großen finanzstarken Brennereien, die sich am besten ausrüsten konnten. 43 % der ländlichen Kartoffelbrennereien stellte zwischen 1838 und 1851 die Produktion ein - es waren durchweg Betriebe mittlerer Größe - während sich im selben Zeitraum die großen, deren jährliche Steuerzahlungen 5.000 Tlr. überschritten, um 42% vermehrten und auch die Zahl der steuerbegünstigten Kleinbetriebe immerhin um 9 % zunahm; ein Ergebnis, das der Statistiker v. Reden der Wirkung einer bedenklichen C. J. Bergius, Zustände, S. 179. Bericht des Staatsministeriums vom 3l.l. 1820, abgedr. bei C. Dieterici, Steuerrefonn, S. 249. 342 1 preußisch Quart= 1.145 Liter. 343 J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 288.- Die Staatsratskommission befand 1820 in ihrem Gutachten: ,,Der Branntweinverbrauch in den östlichen Provinzen des Staats ist in Folge des Klimas und der Lebensweise des gemeinen Mannes sehr viel größer, als in den westlichen Provinzen" und, wie Finanzminister Maaßen 1834 feststellte, .,stärker, als man . . . wünschen möchte." (Gutachten, abgedr. bei C. Dieterici, Steuerrefonn, S. 320f.: Denkschrift Maaßen, abgedr. bei J. Rumpf, Provinzialstände XI, S. 237.). 344 J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 294. 345 Daten nach F. v. Reden, Finanzstatistik 11.2, S. 300 346 Der 3. posener Landtag (1834) bat um Branntweinsteuererhöhung für Kartoffelschnaps, weil die städtischen Brennereien zugrundegingen, die Getreidepreise sänken und die geringeren Kartoffelschnapspreise die Trunksucht der einfachen Leute mehrten. (J. Rumpf, Provinzialstände XI, S. 122.). 340

341

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

245

,steuergesetzlichen Begünstigung sehr großer Kapitalkräfte' zuschrieb, von der hier im Zusammenhang der Gewerbesteuer bereits die Rede war. 347 Der brandenburgische Gutsherr v. Holtzendorff sah die 1824 aufgehobene Gewerbesteuerpflicht der Brennereien in der Branntweinsteuer fortbestehen und zwar als Gewerbesteuer mit erheblichen Behinderungen und Beschränkungen des Gewerbes.348 bb) Die Biersteuer Auch die Biersteuer war eine Maischsteuer: das zu verwendende geschrotete Braumalz war in Gegenwart eines Steuerbeamten oder eines anderen Zeugen in der Brauerei zu wiegen und einzumaischen, und wie jeder Brennereibesitzer hatte auch der Brauer seine Betriebsräume und -geräte dem Bezirkssteueramt unter Aufsicht zu stellen. Vielfach ließen die Brauereien ihre Produktionsmengen - und damit Steuerbeträge - amtlich fixieren, d. h. entrichteten Pausch- bzw. Aversalsummen, seit der Staat 1827 dieses Verfahren zur Verringerung der umständlichen Kontrollen ermöglichte. Bei der spezifisch preußischen bzw. badischen Gewichtung der Tranksteuern sind die Ähnlichkeiten der steuerlichen Prozeduren, behördlichen Behinderungen, Streitpunkte, etc. verblüffend. Andererseits entfachte im Großherzogtum die Entscheidung für oder gegen Averszahlungen eine große Debatte im Parlament- eben weil es ein solches gab - während die Berliner Regierung hier quasi im Alleingang beschied, obwohl auch in Preußen sämtliche Fragen der Trankbesteuerung durchaus streitfahig waren, wie die Häufigkeit und Dringlichkeit der Gesuche aus den Provinziallandtagen nachweist. Je nach Sorgfalt und Fachkenntnis der Brauer ließen sich aus einem Zentner Malz 100 bis 200 Quart Bier herstellen; der Zentner Braumalz wurde mit 20 Groschen, d. h. 2/3 Taler besteuert. Schwankende Getreidepreise hatten maßgeblichen Einfluß auf die Erzeugerkosten. Die Schankwirte wiederum setzten dem Tonnenbier der Brauereien mehr oder weniger an Wasser zu und verkauften das so verdünnte Bier in Quartflaschen zu stark differierenden Preisen an die Konsumenten. Die Unwägbarkeiten dieses Preisbildungsprozesses einbezogen, umriß Hoffmann den Steueranteil beim Bier mit etwa einem Sechstel des Großhandelspreises.349 "Daß die Neigung der Menschen, die Lebhaftigkeit ihrer Vorstellungen durch den Genuß von geistigen Getränken zu erhöhen, vom Bier auf den Branntwein" überging, vermerkte der Staatsrat aus sittlichen Erwägungen mit "tiefstem Bedauem". 350 Tatsächlich war der durchschnittliche Bierverbrauch im Staat von gut 30 Quart pro Person und Jahr (34,35 1), gemessen am Schnapskonsum (siehe F. v. Reden, Finanzstatistik 11.2, S. 300 f. F. v. Holtzendorff-Vietmannsdorf, Gemeinden, Steuern, S. 34. 349 J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 294 Jso Ebd., S. 268. 347 348

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

246

oben: zwischen 8 bis 17,17 1), besonders auf dem Land, gering. In den städte-und verkehrsreichen Provinzen Brandenburg (mit Berlin) und Sachsen machte der durchschnittliche Jahresverbrauch pro Kopf über 50 Quart aus, im städtearmen Westfalen dagegen waren es noch nicht einmal 13 Quart. 351 Der vergleichsweise geringe Konsum, der ,mäßige' Steueraufschlag, bedeutete geringe Erträge für den Fiskus. Hoffmann beziffert den Durchschnittsertrag der Braumalz- respektive Biersteuer für die gesamtwirtschaftlich einträglichen Jahre 1833-38 mit 1.283.926 Tlr., also etwa einem Viertel der Branntweinsteuererträge jener Jahre. 352 cc) Die Weinmoststeuer Die Steuer auf Wein, auch sie eigentlich eine Erzeugerabgabe 353 , brachte dem preußischen Staat noch geringere Einnahmen als die Biersteuer. ,.Von wesentlicher Bedeutung ist doch nur der Weinbau am Rhein bis Bonn herunter, dann an der Mosel, der Saar und der Nahe, und dort ist manches Stück Land, welches, wenn es nicht mit Reben bepflanzt wäre, höchstens zum Holzanbau gebraucht werden könnte. Beinahe 9/10 des gesamten Einkommens aus der Besteuerung des inländischen Weins fallt auf die Rheinprovinz", 354

schrieb C. J. Bergius. Die Steuer vom inländischen Weinmost war unsicher und wurde als ,zufallige' Einnahme kalkuliert; zu Recht, wie die Schwankungen des Nettoeinkommens innerhalb eines knappen Jahrzehnts beweisen: 1829 1830 1831 1832

203.924Th. 8.972 Th. 16.55111r. 75.683Th.

1833 1834 1835 1836 1838

101.526 Th. 190.878 Tir. 224.420 Tir. 172.98911r. 67.52211r.m

Durch den um 75 % verminderten Schutz der liberalen Zollgesetzgebung von 1818 und die neue Weinmoststeuer von 1819 fühlten sich die Winzer gleichsam in die Zange genommen. Die Einrichtung des Zollvereins und dessen Ausweitung verschlimmerten den wirtschaftlichen Druck noch. Die Unsicherheit der Rehbauern vermittelt eine Zustandsbeschreibung ihrer Lage, die während des 4. rheinischen Landtags gegeben wurde: 3St Wie bei der Berechnung des Steueranteils ging Hoffmann bei der Berechnung des Bierkonsums von Mittelwerten gemäß verbrauchten I versteuerten Malzes aus. (Ders., Steuerlehre, S. 287.). 352 J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 283.

353 Der 4. rheinische Landtag (1833): " .. . die ministerielle Denkschrift hat . .. die Ansicht, daß die Weinsteuer eine wahre Productions-Steuer ist, welche nur die Weinproducenten trifft, nicht zu widerlegen vermocht." (J. Rumpf, Provinzialstände XI, S. 295.). 354 C. J. Bergius, Grundgesetze, S. 362. m J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 303 f.

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

247

,,Es ist ... notorisch, daß der Notstand der Weinproducenten, namentlich bei den Winzern an der Mosel. den höchsten Grad erreicht hat. Dieser Zustand wurde zugleich auch dadurch herbeigeführt, daß 1830 ein totales Mißjahr und der Ertrag von 1831 nur unbedeutend war; so wie, daß die Crescenz von 1832, welche im Allgemeinen von sehr mittelmäßiger Qualität ist, noch fast ganz unberührt in der ersten Hand liegt, und daß zum baldigen Absatz des diesjährigen Gewächses wenig Aussicht vorhanden ist. Der Winzer hat also vier Herbste erlebt, die ihn . . . nötigten, zur Bestreitung der Kosten des Weinbaus, der Weinlese und zur Berichtigung seiner hohen Steuern jährlich seine Schuldenlast zu vermehren. Diese beklagenswerthe Lage ... wird noch dadurch aufs höchste gesteigert, daß man jetzt, unter Bedrohung der Anwendung von Zwangsmitteln, die augenblickliche Zahlung der verfallenen Weinsteuer von ihm verlangt. " 3s6

Nachdem der Weinbau bis zur Abgabenreform 1819/20 nur durch die Grundsteuer für das Rehland und durch die Akzise für den in die Städte eingebrachten Landwein getroffen worden war, sah das Tranksteuergesetz von 1819 wie für Branntwein und Bier auch eine Erzeugersteuer ftir den Wein vor. Die enormen jährlichen Ertragsschwankungen legten eine Steuer nicht auf das kultivierte Rehland, sondern auf den gewonnenen Eimer Weinmost nahe. Nach dem ursprünglichen Gesetz vom 8. 2. 1819 wurde das Rehland in vier Oualitätsklassen geteilt und der erzeugte Most von diesen Anbauflächen nach Eimern asechzig Quart gestuft besteuert. Spontane Beschwerden gegen dieses zu grobe Verfahren führten zur Abwandlung des Gesetzes unter dem 25. 9. 1820 (GS 1820, S. 193), das die Anbauflächen nunmehr in sechs Klassen unterteilte und nicht mehr den gewonnenen Most, sondern die Menge des tatsächlich erzeugten Weins nach sechs Qualitätsstufen a 35, 25, 17 112, 12 1/2, 10,7 112 Sgr. pro Eimer steuerlich erfaßte. Fällig wurde die Steuer bei Veräußerung des Weins, spätestens aber zum I. August des Folgejahres. Die Kabinettsordre vom 28. 9. 1834 (GS 1834, S. 165) änderte den Modus des Steuereinzugs nochmal zugunsten der Winzer, indem diejenigen, die nicht zugleich Weinwirte waren, ihren Wein unversteuert lagern konnten. Jeweils zum 1. Mai und 1. November jeden Jahres war der zwischenzeitlich veräußerte oder verbrauchte Wein zu versteuern. Diese Methode, die Steuer zu erheben, bedeutete halbjährliche genaue Rechnungsführung der Steuerbeamten über die Keilervorräte eines jeden der vielen kleinen Eigentümer von Rebland, oder, von der Seite der Winzer gesehen, das peinigende Investigieren des Staates unter ihrem Dach. Die strikte Erfassung des inländischen Weins verlangte, daß Wein aus den ZoJIvereinsstaaten, sofern er dort nicht besteuert wurde, bei der Einfuhr nach Preußen nachbesteuert werden mußte, was dem Prinzip des freien Verkehrs zuwiderlief. Volkswirtschaftliche Erwägungen, den Anreiz zum Weinbau in landwirtschaftlich 3S6 J. Rumpf, Provinzialstände XI, S. 295; vgl. auch die Eingabe des 3. rheinischen Landtags (J. Rumpf, Provinzialstände IX, S. 254. - Der Druck auf die Regierung führte zur Kabinettsordre vom 28. 9. 1834.

248

N. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

sonst nicht gewinnbringenden Bodenlagen zu steigern, sprachen gegen die solche Initiative hemmende Weinsteuer. Ihr Ertrag rechtfertigte selbst in der Rheinprovinz, die ja neun Zehntel des staatlichen Weinsteueraufkommens lieferte, im Grunde nicht das Beharren bei dieser Tranksteuer. dd) Die Tabaksteuer Ähnlich ,zufällig' wie die Weinsteuer, d. h. von Witterung, Ernteausfall, aber auch jeweiligem Ausmaß der Anbauflächen abhängig, war das staatliche Einkommen aus der Tabaksteuer. Die Spitzeneinnahme von 176.169 Tlr. (netto) des Jahres 1829 war einmalig im Vormärz, ebenso der Tiefstand des Jahres 1837 mit nur 115.716 Tlr. Steuerertrag; meist lag das Steueraufkommen aus dem Tabakanbau zwischen 140150.000 Tlr.357 Brandenburg und Pommern hatten traditionell den bei weitem ausgedehntesten Tabakanbau. Aus diesen beiden Provinzen stammten in den 30ern fast fünfNeuntel des gesamten Tabaksteueraufkommens. Auch ohne jede zollpolitische Begünstigung, so schätzte Bergius, werde der inländische Tabakanbau nicht aufgegeben werden, denn: ,,Nur die wohlhabenden Personen verbrauchen amerikanischen Tabak. Der inländische wird mehr von den geringen Klassen verbraucht." 358 Nicht nur der Konsum und damit das Aufbringen der Steuer, auch der Anbau war vorwiegend Sache der kleinen Leute. Wie Holtzendorff aus Brandenburg vermerkt, schätzten die Kleinlandwirte die Pflanze als Vorfrucht in ihrer Dreifelderwirtschaft und setzten, da die arbeitsaufwendige Kultivation viele Hände erforderte, ihre Familien bis zu den jüngsten Mitgliedern beim Tabakanbau ein. "(Sein Anbau) ist daher auch ein Mittel zur Beschäftigung, wo solche fehlt, zum Erwerb, wo Geschäftslosigkeit und Armuth der arbeitenden Classe der übrigen Gesellschaft oft gefährlich werden. " 359 Nach dem Erzeugergesetz von 1819 mußte nur derjenige, der eine Bodenfläche von mehr als fünf Quadratruthen360 mit Tabak bepflanzt hatte - der Anbau für den Eigenkonsum war frei - vom Zentner getrockneter Tabakblätter einen Steuertaler entrichten. Wie bei der Weinsteuer standen Pflanzungen und Erntemengen unter Aufsicht der Gemeindebehörden und Steuerämter. Durch die Kabinettsordre vom 29. 3. 1828 (GS 1828, S. 39) wurde die Steuererhebung nach Gewicht aufgehoben und bestimmt, daß sie nun nach der bepflanzten Grundfläche, die vom Erzeuger auszumessen und zu deklarieren sei, nach vier Güteklassen zu 6, 5, 4, 3 Sgr. erhoben werde, wobei das Finanzministerium kreisweise festlegte, zu welchem dieser Daten nach J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 308. C. J. Bergius, Zustände, S. 180. 359 F. v. Holtzendorff-Vietmannsdorf, Gemeinden, Steuern, S. 38 f. 360 1 preußische Quadratruthe entspricht 3,70 qm. 357 358

I 0. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

249

Sätze die Tabakbauern zu steuern hatten. Anbauflächen unter sechs Quadratrotben blieben steuerfrei. Die Abgabe war fällig, sobald der Tabak verkauft wurde, spätestens aber bis Ende Juli des Folgejahres, d. h. zum neuen Erntebeginn. Als zu teuer in der Ausführung, lehnte die Berliner Regierung einen Änderungsantrag des 3. Posener Landtags zum Tabaksteuergesetz von 1828 ab, in dem gefordert wurde, die Steuerbeamten die Anbauflächen selbst vermessen zu lassen, weil die Bauern darin zu viele Fehler machten und bestraft würden. 361 Anders als beim Weinbau, den die Regierung gern gefördert hätte, um den Konsum von Wein zu Ungunsten von Branntwein zu verbreiten, hatte sie beim Tabakanbau solches Förderinteresse nicht, denn, im Unterschied zur Rebe beansprucht die Tabakpflanze einen fruchtbaren, stark gedüngten, hochkultivierten Boden, der gleichermaßen dem Ölfrucht- oder Getreideanbau dienen kann. Der Weinsteuer hatte die Tabakabgabe nach der Kabinettsordre von 1828 voraus, daß ihre Erhebung einfacher und sicherer war, und daß sie, im ganzen ohnehin milder als die Weinsteuer, den Eigenbedarf der Landwirte freiließ. Doch auch sie bedingte die Nachbesteuerung des eingeführten Tabaks aus Zollvereinsstaaten. Gleich, um welche der indirekten Steuern auf inländische Erzeugnisse es sich handeln mochte, Landtagsgesuche um Minderung oder gar Aufhebung, um Umwandlung dieser Abgaben vom Typ der Produktions- zur Konsumtionssteuer und dadurch verringerten Verwaltungsaufwand, gingen seit Einrichtung der Provinzialstände immer wieder nach Berlin, wurden dort entweder abschlägig beschieden oder, was einem Abschlag gleich kam, ,in sorgfältige Erwägung gezogen'.362 Das für die Staatsregierung Bestechende an den indirekten Abgaben als Gesamtheit, die 1841 noch durch eine Rübenzuckersteuer 363 mit einem Bruttoertrag von 50.530 Tlr. im Ersterhebungsjahr vermehrt wurden, war deren hoher Anteil an den Staatseinnahmen; er machte, jeweils einschließlich der Zölle, 1821 35,4% aus, um 1850 37 %. 364 J. Rumpf, Provinzialstände XI, S. 122. Vgl. zusätzlich zu den oben aufgeführten Fußnoten, die auf Landtagsforderungen verweisen: J. Rumpf, Provinzialstände XIV, S. 412, 457; XI, S. 333; XI, S. 123; IV, S. 18. 363 Gesetz vom 30. 7. 1841 (GS, S. 140). Die Rübenzuckersteuer war die erste gemeinschaftliche Verbrauchsteuer des Deutschen Zollvereins. Sie sollte den Ausfall der Zolleinnahmen von den Zuckereinfuhren kompensieren und wurde daher den Zollvereinseinnahmen zugeschlagen., (Vgl. F.W. Henning, Wirtschafts- und Sozialgeschichte 2, S. 626.). 364 Nach C. J. Bergius, Zustände, S. 159; auch K. Borchard, Staatsverbrauch, S. 33. Borchard hebt die Unwägbarkeiten und teils inkompatiblen Erstellungsmethoden beim Vergleich der Etats von 1821 und 1844 hervor. Im 182ler Etat sind die Verbrauchsteuererträge, die erheblichen Zolleinnahmen, Übergangssteuern und Stempelsteuererträge, weil unter gemeinsamer Verwaltung stehend, noch in einer Summe ausgeworfen; ferner befanden sich die provinziellen Verwaltungskosten der indirekten Steuern 1821 noch unter den aUgemeinen Ausgaben der Regierungen, wurden bei den nächst folgenden Etats dann als Regiekosten bereits vom Steuerertrag abgezogen. Der 1844er Etat war der erste Haushaltsplan, der Bruttoerträge aufführte; die Zolleinnahmen wurden erst in den Folgeetats gesondert von den Erträgen der indirekten Steuern ausgeworfen. 361

362

250

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Welche Einnahmen würden der Staatskasse erst zufließen, so resümmierte Holtzendorff am Beispiel der Branntwein- und Tabaksteuern, wenn man diese Abgaben entweder zu wirklichen direkten machte oder zu dem, was sie zwar ihrem Namen, nicht aber ihrem Wesen nach seien, zu indirekten, indem man den Genuß und nicht die Produktion besteuerte. ,,Das Staatseinkommen würde dadurch nicht allein nicht vermindert, sondern geradezu erhöht werden." - Grundsätzlich jedoch galt für Holtzendorff - und hier lag er auf der Linie des Badeners Mathy, nicht jedoch auf der seiner preußischen Regierung - ,,Nur da läßt eine indirecte Besteuerung sich im Allgemeinen rechtfertigen, wo sie ein Nothbehelf ist und wo sie unter besonderen Verhältnissen und bei moralischen Zwecken als eine Ausnahme von der Regel gilt, wo also bei einer directen Steuer der eigentliche Zweck der Auflage nicht erreicht werden kann und der Hauptzweck nicht in der Vermehrung der Einnahme besteht." 365

b) Die badischen Verbrauch- und Erzeugersteuern ( 1812)

Wie in Preußen bestand auch im Großherzogtum der Hauptzweck der Erhebung indirekter Steuern in der Vermehrung der Staatseinnahmen; ihr Anteil am Gesamteinkommen stieg zwischen 1820 und 1850 von 30,5% auf 46,1 %. 366 Unter dem 10. 1. 1812 als ,Großherzoglich Badische Accis-Ordnung' veröffentlicht (Reg.Bl. II (1812)), gehörten die Erzeuger- und Verbrauchabgaben gemeinsam mit den Außenzöllen, Stempel- und Verkehrsteuern - wie in Preußen - zur ersten Abgabengruppe, die im jungen Staat Baden einer Reform unterzogen wurde. Auf diesem Sektor war, wie in Preußen, das Wirrwarr am größten, daher das Umstrukturieren am nötigsten und hinsichtlich Steuergerechtigkeit am unverfänglichsten; Einnahmenerfolge schienen hier früher realisierbar als bei den Neuentwürfen zu den direkten Steuern. Manche dieser Mutmaßungen und Hoffnungen gingen in beiden Staaten fehl; der indirekte Steuersektor erwies sich in Baden wie Preußen als ein unruhiges, durchaus von Gerechtigkeitsfragen bewegtes Gebiet. Es gibt viele Parallelen hinsichtlich der indirekten Besteuerungsentwicklung in den Vergleichsstaaten: die Unverzichtbarkeit dieser Steuern für die Staatshaushalte, die Abgabenreduzierung auf wenige Massengüter, die Sorge um die Belastung der ,ersten Lebensbedürfnisse', nachhaltige, teils wirksame Proteste aus den Bevölkerungen und letztlich der verbliebene Kanon der Konsumtionsteuern.

In Preußen waren dies Branntwein-, Bier-, Wein- und Tabaksteuer, in Baden Wein-, Bier-, Branntwein- und Fleischsteuer; flir beide Staaten kam noch die sehr F. v. Holtzendorff-Vietrnannsdorf, Steuern, S. 34, 39, 63. Nach K. Borchard, Staatsverbrauch, S. 32f. -In diese Berechnungen waren außer den Abgaben von Erzeugung und Verbrauch auch die Salzsteuer und die Kauf-, Schenkungs- und Erbschaftsakzisen einbezogen, dazu die Zölle mit 19,6 %. 365

366

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

251

bedeutsame Salzbesteuerung hinzu. Preußen hatte als Sonderform die Mahl- und Schlachtsteuer. Auch wenn diese Abgabe als Surrogat der ländlichen Klassensteuer in den Städten fungierte, so war sie eben doch Konsumtionsteuer, die das Leben verteuerte. Die Besteuerung des Brotgetreides hatte die großherzogliche Regierung bereits vor Einrichtung des Parlaments, 1818, aufgegeben. In Preußen wurde sie, wenn auch im Staatsrat sehr umstritten, 1819 in der Mahlsteuer eingeführt. Das Schlachtvieh, in Baden gleichermaßen in Stadt und Land besteuert, unterlag in Preußen nur in den größeren Städten der Fleischabgabe. Beide Schlachtsteuern wurden in den Bevölkerungen angefeindet; für die Staatshaushalte erschienen sie unverzichtbar, ebenso für die kommunalen. Die gesetzlichen Änderungen, die in den Jahren nach Beginn der badischen Landtagstätigkeit an sämtlichen verbliebenen Konsumtionssteuern vorgenommen wurden, an einigen gar mehrfach, 367 zeugen reichlich von dem Unwillen, den sie in der Bevölkerung nährten, in erster Linie bei den Erzeugern und direkt Befaßten, den Winzern, Brauern, Wirten und Metzgern, die, wie in Preußen, dem Staat die Verbrauchsteuern vorweg entrichteten, die Steuersummen über die Produktpreise zurückholten, sich jedoch mit dem staatlichen Steuerkontrollapparat auseinanderzusetzen hatten. Wenn also der preußische Steuerexperte Hoffmann 1820 in seinem Steuermemoire Staatsrat und Regierung daran erinnerte, "daß nicht allein der Betrag der Zahlung, sondern auch die Form der Hebung eine Last (sei), und daß die letztere oft drückender sein (könne) als die erstere"368 - so hätte diese Erinnerung ebenso der badischen Regierung gelten können. Die französische Juli-Erhebung stärkte in badischer Bevölkerung und Parlament die Aufmerksamkeit für Gerechtigkeit und soziale Auswirkungen der Steuergesetzgebung im allgemeinen und der indirekten Besteuerung mit ihren Konsequenzen für viele unbemittelte Konsumenten im besonderen.369 Mehrheiten der liberalen li. Kammer der 30er Jahre waren entschlossen, Verbesserungen bei den Verbrauchsteuern durchzusetzen und gerieten dadurch mit Regierungsvertretern in scharfe Auseinandersetzungen. Zusammengedrängt auf einen Begriff läßt sich ein Brennpunkt des Streits um die indirekte Besteuerung in Baden als Akzisenprinzip versus 367 Neuregelung der Weinakzise und des Ohmgeldes (Gesetz v. 31. 7. 1828); der Fleischakzise (Gesetze v. l. 6. 1828, l. l. 1832, provisor. Gesetz v. 10. 5. 1832, Gesetz v. 26. 5. 1835,

22. 11. 1838, Aufbebung der Fleischakzise zum l. l. 1849, neueinführendes Gesetz v. 30. 3. 1850); der Branntweinakzise (Gesetze v. 14.5. 1828 u. 22. 6. 1837); der Bierakzise (Gesetz vom 14. 5. 1825 mit Vollzugsverordnungen v. 22. 9. 1825 u. 12. 10. 1837, Gesetz vom 28. 2. 1845, Interim-Gesetz v. 28. 6. 1848, Rückkehr zum Gesetz v. 28. 2. 1845 mit neuer Vollzugsverordnung vom 10. 11. 1849). 368 J. G. Hoffmann, Promemoria, Abgedr. bei C. Dieterici, Steuerreform, S. 284. 369 1831 gingen ein: 23 Petitionen wegen Aufhebung der Bierakzise bzw. Umwandlung in Aversen; 25 analoge Petitionen zur Fleischakzise, 13 Petitionen betreffend Ohmgeld und Weinakzise sowie 5 Bittschriften zur Branntweinakzise und 1 Eingabe wegen Aufbebung der Akzise bei Hausschlachtung. (Vgl. Bericht der Petitionskommission BAD LT KA 1831, Beil. 8, S. 74 ff.).

252

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Aversalprinzip umschreiben; hierauf wird noch einzugehen sein. Doch zunächst einige Ausführungen zu den Erhebungsmodalitäten der Konsumtionsteuer im Großherzogtum anhand der einzelnen Güter. aa) Die Weinsteuer Vergleichbar dem Stellenwert der preußischen Branntweinsteuer war die badische Abgabe auf Wein, obgleich ihrem Ertrag nach natürlicherweise schwankend, für das Großherzogtum und seine Bevölkerung die wichtigste indirekte Steuer: "So wie ... das Weinerzeugnis im Großherzogthum ... ein sehr ansehnliches ist, so ist dies auch der Weinverbrauch. Begreiflich ist es darum, daß dieser schon lange die Aufmerksamkeit der Steuergesetzgebung auf sich gezogen hat .. ." 370

vermerkte F. A. Regenauer in seiner Beschreibung des badischen Staatshaushalts. Der Vergleich der Durchschnittserträge der vier badischen Verbrauchsteuern (außer Salzsteuer) in etwa denselben Jahren erhellt die Spitzenstellung der Weinsteuer: 1831/36

Weinsteuer 642.185 fl.

1831/34

Fleischsteuer 265.353 fl. 371

Biersteuer 191.897 fl.

Branntweinsteuer 37.173 fl.

Die Abgabe vom Wein zerfiel in die allgemeine Verbraucherakzise für Privatkäufer, die Wein zum Eigenverbrauch einlagerten, und in das von den Wirten für den en detail ausgeschenkten Wein beizubringende Ohmgeld (Umgeld), eine Art Umsatz- oder Mehrwertsteuer. Es entsprach dem Grundprinzip des badischen Akzisrechts, besteuernd zuzugreifen, "wenn die Bestimmung zur Consumtion vermuthet werden muß(te)". 372 Bis zur Abschaffung des Haustrunk-Gesetzes in 1831 hatten alle, die für den Hausverbrauch aus eigenem Rehbau kelterten, die erwerbsmäßigen Rehbauern eingeschlossen, die Akzise ihres Haustrunks zu entrichten, indem sie von Oktober zu Oktober ihre Konsumtion in das vom Ortsakzisor zu führende Register einschreiben ließen und nach dieser Fassion den Akzisbetrag in vier Quartalsraten zahlten. Sofort nach Fassion und stets in einer Summe wurde den Weingrossisten die Akzise ihres privaten Verbrauchs abgefordert; Handelswein bei An- und Weiterverkauf en gros war nicht zu versteuern. Doch jeder Übergang von Wein an einen neuen, als Konsumenten zu betrachtenden Käufer hatte die Verbindlichkeit der Steuerzahlung zur Folge, ohne Rücksicht auf bereits früher entrichtete Akzise. Allerdings konnten unter bestimmten Umstände Weine, z. B. ererbte, akzisfrei 370 371

372

F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 456. Daten nach F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 466, 468. Großherzoglich Badische Accis-Ordnung von 1812, 1. Abteilg. I § 12.

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

253

sein, verzollte ausländische waren es in der Regel, gewisse Proben in begrenzten Mengen blieben ebenfalls frei, etc. Nach sieben Qualitätsstufen berechnete sich die Weinakzise, höher im Tarif für den wertvolleren, weniger hoch für den schlichteren Wein. Reden kalkuliert für die 40er Jahre die durchschnittliche Belastung der mittleren Qualitäten bei normalen Ertragsjahren mit gut 15% des Werts, bei niedrigeren Weinpreisen mit mindestens 18 %. 373 Ohne Frage galt es in diesem Zusammenhang der Weinsteuererhebung durch die Behörden viele Weinbestände zu erfassen und zu inspizieren, Wirte zu kontrollieren, etc., andererseits hatten die Produzenten ihren als sehr lästig empfundenen Anteil an diesem Prozeß in Form von Behördengängen und Formalitäten zu erledigen. Die Einsteuerung des Weins nach Qualitätsstufen schuf offenbar reichlich Anlässe für Auseinandersetzungen zwischen Erzeugern und Steuerpersonal.374 Der Vergleich der badischen Weinbesteuerung mit der preußischen zeigt - bei allem Unterschied der jeweiligen Erträge - viele Ähnlichkeiten, manche Unterschiede: Erzeugerbesteuerung auf beiden Seiten, die ohne gründliche behördliche Produkterfassung an Ort und Stelle der Erzeugung und Lagerhaltung nicht auskam; in beiden Fällen mäßige Besteuerungssätze, in Baden mit sieben Tarifstufen etwas präziser gefaßt als in Preußen; dem traditionellen badischen Detailausschank in Weinstuben folgend im Großherzogtum außerdem eine mehrwertsteuerartige Abgabe auf Schoppenwein; vierteljährlicher Steuereinzug in Baden in Übereinstimmung mit den vier ,Steuerzielern' der direkten Staatsbesteuerung, in Preußen halbjährliche Zahlungstermine. Ärgernisse der Weinbesteuerung entsprangen für badische wie preußische Erzeuger allgemein dem Umgang mit den Behörden und der Qualitätseinstufung und Lagerführung im besonderen. Steuerdruck ergab sich aus den natürlichen Schwankungen von Erzeugung und Absatz und fixen Steuerterminen, wobei beide Regierungen Härten auszugleichen suchten. bb) Die Biersteuer Nicht unbedeutender als bei der Weinsteuer scheint die Tradition wechselseitiger Vexationen von Bierbrauern und Akzisebevollmächtigten gewesen zu sein, wenn bereits die Accis- und Ohmgeld- Ordnung von 1812 schwarz auf weiß vorgibt, das ,Publikum' vor den der Malzakzise ,entgegengesetzten Speculationen listiger Bierbrauer' durch ihre Kontrollmaßnahmen schützen zu sollen.375 Nach dieser Ordnung war die Biersteuer zunächst, wie in Preußen, eine Abgabe auf das Malz. Nicht nur die Brauereien mit ihren geeichten Kühlbottichen standen unter der besonderen Observanz der Akzisoren, sondern auch die Müller, die das 373 374 375

Nach F. v. Reden, Finanzstatistik 1.1, S. 337f. F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 458. Accis- und Ohmgeld-Ordnung/li § 32 b.

254

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Malz schroteten und gegen Entgelt gehalten waren, exakte Malzregister zu führen. Die Steuererbeber hatten die jeweils fertigen Biermengen in den Kühlbottichen der Brauereien in Verzeichnissen festzuhalten und mit den versteuerten Malzmengen zu vergleichen, um Defraudationen aufspüren und nachweisen zu können, wenn eine bereitete Biermenge in falscher Relation zur versteuerten Malzmenge stand. Mit dem Gesetz vom 14. 5. 1825 wurde die allseits als vexierend erachtete Besteuerung des Malzes ersetzt durch eine Steuer auf das zubereitete Bier, jedoch nicht unmittelbar nach der Biermenge, sondern mittels Inhalts der Braugefäße. Doch auch dieses Gesetz mit der beklagten Vielzahl seiner Paragraphen in den wechselnden Vollzugsverordnungen befriedigte weder Braugewerbe noch Steuerverwaltungen. Schrieb die Regierung in ihren Vollzugsverordnungen bestimmte Brauzeiten vor, so versuchten die Brauer, in einer Brauzeit möglichst zweimal zu brauen. Vergleichbar dem preußischen Branntweinbrennen vervollkommnete sich zudem der badische Braubetrieb im Vormärz ganz wesentlich, und zwar zum Vorteil der Brauer. Standen Wein- und Bierkonsum auch in einer Wechselbeziehung - war der Wein preiswert, wurde mehr davon getrunken, war er teuer, wurde mehr Bier abgesetzt so war doch die Bierkonsumtion unverkennbar im Steigen begriffen, wie Finanzminister v. Böckh rückblickend auf die Entwicklung der letzten Jahre 1833 im Landtag bestätigte.376 Die Durchschnittseinnahmen aus der Bierakzise inklusive der zwischen I 0.000-20.000 fl. abwerfenden Übergangssteuer für Bier aus anderen Zollvereinsstaaten betrugen in den Perioden: 1831/36 191.897 fl.

1836/41 243.981 fl. 377

1828 war die Regierung dem wachsenden Geschäft steuerschöpfend nachgekommen, indem sie die Biersteuer pro Fuder Getränk378 von 10 fl. auf 13 fl. erhöhte. Gestärkt durch die in Frankreich soeben erkämpfte bedeutende Ermäßigung der Getränkesteuern, stritten Kammerabgeordnete 1831 vor allem beim Bier um Abgabenreduktion, galt es doch als ein "fast unentbehrliches LebensbedürfniS meist der arbeitenden und ärmeren Klasse als der einzige Genuß, den der ärmere Theil (der Bevölkerung) in seinen Erholungsstunden (habe)". 379 Andererseits erhitzte sich die II. Kammer in ergebnislosen Debatten über der Frage, ob nicht die Weinsteuer mit der Biersteuer in gleichem Verhältnis stehen müsse. 12,05 % des Bierwerts machte die Biersteuer in den 40ern nach v. Reden aus? 80

376 377 378 379 380

Vgl. Sitzung v. 6. 9. 1833/BAD LT KA 1833, H. 11. Daten nach F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 465. 1 badisches Fuder= 1500 Liter bzw. 1000 badische Maß; 1 Maß= 1,5 Liter. BAD LT KA 1831, Beil. 8, S. 82; BAD LT KA 1833, H. 11, S. 313. F. v. Reden, Finanzstatistik 1.1, S. 338.

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

255

cc) Die Branntweinsteuer Zu Steuer-Pauschbeträgen, Branntweinkesselgelder genannt, ging man in Baden für die Branntweinakzise schon 1814 über, fixierte die langjährige Praxis endlich durch Gesetz vom 14. 5. 1828 und war damit frühzeitig von den ärgerlich umständlichen Erhebungsmodalitäten abgerückt, die die Accis- und Ohmgeld-Ordnung von 1812 für diese geringe Abgabe vorgesehen hatte. Analog preußischem Verfahren war auch im Großherzogtum die Steuer ursprünglich nach der Größe der Blasen, der Dauer des Brennvorgangs, aber auch nach der Beschaffenheit der verwendeten Stoffe zu bestimmen gewesen. Die Brenngefaße mußten geeicht, deren Hütchen gestempelt und, solange nicht gebrannt wurde, beim Steuererbeber aufbewahrt werden. Standen die Mühen der Branntweinsteuererhebung und -überwachung in Preußen noch in einem annehmbaren Verhältnis zu den ja bedeutenden Einnahmen aus der Abgabe, so hatte dies in Baden ganz und gar nicht zugetroffen und die Abkehr von diesem Verfahren beschleunigt. So wenig von ausgedehntem BranntweingenuS im Großherzogtum die Rede sein konnte, so selten waren große Brennbetriebe. Allerdings gab es bei den Landwirten und Rehbauern eine Vielzahl kleiner, nebengewerblich genutzter Brenngefaße, die mehrmals im Jahr kurzzeitig betrieben wurden. Die Gewerbestatistiken führen rund 20.000 Brennkessel für 1829, 22.211 für 1843 auf; bezeichnenderweise fehlen in den Auflistungen der badischen Gewerbe zwar nicht die Bierbrauer, wohl aber die Brenner?81 Das Kesselgeld, nur einmal im Jahr fallig, war für die nebengewerblich brennenden Landwirte nur halb so hoch wie für die gewerbsmäßigen Brennbetriebe. Nach dem Gesetz vom 22. 6. 1837 mit seiner Vollzugsverordnung vom 12.10. d.J. betrug die Abgabe monatlich geringfügige 2/3 Kreuzer für jede Maß Rauminhalt des Kessels, nun gleich hoch für Neben- wie Hauptgewerbe, wobei, abgestimmt auf die überwiegend nebengewerbliche Nutzung, auch ein-, drei-, sechs- oder neunmaliger Brennbetrieb pro Jahr inbegriffen war. Wie in Preußen wurde auch im Großherzogtum das hauptgewerbliche Branntweinbrennen seit den 30em mit stets verbesserten Einrichtungen betrieben, so daß die Besteuerung im Laufe des Vormärz für diese Betriebe unverhältnismäßig gering wurde; trotz wachsender Branntweinproduktion nahmen die staatlichen Steuereinkünfte aus dieser Verbrauchsteuer ab. Im Durchschnitt der folgenden Jahre kamen per anno immer unbedeutendere Steuersummen ein:

381 382

1831/36

37.173 fl.

1836/41

26.973 fl.

1842/46

20.721 fl. 382

V gl. W. Fischer, Staat, Kapitel 5/ II -IV; F. A. Regenauer, Staatshaushalt, § 228. Daten nach F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 468.

256

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Erst Anfang der 50er Jahre beendete die Regierung mit einem neuen Steuergesetz das durch die verbesserte Brenntechnik und den Zuwachs an größeren Brennereien herbeigeführte Mißverhältnis zwischen Produktion und Steuereinnahmen. Die landestypische Tradition des Konsums bestimmter Alkoholika hatte durchaus direkte Bezüge zur angewandten Präzision der Steuererhebung wie des gesamten Vollzugs der Tranksteuern in den Vergleichsstaaten. Die relative Großzügigkeit, mit der die badische Staatsverwaltung im Vormärz das Brenngeschäft am langen Steuerzügel führte, steht in lebhaftem Gegensatz zum strikten preußischen Gebaren, aber eben auch zu den vergleichsweise hohen preußischen Steuereinnahmen aus dem Branntweinkonsum. Bei der badischen Biersteuer waren die Staatsinteressen an geordneter und genauer Steuererhebung sehr viel größer als bei der Branntweinabgabe, die Vollzugsvorschriften kleinschrittiger, die Erhebungs- und Kontroll-Atmosphäre gereizterund die Parlamentsdebatten schier endlos. Das räumlich wie emotional nahe Frankreich wirkte mit seiner Steuerpolitik sehr viel stärker auf die Entscheidungen in Karlsruhe ein, als auf die in Berlin. dd) Die Schlachtviehsteuer Die badische Schlachtviehakzise, die der Staat bei häuslicher wie gewerblicher Schlachtung erhob, erlebte mancherlei Umgestaltungen. Mit der preußischen Schlachtsteuer teilte sie einige wesentliche Züge, auf die noch zurückzukommen sein wird. Seit den 30ern wurde diese Akzise vornehmlich durch die Metzger vorgelegt, deren Gewerbebetriebe und Fleischvorräte sich darum auch unter besonders strikter Überwachung der Steuerbehörden befanden. 383 Die Fülle der steuergesetzlichen Vorschriften für die häusliche wie gewerbliche Schlachtung machte das Umgehen mit der kostbaren Ware Fleisch kompliziert und mühevoll. So hatte die vor einer Schlachtung beim Akzisor einzuholende Akzisquittung nur einen Tag Gültigkeit; mußte die Schlachtung verschoben werden, war wieder ein Gang zum Akzisor nötig, der den neuen Termin auf der Quittung zu vermerken hatte. Städtische und ländliche Gemeinden mußten, sofern sie keine Schlachthäuser eingerichtet hatten, zumindest Waagen und Wagepersonal bereitstellen, durften allerdings auch Wiegegebühren erheben, die natürlich zu Lasten des Schlachtenden gingen. - Gewogen wurde nach dem Aushauen des Schlachttieres in Gegenwart des zu bestellenden Fleischbeschauers. Zu abgelegenen Hofstellen mußten Waage und Gewichte hingeschafft oder das Gewicht eines Schlachttieres geschätzt werden. Oft genug müssen sich über solchen Schätzungen Streitigkeiten entzündet haben, wie das gesetzliche Eingehen auf solche Fälle ver383 So enthält beispielsweise das Gesetz vom 28. 3. 1844 zur Schlachtviehakzise einzig Vorschriften zur Verschärfung der Steueraufsicht in diesem Bereich.

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

257

muten läßt. 384 Akzisfrei waren Notschlachtungen und Schlachtungen kranken Viehs, die natürlich sofortige Meldung bei den Behörden erforderten und deren besondere Aufmerksamkeit hervorriefen. Nächst der Weinsteuer bildete die Fleischakzise den bedeutungsvollsten Posten unter den staatlichen Konsumtionsteuereinnahmen in Baden; allerdings auch einen sehr umstrittenen - wie in Preußen - bei den Metzgern und bei der durch die häuslichen Kontrollen und Akzisvorschriften langezeit geplagten Landbevölkerung. Waren doch nach der 1812er Akzisordnung nicht nur Großvieh und Schweine bei der Schlachtung zu versteuern, sondern auch Schafe, Ziegen und Lämmer, mit Ausnahme der letzteren die Fleischträger vieler kleinerer Konsumenten. Der Akzissatz für die Hausschlachtung eines Schweins betrug 10 kr., davon gingen 2 kr. als Aufwandsentschädigung an den Akzisor. Vier Fünftel des in Baden geschlachteten Schweinefleischs wurde 1831 in Dörfern und Landstädten konsumiert. Der Bruttoertrag der Akzise von Hausschlachtungen betrug im Rechnungsjahr 1830/31 rund 37.000 fl., die Erhebungskosten für die Schweinefleischakzise umriß Finanzminister v. Böckh mit einem Drittel des Steuerertrags. 385 Hatten die Konsumtionsteuern im Großherzogtum stets für Unmutsäußerungen aus der Bevölkerung gesorgt, so wurde das Parlament seit seiner Einrichtung zur Beschwerdeplattform schlechthin für diesen Steuertyp. Nach Thronwechsel machte besonders das Jahr 1831 mit seinen zahlreichen Eingaben an die li. Kammer es unumgänglich, daß sich der Landtag mit der Schlachtviehakzise und ihren Auswirkungen für die Bevölkerung befaßte. Viele der Berichte aus 1830 und dem Beginn des Jahres 1831 an die Kreisdirektoren und die Regierung über die Stimmung unter den Badenern nennen die Forderung, die Fleischakzise bei Hausschlachtung abzuschaffen. 386 Im Bemühen, Unbilligkeiten der Besteuerung gerade gegenüber sozial schwachen Staatsbürgern abzubauen, beseitigte die Regierung in ihrem im September 1831 der II. Kammer vorgelegten Gesetzentwurf zur Fleischakzise zunächst die Abgabenerhebung für häusliches Schlachten von Schweinen, der insgesamt meistgeschlachteten Viehgattung im Land387 und erweiterte gegen Ende des Jahres den Entwurf noch auf die Einstellung der Akziseerhebung auch für Schaf- und Lammfleisch, des besonders im Südbadischen vermehrt verzehrten Schlachtfleisches. So blieb mit Wirkung vom 1. 1. 1832 für das Akzisegeschäft bei häuslicher Schlachtung nur noch Rind- und Kalbfleisch übrig. Finanzminister v. Böckh gab allerdings 1831 bei seinem erläuternden Vortrag zu dieser Gesetzesvorlage der Vgl. z. B. das Gesetz v. 26. 5. 1835/ Art. 2 (Reg.BI. XXIII (1835)). BAD LT KA 1831, H. 31, S. 57f. (Erläuterungen des Finanzministers). 386 GLA 236/8165 (Akten und Polizeiberichte des Innenministeriums). 387 Vgl. die Erklärungen Finanzminister v. Böckhs zum Gesetzentwurf (BAD LT KA 1831, H. 31, S. 60.) 384 385

17 Siegen

258

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Regierung folgendes zu bedenken ,und traf damit ein Problem, das sich auch preußischen Städten und ihrer Bevölkerung hinsichtlich der Schlachtsteuer stellte: "Übrigens glauben Sie nicht, daß das Schweinefleisch in den größeren Städten des Großherzogtbums lange accisfrei bleiben wird. Alle diese Städte müssen zur Bestreitung ihrer großen Gemeindebedürfnisse, hervorgerufen durch die wachsenden Ansprüche der Einwohner auf verbesserte Anstalten jeder Art, Umlagen machen, und kaum wird die Aufhebung der zu Gunsten der Staatskasse bestandenen Accise vom Schweinefleisch ausgesprochen seyn, so werden sich die Magistrate um ein Octroi (Verbrauchsbesteuerung, R. S.), welches dieselbe dreifach ersetzt, melden, überzeugt, daß in den verhaßten indirecten Steuern das einzige Mittel liegt, die directen Gemeindesteuern zu mildem und eine Menge von Personen zu den Gemeindebedürfnissen ins Mitleiden ziehen, die sie auf andere Weise nicht erreichen können."388

Mit Wirkung vom 1. 1. 1849 wurde die Fleischakzise im Zuge der revolutionären Ereignisse im Lande Baden ganz und gar gestrichen, doch unter dem 30. 3. 1850 gesetzlich wiedereingeführt, weil einerseits die Hoffnungen auf preiswerteres Fleisch für die Bevölkerung und angemessenere Verkaufspreise für die Erzeuger unerfüllt blieben, andererseits ,der Zustand der Staatskasse die Herstellung der entzogenen Reineinnahme von 280.000 fl. dringend forderte'. In Baden wurde also kurzzeitig erprobt (und dann verworfen), was auch in Preußen in den 40ern vielfach gefordert, von der Regierung 1847 eingeräumt, doch im Vormärz nie konsequent ausgeführt wurde: Streichung solcher Steuer zwecks Preisentlastung für Konsumenten. Es gibt Grund zu der Annahme, daß auch in Preußen die Streichung der Schlachtsteuer kaum faßbare Vorteile für die arme Bevölkerung, jedoch gewisse Nachteile für die Staatskasse und spürbare für die kommunalen Haushalte nach sich gezogen hätte, die, wie in Baden, wesentliche Teile ihrer Ausgaben durch Zuschläge zu den staatlichen Konsumtionsteuern deckten. Die seit dem 1. 6. 1832 ermöglichte Zahlung der badischen Schlachtabgabe in Aversen fand bei den Metzgern nicht die Gegenliebe wie die mit Gesetz vom 26. 5. 1835 wiedereingeräumte Versteuerung des Fleisches nach Stücken, die die gewerbliche Arbeit, wie berichtet wird, erheblich entlastete und im übrigen auch in Preußen angewandt wurde. Obgleich die Averszahlungen für die Staatskasse die Tendenz zu fallenden Akziseeinnahmen bedeutete, wie man im Landtag zur Kenntnis nahm, 389 wuchsen diese Steuereinnahmen, wie auch in Preußen, über längere Perioden gesehen, wenn auch nur leicht, so doch stetig. Regenauer errechnete die Durchschnittseinnahmen und die Pro-Kopf-Belastung seit den 30ern: 1831/36 1836/41 1842/46

388 389 390

258.520 fl. 282.196 fl. 296.665 fl.

pro Kopf pro Kopf pro Kopf

BAD LT KA 1831, H. 31, S. 61 (Beilage 3). BAD LT KA 1833, H. 11, S. 320/ Sitzg. v. 6. 9. 1833. F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 473.

12,73 kr. 13,26 kr. 13,49 kr. 390

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

259

Der Fleischkonsum pro Kopf der Bevölkerung belief sich im Jahresdurchschnitt der 40er auf rund 52 Pfund Fleisch, wovon jedoch nur 21 Pfund akzispflichtige Ware war, seit Schweine- und Schaffleisch nicht mehr akzispflichtig waren. Die Durchschnittssteuerbelastung bedarf des Bezugs auf städtische und ländliche Konsumenten: Den weitaus größten Teil der Steuer zahlte nämlich die städtische Bevölkerung mit 30 bis 63 kr., während sich der Anteil der ländlichen verhältnismäßig verminderte. 391 Zwischen badischer und preußischer Schlachtsteuer finden sich wesentliche Parallelen. In beiden Ländern lag der Schwerpunkt der Steuer, so unterschiedlich die Steuerschöpfung auf den ersten Blick auch wirken mag, auf den städtischen Konsumenten; für beide Staatshaushalte betrug der Anteil dieser Steuer in den 40ern an den Gesamteinnahmen rund 2% (Baden: 2 %; Preußen: 2,14 %), an den Einnahmen aus den Konsumtionsteuern etwa 18% (Baden: 18,4 %; Preußen: 18,86%). 392 Die Bedeutsarnkeit der Schlachtsteuer für die kommunalen Haushalte der größeren Städte beider Vergleichsstaaten wurde bereits genannt, ebenso die Umstrittenheit dieser Abgabe. ee) Akzisen oder Aversalzahlung? Der badische Streit um Akzisen oder Aversen zwischen Regierung und ll. Kammer erfuhr 1831 seinen Höhepunkt. Er wurde seitens der n. Kammer unter den Aspekten ,soziale Auswirkungen', ,Gerechtigkeits- und Gleichheitsprinzip', ,staatliche Willkür' und ,gewerbliche Auswirkungen' ausgetragen, wobei der Regierung diese Fragen nicht minder wichtig gewesen sein müssen. Waren doch weder Finanzminister v. Böckh noch Staatsrat Nebenius die Grundsätze der Gleichheit und Gerechtigkeit oder der Gedanke der Schutzwürdigkeit der minderbemittelten Klassen fremd, noch die Gefährlichkeit jener unruheerfüllten, ja explosiven Stimmung im Land verborgen. "Wenn der Abgeordnete M. wissen will", so antwortete der Minister auf die Frage eines Kammerrnitglieds, "woher die vielen Klagen kommen, so wird er die Auskunft in der Zeit überhaupt finden; die fragliche Verordnung besteht schon lange, aber erst in diesem Jahr ist das Heer von Beschwerden eingekommen."393 Doch: Von 5076 Weinwirten, 467 Bierbrauern und 1722 Metzgern des Großherzogtums wandte sich nur ein kleiner Teil an die Kammer. Viele dieser Beschwerde führenden Petenten boten monatliche oder vierteljährliche Vorauszahlungen von Aversalbeträgen, was offensichtlich keine finanzielle Hürde für sie war?94 BestimVgl. F. v. Reden, Finanzstatistik 1.1, S. 339. Berechnet nach: AUgemeiner Etat der Staats-Einnahmen und Ausgaben für das Jahr 1847/Preußen, abgedr. bei E. Bleich, Vereinigter Landtag I, S. 105 -107; Haupt-Finanz-Etat über die ordentlichen Einnahmen und Ausgaben für 1840/Baden (Reg-Bl. XV (1839)). 393 BAD LT KA 1831, H. 24, S. 193. 394 Zu den Petitionen vgl. den Kommissionsbericht des Abg. Regenauer (BAD LT KA 1831, H. 33, S. 193-200).- Groß waren in der Regel die Betriebskapitalien der Brauer, wie 391

392

!7•

260

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

mende Motive waren wohl weniger die Rücksicht auf ärmere Berufskollegen als vielmehr Gewinnstreben und Gewinn persönlicher Freiheit von behördlicher Schikane. Andererseits wünschten die Bierbrauer Mannheims, die ein Siebtel der Bierakzise des Großherzogtums entrichteten, keine Aversalzahlung, obschon es in der Regel die Größeren waren, die Aversen forderten. Eines der früheren Zeugnisse der alten, 1831 neu diskutierten Steuerthematik, das 1819 von Nebenius verfaßte Gutachten ,Sind Abonnements oder Aversa dem individuellen Einzug der indirekten Steuern vorzuziehen?', wurde in der Hochphase der Auseinandersetzungen in der 101. öffentlichen Sitzung der li. Kammer am 23. 9. 1831 erneut herangezogen. Die Regierung vertrat im Disput mit der Kammer in Gestalt ihrer beiden Vertreter die Auffassung, daß die Ungleichheit der steuerlichen Belastung des Konsumenten nur verstärkt werde, wenn der individuelle Steuereinzug bei den Konsumtionssteuern durch Pauschbeträge ersetzt werde, die sich den Fluktuationen der gewerblichen Entwicklung gar nicht geschwind genug anpassen lassen würden; daß sich ferner bei Averszahlungen gerade für Betriebe mit großen Kapitalien rasch praktisch steuerfreie Mehrerträge einstellen würden, weil ja die Grundlagen fixer Pauschbeträge aus den Mittelwerten vergangener Jahresergebnisse zu gewinnen wären, die bei glücklicher Geschäftsentwicklung den Erträgen des Gewerbes nachhinkten, und schließlich zu befürchten sei, daß die kleineren Betriebe im Konkurrenzkampf mit den größeren hoffnungslos abgeschlagen würden. Verändere man überdies durch die erstrebte Umgestaltung die Natur der Steuer nicht dergestalt, daß aus der Konsumtionssteuer ,eine Art von Gewerbesteuer' entstünde? - eine Befürchtung, die auch K. v. Rotteck teilte?95 Das vorläufige Ende des Verbrauchsteuerstreits von 1831 wurde eingeleitet durch die oben bereits erwähnten gesetzlichen Änderungsmaßnahmen der Regierung bei der Fleischsteuer und die Einigung zwischen I. und ll. Kammer, in den Fragen der Bier- und Weinakzisen den Großherzog zu ersuchen, die Mißbräuche bei Akzise- und Ohmgelderhebung zu beseitigen, ferner dort, wo sich die Gewerbetreibenden ganzer Gemeinden und Bezirke für Aversen ausgesprochen hatten, diese Erhebungsart versuchsweise einzuführen. 396 Wenn auch Abgeordnete der li. Kammer im Zuge dieses steuergesetzlichen Entscheidungsprozesses der Regierung ihre Schau künftiger Ergebnisse der geforderten Akzisenumwandlung für die Volkswirtschaft ausmalten, - das Ansteigen des Gewerbefleißes, Neugründungen und vermehrter Erwerb, die wohltätigen Auswirkungen auf den freien Verkehr - so ging es ihnen durchaus nicht nur um diese Aspekte, sondern ebenso sehr um die Beschneidung des Staats in seinem als willdie Gewerbestatistiken von 1829 (GLA 237/14 235) und 1844 (GLA 237/6837) ausweisen. Gemessen an den Kriterien ,Höhe des Betriebskapitals' und ,Anzahl der Betriebe' nahmen die Brauereien mit ihrem Wachstum 1844 im Vergleich beider Gewerbezählungen den sechsten von neun Plätzen ein. m BADLTKA183l,H.24,S.l97. 396 BAD LT KA 1831, H. 33, S. 199/Beil. 4 zur 151. Sitzg. v. 6. 12. 1831 (Adresse).

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

261

kürlieh empfundenen Zugriff auf Würde, Gleichheitsrechte und unbehinderten Lebensvollzug der Bürger. Im übrigen entschied sich die Regierung nach Anhörung von Sachverständigen, nach Probebrauverfahren und anderem mehr gegen Aversen und erließ unter dem 12. 10. 1837 schließlich eine neue, mildere Vollzugsverordnung zum Gesetz von 1825. Unter dem 28. 2. 1845 wurde ein neues Biersteuergesetz erlassen, das die Besteuerungsweise nach Größe des Braukessels bzw. Menge des sogenannten Biersutts beibehielt. Die unter dem Druck des Jahres 1848 doch noch vollzogene Umwandlung der Biersteuer in Aversenper Gesetz vom 28. 6. d.J. erfuhr im Brauereigewerbe in der Praxis keine breite Anerkennung; man kam 1849 auf die Gesetzgebung von 1845 zurück, nach weiterer erleichternder und den technischen Neuerungen des Braubetriebes Rechnung tragender Modifizierung der Vollzugsvorschriften. c) Die Salzsteuer Preußens und Badens

Wie der Branntwein der preußischen Regierung als sicherer, unverzichtbarer Träger der Besteuerung galt, so auch das Salz, dessen Verbrauch als Speisewürze man pro Kopf und Jahr in Preußen wie übrigens auch in Baden auf gut zwölf Pfund397 schätzte, folglich einem Haushalt afünf Personen sechzig Pfund Jahresverbrauch zumaß und darüber hinaus die Mengen des in Landwirtschaft und Gewerbe verwandten Salzes kannte. "Weil es ein so unentbehrliches Lebensbedürfniß des Menschen geworden ist, so ist es in den Händen der Verwaltung ein sehr mächtiges Mittel, Steuer zu erheben", faßte F. v. Holtzendorff zusammen. 398 Wegen eben dieser Eigenschaft, wichtiges und unersetzbares Lebensbedürfnis der gesamten Bevölkerung zu sein, galt vielen kritischen badischen und preußischen Zeitgenossen die Salzbesteuerung als anstößig und darum abschaffens- zumindest einschränkungswürdig. Nicht wenige fanden überhaupt den Alleinhandel mit Salz, den sich die Regierungen vorbehielten, das Salzmonopol, anfechtenswert, weil verteuernd. Bis 1846, dem Jahr der gesamtwirtschaftlichen Einbrüche in Deutschland, steigerte sich der Salzverbrauch in Baden wie Preußen dank stetigen Wachstums der Bevölkerungen, der Viehhaltung und des gewerblichen Bedarfs unentwegt. Der Salzverbrauch für den menschlichen Genuß verhielt sich zum landwirtschaftlichen und gewerblichen bis zur Mitte der 30er etwa wie 60: 30: 10. Regenauer beziffert den durchschnittlichen jährlichen Salzverbrauch in Baden, umgelegt auf die Bevölkerung, für die Jahre 1831/33 mit 19,13 Pfund pro Kopf, für 1834/ 397 398

1 Pfund - 450 g. F. v. Holtzendorff-Vietmannsdorf, Gemeinden, Steuern, S. 58.

262

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

37 mit 22,73 Pfund und für 1845/47 mit 23,20 Pfund. 399 Im Großherzogtum wurde das Pfund Speisesalz seit Inbetriebnahme der beiden ergiebigen Salinen Dürrheim und Rappenau 1824 gegen den Preis von 4 kr. inklusive Steuer an den Endverbraucher veräußert, seit 1833 nach gesetzlich fixierter Ermäßigung bis über die Jahrhundertmitte hinaus um 3 kr.; die Herstellungskosten beliefen sich pro Pfund auf etwa ein Drittel des Verkaufspreises. Wie Staatsrat Hoffmann ausführt, galt dieses Verhältnis von Herstellungskosten und Verkaufspreis auch für Preußen.400 In beiden Ländern wandte sich die Volksstimmung im Vormärz zunehmend gegen diese indirekte Abgabe, wirkte die Salzsteuer sich doch, nicht von Einkommen oder Vermögen, sondern vom Verbrauch bestimmt, wie eine Kopfsteuer aus. Badische Abgeordnete erklärten 1831, als man neben den anderen Verbrauchsteuern auch gegen die Salzsteuer in der II. Kammer zu Felde zog, daß sich viele arme Leute den finanziellen Aufwand, ihre "Speisen mit diesem Mineral gehörig zu würzen", wegen des relativ hohen Salzpreises nicht erlauben mochten.401 Tatsächlich waren für die eingangs erwähnten 60 Pfund Salz als Jahresverbrauch einer fünfköpfigen Familie auch nach der 1831/33 in Baden erkämpften Salzpreisreduktion drei Gulden zu zahlen, wovon dem Staat zwei Drittel als Gewinn- respektive Steueranteil zufielen. J. G. Hoffmann kannte aus den erwerbs- und verkehrslosen Gegenden Preußens den Brauch armer Leute, Heringslake als Salzersatz zum Würzen der Speisen zu verwenden, weil das Bargeld zum Salzkauf fehlte.402 Wäre es 1831 beim Aufbegehren gegen die Salzlasten im Großherzogtum nach Vorschlag und Willen der Petitionskommission der II. Kammer gegangen, so wären die direkten Steuern um I kr. pro I 00 fl. Steuerkapital zu erhöhen gewesen, um dafür eine Salzpreisermäßigung und somit eine weitere Annäherung an die Verwirklichung des Verfassungsgrundsatzes der Gleichheit im Tragen der öffentlichen Lasten einzuhandeln: Griffe man aus dem Steueranschlag der Kornmission die beiden untersten gesellschaftlichen Klassen heraus, um deren ,Erleichterung' es ja in erster Linie ging, so wären die rund 10.000 an und unterhalb der Armutsgrenze lebenden Familien, die keine direkten Abgaben entrichteten, ohne jede anderweitige Steuererhöhung in den vollen Genuß der Salzpreisreduktion gekommen. Von den rund 50.000 Familien mit 500 fl. Gewerbesteuerkapital (Tagelöhner und Kleingewerbliche) wären fünf zusätzliche Steuerkreuzer zu zahlen gewesen, was immer noch Lastenermäßigung bedeutet hätte.

F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 516. Ebd., S. 506.- BAD LT KA 1831, Beil. 4, S. 89.- J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 253. 401 BAD LT KA 1831, Beil. 4, S. 88 (vgl. auch die Bittschriften zur Salzsteuerreduktion, ebd., S. 86); BAD LT KA 1831, H. 20, S. 304, 322. 402 J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 257. 399

400

10. Die ,geräuschlosen' Indirekten in Preußen und Baden

263

Der Plan der Kommission wurde insofern gegenstandslos, als die I. Kammer der Adresse der II. Kammer an den Großherzog um Salzpreisermäßigung bei Speise- und Viehsalz beitrat, diese Adresse wohlwollend entgegengenommen wurde und schließlich zur 1833er Salzpreisreduktion führte.403

Für die Landwirtschaft und die Gewerbe mit hohem Salzverbrauch, die Metzger, Färber, Seifensieder, etc. wirkte sich die Besteuerung des Salzes in beiden Staaten praktisch wie eine zusätzliche Gewerbesteuer aus, wenngleich Viehsalz wie gewerblich verarbeitetes Salz, hier wie dort zum niedrigeren Preis abgegeben wurde.404 Als am 22. 11. 1842 ein allgemeiner Steuernachlaß beim Salz in Preußen verordnet wurde, der den Pfundspreis von 14 auf 11 Pf. bzw., die Distributionskosten eingerechnet, von 15 auf 12 Pf. reduzierte, profitierten weniger die armen Leute als die salzverbrauchenden Gewerbe und die Landwirtschaft.405 F. W. Ziegler sah durch diese Steuerreduktion "die Gutsbesitzer mehr geschenkt (erhalten) als ihr ganzer Klassensteuerbeitrag ausmachte".406 aa) Staatseinnahmen durch das Salz Die staatlichen Einkünfte aus dem Salzmonopol waren in Preußen drei- bis viermal höher als die aus der Gewerbesteuer. Der Einnahmeetat von 1821 weist einen Netto-Ertrag von 3.800.000 Tlr. aus. Dieses Ergebnis wurde 1829 dank Bevölkerungswachstum, günstigerer Einkaufsund Transportpreise und wirksamerer Maßnahmen gegen Schwarzhandel, wie Finanzminister Motz erläuterte, bei einem Nettoeingang von 4.783.000 Tlr. um fast eine Million Taler übertroffen. 1841 betrug der Reinertrag 5.975.000 Tlr., 1844, nach der Salzsteuerreduktion von 1842,4.315.000 Tlr.407 Wie Hansemann mitteilt, ,dirigierte die königliche Seehandlung den Einkauf des für die östlichen Teile der Monarchie überseeisch zu beziehenden Salzes' und machte dabei beträchtlichen Gewinn; Mitte der 30er betrug dieser nahezu 200.000 Tlr.408 Es war also nicht unbedeutend, was via Salzmonopol in die preußischen Staatskassen floß, obgleich der Verwaltungs- und Erhebungsaufwand mit rund 10 % des Reinertrags hoch war. Neben den Einkünften aus Domänen und Forsten, dem Erlös BAD LT KA 1831, Beil. 7, S. 125 f.; Finanzgesetz (Salzpreis): Reg.Bl. XVII (1833). Zur Salzpreis- und Salzsteuerdiskussion vor allem in der badischen Landwirtschaft vgl. die Berichte badischer Kreisdirektoren aus 1830 und 1831: GLA 236/8165. 40S Vgl. S. G. Liedke, Schlacht- und Mahlsteuer (1847), S. 13f. 406 F. W. Zieg1er, Abgabenwesen, S. 16. 407 Daten nach: C. Dieterici, Steuerreform, S. 298 (für 1821), C. J. Bergius, Zustände, S. 12, 28, 67 f. (für 1829, 1841, 1844). 408 D. Hansemann, Preußen und Frankreich, S. 122. 403

404

264

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

aus Domänenverkäufen und -ablösungsgeldern wurden zwischen 1820 und 1848 auch die erheblichen Salzrevenuen zu Zinsendienst und Tilgung der preußischen Staatsschulden verwendet. 409 Die einfache Bevölkerung leistete dazu ihren Sonderbeitrag, indem ihr Konsum die Salzkasse des Staates füllte. Auch in Baden war das Staatsgeschäft mit dem Salz ein nur schwer zu missender Bestandteil unter den gewinnbringenden Unternehmungen. Trotz Preisminderung lagen die Salzrevenuen unter den Steueraufkommen an dritter Stelle nach der Dreiheit von Grund-, Häuser- und Gewerbesteuer, vom Akzise- und Ohmgeldeinkommen aus den Tranksteuern nur um weniges überflügelt. Wenn auch nach der Salzpreiserrnäßigung von 1833 ein Einnahmeeinbruch zu verzeichnen war, so war die Tendenz steigend, wie die Reineinnahmen der Salinenverwaltung nachweisen: 1820 ging mit 600.000 Tlr. noch das Jahresaversum der überkommenen Salzadmodiation (Verpachtung) ein, die 1824 mit der Inbetriebnahme der badischen Landessalinen erlosch, 1825 machten die Einnahmen 845.500 fl. aus, sanken 1835 auf 787.260 fl. und sprangen bis 1845 auf 909.367 0.410 bb) "Das kleine Baden beschämt uns."411 Es fällt auf, wie unterschiedlich sich in den Vergleichsstaaten, bei allen Übereinstimmungen in Stellenwert und fiskalischer Handhabung dieser Steuer, das Umgehen mit ihr- vor allem in der kritischen Periode nach der französischen Julirevolution - ausnimmt. Der Druck der Salzsteuer auf den Geldbeutel der Armen war in Preußen nicht geringer als im Großherzogtum. Doch wenn der badische Abgeordnete Rutschmann in seinem Kommissionsbericht vom 20. 8. 1831 seine Kammer auf die Sitzung der französischen Deputiertenkammer vom 12. jenes Monats hinwies, in der die Reduzierung der Salzsteuer als nächste Maßnahme zur Lastenerleichterung der unteren Klassen ins Auge gefaßt worden war412 , so zeigt sich, wie schnell in Baden die Impulse aufgefangen, weitergeleitet und mutig verarbeitet wurden, die von der benachbarten Vorreiter-Nation ausgingen. Von Impulsleitungen dieses Tempos war man in Preußen in jenen Jahren noch weit entfernt. Die Salzsteuerreduktion, in Preußen eine erst Ende 1842 eintreffende Wohltat auf Beschluß von. ,oben', war in Baden Ergebnis einer in Bevölkerung und ll. Kammer mit Leidenschaft geführten Grundsatzdiskussion um die Rechtmäßigkeil staatlichen Zugriffs auf ,Naturgeschenke' einerseits und die Beseitigung der Unlauterkeilen im Steuersystem andererseits.

409

410 411

412

sion).

C. J. Bergius, Zustände, S. 93. Daten nach F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 725. Wilhelm Häring, preußischer Schriftsteller (1798-1871). BAD LT KA 1831, Beil. 7, S. ll7/ Sitzg. v. 20. 8. 1831 (Bericht der Petitionskommis-

11. Behördeneifer und Steuermoral

265

11. Behördeneifer und Steuermoral: .Am Geldbeutel hört die Gemütlichkeit auf'413 "Der Mensch richtet sich lieber nach dem Beispiel als dem Gesetz." (F. v. Holtzendorff-Vietmannsdorf (1844))414

a) Reelle Steuerentrichtung-eineEhrensache? Der Abgeordnete der sächsischen Landgemeinden, Dorenberg, brachte auf dem preußischen Vereinigten Landtag zu Berlin, 1847, folgenden Antrag ein: ,,Ich bitte die hohe Versammlung, unterstützen Sie meine Bitte an Se. Majestät den König, ... es bei der jetzigen Klassensteuer zu belassen, aber darin mehr Zwischensätze in den Klassen zu statuiren und überhaupt noch höhere Klassen eintreten zu lassen, denn mancher Steuerpflichtige würde jetzt gern mehr geben; es ist aber keine Klasse mehr vorhanden. u41S

Dieses mit großem Gelächter der Abgeordneten quittierte brave Wort aus der Provinz hatte, vom Wunsch nach einer weiterhin bestehenden Klassensteuer abgesehen, weder im Landtag noch im Land eine echte Basis. Im Gegenteil, die vom preußischen Steuerexperten J. G. Hoffmann im frühen Vormärz beschworene ,Ehrensache' der angemessenen, reellen Steuerleistung bedeutete in der Praxis der Steuerentrichtung wohl eher ein wenig ehrenvolles Manipulieren sowohl der Staatsabgaben wie der kommunalen Beiträge. Es war schließlich Hoffmann selbst, der 1840 errechnete,416 daß in der Rheinprovinz pro Kopf 9 1/2% weniger an Klassensteuer entrichtet wurde als in den übrigen Provinzen Preußens und dies auf die vor allem im fortschrittlichen Rheinland ausgebildete ,bürgerliche Findigkeit' zurückführte, für die ja auch die vielen, nur im Rheinland gegebenen Klassifikationsstufen sprachen, die die Flucht in jeweils niedrigere Steuergruppen und -tarife ermöglichten. Durch die Erhöhung des Klassensteuermaximalsatzes 1821 von ehemals 48 Tlr. auf 144 Tlr. wurde die kapitalkräftige Schicht bedeutend stärker beigezogen. Doch, so schildert der sich zum Sozialismus bekennende Oberbürgermeister der Stadt Brandenburg, F. W. Ziegler: ,,Da die Kreisstände in Gemäßheit der KO vom 17. 1. 1830 bei der Veranlagung und Reclamation (mit den jeweiligen Kommunalbehörden und Landräten (§ 6a, R. S.) konkurrierten, und da in der aus ihnen zu bildenden Commission, wenn sie auch aus jedem Stande ein Mitglied in sich schloß, das Übergewicht der Mitglieder des ersten Standes sich 413 Ausspruch des rheinischen Abgeordneten David Hansemann im Vereinigten Landtag von 1847. 414 Ders., Gemeinden, Steuern, S. 43. 415 E. Bleich, Vereinigter Landtag III, S. 1619 (Hervorhebungen von mir, R. S.). 416 J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 184.

266

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

geltend machen mußte, weil die beiden anderen Stände auf eine sehr beschränkte passive Wahl angewiesen waren, so läßt sich ermessen, welche Überbürdungen einerseits und welche Verschonungen andererseits sich ein Menschenalter hindurch aufrecht erhalten haben müssen." 417

Die preußischen Provinzialstände wiederum sahen sich genötigt, Hochmut und Selbstgefälligkeit der königlichen Regierungen in der Provinz nach ,oben' zu melden: ,,Mit dem ehrfurchtsvoUsten Danke erkennen die Provinzialstände die so ... huldreich gewährte Theilnahme der Kreis-Stände bei der Veranlagung der Klassensteuer und bei Prüfung der darüber erhobenen Beschwerden. Sie sind aber auch der unmaßgeblichen Meinung, daß die Königlichen Regierungen, den unparteiischen Urtheilen der Männer, welche berufen sind, ihre Kenntnisse von den Verhältnissen der Einzelnen im Volke zum Besten der Gesamtheit anzuwenden, einen ehrenden Glauben nicht versagen dürfen . . .. daß bei Beschwerden über Prägravationen, wenn der Landrath, die kreisständische Kommission, und die Orts-Behörde diese Beschwerden begründet gefunden haben, die Königlichen Regierungen, im FaU sie einer entgegengesetzten Meinung waren, die Verpflichtung haben müßten, ihre Meinung mit durchgreifenden Gründen zu unterstützen .. ." 418

Ganz klar stellten sich Hoffmann die Gründe für das Mißverhältnis zwischen Bevölkerungswachstum und Klassensteuerertrag dar: ,,Die Fortschritte des Staats in der Gewerbsamkeit und in allen Anstalten für die Bequemlichkeit und Annehmlichkeit des Lebens widersprechen auf das Bestimmtestete der Deutung, daß diese Erscheinung (nämlich das besagte Mißverhältnis, R. S.) eine Folge abnehmender Fähigkeit Steuern zu tragen, also verminderten Wohlstands sei: dagegen zeugt die Richtung der innerhalb dieses Zeitraums erlassenen Gesetze und der Geist der Verwaltung von einer Nachgiebigkeit gegen die VorsteUungen der Steuerpflichtigen, welche zur Erklärung des langsameren Wachstbums der Klassensteuer vollkommen hinreicht."419

C. G. Kries, Nationalökonom aus Breslau, konstatiert 1844 auch ftir seine Stadt: ,,Das Streben der Contribuenten geht sehr natürlich dahin, sich der Steuer zu entziehen, oder doch eine Ermäßigung derselben für sich zu erlangen, und bis jetzt ist Gemeinsinn und wahre Bildung leider noch nicht verbreitet genug, um diesen Andrang zu ermäßigen. Vielmehr scheint es, daß die Bildung, welche ein Theil der Contribuenten erworben hat, vielfach nur dazu mißbraucht worden ist, um das Geschäft der Steuer-Behörde durch unaufhörliche, ebenso hartnäckige als unbegründete Reclamationen zu erschweren und dem Widerstande gegen dieselbe Kraft zu verleihen." 420

Kries räumt indessen ein, daß es an ,Veranlassung und Vorwand' seitens der Steuerbehörde Breslaus nicht gefehlt habe, um diesen Widerstand ,doppelt lebhaft' 417 F. W. Ziegler, Abgabenwesen, (1850), S. 53.- Die Kabinettsordre vom 17.1. 1830 war Ergebnis einer Reihe entsprechender Anfragen und Anträge verschiedener Landtage. 418 J. Rumpf, Provinzialstände X, S. 88 (Hervorhebungen von mir, R. S.) /4. preußischer Provinziallandtag (1831). 419 J. G. Hoffmann, Steuerlehre, S. 178. 420 C. G. Kries, Einkommensteuer, (1844), S. 32.

11. Behördeneifer und Steuermoral

267

zu machen. Ärger gab es in Breslau in den 40ern zudem mit einer speziellen Kontribuenten-Gruppe der städtischen Einkommensteuer, den ,Rentiers': " ... gegenwärtig (veranlaßt) die Besteuerung der Rentiers, welche meistens nur zeitweise hier leben, namentlich viel Streit und Umstände. Bei strenger Ausführung der Gesetze würde ein großer Theil derselben sich ohne Zweifel veranlaßt sehen, Breslau ganz zu verlassen, oder im Gasthofe zu wohnen, um so als Fremde von der Steuer frei zu bleiben. Man sucht diese Klippe jetzt dadurch zu umgehen, daß man solche Einwohner milder einschätzt. ... Andererseits scheint die Steuer den Contribuenten dieser Art, auch wenn sie fürstliche Einnahmen haben, häufig noch erheblich genug, um sie zum Gegenstand unaufhörlicher Reclamationen zu machen, weil sie meinen, die Vortheile, welche sie während ihres kurzen Aufenthaltes von dem Gemeindeverbande hätten, stünden in keinem Verhältnisse mit den Abgaben, die man von ihnen fordere. . .. Es würde wohl angemessen sein, gesetzlich ... festzustellen, welche Rücksicht auf Verhältnisse dieser Art genommen werden dürfe, damit dann Reclamationen von dieser Seite um so kräftiger nicht nur als gesetzlich unbegründet, sondern auch als unanständig, zurückgewiesen werden könnten."421

Die Zahl der Steuernden in der obersten Einkommensteuerklasse Breslaus fiel von 836 Steuereinheiten (1820) auf 556 (1842), nicht, wie Kries nachweist, wegen Verfall des Wohlstandes, sondern durch unzutreffende Einkommensangaben. 422 In der Rheinprovinz waren 1824 rund 6.500 Klassensteuerreklamationen geltend gemacht worden, ,deren Zahl bis 1828 nur wenig nachließ'.423 Ähnlich den Kriessehen Beobachtungen in Breslau, scheint sich das ,Heer von Reclamationen' 424 bei der preußischen Klassensteuer landesweit vor allem in ihren beiden oberen Hauptklassen eingestellt zu haben, wo die Unsicherheiten der Steuereinschätzung ungleich größer als in den unteren Klassen waren. Wie sollten und konnten die Einschätzungskommissionen, einzig auf das Merkmal der äußeren Lebensstellung der Steuerpflichtigen verwiesen, innerhalb der Streuung ,Wohlhabende' (I.- 3. Steuerklasse) gerechte Steuerverteilung betreiben? - Einsteuerung bei der Klassensteuer bedeutete den Versuch, ,.durch den Totaleindruck (des potentiellen Steuerträgers, R. S.) die Vermuthung eines Einkommens zu begründen".425 So bildete sich, wie Kries beobachtete, ,.ein Herkommen aus, wonach insbesondere für die Besteuerung der wohlhabenderen Einwohner immer mehr Rücksicht auf ihr Einkommen genommen wurde".426 Womit, so wurde in einem Einkommensteuerantrag des 1. preußischen Provinziallandtags gefragt, ist nur die Scheu zu begründen, die Vermögensverhältnisse der ,Kapitalisten' auszuforschen, wo doch Kontrollen, Visitationen und der421 422 423

424 425 426

C. G. Kries, Einkommensteuer, S. 75 (Hervorhebungen vom Autor). Ebd., S. 27 f. E. v. Beckerath, Klassensteuer, S. 17. E. Bleich, Vereinigter Landtag 111, S. 1623 (Abg. Krüger I Schlesien-Stadt). K. v. Sparre, Klassensteuer, S. 15. C. G. Kries, Klassensteuer, S. 283.

268

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

gleichen harte Maßregeln gegen die gewerbetreibende Klasse ,unentbehrlich' zu sein scheinen?427 Rücksicht wurde umso mehr genommen, als die Zweiteilung der preußischen Steuerverfassung zwischen Stadt und Land bei der Klassensteuer die unerfreuliche Folge hatte, daß sich Wohlhabende, um sich der Klassensteuer zu entziehen, für die gesetzlich vorgesehene Mindestzeit von sechs Monaten in einer mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Stadt aufhielten. Damit wurden klassensteuerpflichtigen Orten die zahlungsfahigsten Kontribuenten entzogen und die Kommunal- und Armenlasten fielen in verstärktem Maße auf die Schultern der Zurückbleibenden. W:!!rde gar in Orten die Klassensteuer kontingentiert, wie es in Rheinpreußen überwiegend der Fall war, so klafften in solchen Fällen böse Lücken. ,Die Verlegenheit der Individualkommissionen', ihr Kontingent unterzubringen, wenn ein Magnat, der eine hohe Klassensteuer zahle, plötzlich in die Stadt ziehe, sei ja nur zu bekannt, schrieb der Wetzlarer Landrat v. Sparre.428 Fragwürdig an der Steuerverfassung war ja andererseits, daß die aus sozialpolitischen Gründen Eximierten der preußischen Klassensteuer, die unter Sechzehnjährigen und über Sechzigjährigen, wohnten sie in entsprechenden Städten, durchaus vom städtischen Surrogat der K.lassensteuer, der Mahl- und Schlachtsteuer, getroffen wurden. - War es Gerechtigkeit, daß der zufällige Wohnort einen Steuernachteil begründete? Um vermögenden Gemeindegliedern nur ja keinen Anlaß zum Ortswechsel zu geben, waren auch die Behörden der mahl- und schlachtsteuernden Städte bestrebt, Sonderwünsche und-interessendieser Bürger zu berücksichtigen, " ...weil die Vermögenden sich . .. umso leichter entschließen würden, ihren Aufenthaltsort zu verändern, je gewöhnlicher doch die Vorstellung ist, daß sie durch die Wahl ihres Aufenthalts vielmehr eine Wohlthat erweisen, als sie solche durch die Dienste und Anstalten, welche ihnen den Genuß ihres Reichthums allein möglich machen, empfangen."429

Kries beklagt ferner für Breslau, daß sich viele Schutzverwandte unter dem Vorwand, in der Stadt nur ein Absteigequartier zu haben, und somit als steuerfreie Fremde zu gelten, jahrelang den kommunalen Abgaben entzogen hätten; Subalternbeamte, denen die Steuerimmunität der wirklichen Beamten nicht zustand, hätten der Stadt keine Einkommensteuer gezahlt und seien dennoch unbehelligt geblieben, kurz, "viele Stände und Personen entgingen so der Steuer, zu welcher sie gesetzlich verpflichtet waren." 430 Rumpf, Provinzialstände I, S. 149. K. v. Sparre, Klassensteuer, S. 34. 429 C. G. Kries, Klassensteuer, S. 293 (Hervorhebungen von mir, R. S.). 430 Ders., Einkommensteuer, S. 39f. - 1842 zwang Breslaus ungünstige Finanzlage die Steuerbehörde und den Magistrat, die bestehenden Besteuerungsbestimmungen "nicht nur zu beraten und zu ergänzen, wo sie mangelhaft schienen, sondern auch wirklich mit Energie in Anwendung zu bringen". (Ebd., S. 40.) 427 428

11. Behördeneifer und Steuermoral

269

Daß städtische Behörden wenig durchgreifend verfuhren, lag nicht nur an der vielerorts praktizierten Samtpfötchenpolitik gegenüber den Wohlhabenden, sondern wohl zu gleichem Teil an mangelnder Sachkenntnis, fehlenden griffigen Besteuerungsanleitungen, an ungeübtem Personal wie überhaupt an Personalmangel, nun da die kommunale Selbstverwaltung verordnet worden war und der Staat seine Steuerbeamten aus den Städten abgezogen hatte. Akkurate und geschickte Haushaltsführung gestaltete sich nicht nur in kleineren Städten schwierig, wo die Ressourcen schreib- und rechengewandter Bürger für kommunale Ämter und Aufgaben bekanntlich bescheiden waren, auch eine Handelsstadt wie Breslau benötigte staatliche Hilfe bei der Ordnung ihres Rechnungswesens.431 Aufschlußreich ist die Anweisung des preußischen Innenministers Dohna von 1809, von Innenminister Schuckmann 1823 wiederholt und 1832 bestätigt, daß sich die Provinzialregierungen an das Privatvermögen derjenigen Stadtverordneten zu halten hätten, deren Versammlung der Aufgabe nicht nachkomme, ihren Kommunalhaushalt durch Steuerumlagen aufrecht zu halten.432 Aber kehren wir zur ländlichen Personalsteuer, der Klassensteuer, zurück, die die große Masse der preußischen Bevölkerung zu zahlen hatte. Gab bei den Wohlhabenden immer wieder deren Zahlungsunwilligkeil Anlaß zu Klage, so bei den Unbemittelten die Kombination von Zahlungsunwilligkeil und -unfähigkeit. Kries schrieb 1848: " ...(der gemeine Mann) ist ... leider zur Zeit noch zu sehr gewohnt, die von ihm entrichtete Abgabe nicht sowohl als den wohlfeilen Preis für die ihm unentbehrlichen Segnungen des Staatsverbandes anzusehen, sondern vielmehr als ein ihm abgenötigtes Opfer seines mühsamen Erwerbs zu Gunsten ihm fremder, wo nicht gar feindlicher Personen und Zwecke." 433

Die königlich-preußische Regierung zuMindenließ im September 1839, rechtzeitig, bevor sich zu Michaelis landauf Jandab Entlassungen und Neueinsteilungen von Gesinde und Handwerkern vollzogen, die Ortsbehörden durch die Landräte in die Pflicht nehmen, "Personen, welche die Gemeinde(n) verlassen woll(t)en, namentlich auch Dienstboten und Handwerksgesellen, nicht eher mit Legitimationspapieren (Pässen) zu versehen, als bis sie durch ihre Quittungsbücher die Berichtigung der fällig gewordenen Steuern nachgewiesen (hätten)". 434 Es war im übrigen nicht ungewöhnlich, daß sich die Häuser der Steuereinnehmer mit gepfändeten Objekten, die allerdings nicht losgeschlagen werden konnten, füllten, "daß daher das gepfändete Individuum ruiniert, dennoch Schuldner bleibt, und der Staat nicht immer befriedigt ist".435 431 432 433 434 435

Vgl. R. Koselleck, Preußen, S. 566. Ebd., S. 569. C. G. Kries, Klassensteuer, S. 298. (Hervorhebungen im Originaltext.). StäA Bietefeld ÄA 1549. R. Koselleck, Preußen, S. 536.

270

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

b) Steuererhebung und Steuerpersonal

Mußte nicht, wie Kries fonnulierte, dem gemeinen Mann das Heer von Steuerboten, das in Preußen allmonatlich, das heißt, dreimal so oft wie in Baden, das Land nach den Steuergroschen, und wenn nicht nach diesen, so doch wenigstens nach den Mahngebühren, durchkämmte, eher feindlich als freundlich vorgekommen sein? Sahen die Behörden das ,'kluge Zertheilen einer Jahresverbindlichkeit in 12 kleine Theile' als , werthvolle Eigenthümlichkeit' der Klassensteuer, so hielten ihre Kritiker dagegen, daß es das Gefühl unaufhörlich wundreibe, wenn alle Monate die ,widrige Empfindung' durch den Steuerboten geweckt werde und stets drohende Maßregeln im Anzuge seien.436 Rund 8.700 Personen umfaßte das gesamte Steuerpersonal der preußischen Monarchie in den 40em.437 In den weitläufigen agrarischen Provinzen des Ostens waren die Steuerboten zahlreicher vertreten als im Westen. Unbesoldet, auf die kleinen Zuschläge zu den Steuern und auf die Mahngebühren angewiesen, was zumeist nicht mal einen Tagelöhnerverdienst ausmachte, gehörten diese Männer und ihre Familien selbst zu den Armen im Lande.438 Wohlhabende Steuerpflichtige, die die Möglichkeit nutzten, an den Kreiskassen ihre Steuerverbindlichkeiten selbst, gar für einen längeren Zeitraum im voraus, zu erledigen, vermieden die Berührung mit den heruntergekommenen Steuerboten. Im Großherzogtum lagen die Dinge ähnlich: Die lokalen Steuererheber, das badische Äquivalent der preußischen Steuerboten, die in allen ,minder wichtigen Orten.' die direkten Steuern kassierten oder anmahnten, waren unbedingt darauf angewiesen, neben ihrem Hebedienst einen Zweiterwerb zu haben. Jederzeit waren sie entlaßbar und hatten keinerlei Anspruch auf ein Grundgehalt oder gar Ruhebezüge. Nur mittelbar hatten diese Männer mit dem Beamtenapparat, dem sie peripher angefügt waren, zu tun, indem sie den Untererhebern der Steuerverwaltungen die eingeholten Beträge ablieferten und ihre Hebekreuzer empfingen. Die Untererbeher oder Akzisoren, der leitenden Mittelbehörde als ,untere' oder ,subalterne Diener' unterstellt (wenn sie überhaupt Vollzeitkräfte waren), das heißt, ohne echten Beamtenstatus, lieferten die Steuererträge bei ihrer Bezirkskasse ab~ wo sie auch das bescheidene Gehalt ausbezahlt bekamen. Der Staat behielt es sich vor, in Fällen von Krankheit oder besonderer Bedürftigkeit widerrufbare Unterstützung zu geben oder auch ausnahmsweise Ruhegelder zu zahlen, wenn es unverschuldet zu verfrühter Arbeitsunfähigkeit kam, vorausgesetzt, ,der Diener (hatte) mindestens zehn volle Jahre tadellos in Civildiensten gestanden oder bei kürzerer Dienstzeit erwiesenermaßen ausgezeichneten Eifer in Erfüllung der Dienstpflicht gezeigt' .439 K. v. Sparre, Klassensteuer, S. 20. Zeitschrift des Vereins für deutsche Statistik, l. Jahrgang 1847, S. 1056. 438 Vgl. R. Koselleck, Preußen, S. 537. 439 Vgl. F. A. Regenauer, Staatshaushalt, §§ 77, 78, 281, 302. - Über die Gehälter der subalternen Diener schweigt sich Regenauer aus (,Die unteren Diener haben keine Diener436 437

11. Behördeneifer und Steuermoral

271

Wie in Preußen, so wurden auch in Baden für diese untersten Dienste vorzugsweise ehemalige Soldaten, Gendarmen und Grenzaufseher eingestellt,440 unter deren Barschheit und Kleinlichkeit nach unten, jedoch ,grimassierender Kriecherei' nach oben die Landbevölkerung seufzte und der Adel sich empörte. 441 ,Vom entschiedensten Nutzen' waren dem badischen Staat nach den Worten F. A. Regenauers, der selbst jahrzehntelang dem Staatsfinanzdienst angehört hatte, die Steueraufseher, die, den Obereinnehmereien (Bezirkssteuerämtem) unterstellt; das indirekte Steuerwesen im besonderen und die ihnen verantwortlichen Akzisoren überwachten. Auf den in der Bevölkerung empfindlich registrierten Druck, den speziell die Kontrolle des indirekten Steuerwesens ausübte, wird noch zurückzukommen sein. Regenauer, die ,nie versagende Regierungsstütze' (Saling), lobt rückblickend den ,sehr geregelten Gang des Steuereinzugs' und die verhältnismäßig geringen unbeitreiblichen Rückstände an direkten Steuern. Nach der umfassenden Steuerreform war mit der Steuerexekutionsordnung vom 8. 7. 1817 das ,Hauptgebrechen' des früheren Schatzungswesens kuriert worden, daß es nämlich an einer griffigen Beitreibungsordnung gefehlt hatte, wodurch Rückstände über Rückstände erwuchsen, die schließlich verloren gingen.442 Erfolgte nun eine Steuerzahlung nicht zum angesetzten Termin, so erging noch im Laufe desselben Monats eine Mahnung an den Säumigen. Blieb diese erfolglos, setzte nach Ablauf des Monats Pfändung und das weitere Vollstreckungsverfahren ein. Im Falle der preußischen Klassensteuer konnte behördlicherseits bereits nach drei Tagen Säumnisfrist mit Pfändung vorgegangen werden.

c) Ärger über amtliche Vorschriften und Kontrollen

Kehrseite der ehemals mangelhaften altbadischen Vorschriften und Vollzugsverordnungen für die Steuererhebungspraxis und das Steuerwesen überhaupt war die neuerliche, als schwerer Mißstand empfundene Flut der Gesetze und Verordnungen. Beginnend mit den vormärzliehen Organisationsedikten war diese Flut ab 1810 sehr wesentlich durch die zahlreichen Steuerverordnungen ausgemacht worden. Eine Adelseingabe von 1817 zu diesem Thema lautet: 443 Pragmatik. '). - Zum Vergleich: Ruhegehälter von Soldaten lagen je nach Länge der Dienstzeit zwischen 33-90 fl. p.a., die der Unteroffiziere zwischen 93-264 fl. (Reg.Bl. XXVIII (1837). 440 ,,Für die untergeordneten niedem Dienste ist den Soldaten, welche mindestens sechs Jahre brav gedient haben, für die besseren Dienste den Unteroffizieren ... so wie den Gendarmen und Grenzaufsehern .. . ein vorzugsweiser Anspruch eingeräumt." (F. A. Regenauer, Staatshaushalt, S. 102.). 441 Vgl. H. Meerwarth, Öffentliche Meinung, S. 89f. 442 Exekutionsordnung: Reg.Bl. XXV (1817). 443 Zit. bei H. Meerwarth, Öffentliche Meinung, S. 51 .

272

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

"Schon jetzt ist die Zoll- und Aceisoordnung so beleibt, als das ganze bürgerliche Gesetzbuch; sich solche bei den unübersehbaren vielen sonstigen Verordnungen, womit seit 5 Jahren dieses Land heimgesucht wird, einzuprägen, kann einen Gelehrten Jahre lang beschäftigen. Wie soll der Bauer, der sie aus den successiven Anzeigeblättern, die nicht einmal richtig verkündet werden, sammeln und studieren muß, und oft nicht einmal lesen kann, sich derselben gemäß achten?"

Auf die neuen Steuern des Sommers 1815 reagierten Grundherren des damals noch so benannten Main-Tauberkreises mit passivem Widerstand durch Zahlungsverweigerung. Die Regierung antwortete mit verschärften Maßnahmen. Daraufhin ging Anfang Oktober d.J. eine grundherrliche Bittschrift an das Finanzministerium ab, in der sich die Betroffenen über die Höhe der Steuer, dann auch über die Entziehung ihrer Hoheitsrechte beklagten und schließlich baten, die Steuerperäquation möge vorläufig eingestellt werden. Die Antwort des Finanzministeriums kam sehr prompt: ,,Die Bitte, bis zur Prüfung der Beschwerden die Steuerperäquation auszusetzen, ist als anmaßend von der Hand zu weisen."444 Doch die massive, ungewohnt öffentliche Kritik von Adligen, Ritterschaft, Bauern und Bürgern am neuen Steuersystem speiste sich 1815 nicht einzig aus der durch Zuschläge erhöhten Steuerbelastung und den fiskalischen Problemen, die die übereilte Einführung verursacht hatte. Hinter den Beschwerden standen unterschiedliche, auch nicht-steuerliche Motive, unter anderem ein allgemeiner Groll gegen die Beamtenschaft, der sich in eine Fülle von Klagen über einzelne Staatsdiener aufspalten ließe, und ein wachsendes Unbehagen über die Fragwürdigkeiten der öffentlichen Finanzwirtschaft.445 Zum Sprachrohr nicht nur des eigenen Standes sondern aller Untertanen machte sich im November 1815 der unterländische, das heißt, nordbadische Adel mit einer Eingabe, in der in scharfer Sprache neben anderem auch der Druck, den die bestgehaßten Staatsdiener, die Akzisewächter, die das indirekte Steuerwesen, die Verbrauchsbesteuerung und auch den Zoll, kontrollierten, beschrieben wurde: ,,Zum lehrenden Beispiele für die Verschlechterung des Untertans dienen die bestellten Aufseher unter dem Namen Zollgarden, die der Verworfenheit der französischen in Nichts nachgeben, vielleicht wie alle Nachbildungen ihre Originalien noch im Schlechten übertreffen. Ohne das tiefste Schmerzgefühl ist es kaum mehr anzusehen, wie der arme Untertan belauert, zu Defraudationen induziert, und durch ein förmliches Spionagesystem die öffentliche Zutraulichkeit zernichtet, der gesellschaftliche Geist durch Abgeschlossenheit und Mißtrauen verpestet wird - das allgemeine Jammergeschrei vereinigt sich dahin, das Land von dem drückenden Zoll- und Accis-System und von jenen Aufsehern zu reinigen, die in den Familien noch dadurch verhaßter werden, daß sie in jeder Minute des Tages und Zit. bei H. Meerwarth, Öffentliche Meinung, S. 99. In Sorge über mögliche Verknüpfung der Steuerauseinandersetzungen mit Verfassungsforderungen hob Großherzog Kar! mit Edikt vom 31. 10. 1815 die im April d.J. festgesetzten diskreditierenden Aufschläge bei den direkten Steuern auf, was in der Tat drastische Steuerreduktionen bedeutete. - Zu den Beschwerden und Adressen an den Großherzog siehe: GLA 48/6071-6073, zum Steuerausfall: GLA 60/797 (Protokoll der Staatsratsitzung vom 7. 12. 1815). 444

44S

11. Behördeneifer und Steuermoral

273

der Nacht wie Freischöffen die geheimsten Gemächer der Wohnstätten öffnen, und nicht selten der Unsittlichkeit einen privilegierten Eingang gestatten müssen. " 446

Anderthalb Jahrzehnte später hatte sich an den so angeprangerten Verhältnissen nichts geändert. ,,Mehr als die Abgabensummen drückt den Unterthan die Last der Controlmassnahmen",447 wurde dem Kreisdirektor v. Berg 1830 aus seinem MainTauberkreis gemeldet, und Berichterstatter Winter I Heidelberg von der Petitionskommission trug seiner li. Kammer vor, daß "alle Stimmen im Volk sich vereinigen in einer und derselben Verwünschung der Erhebungs- und Beaufsichtigungsweise" der Bier-, Wein- und Fleischakzisen; als "eine unerträgliche Bewachung des Gewerbes und der gewerbetreibenden Bürger, eine gierige Belauerung des Gewerbefleisses, welche bis zur empörenden Nichtachtung des Hausrechts und der häuslichen Freiheit getrieben" werde, empfinde der Bürger diese Methoden.448 Tatsächlich waren Aufsichtspersonal und speziell beauftragte Personen laut Akzisenvollzugsverordnung befugt, zu jeder Stunde bei Tag und Nacht nicht nur in die gewerblichen Räume, sondern auch Wohn- und Schlafzimmer der Akzisepflichtigen vorzudringen, so daß diese sich als ,Leibeigene der Steuerkasse' fühlten und der Berichterstatter von einer ,Gewerbs-Leibeigenschaft' sprach, um deren Auflösung der Großherzog zu bitten sei.449 Erbitterung brachte auch der Verdacht, daß gesetzliche Befugnisse zum Ausspähen von Geschäftsgeheimnissen mißbraucht wurden. Den zahllosen Petitionen von Wirten, Metzgern und Bierbrauern auf Umwandlung der Getränke- und Fleischakzisen in fixe Steuersummen lag immer auch der Wunsch nach persönlicher Freiheit von den Schikanen der Akzisewächter zugrunde. Den Preußen erging es mit der Beaufsichtigung der indirekten Steuer, des Zollwesens und Außenhandels nicht anders. Die Kaufmannschaften mehrerer östlicher Städte, besonders Königsbergs und Danzigs, beschwerten sich anläßlich des 2. preußischen Provinzialandtags (1827) über die königlichen Steuerdirektoren und das Verfahren der Steuererhebung und Gesetzesanwendung, das sich seit Abtrennung der Steuerbehörden von den Regierungen entwickelt hatte. Sie glaubten sich so berechtigt als verpflichtet, "in kräftigen Zügen die Unverträglichkeit der Formen des bestehenden Steuersystems mit dem nicht zu gebietenden Verhältnisse des Seehandels darstellen zu müssen". So sprachen sie ihre Überzeugung aus, "daß es nothwendig und unerläßlich sei, die drückenden Formen zu entfesseln, die bei Erhebung der Zölle und Steuern den Handel selbst belasten, den inländischen Kaufmann verzagt machen, ihn der Willkühr der Zoll-Offleianten Preis geben, ... den fremden Kaufmann zurückscheuchen .. ." 450 446 447 448 449

Zit. bei H. Meerwarth, Öffentliche Meinung, S. 50. GLA 236/8165. BAD LT KA 1831, Beil. 8, S. 75/Sitzung vorn 13. 9. 1831. BAD LT KA 1831, Beil. 8, S. 76, 96.

18 Siegert

274

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Der ,Umweg durch Mühle, Back- und Schlachthaus', den die indirekte Mahlund Schlachtsteuer machen mußte, bis sie zum eigentlichen Steuerträger, dem Konsumenten kam, wurde von den ,Malcontenten' , den Kritikern dieser Abgabe, als zu weit eingeschätzt, um der Regierung und den Pflichtigen Nutzen zu gewähren. Auf diesem Wege gehe so viel verloren an Geld, Geldeswert und an Moralität, daß der Rest wohl oft die Frage zulasse, ob er selbst so viel wert sei? Die Staatsregierung beschäftige die drei Gewerbe der Müller, Bäcker und Fleischer als ihre Einkassierer, ohne sie jedoch wie die Staatsbeamten in Eid und Pflicht zu nehmen, und damit sei die ganze ,Wucht des Eigennutzes und des Bereicherungstriebes losgelassen' bald gegen die beauftragende Seite, die Staatskasse, bald gegen die andere, das Publikum, das sein Futter nur von der Raufe der Müller, Bäcker und Metzger ziehen könne.451 Wie K. v. Sparre aus seiner jahrzehntelangen Tätigkeit als Landrat mitteilt, war die besonders lohnende Defraudation beim Weizenmehl so groß, daß ganze Vorstädte und selbst einzelne Bäcker im Innern der mahl- und schlachtsteuernden Städte, obgleich sie das ganze Jahr hindurch backten, kein Weizenmehl versteuerten! 452 Sparre schildert aus der ,großen Menge' von Defraudationshergängen, um die er wußte, einen Fall mit beispielhafter Anteilnahme der Bevölkerung: ,,Ein gewöhnliches Manövre war die Verbergung (des Defraudanten, R. S.) im Wasser, ohne Rücksicht auf die Jahreszeit. In 1830 wird der Bäcker M. von dem Aufseher R. verfolgt. Jener wirft den Sack Mehl ab und eilt dem Wasser zu. Als er im Begriff ist, hineinzuspringen, schießt ihn R. - todt. Das gab nun eine Art Revolte im Ort. Alle Leidenschaften, welche die Furcht seit Jahren gefesselt hielt, waren losgelassen und ein lang verhaltener Ingrimm machte sich unter diesem Vorwande Luft. Der R. wäre auf dem Wege zum Gefängnis zerrissen worden, hätten die Gendarmen ihn nicht mit ihren Leibern gedeckt und die Behörden das Volk besänftigt. Auch die übrigen Steuer-Officianten durften sich kaum sehen lassen. Die nächsten Folgen waren, daß der Schmuggel nun frecher getrieben ward, als jemals und daß sich eine solche Zaghaftigkeit aller Steueraufseher bemächtigt hatte, daß der Ertrag der Steuer immer geringer ward, . .." 4S3

Haussuchungen, auch bei Nachtzeit, waren Alltagserscheinungen in Preußen. Bigeleben, erster Steuerdirektor der 1823 eingerichteten westfälischen Steuerdirektion, ließ 1824 ein Rundschreiben an sämtliche Hauptzollämter gehen, die, wie in Baden, auch ftir das indirekte Steuerwesen zuständig waren, in dem er die Beamten ermahnte, zur Vermeidung von Bränden bei nächtlichen Haussuchungen unter Dächern und in Ställen nur geschlossene Laternen zu benutzen! 454 Ein Bericht des

4S3

J. Rumpf, Provinzialstände V, S. 126f. K. v. Sparre, Klassensteuer, S. 25. Ebd., s. 28. Ebd.

4S4

StA Münster B 153/Nr. 44.

4SO 4SI 4S2

11. Behördeneifer und Steuermoral

275

Dortmunder Hauptzollamtes veranlaßte im selben Jahr die Steuerdirektion, bei den übrigen Hauptzollämtern des amsbergischen Regierungsbezirks nachzuforschen, ob Bürgermeister und Ortsvorsteher dem Ansuchen der Steuerbeamten zur ,Beiwohnung der Hausvisitationen willige Folge' leisteten oder sich, wie im Dortmunder Bezirk vorgekommen, verweigerten.455 - War es ein Zuviel der dienstlichen Gänge und/ oder deren peinlich-inquisitorische Natur? Die Gründe solcher Verweigerungen lassen sich nicht mehr feststellen. F. v. Holtzendorff-Vietmannsdorf schrieb nieder: ,,Der Trieb, auf den angewiesenen Posten Aufmerksamkeit zu verwenden, sich durch dieselbe die Zufriedenheit seiner Oberen, vielleicht auch Belohnungen und Auszeichnungen (was auch höhere Beamte ... begehren) zu erwerben, lassen den sonst verständigsten Beamten Functionen verrichten, wodurch die Ehre des guten Bürgers gekränkt, wo dieser entfremdet wird der Humanität und der Würde der Regierung. Die Acten der Steuerprozesse ergeben dies zur Genüge. " 456

d) Rechtswidrigkeiten auf beiden Seiten Nun dürfen wir nicht einfach die zahllosen Täuschungsversuche der badischen wie preußischen Landeskinder unter den Teppich kehren, die dem behördlichen Prüfen und Drangsalieren stets neue Legitimation lieferten. Doch sollte andererseits festgehalten werden, daß das Motiv des Schmuggelns und Täuschens durchaus nicht immer bürgerliches Gewinnstreben war, sondern vielfach, wie eben vor allem bei der preußischen Mahl- und Schlachtsteuer, Zeichen des Überlebenskampfes großer armer Bevölkerungsteile. Die Steuerkommission des preußischen Staatsrates, die sich 1817 im Zusammenhang der Bülowschen Steuerreform intensiv auch mit der Frage der Abgabenkontrolle befaßte, stellte fest, daß der Begriff der Unrechtmäßigkeit eines Akzisevergehens in den Augen des ,großen Haufens' in Preußen größtenteils untergegangen sei, weil die unübersehbare Masse der Vorschriften die Untertanen überfordert habe, bei der Regierung diese Auswirkungen solcher Überforderung wiederum ein Mißtrauen in das allgemeine Rechtsdenken nähre. Die Kommission forderte daher: ,,Die Hauptkontrolle für seine Abgaben muß der Staat in der Mäßigkeit der Abgaben, der Einfachheit der Hebungsweise, und in der Rechtlichkeit seiner Untertanen suchen."457

m Ebd. - Möglicherweise waren die Verweigerungen im Raum Dortmund Einzelfälle; eine abschließende Aktennotiz vermerkt: "überall willfährig". 456 Ders., Gemeinden, Steuern, S. 57. 457 Abgedr. bei C. Dieterici, Steuerreform, S. 126.- Als flankierende praktische Maßnahme zur gefragten Transparenz eines neuen Abgabensystems forderte die Kommission die wirksamere Organisation der Grenzbesetzung, betonte jedoch auch: ,,Es wird immer das Vertrauen des Volkes zu der öffentlichen Verwaltung wachsen, jemehr dasselbe aus ihren Anordnungen wahrnimmt, daß sie Vertrauen zu ihm habe." (Ebd.). 18•

276

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

Nicht in Methode oder System, sondern praktisch-menschlich begründet sah der Vorsteher der Armenkommission in Berlin 1847 die Versuche zur Steuerumgehung: " ...es ist nicht im mindesten in Abrede zu stellen, daß der Reiz des Gewinnes auf manche Klassen der Bevölkerung verführerisch wirke und eine Demoralisation befördere." 458

Der Steuerumgehung seitens der Kontribuenten stand die ungesetzliche Steuereinforderung der Behörden gegenüber. Obschon verantwortlich für die vorschriftsmäßige Klassenbesteuerung, handelten preußische Provinzialregierungen durchaus nicht immer gesetzestreu an ihren Steuerpflichtigen, sondern orientierten sich, wenn für nötig erachtet, am Steuersoll, das das Finanzministerium in Berlin gesetzt hatte, das seinerseits auch in Zeiten schwierigen Steuereingangs auf die hochgerechneten Steuersummen drang: Im Bericht des westfälischen Landratsamtes Beckum vom 3. 3. 1848 heißt es, daß der Kreis wegen seiner Klassensteuerleistungen von 1841 bis 1846 ausdrücklich gelobt worden sei, sich 1847 jedoch ,verletzenden Tadel ' und Neuveranlagung der erhöhten Steuern habe gefallen lassen müssen, zur großen Verunsicherung der Steuerzahler. Die Klassensteuer betrage im Kreis Beckum mithin pro Kopf 19 Sgr. 3 Pf., im übrigen Preußen nur 16 Sgr. 5 Pf. und im benachbarten Rheinland gar noch weniger. Die Steuerpflichtigen seien um eine Stufe zu hoch im Vergleich mit der Provinz Westfalen belastet und dies, obgleich der Kreis von ,allen Kapitalien leer' sei. Die Regierung Münster lehnte eine Korrektur der Klassensteuereinforderungen ab, da die Zeit (1848!) ,ungeeignet' sei; man solle dem König und Vaterland bereitwillig und ohne Zögern die Opfer bringen, die derzeit erforderlich seien.459 Wie bedrückend gerade in Zeiten schwierigster Ernährungslage die monatlich bzw. bei Steuermahnverfahren noch häufiger erscheinenden Steuerboten empfunden wurden, geht aus dem Brief eines 1846 nach Amerika ausgewanderten Westfalen hervor, der frohlockte: "So sieht man das ganze Jahr keine Steuerdiener, die man (in Preußen) fast alle Tage vor der Tür hatte . . .".460

Hatten sich Beschwerden oder Adressen in Baden in den ersten Jahren nach der Gründung des Großherzogtums an den Souverän oder die Regierungsmitglieder richten müssen, so liefen sie nach Einrichtung der Landstände vorwiegend bei der ll. Kammer ein. Besonders der Landtag von 1831 in der wieder freiheitlicheren Periode der 30er Jahre hatte über eine Vielzahl teils berechtigter, teils unberechtigter Klagen über ,amtliche Vexationen', über ,Ausübung einer Despotengewalt wie m S. G. Liedke, Schlacht- und Mahlsteuer, S. 24. 459 460

StA MUnster B 684/0berpräsidium. Zit. bei W. Schulte, Westfalen, S. 524, Fußnote 47.

11. Behördeneifer und Steuermoral

277

sie nur in der Türkei zu Hause sey und in einem constitutionellen Staate nicht zu finden seyn solle' zu befinden.461 Als ,ganz irrig' tat der Petitionsausschuß der Kammer dieses Landtags ein Gesuch der Schwarzwaldgemeinde Todtmoos ab, die ihrem Ärger über das Steuerpersonal auf solche Weise Luft machte, daß sie die Kammer ganz einfach um ,Abschaffung der Steuerperäquatoren, Verminderung der Gehalte der Steuereinnehmer und Akzisoren' bat.462 Weniger irrig, sondern Zeugnis tatsächlichen despotischen Vorgehens war der Bittbrief der Gemeinde Neufreistett um Streichung der Mehrauflage zur Gewerbesteuer, die ihr 1829 seitens der von der Steuerdirektion im Land umhergeschickten Kommission ungesetzlich auferlegt worden war. Der Abgeordnete Dörr, vor der Kammer die Situation erläuternd: ,,Die Comrnission kam nämlich im Amtsorte an, hat ihren Ober-Einnehmer mitgebracht, den Beamten holen lassen, das Steuer-Cataster vor sich genommen und dann die Steuerpflichtigen mit so und so viel Betriebs-Capital angesetzt, ohne im mindesten hierüber ein Gesetz zu haben. Als dieser Akt vorbei war, wurden die Steuerpflichtigen vorgefordert, um den Ansatz gesetzlich anzuerkennen und die Sache zu unterzeichnen. Diese weigerten sich aber, und es wurde ihnen gedroht mit Verlust des Rekurses; einige ließen sich dadurch einschüchtern, andere wollten aber dennoch nicht unterschreiben. Nun wurde die Steuerdeputation vorgefordert, aber auch diese weigerte sich, dieses Verfahren zu unterzeichnen. Die Summen wurden nun angesetzt und es erfolgten Reklamationen in Menge, worunter auch die dieser Gemeinde sich befindetich will Ihnen nun überlassen zu beurteilen, ob dieses Verfahren geeignet sei, die Liebe und Achtung gegen die Regierungsbehörden zu erhalten und zu festigen, was so sehr Noth thut. Ich könnte meine Zustimmung nicht dazu geben und nur wünschen, daß diese Sache dem Staats-Ministerium empfohlen wird, damit ein solches Verfahren nie wiederkehrt, weil es keineswegs den besten Eindruck macht."463

Offensichtlich war dieses Vorgehen der Steuerkommission kein Einzelfall geblieben. Der Abgeordnete Volcker ergänzte: ,,Es gibt noch sehr viele Gegenden des Landes, die auf gleiche Weise behandelt worden sind .. . Das Finanz-Ministerium gibt sich übrigens keine Mühe, die Sache schnell zu erledigen. Ich weiß Gegenstände, die 1 1/2 Jahre vorlagen und nicht erledigt worden sind. Und doch sind jene Leute, deren Steuer erhöht worden ist, im Exekutionswege dahin gebracht worden, daß sie bezahlen mußten, ja man ist sogar bis zum Auspfänden geschritten."464

Der Abgeordnete v. Itzstein konstatierte im Beisein des Finanzministers und der Regierungskommissare des Innern den Eingang von Petitionen wegen einer im Altbadischen seit 1823 erhobenen Steuer von 2 kr. pro 100 fl. Steuerkapital, die in manchen Gemeinden durch besondere Erheber, in anderen durch Gemeindeerbeber 461 462 463 464

BAD LT KA 1831, H. 26, S. 116/ Sitzung vom 13. 10. 1831. BAD LT KA 1831, H. 24, S. 372f./Sitzung vom 27. 9. 1831. BAD LTKA 1831, H. 3,S.40f./Sitzungvom 16. 4. 1831. Ebd., S. 41.

278

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

eingeholt werde. Diese Umlage sei nie durch die Stände bewilligt worden, auch wüßten die Gemeinden nicht, welchem Zweck die Erhebung diene. Manche Gemeinden hätten zu dieser Steuer mehr beigetragen als sie schuldig waren und würden dennoch weiterhin zu Beiträgen angehalten. - Der Finanzminister konnte sich diese Umlage nur als Deckungsmaßnahme für Kontributionslasten aus altbadischer Zeit erklären und versprach zügige Aufklärung.465 Unterstrichen wurde die Bedeutung all der Steuerpetitionen, die 1831 der Kammer vorlagen, durch die anonyme Druckschrift "Wünsche des Badischen Volkes, den Landständen zur Beherzigung", die auf Ausgabenminderung, Sparsamkeit im Staatshaushalt und Gleichmäßigkeit im Tragen der Lasten drang. Rechtzeitig zur Eröffnung des Landtags herausgekommen, von einer Reihe von Ämtern sogleich als revolutionär erklärt und im Buchhandel teils beschlagnahmt, machte die Schrift von sich reden und sorgte auch im Landtag für Aufmerksamkeit. 466

e) Unstimmigkeiten bei der Katastererstellung

Behördenwillkür bei der Grundsteuerkatastrierung ihrer Provinz forderte immer wieder die Beschwerden der westfalischen Stände an die Berliner Regierung heraus: Die Mitglieder der Bezirks- und Provinzialkommissionen - so der Vorwurf des 2. westfälischen Landtags - hätten ihre Aufgabe, dem Kataster mehr Zuverlässigkeit und der öffentlichen Meinung größere Beruhigung zu geben, gar nicht erfüllen können, weil sie von den Orts- und Sachverhältnissen nicht gehörig und im voraus unterrichtet worden seien; daher seien alle Ausgleichungen nach den Ansichten der Katasterbehörde vorgenommen worden, die sich allein im Besitz der nötigen Materialien befunden habe. Bei den Bezirkskommissionen hätten die Anträge allein von den Katasterbehörden ausgehen dürfen, und die Resultate der Prüfungskommission hätten als unumstößlich angenommen werden müssen.467 Selten, so faßte der 5. westfalische Landtag zusammen, habe die obere Katasterbehörde die von den Taxatoren ermittelten Reinerträge angenommen, sondern selbige nach Gutdünken auf den Büros erhöhen lassen, so daß beim Vergleich der Reinerträge mit den Pacht- und Kaufpreisen die Reinerträge jene um 25-30% überstiegen hätten; selbst die bereits unter französischer Verwaltung katastrierten Gemeinden seien ,ohne Weiteres' in den Reinerträgen um 25-33% höher gestellt worden.468 Auch im Großherzogtum lieferte die Art und Weise der Grundkatastererstellung noch Jahre später Anlaß zu heftiger Behördenschelte. Der Kammerabgeordnete v. Städel trug 1819- zehn Jahre post festum!- im Landtag in dieser Sache vor: 46' 466

467 468

BAD LT KA 1831, H. 4, S. 56f. BAD LT KA 1831, H. 4/ Sitzung vorn 27. 4. 1831 passim. J. Rumpf, Provinzialstände VI (1828), S. 19f. J. Rumpf, Provinzialstände XV (1837), S. 66.

11. Behördeneifer und Steuermoral

279

,,Es ist Ihnen allerseits bekannt, meine Herren, mit welcher Nachlässigkeit und Oberflächlichkeit die ersten Steuer-Anlagen entstanden sind. Der größere Theil der Steuer-Commissäre war entweder nicht unterrichtet, oder faßte die ihm gegebenen Vorschriften nicht genugsam auf. Am meisten hat dabei die Eile geschadet, indem auch die Verständigsten unter ihnen, blos um fertig zu werden, und die versprochenen Prämien zu verdienen, ganz große Distrikte bildeten und in solchen Grundstücke von ganz verschiedenem Werth zum großen Nachtheil der Besitzer in eine Classe warfen. Insbesondere war es ein großes Mißgeschick für den Staat, daß die Classe der für den Unterricht der Jugend so hoch nothwendigen, und wenn sie ihren großen Beruf treu erfüllen wollten, übergenüglich beschäftigten Schullehrer hiermit, als einem Nebengeschäft, beauftragt wurden."469

20.000 fl. mußte die badische Regierung zur Bestreitung der Kosten bereitstellen, die aus den Untersuchungen der Steuerbeschwerden entstanden.470

j) Rechtsverfolgung fiskalischer Delikte

Relativ groß waren in Preußen zunächst die Kompetenzen der provinziellen Regierungen und Steuerdirektionen in der Verfolgung fiskalischer Delikte. Bis 1820 durften sie Freiheitsstrafen bis zu vier Wochen oder Bußgelder bis zu 100 Tlr. verhängen. Dies war nach 1820 ausschließlich den Gerichten vorbehalten, doch durften die Regierungen und Steuerdirektionen in eigener Autorität fiskalische Haftund Geldstrafen senken oder aufheben. Solche Maßnahmen konnten geboten sein, wenn es um die Erhaltung bzw. Wiedergewinnung der Zahlungsfähigkeit eines Delinquenten ging, wie überhaupt um negative soziale Auswirkungen von Steuerstrafen, denn ,wer zugleich das Fell abzieht, bringt sich um künftigen Profit', wußte schon der Kameralist K. F. Pescherinus (1718). So bestimmte eine Kabinettsordre vom 10. 4. 1826, daß Grundstücke zur Deckung von Steuergeldstrafen nicht unter den Hammer kommen dürften. Fiskalverfahren hatten bei Gericht grundsätzlich Vorhand vor anderen Verfahren, um die Abläufe der Finanzverwaltung möglichst störungsfrei zu halten. Aus eben diesem Grund war schon 1808 festgelegt worden und galt fort, daß Klagen Betroffener vor Gericht keine suspensive Kraft für Verwaltungsmaßnahmen haben sollten.471 Kompetenzenwirrwarr zwischen den Provinzialsteuerdirektionen, den Steuerämtern und Gerichten scheint es immer wieder gegeben zu haben, dazu verschleppte Erledigung von Verfahren, überhäufte Vorladung von Zeugen bei Steuersachen, Beschwerden herausfordernde Ungleichmäßigkeiten in Verfahrensfragen, BAD LT KA 1819, H. 1, S. 138./Sitzung vom 5. 5. 1819. BAD LT KA 1819, H. 2, S. 11. 471 VO wegen verbesserter Einrichtung der Provinzial-Polizei- und Finanzbehörden vom 26. 12. 1808 (GS S. 464), § 42. 469

470

280

IV. Staatsbesteuerung in Land und Stadt

so daß das Finanzministerium in Berlin die Provinzialregierungen instruieren und ermahnen mußte.472 Allein die Masse der zu verfolgenden Steuerverfahren verursachte Stockungen bei den Gerichten, ging doch nicht nur die Klassensteuer in Preußen oft nur unter Mühen ein, auch um die Grundsteuerzahlungen mußte seitens der Finanzbehörden immer wieder gekämpft werden. Chr. Rother, späterer Finanzminister, berichtet aus dem Regierungsbezirk Danzig, daß für 1832 noch 5186 Steuerfälle zu verfolgen übriggeblieben waren, zu denen weitere 1939 neu dazu kamen. 473 Im westfälischen Regierungsbezirk Amsberg wurden 1846 190.000 Steuersäumige gemahnt, reichlich ein Drittel der Bevölkerung, und über 24.000 gepfändet.474 Im rheinpreußischen Kreis Solingen, wo die Klassensteuerpflichtigen der drei untersten Stufen bereits zu Beginn der 30er Jahre 51% des Aufkommens dieser Steuer aufbrachten, wurden 1830 im Bezirk der dortigen Hauptkasse 1865 Exekutionen angekündigt und 102 Pfändungen vollzogen.475 Die schlesischen Provinzialstände beklagten 1833 die Vielzahl von Fiskalprozessen in der Provinz und die ungenügenden gesetzlichen Bestimmungen, die "nicht auslänglich erscheinen, um den Belästigungen zu begegnen, welche für die Staatseinwohner dadurch veranlaßt werden, daß seitens der königlichen Regierungen jeder auch nur vermeintliche Rechtsanspruch des Fiskus im Prozeßwege durch alle Instanzen verfolgt wird".476 2446 Steuerverfahren machte die indirekte Steuerverwaltung im (west-)preußischen Regierungsbezirk Danzig 1832 anhängig; 1826 wurden erledigt, was nach den Worten des zuständigen Geheimen Finanzrats Mauve ,teils genügt(e), teils verdrießt(e)'. Richtige Stellenbesetzung, das heißt, tüchtige Leute in die rund 400 westpreußischen Steuer- und Zollbeamtenstellen, hieß für Mauve das Zauberwort zur Reduzierung der fiskalischen Straftaten. Als die ,Summe wirtschaftlicher Unzweckmäßigkeit' bezeichnete noch Anfang der 70er Jahre ein preußischer Regierungskommissar die Kosten der Steuereintreibung in den östlichen Gebieten der Monarchie, wo der Aufwand der Zwangs472 Vgl. Zirkularschreiben und Instruktion aus 1839 und 1840 an die Regierung in Minden (StäA Bietefeld ÄA 1548). 473 Vgl. R. Koselleck, Preußen, S. 256, Fußnote 123.- Zur Art der Strafen und zum Strafmaß siehe die Aufstellung im Anhang IV.11.f) 474 Vgl. R. Koselleck, Preußen, S. 538. 475 Vgl. E. v. Beckerath, Klassensteuer, S. 16f. 476 J. Rumpf, Provinzialstände X, S. 301 f.- Im Landtagsabschied heißt es zu diesem Vorwurf, daß laut entsprechenden Untersuchungen von derzeit 237 fiskalischen Zivilprozessen nur 54 vom Fiskus als Kläger anhängig gemacht worden seien, in 183 aber derselbe verklagt werde und zum anderen die überwiegende Mehrzahl der bereits in erster und zweiter Instanz erfolgten Entscheidungen zugunsten des Fiskus ausgefallen sei und man überhaupt mit ,besonderer Zufriedenheit' den Ständen zur Beruhigung mitteilen könne, das der Fiskus in den letzten fünf Jahren noch nicht einmal ein Drittel der rechtskräftig entschiedenen Prozesse verloren habe, (Ebd., S. 316.).

11. Behördeneifer und Steuermoral

281

beitreibung der Klassensteuer in ihrer untersten Klasse 50% und mehr der durchschnittlichen Erhebung betrug.477 Ähnlich nüchtern wie der Rheinpreuße Hansemann in seinem Wort vom Enden der Gemütlichkeit am Geldbeutel, umriß auch der Badener v. Böckh seine vielfältigen Erfahrungen mit staatsbürgerlicher Steuerfreudigkeit in dem Ausspruch: ,,Jeder wählt die letzte Reihe, wo es sich von Vertheilung der Lasten handelt", 478

wobei um der Gerechtigkeit willen anzufügen wäre, daß in Preußen wie in Baden für mindestens ein Viertel der Bevölkerung ab Mitte der vormärzliehen Zeitspanne eine ,Wahl' der letzten Reihe nicht zur Debatte stand - man befand sich dort bereits!

Vgl. F. J. Neumann, Einkommensteuer, (1874), S. 159. So der damalige Staatsrat am 8. 3. 1828 bei seinem motivierenden Vortrag im badischen Landtag zum Gesetzentwurf der Regierung über die ,Erledigung der Beschwerden gegen die Steuerperäquation'. (BAD LT KA 1828, H. 1, S. 122.). 477

478

V. Kommunale Lasten - Kommunale Revenuen Die Neuordnungen der Gemeindeverfassungen in Preußen und Baden ereigneten sich in beiden Ländern als Reformen von oben. Ganz klar ging es dabei um unitarische Gesetzgebung und Regelung auch in diesem Bereich staatlich-gesellschaftlichen Lebens, ohne Zweifel aber auch um hochbedeutsame Finanzierungsfragen. Denn, Volkseinkommen, Steuervolumen, Zahlungsvermögen steigern, das waren vorrangige Ziele auch bei der Neuformung der kommunalen Verfassungen. Staatsbürgerliche Partizipation in umschriebenem Maß an den politischen Geschäften in den Kommunen sollte dem Wachstum verantwortlichen Mitwirkens und der Freisetzung erhoffter neuer Leistungsfähigkeit auf gemeindlicher wie staatlicher Ebene dienen. Das sehr komplexe Subuntersuchungsfeld von kommunaler Mitwirkung und Belastung des Steuerbürgers ist insofern ein wichtiger Brückenbereich, als die individuelle örtliche Situation die Plattform für seine gesamtstaatliche Mitbe.stimmung herstellte. Das vorgeschaltete mehrteilige Schaubild erlaubt Orientierung über die komplizierten, zeitlich nacheinander eintretenden Neuerungen in den Kommunalverfassungen beider Staaten.

a) koamunalpolit. Rechte der Einwohner

losten•d. Bürgerrechtserwerbs

Einwohnerstatus

Gültigkeitsbereich

Jahr

Aspekt (RevStO) 1831

d

e n

gestaffelte Sätze•nach Ortsgröße

gemäß jeweil. Stadttradition bzw. Neufestsetzung/Innenmin.

a) 1831: akt. Wahlrecht für Gemeinderat u. Bürgerausschuß; pass. Wahlrecht f.d. Bürgerausschuß nach Dreiklassenwahlrecht 1833: akt. Wahlrecht f. Bürgermeister- u. Gemeinderatswahlen nur mit Hindest-Steuerkapital (gestaffelt/Ortsgröße) 1837: mittelbares Wahlverfahren f. d. Gemeinderat nach Dreiklassenwahlrecht

1. Ortsbüraer(innen)

Für Stadt- und Landgemeinden im ganzen Ghz.

(BGO) 1831

B a

1. Büraer(innen)

a) akt./pass. Wahlrecht männl. a) in den Grundzügen entspr. PrStO (1808), aber: Bürger mit städt. Grundbehochgestaffelte Einkommenssitz od. Hindesteinkommen sätze je für akt. u. pass. ~ für StadtverordnetenWahlrecht versammlung u. Hagistrat

gesta~elte

Sätze nach Stadtgröße

1. Bürger(innen)

Nur für Stadtgemeinden Posen, Sachsen, Westfalen altpreußische Provinzen

(PrStO) 1808

P r e u ß e n

Schaubild 5: Preußisch/Badische Kommunalverfassung im Vergleich

w

N 00

Ii:s

g

~

;.

:s

r I

!

I:"'

:s

;.

r

: