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German Pages [456] Year 2017
Osnabrücker Abhandlungen zum gesamten Wirtschaftsstrafrecht
Band 11
Herausgegeben von Hans Achenbach, Ralf Krack, Hero Schall, Roland Schmitz und Arndt Sinn
Carolin Breitenbach
Steuer-CDs Die Strafbarkeit des Datenhändlers und der beteiligten Staatsvertreter
V& R unipress Universitätsverlag Osnabrück
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet þber http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISSN 2198-6347 ISBN 978-3-7370-0638-5 Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhÐltlich unter: www.v-r.de Verçffentlichungen des UniversitÐtsverlags Osnabrþck erscheinen im Verlag V& R unipress GmbH. 2017, V& R unipress GmbH, Robert-Bosch-Breite 6, D-37079 Gçttingen / www.v-r.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich gesch þtzt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen FÐllen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages.
für Oma, Opa, Lori und Jan
Inhalt
Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1. Kapitel: Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sachverhaltsschilderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Beispielsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Luxemburg: CISAL u. a. (ab 1995) . . . . . . . . . . . . . 2. Liechtenstein I: »Batliner« (1997) . . . . . . . . . . . . . 3. Liechtenstein II: LGT (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Liechtenstein III: LLB (2008) . . . . . . . . . . . . . . . 5. Schweiz I: »Elmer« (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schweiz II (2010) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Jüngere Entwicklungen (ab 2012) . . . . . . . . . . . . . II. Entscheidende Weichenstellungen aus strafrechtlicher Sicht 1. Übergeordnete Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aspekte bezüglich des Bankmitarbeiters . . . . . . . . . 3. Aspekte bezüglich der staatlichen Stellen . . . . . . . . . 4. Präzisierung der Themenstellung . . . . . . . . . . . . .
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25 25 31 31 32 32 33 36 37 37 42 44 44 44 45 45
2. Kapitel: Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters . . . . . . . . . A. Tatbestandsspezifische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafbarkeit durch die Beschaffung der Daten . . . . . 1. § 242 StGB: Diebstahl / § 246 StGB: Unterschlagung 2. § 202a StGB: Ausspähen von Daten . . . . . . . . . a) Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende Bestimmung für den Täter . . . . . . c) Überwindung der Zugangssicherung . . . . . d) Verschaffen des Zugangs . . . . . . . . . . . .
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47 47 47 48 50 50 51 53 53
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Inhalt
e) Unbefugtheit der Zugangsverschaffung . . . . . . . . f) Strafantrag (§ 205 I 2 StGB) . . . . . . . . . . . . . . g) Ergebnis: § 202a StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 202b StGB: Abfangen von Daten . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Delikte mit Angriffen auf die Vertraulichkeit (§§ 201, 201a, 202 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. § 17 II Nr. 1 UWG: Betriebsspionage . . . . . . . . . . . . a) Exkurs: Vorfragen zu § 17 UWG . . . . . . . . . . . . b) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kundendaten als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis? aa) Problematik der Reichweite des Geschäftsgeheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Schutz des Kunden an sich . . . . . . . . . . . . . . . (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kundendaten als Geheimnis des Unternehmens . . . (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ergebnis und Überlegungen zum Umfang des Geheimnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Problematik der Erfassung rechtswidriger Geheimnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Ablehnung der vermittelnden Ansichten . . . . . . . (b) Wortlaut-Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Verfassungskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . (d) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . (e) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . (f) Besonderheiten der Steuerdatenfälle . . . . . . . . . . (aa) Mischinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Ursache der Illegalität . . . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Handeln durch Bankangestellte . . . . . . . . . . . . (g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Problematik der Erfassung von Geheimnissen ausländischer Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Völkerrechts- und europarechtskonforme Auslegung . (b) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . .
53 53 54 54 55 56 56 59 59 60 62 62 62 64 64 65 66 67 68 70 70 73 73 74 78 84 84 86 88 89 89 89 90 90 92 94
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Inhalt
(d) dd) d) e) f)
II.
Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnis: Geheimnis . . . . . . . . . . . . . . . . . Sich-Verschaffen oder Sichern . . . . . . . . . . . . Besondere Modalitäten . . . . . . . . . . . . . . . . Betriebsspionage und befugter Umgang mit dem Geheimnis (eine Auseinandersetzung mit Sonn) . . g) Sonderfall »Elmer«: Probleme der Tathandlung und der Tathandlungsmodalitäten . . . . . . . . . . . . h) Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Besondere subjektive Merkmale . . . . . . . . . . . aa) Handeln aus Eigennutz . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handeln zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . cc) Schädigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs . . . . . . . ee) Zwischenergebnis: Subjektive Merkmale . . . . . . j) Strafzumessung: Besonders schwere Fälle . . . . . . aa) Gewerbsmäßigkeit (§ 17 IV Nr. 1 UWG) . . . . . . . bb) Auslandsbezug (§ 17 IV Nr. 2, 3 UWG) . . . . . . . cc) Ergebnis: Regelbeispiele . . . . . . . . . . . . . . . k) Strafantrag (§ 17 V UWG) . . . . . . . . . . . . . . l) Ergebnis: § 17 II Nr. 1 UWG . . . . . . . . . . . . . 6. §§ 44 I, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG: Datenerhebung / Datenverschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Täterkreis: Zentralbegriff der »Stelle« . . . . . . . . b) Personenbezogene, nicht allgemein zugängliche Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendungsbereich: Anwendung des BDSG bei transnationalen Sachverhalten? . . . . . . . . . . . d) Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erheben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verarbeiten durch Speichern . . . . . . . . . . . . . cc) Abrufen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Verschaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Ergebnis: Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . e) Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG . . . . . . . f) Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Strafantrag (§ 44 II 1 BDSG) . . . . . . . . . . . . . h) Ergebnis: §§ 44 I, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG . . . . . . . . 7. § 266 I StGB: Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Konkurrenzen und Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . Strafbarkeit durch den Verkauf der Daten . . . . . . . . . .
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Inhalt
1. § 202a StGB: Ausspähen von Daten . . . . . . . . . . . . . 2. § 17 I UWG: Geheimnisverrat . . . . . . . . . . . . . . . . a) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis . . . . . . . . . . c) Geheimnis, das im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut oder zugänglich gemacht worden ist . . . d) Mitteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Handlung während des Dienstverhältnisses . . . . . . f) Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Teleologische Reduktion des Tatbestands? . . . . . . aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewertung und eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . (1) Besonderheit 1: Erfordernis von UWG-Spezifika? . . (2) Besonderheit 2: Staaten statt Konkurrenten . . . . . . (3) Besonderheit 3: Berührung des deutschen Wettbewerbs und Motive des § 17 UWG . . . . . . . (4) Ergebnis für die teleologische Reduktion . . . . . . . h) Besondere subjektive Merkmale . . . . . . . . . . . . aa) Handeln aus Eigennutz . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handeln zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . cc) Handeln zu Wettbewerbszwecken . . . . . . . . . . . dd) Schädigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Strafzumessung: Besonders schwere Fälle . . . . . . . aa) Gewerbsmäßigkeit (§ 17 IV Nr. 1 UWG) . . . . . . . . bb) Auslandsbezug (§ 17 IV Nr. 2, 3 UWG) . . . . . . . . j) Ergebnis: § 17 I UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. § 17 II Nr. 2 UWG: Geheimnishehlerei . . . . . . . . . . . a) Verhältnis zu § 17 I UWG . . . . . . . . . . . . . . . . b) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis . . . . . . . . . . d) Erlangung durch eine Katalogvortat – Bedeutung des Strafanwendungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Mitteilen oder Verwerten . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Systematische Betrachtung: Parallelproblematik . . . bb) Meinungsstand und Bewertung . . . . . . . . . . . . (1) Ansicht 1: Mitteilen durch Annahme eines Spezialitätsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ansicht 2: Mitteilen durch das Verwertungserfordernis der Schädigung des Geheimnisherrn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
4. 5.
6. 7.
8.
(3) Ansicht 3: Mitteilen durch das Verwertungserfordernis des Einsatzes des Nutzungspotentials . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Ansicht 4: Mitteilen durch Reduktion des Verwertungsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Ansicht 5: Verwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Ansicht 6: Mitteilen und Verwerten . . . . . . . . . . cc) Zusammenfassung und Präzisierung der Ergebnisse . dd) Zwischenergebnis: Tathandlungen . . . . . . . . . . . f) Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Besondere subjektive Merkmale . . . . . . . . . . . . h) Strafzumessung: Besonders schwere Fälle . . . . . . . aa) Gewerbsmäßigkeit (§ 17 IV Nr. 1 UWG) . . . . . . . . bb) Auslandsbezug (§ 17 IV Nr. 2, 3 UWG) . . . . . . . . i) Ergebnis: § 17 II Nr. 2 UWG . . . . . . . . . . . . . . § 19 II Var. 1 UWG: Erbieten zum Verrat . . . . . . . . . . §§ 203, 204 StGB: Verletzung von Privatgeheimnissen . . . a) Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Treuhandunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Strafantrag (§ 205 I 1 StGB) . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis: §§ 203, 204 StGB . . . . . . . . . . . . . . . Weitere nebenstrafrechtliche Geheimnisschutznormen . . §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 / Nr. 3 Var. 3 BDSG: Datenverarbeitung / Datenverschaffung . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich, Täterkreis, Tatobjekt . . . . . . b) Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verarbeiten durch Übermitteln . . . . . . . . . . . . bb) Drittverschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG . . . . . . . . aa) Handeln gegen Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Schädigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Bereicherungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Strafantrag (§ 44 II 1 BDSG) . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis: §§ 44 I, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG . . . . . . . . . § 266 I StGB: Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ablehnung des Missbrauchstatbestands . . . . . . . . b) Annahme des Treubruchstatbestands nur in Ausnahmefällen: Fehlen einer Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . . c) Relevanz des Vermögensschadens in Ausnahmefällen
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12 d) Keine Untreue durch Datenbeschaffung . . . e) Ergebnis: § 266 I StGB . . . . . . . . . . . . 9. Konkurrenzen und Gesamtergebnis . . . . . . . . B. Vorsatz des Bankmitarbeiters . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Recht zur Anzeige (§ 158 StPO) . . . . . . . . . . . . 1. Anzeigerecht als Rechtfertigungsgrund? . . . . . 2. Anwendung auf die Steuerdatenfälle . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Pflicht zur Zeugenaussage . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zeugenpflicht als Rechtfertigungsgrund? . . . . . 2. Anwendung auf die Steuerdatenfälle . . . . . . . III. Pflichten aus der Abgabenordnung . . . . . . . . . . IV. Notwehr (§ 32 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Notstand (§ 34 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notstandslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Notstandsfähiges Rechtsgut . . . . . . . . . aa) Kreis der relevanten Rechtsgüter . . . . . . . bb) Besonderheiten bei Steueransprüchen? . . . b) Gefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gegenwärtigkeit der Gefahr . . . . . . . . . d) Rechtswidrigkeit der Gefahr . . . . . . . . . 2. Notstandshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Geeignetheit zur Gefahrenabwehr . . . . . . b) Erforderlichkeit zur Gefahrenabwehr . . . . c) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . aa) Maßstab: Abzuwägende Interessen . . . . . bb) Gesichtspunkte der Interessenabwägung . . cc) Verschiebung des Maßstabs: Defensiv- oder Aggressivnotstand? . . . . . . . . . . . . . . d) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Subjektives Rechtfertigungselement . . . . . . . . a) Beschaffenheit des subjektiven Rechtfertigungselements . . . . . . . . . . . b) Subjektives Rechtfertigungselement in den Steuerdatenfällen . . . . . . . . . . . . . . . c) Folgen bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis: Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Wahrnehmung berechtigter Interessen . . . . . . . . VII. Übergesetzlicher Notstand . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel: Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen . . . . . A. Täterstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine mittelbare Täterschaft von Regierungsmitgliedern . . II. Regierungsmitglieder als Mittäter . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis: Täterstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Tatbestandsspezifische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafbarkeit durch den Datenankauf . . . . . . . . . . . . . . 1. § 259 StGB: Hehlerei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Hehlereistrafbarkeit im klassischen Sinne . . . . . . b) Hehlereistrafbarkeit und Reformbestrebungen . . . 2. Teilnahme an Taten des Bankmitarbeiters . . . . . . . . a) Teilnahme an Taten der Datenbeschaffung . . . . . b) Teilnahme an Taten des Datenverkaufs . . . . . . . aa) Verhältnis zu eigener täterschaftlicher Begehung nach § 17 UWG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat . . . . . . cc) Form der Teilnahme: Informant als omnimodo facturus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Straflosigkeit nach den Regeln über die notwendige Teilnahme? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Steuerdaten und Whistleblowing . . . . . . . . IX. Ergebnis: Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . D. Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Strafanwendungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Taten der Datenbeschaffung . . . . . . . . . . . 1. Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme des deutschen Bankmitarbeiters 3. Ergebnis: Datenbeschaffung . . . . . . . . . II. Datenverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Delikte gegen die Bank . . . . . . . . . . . . a) Handlungsort . . . . . . . . . . . . . . b) Erfolgsort . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sonstige Anknüpfungspunkte . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Delikte gegen die Bankkunden . . . . . . . . 3. Ausnahme des deutschen Bankmitarbeiters 4. Ergebnis: Datenverkauf . . . . . . . . . . . III. Ergebnis: Strafanwendungsrecht . . . . . . . . F. Fazit zur Strafbarkeit des Bankmitarbeiters . . . . . .
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3. § 19 II Alt. 2 UWG: Annahme eines fremden Erbietens . 4. §§ 44, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG: Datenerhebung / Datenverschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tathandlung: Erheben oder Sich-Verschaffen . . . . aa) Erheben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sich-Verschaffen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG . . . . . . . aa) Handeln gegen Entgelt . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bereicherungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Schädigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Strafantrag (§ 44 II 1 BDSG) . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis: §§ 44 I, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG . . . . . . . . 5. § 257 StGB: Begünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vortat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung des Strafanwendungsrechts . . . . . . . bb) Vortaten: Datenverkauf . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vortaten: Datenbeschaffung . . . . . . . . . . . . . b) Hilfeleisten zur Vorteilssicherung oder bloße Ersatzbegünstigung? . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Voraussetzungen des Hilfeleistens: Sicherung durch Ankauf ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Relevanz von zurückbehaltenen Datensammlungen cc) Einschränkungsbemühungen: Geheimnisbezug und Herbeiführung des rechtmäßigen Zustands . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Subjektive Merkmale der Amtsträger . . . . . . . . aa) Vorsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vorteilssicherungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . (1) Einstellung der Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . (2) Verhältnis von Vorteilssicherungsabsicht und drittnützigem Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Absicht und Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Fehlen einer Vortatbeteiligung (§ 257 III StGB) . . . e) Strafantrag (§ 257 IV StGB) . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis: § 257 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. §§ 258 I, 258a StGB: Strafvereitelung im Amt . . . . . . . a) Vortat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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284 284 285 285 285 285 286
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Inhalt
b) c)
II.
Vereitelungshandlung und subjektiver Tatbestand . Qualifikation der Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis: §§ 258, 258a StGB . . . . . . . . . . . . . 7. § 140 StGB: Belohnung und Billigung von Straftaten . . 8. § 261 I Nr. 4a, VIII StGB: Geldwäsche . . . . . . . . . . . 9. § 266 I StGB: Untreue . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Missbrauchs- oder Treubruchstatbestand . . . . . . b) Vermögensbetreuungspflicht . . . . . . . . . . . . . c) Pflichtwidrigkeit: Verstoß gegen haushaltsrechtliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstoß gegen die zeitliche und sachliche Bindung der Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verstoß gegen das Verbot der Mischfinanzierung . dd) Zwischenergebnis: Pflichtwidrigkeit . . . . . . . . . d) Vermögensnachteil: gleichwertige Gegenleistung oder Kompensation? . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Diskussion bisheriger Lösungsansätze . . . . . . . bb) Eigene Erwägungen anhand einer zweischrittigen Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gleichwertigkeit der Gegenleistung? . . . . . . . . . (2) Schadensausschluss? . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Relevante Zahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Schadensausschließende Kompensation oder unbeachtliche, mittelbare Zahlung? . . . . . . . . . e) Ergebnis: § 266 I StGB . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Konkurrenzen und Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . Strafbarkeit durch die Nutzung der Daten . . . . . . . . . . 1. § 17 II Nr. 2 UWG: Geheimnishehlerei . . . . . . . . . . a) Täterkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis . . . . . . . . . c) Vortaten: Erlangung des Geheimnisses . . . . . . . d) Mitteilen oder Verwerten . . . . . . . . . . . . . . . aa) Mitteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verwerten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Vorfragen: Fremdnützigkeit, fehlender Unmittelbarkeitsbezug und Vermögenszuordnung . (2) Der Verwertungsbegriff des § 17 UWG . . . . . . . (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
(b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Wortlaut-Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . (dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verwertungsrelevante »Vorteile« im Einzelnen . . . . (a) Steuererhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Strafverfolgung und durch Strafverfolgung generierte Geldeinnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Einnahmen aus Selbstanzeigen . . . . . . . . . . . . . (d) Zwischenbehördliche Erstattungszahlungen . . . . . (e) Innerstaatliche Geldflüsse . . . . . . . . . . . . . . . (f) Zwischenergebnis: Verwerten in den Steuerdatenfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis: Tathandlung . . . . . . . . . . . . e) Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Besondere subjektive Merkmale . . . . . . . . . . . . aa) Schädigungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Handeln aus Eigennutz . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Handeln zu Gunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . dd) Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs . . . . . . . . ee) Zwischenergebnis: Besondere subjektive Merkmale . g) Strafzumessung: Besonders schwere Fälle . . . . . . . aa) Gewerbsmäßigkeit (§ 17 IV Nr. 1 UWG) . . . . . . . . (1) Bezug zur Staatstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Staatlicher Anspruch auf die Einnahmen . . . . . . . (3) Strafgrund der Gewerbsmäßigkeit und Steuerdatenfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Fremdnützigkeit als Hindernis für die Gewerbsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Unbenannter schwerer Fall auf Grund der Nähe zur Gewerbsmäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Auslandsbezug (§ 17 IV Nr. 2, 3 UWG) . . . . . . . . h) Ergebnis: § 17 II Nr. 2 UWG . . . . . . . . . . . . . . 2. §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 / Nr. 3 Var. 3 BDSG: Datenverarbeitung / Datenverschaffung . . . . . . . . . . . a) Daten und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . b) Tathandlung: Verarbeitung und Drittverschaffung . . aa) Verarbeiten in Form des Übermittelns . . . . . . . . bb) Drittverschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
320 320 321 324 325 325 326 330 332 333 333 334 335 335 335 335 336 337 339 339 339 339 340 340 340 341 341 342 342 343 343 343 344 344 345
Inhalt
cc) Verarbeiten in Form des Speicherns . . . . . . . . . . dd) Ergebnis: Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG . . . . . . . . d) Unbefugtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Strafantrag (§ 44 II 1 BDSG) . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis: §§ 44, 43 II Nr. 1 BDSG . . . . . . . . . . . 3. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Strafbarkeit durch die Aufforderung zum Erwerb von (weiteren) Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anstiftung zu Delikten zukünftig tätig werdender Bankmitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 111 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Öffentliche Aufforderung: Bedeutung der Intensität . aa) Ausrichtung auf zukünftige Straftaten . . . . . . . . . bb) Aufforderungscharakter . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ort der in Aussicht genommenen Deliktsbegehung . c) Ergebnis: § 111 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Sonstige strafrechtlich relevante Verhaltensweisen: § 240 StGB C. Vorsatz der Mitarbeiter der staatlichen Stellen . . . . . . . . . . . . D. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundkonstellation ohne BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eingriffsbefugnisse des Strafverfahrens . . . . . . . . . . . a) §§ 94ff. StPO: Sicherstellung / Beschlagnahme . . . . b) Rechtfertigung durch die Ermittlungsgeneralklausel . aa) Ablehnung der Rechtfertigung auf Grund der Geldzahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtfertigung auf Grund der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorliegen eines intensiven Grundrechtseingriffs . . . (1) Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechte der Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Rechte der Bankkunden . . . . . . . . . . . . . . . . (aa) Relevanz der Kundenrechte? . . . . . . . . . . . . . . (bb) Vorliegen eines Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Bedeutung der Steuerhinterziehung und der ausländischen Belegenheit der Daten . . . . . . . . . (dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Ergebnis: Eingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Intensität des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
II.
(a) Vergleich zu Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und Rasterfahndung . . . . (b) Gegenstand der Daten . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Heimlichkeit des Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . (d) Streubreite und fehlende Verdachtsmomente . . . . . (e) Vergleich mit Einzelermächtigungen . . . . . . . . . (f) Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (h) Widerspruch zur Mikado-Entscheidung? . . . . . . . (i) Ergebnis: Ermittlungsgeneralklausel . . . . . . . . . . 2. Eingriffsbefugnisse des Steuerverfahrens . . . . . . . . . . 3. Notstand (§ 34 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des § 34 StGB auf staatliches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen des § 34 StGB in den Steuerdatenfällen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Interessen der Banken . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Interessen der Bankkunden . . . . . . . . . . . . . . cc) Sondersituation bei § 266 StGB . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis: § 34 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Übergesetzlicher Notstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Besonderheiten der Datenbearbeitung . . . . . . . . . . . a) Rechtfertigung der Datenweiterleitung durch § 116 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung der Weiterleitung durch Auskunftspflicht (§§ 161 I 1, 163 I 2 StPO) . . . . . . c) Rechtfertigung der Weiterleitung durch Amtshilfe (§§ 111ff. AO, §§ 4ff. VwVfG) . . . . . . . . . . . . . d) Rechtfertigung der Datenbearbeitung durch allgemeine Handlungsbefugnisse? . . . . . . . . . . . e) Ergebnis: Datenbearbeitung . . . . . . . . . . . . . . 6. Ergebnis: Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderkonstellation: BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Datenankauf und Eingriffsbefugnisse des BND . . . . . . . 2. Auswertung und Weiterleitung der Informationen . . . . . a) Rechtfertigung durch die Übermittlungsvorschriften des BNDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Relevanz des BNDG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis von § 9 I zu § 9 III BNDG . . . . . . . . . (1) § 9 I BNDG: Bestimmung der »öffentlichen Sicherheit« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
364 364 366 367 369 370 371 371 373 373 374 374 377 377 378 380 380 381 381 382 384 384 385 385 386 386 386 388 389 389 390 390
Inhalt
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(2) Sperrwirkung von § 9 III BNDG? . . . . . . . . . . . (3) Eigener Ansatz und Ablehnung einer Lösung über das G 10-Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung der Weiterleitung durch § 116 AO . . c) Rechtfertigung durch Amtshilfe (§§ 111ff. AO, §§ 4ff. VwVfG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis: BND . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis: Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Schuld: Möglichkeit eines unvermeidbaren Verbotsirrtums . . . . . F. Strafanwendungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Datenankauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Datennutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis: Strafanwendungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . G. Fazit zur Strafbarkeit der staatlichen Stellen . . . . . . . . . . . . .
392
4. Kapitel: Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Konsequenzen und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Thesenartige Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Abkürzungsverzeichnis
Für Abkürzungen in dieser Arbeit wird grundsätzlich verwiesen auf: Kirchner, Hildebert (Begr.): Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, bearb. v. Eike Böttcher, 8. Auflage, Berlin u. a. 2015. Gerichtsentscheidungen der Zivilgerichtsbarkeit sind durch den Zusatz (ZR) im Anschluss an die Nennung des Gerichts gekennzeichnet, damit sie von Entscheidungen der Strafgerichtsbarkeit unterschieden werden können.
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2016 vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück als Dissertation angenommen. Nach einer Aktualisierung befindet sich die Untersuchung auf dem Stand von Mai 2016. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Ralf Krack für die engagierte und zuverlässige Betreuung der Arbeit sowie für die zügige Erstbegutachtung. Für die Zweitbegutachtung danke ich Herrn Prof. Dr. Arndt Sinn. Neben den beiden zuvor Genannten danke ich Herrn Prof. Dr. Roland Schmitz, Herrn Prof. Dr. Hero Schall und Herrn Prof. Dr. Hans Achenbach als Mitherausgeber für die Aufnahme in die Reihe »Osnabrücker Abhandlungen zum gesamten Wirtschaftsstrafrecht«. Herrn Ass. iur. Jochen Claussen, LL.M. bin ich zu Dank verpflichtet für die vielen konstruktiven Diskussionen, die sich über unsere gemeinsame Studienzeit hinaus auf unsere Promotions- und Referendarszeit erstreckt haben. Diese Arbeit ist vier Personen gewidmet, von denen nur eine den Beginn des Dissertationsvorhabens erlebt hat und keine den Abschluss. Dennoch haben alle vier nicht nur mein Leben, sondern auch diese Arbeit geprägt. Mein Opa, Herr Horst Breipohl, hat stets mein Interesse für politisch-historische und wirtschaftliche Zusammenhänge gefördert und mir in unzähligen Unterhaltungen die Gelegenheit gegeben, eine eigene Meinung zu entwickeln. Meiner Großtante, Frau Lori Breitenbach, verdanke ich intensive Gespräche, die Liebe zu Büchern und die Fähigkeit, nicht immer den leichtesten Weg zu gehen. Herr Jan Oostinga war schon zu Beginn meiner Studienzeit überzeugt, dass ich später promovieren würde. Sein Zutrauen und seine Wertschätzung sind für mich stets eine große Motivation. Hervorzuheben ist meine Oma, Frau Hanna Breipohl: Ohne das Vertrauen, das sie stets in mich und meine Fähigkeiten gesetzt hat, wäre diese Arbeit nie vollendet worden. Besonders bedanke ich mich bei meinen Eltern, Frau Silke Breitenbach und Herrn Stefan Breitenbach, für die Selbstverständlichkeit, mit der sie mir bei der Verwirklichung all meiner Pläne zur Seite stehen. Mein zauberhaftes Patenkind
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Vorwort
Greta hat stets für die nötige Zerstreuung gesorgt, ehe sie daran durch familiäre Umstände gehindert worden ist. Ein herzliches »Vergelt’s Gott« verdient abschließend Frau Uschi Sterzenbach, die sich mit unendlicher Geduld und dem ihr eigenen Interesse jedem meiner juristischen und nicht-juristischen Probleme widmet. Borkum, im Mai 2016 Carolin Breitenbach
1. Kapitel: Vorüberlegungen
A.
Einleitung
»Warum ist Steuerhinterziehung zutiefst illegal, Steuerverschwendung aber nicht?«1 Diese Frage, einem satirischen Zusammenhang entnommen, spiegelt zumindest einen Teil der Probleme wider, die sich im Zusammenhang mit der »Steueraffäre Liechtenstein« des Jahres 2008 und mit den seit 2010 stetig auftretenden Schweizer Steuerdatenfällen stellen. Dabei handelt es sich um Sachverhalte, bei denen der deutsche Staat mit Informanten zusammenarbeitet, indem er ihnen Daten abkauft. Diese Daten beinhalten Auskünfte über im Ausland deponiertes Vermögen von Personen, die zumeist in Deutschland der Steuerpflicht unterliegen. Bei den Informanten handelt es sich typischerweise um (ehemalige) Mitarbeiter von Banken oder Treuhändern, die auf Grund ihrer Tätigkeit an die Daten gelangt sind. Denkbar ist aber auch, dass Außenstehende durch technische Manipulationen auf die Daten der Bank zugreifen und diese dann an den Staat weiterleiten.2 Dabei rechtfertigt der Staat sein Verhalten mit der Bekämpfung der Steuerhinterziehung, wohingegen die Gegner der staatlichen Ankaufspraxis dem Staat nicht »nur« die Missachtung von Strafgesetzen vorwerfen, sondern auch die Verschwendung öffentlicher Mittel zur Unterstützung krimineller Machenschaften. Der Staat sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, dass seine Amtsträger bei der Verfolgung von Steuerhinterziehern selbst Strafgesetze verletzen. Zudem besteht der Verdacht, dass bei der Jagd nach Steuereinnahmen staatliche Mittel im Widerspruch zu ihrer haushaltspolitischen Zwecksetzung verwendet werden, was entgegen der eingangs aufgeworfenen Frage unter Umständen sogar eine strafbare Haushaltsuntreue darstellen könnte. Träfen diese Vorwürfe zu, ent-
1 Westerbeck, Belege, 64. 2 Zur Möglichkeit einer solchen Sachverhaltskonstellation Küchenhoff, NJ 2010, 321; Spernath, NStZ 2010, 307 (308).
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Vorüberlegungen
stünde die Problematik, wie der Staat von seinen Bürgern erwarten kann, Steuergesetze zu beachten, wenn er sich selbst nicht an Gesetze hält. Ob dieses rechtsstaatliche Dilemma tatsächlich besteht oder ob nicht vielmehr ein effizientes, rechtlich nicht zu beanstandendes Instrument zur Bekämpfung der Steuerflucht gefunden worden ist, ist seit der »LiechtensteinAffäre« im Jahre 2008 aus verschiedenen Perspektiven (vor allem Strafbarkeit, Beweisverwertung, Auswirkungen auf die Selbstanzeige und auf zwischenstaatliche Abkommen) in vielen Beiträgen3 erörtert worden. Gerade in Bezug auf die Strafbarkeit der Vertreter des deutschen Staats ergibt sich ein breites Meinungsspektrum: Teilweise4 wird entschieden für eine Strafbarkeit plädiert, während andere Stimmen5 das Verhalten der Staatsvertreter energisch befür3 So z. B. Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42ff.; ders., Beweisverwertungsverbote, 111ff.; Bach, PStR 2009, 70ff.; Bron/Seidel, ErbStB 2010, 111 (114); Bruns, StraFo 2008, 189f.; van Bühren, AnwBl 2012, 906; Coen, NStZ 2011, 433ff.; Durst, PStR 2008, 134ff.; Erb, FS Roxin 80, 1103ff.; Esskandari/Kische, AO-StB 2010, 67; Gehm, ZRP 2012, 223; Göres/ Kleinert, NJW 2008, 1153 (1156ff.); Gössel, FS Puppe, 1377ff.; Habetha, ZRP 2012, 223; Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277ff.; Heerspink, AO-StB 2009, 25ff.; ders., AO-StB 2010, 155ff.; Heine, HRRS 2009, 540ff.; ders., FS v. Büren, 917ff.; ders., ASA 2010/2011, 525ff.; ders., FS Roxin 80, 1087ff.; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390ff.; Jäger, GA 2008, 473 (473, 492f.); Jungbluth/ Stepputat, DStZ 2010, 781ff.; Kaiser, NStZ 2011, 383ff.; Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660ff.; Klengel/Gans, ZRP 2013, 16ff.; Koblenzer, ErbStB 2010, 116ff.; Küchenhoff, NJ 2010, 321ff.; Kühne, GA 2010, 275ff.; ders., FS Roxin 80, 1269ff.; Lang, FS Schneider, 737 (740ff.); LöweKrahl, PStR 2012, 245ff.; Ostendorf, ZIS 2010, 301ff.; Mückenberger/Iannone, NJW 2012, 3481ff.; Paeffgen, BRJ 2010, 12ff.; Pawlik, JZ 2010, 693ff.; Randt/Schauf, DStR 2008, 489ff.; Rode, in: Strafverteidigung, 365ff.; Römer, StraFo 2009, 194ff.; Roth, Stbg 2013, 29ff.; Salditt, PStR 2008, 84ff.; ders., FS Schaumburg, 1269ff.; Samson/Langrock, wistra 2010, 201ff.; Satzger, FS Achenbach, 447ff.; Schierack/Bender, BRJ 2010, 173 ff; Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186ff.; Schünemann, NStZ 2008, 305ff.; ders., GA 2008, 314ff.; Sieber, NJW 2008, 881ff.; Spatscheck, FS Volk, 771ff.; ders., SAM 2010, 7ff.; Spernath, NStZ 2010, 307ff.; Spilker, DStR 2014, 2490 (2492ff.); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600ff.; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 533ff.; Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429ff.; Trüg, StV 2011, 111ff.; ders./Habetha, NJW 2008, 887ff.; Weigell, FS I. Roxin, 435 (445); Werner, IWB 2010, 164ff.; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17ff.; Wulf, PStR 2012, 33ff.; Zieschang, FS Scheuing, 794ff.; Bereits früher ist die Frage des entgeltlichen Informationserwerbs kontrovers diskutiert worden, vgl. dazu Esskandari, DStZ 1999, 322ff.; Rößler, DStZ 1998, 721f.; Wendt, DStZ 1998, 145ff. 4 Bruns, StraFo 2008, 189 (190); van Bühren, AnwBl 2012, 906; Durst, PStR 2008, 134; Habetha, ZRP 2012, 223; Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Heine, HRRS 2009, 540f.; ders., FS v. Büren, 917 (920ff.); ders., ASA 2010/2011, 525 (536f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1100ff.); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393f.); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (662ff.); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117ff.); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204f.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (307ff.); ders., GA 2008, 314 (329); Sieber, NJW 2008, 881ff., der allenfalls die Ablehnung einer Strafbarkeit auf Grund eines unvermeidbaren Verbotsirrtums für möglich erachtet; Spatscheck, FS Volk, 771 (780f.); Spernath, NStZ 2010, 307 (309ff.); Trüg, StV 2011, 111 (112ff.); ders./Habetha, NJW 2008, 887ff.; Werner, IWB 2010, 164 (166ff.); Wessing, Steueranwalt 2010/ 11, 17 (25ff.); Wulf, PStR 2012, 33 (38ff.). 5 Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42ff.; Erb, FS Roxin 80, 1103ff.; Gehm, ZRP 2012, 223; Göres/Kleinert, NJW 2008, 1153 (1156f.); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (783ff.); Kaiser, NStZ 2011, 383 (384ff.); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16ff. zumindest tendenziell; Küchenhoff, NJ
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worten oder zumindest keinen Verstoß gegen materielles Strafrecht erkennen können. Im Rahmen der wissenschaftlichen Aufarbeitung sind jedoch – wohl auch der räumlichen Begrenzung geschuldet – einige sich ergebende Probleme nur kurz angesprochen oder völlig außer Acht gelassen worden.6 So liegt nach Schünemann7 eine Strafbarkeit der Staatsvertreter nach § 17 II Nr. 2 UWG, § 26 StGB unproblematisch vor, obwohl sich dort zahlreiche Probleme stellen, wie im Laufe der Arbeit noch gezeigt werden wird. Teilweise wird das Problem lediglich in einer möglichen Strafbarkeit nach dem Strafrecht des Belegenheitsorts der Bank gesehen, ohne dass Fragen des deutschen Strafrechts thematisiert werden.8 Mitunter werden auch die für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Wertungen verkannt. So wird von Jungbluth und Stepputat ein zentraler Aspekt tatsächlich darin gesehen, durch ihren Beitrag »begründet [zu haben], warum auch ›Steuersünder‹ Steuern zahlen müssen«9. Im Rahmen einer Monographie umfassend gewürdigt worden sind die Steuerdatenfälle bislang lediglich von Sonn10, der den Datenankauf zusammen mit ähnlichen Fallgestaltungen unter dem verbindenden Aspekt des Whistleblowings untersucht hat. Wie sich im weiteren Verlauf dieser Arbeit zeigen wird, unterscheiden sich die dabei gefundenen Ergebnisse jedoch zum Teil erheblich von den hier vertretenen Thesen. Eine abschließende gerichtliche Klärung der Strafbarkeit der beteiligten Amtsträger sowie des Bankmitarbeiters ist trotz der breiten juristischen und öffentlichen Diskussion11 nicht erfolgt. Rechtssicherheit bezüglich des Ankaufs der Steuer-CDs und den daran anknüpfenden Folgefragen besteht somit in keinem Punkt.12 Ergangen sind mit einer Ausnahme lediglich Gerichtsentscheidungen zu der Frage der Rechtmäßigkeit von Durchsuchungsbeschlüssen, die auf angekauftem Material beruhten, mithin also Entscheidungen, deren
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2010, 321ff.; Lang, FS Schneider, 737 (740ff.); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (303ff.); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13ff.); Pawlik, JZ 2010, 693 (699ff., insbes. 699, Fn. 82); Roth, Stbg 2013, 29f.; Satzger, FS Achenbach, 447 (454ff.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (189ff.); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (440ff.); Zieschang, FS Scheuing, 794 (807ff.) zumindest tendenziell. Zu einem ähnlichen Befund gelangt Sonn, Steuer-CD-Affäre, 22. Schünemann, GA 2008, 314 (329); ders., NStZ 2008, 305 (308). So z. B. bei Föbus, Insuffizienz, 18 bezogen auf den Bankmitarbeiter ; Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274ff.), der eine Strafbarkeit der Amtsträger nach ausländischem Strafrecht bejaht, für eine Strafbarkeit nach deutschem Strafrecht zumindest jenseits § 266 StGB keinen Raum sieht. Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 1ff.; In diesem Zusammenhang ist ferner die Monographie von Schauerte erwähnenswert, die sich in ihrer Bachelorarbeit im Schwerpunkt mit ökonomischen Fragestellungen des Datenankaufs befasst (Schauerte, Steuer-CDs, 1ff.). Zu einer im Schwerpunkt nicht-juristischen Abwägung Schauerte, Steuer-CDs, 12f., 35ff. So auch Schauerte, Steuer-CDs, 26; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 538.
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Vorüberlegungen
Gegenstand die Beweisverwertung im weiteren Sinne gewesen ist. Sowohl diverse Straf- und Finanzgerichte als auch das letztlich im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufene BVerfG13 haben im Rahmen der Verwertungsdiskussion eine Strafbarkeit des Informanten und der deutschen Amtsträger entweder sehr pauschal geprüft oder schlichtweg unterstellt, ohne die dabei auftretenden rechtlichen Probleme zu vertiefen. Begründet worden ist dieses Vorgehen damit, dass auch eine tatsächlich gegebene Strafbarkeit kein Verwertungshindernis begründe.14 Eine Ausnahme in der Reihe der bisher ergangenen Entscheidungen stellt das Urteil des AG Nürnberg15 dar.16 Der zugrundeliegende Fall zeichnete sich durch die fehlende Kooperationsbereitschaft der Angeklagten aus. Da auch die durchgeführte Durchsuchung keine Beweise hervorgebracht hatte, musste sich das AG Nürnberg mit der Frage befassen, ob die auf der Steuer-CD enthaltenen Daten eine ausreichende Verurteilungsgrundlage bilden. Diese Frage ist durch das AG Nürnberg verneint worden, da dem Material lediglich die Aussagen zu dem Kontostand an einem Zeitpunkt entnommen werden konnten, ohne dass der Nachweis für die Existenz von (nicht erklärten) Kapitalerträgen geführt werden konnte. Das Gericht hat eine entsprechende Anlage zwar als wahrscheinlich angesehen, aber betont, dass die Wahrscheinlichkeit einer Steuerhinterziehung für eine Verurteilung nicht ausreiche. Auf Grund der offenbar geringen Ergiebigkeit des Datenmaterials hinsichtlich des betroffenen Kunden konnte das AG Nürnberg die Frage nach der grundsätzlichen Verwertbarkeit offen lassen. Diese Entscheidung, die immerhin zeigt, dass der Ergiebigkeit von Steuer-CDs gewisse Grenzen gesetzt sind,17 ist jedoch auf ein geringeres Echo gestoßen als die zuvor erwähnten Entscheidungen. Insbesondere durch das Vorgehen des BVerfG,18 eine Strafbarkeit der Amtsträger zu unterstellen, ohne eine nähere Erörterung der möglicherweise in Betracht kommenden Straftatbestände vorzunehmen, ist die Tür für politische und mediale Fehlinterpretationen weit geöffnet worden. Beispielsweise vertritt die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Ansicht, 13 Die nicht in der amtlichen Sammlung abgedruckte Entscheidung des BVerfG ist vielfach veröffentlicht worden (so z. B. NJW 2011, 2417ff.; NStZ 2011, 103ff.) und wird nachfolgend zitiert nach DStR 2010, 2512ff., da sie dort am ausführlichsten wiedergegeben worden ist. 14 BVerfG, DStR 2010, 2512 (2516f.); FG Köln, DStRE 2011, 1076f.; LG Bochum, NStZ 2010, 351 (352); etwas ausführlicher immerhin LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38) und in einer späteren Entscheidung NStZ-RR 2011, 84f. mit Ablehnung diverser in Betracht kommender Tatbestände. 15 AG Nürnberg, StV 2014, 471f. 16 Zur Sonderrolle der Entscheidung des AG Nürnberg auch Heuel, AO-StB 2014, 37. 17 In diese Richtung auch Reichling, StV 2014, 247, der hofft, dass aus den durch die Entscheidung gesetzten Grenzen eine neue Belebung der Debatte um die Verwertbarkeit der Daten folgen wird. 18 BVerfG, DStR 2010, 2512 (2516f.); zur Einordnung der Liechtenstein-Entscheidung des BVerfG vgl. auch Schmidt-Kesseler, NWB 2013, 3096ff.
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das BVerfG habe damit entschieden, dass der Datenankauf rechtmäßig sei,19 obwohl lediglich eine Aussage über das Vorliegen eines auf erworbene Daten gestützten Anfangsverdachts getroffen worden ist. Zudem war das BVerfG bei seiner Entscheidung an den Sachverhalt der fachgerichtlichen Entscheidungen gebunden.20 Dort ist ein Geschehen zugrunde gelegt worden, bei dem der BND die Daten lediglich entgegengenommen hat, ohne dass der Aspekt des Ankaufs berücksichtigt wird. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Entscheidung des BVerfG nicht als Freibrief für Datenankäufe gewertet werden kann.21 Auch der rheinland-pfälzische Verfassungsgerichtshof22 hat (lediglich) eine auf die Daten gestützte Hausdurchsuchung für rechtmäßig erachtet, was wiederum in den Medien zu dem sachlich verkürzten Fazit »Steuerfahnder dürfen eine gestohlene Daten-CD nutzen«23 geführt hat, obwohl Aussagen über die endgültige Nutzung der Daten weder bezüglich der Steuererhebung noch hinsichtlich einer strafrechtlichen Verurteilung getroffen worden sind. Im Unterschied zu der Entscheidung des BVerfG wird durch das rheinland-pfälzische Verfassungsgericht eine Strafbarkeit der handelnden Amtsträger jedoch nicht unterstellt, sondern eine Nicht-Strafbarkeit angenommen. Diese Annahme beruht jedoch nicht auf eigenen Überlegungen, sondern ausschließlich auf der Bindung an die diesbezüglichen Feststellungen der Fachgerichte.24 Auch wenn den verfassungsgerichtlichen Entscheidungen demnach keine abschließende Klärung der Rechtslage entnommen werden kann, ist insbesondere das Vorgehen des BVerfG erstaunlich. So ist die Verfassungsbeschwerde mit Blick auf die fehlende grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung des Sachverhalts noch nicht mal zur Entscheidung angenommen worden, da nach Ansicht des BVerfG alle durch die Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen bereits hinreichend geklärt sind.25 Ein solches Vorgehen verweigert der Frage die Beachtung, die sie verdient.26 Schließlich steht die Möglichkeit einer Strafverfolgung durch Begehung von Straftaten im Raum.27 Hinsichtlich der rechtlichen Würdigung des Sachverhalts ist die Entscheidung des rheinlandpfälzischen Verfassungsgerichtshofs derjenigen des BVerfG deutlich vorzuziehen, da sie erstens unterstreicht, dass eine Beweisgewinnung durch Datenan-
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Dazu Meldung in der Westfalenpost Nr. 193/2012, PWP 1. BVerfG, DStR 2010, 2512 (2517). Anders offenbar Roth, Stbg 2013, 29 (30). VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240ff. Seher, Westfälische Rundschau Nr. 47/2014, RRP 1. VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (243). BVerfG, DStR 2010, 2512 (2514). Anders hingegen P. Fischer, jurisPR-SteuerR 51/2010, Anm. 1, der die Entscheidung begrüßt. Ähnlich Habetha, ZRP 2012, 223; Junker, StRR 2008, 129 (132); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887.
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Vorüberlegungen
käufe »deutlich vom Normalfall abweicht«28 und zweitens der Frage, ob sich die Amtsträger durch den Ankauf strafbar gemacht haben, eine deutlich größere Bedeutung beimisst,29 als es das BVerfG getan hat. Hingegen misst die Bundesregierung der Frage einer möglichen Strafbarkeit eine ähnlich geringe Bedeutung zu, wie es das BVerfG getan hat. Selbst wenn die Bundesregierung im Rahmen der dafür vorgesehenen parlamentarischen Instrumente nach einer Strafbarkeit ihrer Amtsträger gefragt wird, wird die Problematik gezielt umgangen. Die unter Verweis auf das Urteil des BVerfG erfolgte Antwort30 erweckt sogar den Eindruck, dass die Bundesregierung eine Strafbarkeit als unproblematisch empfindet, solange nur die Verwertbarkeit der Ergebnisse nicht gefährdet ist. Das eingangs erwähnte Zitat über die Gegenüberstellung von Steuerhinterziehung und Verschwendung öffentlicher Mittel ist auch deshalb von Belang, da dort inzident Gerechtigkeitserwägungen angesprochen werden. In den Steuerdatenfällen stellen sowohl Befürworter als auch Gegner des Datenankaufs auf Gerechtigkeitsfragen ab. Die Gegner31 sehen eine Gefährdung von Gerechtigkeit und Rechtsstaat, wenn der Staat Strafverfolgung durch Begehung von Straftaten betreibt und sich damit zum einen mit Straftätern auf eine Stufe stellt und zum anderen Steuerhinterzieher auf rechtswidrige Weise überführt und somit unangemessen gegenüber anderen Straftätern benachteiligt. Hingegen reklamieren auch diejenigen,32 die den Datenankauf für ein effektives und rechtsstaatlich unbedenkliches Mittel der Strafverfolgung halten, die Gerechtigkeit für sich. Hintergrund ist die Überlegung, dass angesichts des Ziels, das heißt der Bekämpfung von Steuerhinterziehungen, die Frage einer möglichen Strafbarkeit der Beteiligten zurückzutreten habe. Zudem sei Steuerhinterziehung ein Phänomen der sogenannten besseren Gesellschaft, die sich durch Vermögensverschiebungen auf ausländische Konten der gesamtgesellschaftlichen Solidarität entziehen wolle. Allein deshalb sei der Datenankauf zu begrüßen. Auf Grund der skizzierten Gerechtigkeitserwägungen befürwortet auch eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung die CD-Ankäufe.33 In strafrechtliche Kategorien übersetzt bedeutet dies, dass Fragen einer möglichen Rechtfertigung thematisiert werden müssen. Da die Fälle des Ankaufs von Steuerdaten üblicherweise mit 28 VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (241). 29 VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (243): Die dortigen Ausführungen suggerieren, dass bei einem bewussten Rechtsverstoß in Gestalt von Straftaten ein Verwertungsverbot naheliegt. 30 Vgl. BT-Drucks. 17/10657, 2. 31 Vgl. z. B. die Kritik von Pfisterer, ZStrR 2013, 360 (376f.). 32 Zu solchen Überlegungen vgl. Fabricius, WamS Nr. 30/2012, 36. 33 Zur öffentlichen Meinung vgl. Eder, WamS Nr. 34/2012, 36; Salditt, FS Schaumburg, 1269 (1274f.); Schauerte, Steuer-CDs, 14, 37.
Sachverhaltsschilderung
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einer Auslandsberührung einhergehen, stellen sich zudem Fragen des Strafanwendungsrechts und der Reichweite des Schutzbereichs deutscher Straftatbestände. Erst wenn diese materiell-rechtlichen Fragen umfassend geklärt sind, kann die Frage nach der Zulässigkeit des staatlichen Ankaufs entwendeter Daten sinnvoll beantwortet werden. Alle in Betracht kommenden Tatbestände zu sammeln und die bei der Strafbarkeitsprüfung auftretenden Probleme umfassend zu erörtern, ist daher das Ziel dieser Arbeit.
B.
Sachverhaltsschilderung
Zum Einstieg in die Problematik werden Beispielsfälle aus der jüngeren Vergangenheit vorgestellt, wobei die genannten Fälle angesichts der Hochkonjunktur, die Datenankäufe gegenwärtig erleben, keinesfalls abschließend sind. Bei den geschilderten Fällen ist teilweise nicht nur die rechtliche Würdigung, sondern bereits das tatsächliche Geschehen ungeklärt oder umstritten.34 Das ist vor allem darauf zurückzuführen, dass die beteiligten staatlichen Stellen keine genauen Angaben über ihre jeweilige Mitwirkung machen.35 Zudem kann offenbar noch nicht einmal das Bundesfinanzministerium die genaue Anzahl der Datenangebote feststellen.36 Für diese Untersuchung sind die Unklarheiten jedoch sogar von Vorteil. Es soll schließlich nicht ein konkreter Sachverhalt begutachtet werden. Vielmehr sollen die verschiedenen Möglichkeiten des Verund Ankaufs von Steuerdaten herausgearbeitet werden. Anschließend sollen die sich dabei ergebenden Differenzierungen bei der rechtlichen Würdigung berücksichtigt werden.
I.
Beispielsfälle
Um die Problematik zu illustrieren und die Bandbreite möglicher Fallgestaltungen aufzuzeigen, werden nachfolgend Sachverhalte dargestellt, bei denen Strafverfolgungsbehörden von Bankmitarbeitern angebotene Daten genutzt haben. Kennzeichnend für alle Fälle ist, dass es sich bei den betroffenen Staaten um solche handelt, bei denen auf Grund fehlender Rechtshilferegelungen für
34 So auch Kohlmann/Schauf, SteuerstrafR, § 371 AO, Rn. 687. 35 Zur fehlenden staatlichen Informationsbereitschaft Höring, DStZ 2015, 341 (344f.); Koblenzer, ErbStB 2010, 116. 36 Dazu Schmid, Der Spiegel Nr. 42/2010, 26 (27).
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Vorüberlegungen
Steuerfälle die Informationen nicht auf dem üblichem Ermittlungswege hätten erlangt werden können.37 1.
Luxemburg: CISAL u. a. (ab 1995)
Zu Beginn der Debatte um entwendete Steuerdaten stand Luxemburg im Zentrum des Geschehens. 1995 ist die luxemburgische Tochter der Commerzbank, die »CISAL«, mit einer Liste, die Kontodaten von Kunden enthielt, erpresst worden, nachdem sich der Computerspezialist Reinhard Schmakowski in den Besitz dieser Liste gebracht hatte.38 Anlässlich einer durch die Erpressungsermittlungen ausgelösten Durchsuchung hat die Staatsanwaltschaft die Kontodaten erlangt und anschließend an die Steuerfahndung weitergegeben. Laut einem Beschluss des OLG Frankfurt ist ein solches Vorgehen zulässig: Schließlich seien die Unterlagen auf rechtmäßigem Wege, das heißt durch Durchsuchung und Beschlagnahme, in den Besitz der Staatsanwaltschaft gelangt. Daher sei die Staatsanwaltschaft nach § 116 AO zur Weitergabe der Daten an die Finanzbehörden verpflichtet gewesen.39 Charakteristisch für diesen Fall ist der Umstand, dass der Staat durch reguläre Ermittlungstätigkeit und damit ohne Gegenleistung an die Informationen gelangen konnte. Dies sollte sich jedoch bereits im zweiten Steuerdatenfall mit Hauptschauplatz Luxemburg ändern: Ende 1997 sind der saarländischen Finanzverwaltung Kopien von Kontenblättern deutscher Kunden einer luxemburgischen Bank angeboten worden. Nach einer Lieferung von drei Datensätzen zur Probe hat der Informant ein Honorar von 500.000 DM oder eine Beteiligung an den Steuermehreinnahmen gefordert.40 Jedoch haben diese Vorgänge keinesfalls zu einer derart breiten öffentlichen Debatte geführt wie die nachfolgenden Fälle. 2.
Liechtenstein I: »Batliner« (1997)
Im Zuge der sogenannten »Batliner«-Affäre sind 1997 erst dem Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« und dann im Jahre 2000 dem deutschen Staat Daten von deutschen Steuerpflichtigen angeboten worden, die ein ehemaliger Mitarbeiter des liechtensteinischen Treuhänders und Rechtsanwalts Prof. Dr. Herbert Batliner, der Österreicher Klaus Lins, angefertigt hatte.41 Zwar ist die betreffende
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Vgl. für Liechtenstein Schwörer, wistra 2009, 452 (457). Dazu OLG Frankfurt a.M., wistra 1996, 159f.; Kurz, Der Spiegel Nr. 34/1998, 64 (65). OLG Frankfurt a.M., wistra 1996, 159 (160). Dazu Esskandari, DStZ 1999, 322; Tipke, BB 1998, 241 (245); Wendt, DStZ 1998, 145. Zur Batliner-Affäre Bölke/Schreiber, Der Spiegel Nr. 51/1997, 70 (72ff.); Göres/Kleinert, NJW
Sachverhaltsschilderung
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CD der Bochumer Staatsanwaltschaft anonym zugestellt worden, doch hat der BND den Informanten nach Veröffentlichung des »Spiegel«-Berichts kontaktiert und diesem ein »Honorar« gezahlt, ohne jedoch die Strafverfolgungsbehörden davon zu unterrichten.42 Anders als in den späteren Fällen haben die auf deutscher Seite involvierten Behörden ihr Verhalten nicht untereinander abgestimmt, so dass es sich nicht um eine gemeinsame »Ankaufsaktion« gehandelt hat. Dennoch lässt sich nicht davon sprechen, dass ein Ankauf überhaupt nicht stattgefunden habe.43
3.
Liechtenstein II: LGT (2008)
Die »Affäre Kieber« hat im Februar 2008 ganz Deutschland beschäftigt, nachdem infolge des Ankaufs einer Datensammlung eine medienwirksame Durchsuchung mit anschließender Verhaftung des damaligen Vorstandsvorsitzenden der »Deutsche Post AG«, Dr. Klaus Zumwinkel, statt gefunden hat. Dass das Echo in der Öffentlichkeit lauter als in den vorangegangen Fällen gewesen ist, lässt sich erstens mit der Prominenz der betroffenen Personen, zweitens mit der Höhe des Kaufpreises und drittens mit der Dimension der angekauften Daten erklären. Die durch den Ankauf zu erwartenden Einnahmen liegen deutlich über dem, was der Staat in den anderen Fällen erhalten hat.44 Ermöglicht worden ist der Datenankauf durch die abenteuerliche Geschichte45 eines ehemaligen Bankmitarbeiters. Heinrich Kieber, ehemaliger Mitarbeiter der der liechtensteinischen Fürstenfamilie gehörenden LGT-Bank, hatte während seiner Beschäftigung Kundendaten von circa 1.400 Deutschen und weiteren internationalen Kunden46 ansichgebracht. Seine Aufgabe während seines Arbeitsverhältnisses bestand darin, Datenbestände zu Archivierungszwecken zu digitalisieren.47 Vielfach wird angenommen, er habe dabei Kopien der Datensätze auf CDs oder DVDs angefertigt.48 Nach eigener Darstellung hat Heinrich Kieber hingegen während seiner Tätigkeit für die LGT, aber nach der durch ihn erfolgten Kündigung ein Tagessicherungsband, das die Daten des gesamten Systems unverschlüsselt enthalten hat, mitgenommen – angeblich
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2008, 1353 (1356); Schmid, Der Spiegel Nr. 48/2004, 54ff.; Schwärzler/Wagner/Frommelt, SAM 2010, 2f.; Wagner, SAM 2008, 101 (102); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17f. Dohmen/Jaeger u.a., Der Spiegel Nr. 8/2008, 20 (29). So aber Sonn, Steuer-CD-Affäre, 2, Fn. 5. Vgl. dazu Sonn, Steuer-CD-Affäre, 2, Fn. 5; Spatscheck, FS Volk, 771 (772). Vgl. zu den Hintergründen Kieber, Tatsachenbericht, 1ff. Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 9/2008, 30 (30, 34). Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 9/2008, 30 (31); Spatscheck, FS Volk, 771 (773f.). Davon ausgehend z. B. Erb, FS Roxin 80, 1103; Spatscheck, FS Volk, 771 (774); Auch wenn in der Diskussion sowohl von einer Daten-CD als auch von einer Daten-DVD die Rede ist, wird im Folgenden der Einfachheit halber von einer CD gesprochen.
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Vorüberlegungen
ohne zu wissen, ob und wie er diese Daten je verwenden würde. Zudem behauptet er, circa 2.150 Originaldokumente ansichgebracht zu haben.49 Das entwendete Material enthält nicht nur für die Kontoführung wesentliche Informationen, sondern auch detaillierte Angaben von Geldflüssen, Notizen über Kundengespräche, Details der Bestandteile des Kundenvermögens, Stiftungsunterlagen inklusive der Angabe des wirtschaftlich Berechtigten und der Gründungsdokumente. Zudem zählen interne LGT-Dokumente, unter anderem Material zur Dokumentation der Einhaltung von Sorgfaltspflichten, zu den Bestandteilen des Materials.50 Die hinter den Daten stehenden »Kundenschicksale« weisen dabei eine gewisse Bandbreite auf: Teilweise handelt es sich um Kunden, die legales Geld auf vergleichsweise schlichte Auslandskonten verbracht haben, um die Erträge nicht versteuern zu müssen, teilweise sind komplexe Stiftungsstrukturen gewählt worden, mitunter ist auch der angelegte Betrag als solcher nicht versteuert und von zweifelhafter Herkunft.51 Mit diesen Datensätzen hat Heinrich Kieber 2003 zunächst versucht, das Fürstenhaus Liechtenstein zu erpressen. Sein Ziel war es, dass ein in Liechtenstein gegen ihn geführtes Verfahren wegen Betrugs im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften in Spanien eingestellt werden sollte und dass seine ehemaligen Partner bei diesen Immobiliengeschäften wegen ihrer angeblich ihm gegenüber begangenen Straftaten zur Verantwortung gezogen werden.52 Fürst Hans Adam II. von Liechtenstein ist auf die Erpressungen nicht eingegangen. Zwar hat Heinrich Kieber im Rahmen des wegen der Erpressung in Liechtenstein erfolgten Ermittlungsverfahrens einen Datenträger mit Daten zurückgegeben, doch hat er sowohl über weitere Ausgaben der Daten als auch über andere brisante Daten verfügt, so dass er unter einem Decknamen Kontakt zu verschiedenen Staaten aufnehmen und ihnen die Datensammlung zum Kauf anbieten konnte. Der Kontakt zwischen deutschen Amtsträgern und Herrn Kieber soll im Sommer 2006 stattgefunden haben, teilweise in Deutschland, teilweise auch in Straßburg.53 Nachdem die Bundesrepublik Deutschland zunächst eine Datenprobe zur Prüfung verlangt hat, hat sie anschließend den gesamten Datensatz gegen Zahlung von circa 4,6 Millionen Euro erworben. Im Zuge des Datenankaufs ist Heinrich Kieber eine neue Identität verschafft worden, um die Strafverfolgung durch das Fürstentum Liechtenstein zu erschweren.54 Das Ge49 Kieber, Tatsachenbericht, 174ff., 194; vgl. auch Zieschang, FS Scheuing, 794 (796). 50 Dohmen/Jaeger u.a., Der Spiegel Nr. 8/2008, 20 (22); Dohmen/Schmid, Der Spiegel Nr. 46/ 2008, 52; Kieber, Tatsachenbericht, 174ff. 51 Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 9/2008, 30 (34f.); Kieber, Tatsachenbericht, 140ff.; hingegen geht Sonn, Steuer-CD-Affäre, 1 stets von Schwarzgeld aus. 52 Kieber, Tatsachenbericht, 169ff. 53 Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 9/2008, 30 (31); Spatscheck, FS Volk, 771 (774). 54 Betzinger/Rutemöller, ZRP 2008, 95 (96).
Sachverhaltsschilderung
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schäft ist durch den BND (Abteilung für Terrorismus und Organisierte Kriminalität)55 und die Wuppertaler Steuerfahndung abgewickelt worden. Dabei hat die Steuerfahndung die Daten geprüft, offenbar aber auch selbst Gespräche mit Herrn Kieber geführt, während der BND die Organisation und Abwicklung der Kontakte übernommen hat. Auch die Übergabe der Probedaten soll durch den BND erfolgt sein.56 Der endgültige Datensatz soll aber an die Steuerfahndung direkt übergeben worden sein, allerdings bei Anwesenheit des BND, der von der Steuerfahndung im Herbst 2006 um Amtshilfe gebeten worden sein soll.57 Welche Rolle der BND allerdings genau gespielt hat, insbesondere ob es sich tatsächlich um Amtshilfe für die Strafverfolgungsbehörden gehandelt hat, ist bis heute unklar. Teilweise wird auch davon ausgegangen, der BND habe die Daten ohne Beteiligung anderer Behörden angekauft, in Empfang genommen und erst danach an die Finanzbehörden weitergeleitet.58 Auch Heinrich Kieber selbst macht keine Angaben zu den Details seiner Zusammenarbeit mit dem BND.59 Zudem ist nicht geklärt, woher die Kaufsumme stammt, die aber von einem Konto des BND abgebucht worden sein soll. Nach Medienberichten soll der BND die Kosten erstattet bekommen, wenn die auf Grund der CD nachzuzahlenden Steuergelder beim Fiskus eingegangen sind.60 Die Bundesregierung hat zur Frage der Kostentragung lediglich erklärt, dass die Kostenverteilung bei Datenankäufen jeweils für den Einzelfall zwischen dem Bund und den beteiligten Bundesländern verhandelt werde.61 Bereits kurz nach dem Erwerb der Daten sind diese diversen anderen Staaten kostenlos zur Verfügung gestellt worden.62 Über die gesamten Vorgänge des Datenankaufs sollen sowohl das Bundeskanzleramt als auch das Bundesfinanzministerium informiert gewesen sein.63 Basierend auf der angekauften Datensammlung sind bereits nach Auswertung eines Drittels der Daten 588 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, was zu Einnahmen in Höhe von 200 Millionen Euro an Steuern sowie Geld- und Bewährungsauflagen geführt hat.64 Die Ermittlungen sind geführt worden von der Staatsanwaltschaft Bochum und der Steuerfahndung des Finanzamts 55 So Jahn, FS Stöckel, 259 (261). 56 Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 9/2008, 30 (31). 57 Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 9/2008, 30 (34); Dohmen/Jaeger u.a., Der Spiegel Nr. 8/ 2008, 20 (23). 58 So Jahn, FS Stöckel, 259 (261); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 3. 59 Vgl. Kieber, Tatsachenbericht, 605. 60 Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 9/2008, 30 (34); Dohmen/Jaeger u.a., Der Spiegel Nr. 8/ 2008, 20 (24). 61 BT-Drucks. 17/1074, 2. 62 Schauerte, Steuer-CDs, 7. 63 Dohmen/Jaeger u.a., Der Spiegel Nr. 8/2008, 20 (23). 64 BT-Drucks. 17/1074, 2.
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Vorüberlegungen
Wuppertal.65 Soweit die Datensammlung Daten ausländischer Kunden betrifft, werden die Daten vom BND ausgewertet.66 Auf Grund des Geschehens ist durch die Rechtsanwälte von Schirach und Noll Strafanzeige gegen Mitglieder der Bundesregierung und Mitarbeiter des BND erstattet worden.67 Da das Verfahren jedoch wegen fehlender Strafanträge und der Ablehnung des öffentlichen Interesses nach § 170 II StPO eingestellt worden ist,68 ist auch dadurch keine abschließende Klärung der Strafbarkeit der deutschen Amtsträger erfolgt. Dabei ist insbesondere die Ablehnung des öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung bemerkenswert. 4.
Liechtenstein III: LLB (2008)
In den gleichen Zeitraum fällt das sogenannte LLB-Verfahren69, das Kontodaten deutscher Steuerzahler bei der Liechtensteinischen Landesbank zum Gegenstand hat. Diese sind von einem Mitarbeiter des Bankhauses kopiert worden – in Papierform, nicht als Datei. Anschließend ist damit ebenfalls zunächst die Bank selbst erpresst worden. Nachdem die LLB zunächst nicht auf die Erpressung eingegangen und der Mitarbeiter in Liechtenstein verurteilt worden ist, sind die Kontodaten auf ungeklärte Weise an Michael Freitag, vorbestraft wegen mehrerer Banküberfälle und der Entführung eines Unternehmersohns in den neunziger Jahren, gelangt. Michael Freitag hat zunächst vergeblich versucht, die Daten dem Staat zu verkaufen und hat anschließend gemeinsam mit Helfern einige Kunden mit den Daten erpresst. Aus unterschiedlichen Gründen sind die mit den Kunden geplanten »Geschäfte« jeweils gescheitert, so dass erneut die LLB erpresst worden ist. Da das Finanzamt Bremen vorher einige Kontenblätter erhalten hatte, hatte die Erpressung besonderen Nachdruck. Daher verwundert es kaum, dass die LLB dieses Mal der Erpressung nachgegeben hat und ihre eigenen Daten in zwei Etappen zurückgekauft hat. Kurz vor Übergabe der zweiten Datenmenge sind die Erpresser jedoch verhaftet worden, wobei die relevanten Daten offenbar nicht aufgefunden werden konnten. Daher sind die Daten durch Michael Freitag beziehungsweise seinen Vertretern dem Bundesfinanzministerium angeboten worden, wobei als Gegenleistung eine Strafmil-
65 Jahn, FS Stöckel, 259 (261); Römer, StraFo 2009, 194; Salditt, PStR 2008, 84 (87). 66 Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 9/2008, 30 (35); Dohmen/Jaeger u.a., Der Spiegel Nr. 8/ 2008, 20 (24). 67 Dazu Bruns, StraFo 2008, 189. 68 Dazu D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (48). 69 Zum LLB-Fall BGH, NStZ-RR 2011, 143ff.; Jaeger, Der Spiegel Nr. 12/2008, 41; Spatscheck, FS Volk, 771 (773).
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derung gefordert worden ist. Das Bundesfinanzministerium hat das Angebot abgelehnt.70 Während des Verfahrens hat die Verteidigung dem Gericht Datensätze übergeben – allerdings nicht uneigennützig, sondern erneut in Erwartung einer deutlichen Strafmilderung. Die geforderte Strafmilderung ist besonders problematisch gewesen, da der Sachverhalt auch ohne die Mithilfe des Angeklagten fast vollständig aufgeklärt gewesen ist,71 die Strafmilderung daher kaum mit Blick auf das Verfahren, sondern nur mit Verweis auf die Steuerdaten gerechtfertigt werden konnte. Die Steuerdaten sind durch Gericht und Staatsanwaltschaft an die Steuerfahndung weitergeleitet worden.72 5.
Schweiz I: »Elmer« (2008)
Bereits vor der bekannten Schweizer-Datenaffäre (dazu unten 6.) hat Rudolf Elmer, ehemaliger Chefbuchhalter des Schweizer Bankhauses Julius Bär auf den Cayman-Inseln, ab 2005 Informationen über Kunden an Deutschland, die Schweiz und die USA weitergegeben und im Internet veröffentlicht, nachdem er seit seiner Entlassung 2002 zunächst versucht hatte, die Daten in der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber zu nutzen. Anders als in den vorangegangen Fällen hat Rudolf Elmer kein Honorar verlangt, sondern ist zumindest vorgeblich tätig geworden, um die Moral des Schweizer Finanzwesens zu fördern. An die Daten gelangt ist er nach eigener Aussage, da er während seiner Beschäftigung auf den Cayman-Inseln auch als Hurrikan-Beauftragter der Bank fungierte und daher bei Verlassen der Cayman-Inseln im Zeitpunkt einer Wetterwarnung stets eine Sicherheitskopie des Bankservers bei sich hatte – so auch in dem Moment, als er entlassen wurde. Seit 2007 ermitteln die deutschen Behörden in diesem Fall, 2008 sind die Geschehnisse der breiten Öffentlichkeit bekannt geworden.73 6.
Schweiz II (2010)
Die durch die Liechtenstein-Affäre aufgekommene Diskussion ist bereits zwei Jahre später erneut aufgeflammt, als im Februar 2010 verschiedene Angebote über diverse Datensätze publik geworden sind. Zu Beginn dieser Ankaufswelle haben deutsche Amtsträger Daten mehrerer Schweizer Banken erworben. Zudem hat der deutsche Staat durch die beteiligten Bundesländer Daten zu 70 71 72 73
Dazu Gallandi, ZRP 2008, 128; Jaeger, Der Spiegel Nr. 12/2008, 41. Dazu Jaeger, Der Spiegel Nr. 12/2008, 41. So Spatscheck, FS Volk, 771 (773). Dazu Balzli/Stark, Der Spiegel Nr. 10/2008, 64ff.; Spatscheck, FS Volk, 771 (775); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (18).
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Vorüberlegungen
Schweizer Konten einer britischen Bank angekauft.74 Auch wenn die Schweiz zunächst im Fokus gestanden hat, haben sich die Geschäfte wenig später auch auf Daten anderer Staaten bezogen, so im Jahre 2011 beispielsweise auf Steuerdaten einer Luxemburger Tochter der britischen HSBC-Bank.75 Wie sehr die Frage des Datenankaufs politisch und rechtlich umstritten ist, hat sich daran gezeigt, dass zwar Nordrhein-Westfalen und andere Bundesländer angebotene CDs gekauft haben, Baden-Württemberg ein entsprechendes Angebot aber zumindest zunächst abgelehnt hat.76 Die Bundesregierung hat den Ankauf nicht nur begrüßt, sondern sich auch an den Kosten beteiligt.77 Das Bundesfinanzministerium sieht sich auf Grund seiner Stellung als oberste Bundesbehörde in der Zuständigkeit, bei Datenankäufen unterstützend mitzuwirken und verweist insoweit auch auf § 5 I Nr. 28 FVG, der die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Angelegenheiten der Finanzverwaltung regelt. Im Zuge der nach der Liechtenstein-Affäre aufgekommenen Debatte hat sich das Ministerium mit den Bundesländern dahingehend verständigt, dass die Länder für die Entscheidung über Datenankäufe zuständig sind und den Bund lediglich informieren.78 Über die Kostenverteilung solle je nach Einzelfall entschieden werden. Allerdings legt die Bundesregierung Wert auf die Feststellung, dass die Werthaltigkeit der Daten vor einer Entscheidung über den dafür gezahlten Preis geprüft wird.79 Später hat man sich darauf verständigt, den Kostenanteil grundsätzlich nach der Verteilung der Steuern zu bestimmen und somit die Kosten zwischen Bund und Bundesländern hälftig aufzuteilen, wobei die Kosten zwischen den beteiligten Bundesländern nach dem für die Aufteilung des Steueraufkommens genutzten »Königsteiner Schlüssel« verteilt werden.80 Für die Bundesmittel wird laut Bundesregierung auf Haushaltsmittel des Bundesfinanzministeriums zurückgegriffen, die dem Bundeszentralamt für Steuern (Einzelplan 08) durch den Titel 53999 (Vermischte Verwaltungsausgaben) zugeordnet sind.81 Die Bundesregierung hat ihre Unterstützung des Datenankaufs damit be74 Zu diesen Sachverhalten Esskandari/Kische, AO-StB 2010, 67; Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277; Heerspink, AO-StB 2010, 155f.; Heine, ASA 2010/2011, 525f.; Schauerte, Steuer-CDs, 8ff.; Schmid, Der Spiegel Nr. 42/2010, 26f. 75 Dazu Satzger, FS I. Roxin, 421. 76 Dazu Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277; Heerspink, AO-StB 2010, 155f.; Heine, ASA 2010/ 2011, 525 (526); Schauerte, Steuer-CDs, 10f., wonach Baden-Württemberg zwar den Ankauf einer Sammlung abgelehnt hat, jedoch nach dem Ankauf durch den Bund und Niedersachsen um die Überlassung der Daten zur Nutzung gebeten hat. 77 So Ostendorf, ZIS 2010, 301. 78 BT-Drucks. 17/1074, 2f.; 17/12623, 1f. 79 BT-Drucks. 17/1074, 2f. 80 BT-Drucks. 17/10657, 3. 81 BT-Drucks. 17/12623, 4.
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gründet, dass man »alles tun« müsse, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung und die Steuergerechtigkeit zu gewährleisten. Dabei handele es sich bei dem Datenankauf um das einzige Mittel, insbesondere in Fällen mit Auslandsberührung.82 Die Befürworter eines Datenankaufs haben vor allem darauf abgestellt, dass der Staat gleichmäßig vorgehen müsse und die neue Datensammlung nicht anders behandeln dürfe als die Datensammlung aus Liechtenstein.83 Zudem sei ein Datenankauf nötig, um die Beihilfe der Schweizer Banken zur Steuerhinterziehung in Deutschland zu bekämpfen.84 Im Unterschied zur Liechtenstein-Affäre ist jedoch diesmal der BND nicht involviert gewesen. Die Vorgänge sind alleine durch die Strafverfolgungsbehörden unter Federführung der Steuerfahndung Wuppertal abgewickelt worden.85 Mitunter wird angenommen, dass die Datenübergabe in Frankreich stattgefunden hat.86 Gelegentlich wird auch von einer Übergabe in Deutschland ausgegangen.87 Eine Übergabe in Deutschland wie Satzger88 damit zu begründen, dass die Strafverfolgungsbehörden schon aus Gründen des Respekts vor anderen Staaten keine entsprechende Handlung im Ausland vorgenommen hätten, erscheint angesichts der Gesamtmaterie »Steuerdaten« fraglich. Schließlich ist das Vorgehen der Bundesrepublik bei der Frage des Datenankaufs nicht gerade von Respekt vor der Souveränität anderer Staaten und ihres Rechtssystems geprägt. Andernfalls hätte Deutschland kaum die Beschaffung von Betriebsgeheimnissen ausländischer Unternehmen honoriert und das Bankgeheimnis der betroffenen Staaten derart massiv diskreditiert89. Zu genauen Übergabemodalitäten werden von Seiten des Staats keine Angaben gemacht. Wahrscheinlich dürfte eine Übergabe im Ausland sein, da der Informant sich in Deutschland dem Risiko der Ausübung staatlicher Zwangsbefugnisse ausgesetzt sieht.90 So wäre in Deutschland eine Beschlagnahme des Materials zumindest möglich, wenngleich im Hinblick auf weitere Informanten nicht gerade strategisch hilfreich. Bezüglich der Zahlung wird teilweise91 eine Übergabe des Kaufpreises direkt am Übergabeort durch Bargeld angenommen, 82 BT-Drucks. 17/1074, 3f. 83 Vgl. die Darstellung bei Balzli/Bartsch u.a., Der Spiegel Nr. 6/2010, 18 (19f.). 84 Ansicht des nordrhein-westfälischen Finanzministers Walter-Borjans, dargestellt bei Seher, Westfalenpost Nr. 57/2012, PJO 2. 85 Werner, IWB 2010, 164f. 86 Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (783); Werner, IWB 2010, 164 (167). 87 Satzger, FS Achenbach, 447 (449f.); Wulf, PStR 2012, 33 (35) zumindest hinsichtlich der Probedaten. 88 Satzger, FS Achenbach, 447 (449f.). 89 Zur einer ebenfalls auf den fehlenden Respekt vor dem Rechtssystem anderer Staaten abstellenden Kritik an der deutschen Vorgehensweise vgl. auch Wagner, SAM 2008, 101 (103ff.). 90 So auch Erb, FS Roxin 80, 1103 (1119). 91 Werner, IWB 2010, 164 (167).
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Vorüberlegungen
teilweise92 wird aber auch davon ausgegangen, das Geld sei erst nach Übergabe auf Auslandskonten überwiesen und durch Zwischenschaltung eines Notars als Erbschaft deklariert ausgezahlt worden. Denkbar erscheinen grundsätzlich beide Varianten. Doch dürfte der Informant zumeist die direkte Übergabe bevorzugen, damit er sich sicher sein kann, die Gegenleistung auch zu erhalten. Über den genauen Inhalt der Daten sind ebenfalls keine Angaben gemacht worden. Mitunter wird angenommen das Material habe Namen, Geburtsdaten, Kontaktdaten, den Kontoeröffnungszeitpunkt und die Vermögenswerte der Betroffenen enthalten.93 Demnach wäre das Material nicht ganz so umfangreich gewesen wie die auch aus Originaldokumenten und internen Vermerken bestehenden Unterlagen, die Heinrich Kieber beschafft hat. Dazu passt, dass zumindest in einem Fall der Informant das Material angeblich von Hand abgeschrieben und dann in Excel-Tabellen überführt haben soll.94 Im Zuge dieser »Datengewinnung« sind 1.100 Verfahren in Deutschland eingeleitet worden.95 Im Kontext der verschiedenen Schweizer Datensammlungen hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass noch eine Vielzahl weiterer Angebote existiere, die aber überwiegend nicht von Interesse seien.96 Eine durch Nordrhein-Westfalen für 2,5 Millionen Euro angekaufte CD betrifft Daten der Credit Suisse und ist von deren Mitarbeiter Sina L. erstellt worden, indem dieser sich während seiner Anstellung bei der Credit Suisse in das Computersystem der Bank gehackt hat und die dabei erlangten Daten handschriftlich auf Papier übertragen hat. Sina L. ist in der Schweiz wegen wirtschaftlichen Nachrichtendiensts zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden. Er hat die Datensammlung der Bundesrepublik Deutschland über den österreichischen Vermittler Wolfgang Umfogl angeboten. Im Rahmen ihrer Bemühungen, auf die 2,5 Millionen Euro zuzugreifen, hat die Schweiz mehrere Rechtshilfeersuchen an die deutschen Behörden gerichtet, die allerdings unbeantwortet geblieben sind.97 Der Datenankauf hat in der Schweiz große Empörung ausgelöst. Unter anderem ist der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und den beteiligten Steuerfahndern vorgeworfen worden, sie hätten nicht nur, wie zugegeben, eine 92 Koblenzer, StBMag 2012, 16 (18f.) auch zu den bei einem solchen Vorgehen bestehenden Bedenken bezüglich einer Hinterziehung von Schweizer Steuern; noch anders wiederum Wulf, PStR 2012, 33 (35f.), der unter Verweis auf interne Vermerke ebenfalls von der Zwischenschaltung eines Notars ausgeht, aber zu wissen meint, dass die Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen des Landes Nordrhein-Westfalen als Grund für die Überweisung angegeben worden ist. 93 Wulf, PStR 2012, 33 (35). 94 Zu den Abschriften Wulf, PStR 2012, 33 (36). 95 Pawlik, JZ 2010, 693. 96 BT-Drucks. 17/1074, 5. 97 Dazu Seher, Westfalenpost Nr. 55/2012, PJO 1; ders., Westfalenpost Nr. 157/2012, PWI 1.
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CD für 2,5 Millionen Euro erworben, sondern darüber hinaus über einen Vermittler die Beschaffung weiterer Datensammlungen und anderer bankinterner Dokumente in Auftrag gegeben.98 Teilweise wird argumentiert, ein derartiges Verhalten überschreite die strafrechtlichen Grenzen, während ein bloßer Ankauf angebotener CDs zulässig sei.99 Als Folge der Datenankäufe ist im März 2012 in der Schweiz ein Haftbefehl gegen drei deutsche Steuerfahnder wegen Beihilfe zur Wirtschaftsspionage erlassen worden, wobei der Schwerpunkt des Vorwurfs gerade in den »Ausforschungsaufträgen« liegt.100 Sozusagen im Gegenzug ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen Mitarbeiter der Credit Suisse wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung.101 Die durch den Datenankauf angestoßene Diskussion hat zu Verhandlungen zwischen Deutschland und der Schweiz hinsichtlich eines neuen Steuerabkommens geführt. Sowohl die Brisanz als auch die Bedeutung des Themas zeigen sich darin, dass im Rahmen dieses Steuerabkommens zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen werden soll, dass sich Deutschland aktiv um den Erwerb von Steuerdaten bemüht.102 Dass damit zukünftig Fälle des Datenankaufs zumindest bezogen auf die Schweiz verhindert würden, darf allerdings bezweifelt werden. So bietet die Formulierung des aktiven Bemühens doch immerhin einen gewissen Spielraum.103 Es wird in Erwägung gezogen, dass es sich bei einer Geldzahlung nach einem von dem Informanten ausgehendem Angebot lediglich um eine passive Entgegennahme handele.104 Hinzu kommt, dass sich trotz der Regelungen des neuen Steuerabkommens Geldverschiebungen in die Schweiz wohl nicht erledigt haben dürften.105 Auch gilt das Verbot direkt nur für den Bund, nicht jedoch für die Bundesländer.106 In der Folgezeit hat sich herausgestellt, dass die Debatte um das Steuerabkommen anstatt zu einer Verhinderung von Datenankäufen zu einem erneuten Boom geführt hat.
98 Zu gezielten Ausforschungsaufträgen Koblenzer, StBMag 2012, 16 (20); Seher, Westfalenpost Nr. 55/2012, PPL 1; ders., Westfalenpost Nr. 55/2012, PJO 1; ders., Westfalenpost Nr. 84/2012, PPL 1; ders., Westfalenpost Nr. 157/2012, PWI 1. 99 Ansicht des Steuerrechtlers Balke, dargestellt bei Seher, Westfalenpost Nr. 57/2012, PJO 2. 100 Dazu Seher, Westfalenpost Nr. 84/2012, PPL 1; ders., Westfalenpost Nr. 157/2012, PWI 1. 101 Zu den Ermittlungen gegen die Credit Suisse-Mitarbeiter Wulf/Talaska, PStR 2010, 242. 102 Vgl. zur Regelung im Steuerabkommen Seher, Westfalenpost Nr. 55/2012, PJO 1. 103 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 5f. 104 Dazu Sonn, Steuer-CD-Affäre, 5f.; Die Qualifizierung als passive Entgegennahme ist meines Erachtens höchst zweifelhaft, da eine Geldzahlung schwerlich ein rein passives Verhalten darstellen dürfte. 105 Dazu Roth, Stbg 2013, 29 (29, 33); Schweins, Westfalenpost Nr. 55/2012, PPL 2. 106 Eine Verpflichtung der Bundesländer, auf Grund der Verpflichtung zu bundestreuem Verhalten bereits vor Ratifizierung des Abkommens von weiteren Käufen abzusehen, erwägt Roth, Stbg 2013, 29 (33), lässt die Frage jedoch letztendlich offen.
42 7.
Vorüberlegungen
Jüngere Entwicklungen (ab 2012)
Erneut in den Fokus gerückt ist die Diskussion um den Ankauf von Steuer-CDs Mitte des Jahres 2012. In diesem Fall hat Nordrhein-Westfalen bekannt gegeben, in verschiedenen Fällen einige Daten-CDs mit Material von diversen Schweizer Banken angekauft zu haben.107 Auch Rheinland-Pfalz hat 2012 einen Datensatz, bei dem Daten der Schweizer Credit Suisse betroffen gewesen sind, angekauft. In diesem Fall hat Nordrhein-Westfalen eine Beteiligung an den Ankaufskosten zugesagt,108 wobei unklar ist, ob Rheinland-Pfalz von Anfang an mit dem Ankauf für mehrere Bundesländer beauftragt worden ist oder ob Nordrhein-Westfalen erst nach dem Ankauf angeboten hat, sich gegen Überlassung der Daten an den Kosten zu beteiligen. In einem Fall, der ausnahmsweise auf Informationen eines deutschen Mitarbeiters einer Schweizer Bank zurückzuführen ist, ist der vereinbarte Kaufpreis nur zu einem geringen Teil (200.000 E) ausgezahlt worden, während für den Restbetrag Steuerschulden in Deutschland erlassen worden sind.109 Dieser Informant hat seine Daten auch den Niederlanden angeboten, die allerdings auf Grund rechtlicher Bedenken von einem Ankauf abgesehen haben.110 Die erneuten Daten-Ankäufe sind vor dem politischen Hintergrund des bereits erwähnten Steuerabkommens zwischen Deutschland und der Schweiz zu verstehen. Die Verabschiedung des Steuerabkommens ist blockiert worden, da die SPD-regierten Länder ihre Zustimmung im Bundesrat verweigert haben.111 Daher ist der Datenankauf durch den nordrhein-westfälischen Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans unter anderem mit Verweis auf das Steuerabkommen begründet worden. Durch den erhöhten Druck könne die Schweiz zu einer Nachverhandlung des Steuerabkommens gezwungen werden.112 Zudem ist zunächst behauptet worden, die Datensammlungen enthielten Beweise über die Unterstützung, die Schweizer Banken deutschen Kunden für eine Kapitalverlagerung in den asiatischen Raum böten. Später soll sich jedoch herausgestellt haben, dass die Vorfälle keinesfalls aktuell sind, sondern durch die nordrhein-
107 Dazu Blasius, Westfalenpost Nr. 200/2012, PPL 1; Goebels, Westfalenpost Nr. 186/2012, PWP 1; Seher, Westfalenpost Nr. 185/2012, PWP 2; ders., Westfalenpost Nr. 194/2012, PPL 1. 108 Zu dem Ankauf durch Rheinland-Pfalz Meldung in der Westfalenpost Nr. 89/2013, PWP 1; Seher, Westfälische Rundschau Nr. 47/2014, RRP 1. 109 Seher, Westdeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 149/2013, WRP 1. 110 Seher, Westdeutsche Allgemeine Zeitung Nr. 149/2013, WRP 1. 111 Zum Zusammenhang zwischen Datenankauf und Steuerabkommen Seher, Westfalenpost Nr. 194/2012, PPL 1. 112 Walter-Borjans, Handelsblatt Nr. 164/2012, 16.
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westfälische Regierung gezielt gestreut worden sind, um die Position der Schweiz in den Verhandlungen zu schwächen.113 Von staatlicher Seite wird unterstrichen, dass Datenankäufe für den Staat ein lohnendes Geschäft seien. Laut Angaben des nordrhein-westfälischen Finanzministers Dr. Norbert Walter-Borjans haben verschiedene staatliche Stellen von 2010 bis 2012 insgesamt 10.000.000 E für Daten ausgegeben, aber 2.500.000.000 E eingenommen, wobei 500.000.000 E auf die Auswertung der Datensammlungen entfallen, während der Rest auf Einnahmen aus den signifikant gehäuften Selbstanzeigen zurückzuführen ist.114 Die Empörung der Schweiz gegen das deutsche Vorgehen hat sich in einer Strafanzeige niedergeschlagen, die gegen Dr. Norbert Walter-Borjans durch einen Schweizer Rechtsanwalt wegen Verletzung schweizerischen Strafrechts erstattet worden ist.115 Im Verlauf der Debatte hat die damalige Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger die Schaffung eines eigenen Datenhehlereitatbestands vorgeschlagen, um so den staatlichen Datenankauf zu verhindern. Dieser Vorschlag ist von der Bundesregierung jedoch zurückgestellt worden. Zudem hat Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble seine Ansicht, dass den Amtsträgern kein rechtlicher Vorwurf zu machen sei, bekräftigt.116 In der Folgezeit sind immer wieder Datensammlungen angekauft worden. Auch die Anfang 2015 erfolgten Durchsuchungen bei der Commerzbank, die auf Grund von Erkenntnissen aus einem Datenankauf veranlasst worden sind,117 zeigen, dass die Brisanz des Themas weiterhin ungebrochen ist. Inzwischen kann man den Datenankauf als »Standard-Maßnahme der Steuerfahndung«118 betrachten. Als bloße Zufallsfunde lassen sich die Daten zumindest gegenwärtig nicht mehr glaubhaft charakterisieren,119 sofern eine solche Einordnung überhaupt jemals realistisch gewesen sein sollte.
113 Goebels, Westfalenpost Nr. 186/2012, PWP 1; Seher, Westfalenpost Nr. 194/2012, PPL 1. 114 Dazu Walter-Borjans, Handelsblatt Nr. 164/2012, 16; zum Anstieg der Selbstanzeigen durch Datenankäufe auch Mückenberger/Iannone, NJW 2012, 3481. 115 Vgl. dazu die Meldung in der Westfalenpost Nr. 201/2012, PPL 1. 116 Ansicht dargestellt bei Kerl, Westfalenpost Nr. 206/2012, PRG 2. 117 Dazu Jost/Kunz/Seibel, WamS Nr. 9/2015, 32; Mussler, FAZ Nr. 47/2015, 22. 118 Roth, Stbg 2013, 29. 119 Ähnlich Küpper, jurisPR-StrafR 24/2010, Anm. 2, der im Kontext der Liechtenstein-Affäre darauf abstellt, dass bei zukünftigen Wiederholungen nicht mehr von Zufallsfunden gesprochen werden könne.
44 II.
Vorüberlegungen
Entscheidende Weichenstellungen aus strafrechtlicher Sicht
Nachdem nun einige Fälle vorgestellt worden sind, bei denen die Strafbarkeitsfrage in letzter Zeit praktisch relevant geworden ist, können die für die rechtliche Beurteilung entscheidenden Punkte herausgearbeitet werden. Zudem kann die Themenstellung dieser Arbeit präzisiert werden. 1.
Übergeordnete Aspekte
Von entscheidender Bedeutung ist zunächst die Frage nach den internationalen Gegebenheiten. In den bisherigen Fällen sind Daten ausländischer Unternehmen Gegenstand des Geschehens gewesen. Auch verfügte der jeweilige Mitarbeiter zumindest im Regelfall nicht über die deutsche Staatsangehörigkeit.120 Die Handlungen des Mitarbeiters haben sich ebenso regelmäßig im Ausland abgespielt wie zumindest ein Teil der Handlungen der deutschen Amtsträger. Damit entstehen sowohl Probleme des Strafanwendungsrechts als auch Probleme des Schutzbereichs des Tatbestands. 2.
Aspekte bezüglich des Bankmitarbeiters
Die Beurteilung des Verhaltens des Bankmitarbeiters ist zunächst davon abhängig, wie genau er an die Daten gelangt ist. Möglich ist, dass er die Daten »auf technischem Wege«, das heißt ohne Verkörperung, erlangt hat. Dabei kommt es darauf an, ob und wie die Daten gesichert gewesen sind. Denkbar ist aber auch, dass der Mitarbeiter die Daten durch Mitnahme von Sicherungsbändern oder anderen Unterlagen und damit als Verkörperung ansichgebracht hat. Für die rechtliche Würdigung ebenfalls relevant ist der genaue Zuständigkeitsbereich des Mitarbeiters und die Frage, ob die Datenweitergabe noch während seiner Beschäftigung in dem jeweiligen Unternehmen erfolgt ist oder erst nachgelagert. Daraus ergeben sich nicht nur entscheidende Weichenstellungen für die verschiedenen Delikte des § 17 UWG und für die Bestimmung der Daten im Rahmen von § 202a StGB. Auch für eine mögliche Untreuestrafbarkeit nach § 266 StGB ist die Stellung des Mitarbeiters innerhalb des Unternehmens relevant. Eine besondere Bedeutung kommt der Gegenleistung zu. Wie man an dem LLB-Fall erkennt, kann eine Honorierung des Mitarbeiters nicht nur in Form einer Geldzahlung, sondern auch in Form eines Strafabschlags erfolgen. Auch im Falle Heinrich Kiebers hat die Gegenleistung neben der Geldzahlung aus einem nichtgeldwerten Teil in Gestalt der Identitätsverschaffung bestanden. Daher 120 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 26.
Sachverhaltsschilderung
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stellt sich die Frage, ob die andere Form der Gegenleistung etwas an der strafrechtlichen Bewertung ändert. Ein weiterer Faktor, der in die Erörterung miteinzubeziehen ist, ist die Motivation des Mitarbeiters.
3.
Aspekte bezüglich der staatlichen Stellen
Auch bezüglich der staatlichen Stellen kommt der Frage nach der Art der Entlohnung des Informanten eine bedeutende Rolle zu. Weiterhin ist es entscheidend, welche staatliche Stelle genau tätig geworden ist. Hat der BND gehandelt, stellt sich die Frage, ob spezielle geheimdienstliche Befugnisse eingreifen. Für die Klärung dieser Frage muss zudem erörtert werden, ob der BND aus eigenem Recht tätig geworden ist oder ob er den Strafverfolgungsbehörden inklusive den Finanzbehörden (gemäß § 386 I AO Strafverfolgungsbehörden bei Steuerstrafsachen) Amtshilfe geleistet hat.
4.
Präzisierung der Themenstellung
Diese Arbeit befasst sich ausschließlich mit »Datenankäufen«, das heißt mit Sachverhalten, in denen von staatlicher Seite eine Gegenleistung für die Datenüberlassung erbracht worden ist. Soweit die eingangs geschilderten Beispielsfälle eine kostenlose Datenherausgabe oder eine Datenerlangung auf prozessualem Wege beinhalten, sind sie lediglich zur Abrundung der Gesamtmaterie »Steuerdaten« geschildert worden. Zudem dienen sie der Illustration der verschiedenen Wege, auf denen die Informanten an das Material gelangen können. Eine Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung (§ 370 AO) infolge des Datenankaufs wird in dieser Arbeit sowohl hinsichtlich des Bankmitarbeiters als auch hinsichtlich der Vertreter des deutschen Staats nicht erörtert. Als Ansatzpunkte kommen dabei zum einen die umsatzsteuerrechtliche Behandlung des Datenankaufs121 und zum anderen eine unter Umständen bestehende Einkommensteuerpflicht122 des Informanten in Betracht. Obwohl die mögliche Verwirkli121 Dazu BT-Drucks. 17/1074, 3; 17/10657, 4; Rasche, UR 2008, 285ff., wonach der Informant bei einem Verkauf von Daten an mehrere Staaten als Unternehmer zu qualifizieren sei, so dass der Bund zumindest bei Informanten aus Nicht-EU-Staaten Umsatzsteuer abführen müsse; Roth, Stbg 2013, 29 (32), der die Unternehmereigenschaft verneint; Spatscheck, FS Volk, 771 (782), der eine Umsatzsteuerverpflichtung des Bundes bejaht. 122 Dazu BT-Drucks. 17/1074, 3; 17/10657, 4; 17/12623, 7, wonach 10 % des Kaufpreises als Pauschalbesteuerung einbehalten werden, obwohl staatlicherseits eigentlich davon ausgegangen wird, dass der Informant auf Grund von Doppelbesteuerungsabkommen nur in seinem Heimatland steuerpflichtig ist.
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Vorüberlegungen
chung von Steuerdelikten angesichts der staatlichen Rechtfertigung der Ankäufe fraglos besondere Brisanz hätte, stellen sich dabei primär steuerrechtliche und weniger strafrechtliche Probleme, so dass diese Aspekte im Sinne einer Begrenzung des Themas außer Acht gelassen werden.
2. Kapitel: Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Zunächst stehen die Handlungen des Bankmitarbeiters123 im Zentrum, da ohne eine genaue Bewertung124 dieses Verhaltens keine präzisen Aussagen über die Strafbarkeit der Vertreter des deutschen Staats gemacht werden können.
A.
Tatbestandsspezifische Aspekte
Erörtert wird die Frage, ob sich der Bankmitarbeiter nach deutschem Strafrecht strafbar gemacht hat. Außer Acht bleibt, ob gegen strafrechtliche Bestimmungen Liechtensteins, Luxemburgs, der Schweiz125 oder anderer Staaten, in denen die Banken ansässig sind, verstoßen worden ist.
I.
Strafbarkeit durch die Beschaffung der Daten
Bei der Betrachtung der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters wird zunächst die Beschaffung der Daten betrachtet, ehe anschließend die Weiterleitung der Daten analysiert wird. 123 Nachfolgend wird überwiegend von Bankmitarbeitern gesprochen, obwohl, wie in den Beispielssachverhalten gesehen, auch Treuhandmitarbeiter oder Außenstehende als Informanten auftreten. Wo Differenzierungen erforderlich sind, wird darauf hingewiesen. 124 Gerade die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters wird leider in der Aufarbeitung der Steuerdatenfälle mitunter nur kursorisch geprüft, so z. B. von Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Kühne, GA 2010, 275 (276). 125 Zur Rechtslage in den Staaten, in denen die Bankunternehmen ansässig sind, Gössel, FS Puppe, 1377 (1384f.); Heine, ASA 2010/2011, 525 (528ff.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1088ff.); Jahn, FS Stöckel, 259 (281); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (782f.); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1272f.); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (302f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186f.; Schünemann, GA 2008, 314 (328); Sieber, NJW 2008, 881; Spatscheck, FS Volk, 771 (779); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (438f.); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (23ff.).
48
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Sonn126 spricht sich in den Steuerdatenfällen gegen die Fokussierung auf den Begriff der Daten aus, da der Kern des möglicherweise verwirklichten Unrechts in der Beschaffung und Preisgabe fremder Informationen zu sehen sei, wobei diese Informationen seiner Ansicht nach nicht stets Daten darstellen müssten. Offenbar bezieht er sich auf den Datenbegriff des § 202a II StGB. Bezüglich der Unrechtsbestimmung ist Sonn fraglos beizupflichten, da es für die Einordnung der Steuerdatenfälle nicht ausschlaggebend sein kann, ob Daten im Sinne des § 202a II StGB oder Informationen in Papierform betroffen sind. Doch ist hinsichtlich des Datenbegriffs zu beachten, dass dieser keineswegs stets so eng zu verstehen ist, wie es die Legaldefinition des § 202a StGB festlegt. So kommt in § 3 I BDSG gerade keine Begrenzung auf Informationen ohne unmittelbare Wahrnehmbarkeit zum Ausdruck. Daher wird nachfolgend zumeist der Begriff der »Daten« verwendet, allerdings in einem rein deskriptiven Sinne und ohne dass damit zugleich eine Begrenzung auf Daten im Sinne des § 202a II StGB verbunden wäre. 1.
§ 242 StGB: Diebstahl / § 246 StGB: Unterschlagung
Grundsätzlich kommen zwar ein Diebstahl127 und eine Unterschlagung128 in Betracht. In den meisten Sachverhaltskonstellationen scheitert eine solche Strafbarkeit jedoch entweder bereits an der fehlenden Sachqualität der Daten oder – sollte eine Sache vorliegen – spätestens an der fehlenden Fremdheit dieser Sache: Werden die relevanten Daten ausschließlich auf elektronischem Wege beispielsweise per E-Mail auf einen privaten Rechner übertragen, ist nie eine Sache entwendet worden.129 In Fällen, in denen ein Speichermedium wie eine CD verwendet worden ist, fehlt es zwar nicht an der Sache,130 doch dürfte bei lebensnaher Betrachtung131 zumeist eine tätereigene CD eingesetzt worden sein. Ein Diebstahl oder eine Unterschlagung kommt mithin nur in Betracht, wenn 126 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 31. 127 In den Steuerdatenfällen erwähnt z. B. von Erb, FS Roxin 80, 1103 (1118); Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1357); Heine, ASA 2010/2011, 525 (530f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1091); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (782); Samson/ Langrock, wistra 2010, 201 (202); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 32ff.; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (19); Zieschang, FS Scheuing, 794 (798). 128 In den Steuerdatenfälle erwähnt z. B. von Erb, FS Roxin 80, 1103 (1118); Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1357); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (782); Kühne, GA 2010, 275 (276); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308). 129 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 34; im Ergebnis auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (19). 130 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 35. 131 So auch Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 31, 36; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (19).
Tatbestandsspezifische Aspekte
49
es sich bei der zur Datenabspeicherung genutzten CD oder DVD um Eigentum der Bank gehandelt hat oder aber wenn eine Datensammlung in Papierform entwendet worden ist.132 Dass dieses Szenario zwar im Hinblick auf eine inzwischen stark digitalisierte Arbeitswelt nicht wahrscheinlich,133 aber auch nicht völlig auszuschließen ist, zeigt der Fall Heinrich Kiebers, der ein Sicherungsband der LGT und mehrere Dokumente in Papierform mitgenommen hat und dabei sicherlich keinen Rückgabewillen gehabt hat.134 In solchen Fällen liegt grundsätzlich ein Diebstahl vor. Lediglich für den Fall, dass der Mitarbeiter Alleingewahrsam an dem Speichermedium oder den Unterlagen gehabt hat, scheidet ein Diebstahl mangels Wegnahme aus. Dann ist in der Mitnahme jedoch eine Zueignung zu sehen, so dass eine Unterschlagung vorliegt. Dieser Fall dürfte in den Steuerdatenfällen jedoch nur in Sonderfällen anzunehmen sein. Schließlich wird bei einer Überlassung in Betriebsräumen ein Alleingewahrsam von Mitarbeitern üblicherweise abgelehnt.135 Alleingewahrsam des Mitarbeiters scheint lediglich naheliegend für Konstellationen wie den Fall Rudolf Elmers, bei denen der Mitarbeiter zunächst befugtermaßen mit den Daten längere Strecken zurückgelegt hat. Festgehalten werden kann demnach, dass eine Strafbarkeit des Bankmitarbeiters nach § 242 StGB (oder in Ausnahmefällen nur nach § 246 StGB) durchaus möglich ist, in vielen Fällen jedoch scheitern wird, so dass gestützt auf die Diebstahlsstrafbarkeit keine allgemeingültige Aussage über die Strafbarkeit in den Steuerdatenfällen getroffen werden kann. Hinzu kommt der Umstand, dass die Diebstahlsstrafbarkeit nicht den Kern des Unrechts, das heißt die missbräuchliche Erlangung fremder Daten, widerspiegelt.136
132 Angesichts der ganz überwiegend vertretenen Meinung, die bei der Beurteilung als Sache nicht auf den Wert abstellt (dazu Fischer, § 242, Rn. 3a; L/K/Kühl, § 242, Rn. 2; Wessels/ Hillenkamp, BT 2, Rn. 74), scheint das Abstellen auf den geringen Sachwert, wie es in den Steuerdatenfällen von Kühne, GA 2010, 275 (276) zur Verneinung des Tatbestands vorgenommen wird, ohnehin fernliegend. Hinzu kommt, dass der Sachwert von Speichermedien oder Papier nicht völlig bedeutungslos ist, so wie hier hinsichtlich des Sachwerts auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 35f. 133 So auch Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202); hingegen erachtet Sonn, Steuer-CDAffäre, 18, 36 ein solches Szenario sogar für vernachlässigenswert. 134 Kieber, Tatsachenbericht, 174ff., wobei die in Anführungszeichen gesetzte Formulierung »ausgeliehen« (175) zeigt, dass er gerade keinen Rückgabewillen gehabt hat. 135 Dazu Kalbfus, WRP 2013, 584 (588). 136 Ähnlich Heine, ASA 2010/2011, 525 (530f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1091); Jungbluth/ Stepputat, DStZ 2010, 781 (782); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 31.
50 2.
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
§ 202a StGB: Ausspähen von Daten
Gerade in Zeiten, in denen Daten vermehrt elektronisch gespeichert werden, könnte einer Strafbarkeit wegen Ausspähens von Daten nach § 202a StGB137 eine besondere Bedeutung zukommen.138 a) Daten Für eine Strafbarkeit nach § 202a StGB muss es sich bei den »Steuerdaten« um Daten im Sinne der Norm handeln. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass laut Absatz 2 der Norm kennzeichnend für den Datenbegriff des § 202a StGB das Fehlen der unmittelbaren Wahrnehmbarkeit ist. Daher scheidet eine Strafbarkeit aus, wenn es sich um Dokumente in Papierform handelt.139 In sonstigen Fällen können die Daten der Bankkunden hingegen als Daten im Sinne der Norm angesehen werden,140 beispielsweise bei Sicherungsmedien oder bei im Computer gespeicherten Datensätzen. § 202a StGB schützt nach herrschender Meinung141 das formelle Geheimhaltungsinteresse des Verfügungsberechtigten – in diesem Fall mithin das Geheimhaltungsinteresse der jeweiligen Bank. Da die Norm dem Schutz eines Individualrechtsguts dient, ist es unschädlich, dass es sich um Daten ausländischer Unternehmen handelt.142 137 In der Debatte um den Steuerdatenankauf z. B. erwähnt bei Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (47); Benkert, FS Schiller, 27 (31); Beulke, Jura 2008, 653 (664, Fn. 146); ders., StrafprozessR, Rn. 481; Erb, FS Roxin 80, 1103 (1115, 1118); Fahl, ZJS 2009, 63 (67); Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1357); Gössel, FS Puppe, 1377 (1386ff.); Habetha, ZRP 2012, 223; Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Joecks, SAM 2011, 21; Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (782); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Kühne, GA 2010, 275 (276); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202f.); Sieber, NJW 2008, 881 (884); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 37ff.; Trüg, StV 2011, 111 (112); ders./ Habetha, NJW 2008, 887 (888f.); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (19f.); Zieschang, FS Scheuing, 794 (798). 138 Im vorliegenden Kontext außer Acht bleiben soll jedoch eine Strafbarkeit nach § 202c StGB, da dort lediglich Fälle der Vorbereitung einer letztendlich erfolglosen Straftat nach § 202a StGB erfasst werden. Erfolglose Versuche der Datenbeschaffung sind für die Steuerdatenfälle jedoch gerade untypisch, so im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 52f., der dem Delikt jedoch etwas mehr Raum zubilligt; vgl. auch Kühne, GA 2010, 275 (276), der auf die Möglichkeit einer Strafbarkeit nach § 202c StGB verweist, das Delikt aber nicht erörtert. 139 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 42. 140 So auch Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 42. 141 L/K/Heger, § 202a, Rn. 1; Möhrenschlager, wistra 1986, 128 (140). 142 So auch Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202); anders hingegen Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1273f.), der Fragen des Rechtsgutschutzes und des Strafanwendungsrechts vermischt und die Anwendbarkeit von § 202a StGB verneint, da in den Steuerdatenfällen, anders als von ihm für die Anwendbarkeit von § 202a StGB verlangt, kein inländisches Datenschutzsystem angegriffen werde. Eine solche Argumentation verstößt aber gegen den Grundsatz des Schutzes ausländischer Individualrechtsgüter (dazu näher unten in diesem
Tatbestandsspezifische Aspekte
51
b) Fehlende Bestimmung für den Täter Die Daten dürfen nicht für den Täter bestimmt gewesen sein, damit eine Strafbarkeit nach § 202a StGB möglich ist. Zuständig für die Bestimmung der Daten ist der Verfügungsberechtigte, das heißt derjenige, der für die Datenspeicherung verantwortlich ist.143 Das ist in den Steuerdatenfällen das Bankoder Treuhandunternehmen beziehungsweise dessen Vertreter. Ob die Daten nicht für den Täter bestimmt sind, hängt davon ab, ob der Bankmitarbeiter die Daten dienstlich nutzen darf. Unwesentlich ist, ob ihm die konkrete Nutzung gestattet ist, wenn der Täter die Daten nur generell nutzen darf.144 Daraus folgt, dass es in den Steuerdatenfällen nicht darauf ankommt, ob die Anfertigung »privater Sicherungskopien« oder die Mitnahme von Sicherungsmaterial durch den jeweiligen Mitarbeiter zulässig ist, sondern nur darauf, ob der Informant die generelle Erlaubnis zum Umgang mit den Daten hat.145 Dies wird von Kelnhofer/Krug146 für die Steuerdatenfälle generell und allein mit Blick auf die Menge der durch den Mitarbeiter beschafften Daten verneint. Diese These ist meines Erachtens allein schon wegen ihrer Pauschalisierung abzulehnen.147 Zudem haben gerade im modernen Wirtschaftsleben Mitarbeiter vielfach Zugriff auf große Datenmengen. Auch haben die geschilderten Beispielssachverhalte gezeigt, dass die Informanten häufig eine Tätigkeit inne gehabt haben, die gerade die Einbeziehung großer Datenmengen verlangt (Archivierung, Hurrikan-Sicherung). Laut eigener Darstellung hat Heinrich Kieber im Rahmen seiner Archivierungstätigkeit die Erlaubnis zum Zugriff auf alle Daten gehabt,148 so dass in diesem Fall eine Strafbarkeit nach § 202a StGB ausscheidet. Ähnlich verhält es sich im Fall Rudolf Elmers, der für die Betreuung des Sicherungsservers zuständig gewesen ist. Daran zeigt sich, dass an diesem Tatbestandsmerkmal die Strafbarkeit in vielen Fällen scheitern wird. Doch gibt es einige Konstellationen, in denen die beschafften Daten nicht für den Bankmitarbeiter bestimmt sind. Dies trifft vor allem zu auf Mitarbeiter mit völlig anderem Zuständigkeitsbereich und auf ehemalige Mitarbeiter, die sich die Daten erst nach Ende ihrer Beschäftigungszeit beschaffen, beispielsweise indem
143 144 145 146 147 148
Kapitel unter I. 5. c) cc) (2) (c)), zumal kein Gesichtspunkt erkennbar ist, warum gerade hier ein ausländisches Rechtsgut schutzlos bleiben sollte. Möhrenschlager, wistra 1986, 128 (140). Zu Fragen der Bestimmung der Daten allgemein Fischer, § 202a, Rn. 7; LK/Hilgendorf, § 202a, Rn. 22; S/S/Lenckner/Eisele, § 202a, Rn. 11. So auch Benkert, FS Schiller, 27 (31); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 43ff.; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (19). Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); ähnlich auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113. Vgl. auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1387), der einen Katalog von Tätigkeiten aufstellt, bei denen die Daten für den Mitarbeiter bestimmt sind. Kieber, Tatsachenbericht, 149. Zu beachten ist jedoch, dass Heinrich Kieber seine Taten hauptsächlich durch Mitnahme von ungesicherten Sicherungsbänden und Papierdokumenten begangen hat und § 202a StGB daher in seinem Fall nicht eingreift.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
sie durch Hacking in das System eindringen. Handelt es sich bei dem Täter um einen Außenstehenden, sind die Daten ebenfalls nicht für ihn bestimmt.149 Wenn Mitarbeiter, die grundsätzlich dienstlichen Zugang zu den Daten haben, die Firma nach Geschäftsschluss aufsuchen, um beispielsweise Kopien für eigene Zwecke anzufertigen, wird üblicherweise ebenfalls davon ausgegangen, dass die Daten nicht mehr für den Mitarbeiter bestimmt sind.150 Meines Erachtens überzeugt eine solche Handhabung jedoch nicht: Wenn es während eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses nicht darauf ankommt, ob die konkrete Art der Nutzung gestattet ist, sondern nur darauf, ob die Informationen generell zur Kenntnis genommen werden dürfen, kann es auch nicht darauf ankommen, ob die Informationen gerade zu dem bestimmten Zeitpunkt genutzt werden dürfen. Wer zu Recht die Möglichkeit zu einer inhaltlichen Begrenzung der einmal erteilten Befugnis ablehnt, da es nun einmal nur auf den formalen Zugang zu den Daten ankommt,151 kann das Recht zu einer zeitlichen Beschränkung schwerlich begründen.152 Dafür sprechen schon Bestimmtheitsgründe. So treten beispielsweise Schwierigkeiten auf, wenn der Bankangestellte die maßgeblichen Handlungen während seiner Überstunden vornimmt, insbesondere wenn die Lage der genauen Arbeitszeiten in dem jeweiligen Unternehmen nicht starr vorgegeben ist, sondern frei bestimmt werden kann. Daher spricht viel dafür, stets davon auszugehen, dass die Daten für den Täter bestimmt sind, wenn er sie während des maßgeblichen Gesamtzeitraums nur generell nutzen darf. Einer Ablehnung des Kriteriums der konkreten Nutzungszeit steht es nicht entgegen, bei einem Mitarbeiter, der die Daten früher dienstlich nutzen durfte und nun beispielsweise nach Versetzung keinen dienstlichen Umgang mehr mit den Daten hat, davon auszugehen, dass die Daten nicht mehr für ihn bestimmt sind. Anders als bei dem Kriterium der konkreten Arbeitszeit liegt bei dem Wechsel des Aufgabengebiets eine eindeutige Zäsur vor, die zu einem Erlöschen der Verfügungsbefugnis zumindest für eine gewisse Dauer führt. Der Fall ähnelt vielmehr der Konstellation des Mitarbeiters, der von Anfang an einen anderen Zuständigkeitsbereich gehabt hat. Mithin ist eine Strafbarkeit nach § 202a StGB nur möglich, wenn es sich um ehemalige Mitarbeiter der Bank, um Mitarbeiter mit einem anderen Aufgabenbereich oder um Außenstehende handelt.
149 150 151 152
Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 50. LK/Hilgendorf, § 202a, Rn. 23; Schmitz, JA 1995, 478 (482). So z. B. LK/Hilgendorf, § 202a, Rn. 22f. So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 47ff.
Tatbestandsspezifische Aspekte
53
c) Überwindung der Zugangssicherung Für die Daten muss eine Zugangssicherung existieren, die durch den Täter überwunden werden muss. Es müssen mithin Vorrichtungen existieren, die den unbefugten Zugang zumindest erschweren.153 Die besondere Sicherung wird in den Steuerdatenfällen üblicherweise bejaht mit Blick auf im Bankwesen übliche Vorkehrungen.154 Die Frage dürfte jedoch stark vom jeweiligen Sachverhalt abhängen. Geht man davon aus, dass der Mitarbeiter wie im Fall Heinrich Kiebers ihm zugängliche Sicherungsbänder, die ohne spezielle Zugangsvoraussetzungen geöffnet werden konnten, mitgenommen hat,155 fehlt es an der besonderen Sicherung. Betrachtet man einige der tatsächlich vorgefallenen Steuerdatenfälle, so überrascht es, wie leicht der Zugang zu so sensiblen Daten in der Praxis ist. Dennoch ist es nicht auszuschließen, dass die Steuerdaten in manchen Fällen durch das Überwinden von Zugangssicherungen erlangt worden sind oder zukünftig erlangt werden. d) Verschaffen des Zugangs Zudem muss sich der Informant den Zugang zu den Daten verschaffen. Dafür erforderlich ist das Schaffen einer eigenen Herrschaftsposition, beispielsweise durch Ansichnahme eines Datenträgers.156 Auch dies ist wieder von den Einzelheiten des Sachverhalts abhängig, dürfte in den Steuerdatenfällen aber meist vorliegen,157 wenn schon die vorangegangenen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. e) Unbefugtheit der Zugangsverschaffung »Unbefugt« ist nach herrschender Meinung kein Tatbestands-, sondern ein Rechtfertigungsmerkmal,158 so dass auf die Erörterungen in diesem Kapitel unter C. verwiesen werden kann. f) Strafantrag (§ 205 I 2 StGB) § 205 I 2 StGB normiert ein relatives Strafantragserfordernis. Auch wenn Verletzter nur der formell Verfügungsberechtigte,159 also das Bankhaus ist, kann bei fehlendem Antrag die Bejahung des öffentlichen Interesses zu einer Ahndung 153 Fischer, § 202a, Rn. 8; L/K/Heger, § 202a, Rn. 4. 154 Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Trüg, StV 2011, 111 (112); ders./Habetha, NJW 2008, 887 (888f.). 155 Vgl. auch das Beispiel bei Zieschang, FS Scheuing, 794 (796). 156 L/K/Heger, § 202a, Rn. 5. 157 So im Ergebnis auch Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202). 158 S/S/W/Bosch, § 202a, Rn. 9; Fischer, § 202a, Rn. 12; S/S/Lenckner/Eisele, § 202a, Rn. 24; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 43. 159 S/S/Lenckner/Eisele, § 205, Rn. 4.
54
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
führen. Ein öffentliches Interesse soll gerade dann vorliegen, wenn die Interessen der materiell von den Daten Betroffenen berührt sind,160 wie es in den Steuerdatenfällen mit der Berührung der Kundeninteressen gegeben ist.161 Dies ist in den Steuerdatenfällen von besonderer Bedeutung, weil manche Bankhäuser eine Strafverfolgung verhindern wollen, um öffentliches Aufsehen zu vermeiden. g) Ergebnis: § 202a StGB Die vorangegangenen Erörterungen zeigen, dass die Bedeutung von § 202a StGB für die Steuerdatenfälle nur einzelfallbezogen bestimmt werden kann.162 Grundsätzlich erscheint ein Ausspähen von Daten möglich. Dafür muss der Sachverhalt jedoch drei Voraussetzungen erfüllen: Erstens muss es sich um Daten im Sinne der Norm handeln, so dass § 202a StGB ausscheidet, wenn der Informant durch Ansichnahme von herkömmlichen Unterlagen an die Informationen gelangt. Zweitens darf der Bankmitarbeiter nicht dienstlich mit den Daten betraut gewesen sein. In den bekanntesten Steuerdatenfällen haben die Informanten jedoch zulässigerweise mit den Daten gearbeitet. Gerade an diesem Punkt wird eine Strafbarkeit daher häufig scheitern. Drittens müssen die erlangten Daten durch eine Zugangssicherung besonders geschützt sein, woran es in der Praxis erstaunlicherweise gelegentlich fehlt. Festgehalten werden kann daher abschließend, dass die sich in den Steuerdatenfällen im Rahmen von § 202a StGB stellenden Sachfragen vielmehr faktischer als rechtlicher Natur sind. In manchen Fällen wird § 202a StGB eingreifen, während zumindest in der Mehrzahl der bekanntesten Sachverhalte eine Strafbarkeit abzulehnen ist. Eine allgemeingültige Aussage über die Strafbarkeit des Informanten kann daher gestützt auf § 202a StGB nicht getroffen werden.
3.
§ 202b StGB: Abfangen von Daten
Grundsätzlich möglich erscheint auch eine Strafbarkeit wegen des Abfangens von Daten nach § 202b StGB.163 Wie § 202a StGB setzt § 202b StGB das Verschaffen von Daten, die nicht für den Täter bestimmt sind, voraus, so dass diesbezüglich auf die obige Erörterung verwiesen werden kann. Im Unterschied zu § 202a StGB werden von § 202b nur Eingriffe in die Datenübermittlung pönalisiert. Kennzeichnend für die Steuerdatenfälle ist zwar der Zugriff auf bei dem Unternehmen bereits vorliegende Daten, doch bezieht sich § 202b StGB auch auf interne Übermittlungsvorgän160 161 162 163
Fischer, § 205, Rn. 2. So im Ergebnis auch Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (205). Ähnlich auch Benkert, FS Schiller, 27 (31). Ewähnt z. B. bei Kühne, GA 2010, 275 (276); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 51f.
Tatbestandsspezifische Aspekte
55
ge164. So kann § 202b StGB beispielsweise von Bedeutung sein, wenn interne EMails zwischen verschiedenen mit einem Vorgang betrauten Mitarbeitern während der Übertragung durch technische Mittel abgefangen werden. Die geforderte Nichtöffentlichkeit der Datenübermittlung liegt bei E-Mail-Kommunikation vor.165 Eine solche Datenbeschaffung erscheint zwar nicht ausgeschlossen und ist denkbar vor allem im Zusammenhang mit technischen Maßnahmen, die ergriffen werden, um an bereits im System befindliche Daten zu gelangen, entspricht jedoch in den Steuerdatenfällen nicht dem klassichen Vorgehen der Informanten.166 Festgehalten werden kann daher, dass eine Strafbarkeit nach § 202b StGB im Einzelfall durchaus vorliegen kann. Allgemeine Erkenntnisse über die rechtliche Einschätzung der Steuerdatenfälle können aus der Norm hingegen nicht abgeleitet werden.
4.
Sonstige Delikte mit Angriffen auf die Vertraulichkeit (§§ 201, 201a, 202 StGB)
Eine Strafbarkeit wegen Verletzung des Briefgeheimnisses (§ 202 StGB), Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a StGB)167 erscheint meines Erachtens völlig fernliegend. Zum einen entspricht ein solches Vorgehen nicht dem Verhalten der Informanten in den bisherigen Fällen.168 Vor allem aber sind es höchst ineffiziente Mittel, so dass es extrem unwahrscheinlich ist, dass ein Informant zukünftig auf entsprechende Maßnahmen zurückgreift. Dabei ist zu beachten, dass gerade im Zusammenhang mit Steuerdaten sensible Unterlagen zumeist persönlich entgegengenommen werden und nicht per Post zugeschickt werden. Der Zugriff auf Briefe ist mithin ein völlig ineffizientes Mittel und kann daher im vorliegenden Zusammenhang vernachlässigt werden. Eine akustische oder optische Überwachung von Bankvorgängen müsste sich, um ergiebige Erkenntnisse zu bringen, über einen längeren Zeitraum erstrecken und ist damit risikoreicher und ineffizienter als der einmalige Zugriff auf größere Datenmengen, wie er für die Steuerdatenfälle kennzeichnend ist. Die genannten Tatbestände haben in den Steuerdatenfällen daher weder gegenwärtig noch zukünftig Relevanz.169 164 165 166 167
Zum Bezugspunkt von § 202b StGB Fischer, § 202b, Rn. 3. S/S/Eisele, § 202b, Rn. 4. So tendenziell auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 52. Erörtert, wenn auch nur knapp, bei Sonn, Steuer-CD-Affäre, 56f., der auch noch § 206 StGB für erwähnenswert hält. 168 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 56. 169 Im Ergebnis ähnlich Sonn, Steuer-CD-Affäre, 57.
56 5.
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
§ 17 II Nr. 1 UWG: Betriebsspionage
Die Delikte des § 17 UWG bilden einen Schwerpunkt in der Strafbarkeitsdiskussion. Dabei kommt bezogen auf die Datenerlangung die Betriebsspionage nach § 17 II Nr. 1 UWG in Betracht.170 Gerade weil § 17 UWG für die Steuerdatenfälle eine zentrale Rolle spielt, werden vorab kurz die Hintergründe der Norm dargestellt, so dass darauf im weiteren Verlauf der Arbeit im Rahmen verschiedener Problemstellungen zurückgegriffen werden kann. a) Exkurs: Vorfragen zu § 17 UWG Nachfolgend wird auf die Hintergründe, das Rechtsgut und den Deliktscharakter des § 17 UWG eingegangen. Gründe für die Einführung des § 17 UWG sind der wirtschaftliche Wert der Geheimnisse sowie die einfache Möglichkeit zu ihrer Verletzung.171 Die besondere Schutzbedürftigkeit der Geheimnisse ergibt sich daraus, dass der Wert bei Bekanntwerden des Geheimnisinhalts nahezu vollständig entfällt.172 Trotz dieser Betonung des Geheimniswerts ist anerkannt, dass das Geschäftsgeheimnis keinen Wert haben muss, um durch § 17 UWG geschützt zu werden. Entscheidend ist allein, dass bei Kenntnis Dritter Nachteile drohen.173 Nach herrschender Meinung bezweckt § 17 UWG den Schutz zweier Rechtsgüter. Geschützt ist zum einen das Interesse der Allgemeinheit an einem lauteren und funktionsfähigen Wettbewerb174 und zum anderen ein Individualrechtsgut des Geheimnisträgers. 170 Eine Strafbarkeit erörtern z. B. Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112; Durst, PStR 2008, 134; Habetha, ZRP 2012, 223; Jahn, FS Stöckel, 259 (281); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 112ff.; Trüg, StV 2011, 111; Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; Zieschang, FS Scheuing, 794 (798f.); inzident auch D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (48); Beulke, Jura 2008, 653 (664); ders., StrafprozessR, Rn. 481; Gössel, FS Puppe, 1377 (1379ff.); Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Heine, FS v. Büren, 917 (921); ders., FS Roxin 80, 1087 (1094); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296); Sieber, NJW 2008, 881 (884); Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 543f.; Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (888); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (20f.). 171 Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, Vor §§ 17–19, Rn. 2; Emmerich, Wettbewerb, § 10, Rn. 1. 172 Wittig, WStR, § 33, Rn. 25; ähnlich auch Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, Vor §§ 17–19, Rn. 2. 173 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 9, 11; vgl. auch BGH (ZR), NJW 2006, 3424 (3426), wonach das Geheimnis keinen »bestimmten Vermögenswert zu besitzen« braucht. Der in dem Zusammenhang erfolgte Verweis auf die Kommentierung von Köhler legt jedoch nahe, dass der BGH nicht nur die Bezifferbarkeit des Werts für unbeachtlich erklärt, sondern ebenfalls davon ausgeht, das Geheimnis müsse keinen Wert haben. 174 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 2; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 2; MK/Janssen/ Maluga, UWG, § 17, Rn. 10; NK-UWG/Koehler/Hasselblatt, § 17, Rn. 1; Lehmler, UWG,
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Dabei ist umstritten, worin genau das geschützte Individualrechtsgut zu erblicken ist. Abgestellt wird je nach Ansicht175 auf das Vermögen,176 das Geschäftsgeheimnis als eigenständiges Rechtsgut,177 das Integritätsinteresse des Unternehmens,178 das Interesse an Geheimhaltung und Vertraulichkeit,179 einen Geheimbereich,180 oder auf die Dispositionsbefugnis des Geheimnisinhabers innerhalb der Entfaltung im Wettbewerb181. Welches Individualrechtsgut genau geschützt ist, kann für die in dieser Arbeit interessierenden Fragestellungen dahinstehen. Für die Steuerdatenfälle und die damit zusammenhängenden Problemfelder ist letztendlich lediglich zweierlei entscheidend:
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§ 17, Rn. 4; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 4; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (343ff.); Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 63; Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 189ff.; Nestoruk Strafrechtliche Aspekte, 113f.; Otto, wistra 1988, 125 (126); Pfeiffer, FS Nirk, 861 (865); Wawrzinek, Verrat, 84ff., der zusätzlich noch die deutsche Volkswirtschaft als zweites Kollektivrechtsgut betrachtet; Wittig, WStR, § 33, Rn. 30, 55, 62; hingegen lehnen Piper/Ohly, UWG, § 4, Rn. 11/86 (widersprüchlich aber zu Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 1: Schutz des Wettbewerbs als Sekundärrechtsgut) und Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 325ff. den Schutz eines Kollektivrechtsguts ab; MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 4 sieht ein Kollektivrechtsgut allenfalls als nachrangig geschützt an; ähnlich Föbus, Insuffizienz, 48, der sich nur für einen nachrangigen und reflexartigen Schutz ausspricht; kritisch zum Wettbewerbsschutz auch Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (332). Inzwischen überholt dürfte es angesichts der Vielzahl vom im Wirtschaftsleben agierenden juristischen Personen sein, das geschützte Rechtsgut im Persönlichkeitsrecht (so Rosenthal/Leffmann, UWG, § 17, Rn. 1) zu sehen (dazu Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (341)). Auch das arbeitsvertragliche Vertrauensverhältnis dürfte entgegen BayObLG, GRUR 1988, 634 (Schutz des Vermögens und des arbeitsvertraglichen Vertrauensverhältnisses, wobei letzteres wieder mit vermögensbezogenen Aspekten begründet wird) angesichts der auch für Außenstehende geltenden Regelungen in § 17 II UWG als Rechtsgut nicht mehr zu halten sein (dazu Wawrzinek, Verrat, 80). BayObLG, GRUR 1988, 634; MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 6; Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (333); Föbus, Insuffizienz, 33, 47f.; Mühlbauer, wistra 2003, 244 (246f.); Nestoruk, Strafrechtliche Aspekte, 113f.; Schünemann, ZStW 1978 (90), 11 (12); vgl. auch Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 4, der den Schutz des Geheimhaltungsinteresses mit dem Vermögensbezug des Geheimnisses begründet; Mithin dürfte die Meinung von Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (340), die auf das Vermögen abstellende Ansicht sei »überholt«, kaum zutreffen. Lehmler, UWG, § 17, Rn. 4; Pfeiffer, FS Nirk, 861 (865); Schmitz, JA 1995, 31; Trüg, StV 2011, 111; Wawrzinek, Verrat, 79ff.; kritisch dazu Heydt, GRUR 1939, 228 (229). Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 63; A. Koch, ZIS 2008, 500 (503). BT-Drucks. 8/2145, 28; 9/1707, 30; 10/5058, 41; NK-UWG/Koehler/Hasselblatt, § 17, Rn. 1; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 4, der das Geheimhaltungsinteresse gleichzeitig mit dem Vermögen verknüpft; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 4; Wittig, WStR, § 33, Rn. 30, 55, 62. Erbs/Kohlhass/Diemer, UWG, § 17, Rn. 2; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 2; Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191). Aldoney, FS Tiedemann, 1141 (1160); ders., Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 293f., 366.
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Zum einen ist von Bedeutung, dass § 17 UWG nicht ausschließlich dem Vermögensschutz dient. Gegen eine Verengung auf den Vermögensschutz spricht der bereits dargestellte Grundsatz, dass das Geheimnis keinen Vermögenswert haben muss.182 Dieser Grundsatz erscheint vor dem Hintergrund folgender Überlegung sinnvoll: So steht die wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit bei manchen Geheimnissen, beispielsweise bei Erfindungen, die in einem frühen Entwicklungsstadium betroffen sind, noch nicht fest,183 so dass die Frage nach dem Wert des Geschäftsgeheimnisses schwerlich zu beantworten sein dürfte. Auch spricht die Reichweite möglicher Geschäftsgeheimnisse meines Erachtens gegen die Verengung auf den Vermögensschutz. Wie später noch dargestellt werden wird, ist für ein Geschäftsgeheimnis jede nicht offenkundige Tatsache ausreichend, die einen Unternehmensbezug beinhaltet. Darunter fallen somit nicht nur Erkenntnisse, die wirtschaftlich genutzt werden sollen, sondern ebenso Firmeninterna wie Geschäftspraktiken und ähnliche Umstände. Deren Offenbarung kann zwar mittelbar zu wirtschaftlichen Nachteilen wie Geldbußen, Schadensersatzzahlungen und Umsatzrückgängen durch Ansehensverlust führen, doch haben diese Geheimnisse trotzdem keinen Wert im engeren Sinne, so dass bei ihrem Bekanntwerden nicht das Vermögen, sondern primär das Geheimnis beziehungsweise, je nachdem welcher Ansicht man folgt, das Geheimhaltungsinteresse, der Geheimnisbereich oder die Dispositionsbefugnis über das Geheimnis betroffen ist. Zum anderen ist von Bedeutung, dass § 17 UWG nicht nur Kollektivinteressen, sondern auch dem Schutz eines Individualrechtsguts dient. Für den nicht nur nachrangigen Charakter des Individualschutzes spricht die Einschätzung des Gesetzgebers, der durch § 17 UWG »in erster Linie Unternehmen«184 geschützt sieht. Auch der Charakter als relatives Antragsdelikt unterstreicht die duale Rechtsgutsstruktur : Das Erfordernis des Strafantrags stellt die Individualinteressen der betroffenen Unternehmen in den Vordergrund. Die Möglichkeit, im Fall eines besonderen öffentlichen Interesses auf den Strafantrag zu verzichten, spiegelt die zumindest mitgeschützten kollektiven Interessen wider.185 Mithin wird einerseits ein Kollektivrechtsgut, andererseits ein Individualrechtsgut geschützt. Der Dualismus der Rechtsgüter führt, wie im Laufe der Arbeit gezeigt werden wird, zu Besonderheiten bei der Auslegung, die nicht in der bloßen Kombination zweier Rechtsgüter, sondern gerade in dem Zusam182 So auch Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 4 i.V.m. Fn. 20. 183 Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (340). 184 BT-Drucks. 9/1707, 31; 10/5058, 41; anders jedoch Bruch, NStZ 1986, 259 (260), der sich gegen einen individualschützenden Charakter ausspricht. 185 A.A. Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (332), die in der Ausgestaltung als Antragsdelikt das entscheidende Argument gegen den Schutz eines Kollektivrechtsguts erblicken.
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menspiel eines Individualrechtsguts einerseits mit einem Kollektivrechtsgut andererseits wurzeln. § 17 UWG wird überwiegend als abstraktes Gefährdungsdelikt eingeordnet.186 Die Einordnung ist überzeugend, da gerade das Kollektivrechtsgut des Wettbewerbs nicht bei jeder Tat des § 17 UWG konkret gefährdet oder gar verletzt ist.187 Nachdem die Hintergründe zu § 17 UWG nun beleuchtet sind, können die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 17 II Nr. 1 UWG im Hinblick auf die Steuerdatenfälle untersucht werden. b) Täterkreis Täter des Delikts nach § 17 II Nr. 1 UWG kann jeder sein. Mithin ist eine Strafbarkeit unabhängig von dem Bestehen einer Beschäftigung bei dem jeweiligen Unternehmen.188 c) Kundendaten als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis? Erörterungswürdig ist bereits die Frage, ob die Daten der betroffenen Bankkunden überhaupt als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis zu qualifizieren sind, auch wenn in der Erörterung der Steuerdatenfälle das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses mitunter189 als unproblematisch angesehen oder nicht näher thematisiert wird. Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis190 ist nach herrschender Meinung eine nicht offenkundige Tatsache, die einen Bezug zu einem Unternehmen aufweist und deren Geheimhaltung sich sowohl auf den Willen des Geheimnisherrn als auch auf ein berechtigtes Interesse191 daran stützen kann.192 186 Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094); Krüger, Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, 80 für § 17 I UWG; Wawrzinek, Verrat, 86f.; a. A. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 4, was aber mit generellen Zweifeln am Schutz eines Kollektivrechtsguts zu erklären ist. 187 So auch Wawrzinek, Verrat, 86f. 188 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 113. 189 Vgl. Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112; Durst, PStR 2008, 134; Gössel, FS Puppe, 1377 (1379); Jahn, FS Stöckel, 259 (281); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (782); Kelnhofer/ Krug, StV 2008, 660 (661); bezogen auf § 17 II Nr. 2 UWG Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); 69. DJT, Bd. II/2/Sieber, L 86 (L 89); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (888). 190 Eine Unterscheidung zwischen Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist zwar von der Definition her möglich, aber entbehrlich, vgl. Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (324); Krüger, Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, 20f.; Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 10f. 191 Das Erfordernis eines berechtigten Interesses ist umstritten, wird aber von der h. M. bejaht, vgl. zu der Diskussion Krüger, Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, 29ff.; 36. DJT, Bd. I/Schmidt, 101 (126ff.). 192 RG (ZR), GRUR 1938, 906 (907); BayObLGSt 40, 88 (91); MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 9; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 4; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 13; Achenbach/ Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 65; Emmerich, Wettbewerb, § 10,
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Die Daten der Kunden, das heißt Name und andere persönliche Angaben, insbesondere die Höhe und die Anlageform des angelegten Geldes, sowie die Geschäftsbeziehung zu der konkreten Bank, sind zweifelsohne Tatsachen, die der Allgemeinheit nicht bekannt und daher nicht offenkundig sind. Gleiches gilt für die teilweise betroffenen Strategiepapiere der Bank. Sonn193 hinterfragt, ob die Kenntnis der Kunden über ihr eigenes Vermögen die Offenkundigkeit begründe, da die Bank die Kunden und ihr Offenbarungsverhalten nicht kontrollieren könne. Im Ergebnis verneint er die Frage mit der Begründung, dass die Kundendaten allein deshalb für die Bank wirtschaftlich bedeutend seien, weil ihr Bekanntwerden den Kunden schaden könne. Bei einer Offenbarung durch den Kunden hingegen seien für die Bank keine negativen Auswirkungen zu befürchten, so dass sie diese auch nicht kontrollieren müsse. Meines Erachtens kommt es im Zusammenhang mit der Offenkundigkeit auf die Kundenkenntnis nicht entscheidend an: Offenkundigkeit liegt nach allgemeiner Ansicht nur dann vor, wenn sich jeder Interessierte ohne große Mühe eine entsprechende Kenntnis durch lautere Mittel verschaffen kann.194 Der Kunde als von den Tatsachen Mitbetroffener ist aber kein beliebiger Dritter. Auch wird er aus seinem eigenen Interesse die Informationen nicht bedenkenlos publik machen. Daher fehlt es trotz der Kundenkenntnis an der Offenkundigkeit. Zudem hat die Bank oder das Treuhandunternehmen sicher den Willen diese Tatsachen geheim zu halten.195 Gleiches gilt für den Willen des Kunden zur Geheimhaltung. An der Existenz eines grundsätzlich berechtigten Interesses zur Geheimhaltung dürfte ebenfalls sowohl aus Banken- als auch aus Kundensicht nicht zu zweifeln sein196 (zur Bedeutung möglicher Rechtsverstöße siehe unten unter bb)). Ob auf die Bankkunden oder das Unternehmen abgestellt werden muss, wird noch geklärt werden. An dieser Frage zeigt sich bereits, dass innerhalb des Geheimnisbegriffs verschiedene Problemkreise auftreten, die nachfolgend getrennt voneinander untersucht werden. aa) Problematik der Reichweite des Geschäftsgeheimnisses Zunächst ist zu klären, ob alle in den Steuerdatenfällen relevanten Informationen Geschäftsgeheimnisse darstellen.
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Rn. 6; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 8; Krüger, Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, 35; Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 10; Wawrzinek, Verrat, 91. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 96f. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 15; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 9; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 17; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 12; Dannecker, BB 1987, 1614 (1615); Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 68; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 506. So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 97ff. So bezogen auf die Banken auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 107.
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Unproblematisch als Geschäftsgeheimnis zu qualifizieren ist das in einigen Fällen zusätzlich zu den Kundendaten angeforderte Material,197 das Informationen über die konkrete Betreuung gerade deutscher Kunden durch die Bank enthält. Dagegen ist es erörterungswürdig, ob und zu welchen Schutzzwecken der Begriff der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Kundendaten, die den Hauptteil der Informationen ausmachen, miteinbezieht. Betrachtet man die Frage vor dem Hintergrund der Schutzrichtung des UWG und des Zwecks des § 17 UWG, so erscheint der Schutz der Kundendaten keinesfalls offensichtlich. Im Rahmen von § 17 UWG ist in Rechtsprechung und Literatur zwar anerkannt, dass Kundendaten ein Geschäftsgeheimnis darstellen können.198 Dabei geht es jedoch überwiegend um Fälle, in denen Adressdateien entwendet worden sind, um mit dem daraus ersichtlichen Kundenkreis ein Konkurrenzunternehmen zu begründen oder zu unterstützen. Im Mittelpunkt dieser Fälle steht gerade der Bezug der Daten zu dem jeweiligen Unternehmen. In den Fällen entwendeter Steuerdaten liegt der Schwerpunkt aber nicht auf der Frage, welche Kunden mit welcher Bank zusammenarbeiten, sondern bei den Details des Kundenvermögens.199 Daher sollte zumindest nach einer näheren Begründung für die Einbeziehung der Kundendaten in den Geheimnisschutz gefragt werden. Zudem sind die Fragen, wie der Schutz der Daten begründet wird und wer durch § 17 UWG geschützt ist, entscheidend für die weitere Auslegung der Norm und damit für andere erörterungsbedürftige Aspekte. Relevanz kann der geschützte Personenkreis auch für an die Strafbarkeit anknüpfende Folgefragen wie die Verwertung der möglicherweise deliktisch erlangten Geheimnisse entfalten. Die Erfassung von Kundendaten ist dabei über zwei Argumentationswege denkbar. Zum einen wären sie geschützt, wenn der Kunde an sich selbst durch § 17 UWG geschützt wäre. Zum anderen wäre ein Schutz denkbar, wenn zwar nur das Unternehmen geschützt wäre, die Kundendaten aber auch als Daten des Unternehmens betrachtet würden.
197 Zu den Details der Materialanforderung Koblenzer, StBMag 2012, 16 (18); Seher, Westfalenpost Nr. 55/2012, PPL 1; ders., Westfalenpost Nr. 55/2012, PJO 1; ders., Westfalenpost Nr. 157/2012, PWI 1. 198 RG (ZR), GRUR 1936, 573 (576); BGH, NJW 1992, 1776f.; BGH (ZR), NJW-RR 2003, 618 (620); NJW-RR 2003, 833; NJW 2006, 3424 (3424, 3426); OLG Celle (ZR), OLGR 1994, 337; LG Düsseldorf (ZR), K& R 2002, 101 (102); Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 23f.; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 66; Emmerich, Wettbewerb, § 10, Rn. 10; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 21; Götting, WR, § 13, Rn. 6; Gloy/HarteBavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 14; Lettl, WR, § 12, Rn. 10; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 6; Liebl/Müller/Wabnitz, Betriebs-Spionage, 255f.; Wemmer, K& R 2002, 103f.; Wittig, WStR, § 33, Rn. 44; kritisch Elster, GRUR 1932, 32 (33). 199 Ähnlich Sonn, Steuer-CD-Affäre, 94.
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(1) Schutz des Kunden an sich Wäre der Bankkunde als derjenige, den der Geheimnisinhalt betrifft, durch § 17 UWG geschützt, wäre die Diskussion über den Bezug der Daten zum jeweiligen Bankunternehmen entbehrlich, da der Kunde über einen eigenen originären Schutz verfügte. (a) Meinungsstand Überwiegend wird argumentiert, dass der Kunde als solcher und seine Geheimnisse nicht durch § 17 UWG geschützt seien, teilweise mit explizitem Hinweis auf den fehlenden Schutz des Bankgeheimnisses durch § 17 UWG.200 Verwiesen wird dabei insbesondere auf das Fehlen eines Unternehmensbezugs, der wie oben dargestellt, Teil der anerkannten Definition des Geschäftsgeheimnisses ist. So wird gerade in der Diskussion um die entwendeten Steuerdaten darauf verwiesen, dass die von den entwendeten Daten betroffenen Kunden schließlich keinen Geschäftsbetrieb mit dem Gegenstand der Steuerhinterziehung hätten.201 Eine von Tiedemann202 entwickelte Mindermeinung plädiert jedoch für den originären Kundenschutz. Kundendaten, gerade solche von Bankkunden, seien zwar einerseits auch ein Geheimnis der Bank, andererseits sei daneben der Kunde in den Schutzbereich des § 17 UWG miteinbezogen.203 Dass § 17 UWG über den Schutz des Unternehmensinteresses hinausgehe, sei an der Strafantragsregelung zu erkennen, die schließlich auch die Strafverfolgung aus öffentlichem Interesse zulasse.204 Die Hervorhebung des Verbraucherschutzes im Rahmen der Schutzzwecke des § 1 UWG indiziere zudem die Erfassung von Kundengeheimnissen um der Kunden willen.205 Somit sei auch eine Strafantragsbefugnis des Bankkunden anzuerkennen.206 (b) Bewertung Der Einbeziehung des Kundenschutzes in § 17 UWG ist zu widersprechen. Aus der Strafantragsregelung den Kundenschutz abzuleiten, wäre meines Erachtens 200 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 2; gerade auch bezogen auf die Steuerdatenfälle Heine, ASA 2010/2011, 525 (531f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1092); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274); Pawlik, JZ 2010, 693 (701); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441). 201 Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274). 202 Tiedemann, ZIP 2004, 294 (296); ders., WStR BT, Rn. 239, 308; allgemein für einen Schutz der durch die Gehemnisverletzung betroffenen Verbraucher Stoffer, Ermittlungsverfahren, 481, 556; vgl. auch Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118), der den Kunden immerhin auch als Geschädigten im Sinne der Norm ansieht. 203 Tiedemann, WStR BT, Rn. 239. 204 Tiedemann, ZIP 2004, 294 (296). 205 Tiedemann, WStR BT, Rn. 239. 206 Tiedemann, WStR BT, Rn. 308.
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nur dann überzeugend, wenn es auch ein Strafantragsrecht des Kunden gäbe. Dieses existiert entgegen der Annahme Tiedemanns aber nicht. Gerade weil sich der Gesetzgeber 1986 bewusst für die Umwandlung von einem absoluten in ein relatives Antragsdelikt entschieden hat und das öffentliche Interesse, aber nicht das Kundeninteresse, im Rahmen der Antragsregelung explizit normiert hat, kann nicht einfach aus einem Programmsatz wie der Schutzzwecktrias des § 1 UWG ein Antragsrecht konstruiert werden. Schließlich hätte der Gesetzgeber, wenn er den vom Geheimnisinhalt Betroffenen ein Antragsrecht hätte zubilligen wollen, dieses vermutlich ebenfalls explizit geregelt. Sonst wäre bereits die Einbeziehung des öffentlichen Interesses überflüssig gewesen, da man auch dieses aus der Schutzzwecktrias hätte konstruieren können. Die Möglichkeit, einen Strafantrag durch die Bejahung des öffentlichen Interesses zu ersetzen, lässt sich daher vielmehr mit dem von § 17 UWG bezweckten Wettbewerbsschutz, mithin einem Allgemeinrechtsgut, erklären, eröffnet aber keine Möglichkeit, daneben auch ein Antragsrecht der Kunden oder anderer Betroffener zu entwickeln. Hinzu kommt, dass die Schutzzwecktrias des § 1 UWG lediglich ein allgemeiner Ansatzpunkt ist. Der Schutzbereich der UWG-Normen ist jedoch durch eine umfassende Auslegung der einzelnen Norm und nicht durch den schlichten Verweis auf die Schutzzwecktrias des gesamten Gesetzes zu bestimmen, so dass für jeden Einzelfall geprüft werden muss, welcher der UWG-Zwecke durch die jeweilige Norm verfolgt wird.207 Sonst könnte man auch die Mitbewerber in den Schutz von § 17 UWG einbeziehen. Schließlich sind auch sie von der Schutzzwecktrias erfasst. Gerade an diesem Vergleich zeigt sich meines Erachtens aber, dass die Herleitung eines originären Kundenschutzes aus § 1 UWG wenig überzeugend ist. Wie bereits oben angedeutet, lässt sich der Schutz der Kundendaten als Kundengeheimnis auch nicht mit dem vom Begriff des Geschäftsgeheimnisses geforderten Unternehmensbezug vereinbaren. Solange die betroffenen Kunden lediglich Privatvermögen bei der jeweiligen Bank angelegt haben und nicht etwa ein Firmengeflecht zur Verschleierung ihres Vermögens aufgebaut haben, können sie schon allein deshalb nicht in den Schutzbereich des § 17 UWG fallen. Schließlich sind private Geheimnisse anerkanntermaßen nicht von § 17 UWG geschützt.208 Es kann auch keine Besonderheit für Bankkunden angenommen werden. Zum einen ist das Bankgeheimnis nicht durch einen generellen strafrechtlichen Schutz untermauert, sondern nur partiell in verschiedene Normen miteinbezogen.209 Zum anderen spielen Bankbeziehungen keine besondere Rolle 207 Dazu allgemein MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 10. 208 Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 11; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 67; Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 10. 209 Wittig, WStR, § 33, Rn. 28.
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im Rahmen des § 17 UWG. Mithin besteht kein unmittelbarer Schutz des Kunden durch § 17 UWG.210 (2) Kundendaten als Geheimnis des Unternehmens Um Kundendaten durch § 17 UWG zu erfassen, bleibt noch die Möglichkeit, sie als Geheimnis des Unternehmens anzusehen und sie so in den Schutzbereich einzubeziehen. (a) Meinungsstand Überwiegend findet dieser Argumentationsweg auch bezogen auf die Steuerdatenfälle Zustimmung.211 Dies wird vor allem damit begründet, dass bei Bekanntwerden der Datenentwendung das Unternehmen mit einem Ansehensverlust und auch dem Verlust von Kunden rechnen müsse, was sich auf den durch § 17 UWG geschützten Wettbewerb mit anderen Unternehmen nachteilig auswirke. Daher hätten die Banken ein Interesse an der Geheimhaltung.212 Auch werden die Geheimhaltungsverpflichtung der Bank gegenüber dem Kunden und die bei einer Pflichtverletzung drohenden Konsequenzen betont.213 Hinzu komme, dass die Kenntnis der Herkunft des Geldes zu einem Wettbewerbsvorteil von Konkurrenzunternehmen führen könne, sollten diese von dem Geheimnis Kenntnis erlangen.214 Zudem wird argumentiert, dass Kundenlisten ohnehin in den Schutzbereich des § 17 UWG fielen.215 Vereinzelt stößt die Einordnung der Kundendaten als Geheimnis der Bank 210 So im Ergebnis auch Heine, ASA 2010/2011, 525 (531f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1092); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274); Pawlik, JZ 2010, 693 (701); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 85f.; Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441). 211 Durst, PStR 2008, 134; Gössel, FS Puppe, 1377 (1379); Heine, ASA 2010/2011, 525 (532); ders., FS Roxin 80, 1087 (1092f.); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Koblenzer, StBMag 2012, 16 (17); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 85, 93ff.; Spernath, NStZ 2010, 307f.; Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Trüg, StV 2011, 111; Zieschang, FS Scheuing, 794 (801). 212 Heine, ASA 2010/2011, 525 (532); ders., FS Roxin 80, 1087 (1092f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 85, 93; ähnlich auch Koblenzer, StBMag 2012, 16 (17); allgemein bezogen auf Bankkundendaten Tiedemann, FS Kohlmann, 307 (311f.); ders., ZIP 2004, 294 (296). 213 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 93, 96f. 214 Heine, ASA 2010/2011, 525 (532). 215 Durst, PStR 2008, 134; Gössel, FS Puppe, 1377 (1379); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 94f.; Spernath, NStZ 2010, 307f.; Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Zieschang, FS Scheuing, 794 (801); allgemein zur Erfassung von Kundenlisten durch § 17 UWG RG (ZR), GRUR 1936, 573 (576); BGH, NJW 1992, 1776f.; BGH (ZR), NJW-RR 2003, 618 (620); NJW-RR 2003, 833; NJW 2006, 3424 (3424, 3426); OLG Celle (ZR), OLGR 1994, 337; LG Düsseldorf (ZR), K& R 2002, 101 (102); Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 23f.; Emmerich, Wettbewerb, § 10, Rn. 10; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 66; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 21; Götting, WR, § 13, Rn. 6; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 14; Lettl, WR, § 12, Rn. 10; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 6; Liebl/ Müller/Wabnitz, Betriebs-Spionage, 255f.; Wemmer, K& R 2002, 103f.; Wittig, WStR, § 33, Rn. 44; kritisch Elster, GRUR 1932, 32 (33).
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jedoch auf Ablehnung. Die Daten seien primär Teil des Steuergeheimnisses der Kunden.216 (b) Bewertung Dass die Steuerdaten im Vergleich zu den bisherigen Kundendatenfällen gewisse Besonderheiten aufweisen, ist bereits zu Beginn der Erörterung dargestellt worden. Daher sollte der Schutz der Bankkundendaten meiner Meinung nach nicht allein durch einen pauschalen Verweis auf vorangegangene Fälle, in denen Kundenlisten als Unternehmensgeheimnis angesehen worden sind, begründet werden. Entscheidend muss mit Blick auf die Definition des Geschäftsgeheimnisses sein, ob auch der Teil der Kundendaten, der Rückschlüsse auf die privaten Angelegenheiten des Kunden, insbesondere auf seine vermögensbezogenen und steuerlichen Verhältnisse, zulässt und damit über das hinausgeht, was üblicherweise in den klassischen Kundendatenfällen den Kern des Geheimnisses ausmacht, noch den erforderlichen Unternehmensbezug aufweist.217 Dabei ist es meiner Meinung nach zweifelhaft, wie in der bisherigen Steuerdatendiskussion vorwiegend geschehen, auf Schäden in Gestalt von Ansehensverlust, Kundenrückgängen und Wettbewerbsnachteilen zu verweisen. Dadurch wird der Bezug gerade der zentralen Aspekte der Kundendaten zum Bankunternehmen nicht hinreichend deutlich. Dies zeigt ein Vergleich zu anderen klassischeren Fällen der Entwendung von Geschäftsgeheimnissen, beispielsweise der Entwendung von Forschungsunterlagen. Dort begründet man den Unternehmensbezug auch nicht mit dem Ansehensverlust, der droht, wenn bekannt wird, das bei einem Unternehmen wichtige Daten verschwinden, sondern mit dem Schaden, der durch den Verlust der Forschungsergebnisse und der möglichen Verwendung der Erkenntnisse durch Dritte droht. Meines Erachtens liegt der zentrale Aspekt darin, dass gerade die Angaben, die Herkunft, Höhe und Anlage der Kundengelder betreffen, auch starke Rückschlüsse auf die Geschäftspraktiken der Banken zulassen. So lässt sich daran zum Beispiel erkennen, was der bevorzugte Kundenkreis der Bank ist, welche Anlagegestaltungen sie empfiehlt und wie die so oft diskutierte Anonymität der Vermögensverwaltung gewährleistet wird. Diese auch bankbezogenen Informationen sind für Außenstehende von Interesse – unabhängig davon, ob es sich im Einzelfall um Mitbewerber oder staatliche Stellen handelt. Gerade deshalb sind die Kundendaten nicht nur für den Kunden wichtig, sondern auch für die Bank von entscheidender Bedeutung. Für einen Unternehmensbezug spricht zwar auch die Verschwiegenheitsverpflichtung der Bank, doch überzeugt es 216 Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441). 217 Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 94.
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nicht, darin den wesentlichen Grund zu sehen,218 der aus Sicht der Bank die wirtschaftliche Bedeutung der Kundeninformationen ausmacht. Die Banken haben schon zur Aufrechterhaltung ihres Geschäftsmodells ein Eigeninteresse an der Geheimhaltung der betroffenen Tatsachen. Mithin handelt es sich nicht nur, wie von der Gegenansicht behauptet, um Aspekte aus der Sphäre des Kunden, sondern vor allem um Tatsachen mit Bezug zu dem von dem Datenverlust betroffenen Bank- oder Treuhandunternehmen.219 (3) Ergebnis und Überlegungen zum Umfang des Geheimnisses Es ist gezeigt worden, dass die Daten der Bankkunden als Geschäftsgeheimnis der Bank in den Schutzbereich des § 17 UWG fallen, darüber hinaus jedoch kein spezifischer Schutz der Bankkunden vermittelt wird. Vor allem im Hinblick auf die in einigen Fallgestaltungen erfolgte Überlassung von Probedaten sollte in diesem Zusammenhang noch klargestellt werden, dass die Datensammlung, im Regelfall also die CD, nicht primär als Sammlung ein Geheimnis darstellt, sondern dass in ihr diverse einzelne Geschäftsgeheimnisse enthalten sind. Insoweit wird man wohl zumindest die Daten jedes einzelnen Kunden als einzelnes Geschäftsgeheimnis ansehen müssen, da sich auch bereits aus den Informationen über einen Kunden Aufschlüsse über Praktiken der Bank ergeben können. Zudem sollte für das Geheimnis die Schutzbedürftigkeit und der Wille des Geheimnisherrn maßgeblich sein und nicht die – mitunter zufällige – Zusammenstellung von Informationen durch den Entwender der Daten. Sähe man dieses anders, ließe man zu, dass das konkrete Geheminis als Tatobjekt erst durch die Tat entstünde. Mithin stellen die Kundendaten viele einzelne Geheimnisse der Bank dar und nicht etwa nur ein Geheimnis in Gestalt der Zusammenstellung. Folglich ist gleichzeitig eine Vielzahl von Geheimnissen berührt, wenn eine Strafbarkeit nach § 17 UWG vorliegt. Entgegen einzelner Stimmen in der bisherigen Literatur220 zu den Steuerdatenfällen kann es daher nicht überzeugen, in der Überlassung von Probedaten ein Vorstadium zu der späteren Datenübermittlung zu sehen. Die vorangegangene Erörterung zeigt vielmehr, dass auch die Probedatenübermittlung selbständige Geheimnisse betrifft und sich von der 218 Darauf primär abstellend aber Sonn, Steuer-CD-Affäre, 93. 219 Im Ergebnis ähnlich Sonn, Steuer-CD-Affäre, 94f., der allerdings neben dem Aspekt der Verschwiegenheitspflicht entscheidend darauf abstellt, dass gerade für die Ermittler die Verknüpfung zwischen Kundeninformation und Dienstleistung der Bank bedeutsam ist. Meines Erachtens ist jedoch eine abstrakte, von den Steuerdatenfällen losgelöste Begründung für den Bankbezug der Kundendaten vorzuziehen, da der Geheimnisbegriff unabhängig vom späteren Adressaten der Mitteilung ist. 220 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119); wohl auch Spernath, NStZ 2010, 307, der die Überlassung der Probedaten als »Teilakt« der nachfolgenden, in der Überlassung des Hauptdatensatzes liegenden Tat betrachtet.
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Übergabe des Hauptdatensatzes primär durch die geringere Anzahl der überlassenen Geheimnisse unterscheidet. Folglich ist die Übermittlung von Probedaten grundsätzlich genauso zu bewerten wie die Überlassung des Hauptdatensatzes.221 bb) Problematik der Erfassung rechtswidriger Geheimnisse Da die entwendeten Kundendaten zumindest in einigen Fällen zu der Entdeckung von Steuerhinterziehungen seitens der Bankkunden und gegebenenfalls auch zur Aufklärung anderer illegaler Aktivitäten wie beispielsweise Geldwäsche beitragen, könnte man auf den Gedanken kommen, derartige Geheimnisse mit Bezug zu illegalem Verhalten generell aus dem Schutzbereich des § 17 UWG herauszunehmen. Die Behandlung sogenannter »illegaler Geheimnisse«222 ist im Rahmen von § 17 UWG ohnehin umstritten. Im Rahmen der Diskussion um entwendete Steuerdaten kommt diesem Gesichtspunkt besondere Bedeutung zu, da die Steuerhinterziehung der deutschen Bankkunden ein Kernargument der Befürworter des Datenankaufs223 darstellt. Zudem kommen bezogen auf die Steuerdatenfälle noch einige spezielle Aspekte jenseits der allgemeinen Problematik hinzu, auf die nachfolgend ebenfalls näher eingegangen wird. Auch wenn das Schlagwort »illegales Geheimnis« allgemein geläufig ist, variiert die Reichweite des Begriffs. So wird zur Definition teilweise auf illegale oder sittenwidrige Unternehmenshandlungen abgestellt,224 mithin ein rechtswidriges Verhalten aus der Sphäre des Geheimnisherrn verlangt, während andererseits – begrifflich wesentlich weiter – lediglich das Verbergen eines rechtswidrigen Sachverhalts als kennzeichnend angesehen wird.225 Dabei hängt die Bedeutung der »illegalen Geheimnisse« für die Steuerdatenfälle auch davon ab, wie weit man den Begriff versteht. Gegen die Relevanz dieser Problematik 221 So wohl auch, wenngleich ohne Begründung, Gössel, FS Puppe, 1377 (1381), der meines Erachtens zu Recht annimmt, das Unrecht der Probedatenüberlassung gehe unter dem Gesichtspunkt der mitbestraften Vortat in dem Unrecht der späteren Überlassung des Hauptdatensatzes auf. 222 »Illegale Geheimnisse« ist das sprachlich irreführende Schlagwort, unter dem die Problematik üblicherweise diskutiert wird, wenngleich sich die Problematik nicht auf Geheimnisse bezieht, die als solche, beispielsweise durch Missachtung von Offenbarungspflichten, illegal sind, sondern lediglich auf Geheimnisse abstellt, die Aufschluss über ein rechtswidriges Verhalten geben, dazu Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 344f.; Föbus, Insuffizienz, 100. 223 So bei Erb, FS Roxin 80, 1103 (1105ff.); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (15); vgl. auch Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441f.). 224 Föbus, Insuffizienz, 100; ähnlich auch MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 37: »Zustände im Unternehmen«. 225 Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 345; Satzger, FS Achenbach, 447 (450).
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könnte der Umstand sprechen, dass die möglicherweise rechtswidrigen Geschehnisse primär das Verhalten der Bankkunden betreffen. Daraus könnte man folgern, dass aus Sicht der Bank überhaupt kein rechtswidriges Verhalten und daran anknüpfend kein »illegales Geheimnis« vorliegt226 und die Problematik mithin hier nicht weiter erörtert werden müsste. Versteht man den Begriff aber weit im Sinne des Verbergens von rechtswidrigen Geschehnissen, dann sind auch mögliche Rechtsverletzungen der Bankkunden von Bedeutung.227 Auch wenn die Bankdaten diese Rechtsverletzungen nicht selbst beinhalten, sondern lediglich Aufschluss darüber geben, dient die ausländische Anlage gerade zur Ermöglichung beziehungsweise Verschleierung der Rechtsverstöße. Zumindest bei einem weiten Begriffsverständnis kommt der Fallgruppe der »illegalen Geheimnisse« damit in den Steuerdatenfällen Bedeutung zu. Entscheidungserheblich kann die Problematik für die Steuerdatenfälle zudem selbst dann sein, wenn man einem engen Verständnis des Begriffs der »illegalen Geheimnisse« folgt und ein rechtswidriges Verhalten aus der Sphäre des Geheimnisherrn verlangt: Erstens ist die Streitfrage von Bedeutung, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht die Kundendaten über den Gesichtspunkt des Kundengeheimnisses in den Schutz einbezieht. Zweitens wird aus möglichen Straftaten der Kunden mitunter auf ein rechtswidriges Verhalten der Bank beziehungsweise ihrer Mitarbeiter geschlossen (dazu im weiteren Verlauf unten unter (2) (f) (bb)). Da die Relevanz der »illegalen Geheimnisse« in den Steuerdatenfällen demnach nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, wird zunächst untersucht, ob der Bezug zu rechtswidrigem Verhalten generell Auswirkungen auf den Geheimnisbegriff des § 17 UWG hat, ehe erörtert wird, ob das dabei gefundene Ergebnis auch mit den Besonderheiten der Steuerdatenfälle harmoniert. (1) Meinungsstand Teilweise wird dafür plädiert, »illegalen Geheimnissen« generell den Schutz zu versagen, was häufig bei dem Merkmal des Geheimhaltungsinteresses verortet wird. Ein solches soll bei rechtswidrigem Geheimnisinhalt nach Vertretern dieser Ansicht gerade nicht bestehen.228 226 So Heine, FS Roxin 80, 1087 (1093); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (20f.). 227 Für eine Gleichbehandlung aller Rechtsverstöße Sonn, Steuer-CD-Affäre, 102f. 228 RArbG, JW 1931, 490 (491); LArbG Berlin, BB 1970, 710; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 16; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (337f.), der die Frage aber allgemein bei der Schutzwürdigkeit ansiedelt; Elster, GRUR 1932, 32 (34); Engländer/ Zimmermann, NZWiSt 2012, 328 (331ff.); Föbus, Insuffizienz, 104ff.; Meyer/Möhrenschlager, WiVerw 1982, 21 (35); Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 10; Preis/Reinfeld, AuR 1989, 361 (363); Richters/Wodtke, NZA-RR 2003, 281 (282); Rützel, GRUR 1995, 557 (558ff.); zumindest tendenziell Blum, MuW 1931, 476 (478); Wittig, WStR, § 33, Rn. 43; speziell im Rahmen der Steuerdatenfälle Roth, Stbg 2013, 29 (30); vgl. auch
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Überwiegend wird jedoch argumentiert, auch ein rechtswidriger Inhalt ändere an der Schutzwürdigkeit des Geheimnisses nichts. Dabei wird vor allem auf allgemeine Grundsätze des Strafrechts und eine Parallele zu anderen Fragestellungen abgestellt.229 Vermittelnd wird vorgeschlagen, rechtswidrige Geheimnisse grundsätzlich zu schützen, aber aus dem Schutzbereich hinauszunehmen, sobald sich die Rechtswidrigkeit aus Normen des Wettbewerbsschutzes ergibt. So soll beispielsweise kein von § 17 UWG geschütztes Geheimnis vorliegen, wenn geheime Schmiergeldzahlungen betroffen sind, während Umweltstraftaten ein relevantes Geheimnis darstellen sollen.230 Der Kern der Illegalität liegt in den Steuerdatenfällen bei den möglichen Steuerhinterziehungen der Bankkunden und möglichen Unterstützungshandlungen von Seiten der Bankmitarbeiter, mithin bei der Verletzung von Normen außerhalb des Wettbewerbsrechts. Daher läge nach dieser Ansicht ein von § 17 UWG geschütztes Geheimnis vor. Eine weitere vermittelnde Ansicht, die sich schwerpunktmäßig auf die Steuerdatenfälle bezieht, stellt darauf ab, wem das Geheimnis mitgeteilt wird, und verneint ein Geheimnis, wenn staatliche Stellen – nach dieser Ansicht gegebenenfalls auch über Mittelsmänner – in Kenntnis gesetzt werden. Dies wird mit dem Zweck der Mitteilung, das heißt mit der Bekämpfung des rechtswidrigen Zustands, begründet. Die Rechtsordnung schütze zwar auch sonst rechtswidrige Vorteile gegen Angriffe, aber gerade nicht, wenn durch den Angriff die rechtmäßige Lage wiederhergestellt werde. Genau darum aber gehe es bei der Übermittlung von Bankdaten an zuständige Behörden. Solange die Restitution des rechtmäßigen Zustands das Ziel sei, seien auch ein möglicher Reputationsverlust und andere Folgeschäden von der Rechtsordnung abgedeckt. Schließlich müsse sich derjenige, der rechtswidrige Zustände herbeiführe, damit abfinden, so dass »illegale Geheimnisse« zwar bei Mitteilung an Wettbewerber oder die Öffentlichkeit, nicht aber bei der Information staatlicher Stellen geWawrzinek, Verrat, 123ff., 129, der sich generell gegen eine Erfassung illegaler Geheimnisse wendet, in den Steuerdatenfällen aber daran nur unter der Bedingung festhält, dass alle Konten zur Steuerhinterziehung genutzt worden sind. 229 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 24; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 35; Köhler/ Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 9; Rosenthal/Leffmann, UWG, § 17, Rn. 10; Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 12; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 21; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 28; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109f.); Müller-Gugenberger/Dittrich, WStR, § 33, Rn. 51; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 20; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 13; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 508; A. Koch, ZIS 2008, 500 (503); Mayer, GRUR 2011, 884 (887); Nolting-Hauff, GRUR 1930, 907 (907f., 911f.); Otto, wistra 1988, 125 (126); Tiedemann, WStR BT, Rn. 235; Többens, NStZ 2000, 505 (506); ders., WRP 2005, 552 (556); gerade im Rahmen der Steuerdatenfälle Heine, ASA 2010/2011, 525 (532); ders., FS Roxin 80, 1087 (1093); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Sieber, NJW 2008, 881f.; Sonn, SteuerCD-Affäre, 104ff.; Spernath, NStZ 2010, 307 (308). 230 Beater, Wettbewerb, Rn. 1883.
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schützt seien. Fragen nach der Motivation des Mitteilenden oder nach einer speziellen Zuständigkeitsnorm für die Aufklärung von Rechtsverstößen seien unbeachtlich, da zur Verhinderung und Verfolgung von Rechtsverstößen jeder berufen sei.231 Demnach läge in den Steuerdatenfällen grundsätzlich kein Geheimnis vor, da die Daten letztendlich den staatlichen Stellen zugeleitet werden. (2) Bewertung Die verschiedenen im Rahmen der Diskussion vorgebrachten Argumente werden nun systematisiert dargestellt und bewertet sowie um eigene Argumente ergänzt, um herauszufinden, ob Bezüge zu rechtswidrigem Verhalten zu einer Verneinung des Geheimnisbegriffs führen können. (a) Ablehnung der vermittelnden Ansichten Um die Diskussion zu entlasten, wird zunächst dargelegt, dass die vermittelnden Ansichten meines Erachtens nicht überzeugen können. Die von Beater ohne nähere Begründung vorgeschlagene Differenzierung nach der Herkunft der Rechtswidrigkeit ist aus keiner Perspektive heraus gerechtfertigt. Mit der Schwere einer Rechtsgutsverletzung kann eine solche Unterscheidung nicht begründet werden. Schließlich sind Wettbewerbsverstöße keinesfalls gravierender als andere rechtswidrige Handlungen, beispielsweise Umweltverletzungen. Auch mit Blick auf das geschützte Rechtsgut lässt sich die Ansicht nicht erklären. Würde nur das Allgemeininteresse an einem lauteren Wettbewerb geschützt, könnte man noch argumentieren, dieses bedürfe keines Schutzes, wenn durch die Geheimnisverletzung andere Wettbewerbsverletzungen aufgedeckt würden. Eine nur den Wettbewerb berücksichtigende Argumentation ließe aber außer Acht, dass zusätzlich noch Individualinteressen des Geheimnisinhabers geschützt sind. Zudem scheitert eine Begründung auch aus der Perspektive der Lauterkeit des Wettbewerbs, die naheliegt, wenn man wie Beater einen Tatbestandsausschluss nur bei Wettbewerbsverstößen annimmt. Einen illegalen Wettbewerbsvorsprung verschafft sich schließlich auch derjenige, der gegen Normen außerhalb des Wettbewerbsrechts verstößt, zum Beispiel bei Umweltverletzungen zur Kosteneinsparung. Folglich kann festgestellt werden, dass die differenzierende Ansicht Beaters abzulehnen ist. 231 Erb, FS Roxin 80, 1103 (1105ff.), der zwar für die Problematik auf den Geheimnisbegriff abstellt, vgl. 1105f., sie aber gleichzeitig bei der Unbefugtheit einordnet, welche für ihn entgegen der h. M. jedoch ein Tatbestandsmerkmal ist, vgl. 1107; ähnlich auch Paeffgen, BRJ 2010, 12 (15f. , insbes. Fn. 26), der den Geheimnisbegriff jedenfalls bei einer Offenbarung gegenüber staatlichen Stellen verneint und die Frage einer weiteren Reduktion offen lässt; vgl. auch Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191f.), der das Problem bei der Unbefugtheit verortet und in diesem Rahmen eine Kontrollkompetenz bejaht, ohne auf die Problematik beim Geheimnisbegriff Bezug zu nehmen.
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Die weiteren Erörterungen werden zeigen, dass auch eine Differenzierung nach dem Empfänger der Mitteilung, wie sie gerade bezogen auf die Steuerdatenfälle vor allem von Erb entwickelt worden ist, sowohl von der Begründung her als auch auf Grund der praktischen Handhabung nicht überzeugen kann. Wie oben dargelegt, stützt sich die Argumentation vor allem auf eine jedermann zustehende Kontrollkompetenz zur Verhinderung und Ahndung von Rechtsverstößen, die bei der Information von staatlichen Stellen wahrgenommen werde232. Gegen eine solche Kontrollkompetenz spricht zunächst das Fehlen einer einschlägigen Norm. Ein entscheidendes Indiz gegen eine solche absolute Kontrollzuständigkeit ist die Existenz von § 127 StPO mit den dortigen engen Voraussetzungen. Gerade dieser Vergleich zeigt, dass nicht einfach ein Jedermannsrecht zur Kontrolle und Verhinderung von Straftaten ohne jeden Ansatzpunkt konstruiert werden kann.233 Die Annahme einer derartigen Kontrollkompetenz konsequent zu Ende gedacht würde zu einem Volk von Hilfspolizisten führen. Zudem wird am Abstellen auf eine vermeintliche Kontrollkompetenz deutlich, dass die damit zusammenhängenden Fragen ihren Standort im Bereich der Rechtswidrigkeit234 haben, und nicht zur normativen Verengung des Tatbestands genutzt werden sollten.235 Gegen den Mitteilungsadressaten als Differenzierungskriterium sprechen meines Erachtens aber vor allem die praktischen und im Ergebnis auch dogmatischen Schwierigkeiten, die bei der Bewertung eines potentiell strafbaren Verhaltens entstünden: So kommen diejenigen, die »illegalen Geheimnissen« nur bei der Information von zuständigen Behörden den Schutz versagen, gerade bezogen auf die Strafbarkeit der Datenbeschaffung zu meines Erachtens problematischen Ergebnissen. Bei konsequenter Anwendung der Argumentation dürfte auf Grund der fehlenden Schutzwürdigkeit »illegaler Geheimnisse« auch keine Bestrafung bezogen auf Delikte der Datenerlangung, das heißt nach 232 Erb, FS Roxin 80, 1103 (1106ff.); eine noch weitergehende Kontrollkompetenz, die nicht auf das Verhalten gegenüber staatlichen Stellen beschränkt ist, bejaht Rützel, GRUR 1995, 557 (560f.). 233 Vgl. Bienert, Private Ermittlungen, 101f., 116 zu ähnlichen Überlegungen im Zusammenhang mit einer Staatsnotstandshilfe hinsichtlich des Strafverfolgungsinteresses; vgl. auch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 24, der sich ebenfalls gegen eine Kontrollkompetenz ausspricht, jedoch ohne Bezug zu der von Erb vorgenommenen Differenzierung. 234 Erb, FS Roxin 80, 1103 (1107) bezieht das Problem auf die Unbefugtheit als Tatbestandsmerkmal, ordnet das Problem aber gleichzeitig beim Geheimnisbegriff ein, 1105f. 235 Allgemein für eine Verortung der Aspekte bei der Rechtswidrigkeit unabhängig von der Ansicht Erbs auch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 24; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 37; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 9; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 21; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 28; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109f.); Gloy/ Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 13; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 508; Mayer, GRUR 2011, 884 (887); gerade in den Steuerdatenfällen Heine, FS Roxin 80, 1087 (1093); Satzger, FS Achenbach, 447 (450); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 106f.
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§ 17 II Nr. 1 UWG erfolgen, sofern die Datenerlangung erfolgt ist, um ausschließlich die staatlichen Stellen zu informieren. Erb236 spricht daher auch insgesamt von § 17 UWG. Das Abstellen auf den Mitteilungsadressaten ist aber gerade bei der Datenerlangung ein problematisches Kriterium: Wer informiert werden soll, steht bei Datenerlangung häufig nicht endgültig fest. So haben sich beispielsweise auch die Pläne Heinrich Kiebers über das Vorgehen mit seinen erlangten Daten mehrfach geändert (siehe oben im ersten Kapitel unter B. I. 3.). Wie soll man diese Unsicherheit aber handhaben, wenn der Täter zunächst überhaupt keinen informiert? Muss man dann mit der Bestrafung abwarten, bis die Daten mitgeteilt oder verwertet werden? Oder kann sich der Täter kurz vor der Strafe der Strafbarkeit noch entziehen, indem er die Daten den zuständigen Behörden mitteilt? Wie man erkennt, würde die Argumentation für den teilweisen Ausschluss »illegaler Geheimnisse« zu Strafbarkeitsunsicherheiten führen, die in der Praxis nicht zu bewältigen wären. Auch ist strafrechtsdogmatisch nicht zu begründen, wieso die Frage der Tatbestandsverwirklichung einer abgeschlossenen Handlung und hier insbesondere die Frage des Tatobjekts von späteren Handlungen abhängt. Wenn man zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten bei der Strafbarkeit der Datenerlangung auf die Tätervorstellung von der weiteren Verwendung abstellt,237 entfallen zwar die skizzierten Probleme, doch führt auch ein solches Vorgehen zu widersprüchlichen Ergebnissen: Es erscheint durchaus denkbar, dass ein Informant, angespornt durch die bisherigen Fälle, Daten entwendet in der festen Vorstellung, sie an Staaten weiterzuleiten. Findet er aber dort keinen seinen Vorstellungen entsprechenden Abnehmer, beispielsweise weil nach dem Abschluss von Steuerabkommen eine Änderung der Ankaufspolitik eingetreten ist, erscheint es denkbar, dass er die Daten entgegen seiner ursprünglichen Vorstellung beispielsweise an die Presse verkauft. Befürwortet man eine Differenzierung nach der Tätervorstellung von dem Mitteilungsadressaten, hätte der Bankmitarbeiter ein Nicht-Geheimnis entwendet, aber ein Geheimnis weitergegeben, obwohl es sich in beiden Fällen um das identische Tatobjekt handelt. Ein solches Ergebnis erscheint gerade für ein objektives Tatbestandsmerkmal schwer zu vertreten. Bis hierher kann folglich festgehalten werden, dass Differenzierungen im Rahmen des Geheimnisbegriffs nicht überzeugen können. Daher wird nachfolgend anhand der üblichen Auslegungsmethoden untersucht, ob rechtswidrige Umstände den Geheimnisbegriff stets unberührt lassen oder immer zur Ablehnung des Geheimnisses führen. Nach einer Erörterung der 236 Erb, FS Roxin 80, 1103 (1106). 237 Da Erb, FS Roxin 80, 1103 (1105ff.) sich eingehend nur mit der Datenweitergabe befasst, bleibt unklar, ob bei der Datenerlangung nach der Tätervorstellung bei der Erlangung oder nach dem tatsächlichen späteren Verhalten differenziert werden soll.
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allgemeinen Behandlung der »illegalen Geheimnisse« bei § 17 UWG werden noch einige Besonderheiten der Steuerdatenfälle thematisiert und ihre Auswirkungen erörtert. (b) Wortlaut-Auslegung Was den Wortlaut »Geheimnis« betrifft, so gibt dieser keinen Aufschluss über die Erfassung rechtswidriger Tatsachen. Der Geheimnisbegriff ist weit und umfasst damit grundsätzlich illegale Umstände. Allerdings sind bestimmte begriffliche Einschränkungen auch in anderen Fällen durchaus üblich und zumindest, wenn sie wie hier täterbegünstigende Wirkungen hätten, unbedenklich. Festgehalten werden kann daher, dass sich aus dem Wortlaut und der Definition des Geheimnisbegriffs keine Rückschlüsse auf die Auswirkungen rechtswidriger Umstände ergeben. (c) Verfassungskonforme Auslegung Gegner des Schutzes »illegaler Geheimnisse« verweisen auf das Verfassungsrecht, um ihre Ansicht zu untermauern. Geschäftsgeheimnisse seien durch Art. 14 GG geschützt, dessen Auslegung sich am Allgemeinwohl zu orientieren habe, so dass ein Schutz rechtswidriger Geheimnisse nicht zugelassen werden könne.238 Eine solche Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Selbst wenn man den Gemeinwohlgedanken des Art. 14 GG im Rahmen des § 17 UWG verwirklichen wollte, würde daraus keineswegs folgen, dass nur eine Verneinung des Geheimnisbegriffs in Betracht käme. Schließlich könnte dem Gemeinwohlgedanken auch im Rahmen der Rechtswidrigkeit Rechnung getragen werden. Somit fordert der Grundrechtsschutz keinen Ausschluss »illegaler Geheimnisse«. Teilweise wird der grundrechtliche Schutz durch Art. 14 GG gerade als ein Argument für die Erfassung illegaler Geheimnisse gesehen. Schließlich lasse der Grundrechtsschutz nur gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu. Eine solche Schrankenregelung, die »illegale Geheimnisse« aus § 17 UWG ausklammere, sei aber nicht ersichtlich.239 In die gleiche Richtung geht die Argumentation derjenigen, die Art. 12 anstelle von Art. 14 GG als Grundlage des Schutzes von Betriebsgeheimnissen betrachten und darauf abstellen, dass der durch Art. 12 GG vermittelte Schutz unabhängig von der Rechtswidrigkeit einzelner Tätigkeiten sei.240 Eine Argumentation mit den Grundrechten führt meines Erachtens jedoch zu 238 Wawrzinek, Verrat, 127; vgl. auch Taeger, Offenbarung, 76ff., der rechtswidrige Geheimnisse aus dem Schutzbereich von Art. 14 GG ausnimmt. 239 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 24; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 105f., der auf Art. 12 und Art. 14 abstellt. 240 MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 37.
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keiner Lösung des Problems. Dafür muss der Streit, ob Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse durch Art. 12241 oder Art. 14242 GG geschützt werden, nicht entschieden werden. Beide Normen sind nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes einzuschränken.243 Allerdings ist durch den grundrechtlichen Schutz nichts über den Schutzumfang der Strafnorm ausgesagt. Schließlich gebietet der Grundrechtsschutz nicht zwingend einen Strafrechtsschutz. Somit dürfte der Grundrechtsschutz einer Einschränkung eines Straftatbestandsmerkmals meines Erachtens nicht entgegenstehen. Wenn sich eine solche Einschränkung auf sachlich fundierte Gründe berufen könnte, wären auch keine Probleme im Hinblick auf Art. 3 GG zu befürchten. Daher kann festgehalten werden, dass eine verfassungsrechtliche Betrachtung dem Ausschluss »illegaler Geheimnisse« nicht entgegensteht. Andererseits fordert sie ihn auch nicht. Daher können aus der verfassungskonformen Auslegung keine entscheidenden Erkenntnisse gewonnen werden. (d) Systematische Auslegung In systematischer Hinsicht handelt es sich, wie bereits im Rahmen der Ablehnung der vermittelnden Ansichten dargelegt worden ist, bei den im Zusammenhang mit dem »illegalen Geheimnis« erörterten Aspekten um Fragen der Abwägung, deren typischer Ort gerade die Rechtswidrigkeit ist,244 so dass die Abgrenzung zu anderen Strafbarkeitsmerkmalen für die tatbestandliche Erfassung »illegaler Geheimnisse« spricht. Im Rahmen einer systematischen Argumentation wird aber vor allem auf die Behandlung »illegaler Geheimnisse« bei anderen Tatbeständen abgestellt. Vergleiche mit anderen Normen zeigten, dass »illegale Geheimnisse« grundsätzlich erfasst würden und nur bei besonderer gesetzlicher Anordnung aus dem Tatbestand herausgenommen würden.245 Dabei wird insbesondere auf § 203 StGB und den dortigen Schutz246 illegaler Geheimnisse verwiesen.247 Gegner des 241 MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 37; Wolff, NJW 1997, 98 (99, 101). 242 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 6; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, Vor §§ 17–19, Rn. 2; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 1; Taeger, Offenbarung, 59ff.; Wawrzinek, Verrat, 127. 243 Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12, Rn. 28; Art. 14, Rn. 34ff. 244 So auch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 24; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 37; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 9; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 21; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 28; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109f.); Gloy/HarteBavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 13; Heine, FS Roxin 80, 1087 (1093); Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 508; Mayer, GRUR 2011, 884 (887); Satzger, FS Achenbach, 447 (450); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 106f.; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 546. 245 So Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 350f., der sich aber im Ergebnis gegen den Schutz »illegaler Geheimnisse« ausspricht. 246 Für einen Schutz von rechtswidrigen Tatsachen bei § 203 StGB S/S/W/Bosch, § 203, Rn. 5; S/ S/Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 7; LK/Schünemann, § 203, Rn. 27; Schmitz, JA 1996, 772 (775). 247 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 24; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109); A. Koch, ZIS
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Schutzes »illegaler Geheimnisse« argumentieren, die Verweise auf andere Geheimnisschutznormen, bei denen »illegale Geheimnisse« geschützt würden, seien nicht ergiebig, da der Schutz »illegaler Geheimnisse« immer dann berechtigt sei, wenn die Norm dem Schutz wichtiger Allgemeininteressen diene, so zum Beispiel § 203 StGB in Gestalt der Verschwiegenheit der Berufsgruppen und § 93 StGB in Gestalt des Bestands der Bundesrepublik Deutschland. Das Kollektivrechtsgut des § 17 UWG spreche aber nun gerade nicht für, sondern gegen eine Erfassung »illegaler Geheimnisse«.248 Dagegen spricht meines Erachtens zum einen, dass der Schutz eines Kollektivrechtsguts durch § 203 StGB249 durchaus umstritten ist. Zum anderen gebietet das Rechtsgut »Wettbewerb« nicht zwingend einen Ausschluss »illegaler Geheimnisse«, da sich auch derjenige, der illegale Aspekte in seinem eigenen Interesse ausspäht beziehungsweise derjenige, der sich solche Geheimnisse verschaffen lässt, einen unrechtmäßigen Wettbewerbsvorsprung verschafft250. Ebenfalls auf eine Sonderstellung des § 203 StGB zielen Überlegungen, »illegale Geheimnisse« bei Fehlen einer Entsprechung zwischen Geheimnisschutznorm und Zeugnisverweigerungsrecht ungeschützt zu lassen. Der Schutz illegaler Geheimnisse im Rahmen von § 203 StGB sei berechtigt, da die Zeugnisverweigerungsrechte der §§ 53, 53a StPO eine gesetzliche Regelung für den Vorrang des Geheimnisschutzes vor dem Strafverfolgungsinteresse böten. Eine solche fehle aber gerade für die Unternehmen, die daher auch nur von § 17 UWG geschützt seien. Mithin genieße der Geheimnisschutz bei § 17 UWG gerade keinen Vorrang.251 Zudem betreffe § 203 StGB gerade einen Personenkreis mit häufigem Bezug zu rechtswidrigen Tatsachen, so dass der dortige Schutz »illegaler Geheimnisse« die Ausnahme, aber eben nicht die Regel sei.252 Gegen eine Argumentation mit den Zeugnisverweigerungsrechten der StPO spricht meines Erachtens schon der Umstand, dass der Personenkreis des § 203 StGB und derjenige der §§ 53, 53a StPO zwar Überschneidungen aufweisen, aber nicht identisch sind. So verfügt beispielsweise der in § 203 StGB erfasste Tierarzt über kein Zeugnisverweigerungsrecht. Mit dem fehlenden Gleichlauf der beiden Personenkreise verliert die Argumentation jedoch ihre Grundlage. Auch ist der Bezug zu Umständen jenseits der Illegalität nicht für jede der in § 203 StGB
248 249 250 251 252
2008, 500 (503); Satzger, FS Achenbach, 447 (450); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 107; Spernath, NStZ 2010, 307 (308). Föbus, Insuffizienz, 103ff.; Rützel, GRUR 1995, 557 (560). Ein Kollektivrechtsgut ablehnend Schmitz, JA 1996, 772f.; Schünemann, ZStW 1978 (90), 11 (51ff.). Vgl. dazu Mayer, GRUR 2011, 884 (887), der primär darauf abstellt, dass der Unrechtsgehalt der Tat bei einer durch eigene Interessen motivierten Mitteilung an Konkurrenten unabhängig von dem Vorliegen eines »illegalen Geheimnisses« ist. Erb, FS Roxin 80, 1103 (1108); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304). Wawrzinek, Verrat, 126f.
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genannten Gruppen berufstypisch. Man denke nur an den gerade angesprochenen Tierarzt. Gegen eine Sonderstellung von § 203 StGB sprechen zudem andere geheimnisschützende Normen,253 die zeigen, dass die Einbeziehung »illegaler Geheimnisse« in den Tatbestand keineswegs eine bloß bei § 203 StGB auftretende Besonderheit darstellt. Mitunter wird von den Befürwortern eines Schutzes rechtswidriger Umstände auf § 93 II StGB verwiesen und daraus der Schluss gezogen, dass »illegale Geheimnisse« zwar keine Staatsgeheimnisse, aber eben immerhin doch Geheimnisse seien. Dass qualifizierte Rechtsverstöße explizit aus dem Geheimnisbegriff ausgeklammert seien, sei ein Indiz dafür, dass bei Fehlen einer solchen Anordnung alle Rechtsverstöße einen geeigneten Geheimnisinhalt darstellen könnten.254 Entgegen anderer Ansicht,255 die auf die gleiche Bedeutung des Geheimnisbegriffs in allen Geheimnisschutztatbeständen abstellt, können meines Erachtens keine entscheidenden Erkenntnisse aus ähnlichen Normen abgeleitet werden. Die Regelungen zum Geheimnisschutz entstammen teilweise unterschiedlichen Zusammenhängen und Gesetzen und schützen andere Rechtsgüter. Daher könnte durchaus ein Grund für Differenzierungen bestehen, zumal anerkannt ist,256 dass der gleiche Begriff je nach Norm unterschiedlich ausgelegt werden kann. Zudem ist der Schutz »illegaler Geheimnisse« im Geheimnisschutzstrafrecht insgesamt umstritten,257 so dass der pauschale Verweis auf andere Normen kaum zur Klarheit führen kann. In der Diskussion um eine Einbeziehung »illegaler Geheimnisse« in § 17 UWG wird darüber hinaus auf Normen jenseits des Geheimnisschutzes verwiesen. Da auch im Patentrecht als einer dem Lauterkeitsrecht nahestehenden Materie ein Patent bei einem Sitten- oder Ordnungsverstoß durch § 2 I PatG ausgeschlossen sei, müsse dies aus systematischen Gründen ebenfalls für § 17
253 So bei § 353b StGB, § 404 AktG und § 85 GmbHG, bei denen die Frage auch nicht unumstritten ist, sich jedoch eine gewichtige Meinung für die Einbeziehung ausspricht, vgl. für § 353b StGB BGHSt Fischer, § 353b, Rn. 10; Schuldt, Geheimnisverrat, 78; für § 404 AktG KK-AktG/Geilen, § 404, Rn. 41ff.; GK-AktG/Otto, § 404, Rn. 16; Achenbach/Ransiek/ Ransiek, HWSt, 8. Teil, Kap. 2, Rn. 14; für § 85 GmbHG Michalski/Dannecker, GmbHG, § 85, Rn. 42; Tiedemann, GmbHG, § 85, Rn. 13. 254 KK-AktG/Geilen, § 404, Rn. 43 für die Parallelproblematik im Aktienstrafrecht; Schuldt, Geheimnisverrat, 78 bezogen auf die Problematik der »illegalen Geheimnisse« bei § 353b StGB. 255 Tiedemann, WStR BT, Rn. 235. 256 BGHSt 10, 194 (196); 11, 119 (121); OLG Celle, NStZ 1989, 367 (368). 257 Vgl. nur die den Geheimnisbegriff bei illegalen Umständen verneinende Konzeption von Rützel, GRUR 1995, 557, der sich ausdrücklich auf alle Normen zum Schutz von Betriebsund Geschäftsgeheimnissen bezieht.
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UWG gelten.258 Dies ist allein deshalb schon kein Argument, weil der Ausschluss der Patentierung nach dem Wortlaut des § 2 I PatG (vgl. § 2 I a.E.) nicht für jede Rechtsverletzung gilt,259 sondern nur bei Verstößen gegen Grundsätze der Rechtsordnung. Zudem betrifft das Patentrecht das Recht zur ausschließlichen Nutzung260 und nicht die Frage des Geheimnisschutzes. Es handelt sich somit um einen anderen Regelungsbereich, so dass meines Erachtens ein auf systematischen Betrachtungen gestützter Gleichlauf keine Grundlage findet. Auch Befürworter eines weitreichenden Geheimnisschutzes verweisen auf andere Rechtsmaterien, so beispielsweise darauf, dass rechtswidrige Vorteile auch in anderen Zusammenhängen geschützt seien, so sei zum Beispiel der Dieb gegen die Wegnahme der gestohlenen Sache geschützt.261 Dagegen wird angeführt, dass der Dieb immerhin Gewahrsam an der gestohlenen Sache habe, während unklar sei, ob der Schutzgegenstand des § 17 UWG, das heißt die Geheimnissphäre, bei »illegalen Geheimnissen« überhaupt existiere.262 Eine ähnliche Richtung verfolgt das Argument, die Parallele zum Diebstahl könne nicht überzeugen, da im Rahmen von § 242 StGB das zu schützende Rechtsgut bereits vor Vornahme der rechtswidrigen Handlung existiere, bei »illegalen Geheimnissen« das zu schützende Rechtsgut aber erst mit Vornahme der rechtswidrigen Handlung entstehe. Schließlich existiere vorher überhaupt kein Geheimnis, insbesondere habe es nie ein makelloses Geheimnis gegeben.263 Diese Argumente begegnen meiner Meinung nach durchgreifenden Bedenken. Die Geheimnissphäre beziehungsweise das Geheimnis existiert auch bei »illegalen Geheimnissen«. Unklar ist allenfalls, ob sie in solchen Fällen schutzwürdig ist. Dass auf ein makelloses Geheimnis abgestellt werden muss, wird nicht begründet und erscheint gerade im Zusammenhang mit der Diebstahlsparallele schwer einzusehen. Schließlich hat auch der Dieb seinen Gewahrsam erst durch den Diebstahl und damit nie »makellos« erlangt. Auf die Makellosigkeit kommt es nur bei den Gewahrsamskriterien nicht an – genausowenig wie bislang
258 Preis/Reinfeld, AuR 1989, 361 (363); Wawrzinek, Verrat, 126, die sich beide auf § 2 Nr. 1 PatG beziehen. Die Regelung ist aber 2005 geändert worden und jetzt in § 2 I PatG zu finden. 259 Zur Bedeutung illegaler Umstände im Patentrecht Rützel, GRUR 1995, 557 (560), der sich ebenfalls noch auf die Vorgängernorm des § 2 Nr. 1 PatG bezieht. 260 Dazu Benkard/Melullis, PatG, § 2, Rn. 2, 3, 16. 261 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 24; Rosenthal/Leffmann, UWG, § 17, Rn. 10; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 21; Tiedemann, GmbHG, § 85, Rn. 13 für § 85 GmbHG; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (110); Heine, ASA 2010/2011, 525 (532); ders., FS Roxin 80, 1087 (1093); Mayer, GRUR 2011, 884 (887); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 104; kritisch zur Parallele im Rahmen des Diebstahls Nolting-Hauff, GRUR 1930, 907 (908) trotz Befürwortung des Schutzes »illegaler Geheimnisse«. 262 Rützel, GRUR 1995, 557 (559). 263 Föbus, Insuffizienz, 107.
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überzeugende Argumente für die Relevanz beim Geheimnisbegriff ersichtlich sind. Als Zwischenfazit kann mithin Folgendes festgestellt werden: Verweise sowohl auf andere Normen des Geheimnisschutzes als auch auf andere Rechtsbereiche können keine überzeugende Begründung für den Ausschluss »illegaler Geheimnisse« aus dem Geheimnisbegriff liefern. Meines Erachtens führt ein Abstellen auf den für das UWG zentralen Begriff der geschäftlichen Handlung in systematischer Hinsicht zu überzeugenderen Ergebnissen als der Vergleich mit anderen Geheimnisschutznormen oder Rechtsmaterien. Schließlich lassen sich dadurch Aussagen darüber gewinnen, wie das UWG als Regelungsstandort des § 17 UWG mit rechtswidrigen Sachverhalten umgeht. Im Rahmen der Auslegung der geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 UWG ist anerkannt, dass rechtliche Verstöße eines Unternehmens den lauterkeitsrechtlichen Schutz nicht ausschließen. Begründet wird dies damit, dass auch jemand, der selbst Rechtsverstöße begeht, ein Interesse an der Unterbindung schädigenden Verhaltens anderer hat.264 Mithin handelt es sich um ein ähnliches Argument, wie es auch die Befürworter des Schutzes »illegaler Geheimnisse« verwenden. Dieses Argument wird dadurch aufgewertet, dass es offensichtlich der im UWG üblichen Handhabung rechtswidriger Sachverhalte entspricht. Da demnach im UWG rechtswidrigen Unternehmenspraktiken nicht pauschal der Schutz versagt wird, überzeugt das Abstellen der Gegner des Schutzes »illegaler Geheimnisse« auf die Lauterkeit des Wettbewerbs nicht. Schließlich wird, wie gezeigt, eine solche Argumentation auch bei anderen Fragestellungen des UWG, so zum Beispiel bei der Auslegung der geschäftlichen Handlung, nicht anerkannt. Mithin kann festgehalten werden, dass es keine überzeugenden systematischen Erwägungen gibt, die gegen den Schutz »illegaler Geheimnisse« sprechen. Vielmehr streiten systematische Aspekte für die Einbeziehung »illegaler Geheimnisse« in den Tatbestand des § 17 UWG. (e) Teleologische Auslegung Aus teleologischer Perspektive argumentieren Gegner des Schutzes »illegaler Geheimnisse«, die Rechtsordnung könne es nicht zulassen, dass ein Tatbestand Offenlegungsbemühungen sanktioniere und damit indirekt Verdeckungstendenzen fördere.265 Eine solche Argumentation verkennt meines Erachtens, dass das bloße Eingreifen eines Tatbestands auch für den möglichen Täter keine negativen Auswirkungen hat. Wenn man den Tatbestand bejaht und die 264 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 2, Rn. 27. 265 Föbus, Insuffizienz, 106f.; Wawrzinek, Verrat, 126; im Rahmen der vermittelnden Ansicht Erb, FS Roxin 80, 1103 (1107).
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Rechtswidrigkeit verneint, weil man das Offenbarungsinteresse als höherrangig bewertet, entstehen keine Nachteile für den Bankmitarbeiter. Er kann sogar im Gegenteil darauf verweisen, gerechtfertigt gehandelt zu haben, und hat mithin die Bestätigung, die Rechtsordnung eingehalten zu haben. Daher ist der Aspekt der Honorierung von Offenlegungsbemühungen jedenfalls nicht geeignet, einen Tatbestandsausschluss überzeugend zu begründen. Den Befürwortern des Schutzes von Geheimnissen mit rechtswidrigem Inhalt wird vorgeworfen, dass sie eine rein ökonomische Perspektive einnähmen und die Wertungen der Gesamtrechtsordnung außer Acht ließen.266 Erstens ist eine ökonomische Auslegung bei einer Norm, deren Standort sich immerhin im Wettbewerbsstrafrecht befindet, nicht pauschal kritikwürdig. Zum anderen ist der Vorwurf falsch. Die Argumentation thematisiert, wie bereits dargestellt, auch systematische Zusammenhänge und Fragen der Abwägung zwischen der Strafverfolgung einerseits und der Verschwiegenheitspflicht andererseits. Befürworter des Schutzes rechtswidriger Umstände verweisen zunächst auf das Geheimhaltungsinteresse, das auch bei »illegalen Geheimnissen« bestehen könne.267 So seien bei Veröffentlichung eines »illegalen Geheimnisses« Schäden denkbar, die den Wettbewerb zu Lasten des betroffenen Unternehmens beeinflussen könnten.268 Diese Schäden seien besonders relevant, da der Kern des § 17 UWG gerade bei wirtschaftlichen und vermögensbezogenen Aspekten liege.269 Zudem könne der Schaden auch über den bloßen Entzug des aus dem Rechtsverstoß erlangten Vorteils hinausgehen, so dass er nicht mehr mit der Wiederherstellung des Gleichgewichts im Wettbewerb gerechtfertigt werden könne.270 Dieser Argumentation ist zuzustimmen. Nach den üblichen zu § 17 UWG entwickelten Kriterien liegt das Geheimhaltungsinteresse vor, sobald Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition des Unternehmens bestehen können.271 Mit der Anerkennung eines solchen Interesses ist, wie bereits oben festgestellt, noch nichts darüber ausgesagt, ob es letztendlich überwiegt. Das Geheimhaltungsinteresse jedoch von vornherein abzulehnen, wäre eine Lösung vom weiten
266 So der Vorwurf von Föbus, Insuffizienz, 101, 104. 267 Müller-Gugenberger/Dittrich, WStR, § 33, Rn. 51; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 508; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 104f., 107. 268 Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 21; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109); A. Koch, ZIS 2008, 500 (503); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 105; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 545f.; Többens, NStZ 2000, 505 (506); ders., WRP 2005, 552 (556). 269 Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 21; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109); Heine, FS Roxin 80, 1087 (1093); A. Koch, ZIS 2008, 500 (503). 270 Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 21; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109). 271 Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 6; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 9; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 20; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (334f.); Krüger, Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, 35.
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Verständnis272 mit dem üblicherweise das Geheimhaltungsinteresse bestimmt wird. Für die Gegner des Schutzes »illegaler Geheimnisse« hat jedoch der Wettbewerb als Rechtsgut ein besonderes Gewicht. Sie argumentieren mit dem Zweck des UWG, den Wettbewerb und seine Lauterkeit zu schützen. Daher sei es geradezu widersinnig, denjenigen zu schützen, der gegen diese Lauterkeit verstoße.273 Auf mögliche Schäden durch die Offenbarung könne es dabei nicht ankommen, da die betroffenen Unternehmen ein solches Schadenspotential hätten vermeiden können, indem sie auf die Rechtsverstöße274 verzichtet hätten. Das Geheimhaltungsinteresse dürfe nicht rein wirtschaftlich bestimmt werden, sondern müsse durch das aus der Business Judgement Rule bekannte Kriterium sachgemäßer Unternehmensführung normativiert werden. Die Anwendung dieses Kriteriums führe dazu, dass Vertuschungsaktivitäten keine sachgemäße Unternehmensführung darstellen könnten. Schließlich seien Schadensersatzansprüche, Nachzahlungen und Sanktionszahlungen stets möglich.275 Eine derartige Argumentation verwechselt meines Erachtens aber die entscheidende Frage. Schließlich handelt es sich nicht um die Beurteilung, ob Straftaten oder sonstige Gesetzesverletzungen eine sachgerechte Unternehmensführung276 darstellen. Entscheidend ist der Gesichtspunkt, ob die Nichtaufdeckung solcher – noch nicht mal notwendigerweise selbst oder überhaupt während der eigenen Beschäftigungszeit begangener – Taten277 eine sachgerechte Unternehmensführung ist. Es geht nicht darum, ob die Rechtsordnung einzuhalten ist, da diese bereits verletzt worden ist. Auch wenn die Einhaltung der Rechtsordnung zweifelsfrei ein überragendes Interesse ist, wird man nicht behaupten können, dass die Offenbarung eines jeden Rechtsverstoßes zwangsläufig eine sachgerechte Unternehmensführung wäre.278 Zudem bestehen meiner Meinung nach 272 Das Geheimhaltungsinteresse hat primär die Funktion eines Willkürausschlusses, dazu Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 6; ähnlich in den Steuerdatenfällen auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 107. 273 Anthes, JW 1931, 490; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (338); Elster, GRUR 1932, 32 (34); Liebl/Müller/Wabnitz, Betriebs-Spionage, 251; Wawrzinek, Verrat, 125. 274 In den Steuerdatenfällen müsste man wohl nicht auf die Vermeidung von Rechtsverstößen, sondern vielmehr auf die Vermeidung der Zusammenarbeit mit Kunden, die Rechtsverletzungen begangen haben, abstellen, da sich die mögliche Illegalität primär auf Handlungen der Bankkunden bezieht (dazu näher im Rahmen der Besonderheiten der Steuerdatenfälle unter (f) bb)). 275 Föbus, Insuffizienz, 104ff. 276 Dazu Lutter, ZIP 2007, 841 (844). 277 Zu dem Umstand, dass in den Steuerdatenfällen Straftaten der Bankkunden im Zentrum stehen, siehe unten unter (f) (bb). 278 So kommt auch Otto, der im Grundsatz ebenfalls auf die sachgerechte Unternehmensführung abstellt zu dem Ergebnis, dass »illegale Geheimnisse« dennoch geschützt seien, Otto, wistra 1988, 125 (126).
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grundsätzliche Zweifel an der Bestimmung des Geheimnisbegriffs durch das Kriterium der sachgerechten Unternehmensführung. So hinge der Strafrechtsschutz auch jenseits von Extremfällen wie dem »illegalen Geheimnis« davon ab, wie einzelne Entscheidungen des Verantwortlichen bewertet werden: Wann immer das Bewahren eines Geheimnisses nicht mehr als sachgerechte Unternehmensführung einzuordnen wäre, entfiele der Geheimnischarakter. Dass dies zu wenig plausiblen Ergebnissen führt, illustriert das folgende Beispiel: Es mag in manchen Fällen wirtschaftlich sachgerecht sein, eine Erfindung zu patentieren und ihr damit den Geheimnischarakter zu nehmen,279 entscheidet sich der Unternehmer dagegen – mit unter Umständen unvernünftiger Begründung –, mag es sich nicht um sachgerechte Unternehmensführung handeln280. Dennoch erscheint es nicht plausibel, in solchen Fällen den strafrechtlichen Schutz zu versagen und denjenigen, der ein solches Geheimnis mitteilt oder verwertet, straflos davon kommen zu lassen. Zudem lässt die Anwendung der Business Judgement Rule zur Bestimmung des Geheimhaltungsinteresses unberücksichtigt, dass das Geheimhaltungsinteresse lediglich dem Willkürausschluss dient und nur verhindern soll, dass völlig bedeutungslose Umstände dem Geheimnisbegriff unterworfen werden281. Mithin kann die Business Judgement Rule nicht für die Bestimmung des Geheimnisbegriffs fruchtbar gemacht werden. Aldoney kommt zu dem Schluss, dass »illegale Geheimnisse« bei § 17 UWG nicht geschützt seien, was sich aus dem geschützten Rechtsgut, welches seiner Meinung nach die Entfaltungsfreiheit des Geheimnisinhabers im Wettbewerb ist, ergeben soll. Schließlich zählten unlauter erlangte Wettbewerbspositionen nicht mehr zu dieser Entfaltungsfreiheit.282 Dies habe den Vorteil, dass so Whistleblower unterstützt würden, was rechtspolitisch wünschenswert sei.283 Ob 279 Zum fehlenden Geheimnischarakter von Patenten Liebl/Müller/Wabnitz, Betriebs-Spionage, 249; Wittig, WStR, § 33, Rn. 40; vgl. auch §§ 31ff. PatG. 280 Wenn bei objektiver Betrachtung aus der ex ante-Perspektive nicht angenommen werden kann, dass die Entscheidung dem Wohl der Gesellschaft dient, greift die Business Judgement Rule nicht ein, dazu Lutter, ZIP 2007, 841 (844f.). 281 Zum Zweck des Geheimhaltungsinteresses als Teil des Geheimnisbegriffs Harte/Henning/ Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 6. 282 Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 351. Selbst diejenigen, die entgegen seiner Ansicht das Vermögen als geschütztes Rechtsgut betrachten, sollen zum Tatbestandsausschluss »illegaler Geheimnisse« gelangen können, indem aus den in Unternehmen eingerichteten Compliance-Systemen für Whistleblowing der Schluss gezogen wird, dass die Geheimniseigenschaft der illegalen Tatsachen auf Grund des fehlenden Geheimhaltungswillen entfalle (359f., 367f.). Eine solche Argumentation verkennt, dass mit einem Compliance-System keine generelle Freigabe des Geheimnisses stattfindet, sondern allenfalls eine Einwilligung in die Offenbarung besteht, begrenzt auf die Fälle, in denen tatsächlich an die Compliance-Stelle mitgeteilt wird. 283 Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 359.
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wirklich jeder Whistleblower unabhängig von der konkreten Situation und ohne Abstellen auf seine Motivation bevorzugt werden sollte, ist meines Erachtens schon höchst zweifelhaft. Vor allem aber ist unabhängig von ihrer sachlichen Berechtigung die rechtspolitische Wunschvorstellung von Einzelpersonen, solange sie sich nicht beispielsweise in Gesetzgebungsmaterialien niedergeschlagen hat und damit Ausdruck der demokratischen Willensbildung geworden ist, kein Argument für die Auslegung einer Norm. Selbst wenn man in der Entfaltungsfreiheit im Wettbewerb das einschlägige Rechtsgut sieht, ist dieses jedoch auch berührt, wenn das Geheimnis rechtswidrige Tatsachen zum Inhalt hat. Schließlich zählen auch rechtswidrige Umstände zur Entfaltungsfreiheit. Ein Unternehmen hat gerade bei rechtswidrigen Geschehnissen ein Interesse, über eine mögliche Offenbarung zu entscheiden. Dass die Lauterkeit des Wettbewerbs einen Ausschluss von rechtswidrigen Umständen aus dem Geheimnisbegriff nicht gebietet, sondern im Gegenteil eher eine Einbeziehung verlangt, ist bereits im Rahmen der systematischen Betrachtung mit Blick auf § 2 UWG erläutert worden. Meines Erachtens verkennt die Argumentation, die auf die Nichtberührung des Wettbewerbs abstellt, zum einen den Dualismus der Rechtsgüter im Rahmen von § 17 UWG. Das Individualrechtsgut des Unternehmens, welches auch immer man für einschlägig erachtet, ist schließlich sehr wohl betroffen, da durch die Offenbarung das Geheimnis als solches angegriffen wird und, wie bereits dargelegt worden ist, Schäden entstehen können. Da die Privilegierung von Informationsweitergaben aus üblicherweise nicht hehren Motiven aus lauterkeitsrechtlicher Perspektive wohl kaum geboten ist, kann die Betroffenheit des Rechtsguts des Unternehmens nicht durch Erwägungen von Seiten des anderen Rechtsguts her aufgewogen werden.284 Zudem ist die These, der lautere Wettbewerb sei nicht betroffen, schlichtweg falsch. Durch Informationsweitergaben aus eigennützigen Motiven zum Beispiel an Konkurrenten, wird der rechtswidrige Zustand nicht bekämpft, sondern aufrechterhalten.285 So ist beispielweise die Konstellation denkbar, dass durch die Information auch die Mitbewerber wissen, wie man Rechtsverstöße möglichst geschickt begeht. Außerdem führen solche Informationsweitergaben nicht nur zur Betroffenheit des Wett284 Im Ergebnis ähnlich Sonn, Steuer-CD-Affäre, 104, der jedoch entscheidend darauf abstellt, die einzige wettbewerbsrelevante Auswirkung der Offenbarung sei die Schwächung des betroffenen Unternehmens, wobei eine Schwächung allein nie Ziel des lauteren Wettbewerbs sein könne. Dabei wird aber meines Erachtens verkannt, dass neben der Schwächung automatisch auch eine Stärkung der von Rechtsverstößen oder zumindest ihrer Offenbarung nicht betroffenen Unternehmen eintritt. 285 Zur Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands Mayer, GRUR 2011, 884 (887); ähnlich auch Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (109f.); bezogen auf die Parallelproblematik im GmbHG GK-GmbHG/Ransiek, § 85, Rn. 24; a. A. Rützel, GRUR 1995, 557 (561), der auch Weitergaben an Konkurrenten für nicht strafwürdig erachtet.
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bewerbs in der konkreten Branche, sondern zu einer Schädigung des gesamtwirtschaftlichen Wettbewerbs. Durch die Straflosigkeit und damit durch die Privilegierung solcher Informationsweitergaben entsteht langfristig ein Markt,286 auf dem Informationen und damit Wirtschaftsgegenstände angeboten werden, die den Anbietern rechtlich nicht zugeordnet sind. Daran, dass die Geheimnisse den Informanten nicht zuzuordnen sind, dürfte auch von den Gegnern der Erfassung »illegaler Geheimnisse« nicht gezweifelt werden.287 Schließlich wird ein Geheimnis nicht durch einen rechtlich bemakelten Inhalt »vogelfrei« in dem Sinne, dass sich jeder ein solches Geheimnis einverleiben dürfte. Die Häufung derartiger Fälle in der jüngeren Vergangenheit zeigt, dass die Befürchtung der Entstehung eines solchen Markts durchaus berechtigt ist. Ein Markt, bei dem aus Gegenständen Profite gezogen werden, obwohl den Nutznießern die Werte nicht zugeordnet sind, widerspricht aber der Lauterkeit des Wettbewerbs. Mithin ist das Verhalten solcher Täter zu Recht als strafwürdig anzusehen. Zudem zeigt sich an der Existenz eines Markts für »illegale Geheimnisse«, dass der lautere Wettbewerb selbst dann betroffen ist, wenn die Geheimnisse nicht an Mitbewerber, sondern an staatliche Stellen mitgeteilt werden. Schließlich beteiligen sich dann auch die Amtsträger daran, den Anbietern Profite aus ihnen nicht zustehenden Vermögenswerten zu ermöglichen und erwecken auf diese Weise den Eindruck, dass ein solcher Markt von staatlicher Seite akzeptiert sei.288 Der Markt für illegalen Datenhandel wird mit dem Etikett staatlicher Akzeptanz versehen. Durch ein derartiges Setzen von Anreizen wird die Entstehung eines Marktes für Informationen zweifelhafter Herkunft daher sogar begünstigt. Folglich ist zu konzedieren, dass das Kollektivrechtsgut des lauteren Wettbewerbs unabhängig von dem Adressaten der Mitteilung betroffen ist. Mithin kann einer Einbeziehung »illegaler Geheimnisse« auch nicht entgegengehalten werden, dass das bloße Abstellen auf das Individualrechtsgut zur Bejahung des Tatbestands nicht ausreiche, da eine kumulative Berührung289 beider Rechtsgüter stets erforderlich sei. Die vorangegangenen Überlegungen haben gerade gezeigt, dass selbst bei einem rechtswidrigen Geheimnisinhalt sowohl das Individualrechtsgut des betroffenen Unternehmens als auch das Kollektivrechtsgut »Wettbewerb« durch die Geheimnisverletzung berührt sind. 286 Vgl. zu einem Markt für Datenkäufe auch Campos Nave, Heft 11, BB 2010, I; Spatscheck, FS Schiller, 608 (617): »Schwarzmarkt[es] für gestohlene Bankdaten«; Wagner/Roth, RIW 2012, 345 (347); zur wirtschaftswissenschaftlichen Begründung einer Anreizwirkung für potentielle Datendiebe Schauerte, Steuer-CDs, 34. 287 Zur fehlenden rechtlichen Zuordnung in anderem Zusammenhang auch Kühne, GA 2010, 275 (283). 288 Vgl. zu den Auswirkungen des staatlichen Verhaltens auch Gotzens, FS Streck, 519 (527f.), wonach die Ankaufspraxis suggeriere, dass ökonomische Effizienz den Vorrang vor Rechtsstaatlichkeit habe. 289 Wawrzinek, Verrat, 86, verlangt die kumulative Betroffenheit.
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Daher kann man abschließend feststellen, dass auch teleologische Argumente für die Erfassung von Geheimnissen mit rechtswidrigem Inhalt sprechen. Die üblichen Auslegungsmethoden zeigen daher im Ergebnis, dass der Bezug des Geheimnisinhalts zu rechtswidrigen Umständen keine Auswirkungen auf das Merkmal des Geheimnisses hat und nicht zu einer Verneinung des Tatbestands des § 17 UWG führt. (f ) Besonderheiten der Steuerdatenfälle Die hier untersuchten Steuerdatenfälle stellen allerdings eine für § 17 UWG eher unübliche Konstellation dar. Daher muss erörtert werden, ob die dabei auftretenden Besonderheiten290 das oben gefundene Ergebnis bestätigen oder eine andere Beurteilung rechtfertigen. Zu den Besonderheiten der Steuerdatenfälle zählen der gemischte Inhalt der Daten, der Ursprung der Illegalität und das Handeln durch Bankangestellte. (aa) Mischinhalt Der Umstand, dass höchstwahrscheinlich nicht alle Teile der Daten illegal sind beziehungsweise Aufschluss über rechtswidrige Aktivitäten geben, könnte Auswirkungen auf die Problematik der »illegalen Geheimnisse« haben.291 Auch wenn Prüfungen der Daten aus dem Fall Schweiz II ergeben haben, dass 88 Prozent292 der auf den Datenträgern enthaltenen Kunden zumindest Teile ihres Vermögens verheimlicht haben, bleibt immer noch ein Rest von Kunden, der sich offensichtlich legal verhalten hat.293 Teilweise wird versucht, diese Tatsache zu negieren, indem vermutet wird, jeder, der sein Geld in Ländern mit einem bestimmten Ruf anlege, werde schon einen Grund jenseits der Legalität haben.294 Eine derartige Pauschalisierung wird aber meines Erachtens der Realität einer globalisierten Welt und der zumindest im Verhältnis zu EU290 So schränkt Wawrzinek, Verrat, 129, der sich grundsätzlich für einen Ausschluss »illegaler Geheimnisse« ausspricht, dieses Ergebnis für manche Konstellationen der Steuerdatenfälle wieder ein. 291 So Sieber, NJW 2008, 881 (882); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 544; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21); Wulf, PStR 2012, 33 (37). 292 So angenommen von Gössel, FS Puppe, 1377; vgl. auch AG Nürnberg, StV 2014, 471, woraus hervorgeht, dass ein Teil der auf der CD angegebenen Personen ihre Kapitalerträge ordnungsgemäß versteuert hat. 293 So auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 544; Wawrzinek, Verrat, 129, der in den Fällen entwendeter Steuerdaten daher nur dann den Ausschluss des Geheimnisbegriffs annimmt, wenn alle Kontodaten zur Steuerhinterziehung genutzt worden sind. Praktisch dürfte es aber unwahrscheinlich sein, dass eine Datensammlung eine Trefferquote von 100 % aufweist. 294 In diese Richtung Erb, FS Roxin 80, 1103 (1104f.); vgl. auch OLG Frankfurt a.M., wistra 1996, 159 (160), wonach im Luxemburg-Fall ein Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung primär gestützt auf die ausländische Geldanlage angenommen werden kann.
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Staaten geltenden Kapitalverkehrsfreiheit nicht gerecht.295 Zudem ist für den Bankmitarbeiter, der die Daten ansichbringt oder für denjenigen, der die Daten erwirbt, nicht auf den ersten Blick erkennbar, ob es sich um einen Kunden handelt, der seinen steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen ist, oder nicht.296 Daher müsste man, wenn »illegale Geheimnisse« aus dem Schutzbereich ausgenommen würden, im Zweifel einen Tatbestandsirrtum erwägen, da der potentielle Täter wahrscheinlich behaupten würde, vom Vorliegen eines solchen Geheimnisses ausgegangen zu sein – angesichts der erwähnten Quote von 88 Prozent hinsichtlich der steuerhinterziehenden Kunden und des Umstands, dass der Bankmitarbeiter vermutlich nur einen kursorischen Überblick über die betroffenen Kunden hat, kann jedenfalls nicht völlig ausgeschlossen werden, dass ein solches Vorbringen als glaubhaft angesehen wird. Das käme aber gerade in Anbetracht der fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit einer Aushöhlung des Tatbestands gleich.297 Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass in der Datensammlung bei lebensnaher Betrachtung selbst bei den Kunden, die tatsächlich Steuern hinterzogen haben, auch solche Daten enthalten sind, die keine Relevanz für eine mögliche Straftat haben, beispielsweise Vorkehrungen für den Erbfall im Beistatut der Stiftung.298 Dies gilt vor allem, wenn man sich vergegenwärtigt, wie umfangreich insbesondere im Fall Heinrich Kiebers das entwendete Material ist. Daher lässt sich die Relevanz des gemischten Inhalts auch nicht dadurch umgehen, dass man die in der Datensammlung vorhandenen Geheimnisse für die Beurteilung aufspaltet in solche mit Bezug auf ehrliche Kunden und solche mit Bezug auf Kunden, bei denen der Verdacht einer Steuerhinterziehung naheliegt. Selbst wenn man die Betroffenheit des legalen Inhalts damit rechtfertigen wollte, dass der illegale Teil anders nicht zu erlangen gewesen wäre, bestätigt der Aspekt des Mischinhalts den bereits zuvor festgestellten Befund, wonach es sich bei der Problematik des »illegalen Geheimnisses« um Fragen der Rechtswidrigkeit handelt: Gerade die Abwägung mit anderen Interessen ist eine typische Notstandsüberlegung. Daran wird deutlich, dass die für die Steuerdatenfälle typische gemischte
295 Gegen eine solche Vorverurteilung auch Fehling/Rothbächer, DStZ 2008, 821 (826); in einem von der Steuerdatenaffäre losgelöstem Zusammenhang Bülte, wistra 2008, 292 (293f.); vgl. auch BFH, wistra 2001, 354 (358), wonach der Anfangsverdacht einer Steuerhinterziehung nicht allein auf einen Vermögenstransfer in das Ausland gestützt werden kann. 296 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Trüg, StV 2011, 111. 297 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); allgemein für § 17 UWG auf den Aspekt des Irrtums und der fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit abstellend bereits Nolting-Hauff, GRUR 1930, 907 (911). 298 Ähnlich auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 544.
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Zusammensetzung der Daten die Einbeziehung »illegaler Geheimnisse« in den Tatbestand bestätigt. (bb) Ursache der Illegalität Charakteristisch für die Steuerdatenfälle ist, dass die Ursache einer möglichen Illegalität primär im Verhalten der Bankkunden liegt.299 Diejenigen, die in der Steuerdatendiskussion Geheimnisse mit rechtswidrigem Inhalt aus dem Schutzbereich des § 17 UWG herausnehmen möchten, verkennen meines Erachtens die Ausrichtung des § 17 UWG. Gerade weil es sich, wie oben herausgearbeitet, um ein Geheimnis der Bank handelt, kann für die Argumentation nicht auf das möglicherweise rechtswidrige Verhalten der Bankkunden abgestellt werden. Genau das tun aber diejenigen,300 für die eine mögliche Steuerhinterziehung und die entsprechende Information der deutschen Behörden die zentralen Argumente sind. Stellt man aber auf die Bank oder das Treuhandunternehmen ab, so ist deren Verhalten nach dem Recht ihres Belegenheitsorts zumindest in den weit überwiegenden Fällen rechtmäßig301: Rechtsverstöße, die man in Deutschland tätigen Unternehmen zur Last legen könnte, beispielsweise eine Missachtung der GwGPflichten, greifen mangels Geltung der entsprechenden Gesetze für Banken im Ausland nicht ein.302 Zwar wird die Problematik des »illegalen Geheimnisses« auch dann erörtert, wenn Mitarbeiter des Geheimnisherrn Straftaten begehen,303 doch liegt eine Strafbarkeit der Bankmitarbeiter in den Steuerdatenfällen regelmäßig nicht vor:304 In Betracht käme vor allem eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung. Selbst wenn man das deutsche Strafrecht auf die entsprechenden Handlungen der 299 So auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Heine, FS Roxin 80, 1087 (1093f.). 300 So z. B. Erb, FS Roxin 80, 1103 (1105ff.) im Rahmen der der von ihm vertretenen vermittelnden Ansicht; ähnlich auch Paeffgen, BRJ 2010, 12 (15); Roth, Stbg 2013, 29 (30); zumindest auf Rechtswidrigkeitsebene Stratenwerth/Wohlers, ZStrR, 2010, 429 (441f.). 301 Ähnlich auch Spernath, NStZ 2010, 307 (308), der auf die Geheimhaltungspflicht nach dem Recht am Ort der Bankniederlassung abstellt; vgl. auch Pawlik, JZ 2010, 693 (698), der darauf abstellt, dass das »Geschäftsmodell« der Banken jedenfalls völkerrechtlich unbedenklich sei. 302 Zur Nichtanwendbarkeit des KWG auf ausländische Stellen einer Bank mit Sitz im Ausland Otto, Bankentätigkeit, 10; Mithin kommt eine Anwendbarkeit des GwG ebenfalls nicht in Betracht, da das GwG für seine Anwendbarkeit auf das KWG verweist (§ 2 I Nr. 1–3 GwG); Gegen die Heranziehung von außerstrafrechtlichen Regelungen im Rahmen der Beihilfestrafbarkeit auch Dannecker, ZStW 2005 (117), 697 (718f.), der ebenfalls auf die territoriale Beschränkung abzielt. 303 Vgl. z.B Sonn, Steuer-CD-Affäre, 17f., 102f. 304 Ähnlich Ostendorf, ZIS 2010, 301 (302); zu Strafbarkeitsrisiken von Bankmitarbeitern bei Steuerhinterziehungen von Bankkunden BGHSt 46, 107ff.; LG Wuppertal, wistra 1999, 473ff.; LG Bochum, NJW 2000, 1430ff.; Bielefeld/Prinz, DStR 2008, 1122ff.
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Kundenbetreuer anwendet,305 dürften die Voraussetzungen einer Beihilfestrafbarkeit nicht vorliegen.306 Zwar wird die Möglichkeit einer Beihilfestrafbarkeit von Bankangestellten grundsätzlich bejaht, doch wird zur Abgrenzung von berufstypischen und damit straflosen Tätigkeiten eine besondere Sachverhaltsgestaltung verlangt. Als Indizien für berufsuntypisches und damit strafbares Beraterverhalten gelten vor allem anonyme Geldbuchungen und sonstige Verschleierungshandlungen.307 Im Gegensatz zu den bisher entschiedenen Fällen zur Beihilfe durch Bankmitarbeiter handelt es sich bei den entwendeten Steuerdaten jedoch um Fälle, in denen die entsprechenden Tätigkeiten bei ausländischen Banken und im Ausland verübt worden sind. Daher ist bei der Beurteilung meines Erachtens zu berücksichtigen, dass im betroffenen Ausland anonymisierende Praktiken weitaus üblicher sind als in Deutschland. In einer anonymisierenden, aus deutscher Sicht bewusst verschleiernden Führung von Konten kann folglich nicht die für eine Strafbarkeit erforderliche Besonderheit der Sachgestaltung gesehen werden, da ein solches Verhalten gerade der ortsüblichen Handhabung entspricht.308 Ebenso wenig kann eine strafbare Beihilfe auf die Hilfe bei Gründung und Führung einer Stiftung gestützt werden, da die Stiftung gerade in Liechtenstein ein häufig genutztes Instrument zur Vermögensverwaltung ist. Mithin kommt eine Beihilfestrafbarkeit der Kundenbetreuer in Ermangelung einer – gemessen an den Verhältnissen am Ort der betroffenen Bank – besonderen Sachverhaltsgestaltung grundsätzlich nicht in Betracht.309 Wenn die Banken beziehungsweise ihre Mitarbeiter jedoch gegen keine 305 So Bielefeld/Prinz, DStR 2008, 1122 (1123f.); Sahan/Ruhmannseder, IStR 2009, 715 (716), die die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auch bei Mitarbeitern ausländischer Bankfilialen bejahen; a. A. hingegen Ostendorf, ZIS 2010, 301 (302). 306 Für eine Beihilfe durch Mitglieder der erweiterten Geschäftsleitung hingegen LG Düsseldorf, wistra 2013, 80, wobei unklar bleibt, ob die Beihilfe primär auf Grund der speziellen Anlageform (Lebensversicherungsmäntel) angenommen wird oder auch auf Grund anderer in dem Beschluss genannter Aspekte (grenznahe Filialen, keine Versendung von Unterlagen nach Deutschland), welche nach hier vertretener Ansicht für eine Beihilfe keinesfalls ausreichen; vgl. auch Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1202 zu einem Verfahren gegen Mitarbeiter der LGT, das durch das LG Bochum gegen Geldauflagen eingestellt worden ist, wobei eine Unternehmensgeldbuße gegen die LGT verhängt worden ist. 307 BGHSt 46, 107 (114); LG Bochum, NJW 2000, 1430 (1430, 1432); Löwe-Krahl, Verantwortung von Bankangestellten, 48; selbst dann kritisch zur Strafbarkeit der Bankmitarbeiter Ransiek, wistra 1997, 41ff. 308 Für eine Berücksichtigung des ausländischen Bankenrechts bei der Frage einer Beihilfestrafbarkeit von im Ausland tätigen Bankmitarbeitern auch Bülte, wistra 2008, 292 (294); Dannecker, ZStW 2005 (117), 697 (718f.). 309 Anders hingegen gerade für die Steuerdatenfälle Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (430ff.), die von einer Beihilfestrafbarkeit ausgehen und zu deren Begründung unter anderem darauf abstellen, dass den deutschen Kunden Ratschläge zur Anmeldung eines schweizerischen Scheinwohnsitzes gegeben worden seien. Diese Sachgestaltung ist jedoch sehr speziell und daher kaum verallgemeinerungsfähig.
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Rechtsnorm verstoßen, ist ihr Verhalten nicht als rechtswidrig zu bewerten. Rechtswidrigkeit ergibt sich entgegen anderen Argumentationen310 nicht daraus, dass man sein Unternehmen in einem Staat betreibt, der ein anderes Bankgeheimnis hat, selbst wenn dieses Bankgeheimnis die Verschleierung von Straftaten fördert. Diese Aspekte werden auch verkannt, wenn argumentiert wird,311 dass Schwarzgeldkonten als solche schon wettbewerbswidrige Zustände darstellten und daher den Tatbestand eines wettbewerbsschützenden Delikts entfallen lassen müssten. Schließlich können den Banken im Ausland nicht die gerade erwähnten deutschen Sorgfaltspflichten auferlegt werden. Zudem handelt es sich nicht bei allen Konten um »Schwarzgeldkonten«, da legales Geld, dessen Erträge »lediglich« nicht versteuert werden, kein Schwarzgeld ist. Daran zeigt sich, dass es besonders in den Steuerdatenfällen erforderlich ist, den Geheimnisbegriff trotz Berührung mit Geschehnissen jenseits der Legalität zu bejahen. Festgestellt werden kann daher, dass eine mögliche Steuerhinterziehung der Bankkunden keinen Einfluss auf das Vorliegen eines Geheimnisses hat. (cc) Handeln durch Bankangestellte Schroth sieht eine Besonderheit der Steuerdatenfälle gerade darin, dass eine Geheimnisweitergabe durch Bankangestellte erfolgt ist. Bankangestellte hätten im Gegensatz zum Beispiel zu Rechtsanwälten und Ärzten kein Geheimnis zu schützen. Daher sei eine Geheimnisweitergabe durch Bankangestellte, sofern sie an staatliche Stellen erfolge, nicht tatbestandsmäßig. Eine für die Rechtswidrigkeit typische Abwägung sei gerade nicht erforderlich.312 Eine solche Argumentation ist erstens schon bezogen auf manche den Steuerdatenfällen zugrundeliegenden Sachverhalte ungenau. So sind teilweise Daten einer Rechtsanwaltskanzlei abhanden gekommen, wobei die Kanzlei im Rahmen ihrer Treuhandtätigkeit auch klassische Anwaltstätigkeiten wie die Ausarbeitung von Stiftungsverträgen übernommen haben dürfte (Beispielsfall Liechtenstein I). Zweitens vermag die Prämisse, Bankangestellte seien nicht zum Geheimnisschutz verpflichtet, nicht zu überzeugen. Schroth nennt keinen expliziten Grund für seine Differenzierung, scheint aber, wie der Vergleich mit Ärzten und 310 In diese Richtung Erb, FS Roxin 80, 1103 (1104, 1113); ähnlich auch Roth, Stbg 2013, 29 (30): »zu zweifelhaften Hinterziehungsberatungen«. 311 So Wawrzinek, Verrat, 129. 312 Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191f.); Wenngleich Schroth das Problem entgegen der h. M. bei der Unbefugtheit verortet, erscheint mir eine Erörterung an dieser Stelle passend, da sein Kernanliegen gerade in einem Tatbestandsausschluss besteht und hier davon ausgegangen wird, dass es sich bei der Unbefugtheit um den Hinweis auf die Rechtswidrigkeit handelt.
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Rechtsanwälten nahelegt, darauf abzustellen, dass für Bankangestellte keine durch § 203 StGB strafbewehrte Schweigepflicht existiert. Die Argumentation ist aber zirkulär : Eine – vertragliche – Schweigepflicht besteht auch für Bankangestellte. In den meisten Fällen folgt diese nicht nur aus dem Vertrag zwischen der Bank und dem Kunden, sondern auch aus dem Arbeitsvertrag des Bankangestellten mit der Bank. Dieser ist hier relevant, da § 17 UWG, wie oben herausgearbeitet, lediglich die Bank schützt. Aus einer solchen Verschwiegenheitsverpflichtung folgt aber, dass der Bankangestellte zum Schutz des Geheimnisses verpflichtet und damit Geheimnisträger ist. Ob diese Verpflichtung einer Strafbewehrung unterliegt, ist die durch die Erörterung von § 17 UWG zu klärende Frage. Verneint man diese Frage mit dem Argument des fehlenden Geheimnisträgerstatus, nutzt man das – gewünschte – Ergebnis zur Begründung. Mithin zeigt sich, dass die Besonderheiten der Steuerdatenfälle das oben durch Auslegung des § 17 UWG gefundene Ergebnis stützen. (g) Zwischenergebnis Folglich kann resümiert werden, dass die Daten der Bankkunden ein durch § 17 UWG geschütztes Geschäftsgeheimnis der Bank darstellen, unabhängig davon, ob sie Aufschluss über rechtswidrige Umstände geben. cc) Problematik der Erfassung von Geheimnissen ausländischer Unternehmen Nachdem nun herausgearbeitet worden ist, dass Kundendaten als Geheimnis der Bank von § 17 UWG geschützt werden, und zwar auch dann, wenn sie einen Bezug zu strafrechtlich relevanten Sachverhalten haben, stellt sich bezogen auf den Schutzbereich des § 17 UWG eine weitere Frage. Charakteristisch für die Fälle des Ankaufs und Verkaufs von Steuerdaten ist gerade eine Konstellation mit ausländischen Banken. Wie gezeigt worden ist, ergibt sich der Schutz der Kundendaten aus dem Schutz des Unternehmens und nicht etwa durch einen originären Kundenschutz. Folglich kann der strafrechtliche Schutz nicht damit begründet werden, dass es sich um deutsche Kunden handelt. Mithin muss auf die Bank abgestellt werden. Dabei stellt sich die Frage, ob und warum § 17 UWG auch Geheimnisse ausländischer Unternehmen schützt. (1) Meinungsstand Ob auch Geheimnisse ausländischer Unternehmen ohne Inlandsabhängigkeit geschützt sind313 oder nicht314, ist umstritten. 313 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 6; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 13; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 107, wobei alle Fragen des Schutzbereichs und des Strafanwendungsrechts vermengen; in den Steuerdatenfällen
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Dabei wird vor allem auf den Zweck des UWG, das heißt die Regelung des Wettbewerbs im Inland abgestellt.315 Zudem werden das Fehlen einer § 299 StGB entsprechenden Regelung316 und die Regelung des § 17 VI UWG317 als Indizien gegen den Schutz ausländischer Geheimnisse angesehen. Auf diese beiden Normen verweisen aber auch diejenigen, die ausländische Geheimnisse in den Schutzbereich einbeziehen.318 Ferner wird für die Bejahung des Schutzes auf den Grundsatz der Einbeziehung ausländischer Individualrechtsgüter verwiesen.319 Einen besonderen Ansatz wählt Heine, der ausländische Geheimnisse hauptsächlich auf Basis einer völkerrechtlichen Argumentation in den Schutzbereich einbezieht.320 (2) Abwägung Welcher dieser Argumentationswege überzeugen kann, wird im Folgenden getrennt nach Auslegungsmethoden untersucht. (a) Völkerrechts- und europarechtskonforme Auslegung Zur Begründung des Schutzes ausländischer Geheimnisse rekurriert Heine auf das Völkerrecht in Gestalt des TRIPS-Abkommens. Das TRIPS-Abkommen bezieht sich auf den Schutz des geistigen Eigentums und ist zwischen den WTOStaaten geschlossen worden. Zum geistigen Eigentum werden auch geheime Informationen (Art. 39) und damit Geschäftsgeheimnisse gezählt. Die Zentralregelung besteht in der Verpflichtung, Angehörige anderer Mitgliedsstaaten genauso zu behandeln wie Inländer (Art. 1 I, 3 I 1). Heine argumentiert, Deutschland habe sich gemäß Art. 1 III 1321 des TRIPS-Abkommens verpflichtet, Wirtschaftsgeheimnissen von Mitgliedsstaaten des Abkommens den Schutz inländischer Wirtschaftsgeheimnisse zu gewähren, so dass der Schutzumfang des § 17 UWG unabhängig von der allgemeinen Zielrichtung des UWG an den
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Heine, FS v. Büren, 917 (921); ders., ASA 2010/2011, 525 (531); ders., FS Roxin 80, 1087 (1092); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Sieber, NJW 2008, 881; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 87f.; Trüg, StV 2011, 111; Wulf, PStR 2012, 33 (37). Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (395); Bruch, NStZ 1986, 259 (260); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (203); Stratenwerth/ Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441); Zieschang, FS Scheuing, 794 (802ff.). Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274); Zieschang, FS Scheuing, 794 (802f.). Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (203). Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (203); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441); Zieschang, FS Scheuing, 794 (802f.); jenseits der Diskussion um Steuerdaten Bruch, NStZ 1986, 259 (260) allerdings noch zur alten, inhaltlich gleichen Regelung in § 20a UWG. Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391). Sieber, NJW 2008, 881; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 88; Wulf, PStR 2012, 33 (37). Heine, ASA 2010/2011, 525 (531); ders., FS Roxin 80, 1087 (1092). Heine, aaO verweist aus Art. 1 III 1, meines Erachtens muss aber Art. 3 I 1 hinzugelesen werden.
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Maßstäben des TRIPS-Abkommens auszurichten sei. Schließlich seien die völkerrechtlichen Regelungen zwingend. Auch wenn das TRIPS-Abkommen für strafrechtliche Aspekte gemäß Art. 61 S. 3322 nicht verbindlich sei, gebiete es die Einheit der Rechtsordnung, ausländischen Geheimnissen nicht nur den zivilrechtlichen Schutz zukommen zu lassen.323 Nach anderer Ansicht ist ein strafrechtlicher Schutz von Geschäftsgeheimnissen auf Grund des eindeutigen Wortlauts (Art. 61) rein fakultativ,324 so dass daraus keine Schlüsse gezogen werden könnten. Auch die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ)325 habe im Strafrecht keine Bindungswirkung, so dass auch darüber kein Schutz begründbar sei.326 Auf Grund der dargestellten Differenzen sind die genannten Normen näher zu betrachten. Dabei ergibt sich, dass aus ihnen keine Begründung für den Schutz ausländischer Geheimnisse entnommen werden kann. Entscheidend gegen ein Abstellen auf das TRIPS-Abkommen spricht meines Erachtens dessen Inhalt: Betrachtet man Art. 61 des Abkommens näher, so stellt man fest, dass verbindliche strafrechtliche Maßnahmen nur bezogen auf den Schutz bestimmter Waren vorgesehen sind (Art. 61 S. 1).327 Gerade weil es für einen Teil der durch das TRIPS geschützten Objekte auch verbindliche strafrechtliche Regelungen gibt, wird man schwerlich eine Verbindlichkeit für den anderen Teil konstruieren können. Dies widerspricht dem eindeutigen Wortlaut des Art. 61 S. 3, nach dem strafrechtliche Sanktionen für Handlungen, die nicht unter Art. 61 S. 1 fallen, fakultativ sind. Heines Weg, die fehlende Verbindlichkeit für strafrechtliche Fragen mit einem Verweis auf die Einheit der Rechtsordnung zu überwinden, überzeugt zudem nicht. Gerade im Bereich des Strafrechts bestehen diverse nationale Besonderheiten, die auch häufig Hintergrund für entsprechende Ausnahmen in internationalen Abkommen sind. Diese Praxis würde konterkariert, wenn solche bewusst eingefügten Ausnahmen für strafrechtliche Belange immer mit einem pauschalen Verweis auf die Einheit der Rechtsordnung ausgehebelt werden könnten. Folglich können aus den genannten völkerrechtlichen Rechtssätzen keine Erkenntnisse über den Schutz ausländischer Geheimnisse gewonnen werden. Der im Rahmen europarechtskonformer Überlegungen entwickelte Gedanke, 322 Heine, aaO verweist auf Art. 61 S. 3, wenngleich sich die fehlende Verbindlichkeit meines Erachtens aus Art. 61 S. 4 ergibt. 323 Heine, ASA 2010/2011, 525 (531); ders., FS Roxin 80, 1087 (1092). 324 Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 138; den fakultativen Charakter betonend auch MK-UWG/Brammsen, Vor § 17, Rn. 11; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 16. 325 Dabei handelt es sich um eine Vorläufer-Vereinbarung zum TRIPS-Abkommen. 326 Bruch, NStZ 1986, 259 (260); Zieschang, FS Scheuing, 794 (804). 327 Dazu Dreier, GRUR Int. 1996, 205 (214).
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einen Schutz ausländischer Unternehmen bei Unternehmen aus Mitgliedsstaaten der EU auf Grund des Assimilierungsprinzips zuzulassen,328 müsste nur dann näher betrachtet werden, wenn sich nicht bereits ein Schutz aller ausländischer Unternehmen ergäbe. Daher sollen zunächst weitere Aspekte beleuchtet werden. (b) Teleologische Auslegung Gegner des Schutzes ausländischer Unternehmen verweisen auf den Zweck des § 17 UWG. Abgestellt wird auf den Regelungsgegenstand des UWG, das heißt die Regelung des Wettbewerbs gerade im Inland.329 Eine derartige Fokussierung auf den inländischen Wettbewerb überzeugt jedoch nicht. Schließlich ist bereits im Rahmen des nicht vorhandenen Kundenschutzes hervorgehoben worden, dass für die Auslegung die jeweilige Norm und nicht die für das Gesetz geltenden Programmsätze wie die Schutzzwecke des § 1 UWG maßgeblich sind. Zudem wird durch die einseitige Betonung des inländischen Wettbewerbs gerade die duale Rechtsgutsstruktur des § 17 UWG verkannt. Geschützt wird eben nicht nur der nationale Wettbewerb, sondern daneben das Unternehmen in einem individuellen Rechtsgut.330 Wie mit Auslandsbezügen bei einer derartigen dualen Rechtsgüterstruktur umzugehen ist, wird später im Rahmen der Systematik des Schutzes ausländischer Rechtsgüter erläutert. Zunächst kann aber festgestellt werden, dass der inländische Wettbewerb als Schutzzweck des UWG keinen Hinderungsgrund für die Einbeziehung ausländischer Unternehmen darstellt. Sonn331 hingegen stellt sogar maßgeblich auf die Betroffenheit des inländischen Wettbewerbs ab und argumentiert, dass im Zeitalter der globalisierten Wirtschaft Angriffe auf ausländische Unternehmen auch Einfluss auf den Wettbewerb im Inland zeitigten. Um Deutschland jedoch nicht zum »Wettbewerbswächter über sämtliche ausländische Märkte«332 werden zu lassen, seien mit Blick auf grenzüberschreitende Wettbewerbsbeeinflussungen nur solche Angriffe zu erfassen, die aus dem Inland kämen. Gegen eine derartige Argumentation spricht meines Erachtens die Verquickung von Fragen des Schutzbereichs mit denen des Handlungsorts als Materie des Strafanwendungsrechts. Die fehlende Plausibilität einer solchen Vermengung der Fragestellungen zeigt sich daran, dass bei konsequenter Anwendung in den Steuerdatenfällen ausländische Geheimnisse allenfalls bezogen auf Handlungen der deutschen 328 So Zieschang, FS Scheuing, 794 (804). 329 Bruch, NStZ 1986, 259 (260); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274); Zieschang, FS Scheuing, 794 (802). 330 So indirekt auch Sieber, NJW 2008, 881. 331 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 87f. 332 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 88.
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Staatsvertreter geschützt würden, nicht jedoch gegen Handlungen des Bankmitarbeiters, da ein Inlandsangriff diesbezüglich nicht zu erkennen ist.333 Das identische Tatobjekt wäre demnach zunächst kein Geheimnis, könnte jedoch später als Geheimnis erfasst werden. Das Verhindern einer von Sonn befürchteten globalen Wächterrolle lässt sich durch eine Verneinung der Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts bei Fehlen der Voraussetzungen der §§ 3ff. StGB erreichen, ohne dass es Differenzierungen im Schutzbereich bedürfte. Von der Grundannahme her ist Sonn jedoch beizupflichten.334 Auch die Betroffenheit ausländischer Unternehmen kann Auswirkungen auf die Wettbewerbssituation im Inland haben. So ist in den Steuerdatenfällen beispielsweise in Betracht zu ziehen, dass Banken, die in Folge des Datenskandals erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten erleiden, deutsche Niederlassungen schließen. Auch könnten deutsche Banken von den Schwierigkeiten ausländischer Unternehmen profitieren. Kritiker der Einbeziehung ausländischer Geheimnisse sehen den Zweck des § 17 UWG gerade darin, zu verhindern, dass das Ausland Kenntnis von deutschen Geheimnissen erlangt. Dies werde hervorgehoben durch das Regelbeispiel der Verwertung im Ausland und dadurch, dass eine Schädigung der deutschen Volkswirtschaft zum Ersetzen des Strafantrags durch Bejahung des öffentlichen Interesses führen könne. Dann sei es aber geradezu absurd, auch ausländische Geheimnisse zu schützen.335 Das besondere Unrecht bei Auslandsbezügen, wie es Gegenstand der Regelbeispiele des § 17 II 2 Nr. 2, 3 UWG ist, betrifft meines Erachtens eine andere Frage als die des möglichen Schutzes ausländischer Unternehmen und kann daher auch nicht als Argument angeführt werden. Dass Geheimnisse deutscher Unternehmen möglichst nicht in andere Staaten gelangen sollen, entspricht zwar der Aussage des § 17 II 2 Nr. 2, 3 UWG. Das heißt jedoch nicht, dass Geheimnisse ausländischer Unternehmen deshalb schutzlos gestellt werden müssten. Das hieße, dass derjenige, der ausländische Unternehmen ausspäht, privilegiert würde. Eine solche Betrachtung mag allenfalls bei Einführung des UWG vor dem Hintergrund einer protektionistischen Wirtschaftspolitik plausibel gewesen sein. Die Betrachtung anderer Staaten sozusagen als Wirtschaftsfeinde, denen jeder Schutz zu versagen ist, hat aber mit der Realität einer globalisierten Welt und einem vereinten Europa nichts mehr gemeinsam. Mithin spricht auch der
333 Anders aber wohl Sonn, Steuer-CD-Affäre, 87ff., der seine Argumentation auf die Strafbarkeit des Informanten bezieht, allerdings von einer Datenüberlassung im Inland ausgeht, so dass für ihn ein »Inlandsbezug« vorliegt. 334 Vgl. auch Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8, der ebenfalls einen Einfluss auf den Bankenwettbewerb bejaht, jedoch keine nähere Begründung anführt. 335 Zieschang, FS Scheuing, 794 (802f.).
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Auslandsbezug der beiden Regelbeispiele nicht gegen den Schutz ausländischer Unternehmen. (c) Systematische Auslegung Sowohl von Befürwortern als auch von Gegnern des Auslandsschutzes wird auf andere Regelungen verwiesen, um den eigenen Standpunkt zu begründen. Aus systematischer Sicht könnte zunächst ein Blick auf andere Geheimnisschutznormen ergiebig sein. Im Rahmen von § 404 AktG werden grundsätzlich nur inländische Gesellschaften geschützt. Dies lässt sich aber damit erklären, dass das Aktiengesetz gerade eine spezielle Rechtsform mit spezifischen nationalen Besonderheiten regelt.336 Ähnliches ergibt ein Vergleich mit dem HGB. Bereits das Reichsgericht hat bezogen auf den dortigen Geheimnisschutz festgestellt, dass ausländische Gesellschaften nicht vom Schutz umfasst seien. Dies ist aber darauf zurückgeführt worden, dass ein Zusammenhang zwischen der Strafnorm und bestimmten in den vorherigen Gesetzesabschnitten genannten Gesellschaftsformen existiere.337 Mithin handelt es sich nicht um Erwägungen, die verallgemeinert werden können. Dass Normen, die sich gerade auf national geregelte Gesellschaftsformen beziehen, schwerlich auf andere ausländische Formen übertragen werden können, ist einleuchtend. § 17 UWG hingegen spricht allgemein von Unternehmen, so dass auf Grund des Wortlauts die Einbeziehung ausländischer Firmen zumindest nicht ausgeschlossen ist. Um den generellen Schutz von Geheimnissen aller ausländischen Unternehmen zu widerlegen, wird teilweise auf § 17 VI UWG i. V. m. § 5 Nr. 7 StGB verwiesen.338 Geheimnisse ausländischer Unternehmen seien nur unter den dortigen Voraussetzungen tatbestandlich erfasst. Demnach wären ausländische Unternehmen nur bei Abhängigkeit von einem deutschen Unternehmen und Einbettung in eine entsprechende Konzernstruktur geschützt. An diesen Voraussetzungen fehlt es in den Steuerdatenfällen typischerweise.339 Einer solchen Argumentation mit § 17 VI UWG ist entgegenzuhalten, dass § 17 VI UWG eine Norm des Strafanwendungsrechts ist und daher keinen Aufschluss über die 336 BGHSt 42, 243 (248f.); MK/Kiethe, § 404 AktG, Rn. 2; Erbs/Kohlhaas/Schaal, AktG, § 404, Rn. 2. 337 RGSt 68, 210 (211). 338 So in den Steuerdatenfällen vertreten von Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441); Zieschang, FS Scheuing, 794 (803); jenseits der Diskussion um Steuerdaten Bruch, NStZ 1986, 259 (260) allerdings noch zur alten, inhaltlich gleichen Regelung in § 20a UWG; wohl auch für eine Einordnung von § 17 VI UWG als Regelung des Schutzbereichs MK-UWG/ Brammsen, § 17, Rn. 173, was überrascht, da Brammsen, aaO, Rn. 71ff. gleichzeitig die Steuerdatenfälle an § 17 UWG misst, ohne auf die Schutzbereichsproblematik einzugehen. 339 Lediglich bezüglich der CISAL als Tochter der Commerzbank käme die Anwendung von § 5 Nr. 7 StGB in Betracht.
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Reichweite des Tatbestands gibt.340 Dies wird dadurch untermauert, dass im Bereich des transnationalen Strafrechts eine Unterscheidung zwischen Strafanwendungsbereich und Schutzbereich341 anerkannt ist. Daraus folgt, dass die Systematik des Schutzes ausländischer Rechtsgüter näher betrachtet werden sollte. Nach Ansicht der Gegner des Auslandsschutzes ist § 17 UWG auf inländische Rechtsgüter beschränkt, da die Ausnahme des Schutzes ausländischer Rechtsgüter nicht eingreift.342 Für das Eingreifen der Ausnahme müsse es ein deutsches Interesse an dem Schutz des ausländischen Rechtsguts geben, das sich aus humanitären beziehungsweise nationalen Interessen oder aus Solidaritätsüberlegungen mit anderen Staaten ergeben könne. Ein solches sei aber bezüglich des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen nicht ersichtlich.343 Zudem wird auf das Kollektivrechtsgut des Wettbewerbsschutzes abgestellt. Bei Kollektivrechtsgütern komme ein Schutz ausländischer Rechtsgüter nur unter besonderen, im Rahmen des UWG nicht ersichtlichen Voraussetzungen in Betracht.344 Diese Argumentationslinien widersprechen aber den zum Schutz ausländischer Rechtsgüter entwickelten Grundsätzen und der dualen Rechtsgüterstruktur des § 17 UWG. Ob auch ausländische Rechtsgüter geschützt sind, ist nach allgemeinen Grundsätzen durch die Auslegung der jeweiligen Norm zu bestimmen.345 Dabei gilt für Individualrechtsgüter der Grundsatz, dass ausländische Rechtsgüter geschützt sind.346 Hintergrund ist, dass aus völkerrechtlichen Prinzipien vor 340 So auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Trüg, StV 2011, 111. 341 Zur Unterscheidung von Schutzbereich und Anwendungsrecht Hecker, EU SR, § 2, Rn. 4; Jescheck/Weigend, AT, 176; Rengier, AT, § 6, Rn. 4; Satzger, EU SR, § 3, Rn. 12; Walter, wistra 2001, 321 (322); a. A. Golombek, Schutz ausländischer Rechtsgüter, 25f., 108ff. Die Differenzierung zwischen Schutzbereich und Strafanwendung verkennen nicht nur die Gegner des Schutzes ausländischer Unternehmen, sondern auch diejenigen der Befürworter, die im Rahmen des Schutzbereichs einen »Inlandsbezug« fordern (vgl. Erbs/ Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 6; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 13; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 107). Dieser »Inlandsbezug« betrifft aber die Frage, ob das deutsche Strafrecht auf Grund der §§ 3ff. StGB überhaupt eingreift. 342 Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (395); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274, v. a. Fn. 14). 343 Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (395). 344 Bruch, NStZ 1986, 259f., der aber entgegen der ganz überwiegend vertretenen Meinung annimmt, § 17 UWG schütze kein Individualrechtsgut. 345 BGHSt 29, 85 (88); Fischer, Vor §§ 3–7, Rn. 4; LK/Werle/Jeßberger, Vor § 3, Rn. 272; Ambos, Int. SR, § 1, Rn. 34; Hecker, EU SR, § 2, Rn. 4; Satzger, EU SR, § 6, Rn. 1; a. A. Golombek, Schutz ausländischer Rechtsgüter, 108. 346 BGHSt 21, 277 (280f.); 29, 85 (88); NK/Böse, Vor § 3, Rn. 56; LK/Werle/Jeßberger, Vor § 3, Rn. 274; Ambos, Int. SR, § 1, Rn. 38ff.; Hecker, EU SR, § 2, Rn. 5; Jescheck/Weigend, AT, 176; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 3, Rn. 3; Satzger, EU SR, § 6, Rn. 1; Stoffers, JA 1994, 76; Walter, wistra 2001, 321 (322); ders., JuS 2006, 870.
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dem Hintergrund unveräußerlicher Individualrechte ein gewisser Mindestschutz für Ausländer hergeleitet wird.347 Auch kann sich der Schutz ausländischer Individualrechtsgüter auf Art. 3 GG stützen, da eine sachgrundlose Schlechterstellung von Ausländern unzulässig ist.348 Wenn ein Tatbestand sowohl kollektiven als auch individuellen Interessen dient, ist zumindest dann der Schutzbereich eröffnet, wenn das Individualrechtsgut nicht nur bloßer Schutzreflex ist.349 Auf die Frage, inwieweit das Kollektivrechtsgut350 berührt ist, kommt es demnach nicht entscheidend an. § 17 UWG dient aber, wie auch in den einleitenden Ausführungen zu § 17 UWG dargestellt, nach Ansicht des Gesetzgebers vor allem dem Individualrechtsgüterschutz,351 so dass hier nicht nur von einem bloßen Reflex gesprochen werden kann. Dies wird meines Erachtens von Zieschang352 verkannt, der aus der Tatsache, dass auch ein Kollektivrechtsgut geschützt ist, die Konsequenz zieht, Geheimnisse ausländischer Unternehmen nicht zu schützen. Auch Versuchen, die Ablehnung des Schutzes ausländischer Unternehmen damit zu begründen, dass nur ein Kollektivrechtsgut geschützt sei,353 ist zu widersprechen. Schließlich ist bei der Erörterung der Hintergründe des § 17 UWG gezeigt worden, dass Individualinteressen der Unternehmen ein zentraler Bestandteil der Norm sind. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zur Regelung der Bestechung im Geschäftsverkehr (§ 299 StGB, früher § 12 UWG), bei der der Schutz von Individualinteressen umstritten354 ist. Daher können entgegen anders lautenden Argumentationen355 aus der fehlenden Einbeziehung des ausländischen Wettbewerbs in § 12 UWG und der inzwischen eingeführten expliziten Schutzanordnung in § 299 III StGB keine Rückschlüsse auf § 17 UWG gezogen werden. Die Systematik des Schutzes ausländischer Rechtsgüter spricht mithin für die 347 BGHSt 21, 277 (281); NK/Böse, Vor § 3, Rn. 56; Ambos, Int. SR, § 1, Rn. 38; Jescheck/Weigend, AT, 176; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 3, Rn. 3; Satzger, EU SR, § 6, Rn. 1. 348 Satzger, EU SR, § 6, Rn. 1. 349 LK/Werle/Jeßberger, Vor § 3, Rn. 275; Ambos, Int. SR, § 1, Rn. 39f.; für einen Schutz selbst bei bloßem Schutzreflex hingegen Rengier, AT, § 6, Rn. 34. 350 Zur Berührung des Wettbewerbs kann auf die obigen teleologischen Betrachtungen verwiesen werden, wonach Auswirkungen auf den deutschen Wettbewerb nicht generell auszuschließen sind. Zudem kann auf die ausführliche Erörterung im Rahmen der teleologischen Reduktion verwiesen werden, dazu unten in diesem Kapitel unter A. II. 2. g). 351 BT-Drucks. 9/1707, 31; 10/5058, 41. 352 Zieschang, FS Scheuing, 794 (802). 353 So Bruch, NStZ 1986, 259 (260). 354 Für einen nur mittelbaren Schutz von Individualinteressen Fischer, § 299, Rn. 2; wohl auch GK-UWG/Otto, 1. Aufl., § 12, Rn. 5 zur alten Regelung; für einen primären Schutz von Individualinteressen hingegen Krack, NStZ 2001, 505 (507, Fn. 13). 355 Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (203) begründen den Ausschluss ausländischer Geheimnisse aus dem Schutzbereich des § 17 UWG mit dem Fehlen einer § 299 III StGB entsprechenden Regelung.
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Einbeziehung ausländischer Unternehmen.356 Dieses Ergebnis könnte sich allenfalls dann ändern, wenn bezogen auf § 17 UWG Ausnahmen vom Schutz ausländischer Individualrechtsgüter einschlägig wären. Teilweise wird erwogen, eine Ausnahme vom Schutz ausländischer Individualrechtsgüter zu machen, wenn es sich um Rechtsgüter handelt, die im internationalen Vergleich häufig ungeschützt sind.357 Diese Ausnahme wäre aber bei § 17 UWG ohnehin nicht einschlägig. Schließlich sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse und die dahinter stehende Geheimnissphäre in fast allen anderen Ländern ebenfalls geschützt.358 Vor dem Hintergrund eines angestrebten Minimalschutzes für Ausländer wird als mögliche Ausnahme teilweise auf das Gewicht des Rechtsguts abgestellt.359 Insoweit könnte das durch § 17 UWG geschützte Individualrechtsgut als vergleichsweise wenig gewichtig anzusehen sein. Meines Erachtens führt ein solcher Gedanke aber nicht zum Erfolg, da das Gewicht des Rechtsguts kein sinnvolles Abgrenzungskriterium darstellt. Schließlich besteht ein Sinn des Schutzes ausländischer Rechtsgutsträger darin, diese vor Schäden zu bewahren. Das Ausmaß eines Schadens muss sich aber nicht zwingend nach dem abstrakten Rang eines Rechtsguts richten. So kann die Verletzung der Geheimnissphäre (beziehungsweise je nach Ansicht des Geheimhaltungsinteresses oder des Geschäftsgeheimnisses als solches) gegebenenfalls durchaus einschneidendere Auswirkungen haben als eine Ehrverletzung oder eine Vermögensschädigung, vor denen der Minimalschutz aber anerkanntermaßen360 schützt. Auch stützt sich der Gedanke des Schutzes ausländischer Individualrechtsgüter, wie oben dargestellt, auf Art. 3 GG. Die Gleichheitsgarantie differenziert aber nicht nach dem Gewicht des Rechtsguts. Selbst wenn man das Gewicht des Rechtsguts als Differenzierungskriterium heranziehen wollte, müsste man angesichts des Strafrahmens des § 17 UWG zu dem Ergebnis gelangen, dass es sich nicht um ein Rechtsgut von geringem Rang handelt. Schließlich übersteigt der Strafrahmen denjenigen des § 303 StGB, bei dem der Schutz ausländischen Eigentums nicht 356 In diese Richtung auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 88, jedoch ohne Eingehen auf die Problematik, die sich ergibt, wenn ein Tatbestand mehrere Rechtsgüter schützt, und ohne Erörterung möglicher Ausnahmen des Schutzes ausländischer Individualrechtsgüter. 357 In diese Richtung Haft/Schwoerer, FS Weber, 367 (369, 377), wenn für mögliche Ausnahmen zusätzlich auf die fehlende »einheitliche, universal geschützte Rechtsposition« abgestellt wird und international divergierende Korruptionsschutzregeln betont werden. 358 Zum Schutz in anderen Ländern vgl. Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 3e. 359 In diese Richtung Haft/Schwoerer, FS Weber, 367 (369), wenn für den Grundsatz des Individualrechtsgüterschutzes »elementare« Rechtspositionen gefordert werden. 360 Für die Ehrverletzung LK/Werle/Jeßberger, Vor § 3, Rn. 274; Jescheck/Weigend, AT, 176; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 3, Rn. 3; Stoffers, JA 1994, 76; für die Vermögensschädigung LK/Werle/Jeßberger, Vor § 3, Rn. 274; Jescheck/Weigend, AT, 176; Haft/Schwoerer, FS Weber, 367 (369); Hecker, EU SR, § 2, Rn. 5; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 3, Rn. 3; Stoffers, JA 1994, 76.
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in Frage gestellt wird. Mithin kommen Ausnahmen vom Schutz ausländischer Individualrechtsgüter nicht in Betracht. (d) Zwischenergebnis Die besseren Argumente sprechen damit eindeutig für die Einbeziehung ausländischer Unternehmen.361 dd) Ergebnis: Geheimnis Die vorangegangenen Erörterungen haben gezeigt, dass die rechtliche Einordnung der Kundendaten einige Schwierigkeiten aufwirft. Dennoch überzeugt es letztendlich die Daten von Kunden ausländischer Bankunternehmen als Geschäftsgeheimnis im Sinne des § 17 UWG zu betrachten. Von Seiten des Tatobjekts her bestehen folglich keine Bedenken, § 17 UWG auch in den Steuerdatenfällen anzuwenden. d) Sich-Verschaffen oder Sichern Die Tathandlung des § 17 II Nr. 1 UWG besteht in dem Sich-Verschaffen oder Sichern des Geschäftsgeheimnisses. Die Beurteilung dieser beiden Alternativen hängt entscheidend von dem jeweiligen Sachverhalt ab: In der Diskussion der Steuerdatenfälle wird sowohl ein Sich-Verschaffen362 als auch ein Sichern363 angenommen. Unter Sich-Verschaffen versteht man die Herstellung der Verfügungsgewalt, die sich aber nicht auf eine Sache beziehen muss, sondern bei nichtgegenständlichen Geheimnissen auch bei jeder Kenntnisnahme vorliegen kann, die die Weitergabe des Geheimnisses ermöglicht.364 Wenn wie im Fall Liechtenstein II der Informant ein Sicherungsband ansichgenommen hat, ist bei Ansichnahme des Bandes die Verfügungsgewalt erlangt worden. Das spricht grundsätzlich für ein Sich-Verschaffen. Auch in anderen Konstellationen, beispielsweise bei der Geheimniserlangung durch das Anfertigen einer DatenCD365, durch die Mitnahme von Unterlagen oder durch das Hacken in ein Computersystem, kann ein Sich-Verschaffen vorliegen. Allerdings muss, wie sich aus der Gegenüberstellung beider Tathandlungsdefinitionen ergibt, eine 361 So im Ergebnis auch Heine, FS v. Büren, 917 (921); ders., ASA 2010/2011, 525 (531); ders., FS Roxin 80, 1087 (1092); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Sieber, NJW 2008, 881; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 87f.; Trüg, StV 2011, 111; Wulf, PStR 2012, 33 (37). 362 So z. B. von Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Trüg/ Habetha, NJW 2008, 887 (888); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21). 363 So z. B. von Wittig, WStR, § 33, Rn. 75. 364 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 85; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 85; Achenbach/ Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 81; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 525; Wawrzinek, Verrat, 207f. 365 Darauf in den Steuerdatenfällen abstellend D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (48).
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Abgrenzung366 zur Alternative des Sicherns vorgenommen werden. Mithin können grundsätzlich nicht beide Alternativen gleichzeitig vorliegen. Sichern liegt vor, wenn der Täter bereits Kenntnis von dem Geheimnis gehabt hat, diese Kenntnis aber detailliert(er) oder dauerhaft(er) geworden ist.367 Wie an den Definitionen deutlich wird, ist die Einordnung als Verschaffen oder Sichern abhängig davon, ob der Informant schon vor der Tathandlung Kenntnis von den Kundendaten gehabt hat oder nicht. Daher liegt ein Sich-Verschaffen im Fall Liechtenstein II auch nur vor, wenn Heinrich Kieber vorher noch keine Kenntnis vom Inhalt der Kundendaten gehabt hat. Laut seiner eigenen Sachverhaltsschilderung hat er sich durch seine Archivierungstätigkeit eine hohe Detailkenntnis über einzelne Mandate der LGT erworben.368 Das spricht für eine Vorkenntnis zumindest bezüglich einiger Teile der Daten. Daran erkennt man, dass die Frage der Tathandlung stark vom Einzelfall abhängig ist. In den Fällen, in denen Heinrich Kieber die Informationen bereits vor der Tathandlung bekannt gewesen sind, ist nur ein Sichern zu bejahen. Gleiches gilt für andere Steuerdatensachverhalte mit anderen Erlangungsmethoden. Folglich kann festgestellt werden, dass ein Verhalten möglicher Informanten, das weder unter den Begriff des Sicherns noch unter den des Sich-Verschaffens fällt, schwerlich denkbar ist (zum Sonderfall Schweiz I – Rudolf Elmer sogleich im Zusammenhang mit den Tathandlungsmodalitäten). Die konkrete Alternative muss jedoch in jedem Einzelfall in Abhängigkeit von der Vorkenntnis des Informanten bestimmt werden. e) Besondere Modalitäten Das Verschaffen oder Sichern der Daten ist nur dann tatbestandlich erfasst, wenn es durch eine der Katalogmodalitäten erfolgt. Wenn wie im Fall Kieber ein Sicherungsband mitgenommen worden ist, kommt die Wegnahme369 einer Sache, in der das Geheimnis verkörpert ist, 366 Zum Alternativitätsverhältnis Föbus, Insuffizienz, 154, auch zur Ausnahmekonstellation, in der beide Alternativen einschlägig sind; insoweit unpräzise Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094), der in den Steuerdatenfällen ein Sich-Verschaffen auch in einer Konstellation annimmt, in der der Täter bereits vorher dienstlich mit den Daten umgegangen ist. 367 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 86; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 88; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 54; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 82; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 45; Schlötter, Abwerbung, 157; Wawrzinek, Verrat, 210; Wittig, WStR, § 33, Rn. 57. 368 Kieber, Tatsachenbericht, 149. 369 Nach ganz überwiegend vertretener Meinung zu verstehen wie bei § 242 StGB, dazu Erbs/ Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 39; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 83; Fezer/ Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 59; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 119; Föbus, Insuffizienz, 158ff. mit ausführlicher Begründung; a. A. auf Grund der Ablehnung des Erfordernisses eines Gewahrsamsbruchs Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 86; Ohly, GRUR 2014, 1 (6).
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(lit. c)) in Betracht, da das Sicherungsband die Verkörperung des Geheimnisses darstellt.370 Um die Herstellung einer verkörperten Wiedergabe (lit. b))371 des Geheimnisses handelt es sich, wenn die Daten auf einen Datenträger übertragen worden sind, da unter verkörperter Wiedergabe jede Vergegenständlichung, die das Geheimnis festhält,372 zu verstehen ist. In diesen Fällen liegt zudem eine Anwendung technischer Mittel (lit. a)) durch die Anfertigung der Kopie vor,373 da nach ganz überwiegend vertretener Meinung374 kein Alternativitätsverhältnis zwischen den Varianten besteht. Gleiches gilt für die Konstellation, in der Schriftstücke kopiert werden, um die Daten auf diese Weise zu übermitteln. Bei Abschriften von Daten kommt die Herstellung einer verkörperten Wiedergabe in Betracht.375 Wenn sich der Informant in das Computersystem der Bank »hackt« und die Daten so auf seinen Computer gelangen, liegt ebenfalls die Anwendung technischer Mittel vor. Schließlich ist das »Hacking« ein anerkannter Unterfall der technischen Mittel.376 Daher kann man für die Beurteilung der Steuerdatenfälle feststellen, dass es grundsätzlich für jede lebensnahe Möglichkeit der Datenerlangung zumindest eine in § 17 II Nr. 1 UWG aufgeführte Variante gibt, die genaue Variante aber je nach Einzelfall variieren kann. f)
Betriebsspionage und befugter Umgang mit dem Geheimnis (eine Auseinandersetzung mit Sonn) Sonn hingegen sieht kaum eine Bedeutung der Betriebsspionage in den Steuerdatenfällen, da seiner Meinung § 17 II Nr. 1 UWG bei befugter Kenntniser370 Dazu im Rahmen einer abstrakten Erörterung Sonn, Steuer-CD-Affäre, 114, der der Betriebsspionage in den Steuerdatenfällen jedoch kaum Relevanz beimisst. 371 Darauf in den Steuerdatenfällen abstellend auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112; Gössel, FS Puppe, 1377 (1381); Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094); Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 543; Trüg, StV 2011, 111; ders./Habetha, NJW 2008, 887 (888); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; im Rahmen einer abstrakten Erörterung Sonn, Steuer-CD-Affäre, 114, der der Betriebsspionage in den Steuerdatenfällen kaum Relevanz beimisst. 372 Wawrzinek, Verrat, 218. 373 So Durst, PStR 2008, 134; Trüg, StV 2011, 111; ders./Habetha, NJW 2008, 887 (888); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75. 374 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 38; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 81; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 34; Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 19; Fezer/ Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 58; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 80; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 118f.; Föbus, Insuffizienz, 156f.; Schlötter, Abwerbung, 158; Wawrzinek, Verrat, 219; anders lediglich Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 28. 375 Allgemein MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 82. 376 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 88; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 42; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 80.
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langung im Rahmen des Dienstverhältnisses ausgeschlossen sei.377 Wie aber bereits die Definition des Sicherns zeigt, ist eine Betriebsspionage auch dann möglich, wenn der Mitarbeiter im Rahmen seines Dienstverhältnisses zum Umgang mit dem Geheimnis berechtigt ist. Dann kommen Handlungen, die die berechtigte Kenntnis des Geheimnisses auf unbefugte Weise verfestigen, als Anknüpfungspunkt für die Betriebsspionage in Betracht.378 Damit kann Sonn nicht gefolgt werden: Die Betriebsspionage hat gerade in den Steuerdatenfällen eine große Bedeutung. Zur Klarstellung: Der Mitarbeiter, der die Kundendaten am Computer aufrufen darf oder entsprechende Akten lesen und bearbeiten darf (sogar der eigene Kundenbetreuer!), kann sich nach § 17 II Nr. 1 UWG strafbar machen, wenn er – unbefugt, wovon bei lebensnaher Betrachtung gerade angesichts des Umfangs des betroffenen Materials auszugehen ist, – private Sicherungskopien anfertigt oder Akten entwendet.379 g)
Sonderfall »Elmer«: Probleme der Tathandlung und der Tathandlungsmodalitäten Eine andere Beurteilung kommt bezüglich der eingangs geschilderten Beispielsfälle allenfalls im Fall Schweiz I in Betracht, da dort durch die Stellung Rudolf Elmers als Hurrikan-Beauftragter und den sich daraus ergebenden Konsequenzen eine Sondersituation vorliegt. Die Besonderheiten dieses Falls werden in der Literatur zu den Steuerdatenfällen nicht erörtert. Die entscheidende Abweichung des Sachverhalts liegt in dem Umstand, dass ein Bankangestellter außerhalb der Bank befugtermaßen mit einer großen Datenmenge – der Sicherungskopie des gesamten Serverinhalts der Cayman Islands-Niederlassung – unterwegs gewesen ist. Jenseits solcher Sonderkonstellation dürfte es sehr fernliegend sein, dass Bankangestellte außerhalb der Bank derart große Datenmengen befugt mitsichführen. Aus den geschilderten Aspekten ergeben sich folgende Konsequenzen für die strafrechtliche Würdigung: Die Mitnahme der Sicherungskopie hat grundsätzlich zu Rudolf Elmers Aufgabenbereich gezählt, so dass es mangels Gewahrsamsbruchs an einer Wegnahme (lit. c)) fehlt. Auch ist weder eine verkörperte Wiedergabe (lit. b)) durch ihn hergestellt worden, noch sind technische Mittel (lit. a)) angewendet worden. Die befugte Mitnahme kann zudem schwerlich als unbefugtes SichVerschaffen oder Sichern bewertet werden. Die Ansichnahme der Daten bei Verlassen der Cayman Islands scheidet somit als Anknüpfungspunkt für eine mögliche Tathandlung aus. 377 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 112ff. 378 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 86; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 36; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 40. 379 Im Ergebnis ähnlich, wenngleich ohne Bezug zu der These Sonns, Stoffer, Ermittlungsverfahren, 544.
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Fraglich ist daher, ob man auch in solchen Fällen eine von § 17 II Nr. 1 UWG erfasste Tathandlung durch eine der besonderen Modalitäten bejahen kann. Diese Konstellation stellt somit die Steigerung zu einer meist bezogen auf § 17 II Nr. 2 UWG, gelegentlich aber auch im Rahmen von § 17 II Nr. 1 UWG diskutierten Fallgestaltung dar : Hat ein Mitarbeiter während der Beschäftigungszeit befugt Umgang mit dem Geheimnis, fertigt aber unbefugt Aufzeichnungen an, auf die er später zur Gedankenunterstützung zurückgreift, wird in dem späteren Nutzen der Daten üblicherweise ein Sich-Verschaffen gesehen.380 Der Fall Elmer unterscheidet sich von dieser Konstellation darin, dass zu keinem Zeitpunkt in unbefugter Weise Unterlagen angefertigt worden sind. Zu erörtern ist daher, ob dennoch ein Anknüpfungspunkt für ein Sich-Verschaffen oder Sichern gefunden werden kann. Die unterbliebene Herausgabe nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil unabhängig von der Frage des SichVerschaffens dort durch die bloße Nichtrückgabe keine der besonderen Verschaffungsmodalitäten381 vorliegt. Zudem kommen für ein Sich-Verschaffen und Sichern grundsätzlich nur aktive Tätigkeiten382 in Betracht. Heine stellt im Rahmen seiner Erörterung der Steuerdatenfälle für alle Fälle der zunächst befugten Geheimniserlangung, aber ohne explizites Eingehen auf den Fall Elmer, auf ein Sich-Verschaffen durch Umwandlung von Fremd- in Eigenbesitz ab, sofern man den dafür in Betracht kommenden Zeitpunkt objektiv bestimmen kann.383 Fraglich ist jedoch, ob eine solche Konstruktion überhaupt anerkannt werden kann384 und welches Verhalten der genaue Anknüpfungspunkt dafür ist. Meines Erachtens ließe sich an die Nutzung der Daten, das heißt den ersten auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses folgenden Umgang mit den Daten, anknüpfen. Dafür spricht eine Parallele zu der oben erwähnten Konstellation der angefertigten Unterlagen. Rudolf Elmer wird bei lebensnaher Betrachtung nach seiner Entlassung die ihm vermutlich nicht vollständig bekannten Daten der Serverkopie aufgerufen oder anderweitig bearbeitet haben. Das Aufrufen fällt
380 BGH (ZR), NJW 2006, 3424 (3425); wistra 2012, 442 (443); G/J/W/Hammer, UWG, § 17 UWG, Rn. 41; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 58; zu der Problematik auch Kalbfus, WRP 2013, 584 (586f.). 381 Zur Ablehnung der Wegnahme, wenn (lediglich) die Herausgabe unterlassen wird, vgl. Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 220, 222. 382 Zu der Tätigkeitsentfaltung als Voraussetzung für das Sich-Verschaffen Harte/Henning/ Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 20; Lehmler, UWG, § 17, Rn. 29; Föbus, Insuffizienz, 153; für das Sichern Wawrzinek, Verrat, 210. 383 Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094). 384 Offen gelassen bei Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 74; eine Strafbarkeit im Ergebnis bejahend, jedoch ohne jegliche Begründung AG Saarbrücken, wistra 1991, 318 (319).
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unter die Modalität der Anwendung technischer Mittel,385 so dass die besonderen Modalitäten vorliegen. Die Nutzung der Daten stellt auch ein aktives Verhalten dar, so dass die Tathandlung nicht mit Verweis auf die bloße Passivität abgelehnt werden könnte. Der Zeitpunkt ist zudem klar bestimmbar und somit objektivierbar. Wenn man nun die Konstruktion der Umwandlung von Fremdin Eigenbesitz anerkennt, könnte man darin wie Heine ein Sich-Verschaffen oder wie meines Erachtens überzeugender ein Sichern sehen. Die Kritik an der Konstruktion der Besitzumwandlung stellt auf die Definition des Sich-Verschaffens ab und betont, man könne sich nichts verschaffen, über das man ohnehin die Verfügungsgewalt inne habe. Was einmal befugt erlangt worden sei, könne nicht unbefugt verschafft werden. Es genüge nicht, dass bei rechtmäßiger Geheimniserlangung der Besitz im weiteren Verlauf unrechtmäßig werde. So werde der Grundsatz der Straflosigkeit bei bloßer Nichtrückgabe unterlaufen.386 Meines Erachtens überzeugt die Kritik in ihrem Bezug zu der Variante des SichVerschaffens, nicht aber in ihrem Ergebnis,387 in solchen Sachverhalten einen Fall der bloßen und damit straflosen Nichtrückgabe zu sehen. Rudolf Elmer hat auf befugte Weise Alleingewahrsam und damit die Verfügungsgewalt erlangt, als er die Serverkopie aus der Bankfiliale mitgenommen und damit die Reise angetreten hat. Entscheidend für das Sich-Verschaffen ist der Aspekt der Verfügungsgewalt388 und nicht die zivilrechtliche Einordnung der Art des Besitzes. Schließlich ist ein Verschaffen gerade durch die Erlangung der Verfügungsgewalt, also den erstmaligen Erwerb, gekennzeichnet. Damit hat Rudolf Elmer die alleinige Verfügungsgewalt spätestens ab Verlassen der Cayman Islands inne gehabt, so dass ein Verschaffen auch bei Veränderung der Besitzqualität von Fremd- in Eigenbesitz nicht angenommen werden kann. Insoweit ist den Kritikern Recht zu geben. Die neue Besitzqualität nach der Kündigung verstärkt jedoch die Verfügungsgewalt. Der Eigenbesitz verdeutlicht, dass Rudolf Elmer nach der Kündigung eine von den Einflüssen der Bank völlig unabhängige Verfügungsgewalt hat und die Daten jetzt ausschließlich in seinem Sinne verwenden will. Diese gestärkte Position spricht für die Annahme des Sicherns. Dies wird meines Erachtens durch einen weiteren Umstand verstärkt: Für das Sichern
385 Zur Einordnung des Datenaufrufs als Anwendung technischer Mittel Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 37; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 42. 386 In diese Richtung Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 222 im Rahmen von § 17 II Nr. 2 UWG. 387 Zur Straflosigkeit bei fehlender Herausgabe vgl. Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 220, 222; beachte hingegen MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 118, der allerdings ohne Begründung bezogen auf § 17 II Nr. 2 UWG in dem Vorenthalten nach Dienstende ein unbefugtes Sich-Verschaffen bzw. Sichern sieht. 388 Dazu MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 85; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 53; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 74; Wawrzinek, Verrat, 207.
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ist es anerkanntermaßen irrelevant,389 ob die Verfügungsgewalt ursprünglich befugt oder unbefugt erlangt worden ist. Folglich kann sich Rudolf Elmer nicht darauf berufen, die Sicherungskopie ursprünglich befugt ansichgenommen zu haben. Mithin stellt das eigenständige Aufrufen der sich inzwischen in Eigenbesitz befindlichen Daten meines Erachtens ein Sichern durch Anwendung technischer Mittel dar. Die Auseinandersetzung mit den Daten zu eigenen Zwecken verfestigt die Verfügungsgewalt. Ein Unterlaufen des Grundsatzes der Straflosigkeit von reinen Nichtrückgaben390 ist hierin gerade nicht zu sehen. Die Strafbarkeit knüpft schließlich nicht an die unterbliebene Herausgabe, sondern an die spätere vertiefende Nutzung an. Insoweit besteht eine Parallele zu der eingangs geschilderten Standardproblematik der Nutzung unbefugt angefertigter Aufzeichnungen. Der Fall Elmer zeigt, dass eine Strafbarkeit auch dann besteht, wenn die »Gedächtnisunterstützung« nicht unbefugt erlangt, sondern »nur« unbefugt genutzt worden ist. Dies lässt sich darauf zurückführen, dass ein Sichern, wie dargestellt, auch bei befugter Kenntniserlangung vorliegen kann. Zu beachten bleibt freilich, dass das nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erfolgte Studium der Daten nur dann unter die Verschaffungsmodalitäten fällt, wenn die Nutzung der Daten auf technischem Wege erfolgt, so dass die Verschaffungsmodalitäten ausscheiden, wenn es sich um Daten in Papierform handelt. Es ist allerdings äußerst unwahrscheinlich, dass Bankmitarbeiter Unterlagen dieser Mengen, das heißt einen »Sicherungsserver in Papierform«, befugt aus der Bank entwenden können. Auch würde es am Vorliegen einer der Tathandlungen fehlen, wenn Rudolf Elmer die Daten sich nicht erst selbst zum Beispiel durch Aufrufen vergegenwärtigen würde, sondern direkt weitergäbe. Ein solches Verhalten dürfte aber ebenfalls unwahrscheinlich sein. Schließlich muss man sich erst eine genaue Kenntnis seiner Daten verschaffen, um zu überlegen, wie man die Daten möglichst sinnvoll einsetzt. Daher kann festgehalten werden, dass selbst in einem solchen Sonderfall wie dem Rudolf Elmers die Tathandlung des Sicherns und die besondere Modalität in Gestalt der Anwendung technischer Mittel gegeben sein dürften. h) Unbefugtheit Das Verschaffen beziehungsweise Sichern muss zudem unbefugt erfolgt sein. Nach herrschender Meinung391 wird die Unbefugtheit als Rechtfertigungs-
389 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 36; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 40. 390 In diese Richtung Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 222 im Rahmen von § 17 II Nr. 2 UWG. 391 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 96; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 40; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 64; Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 25; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 62; Föbus, Insuffizienz, 154; Otto, wistra 1988, 125
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merkmal verstanden, so dass auf die späteren Erörterungen verwiesen werden kann. i) Besondere subjektive Merkmale Für § 17 UWG müssen zudem besondere subjektive Merkmale vorliegen, die sich auf die Motivationslage des Handelnden beziehen. aa) Handeln aus Eigennutz In Betracht kommt ein Handeln aus Eigennutz,392 sofern gehandelt worden ist, um aus den verschafften Daten später eigene Vorteile zu ziehen. Für ein Handeln aus Eigennutz soll das Erstreben eines wie auch immer gearteten Vorteils ausreichend sein.393 Das zeigt, dass Eigennutz in den meisten denkbaren Konstellationen vorliegen wird. Üblicherweise bringen die Mitarbeiter die Daten ansich, um sich mit ihrer Hilfe einen materiellen Vorteil zu verschaffen – entweder durch späteren Verkauf der Datensammlungen oder durch Erpressungen des Bankhauses oder der Bankkunden. In solchen Fällen ist Eigennutz unproblematisch zu bejahen. Dass der Vorteil, das heißt die Geldzahlung, nicht unmittelbar durch die Datenerlangung, sondern erst durch weitere Schritte – wie Verkauf der Daten oder Eingehen der Erpressten auf die Erpressung – eintritt, ist unerheblich: Vom Merkmal des Eigennutzes erfasst sind jegliche Vorteile, auch solche, die nur indirekt eintreten.394 Eigennutz ist selbst zu bejahen in den Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Datenerlangung nur sonstige Vorteile erstrebt werden. So hat beispielsweise Heinrich Kieber, dessen Handeln auf die Beeinflussung der Strafverfolgungsbehörden abgezielt hat, mit Eigennutz gehandelt. Schließlich muss es sich bei dem angestrebten Nutzen, wie soeben dargestellt, nach ganz überwiegend vertretener Ansicht nicht zwingend um einen Vorteil wirtschaftlicher Art handeln. Lediglich in Fällen, in denen ausschließlich altruistische Motive vorliegen, ist Eigennutz zu verneinen. Davon betroffen sind jedoch nur solche Informanten, die tatsächlich bloß tätig werden, um »die Steuergerechtigkeit zu fördern«. Diese Fälle dürften praktisch allerdings selten sein. Selbst im Falle Rudolf Elmers, der die Daten im Ergebnis kostenlos zur Verfügung gestellt hat, ist anfangs das (129); Schlötter, Abwerbung, 157; a. A. Schlüchter, 2. WiKG, 131; Wawrzinek, Verrat, 210ff., die sich für die Einordnung als Tatbestandsmerkmal aussprechen. 392 Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112; Durst, PStR 2008, 134; Heine, FS Roxin 80, 1087 (1095); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75. 393 Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (360); Emmerich, Wettbewerb, § 10, Rn. 17; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 32; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 26; Schlötter, Abwerbung, 154; Wawrzinek, Verrat, 190f., 223, der aber gerade bei immateriellen Vorteilen eine gewisse Erheblichkeit fordert. 394 Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 15; Lehmler, UWG, § 17, Rn. 23; Fezer/ Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 42.
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eigennützige Motiv der Erpressung seines Arbeitgebers vorherrschend gewesen. Dies zeigt, dass ein besonderes subjektives Merkmal in Gestalt des Eigennutzes regelmäßig vorliegt. bb) Handeln zu Gunsten Dritter Auch ein Handeln zu Gunsten Dritter erscheint mit Blick auf die spätere Datenweitergabe an verschiedene Staaten möglich.395 Darunter ist die Absicht zu verstehen, einem Dritten einen Vorteil zukommen zu lassen.396 So wird teilweise argumentiert, dass der deutsche Fiskus als begünstigter Dritter betrachtet werden könne, da anerkanntermaßen das Merkmal gerade wegen einer Begünstigung (ausländischer) Staaten eingeführt worden sei.397 Die Daten und die daraus erwachsenden Möglichkeiten, insbesondere die Steuereinnahmen, stellen für den deutschen Staat einen Nutzen dar. Dieser entfällt auch nicht mit Blick auf den bereits vor dem Datenankauf bestehenden Steueranspruch oder durch einen staatlichen Auskunftsanspruch gegenüber seinen Steuerzahlern. Die Delikte des § 17 UWG verwirklichen ein Unrecht gegenüber der Bank in ihrer Eigenschaft als Geheimnisherr, so dass für mögliche Ansprüche auf Überlassung des Geheimnisses auch nur das Verhältnis zu der Bank relevant sein kann398. Gegenüber der Bank sind aber keine staatlichen Ansprüche ersichtlich. Ein Vorteil des Staats durch das Handeln der Informanten ist folglich grundsätzlich zu bejahen. Da vorangehend gezeigt worden ist, dass in den meisten Steuerdatenfällen Eigennutz vorliegen wird, stellt sich die Frage, ob beide Alternativen zusammen denkbar sind399 oder ob sie sich gegenseitig ausschließen. Wenn teilweise für ein Handeln zu Gunsten Dritter verlangt wird, dass keines der anderen subjektiven Merkmale vorliegt,400 kann dem nicht zugestimmt werden. Für die anderen 395 Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; wohl auch Durst, PStR 2008, 134. 396 Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 40, 43. 397 Stahl/Demuth, DStR 2008, 600, allerdings mit unnötig vorsichtiger Formulierung: »Nach dem Wortlaut … nicht ausgeschlossen«. 398 Daraus, dass im Rahmen möglicher Ansprüche auf Überlassung des Geheimnisses nur auf Ansprüche gegenüber dem Geheimnisherrn abzustellen ist, folgt nicht, dass der Vorteil des Dritten zwangsläufig gegenüber dem Geheimnisherrn, das heißt hier gegenüber der Bank, bestehen muss: Ein Handeln zu Gunsten Dritter liegt bereits bei jedem, wie auch immer gearteten Vorteil vor, dazu G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 62. Daher können auch die infolge der Datenauswertung erzielten Steuereinnahmen als Vorteil betrachtet werden, obwohl sie nicht zu Lasten der Bank gehen. Darüber hinaus kann, wie gezeigt, bereits die Verfügungsmacht über die Daten als Vorteil angesehen werden. Dabei handelt es sich um einen Vorteil gegenüber der Bank, da dieser die alleinige Verfügungsmacht zusteht. 399 Dafür abstrakt Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 26; Wawrzinek, Verrat, 192, Fn. 732. 400 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 53; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 62; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 33.
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Merkmale gilt, dass der jeweils angenommene Beweggrund nicht das alleinige Motiv bilden muss.401 Gründe, warum für das Handeln zu Gunsten Dritter etwas anderes gelten sollte, sind nicht ersichtlich. Wenn ein Handeln aus Eigennutz und Schädigungsabsicht zusammen vorliegen können, ist es wenig überzeugend eine Parallele von Schädigungsabsicht und Handeln zu Gunsten Dritter abzulehnen. Zwar legt die Gesetzesbegründung dar, dass das Merkmal der Erfassung von Tätern ohne eines der drei anderen Merkmale diene.402 Damit ist jedoch lediglich ausgesagt, dass die Einführung des Handelns zu Gunsten Dritter dem Schluss von Strafbarkeitslücken im Vergleich zur vorherigen Gesetzesfassung dient. Dass sich ein Handeln zu Gunsten Dritter und ein anderes Merkmal ausschließen, folgt daraus nicht zwingend. Daher kann ein mögliches Exklusivitätsverhältnis von eigennützigem und drittnützigem Handeln zumindest nicht damit begründet werden, dass ein Handeln zu Gunsten Dritter stets nur isoliert möglich sei. Folglich bleibt nur die Erörterung, ob sich konkret Eigen- und Drittnützigkeit widersprechen. Für die Möglichkeit eines Zusammentreffens beider Merkmale wird angeführt, dass es denkbar sei, einen Dritten zu begünstigen, weil man sich davon eine Verbesserung der eigenen Situation erhoffe.403 Eine solche Argumentation verfehlt aber meines Erachtens das Problem: Dass eine sowohl drittals auch selbstbezogene Motivationslage grundsätzlich denkbar ist, ist kein Argument, sondern gerade der Grund für das Problem. Das Problem besteht gerade darin, ob normativ gesehen noch von Eigennutz gesprochen werden kann, obwohl gleichzeitig drittbezogene Beweggründe vorliegen. Dagegen könnte sprechen, dass Eigennutz vom Wortlaut her gerade eine gewisse Ausschließlichkeit und die fehlende Achtung anderer Belange beinhaltet404. Entscheidend zumindest für die Beurteilung der Einstellung des Bankmitarbeiters ist meines Erachtens der Umstand, dass der eigene Vorteil gerade das Spiegelbild zur Drittbegünstigung darstellt. Indem der Bankmitarbeiter seine Gegenleistung bekommt, verschafft er den staatlichen Stellen ihren Vorteil in Gestalt der Information. Daran zeigt sich, dass die Absicht bezogen auf den eigenen Nutzen auch dann zur Absicht der Drittbegünstigung führt, wenn die Situation des Fiskus dem Bankmitarbeiter eigentlich gleichgültig ist. Die Begünstigung der staatlichen Seite, das heißt die Überlassung der Daten, ist gerade das Mittel, um die eigene Begünstigung zu erhalten. Es sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Da nach der allgemeinen Absichtsdogmatik405 die notwen401 402 403 404
Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 25. BT-Drucks. 10/5058, 40. Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 26. Vgl. zur Wortbedeutung Bedeutungswörterbuch, 298, Stichwort »Eigennutz«, wonach Eigennutz mit Egoismus und Selbstsucht gleichgesetzt werden kann. 405 Fischer, § 15, Rn. 6; Kühl, AT, § 5, Rn. 35.
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digen (Zwischen)ziele ebenfalls erfasst sind, müssen meines Erachtens Eigennutz und Handeln zu Gunsten Dritter in diesen Konstellationen gleichzeitig bejaht werden. Problematisch ist das Verhältnis zwischen Eigennutz und Drittbegünstigung allenfalls dann, wenn kein spiegelbildliches Verhältnis zwischen eigenem Vorteil und Drittbegünstigung besteht, was aber auf die Steuerdatenfälle nicht zutrifft. Mithin ist es möglich, dass der Bankmitarbeiter die Daten sowohl aus Eigennutz als auch zu Gunsten Dritter ansichbringt. Plant der Informant bereits bei Erlangung der Daten die spätere Weitergabe an den Staat, so liegt folglich ein Handeln zu Gunsten Dritter vor. cc) Schädigungsabsicht Kurz erörtert werden muss auch das Merkmal der Schädigungsabsicht, wofür Absicht im Sinne von dolus directus ersten Grades bezogen auf materielle oder immaterielle Nachteile zu verstehen ist406. Daraus folgt, dass das bloße Bewusstsein und Inkaufnehmen von Nachteilen des Arbeitgebers zur Bejahung der Schädigungsabsicht nicht genügt.407 Anders liegt die Sachlage jedoch in Fällen, in denen Rache am Arbeitgeber eine handlungsleitende Motivation ist.408 Daran zeigt sich, dass die Frage der Schädigungsabsicht in den Steuerdatenfällen stark von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängt. Entscheidend ist, ob dem Aspekt der Arbeitgeberschädigung im Rahmen der Motivation des Informanten so viel Gewicht zukommt, dass man von Schädigungsabsicht sprechen kann. Zumindest Heinrich Kieber hatte bei Beschaffung der Daten noch nicht die Absicht, die LGT als Geheimnisherrn zu schädigen. Anders liegt jedoch der Fall Rudolf Elmers, der bereits bei Erlangung der Daten – wie oben gezeigt, ist auf das erste Aufrufen der Daten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzustellen – darauf abgezielt hat, die Daten in der arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Arbeitgeber und damit zu dessen Schaden zu nutzen. Hier liegt die Schädigungsabsicht neben dem Eigennutz vor, da der eigene Nutzen gerade das Gegenstück zum Schaden des Arbeitgebers ist, das heißt, dass sich die auf den eigenen Vorteil gerichtete Absicht automatisch auch auf den Schaden der Bank richtet. Mithin kann das Merkmal der Schädigungsabsicht in manchen Fällen vorliegen, zwingend ist dies hingegen keineswegs. dd) Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs ist bei einer Tat der Datenerlangung meines Erachtens fernliegend. Unabhängig von den genauen Anforderungen, 406 Wawrzinek, Verrat, 193f. 407 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 63; Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (110). 408 Beckemper/Müller, ZJS 2010, 105 (110).
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die das Merkmal stellt (dazu unten in diesem Kapitel unter A. II. 2. h) cc)), treten wettbewerbsrelevante Folgen noch nicht durch die bloße Datenerlangung, sondern primär durch Folgehandlungen ein. Die reine Datenerlangung hingegen wird häufig noch nicht mal von den betroffenen Unternehmen bemerkt. Bei der Datenerlangung steht zwar meist bereits fest, dass die Daten irgendwie zur Verfolgung eigener Zwecke eingesetzt werden sollen, doch ist das genaue Vorgehen oft noch unklar. Daher werden sich die Informanten zumeist auch keine Vorstellung hinsichtlich der für sie typischerweise nicht im Mittelpunkt stehenden Frage der Wettbewerbseinflüsse bilden. Somit liegt ein Handeln zu Wettbewerbszwecken zumindest im Stadium der Datenerlangung bei den meisten Informanten nicht vor, wenngleich das Merkmal in Einzelfällen durchaus denkbar ist. ee) Zwischenergebnis: Subjektive Merkmale Die Erörterungen haben gezeigt, dass bei den meisten Bankmitarbeitern Eigennutz vorliegt. Zudem kommen je nach Sachverhaltsgestaltung ein Handeln zu Gunsten Dritter und / oder Schädigungsabsicht in Betracht. Ein Handeln zu Wettbewerbszwecken erscheint vergleichsweise fernliegend. Entscheidend ist meines Erachtens, dass trotz der oben geschilderten Bandbreite der Sachverhalte wohl in allen lebensnahen Konstellationen zumindest ein subjektives Merkmal vorliegen wird. Es ist daher unwahrscheinlich, dass eine Strafbarkeit an den subjektiven Merkmalen des § 17 UWG scheitern wird. j) Strafzumessung: Besonders schwere Fälle Die Datenbeschaffung könnte auch als ein besonders schwerer Fall der Betriebsspionage zu qualifizieren sein. aa) Gewerbsmäßigkeit (§ 17 IV Nr. 1 UWG) In Betracht kommt ein gewerbsmäßiges Handeln.409 Darunter wird allgemein die Absicht verstanden, aus wiederholter Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von gewisser Dauer und einigem Umfang zu erlangen.410 Diese allgemeine Definition des Gewerbsmäßigkeitsbegriffs gilt auch im Rahmen des § 17 UWG.411 Meines Erachtens ist gewerbsmäßiges Handeln bezogen auf die Taten der Datenbeschaffung fernliegend. Voraussetzung für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit ist schließlich die wiederholte Begehung von Beschaffungstaten beziehungsweise zumindest die Absicht einer solchen Begehung. Die geschil409 Trüg, StV 2011, 111 (112), der die Gewerbsmäßigkeit offenbar auf alle von ihm zuvor erörterten Tatbestände des § 17 und damit auch auf § 17 II Nr. 1 UWG bezieht. 410 BGH, NStZ 1995, 85; StraFo 2010, 75; Küper/Zopfs, BT, Rn. 294. 411 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 62.
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derten Beispielssachverhalte belegen, dass gerade ein einmaliger Datenbeschaffungsvorgang charakteristisch für die Steuerdatenfälle ist. Dies entspricht auch einer lebensnahen Beurteilung. Der Bankmitarbeiter wird sich bei sinnvollem Vorgehen durch einen einzigen Beschaffungsvorgang eine ausreichende Menge an brisanten Daten beschaffen und sich anschließend absetzen, um über die Nutzung der Daten zu entscheiden. Er wird jedoch nicht wiederholt einzelne Beschaffungstaten begehen und so sein Entdeckungsrisiko erhöhen. Allein die Absicht des späteren Verkaufs begründet keine Gewerbsmäßigkeit.412 Dass sich bezüglich des späteren Verkaufs eine andere Beurteilung ergeben könnte, ist für die Beurteilung an dieser Stelle unerheblich, da sich die Gewerbsmäßigkeit immer auf den in Betracht kommenden Tatbestand beziehen muss.413 Zudem zeigen die Beispielsfälle, dass bei der Datenbeschaffung vielfach noch keine Klarheit über die spätere Verwendung herrscht. Somit ist ein gewerbsmäßiges Handeln bei § 17 II Nr. 1 UWG typischerweise abzulehnen. bb) Auslandsbezug (§ 17 IV Nr. 2, 3 UWG) Weiterhin kommt das Regelbeispiel der Verwertung im Ausland oder das Regelbeispiel des Wissens um eine Verwertung im Ausland in Betracht.414 Doch knüpfen diese Regelbeispiele entweder an die Tathandlung des Mitteilens oder an die Tathandlung des Verwertens an.415 Damit sind die Regelbeispiele für § 17 II Nr. 1 UWG ohne Relevanz, selbst dann, wenn der Täter schon bei der Beschaffung von einer späteren Verwertung im Ausland ausgeht. Meines Erachtens kann auch nicht mit Blick auf den grenzüberschreitenden Charakter der Steuerdatenfälle ein unbenannter schwerer Fall schon für die Datenbeschaffung angenommen werden, da der Gesetzgeber den Auslandsaspekt gesehen hat und sich daher bewusst dafür entschieden hat, möglichen Auslandsplänen bei der Datenbeschaffung keine strafzumessungsrelevante Bedeutung beizumessen. cc) Ergebnis: Regelbeispiele Eine Strafschärfung kommt weder gestützt auf ein Regelbeispiel noch gestützt auf einen unbenannten schweren Fall in Betracht. 412 OLG Köln, NStZ 1991, 585. 413 Zum Bezugspunkt der Gewerbsmäßigkeit S/S/Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52ff., Rn. 95. 414 So in den Steuerdatenfällen tendenziell angenommen von Trüg, StV 2011, 111 (112), der den Auslandsbezug offenbar auf alle von ihm zuvor erörterten Tatbestände des § 17 und damit auch auf § 17 II Nr. 1 UWG bezieht; vgl. auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112, Fn. 670, der die Verwirklichung des Auslandsregelbeispiels für möglich erachtet. 415 Für das Regelbeispiel der Nr. 2 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 147; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 81; für das Regelbeispiel der Nr. 3 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 149; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 81.
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k) Strafantrag (§ 17 V UWG) Nach § 17 V UWG handelt es sich um ein relatives Antragsdelikt, da die Strafverfolgung entweder ein besonderes öffentliches Interesse verlangt oder einen Strafantrag des Verletzten im Sinne des § 77 I StGB voraussetzt, das heißt in den Steuerdatenfällen einen Antrag der Bank. Auf Grund der Bedeutung der Steuerdatenfälle ist zumindest das besondere öffentliche Interesse zu bejahen. l) Ergebnis: § 17 II Nr. 1 UWG Die Beschaffung der Kundendaten durch den Bankmitarbeiter erfüllt den Tatbestand des § 17 II Nr. 1 UWG.416 Selbst in Sonderfällen (»Fall Elmer«) ist regelmäßig eine Betriebsspionage anzunehmen.
6.
§§ 44 I, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG: Datenerhebung / Datenverschaffung
Der Bankmitarbeiter könnte durch das Beschaffen der Daten auch Delikte des BDSG verwirklicht haben.417 In Betracht kommt eine Strafbarkeit wegen einer unbefugten Erhebung von Daten gemäß §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 1 BDSG oder wegen einer unbefugten Datenverarbeitung nach §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 BDSG. Weiterhin könnten §§ 44 I, 43 II Nr. 3 BDSG sowohl in der Variante des unbefugten Datenabrufs als auch in der Variante der unbefugten Datenverschaffung einschlägig sein. Eine Anwendbarkeit der BDSG-Delikte scheitert nicht an der Subsidiarität des BDSG nach § 1 III, IV BDSG. Als speziellere Regelungen kämen hier allenfalls § 17 UWG und § 202a StGB in Betracht. Bezüglich § 17 UWG ist aber zu berücksichtigen, dass die Tatobjekte (Geheimnis und personenbezogene Daten) nicht deckungsgleich sind,418 zumal der vom Inhalt der Daten Betroffene, dessen Rechtsgüterschutz die BDSG-Normen dienen,419 nicht zwangsläufig immer der von § 17 UWG Geschützte (dazu in diesem Kapitel oben unter A. I. 5. c) aa)) ist, wie gerade das Beispiel der Kundendaten zeigt. Auch bezogen auf § 202a StGB liegt keine Subsidiarität vor.420 Voraussetzung für die Anwendung der Subsi416 Zu ähnlichen Ergebnissen gelangen beispielsweise Durst, PStR 2008, 134; Habetha, ZRP 2012, 223; Heine, FS v. Büren, 917 (921); ders., FS Roxin 80, 1087 (1094); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 543f.; Trüg, StV 2011, 111; ders./ Habetha, 2008, 887 (888); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75, teilweise aber nur nach einer äußerst kursorischen Prüfung. 417 Erörtert z. B. bei Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; Gössel, FS Puppe, 1377 (1392ff.); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 63ff.; Trüg, StV 2011, 111 (112); Zieschang, FS Scheuing, 794 (799f.); inzident auch bei Werner, IWB 2010, 164 (167). 418 Gegen die Subsidiarität des BDSG gegenüber § 17 UWG auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 64. 419 Zur Ausrichtung der BDSG-Normen G/J/W/Glaser, BDSG, Vorbemerkung, Rn. 1. 420 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 64.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
diaritätsklausel ist stets der Schutz des gleichen Rechtsguts.421 § 202a StGB schützt aber nicht den vom Inhalt Betroffenen, sondern den Verfügungsberechtigten (dazu in diesem Kapitel unter A. I. 2. a)). Zudem setzt auch § 202a StGB nicht zwangsläufig personenbezogene Daten voraus. Eine Strafbarkeit durch BDSG-Delikte kommt folglich grundsätzlich in Betracht. a) Täterkreis: Zentralbegriff der »Stelle« Täter eines BDSG-Delikts kann grundsätzlich jeder sein. Eine Beschränkung des Täterkreises auf die für die Datenverarbeitung zuständige Einheit oder auf den Adressaten des Datengeheimnisses wird von der Norm nicht verlangt.422 Der Bankmitarbeiter stellt in der Sprache des BDSG eine nicht-öffentliche Stelle im Sinne des § 2 IV BDSG dar,423 auf die das Gesetz unter den Voraussetzungen des § 1 II Nr. 3 BDSG anwendbar ist. Dies setzt voraus, dass die Bearbeitung der Daten entweder mit einer automatisierten Datenverarbeitung erfolgt oder dass bei manueller Bearbeitung Daten mit einem Dateibezug betroffen sind. Kennzeichnend für eine Datei ist der Organisationszusammenhang.424 Soweit der Bankmitarbeiter gespeicherte Daten ansichgebracht hat, greift das BDSG damit auf Grund des Vorliegens einer Datenverarbeitung ein.425 Bei Unterlagen in Papierform ist davon auszugehen, dass diese Dokumente bei der Bank strukturiert verwaltet werden und damit einen Organisationszusammenhang aufweisen. Mithin handelt es sich um Daten aus nicht automatisierten Dateien, so dass im Ergebnis alle Kundendaten vom BDSG erfasst werden. § 1 II Nr. 3 BDSG nimmt nicht-öffentliche Stellen allerdings aus dem Anwendungsbereich heraus, wenn es sich um familiäre oder persönliche Tätigkeiten handelt. Von einer solchen Ausnahme ausgeschlossen ist aber jede nach außen gerichtete, die familiäre Umgebung verlassende Handlung.426 Damit sind die Datenverschaffung und erst Recht die im weiteren Verlauf erörterte Datenübermittlung keine persönlichen Tätigkeiten, auch wenn sie der Verfolgung eigener Interessen und nicht etwa solcher des (ehemaligen) Arbeitgebers dienen. Von Bedeutung ist für die weitere Erörterung, dass für den im BDSG zentralen Begriff der »Stelle« beziehungsweise der »verantwortlichen Stelle« (§§ 2, 3 VII BDSG) auf den Bankmitarbeiter und nicht etwa (nur) auf die Bank abzustellen 421 G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 9. 422 Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 43, Rn. 16, § 44, Rn. 1; Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 22. 423 So auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1398), ohne jedoch die daran anknüpfenden Anwendungsvoraussetzungen näher zu prüfen. 424 Simitis/Dammann, BDSG, § 1, Rn. 144. 425 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 73. Dabei ist zu beachten, dass entgegen des missverständlichen Wortlauts auch Erhebungen aus einer Datenverarbeitungsanlage erfasst sind, vgl. Simitis/Dammann, BDSG, § 1, Rn. 137, wonach bei Einsatz von EDV-Anlagen jeder Datenumgang die Voraussetzungen der Norm erfüllt. 426 Simitis/Dammann, BDSG, § 1, Rn. 150.
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ist, sofern eigenständige Handlungen des Bankmitarbeiters zu bewerten sind.427 So bezieht sich der Begriff der Stelle als Anwendungsvoraussetzung allgemein auf den Normadressaten, ohne dass dabei alle Adressaten positiv benannt werden. Ziel ist aber eindeutig die lückenlose Erfassung des Umgangs mit Daten.428 Daher ist eine Handlung zur Verfolgung geschäftsmäßiger Zwecke gerade keine Voraussetzung für die Einordnung.429 Zwar ist die ursprünglich verantwortliche Stelle die Bank als Verantwortliche für die Datenerhebung gewesen. Doch endet die Eigenschaft als verantwortliche Stelle dann, wenn keine Sachherrschaft über die Daten mehr besteht und offensichtlich ist, dass eine natürliche Person Daten selbständig und für ihre Zwecke erhebt.430 Hier besteht zwar noch eine gewisse Herrschaft der Bank, da diese ebenfalls über Ausgaben der Daten verfügt, doch handelt der Bankmitarbeiter losgelöst von seiner dienstlichen Tätigkeit allein in seinem Interesse und hat die alleinige Herrschaft über »seine« Datenausgabe, so dass bezogen auf diese Ausgabe die Bank nicht verantwortlich ist. Anknüpfungspunkt für die Einordnung als verantwortliche Stelle ist allgemein der Datenumgang.431 Dieser wird in den Steuerdatenfällen von dem Bankmitarbeiter für sich und in seinem Sinne ausgeübt, so dass er als Stelle im datenschutzrechtlichen Sinne zu betrachten ist. Als nicht-öffentliche Stelle kommen auch ausländische Privatpersonen in Betracht.432 Schließlich fällt nach § 1 II Nr. 3 und § 3 VII BDSG jeder unter den Begriff der Stelle, der Daten erhebt. Ein Erheben im Sinne des § 3 III BDSG verlangt nur ein willentliches Beschaffen der Daten, unabhängig von dem Anlass und dem Verwendungszweck.433 Wenn der Informant die Daten ansichbringt, ist darin folglich ein Erheben zu sehen, ohne dass es darauf ankommt, dass die Daten ursprünglich von der Bank erhoben worden sind. So liegt ein Erheben auch dann vor, wenn die Daten ursprünglich von einer anderen Stelle erhoben worden sind.434 Andernfalls entstünden datenschutzfreie Räume, die das BDSG gerade verhindern will. Gleichzeitig würde bei einer anderen Argumentation der oben erwähnte Grundsatz, dass die BDSG-Delikte Jedermanns-
427 Vgl. dazu Sonn, Steuer-CD-Affäre, 73, der lediglich feststellt, dass es sich sowohl bei dem Bankmitarbeiter als auch bei dem betroffenen Unternehmen um nicht-öffentliche Stellen handelt, aber offen lässt, auf wen abzustellen ist. 428 Simitis/Simitis, BDSG, § 2, Rn. 115ff. auch zur unglücklichen Terminologie; Simitis/ Dammann, BDSG, § 3, Rn. 223f. 429 Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 1, Rn. 23. 430 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 225. 431 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 224. 432 Simitis/Simitis, BDSG, § 2, Rn. 161. 433 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 102ff., insbes. 105. 434 Vgl. die Beispiele bei Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 109.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
delikte sind, unterlaufen, da Voraussetzung für die Anwendbarkeit des gesamten BDSG nach § 1 II BDSG die Einordnung als »Stelle« ist.435 Daher kommt der Bankmitarbeiter in der Erörterung der Steuerdatenfälle grundsätzlich als Stelle und damit als Täter in Betracht. b) Personenbezogene, nicht allgemein zugängliche Daten Eine Strafbarkeit setzt zunächst voraus, dass die Bankdaten als nicht allgemein zugängliche und personenbezogene Daten einzuordnen sind. Personenbezogene Daten sind in § 3 I BDSG legaldefiniert als Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person. Das durch den Bankmitarbeiter zusammengestellte Material enthält eine Vielzahl von Einzelangaben. Der Personenbezug ergibt sich daraus, dass das Material Angaben über die Bankkunden enthält und Rückschlüsse auf deren persönliche Verhältnisse zulässt.436 So ist der Personenbezug von Kundendateien anerkannt.437 Aus der Begriffsbestimmung des § 3 I BDSG ergibt sich jedoch auch, dass für eine Strafbarkeit nach dem BDSG der Teil des überlassenen Materials, der nur Rückschlüsse auf die Geschäftspraktiken der Bank zulässt und keinen Kundenbezug hat, irrelevant ist. Dies folgt schon daraus, dass es sich bei den Bankunternehmen nicht um natürliche Personen handelt. Daten sind dann nicht allgemein zugänglich, wenn ihr Inhalt nur einer beschränkten Anzahl von Personen bekannt ist und eine Kenntniserlangung durch Dritte nicht voraussetzungslos möglich ist.438 Diese Voraussetzungen sind bei Bankdaten erfüllt.439 Die personenbezogenen Daten werden unabhängig von der Schutzbedürftigkeit ihres Inhalts durch das BDSG erfasst.440 Mögliche Rückschlüsse auf illegale Aktivitäten haben daher keinen Einfluss auf die Einbeziehung in den Tatbestand.441 Das von §§ 44, 43 BDSG vorausgesetzte Tatobjekt liegt somit vor.442 Eine Strafbarkeit nach dem BDSG erscheint damit grundsätzlich möglich. 435 Eine andere Ansicht vertritt wohl Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 12ff., der im Zusammenhang mit innerstaatlichen Anwendungskonflikten nur auf die Stelle der ursprünglichen Erhebung abstellt; wie hier aber BGH, NStZ 2000, 596f., der für die Abgrenzung zwischen Bundes- und Landesdatenschutzgesetzen auf den konkret Handelnden abstellt. 436 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 69f. 437 Vgl. dazu und zum Zusammenspiel mit § 17 UWG Simitis/Dix, BDSG, § 1, Rn. 179, Fn. 137. 438 Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 54. 439 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 69. 440 Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 56. 441 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 69. 442 So z. B. auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1392ff.); Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119); Küchenhoff, NJ 2010,
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c)
Anwendungsbereich: Anwendung des BDSG bei transnationalen Sachverhalten? Unter Berücksichtigung der transnationalen Dimension der Steuerdatenfälle stellt sich jedoch ein entscheidendes Problem: Die Kundendaten sind in Liechtenstein, Luxemburg, der Schweiz oder sogar auf den Cayman Islands gespeichert. Daher erscheint es zumindest erörterungsbedürftig, ob das BDSG der geeignete Maßstab für die Behandlung solcher Daten ist. So wird in der Diskussion der Steuerdatenfälle eine Strafbarkeit nach dem BDSG von Kühne pauschal mit Hinweis auf den ausländischen Belegenheitsort der Daten verneint. Eine Strafbarkeit entfalle, da das BDSG nur Daten im Inland schütze.443 Warum dem BDSG eine Begrenzung auf Daten im Inland zu entnehmen sein soll, bleibt allerdings offen. Ähnlich wie Kühne argumentiert Zieschang444, der sich für die Unanwendbarkeit des BDSG zwar auf die für Sachverhalte mit internationaler Dimension grundsätzlich einschlägige Norm des § 1 V BDSG beruft, die Ablehnung aber im Ergebnis damit begründet, dass es sich um Daten handele, die ursprünglich von einer Stelle in einem EU- bzw. EWR-Staat erhoben worden seien. Demnach soll wohl die Ersterhebung der Daten im Ausland der Grund für das postulierte Nichteingreifen des BDSG sein. Überwiegend wird die Problematik des Anwendungsbereichs jedoch nicht angesprochen, so dass eine Strafbarkeit bedenkenlos für möglich erachtet wird445. Daher wird im Folgenden der Anwendungsbereich des BDSG näher untersucht. Für eine präzise Antwort auf den Anwendungsbereich sind zunächst die Problemkreise voneinander zu trennen. Anders als bei der Erfassung ausländischer Geschäftsgeheimnisse handelt es sich hier nicht um die Problematik des Schutzes ausländischer Rechtsgüter. Die Strafnormen des BDSG schützen das Recht des von den Daten Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.446 Damit bezieht sich eine mögliche Strafbarkeit in den Steuerdatenfällen auf den Rechtsgüterschutz der deutschen447
443 444 445 446 447
321 (324); Werner, IWB 2010, 164 (167); wohl auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Kühne, GA 2010, 275 (277); ders., FS Roxin 80, 1269 (1273); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190); Trüg, StV 2011, 111 (112, 114) und Zieschang, FS Scheuing, 794 (799f., 804), die allesamt eine Strafbarkeit nur auf Grund der fehlenden Anwendbarkeit auf Auslandstaten bzw. fehlender Erschwerungsmerkmale oder fehlender Rechtswidrigkeit ablehnen. Kühne, GA 2010, 275 (277); ders., FS Roxin 80, 1269 (1273). Zieschang, FS Scheuing, 794 (799f., 804). So von Gössel, FS Puppe, 1377 (1392ff.); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661f.); Werner, IWB 2010, 164 (167); Wittig, WStR, § 33, Rn. 74. G/J/W/Glaser, BDSG, Vorbemerkung, Rn. 1; Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 241. Es ist durchaus möglich, dass die Datensammlung auch Informationen über nicht-deutsche Kunden enthält. Da aber grundsätzlich auch die Individualrechtsgüter von Ausländern in
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Bankkunden. Aus der Perspektive des geschützten Rechtsguts bestehen somit keine Bedenken gegen die Anwendung des BDSG. Daher bedarf es zumindest einer näheren Begründung, wenn man den Schutz durch die BDSG-Normen auf im Inland belegene Daten begrenzt. Genau diese Begründung bleibt Kühne bei seiner eingangs erwähnten These aber schuldig. Insbesondere der Wortlaut des BDSG enthält im Gegensatz zu anderen Gesetzen448 mit einer Begrenzung auf im Inland befindliche Tatobjekte keinen Anhaltspunkt für eine Einschränkung des Schutzes auf Daten im Inland. Die von Kühne vorgeschlagene Einschränkung des Anwendungsbereichs überzeugt daher nicht. Auch erscheint es entgegen der zuvor dargestellten Ansicht von Zieschang meines Erachtens problematisch, das Nichteingreifen der BDSG-Normen mit der Ersterhebung durch ausländische Unternehmen zu begründen, da auch diese Ersterhebung nichts daran ändert, dass deutsche Rechtsgüter geschützt werden. Soweit der Schutz deutscher Rechtsgüter betroffen ist, besteht aber nach allgemeinen Grundsätzen kein Bedarf für eine Tatbestandseinschränkung bei Auslandsberührungen. Zu problematisieren sind allenfalls Fragen des Strafanwendungsrechts. Diese allgemeinen Erwägungen werden verstärkt dadurch, dass das BDSG, wie bei der Erörterung des Täterkreises festgestellt, gerade nicht nur die Ersterhebung von Daten erfasst, sondern auch Folgeerhebungen. Dass solche Folgeerhebungen mit schlichtem Verweis auf die Ersterhebung durch ausländische Unternehmen selbst dann nicht unter das BDSG fallen, wenn sie durch Deutsche und in Deutschland begangen werden,449 scheint schwer einzusehen, zumal der für die Gesetzesanwendung maßgebliche Begriff der Stelle, wie gezeigt, nach dem Datenanwender und nicht nach der Datenzuordnung im Sinne der Ersterhebung zu bestimmen ist. Festgehalten werden kann daher, dass weder das geschützte Rechtsgut noch die ausländische Belegenheit der Daten einen Grund bildet, eine Strafbarkeit nach dem BDSG auszuschließen. Etwas anderes könnte sich allenfalls aus der Norm des § 1 V BDSG450 ergeben, zumal die Interpretation von § 1 V BDSG die den Schutzbereich einer Strafnorm miteinbezogen werden, ergibt sich auch bezogen auf diese Daten kein Grund für eine Einschränkung der Anwendbarkeit des BDSG. 448 Vgl. z. B. § 2 StZG: »Stammzellen, die sich im Inland befinden«. 449 Dies ist die konsequente Folge der oben dargestellten Ansicht, den Schutzbereich auf Grund der Ersterhebung durch ausländische Unternehmen zu verneinen. Die beschriebene Sachverhaltskonstellation, in der durch einen Deutschen Daten, die im Ausland über Deutsche gespeichert worden sind, in Deutschland erhoben werden, ist zudem keinesfalls theoretischer Natur, da es gerade auf Grund technischer Möglichkeiten nicht ausgeschlossen ist, dass von Deutschland aus auf Daten, die im Ausland gespeichert sind, zugegriffen wird. 450 Eine Berufung auf § 1 V BDSG wird auch vorgenommen von Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Trüg, StV 2011, 111 (112): Dabei fehlt jedoch jegliche Begründung dafür, warum aus der Norm die Nichtanwendbarkeit des BDSG in den Steuerdatenfällen folgen soll, allerdings lehnt Trüg, aaO, 114 die Strafbarkeit bezüglich der Amtsträger nicht ab, was suggeriert, dass
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Ursache des skizzierten Einschränkungsversuchs von Zieschang451 zu sein scheint. § 1 V BDSG stellt spezielle Kollisionsregeln für die Anwendbarkeit des jeweiligen Rechtsregimes im Hinblick auf das EU-Ausland einerseits und auf Drittstaaten andererseits auf.452 Auffällig an der Regelung ist insbesondere eine teilweise Abkehr vom Territorialitätsprinzip.453 Demnach ist das BDSG unanwendbar auf verantwortliche Stellen, die in einem EU- oder EWR-Staat belegen sind, auch wenn der Umgang mit den Daten in Deutschland erfolgt, es sei denn, diese Stellen verfügen über eine deutsche Niederlassung.454 Bei einer Datenerhebung durch eine ausländische Stelle im Ausland ist ein Erst-Recht-Schluss aus § 1 V 1 BDSG zu ziehen. Dies ergibt sich aus dem Grundgedanken, dass sich die Anwendbarkeit des jeweiligen nationalen Datenschutzrechts primär nach der Herkunft der handelnden Stelle zu richten hat.455 Der datenschutzrechtliche Begriff der (verantwortlichen) Stelle (§§ 3 VII i. V. m. § 1 II BDSG) ist, wie oben gezeigt, auch auf den Bankmitarbeiter anzuwenden. Daher ist bei der Subsumtion unter § 1 V BDSG auf die Herkunft des Bankmitarbeiters abzustellen. Zieschang bezieht den Begriff der Stelle in § 1 V BDSG hingegen ausschließlich auf die Bank als Stelle der Ersterhebung der Daten und gelangt so zu der These, dass das BDSG auf von einer liechtensteinischen456 Bank erhobene Daten nicht anwendbar sei. Gegen eine solche Interpretation spricht neben den bereits dargestellten grundsätzlichen Bedenken die Begrenzung des Begriffs der verantwortlichen Stelle auf denjenigen, der die Daten ursprünglich erhoben hat (vgl. dazu die Erwägungen zum Täterkreis). Darüber hinaus brächte die Auslegung von Zieschang eine Änderung der dogmatischen Einordnung von § 1 V BDSG mitsich. Wie dargestellt, handelt es sich bei § 1 V BDSG um eine echte Kollisionsregelung und damit um eine Norm des Anwendungsrechts. Interpretiert man § 1 V BDSG hingegen so wie Zieschang457, regelt sie nicht den Bereich der Rechtsanwendung, sondern begrenzt das Regelungsobjekt des BDSG, die personenbezogenen Daten, auf solche Daten, die von bestimmten Stellen erhoben worden sind. Dies überzeugt nicht. Auch aus § 1 V BDSG folgen folglich keine Einschränkungen für Sachverhalte
451 452 453 454 455 456 457
er eventuell auf den Handlungsort abstellt; Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157) verweist auch auf § 1 V BDSG, gibt aber keine Begründung für seine Interpretation, nach der entweder eine Strafbarkeit nach deutschem Datenschutzstrafrecht oder nach demjenigen des jeweils relevanten europäischen Auslands in Betracht kommen soll. Zieschang, FS Scheuing, 794 (799f.). Simitis/Dammann, BDSG, § 1, Rn. 198. Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 1, Rn. 22; Simitis/Dammann, BDSG, § 1, Rn. 198, 200. Dazu Simitis/Dammann, BDSG, § 1, Rn. 206. Vgl. Simitis/Damman, BDSG, § 1, Rn. 199; Simitis/Simitis, BDSG, § 2, Rn. 161. Liechtenstein ist EWR-Mitglied, dazu Simitis/Simitis, § 4b, Rn. 28. Zieschang, FS Scheuing, 794 (799f., 804).
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mit transnationaler Dimension. Relevanz könnte § 1 V BDSG allenfalls für Fragen des Strafanwendungsrechts entfalten. Eine strafrechtliche Bedeutung wird teilweise vor dem Hintergrund der europarechtlichen Fundierung des § 1 V BDSG mit Verweis auf die fehlende strafrechtliche Regelungskompetenz der EU abgelehnt. Zudem wird auf Erwägungsgrund 21 der entsprechenden Datenschutzrichtlinie (RL 95/46/EG) verwiesen, wonach strafrechtliche Territorialitätsregeln unangetastet bleiben.458 Dagegen verweist Zieschang459 auf den Wortlaut des § 1 V BDSG, der die Regelung auf das (ganze) »Gesetz« bezieht und damit auch auf die Sanktionsnormen. Somit beruhe die Kollisionsregelung auf einem deutschen Gesetz und nicht allein auf EU-Recht, so dass die Argumentation mit Erwägungsgründen der Richtlinie nicht verfangen könne. Die Argumentation Zieschangs hat meines Erachtens durchaus eine gewisse Berechtigung, da fraglos zunächst die Geltungsanordnung durch das deutsche (Umsetzungs)gesetz von Bedeutung ist, während die Richtlinie nur bei Auslegungsspielräumen relevant werden kann. Meines Erachtens ist der Wortlaut jedoch zumindest auf den zweiten Blick keineswegs so eindeutig, wie man zunächst annehmen könnte. Zwar werden die Sanktionsnormen nicht direkt aus dem Anwendungsbereich des § 1 V BDSG ausgenommen, doch zeigen Wortlaut und Sachzusammenhang eindeutig, dass die Regelung für strafrechtliche Fragestellungen ungeeignet ist. So ist das Abstellen auf »Niederlassungen« als Ansatz für die vorgenommene Differenzierung zumindest für ein Strafrecht, welches nur die Strafbarkeit natürlicher Personen kennt, systemfremd. Aus solchen Brüchen ergäben sich zahlreiche Folgeprobleme,460 die offensichtlich 458 Simitis/Dammann, BDSG, § 1, Rn. 213; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 64f. 459 Zieschang, FS Scheuing, 794 (799f.). 460 Zumindest bei natürlichen Personen, die, wie in den Steuerdatenfällen der Bankmitarbeiter, für sich selbst und nicht für eine öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Organisationseinheit handeln, ergibt das Abstellen auf Niederlassungen keinen Sinn. So müsste erörtert werden, ob der Teil der Regelung, der sich mit Niederlassungen befasst, für strafrechtliche Belange ignoriert werden soll oder ob statt dessen vielleicht auf den Wohnsitz des potentiellen Täters abgestellt werden müsste, womit allerdings die europarechtliche Auslegung des Niederlassungsbegriffs verlassen würde und Bestimmtheitsprobleme entstünden. Um die von § 1 V BDSG grundsätzlich beabsichtigte eindeutige Zuordnung zu einer Jurisidiktion zu erreichen, müsste man zudem eine Sperrwirkung gegenüber dem allgemeinen Strafanwendungsrecht der §§ 3ff. StGB annehmen, was erstens dem von Sonn angesprochenen 21. Erwägungsgrund der Datenschutzrichtlinie widerspräche und zweitens auf Grund der grundsätzlichen Geltung der §§ 3ff. StGB auch für das Nebenstrafrecht (dazu Fischer, Vor §§ 3–7, Rn. 2) vermutlich durch den Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht worden wäre, wenn er denn eine solche Sperrwirkung beabsichtigt hätte. Auch würde man bei konsequenter Anwendung des § 1 V BDSG die Anwendung des deutschen Strafrechts von der genauen Herkunft eines Ausländers abhängig machen und beispielsweise einen Schweizer als Drittstaatler der deutschen Stafbarkeit unterwerfen, während ein Franzose nicht dem deutschen Strafrecht unterfiele. Eine solche Handhabung wäre zumindest gewöhnungsbedürftig.
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bisher nicht erörtert worden sind. Dies zeigt, dass entgegen der missverständlichen Formulierung der Norm eine Geltung für strafrechtliche Belange weder durch den nationalen Gesetzgeber noch durch das Europarecht beabsichtigt worden ist. Demnach hat § 1 V BDSG überhaupt keine Auswirkung auf strafrechtliche Überlegungen und kann daher auch bei der späteren Prüfung des Strafanwendungsrechts außer Acht bleiben. Für die Frage einer möglichen Einschränkung des BDSG auf Grund der transnationalen Dimension des Sachverhalts kann festgehalten werden, dass sich weder aus dem ausländischen Belegenheitsort noch aus der Ersterhebung der Daten durch ein ausländisches Unternehmen Einschränkungen ergeben. Zudem hat auch die üblicherweise ausländische Herkunft des Bankmitarbeiters Relevanz nur im Rahmen der §§ 3ff. StGB. d) Tathandlungen Die Datenbeschaffung durch den Bankmitarbeiter könnte gleich mehrere der nach §§ 44 I, 43 II BDSG strafbaren Modalitäten verwirklichen. aa) Erheben In Betracht kommt zunächst eine unbefugte Erhebung von Daten gemäß §§ 44, 43 II Nr. 1 Alt. 1 BDSG. Wie bereits bei der Erörterung des Täterkreises festgestellt, ist ein Erheben durch den Bankmitarbeiter zu bejahen, da es sich bei der Ansichnahme der Daten um einen von seinem Willen getragenen aktiven461 Vorgang handelt. Wenn Sonn462 argumentiert, die bloße Ansichnahme bereits vorhandener Daten aus einer bestehenden Datei reiche für ein Erheben nicht aus, verkennt er die Weite des Begriffs, der nach der Legaldefinition des § 3 III BDSG grundsätzlich jeden Beschaffungsvorgang erfasst. Zwar wird das Heraussuchen aus vorhandenen Daten nicht als Erhebungsvorgang betrachtet, doch gilt dies nur bezogen auf solche Daten, die man zuvor bereits selbst und zu eigenen Zwecken beschafft hat463. Hier wird der Bankmitarbeiter aber erstmals für sich selbst tätig, indem er die bei der Bank vorhandenen Daten zu eigenen Zwecken ansichnimmt. Dies reicht für ein Erheben aus. Die in den Steuerdatenfällen vorgenommene Begrenzung Sonns auf ein eigenes systematisches und 461 Zu den Voraussetzungen der Willentlichkeit und des aktiven Tätigwerdens allgemein Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 102. 462 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 71, der zunächst nur auf das Öffnen und Ansehen der Daten abstellt, später aber ein Erheben auch durch die Entnahme von Daten aus einer Datei verneint, so dass ein Erheben für den Beschaffungsvorgang insgesamt abgelehnt wird. 463 Vgl. Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 102: Dass ein Erheben bei Heraussuchen aus vorhandenem Material nur ausscheiden soll, wenn die Daten bereits vorher zu eigenen Zweck beschafft worden sind, ergibt sich dabei meines Erachtens aus dem genannten Beispiel (Buchungszwecke) und aus dem Vergleich mit den in Rn. 109 genannten Erhebungsvorgängen.
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zielgerichtetes Zusammenstellen464 der Daten hätte zudem die sachlich schwer zu rechtfertigende Konsequenz, dass ein Erheben bei der Ansichnahme der ganzen Kundendatei ausscheiden müsste, bei der Beschaffung bestimmter Kundendaten aber zu bejahen wäre,465 da die Selektion zwischen den Kunden vermutlich als zielgerichtetes Zusammenstellen zu verstehen wäre. Auch die Argumentation Sonns, die Reichweite des Erhebens müsse eingeschränkt werden, um eine Abgrenzung zum Sichverschaffen und zum Abrufen zu ermöglichen, kann nicht überzeugen. Schließlich ist es keineswegs eine Besonderheit des Datenschutzrechts, dass einer Tathandlungsvariante eine Auffangfunktion466 zukommt. Für eine Einschränkung des Erhebens besteht mithin kein Bedarf. Die Ansichnahme der Unterlagen erfüllt das Erheben ebenso wie die Mitnahme oder Anfertigung eines Datenträgers467. bb) Verarbeiten durch Speichern Möglich erscheint ferner eine Strafbarkeit nach §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 BDSG wegen unbefugter Datenverarbeitung. Verarbeiten umfasst nach der Legaldefinition des § 3 IV BDSG das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen. In den Steuerdatenfällen kommt ein Speichern in Betracht. Darunter ist nach § 3 IV Nr. 1 BDSG das Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren der Daten zum Zwecke der weiteren Verarbeitung oder Nutzung zu verstehen. Nach Sonn468 soll dafür das bloße Kopieren der Daten nicht ausreichen. Erforderlich sei die Umsetzung untechnischer Daten in technische Daten. Demnach sollen wohl nur Fälle der erstmaligen elekronischen Erfassung unter den Begriff des Speicherns fallen. Diese Interpretation setzt sich in Widerspruch zur üblichen Auslegung des Speicherns, ohne jedoch auf diese Abweichung hinzuweisen. So ist es für die Annahme des Speicherns gerade nicht erforderlich, dass die betroffenen Daten bisher noch nicht gespeichert gewesen sind. Rein technisch bedingte Umspeicherungsvorgänge stellen zwar kein Speichern dar, doch ist ein Speichern zumindest immer dann zu bejahen, wenn der Verwendungszusammenhang geändert wird.469 Wenn der Bankmitarbeiter die bisher von der Bank zur Verwaltung des Kundenvermögens genutzten Daten für sein eigenes »Pri464 Nach Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 103 ist ein systematisches und in einen umfassenden Plan eingebundenes Vorgehen gerade nicht erforderlich; a. A. aber wohl Erbs/ Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 3, Rn. 16. 465 Es steht zudem nicht fest, dass in allen Fällen die ganze Kundendatei entnommen worden ist. Typischerweise werden nur Teilbereiche entnommen. 466 Vgl. dazu Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 247, wonach es sich bei § 43 II Nr. 1 BDSG um die Zentralnorm des Datenschutzstrafrechts handelt, während den weiteren Tathandlungen nur eine ergänzende Funktion zukommt. 467 Vgl. die Beispiele bei Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 109. 468 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 72. 469 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 117.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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vatarchiv« erfasst, liegt eindeutig ein neuer Verwendungszusammenhang vor. Daher liegt ein Speichern in den Steuerdatenfällen vor, sofern der Informant den Datenträger erst selbst anlegt und nicht lediglich bereits angefertigte Datenträger ansichnimmt. Im letzteren Fall käme aber ein Speichern bezogen auf weitere Handlungen in Betracht, beispielsweise wenn die auf dem Datenträger gespeicherten Informationen im weiteren Bearbeitungsverlauf auf andere Datenträger übertragen werden. Dass das Vorgehen des Informanten dem Zweck der weiteren Nutzung der Daten dient, ist offensichtlich, so dass ein Speichern in den Steuerdatenfällen naheliegend ist, wenngleich es nicht bei jeder Sachverhaltsgestaltung (z. B. Unterlagen in Papierform) vorliegen wird. cc) Abrufen Weiterhin könnte ein unbefugter Datenabruf nach §§ 44 I, 43 II Nr. 3 Var. 1 BDSG einschlägig sein. Ein Abrufen von Daten liegt vor, wenn Daten einer automatischen Datenverarbeitung mithilfe von Programmbefehlen unmittelbar wahrnehmbar gemacht werden oder wenn Verfügungsgewalt über solche Daten begründet wird mit dem Ziel, die Daten später zu nutzen oder wahrnehmbar zu machen.470 Damit kommt ein Abrufen von vornherein nicht in Betracht, sofern gegenständliche Unterlagen betroffen sind. Möglich bleibt ein Abrufen aber bezüglich elektronisch verarbeiteter Daten. Erforderlich ist, dass die Daten nicht für den Handelnden bestimmt sind.471 Wenn der Umgang mit den Daten grundsätzlich zum Aufgabenbereich des Bankmitarbeiters zählt und ihm daher auch das bloße Sichtbarmachen auf dem Bildschirm als Teil des normalen Geschäftsablaufs gestattet ist, scheidet ein Abrufen somit aus, da der Bankkunde der Bank sein Einverständnis zu dem Datenumgang erteilt hat und der Bankmitarbeiter seine Berechtigung von der Bank ableitet.472 Vorausgesetzt ist ferner, dass die Daten dem Handelnden grundsätzlich zugänglich sind, so dass das Verhalten Außenstehender, die sich Zugang per Hacking verschaffen, nicht erfasst ist.473 Daraus folgt zudem, dass ein Abrufen nur möglich ist bei Mitarbeitern, die Zugang zu den Informationen gehabt haben, ohne über eine Erlaubnis zur dienstlichen Nutzung zu verfügen. Aus den vorangegangenen Ausführungen ergibt sich, dass die Tathandlung des Abrufens sehr vom Einzelfall abhängt, häufig aber nicht in Betracht kommen dürfte, da die Daten zumeist für den Bankmitarbeiter bestimmt sind. Selbst 470 Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 61. 471 Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 254. 472 So im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 75; ein Abrufen offen lassend hingegen Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113. 473 Dazu allgemein Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 254; anders aber wohl Sonn, Steuer-CD-Affäre, 75, der auch bei Außenstehenden ein Abrufen für möglich erachtet.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
wenn ein Abrufen grundsätzlich möglich erscheint, dürfte es zumeist nur die Vorstufe zu der unmittelbar nachfolgenden Herstellung einer dauerhaften Datenverkörperung darstellen, die beispielsweise als Speichern strafbar ist. In solchen Fällen dürfte das Abrufen als mitbestrafte Vortat zu qualifizieren sein. Das Abrufen kann daher in den Steuerdatenfällen vernachlässigt werden. dd) Verschaffen Zudem könnte sich der Informant nach §§ 44 I, 43 II Nr. 3 Var. 2 BDSG wegen unbefugter Datenverschaffung strafbar gemacht haben. Sich-Verschaffen meint, dass die Daten entweder zur Kenntnis genommen werden oder dass ein Zustand hergestellt wird, der die spätere Kenntnisnahme, Nutzung oder Verfügung ermöglicht.474 Diese Voraussetzungen werden sowohl durch die Mitnahme von Material in Papierform als auch durch die Anfertigung beziehungsweise die Ansichnahme eines Datenträgers erfüllt. Als weitere Anforderung müssen die Daten unmittelbar aus einer automatisierten Datenverarbeitung oder aus einer nicht automatisierten Datei stammen.475 Dass die Informationen grundsätzlich entweder aus einer automatisierten Datenverarbeitung (elektronische Speicherung) oder aus einer nicht automatisierten Datei (Kundenmaterial in Papierform) stammen, ist bereits bei der Erörterung des Täterkreises begründet worden. Ob sie im Einzelfall unmittelbar daraus entnommen worden sind, hängt von den Einzelheiten des Sachverhalts ab, erscheint aber durchaus wahrscheinlich. So sind die Voraussetzungen beispielsweise erfüllt, wenn die Verfügung über eine komplette Kundendatei begründet wird.476 Gleiches dürfte auch für Teile einer Kundendatei gelten. Ausscheiden muss ein Verschaffen allerdings, wenn bloß einzelne Schriftstücke, die der Informant nicht direkt herausgesucht hat, zufällig von ihm entdeckt und mitgenommen werden. Festgehalten werden kann daher, dass das Verschaffen von Daten in vielen Fällen vorliegen wird, aber nicht zwangsläufig vorliegen muss.477 ee) Ergebnis: Tathandlungen Während das Vorliegen der Tathandlungsvarianten des Speicherns, Abrufens und Sichverschaffens vom Einzelfall abhängt, ist ein Erheben in den Standardkonstellationen der Steuerdatenfälle stets zu bejahen. Liegt eine der speziellen Varianten vor, dürfte die Auffangnorm der Datenerhebung verdrängt werden. 474 475 476 477
Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 64. Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 43, Rn. 21; Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 64. Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 64. Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113 und Sonn, Steuer-CD-Affäre, 76 bejahen ein Verschaffen in allen Fällen, beziehen sich aber auch nur auf Fälle elektronisch gespeicherter Daten; vgl. auch Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661), die pauschal ein Verschaffen bejahen.
Tatbestandsspezifische Aspekte
123
e) Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG Weiterhin müsste der Informant gegen Entgelt, mit Schädigungsabsicht oder mit Bereicherungsabsicht gehandelt haben. Ein Handeln gegen Entgelt kommt vorliegend nicht in Betracht, da von Entgelt, zu verstehen im Sinne des § 11 I Nr. 9 StGB, nur gesprochen werden kann, wenn eine Verknüpfung zwischen der Tathandlung und dem erwarteten Vermögensvorteil besteht478. In den Steuerdatenfällen erfolgt die Kontaktaufnahme zu potentiellen Vertragspartnern inklusive der Verhandlungen über die Gegenleistung aber erst nach Ansichnahme der Daten.479 Hinsichtlich der Schädigungsabsicht480 kann sinngemäß auf die Ausführungen im Rahmen von § 17 II Nr. 1 UWG verwiesen werden mit dem Ergebnis, dass die Absicht der Schädigung der Banken sehr vom Einzelfall abhängt. Die Schädigungsabsicht des BDSG kann sich auf jeden beziehen,481 so dass auch und vor allem die Absicht der Schädigung der Bankkunden in Betracht kommt. Auch diesbezüglich dürfte die Motivationslage jedoch stark vom Einzelfall abhängen. So ist bei Heinrich Kieber (Beeinflussung der Strafverfolgungsorgane) die Schädigungsabsicht hinsichtlich der Bankkunden zumindest zum Zeitpunkt der Datenverschaffung zu verneinen. In Betracht kommt weiterhin ein Handeln in Bereicherungsabsicht. Dies setzt das Erstreben eines zumindest mittelbaren Vermögensvorteils voraus.482 Die Bankmitarbeiter, die bereits bei der Datenbeschaffung im Hinblick auf spätere Verkaufserlöse handeln oder auf eine Erpressung der Bank abzielen, bringen die Daten bereits mit Bereicherungsabsicht ansich,483 da die Beschaffung die Voraussetzung für den durch den Verkauf später erwarteten Vermögenszufluss bildet. Stehen hingegen zunächst wie bei Heinrich Kieber andere, nicht pekuniäre Motive im Vordergrund so scheidet Bereicherungsabsicht aus484.
478 Zum Entgeltbegriff des BDSG G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 3; allgemein zur Verknüpfung von Tathandlung und Vermögensvorteil als Voraussetzung für die Entgeltlichkeit Fischer, § 11, Rn. 31. 479 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 77f. 480 Auch im Rahmen des BDSG ist nicht zwingend ein vermögensbezogener Nachteil erforderlich, vgl. Smitis/Ehmann, BDSG, § 44, Rn. 8; G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 5. 481 G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 5. 482 Simitis/Ehmann, BDSG, § 44, Rn. 6f. 483 Daher wird die Bereicherungsabsicht z. B. bejaht von Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 78ff. 484 Die Datensammlung als solche stellt mangels Vermögenswert (dazu unten im 3. Kapitel B. I. 9. d) bb) (1)) keinen für eine Bereicherung relevanten Vermögensvorteil dar.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
f) Unbefugtheit Die Tathandlungen müssen unbefugt erfolgt sein. Bei der Unbefugtheit handelt es sich um ein Merkmal der Rechtswidrigkeit,485 so dass grundsätzlich auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden kann. Hier werden daher nur die datenschutzrechtlichen Besonderheiten erörtert. Für die speziellen datenschutzrechtlichen Zulässigkeitsgründe (vgl. § 4 BDSG) bestehen jedoch keine Anhaltspunkte. g) Strafantrag (§ 44 II 1 BDSG) Nach § 44 II 1 BDSG ist ein Strafantrag erforderlich. h) Ergebnis: §§ 44 I, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG Eine Strafbarkeit des Bankmitarbeiters nach dem BDSG ist vor allem in der Variante des Erhebens nach §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 1 BDSG durchaus möglich. Da aber gerade die Erschwerungsmerkmale des § 44 I BDSG sehr stark vom Einzelfall abhängen, wird eine BDSG-Strafbarkeit nicht in jedem Steuerdatenfall gegeben sein, so dass gestützt auf das BDSG keine allgemeingültige Aussage über die Strafbarkeit der Datenbeschaffung getroffen werden kann. 7.
§ 266 I StGB: Untreue
Eine Strafbarkeit wegen Untreue durch die Datenbeschaffung wird in der rechtlichen Aufarbeitung der Steuerdatenfälle ebenfalls diskutiert,486 wird aber hier erst im Rahmen der Untreuestrafbarkeit durch die Datenweitergabe thematisiert, da die entscheidenden Argumente in der parallelen Erörterung besser herausgearbeitet werden können (dazu unten in diesem Kapitel unter A. II. 8.). 8.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis
Die vorangegangenen Erörterungen haben gezeigt, dass in den Steuerdatenfällen jedenfalls § 17 II Nr. 1 UWG einschlägig ist. Je nach genauem Sachverhalt ist darüber hinaus eine Strafbarkeit nach § 202a StGB und § 242 StGB beziehungsweise § 246 StGB und nach dem BDSG möglich. Die Delikte stehen zueinander in Tateinheit.487 485 G/J/W/Glaser, BDSG, § 43, Rn. 36; a. A. Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 248. 486 Dazu inzident Schünemann, NStZ 2008, 305 (308) wohl mit Bezug auf eine Untreue durch die Datenbeschaffung. 487 Zur Tateinheit zwischen § 202a bzw. § 242 / § 246 StGB und § 17 UWG MK-UWG/ Brammsen, § 17, Rn. 106; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 59; Fischer, § 202a, Rn. 15; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 78; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 128;
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Als Zwischenfazit lässt sich feststellen, dass die Datenbeschaffung durch den Bankmitarbeiter in Gestalt von § 17 II Nr. 1 UWG zumindest eine Norm des deutschen Strafrechts verletzt.
II.
Strafbarkeit durch den Verkauf der Daten
Neben der Datenverschaffung ist der Verkauf der Kundendaten ein weiterer Komplex, der strafrechtlich gewürdigt werden muss. Die strafrechtliche Bewertung der Verkaufshandlung ist auch im Hinblick auf die Strafbarkeit der Staatsvertreter von besonderer Bedeutung, da gerade der Datenverkauf den Anknüpfungspunkt für die Interaktion zwischen dem Bankmitarbeiter und den staatlichen Stellen bildet.
1.
§ 202a StGB: Ausspähen von Daten
Zunächst ist dabei auf § 202a StGB einzugehen. Ein Ausspähen von Daten kann auch einschlägig sein, wenn Daten mit den dort genannten, bereits bei der Datenbeschaffung erörterten Merkmalen einem Dritten übermittelt werden. In der Erörterung der Steuerdatenfälle gibt es einige Stimmen, die die zweite Tathandlungsmodalität des § 202a StGB bejahen und dabei darauf abstellen, dass durch die Datenübergabe Staatsvertretern Zugang zu den Daten verschafft worden ist.488 Hierbei ist aber zu beachten, dass die Bankmitarbeiter, zumindest in den geschilderten Beispielssachverhalten, die Daten nicht direkt nach ihrer eigenen Verschaffung weitergeleitet haben. So hat sich Heinrich Kieber mit »seinen« Daten zunächst in verschiedenen europäischen Staaten aufgehalten, ehe er sie deutlich später der Bundesrepublik Deutschland zum Kauf angeboten hat.489 Eine gewisse Zeitspanne zwischen Datenbeschaffung und Datenübermittlung dürfte typisch für das Vorgehen der Informanten sein. Der Informant wird im Schmitz, JA 1995, 478 (484); nur zur Tateinheit von § 202a und § 17 UWG Westpfahl, CR 1987, 515 (517); zur Idealkonkurrenz im Verhältnis zu den BDSG-Delikten kann auf die dortigen Ausführungen zu der nicht vorliegenden Subsidiarität des BDSG verwiesen werden (in diesem Kapitel unter A. I. 6). 488 Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202f.); indirekt wohl auch Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344f.) im Rahmen einer möglichen Teilnahmestrafbarkeit der Staatsvertreter ; in diese Richtung auch Zieschang, FS Scheuing, 794 (800), der jedoch eine Strafbarkeit im Ergebnis aus anderen Gründen ablehnt. 489 Siehe die Sachverhaltsdarstellung bei Kieber, Tatsachenbericht, 196ff., wobei zu beachten ist, dass Heinrich Kieber schon bei seiner eigenen Datenverschaffung keine Zugangssicherung überwunden hat, so dass in seinem Fall § 202a StGB ohnehin nicht in Betracht kommt.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Normalfall sein brisantes Material erstmal sichten, sichern und an verschiedenen Stellen deponieren, ehe die Staaten kontaktiert und nach längeren Verhandlungen Daten übermittelt werden. In solchen Fällen liegt meines Erachtens kein Fall des § 202a StGB vor.490 Dies lässt sich durch folgenden Beispielsfall illustrieren: Wenn ein Informant Sicherungsdatenträger aus dem Tresor entwendet, indem er den Zugangscode manipuliert, verwirklicht er § 202a StGB. Wenn er dann aber von diesen Daten diverse eigene Sicherungs-CDs herstellt,491 in verschiedenen Schließfächern deponiert und eine solche CD aus dem Schließfach, zu dem er den Schlüssel hat, nimmt, um sie einem deutschen Amtsträger auszuhändigen, wird § 202a StGB nicht verletzt. Schließlich wird bei der Übergabe an den Vertreter des deutschen Staats keine Zugangssicherung überwunden. Dies ist aber gerade das spezifische Unrecht des § 202a StGB.492 Auf die frühere Überwindung der Zugangssicherung bei der Datenbeschaffung kann nicht abgestellt werden, da dieser Vorgang längst abgeschlossen ist, wenn die Datenweitergabe, wie geschildert, nicht direkt im Anschluss erfolgt, sondern auf einem neuen Tatentschluss493 beruht. Gerade weil § 202a StGB nur Angriffe auf die formelle Verfügungsbefugnis und gerade nicht jeden Verstoß gegen die Geheimhaltung pönalisiert,494 ist dieses Ergebnis zwingend.495 Teilweise wird in der Kommentarliteratur zu § 202a StGB vertreten,496 dass die Weitergabe an einen Dritten als mitbestrafte Nachtat (Drittverschaffung) von der Vortat (Sichverschaffen) verdrängt werde, wobei dies mitunter begrenzt wird auf Konstellationen, in denen der Täter bei der Drittverschaffung selbst Kenntnis vom Dateninhalt erlangt. Dies suggeriert ebenfalls, dass Konstellationen wie die Weiterleitung in den Steuerdatenfällen grundsätzlich den Tat490 Ähnlich Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116, Fn. 38); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 40f. 491 Trotz der eigenständigen Herstellung der Datenkopien dürften die Daten nach wie vor nicht für den Täter bestimmt gewesen sein, da es dafür auf die Entscheidung des formellen Verfügungsberechtigten ankommt (NK/Kargl, § 202a, Rn. 7) und der Informant durch die eigenmächtige Ansichnahme nicht zum Berechtigten wird. 492 Zur Frage des Unrechts BT-Drucks. 16/3656, 10; Heintschel-Heinegg/Weidemann, § 202a, Rn. 17. 493 Selbst wenn der Informant die Datenbeschaffung bereits mit Blick auf den späteren Verkauf vornimmt, dürfte es sich noch nicht um einem hinreichend konkretisierten Tatentschluss handeln, da im Zeitpunkt der Beschaffung allenfalls eine grobe Vorstellung von den späteren, an die Weitergabe anknüpfenden Taten bestehen wird, vgl. dazu die Diskussion zum ominmodo facturus im Rahmen der Teilnahme: Nach hier nicht geteilter, aber zumindest teilweise vertretener Ansicht wird der Tatentschluss hinsichtlich der Weitergabe erst bei der Überlassung der Gegenleistung verortet. 494 Dazu OLG Celle, wistra 1989, 354 (355). 495 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 40f. 496 MK/Graf, § 202a, Rn. 54; mit Einschränkung auf Fälle der Kenntnisnahme NK/Kargl, § 202a, Rn. 14.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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bestand des § 202a StGB erfüllen. Der zitierten Ansicht kann indes nicht zugestimmt werden. Zunächst einmal kann der Umstand der Kenntnisnahme vom Dateninhalt nicht entscheidend sein, da die Kenntnisnahme des Dateninhalts nach allgemeiner Ansicht497 keine zwingende Voraussetzung für das Sichverschaffen ist. Selbst wenn man darüber hinweg geht, kann in der Drittverschaffung keine Nachtat gesehen werden, da sie, wie gezeigt, mangels Überwindung der Zugangssicherung schon den Tatbestand nicht vollständig erfüllt. Das von § 246 StGB bekannte Problem, ob wiederholte Zueignungen möglich sind beziehungsweise ob nach einer Selbstzueignung noch eine Drittzueignung möglich ist,498 kann hier unberücksichtigt bleiben,499 ohne dass es dabei auf den Begriff des Verschaffens und eine mögliche Parallele zur Zueignung im Detail ankäme. Schließlich vollzieht sich die Weitergabe an einen Dritten jedenfalls ohne (erneute) Überwindung der Zugangssicherung, so dass hier nicht die formelle Verfügungsbefugnis des Berechtigten (erneut500) beeinträchtigt wird, sondern lediglich der Kreis der Mitwisser vergrößert wird. Dabei handelt es sich aber nicht um das für § 202a StGB prägende Unrecht. Dass der Informant die Zugangssicherung überwunden hat, als er sich den Zugang selbst verschafft hat, begründet das Unrecht hinsichtlich der Beschaffung und kann daher für die Weitergabe nicht mehr herangezogen werden. Der Täter nutzt bei der Weitergabe nur die von ihm zuvor geschaffene Situation aus. Wenn das Ausnutzen einer von anderen geschaffenen Lage für die Tatbestandsverwirklichung nicht ausreicht,501 kann für das Ausnutzen einer selbst geschaffenen Lage nichts anderes gelten. An diesem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn der Informant schon bei der Beschaffung der Daten zur Weitergabe der Daten konkret entschlossen gewesen ist und die Lage daher bewusst mit Blick auf die spätere Weiterleitung geschaffen hat. Auch in diesen Fällen ist die Zugangssicherung nur einmal überwunden, so dass der Informant durch die Weitergabe der Daten nicht erneut in die fremde, seinem Zugang entzogene Geheimnissphäre eindringt, sondern »lediglich« das materielle Geheimhaltungsinteresse berührt. In den Steuerdatenfällen, in denen die Bankmitarbeiter durch Überwindung der Zugangssicherung die eigene Verfügungsgewalt erlangen, ist § 202a StGB
497 LK/Hilgendorf, § 202a, Rn. 15; NK/Kargl, § 202a, Rn. 12. 498 Dazu LK/Vogel, § 246, Rn. 49ff.; Grundsätzlich ist auch an die ähnliche Problemstellung bei § 242 StGB zu denken, doch wird die Frage dort nur im subjektiven Tatbestand relevant, so dass § 246 StGB für die Vergleichbarkeit mit § 202a StGB besser geeignet ist. 499 Anders wohl Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116, Fn. 38), der eine Parallele zur Drittzueignung im Rahmen von § 242 StGB zieht, wobei dieser Gedanke nicht näher ausgeführt wird. 500 Allenfalls wird die bereits vorhandene Beeinträchtigung perpetuiert, so auch Sonn, SteuerCD-Affäre, 41. 501 Dazu allgemein LK/Hilgendorf, § 202a, Rn. 18; NK/Kargl, § 202a, Rn. 14.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
damit nur bezogen auf die Datenerlangung, nicht jedoch bezogen auf die Datenweitergabe verwirklicht.502 Die spätere Erörterung im 3. Kapitel wird jedoch zeigen, dass das Fehlen einer auf der zweiten Tathandlungsmodalität des § 202a StGB beruhenden Strafbarkeit anders als von Samson/Langrock503 angenommen, keine entscheidenden Auswirkungen auf die strafrechtliche Beurteilung der Vertreter des deutschen Staats hat. 2.
§ 17 I UWG: Geheimnisverrat
Eine Strafbarkeit wegen Geheimnisverrats nach § 17 I UWG wird im Zusammenhang mit entwendeten Steuerdaten häufig diskutiert.504 a) Täterkreis Anders als bei § 17 II Nr. 1 und Nr. 2 UWG kommt eine Strafbarkeit gemäß § 17 I UWG nur in Betracht, wenn der Mitarbeiter noch im Zeitpunkt des Datenverkaufs, das heißt der Tathandlung, bei der Bank oder dem Treuhandunternehmen beschäftigt gewesen ist. Im LGT-Fall ist eine Strafbarkeit von Heinrich Kieber nach § 17 I UWG demnach zu verneinen. Gleiches gilt für Rudolf Elmer und für Klaus Lins, den Mitarbeiter des Treuhänders Herbert Batliner. Auch in Fallgestaltungen, bei denen Außenstehende, die nie eine Beziehung zu der betroffenen Bank gehabt haben, auf Daten zugreifen, kommt § 17 I UWG somit wegen des Fehlens der Tätereigenschaft nicht in Betracht. Fraglos sind aber auch Fälle des Steuerdatenverkaufs denkbar, bei denen der Informant noch während des Verkaufs bei dem Unternehmen beschäftigt ist. Die Bejahung des Merkmals und damit die Bedeutung von § 17 I UWG für die Steuerdatenfälle hängen folglich von Details des jeweiligen Sachverhalts ab. b) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis Bei den entwendeten Kundendaten handelt es sich, wie oben gezeigt, um ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis. 502 So im Ergebnis auch Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116, Fn. 38), der zur Begründung entscheidend auf den fehlenden Unmittelbarkeitszusammenhang abstellt; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 40f. 503 Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202, 204). 504 Vgl. Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344); Gössel, FS Puppe, 1377 (1379ff.); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 108ff.; Spernath, NStZ 2010, 307f.; Trüg, StV 2011, 111 (112); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; inzident auch Benkert, FS Schiller, 27 (30); Erb, FS Roxin 80, 1103ff.; Habetha, ZRP 2010, 223; Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094); Kauffmann, JA 2010, 597; Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13); Pawlik, JZ 2010, 693; Trüg/Habetha, NStZ 2008, 481 (489); dies., NJW 2008, 887 (889).
Tatbestandsspezifische Aspekte
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c)
Geheimnis, das im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut oder zugänglich gemacht worden ist Die Kundendaten müssen im Rahmen von § 17 I UWG dem Bank- oder Treuhandmitarbeiter im Rahmen des Dienstverhältnisses anvertraut oder zugänglich gemacht worden sein. Anvertrauen liegt vor, wenn ein Geheimnis aktiv mitgeteilt worden ist und auf die Pflicht zur Verschwiegenheit zumindest konkludent hingewiesen worden ist.505 Ein Anvertrauen kommt somit nur in Betracht, wenn die betroffenen Kundendaten den Kompetenzbereich des Bankmitarbeiters berührt haben. Für ein »Zugänglichmachen« reicht hingegen jede Kenntniserlangung mit Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis aus.506 Dafür erforderlich ist lediglich ein Kausalzusammenhang zwischen Datenerlangung und dem Arbeitsverhältnis, so dass auch eine Kenntniserlangung durch Zufall oder gegen den ausdrücklichen Willen der Geschäftsleitung erfasst ist. Entscheidend ist lediglich, dass der Mitarbeiter ohne die Beschäftigung keine Kenntnis erlangt hätte.507 Anerkannt ist, dass selbst bei einem heimlichen Vorgehen, bei einer Kenntniserlangung durch Betriebsspionage beziehungsweise durch Diebstahl und bei Handlungen jenseits des eigenen Aufgabenbereichs von einem Zugänglichmachen gesprochen werden kann.508 Daher überrascht es, dass Gössel in seiner Erörterung der »Steueraffäre« behauptet, § 17 I UWG komme nur in Betracht, wenn der jeweilige Mitarbeiter dienstlich mit den Kundendaten umgehen durfte. Wenn hingegen dem Mitarbeiter die Daten schon dienstlich nicht zur Verfügung gestanden hätten und er sie sich durch Betriebsspionage hätte verschaffen müssen, käme eine Strafbarkeit nach § 17 I UWG nicht in Betracht.509 Damit wird aber die Bedeutung des »Zugänglichwerdens« verkannt. Bloße Kausalität liegt schließlich auch in den Fällen vor, in denen ein Mitarbeiter nicht für die Bearbeitung der Daten zuständig ist, aber auf Grund seiner Tätigkeit die Möglichkeit zum Zugriff auf die Daten hat. Folglich scheidet eine Strafbarkeit nur aus, wenn die Kenntniser-
505 Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 19; Wawrzinek, Verrat, 158. 506 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 20; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 41; Hellmann/ Beckemper, WStR, Rn. 510; Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 21; Wawrzinek, Verrat, 158f. 507 GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 41; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (354); Emmerich, Wettbewerb, § 10, Rn. 13; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 19; Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 21; Schlötter, Abwerbung, 145f.; Wawrzinek, Verrat, 158f. 508 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 39; Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 9; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 47; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 33; Föbus, Insuffizienz, 124. 509 Gössel, FS Puppe, 1377 (1380), der ein Alternativitätsverhältnis zwischen einem zugänglich gewordenen und einem durch Betriebsspionage verschafften Geheimnis annimmt, was aber der dargelegten Auslegung des »Zugänglichwerdens« meines Erachtens zuwiderläuft.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
langung auch einem Außenstehenden möglich gewesen wäre.510 Mithin entfällt ein Zugänglichwerden nur, wenn der Mitarbeiter sich wie ein Außenstehender in das System hackt, was aber recht unwahrscheinlich sein dürfte. Das Kriterium der dienstlichen Kompetenzen führt somit entgegen Gössel bezogen auf § 17 I UWG nicht zu einer Differenzierung. Folglich sind die entwendeten Steuerdaten in den meisten Sachverhalten dem Mitarbeiter zumindest zugänglich geworden, so dass eine Strafbarkeit nach § 17 I UWG an diesem Merkmal kaum scheitern wird.511 d) Mitteilen Die Weitergabe des Geheimnisses an die Staatsvertreter stellt grundsätzlich ein Mitteilen dar (zu einer möglichen Abgrenzung zum Verwerten unten in diesem Kapitel unter A. II. 3. e)). Mitteilen ist jede Form der Bekanntgabe des Geheimnisses an einen Dritten. Es ist unwesentlich, in welcher Weise das Mitteilen durchgeführt wird. So reicht beispielsweise auch das Überlassen von Unterlagen oder Gegenständen, die das Geheimnis enthalten, aus.512 Daher kommt es für die Beurteilung des Mitteilens nicht auf die genauen Modalitäten der Übergabe der Bankkundendaten an. Ein Mitteilen dürfte somit in allen denkbaren Konstellationen der Steuerdatenfälle zu bejahen sein. e) Handlung während des Dienstverhältnisses Das Mitteilen muss während der Dauer des Dienstverhältnisses geschehen. Maßstab ist nach herrschender Meinung der rechtliche Bestand des Dienstverhältnisses.513 Das Merkmal der Handlung während des Dienstverhältnisses übernimmt eine ähnliche Filterfunktion wie das Sonderdeliktsmerkmal des bei dem Unternehmen Beschäftigten. Es scheidet diejenigen Informanten aus dem Tatbestand aus, die im Zeitpunkt der Datenweitergabe nicht mehr bei dem betroffenen Unternehmen beschäftigt sind.514 Daher ist festzustellen, dass eine Handlung während des Dienstverhältnisses und damit eine Strafbarkeit nach § 17 I UWG je nach Sachverhalt in manchen Fällen in Betracht kommt und in anderen nicht. In den Fällen, in denen es an einer Handlung während des Dienstverhältnisses fehlt, ist aber bereits das oben erörterte Merkmal des Täterkreises zu verneinen, so dass an dieser Stelle keine zusätzliche Differenzierung bewirkt wird. 510 Vgl. das Beispiel bei Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 107. 511 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 110. 512 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 22, 50; Brammsen, in: Unternehmen, 69 (80); Wittig, WStR, § 33, Rn. 48, 64. 513 HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 10; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 20. 514 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 111.
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f) Unbefugtheit Das Mitteilen muss unbefugt gewesen sein. Umstritten ist, ob darunter nur der Hinweis auf das allgemeine Deliktsmerkmal der Rechtswidrigkeit zu verstehen ist515 oder ob es sich um ein Tatbestandsmerkmal516 handelt. Im Einklang mit der obigen Betrachtung im Rahmen von § 17 II Nr. 1 wird hier von einem Rechtfertigungsmerkmal ausgegangen. Daher kann grundsätzlich auf die späteren Ausführungen zur Rechtswidrigkeit verwiesen werden. Jenseits der später thematisierten allgemeinen Rechtfertigungsgründe wird bezogen auf die Informationsübermittlungen nach § 17 UWG die Unbefugtheit verneint, wenn der Empfänger der Daten einen zivilrechtlichen Anspruch auf die Überlassung des Geheimnisses hat.517 In diesen Fällen wird argumentiert, dass allein die Anwendung rechtswidriger Methoden für eine Bestrafung aus § 17 UWG nicht ausreichend sei. Schließlich bestünde weder ein Vermögensschaden noch habe der vermeintliche Täter einen aus wettbewerbsrechtlicher Perspektive illegalen Vorteil erlangt.518 Nach teilweise vertretener Ansicht519 entfällt die Unbefugtheit nicht nur für den Anspruchsinhaber, sondern auch für denjenigen, der den Anspruch erfüllt. In den Steuerdatenfällen besteht jedoch ein staatlicher Anspruch auf Überlassung der Daten allenfalls gegenüber den Bankkunden, nicht jedoch gegenüber der Bank, so dass eine Parallele zu diesen Erwägungen nicht zu einer Rechtfertigung des Bankmitarbeiters führen kann. g) Teleologische Reduktion des Tatbestands? In Anbetracht des Regelungsgegenstands des UWG und des mitgeschützten Kollektivrechtsguts, das heißt des Wettbewerbs, könnte eine teleologische Reduktion des Tatbestands angebracht sein. Schließlich handelt es sich bei den beteiligten Staaten nicht um Wettbewerber der Bank- oder Treuhandunternehmen. Daher wird teilweise erwogen, dass die Staaten geradezu eine Gewähr dafür böten, dass die relevanten Geheimnisse eben nicht in den Wettbewerb gelängen, die Gefahr für das Rechtsgut folglich sogar gemindert würde: Dazu müsste man 515 HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 15; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 30; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 515; Otto, wistra 1988, 125 (127); Wawrzinek, Verrat, 169f.; Wittig, WStR, § 33, Rn. 52. 516 MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 52f.; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (358) möchte es der Rechtsanwendung überlassen, ob im konkreten Fall Tatbestand, Rechtswidrigkeit oder Schuld entfallen, was allerdings meines Erachtens höchst merkwürdig damit begründet wird, dass »unbefugt« in jedem Tatbestand gleich ausgelegt werden müsse. 517 BayObLG, GRUR 1988, 634; Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 29; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 63; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 92f.; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 22; Kiethe/Hohmann, NStZ 2006, 185 (190). 518 GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 92. 519 Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 63; a. A. Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 29; GK-UWG/ Wolters, § 17, Rn. 93; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 22.
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den Staat quasi als neutrale Instanz verstehen, durch dessen Eingreifen die Daten dem Zugriff der Marktteilnehmer entzogen werden.520 In diesen Zusammenhang passt, dass auch jenseits der Diskussion um entwendete Steuerdaten teilweise für eine Ablehnung von § 17 UWG plädiert wird, wenn keine Einflüsse auf die Wettbewerbsfähigkeit feststellbar sind beziehungsweise das Verhalten nicht zu einer Kenntniserlangung durch Mitbewerber führt.521 Die Frage einer teleologischen Reduktion wird in der Diskussion der Steuerdatenfälle häufig bei einer Strafbarkeit der Amtsträger verortet,522 ist meines Erachtens aber auch auf die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters zu beziehen.523 Schließlich betrifft sie insgesamt die Besonderheiten der Interaktion zwischen dem Bankmitarbeiter und den staatlichen Stellen. aa) Meinungsstand Für eine teleologische Reduktion des § 17 UWG wird der Standort der Strafnorm angeführt: Aus der Regelung im UWG folge, dass ein Handeln nur dann in den Schutzbereich der Norm falle, wenn es Wettbewerbszwecke verfolge.524 Eine andere Bewertung führe zu einer uferlosen Ausweitung des § 17 UWG, die in einem Rechtsstaat schwer hinzunehmen sei.525 Mithin sei § 17 UWG mangels Wettbewerbsverzerrung teleologisch zu reduzieren.526 Dem wird aber zumindest in Fällen medienwirksamer Affären entgegengehalten, dass die dabei unvermeidbare und teilweise auch vom Staat bewusst herbeigeführte Öffentlichkeit zu einer Verbreitung des Geheimnisses und damit unter anderem durch Rufschädigungen zu einer Berührung des Wettbewerbs führe.527 Auf Grund des Charakters des § 17 UWG als abstraktes Gefährdungsdelikt sei diese Berührung alleine ausreichend.528 Zur Begründung des Wettbewerbsbezugs sei zudem auf den Ansehensverlust gerade auch bei »ehrlichen Kunden« abzustellen.529 Weiterhin zeigten die besonderen subjektiven Merk-
520 In diese Richtung Kaiser, NStZ 2011, 383 (388) im Kontext einer notwendigen Teilnahme der Staatsvertreter; tendenziell auch Paeffgen, BRJ 2010, 12 (14); die Überlegung ablehnend hingegen Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094). 521 So F. Koch, RDV 1996, 123 (129). 522 So Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441). 523 Wie hier z. B. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 90ff., Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21). 524 Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441); Wohlers, JZ 2011, 252 (254). 525 Wohlers, JZ 2011, 252 (254). 526 Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (786, 790). 527 Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094); Ignor/Jahn, JuS, 2010, 390 (391); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 93. 528 Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094). 529 Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324).
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male des § 17 UWG, dass eine wettbewerbsorientierte Motivation gerade keine zwingende Voraussetzung sei.530 bb) Bewertung und eigener Ansatz Das primäre Abstellen auf die Öffentlichkeitswirkung und den Ansehensverlust zur Begründung des Wettbewerbsbezugs531 stellt auf den ersten Blick ein nachvollziehbares Argument dar. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass eine derartige Argumentation das Problem zu sehr vereinfacht. Die Öffentlichkeitswirkungen beruhen nicht auf der Verbreitung des Geheimnisses, sondern auf der Verbreitung des Umstands, dass von einem Geheimnis Kenntnis erlangt worden ist532. Selbst in den wenigen Fällen, bei denen die Öffentlichkeit wie im Fall von Klaus Zumwinkel erfährt, wer von den Daten betroffen ist, erlangt sie keine Kenntnis vom restlichen Inhalt der Datensätze. Details der Daten wie Vermögenshöhe und konkrete Anlageformen beziehungsweise die genauen Geschäftspraktiken der Bank, also gerade das, was der wesentliche Teil des Geheimnisses ist, erfahren unmittelbar nur die mit der Bearbeitung betrauten und zur Verschwiegenheit verpflichteten Amtsträger. Die Öffentlichkeit erfährt davon, abgesehen von spekulativen Medienberichten mit begrenzter Zuverlässigkeit, allenfalls, sofern die genannten Aspekte Gegenstand eines – öffentlichen – Strafverfahrens werden, was in den Steuerdatenfällen vergleichsweise selten geschehen ist. Der Geheimnisinhalt gelangt durch die staatliche Informationsgewinnung auch nicht an die Konkurrenz. Daher kann zumindest nicht behauptet werden, dass die staatliche Kenntniserlangung zu direkten wettbewerbsrelevanten Folgen führt, da es sich bei den über die Medienresonanz vermittelten Auswirkungen vielmehr um bloße Begleiterscheinungen handelt. Zumindest bedürfte es einer näheren Begründung, wenn man solche Folgen genügen lassen wollte. Wenn die Presse bei den üblichen Konstellationen des § 17 UWG, beispielsweise bei einem Verrat einer Erfindung an die Konkurrenz von den Geschehnissen erfährt und berichtet, begründet man die Wettbewerbsrelevanz des Verrats auch nicht mit den Imageschäden für das betroffene Unternehmen, sondern mit den Nachteilen, die daraus entstehen, dass das Unternehmen die Kenntnisse nicht mehr exklusiv nutzen kann. Dies ist auch gerechtfertigt, wie ein Blick auf den Tatbestand zeigt. Auf die Folgen, die aus der Verbreitung des Umstands der Kenntniserlangung und nicht aus der 530 Stahl/Demuth, DStR 2008, 600. 531 So vorgenommen von Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); hingegen sehen Ignor/Jahn, JuS, 2010, 390 (391) in der Öffentlichkeitswirkung nur einen von mehreren Faktoren. 532 Vgl. dazu Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 169, der sich im Rahmen des Insiderhandels gegen die Berücksichtigung von Folgen, die wie der Imageverlust lediglich aus dem Bekanntwerden geheimnisverletzender Taten resultieren, ausspricht.
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Verbreitung des Geheimnisinhalts herrühren, kann entgegen Heine meiner Meinung nach nicht ohne weiteres abgestellt werden, da Tatbestandsmerkmal das Geheimnis ist und § 17 UWG vor dessen Verbreitung schützen soll. Zudem könnte das Abstellen auf die Öffentlichkeitswirkungen zur Folge haben, dass der Tatbestand teleologisch reduziert würde, wenn die Öffentlichkeit bei Interaktion mit staatlichen Stellen nicht über den Sachverhalt berichten würde.533 Die fehlende Berichterstattung mag praktisch unwahrscheinlich sein, strafrechtsdogmatisch ist jedoch durchaus von Bedeutung, dass bei einer auf die Öffentlichkeitswirkung abstellenden Argumentation die Entscheidung über die Strafbarkeit in den Händen von Dritten, die am eigentlichen Tatgeschehen völlig unbeteiligt sind, läge. Andererseits könnte man erwägen, dass die abstrakte Gefahr einer öffentlichen Berichterstattung stets anzunehmen sei. Jedenfalls zeigen die angesprochenen Schwierigkeiten, die eine nur auf die Öffentlichkeitswirkungen konzentrierte Argumentation aufwerfen würde, dass eine mögliche teleologische Reduktion nicht allein mit Verweis auf die Öffentlichkeitswirkungen abgelehnt werden sollte. Auch kann die Irrelevanz des Wettbewerbs entgegen Stahl/Demuth534 schwerlich auf die drei besonderen subjektiven Merkmale, die das Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs flankieren, gestützt werden. An diesen Merkmalen wird lediglich deutlich, dass die Motivation des Täters nicht auf den Wettbewerb zurückzuführen sein muss.535 Welche Bedeutung der Wettbewerb für den objektiven Tatbestand hat, folgt daraus nicht. Auf der anderen Seite fehlt es zumindest auf den ersten Blick an stichhaltigen Argumenten für eine teleologische Reduktion. Sie kann entgegen anderer Ansicht536 nicht damit begründet werden, dass eine uferlose Ausweitung der Norm 533 So wohl angenommen von Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094), der in Fällen mit staatlichem Bezug »im Allgemeinen« eine Reduktion annimmt und diese nur bei Öffentlichkeitswirkungen verneint. 534 Stahl/Demuth, DStR 2008, 600. 535 Wenn die Gesetzesmaterialien, darauf hinweisen, dass durch die Einführung des Handelns zu Gunsten Dritter auch der Täter erfasst werden soll, der aus ideologischen Gründen fremde Staaten begünstigt, BT-Drucks. 8/2145, 28; 9/1707, 30; 10/5058, 40, dazu Erbs/ Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 31; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 43; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 99, 115, 125; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 2, 33; Wawrzinek, Verrat, 61, 192, 244, dann bezieht sich diese Argumentation zum einen gerade auf die subjektive Einstellung, zum anderen sind damit primär Fälle von fremden Staaten gemeint, die in deutschen Unternehmen Wirtschaftsspionage betreiben lassen, so dass daraus schwerlich Rückschlüsse für die Datensammlung zu genuin staatlichen Zwecken wie Steuererhebung und Strafverfolgung gezogen werden können. 536 Wohlers, JZ 2011, 252 (254), bei dem allerdings unklar bleibt, ob sich das von ihm verlangte Handeln »zu Zwecken des Wettbewerbs« auf das entsprechende subjektive Merkmal bezieht oder eine Anwendungsvoraussetzung der Norm sein soll. Für Letzteres spricht der Umstand, dass ein Handeln zu Wettbewerbszwecken unabhängig von dem nicht erörterten Vorliegen der anderen subjektiven Merkmale verlangt wird; vgl. auch Stratenwerth/Woh-
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dem Rechtsstaat widerspreche. Damit wird das gewünschte Ergebnis zu seiner Begründung herangezogen: Ob es sich bei einer Anwendung des § 17 UWG auf derartige Fälle um eine uferlose Ausweitung handelt, muss gerade durch die Betrachtung der Zusammenhänge erst ermittelt werden. Wenn die Grundsätze des § 17 UWG ergeben, dass auch Interaktionen mit staatlichen Stellen erfasst sind, liegt keine uferlose Ausweitung vor. Dann kann auch von keiner Rechtsstaatsgefährdung gesprochen werden. Daher wird im Folgenden näher auf die Besonderheiten der Steuerdatenfälle eingegangen, um herauszufinden, ob die Anwendung des § 17 UWG auf die Steuerdatenfälle mit seinem Sinn und Zweck harmoniert. Dabei wird insbesondere zu klären sein, ob ein Wettbewerbsbezug und eine geschäftliche Handlung erforderlich sind und wie sie gegebenenfalls beschaffen sein müssen. (1) Besonderheit 1: Erfordernis von UWG-Spezifika? Der Regelungsstandort des § 17 UWG im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb könnte dafür sprechen, in die Strafnorm das Erfordernis einer geschäftlichen Handlung und ein Handeln mit objektiver Wettbewerbsrelevanz sowie die Voraussetzung der Unlauterkeit hineinzulesen. Die Mitteilung gegenüber den staatlichen Stellen beziehungsweise die Datennutzung durch die Amtsträger wirkt zumindest auf den ersten Blick nicht wie eine geschäftliche Handlung im Sinne des § 2 I Nr. 1 UWG. Dieser Punkt verdient deshalb besondere Beachtung, da gemäß § 1 UWG das UWG gerade vor unlauteren geschäftlichen Handlungen schützen soll, so dass das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung als Anwendungsvoraussetzung537 für das gesamte UWG gesehen werden könnte. In engem Zusammenhang mit der Problematik der geschäftlichen Handlung steht die Frage, ob die Tathandlung der potentiellen Täter des § 17 UWG zumindest objektiv einen Bezug zum Wettbewerb haben muss und ob gegebenenfalls in den Steuerdatenfällen ein solcher Bezug festgestellt werden kann. Daher werden der Begriff der geschäftlichen Handlung und die Auswirkungen auf den Wettbewerb näher untersucht, ehe erörtert wird, ob sich aus dem UWGKriterium der Unlauterkeit (§§ 3ff. UWG) Auswirkungen auf die besondere Situation der Steuerdatenfälle ergeben. Gegner einer teleologischen Reduktion in den Steuerdatenfällen verweisen darauf, dass der Begriff der geschäftlichen Handlung von der Rechtsprechung lers, ZStrR 2010, 429 (441), die für eine Strafbarkeit ebenfalls ein Handeln zu Wettbewerbszwecken verlangen. 537 So wohl Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118) gerade bezogen auf die Steuerdatenfälle; allgemein für das Lauterkeitsrecht Piper/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 7, ohne jedoch besonders auf die Strafnormen einzugehen; a. A. hingegen in den Steuerdatenfällen Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324) ohne Begründung.
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ohnehin sehr weit ausgedehnt werde.538 Die durch § 17 UWG geschützten Unternehmensinteressen seien gerade auch bei staatlichem Handeln betroffen, da Rufschädigungen und ein Kundenverlust zu erwarten seien.539 Die Berührung dieser Interessen allein kann meines Erachtens kein Argument sein, da damit die geschäftliche Handlung als mögliches Kriterium nicht hinreichend gewürdigt wird. Daher muss geklärt werden, ob Interaktionen mit staatlichen Stellen unter den Begriff der geschäftlichen Handlung fallen540 oder ob eine geschäftliche Handlung für § 17 UWG überhaupt nicht erforderlich ist. Somit sind die zum Begriff der geschäftlichen Handlung entwickelten Kriterien zu betrachten und auf die Steuerdatenfälle anzuwenden. Staatliches Handeln kann in gewissen Konstellationen anerkanntermaßen eine geschäftliche Handlung darstellen.541 Für das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung in den Steuerdatenfällen könnte der Umstand sprechen, dass es sich bei dem Datenerwerb nicht um hoheitliches Handeln, sondern um eine zivilrechtliche Betätigung handelt.542 Anerkannt ist jedoch auch, dass für den Einzelfall geprüft werden muss, ob die Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht nur eine Begleiterscheinung des staatlichen Handelns sind, da dann in der Verfolgung öffentlicher Zwecke keine geschäftliche Handlung zu sehen ist.543 Die Förderung eines bestimmten Unternehmens muss dabei für die Bejahung einer geschäftlichen Handlung zumindest Zwischenziel sein.544 Auswirkungen auf den Wettbewerb, die lediglich ein Reflex des Handelns sind, führen gerade nicht zu geschäftlichen Handlungen.545 Bei den Steuerdatenfällen stellen die Auswirkungen auf andere Unternehmen aus staatlicher Perspektive gesehen nur eine Begleiterscheinung dar : Positive Auswirkungen auf die Konkurrenten der von dem Datenverlust betroffenen Unternehmen sind den staatlichen Stellen zumindest gleichgültig, bezogen auf andere ausländische Institute wahrscheinlich sogar unwillkommen, da es ihnen am liebsten wäre, überhaupt keine Bank würde mehr ausländische Anlagemöglichkeiten mit »Verschleierungsvorteilen« bieten und auch willkommenere Auswirkungen auf inländische Banken, dürften aus staatlicher Sicht nicht mehr als eine reflexartige Folge sein. Daher muss das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung für das staatliche Handeln verneint werden. 538 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118). 539 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324). 540 Ablehnend Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324) für das Handeln der Amtsträger. 541 Dazu BGH (ZR), GRUR 2006, 428f.; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 3a, Rn. 2.17ff. 542 Zur Einordnung des Vorgangs nach zivilrechtlichen Maßstäben in anderem Zusammenhang Kühne, GA 2010, 275 (283); Roth, Stbg 2013, 29 (30); Spernath, NStZ 2010, 307ff. 543 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 3a, Rn. 2.17, 2.22f. 544 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 3a, Rn. 2.23. 545 Piper/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 36.
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Soweit die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters betroffen ist, stellt sich die Frage, ob das Handeln des Informanten eine geschäftliche Handlung ist. Auch dies dürfte zu verneinen sein. Der Informant handelt nicht zu Gunsten seines eigenen Unternehmens, da das Verkaufen von Datensammlungen, selbst wenn es wie in einigen Fällen an verschiedene Staaten geschieht, also wiederholt, noch nicht zum Vorliegen eines Unternehmens führt. Schließlich fehlt insbesondere die geforderte546 Dauer, für deren Bejahung gelegentliche Akte gerade nicht ausreichen. Vielmehr stellt sich das Verhalten des Informanten als reiner Privatverkauf im eigenen Interesse dar, der vom Begriff der geschäftlichen Handlung gerade nicht erfasst wird547. Zwar reicht, wie bereits hinsichtlich der staatlichen Stelle dargestellt, auch ein Handeln ohne eigene unternehmerische Qualität aus, wenn dadurch ein fremdes Unternehmen gefördert wird,548 zu beachten bleibt aber immer, dass bloße reflexartige Folgen keine Förderung sind.549 Kennzeichen der bisherigen Steuerdatenfälle ist schließlich gerade der Umstand, dass die Bankmitarbeiter von sich aus tätig werden und sich dann mit staatlichen Stellen in Verbindung setzen und nicht etwa, dass sie gezielt für ein Konkurrenzunternehmen spionieren. Eine Förderung fremder Unternehmen kommt somit gerade nicht in Betracht. Folglich lassen sich weder das Verhalten der Amtsträger noch das Handeln des Bankmitarbeiters550 unter den Begriff der geschäftlichen Handlung subsumieren. Mithin liegt die entscheidende Frage darin, ob das Erfordernis einer geschäftlichen Handlung auch für § 17 UWG gilt. Diese Frage wird in der Literatur kaum näher diskutiert551 und soll daher hier näher betrachtet werden. Der Gesetzgeber hat für die Wettbewerbshandlung als Vorgängermerkmal der geschäftlichen Handlung zwar klargestellt, dass das Vorliegen einer Wettbewerbshandlung geprüft werden muss, bevor über die Unlauterkeit entschieden wird.552 Im Rahmen von § 17 UWG ist aber nicht über die zivilrechtliche Frage
546 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 2, Rn. 21, 23. 547 Zur fehlenden Erfassung privater Verkäufe Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 2, Rn. 18. 548 Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 2, Rn. 18; hingegen einschränkend nur unter der Bedingung, dass gerade das geförderte Unternehmen den Handelnden mit seiner Interessenwahrnehmung betraut hat, Piper/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 2.31. 549 Piper/Sosnitza, UWG, § 2, Rn. 36. 550 A.A. Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118), der ohne sich näher mit den Kriterien der geschäftlichen Handlung auseinanderzusetzen, auf die Wettbewerbsrelevanz abstellt, um die geschäftliche Handlung zu bejahen. 551 Erwägungen finden sich lediglich bei Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 299ff., insbes. 304, 308f. für das Handeln im geschäftlichen Verkehr ; ders., FS Tiedemann, 1141 (1161) für das Vorgängerkriterium der Wettbewerbshandlung, wobei Aldoney im Ergebnis wie hier in der geschäftlichen Handlung keine Anwendungsvoraussetzung sieht. 552 BT-Drucks. 15/1487, 16.
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der Unlauterkeit553 zu entscheiden, sondern die Strafbarkeit zu prüfen. Dort existiert die eigene strafrechtliche Kategorie der Rechtswidrigkeit, so dass die Unlauterkeit nicht entscheidend ist. Mithin erscheint es durchaus plausibel für die strafrechtliche Bewertung eigene Maßstäbe anzulegen und auf das Merkmal der geschäftlichen Handlung zu verzichten. Was das fehlende Erfordernis einer geschäftlichen Handlung betrifft, so sprechen auch zivilrechtliche Grundsätze gegen ein solches Erfordernis. Im Wettbewerbsrecht ist bezogen auf Ersatzansprüche anerkannt, dass bei Vorliegen einer geschäftlichen Handlung (oder nach altem Recht bei einer Wettbewerbshandlung554) § 3 UWG als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, während in sonstigen Fällen auf § 823 II BGB i. V. m. § 17 UWG zurückgegriffen werden kann.555 Daraus folgt aber gerade, dass § 17 UWG die geschäftliche Handlung nicht voraussetzt. Diese Annahme wird dadurch unterstützt, dass die Strafnorm des § 16 II UWG556 explizit verlangt, dass die Tathandlung ein Handeln im geschäftlichen Verkehr darstellt, wobei das Handeln im geschäftlichen Verkehr das bis 2004 geltende Vorvorgängermerkmal der geschäftlichen Handlung ist. An einer solchen expliziten Anordnung fehlt es aber gerade im Rahmen von § 17 UWG. Von dem fehlenden Erfordernis einer geschäftlichen Handlung im Rahmen von § 17 UWG auszugehen, ist auch kein Novum, das nur dazu dienen könnte, eine auf die Steuerdatenfälle passende Norm zu finden. Ein derartiges Vorgehen entspricht vielmehr der Handhabung der stark diskutierten Fälle des Leerspielens von Glücksspielautomaten. Auch dort sind Normen des § 17 UWG bejaht worden in Fällen, bei denen Privatleute Geldautomaten von Spielhallenbetreibern ausgetrickst haben.557 Hier liegt durch die tricksenden Spieler als in Betracht kommende Täter ebenfalls keine geschäftliche Handlung vor, da ähnlich wie beim Bankmitarbeiter weder ein eigenes Unternehmen besteht noch fremde Unternehmen anders als nur reflexartig gefördert werden. Auch hat die Kenntniserlangung von dem Geheimnis keine direkten Auswirkungen auf die Konkurrenz. Der Wettbewerb wird lediglich mittelbar beeinträchtigt, indem die 553 Zum Verhältnis zwischen Unlauterkeit und den Strafnormen des § 17 UWG vgl. Piper/Ohly, § 17, Rn. 44ff., woraus hervorgeht, dass die Unlauterkeit bei § 17 UWG unterfallenden Handlungen zwar vorliegen kann, aber nur für wettbewerbsrechtliche Ansprüche bedeutsam ist; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 309ff. 554 Zur Begriffsentwicklung G/J/W/Hammer, UWG, Vorbemerkung, Rn. 2. 555 Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 43; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 52f.; HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 36. 556 Vgl. auch § 18 UWG, dessen Anwendung explizit auf Tatobjekte, die im geschäftlichen Verkehr überlassen worden sind, beschränkt ist. 557 Zur Anwendung von § 17 UWG in den Glücksspielautomatenfällen OLG Celle, NStZ 1989, 367 (368); Etter, CR 1988, 1021 (1024ff.); Schlüchter, NStZ 1988, 53 (55f., 59f.); Westpfahl, CR 1987, 515 (517f.).
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geschädigten Spielhallenbetreiber auf Grund ihres Schadens in ihrer Wettbewerbsposition geschwächt werden. Eine ähnliche mittelbare Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsposition liegt auch für die Banken durch die entwendeten Steuerdaten und den dadurch zu erwartenden Abzug von Kundengeldern vor. Folglich kann für die hier interessierenden Steuerdatenfälle zweierlei festgehalten werden: Erstens ist eine geschäftliche Handlung keine Voraussetzung für die Anwendung von § 17 UWG. Zweitens verlangt der Regelungsstandort im UWG keine direkte Wettbewerbsberührung. Mittelbare Auswirkungen auf den Wettbewerb bestehen hingegen auch in den Steuerdatenfällen.558 Dafür sollte jedoch auf Grund der oben dargestellten Kritikpunkte nicht primär auf die Schäden durch Öffentlichkeitswirkungen abgestellt werden, zumal diese vielmehr bloße Begleiterscheinungen als mittelbare Schäden sind. Die mittelbare Schädigung der Bankunternehmen lässt sich jedoch anders begründen: Allein die Überführung der Kunden,559 die vom Datenverlust betroffen sind und denen ein strafrechtlich relevanter Vorwurf zu machen ist, reicht für eine Schädigung der Bank und damit für eine mittelbare Wettbewerbsbeeinträchtigung, da diese Kunden ihr Vermögen vermutlich von der Bank abziehen werden, wenn nach zu erwartenden Steuernachzahlungen und Strafen überhaupt noch etwas von dem Vermögen übrig ist. Bei der Entdeckung und Überführung der Kunden handelt es sich im Gegensatz zur Öffentlichkeitswirkung um Folgen, die aus der Übermittlung und Verarbeitung des Geheimnisinhalts entstehen. Folglich kann gegen die Anwendung von § 17 UWG nicht angeführt werden, die Interaktionen mit dem Staat hätten überhaupt keinen Wettbewerbsbezug.560 Festgehalten werden kann daher, dass eine teleologische Reduktion in den Steuerdatenfällen entgegen anderer Ansicht561 nicht auf eine fehlende Wettbewerbsrelevanz gestützt werden kann, während das Fehlen der für das UWG charakteristischen geschäftlichen Handlung, wie dargelegt, für die Strafnorm des § 17 UWG ohne Bedeutung ist. Sonn562 sieht den für eine mögliche Begrenzung des Schutzbereichs entscheidenden Aspekt in der Frage der Unlauterkeit des Handelns. Auf Grund der geschäftlichen Praxis, nach der eigenmächtige Informationsweitergaben durch 558 So im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 93, der dafür aber primär auf die Öffentlichkeitswirkungen abstellt und keinen Bezug zu dem Merkmal der geschäftlichen Handlung herstellt. 559 Vgl. Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391), die den Wettbewerbsbezug neben der Öffentlichkeitswirkung mit einem Abstellen auf den Kundenstamm, das heißt nicht nur mit Blick auf die betroffenen Kunden, begründen. 560 So im Ergebnis auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391) und Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324), allerdings mit anderer Begründung. 561 Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (786, 790). 562 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 90ff.
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Angestellte untersagt seien, sei trotz der Interaktion mit staatlichen Stellen von unlauterem Handeln auszugehen. Daher sei der Schutzzweck des § 17 UWG auch in den Steuerdatenfällen einschlägig. Eine solche Argumentation verkennt jedoch, dass, wie bereits dargestellt, die Unlauterkeit nur für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung entscheidend ist, für die Straftatbestände des UWG aber gerade keine Voraussetzung ist. Abschließend kann festgehalten werden, dass in den Steuerdatenfällen ein ausreichender mittelbarer Wettbewerbsbezug durch die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die betroffene Bank vorliegt, während die UWG-Spezifika der geschäftlichen Handlung und der Unlauterkeit für § 17 UWG auch jenseits der Steuerdatenfälle nicht entscheidend sind, so dass es darauf bei der Interaktion mit staatlichen Stellen nicht ankommt. (2) Besonderheit 2: Staaten statt Konkurrenten Die zweite Besonderheit ist im Rahmen der UWG-Spezifika bereits angeklungen und liegt darin, dass hier mit Staaten zusammengearbeitet wird, so dass das sonst für § 17 UWG typische Zusammenspiel mit Konkurrenten fehlt. Zudem könnten sich Auswirkungen auf die Norm ergeben, die gerade in der Rolle des Staats als Hoheitsträger wurzeln.563 Diese Besonderheit kann nicht einfach damit negiert werden, dass man argumentiert,564 der Staat bekäme im Fall einer teleologischen Reduktion eine Sonderstellung, obwohl er ohnehin zahlreiche legale Methoden zur Verfolgung von Straftaten habe. Dabei wird nicht danach gefragt, ob der Tatbestand eine Einschränkung verlangt, sondern ob man eine Einschränkung für wünschenswert erachtet. Gleiches gilt für die Argumentation, dass eine Einbeziehung auch derartiger Fälle in den Tatbestand den Vorteil hätte, dass ein umfassender Schutz vor der Weitergabe von Geheimnissen erzielt würde. Um den Geheimbereich des Unternehmens und damit das Rechtsgut bestmöglich zu schützen, sei eine weite Auslegung geboten.565 Die Argumentation ist zwar richtig, beantwortet aber nicht die entscheidende Frage. Für jedes Rechtsgut ist eine möglichst weite Auslegung besonders vorteilhaft. Deshalb darf eine Norm trotzdem nicht ihrem eigentlichen Zweck zuwider ausgelegt werden und auf sachfremde Bereiche ausgedehnt werden. Mögliche Strafbarkeitslücken alleine sind kein überzeugendes Argument. Stattdessen sollte ermittelt werden, ob es in der Dogmatik des § 17 UWG bereits Grundsätze für die Bewertung des Verhaltens von Amtsträgern gibt. 563 Vgl. dazu Kaiser, NStZ 2011, 383 (388) im Kontext einer möglichen notwendigen Teilnahme. 564 So Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8. 565 So Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21); vgl. auch Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 2 allgemein bezogen auf Reduktionsbemühungen.
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In der wissenschaftlichen Erörterung von § 17 UWG ist zwar mitunter ein Plädoyer für eine Verengung auf Wettbewerbszwecke anzutreffen.566 So wird gefordert, entweder Wettbewerbszwecke in alle Absichtsmerkmale zu interpretieren oder § 17 UWG in das StGB zu integrieren, da es mit § 1 UWG unvereinbar sei, wenn § 17 UWG auch jenseits von Wettbewerbsfällen eingriffe. Ein derart weites Verständnis von § 17 UWG könne von der Bevölkerung nicht verstanden werden, was sowohl die general- als auch die spezialpräventive Funktion des Strafrechts gefährde.567 Doch wird selbst von den Vertretern solcher Restriktionsbemühungen eingeräumt, dass eine solche Verengung auf dem Boden der gegenwärtigen Normfassung schwer zu realisieren ist.568 Zudem ist bereits weit vor der Diskussion um entwendete Steuerdaten herausgestellt worden, dass eine wettbewerbsrelevante Schädigung eines Unternehmens auch im Verhalten eines Amtsträgers und damit eines Nicht-Konkurrenten liegen könne, so dass das UWG als Regelungsort kein Hindernis für die Erfassung strafbaren Verhaltens ohne Konkurrenzbezug sei.569 Auch hat der BGH, allerdings im Zusammenhang mit dem Begriff des Geschäftsgeheimnisses, darauf hingewiesen, dass es darauf ankomme, ob Nachteile durch die Kenntnis »Dritte[r], insbesondere Wettbewerber«570 drohten. Daraus folgt aber auch, dass Nachteile durch die Kenntnis von Nichtwettbewerbern ebenfalls von der Norm erfasst sind. Daran zeigt sich, dass sowohl staatliches Handeln als auch ein Mitteilen gegenüber dem Staat nach bisher angewandten Grundsätzen dem Schutzbereich des UWG entspricht. Mithin kann der gelegentlich zu hörende Vorwurf man habe § 17 UWG für die Steuerdatenfälle quasi aus dem Hut gezaubert,571 obwohl die Norm keinen Bezug zu Interaktionen mit staatlichen Stellen aufweise, nicht überzeugen. Darüber hinaus verfängt auch das Argument, die staatlichen Stellen würden die Daten isolieren und damit sogar eine Gewähr für ihren Schutz bieten,572 566 Noak, wistra 2006, 245 (247ff.); noch weiter begrenzend Wawrzinek, Verrat, 197, der zumindest de lege ferenda eine Verengung auf den Schutz vor Konkurrenzunternehmen fordert. 567 Noak, wistra 2006, 245 (247ff.); dagegen Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 41 mit Verweis auf das Geheimnis als Rechtsgut, das auch in anderen als in den wettbewerbsmotivierten Fällen betroffen sei. 568 Vgl. Noak, wistra 2006, 245 (249). 569 Vgl. 36. DJT, Bd. I/Schmidt, 101 (202) allerdings im Rahmen eines Plädoyers für die Einführung eines speziellen Amtsträgertatbestands. 570 BGH (ZR), NJW 2006, 3424 (3426). 571 In diese Richtung Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441). 572 Vgl. dazu Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094), der die Überlegung aber anschließend verwirft. Hingegen hält Kaiser, NStZ 2011, 383 (388) die dargestellten Erwägungen für zutreffend, verortet sie aber beim Handeln der Staatsvertreter zur Begründung einer notwendigen Teilnahme.
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meines Erachtens nicht, da die Daten von den Amtsträgern nicht aus hehren Motiven erworben werden, um sie zum Schutz der betroffenen Unternehmen vom Markt zu nehmen, sondern gerade, um sie zu nutzen – und zwar zu Zwecken, die dem geschützten Rechtsgut und den Interessen des Unternehmens als Rechtsgutsträger zuwiderlaufen. Folglich zeigt sich, dass das Verhalten von Amtsträgern beziehungsweise ein Verhalten gegenüber Amtsträgern kein Hindernis für die Anwendung von § 17 UWG ist. (3)
Besonderheit 3: Berührung des deutschen Wettbewerbs und Motive des § 17 UWG Nachdem nun gezeigt worden ist, dass eine geschäftliche Handlung nicht erforderlich ist und ein ausreichender Wettbewerbsbezug auch in den Steuerdatenfällen zu bejahen ist, scheinen der Erfassung staatlicher Aktivitäten durch § 17 UWG keine Hindernisse mehr entgegenzustehen. Allenfalls könnte man noch argumentieren, dass die »Steuerdaten-Fälle« keinen Bezug mehr zu den Motiven des Gesetzgebers hätten und eine teleologische Reduktion deshalb geboten sei. Dafür könnten Überlegungen des Gesetzgebers zum Regelungsgegenstand des UWG sprechen. So stellt der Gesetzgeber klar, dass der Zweck des UWG in der Regelung des Marktverhaltens bestehe, während der Schutz sonstiger Allgemeininteressen nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts sei.573 Daher könnte man beispielsweise argumentieren, § 17 UWG diene nicht zum Schutz der Lauterkeit der Strafverfolgung, die man durch Steuerdatenankäufe durchaus als gefährdet ansehen kann. Doch ist in der vorangegangenen Erörterung gerade dargelegt worden, dass der staatliche Datenankauf mittelbare Auswirkungen auf den Wettbewerb zeitigt, so dass diese Argumentation nicht verfängt. Bisher ist jedoch primär die Schwächung der Wettbewerbsposition der ausländischen Banken dargelegt worden, so dass man vor dem Hintergrund des geschützten Rechtsguts die Frage nach einer Berührung des deutschen Wettbewerbs stellen könnte. Zur Beantwortung dieser Frage ist auf eine Überlegung zu verweisen, die bereits bei der Erörterung des Geheimnisbegriffs fruchtbar gemacht worden ist. Dort sind im Rahmen der Einbeziehung ausländischer Geheimnisse mögliche Auswirkungen auf den Bankenwettbewerb in Deutschland erwogen worden (dazu oben in diesem Kapitel unter A. I. 5. c) cc) (2) (b)). Die Schwächung ausländischer Geldinstitute und deren geringere Attraktivität für deutsche Kunden begünstigen574 die Wettbewerbsposition von in Deutschland ansässigen 573 BT-Drucks. 15/1487, 15f.; dazu Piper/Sosnitza, UWG, § 1, Rn. 9, 30. 574 Obwohl in diesem Fall deutsche Unternehmen begünstigt und nicht geschwächt werden, ist der deutsche Wettbewerb betroffen, da Schutzgut die Lauterkeit des Wettbewerbs und nicht der Wettbewerb im Sinne einer wirtschaftlich positiven Entwicklung ist (vgl. § 1 S. 2 UWG; Piper/Sosnitza, UWG, § 1, Rn. 9).
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Banken.575 Für die Berücksichtigung der Auswirkungen, die die Schwächung von im Ausland agierenden Banken auf deutsche Banken zeitigt, spricht auch der Umstand, dass ein Wettbewerbsverhältnis im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Ansprüche selbst dann angenommen wird, wenn zwei Marktteilnehmer unterschiedliche nationale Absatzmärkte haben, solange sie nur einen potentiell gleichen Abnehmerkreis haben576. Ein solcher potentiell gleicher Kundenkreis besteht auch zwischen deutschen Banken und Banken, die auf einem ausländischen Markt agieren. Demnach führt die Interaktion zwischen dem Bankmitarbeiter und den staatlichen Stellen zumindest zu abstrakten Auswirkungen auf die Lauterkeit des deutschen Wettbewerbs. Konkrete, im Einzelfall feststellbare Auswirkungen auf den deutschen Wettbewerb sind auf Grund der bereits dargestellten Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt gerade nicht erforderlich.577 Folglich steht weder die von dem Gesetzgeber hervorgehobene Begrenzung auf die Regelung des Marktverhaltens noch der Schutz des Kollektivrechtsguts der Anwendung von § 17 UWG auf die Steuerdatenfälle entgegen. Dass § 17 UWG nicht nur für die Steuerdatenfälle »zurechtgeschnitzt« worden ist, sondern diese Fälle auf Grund seiner allgemeinen Dogmatik bereits erfasst, zeigt sich meines Erachtens besonders, wenn man die hinter § 17 UWG stehenden Erwägungen betrachtet: Für die Erforderlichkeit des Strafrechtsschutzes im Bereich der Geschäftsund Betriebsgeheimnisse wird zum einen auf die Abschreckungswirkung abgestellt, zum anderen wird betont, dass der zivilrechtliche Schutz zur Kompensation nicht ausreichend sei und zu spät eingriffe.578 Genau diese Erwägungen passen auf die Fälle entwendeter Steuerdaten. Dass Datenankäufe Konjunktur haben und inzwischen zumindest teilweise als legitimes politisches Mittel betrachtet werden, zeigt, dass die Schutzbedürftigkeit dieser Geschäftsgeheimnisse nicht nur gegenüber den Konkurrenten, sondern ebenfalls gegenüber staatlichem Verhalten besteht. An der staatlichen Praxis des Datenankaufs dürfte sich allenfalls dann etwas ändern, wenn dieses Verhalten strafrechtlich 575 Vgl. in diesem Zusammenhang Walter-Borjans, Handelsblatt Nr. 164/2012, 16, der die Notwendigkeit von CD-Ankäufen auch damit rechtfertigt, dass die Praktiken der ausländischen Banken eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der deutschen Banken darstellten. 576 Zu der entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Beurteilung OLG Frankfurt a.M. (ZR), NJW 1996, 264f. Der dort entschiedene Sachverhalt unterscheidet sich zwar von den Steuerdatenfällen zum einen dadurch, dass er keine unzulässige Beeinträchtigung durch einen Dritten, sondern durch einen Mitbewerber zum Gegenstand hat, und zum anderen dadurch, dass der gleiche Abnehmerkeis mit einer möglichen Ausweitung des Absatzgebiets begründet worden ist, dürfte aber in seiner Kernaussage, nach der ein Wettbewerbsverhältnis auch zwischen Akteuren auf unterschiedlichen nationalen Märkten besteht, durchaus für die hier erörterte Problematik herangezogen werden können. 577 So im Ergebnis auch Heine, FS Roxin 80, 1087 (1094), der zur Begründung jedoch primär auf die Folgen der bewusst herbeigeführten Öffentlichkeit abstellt. 578 Föbus, Insuffizienz, 34.
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sanktioniert würde. Insofern besteht gerade das betonte präventive Bedürfnis in Gestalt eines Abschreckungseffekts.579 Die Steuerdatenfälle passen mithin zu den Erwägungen, deretwegen § 17 UWG eingeführt worden ist. Sie weisen zudem den erforderlichen Bezug zu dem deutschen Wettbewerb auf. (4) Ergebnis für die teleologische Reduktion Abschließend kann man festhalten, dass die Konzeption und der Zweck des § 17 UWG einer Anwendung der Norm in den Steuerdatenfällen nicht entgegenstehen: § 17 UWG ist auch auf ein Handeln von und gegenüber Amtsträgern anwendbar. Das staatliche Vorgehen ist zwar ebenso wie das Handeln des Bankmitarbeiters nicht als geschäftliche Handlung zu qualifizieren. Eine solche ist für § 17 UWG jedoch nicht erforderlich. Der Vergleich mit anderen Konstellationen hat gezeigt, dass es für den Wettbewerbsbezug ausreichend ist, wenn das Täterhandeln mittelbar zu einer Schwächung der Wettbewerbsposition des betroffenen Unternehmens führt. Eine solche Schwächung ist durch den Abzug des Vermögens der überführten Kunden gegeben. Zudem steht eine Erfassung der Steuerdatenfälle im Einklang mit den Motiven des § 17 UWG. Daher ist eine teleologische Reduktion abzulehnen. h) Besondere subjektive Merkmale Auch Absatz 1 setzt die für § 17 UWG charakteristischen subjektiven Merkmale voraus. aa) Handeln aus Eigennutz In Betracht kommt ein Handeln aus Eigennutz bezogen auf die erwartete Gegenleistung.580 Eigennutz wird in den meisten Steuerdatenfällen vorliegen. Das gilt für die Datenweitergabe noch mehr als für die Datenerlangung. Schließlich dient gerade die Datenweitergabe dazu, den angestrebten Vorteil zu realisieren. Für die in Betracht kommenden Vorteile kann grundsätzlich auf das oben im Rahmen der Datenerlangung zum Eigennutz Ausgeführte verwiesen werden. Unabhängig davon, ob sich der Informant Geld, einen Schuldenerlass, eine neue Identität oder eine Strafmilderung verspricht, liegt ein unter den Begriff des Eigennutzes fallender Vorteil vor. Somit ist Eigennutz nur in Fällen rein altruistischer Motivation zu verneinen. Diese dürfte aber bei einer an eine Gegen579 Vgl. zur der auf Prävention und Abschreckung basierenden Ausrichtung der Geheimnishehlerei auch Stahl/Demuth, DStR 2008, 600. 580 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 118f.; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Trüg, StV 2011, 111 (112); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; vgl. auch Heine, ASA 2010/2011, 525 (532) und Satzger, FS Achenbach, 447 (451), die sich zwar auf § 17 II Nr. 2 UWG beziehen, aber allgemein auf den Datenverkauf abstellen.
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leistung gebundenen Weitergabe regelmäßig nicht vorliegen.581 Wenn Heinrich Kieber betont, dass es ihm nicht auf das Geld angekommen sei, sondern primär auf die Aufdeckung Organisierter Kriminalität und die gesellschaftliche Gerechtigkeit in Deutschland,582 ist dies wenig glaubhaft. Wäre das Wohl des deutschen Staats tatsächlich vorrangig für ihn gewesen, so hätte er nicht zunächst versucht, die Daten für seine eigenen Interessen in Liechtenstein einzusetzen. Zudem stellt Heinrich Kieber selbst fest,583 dass ihm seine Entlohnung auf Grund seiner Verdienste um den deutschen Staatshaushalt zustehe. Völlig nachrangig scheint der finanzielle Aspekt für ihn daher wohl nicht gewesen zu sein. Somit ist auch im Fall Heinrich Kiebers von Eigennutz auszugehen. Auch bei Fallgestaltungen, in denen der Bankmitarbeiter den Kaufpreis nach Erhalt karitativen Zwecken zuführt,584 verbleibt es bei der Annahme von Eigennutz.585 Dafür sprechen zwei Argumente: Zunächst einmal hat der Informant den Kaufpreis erst selbst erhalten. Er hat mithin einen materiellen Vorteil erlangt. Der Vorteil entfällt nicht dadurch, dass sich der Informant der Geldsumme später freiwillig entledigt hat. Die Verfügungsmacht über finanzielle Mittel ist ein Vorteil – unabhängig davon, ob sich der Informant später eine goldene Armbanduhr kauft oder Erdbebenopfer unterstützt. Zweitens ist gerade vor dem Hintergrund, dass von der herrschenden Meinung zu Recht auch immaterielle Vorteile erfasst werden, die Verfolgung selbst bestimmter sozialer Zwecke und das Einnehmen einer »Wohltäterrolle« ein ebenfalls erfasster Vorteil. Daher liegt ein Handeln aus Eigennutz vor. bb) Handeln zu Gunsten Dritter Zudem erscheint mit Blick auf die Zusammenarbeit mit diversen Staaten ein Handeln zu Gunsten Dritter möglich. Für die Grundlagen, insbesondere für das Verhältnis zum Eigennutz, kann auf das zuvor zum Eigennutz und auf das im Rahmen der Betriebsspionage zu der Eigen- und Drittnützigkeit Ausgeführte verwiesen werden. Dort ist auch ausgeführt worden, dass ein staatlicher An-
So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 118f. Kieber, Tatsachenbericht, 603, 611. Kieber, Tatsachenbericht, 610. Zu einer solchen Fallgestaltung Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (22f.); Schmid, Der Spiegel Nr. 42/2010, 26 nimmt hingegen an, die Zahlung an eine soziale Einrichtung sei direkt erfolgt, ohne dass der Informant den Kaufpreis erhalten habe. Die nachfolgenden Erwägungen dürften aber auch auf diese Konstellation zutreffen. Sähe man dies anders, müsste man ein Handeln zu Gunsten Dritter bejahen, so dass dennoch ein subjektives Merkmal vorläge. 585 Unklar Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21, 22f.), der zwar ein Handeln aus Eigennutz ohne Eingehen auf den Sonderfall bejaht, bei der Rechtfertigung aber ein Handeln zum Vorteil des Gemeinwohls berücksichtigt.
581 582 583 584
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spruch auf die Informationen oder die Steuern keinen Einfluss auf das Vorliegen eines Vorteils hat. Daher erscheint meines Erachtens die Ablehnung drittnützigen Handelns mit Blick auf die fehlende Verwerflichkeit586 des Vorteils nicht überzeugend. Dass die Informationen der Aufklärung von Straftaten dienen, muss nicht zwangsweise zum Ausschluss der Drittnützigkeit führen. Dies wäre allenfalls dann plausibel, wenn der Staat einen durchsetzbaren Anspruch auf die Informationsüberlassung hätte. Dass dies jedoch nicht so ist, ist bereits bei der Datenerlangung dargelegt worden. Selbst wenn man mit Blick auf die Besonderheiten der Strafverfolgung im Sinne einer quasi-neutralen, nur den Strafzwecken verpflichteten Tätigkeit den Vorteilsbegriff diesbezüglich nicht anwenden möchte, dürfte kaum zu leugnen sein, dass die auf Grund des Ankaufs erzielten Einnahmen einen erheblichen finanziellen Vorteil darstellen. Von vornherein den Begriff des Vorteils mit Hilfe der Forderung nach einer besonderen Verwerflichkeit einzuschränken, erscheint mir wenig überzeugend, da sich eine solche Einschränkung in Widerspruch zu der üblichen Definition587 des Nutzens setzt, nach der jede beliebige, nicht völlig unerhebliche Besserstellung ausreichend ist. Hinzu kommt, dass die Norm anders als in anderen Normen, die eine besondere Verwerflichkeit voraussetzen (vgl. § 240 II StGB), nicht explizit nach einer Verwerflichkeit verlangt. Folglich ist eine spezielle Verwerflichkeit des Vorteils nicht zu fordern. Von einem staatlichen Vorteil in Gestalt der Verfügungsmacht über die erworbenen Daten und somit von der Drittnützigkeit des Handelns ist mithin auszugehen. Gerade bei der Datenweitergabe wird ein Handeln zu Gunsten Dritter noch häufiger in Betracht kommen. Während bei der Datenerlangung in einigen Fällen noch unklar sein kann, ob die Daten zum Vorteil anderer Staaten verwendet werden sollen, ist dieses beim Datenverkauf geradezu zwingend. cc) Handeln zu Wettbewerbszwecken Heine nimmt sogar ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs an. Dabei wird argumentiert, die Verschlechterung der Wettbewerbsposition der betroffenen Banken und die damit einhergehende abstrakte Gefahr für den Wettbewerb sei eine notwendige Folge des Handelns des Bankmitarbeiters.588 Unter einem Handeln zu Wettbewerbszwecken wird die Förderung eigenen oder fremden Wettbewerbs zum Nachteil eines anderen verstanden. Erforderlich ist objektiv eine Eignung zur Wettbewerbsbeeinflussung und subjektiv eine 586 So vertreten von Sonn, Steuer-CD-Affäre, 119. 587 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 30; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 61; Fezer/ Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 42. 588 Heine, ASA 2010/2011, 525 (532f.) bezogen auf § 17 II Nr. 2 UWG, aber allgemein auf den Datenverkauf abstellend.
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entsprechende Absicht,589 wobei Absicht im Sinne von dolus directus ersten Grades590 zu verstehen ist. Der Täter muss die Wettbewerbsbeeinflussung mithin anstreben.591 Ob das Handeln des Bankmitarbeiters auch zu Wettbewerbszwecken erfolgt, hängt davon ab, wie weit das Merkmal zu verstehen ist. Für das von Heine offenbar angenommene sehr weite Verständnis scheint zunächst die allgemeine Absichtsdogmatik zu sprechen. In diesem Sinne soll es auch für ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs genügen, dass die Wettbewerbsbeeinflussung nur ein Zwischenziel zu einem anderen Endziel ist.592 Meines Erachtens dehnt die Anwendung des Handelns zu Wettbewerbszwecken auf die Steuerdatenfälle das Merkmal zumindest in den allermeisten Fällen zu weit aus. Der Wettbewerb spielt für die Bankmitarbeiter zumindest in den meisten Fällen eine völlig untergeordnete Rolle. Allenfalls diejenigen der Informanten, denen es primär darauf ankommt, ihren (ehemaligen) Arbeitgeber durch die Datenmitteilung zu schädigen, werden an Wettbewerbsauswirkungen denken. Völlig nachrangige Erwägungen sollen durch das Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs jedoch nicht erfasst werden.593 Selbst wenn man ein Handeln zu Wettbewerbszwecken auch dann bejaht, wenn zwischen dem Unternehmen als Geheimnisherrn und dem Kenntnisnehmer kein Konkurrenzverhältnis besteht,594 ist ein Handeln zu Wettbewerbszwecken in den Steuerdatenfällen meines Erachtens zumindest dann fernliegend, wenn der Bankmitarbeiter primär auf seine eigenen Vorteile fokussiert ist. Dies ergibt sich gerade aus der von Heine für die Gegenansicht ins Feld geführten Absichtsdogmatik. Zwar sind notwendige Zwischenziele vom Absichtsbegriff auch umfasst, wenn der Täter ihnen gleichgültig gegenüber steht.595 Dies gilt hingegen gerade nicht für bloße Nebenfolgen.596 Bei der hier zu erör-
589 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 49; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 59; Wawrzinek, Verrat, 187ff.; gegen das objektive Erfordernis Föbus, Insuffizienz, 140ff. 590 Wawrzinek, Verrat, 189f. 591 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 49; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 59. 592 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 60; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 114; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (359). 593 OLG München (ZR), NJW-RR 2004, 767; MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 49; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 29; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 60. 594 So GK-UWG/Otto, 1. Aufl., § 17, Rn. 42 meines Erachtens zutreffend, da für eine Einschränkung keine Anhaltspunkte vorhanden sind; a. A. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 51; Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 226. 595 Dazu Kühl, AT, § 5, Rn. 35, wonach ein notwendiges Zwischenziel auch bei emotionaler Ablehnung angenommen werden kann. Dann müssen notwendige Zwischenziele bei Gleichgültigkeit erst Recht erfasst sein. 596 Fischer, § 15, Rn. 6; S/S/Sternberg-Lieben/Schuster, § 15, Rn. 66; Bemerkenswert ist, dass
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ternden Frage des Handelns zu Wettbewerbszwecken liegen die Wettbewerbsauswirkungen jedoch nicht zwangsläufig »auf dem Weg« zum Endzweck der persönlichen Bereicherung. Die Auswirkungen auf die Wettbewerbsposition der betroffenen Bank können auch nach dem eigentlichen Zweck eintreten und liegen nicht in der Hand des Bankmitarbeiters, sondern sind abhängig davon, wie sich die staatlichen Stellen, Kunden und Mitbewerber verhalten. Daher kann anders als bei dem staatlichen Vorteil, der in Gestalt der Verfügungsmacht über die Daten konstitutiv für die eigene Vorteilserlangung des Bankmitarbeiters ist, nicht von einem Mittel zum Zweck oder notwendigen Zwischenziel gesprochen werden. Es handelt sich vielmehr um eine bloße Nebenfolge.597 Die Absichtsdogmatik spricht mithin gegen die Bejahung des Handelns zu Wettbewerbszwecken auch in Fällen wie diesen. Diese Sichtweise wird durch den Wortlaut des Merkmals bestätigt, da ein »Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs« eine gewisse Finalität suggeriert. Dieses Ergebnis weist keinen Widerspruch zur obigen Argumentation im Rahmen der teleologischen Reduktion auf. Bei der Erörterung einer möglichen teleologischen Reduktion ist die Frage beantwortet worden, ob bei einer Norm des Wettbewerbsrechts ein Bezug zum Wettbewerb gegeben sein muss und wie dieser gegebenenfalls beschaffen sein muss. Problematisch ist hier im Rahmen des Handelns zu Wettbewerbszwecken die Frage, wie die subjektive Einstellung zu der – in den Steuerdatenfällen gegebenen – Wettbewerbsrelevanz beschaffen sein muss. Daher ist es kein Widerspruch, dass bei dem Handeln zu Wettbewerbszwecken bloße Auswirkungen auf den Wettbewerb nicht als ausreichend angesehen werden. Festzuhalten bleibt, dass ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs in den meisten Steuerdatenfällen nicht vorliegt. Anderes gilt lediglich dann, wenn die Wettbewerbsbeeinflussung für den Bankmitarbeiter handlungsleitend ist, was im Einzelfall nicht ausgeschlossen werden kann.598 dd) Schädigungsabsicht Wie bereits im Rahmen der Datenerlangung dargestellt, kommt Schädigungsabsicht in Betracht, wenn es dem Bankmitarbeiter gerade darauf ankommt, seinen Arbeitgeber in materieller oder immaterieller Weise zu schädigen. Eine solche Motivation kann insbesondere bezogen auf Rache am Arbeitgeber in manchen Sachverhaltskonstellationen vorliegen. Der vereinzelt vorgebrachten Argumentation, die Schädigung der Bank sei notwendiges Zwischenziel auf dem selbst Heine, ASA 2010/2011, 525 (533), der das Handeln zu Wettbewerbszwecken bejaht, in diesem Zusammenhang nicht von Zwischenziel, sondern von Nebenfolge spricht. 597 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 117f. 598 Im Ergebnis ebenfalls für eine Einzelfallabhängigkeit in den Steuerdatenfällen Sonn, SteuerCD-Affäre, 118.
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Weg zur Erlangung der Geldzahlung,599 kann nicht gefolgt werden, da die Schädigung zumeist erst nach der Geldzahlung eintreten wird. Vielmehr dürfte es sich gegebenenfalls um eine erwünschte, von der Absicht umfasste Auswirkung handeln. Die Schädigung dürfte jedoch nicht in allen Fällen für die Bankmitarbeiter an zentraler Stelle stehen. Insofern ist das Merkmal auch bezogen auf die Datenweitergabe sehr stark vom Einzelfall abhängig.600 i) Strafzumessung: Besonders schwere Fälle Die besonders schweren Fälle knüpfen nach § 17 IV UWG an gewerbsmäßiges Handeln sowie an einen Auslandsbezug an. aa) Gewerbsmäßigkeit (§ 17 IV Nr. 1 UWG) Durch die staatliche Zahlung an den Mitarbeiter könnte die Mitteilung des Geheimnisses als gewerbsmäßige Handlung im Sinne des § 17 IV Nr. 1 UWG zu qualifizieren sein.601 Der allgemeine Gewerbsmäßigkeitsbegriff, der die Absicht verlangt, aus wiederholter Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von gewisser Dauer und einigem Umfang zu schaffen,602 gilt auch im Rahmen des § 17 UWG.603 Da der Informant seine Daten zumindest in einigen Fällen mehreren Staaten angeboten hat, spricht viel für das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit. Zudem ist anerkannt, dass für ein gewerbsmäßiges Handeln keine ständige Tätigkeit erforderlich ist.604 Auch reicht eine Tätigkeit zur Erzielung von zeitlich begrenzten Einnahmen aus.605 Allerdings muss zumindest die Absicht wiederholter Tatbegehung vorliegen, die Erzielung umfangreicher Einnahmen aus nur einer Tat reicht nicht aus.606 Zumindest in einigen der Beispielssachverhalte, vor allem im Fall Heinrich Kiebers, sind die durch die Betriebsspionage erlangten Daten mehreren Staaten angeboten und verkauft worden. Damit sind die Einnahmen nicht nur aus einer Tat erlangt worden. Mithin ist bei Taten der Datenübermittlung gewerbsmäßiges Handeln durchaus möglich. Denkbar sind jedoch auch Fallgestaltungen, bei denen von vornherein lediglich eine einmalige Mitteilung an
599 So Sonn, Steuer-CD-Affäre, 120f. 600 Für die Einzelfallabhängigkeit im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 120f. 601 So Trüg, StV 2011, 111 (112); vgl. auch Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8, der gewerbsmäßiges Handeln bei § 17 II Nr. 2 UWG für möglich hält. 602 BGH, NStZ 1995, 85; StraFo 2010, 75; Küper/Zopfs, BT, Rn. 294. 603 Erbs/Kohlaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 62. 604 Küper/Zopfs, BT, Rn. 295. 605 Küper/Zopfs, BT, Rn. 294. 606 BGH, StraFo 2008, 477.
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einen Staat beabsichtigt worden ist.607 Folglich ist das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit abhängig von den Umständen des Einzelfalls. In den Fällen, in denen Gewerbsmäßigkeit zu bejahen ist, sind meines Erachtens keine Umstände ersichtlich, warum eine auf Grund der Regelbeispielsnatur mögliche Ausnahme von der Strafschärfung gemacht werden sollte. Insbesondere die Höhe der erzielten Einnahmen und der häufig vorliegende Zukunftsplan der Bankmitarbeiter, aus diesen Einnahmen nach dem Untertauchen den Lebensunterhalt zu bestreiten, zeigen, dass hier eine typische Situation der Gewerbsmäßigkeit vorliegt. bb) Auslandsbezug (§ 17 IV Nr. 2, 3 UWG) Auch hier ist wieder an das Wissen um eine Auslandsverwertung608 und an die eigene Vornahme einer Auslandsverwertung nach § 17 IV Nr. 2, 3 UWG zu denken. § 17 IV Nr. 3 erfasst die Täter, die eine Verwertung selbst im Ausland vornehmen. Nach herrschender Meinung ist dieses Regelbeispiel nur bei § 17 II Nr. 2 und dort nur bei einer Verwertung anzuwenden,609 nach Pfeiffer zusätzlich auch bei § 17 I UWG.610 Der Wortlaut »Verwertung nach Absatz 2 Nr. 2 im Ausland selbst vornimmt« zeigt meines Erachtens eindeutig, dass eine Verwertung im Sinne des § 17 II Nr. 2 UWG als Tathandlung vorausgesetzt ist. Damit kann das Regelbeispiel auf Absatz eins auf Grund des eindeutigen Wortlauts keine Anwendung finden, selbst wenn man, wie hier vertreten (dazu unten in diesem Kapitel unter A. II. 3. e)), annimmt, dass eine Handlung durchaus gleichzeitig eine Mitteilung und Verwertung sein kann. Schließlich ist die Mitteilung kein Unterfall des Verwertens (dazu ebenfalls unten: A. II. 3. e) bb) (1)). Damit ist die Ansicht von Pfeiffer abzulehnen. Demnach kommt hier nur das Regelbeispiel des § 17 IV Nr. 2 UWG in Betracht, das an die Mitteilung als Tathandlung anknüpft.611 Dafür müsste der Informant bei der Übergabe der Daten an die Amtsträger gewusst haben, dass die Daten im Ausland verwertet werden sollen. Die tatsächliche Vornahme einer Verwertung ist irrelevant.612 607 Ausschließlich von solchen Gestaltungen ausgehend und daher die Gewerbsmäßigkeit verneinend Sonn, Steuer-CD-Affäre, 122. 608 Bejaht von Trüg, StV 2011, 111 (112) ohne nähere Begründung; verneint von Sonn, SteuerCD-Affäre, 122 mit Blick auf die fehlende Qualifizierung der Bundesrepublik Deutschland als Ausland. 609 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 149, G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 81; HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 29. 610 Pfeiffer, FS Nirk, 861 (890). 611 Tendenziell für eine Verwirklichung in den Steuerdatenfällen Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391). 612 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 147; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 63.
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Die Bearbeitung der Daten durch die Amtsträger in Deutschland kann eine Verwertung darstellen (dazu unten im 3. Kapitel unter B. II. 1. d) bb)). Fraglich ist nur, ob sich Deutschland als Ausland einordnen lässt. Schützt man, wie oben dargelegt, nicht nur Geheimnisse deutscher Unternehmen, sondern auch solche ausländischer Betriebe, könnte es meines Erachtens konsequent sein, den Auslandsbegriff vom Standort des Geheimnisses aus und nicht von Deutschland aus zu bestimmen. Das hieße, dass Ausland als jedes Gebiet, das nicht zu dem Staatsgebiet gehört, dem das Geheimnis zuzurechnenen ist, zu verstehen wäre, wobei sich die Zurechnung nach der Zuordnung zum jeweiligen Unternehmen bestimmen würde.613 Auch wenn sich bereits früher Probleme um die Bestimmung des Auslands gerankt haben,614 scheint das hier vorhandene Problem noch nicht Gegenstand einer näheren Erörterung gewesen zu sein. Um die Frage letztendlich entscheiden zu können, muss der Sinn und Zweck des Auslandsregelbeispiels untersucht und für die Frage des Auslandsbegriffs fruchtbar gemacht werden. Hintergrund des Regelbeispiels der Nr. 2 soll nach einer Ansicht615 der Schutz der deutschen Volkswirtschaft sein. Bereits früh in der Diskussion um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen ist beklagt worden, dass ausländische Staaten und ausländische Firmen mit Hilfe von Geheimnisverletzungen die deutsche Volkswirtschaft schädigten.616 Stellt man entscheidend auf mögliche Schäden für die deutsche Volkswirtschaft ab, so kann eine Verwertung in Deutschland nicht als Verwertung im Ausland angesehen werden. Schließlich wird durch die Bearbeitung der Steuerdaten die deutsche Volkswirtschaft eher gestärkt. Nach anderer Ansicht617 lässt sich die erhöhte Strafandrohung der Auslandsregelbeispiele darauf zurückführen, dass die Rechtsverfolgung im Ausland erschwert ist und eine Auslandsverwertung auf ein erhöhtes Maß an Organisation und gesteigerte kriminelle Aktivität hindeutet. Betrachtet man die Steuerdatenfälle und dort insbesondere die gezielte Planung der Übergabemodalitäten im Ausland,618 so spricht dies vor allem für eine 613 Solche Gedanken ohne nähere Erörterung verwerfend Sonn, Steuer-CD-Affäre, 122. 614 Dazu Krüger, Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, 141f. 615 Krüger, Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, 143; vgl. Föbus, Insuffizienz, 237f., der darlegt, dass ein Zusammenhang zwischen Auslandsbezug und volkswirtschaftlichem Schaden keineswegs zwingend ist; kritisch bezogen auf einen möglichen Schutz der Volkswirtschaft durch Normen des Geheimnisschutzes auch Blum, MuW 1931, 476 (483). 616 Vgl. Heydt, GRUR 1939, 228 (230, 237); 36. DJT, Bd. I/Schmidt, 101 (110). 617 MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 118f., die allerdings eine Strafschärfung ohne Begründung auch dann annehmen, wenn der Täter weiß, dass das Geheimnis im Ausland mitgeteilt werden soll. 618 Wie im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung erörtert (1. Kapitel unter B. I. 6.), dürfte von
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
erhöhte kriminelle Energie durch eine besonders ausgereifte Organisation. Auch ist die Rechtsverfolgung aus Sicht der betroffenen Unternehmen dadurch erschwert, dass die Nutzung der Daten in Deutschland stattfindet, mithin einem Land, das auf Grund der Debatte um Steueroasen gegenwärtig eine besonders rigide Haltung gegenüber den betroffenen Staaten einnimmt. Diese Haltung kommt unter anderem darin zum Ausdruck, dass noch keines der von der Schweiz bezogen auf den »Datenklau« gestellten Rechtshilfeersuchen beantwortet worden ist. Meines Erachtens liegt in der letztgenannten Betrachtung die vorzugswürdige Deutung der Auslandsregelbeispiele. Die deutsche Volkswirtschaft als primären Zweck zu betrachten, ließe sich allenfalls vom Standpunkt des Kollektivrechtsguts Wettbewerb aus erklären, kann aber nicht auf das Individualrechtsgut der Unternehmen zurückgeführt werden. Die zentrale Rolle, die der Unternehmensschutz für § 17 UWG spielt, lässt darauf schließen, dass sich diese Bedeutung auch in den Regelbeispielen wiederfindet. Zudem weckt eine Konzentration auf die deutsche Volkswirtschaft Zweifel an der Europarechtskonformität619 der Regelung. Unabhängig von der Frage der Europarechtswidrigkeit ist es vor dem Hintergrund des europäischen Binnenmarkts und angesichts von zahlreichen Handelsabkommen mit außereuropäischen Staaten überzeugender die Strafschärfung nicht primär auf eine Abschottung der deutschen Volkswirtschaft zurückzuführen, sondern das Geheimnis und die zu seiner Verletzung aufgewandte kriminelle Energie in den Vordergrund zu rücken. Die Hintergründe der Regelbeispiele passen folglich auf die Steuerdatenfälle. Daran ändert auch die Einbeziehung staatlicher Stellen in die Delikte nichts, da sie den dargestellten Befund vielmehr bestätigt: Gerade auf Grund der Handlungen der deutschen Amtsträger wird die Rechtsverfolgung erschwert. Obwohl gerade gezeigt worden ist, dass der Grund der Strafschärfung auch in den Konstellationen einschlägig ist, in denen wie in den Steuerdatenfällen, das Geheimnis eines ausländischen Unternehmens nach Deutschland verbracht einer Datenübergabe im Ausland auszugehen sein, um das »Risiko« des Einsatzes staatlicher Zwangsbefugnisse auszuschließen. Zudem wird die Vorbereitung des Ankaufs typischerweise ebenfalls ins Ausland verlagert, vgl. dazu die Schilderung von Kieber, Tatsachenbericht, 605, um die Berührungspunkte mit der deutschen Rechtsordnung zu minimieren. Ein solches Vorgehen zur bewussten Ausschaltung der deutschen Rechtsordnung zeigt durch den Planungs- und Umsetzungsaufwand für den Bankmitarbeiter und die staatlichen Stellen ein erhöhtes Maß an krimineller Energie. 619 Für die Europarechtswidrigkeit der Regelung Müller-Gugenberger/Dittrich, WStR, § 33, Rn. 65; Pfeiffer, FS Nirk, 861 (890); Schlötter, Abwerbung, 169f.; Többens, NStZ 2000, 505 (509); Wawrzinek, Verrat, 249, die die EU-Staaten entweder als Inland ansehen oder das Regelbeispiel nicht anwenden wollen, um eine Kollision mit dem Europarecht zu vermeiden; dagegen MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 148; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 66; Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 32; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 30, Fn. 105.
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wird,620 muss vor einer abschließenden Bewertung der Begriff des Auslands näher beleuchtet werden, um festzustellen, ob eine solche teleologische Auslegung mit dem Wortlaut in Einklang zu bringen ist: Ausland wird allgemein als jedes Gebiet jenseits des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland verstanden.621 Daher kann Deutschland bei Zugrundelegung dieser Begriffsbestimmung nicht unter den Auslandsbegriff subsumiert werden. In Ermangelung spezieller Regelungen ist diese zum Strafanwendungsrecht der §§ 3–9 StGB entwickelte allgemeine Begriffsbildung auch auf die Strafnormen des UWG anzuwenden, so dass kein Raum für eine Auslegung und somit kein Ansatzpunkt, an den die vorangegangenen Überlegungen zum Zweck der Strafschärfung anknüpfen könnten, verbleibt. Maßgeblich ist allein der Geltungsbereich des deutschen Strafrechts und nicht die Perspektive des Tatobjekts. Deutschland bleibt Inland und kann auch dann nicht zum Ausland werden, wenn ein ausländisches Geheimnis das Tatobjekt bildet und nach Deutschland »importiert« werden soll. Folglich ist das Regelbeispiel des Wissens um eine Auslandsverwertung auf Grund des eindeutigen Wortlauts zu verneinen,622 auch wenn teleologische Überlegungen für eine Anwendung sprechen. Da, wie gerade gesehen, die Gründe, die hinter den Regelbeispielen der Auslandsverwertung stehen, auch in den Steuerdatenfällen einschlägig sind, könnte man erwägen, einen unbenannten schweren Fall anzunehmen. Wenn die Voraussetzungen eines Regelbeispiels nicht einschlägig sind, könnte sich die Annahme eines ähnlich gelagerten unbenannten schweren Falls jedoch als schwierig erweisen, da der Eindruck einer Umgehung der Regelbeispiele und des bewussten Aufweichens der dortigen Voraussetzungen entstehen könnte. Hier scheitert die Anwendung des Regelbeispiels jedoch lediglich an der Legaldefinition des Auslandsbegriffs im StGB. Bei Schaffung der Regelbeispiele standen der Gedanke von verfeindeten Wirtschaftsnationen und eine protektionistische Wirtschaftspolitik im Zentrum des Zeitgeschehens. Insoweit dürfte der Umstand, dass auch ausländische Geheimnisse geschützt sein können und die Frage, ob nicht auch die grenzüberschreitende Verbringung dieser Geheimnisse strafschärfendes Unrecht darstellen könnte, schlichtweg nicht gesehen worden sein. Daher ist die Annahme eines unbenannten schweren Falls in diesen Fällen vielmehr eine Fortentwicklung der Auslandsregelbeispiele und keine Umgehung der dortigen Voraussetzungen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Voraussetzungen für einen beson620 Anders Sonn, Steuer-CD-Affäre, 122, der aber auf die deutsche Volkswirtschaft als Strafgrund des Regelbeispiels abstellt. 621 S/S/Eser, Vorbem. §§ 3–9, Rn. 52; Fischer, Vor §§ 3–7, Rn. 20; Satzger, EU SR, § 5, Rn. 54ff.; Schlötter, Abwerbung, 169. 622 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 121f., der die Möglichkeit eines unbenannten schweren Falls jedoch völlig außer Acht lässt.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
ders schweren unbenannten Fall und damit für eine Strafschärfung gegeben sind. j) Ergebnis: § 17 I UWG Die vorangegangene Erörterung hat gezeigt, dass § 17 I UWG in den Steuerdatenfällen vorliegen kann.623 In der Praxis wird eine Strafbarkeit jedoch häufig scheitern, da – wie durch die bisherigen Fälle belegt – die meisten Informanten die Daten erst nach dem Ausscheiden aus ihrem Beschäftigungsverhältnis übermitteln. Sollte deutsches Strafrecht anzuwenden sein (dazu unten in diesem Kapitel unter E.), kommt auch eine erhöhte Strafandrohung auf Grund eines unbenannten schweren Falls oder, je nach Sachverhalt, gestützt auf gewerbsmäßiges Handeln in Betracht.
3.
§ 17 II Nr. 2 UWG: Geheimnishehlerei
Die Weitergabe des Geheimnisses könnte zudem als Geheimnishehlerei gemäß § 17 II Nr. 2 UWG strafbar sein.624 a) Verhältnis zu § 17 I UWG Eine Strafbarkeit nach § 17 II Nr. 2 UWG ist von besonderer Bedeutung in den Fällen, in denen eine Strafbarkeit nach § 17 I UWG in Ermangelung einer während des Dienstverhältnisses verübten Tathandlung ausscheidet. Fraglich ist jedoch, in welchem Verhältnis beide Normen stehen, wenn ein Mitarbeiter eines 623 Zu einem ähnlichen Befund gelangen im Ergebnis beispielsweise Benkert, FS Schiller, 27 (30); Gössel, FS Puppe, 1377 (1379ff.); Habetha, ZRP 2010, 223; Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 108ff.; Spernath, NStZ 2010, 307f.; Trüg, StV 2011, 111 (112); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75, teilweise aber nur im Rahmen einer äußerst kursorischen Prüfung. 624 Angesprochen z. B. bei Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1190; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112f.; Beulke, StrafprozessR, Rn. 481; van Bühren, AnwBl 2012, 906; Gössel, FS Puppe, 1377 (1379ff.); Heine, ASA 2010/2011, 525 (531ff.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1091ff.); Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; ders./Jahn, JuS 2010, 390 (391); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Satzger, FS Achenbach, 447 (449ff.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296); Sieber, NJW 2008, 881f.; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 115f.; Spatscheck, FS Volk, 771 (779); Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 543ff.; Trüg, StV 2011, 111 (112); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; Zieschang, FS Scheuing, 794 (801ff.); inzident auch bei Benkert, FS Schiller, 27 (30); Erb, FS Roxin 80, 1103; Heine, HRRS 2009, 540; ders., FS v. Büren, 917 (921); Joecks, SAM 2011, 21; Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Kauffmann, JA 2010, 597; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13f.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441f.); Trüg/ Habetha, NStZ 2008, 481 (489); dies., NJW 2008, 887 (889); Werner, IWB 2010, 164 (166).
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Unternehmens während des Bestehens seines Beschäftigungsverhältnisses handelt, wenn also grundsätzlich die Verwirklichung beider Normen nahe liegt. Die einhellige Meinung nimmt an, dass § 17 I und § 17 II Nr. 2 UWG bezogen auf das gleiche Geheimnis nicht zusammen verwirklicht werden können. Dafür wird angeführt, dass § 17 II Nr. 2 UWG auf Grund der Vortaten eine unbefugte Geheimniserlangung voraussetze, während sich § 17 I UWG auf dem Täter zugänglich gewordene Geheimnisse beziehe. Auch wird teilweise auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts verwiesen, durch die die Unabhängigkeit beider Normen bereits herausgearbeitet worden sei.625 Der soeben bei § 17 I UWG dargestellte weite Anwendungsbereich der zugänglich gewordenen Geheimnisse, der grundsätzlich auch von denjenigen bejaht wird,626 die ein Ausschließlichkeitsverhältnis zwischen beiden Normen annehmen, widerlegt die vorherrschende Meinung meines Erachtens zumindest für einen Teilbereich. Selbst durch Betriebsspionage oder durch sonstige unbefugte Handlungen erlangte Geheimnisse sind dem Täter zugänglich geworden. Damit liegt in diesen Konstellationen, die für die Steuerdatenfälle besonders relevant sind, trotz eines zugänglich gewordenen Geheimnisses im Sinne des § 17 I UWG die für § 17 II Nr. 2 charakteristische Vortat, das heißt der Aspekt der unbefugten Geheimniserlangung, vor.627 Auch die Rechtsprechung des Reichsgerichts628, auf die in diesem Zusammenhang verwiesen wird, vermag die herrschende Meinung nicht zu rechtfertigen. Schließlich basiert diese auf überholten Prämissen, so zum Beispiel darauf, dass die einzelnen Normen des § 17 UWG durch unterschiedliche Rechtsgüter geprägt seien. Hinzu kommt, dass das Reichsgericht629 nicht durchgehend ein Ausschließlichkeitsverhältnis annimmt, sondern teilweise auch nur die Selbständigkeit beider Tatbestände betont. Weiterhin wird die Unmöglichkeit des Zusammentreffens beider Normen lediglich damit begründet, dass nicht ersichtlich sei, wann es zu Überschnei-
625 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 142, 77; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 59; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 76; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 128; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 82; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 121; Müller-Gugenberger/Dittrich, WStR, § 33, Rn. 83; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 112; Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13, Fn. 10); Pfeiffer, FS Nirk, 861 (887); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 83; Wawrzinek, Verrat, 281. 626 Vgl. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 39; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 20; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 26ff.; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 47; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 33; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 41; Achenbach/Ransiek/EbertWeidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 75; Pfeiffer, FS Nirk, 861 (871); Sonn, Steuer-CDAffäre, 110; Wawrzinek, Verrat, 158ff. 627 Anders gerade in den Steuerdatenfällen Sonn, Steuer-CD-Affäre, 83. 628 RGSt 31, 93 (95); 60, 53 (54). 629 So z. B. RGSt 31, 93 (95).
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
dungen zwischen beiden Normen kommen könne.630 Genau diese Schnittmengen sind aber gerade dargelegt worden. Daher ist für den Teilbereich unbefugt erlangter Geheimnisse entgegen der einhelligen Meinung eine Überschneidung von § 17 I und § 17 II Nr. 2 UWG631 meines Erachtens möglich. In diesen Fällen könnte aus Klarstellungsgründen eine tateinheitliche Verwirklichung beider Normen möglich sein, da beide Normen jeweils unterschiedliche Aspekte betonen: § 17 I betont das noch bestehende Beschäftigungsverhältnis, während § 17 II Nr. 2 den Umstand der unbefugten Geheimniserlangung unterstreicht. Diese unterschiedliche Ausrichtung spricht zumindest gegen die Annahme von Spezialität als Teil der Gesetzeskonkurrenz. Da aber beide Normen das gleiche Rechtsgut schützen, erscheint es meines Erachtens vorzugswürdig, § 17 I als materiell subsidiär zu § 17 II Nr. 2 UWG anzusehen und somit im Ergebnis Gesetzeskonkurrenz anzunehmen. § 17 II Nr. 2 UWG setzt die unbefugte Erlangung des Geheimnisses und damit die Perpetuierung einer bereits vorangegangenen Rechtsverletzung voraus. Daher spricht viel dafür, in § 17 II Nr. 2 das im Vergleich zu § 17 I UWG intensivere Unrecht zu erblicken. Eine unbefugte Geheimniserlangung kann, wie gerade gesehen, zwar auch bei § 17 I vorliegen, wird dort aber nicht an einem eigenen Tatbestandsmerkmal deutlich, da zugänglich gewordene Geheimnisse auch legal erlangte Geheimnisse beinhalten. Dass der Schutz der in § 17 I UWG mit der Anknüpfung an das bestehende Arbeitsverhältnis zum Ausdruck gebrachten arbeitsvertraglichen Vertrauensbeziehung heute kein zentraler Aspekt des § 17 UWG ist,632 spricht ebenfalls für den Vorrang von § 17 II Nr. 2 UWG. Festgehalten werden kann daher, dass sowohl § 17 I als auch § 17 II Nr. 2 UWG vorliegen können, wenn ein Unternehmensmitarbeiter während seiner Beschäftigungszeit (Voraussetzung für § 17 I) ein Geheimnis mitteilt (Tathandlung von § 17 I und § 17 II Nr. 2), welches er sich zuvor unbefugt verschafft hat (Voraussetzung für § 17 II Nr. 2, bei § 17 I aber eben nicht ausgeschlossen). Für die weitere Prüfung folgt daraus, dass § 17 II Nr. 2 UWG auch bei den Sachverhalten möglich ist, für die zuvor die Strafbarkeit nach § 17 I UWG bei unbefugt verschafften Geheimnissen bejaht worden ist. b) Täterkreis Anders als bei § 17 I UWG wird, wie soeben thematisiert, bei der sogenannten »Geheimnishehlerei« eine spezielle Tätereigenschaft gerade nicht vorausgesetzt. Mithin hat § 17 II Nr. 2 UWG besondere Bedeutung in den Fällen ehemaliger 630 So G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 76. 631 Vgl. auch Trüg, StV 2011, 111 (112), der in den Steuerdatenfällen beide Tatbestände zusammen prüft, ohne das Verhältnis zu thematisieren. 632 Dazu Wawrzinek, Verrat, 80.
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Mitarbeiter, da dort eine Bestrafung aus § 17 I UWG, wie oben gesehen, scheitert.633 Auch Außenstehende kommen als taugliche Täter in Betracht. c) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis Die Kundendaten stellen, wie gezeigt, grundsätzlich ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis dar. Fraglich könnte allenfalls sein, ob die für § 17 II Nr. 2 UWG charakteristischen Vortaten Auswirkungen auf den Geheimnischarakter haben. Eine sehr radikale Ansicht zu dieser Frage ist in jüngerer Zeit von Föbus entwickelt worden. In den meisten Anwendungsfällen des § 17 II Nr. 2 UWG634 lehnt er das Vorliegen eines Geheimnisses ab. Er argumentiert, dass auf Grund der Vortaten der Kreis der eingeweihten Personen nicht mehr zu beherrschen sei, so dass Offenkundigkeit und daher der Wegfall der Geheimniseigenschaft angenommen werden müsse. Auch wenn er selbst erkennt, dass dies der gesetzgeberischen Intention zuwiderläuft, hält er seine Argumentation für zwingend.635 Die dargestellte Ansicht hätte auch Konsequenzen auf die hier diskutierten Fälle. Schließlich beschafft sich der Bankmitarbeiter die Information gerade, um sie unabhängig von seinem Arbeitgeber verwenden zu können. Damit hat das Bankhaus, das anfangs üblicherweise noch nicht mal Kenntnis von den Vorgängen hat, keine Kontrolle über das weitere Schicksal des Geheimnisses. Allerdings ist die Tatbestandsbeschränkung von Föbus abzulehnen. Ähnlichen Einschränkungsüberlegungen wird allgemein entgegengehalten, der Geheimnischarakter entfalle nur, wenn die Vortaten zu einer Bekanntheit innerhalb eines großen Personenkreises geführt hätten.636 Darauf kann es meines Erachtens aber nicht ausschließlich ankommen. Schließlich ist im Rahmen des Offenkundigkeitsbegriffs eine konkret festgelegte Zahl der eingeweihten Personen gerade kein entscheidendes Kriterium637.
633 Ähnlich auch Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600. 634 Meines Erachtens müsste die konsequente Anwendung der Ansicht von Föbus das Geheimnis auch im Rahmen von § 17 I UWG entfallen lassen, da für eine unterschiedliche Behandlung keine Gründe ersichtlich sind. Die Ansicht wird hier aber im Rahmen von § 17 II Nr. 2 UWG erörtert, da Föbus die Problematik dort verortet. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die vorherrschende Meinung entgegen der hier vertretenen Ansicht eine Schnittmenge zwischen § 17 I und § 17 II Nr. 2 UWG für unmöglich erachtet (dazu im Rahmen der Erörterung dieser Norm oben unter a)). 635 Föbus, Insuffizienz, 176f. 636 Etter, CR 1988, 1021 (1025); Westpfahl, CR 1987, 515 (517), die beide die Problematik deutlich vor Föbus im Rahmen der Glücksspielautomaten-Problematik angesprochen, aber nicht vertieft haben. 637 Zur Irrelevanz der Größe des eingeweihten Personenkreises G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 13, Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 14.
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Dennoch ist dem Ergebnis,638 der Ablehnung einer so weitgehenden Tatbestandseinschränkung, zuzustimmen. Erstens entspräche ein derartiges Verständnis, wie von Föbus selbst eingestanden, nicht dem Zweck der Norm. Der Anwendungsbereich der Norm würde derart drastisch verkürzt, dass man gleich eine Streichung vornehmen könnte. Entscheidend ist meines Erachtens aber vor allem, dass trotz fehlender Einflussmöglichkeit des Geheimnisherrn auch der neue »Mitwisser« ein Interesse an der Geheimhaltung hat. Dies lässt sich gerade am Fall der Steuerdaten illustrieren. Das Geheimnis, das heißt die Daten über die Bankkunden, hat für den Bankmitarbeiter nur dann einen Nutzen, wenn er selbst das Geheimnis zunächst bewahrt. Dies zeigt sich im Fall Heinrich Kiebers schon an den Anstrengungen,639 die er zur Sicherung und Bewahrung des Geheimnisses unternommen hat. Auch auf der nächsten Stufe, das heißt nach Übergabe an die staatliche Stellen, haben diese zumindest zunächst ein Interesse an der Wahrung des Geheimnisses, um ihre Auswertung der Daten und die Vorbereitung der nächsten Ermittlungsmaßnahmen ungestört durchführen zu können. Daher handelt es sich weiterhin um ein Geheimnis. Die hier bezogen auf die Steuerdatenfälle vorgenommene Argumentation lässt sich auf andere, für § 17 UWG klassischere Konstellationen übertragen. Dort wird derjenige, der das Geheimnis ansichbringt, kein Interesse an der Offenkundigkeit haben, da dann seine Möglichkeit, Vorteile aus der Kenntnis zu ziehen, erheblich sinkt. Ein Konkurrent wird nur dann Interesse an einem geheimen Produktionsverfahren haben, wenn es eben noch geheim ist, das heißt zum Beispiel noch nicht in der Fachpresse veröffentlicht worden ist. Eine Betrachtung des Geheimnisbegriffs zeigt, dass die Argumentation von Föbus entgegen seiner Ansicht keinesfalls eine zwingende Konsequenz aus den für die Offenkundigkeit entwickelten Kriterien ist: Ein Geheimnis soll zwar dann ausgeschlossen sein, wenn der Geheimnisherr keine Kontrolle über den Kreis der Mitwisser hat.640 Allerdings wird dieser Grundsatz meist dahingehend spezifiziert, dass es entscheidend darauf ankommt, ob mit der weiteren Geheimhaltung gerechnet werden kann.641 Dass zumindest grundsätzlich mit der Geheimhaltung durch den Vortäter gerechnet werden kann, ist gerade durch die Begründung seines Geheimhaltungsinteresses dargelegt worden. Auch lässt sich in diesen Fällen nicht davon sprechen, dass sich jeder Interessierte ohne große Anstrengung Zugang zu dem Geheimnis
638 Vgl. auch G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 13, der zumindest eine Zwangsläufigkeit zwischen Vortat und Verlust der Geheimniseigenschaft ablehnt. 639 Vgl. dazu Kieber, Tatsachenbericht, 206ff. 640 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 13; Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 4; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 14; Többens, WRP 2005, 552 (556). 641 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 13; Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 4.
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verschaffen kann, was ebenfalls häufig642 als Voraussetzung für die Offenkundigkeit genannt wird. Allenfalls in Fällen, in denen der Täter im Rahmen der Vortat gerade darauf abzielt, den Geheimnischarakter schnellstmöglich aufzuheben und Offenkundigkeit herbeizuführen, kann meines Erachtens über die Ansicht Föbus’ diskutiert werden. Derartige Fälle sind im Bereich der entwendeten Steuerdaten aber lebensfremd, da selbst der Täter, der keine eigenen Vorteile anstrebt – was an sich schon selten ist – sehr selten den direkten Weg an die Öffentlichkeit gehen wird, sondern sich erst vertraulich mit dem von ihm gewählten Adressaten, sei es mit Behörden, Presse, Kunden oder dem Bankhaus selbst, in Verbindung setzten wird, wobei gerade die Verhandlungen über die Datenweitergabe eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Mithin ist die Ansicht von Föbus für die meisten Konstellationen und insbesondere für die hier interessierenden Steuerdatenfälle abzulehnen. Die Kundendaten stellen trotz der Vortaten ein Geschäftsgeheimnis dar. d) Erlangung durch eine Katalogvortat – Bedeutung des Strafanwendungsrechts Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Kundendaten durch eine der in § 17 II Nr. 2 UWG genannten Vortaten erlangt worden sind. Das Geheimnis ist eindeutig nicht durch eine Mitteilung nach § 17 I UWG erlangt, da es sich bei einer möglichen Tat des Bankmitarbeiters nach § 17 I UWG um eine eigene Tat des Bankmitarbeiters und nicht, wie erforderlich,643 um eine fremde Tat handelt. Das Geheimnis könnte durch eine – eigene – Tat des Bankmitarbeiters nach § 17 II Nr. 1 UWG erlangt worden sein.644 Insoweit kann auf die obige Erörterung der Strafbarkeit verwiesen werden. Wie dabei herausgearbeitet, liegt entgegen Sonn eine Betriebsspionage auch bei zunächst befugter Kenntniserlangung und nachfolgender unbefugter Verfestigung der Kenntnis vor. Daher kann Sonn645 auch im Rahmen der Geheimnishehlerei nicht gefolgt werden, wenn er deren fehlende Bedeutung auf das Fehlen einer Vortat des Bankmitarbeiters nach § 17 II Nr. 1 UWG stützt. Wenn Gössel646 bei der Erörterung der Steuer642 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 15; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 9; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 12; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 17; Dannecker, BB 1987, 1614 (1615); Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 68; Hellmann/ Beckemper, WStR, Rn. 506. 643 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 45; Wawrzinek, Verrat, 227. 644 So z. B. auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 543f. 645 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 116. 646 Gössel, FS Puppe, 1377 (1379). Richtig bleibt hingegen die zur Begründung dieser These angeführte Aussage Gössels, zwischen der Geheimnishehlerei und den Vortaten könne keine Idealkonkurrenz bestehen, da Vortaten und Geheimnishehlerei sich stets auf unterschiedliche Handlungen bezögen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die erste Aussage,
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datenfälle annimmt, der Täter der Geheimnishehlerei und der Vortat müssten wie bei Diebstahl und Hehlerei stets personenverschieden sein,647 verkennt er den klaren Wortlaut des § 17 II Nr. 2 UWG (»durch eine eigene oder fremde Handlung«). Daher ist von einer eigenen Vortat des Bankmitarbeiters nach § 17 II Nr. 1 UWG auszugehen. Zudem käme auch noch die sonstige unbefugte Erlangung als dritte Modalität in Betracht. Hierunter ist jede nicht zufällige Erlangung des Geheimnisses, die gegen den tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Geheimnisherrn verstößt, zu verstehen.648 Neben Gesetzesverstößen können auch Sitten- oder Vertragsverletzungen darunter fallen.649 Insbesondere kommt hierbei die Verletzung anderer Straftatbestände in Betracht.650 Insoweit können in den Steuerdatenfällen alle weiteren im Rahmen der Datenbeschaffung erörterten Straftatbestände herangezogen werden. Daher kann in den Steuerdatenfällen je nach Sachverhalt die dritte Vortatmodalität mit Blick vor allem auf § 202a StGB bejaht werden. Somit kann festgehalten werden, dass eine geeignete Vortat grundsätzlich vorliegt. Gerade im Zusammenhang mit den Steuerdatenfällen ist die Streitfrage in das Bewusstsein gerückt, ob nur dann von § 17 UWG erfasste Vortaten vorliegen, wenn auf diese auch deutsches Strafrecht anwendbar ist651 oder ob auch solche Vortaten ausreichen,652 die zwar einen deutschen Straftatbestand verwirklichen, jedoch nicht der deutschen Strafhoheit unterliegen. Das Problem ist in der bisherigen Literatur zu § 17 UWG vernachlässigt worden. Daher soll im Folgenden versucht werden, eine eigene Begründung zu finden. In der Debatte um die Steuerdatenfälle findet kaum eine nähere Auseinandersetzung mit den möglichen Argumenten statt. Für die erst genannte Ansicht wird lediglich angeführt, dass auch die Strafbarkeit des § 17 II Nr. 2 UWG die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts verlange.653 Dieses Argument vermag jedoch keinesfalls zu überzeugen. Dass die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts erforderlich ist, um
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648 649 650 651 652 653
die Täter von Vortat und Geheimnishehlerei müssten personenverschieden sein, schlichtweg falsch ist. Zur Erfassung tätereigenener Taten MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 97; für die grundsätzliche Möglichkeit von tätereigenen Vortaten bei § 17 II Nr. 2 UWG auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 116, der die Frage in den Steuerdatenfällen entgegen der hier vertretenen Ansicht jedoch für irrelevant erachtet. Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 31f. Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 47. G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 50; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 104; Föbus, Insuffizienz, 170; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 50; Wawrzinek, Verrat, 237. Gössel, FS Puppe, 1377 (1382f.). Heine, ASA 2010/2011, 525 (536); ders., FS Roxin 80, 1087 (1099); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 116, der § 17 II Nr. 2 UWG aber für die Steuerdatenfälle ohnehin ablehnt. Gössel, FS Puppe, 1377 (1382).
Tatbestandsspezifische Aspekte
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aus dem jeweils erörterten Delikt bestrafen zu können, ist selbstverständlich. Gerade weil das aber so selbstverständlich ist, ergibt sich daraus kein Rückschluss auf die Anforderungen, die an die für den Tatbestand vorausgesetzte Vortat gestellt werden müssen. Schließlich ist die Vortat nur ein im Rahmen der eigentlichen Tat verlangtes Tatbestandsmerkmal, eine Bestrafung wegen der Vortat ist hingegen gerade nicht Gegenstand der konkreten Betrachtung. Die Irrelevanz des Strafanwendungsrechts jedoch damit zu begründen, dass dem Gesetz eine solche Voraussetzung nicht zu entnehmen sei,654 ist ebenfalls wenig plausibel. Schließlich spricht das Gesetz auch in Fällen, in denen die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Vortat konstitutiv ist (z. B. § 258 StGB655), nicht explizit von einem solchen Erfordernis. Weitaus überzeugender erscheint es hingegen die Irrelevanz des Strafanwendungsrechts wie Heine656 mit einem Blick auf die parallele Problematik im Rahmen von § 259 StGB zu begründen, wofür er zu Recht die Strukturgleichheit beider Normen anführt. Die herrschende Meinung lässt bei der Hehlerei die Verwirklichung eines deutschen Tatbestands genügen und verlangt keine Anwendbarkeit deutschen Strafrechts.657 Bei der Hehlerei handele es sich um ein von der Vortat unabhängiges Delikt, für das die Bestrafung des Vortäters nicht erforderlich sei.658 Das Strafanwendungsrecht sei lediglich zu behandeln wie eine objektive Strafbarkeitsbedingung, deren Vorliegen nun mal keine Voraussetzung für die Vortat sei.659 Für den Verzicht auf das Strafanwendungserfordernis spricht auch die zu § 257 StGB als einem weiteren Perpetuierungsdelikt vorherrschende Auffassung,660 der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts zumindest dann keine Bedeutung beizumessen, wenn Vortaten zum Schutz von Individualrechtsgütern betroffen sind. Die für die Geheimnishehlerei in Betracht kommende Vortat des § 17 II Nr. 1 UWG dient, wie oben gezeigt worden ist, zumindest zu einem großen Teil dem Individualrechtsschutz. Gerade an dem Gesichtspunkt des Rechtsgüterschutzes der betroffenen Unternehmen zeigt sich meiner Meinung nach, dass das Eingreifen des Strafanwendungsrechts bezüglich der Vortat nicht So Sonn, Steuer-CD-Affäre, 116. Dazu Fischer, § 258, Rn. 5; L/K/Kühl, § 258, Rn. 1; S/S/Stree/Hecker, § 258, Rn. 1. Heine, ASA 2010/2011, 525 (536); ders., FS Roxin 80, 1087 (1099). RGSt 18, 298f.; 55, 234 (235); MK/Maier, § 259, Rn. 24; S/S/Stree/Hecker, § 259, Rn. 10; LK/ Walter, § 259, Rn. 16. 658 RGSt 18, 298f.; 55, 234 (235). 659 LK/Walter, § 259, Rn. 16; Die Behandlung von objektiven Strafbarkeitsbedingungen ist jedoch durchaus umstritten: gegen die Irrelevanz objektiver Strafbarkeitsbedingungen für die Vortat S/S/W/Jahn, § 259, Rn. 3 i.V.m. § 257, Rn. 6. 660 S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 8; LK/Walter, § 257, Rn. 19; Kaiser, NStZ 2011, 383 (389); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Salditt, PStR 2008, 84 (89); Stree, JuS 1976, 137 (138); Trüg, StV 2011, 111 (113); ders./Habetha, NJW 2008, 887 (888); Werner, IWB 2010, 164 (167); wohl auch Benkert, FS Schiller, 27 (29). 654 655 656 657
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
erforderlich ist. Schließlich wird die Gefahr für das Individualrechtsgut durch die Vergrößerung des Kreises der »Mitwisser« und gegebenenfalls auch durch Verwertungshandlungen vertieft, unabhängig davon, ob auf die Vortaten der Geheimniserlangung das deutsche Strafrecht anzuwenden ist. Daher ergibt ein Blick auf die Handhabung des Zusammenspiels von Vortat und Anwendbarkeit deutschen Strafrechts im Rahmen von § 259 StGB und § 257 StGB, dass nach vorzugswürdiger Ansicht die Vortat unabhängig davon, ob sie der deutschen Strafhoheit unterliegt, bejaht werden sollte. Meines Erachtens ist ein Rückgriff gerade auf den Hehlereistatbestand zwar ein gutes Argument, jedoch gar nicht erforderlich, um zu diesem Ergebnis zu gelangen. Die gleiche Beurteilung ergibt sich zwingend auf Grund der Binnenstruktur des § 17 II Nr. 2 UWG: Der maßgebliche Aspekt ist die dritte Vortatvariante des § 17 II Nr. 2 UWG. Dort ist eine Straftat eine mögliche, aber keine zwingende Voraussetzung, auch sonstige Rechtsverstöße können ausreichen.661 Daher kommt es dort gerade nicht auf die Problematik des Strafanwendungsrechts an. Entscheidend ist einzig der Inhalt des nationalen Rechts. So wird ein sonst unbefugtes Verschaffen oder Sichern üblicherweise bei einem Verstoß gegen eine deutsche Rechtsnorm bejaht.662 Daran zeigt sich aber, dass entscheidend der materielle Verstoß gegen die deutsche Rechtsordnung ist. Um einen Gleichlauf zu gewährleisten, müsste man, wenn im Rahmen der dritten Variante der Rechtsverstoß an eine Straftat geknüpft werden soll, das Strafanwendungsrecht außer Acht lassen. Dann muss man aber für die beiden anderen Vortatvarianten ebenfalls auf das Eingreifen des Strafanwendungsrechts verzichten, um keinen Wertungswiderspruch zu provozieren. In die gleiche Richtung weisen Rückschlüsse, die sich aus den sonstigen Bestandteilen der Vortat ergeben. Teilweise wird das Vorliegen von objektivem und subjektivem Tatbestand als ausreichend angesehen.663 Teilweise wird zusätzlich noch die Rechtswidrigkeit der Vortat verlangt.664 Aus dieser Kontroverse folgt, dass schuldhaftes Verhalten keineswegs erforderlich ist. Diese Handhabung indiziert, dass entscheidend der mit der Vortat verwirklichte Rechtsver661 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 50; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 104; Föbus, Insuffizienz, 170; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 50; Wawrzinek, Verrat, 237. 662 GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 104; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 50; Pfeiffer, FS Nirk, 861 (885). 663 Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 29f.; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 96f.; HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 22f.; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 90; auf das Vorliegen der besonderen subjektiven Motivation verzichtend Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 45; Wawrzinek, Verrat, 230f. 664 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 111; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 66f.; Föbus, Insuffizienz, 173; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 26; Otto, wistra 1988, 125 (129); Pfeiffer, FS Nirk, 861 (884f.).
Tatbestandsspezifische Aspekte
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stoß ist, es jedoch nicht darauf ankommt, ob eine Bestrafung erfolgen kann. Das spricht dafür, dass es auch nicht darauf ankommt, ob das deutsche Strafrecht zur Anwendung gelangt. Mithin liegt die für § 17 II Nr. 2 UWG erforderliche Vortat unabhängig davon vor, ob deutsches Strafrecht anwendbar ist. Die Frage des Strafanwendungsrechts kann daher in diesem Zusammenhang vernachlässigt werden, wird aber später (in diesem Kapitel unter E.) noch ihrer eigenständigen Bedeutung halber thematisiert. e) Mitteilen oder Verwerten Die Staatsvertreter erlangen durch das Verhalten des Bankmitarbeiters von dem Geheimnis Kenntnis, so dass ein Mitteilen vorliegen könnte (dazu bereits in diesem Kapitel oben unter A. II. 2. d)). Auf Grund der für die Datenüberlassung erhaltenen Gegenleistung ist jedoch auch an ein Verwerten zu denken. Ob das Mitteilen zum Erlangen einer Gegenleistung nur als Mitteilen665 oder als Mitteilen und Verwerten666 oder gar nur als Verwerten667 angesehen werden kann, ist 665 Allgemein jenseits der Steuerdatenfälle MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 127, 129; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 56; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 110; Aldoney, FS Tiedemann, 1141, Fn. 5; ders., Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 124f.; Föbus, Insuffizienz, 175; Otto, wistra 1988, 125 (129); widersprüchlich Pfeiffer, FS Nirk, 861 (883f.), der einerseits das Verkaufen als Art des Verwertens betrachtet, im Offenbaren gegen Entgelt jedoch nur ein Mitteilen sieht; in den Steuerdatenfällen ohne Begründung lediglich ein Mitteilen prüfend Gössel, FS Puppe, 1379 (1380f.); Heine, FS v. Büren, 917 (921); Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); ders., GA 2008, 314 (329); Spernath, NStZ 2010, 307 (308). 666 Allgemein jenseits der Steuerdatenfälle Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 223, der eine Verwertung durch Veräußerung bejaht und gleichzeitig eine Mitteilung bei entgeltlichen Handeln für möglich hält; ähnlich Wabnitz/Janovsky/Bär, HWSt, Kap. 14, Rn. 177, der Verkaufsfälle explizit als Verwerten ansieht und in der Mitteilung die weitere Handlungsalternative sieht; in den Steuerdatenfällen Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112; Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Satzger, FS Achenbach, 447 (451); Sonn, SteuerCD-Affäre, 116 nur hilfsweise, da § 17 II Nr. 2 UWG in den Steuerdatenfällen ohnehin für irrelevant erachtet wird; Zieschang, FS Scheuing, 794 (802); vgl. auch Sieber, NJW 2008, 881 (883), der ein Mitteilen oder Verwerten annimmt und die konkrete Zuordnung offen lässt; vgl. auch LK/Tiedemann, § 263, Rn. 144, der ein Verwerten i. S. d. § 204 StGB durch den Verkauf an Strafverfolgunsbehörden für möglich erachtet. 667 In den Steuerdatenfällen G/J/W/Temming, AktG, § 404, Rn. 16; van Bühren, AnwBl 2012, 906; Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; ders./Jahn, StV 2010, 390 (391); Küpper, jurisPR-StrafR 24/2010, Anm. 2; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 544; Werner, IWB 2010, 164 (166); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75, die alle ein Verwerten durch den Datenverkauf annehmen, ohne eine Mitteilung zu thematisieren; jenseits der Steuerdatenfälle unklar bei Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 50; NK-UWG/Koehler/Hasselblatt, § 17, Rn. 63; Wabnitz/Janovsky/ Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 26, Grosch/Liebl, CR 1988, 567 (573); Többens, NStZ 2000, 505 (508); ders., WRP 2005, 552 (558), die alle den Verkauf als Standardbeispiel für das Verwerten betrachten, ohne auf das Verhältnis zur Mitteilung einzugehen.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
umstritten. Dabei wird gerade in den Steuerdatenfällen zumeist eine Tathandlung schlicht bejaht, ohne auf das Problem näher einzugehen. Das Problem lässt sich zum Teil darauf zurückführen, dass die Reichweite des Verwertungsbegriffs ohnehin umstritten ist (zur Bedeutung der wirtschaftlichen Komponente für die Verwertung siehe unten im 3. Kapitel unter B. II. 1. d) bb) (2)). Zudem bereitet die Abgrenzung zwischen Verwertung und Mitteilung Schwierigkeiten. Man könnte nun annehmen, dass die Frage der konkret einschlägigen Tathandlungsalternative bedeutungslos ist, solange sich nur zumindest eine Alternative bejahen lässt. Es handelt sich jedoch keineswegs um eine rein theoretische Frage.668 Das zeigt zunächst ein Blick auf die Systematik des § 17 UWG. So knüpft das Regelbeispiel der Auslandsverwertung an eine eigene Verwertung im Ausland beziehungsweise an das Wissen um eine fremde Auslandsverwertung bei der Mitteilung an. Die eigene Mitteilung im Ausland ist dabei jedoch nicht erfasst. Dies zeigt, dass eine präzise Bestimmung der Tathandlung erforderlich ist, zumal bereits dargelegt worden ist, dass die Begrenzungen des Regelbeispiels nicht pauschal durch Annahme eines unbenannten schweren Falls bei jeder Auslandsberührung umgangen werden können (zur Reichweite der Auslandsregelbeispiele oben in diesem Kapitel unter A. I. 5. j) bb)). Zudem besteht die Möglichkeit, dass das Mitteilen gerechtfertigt ist, während das Verwerten rechtswidrig erfolgt.669 Auch kann die Tathandlungsalternative allgemein entscheidend für die Bestimmung von Handlungs- und Erfolgsort sein, so dass sich aus der Bestimmung der Tathandlung Differenzierungen bei Fragen des Strafanwendungsrechts ergeben könnten. Es ist somit durchaus von Bedeutung, welche Tathandlungsalternative einschlägig ist. Daher wird die Frage der Tathandlungsalternative nachfolgend näher beleuchtet. Der Schwerpunkt besteht dabei in der Reichweite des Verwertungsbegriffs vor dem Hintergrund einer möglichen Abgrenzung zum Mitteilen. Zudem lassen sich die dabei gewonnenen Erkenntnisse im weiteren Verlauf der Erörterung nutzbar machen, wenn im Rahmen der Strafbarkeit der Staatsvertreter der Verwertungsbegriff von Bedeutung ist. aa) Systematische Betrachtung: Parallelproblematik Vorab werden dabei andere Geheimnisschutztatbestände in die Erörterung einbezogen, um die Problematik besser einordnen zu können und durch den Vergleich Erkenntnisse zu gewinnen. Bei einer systematischen Betrachtung stellt man fest, dass die gleiche Kontroverse auch im Rahmen anderer Geheimnis668 Für das Erfordernis einer Differenzierung allgemein auch Aldoney, Schutz von Geschäftsund Betriebsgeheimnissen, 124f., wenngleich mit anderer Begründung. 669 So auch NK/Kuhlen, § 355, Rn. 23 für die dortige Problematik.
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schutztatbestände besteht. Hierfür kommen unter anderem in Betracht §§ 203 I, V, 204 I StGB, § 355 I StGB, §§ 55a I, 55b I, II KWG sowie § 404 I, II AktG und die nach seinem Vorbild gefassten Tatbestände wie beispielsweise § 85 I, II GmbHG und § 333 I, II HGB. Dort tritt zumeist das Offenbaren an die Stelle, die das Mitteilen bei § 17 UWG einnimmt. Mit Ausnahme des § 355 StGB weisen diese Normen eine spezielle Qualifikation für das Offenbaren gegen Entgelt auf. Insgesamt ergibt sich dabei ein ähnliches Meinungsbild wie bei § 17 UWG: Die herrschende Meinung ordnet die Datenweitergabe mit Gegenleistung als Offenbaren ein – gegebenenfalls in Form der Qualifikation des Offenbarens gegen Entgelt.670 Vereinzelt werden jedoch sowohl ein Offenbaren als auch ein Verwerten bejaht, wobei teilweise eine Lösung im Wege der Gesetzeskonkurrenz gesucht wird, teilweise aber auch ein Nebeneinander bejaht wird.671 Daran erkennt man, dass die Frage bei den anderen in Betracht kommenden Tatbeständen ebenfalls keine abschließende Lösung erfahren hat. Allerdings lassen sich auf Grund der parallelen Problematik einige Argumente übertragen. Zwischen § 17 UWG und den gerade erwähnten Normen besteht jedoch ein entscheidender Unterschied, der tendenziell für die Einordnung des Verkaufs auch als Verwerten spricht: § 17 UWG kennt keine Qualifikation des Offenbarens beziehungsweise entsprechend des Mitteilens gegen Entgelt. Wenn man den Verkauf nur als Mitteilen einordnet, kommt der Aspekt der Gegenleistung im Rahmen der Tathandlung des § 17 II Nr. 2 UWG somit überhaupt nicht zum Ausdruck, während bei den übrigen Geheimnisschutztatbeständen zumindest in den Fällen einer vermögenswerten Gegenleistung die Qualifikation des Offenbarens gegen Entgelt den Gedanken der »Entlohnung« zum Ausdruck bringt. Eine Betrachtung des Offenbarens gegen Entgelt als im Verhältnis zum Verwerten speziellere Tathandlungsmodalität erscheint zumindest naheliegender als die Annahme eines Spezialitätsverhältnisses zwischen (bloßem) Mitteilen und Verwerten (dazu sogleich unter bb) (1)). Bevor die Einordnung der Verkaufsfälle jedoch endgültig bestimmt werden 670 Für §§ 203, 204 StGB BT-Drucks. 7/550, 244; Fischer, § 204, Rn. 3; NK/Kargl, § 204, Rn. 6; S/S/ Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; LK/Schünemann, § 204, Rn. 5; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (387); für § 404 AktG MK/Kiethe, AktG, § 404, Rn. 51, 65, die allerdings eingestehen, dass Wortlaut und Definition für eine Einordnung auch als Verwerten sprechen; Achenbach/Ransiek/Ransiek, HWSt, 8. Teil, Kap. 2, Rn. 22: Man beachte allerdings die Formulierung »Besteht die Verwertung in der Offenbarung gegen Entgelt …«, die suggeriert, dass es sich sehr wohl auch um eine Verwertung handelt; für § 85 GmbHG Michalski/ Dannecker, GmbHG, § 85, Rn. 56, 66; G/J/W/Otte, GmbHG, § 85, Rn. 17; GK-GmbHG/Ransiek, GmbHG, § 85, Rn. 48; für §§ 55a, 55b KWG G/J/W/Bock, KWG, § 55a, Rn. 21; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 189; für § 333 HGB G/J/W/Olbermann, HGB, § 333, Rn. 17. 671 Für § 404 AktG GK-AktG/Otto, § 404, Rn. 28; für § 333 HGB MK/Sorgenfrei, HGB, § 333, Rn. 43, 46, 75; für § 355 StGB NK/Kuhlen, § 355, Rn. 23; S/S/Perron, § 355, Rn. 15.
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kann, muss der Unrechtskern des Verwertens in Abgrenzung zum Mitteilen näher untersucht werden. bb) Meinungsstand und Bewertung Die zu der Abgrenzung von Mitteilung und Verwertung bisher vertretenen Ansichten und Begründungsansätze lassen sich in sechs Strömungen einteilen. (1) Ansicht 1: Mitteilen durch Annahme eines Spezialitätsverhältnisses Vereinzelt wird in der Mitteilung ein Unterfall der Verwertung gesehen.672 Die Konsequenz aus einer solchen Ansicht wäre, dass theoretisch beide Alternativen einschlägig wären, das Mitteilen aber auf Grund von Spezialität vorrangig wäre. Allerdings kann es meiner Meinung nach nicht überzeugen, in der Mitteilung einen Unterfall der Verwertung zu sehen. Insbesondere wenn man die Verwertung auf wirtschaftliche Nutzungen beschränkt,673 hätte eine solche Betrachtung die Konsequenz, dass auch die Mitteilung einen solchen wirtschaftlichen Aspekt aufweisen müsste. Dies widerspricht aber der anerkannten Definition der Mitteilung, bei der lediglich auf die Bekanntgabe abgestellt wird. Auch wenn man ein Verwerten jenseits wirtschaftlicher Fälle annähme, könnte man in dem Mitteilen jedoch nicht einen bloßen Unterfall sehen. Schließlich wird auch von denjenigen, die jede Nutzung ausreichen lassen, zumindest irgendeine Form von Nutzungsziehung vorausgesetzt. Im Bereich der Mitteilung gibt es jedoch auch Fälle, in denen ohne Blick auf eine Nutzung im weitesten Sinne eine Information weitergereicht wird. Die Einordnung des Mitteilens als Unterfall des Verwertens setzt sich zudem in Widerspruch zu dem weiten Verständnis674 des Mitteilens. Die dargestellte Ansicht ließe sich allenfalls noch vertreten, wenn man das Unrecht der Verwertung in der Perpetuierung der durch die Vortaten entstandenen rechtswidrigen Lage durch Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger675 sähe: Läge dem Verwerten und dem Mitteilen das gleiche Unrecht zugrunde, bestünde wenigstens ein Ausgangspunkt für Spezialitätsüberlegungen. Allerdings überzeugt das angesprochene Unrechtsverständnis nicht. Es begründet nicht, warum das Verwerten als zweite Tathandlungsalternative neben dem Mitteilen besteht und worin das besondere Unrecht des Verwertens besteht, 672 Maier, Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, 298; vgl. auch 23. DJT, Bd. I/ Alexander-Katz, 127 (153), der sich auf einen Gesetzesentwurf zum UWG bezieht, der auf ein Mitteilen oder anderweitiges Verwerten abstellt, was ebenfalls suggeriert, dass es sich bei der Verwertung um den Oberbegriff handelt; explizit gegen eine solche Einordnung jedoch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 129. 673 Ein derartiges Verständnis ist umstritten (dazu unten: 3. Kapitel, B. II. 1. d) bb) (2)). 674 Zur Weite des Mitteilungsbegriffs Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 108; vgl. auch die Definition des Mitteilens (siehe oben: 2. Kapitel A. II. 2. d)). 675 Eine solche Unrechtsbestimmung wird vertreten von HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 25; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 107.
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da die Weitergabe des Geheimnisses das spezifische Merkmal676 der Tathandlungsalternative des Mitteilens ist. Daher ist eine Unrechtsbestimmung, die auf den anwachsenden Kreis der Geheimnisträger abstellt, abzulehnen. Mithin überzeugt eine an die Spezialität der Mitteilung anknüpfende Abgrenzung nicht. (2)
Ansicht 2: Mitteilen durch das Verwertungserfordernis der Schädigung des Geheimnisherrn Eventuell könnte danach abgegrenzt werden, dass ein Verwerten das Ausnutzen des Geheimnisses dergestalt verlangt, dass ein dem Nutzen entsprechender Schaden beim Geheimnisherrn eintritt oder eintreten soll, was üblicherweise als Handeln auf Kosten des Geheimnisherrn bezeichnet wird.677 Dementsprechend wird das Unrecht des Verwertens in der Umleitung des wirtschaftlichen Vorteils vom Geheimnisherrn hin zum Profiteur des Verwertens gesehen.678 Dieses Kriterium ist in den Verkaufsfällen nicht erfüllt, da der Kaufpreis, den der Informant erhält, nicht gleichzeitig eine Entreicherung des Geheimnisherrn darstellt. So weist in den Steuerdatenfällen der Schaden, den die betroffenen Banken möglicherweise erleiden, keinen Bezug auf zur Höhe der staatlichen Geldzahlung. Insofern wäre nach dieser Ansicht die Mitteilung mit Gegenleistung nur eine Mitteilung.679 Gegen ein derart enges Verständnis wird der Wortlaut des Verwertens angeführt. So erfülle der Verkauf alle Verwertungskriterien und ein Ausschluss solcher Fälle aus dem Verwertungsbegriff sei sprachlich fernliegend.680 Für ein auf den Wortlaut gestütztes weites Verständnis spricht die Ansicht des Gesetzgebers681, der bei der Bestimmung des Verwertens im Rahmen von § 204 StGB auf § 74c StGB verweist. Dort lautet der Gesetzeswortlaut »verwertet, namentlich 676 Vgl. zur Charakteristik des Mitteilens Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 223. 677 Für § 17 UWG Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 85ff., 124; Ransiek, Unternehmensstrafrecht, 163, 167 bezogen auf § 17 UWG und diverse andere Geheimnisschutznormen; für § 204 StGB S/S/Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; ähnlich für § 85 GmbHG GK-GmbHG/Ransiek, § 85, Rn. 48; Tiedemann, GmbHG, § 85, Rn. 17; hingegen ablehnend für § 204 StGB SK/Hoyer, § 204, Rn. 8 und für § 85 GmbHG Lutter/ Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 85, Rn. 7. 678 MK/Graf, § 204, Rn. 11; S/S/Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; LK/Schünemann, § 204, Rn. 6 für § 204 StGB; Tiedemann, GmbHG, § 85, Rn. 17 für § 85 GmbHG, jedoch durchaus verallgemeinernd. 679 Für § 17 UWG Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 85ff., 124f.; für § 204 StGB S/S/Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; für § 85 GmbHG GK-GmbHG/Ransiek, § 85, Rn. 48. 680 Vgl. für § 355 StGB S/S/W/Kuhlen, § 355, Rn. 23. 681 BT-Drucks. 7/550, 244, wobei sich der Gesetzgeber selbst widerspricht, indem er das Verwerten auf Handlungen ohne Offenbarung begrenzt, dazu BT-Drucks., aaO.
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veräußert …«. Damit wird aber hervorgehoben, dass die Veräußerung ein Unterfall der Verwertung ist. Dies ist zwar ein starkes Indiz dafür, dass der Wortlaut kein engeres Verständnis verlangt, dennoch erklärt die Wortlaut-Argumentation nicht hinreichend, warum Einschränkungsversuche beispielsweise aus teleologischen Überlegungen abzulehnen sind. Daher sollte sich die Erörterung darauf konzentrieren, ob ein enges Verständnis des Verwertungsbegriffs vor dem Hintergrund des Rechtsguts und anerkannter Grundsätze zur Handhabung des Verwertens angemessen ist: Die Nutzung nach eigenen Interessen ist gerade unter Berücksichtigung des Rechtsguts, bei dem es sich nicht um das Vermögen handelt, selbst dann ein hinreichend strafwürdiges Unrecht, wenn kein spiegelbildlicher Schaden erfolgt:682 Da durch die Verkaufshandlung andere Belange als diejenigen des Geheimnisherrn ins Zentrum gerückt werden, wird das Rechtsgut beeinträchtigt. So ist das Verfügungsrecht bei jedem Ausnutzen zu nicht durch den Geheimnisherrn bestimmten Zwecken betroffen.683 Gleiches gilt, wenn man das Geheimnis an sich oder das Geheimhaltungsinteresse als Rechtsgut ansieht. Ob zusätzlich das Vermögen des Geheimnisherrn überhaupt und dann auch noch in einer dem Vorteil des Handelnden entsprechenden Höhe berührt ist, kann nicht entscheidend sein, da das Vermögen nicht das maßgebliche Rechtsgut ist. Gegen das Erfordernis der spiegelbildlichen Schädigung spricht auch die anerkannte684 Praxis, keine identische Nutzung des Geheimnisses zu verlangen. Ein Einsatz des Geheimnisses, der genau der vom Geheimnisherrn beabsichtigten Verwendung entspricht, ist somit gerade nicht erforderlich. Wenn aber auch bloße Teilnutzungen und Nutzungen durch Modifikationen erfasst sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass der Schaden des Geheimnisherrn exakt dem Vorteil des »Verwerters« entspricht. Für das Erfordernis einer spiegelbildlichen Schädigung wird darauf abgestellt, dass das Verwertungsunrecht gerade in dem Ziehen von Vorteilen, die dem Berechtigten zustünden, bestehe.685 Dem wird – meines Erachtens zu Recht – entgegengehalten, durch ein Verwerten werde das Verfügungsrecht des Ge-
682 Vgl. KK-AktG/Geilen, § 404, Rn. 63f., der sich allerdings auf Geheimnisschutztatbestände bezieht, bei denen eine Vertrauensstellung missbraucht wird; vgl. auch zu ähnlichen Erwägungen bezüglich § 204 StGB SK/Hoyer, § 204, Rn. 4, 8. 683 Vgl. für § 204 StGB SK/Hoyer, § 204, Rn. 8; vgl. auch für § 355 StGB NK/Kuhlen, § 355, Rn. 24, der betont, dass sich ein Verwerten begrifflich lediglich auf einen Nutzen bezieht, nicht jedoch auf einen Schaden beim Berechtigten. 684 BGH (ZR), GRUR 1985, 294 (296); GRUR 2002, 91; MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 124; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 50; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 54; Harte/ Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 35; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 41; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 108f. 685 Für § 204 StGB LK/Schünemann, § 204, Rn. 6.
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heimnisherrn, das heißt sein Recht zur ausschließlichen Nutzung, angegriffen.686 Oder anders gesagt: Gerade weil der Geheimnisherr das Recht zur ausschließlichen Nutzung hat, ist jede Vorteilsziehung eine, die eigentlich ihm zustünde, ohne dass es darauf ankommt, ob der Geheimnisherr eine solche Vorteilsziehung selbst vorgenommen hätte. So nimmt auch der BGH687 an, dass Geheimnisse, die unter Verletzung von § 17 UWG erlangt worden sind, überhaupt nicht verwendet werden dürfen, unabhängig von der konkreten Art und Weise und dem konkreten Zweck der beabsichtigten Verwendung. Daher kann festgestellt werden, dass für ein Verwerten keine Entsprechung zwischen dem Nutzen des »Verwerters« oder eines sonstigen Profiteurs und dem Schaden des Geheimnisherrn erforderlich ist, so dass sich die Abgrenzung zwischen Mitteilung und Verwertung nicht auf dieses Kriterium stützen kann. (3)
Ansicht 3: Mitteilen durch das Verwertungserfordernis des Einsatzes des Nutzungspotentials Teilweise wird eine Abgrenzung688 darin gesehen, dass für ein Verwerten die Vereinnahmung des Nutzungspotentials verlangt wird, was bei einer bloßen Nutzung durch Mitteilung gerade nicht vorliegen soll. Für die Einordnung nur als Mitteilen soll sprechen, dass bei dem Verkauf nicht der in dem Geheimnis verkörperte Wert realisiert werde, was aber für ein Verwerten erforderlich sei.689 Durch den Verkauf werde das Geheimsein als solches genutzt, nicht jedoch das 686 In diese Richtung für § 204 StGB SK/Hoyer, § 204, Rn. 2, 4, 8. 687 BGH (ZR) GRUR 1985, 294 (296). 688 Diese Ansicht unterscheidet sich von der zuvor diskutierten Betrachtung dadurch, dass sie weiter ist. Zwar ist die zuvor diskutierte Voraussetzung des Handelns auf Kosten des Geheimnisherrn nicht denkbar, ohne dass das Nutzungspotential eingesetzt wird, doch geht ein Handeln auf Kosten des Geheimnisherrn darüber hinaus, indem anders als bei dem bloßen Abstellen auf das Nutzungspotential zusätzlich eine spiegelbildliche Schädigung im Sinne einer Entreicherung des Geheimnisherrn verlangt wird, dazu Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 85f., wonach der Einsatz des Nutzungspotentials als gemeinsame Grundvoraussetzung angesehen werden könne. Die von der zuvor genannten Ansicht verlangte Schädigung des Geheimnisherrn kann nicht allein damit begründet werden, dass der Geheimnisherr nicht mehr exklusiv über das Nutzungspotential verfügen kann, dazu MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128; G/J/W/Otte, GmbHG, § 85, Rn. 17, die die Realisierung des Nutzungspotentials verlangen, dabei aber gleichzeitig eine Schädigung des Geheimnisherrn für nicht zwingend erachten. Dies ist meines Erachtens überzeugend, da es für Geheimnisverletzungen typisch ist, dass der Geheimnisherr anschließend nicht mehr exklusiv über das Nutzungspotential des Geheimnisses verfügen kann. Dieser Aspekt allein kann folglich nicht ausreichend sein für ein einschränkendes Merkmal wie das Erfordernis der spiegelbildlichen Schädigung. 689 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 124, 126f.; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 53ff.; G/J/W/ Otte, GmbHG, § 85, Rn. 17 verallgemeinernd auch für andere Geheimnisschutznormen; Föbus, Insuffizienz, 174f.; vgl. für ein solches Verwertungsverständnis auch Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 35, der daraus aber nicht die Ablehnung des Verwertens in den Verkaufsfällen folgert.
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Nutzungspotential.690 Mithin werde das Geheimnis nur als Träger des Werts, hingegen nicht mit seiner Aussage genutzt.691 Jedoch spricht die grundsätzlich zu begrüßende Argumentation mit der Realisierung des Nutzungspotentials aus folgenden Gründen nicht gegen die Einbeziehung der Verkaufsfälle in das Verwerten: Die Realisierung des Nutzungspotentials ist meiner Meinung nach ein überzeugendes Abgrenzungsmerkmal. Schließlich wird dadurch verdeutlicht, dass es sich bei dem durch das Verwerten angestrebten Vorteil gerade um einen Nutzen handeln muss, der aus dem konkreten Geheimnis, das heißt dem Geheimnisinhalt, fließt und nicht um jeden beliebigen, bloß im Zusammenhang mit dem Geheimnis entstandenen Nutzen. Dadurch wird auch der Wortlaut berücksichtigt und verdeutlicht, dass ein Verwerten begrifflich enger wirkt als jede beliebige Vorteilsziehung. Eine solche Grenzziehung ist aus Sicht der Bestimmtheit des Tatbestands zu begrüßen. Unabhängig davon, ob die Realisierung des Nutzungspotentials wie hier für ein Verwerten gefordert wird oder nicht, ist das Abstellen auf diesen Aspekt für die Lösung der Verkaufsproblematik jedoch nicht entscheidend, da die Verkaufsfälle nach hier vertretener Ansicht aus folgenden Gründen auch bei einem Abstellen auf das Nutzungspotential unter das Verwerten fallen: Für die Realisierung des Nutzungspotentials auch durch den Geheimnisverkauf spricht, dass die Möglichkeit des Geheimnisverkaufs gerade ein Teil des Nutzungspotentials ist.692 Dies zeigt die wirtschaftliche Realität. So gibt es auch Situationen, in denen sich Unternehmen dafür entscheiden, eine Erfindung nicht selbst in ein Produkt umzusetzen, sondern stattdessen die Erfindung an ein anderes Unternehmen zu verkaufen. In solchen Fällen würde jedoch keiner behaupten, das Unternehmen hätte nicht das Potential seiner Erfindung realisiert. Auch bildet das Geheimsein als solches zwar nicht das komplette Nutzungspotential ab, ist jedoch ein Teil des Nutzungspotentials. Ohne Geheimsein sind die meisten Nutzungen bei wirtschaftlicher Betrachtung entweder nicht möglich oder zumindest nicht sinnvoll. Eine Erfindung kann unter anderem deshalb erfolgreich und für das Unternehmen gewinnbringend umgesetzt werden, weil das Unternehmen exklusiv über sie verfügen kann, so dass zumindest ein zeitlicher Vorsprung gegenüber Mitbewerbern besteht. Daher ist das Geheimsein von entscheidender wirtschaftlicher Bedeutung. Eine solche wirtschaftliche Auslegung bietet sich an, da § 17 UWG trotz der hier befürworteten Anwendung auch auf staatliches Verhalten gerade auf die Verhältnisse von Unternehmen zugeschnitten ist. Daher 690 Föbus, Insuffizienz, 175. 691 So Boos/Lindemann, KWG, § 55a, Rn. 5 für das KWG. 692 Ähnlich auch für den Verwertungsbegriff im Schweizerischen Geheimnisschutzrecht M. Schneider, Verwertung, 122, der allerdings nicht explizit eine Realisierung des Nutzungspotentials verlangt.
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muss das Geheimsein meiner Meinung nach dann zum Nutzungspotential gerechnet werden, wenn es in Verbindung mit dem konkreten Geheimnis(inhalt) vorteilsbringend eingesetzt werden kann. Über die wirtschaftliche Betrachtung hinaus kann es insbesondere nicht überzeugen, in den Verkaufsfällen das Geheimnis lediglich als Träger des Werts anzusehen. Entgegen anderer Ansicht693 wird bei dem Verkauf gerade das Geheimnis mit seiner Aussage genutzt. Schließlich wird die Gegenleistung nicht erbracht, weil der Erwerber Kenntnis einer beliebigen geheimen Tatsache erhalten möchte, sondern gerade weil es ihm auf Informationen zu einem bestimmten Themenkomplex ankommt. Exemplarisch dafür stehen die Steuerdatenfälle, bei denen es den staatlichen Käufern regelmäßig auf bestimmte Banken aus bestimmten Staaten und insbesondere auf Informationen zu »ihren« Steuerpflichtigen ankommt. Aber auch in den für § 17 UWG klassischeren Fällen, in denen ein Forschungsergebnis verkauft wird, wird der Erwerber regelmäßig nicht nur irgendeine geheime Entdeckung erhalten wollen, sondern bestimmte Vorstellungen von dieser haben. Mithin kommt es bei Verkäufen auf das Geheimsein eines konkreten Inhalts und nicht nur auf den bloßen Umstand des Geheimseins an. Daher kann festgehalten werden, dass eine Nutzziehung aus dem Geheimsein meines Erachtens dann eine Realisierung des Nutzungspotentials darstellt, wenn zusätzlich ein Bezug der Nutzung zum Geheimnisinhalt besteht. Dass in den Verkaufsfällen das Geheimnis mit seinem Inhalt und damit gerade mit seinem Nutzungspotential eingesetzt wird, zeigt ein Vergleich zu der viel diskutierten Fallgruppe der Drohung mit einer Veröffentlichung. Während die Gegenleistung in den Verkaufsfällen, wie soeben gezeigt, für die Erlangung des Geheimnisinhalts gezahlt wird, weist die Gegenleistung in den Drohungsfällen keinen Bezug zu der Aussage auf. In solchen Fällen wird der Nutzen mithin aus dem Umstand gezogen, dass die Aussage bisher geheim ist und dass der Betroffene bereit ist, ihre Veröffentlichung zu verhindern.694 Die Nutzziehung erfolgt in diesen Fällen gerade nicht aus dem konkreten Geheimnisinhalt, sondern nur aus dem Geheimsein. In den Erpressungsfällen lässt sich der Nutzen sogar unabhängig von dem Inhalt des konkreten Geheimnisses erzielen. Es ist zumindest möglich, die geforderte Gegenleistung zu erhalten, indem man schlichtweg damit droht, für das Unternehmen pikante Details, mithin ein nicht näher bekanntes Geheimnis, zu veröffentlichen. Existieren in dem Unternehmen gewisse Geschehnisse, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollen, so ist es möglich, dass das Unternehmen glaubt, der Täter verfüge über Kenntnisse zu 693 Vgl. Boos/Lindemann, KWG, § 55a, Rn. 5 für das KWG. 694 Vgl. MK/Graf, § 204, Rn. 10; NK/Kargl, § 204, Rn. 7; LK/Schünemann, § 204, Rn. 6, die hervorheben, dass die Geldzahlung als Gegenleistung für das Schweigen erfolgt.
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gerade diesen Vorfällen und somit auf die Erpressung eingeht, obwohl der Täter seine Kenntnis nur vorgetäuscht hat. Dies zeigt, dass der in den Erpressungsfällen erzielte Vorteil kein Nutzen aus dem Geheimnis an sich ist. In den Verkaufsfällen dürfte jedoch kaum jemand Geld zahlen, wenn lediglich die Beschaffung irgendeines Geheimnisses in Aussicht gestellt wird. So ist in den Steuerdatenfällen der Ankauf in manchen Fällen erst erfolgt, nachdem die Überlassung gewisser Testdaten gezeigt hat, dass der Inhalt des Geheimnisses für den Käufer ergiebig sein könnte. Mithin zeigt gerade der Vergleich zwischen Verkaufs- und Erpressungsfällen, dass in den Verkaufsfällen das Nutzungspotential ausgeschöpft wird. Gegen die unterschiedliche Behandlung beider Fallgruppen, wie sie soeben begründet worden ist, wendet sich mit explizitem Bezug auf die Steuerdatenfälle Temming. Dafür stellt er den Verkauf der Steuerdaten dem Fall gegenüber, bei dem der Datenentweder von der betroffenen Bank Geld für die Nichtverwendung der Daten fordert. Es sei nicht zu erklären, dass der Verkauf an Dritte, beispielsweise an den Staat, ein Verwerten sei, der in den Erpressungsfällen vorgenommene »Rückkauf« durch Banken jedoch nicht unter § 17 UWG falle. Daher müsse ein Verwerten in beiden Fällen bejaht werden.695 Die Kritik greift meiner Meinung nach jedoch nicht. Zunächst überrascht es, dass Temming seine Kritik gegen eine unterschiedliche Behandlung beider Fallgruppen richtet, da diejenigen, die ein Verwerten in den Erpressungsfällen ablehnen, diese Ablehnung zumeist auch auf die Verkaufsfälle erstrecken696. Zudem überzeugt die Kritik inhaltlich nicht. Entgegen Temming lässt sich die Differenzierung, wie in den vorangehenden Erläuterungen gezeigt, damit erklären, dass in den Erpressungsfällen kein Bezug zum Geheimnisinhalt besteht. Deshalb ist die von ihm gewählte Bezeichnung des Erpressungsgeschehens als »Rückkauf« durch die Bank höchst irreführend. Durch diese Formulierung wird der zentrale Unterschied der Fälle verschleiert. Wenn die von einem Geheimnisverlust betroffenen Banken Geld an einen Erpresser zahlen, dann nicht, weil sie wie ein Käufer ein Interesse an dem Inhalt des Geheimnisses haben. Aus der Perspektive des Geheimnisses wäre die Geldzahlung völlig überflüssig. Schließlich werden die Daten regelmäßig nicht durch Mitnahme eines einzigen Originals entwendet. Daher verfügen die Banken auch nach der Datenentwendung selbst über den 695 G/J/W/Temming, AktG, § 404, Rn. 16. 696 Vgl. im Rahmen von § 17 UWG MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 127; im Rahmen von § 204 StGB Fischer, § 204, Rn. 3; MK/Graf, § 204, Rn. 9f.; NK/Kargl, § 204, Rn. 6f.; S/S/Lenckner/ Eisele, § 204, Rn. 5/6; LK/Schünemann, § 204, Rn. 5f.; im Rahmen von § 85 GmbHG G/J/W/ Otte, GmbHG, § 85, Rn. 17; vgl. auch G/J/W/Bock, KWG, § 55a, Rn. 21 für den Geheimnisschutz des KWG, der entgegengesetzt zu der hier vertretenen Differenzierung ein Verwerten durch Erpressung bejaht, während er ein Verwerten durch Verkauf auf Grund der gleichzeitig vorliegenden Offenbarung verneint.
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Inhalt des Geheimnisses.697 Da die Geldzahlung folglich erbracht wird, um ein Stillschweigen zu erreichen, zieht der Bankenerpresser anders als der Informant des Staats den Nutzen aus dem bloßen Geheimsein, nicht jedoch aus dem Geheimnisinhalt. Daher lässt sich die Differenzierung zwischen beiden Fallgruppen rechtfertigen. Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die Möglichkeit des Geheimnisverkaufs gerade einen Teil des Nutzungspotentials ausmacht, so dass nach hier vertretener Ansicht ein Verwerten durch Verkauf auch dann bejaht werden kann, wenn man die Realisierung des Nutzungspotentials für ein Verwerten voraussetzt. Eine andere Beurteilung ergäbe sich nur, wenn man eine Begrenzung des Nutzungspotentials auf die ursprünglich vom Geheimnisherrn beabsichtigte Art der Vorteilsziehung698 vornehmen würde. Dann müsste zumindest in den Steuerdatenfällen ein Verwerten durch Verkauf abgelehnt werden, da die betroffenen Banken schon allein, aber nicht nur aus rechtlichen Gründen die Kundendaten nicht verkauft hätten. Dies hätte aber die merkwürdige Konsequenz, dass gerade die Verhaltensweisen, die dem Interesse des Geheimnisherrn am meisten zuwiderlaufen und damit seine Rechtssphäre am stärksten berühren, tatbestandlich nicht erfasst würden. Desweiteren ist bereits im Rahmen der zweiten Abgrenzung gezeigt worden, dass das Recht des Geheimnisherrn zur ausschließlichen Nutzung auch dann beeinträchtigt wird, wenn eine von ihm nicht beabsichtigte Nutzung vorgenommen wird. Daher führt das Abstellen auf das Nutzungspotential nicht zu einer eindeutigen Zuordnung der Verkaufsfälle nur beim Mitteilen, sondern spricht vielmehr für eine Einordnung (auch) als Verwerten. (4) Ansicht 4: Mitteilen durch Reduktion des Verwertungsbegriffs Nach teilweise vertretener Auffassung besteht grundsätzlich ein Alternativitätsverhältnis zwischen Mitteilen und Verwerten.699 Dabei soll die Mitteilung / Offenbarung aus dem Anwendungsbereich des Verwertens herausfallen.700 Dies wird teilweise damit begründet, dass Offenbaren und Verwerten mit Blick auf das geschützte Recht abzugrenzen seien. Das Offenbaren schütze das Recht, 697 Vgl. dazu auch BGH, NStZ-RR 2011, 143 (144). 698 In diese Richtung wohl MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 124 (»zweckkonforme Ein- bzw. Umsetzung des Erkenntnisgegenstands«), Rn. 126 (»funktionsgemäße inhaltsaktivierende Handhabung«); Föbus, Insuffizienz, 174f. unter Rückgriff auf Brammsen, aaO; anders offensichtlich Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 35. 699 SK/Hoyer, § 204, Rn. 7 für §§ 203, 204 StGB, aber durchaus verallgemeinernd; GK-UWG/ Wolters, § 17, Rn. 110; vgl. auch Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 124f., der die Abgrenzung auf den Grundsatz, dass Beschäftigte befugt erlangte Geheimnisse frei verwerten dürfen, stützt, dabei aber meines Erachtens verkennt, dass § 17 II Nr. 2 auf Grund der Vortaten zwangsläufig unbefugt erlangte Geheimnisse verlangt. 700 Für §§ 203, 204 StGB SK/Hoyer, § 204, Rn. 7.
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andere von der Kenntnis auszuschließen, während sich das Verwerten auf das Recht zur eigenen Nutzung beziehe.701 Diese Abgrenzung ist sicher richtig, soweit das Mitteilen betroffen ist. Das Unrecht des Verwertens jedoch nur in der Beeinträchtigung des Rechts zur eigenen Nutzung zu sehen und eine solche Beeinträchtigung in den Steuerdatenfällen abzulehnen, ist meines Erachtens nicht überzeugend. Im Zusammenhang mit der zweiten Abgrenzung ist dargelegt worden, dass der zentrale Aspekt das Recht zur ausschließlichen Nutzung ist, was gerade durch jede fremde Nutzziehung berührt ist. Für die Annahme eines Offenbarens (gegen Entgelt) anstelle eines Verwertens wird bezogen auf § 404 AktG angeführt, dass der Unrechtsschwerpunkt in den Verkaufsfällen bei einer Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger liege.702 Dem ist meines Erachtens zu widersprechen. Derjenige, der ein Geschäftsgeheimnis nicht nur übermittelt, sondern dafür auch noch eine Gegenleistung erhält, verwirklicht ein Unrecht, welches über dasjenige der bloßen Weitergabe hinausgeht. Sobald die Geheimnisweitergabe mit einer Gegenleistung verknüpft ist, liegt eine andere Unrechtsqualität vor, was auch durch die Tathandlung ausgedrückt werden sollte. Zumindest wenn die Tathandlungsvarianten noch nicht einmal ein Offenbaren gegen Entgelt sondern lediglich ein schlichtes Mitteilen beinhalten, kann dies nur durch die Annahme des Verwertens geschehen. Das Setzen eines Unrechtsschwerpunkts wirkt willkürlich. Genauso gut ließe sich behaupten, die Verkaufsfälle hätten ihren Schwerpunkt in der eigenmächtigen Nutzung des »Verwerters«, der durch seine Vorteilsziehung das Recht des Geheimnisherrn zur ausschließlichen Nutzung beeinträchtigt. Tatsächlich aber wird das Individualrechtsgut des Geheimnisherrn bei einem Verkauf sowohl durch die Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger als auch durch die Verletzung des Rechts zur ausschließlichen Nutzung beeinträchtigt. Die Bank wird nicht nur verhindern wollen, dass ihre Geheimnisse verbreitet werden, sondern auch dass Dritte diese Geheimnisse zur eigenen Vorteilsziehung einsetzen. Auch angesichts der Lauterkeit des Wettbewerbs erscheint ein Abstellen auf beide Aspekte sinnvoll. So widerspricht es einem lauteren Wettbewerb, wenn Vorteile aus Positionen gezogen werden, die einem nicht zustehen. Mithin kann man festhalten, dass durch Mitteilen und Verwerten zwar unterschiedliche Aspekte des Geschäftsgeheimnisses angesprochen werden. Da in den Verkaufsfällen jedoch beide Gesichtspunkte betroffen sind, spricht dieser Umstand vielmehr für ein kumulatives Vorliegen beider Tathandlungsmodalitäten als für ein Alternativitätsverhältnis. Eine Reduktion des Verwertungsbegriffs ist vor diesem Hintergrund somit gerade nicht erforderlich.
701 Für §§ 203, 204 StGB SK/Hoyer, § 204, Rn. 2. 702 KK-AktG/Geilen, § 404, Rn. 59.
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(5) Ansicht 5: Verwerten Einige Stimmen bejahen in den Verkaufsfällen lediglich ein Verwerten.703 Diese Handhabung lässt sich nur realisieren, indem man Verkaufshandlungen pauschal aus dem Mitteilungsbegriff ausnimmt. Mithin wird ebenfalls ein Alternativitätsverhältnis angenommen, allerdings in entgegengesetzter Richtung zu der vorherigen Ansicht. Meiner Meinung nach ist jedoch auch dieses Alternativitätsverhältnis abzulehnen. Gegen den pauschalen Ausschluss des Mitteilens spricht, dass keine Gründe für eine Ausnahme vorliegen. Die Definition des Mitteilens trifft, wie bereits im Rahmen von § 17 I UWG gezeigt, auf die Überlassung der Steuerdaten offensichtlich zu. Zudem handelt es sich bei der Mitteilungsalternative um eine sehr weit704 zu interpretierende Tathandlung. Durch die Überlassung der Daten wird der Kreis der Geheimnisträger vergrößert, so dass auch das für die Mitteilung kennzeichnende Unrecht verwirklicht wird. Mithin kann die pauschale Verneinung des Mitteilens ebenso wenig überzeugen wie der rigorose Ausschluss der Verkaufsfälle aus dem Verwertungsbegriff. (6) Ansicht 6: Mitteilen und Verwerten Teilweise wird das gleichzeitige Vorliegen einer Mitteilung und einer Verwertung auch und gerade bezogen auf die Verkaufsfälle für möglich gehalten.705 Dies
703 In den Steuerdatenfällen G/J/W/Temming, AktG, § 404, Rn. 16; van Bühren, AnwBl 2012, 906; Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; ders./Jahn, StV 2010, 390 (391); Küpper, jurisPR-StrafR 24/2010, Anm. 2; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 544; Werner, IWB 2010, 164 (166); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75, die alle bei § 17 II Nr. 2 UWG nur ein Verwerten prüfen, ohne das Verhältnis zu einer Mitteilung zu thematisieren; jenseits der Steuerdatenfälle unklar bei Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 50; NK-UWG/Koehler/Hasselblatt, § 17, Rn. 63; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 26; Grosch/Liebl, CR 1988, 567 (573); Többens, NStZ 2000, 505 (508); ders., WRP 2005, 552 (558), die alle den Verkauf als Standardbeispiel für das Verwerten betrachten, ohne auf das Verhältnis zur Mitteilung einzugehen. 704 Zur Weite des Mitteilungsbegriffs Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 108; vgl. auch die Definition des Mitteilens (siehe oben: 2. Kapitel A. II. 2. d)). 705 Allgemein jenseits der Steuerdatenfälle Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 223, der eine Verwertung durch Veräußerung bejaht und gleichzeitig eine Mitteilung bei entgeltlichem Handeln für möglich hält; ähnlich Wabnitz/Janovsky/Bär, HWSt, Kap. 14, Rn. 177, der Verkaufsfälle explizit als Verwerten ansieht und in der Mitteilung die weitere Handlungsalternative sieht; M. Schneider, Verwertung, 122 für das Mitteilen und Verwerten im Schweizerischen Geheimnisschutzrecht; in den Steuerdatenfällen Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112; Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Satzger, FS Achenbach, 447 (451); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 116 nur hilfsweise, da § 17 II Nr. 2 in den Steuerdatenfällen ohnehin für irrelevant gehalten wird; Zieschang, FS Scheuing, 794 (802); vgl. auch Sieber, NJW 2008, 881 (883), der ein Mitteilen oder Verwerten annimmt und die konkrete Zuordnung offen lässt; vgl. auch LK/Tiedemann, § 263, Rn. 144, der hinsichtlich des Verkaufs
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überzeugt im Grundsatz. Jedoch wird das Verhältnis der beiden Tathandlungsmodalitäten zueinander kaum näher begründet, sondern meist durch schlichtes Bejahen beider Tathandlungsvarianten angenommen. Daher wird dieses Verhältnis nachfolgend präzisiert. cc) Zusammenfassung und Präzisierung der Ergebnisse Der Möglichkeit des gleichzeitigen Vorliegens von Mitteilen und Verwerten ist meines Erachtens zuzustimmen. Die Erörterung der diskutierten Abgrenzungsvarianten hat gezeigt, dass es keine überzeugenden Gründe gibt, warum eine Reduktion erforderlich ist, die die Verkaufsfälle aus dem Verwertungsbegriff ausklammert. Meines Erachtens ist es unproblematisch, wenn in manchen Fällen sowohl ein Mitteilen als auch ein Verwerten einschlägig ist. Dass mehrere Tathandlungsmodalitäten eines Tatbestands gleichzeitig vorliegen können, ist im Rahmen anderer Normen durchaus anerkannt, ohne dass in der Doppelung ein Problem gesehen wird. So wird bezogen auf § 17 II Nr. 1 UWG sowohl ein Sich-Verschaffen als auch ein Sichern bejaht, wenn (ausnahmsweise) gleichzeitig mit der Erlangung der Verfügungsgewalt eine Sicherungshandlung vorgenommen wird.706 Dieses Ergebnis wird meines Erachtens durch das Unrecht des Verwertens707 gestützt. Die Frage des typischen Verwertungsunrechts ist jedoch, wie bereits angedeutet, umstritten. Dass das Unrecht des Verwertens nicht in der spiegelbildlichen Umleitung des wirtschaftlichen Vorteils vom Geheimnisherrn zum Profiteur des Verwertens liegt,708 ist bereits bei der Ablehnung des Erfordernisses der spiegelbildlichen Schädigung des Geheimnisherrn begründet worden (siehe dazu die zweite Ansicht). Auch liegt das Unrecht des Verwertens nicht in der Erweiterung des Kreises der Geheimnisträger (siehe dazu die erste Ansicht). Eine weitere Ansicht sieht das Unrecht des Verwertens in der durch das Ausnutzen des Geheimnisses zum Ausdruck kommenden Eigennützigkeit des Handelns.709 Dem ist meines Erachtens zuzustimmen. Dabei sollte der Begriff
706 707 708 709
von Steuerdaten von einem Offenbaren und / oder Verwerten i. S. d. §§ 203, 204 StGB ausgeht. Zur Einschlägigkeit beider Modalitäten Föbus, Insuffizienz, 154. Vgl. zu einer auf das Unrecht ausgerichteten Argumentation im Rahmen von § 404 AktG KK-AktG/Geilen, § 404, Rn. 59. So aber für § 204 StGB MK/Graf, § 204, Rn. 11; S/S/Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; LK/ Schünemann, § 204, Rn. 6; für § 85 GmbHG, aber durchaus verallgemeinernd Tiedemann, GmbHG, § 85, Rn. 17. RGSt 31, 93 (95); Krüger, Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses, 140, der allerdings eine Begrenzung auf materielle Vorteilsziehungen vornimmt; ähnlich auch Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 223.
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der Eigennützigkeit jedoch präzisiert werden, da anerkannt ist,710 dass das Verwerten nicht zwingend den »Verwerter«, sondern auch einen von ihm bestimmten Dritten begünstigen kann. Folglich sollte vielmehr von einer selbst bestimmten Nutzziehung gesprochen werden. Während bei der Mitteilung die Interessen des Berechtigten durch die Verbreitung gefährdet werden, werden sie bei der Verwertung dadurch beeinträchtigt, dass der Nutzen anders als durch den Geheimnisherrn bestimmt gezogen wird und damit sein Recht zur ausschließlichen Nutzung beeinträchtigt wird.711 Dadurch dass eigene (oder ausgewählte fremde) Interessen begünstigt werden, wird die bei Taten nach § 17 II Nr. 2 UWG immer bereits vorliegende Geheimnisverletzung perpetuiert.712 Daher spricht auch die Ähnlichkeit der sogenannten Geheimnishehlerei des § 17 II Nr. 2 UWG mit der klassischen Hehlerei für die hier vorgenommene Unrechtsbestimmung, wenngleich im Rahmen von § 259 StGB713 der Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Lage mehr Gewicht beigemessen wird als der Ausnutzung. Zusammenfassend lässt sich das Verwertungsunrecht also wie folgt präzisieren: Es besteht in der Ausnutzung eines Rechtsverstoßes zu selbstbestimmten Interessen durch Realisierung des inhaltsbezogenen Nutzungspotentials714. Die vorangegangenen Erörterungen haben gezeigt, dass dieses Unrecht gerade auch verwirklicht ist, wenn der Bankmitarbeiter die Bankdaten an die Staaten verkauft. Schließlich profitiert der Verkäufer durch die Gegenleistung von der Vortat und setzt das dem Geheimnisherrn ausschließlich zustehende Nutzungspotential des Geheimnisses im eigenen Interesse ein. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob der Kaufpreis dem Verkäufer ausgezahlt wird oder ob ihm, wie teilweise geschehen, als Gegenleistung Steuerschulden in entsprechender Höhe erlassen werden, da es sich bei einem Schuldenerlass ebenfalls um einen Vermögensvorteil handelt715. 710 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 53; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 124; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 51. 711 Ähnlich auch für §§ 203, 204 StGB SK/Hoyer, § 204, Rn. 4, 7f., der allerdings trotz ähnlicher Unrechtsbestimmung ein Alternativitätsverhältnis zwischen Verwertung und Mitteilung annimmt. 712 Auf die Perpetuierung abstellend auch MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 95. 713 Zum Unrecht des § 259 StGB L/K/Kühl, § 259, Rn. 1; Arzt/Weber/Heinrich, BT, § 28, Rn. 1f.; Stree, JuS 1976, 137 (142f.); Bei der Geheimnishehlerei eine stärkere Fokussierung auf die Ausnutzung vorzunehmen ist meines Erachtens sachgerecht, da der Angriff auf das Geheimnis anders als derjenige auf eine Sache nur schwer rückgängig gemacht werden kann, die bloße Aufrechterhaltung der rechtswidrigen Lage mangels Möglichkeit zur Beseitigung des rechtswidrigen Zustands folglich nicht allein das entscheidende Element sein kann. 714 Zum Erfordernis des inhaltsbezogenen Nutzungspotentials siehe oben im Rahmen der dritten Ansicht. 715 Vgl. allgemein zur Befreiung von Verbindlichkeiten als Fall der Bereicherung Wessels/ Hillenkamp, BT 2, Rn. 584 für § 263 StGB.
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dd) Zwischenergebnis: Tathandlungen Die Erörterungen haben gezeigt, dass eine Parallelität von Mitteilen und Verwerten möglich ist. Die Überlassung der Steuerdaten stellt sowohl ein Mitteilen als auch ein Verwerten dar, wenn der Bankmitarbeiter dafür eine Gegenleistung wie den Kaufpreis erhält. Ob sich ein Verwerten nicht nur auf die Kaufpreiserlangung, sondern auch auf andere Gegenleistungsbestandteile wie einen neuen Pass oder einen Strafnachlass stützen lässt, hängt davon, ab, ob ein Verwerten einen wirtschaftlichen Vorteil verlangt. Diese Streitfrage wird im Rahmen der Amtsträgerstrafbarkeit ausführlich behandelt, da sie dort entscheidendere Bedeutung hat als hier, wo auf den ohnehin stets vorliegenden Kaufpreis abgestellt werden kann. In der späteren Erörterung wird sich zeigen, dass einer Begrenzung auf wirtschaftliche Nutzungen nicht zugestimmt werden kann (dazu unten im 3. Kapitel unter B. II. 1. d) bb) (2)). Daher können grundsätzlich auch die über den Kaufpreis hinausgehenden Gegenleistungsbestandteile zur Annahme des Verwertens herangezogen werden.716 Dies gilt sicher für die Beschaffung einer neuen Identität in Gestalt eines neuen Passes, erscheint aber zweifelhaft für in Aussicht gestellte Strafnachlässe (dazu Sachverhalt Liechtenstein III). Bisher hat es noch keinen Fall gegeben, bei dem von Seiten der Finanzverwaltung bei Datenerhalt eine Strafmilderung versprochen worden ist. Eine solche Gegenleistung ist lediglich abgelehnt worden. Dies scheint auch zwingend, da von Seiten des Finanzministeriums in einem Rechtsstaat wohl kaum Zusagen über spätere Entscheidungen der Strafgerichtsbarkeit getroffen werden können. Insoweit bleibt zu hoffen, dass ein solcher Fall auch zukünftig ausbleibt. Der einzig tatsächlich virulent gewordene Fall der Strafmilderung ist die Datenübergabe im LLB-Gerichtsverfahren gewesen. Der dortigen Datenübergabe lag noch nicht mal eine vorherige Absprache über eine Strafmilderung zugrunde. Die Daten sind von Seiten der Verteidigung schlichtweg übergeben worden in der bloßen Hoffnung, eine Strafmilderung zu erhalten. Wenn in solchen Fällen auf Basis des Strafzumessungsrechts – zum Beispiel bei Einordnung als positives Nachtatverhalten717 im Sinne des § 46 II StGB – tatsächlich eine Strafmilderung gewährt wird, ist das eine selbständige gerichtliche Entscheidung, die im Zweifel der Überprüfung durch Rechtsmittel standhalten muss, und keine Gegenleistung im
716 Dies zeigt, dass auch bei den Geheimnisschutznormen, deren Tathandlung in einem Mitteilen bzw. Offenbaren gegen Entgelt besteht, eigenständiger Raum für das Verwerten besteht, da solche nicht-wirtschaftlichen Gegenleistungsbestandteile nicht von dem Entgeltbegriff des § 11 I Nr. 9 StGB erfasst werden. 717 Gewisse Zweifel dürften an einer solchen Einordnung jedoch bestehen, zumindest dann, wenn das Strafverfahren des Bankmitarbeiters geheimnisverletzende Delikte gegen die Bank zum Gegenstand hat, da zumindest die Bank als Opfer die erneute Weitergabe des Geheimnisses wohl kaum als positives Nachtatverhalten werten wird.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Sinne des Verwertungsbegriffs.718 Angenommen werden kann insoweit folglich allenfalls ein Mitteilen.719 Für die klassischen Steuerdatenfälle kann festgehalten werden, dass ein Verwerten auf das Einsetzen des Geheimnisses zur Erlangung einer beträchtlichen Geldsumme und einer neuen Identität gestützt werden kann. Eine Besonderheit bildet dabei die Überlassung von Probedaten. Dabei werden Datensätze zu wenigen Kunden vor dem eigentlichen Datenankauf und ohne direkte Gegenleistung überlassen, damit die Steuerverwaltung die Substanz der Daten prüfen kann. Auf den ersten Blick scheint es sich bezogen auf die dabei überlassenen Geheimnisse um eine bloße Mitteilung, das heißt um eine solche ohne Gegenleistung zu handeln. Bei einer solchen Sichtweise käme ein Verwerten nicht in Betracht. Meines Erachtens liegt aber bei lebensnaher Betrachtung ein »verbundenes Geschäft« vor. Die Überlassung der Probedaten ist zwingende Voraussetzung für das Zustandekommen des Ankaufs und damit nötige Zwischenstufe für den Enderfolg des Verwertens. Da ein Verwerten nicht auf die Handlung, aus der sich unmittelbar der Vorteil ergibt, beschränkt ist, sondern auch Vorstufen erfasst,720 nimmt der Bankmitarbeiter folglich bereits im Zusammenhang mit den Probedaten eine Verwertung der von ihm erlangten Geheimnisse vor. Der spätere Kaufpreis beinhaltet sozusagen die Entlohnung für die Testdaten, so dass man auch diesbezüglich von einem Verwerten sprechen kann. f) Unbefugtheit Weitere Voraussetzung ist die Unbefugtheit der Verwertung beziehungsweise Mitteilung, wobei die Unbefugtheit auch hier als der Hinweis auf das allgemeine Rechtfertigungsmerkmal verstanden wird,721 so dass auf die späteren Erörterungen verwiesen werden kann.
718 Offen gelassen bei Satzger, FS Achenbach, 447 (453), der im LLB-Fall die Rechtswidrigkeit verneint, ohne das Vorliegen der Tathandlungen zu erörtern. 719 Ein Mitteilen kommt meines Erachtens im Ergebnis dann, aber auch nur dann in Betracht, wenn die Informationen aus eigenem Antrieb überlassen worden sind und nicht auf prozessualem Wege z. B. als Teil einer Zeugenaussage oder durch eine Beschlagnahme zum Gericht gelangt sind, da in diesen Fällen zumindest eine Rechtfertigung anzunehmen sein dürfte. 720 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 50; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 54; Wabnitz/ Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 26. 721 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 133; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 114; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 520; Mühlbauer, wistra 2003, 244 (247); Wawrzinek, Verrrat, 244.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
g) Besondere subjektive Merkmale Auch hier ist wieder an die subjektiven Merkmale des Handelns aus Eigennutz722 und zu Gunsten Dritter723 zu denken. Da sich sowohl § 17 I als auch § 17 II Nr. 2 UWG auf den Verkauf der Daten beziehen, kann für die Erörterung der subjektiven Merkmale grundsätzlich auf das zu § 17 I UWG herausgearbeitete Ergebnis verwiesen werden. Dort ist auch bereits gezeigt worden, dass entgegen Heine724 kein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs vorliegt. Zur Schädigungsabsicht gilt erneut, dass es hier sehr auf den Einzelfall ankommt und es in vielen Konstellationen an der Absicht fehlen dürfte. Anders ist die Sachlage im Fall Liechtenstein II zu beurteilen. Dort hat Heinrich Kieber, der als ehemaliger Mitarbeiter nur unter § 17 II Nr. 2 UWG fällt, im Laufe der Auseinandersetzung mit öffentlichen Stellen Liechtensteins, insbesondere dem Fürsten als Miteigentümer der LGT, einen so großen Hass auf die Führung Liechtensteins und der LGT entwickelt,725 dass man von Absicht vor allem bezüglich einer Rufschädigung der LGT ausgehen kann. Ruf- und Ehrschädigungen sind als Fälle immaterieller Nachteile ebenfalls erfasst.726 Zusammenfassend kann man folglich feststellen, dass auch bei § 17 II Nr. 2 UWG bezogen auf die bisher bekannten Sachverhalte zumindest ein subjektives Merkmal vorliegt. h) Strafzumessung: Besonders schwere Fälle In Betracht kommt ein gewerbsmäßiges Handeln727 ebenso wie das Wissen um eine Auslandsverwertung728 beziehungsweise die eigene Vornahme729 einer solchen. aa) Gewerbsmäßigkeit (§ 17 IV Nr. 1 UWG) Dass Gewerbsmäßigkeit zumindest möglich ist (abhängig von der Häufigkeit der Verkäufe), ist bereits bei der Erörterung von § 17 I UWG gezeigt worden. Da es sich sowohl bei § 17 I UWG als auch bei § 17 II Nr. 2 UWG um Taten der Datenverwendung handelt, ergibt sich hier die gleiche Beurteilung. 722 Heine, FS v. Büren, 917 (921); ders., ASA 2010/2011, 525 (532); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Sieber, NJW 2008, 881 (882); Trüg, StV 2011, 111 (112); Werner, IWB 2010, 164 (166). 723 Sieber, NJW 2008, 881 (882). 724 Heine, ASA 2010/2011, 525 (532f.). 725 Vgl. Kieber, Tatsachenbericht, 553ff., insbes. 630ff. zu der Einstellung Heinrich Kiebers. 726 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 54; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 32; Harte/ Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 17; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 27; Piper/Ohly, § 17, Rn. 25; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 57; Achenbach/Ransiek/ Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 78; Wittig, WStR, § 33, Rn. 51. 727 Trüg, StV 2011, 111 (112); Werner, IWB 2010, 164 (166). 728 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Trüg, StV 2011, 111 (112). 729 Stoffer, Ermittlungsverfahren, 543.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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bb) Auslandsbezug (§ 17 IV Nr. 2, 3 UWG) Zudem kommen die an den Auslandsbezug anknüpfenden Regelbeispiele in Betracht. § 17 IV Nr. 2 UWG setzt voraus, dass der Täter bei der Mitteilung des Geheimnisses weiß, dass das Geheimnis im Ausland verwertet werden soll. Die herrschende Meinung nimmt an, dieses Regelbeispiel sei bei § 17 I und § 17 II Nr. 2 UWG in der Variante des Mitteilens anzuwenden, da eine Mitteilung als Tathandlung vorausgesetzt sei.730 Nach anderer Ansicht ist das Regelbeispiel zwar bei § 17 I UWG anzuwenden, bei § 17 II Nr. 2 UWG jedoch nur bei der ersten oder dritten Variante.731 Da es nur zwei Tathandlungen gibt, scheint sich die Bemerkung auf die Vortaten zu beziehen. Es ist jedoch kein Grund ersichtlich, warum das Regelbeispiel von der Art der bemakelten Datenbeschaffung abhängen soll. Entscheidend ist vom Wortlaut her nur, dass das Wissen um den Auslandsbezug bei der Mitteilung vorliegt. Daher ist das Regelbeispiel auf § 17 II Nr. 2 Alt. 2 UWG anzuwenden, auch wenn wie in den Steuerdatenfällen die Bemakelung der Geheimnisbeschaffung überwiegend auf die zweite Vortatvariante gestützt wird. Insoweit ergibt sich hier die gleiche Bewertung wie bei § 17 I UWG: Mit Blick auf die in Deutschland geplante Verwertung durch die deutschen Amtsträger kommt zwar nicht die Annahme des Regelbeispiels, aber ein unbenannter schwerer Fall in Betracht. Da die Übergabe der Daten an die Amtsträger, wie gezeigt, gleichzeitig als Verwertung zu qualifizieren ist, kommt zusätzlich das Regelbeispiel der Nr. 3 in Betracht, das auf die erste Tathandlungsvariante des § 17 II Nr. 2 UWG anzuwenden ist.732 Dabei wird vorausgesetzt, dass der Täter selbst das Geheimnis im Ausland verwertet. Ort der Verwertung ist der Übergabeort, der regelmäßig nicht in Deutschland liegt. Daher ist der Auslandsbegriff nach der Definition des StGB zu bejahen. Da der ausländische Ankaufsort üblicherweise nicht in dem Land liegt, in dem die betroffene Bank ansässig ist, liegt sogar nach der auf Grund der eindeutigen Legaldefinition nicht maßgeblichen Perspektive des Geheimnisses (dazu siehe oben in diesem Kapitel unter A. II. 2. i) bb)) eine Verwertung im Ausland vor. Der herausgearbeitete Grund der Strafschärfung trifft somit auch in diesen Fällen zu. Folglich kommt bezogen auf die Tathandlung des Verwertens sogar ein benannter schwerer Fall in Betracht.733
730 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 147; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 81; HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 29; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 126. 731 Pfeiffer, FS Nirk, 861 (889f.). 732 Zum Anwendungsbereich des Regelbeispiels MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 149; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 81; HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 29. 733 So im Ergebnis auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 543.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
i) Ergebnis: § 17 II Nr. 2 UWG Der Tatbestand des § 17 II Nr. 2 UWG ist durch den Datenverkauf verwirklicht.734 Dabei ist gegebenenfalls an eine Strafschärfung zu denken, sofern überhaupt deutsches Strafrecht anwendbar ist (dazu unten unter E.). Da eine Strafbarkeit nach § 17 II Nr. 2 UWG in den Steuerdatenfällen regelmäßig vorliegen wird, ist § 17 I UWG für die Informantenstrafbarkeit weitestgehend irrelevant, zumindest wenn man wie hier vertreten von Gesetzeskonkurrenz zwischen § 17 I und § 17 II Nr. 2 UWG ausgeht und in letzterem Delikt das intensivere Unrecht erblickt.
4.
§ 19 II Var. 1 UWG: Erbieten zum Verrat
Vereinzelt wird zumindest für gewisse Sachverhaltskonstellationen ein Erbieten zum Verrat angenommen.735 Das Erbieten ist ein Unterfall des in § 19 II Var. 1 UWG unter Strafe gestellten Sichbereiterklärens.736 In Fällen, in denen sich der Informant zunächst bei den staatlichen Stellen gemeldet und später über den Zwischenschritt der Probelieferung die Daten ausgehändigt hat, sei ein Erbieten gegeben, da die Überlassung an sich eine Mitteilung von Geschäftsgeheimnissen im Sinne des § 17 UWG sei und die Probelieferung dazu eine für § 19 UWG relevante Vorstufe darstelle. Dabei wird das Verhältnis zwischen § 19 II und § 17 II Nr. 2 UWG mit Tateinheit beschrieben.737 Einer solchen Argumentation ist meines Erachtens zu widersprechen. Sie verkennt das Verhältnis zwischen § 19 II UWG und den Delikten der Datenmitteilung. Wenn die Mitteilung später tatsächlich erfolgt, bleibt kein Raum für § 19 II UWG. So wird der Anwendungsbereich des Erbietens auch auf Fälle der erfolglosen Bereitschaftsbekundung begrenzt,738 zumindest aber die Subsidia734 Zu einem ähnlichen Befund gelangen im Ergebnis Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1190; Benkert, FS Schiller, 27 (30); Beulke, StrafprozessR, Rn. 481; van Bühren, AnwBl 2012, 906; Gössel, FS Puppe, 1377 (1379ff.); Heine, ASA 2010/2011, 525 (531ff.); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391); Joecks, SAM 2011, 21; Kauffmann, JA 2010, 597; Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13f.); Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Satzger, FS Achenbach, 447 (449ff.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296); Sieber, NJW 2008, 881f.; Spatscheck, FS Volk, 771 (779); Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Trüg, StV 2011, 111 (112); ders./Habetha, NStZ 2008, 481 (489); dies., NJW 2008, 887 (889); Werner, IWB 2010, 164 (166); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75, allerdings teilweise ohne jegliche Begründung. 735 Wohl Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119), wobei unklar bleibt, ob seiner Ansicht nach nur eine Strafbarkeit der Amtsträger nach § 19 II UWG oder auch der Bankmitarbeiter in Betracht kommt. 736 Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 135. 737 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119). 738 Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (396); Brammsen, in: Unternehmen, 69 (94), beide noch zu der Vorgängernorm des § 20 UWG.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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rität von § 19 UWG angenommen.739 Dies zeigt, dass § 19 UWG für die hier interessierenden Fälle der tatsächlich erfolgten Datenweitergabe ohne eigenständige Bedeutung ist. Dieser Befund ändert sich auch nicht, wenn man wie Koblenzer740 die Probelieferung gesondert betrachtet. Koblenzer nutzt die in manchen Fällen des Datenankaufs erfolgte Überlassung einiger Probedaten um ein Vorstadium zur Geheimnismitteilung zu konstruieren und damit die Relevanz von § 19 UWG zu begründen. Dabei wird aber verkannt, dass bereits die probehalber überlassenen Datensätze ein Geheimnis darstellen und somit bereits durch die Probedaten ein Tatbestand des § 17 UWG verwirklicht wird (dazu siehe oben in diesem Kapitel unter A. I. 5. c) aa) (3)), so dass mit einer solchen Argumentation ein Bedürfnis für § 19 UWG nicht begründet werden kann. § 19 UWG kann folglich für die Steuerdatenfälle nicht gewinnbringend herangezogen werden.
5.
§§ 203, 204 StGB: Verletzung von Privatgeheimnissen
In den Steuerdatenfällen nur selten diskutiert wird eine Strafbarkeit nach § 203 StGB wegen Verletzung von Privatgeheimnissen. Zwar ist sowohl ein Geheimnis741 als auch die Tathandlung des Offenbarens zu bejahen, da sich insoweit eine Parallele zu § 17 UWG ergibt, doch wird die Norm, wenn sie überhaupt erwogen wird, mit pauschalem Verweis auf den Täterkreis abgelehnt.742 Wie die folgenden Erwägungen zeigen werden, ist dieses zwar bezogen auf die Affäre Kieber als Paradefall der entwendeten Steuerdaten richtig, lässt sich jedoch nicht pauschal auf alle eingangs geschilderten Beispielssachverhalte übertragen. a) Banken Mitarbeiter von Banken zählen nach der abschließenden Auflistung des § 203 StGB grundsätzlich nicht zum Täterkreis. Zwar werden Mitarbeiter von Sparkassen und Landesbanken üblicherweise als Amtsträger oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete im Sinne des § 11 I Nr. 2 / 4 StGB und damit 739 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 19, Rn. 3; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 19, Rn. 24; Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 112; Gloy/HarteBavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 59; Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 232; Wawrzinek, Verrat, 270. 740 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119). 741 Wie bereits im Rahmen von § 17 UWG erwähnt, ist bei § 203 StGB der Schutz »illegaler Geheimnisse« weitestgehend akzeptiert, dazu S/S/W/Bosch, § 203, Rn. 5; S/S/Lenckner/ Eisele, § 203, Rn. 7; LK/Schünemann, § 203, Rn. 27; Schmitz, JA 1996, 772 (775). 742 So bei Gössel, FS Puppe, 1377 (1386); Spernath, NStZ 2010, 307; hingegen sieht Sonn, Steuer-CD-Affäre, 54ff. grundsätzlich die Möglichkeit der Begehung durch Rechtsanwälte und ihre Mitarbeiter, scheint dies jedoch vielmehr auf allgemeine Konstellationen des Whistleblowings zu beziehen und stellt keinen Bezug zu den Steuerdatenfällen her.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
als taugliche Täter des § 203 II Nr. 1 / 2 StGB angesehen,743 doch gilt dieses nur für nach deutschem Recht bestellte Personen,744 so dass darüber keine Strafbarkeit von Mitarbeitern der liechtensteinischen Landesbank begründet werden kann. Trotz der teilweise erhobenen Forderung,745 Bankmitarbeiter de lege ferenda in den Kreis des § 203 I StGB aufzunehmen, verbleibt es für die bisherigen Steuerdatenfälle bei der Erkenntnis, dass eine Strafbarkeit wegen Verletzung von Privatgeheimnissen durch Bankmitarbeiter im Regelfall ausscheidet. b) Treuhandunternehmen Allerdings gibt es einen praktisch durchaus relevanten Ausnahmefall. Gerade in sogenannten »Steueroasen« werden Anlagegeschäfte nicht in jedem Fall über Banken, sondern häufig auch über Treuhandunternehmen abgewickelt. Die fehlende Täterqualität im Rahmen von § 203 I StGB betrifft zwar grundsätzlich auch Mitarbeiter von Treuhandunternehmen. Anders muss die Beurteilung meines Erachtens dann ausfallen, wenn es sich bei den Treuhandunternehmen um Rechtsanwälte handelt, wie es in der Praxis häufig der Fall ist (vgl. den eingangs geschilderten Batliner-Fall). Schließlich zählen Rechtsanwälte gemäß § 203 I Nr. 3 zu den erfassten Berufsgruppen. Die Tätigkeit des Treuhänders ist zumeist nicht nur begrenzt auf rein wirtschaftliche Beratungen, sondern beinhaltet daneben rechtliche Tätigkeiten (gerade bezogen auf die in den Steuerdatenfällen häufig relevanten Stiftungen), so dass in diesem Zusammenhang erlangte Geheimnisse auch als im Rahmen des rechtsanwaltsspezifischen Verhältnisses erlangt anzusehen sind. Nach § 42 I EuRAG stehen unter anderem für § 203 I, III–V StGB »europäische Rechtsanwälte« Rechtsanwälten im Sinne des deutschen Begriffs gleich. Nach der Legaldefinition des § 1 EuRAG sind »europäische Rechtsanwälte« natürliche Personen, die berechtigt sind als Rechtsanwälte unter einer der in der Anlage zum EuRAG genannten Berufsbezeichnungen selbständig tätig zu sein. Daher findet § 203 StGB auch Anwendung, soweit Rechtsanwälte aus der EU, aus Liechtenstein oder aus der Schweiz betroffen sind.746 Folglich ist eine Anwendung bezogen auf die wichtigsten europäischen Steueroasen möglich. Damit ist beispielsweise ein Mitarbeiter des Treuhänders Batliner in Verbindung mit § 203 III 2 StGB ein tauglicher Täter des § 203 StGB, wobei in derartigen Fällen je nach Sachverhalt noch die Qualifika743 Fischer, § 11, Rn. 22b, § 203, Rn. 24; LK/Schünemann, § 203, Rn. 71; Otto, wistra 1999, 201 (202). 744 Fischer, § 11, Rn. 17. 745 Für eine Einbeziehung von Banken de lege ferenda Tiedemann, FS Kohlmann, 307 (317). 746 Vgl. die Anlage zum EuRAG; Das EuRAG dient der Umsetzung eines Abkommens mit Bezug zum EWR, zu dem auch Liechtenstein zählt. Die Schweiz ist zusätzlich an diesem Abkommen beteiligt.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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tion des § 203 V StGB (Handeln gegen Entgelt, mit Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht) eingreift. Aus den im Zusammenhang mit dem Verwertungsbegriff des § 17 UWG dargelegten Gründen (dazu oben in diesem Kapitel unter A. II. 3. e) dd)) kommt auch ein Verwerten nach § 204 StGB in Betracht, da die Qualifikation des Offenbarens gegen Entgelt die nicht vermögensbezogenen Teile der Gegenleistung nicht erfasst. c) Strafantrag (§ 205 I 1 StGB) Nach § 205 I 1 StGB ist ein Strafantrag erforderlich. Eine Möglichkeit, den fehlenden Strafantrag durch das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu kompensieren, besteht anders als beispielsweise bei § 202a StGB und § 17 UWG nicht. d) Ergebnis: §§ 203, 204 StGB Insoweit hat die Verletzung von Privatgeheimnissen für einen Teilbereich der Steuerdatenfälle durchaus Relevanz, wenngleich die in der gegenwärtigen Diskussion im Zentrum stehenden Banken zumindest de lege lata nicht erfasst werden. Mithin eignet sich die Norm nicht dazu, eine allgemeingültige Aussage über die Strafbarkeit der Datenweitergabe in den üblichen Steuerdatenfällen zu begründen. 6.
Weitere nebenstrafrechtliche Geheimnisschutznormen
Nach Sonn747 sind in den Steuerdatenfällen weitere Normen des Nebenstrafrechts, die das Offenbaren und / oder Verwerten von Geheimnissen für einen speziellen Täterkreis unter Strafe stellen (beispielsweise § 404 AktG, § 85 GmbHG, § 333 HGB, § 151 GenG, § 315 UmwG), einschlägig, wenn der Informant ausnahmsweise über die dort jeweils vorausgesetzten Tätermerkmale verfügt. Erstens dürfte es, wie auch Sonn erkennt, vergleichsweise selten sein, dass der Informant zu den dort beschriebenen Tätern zählt. Bereits aus diesem Grund sind die speziellen Geheimnisschutznormen für die Steuerdatenfällen von derart geringer Bedeutung, dass eine ausführliche Erörterung entbehrlich erscheint. Hinzu kommt, dass sich die speziellen Geheimnisschutznormen teilweise auf inländische Gesellschaftsformen beziehen und daher auch nur Gesellschaften mit Sitz im Inland oder Gesellschaften in Abhängigkeit zu einer inländischen Gesellschaft schützen,748 während für die Steuerdatenfälle gerade der Bezug zu 747 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 123f. 748 Zum Schutzbereich der Normen für § 404 AktG BGHSt 42, 243 (248); MK/Kiethe, AktG, § 404, Rn. 2; Erbs/Kohlhaas/Schaal, AktG, § 404, Rn. 2; für § 85 GmbHG Baumbach/Haas,
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
ausländischen Banken charakteristisch ist. Daher können die weiteren nebenstrafrechtlichen Strafbestimmungen zum Geheimnisschutz in den Steuerdatenfällen vernachlässigt werden. 7.
§§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 / Nr. 3 Var. 3 BDSG: Datenverarbeitung / Datenverschaffung
Weiterhin ist eine Strafbarkeit des Bankmitarbeiters wegen unbefugter Datenverarbeitung nach §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 BDSG und unbefugter Datenverschaffung gemäß §§ 44 I, 43 II Nr. 3 Var. 3 BDSG möglich.749 a) Anwendungsbereich, Täterkreis, Tatobjekt Wie bereits bei der Strafbarkeit der Datenbeschaffung erörtert, ist das BDSG trotz der transnationalen Dimension des Sachverhalts anwendbar. Auch sind die BDSG-Delikte nicht subsidiär gegenüber den Straftatbeständen des § 17 UWG. Auch § 203 StGB ist nicht vorrangig, da ein Geheimnis und personenbezogene Daten nicht zwangsläufig deckungsgleich sind und § 203 StGB einen eigenen Unrechtsgehalt verkörpert.750 Als Jedermannsdelikte sind die datenschutzrechtlichen Strafnormen auch auf den Bankmitarbeiter anzuwenden. Zudem handelt es sich bei den Kundendaten um nicht allgemein zugängliche personenbezogene Daten. b) Tathandlungen Fraglich ist jedoch, ob der Verkauf der Daten an die Strafverfolgungsbehörden von den Tathandlungsmodalitäten des § 43 BDSG erfasst ist. aa) Verarbeiten durch Übermitteln In Betracht kommt dabei zunächst eine Datenverarbeitung nach § 43 II Nr. 1 Alt. 2 BDSG in Form der Datenübermittlung. Übermitteln ist in § 3 IV 2 Nr. 3 BDSG legaldefiniert. In den Steuerdatenfällen ist lediglich die Variante der Nr. 3a, das heißt die Bekanntgabe der Daten durch Datenweitergabe an einen Dritten, von Bedeutung. Dritte sind in diesem Fall die deutschen Amtsträger. Eine Weitergabe ist stets zu bejahen, wenn die Daten in den Bereich des Dritten gelangen.751 Durch die Übergabe haben die Amtsträger die Verfügungsgewalt GmbHG, § 85, Rn. 1; MK/Hohmann, GmbHG, § 85, Rn. 2; für § 151 GenG MK/Kiethe, GenG, § 151, Rn. 1. 749 Erörtert z. B. bei Gössel, FS Puppe, 1377 (1395f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 72ff.; Zieschang, FS Scheuing, 794 (804); vgl. auch Trüg, StV 2011, 111 (112), bei dem unklar bleibt, ob sich eine mögliche Strafbarkeit auf die Datenbeschaffung oder die Datenweitergabe bezieht. 750 Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 44, Rn. 4; Simitis/Ehmann, § 44, Rn. 2; anders aber in den Steuerdatenfällen Sonn, Steuer-CD-Affäre, 64. 751 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 146.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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über die Daten begründet, so dass die Weitergabe erfolgt ist. Ein Übermitteln liegt auch dann vor, wenn der Übermittelnde die Daten behält.752 Daher ist es unerheblich, ob der Bankmitarbeiter noch über Kopien der Daten verfügt. Nach der Legaldefinition muss es sich bei den weitergegebenen Daten aber um solche handeln, die entweder gespeichert oder durch Datenverarbeitung gewonnen sind. Befinden sich die Daten auf einem Datenträger, handelt es sich um gespeicherte Daten. Auf Grund der äußerst weiten Definition der Verarbeitung personenbezogener Daten (vgl. Art. 2 lit. a) der Datenschutzrichtlinie) ist davon auszugehen, dass die untechnisch erfassten Daten zumeist durch Datenverarbeitung gewonnen sind. Zudem zielt die Regelung der Weitergabe gerade darauf ab, alle Formen der Informationsbekanntgabe zu erfassen753. Daher ist der Datenverkauf an die deutschen Amtsträger als Verarbeiten in der Form des Übermittelns zu qualifizieren.754
bb) Drittverschaffung Weiterhin könnte die Datenüberlassung eine Drittverschaffung im Sinne des § 43 II Nr. 3 Var. 3 BDSG darstellen. Dazu müssen die Daten so in den Bereich des Dritten gelangen, dass dieser die Daten entweder zur Kenntnis nimmt oder die Möglichkeit der späteren Kenntnisnahme, Nutzung oder Verfügung erhält.755 Durch die Entgegennahme der Daten-CD oder von Unterlagen in Papierform erhalten die Amtsträger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme und Nutzung. Allerdings müssen die Daten unmittelbar aus einer automatisierten Verarbeitung oder aus einer nicht automatisierten Datei entnommen werden, damit von einem Verschaffen gesprochen werden kann. Dass sie aus den genannten Quellen stammen, reicht für ein Verschaffen nicht aus.756 Die Übergabe eines aus einer EDV-Anlage angefertigten und damit bereits aus dem Organisationszusammenhang herausgelösten Datenträgers erfüllt die Voraussetzung der Unmittelbarkeit nicht. Gleiches gilt für die Übergabe einzelner, zufällig ansichgenommener Unterlagen ohne Zusammenhang, hinsichtlich derer schon das SichVerschaffen durch den Bankmitarbeiter verneint worden ist (dazu oben in diesem Kapitel unter A. I. 6. d) dd)). Ein Verschaffen kann damit lediglich angenommen werden, wenn die Informationen unter Beibehaltung des Organisationszusammenhangs übermittelt werden, beispielsweise wenn die gesamte Kundendatei bei der Bank entwendet und als entsprechendes Original weitergegeben wird. Ein solches Vorgehen ist aber bei lebensnaher Betrachtung un752 753 754 755 756
Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 147. Zum Umfang der Regelung Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 145. So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 72f. Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 64. Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 43, Rn. 21; Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 64.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
wahrscheinlich. Daher ist eine Drittverschaffung in den Steuerdatenfällen regelmäßig abzulehnen.757 c) Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG Für das Vorliegen einer Straftat muss das Handeln des Bankmitarbeiters entweder gegen Entgelt erfolgen oder von Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht getragen sein. aa) Handeln gegen Entgelt Der Verkauf macht die Weitergabe der Daten gerade von dem Vorliegen einer vermögenswerten Gegenleistung abhängig und ist damit ein klassischer Fall des Handelns gegen Entgelt, so dass dieses Merkmal in den Steuerdatenfällen regelmäßig zu bejahen ist,758 allerdings, wie im Zusammenhang mit dem Verwertungsbegriff des § 17 UWG erörtert, nur hinsichtlich solcher Gegenleistungsbestandteile, denen eine vermögenswerte Komponente innewohnt, nicht jedoch hinsichtlich immaterieller Komponenten wie der Identitätsverschaffung. bb) Schädigungsabsicht Hinsichtlich einer Schädigungsabsicht bezogen auf die Bank kann auf das zu § 17 I UWG Ausgeführte verwiesen werden. Demnach ist das Vorliegen einer Schädigungsabsicht abhängig vom Einzelfall. Gleiches gilt für eine mögliche Schädigungsabsicht hinsichtlich der Bankkunden, da auch die für die Bankkunden zu erwartenden Nachteile (Strafverfolgung, Steuernachzahlungen, Ansehensverlust) keine notwendigen Zwischenziele auf dem Weg zur Erlangung des Kaufpreises darstellen. Im Ergebnis hängt es somit von der jeweiligen subjektiven Einstellung des Bankmitarbeiters ab, ob diese Nachteile mit Absicht herbeigeführt werden.759 cc) Bereicherungsabsicht In Betracht kommt weiterhin das Vorliegen von Bereicherungsabsicht. Dazu muss das Verhalten auf das Erlangen eines Vermögensvorteils ausgerichtet sein.760 Dies ist bei dem durch den Verkaufserlös motivierten Bankmitarbeiter zu bejahen.761 Auch der Erlass von Steuerschulden ist ein Vermögensvorteil,762 so dass auch in dieser Konstellation von Bereicherungsabsicht auszugehen ist. 757 Anders Sonn, Steuer-CD-Affäre, 76, der die Frage der Unmittelbarkeit nicht erörtert und daher eine Drittverschaffung bejaht. 758 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 78. 759 Missverständlich Sonn, Steuer-CD-Affäre, 80f., der zunächst die Schädigungsabsicht bejaht (80), dann jedoch Zweifel hinsichtlich der Absicht äußerst (81). 760 G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 4. 761 So auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1395f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 78ff.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Nach vorzugswürdiger Ansicht763 ist die Rechtswidrigkeit der angestrebten Bereicherung nicht erforderlich, da erstens die Rechtswidrigkeit anders als beispielsweise bei § 263 StGB bei der Bereicherungsabsicht des BDSG nicht explizit genannt wird und zweitens angesichts der informationellen Selbstbestimmung als Rechtsgut entscheidend gerade der durch Vermögensvorteile motivierte Datenmissbrauch ist. Ob die Kaufpreiszahlung der Strafverfolgungsbehörden befugt erfolgt ist, kann demnach in diesem Zusammenhang dahinstehen.764 Bereicherungsabsicht liegt vor. d) Unbefugtheit Hinsichtlich der Unbefugtheit kann auf die späteren Erörterungen im Rahmen der Rechtswidrigkeit verwiesen werden. e) Strafantrag (§ 44 II 1 BDSG) Nach § 44 II 1 BDSG ist ein Strafantrag erforderlich. f) Ergebnis: §§ 44 I, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG Der Verkauf der Daten stellt eine Datenverarbeitung in Form der Übermittlung dar und verwirklicht somit den Tatbestand des §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 BDSG.765 In den Fällen, in denen bereits die Datenbeschaffung ein BDSG-Delikt darstellt, dürfte die Weiterleitung als mitbestrafte Nachtat zurücktreten.
8.
§ 266 I StGB: Untreue
Einzelne Stimmen halten eine Untreuestrafbarkeit im Rahmen der Steuerdatenfälle zumindest für erörterungswürdig.766 Dabei kommt selbstverständlich nur eine Untreue zu Lasten der betroffenen Bank in Betracht, da gegenüber den Kunden seitens der Mitarbeiter keine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich möglicher Steuerzahlungen beziehungsweise Steuervermeidungen besteht.767 Anerkannt ist, dass der Verrat von Wirtschaftsgeheimnissen eine Untreue 762 Vgl. allgemein zur Befreiung von Verbindlichkeiten als Fall der Bereicherung Wessels/ Hillenkamp, BT 2, Rn. 584 für § 263 StGB. 763 Simitis/Ehmann, BDSG, § 44, Rn. 6; G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 4; gerade bezogen auf die Steuerdatenfälle Gössel, FS Puppe, 1377 (1396); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 79f.; a. A. Erbs/ Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 44, Rn. 2; bezogen auf die Steuerdatenfälle Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664); Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Satzger, FS Achenbach, 447 (456). 764 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 79f. 765 So im Ergebnis auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1395f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 72ff. 766 Kühne, GA 2010, 275 (276); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308) zumindest inzident; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 57ff. 767 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 58.
190
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
zum Nachteil des betroffenen Unternehmens darstellen kann.768 So ist sogar Ende des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Diskussion um die Einführung einer Strafnorm zur Sanktionierung des Geschäftsgeheimnisverrats angenommen worden, dass derartige Fälle ohnehin als Untreue zu erfassen seien, so dass das Bedürfnis für eine eigenständige Norm fehle.769 Dass in den Steuerdatenfällen ausländische Banken betroffen sind, ist für den Schutzbereich der Untreue bedeutungslos, da das durch § 266 StGB geschützte Vermögen770 als Individualrechtsgut unabhängig von der Nationalität des Rechtsgutsträgers geschützt ist (dazu siehe oben in diesem Kapitel unter A. I. 5. c) cc) (c)). Im Rahmen der Steuerdatenfälle kommt dem Untreuetatbestand jedoch aus den folgenden Erwägungen keine bedeutende Rolle zu.
a) Ablehnung des Missbrauchstatbestands Der Missbrauchstatbestand771 ist meines Erachtens in den Steuerdatenfällen zu verneinen. § 266 I Alt. 1 StGB setzt eine Verpflichtungs- oder Verfügungsbefugnis voraus. Der Missbrauchstatbestand zielt somit auf rechtsgeschäftliche Handlungen mit Bezug zu fremden Vermögen ab.772 Der Bankmitarbeiter handelt bei seinen Geschäften mit dem deutschen Staat jedoch ohne einen solchen Bezug zu fremden Vermögen. Er schließt ganz offensichtlich nicht im Namen der Bank einen Kaufvertrag mit dem deutschen Staat, sondern handelt in eigenem Namen. Zudem fehlt es in den Steuerdatenfällen an einem zivilrechtlich wirksamen Geschäft zwischen dem Bankmitarbeiter und der Käuferseite, da sich die in der Datenweitergabe liegenden Rechtsverstöße zivilrechtlich in Gestalt von § 134 und § 138 BGB auswirken.773 Kennzeichnend für den Missbrauchstatbestand ist jedoch ein im Außenverhältnis wirksames Rechtsgeschäft.774 Daher ist der 768 Dazu Kiethe/Hohmann, NStZ 2006, 185 (190); Sering, StraFo 2009, 445 (447f.); Wittig, WStR, § 33, Rn. 27. 769 19. DJT, Bd. III/Katz, 255 (258). 770 Zum Rechtsgut Fischer, § 266, Rn. 2. 771 Im Rahmen allgemeiner Überlegungen zum Zusammenhang zwischen § 17 UWG und § 266 StGB sehen hingegen Kiethe/Hohmann, NStZ 2006, 185 (191) in Fällen von Geheimnisverletzungen den Missbrauchstatbestand als typisch an; ähnlich wie hier hingegen im Rahmen allgemeiner Überlegungen Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (391). 772 Fischer, § 266, Rn. 9f. 773 Zur zivilrechtlichen Beurteilung des Kaufvertrages Spernath, NStZ 2010, 307ff., der die Nichtigkeit des Vertragsschlusses meines Erachtens überzeugend begründet; vgl. zu zivilrechtlichen Folgen auch Kühne, GA 2010, 275 (283). 774 Fischer, § 266, Rn. 24; L/K/Heger, § 266, Rn. 5; Müller-Gugenberger/Hadamitzky, WStR, § 32, Rn. 46.
Tatbestandsspezifische Aspekte
191
Missbrauchstatbestand für die Untreuestrafbarkeit des Bankmitarbeiters ohne Relevanz. b)
Annahme des Treubruchstatbestands nur in Ausnahmefällen: Fehlen einer Vermögensbetreuungspflicht Mithin kommt einzig der Treubruchstatbestand in Betracht. Dieser verlangt keine rechtsgeschäftlichen Handlungen, sondern lässt grundsätzlich jede tatsächliche Einwirkung auf fremdes Vermögen ausreichen.775 Eine solche Einwirkung könnte in der Weitergabe der Bankdaten an die Staaten liegen, da diese, auch wenn die ihr zugrundeliegenden Rechtsgeschäfte gerade nicht im Namen der Bank geschlossen worden sind, nachteilige Auswirkungen auf das Bankvermögen haben kann. Im Rahmen des Treubruchstatbestands erweist sich jedoch die für die Untreue charakteristische Vermögensbetreuungspflicht als entscheidendes Problem: Kaum anzunehmen ist eine Vermögensbetreuungspflicht unabhängig von der Stellung des Mitarbeiters zunächst dann, wenn die maßgebliche Handlung nach Beendigung des Dienstverhältnisses vorgenommen worden ist. Bei beendeten Dienstverhältnissen wird üblicherweise davon ausgegangen, dass die Vermögensbetreuungspflicht gleichfalls erloschen ist.776 Wie die eingangs geschilderten Beispielsfälle zeigen, findet die Weiterleitung des Geheimnisses meist nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses statt. Auch jenseits der geschilderten Sachverhalte dürfte ein solches Verhalten den Regelfall darstellen. Schließlich wurzelt die Preisgabe der Informationen meist in negativen Vorkommnissen, die gleichfalls zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geführt haben. Zudem scheidet eine Vermögensbetreuungspflicht von vornherein aus, sofern der Informant ein Außenstehender ist. Doch auch bei Handlungen während eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses erweist sich die Vermögensbetreuungspflicht als problematisch. Die Vermögensbetreuungspflicht kann keinesfalls aus allgemeinen arbeitsvertraglichen Pflichten hergeleitet werden. Es bedarf einer qualifizierten Stellung, bei der die Pflicht zur Wahrung fremder Vermögensinteressen als wesentliche Pflicht mit eigenem Gestaltungsspielraum und gewisser Dauerhaftigkeit erscheint.777 Vielfach handelt es sich bei den Datenentwendern um Bankmitarbeiter, die auf niedriger Ebene beschäftigt sind, so beispielsweise im Fall des mit Archivierungsarbeiten beauftragten Heinrich Kieber. In einem solchen Fall fehlt jeglicher eigenständiger Entscheidungsspielraum, zumal auch der Vermögens775 Fischer, § 266, Rn. 33. 776 Allgemein für das Zusammenspiel von Untreue und Geheimnisverletzungen Dannecker, BB 1987, 1614 (1618); Kohlrausch, ZStW 1930 (50), 30 (39f.). 777 BGHSt 3, 289 (293f.); 4, 170ff.; 5, 187 (188f.); Fischer, § 266, Rn. 21; L/K/Heger, § 266, Rn. 8.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
bezug der Tätigkeit äußerst gering ist. Somit ist eine Vermögensbetreuungspflicht auf Basis der anerkannten Kriterien in solchen Fällen eindeutig abzulehnen. Einzelne Stimmen in der Literatur778 vertreten hingegen bei Geheimnisverletzungen den Standpunkt, dass eine Vermögensbetreuungspflicht bei jedem unter Verweis auf den Geheimnischarakter mitgeteilten Geschäftsgeheimnis anzunehmen sei. Für die Konstellationen der Steuerdatenfälle, in denen die Bankangestellten sich das Geheimnis selbständig verschafft haben, obwohl sie im Rahmen ihrer Tätigkeit keinen Zugang dazu haben sollten, ist diese Ansicht ohnehin bedeutungslos, da dort keine Mitteilung des Geschäftsgeheimnisses statt gefunden hat. Relevanz kann diese Mindermeinung nur in den Steuerdatenfällen erlangen, in denen der jeweilige Bankmitarbeiter zunächst befugtermaßen mit dem Geheimnis in Berührung gekommen ist. Doch ist eine derart weitgehende Ansicht, die die zur Konkretisierung der Vermögensbetreuungspflicht entwickelten Kriterien unberücksichtigt lässt, meines Erachtens gerade vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Bedenken779 gegen die Weite des Treubruchstatbestands schwer vertretbar. Somit wird die Vermögensbetreuungspflicht im Regelfall der Steuerdatenfälle zu verneinen sein. Eine andere Beurteilung ergibt sich lediglich, wenn die Datenweitergabe während eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses und durch einen Bankangestellten mit dem für die Vermögensbetreuungspflicht erforderlichen vermögensbezogenen Gestaltungsspielraum erfolgt. Eine solche Position dürfte zwar durchaus auch noch jenseits der Leitungsebene angenommen werden können, keinesfalls aber bei jedem Sachbearbeiter. Die bisher vorliegenden Sachverhalte haben gezeigt, dass eine Datenweitergabe typischerweise durch Mitarbeiter unterer Hierarchieebenen erfolgt.780 Bei lebensnaher Betrachtung dürfte sich daran zukünftig kaum etwas ändern. Schließlich hat die Erschließung zusätzlicher Einnahmequellen in Gestalt der Daten für leitende Angestellte auf Grund ihres höheren Gehalts einen geringeren Reiz. Zudem sind die Informanten vielfach aus Angst vor Strafverfolgung und den Repressalien der Betroffenen nach ihrer Tat in den Untergrund »abgetaucht«, was für leitende Bankangestellte mit gesicherter Position eine vergleichsweise unattraktive Zukunftsaussicht sein dürfte. Allerdings zeigt das Beispiel von Rudolf Elmer – immerhin Chefbuchhalter seiner Bankniederlassung –, dass vereinzelt auch Mitarbeiter in höheren Positionen in Steuerdatenfälle verwickelt sind. Wenn von 778 Kiethe/Hohmann, NStZ 2006, 185 (191); für eine Begrenzung auf Leitungsfunktionen jedoch Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (391); Kohlrausch, ZStW 1930 (50), 30 (39). 779 Dazu BVerfGE 126, 170 (228ff.); BVerfG, NStZ 2009, 560, (560, 562); Fischer, § 266, Rn. 33; ders., StraFo 2010, 329 (335). 780 Ähnlich Sonn, Steuer-CD-Affäre, 59.
Tatbestandsspezifische Aspekte
193
solchen Mitarbeitern anders als im Fall Elmer während der Beschäftigungszeit und damit während des Bestehens der Vermögensbetreuungspflicht Daten weitergegeben werden, ist auch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht anzunehmen, da die Wahrung von Geheimnissen als Bestandteil der Vermögensfürsorgepflicht von Führungskräften anzusehen ist.781 Da nicht auszuschließen ist, dass in Einzelfällen Mitarbeiter mit einer Vermögensbetreuungspflicht Daten weitergeben, sollen nachfolgend noch einige Überlegungen zum Vermögensschaden angestellt werden. c) Relevanz des Vermögensschadens in Ausnahmefällen Sollte ausnahmsweise die Vermögensbetreuungspflicht bejaht werden können, ist weiterhin ein Vermögensschaden der Bank als Arbeitgeber erforderlich. So kann grundsätzlich ein Vermögensschaden durch den Wertverlust, den die Geschäftsgeheimnisse durch Offenbarung erleiden, begründet werden. Geschäftsgeheimnisse haben einen eigenen Wert und sind dem Vermögen zuzurechnen.782 Der Wert solcher Informationen liegt gerade in der Vertraulichkeit,783 so dass die Geheimnisse bei Bekanntwerden wirtschaftlich praktisch wertlos sind.784 Ein eigener Wert von Geschäftsgeheimnissen wird allerdings nur angenommen, soweit nicht Rechte der vom Geheimnis Betroffenen zu wahren sind.785 In den Steuerdatenfällen dürfte es daher schwierig sein, einen Schaden gestützt auf den Wertverlust der Kundendaten im engeren Sinne anzunehmen. Dies zeigt folgende Vergleichsüberlegung: Diese Unternehmensgeheimnisse könnten anders als beispielsweise Unternehmenserfindungen oder sonstiges Knowhow nie Bestandteil eines Verkaufs werden, da insoweit die Kundenrechte zu wahren wären. Allenfalls hinsichtlich des in manchen Fällen übermittelten Materials über Arbeitsweisen der Banken, das keinen Bezug zu konkreten Kunden aufweist, könnte der Gedanke des Wertverlusts eingreifen. Doch handelt es sich dabei nicht um das Kernproblem der Steuerdatenfälle, so dass dem Gedanken hier nicht weiter nachgegangen wird. Für die Grundkonstellation der Steuerdaten781 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 59. 782 MK/Hefendehl, § 263, Rn. 455; NK/Kindhäuser, § 263, Rn. 235; LK/Tiedemann, § 263, Rn. 142. 783 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 61f. 784 Vgl. allgemein zur Offensichtlichkeit eines Schadens durch Geheimnishehlerei und Geheimnisverrat Kiethe/Hohmann, NStZ 2006, 185 (191); Sering, StraFo 2009, 445 (448); dagegen Ransiek, ZStW 2004 (116), 634 (663f.), der das unmittelbare und sichere Bevorstehen einer schädigenden Nutzung verlangt, damit § 266 StGB nicht stets mit § 17 UWG einhergehe, wogegen meines Erachtens jedoch schon der Täterkreis des § 17 UWG (jeder oder jeder Angestellte) spricht, der weiter ist als bei § 266 StGB (nur Angestelllte mit Vermögensbetreuungspflicht), so dass eine Zwangsläufigkeit ohnehin nicht bestünde. 785 MK/Hefendehl, § 263, Rn. 456; NK/Kindhäuser, § 263, Rn. 235.
194
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
fälle kann ein Vermögensschaden nicht durch das Abstellen auf den Wertverlust, den ein Geschäftsgeheimnis bei einer Offenbarung erleidet, begründet werden. Allerdings ist bereits an anderen Stellen dargelegt worden, dass das Verhalten des Informanten nachteilige Auswirkungen auf das Vermögen der Bank haben kann, insbesondere durch Reputationsschäden, drohende Kundenverluste und den damit verbundenen Abzug des Kundenvermögens sowie durch mögliche Regressforderungen der Kunden. Somit scheint ein für § 266 StGB erforderlicher kausaler Vermögensnachteil zumindest in Gestalt der Vermögensgefährdung durch die Datenweitergabe möglich. Hinsichtlich möglicher Reputationsschäden verweist jedoch Sonn786 meines Erachtens zu Recht darauf, dass es sich dabei nicht nur um schwer feststellbare, sondern auch um äußerst mittelbare Vermögensnachteile handelt, das heißt um solche Auswirkungen, die nur durch eigenmächtige Folgehandlungen Dritter (Publikwerden des Ankaufs, Medienberichterstattung, etc.) eintreten. Dieser Aspekt spricht dafür, dass ein Schaden im Sinne des Untreuetatbestands ausscheidet. An der geforderten787 Unmittelbarkeit des Schadens zweifeln könnte man aber auch, soweit der Abzug des Kundenvermögens und mögliche Schadensersatzforderungen betroffen sind. Schließlich sind nach der Datenweitergabe noch weitere Handlungen erforderlich, damit ein Schaden eintritt. Ob Kunden ihr Vermögen in bedeutendem Umfang abziehen, ist ebenso deren selbständige Entscheidung wie die Frage, ob sie von der Bank auf Grund des Datenverlusts Schadensersatz verlangen. Zudem hängen mögliche Regressforderungen788 von der noch nicht abschließend geklärten Beurteilung der Gerichte ab. Diese Argumente sprechen meines Erachtens dagegen, in den Steuerdatenfällen einen für § 266 StGB relevanten Vermögensschaden durch die Weitergabe anzunehmen: Gerade vor dem Hintergrund der für § 266 StGB fehlenden Versuchsstrafbarkeit sollte das Kriterium der Unmittelbarkeit des Schadens ernst genommen werden.789 So wird meines Erachtens zu Recht argumentiert,790 dass eine konkrete Vermögensgefährdung nur angenommen werden könne, sofern die Möglichkeit des unmittelbaren Übergangs in den endgültigen Schaden gegeben sei. Hinge786 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 60ff., der jedoch ausschließlich Reputationsschäden erörtert und andere möglicherweise schadensrelevante Ansatzpunkte außer Acht lässt. 787 Fischer, StraFo 2008, 269 (271f.); Saliger, HRRS 2006, 10 (13, 20); Müller-Gugenberger/ Hadamitzky, WStR, § 32, Rn. 179b; a. A. Neye, NStZ 1981, 369 (370), der auch alle mittelbaren Schäden in den Schadensbegriff einbezieht. 788 Zu Schadensersatzforderungen der Bankkunden Schwärzler/Wagner/Frommelt, SAM 2010, 2ff., wonach das Kernproblem in der Einordnung von Steuernachzahlungen und Strafen als Schaden liegt. 789 Zur fehlenden Versuchsstrafbarkeit als Grund für eine strenge Handhabung des Unmittelbarkeitskriteriums Saliger, HRRS 2006, 10 (20). 790 So von Saliger, HRRS 2006, 10 (20).
Tatbestandsspezifische Aspekte
195
gen sei eine Vermögensgefährdung ausgeschlossen, wenn der endgültige Schaden zunächst weitere selbständige Handlungen durch den Täter, das Opfer oder durch Dritte voraussetze. Doch sind gerade die Anforderungen an die Unmittelbarkeit des Vermögensschadens höchst strittig,791 so dass auch die gegenteilige Auffassung vertretbar erscheint. d) Keine Untreue durch Datenbeschaffung Ist die Annahme einer Untreuestrafbarkeit durch die Datenweitergabe nach dem zuvor Festgestellten schon problematisch, so muss eine Untreue durch die Datenbeschaffung792 erst Recht ausscheiden. Zwar findet die Datenbeschaffung häufiger während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses statt, so dass eine Vermögensbetreuungspflicht etwas wahrscheinlicher erscheint, wenngleich sie dennoch auf Grund der fehlenden Eigenverantwortung des Bankmitarbeiters nicht besonders häufig sein dürfte. Jedoch scheitert eine Untreuestrafbarkeit jedenfalls daran, dass allein durch die Datenbeschaffung kein Vermögensnachteil eintritt. Die bloße Mitwisserschaft eines dazu Nicht-Befugten oder die Verfügungsmacht über Informationen mag eine gefühlte oder auch reale Bedrohung für den Geheimnischarakter sein, stellt aber keine messbare Minderung des Geheimniswerts und damit keine Schädigung des Vermögens dar, da bei bloßer Kenntniserlangung durch einen Mitarbeiter noch nicht von einem generellen Verlust der Vertraulichkeit auszugehen ist.793 In diesem Stadium erscheint es bei reiner Betrachtung des Resultats der Tathandlung »Datenbeschaffung« noch möglich, dass der Mitarbeiter nur aus Neugier oder Profilierungsdrang Kenntnis von dem Geheimnis erlangen möchte und keine weitergehende Verwendung beabsichtigt. Von der inneren Einstellung und den weiteren Absichten kann jedoch die Feststellung des Schadens auf Grund des Charakters als objektives Tatbestandsmerkmal nicht abhängig sein. Allenfalls möglich erscheint ein Vermögensnachteil794 in Gestalt der Vermö791 Vgl. dazu BayObLG, wistra 1996, 28 (30) für ein sehr weites Verständnis des Unmittelbarkeitskriteriums; entgegengesetzt für ein sehr enges Verständnis Saliger, HRRS 2006, 10 (13, 20); ähnlich restriktiv auch Ransiek, ZStW 2004 (116), 634 (663f.); vermittelnd hingegen S/S/Perron, § 266, Rn. 45b, wonach ein Untreueschaden auch bei mittelbarer Verursachung anzunehmen sei, sofern die Schädigung auf ein sach- oder pflichtgemäßes Drittverhalten zurückgeführt werden könne. 792 Unklar, aber wohl in Richtung einer Untreue durch Beschaffung der Steuerdaten Schünemann, NStZ 2008, 305 (308): »CD das Produkt einer … Untreue«. 793 Zudem sind die im Rahmen eines Schadens durch den Verkauf gemachten Ausführungen zum Geheimniswert bei Betroffenheit dritter Personen zu berücksichtigen. 794 Vgl. zum Vermögensnachteil durch Datenbeschaffung jenseits der Steuerdatenfälle Sering, StraFo 2009, 445 (448), der die Frage, ob ein Vermögensnachteil im engeren Sinne, eine Vermögensgefährdung oder kein Schaden anzunehmen ist, im Ergebnis offen lässt.
196
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
gensgefährdung. Ungeachtet des Streits795 um Bezeichnung und Anwendungsbereich der Vermögensgefährdung ist diese jedoch auf Grund der Weite des Untreuetatbestands restriktiv auszulegen, um verfassungsrechtlichen Anforderungen gerecht zu werden.796 Hinzu kommt, dass die Vermögensgefährdung Konstellationen betrifft, in denen lediglich unklar ist, welche Auswirkungen die Tathandlung zeitigt, wobei das möglicherweise schädigende Verhalten als solches abgeschlossen ist, weitere schädigende Handlungen folglich nicht mehr vorgenommen werden. Die Vermögensgefährdung fängt mithin Unsicherheiten bezüglich der Handlungsfolgen auf,797 nicht bezüglich weiterer Handlungen.798 Bei der Datenbeschaffung handelt es sich jedoch um einen Fall, bei dem durch das bisherige Verhalten kein Schaden eintritt, sondern lediglich unklar ist, ob es noch zu weiteren Handlungen, die einen Schaden verursachen würden, kommt. Wenn aber noch weitere Handlungen des Täters für die Annahme eines Schadens erforderlich sind, fehlt es an der für eine Vermögensgefährdung erforderlichen799 sicheren Tatsachengrundlage. Daher liegt in Fällen der Datenbeschaffung keine Vermögensgefährdung vor : Die bloße Beschaffung hat keine negativen Auswirkungen auf das Vermögen der Bank. Wenn solche durch weitere Handlungen wie die Datenweitergabe entstehen, ist auf eine Untreue durch eben diese Handlungen abzustellen. e) Ergebnis: § 266 I StGB Abschließend kann man feststellen, dass die Untreuestrafbarkeit des Bankmitarbeiters in den Steuerdatenfällen beinahe bedeutungslos ist.800 Zum einen kommt eine Untreue ohnehin nur in Betracht, wenn der Bankmitarbeiter ausnahmsweise ein leitender Angestellte ist und die Daten während seiner Beschäftigungszeit weitergibt. Zum anderen wird durch die Datenweitergabe nach hier vertretener Ansicht kein Schaden im Sinne des Untreuetatbestands verursacht. Eindeutig fehlt es an einem Vermögensnachteil, soweit die Datenbeschaffung betroffen ist.
795 Dazu Chr. Becker, HRRS 2009, 334ff.; Fischer, StraFo 2010, 329 (334f.). 796 BVerfGE 126, 170 (229); BVerfG, NStZ 2009, 560 (560, 562); Saliger, HRRS 2006, 10 (17, 20). 797 Ähnlich Arzt/Weber/Heinrich, BT, § 20, Rn. 100 für die Vermögensgefährdung im Rahmen von § 263 StGB. 798 BVerfG, NStZ 2009, 560 (561f.); ähnlich restriktiv wie hier für Fälle der Untreue durch Geheimnisverletzung Ransiek, ZStW 2004 (116), 634 (637, 639, 663f.); vgl. auch Saliger, HRRS 2006, 10 (20) allgemein zu den Anforderungen an eine schadensgleiche Vermögensgefährdung. 799 Dazu BVerfG, NStZ 2009, 560 (562). 800 Tendenziell ablehnend gegenüber einer Strafbarkeit auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 62; tendenziell wohlwollender jedoch Kühne, GA 2010, 275 (276); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308).
Tatbestandsspezifische Aspekte
9.
197
Konkurrenzen und Gesamtergebnis
Auf Grund der bisherigen Erwägungen ist zu konzedieren, dass durch den Datenverkauf jedenfalls § 17 II Nr. 2 UWG verletzt ist. Bei einem noch bei der Bank beschäftigtem Mitarbeiter kommt zusätzlich § 17 I UWG in Betracht, der jedoch im Wege der Gesetzeskonkurrenz von § 17 II Nr. 2 UWG verdrängt wird. In seltenen Sachverhaltskonstellationen kann § 203 StGB einschlägig sein. Zudem liegt eine unbefugte Datenverarbeitung nach §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 BDSG in der Form der Übermittlung vor. Zwischen den jeweiligen Delikten besteht Tateinheit.801 Erörtert werden muss weiterhin das Konkurrenzverhältnis zwischen den Taten der Datenerlangung und den an den Verkauf anknüpfenden Taten. Für das Verhältnis zwischen § 17 II Nr. 1 UWG und § 17 II Nr. 2 UWG werden eine tatmehrheitliche Verwirklichung,802 das Zurücktreten der Datenerlangungstaten unter dem Gesichtspunkt der mitbestraften Vortat803 sowie das Zurücktreten der Delikte der Datenweitergabe als mitbestrafte Nachtaten804 in Betracht gezogen. Vertreten wird auch eine Gesamtbetrachtung zwischen Datenerlangung und Weitergabe des gleichen Geheimnisses und somit das Vorliegen von nur einer Tat unter dem Gesichtspunkt der natürlichen Handlungseinheit.805 Gegen die Annahme einer natürlichen Handlungseinheit spricht zumindest in den Steuerdatenfällen meiner Meinung nach der Umstand, dass zum Zeitpunkt der Datenerlangung zumeist noch kein genauer Plan hinsichtlich der weiteren Verwendung vorgelegen hat und sowohl das Ob als auch die genauen Konditionen des Ankaufs von dem Ausgang der Verhandlungen mit den kontaktierten Staaten abhängig und daher bei der Erlangung noch unklar gewesen sind. Das Geschehen stellt sich somit nicht als einheitlicher Gesamtvorgang dar. Gegen die Annahme, die Taten der Datenweitergabe seien mitbestrafte Nachtaten, spricht das besondere Unrecht, das gerade in der eigennützigen Weitergabe liegt (dazu 801 Zu Tateinheit zwischen § 203 StGB und einer Mitteilung nach § 17 UWG Erbs/Kohlhaas/ Diemer, UWG, § 17, Rn. 59; zur Tateinheit zwischen § 203 StGB und den BDSG-Delikten vgl. die Ausführungen zur fehlenden Subsidiarität des BDSG oben in diesem Kapitel unter A. I. 6.; zu dem Verhältnis von § 17 I und § 17 II Nr. 2 UWG siehe oben in diesem Kapitel unter A. II. 3. a). 802 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 106, 142; Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 42. 803 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 76; Wawrzinek, Verrat, 281; ähnlich auch OLG Celle, NStZ 1989, 367 (368) mit der Annahme der Subsidiarität von § 17 II Nr. 1 UWG; in den Steuerdatenfällen Spernath, NStZ 2010, 307 (308); widersprüchlich Ambos, Beweisverwertungsverbote, 112, Fn. 670, der einerseits von einer mitbestraften Nachtat ausgeht, andererseits die Verdrängung der Beschaffungstaten (also der Vortaten) annimmt. 804 HK-UWG/Kotthoff/Gabel, § 17, Rn. 23; Föbus, Insuffizienz, 167. 805 Allerdings nur bei Vorliegen eines Gesamtplans GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 121; Liebl/ Müller/Wabnitz, Betriebs-Spionage, 274.
198
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
oben in diesem Kapitel unter A. II. 3. e) cc)). Zudem zeigt der Umstand, dass § 17 II Nr. 2 UWG mit dem »Vortaterfordernis« explizit auf die Beschaffung der Daten Bezug nimmt, dass das Beschaffungsunrecht in der Geheimnishehlerei aufgeht806 und nicht umgekehrt. Dass § 17 II Nr. 1 UWG im Verhältnis zu § 17 II Nr. 2 UWG als mitbestrafte Vortat angesehen wird, ist folglich schlüssig. So kommt der Gedanke der unbefugten Erlangung im Rahmen der Geheimnishehlerei schon durch das Vortaterfordernis zum Ausdruck. Aus den gleichen Gründen erscheint es plausibel §§ 202a, 242, 246 StGB, die zwar nicht das gleiche Rechtsgut wie § 17 II Nr. 2 UWG schützen,807 doch immerhin den gleichen Träger des Rechtsguts, ebenfalls als mitbestrafte Vortaten zu betrachten. So verweist schon die Möglichkeit einer sonstigen unbefugten Geheimnisverschaffung oder Geheimnissicherung im Rahmen von § 17 II Nr. 2 UWG auf möglicherweise verwirklichte Vortaten. Dies zeigt, dass es sich bei den Vortaten der Datenbeschaffung um Delikte handelt, die typischerweise im Zusammenhang mit § 17 II Nr. 2 UWG begangen werden808.
B.
Vorsatz des Bankmitarbeiters
Bei lebensnaher Betrachtung dürften keine Zweifel daran bestehen, dass der Bankmitarbeiter vorsätzlich gehandelt hat.809
806 Dazu Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 59. 807 Der Einordnung als mitbestrafte Vortat steht es nicht entgegen, dass Haupt- und Begleittat verschiedene Rechtsgüter schützen, dazu MK/von Heintschel-Heinegg, Vor §§ 52ff., Rn. 56. Auch ist der Umstand, dass § 242 StGB eine im Vergleich zu § 17 II Nr. 2 UWG höhere Höchststrafe vorsieht und damit das grundsätzlich schwerwiegendere Delikt darstellt, kein zwingender Hinderungsgrund für die Einordnung als mitbestrafte Vortat, da gegebenenfalls auch das leichtere Delikt dominieren kann, dazu MK/von HeintschelHeinegg, Vor §§ 52ff., Rn. 49 für die Konsumtion, deren Grundsätze für die mitbestrafte Vortat herangezogen werden können, dazu aaO, Rn. 61. 808 Der typische Zusammenhang zwischen Haupt- und Begleittat wird zur Begründung der Konsumtion herangezogen, dazu LK/Rissing-van Saan, Vor § 52, Rn. 145, und ist für die Einordnung als mitbestrafte Vortat relevant, da dafür auf die Grundprinzipien der Konsumtion zurückgegriffen werden kann, dazu MK/von Heintschel-Heinegg, Vor §§ 52ff., Rn. 61; LK/Rissing-van Saan, Vor § 52, Rn. 149. 809 So Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (391) für § 17 II Nr. 2 UWG.
Rechtfertigung
C.
199
Rechtfertigung
Auch die Frage einer möglichen Rechtfertigung wird in der Debatte um entwendete Steuerdaten kontrovers erörtert. Dabei ergibt sich ein breites Meinungsspektrum.810 Eine Differenzierung zwischen den Delikten der Datenbeschaffung und den Taten der Datenweitergabe wird nachfolgend angesprochen, sofern sich bei den einzelnen Rechtfertigungsgründen Unterschiede in der Bewertung ergeben. Da sich die meisten Wertungsaspekte hingegen auf beide Bereiche beziehen, erfolgt keine vollständig getrennte Erörterung beider Anknüpfungspunkte. Nicht erforderlich ist es zudem zwischen Überlassung der Probedaten und der Weitergabe des Hauptdatensatzes zu differenzieren.811 Wie bereits mehrfach erläutert, gilt für die Probedaten im Grundsatz die gleiche Bewertung wie für den Hauptdatensatz. Daran ändert sich auch im Bereich der Rechtfertigung nichts. Wenn das Überlassen der Datensammlung nicht gerechtfertigt ist, ist kein Grund ersichtlich, eine solche Rechtfertigung für die Probedaten anzunehmen, zumal bereits gezeigt worden ist, dass sich der Kaufpreis im Ergebnis auch auf die Probedaten bezieht.
I.
Recht zur Anzeige (§ 158 StPO)
Ein zentraler Aspekt bei der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters liegt in der Frage einer möglichen Rechtfertigung durch ein Recht zur Anzeige.812 1.
Anzeigerecht als Rechtfertigungsgrund?
Grundsätzlich wird jedem Bürger das Recht zugestanden, strafbare Handlungen anzuzeigen mit der Folge, dass eine wahrheitsgemäße Anzeige kein strafbares 810 Eine Rechtfertigung der Datenweitergabe ablehnend Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (661); Pawlik, JZ 2010, 693 (698); hingegen bejahend Kaiser, NStZ 2011, 383 (388) wohl bezogen auf die Weitergabe und die Beschaffung; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304) bezogen auf die Weitergabe; erstaunlicherweise kommt jedoch Werner, IWB 2010, 164 (166) zu dem Ergebnis, dass Rechtfertigungsgründe »nicht ersichtlich« seien. 811 Eine Differenzierung andeutend hingegen Sieber, NJW 2008, 881 (882). 812 Erörtert z. B. bei Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; Benkert, FS Schiller, 27 (34); Heine, ASA 2010/2011, 525 (533); ders., FS Roxin 80, 1087 (1095); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Kaspar, GA 2013, 206 (214); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Pawlik, JZ 2010, 693 (698, Fn. 68); Satzger, FS Achenbach, 447 (451f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191f.); Sieber, NJW 2008, 881 (882); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 167, 185ff.; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 546f.; Trüg, StV 2011, 111 (112); Wulf, PStR 2012, 33 (39).
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Unrecht darstellt.813 Anerkannt ist, dass ein Recht zur Anzeige und ein Rechtfertigungsgrund im Rahmen des § 17 UWG besteht, wenn sich der Anzeigende andernfalls strafbar machen würde, das heißt vor allem im Bereich des § 138 StGB.814 Ob jedoch darüber hinaus eine Befugnis zur Offenbarung besteht, wenn der Mitteilende zur Geheimhaltung verpflichtet ist, ist umstritten. So wird teilweise argumentiert, das Anzeigerecht sei jenseits der Fälle des § 138 StGB gerade keine Anzeigepflicht815 und könne daher auch nur bei Offenbarungspflichten, insbesondere bei § 138 StGB, von der Geheimhaltungspflicht entbinden. Zu den in § 138 StGB aufgelisteten Taten gehöre Steuerhinterziehung nun einmal nicht.816 Andere Autoren dehnen hingegen das Anzeigerecht und damit die Rechtfertigung nach § 158 StPO aus, sofern nicht unerhebliche Straftaten betroffen sind.817 Das Geheimhaltungsinteresse soll umso eher zurücktreten können, je größer die Gefahr einer Wiederholung ist. Bei rein repressiven Anzeigen soll eine Rechtfertigung jedoch nur in besonders gravierenden Fällen in Betracht kommen.818 In den Steuerdatenfällen ließe sich mit Blick auf die zukünftig zu befürchtenden Steuerhinterziehungen aber wohl eine präventive Wirkung der Anzeige bejahen. Gerade in den Steuerdatenfällen argumentieren Satzger, Schroth und Ostendorf, dass generell jeder zur Mitteilung an Strafverfolgungsbehörden befugt sei, so dass nur bei einer Geheimhaltungsverpflichtung des Mitteilenden ein Bedürfnis für eine Abwägung und somit nach einem speziellen Rechtfertigungsgrund bestehe. Eine solche Verpflichtung sei bei Bankmitarbeitern nicht gegeben. Dies folge aus dem Fehlen eines Aussageverweigerungsrechts im deutschen Recht und der Nichterfassung in § 203 StGB.819 Dabei wird meines Erachtens 813 BGHSt 3, 110 (111, 114); für die Steuerdatenfälle Heine, FS Roxin 80, 1087 (1095). 814 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 58; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 24; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 66; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 68; HK-UWG/Kotthoff/ Gabel, § 17, Rn. 15; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 46; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 62; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 22; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 13. 815 Zum Nichtbestehen einer Anzeigepflicht allgemein Beulke, StrafprozessR, Rn. 309. 816 Heine, ASA 2010/2011, 525 (533); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 546; Wulf, PStR 2012, 33 (39); indirekt wohl auch Sieber, NJW 2008, 881 (884); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 185f.; Trüg, StV 2011, 111 (112), die alle gerade keinen allgemeinen Vorrang des Anzeigerechts vor den Geheimnisschutznormen anerkennen; jenseits der Steuerdatenfälle gegen eine allgemeine Offenbarungsbefugnis Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 158, Rn. 3; Wittig, WStR § 33, Rn. 52a. 817 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 66; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 13. 818 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 66. 819 Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Satzger, FS Achenbach, 447 (452); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191f.).
Rechtfertigung
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zweierlei übersehen. Erstens sind auch Mitarbeiter deutscher Banken Geheimnisträger. Ihre Geheimhaltungsverpflichtung kann aus ihrem Vertrag folgen und wird zusätzlich gegenüber dem Unternehmen durch die Existenz von § 17 UWG unterstrichen. Zweitens haben ganz sicher Mitarbeiter einer schweizerischen oder liechtensteinischen Bank eine Verpflichtung zum Geheimnisschutz, die aus der dort weitaus umfassenderen Regelung des Bankgeheimnisses folgt.820 Die Schweigepflicht der Bankmitarbeiter ist durch § 17 UWG grundsätzlich auch – nach deutschem Recht – strafbewehrt.821 Dieser Aspekt kann nicht mit dem Hinweis auf ein fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht umgangen werden, da der Informant nicht in Ausübung einer Zeugenstellung handelt (dazu im Detail unten in diesem Kapitel unter C. II. 2.). Damit besteht keine allgemeine Offenbarungsbefugnis für Bankmitarbeiter. Grundsätzlich sprechen damit meines Erachtens die besseren Argumente für die erstgenannte Ansicht, die eine generelle Rechtfertigung durch das Anzeigerecht ablehnt. Der entscheidende Aspekt liegt dabei darin, dass die Kollision von Geheimhaltungspflicht und Anzeigebefugnis nach einer umfassenden Abwägung verlangt,822 da eine strafrechtlich geschützte Geheimhaltungspflicht gerade auch jenseits der Fälle des § 203 StGB besteht. Wie die folgenden Erwägungen zeigen werden, kommt eine Rechtfertigung durch das Anzeigerecht unabhängig von dem Streit um den Umfang einer solchen Rechtfertigung zumindest in den Steuerdatenfällen nicht in Betracht. 2.
Anwendung auf die Steuerdatenfälle
Eine Rechtfertigung durch das Anzeigerecht ist zumindest in den Steuerdatenfällen abzulehnen.823 Dies ergibt sich aus drei Aspekten – der Gegenleistung, der Informationsbeschaffung und dem Fehlen einer Anzeigekonstellation.
820 Vgl. zur Regelung der Verschwiegenheitspflicht von Bankmitarbeitern und zu ihrer strafrechtlichen Sanktionierung für Liechtenstein Gassner, StraFo 2002, 1 (4); für Luxemburg Carl/Klos, DStZ 1991, 577 (578); für die Schweiz Heine, GS Vogler, 67f. 821 Ähnlich Trüg, StV 2011, 111 (112). 822 Ähnlich auch Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 158, Rn. 3; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 186. 823 So auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; Benkert, FS Schiller, 27 (34); Heine, ASA 2010/2011, 525 (533); ders., FS Roxin 80, 1087 (1095); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Pawlik, JZ 2010, 693 (698, Fn. 68); Sieber, NJW 2008, 881 (884); Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 546f.; Trüg, StV 2011, 111 (112); Wulf, PStR 2012, 33 (39); anders hingegen Kaspar, GA 2013, 206 (214), Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Satzger, FS Achenbach, 447 (451ff.), die in dem Anzeigerecht den entscheidenden Aspekt in der Bewertung der Steuerdatenaffäre sehen; vgl. auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 185f., der die für eine Rechtfertigung durch das Anzeigerecht angeführten Erwägungen zwar grundsätzlich für zutreffend erachtet, die Aspekte
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Zuerst ist die Gegenleistung in den Blick zu nehmen. Diesbezüglich wird argumentiert, dass das Angebot zur Informationsmitteilung gegen Entgelt schwerlich die Voraussetzungen einer Anzeige erfülle.824 Dieser Argumentation kann so nicht vollständig gefolgt werden. Es erscheint vorzugswürdig für die Bestimmung der potentiellen Anzeige auf die Datenüberlassung und nicht auf das Angebot abzustellen, da die bloße Aussage, dass man gegebenenfalls brisante Informationen weitergeben würde, noch nicht das Unrecht der Geheimnisweitergabe darstellt. Dennoch spricht die Gegenleistung im Ergebnis gegen die Konstellation eines Anzeigerechts. Eine Anzeige ist eine an die Strafverfolgungsbehörden gerichtete Mitteilung eines Sachverhalts, der aus der Sicht des Mitteilenden Anlass zur Strafverfolgung bietet.825 Daran wird deutlich, dass eine Anzeige gerade nicht an eine Gegenleistung gebunden ist, da bei einer Gegenleistung nicht mehr die Ansicht des Mitteilenden, es bestünde Anlass zur Strafverfolgung, im Vordergrund steht. Vielmehr handelt er zur Realisierung seiner eigenen (pekuniären) Interessen. Insbesondere kann in solchen Fällen nicht mehr von der bloßen Wahrnehmung eines Rechts gesprochen werden. Wer an der Wahrnehmung seiner staatsbürgerlichen Rechte interessiert ist, stellt keine Bedingungen.826 Teilweise wird jedoch argumentiert, die Geldzahlung habe keinen Einfluss auf die Wahrnehmung des Rechts zur Anzeige.827 Dies wird damit begründet, dass sie bereits im Rahmen des Tatbestands zur Bejahung der besonderen subjektiven Merkmale insbesondere durch das Handeln aus Eigennutz berücksichtigt worden sei. Die Motivationslage des Handelnden sei irrelevant. So käme in Fällen, in denen nur aus Rachsucht heraus ein Sachverhalt mitgeteilt werde, auch keiner auf den Gedanken, die rechtfertigende Wirkung des Anzeigerechts zu verneinen.828 Dabei wird meines Erachtens verkannt, dass es sich bei der verlangten Gegenleistung nicht nur um den Ausdruck der Motivation handelt, sondern um die objektive Bedingung für die vermeintliche Anzeige. Daher kann aus obigen Erwägungen heraus nicht mehr von der Wahrnehmung eines Rechts gesprochen werden. Zudem wird argumentiert, dass das deutsche Strafrecht Elemente der Belohnung ohnehin kenne, so insbesondere die gerade erst erweiterte Kronzeugenregelung. Wenn immaterielle Belohnungen wie Strafnachlässe möglich seien, könne es keinen Grund geben,
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jedoch in der Interessenabwägung bei § 34 StGB verortet und eine selbständige Rechtfertigung durch das Anzeigerecht ablehnt. Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Pawlik, JZ 2010, 693 (698, Fn. 68); Sieber, NJW 2008, 881 (884); Trüg, StV 2011, 111 (112). Beulke, StrafprozessR, Rn. 309. So auch Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547; anders jedoch Stratenwerth/Wohlers, StrR 2010, 429 (441f.), die auch bei einer Entgeltzahlung von der Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte ausgehen. Kaiser, NStZ 2011, 383 (388). Kaiser, NStZ 2011, 383 (388).
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materielle Anreize zu untersagen.829 Hier handelt es sich aber gerade nicht um eine Belohnung, das heißt um eine nachträgliche Honorierung der Kooperation, sondern um eine Bedingung. Bei einer durch den Kaufvertrag zum Ausdruck kommenden synallagmatischen Verknüpfung kann schwerlich von einer Belohnung830 gesprochen werden. Daher ist auch eine Parallele zur Auslobung nicht geeignet, die Brisanz der Vorgänge herunterzuspielen und die Datenankäufe als rechtsstaatliche Routineangelegenheit erscheinen zu lassen. Schließlich ist die Geldzahlung bei der Auslobung im Ergebnis nichts anderes als eine Belohnung (vgl. § 657 BGB). Zur Beseitigung der gegen den Ankauf bestehenden Bedenken kann auch deshalb nicht auf die teilweise auf §§ 657ff. BGB (analog) gestützte Praxis der Auslobungen verwiesen werden,831 da dort deutlich geringere Beträge relevant sind.832 Hinzu kommt bezüglich der Informationshonorierung im Strafverfahren, dass gerade die seit Jahren kontrovers geführte Diskussion um Existenz und Ausgestaltung der Kronzeugenregelung833 zeigt, dass belohnende Elemente im deutschen Strafrecht keineswegs selbstverständlich sind. § 370 AO zählt auch nicht zu den von § 46b StGB erfassten Straftaten, so dass die neue Kronzeugenregelung834 vielmehr die Problematik der Gegenleistung unterstreicht. Zudem hat die Zahlung einer erheblichen Geldsumme, die das übliche Maß der Zahlung bei Auslobungen deutlich überschreitet, eine völlig andere Qualität als die Berücksichtigung von Hinweisen im Rahmen der Strafzumessung, die sich noch dazu durch die in § 46 StGB vorgesehene Berücksichtigung des Nachtatverhaltens auf einen gesetzlichen Anhaltspunkt stützen kann. Diese Erwägungen zeigen, dass Geldzahlungen zu dem Zweck, andere zur Ausübung ihrer strafprozessualen Rechte zu bewegen, systemfremd sind.835 Der Vergleich zwischen der Kronzeugenregelung und der Strafzumessung einerseits und den Steuerdatenfällen andererseits führt zum zweiten Aspekt, der gegen die Anwendung des Anzeigerechts spricht. In den erstgenannten Konstellationen hat der »Hinweisgeber« sich aus Gründen jenseits der Informati829 Satzger, FS Achenbach, 447 (453). 830 Vgl. auch Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 219, die sich bezüglich anderer Teilaspekte der Steuerdatenfälle ebenfalls gegen die Einordnung als Belohnung wenden. 831 So aber Roth, Stbg 2013, 29 (29f.) im Rahmen der Rechtfertigung der Amtsträger. 832 So auch Jahn, FS Stöckel, 259 (272). 833 Zur Kontoverse um die Kronzeugenregelung Brexl, AnwBl 2011, 110 (111). 834 Zum Verhältnis zwischen Kronzeugenregelung und Steuerdatenankauf allgemein Brexl, AnwBl 2011, 110 (111): Der dort wiedergegebenen, teilweise vertretenen Auffassung, der Datenankauf sei im Gegensatz zur Kronzeugenregelung eine rein politische Frage, kann eindeutig nicht gefolgt werden, wie die zahlreichen angesprochenen juristischen Fragestellungen zeigen. 835 So auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547; ähnlich auch Werner, IWB 2010, 164 (168) im Rahmen von § 34 StGB; anders aber Stratenwerth/Wohlers, StrR 2010, 429 (441f.).
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onsüberlassung strafbar gemacht und erhält eine Strafmilderung, weil er Hinweise zu dem Umfeld dieser Straftaten gibt, die die weitere Aufklärung von Straftaten ermöglichen (vgl. § 46b StGB). In den Steuerdatenfällen macht sich der Informant jedoch gerade deshalb strafbar, weil er den honorierten Hinweis beschafft. Es liegt folglich eine völlig andere Unrechtsdimension vor.836 Selbst wenn man die rechtfertigende Wirkung des Anzeigerechts grundsätzlich anerkennt, müssen die Grenzen dieses Rechts beachtet werden. So wird jenseits der Steuerdatenfälle bezüglich der Reichweite der Offenbarungsbefugnis konstatiert, aus der Anzeigebefugnis lasse sich kein Recht ableiten, die Rechte Dritter zu verletzen, um seine Sachverhaltsdarstellung zu belegen. Daher wird bei § 17 UWG bezogen auf die Betriebsspionage eine Rechtfertigung durch das Anzeigerecht abgelehnt.837 Demnach ist die Rechtfertigung in den Steuerdatenfällen jedenfalls abzulehnen, soweit die Datenbeschaffung betroffen ist. Das Recht, die eigene Wahrnehmung mitzuteilen, berechtigt nicht zu Straftaten, die begangen werden, damit man überhaupt etwas mitzuteilen hat. Bei anderer Betrachtung bestünde für jeden Bürger eine umfassende Ausforschungsbefugnis im Sinne einer Ermittlungsgeneralklausel. Da, wie gezeigt, auch die Datenweitergabe Rechtsgüter der Bank beeinträchtigt,838 scheitert die Rechtfertigung auch bezogen auf die Delikte der Weitergabe. Daher kann die Praxis des Datenankaufs auch nicht durch eine Parallele zur Bezahlung von V-Leuten für unbedenklich erklärt werden.839 Die bloße Honorierung von Informationen ist ein völlig anderer Fall als die Honorierung, die an die Begehung von Straftaten zur Informations- und Materialerlangung anknüpft. Wie sich aus dem bisher Erörterten bereits ergibt, spricht noch ein dritter Umstand gegen die Anwendung des Anzeigerechts. Die Weitergabe der Steuerdaten kann kaum als Anzeige bezeichnet werden.840 Eine Anzeige im Sinne des § 158 I StPO ist eine an die Strafverfolgungsbehörden gerichtete Mitteilung eines Sachverhalts, der aus der Sicht des Mitteilenden Anlass zur Strafverfolgung bietet.841 Die Übergabe der Unterlagen als Mitteilung eines Sachverhalts zu bezeichnen, fällt schon schwer. Insbesondere liegt aber hier keine Mitteilung mit Anlass zur weiteren Strafverfolgung vor, sondern bereits ein Teil möglicher 836 Auf die Datenbeschaffung abstellend auch Sieber, NJW 2008, 881 (884). 837 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 99. 838 Darauf abstellend auch Heine, ASA 2010/2011, 525 (533); ders., FS Roxin 80, 1087 (1095); Pawlik, JZ 2010, 693 (698, Fn. 68). 839 So aber Stratenwerth/Wohlers, StrR 2010, 429 (442, Fn. 56); zu Zweifeln an der strafrechtlichen Wirkung von Verwaltungsinterna zur Bezahlung von Informanten hingegen Wendt, DStZ 1998, 145 (146). 840 In diese Richtung auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392). 841 Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 158, Rn. 2; Beulke, StrafprozessR, Rn. 309.
Rechtfertigung
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Ermittlungsmaßnahmen. Der Informant teilt nicht primär eigene Wahrnehmungen mit,842 sondern beschafft Beweise, die ihm in dieser Form nicht zustehen. Damit übersteigt das Verhalten des Informanten die bloße Mitteilung eines Sachverhalts. Wenn Sonn843 gegen ähnliche Erwägungen argumentiert, dass nicht ersichtlich sei, warum der Informant hätte mehr leisten müssen, damit sein Verhalten als Anzeige qualifiziert würde, verkennt er die Zielrichtung der Argumentation. Der Vorwurf besteht gerade darin, dass er durch die Übergabe von deliktisch beschafften Informationen das Maß einer Anzeige überschritten hat. 3.
Ergebnis
Abschließend lässt sich feststellen, dass eine Rechtfertigung durch das Anzeigerecht in den Steuerdatenfällen nicht in Betracht kommt. Die Übergabe des Materials und die Bedingung der Gegenleistung lassen schon am Vorliegen einer Anzeigekonstellation zweifeln. Vor allem aber führt der Umstand, dass bereits die Datenbeschaffung rechtsgutsverletzend wirkt und einen Straftatbestand erfüllt, zum Ausschluss einer solchen Rechtfertigung.
II.
Pflicht zur Zeugenaussage
Auch eine Rechtfertigung des Informanten durch eine Verpflichtung zur Zeugenaussage wird in den Steuerdatenfällen erwogen.844 1.
Zeugenpflicht als Rechtfertigungsgrund?
Teilweise wird auch jenseits der Steuerdatenfälle argumentiert, die Pflicht zur Zeugenaussage begründe eine Befugnis zur Geheimnisverletzung, sofern der Zeuge sich nicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen könne.845 Demnach
842 Ähnlich auch die Ausführungen im Rahmen der Zeugenpflicht von Heine, ASA 2010/2011, 525 (534); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392). 843 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 170. 844 Erörtert z.B bei Heine, ASA 2010/2011, 525 (533ff.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1095ff.); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308, Fn. 37); Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547; Wulf, PStR 2012, 33 (39); vgl. auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113f. und Sonn, Steuer-CDAffäre, 168ff., die Aspekte des Zeugnisverweigerungsrechts im Rahmen einer Rechtfertigung nach § 34 StGB beleuchten. 845 So für § 17 UWG MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 58; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 65;
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
vermag die Zeugenpflicht zwar grundsätzlich rechtfertigende Wirkung zu entfalten, eine Anwendung in den Steuerdatenfällen scheitert aber an den nachfolgenden Erwägungen. 2.
Anwendung auf die Steuerdatenfälle
Zwar ist der skizzierten Ansicht, die in den Steuerdatenfällen aus der Zeugenpflicht eine Rechtfertigung ableitet, zuzugeben, dass ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 StPO in den Steuerdatenfällen kaum bestehen dürfte, da Bankmitarbeiter gerade nicht zu den von §§ 53, 53a StPO erfassten Personenkreisen zählen.846 Allenfalls in den bereits im Zusammenhang mit § 203 StGB erwähnten Sonderkonstellationen, in denen eine Rechtsanwaltskanzlei betroffen ist, kann ein Zeugnisverweigerungsrecht nach §§ 53, 53a StPO bestehen.847 Aber auch jenseits dieser Sonderkonstellation ist eine Auskunftspflicht des Bankmitarbeiters keineswegs selbstverständlich, da ein Aussageverweigerungsrecht nach § 55 StPO gestützt auf die strafbare Datenerlangung denkbar ist. Ohne Eingehen auf den Aspekt der Datenerlangung dürfte eine glaubwürdige Aussage zum Inhalt der Daten kaum möglich sein. Ein mögliches Aussageverweigerungsrecht ist unabhängig von der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts, da auf Grund des hinter § 55 StPO stehenden Gedankens der Zwangslage eine Strafbarkeit nach fremdem Recht für das Aussageverweigerungsrecht ausreichend ist848. Jenseits der Frage des Bestehens eines Zeugnis- oder Auskunftsverweigerungsrechts existieren jedoch grundsätzliche Bedenken gegen eine rechtfertigende Wirkung der Zeugnispflicht in den Steuerdatenfällen. Zunächst lässt der Aspekt der Geldzahlung auch eine Berufung auf die Zeugenpflicht zweifelhaft erscheinen. Zu den im Rahmen des Anzeigerechts angestellten Erwägungen GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 63; allgemein für Geheimnisoffenbarungen Sieber, FS Roxin 70, 1113 (1130f.). 846 Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 168. 847 Ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht für ausländische Rechtsanwälte, wenn sie die Voraussetzungen der §§ 206, 207 BRAO erfüllen, dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 53, Rn. 15, das heißt, vor allem wenn der Herkunftsstaat Mitglied der Welthandelsorganisation ist. Dies trifft auf die Schweiz, Luxemburg und die Cayman Islands als britische Kronkolonie ebenso zu wie auf andere Steueroasen, beispielsweise Singapur. Liechtenstein ist allerdings kein Mitglied der Welthandelsorganisation. Vereinzelt wird jedoch auch ein Zeugnisverweigerungsrecht für alle ausländischen Rechtsanwälte angenommen, so von Wessing, wistra 2007, 171ff. 848 Zu den Voraussetzungen des Aussageverweigerungsrechts nach § 55 StPO Radtke/Hohmann/Otte, StPO, § 55, Rn. 4; auf ein solches Zeugnisverweigerungsrecht stellt auch Heine, FS Roxin 80, 1087 (1097) ab, der dieses allerdings auf die Zwangslage durch die nach schweizerischem Recht strafbare Offenbarung stützt, was problematisch ist angesichts der Praxis, Straftaten, die an die Aussage selbst anknüpfen, für ein Aussageverweigerungsrecht nicht genügen zu lassen (zu dieser Praxis Radtke/Hohmann/Otte, aaO).
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kommt bei der Zeugenstellung hinzu, dass § 48 I StPO gerade eine gesetzliche Verpflichtung zur Aussage normiert. Mit der Annahme einer solchen Verpflichtung ist aber das Setzen einer Bedingung, das heißt die Forderung des Kaufpreises, unvereinbar. Wer sich auf die Zeugenpflicht beruft, darf kein Geld fordern.849 Entsprechend ist diese Pflicht von den zuständigen staatlichen Stellen mit den dazu vorgesehenen Mitteln und nicht durch eine Geldzahlung durchzusetzen. Teilweise wird die Bedeutung von Geldzahlungen auf die Rechtfertigung mit ähnlichen Argumenten bestritten,850 wie sie bezüglich des Anzeigerechts erörtert worden sind. Diesbezüglich kann auf das dazu Ausgeführte verwiesen werden. Desweiteren bestehen schon erhebliche Zweifel, ob die für den deutschen Staat relevanten Informationen überhaupt Gegenstand der eigenen Wahrnehmung des Informanten gewesen sind.851 Der Informant teilt schließlich nicht bloß mit, bestimmte Kunden in einer bestimmten ausländischen Bank gesehen zu haben, sondern beschafft Material von erheblichem Umfang. Wulf852 weist zu Recht darauf hin, dass der Fokus nicht auf der »Aussage« des Bankmitarbeiters liegt, sondern Gegenstand des staatlichen Interesses primär die Erlangung des Materials gewesen ist, so dass eine Beschlagnahme sachnäher zu sein scheint als die Annahme einer Zeugenaussage. Fraglos liegt die Konstellation einer Beschlagnahme aber nicht vor (dazu näher im 3. Kapitel unter D. I. 1. a)): Unabhängig vom Übergabeort ist zu konstatieren, dass sich der Staat hier bewusst gegen die Anwendung staatlicher Zwangsbefugnisse und für das Vorgehen in Form eines zivilrechtlichen Kaufvertrags entschieden hat. Diese Entscheidung würde missachtet, wenn man hypothetisch auf vorhandene Zwangsbefugnisse rekurrieren würde. Auch darüber hinaus kommt eine Rechtfertigung durch die Zeugnispflicht in den Steuerdatenfällen nicht in Betracht. Dies liegt vor allem daran, dass die Zeugnispflicht gegenüber ausländischen Informanten im Regelfall nicht durchsetzbar ist, solange sie sich nicht in Deutschland aufhalten.853 Selbst wenn der Ausnahmefall eines deutschen Bankmitarbeiters mit Wohnsitz in Deutsch849 Ähnlich auch Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547. 850 So z. B. von Kaiser, NStZ 2011, 383 (388). 851 In diese Richtung auch Heine, ASA 2010/2011, 525 (534); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547. 852 Wulf, PStR 2012, 33 (39f.); Die Annahme Wulfs, man habe eine Beschlagnahme bewusst unterlassen, um so den Datenhandel anzukurbeln, hat sicher eine gewisse Berechtigung für die Fälle, in denen bei einem Aufenthalt des Bankmitarbeiters in Deutschland die Zugriffsmöglichkeit bestanden hätte. 853 Heine, ASA 2010/2011, 525 (534f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1095f.); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392). Aus ähnlichen Gründen nicht zielführend ist das Abstellen auf Auskunftsersuchen im Besteuerungsverfahren nach §§ 93ff. AO, wie es von Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (790) vorgenommen wird.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
land oder ein Deutschlandaufenthalt eines ausländischen Bankmitarbeiters gegeben sein sollte, fehlt es an den Voraussetzungen der Zeugnispflicht. Schließlich setzt diese ein Ermittlungsverfahren854 und damit bereits vorliegende Anhaltspunkte für eine Straftat voraus. Die Steuerdatenfälle sind hingegen dadurch gekennzeichnet, dass die überlassenen Daten erst zu Ermittlungen führen. Die Berufung auf die Zeugenstellung könnte mithin stets nur hypothetisch erfolgen.855 Eine solche hypothetische Betrachtung, die die vorangegangen Erwägungen außer Acht lässt und eine extensive Berufung auf eine möglicherweise später bestehende Verpflichtung zur Zeugenaussage ermöglicht, gäbe dem Bürger einen Freifahrtsschein gerade für Geheimnisverletzungen, was weder mit der Systematik der Rechtfertigungsgründe noch mit den detaillierten Regelungen zur Zeugenaussage harmoniert.856 Dagegen kann nicht vorgebracht werden, ob ein Ermittlungsverfahren schon eingeleitet gewesen sei, sei bloß vom Zufall abhängig gewesen.857 Schließlich besteht ein zentrales Argument der Ankaufsbefürworter in dem Aspekt, dass die Daten anders nicht zu erlangen gewesen wären.858 Daher ist schwer vorstellbar, wie vor der Datenübergabe ein Ermittlungsverfahren hätte eingeleitet werden können. Pflichten der Zeugenstellung führen folglich in den Steuerdatenfällen nicht zu einer Rechtfertigung des Informanten.859
III.
Pflichten aus der Abgabenordnung
Vereinzelt wird eine Rechtfertigung auf Normen der Abgabenordnung gestützt. Demnach soll die Übergabe der Daten befugt gewesen sein, da die Datenüberlassung die Erfüllung der in § 97 I 1 AO normierten Mitwirkungspflicht darstelle.860 Gegen diese Annahme lassen sich einige der bereits gegen eine Rechtfertigung durch die Zeugenpflicht ins Feld geführten Argumente sinngemäß anführen, so dass auf das dazu Ausgeführte verwiesen werden kann: So sind die Finanzbehörden nicht nach § 97 AO vorgegangen, da sie zu keinem Zeitpunkt 854 Zum Verfahren als Voraussetzung für die Zeugenstellung Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, Vor § 48, Rn. 1. 855 So auch Heine, ASA 2010/2011, 525 (534); ders., FS Roxin 80, 1087 (1095f.); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122. 856 Ähnlich Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392). 857 So aber Sonn, Steuer-CD-Affäre, 169. 858 So gerade auch vertreten von Sonn, Steuer-CD-Affäre, 162. 859 So im Ergebnis auch Heine, ASA 2010/2011, 525 (533ff.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1095ff.); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4122; Schünemann, NStZ 2008, 305 (308, Fn. 37); Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Wulf, PStR 2012, 33 (39); anders aber Kaiser, NStZ 2011, 383 (388). 860 Lang, FS Schneider, 737 (741).
Rechtfertigung
209
auf die Mitwirkungsverpflichtung verwiesen haben. Der Informant wiederum hat den Finanzbehörden die Daten überlassen, um seine Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag zu erfüllen und nicht um (ihm wahrscheinlich noch nicht einmal bekannte) Mitwirkungspflichten nach § 97 AO zu erfüllen. Folglich scheidet eine Rechtfertigung nach § 97 AO aus. Ob § 97 AO auch Material erfasst, das auf unbefugte Weise erlangt worden ist, kann daher ebenso dahinstehen wie die Frage, ob Mitarbeiter ausländischer Banken von der Norm erfasst werden. Beide Fragen dürften allerdings zu verneinen sein.
IV.
Notwehr (§ 32 StGB)
Eine Rechtfertigung durch Notwehr, hier in Form der Nothilfe, wird – zu Recht – nur vereinzelt861 diskutiert. Die geringe Bedeutung der Notwehr ist darauf zurückzuführen, dass Notwehr nicht zu der Konstellation der Steuerdatenfälle passt. Für die Annahme eines möglichen Angriffs kommt allenfalls das Verhalten der Bankkunden in Betracht, da sich die Banken beziehungsweise ihre Mitarbeiter, wie bereits ausgeführt, rechtmäßig verhalten. Die Handlung des Bankmitarbeiters richtet sich aber vor allem gegen die Bank. Eine Notwehrhandlung muss sich jedoch gegen Rechtsgüter des Angreifers richten.862 Damit kommt eine Rechtfertigung durch Notwehr in den Steuerdatenfällen regelmäßig nicht in Betracht.863 Auch bezogen auf die Tatbestände zum Schutz der Bankkunden erscheint eine Rechtfertigung durch Notwehr fernliegend, da in den Steuerdatenfällen nur der Schutz originär staatlicher Interessen wie die Realisierung des Steueranspruchs oder des Rechts auf Strafverfolgung in Betracht kommt.864 Auf Grund der Herleitung des Notwehrrechts aus dem Individualschutzgedanken wird eine Anwendung auf den Schutz hoheitlicher Interessen des Staats ganz überwiegend abgelehnt.865 Eine Rechtfertigung nach § 32 StGB scheidet in den Steuerdatenfällen demnach für alle denkbaren Konstellationen aus.866
So z. B. bei Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 136f. Roxin, AT I, § 15, Rn. 124. So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 136f. Ähnlich auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392). Roxin, AT I, § 15, Rn. 1; Sinn, GA 2003, 96 (97); für die Steuerdatenfälle Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 136f. 866 So auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 136f.
861 862 863 864 865
210 V.
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Notstand (§ 34 StGB)
Dem Notstand in Form der Notstandshilfe kommt in der Erörterung der Steuerdatenfälle besondere Bedeutung zu.867 1.
Notstandslage
Zunächst ist zu erörtern, ob in den Steuerdatenfällen eine Notstandslage gegeben ist. a) Notstandsfähiges Rechtsgut Anders als bei der Notwehr ist hingegen grundsätzlich nach der eindeutigen Formulierung des Gesetzes jedes Rechtsgut als notstandsfähig anzusehen.868 aa) Kreis der relevanten Rechtsgüter Demnach kommt in den Steuerdatenfällen einerseits ein Handeln zum Schutz des Staatsvermögens und andererseits zur Durchsetzung der Rechtsordnung und zum Schutz des Strafverfolgungsinteresses grundsätzlich in Betracht.869 Teilweise wird jedoch mit unterschiedlichen Nuancierungen argumentiert, bezogen auf staatliche Rechtsgüter sei § 34 StGB restriktiv auszulegen, soweit der Schutz des Staats betroffen sei. Es müsse verhindert werden, dass § 34 StGB zu einem »Unrechtsverhinderungsrecht« für Private gemacht werde, obwohl auf eine geregelte behördliche Zuständigkeit zur Wahrnehmung der jeweiligen Aufgabe zurückgegriffen werden könne.870 867 Erörtert z. B. bei MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 76; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 69ff.; LK/Walter, § 257, Rn. 77; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113f.; Erb, FS Roxin 80, 1103 (1113f.); Fahl, ZJS 2009, 63 (66); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4123; Paeffgen, BRJ 2010, 12 (16); Pawlik, JZ 2010, 693 (698); Satzger, FS Achenbach, 447 (452f.); Sieber, NJW 2008, 881 (882, 884); Sonn, Steuer-CDAffäre, 131f.; 138ff.; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547ff.; Trüg, StV 2011, 111 (112); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21ff.); Wittig, § 33, Rn. 75; Wulf, PStR 2012, 33 (38). 868 Dazu insbesondere bezogen auf staatliche Rechtsgüter Kühl, AT, § 8, Rn. 21, 26, wenngleich auf mögliche Konflikte mit den durch die StPO gesetzten Grenzen hingewiesen wird; kritisch bezogen auf die Notstandsfähigkeit des Strafverfolgungsinteresses gerade im Zusammenhang mit § 17 UWG Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 47. 869 Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; Sieber, NJW 2008, 881 (884); Sonn, Steuer-CDAffäre, 130f., 140f.; Trüg, StV 2011, 111 (112); nur auf die steuerlichen Aspekte abstellend Erb, FS Roxin 80, 1103 (1112f.); Fahl, ZJS 2009, 63 (66); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4123; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Werner, IWB 2010, 164 (167f.); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (22); Wulf, PStR 2012, 33 (38). 870 NK/Neumann, § 34, Rn. 22f., 30f., wonach selbst fiskalische Interessen des Staats mangels direkter Rückbindung an Individualinteressen nicht geschützt werden sollen; Jahn, Strafrecht des Staatsnotstandes, 507f., 607ff.
Rechtfertigung
211
Pawlik und Sonn871 stimmen diesen Überlegungen zwar grundsätzlich zu, verneinen jedoch ihre Relevanz in den Steuerdatenfällen. Sie argumentieren, die Überlegungen zur Ablehnung eines »allgemeinen Unrechtsverhinderungsrechts« beruhten darauf, dass der Staat seine eigenen Verfahrensstandards schützen müsse. In den Steuerdatenfällen sei jedoch nur der Schutz fremder Standards, das heißt der Rechtsgrundsätze am Ort der Bank, betroffen. Eine solche Einschätzung vermag nicht zu überzeugen. Schließlich ist in den Steuerdatenfällen die Beweisbeschaffung durch den deutschen Staat betroffen und nicht nur, wie von Pawlik und Sonn angenommen, die Wahrung des ausländischen Bankgeheimnisses. Die mögliche Rechtfertigung des Informanten kann sowohl bezogen auf die Datenbeschaffung als auf die Datenweitergabe nur damit begründet werden, dass der Informant die deutsche Strafverfolgung und Steuererhebung unterstützt. Für die Strafverfolgung und Steuererhebung ist aber nun einmal deutsches Recht maßgeblich. Auch zeigt die Einschlägigkeit deutscher Straftatbestände, dass die Verletzung deutschen Rechts und die sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Beweisführung im Straf- und Steuerverfahren im Vordergrund stehen. Zusätzlich kann das Geschäft zwischen dem Bankmitarbeiter und dem deutschen Staat zu völkerrechtlichen Rechtsverletzungen872 führen. Derartige Rechtsverstöße beziehen sich auf Grund innerstaatlicher Umsetzungsakte ebenfalls auf deutsches Recht. Bei der Frage, ob staatliche Rechtsgüter von § 34 StGB erfasst sind und sich Private damit bei der Verfolgung von Staatsinteressen auf einen entsprechenden Rechtfertigungsgrund berufen können, sind mithin deutsche Verfahrensstandards und Rechtssätze auch dann betroffen, wenn das Geschehen im Ausland stattfindet. Somit ist der Streit um die Reichweite des Schutzes staatlicher Rechtsgüter auch in den Steuerdatenfällen grundsätzlich relevant. Gegen einen generellen Ausschluss staatlicher Rechtsgüter spricht jedoch der weite Wortlaut des § 34 StGB, nach dem jedes Rechtsgut notstandsfähig sein kann.873 Bezogen auf den Schutz des staatlichen Strafverfolgungsinteresses begegnet die Berufung auf § 34 StGB jedoch massiven systematischen Bedenken, da dadurch die Voraussetzungen des § 127 StPO umgangen werden könnten, so dass sich jeder Bürger grundsätzlich zum Ermittlungsgehilfen aufschwingen könnte.874 Daher sollte 871 Pawlik, JZ 2010, 693 (698); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 142. 872 Zur völkerrechtlichen Dimension des Datenankaufs Ambos, Beweisverwertungsverbote, 114f., 122f.; Bohnert, FS Schiller, 68 (78); Coen, NStZ 2011, 433ff.; Heine, HRRS 2009, 540 (541ff.); ders., FS v. Büren, 917 (925ff.); ders., ASA 2010/2011, 525 (538f.); Holenstein, PStR 2008, 90f.; Spilker, DStR 2014, 2490 (2491ff.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 258ff.; vgl. auch Tipke, BB 1998, 241 (245), der hinsichtlich der ersten Luxemburger Steuerdatenfälle von völkerrechtswidrigem Verhalten ausgeht. 873 So auch Fahl, ZJS 2009, 63 (66). 874 Bienert, Private Ermittlungen, 101f., 116; ähnlich auch Jahn, Strafrecht des Staatsnotstandes, 607; kritisch hinsichtlich der Notstandsfähigkeit des Strafverfolgungsinteresses
212
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
sich die Anwendung von § 34 StGB in den Steuerdatenfällen meines Erachtens auf den Schutz des staatlichen Steueranspruchs als Erhaltungsgut konzentrieren.875 Im Ergebnis kann die Frage der Notstandsfähigkeit der betroffenen staatlichen Rechtsgüter aber offen gelassen werden, da die nachfolgende Erörterung zeigen wird, dass eine Rechtfertigung nach § 34 StGB ohnehin ausscheidet. bb) Besonderheiten bei Steueransprüchen? Wulf876 argumentiert, die staatlichen Steueransprüche seien durch Steuerhinterziehung nicht berührt, da sie erst mit Kenntnis des Finanzamts von den betreffenden Sachverhalten werthaltig seien. Mit dieser Argumentation wäre folglich das staatliche Vermögen nicht betroffen. Dabei wird meines Erachtens jedoch verkannt, dass unabhängig von der Werthaltigkeit und damit der Realisierungschance der Anspruch grundsätzlich mit Erfüllung des jeweiligen Steuertatbestands, das heißt mit der Verwirklichung des Lebenssachverhalts, entsteht (§ 38 AO).877 Zwar ist Wulf in gewisser Hinsicht Recht zu geben, da die Ansprüche mit Entstehung nicht automatisch fällig sind (vgl. § 220 AO). Doch dürfte kaum zu bestreiten sein, dass die pflichtwidrige Nichtdeklarierung von Einnahmen und Vermögenswerten und damit das Verhindern der Fälligkeit im Ergebnis das staatliche Vermögen beeinträchtigt. Das Steueraufkommen kommt damit grundsätzlich als betroffenes Rechtsgut in Betracht, wobei sich die Betroffenheit aus zwei Perspektiven ergeben kann – einerseits aus der in der Vergangenheit nicht entrichteten Steuer und andererseits aus der Steuer, die durch die fortgesetzte Verschleierung dem Staat künftig vorenthalten werden soll. b) Gefahr Fraglich ist, ob für die Steueransprüche eine Gefahr besteht. Darunter ist ein Zustand zu verstehen, bei dem Risikofaktoren die Wahrscheinlichkeit für den gerade bei § 17 UWG Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 47; für eine restriktive Interpretation des § 34 StGB hinsichtlich des Strafverfolgungsinteresses als Erhaltungsgut auch S/S/Perron, § 34, Rn. 41c und in den Steuerdatenfällen Sieber, NJW 2008, 881 (884). 875 Speziell in den Steuerdatenfällen mit erheblichen Bedenken gegen die Einbeziehung des Strafverfolgungsinteresses auch Sieber, NJW 2008, 881 (884); vgl. auch Erb, FS Roxin 80, 1103 (1112f.); Fahl, ZJS 2009, 63 (66); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wannemacher/ Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4123; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Werner, IWB 2010, 164 (167f.); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (22); Wulf, PStR 2012, 33 (38), die alle im Ergebnis auch nur auf steuerliche Aspekte abstellen, wenngleich ohne nähere Begründung; hingegen zweifelt Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (120) auch bezogen auf den Steueranspruch als Erhaltungsgut an der Anwendbarkeit von § 34 StGB. 876 Wulf, PStR 2012, 33 (38). 877 Zur Entstehung des Steueranspruchs Kruse, FS Tipke, 277ff.
Rechtfertigung
213
Eintritt eines Schadens begründen.878 In der Debatte um die Steuerdatenfälle wird die Gefahr hinsichtlich des Steueraufkommens zumeist bejaht.879 Dem ist meines Erachtens zwar im Grundsatz zuzustimmen, da die ausländische Kapitalanlage bei fehlender Deklarierung in der Steuererklärung die entsprechende Festsetzung der Steuern verhindert, doch ist zu differenzieren. Hinsichtlich der steuerhinterziehenden Kunden sind vergangene und zukünftige Veranlagungszeiträume zu unterscheiden. Die Gefahr für das Staatsvermögen wird in den Steuerdatenfällen nicht nur mit bereits begangenen Steuerhinterziehungen der Bankkunden begründet, sondern auch mit der für die Zukunft zu erwartenden Fortsetzung der Hinterziehungspraxis.880 Zwar ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass der steuerhinterziehende Kunde die Erklärungen zu den entsprechenden Aspekten seines Vermögens auch zukünftig nicht abzugeben beabsichtigt, doch kann ein Steueranspruch schwerlich gefährdet sein, bevor er im Sinne des § 38 AO entstanden ist. Folglich fehlt es bereits an einer Gefahr, so dass der in diesem Zusammenhang gelegentlich zur Begründung der Gegenwärtigkeit ins Feld geführte Aspekt der Dauergefahr881 ins Leere läuft. Erst Recht fehlt es bei zukünftigen Steuerhinterziehungen an einer Gefahr für das staatliche Strafverfolgungsinteresse, was aber ohnehin nur relevant ist, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht das Strafverfolgungsinteresse als notstandsfähiges Rechtsgut ansieht. Festgehalten werden kann daher, dass bezogen auf vergangene Veranlagungszeiträume eine Gefahr für das Steueraufkommen des deutschen Staats besteht, soweit die gegenüber steuerhinterziehenden Kunden bestehenden Steueransprüche betroffen sind. c) Gegenwärtigkeit der Gefahr Bezüglich der bereits begangenen Steuerhinterziehungen lässt sich die Gegenwärtigkeit der Gefahr für den Steueranspruch bejahen.882 Insbesondere ist die Gefahr auch noch gegenwärtig. Schließlich hat der Staat, sofern keine Festset878 MK/Erb, § 34, Rn. 60. 879 Erb, FS Roxin 80, 1103 (1112f.); Fahl, ZJS 2009, 63 (66); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 131f.; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); indirekt wird eine Gefahr bejaht, indem § 34 StGB erst bei späteren Aspekten abgelehnt wird, von Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4123; Pawlik, JZ 2010, 693 (698); Trüg, StV 2011, 111 (112); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21ff.); Wittig, § 33, Rn. 75; hingegen ablehnend bezogen auf bereits begangene Hinterziehungen Werner, IWB 2010, 164 (168); im Ergebnis ablehnend auch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 76, der eine gegenwärtige, nicht anders abwendbare Gefahr ausschließt, ohne zu verdeutlichen, woran genau es fehlen soll. 880 Vgl. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 145; Werner, IWB 2010, 164 (168). 881 Auf die Dauergefahr abstellend Fahl, ZJS 2009, 63 (66); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 145. 882 Die Gegenwärtigkeit bejahen auch Fahl, ZJS 2009, 63 (66); zumindest indirekt Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4123, allerdings beide, ohne zwischen begangenen und zukünftigen Steuerhinterziehungen zu differenzieren.
214
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
zungsverjährung eingetreten ist, immer noch einen Anspruch auf die Zahlung der Steuern. Die fortgesetzte staatliche Unkenntnis intensiviert daher den Schaden, weil die ohnehin schon niedrigen Chancen auf eine zukünftige Festsetzung spätestens bei Eintritt der Festsetzungsverjährung vollständig entfallen.883 Mithin besteht eine gegenwärtige Gefahr. d) Rechtswidrigkeit der Gefahr Die Gefahr für den staatlichen Steueranspruch ergibt sich aus der Steuerhinterziehung der Bankkunden, welche fraglos rechtswidrig ist. Eine Notstandslage lässt sich folglich im Hinblick auf bereits begangene Steuerhinterziehungen bejahen. 2.
Notstandshandlung
Weiterhin müssten die Voraussetzungen einer Notstandshandlung vorliegen. a) Geeignetheit zur Gefahrenabwehr Dass die Beschaffung und Übermittlung der Steuerdaten zum Eintreiben von Steuerzahlungen und zum Führen von Strafverfahren geeignet ist, wird durch den »Erfolg« der Datenverkäufe belegt.884 b) Erforderlichkeit zur Gefahrenabwehr Die Erforderlichkeit der Informationserlangung und Informationsweitergabe lässt sich bejahen, da zumindest kein Mittel ersichtlich ist, mit dem sich unter Berücksichtigung der außenpolitischen Situation, das heißt der fehlenden Verhandlungsbereitschaft einiger »Steueroasen«, in der gleichen Zeit ähnlich hohe Einnahmen und Aufdeckungsquoten hätten erzielen lassen.885 Auch bankinterne Maßnahmen, bei denen der Bankmitarbeiter die Führung der Bank, von seinem Verdacht einer Vielzahl von Steuerhinterziehungen informiert, sind offenkundig wenig erfolgsversprechend,886 da die übermittelten Informationen der Bank ohnehin bekannt sind und sie zudem auf Grund des geltenden Bankgeheimnisses an der Information deutscher Behörden gehindert ist.
883 Anders aber wohl Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119f.), für den es sich um abgeschlossene Vorgänge handelt. Unklar bleibt, ob deshalb die Gefahr oder deren Gegenwärtigkeit entfallen soll. 884 So im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 149f. 885 So im Ergebnis auch Erb, FS Roxin 80, 1103 (1113); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547; Spernath, NStZ 2010, 307 (308) stellt hingegen für Zweifel an der Erforderlichkeit auf die Möglichkeiten zwischenstaatlicher Vereinbarungen ab. 886 So im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 150ff.; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547.
Rechtfertigung
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c) Interessenabwägung Der entscheidene Aspekt für die Anwendung von § 34 StGB dürfte in der Frage der Interessenabwägung liegen. aa) Maßstab: Abzuwägende Interessen Die nachfolgende Abwägung konzentriert sich aus Gründen der Übersichtlichkeit primär auf das Verhältnis zwischen dem Steueranspruch des Staats und den Rechtsgütern der Bank, das heißt dem von § 17 UWG geschützten Rechtsgut sowie in manchen Fällen dem Eigentum (§ 242 / § 246 StGB) beziehungsweise der Verfügungsbefugnis über die Daten (§ 202a StGB). Wo sich Abweichungen hinsichtlich der Rechtsgüter der Bankkunden ergeben, wird darauf hingewiesen. bb) Gesichtspunkte der Interessenabwägung Im Rahmen der Interessenabwägung wird argumentiert, dass eine rein finanzielle Betrachtung, die lediglich auf die Höhe der Steuereinnahmen und gegebenenfalls noch auf die Erträge der Selbstanzeigen abstellte, abzulehnen sei.887 Dem ist meines Erachtens zuzustimmen, da hinsichtlich der Interessenabwägung üblicherweise betont wird,888 dass eine rein quantitative Betrachtung nicht ausschlaggebend ist. Zunächst ist hinsichtlich des Rangs der betroffenen Interessen festzustellen, dass es sich auf beiden Seiten im Schwerpunkt um vermögensnahe Interessen handelt. Zwar ist zu Beginn der Erörterung herausgestellt worden, dass § 17 UWG nicht dem Vermögensschutz dient, doch erfolgt der Schutz von Geschäftsgeheimnissen gerade auf Grund ihrer Bedeutung für das unternehmerische Wirken. Zumindest höchstpersönliche Rechtsgüter sind folglich nicht betroffen. Gleiches gilt für § 202a StGB und §§ 242, 246 StGB. Auf Seiten des Staats ist durch die Steuerhinterziehungen das Vermögen des Staats889 betroffen. Zwar ist die Steuerhinterziehung mit einer höheren Strafe belegt als der Verrat von Geschäftsgeheimnissen, doch lässt sich dadurch noch kein deutliches Überwiegen des staatlichen Vermögensinteresses feststellen.890 Vor diesem Hintergrund überzeugt es, wenn in der Erörterung der Steuerdatenfälle mitunter 887 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (22); gegen eine auf die finanzielle Bedeutung abstellende Argumentation auch Erb, FS Roxin 80, 1103 (1113), der dies jedoch auf das Ausmaß des von der Bank erlittenen Schadens bezieht; allgemein bei § 17 UWG gegen eine rein finanzielle Betrachtung MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 71. 888 So z. B. durch BGH, NJW 1976, 680 (681); L/K/Kühl, § 34, Rn. 8. 889 Zum Vermögensschutz als Schutzrichtung der Steuerhinterziehung Rolletschke, SteuerstrafR, Rn. 3. 890 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 160; vgl. auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 548, die auf den gleichen Strafrahmen beider Delikte verweist, dabei aber den Strafrahmen der einfachen Steuerhinterziehung mit demjenigen der Geheimnishehlerei in einem besonders schweren Fall vergleicht.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
konstatiert wird,891 dass das Interesse an vollständigen Steuereinnahmen das Geheimnisschutzinteresse der Bank zumindest nicht wesentlich überwiege. Im Rahmen der Interessenabwägung sind aber jenseits der Bedeutung der Interessen auch die Auswirkungen im Einzelfall in den Blick zu nehmen. Daher ist zu berücksichtigen, dass das Bekanntwerden eines derart weitreichenden Datenverlusts im Extremfall die Existenz der betroffenen Bank gefährden kann,892 während gemessen am gesamten Steueraufkommen der Bundesrepublik Deutschland nur ein kleiner Teil betroffen ist.893 Für die staatliche Seite ließe sich anführen, dass zumindest nach Auffassung der deutschen Amtsträger Geheimnisoffenbarungen durch Insider die effizienteste und mitunter einzige Möglichkeit darstellen, Steuerhinterziehungen durch Vermögensverlagerungen ins Ausland zu bekämpfen.894 Dabei ist jedoch zu beachten, dass gerade dem Staat auf Grund seiner besonderen Stellung eine Vielzahl von Möglichkeiten zum Schutz seiner Interessen zur Verfügung steht. Wenn dieser Umstand schon nicht zum generellen Ausschluss der Notstandshilfe zu staatlichen Gunsten führt, so muss sich dieser Gedanke wenigstens bei der Interessenabwägung niederschlagen. Daher ist dem Ausweichen auf private Notstandshilfe nur bei Existenzgefährdungen oder plötzlich auftretenden Gefahrenlagen Vorrang zu gewähren.895 Solche Konstellationen liegen aber bei dem seit langem bekannten Problem von Vermögensverlagerungen ins Ausland nicht vor. Man wird auch kaum behaupten können, dass die fehlenden Steuereinnahmen eine Gefahr für die Existenz der Bundesrepublik seien.896 Wenn Sonn gegen solche Einschränkungsversuche in den Steuerdatenfällen anführt, dass eine restriktive Auslegung von § 34 StGB dem »Gewissenskonflikt« des Bankmitarbeiters nicht hinreichend gerecht werde,897 so kann dem nicht gefolgt werden. Zumindest die Informanten in den Steuerdatenfällen befinden sich, wie beim subjektiven Rechtfertigungs891 So von Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Trüg, StV 2011, 111 (112). 892 Zu den Folgen, die durch die Datengeschäfte bei Schweizer Banken eingetreten sind, Dettmer/Schmid, Der Spiegel Nr. 30/2012, 66 (69): So musste unter anderem die älteste Schweizer Bank, die Privatbank Wegelin, schließen. Die Schließung beruhte zwar primär auf Sanktionszahlungen, die durch us-amerikanische Behörden verhängt worden sind, doch wird auch der durch die Datengeschäfte entstandene Druck auf Schweizer Geldinstitute als Ursache angeführt. 893 So auch Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4123; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 548. 894 In diese Richtung Sonn, Steuer-CD-Affäre, 162. 895 Vgl. zu diesen Voraussetzungen MK/Erb, § 34, Rn. 59. 896 A.A. im Ergebnis offenbar Paeffgen, BRJ 2010, 12 (16), der auf Grund der fehlenden Kooperationsbereitschaft der involvierten Staaten eine Notstandshilfe zu Gunsten des Staats ausnahmsweise zulassen möchte, sich aber mit den Kriterien für die private Notstandshilfe nicht näher auseinandersetzt. 897 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 165.
Rechtfertigung
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element noch näher zu erörtern sein wird, in keinem Gewissenskonflikt, sondern sind durch die Optimierung ihres eigenen Nutzens gesteuert. Gerade die zuletzt angestellten Erwägungen zeigen, dass sich am Ergebnis der Interessenabwägung auch dann nichts ändern würde, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht das Strafverfolgungsinteresse zusätzlich als Erhaltungsgut zuließe. Das bisher gefundene Abwägungsergebnis wird durch allgemeine Erwägungen zu § 17 UWG unterstrichen. So wird bei Geheimnisoffenbarungen im Rahmen von § 17 UWG allgemein darauf verwiesen, dass gerade die Existenz von § 17 UWG eine gesetzgeberische Entscheidung für den Schutz von Geschäftsgeheimnissen sei und diese Entscheidung nicht pauschal durch einfache Abwägungsvorgänge unterlaufen werden sollte.898 Rechtspolitische und ideologische Gründe könnten Informationspreisgaben nur schwer rechtfertigen, da zu deren Pönalisierung gerade das Merkmal des Handelns zu Gunsten Dritter eingeführt worden sei. Der Gesetzgeber habe mithin gerade die Strafbarkeit eines solchen Verhaltens feststellen wollen.899 Nach alledem ergibt sich mithin, dass die Interessenabwägung in den Steuerdatenfällen grundsätzlich nicht zur Rechtfertigung der Datenweitergabe führen kann. Dieses Ergebnis muss erst Recht für die Datenbeschaffung gelten. So wird allgemein bei der Betriebsspionage eine Rechtfertigung nur bei erheblicher Gefahr für hochrangige Rechtsgüter angenommen.900 Von einer solchen Gefahr kann aber bei der bloßen Gefährdung von staatlichen Vermögensinteressen, die verglichen mit dem Gesamthaushaltsvolumen des Staats nicht ins Gewicht fällt, kaum gesprochen werden.901 Dabei sind Folgeeffekte, die eintreten durch Selbstanzeigen von Steuersündern, deren Daten überhaupt nicht angekauft worden sind, oder durch gezahlte Steuern, die ohne das gestiegene Entdeckungsrisiko hinterzogen worden wären, meines Erachtens schon gar nicht in die Interessenabwägung einzustellen. Erstens treten diese Einnahmen unabhängig von den konkret berührten und überlassenen Geheimnissen durch selbständige Entscheidung der Steuerpflichtigen ein. Das Behaupten eines tatsächlich überhaupt nicht erfolgten Datenankaufs würde jedenfalls nach Bekanntwerden des ersten, die Öffentlichkeit sensibilisierenden Ankaufs ausreichen. Zweitens liegt die Ursache für diese Folgen in dem Abschreckungseffekt, der von den vorangegangenen Ankäufen ausgeht902. Wenn man wie hier an-
898 899 900 901 902
MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 69. MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 73. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 100; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 67. Ähnlich auch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 100. Bei lebensnaher Betrachtung wird man wohl annehmen müssen, dass die Selbstanzeigen primär auf Angst vor eigener Enttarnung durch die Ankäufe beruhen, so auch Bartsch/
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
nimmt, dass die staatliche Ankaufspraxis rechtswidrig ist (dazu unten im 3. Kapitel),903 dann verbietet es sich in einem Rechtsstaat, Effekte, die aus der Angst resultieren, selbst von einer solchen illegalen Maßnahme betroffen zu sein, als abwägungsrelevante Faktoren zu betrachten. Sonst müsste man konsequenterweise auch argumentieren, dass das Bekanntwerden einiger Fälle von Folter dazu führt, dass bestimmte schwere Straftaten aus Angst vor Folter nicht mehr begangen werden und dass Geständnisse entdeckter Delinquenten aus Furcht vor Repressalien schneller erfolgen. Zudem verstärkt der Gesichtspunkt der Betriebsspionage das Ergebnis der Interessenabwägung bei der Datenweitergabe. Eine zu Gunsten des Informanten ausfallende Interessenabwägung ist erst Recht ausgeschlossen, wenn man berücksichtigt, dass nicht Informationen eigener Wahrnehmung preisgegeben worden sind,904 sondern bereits die Beschaffung in allen lebensnahen Konstellationen unter den Tatbestand des § 17 II Nr. 1 UWG fällt.905 Die bisherigen Ergebnisse der Interessenabwägung belegen daher, dass eine Rechtfertigung durch § 34 StGB in den Steuerdatenfällen kaum in Betracht kommt. An diesem Ergebnis ist grundsätzlich auch hinsichtlich der betroffenen Bankkunden festzuhalten. Schließlich beziehen sich die zu deren Lasten verwirklichten Straftatbestände (§ 203 StGB / BDSG-Delikte) auf den persönlichen Geheimbereich und damit auf im Verhältnis zu der betroffenen Bank mindestens gleichwertige Rechtsgüter.906 Daher ist auch diesbezüglich grundsätzlich davon auszugehen, dass die staatlichen Interessen nachrangig sind. cc) Verschiebung des Maßstabs: Defensiv- oder Aggressivnotstand? Um einen anderen Ausgang der Interessenabwägung herbeizuführen, wird jedoch in die Abwägung teilweise der Gedanke des in § 228 BGB verwurzelten Defensivnotstands miteinbezogen:907 Die Banken hätten durch ihr Geschäfts-
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Neubacher u.a., Der Spiegel Nr. 34/2012, 20 (22), und nicht darauf, dass die Steuerpflichtigen auf Grund der Berichterstattung über die Steuerpolitik geläutert sind. Dabei handelt es sich im Ergebnis nicht um eine zirkuläre Argumentation. Da eine Rechtfertigung des Bankmitarbeiters, selbst wenn man die Interessenabwägung zu seinen Gunsten ausgehen ließe, jedenfalls an der Angemessenheit scheitert (dazu unten unter d)), ist die Annahme der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters und daran anknüpfend auch die Strafbarkeit der Staatsvertreter unabhängig von dem Ausgang der Interessenabwägung. Dies grundsätzlich annehmend jedoch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 193f., der zwar zugesteht, dass bei einem strafbaren Beschaffungsvorgang die Interessenabwägung wohl anders ausfallen würde, aber verkennt, dass genau dies der Regelfall ist. Ähnlich Stoffer, Ermittlungsverfahren, 555, allerdings im Rahmen der Ermittlungsgeneralklausel. Für ein Überwiegen der Persönlichkeitsrechte der Kunden auch Fahl, ZJS 2009, 63 (66); Sieber, NJW 2008, 881 (884). Erb, FS Roxin 80, 1103 (1113f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 166; wohl auch Wittig, WStR, § 33, Rn. 52a, die sich zwar nicht explizit auf die Steuerdatenfälle bezieht, aber auf Erb, aaO, verweist.
Rechtfertigung
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gebaren die Probleme des deutschen Staats bei der Steuereintreibung verursacht. Daher seien Handlungen mit Auswirkungen auf Rechtsgüter der Bank gegen die Gefahrenquelle und nicht gegen Dritte gerichtet. Schäden der Bank seien für die Abwägung irrelevant, da ein Kundenverlust nur bezogen auf Steuerhinterzieher zu befürchten sei. Das Paktieren mit Straftätern sei aber kein schutzwürdiges Interesse. Etwas anderes gelte auch nicht bei einer Existenzgefährdung der Bank. Diese sei schließlich nur die Folge daraus, dass man sich von Geschäftsbeziehungen mit Kriminellen abhängig gemacht habe. Zwar sei das Geschäftsgebaren der Banken nach dem Recht ihres Belegenheitsorts rechtmäßig, doch müsse für die Bewertung nach deutschem Recht darauf abgestellt werden, dass ein solches Verhalten aus deutscher Sicht unter dem Aspekt der Förderung der Steuerflucht pflichtwidrig sei.908 Pawlik909 hingegen sieht allenfalls Raum für § 34 StGB unter dem Blickwinkel des Aggressivnotstands, wobei er aus dieser Perspektive heraus die Rechtfertigung verneint. Für ausländische Banken, die im Ausland ein dort legales Geschäftsmodell praktizierten, bestehe kein Anlass, auf die Steuereintreibung eines anderen Staats Rücksicht zu nehmen. Die Solidarität innerhalb einer Rechtsgemeinschaft, vor dessen Hintergrund der Notstand zu betrachten sei, habe für ausländische Banken keine Auswirkungen. Dem ist beizupflichten.910 Die ausländischen Banken, gegen deren Rechtsgüter sich die Taten überwiegend richten, sind, wie schon an einigen Stellen herausgearbeitet, unbeteiligte Dritte. Wer nicht verpflichtet ist, deutsche Interessen an einem vollständigen Steueraufkommen zu verfolgen, handelt auch nicht pflichtwidrig, wenn es zu faktischen Beeinträchtigungen des Steueraufkommens kommt. Insbesondere ist der Argumentation von Erb entschieden zu widersprechen. Der Respekt vor der Souveränität anderer Staaten gebietet es, die dort geltenden Rechtstraditionen und Regeln zu beachten. Dies gilt gerade auch für das Bankgeheimnis. Schließlich hat die Geschichte gezeigt, dass rigide Bankgeheimnisse nicht nur Steuerhinterziehungen begünstigen, sondern auch positive Effekte wie den Schutz staatlich Verfolgter bewirken können.911 Jenseits des Streits um die Akzeptanz des Bankgeheimnisses erscheint insbesondere die Annahme Erbs, ein Kundenverlust sei nur bezogen auf Steuerhinterzieher zu 908 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 166; vgl. auch Lang, FS Schneider, 737 (742), der jenseits von § 34 StGB ebenfalls auf die fehlende Schutzwürdigkeit des Geschäftsmodells der Banken rekurriert. 909 Pawlik, JZ 2010, 693 (698). 910 Anders offenbar Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (44), der im Rahmen der Rechtfertigung der Amtsträger darauf abstellt, dass das Wirken der ausländischen Banken gegen die Steuersolidarität verstoße. 911 Zu den Hintergründen des schweizerischen Bankgeheimnisses Wagner, SAM 2008, 101 (103).
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
befürchten, lebensfremd. Es mag auch »ehrliche Kunden« geben, die zwar nichts zu verbergen haben, aber von Indiskretionen und Datenlecks bei ihrer Bank nicht gerade begeistert sind.912 Daher sind entgegen Erb die Angriffe gegen die Rechtsgüter der Banken gegen unbeteiligte Dritte gerichtet. Lediglich soweit Taten in Betracht kommen, die die steuerhinterziehenden Kunden schützen (BDSG-Normen, § 203 StGB), ist der Defensivnotstand heranzuziehen, so dass die Beeinträchtigung der Kunden lediglich nicht außer Verhältnis zu der für den Steueranspruch gegebenen Gefahr stehen darf. Selbst wenn man für diesen Fall annimmt, die Interessenabwägung falle zu Gunsten des deutschen Steueranspruchs aus,913 führen die bei der Angemessenheit noch anzustellenden Erwägungen auch für diese Konstellation zu einer Ablehnung der Rechtfertigung. Zudem sprechen meines Erachtens die besseren Argumente dafür, auch diesbezüglich die Nachrangigkeit der staatlichen Interessen anzunehmen. So sprechen insbesondere die vorstehend aufgeführten Überlegungen zu den Abwägungskriterien bei einer Staatsnotstandshilfe dafür, da diese im Grundsatz auch gegenüber den Verursachern der Gefahr gelten. Somit ist festzuhalten, dass die Interessenabwägung zu Ungunsten der staatlichen Interessen ausfällt. d) Angemessenheit Die nachfolgenden Erwägungen zur Angemessenheit der Notstandshandlung können nach dem gerade bei der Interessenabwägung herausgearbeiteten Ergebnis ohnehin nur Relevanz entfalten, wenn man bezogen auf die verwirklichten Tatbestände zum Schutz der steuerhinterziehenden Bankkunden die Interessenabwägung auf Grund des Defensivnotstands und des daran anknüpfenden veränderten Abwägungsmaßstabs zu Gunsten des Bankmitarbeiters ausgehen lässt. Im Rahmen der Angemessenheit der Notstandshandlung differenziert Erb914 zwischen Gestaltungen, in denen nur eine Strafbarkeit nach § 17 UWG gegeben ist, und Sachverhalten, in denen zusätzlich andere Tatbestände mit einer über das Geheimhaltungsinteresse hinausgehenden Schutzfunktion, beispielsweise 912 Vgl. auch Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 545; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (20), die in einem anderen Zusammenhang auf die Auswirkungen bei »ehrlichen Kunden« abstellen. 913 In diese Richtung wohl Sonn, Steuer-CD-Affäre, 164ff. 914 Erb, FS Roxin 80, 1103 (1115). Unklar bleibt, ob nach Erb die Datenbeschaffungsstrafbarkeit nach § 17 II Nr. 1 UWG zu rechtfertigen ist, da sie sich nur auf das Geheimhaltungsinteresse bezieht oder ob eine Rechtfertigung auf Grund des Bezugs zur Datenbeschaffung ausgeschlossen sein soll; vgl. auch MK/Erb, § 34, Rn. 186, der im Rahmen allgemeiner Ausführungen ohne Bezug zu den Steuerdaten argumentiert, jenseits von § 127 StPO dürften Private nicht zur Aufklärung von Straftaten tätig werden. Gewisse Widersprüche zu seiner Ansicht in den Steuerdatenfällen sind dabei nicht von der Hand zu weisen.
Rechtfertigung
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§ 202a StGB und § 242 StGB, erfüllt sind. Im letzteren Fall sei die Tat kein angemessenes Mittel mehr, da der Aspekt der Unterrichtung der Strafverfolgungsorgane keine weitergehenden Rechtsgutsangriffe legitimiere. Dieser Differenzierung kann nicht beigepflichtet werden. Wie schon im Rahmen der Interessenabwägung dargelegt, führt unter anderem der Umstand, dass im Regelfall der Steuerdatenfälle bereits die Beschaffung der Daten strafbar ist, zu einer für den Informanten nachteiligen Interessenabwägung. Das dieses nicht gelten soll, wenn »nur« eine Strafbarkeit wegen Betriebsspionage betroffen ist, erscheint nicht plausibel. Die fehlende Plausibilität ergibt sich vor allem aus dem gerade erläuterten Aspekt, dass die von der Betriebsspionage betroffene Bank unbeteiligter Dritter ist. Warum ein an der Gefährdung des Erhaltungsguts Unbeteiligter Eingriffe in sein Geheimhaltungsinteresse beziehungsweise in die Integrität seines Unternehmens hinnehmen müssen soll, erscheint nicht schlüssig. Der Eingriff in strafrechtlich geschützte Rechtsgüter zur Informationsbeschaffung sollte unabhängig vom konkret geschützten Rechtsgut nur der absolute Ausnahmefall sein. Dass die Differenzierung zwischen § 202a StGB und § 17 II Nr. 1 UWG nicht schlüssig ist, ergibt sich darüber hinaus aus der im Grundsatz gleichen Strafdrohung beider Normen. Daher kann nicht argumentiert werden, die Verfügungsbefugnis über Daten überwiege das Rechtsgut des § 17 UWG. Festgestellt werden kann mithin, dass sich aus den Überlegungen Erbs keine für die Angemessenheit entscheidenden Aspekte ergeben. Ergiebiger ist hingegen die Argumentation von Ignor/Jahn,915 wonach jenseits der Interessenabwägung jedenfalls die Angemessenheit der Notstandshandlung abzulehnen sei, da die Korrekturfunktion der Angemessenheit gerade den Ausschluss utilitaristischer Erwägungen bezwecke. Meines Erachtens ergibt sich die fehlende Angemessenheit des Informantenhandelns noch aus einem weiteren Aspekt: Im Rahmen der üblichen zur Angemessenheit bei § 34 StGB erörterten Fallgruppen wird argumentiert, Private müssten die Ergebnisse eines rechtsstaatlichen Verfahrens akzeptieren.916 Konsequenterweise wird man die dahinterstehenden Gedanken auch auf den deutschen Staat anwenden müssen. Die Bundesrepublik Deutschland hat die territoriale Begrenzung ihrer Hoheitsgewalt und die fehlende Bereitschaft anderer souveräner Staaten zur zwischenstaatlichen Kooperation ebenso hinzunehmen wie fremdstaatliche Regelungen des Bankenwesens, selbst wenn sie deutschen Interessen zuwiderlaufen. Zur Beseitigung dieser Interessenbeeinträchtigung stehen Deutschland völkerrechtliche und außenpolitische Maßnahmen zur Verfügung.917 Scheitern diese Lösungsmöglichkeiten kann zur 915 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392). 916 Kühl, AT, § 8, Rn. 177f.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 472. 917 Vgl. auch Campos Nave, Heft 11, BB 2010, I, der ebenfalls auf solche Handlungsalternativen
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Überwindung der Grenzen918 der staatlichen Macht nicht in andere Rechtsgüter eingegriffen werden. Diese Überlegungen müssen auch Anwendung finden auf den Bankmitarbeiter, der versucht die »Beweisnot« Deutschlands durch Eingriffe in andere Rechtsgüter zu lindern.919 Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass in den Steuerdatenfällen die Anforderungen an eine zur Rechtfertigung führende Notstandshandlung nicht erfüllt sind. 3.
Subjektives Rechtfertigungselement
Im Zentrum der Diskussion in den Steuerdatenfällen steht auch das subjektive Rechtfertigungselement. Hinsichtlich des subjektiven Rechtfertigungselements muss zunächst thematisiert werden, wie dieses allgemein beschaffen sein muss, ehe erörtert werden kann, ob es bei dem Bankmitarbeiter vorliegt. Abschließend müssen die Konsequenzen bei einem möglichen Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements erwogen werden. a) Beschaffenheit des subjektiven Rechtfertigungselements Meines Erachtens überzeugt es für das subjektive Rechtfertigungselement ein Handeln zur Rettung des Erhaltungsguts920 zu verlangen, wie es vor allem mit Blick auf den Wortlaut des § 34 StGB postuliert wird, und nicht das Handeln in Kenntnis der Notstandslage921 genügen zu lassen. An dieser Stelle wird jedoch nicht näher auf die Problematik eingegangen, da dem subjektiven Rechtfertigungselement auf Grund der vorangegangenen Ablehnung der objektiven Notstandsvoraussetzungen ohnehin kaum Bedeutung zukommt.
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abstellt, allerdings losgelöst von einer Einordnung in dogmatische Kategorien; vgl. auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 548, die die Ablehnung der Angemessenheit primär auf das Scheitern politischer Maßnahmen stützt, ohne jedoch dabei auf anerkannte Fallgruppen des Angemessenheitsausschlusses zu rekurrieren. Dass es sich hierbei auch um durch das deutsche Recht gesetzte Grenzen handelt, ist bereits im Rahmen der Bestimmung des Erhaltungsguts herausgestellt worden. Anders wohl Paeffgen, BRJ 2010, 12 (16), der – allerdings losgelöst von der Kategorie der Angemessenheit – in der fehlenden Kooperationsbereitschaft der involvierten Staaten einen Freifahrtsschein für private Notstandshilfe erblickt. Darauf abstellend allgemein LK/Zieschang, § 34, Rn. 45ff.; Baumann/Mitsch, AT, § 17, Rn. 84; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 404f., 477; in den Steuerdatenfällen Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 189ff.; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Trüg, StV 2011, 111 (112); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (22) zumindest tendenziell; Wittig, WStR, § 33, Rn. 75. Darauf abstellend Fischer, § 34, Rn. 27; Kühl, AT, § 8, Rn. 183f.; Roxin, AT I, § 16, Rn. 105; in den Steuerdatenfällen Erb, FS Roxin 80, 1103 (1114f.); Fahl, ZJS 2009, 63 (66); Satzger, FS Achenbach, 447 (453).
Rechtfertigung
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b) Subjektives Rechtfertigungselement in den Steuerdatenfällen Verlangt man ein Handeln mit Rettungswillen, muss die Frage beantwortet werden, ob der Bankmitarbeiter in den Steuerdatenfällen zumindest auch zu Gunsten des deutschen Steueraufkommens handelt. Gegen eine auf Rettung des Steueraufkommens gerichtete Motivationslage des Bankmitarbeiters wird angeführt, dass er ausschließlich durch seine eigenen wirtschaftlichen Interessen motiviert gewesen sei.922 Dies sei schon daran zu erkennen, dass er die Daten dem deutschen Staat nicht überlassen hätte, wenn dieser sich geweigert hätte, auf die Zahlungsforderung einzugehen. Die Auswirkungen auf das Erhaltungsgut seien folglich rein reflexartiger Natur.923 Dem ist beizupflichten. Die Gefährdung des deutschen Steueraufkommens ist für den ausschließlich an seinen eigenen, üblicherweise pekuniären Interessen orientierten Bankmitarbeiter vielmehr Vorwand als Motiv, was sich am deutlichsten an den Sachverhalten zeigt, bei denen der Informant die Daten zunächst der Bank zum »Rückkauf« angeboten hat. Auch handelt es sich bei der Rettung des deutschen Steueraufkommens nicht um ein vom Absichtsbegriff umfasstes notwendiges Zwischenziel.924 Die Realisierung des Steueranspruchs tritt lediglich als Reflex des Kaufgeschäfts ein und ist keine zwingende Voraussetzung für die Befriedigung der Informanteninteressen. Entgegen Wessing925 verbleibt es bei dieser Argumentation auch dann, wenn der Kaufpreis zur Unterstützung karitativer Zwecke genutzt wird. Dieses Ergebnis ist hier noch klarer als bei der Frage des Eigennutzes. Zusätzlich zu den dort genannten allgemeinen Erwägungen ist für die Frage des subjektiven Rechtfertigungselements einzig entscheidend, ob die Handlung den Interessen des gefährdeten Rechtsguts dient. Die edle Gesinnung des Handelnden allein begründet keinen Rettungswillen bezogen auf das Rechtsgut. Auch der Informant, der das Geld für soziale Zwecke spendet, handelt nicht, um das deutsche Steueraufkommen zu sichern. Damit ist vom Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements auszugehen. Dies gilt sowohl für die Taten der Datenbeschaffung, bei denen dies angesichts
922 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 187f.; Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 549; Trüg, StV 2011, 111 (112); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (22); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75. 923 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (22). 924 Vgl. dazu LK/Zieschang, § 34, Rn. 47, der mit Verweis auf die Absichtsdogmatik den Rettungswillen bejaht bei Fluchthelfern, die nur durch die Entlohnung motiviert sind. Meines Erachtens ist die Konstellation nicht vergleichbar mit den Steuerdatenfällen, da dort die Rettung des Erhaltungsguts gerade keine zwingende Voraussetzung für die Entlohnung ist. Der Kaufpreis wird gezahlt weit vor einer möglichen Realisierung von Steueransprüchen. 925 Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (22).
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
der häufig noch nicht feststehenden Verwendung besonders deutlich ist, als auch für die Taten der Datenweitergabe. c) Folgen bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements Nach dem zuvor Festgestellten ist die Frage der Auswirkungen eines fehlenden Rechtfertigungselements zu klären. Teilweise wird angenommen, dass eine Rechtfertigung in solchen Fällen generell ausgeschlossen und eine Vollendungsstrafbarkeit zu bejahen sei,926 während nach anderer Ansicht für eine Strafbarkeit nur aus dem versuchten Delikt oder in Analogie zum Versuch plädiert wird927. Meines Erachtens ist die erstgenannte Ansicht vorzuziehen. Die Thematik des subjektiven Rechtfertigungselements soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter vertieft werden, da die bisherige Erörterung gezeigt hat, dass bereits die Voraussetzungen einer rechtfertigenden Notstandshandlung nicht vorliegen. Die Erwägungen zum subjektiven Rechtfertigungselement haben somit ohnehin nur unterstützenden Charakter. Zudem ist eine Versuchsstrafbarkeit zumindest für die Delikte des § 17 UWG, die, wie gezeigt, das Kernstück des strafrechtlichen Vorwurfs bilden, vorgesehen (§ 17 III UWG),928 so dass der Strafbarkeitsvorwurf auch bei Befürwortung der Gegenansicht bestehen bliebe. 4.
Ergebnis: Notstand
Die Voraussetzungen des § 34 StGB liegen damit nicht vor.929 Neben anderen umstrittenen Aspekten ist insbesondere eine zu Gunsten der staatlichen Erhaltungsgüter ausgehende Interessenabwägung zu verneinen. Zudem fehlt es jedenfalls an der Angemessenheit.
926 NK/Paeffgen, Vor §§ 32ff., Rn. 128; Gallas, FS Bockelmann, 155 (178). 927 Fischer, § 34, Rn. 28; Kühl, AT, § 8, Rn. 185; Roxin, AT I, § 16, Rn. 105f.; Wessels/Beulke/ Satzger, AT, Rn. 406; in den Steuerdatenfällen Sonn, Steuer-CD-Affäre, 191f. 928 Darauf abstellend auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 192. 929 So, wenngleich teilweise ohne nähere Erörterung, im Ergebnis auch MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 69ff.; Fahl, ZJS 2009, 63 (66); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (392); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4123; Pawlik, JZ 2010, 693 (698); Sieber, NJW 2008, 881 (882); Spernath, NStZ 2010, 307 (308); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 547ff.; Trüg, StV 2011, 111 (112); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21ff.); Wittig, § 33, Rn. 75; Wulf, PStR 2012, 33 (38).
Rechtfertigung
VI.
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Wahrnehmung berechtigter Interessen
Teilweise wird eine Rechtfertigung gestützt auf die Wahrnehmung berechtigter Interessen zumindest für erwähnenswert gehalten.930 Der Rechtfertigungsgrund der Wahrnehmung berechtigter Interessen ist in § 193 StGB im Rahmen der Ehrverletzungsdelikte vorgesehen. Jenseits dieser Normen wird teilweise eine analoge Anwendung befürwortet.931 Ob eine solche Analogie überhaupt anzuerkennen ist, ist jedoch umstritten. Dagegen wird angeführt, § 193 StGB sei vor dem Hintergrund der bei ehrverletzenden Delikten häufig vorkommenden Kollision mit der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit zu erklären. Eine ähnliche Interessenkollision sei für das Geheimhaltungsinteresse hingegen nicht ersichtlich. Die verallgemeinerungsfähige Aussage, dass eigene Interessen ein Recht zur Beeinträchtigung fremder Rechtsgüter nachsichzögen, sei § 193 StGB gerade nicht zu entnehmen.932 Eine solche die erweiterte Anwendung von § 193 StGB ablehnende Argumentation erscheint schon deshalb plausibel, da sonst die Voraussetzungen der normierten allgemeinen Rechtfertigungsgründe umgangen werden könnten und die Frage der Rechtfertigung unter Umgehung der einschränkenden Voraussetzungen des § 34 StGB auf eine reine Interessenabwägung reduziert würde.933 Unabhängig davon, dass eine analoge Anwendung von § 193 StGB folglich ohnehin nicht in Betracht kommt, ist schon äußerst problematisch, ob in den Steuerdatenfällen von einer Wahrnehmung berechtigter Interessen gesprochen werden kann. Das Beschaffen von Daten, um damit eigene materielle oder andere Vorteile zu erzielen, und die anschließende Weitergabe der Daten zur Mehrung des eigenen Vermögens lassen sich kaum als berechtigte Interessenwahrnehmung beschreiben. § 193 StGB analog führt somit nicht zu einer Rechtfertigung des Bankmitarbeiters.
VII.
Übergesetzlicher Notstand
Vereinzelt934 wird als möglicher Rechtfertigungsgrund der übergesetzliche Notstand ins Spiel gebracht. Unabhängig von der Frage der Anerkennung eines übergesetzlichen Notstands kommt die Anwendung in den Steuerdatenfällen 930 Dazu Sonn, Steuer-CD-Affäre, 184f., der eine Anwendung ablehnt, da nach Bejahung der Voraussetzungen von § 34 StGB kein entsprechendes Bedürfnis bestehe. 931 Rogall, NStZ 1983, 1 (6) bezogen auf § 203 StGB. 932 Otto, wistra 1999, 201 (204) bezogen auf § 203 StGB. 933 In diese Richtung auch Rogall, NStZ 1983, 1 (6), der die Abkehr von den Notstandsvoraussetzungen aber gerade als erstrebenswert ansieht. 934 Vgl. dazu van Bühren, AnwBl 2012, 906, wobei unklar bleibt, ob sich die mögliche Rechtfertigung auf die Amtsträger und / oder den Bankmitarbeiter bezieht.
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Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
nicht in Betracht, da die Situation der deutschen Staatsfinanzen trotz der vorhandenen Staatsschulden für einen übergesetzlichen Notstand nicht bedrohlich genug ist.935 Der übergesetzliche Notstand936 ist unabhängig von den umstrittenen Detailfragen für Extremsituationen zur Rettung höchster Rechtsgüter gedacht937 und nicht für Bankmitarbeiter, die zur Förderung ihrer eigenen Interessen den Staat bei der Eintreibung von Steueransprüchen »unterstützen«.
VIII.
Steuerdaten und Whistleblowing
Die bisherige Erörterung hat gezeigt, dass eine Rechtfertigung des Bankmitarbeiters nicht in Betracht kommt. Zu anderen Ergebnissen gelangt man auch nicht durch einen Verweis auf die (straf)rechtlich zwar nicht geklärte, aber viel diskutierte Behandlung des sogenannten Whistleblowings. Jenseits aller Streitigkeiten in Detailfragen wird unter Whistleblowing die Informationsweitergabe durch Insider, insbesondere durch Arbeitnehmer, zur Aufdeckung gesetzeswidriger oder ethisch bedenklicher Praktiken verstanden.938 Auch in den Steuerdatenfällen wird auf das Phänomen des Whistleblowings rekurriert. Die Problematik wird dabei entweder im Rahmen von § 34 StGB939, bei der Frage eines Anzeigerechts940 oder im Rahmen einer möglichen Pflicht zur Zeugenaussage941 erörtert. Teilweise942 wird jedoch auch auf das Whistleblowing als übergeordnetes, die Rechtfertigung begründendes Konzept verwiesen. Dabei 935 Ähnlich Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8 im Zusammenhang mit einer möglichen Rechtfertigung der Amtsträger durch den übergesetzlichen Notstand. 936 Überwiegend werden die Überlegungen, die hinter der Diskussion um den übergesetzlichen Notstand stehen, statt im Rahmen der Rechtfertigung auf Schuldebene eingeordnet, dazu die Nachweise bei L/K/Kühl, Vor § 32, Rn. 31. Da die Erwägungen zum übergesetzlichen Notstand auf die Steuerdatenfälle ohnehin nicht zutreffen, kommt diesem Aspekt im vorliegenden Zusammenhang jedoch keine Bedeutung zu. 937 Dazu Pawlik, JZ 2004, 1045 (1051), allerdings bezogen auf eine entschuldigende Wirkung des übergesetzlichen Notstands. 938 Engländer/Zimmermann, NZWiSt 2012, 328; Hefendehl, FS Amelung, 617 (618ff.); A. Koch, ZIS 2008, 500. 939 Wittig, WStR, § 33, Rn. 31, 52a. 940 Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; Sieber, NJW 2008, 881 (884); Trüg, StV 2011, 111 (112); jenseits der Steuerdatenfälle für eine Verortung von Whistleblowing-Aspekten bei der Frage des Anzeigerechts G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 66; Wabnitz/Janovsky/ Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 13. 941 Heine, FS Roxin 80, 1087 (1097). 942 In diese Richtung Sonn, Steuer-CD-Affäre, 7ff., 128f., 155ff., der seine Überlegungen zwar im Ergebnis an § 34 StGB anknüpft, dabei aber zentral auf die Parallele zwischen den Steuerdatenfällen und ähnlichen Konstellationen der Informationsweitergabe abstellt; ähnlich auch A. Koch, ZIS 2008, 500, der die Steuerdatenfälle als typisches Whistleblowing einordnet und sich zumindest de lege ferenda mit einer einheitlichen Behandlung von Whistleblowing-Fällen auseinandersetzt.
Rechtfertigung
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werden die Auswirkungen des Whistleblowings in den Vordergrund gestellt. So wird betont, dass das Verhalten des Informanten der Behebung rechtswidriger Zustände diene.943 Im Gegensatz dazu wird die Relevanz des Whistleblowings für die Steuerdatenfällen teilweise vollständig negiert. So wird argumentiert, die Forderung der Geldzahlung überschreite das, was üblicherweise unter Whistleblowing verstanden werde. Darunter seien lediglich an die Strafverfolgungsbehörde gerichtete Hinweise zu eigenen Wahrnehmungen zu erfassen.944 Der These von der Irrelevanz des Whistleblowings in den Steuerdatenfällen kann dabei zumindest im Ergebnis zugestimmt werden. Ob Fälle mit Gegenleistungsbezug unter den Begriff des Whistleblowings fallen, ist umstritten,945 da Begriff und rechtliche Behandlung des Whistleblowings weder im Arbeitsrecht,946 in dessen Rahmen die Fallgestaltungen zuerst diskutiert worden sind,947 noch im Strafrecht948 geklärt sind. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Aspekt ist jedoch entbehrlich, da der bloße Verweis auf eine Fallgruppe, deren Voraussetzungen und Folgen völlig ungeklärt sind, jedenfalls nicht dazu führen kann, dass die Voraussetzungen bestehender Rechtfertigungsgründe umgangen oder gelockert werden. Auch wird meines Erachtens zu Recht darauf verwiesen,949 dass der Begriff des Whistleblowings nicht hinreichend präzisiert sei, um im Strafrecht Wirkung zu entfalten. Die Frage, ob die Steuerdatenfälle als Whistleblowing einzuordnen sind, ist für die rechtliche Beurteilung mithin folgenlos.950 Die für das Whistleblowing kennzeichnenden Fragestellungen sind lediglich im Rahmen der anerkannten Rechtfertigungsgründe zu berücksichtigen und führen für die hier relevanten Steuerdatenfälle nicht zu einer Rechtfertigung. Im Ergebnis kommt es damit auch jenseits der Steuerdatenfälle stets auf eine Würdigung der genauen Umstände an, so dass sich unabhängig von der Frage des konkreten dogmatischen Anknüpfungspunkts keinesfalls eine pauschalisierte Behandlung von Informationsweitergaben unter dem Blickwinkel des Whistleblowings anbietet.
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Sonn, Steuer-CD-Affäre, 128. Heine, FS Roxin 80, 1087 (1097); Trüg, StV 2011, 111 (112). Vgl. zu Begrenzungsansätzen C. Becker, Whistleblowing, 20f. Zu arbeitsrechtlichen Fragestellungen des Whistleblowings BVerfG, NJW 2001, 3474ff.; C. Becker, Whistleblowing, 219ff. Zur historischen Entwicklung des Begriffs »Whistleblowing« C. Becker, Whistleblowing, 18ff. Zu strafrechtlichen Fragestellungen des Whistleblowings A. Koch, ZIS 2008, 500 (503ff.). In diese Richtung Ambos, Beweisverwertungsverbote, 113; Sieber, NJW 2008, 881 (884); Trüg, StV 2011, 111 (112). Anders Sonn, Steuer-CD-Affäre, 7ff., dessen zentrale These die Vergleichbarkeit der Steuerdatenfälle mit anderen Whistleblowing-Konstellationen bildet.
228 IX.
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Ergebnis: Rechtfertigung
Zu Gunsten des Bankmitarbeiters greifen keine Rechtfertigungsgründe ein. Dies ist in der vorangegangenen Erörterung vor allem bezogen auf Bankmitarbeiter thematisiert worden, die schon bei der Beschaffung eine Weitergabe an staatliche Stellen im Blick haben. Für diejenigen, die bei der Beschaffung noch keine Vorstellungen hinsichtlich des weiteren Vorgehens haben, gelten die Erwägungen logischerweise erst Recht, da dort bei den Delikten der Datenbeschaffung überhaupt kein Anknüpfungspunkt für eine Rechtfertigung besteht.
D.
Schuld
Fraglich ist weiterhin, ob der Bankmitarbeiter schuldhaft gehandelt hat. Hinsichtlich schuldrelevanter Aspekte kommt für die nähere Erörterung einzig ein möglicher Verbotsirrtum in Betracht.951 Ein Verbotsirrtum liegt vor, wenn der Informant bei vollständig erkanntem Sachverhalt seine Schweigepflicht verkennt, fälschlicherweise einen nicht existenten Rechtfertigungsgrund annimmt oder seine Befugnis zu weit ausdehnt.952 Eine solche Situation ist in den Steuerdatenfällen jedoch gerade nicht gegeben. Insbesondere sind den Informanten ihre Schweigepflichten bewusst. Dies ergibt sich schon aus der hohen Bedeutung, die das Bankgeheimnis in den betroffenen Staaten einnimmt. Daran anknüpfend wird bei den Informanten auch ein Bewusstsein über einen möglichen Verstoß gegen deutsches Recht vorhanden sein. Auch wird ein Informant, der auf seine eigenen Interessen fokussiert ist, kaum an tatsächlich nicht existente Rechtfertigungsgründe denken. Für einen Verbotsirrtum bestehen mithin keine Anhaltspunkte. Hinzu kommen die hohen Anforderungen, die allgemein an die Unvermeidbarkeit eines Verbotsirrtums gestellt werden,953 so dass, selbst wenn ausnahmsweise Anhaltspunkte für einen Verbotsirrtum bestehen sollten, eine Entschuldigung nicht in Betracht kommt. Daher ist von einem schuldhaften Handeln des Bankmitarbeiters auszugehen.
951 Erörtert z. B. bei Sonn, Steuer-CD-Affäre, 192. 952 Vgl. allgemein zu § 17 UWG MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 65; bezogen auf die letzte Variante auch Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 49. 953 Zu den Anforderungen Fischer, § 17, Rn. 7ff.; auf diese Anforderungen in den Steuerdatenfällen abstellend auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 192.
Strafanwendungsrecht
E.
229
Strafanwendungsrecht
Abschließend ist zu klären, ob das deutsche Strafrecht auf die Handlungen des Bankmitarbeiters anwendbar ist.
I.
Taten der Datenbeschaffung
Dabei werden zunächst die Taten der Datenbeschaffung (§ 17 II Nr. 1 UWG, ggf. § 242 / § 246 StGB, § 202a StGB, §§ 44 I, 43 II BDSG) betrachtet. 1.
Regelfall
Die Standardkonstellation der Steuerdatenfälle ist gekennzeichnet durch das Handeln eines ausländischen Bankmitarbeiters im Ausland. Zunächst muss erörtert werden, ob, soweit die Delikte des § 17 UWG betroffen sind, eine Beurteilung anhand des Strafanwendungsrechts der §§ 3ff. StGB erfolgen kann. Teilweise wird aus § 17 VI UWG gefolgert, dass bei Taten gegen im Ausland gelegene Betriebe, die nicht unter § 17 VI UWG fallen, das deutsche Strafrecht nicht anwendbar sei.954 Dem wird entgegengehalten, dass § 17 VI UWG lediglich ein Hinweis auf § 5 Nr. 7 StGB, aber keine abschließende Begrenzung sei und die Strafanwendungsfrage somit weiterhin nach Maßgabe der §§ 3ff. StGB zu entscheiden sei.955 Sonst würde schließlich auch die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf Inlandstaten ausgeschlossen, was nicht der Sinn der Regelung sein könne.956 Diese Argumentation überzeugt, so dass die §§ 3ff. StGB auch hinsichtlich § 17 UWG auf ihre Anwendbarkeit in den Steuerdatenfällen untersucht werden.957 Der Ort der Bankniederlassung als möglicher Handlungs- und Erfolgsort958 der Datenbeschaffung liegt in den Steuerdatenfällen charakteristischerweise im
954 In diese Richtung in den Steuerdatenfällen Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (203), wobei die Unterscheidung zwischen Strafanwendungsrecht und Schutzbereich nicht ganz deutlich wird. 955 Heine, FS Roxin 80, 1087 (1097f.); Pawlik, JZ 2010, 693 (697, Fn. 67); Sonn, Steuer-CDAffäre, 87f.; Trüg, StV 2011, 111; für eine reine Klarstellungsfunktion allgemein auch Fezer/ Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 81. 956 Heine, FS Roxin 80, 1087 (1097f.). 957 So im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 86ff. 958 Zu der Frage, ob überhaupt an einen Erfolgsort angeknüpft werden kann, näher im weiteren Verlauf.
230
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Ausland. Damit scheiden die Anwendung von §§ 3, 9 StGB und das Abstellen auf eine Tatbegehung im Inland grundsätzlich aus.959 § 5 Nr. 7 StGB, ggf. i. V. m. § 17 VI UWG, kommt grundsätzlich nicht in Betracht, da die betroffenen Bankunternehmen im Regelfall weder ihren Sitz in Deutschland haben noch von einem in Deutschland sitzenden Unternehmen abhängig sind.960 § 7 II Nr. 1 StGB, der einen deutschen Täter verlangt, ist zumindest für den Regelfall des ausländischen Bankmitarbeiters zu verneinen.961 Gleiches gilt grundsätzlich für § 7 I StGB, der an ein deutsches Opfer anknüpft. Schließlich ist das Opfer der Datenentwendung grundsätzlich das Bankunternehmen (zu den kundenschützenden Delikten näher im weiteren Verlauf der Erörterung). Für § 17 UWG ergibt sich das aus der Schutzrichtung der Norm (dazu oben in diesem Kapitel unter A. I. 5. c) aa)),962 für die ohnehin nur am Rande in Betracht kommenden § 242 / § 246 StGB aus dem Eigentum der Bank an den entwendeten Gegenständen.963 Erörterungswürdig ist dieser Aspekt allein bei § 202a StGB. Hier wird zwar teilweise964 dafür plädiert, auch den vom Inhalt Betroffenen in den Schutz miteinzubeziehen, doch ist grundsätzlich auch wegen der Fokussierung des § 202a StGB auf formelle Fragen und einer sachgerechten Abgrenzung zum BDSG nach gegenwärtiger Rechtslage nur derjenige als geschützt anzusehen, der über die Daten verfügt,965 hier also die Bank. Damit bleibt für § 7 I StGB grundsätzlich kein Raum.966 Etwas anderes gilt nur, wenn hinsichtlich der Beschaffungstaten bereits BDSG-Delikte greifen, was auf Grund der Einzelfallabhängigkeit der Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG keineswegs sicher ist. Sollte ein solcher Fall allerdings gegeben sein, greift das deutsche Strafrecht ein, da davon auszugehen ist, dass die Datenbeschaffung auch nach 959 So auch Sieber, NJW 2008, 881 (884) bezogen auf § 202a StGB; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 39, 86f. bezogen auf § 202a StGB und § 17 II Nr. 1 UWG; Zieschang, FS Scheuing, 794 (798) bezogen auf § 202a StGB. 960 So auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1383); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 86; Zieschang, FS Scheuing, 794 (799); Lediglich bezüglich der CISAL als Tochter der Commerzbank kommt die Anwendung von § 5 Nr. 7 StGB in Betracht. 961 So auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1382f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 33, 36. 962 So auch Zieschang, FS Scheuing, 794 (799); anders offenbar Heine, ASA 2010/2011, 525 (535); ders., FS Roxin 80, 1087 (1098f.); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (782f.), die alle auf ein deutsches Opfer abstellen, obwohl zumindest Heine gleichzeitig (531f. / 1092) herausstellt, dass § 17 UWG nicht dem Kundenschutz diene. 963 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 33; Zieschang, FS Scheuing, 794 (798). 964 L/K/Heger, § 202a, Rn. 1. 965 Fischer, § 202a, Rn. 2, 7a; S/S/Lenckner/Eisele, § 202a, Rn. 1; Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 90; in den Steuerdatenfällen Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Samson/ Langrock, wistra 2010, 201 (203); Satzger, FS Achenbach, 447 (454); Sonn, Steuer-CDAffäre, 38f.; Zieschang, FS Scheuing, 794 (798). 966 So auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1382); Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (203); Satzger, FS Achenbach, 447 (454); Zieschang, FS Scheuing, 794 (798).
Strafanwendungsrecht
231
dem Tatortrecht strafbar ist (dazu näher im Rahmen der Konstellation des deutschen Bankmitarbeiters).967 Hinsichtlich des für ausländische Staatsbürger relevanten § 7 II Nr. 2 StGB fehlt es bei normalen Sachverhaltsverläufen bereits an dem Betroffensein im Inland.968 In den üblichen Steuerdatenfällen ist der Bankmitarbeiter somit nicht nach dem deutschen Strafrecht zu bestrafen, soweit die Delikte der Datenbeschaffung (mit Ausnahme der BDSG-Delikte) betroffen sind.
2.
Ausnahme des deutschen Bankmitarbeiters
Wie man den geschilderten Beispielsfällen entnehmen kann, verfügen die Bankmitarbeiter üblicherweise nicht über die deutsche Staatsbürgerschaft, doch ist dies, wie man an einem Teilbereich des Sachverhalts Schweiz III erkennen kann, keineswegs zwingend. Wenn ausnahmsweise ein deutscher Bankmitarbeiter handelt, kommt die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts nach § 7 II Nr. 1 StGB in Betracht, da davon auszugehen ist, dass die Beschaffung der Daten auch nach dem Recht des Tatorts unter Strafe gestellt ist: Ohne auf die jeweilige Strafbarkeit nach den ausländischen Rechtsordnungen,969 die nicht Gegenstand dieser Erörterung ist, näher einzugehen, kann doch festgestellt werden, dass es für § 7 StGB ausreicht, wenn die Tat irgendeine Strafnorm verwirklicht, ohne dass es sich um eine genaue Entsprechung zur deutschen Rechtslage handeln muss970. Nach diesen Grundsätzen ist von einer Tatortstrafbarkeit971 allein schon deshalb auszugehen, weil die betroffenen Staaten gerade durch einen rigiden Geheimnisschutz geprägt sind. In dieser Prägung liegt schließlich die Ursache für die Steuerdatenproblematik. 967 So auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1393ff.) mit detaillierter Erörterung der entsprechenden Strafnormen der Schweiz. 968 So auch Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (203); im Ergebnis gleich auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1382f.), wenngleich mit anderer Begründung. 969 Dazu im Detail Gössel, FS Puppe, 1377 (1384f.), Heine, ASA 2010/2011, 525 (528ff.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1088ff.); Jahn, FS Stöckel, 259 (281); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (782f.); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1272f.); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (302f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186f.; Schünemann, GA 2008, 314 (328); Sieber, NJW 2008, 881; Spatscheck, FS Volk, 771 (779); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (438f.); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (23ff.). 970 Zu den Voraussetzungen der Tatortstrafbarkeit Fischer, § 7, Rn. 7; L/K/Heger, § 7, Rn. 2; Satzger, EU SR, § 5, Rn. 89. 971 Vgl. zur strafrechtlichen Sanktionierung der Verschwiegenheitspflicht von Bankmitarbeitern für Liechtenstein Gassner, StraFo 2002, 1 (4); für Luxemburg Carl/Klos, DStZ 1991, 577 (578); für die Schweiz Heine, GS Vogler, 67f.
232 3.
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Ergebnis: Datenbeschaffung
Das deutsche Strafrecht ist auf die Beschaffungstaten des Bankmitarbeiters im Regelfall, das heißt bei einem Bankmitarbeiter ohne deutsche Staatsbürgerschaft, unanwendbar, sofern es sich nicht um Straftaten nach dem BDSG handelt.
II.
Datenverkauf
Weiterhin muss die Anwendung des deutschen Strafrechts auf die an den Datenverkauf anknüpfenden Delikte (§ 17 I UWG, § 17 II Nr. 2 UWG, §§ 44 I, 43 II BDSG und in Ausnahmefällen §§ 203, 204 StGB) des Bankmitarbeiters untersucht werden. Dass § 17 VI UWG die Anwendung der §§ 3ff. StGB nicht sperrt, ist bereits begründet worden. 1.
Delikte gegen die Bank
Die nachfolgende Erörterung konzentriert sich zunächst auf Delikte gegen die Bank, ehe Besonderheiten bei Delikten gegen die Bankkunden thematisiert werden. Ähnlich wie die Datenbeschaffung findet die Datenüberlassung typischerweise im Ausland statt, was zu Problemen bei der Anwendbarkeit deutschen Strafrechts führt. a) Handlungsort Das Vorliegen eines inländischen Handlungsorts ist auf Grund der Auslandsdimension höchst unwahrscheinlich. Üblicherweise wird für die Datenübergabe ein Tatort gewählt, der zwar zumeist nicht im Land der betroffenen Bankniederlassung, aber eben auch nicht in Deutschland liegt.972 Auch die in einigen Fällen überlassenen Testdaten dürften bei lebensnaher Betrachtung973 nicht in Deutschland übergeben worden sein. Etwas anderes ergibt sich entgegen anderer Ansicht974 auch nicht daraus, dass jede Vorbereitungshandlung in die Bewertung einzubeziehen wäre. Zwar ist nicht völlig ausgeschlossen, dass Vor972 Anders Heine, ASA 2010/2011, 525 (536); ders., FS Roxin 80, 1087 (1099f.); Satzger, FS Achenbach, 447 (449f.); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Wulf, PStR 2012, 33 (37), die offenbar eine Übergabe in Deutschland ernsthaft in Betracht ziehen; Benkert, FS Schiller, 27 (28) und Sonn, Steuer-CD-Affäre, 15, 88 legen die Annahme eines deutschen Übergabeorts für ihre jeweilige Erörterung der Steuerdatenfälle sogar als Prämisse fest. 973 Eine solche Probedatenüberlassung auf deutschem Boden in Erwägung ziehend jedoch Spernath, NStZ 2010, 307. 974 Spatscheck, FS Volk, 771 (779); wohl auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393): »in Deutschland … angeboten hat«.
Strafanwendungsrecht
233
besprechungen im Rahmen der Verhandlungen zwischen dem Bankmitarbeiter und den staatlichen Stellen in Deutschland stattgefunden haben oder eine Kontaktaufnahme per in Deutschland gelesener E-Mail erfolgt ist.975 Doch fällt nicht jede Station auf dem Weg zur Straftat unter den Begriff des Handlungsorts, sondern nur eine solche Handlung, die zumindest ein Teil der tatbestandlichen Handlung oder selbständig strafbar ist.976 Diese Voraussetzungen erfüllen bloße Vorgespräche jedoch nicht. Das gilt grundsätzlich auch bezogen auf ein Verwerten, obwohl dafür jede nur mittelbar zu einem Vorteil führende Handlung ausreicht977. Schließlich wird bei bloßen Vorgesprächen und Geschäftsanbahnungen nicht das Geheimnis selbst genutzt: Verhandlungen über die Möglichkeit eines Ankaufs und über die Modalitäten weisen keinen Bezug zu dem konkreten Inhalt der Daten auf:978 Fraglos wird der Informant die Daten abstrakt beschreiben. Doch wird er schon im eigenen Interesse jenseits der Probedatenüberlassung nicht die Angaben (Name, Kontostand, etc.) nennen, die das Geheimnis ausmachen. Ein Bezug zu dem inhaltsbezogenen Nutzungspotential des Geheimnisses ist aber zumindest nach hier vertretener Ansicht Voraussetzung für ein Verwerten (zu dem entsprechenden Erfordernis oben in diesem Kapitel unter A. II. 3. e)). Ein inländischer Handlungsort kann folglich auch nicht mit der Einbeziehung von Vorstadien gerechtfertigt werden. Ein deutscher Handlungsort und damit die Anwendung deutschen Strafrechts über §§ 3, 9 I Var. 1 StGB kommt somit nur in Sonderkonstellationen in Betracht. b) Erfolgsort Eine beachtliche Strömung979 nimmt bei der Erörterung der Steuerdatenfälle die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Verkaufshandlungen des Bankmitarbeiters mit Blick auf § 3 StGB i. V. m. § 9 I Var. 3 StGB an und stützt sich folglich auf einen inländischen Erfolgsort. Eine solche Argumentation überzeugt jedoch nicht.980 Ein über die Tathandlung hinausgehender Erfolg erscheint sowohl für das Mitteilen als auch für das Verwerten zweifelhaft. 975 976 977 978
Vgl. Kieber, Tatsachenbericht, 605; Zieschang, FS Scheuing, 794 (805). NK/Böse, § 9, Rn. 3; Fischer, § 9, Rn. 3. Zur Annahme des Verwertens trotz fehlender Unmittelbarkeit Wawrzinek, Verrat, 241f. So auch Zieschang, FS Scheuing, 794 (805), der jedoch die Delikte des § 17 UWG ohnehin ablehnt. 979 Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274); Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Trüg, StV 2011, 111 (112). 980 Gegen das Abstellen auf einen Erfolg auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 88ff. für § 17 UWG (vgl. aber auch Sonn, aaO, 56, der sich dort für § 203 StGB im Widerspruch zu der vorgehend zitierten Annahme mit Blick auf die betroffenen deutschen Kunden für einen (deutschen) Erfolgsort ausspricht); Zieschang, FS Scheuing, 794 (805), der jedoch Mitteilungs- und Verwertungsdelikte ohnehin ablehnt.
234
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Ob sich das Mitteilen in der bloßen, eine Kenntnisnahme ermöglichenden Bekanntgabe erschöpft981 oder einen Erfolg im Sinne einer tatsächlich erfolgten Kenntnisnahme oder zumindest im Sinne der Begründung von Verfügungsgewalt durch den Empfänger voraussetzt982, ist ebenso umstritten wie die Frage, ob der Erfolgsbegriff im Sinne des § 9 I StGB über den Begriff des tatbestandlichen Erfolgs im engeren Sinne hinausgeht983. In den Steuerdatenfällen sind diese Streitfragen jedoch im Ergebnis irrelevant: Selbst wenn man auf einen »Zugangserfolg« abstellt, liegt dieser am ausländischen Übergabeort, da dort die staatlichen Stellen die Verfügungsgewalt über die Daten begründen.984 Eine elektronische Übermittlung der Daten, deren »Erfolg« dann auf dem deutschen Rechner einträte,985 ist für die klassischen Ankaufsfälle fernliegend, da sich der Informant so dem Risiko einer höchst ungewissen Entlohnung aussetzen würde, und ist allenfalls bei einer kostenlosen Datenüberlassung, die hier nicht thematisiert wird, wahrscheinlich. Nach ganz überwiegender Auffassung986 wird ein inhaltliches Verstehen für das Mitteilen nicht verlangt, so dass die in Deutschland erfolgte inhaltliche Auseinandersetzung mit den überlassenen Daten als Anknüpfungspunkt nicht in Betracht kommt.987 Für ein Verwerten ist jede zu einem möglichen Vorteil führende Handlung hinreichend, auf den tatsächlichen Eintritt des Vorteils kommt es nicht an.988 Selbst wenn man für § 9 I StGB irgendeinen Erfolg im weitesten Sinne ausrei981 MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 113, 109, 51, 50, die allerdings missverständlich formulieren, indem sie einerseits einen Zugang verlangen, andererseits aber betonen, dass es sich nicht um ein Erfolgsdelikt handele; tendenziell auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 88f. 982 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 56, 31; Föbus, Insuffizienz, 133f.; Otto, wistra 1998, 125 (128). 983 Zum Streitstand BGHSt 46, 212 (220ff.); Fischer, § 9, Rn. 4ff.; L/K/Heger, § 9, Rn. 2; Bielefeld/Prinz, DStR 2008, 1122 (1124). 984 In diese Richtung auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 89f.; Zieschang, FS Scheuing, 794 (805f.), der jedoch Mitteilungs- und Verwertungsdelikte ohnehin ablehnt. 985 Darauf abstellend Spernath, NStZ 2010, 307; vgl. auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 89, der meines Erachtens unverständlich davon ausgeht, dass auch in einem solchen Fall, der »Mitteilungserfolg« am Ort der Offenbarungshandlung, also offenbar am ausländischen Absendeort, eingetreten sei. Das übersieht, dass die Kenntnisnahmemöglichkeit, die den »Erfolg im weiteren Sinne«, wenn man einen solchen denn anerkennt, bildet, erst mit Eingang beim Mitteilungsempfänger eintritt. 986 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 129, 42f.; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 55; G/J/W/ Hammer, UWG, § 17, Rn. 56, 31; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 109, 51; Fezer/ Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 34; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 43; Otto, wistra 1998, 125 (128); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 89. 987 So im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 89. 988 Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 124; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 26; Wawrzinek, Verrat, 241; vgl. auch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128, der ebenfalls keinen Erfolg verlangt und Verwerten als »reines Tätigkeitswort« bezeichnet, a. A. G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 53; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (23).
Strafanwendungsrecht
235
chen ließe, so läge dieser im Ausland. Ein solcher Erfolg könnte nur in der Erlangung des Vorteils liegen, für den Bankmitarbeiter mithin im Kaufpreis.989 Dieser wird jedoch gerade am ausländischen Übergabeort erlangt.990 Auch wenn der Kaufpreis ausnahmsweise nicht direkt übergeben wird, sondern über verschleierte Kontoverbindungen auf ein Konto übermittelt wird, tritt der »Erfolg« mit Zugriff des Bankmitarbeiters auf das Geld ein, wofür er sich kaum nach Deutschland begeben wird. Selbst wenn man für einen Vorteil die Gutschrift auf dem entsprechenden Konto ausreichen ließe, müsste das Konto schon in Deutschland geführt werden, damit ein inländischer »Erfolg« anzunehmen wäre. Hingegen stellt Sonn991 im Rahmen der Ablehnung eines inländischen Erfolgsorts auf den Wohnort des Täters ab, um den Eintritt der Bereicherung zu verorten. Aus den gerade angeführten Überlegungen zum erstmaligen Eintritt der Bereicherung heraus erscheint die Argumentation jedoch wenig plausibel: Der Nutzen des Bankmitarbeiters tritt ein, sobald der Mitarbeiter erstmalig über das Geld verfügen kann. Das muss aber nicht zwingend an seinem Wohnort sein. Insbesondere bei der direkten Übergabe des Geldbetrags ist schwerlich einzusehen, warum der Informant erst an seinem Wohnsitz eintreffen muss, um einen Vorteil erlangt zu haben oder warum der »Erfolg« am Wohnort fingiert wird,992 obwohl ein realer Anknüpfungspunkt zur Verfügung steht. Im Rahmen der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters kann nicht auf die Nutzungen in Deutschland durch die deutschen Stellen abgestellt werden, um einen inländischen Erfolgsort des Verwertens durch den Bankmitarbeiter zu generieren.993 An diesem Ergebnis ändert sich auch dann nichts, wenn man die Testdaten in die Bewertung miteinbezieht.994 Auch dann sind nur die Vorteile des Bankmitarbeiters, die in der späteren Erlangung des Kaufpreises bestehen, maßgeblich. Damit ist ein inländischer Erfolgsort, der an eine Mitteilungs- oder Verwertungshandlung anknüpft, höchst unwahrscheinlich. Zu einem inländischen Erfolgsort gelangt man daher nur, wenn man die 989 In diese Richtung auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 89; Zieschang, FS Scheuing, 794 (805), der jedoch Mitteilungs- und Verwertungsdelikte ohnehin ablehnt. 990 In diese Richtung auch Zieschang, FS Scheuing, 794 (805), der jedoch Mitteilungs- und Verwertungshandlungen ohnehin ablehnt. 991 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 89f. 992 Ob die erlangte Bereicherung stets am Wohnsitz fingiert werden soll, sobald eine Bereicherung existiert oder ob tatsächlich das »Eintreffen« der Bereicherung am Wohnort erforderlich ist, wird bei der Argumentation von Sonn, Steuer-CD-Affäre, 89f. nicht deutlich. 993 Dies wird jedoch offenkundig anders gesehen von Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Trüg, StV 2011, 111 (112); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (23); wie hier im Grundsatz auch Zieschang, FS Scheuing, 794 (805), der jedoch Mitteilungs- und Verwertungsdelikte ohnehin ablehnt. 994 Auf die Testdaten abstellend jedoch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Trüg, StV 2011, 111 (112).
236
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Geheimnishehlerei als Eignungsdelikt einordnet und gleichzeitig die Ansicht995 vertritt, dass bei Eignungsdelikten jeder Ort, an dem sich die Gefahr für das Rechtsgut realisieren könnte, als Erfolgsort in Betracht kommt. Mit dieser Argumentation könnte man Deutschland als Erfolgsort ansehen, da auch dort die geschützten Interessen der Bank beeinträchtigt werden könnten.996 Erstens bestehen aber gegen die geschilderte Ansicht erhebliche Bedenken. So besteht die Gefahr einer uferlosen Ausweitung möglicher Erfolgsorte. Zudem sind Wertungswidersprüche zu einigen der in § 5 StGB normierten Tatbestände zu befürchten.997 Zum anderen dürfte es problematisch sein, die Geheimnishehlerei als Eignungsdelikt zu qualifizieren. Viel näher liegt die Einordnung als schlichtes Tätigkeitsdelikt.998 Bei schlichten Tätigkeitsdelikten ist die Annahme eines Erfolgsorts nach ganz überwiegend vertretener Meinung999 jedoch ausgeschlossen, da keine von der Handlung losgelöste Folge als Anknüpfungspunkt für einen möglichen Erfolg existiert. Mithin lässt sich ein inländischer Erfolgsort auch nicht über die Einordnung als Eignungsdelikt begründen. Ein inländischer Erfolgsort liegt folglich nicht vor, so dass darauf die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht gestützt werden kann. c) Sonstige Anknüpfungspunkte Auch sonstige Gesichtspunkte vermögen die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts nicht zu begründen. Hinsichtlich § 5 Nr. 7 StGB (ggf. i. V. m. § 17 VI UWG) kann auf die obigen Erörterungen verwiesen werden. § 7 I StGB scheitert daran, dass sich die Delikte gegen die ausländische Bank 995 BGHSt 46, 212 (221ff.); Rath, JA 2006, 435 (437f.). 996 So begründet Heine, FS Roxin 80, 1087 (1099f.) die Annahme eines inländischen Erfolgsorts mit der Einordnung als Eignungsdelikt und stellt auf die Eignung der Verwertungshandlung zur Schadenzufügung in Deutschland ab. 997 NK/Böse, § 9, Rn. 12; Satzger, EU SR, § 5, Rn. 25ff. 998 Für ein Erfolgsdelikt hingegen Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (23), der die wirtschaftliche Nutzung (der Datenkäufer) als Erfolg des Verwertens (durch den Datenverkäufer) ansieht und auf die überwiegende Literaturmeinung abstellt, für die er aber keine Belege anführt; gegen die Annahme eines Tätigkeitsdelikts auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Trüg, StV 2011, 111 (112) mit ähnlich unverständlicher Begründung wie Wessing, aaO; für die Einordnung als schlichtes Tätigkeitsdelikt vgl. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128, wonach ein »Verletzungs- oder Schädigungscharakter« der Handlung nicht erforderlich sei und das Verwerten ein »reines Tätigkeitswort« darstelle. Die von Heine, FS Roxin 80, 1087 (1100) für die Einordnung als Eignungsdelikt angegebene Fundstelle, Brammsen, aaO, Rn. 109 (neue Auflage Rn. 124) bezieht sich nicht auf die Eignung zur Schädigung des Geheimnisherrn, sondern auf die Eignung, dem potentiellen Täter Vorteile zu verschaffen. Die von Heine, aaO, zusätzlich angegebene Fundstelle (Tiedemann, FS Kohlmann, 307 (312)) bezieht sich auf den Geheimnisbegriff (jede Tatsache, deren Offenbarung geeignet ist, dem Unternehmen Schaden zuzufügen). Aus der Definition des Tatobjekts kann meines Erachtens jedoch keine Aussage für die Einordnung als Eignungsdelikt getroffen werden. 999 NK/Böse, § 9, Rn. 11; S/S/Eser, § 9, Rn. 6b; Fischer, § 9, Rn. 4; L/K/Heger, § 9, Rn. 2.
Strafanwendungsrecht
237
richten, die Taten somit nicht gegen ein deutsches Unternehmen begangen worden sind. Auf die Problematik der Anwendbarkeit bei juristischen Personen1000 kommt es damit nicht an. § 7 II Nr. 1 StGB liegt auf Grund der im Regelfall fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit des Bankmitarbeiters nicht vor. Hinsichtlich des für ausländische Staatsbürger relevanten § 7 II Nr. 2 StGB fehlt es an dem Betroffensein im Inland. d) Ergebnis Mithin kann festgestellt werden, dass es in den Steuerdatenfällen keinen Anknüpfungspunkt für die Anwendung deutschen Strafrechts auf die Delikte der Datenüberlassung gibt, soweit Delikte gegen die Banken betroffen sind.
2.
Delikte gegen die Bankkunden
Ein anderes Ergebnis ergibt sich für die Delikte zum Schutz der Bankkunden. Eine Strafbarkeit nach §§ 203, 204 StGB ist dabei nur möglich, wenn die Daten ausnahmsweise nicht bei einer Bank, sondern bei einem als Rechtsanwaltskanzlei organisierten Treuhandunternehmen entwendet worden sind (vgl. zu solchen Sachverhalten den Beispielsfall Liechtenstein I »Batliner«). Da §§ 203, 204 StGB die vom Geheimnisinhalt Betroffenen schützen, hier folglich die deutschen Bankkunden, folgt die Anwendung des deutschen Strafrechts aus § 7 I StGB, da von einer Tatortstrafbarkeit (dazu oben in diesem Kapitel unter E. I.) auszugehen ist. Ebenfalls aus § 7 I StGB folgt die Anwendung des deutschen Strafrechts hinsichtlich der BDSG-Delikte, die weitaus häufiger als § 203 StGB vorliegen werden. Die Strafbarkeit folgt jedoch nicht aus einem deutschen Erfolgsort.1001 Bezüglich des Erfolgsorts kann grundsätzlich auf die für den Regelfall angestellten Erwägungen (Delikte gegen die Bank, dazu oben unter 1. b)) verwiesen werden. Demnach ist schon zweifelhaft, ob überhaupt von einem Erfolg gesprochen werden kann. Stellt man aber auf einen solchen Erfolg im weiteren Sinne ab, so tritt er mit der Kenntnis- beziehungsweise Verfügungsmöglichkeit ein, das heißt am Übergabeort. Der Umstand, dass bei § 203 StGB ausnahmsweise ein deutsches Rechtsgut verletzt ist, hat entgegen Sonn keinen Einfluss auf den Erfolgsbegriff im Sinne des § 9 I StGB. Maßgebend ist nicht pauschal die Herkunft des Rechtsguts, sondern der Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende »Er1000 Dazu Fischer, § 7, Rn. 4. 1001 So aber Sonn, Steuer-CD-Affäre, 56, der seine Ansicht nicht näher begründet. Sollte er indirekt auf die erwähnte Konstruktion mit Hilfe des Eignungsdelikts abstellen, kann auf die dagegen angeführten Gründe verwiesen werden.
238
Die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
folg« im weiteren Sinne eintritt,1002 das heißt im vorliegenden Zusammenhang der Ort der Überlassung der Daten und des Kaufpreises. Eine andere Betrachtung, welche einen inländischen Erfolgsort stets bei einem deutschen Rechtsgutsträger annähme, hätte die weitgehende Überflüssigkeit von § 7 I StGB zur Folge und umginge die dortige Voraussetzung der Tatortstrafbarkeit. 3.
Ausnahme des deutschen Bankmitarbeiters
Zur Bewertung des Handelns eines deutschen Bankmitarbeiters kann auf die obigen Erörterungen verwiesen werden. In diesem Sonderfall kommt folglich deutsches Strafrecht zur Anwendung. 4.
Ergebnis: Datenverkauf
Auf den Verkauf des Bankmitarbeiters kann nur deutsches Strafrecht angewendet werden, sofern die Strafbarkeit nach dem BDSG betroffen ist oder ausnahmsweise eine Verwirklichung von § 203 StGB in Betracht kommt. Lediglich in der Ausnahmekonstellation eines deutschen Bankmitarbeiters ist deutsches Strafrecht auf alle Delikte anwendbar.
III.
Ergebnis: Strafanwendungsrecht
Das Handeln des Bankmitarbeiters ist lediglich in den beschriebenen Situationen am deutschen Strafrecht zu messen. Da die genannten Voraussetzungen jenseits des BDSG praktisch selten sind, entfaltet die Beurteilung nach deutschem Strafrecht ihre Relevanz vor allem als Anknüpfungspunkt für die Bewertung des Verhaltens der Amtsträger.
F.
Fazit zur Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
Die Ausführungen haben gezeigt, dass das Verhalten des Bankmitarbeiters Normen des deutschen Strafrechts verletzt. Ungeachtet aller Sachverhaltsvarianten sind regelmäßig die Delikte des § 17 UWG einschlägig. Zudem kommt vor allem hinsichtlich des Verkaufs eine Strafbarkeit nach dem BDSG in Betracht, da dort die Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG typischerweise vorliegen. Eine Rechtfertigung des Bankmitarbeiters ist nach hier vertretener Ansicht abzulehnen, da prozessuale Normen auf das Verhalten des Bankmitarbeiters 1002 So im Rahmen abstrakter Überlegungen sogar Sonn, Steuer-CD-Affäre, 29.
Fazit zur Strafbarkeit des Bankmitarbeiters
239
nicht passen und es für § 34 StGB zumindest an der zu Gunsten der Staatsinteressen ausgehenden Interessenabwägung beziehungsweise an der Angemessenheit des Handelns und am Vorliegen des subjektiven Rechtfertigungselements fehlt. Allerdings ist das deutsche Strafrecht auf den Bankmitarbeiter nur anzuwenden, soweit BDSG-Delikte betroffen sind oder spezielle Sachverhaltskonstellationen vorliegen. Mit diesen Feststellungen ist eine tragfähige Grundlage gefunden, um nachfolgend die Strafbarkeit der beteiligten Amtsträger untersuchen zu können.
3. Kapitel: Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Besonders interessant ist die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen. Führt diese Erörterung doch zu einer Antwort auf die Frage, ob der Staat Straftaten mit Hilfe von Straftaten verfolgt.
A.
Täterstrukturen
Bevor einzelne Straftatbestände erörtert werden können, ist zunächst herauszuarbeiten, wer genau auf staatlicher Seite als Täter in Betracht kommt. Wenn im Zusammenhang mit Datenankäufen gelegentlich von einer Strafbarkeit des Staats als solchem die Rede ist,1003 dient dies vielmehr der Zuspitzung als der präzisen Täterangabe, da sich der Staat als Gebietskörperschaft und damit als juristische Person selbstverständlich nicht strafbar machen kann1004. Abzustellen ist auf die für den Staat handelnden Individualpersonen. Dabei wird je nach dem genauen Einzelfall die Strafbarkeit von BND-Mitarbeitern,1005 in der Finanzverwaltung tätigen Amtsträgern und Beamten der Strafverfolgungsbehörden inklusive der Steuerfahndung1006 und letztlich sogar der Bundeskanzlerin und des Bundesfinanzministers1007 beziehungsweise der jeweiligen Entsprechung auf Länderseite1008 erörtert. Maßgeblich ist grundsätzlich zunächst, wer im konkreten Fall gehandelt hat, das heißt wer die Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise das jeweilige 1003 Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157): »Der Staat als Straftäter«. 1004 Zur fehlenden Möglichkeit einer Strafbarkeit durch juristische Personen Fischer, Vor § 13, Rn. 1, 3. 1005 So z. B. Heine, FS v. Büren, 917 (920); Kühne, GA 2010, 275 (276, Fn. 2). 1006 Heine, FS v. Büren, 917 (920); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117). 1007 Kühne, GA 2010, 275 (276); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600 beziehen sich auf »höchste Regierungskreise«. 1008 Koblenzer, StBMag 2012, 16 (17).
242
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Bundesland vertreten hat,1009 wer in den Ankauf jenseits der Vertretung involviert gewesen ist und, sofern die Tathandlung die weitere Bearbeitung der Daten betrifft, wer diese Bearbeitung vorgenommen hat. Abhängig davon, wie eng die beteiligten Amtsträger der ausführenden Ebene zusammenarbeiten, kommt daher Mittäterschaft oder Nebentäterschaft in Betracht. Bezüglich des Ankaufs dürfte Nebentäterschaft selten sein, da dort notwendigerweise eine enge Zusammenarbeit erforderlich ist. Bezogen auf die Auswertung dürfte Nebentäterschaft jedoch häufiger relevant sein, da die einzelnen Informationen vermutlich nach Kunden getrennt untereinander aufgeteilt und selbständig bearbeitet werden. Für untergeordnete Hilfstätigkeiten einzelner Amtsträger kommt fraglos auch die Einordnung als Teilnahmehandlung in Betracht. Bei lebensnaher Betrachtung ist davon auszugehen, dass es keine Überschneidungen gibt zwischen den in den Ankauf involvierten Amtsträgern und denjenigen, die später die Daten zur Steuereintreibung oder zur Strafverfolgung bearbeiten, so dass bezogen auf einen konkreten Amtsträger nur eine Strafbarkeit wegen Straftaten der Datenbeschaffung oder der Datenauswertung in Betracht kommt. Soweit allerdings im Rahmen des zweiten Komplexes Delikte, die an die Weitergabe der Daten anknüpfen, relevant sind, werden diese bei lebensnaher Betrachtung zumindest auch von den gleichen Amtsträgern begangen, die die Daten angekauft haben. Schließlich müssen diese die Informationen zwangsläufig weiterreichen, damit ein Nutzen aus ihnen gezogen werden kann. Diesbezüglich, das heißt zwischen Ankaufs- und Weitergabetaten sind folglich Konkurrenzfragen relevant. Brisanter als die Täterstrukturen hinsichtlich der ausführenden Amtsträger ist jedoch die Frage nach der Strafbarkeit der politischen Leitungsebene, die sich vor allem mit Blick auf die Entscheidung über den Datenankauf stellt.
I.
Keine mittelbare Täterschaft von Regierungsmitgliedern
Bezüglich der Strafbarkeit der politischen Leitungsebene wird teilweise eine Strafbarkeit der zuständigen Mitglieder der Bundesregierung gemäß § 25 I Alt. 2 StGB angenommen, so dass die führenden Politiker als mittelbare Täter behandelt werden. Dies wird mit der Organisationsherrschaft der Regierungsmitglieder begründet.1010 1009 So im Ergebnis auch Kühne, GA 2010, 275 (276); vgl. auch Heine, FS v. Büren, 917 (920), der wie hier von einem breiten Spektrum an möglichen Straftätern ausgeht. 1010 Spernath, NStZ 2010, 307 (309); in diese Richtung wohl auch Heine, FS v. Büren, 917 (929, Fn. 51).
Täterstrukturen
243
Eine solche Argumentation verkennt meiner Meinung nach entweder die Voraussetzungen der Organisationsherrschaft oder beruht auf einer fehlerhaften Betrachtung der Bundesrepublik Deutschland. Üblicherweise wird die Organisationsherrschaft auf zwei Kriterien gestützt: Fungibilität und Rechtsgelöstheit.1011 Die Staatsvertreter, die in die Datenankäufe und die Folgebearbeitung involviert sind, handeln nicht als Privatpersonen, sondern auf Grund ihres jeweiligen Tätigkeitsfeldes. Diese Tätigkeiten sind nicht von einer Person abhängig und könnten prinzipiell auch von anderen Beamten durchgeführt werden. Wenn sich ein Mitarbeiter der Steuerfahndung weigern würde, Daten aus Steuer-CDs zu bearbeiten, würde man sicher nicht die gesamte Ankaufspraxis überdenken oder gar beenden, sondern schlichtweg einen anderen Beamten einsetzen, wofür auch innerhalb des Staatsapparates ein gewisses Reservoir an Mitarbeitern zur Verfügung steht. Allerdings ist in einem Rechtsstaat davon auszugehen, dass gerade kein unbegrenztes Reservoir an Amtsträgern, die rechtlich problematische Anordnungen befolgen, besteht.1012 Mithin bestehen schon Zweifel am Vorliegen der Fungibilität. Jedenfalls stellt die Bundesrepublik Deutschland jedoch offensichtlich kein rechtsgelöstes System dar, wenngleich man die Datenankaufspolitik der staatlichen Stellen mit guten Gründen für rechtsstaatlich bedenklich erachten kann. Für die Annahme einer Rechtsgelöstheit reichen jedoch einzelne Rechtsverstöße nicht aus. Erforderlich ist ein auf Unrecht aufgebautes Gemeinwesen.1013 Selbst die BGH-Rechtsprechung1014, die die Organisationsherrschaft auf Wirtschaftsunternehmen ausdehnt, verlangt für die Bejahung mittelbarer Täterschaft die unbedingte Gefolgsbereitschaft der unmittelbar Handelnden und damit eine bereits feststehende Entscheidung für den Rechtsbruch. Die Bundesrepublik Deutschland mag in einer Einzelfrage einen rechtlich zweifelhaften Weg eingeschlagen haben, ist aber kein mit der Nazi-Diktatur oder dem SED-Regime vergleichbares, auf Unrecht basierendes System, in dem einzelne Amtsträger aus Angst vor massiven Repressalien zum blinden Ausführen von Befehlen geradezu gezwungen sind.1015 Dafür sprechen auch die Regeln des Beamtenrechts (§ 63 II BBG, § 36 II BeamtStG), die den Beamten verpflichten, seinen Zweifeln hin-
1011 Dazu Roxin, AT II, § 25, Rn. 105ff., 130; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 782; kritisch zum Erfordernis der Rechtsgelöstheit Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 935. 1012 Vgl. allgemein Roxin, JZ 1995, 49 (51); ders., Täterschaft, 249f. 1013 Roxin, JZ 1995, 49 (51); ders., AT II, § 25, Rn. 130; ders., Täterschaft, 249ff.; vgl. auch Lampe, ZStW 1994 (106), 683 (683, 701, 743), der von einem »kriminell pervertierten Staat« spricht und mittelbare Täterschaft nur bei totalitären Unrechtssystemen und nicht innerhalb jeder staatlichen Struktur annimmt. 1014 BGHSt 40, 218 (236f.); 43, 219 (231f.). 1015 So auch allgemein für staatliche Behörden Roxin, JZ 1995, 49 (51).
244
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
sichtlich der Rechtmäßigkeit nachzugehen und eine entlastende Wirkung von Befehlen nur zulassen, wenn der strafbare Inhalt nicht erkennbar ist. Daher ist eine Organisationsherrschaft der staatlichen Leitungsebene und infolgedessen eine mittelbare Täterschaft von Regierungsmitgliedern abzulehnen.
II.
Regierungsmitglieder als Mittäter
Dennoch könnte sich der Täterkreis über diejenigen, die die Bearbeitung der Daten konkret vorgenommen haben, hinaus erweitern. Koblenzer zieht für jeden, der einen Beitrag zu der Beschaffung oder Verwertung geleistet hat, zumindest eine Beihilfestrafbarkeit in Betracht. Sofern der Datenankauf auf einem Kabinettsbeschluss beruhe, plädiert er ausdrücklich auch für eine Strafbarkeit des Regierungschefs.1016 In eine ähnliche Richtung zielt das Plädoyer von Stahl/ Demuth1017 für eine Mittäterschaft von Regierungsmitgliedern. Die genaue rechtliche Beurteilung der Täterschaftskonstruktion ist quasi unmöglich, da von staatlicher Seite her kaum detaillierte Informationen über den genauen Geschehensablauf und die dahinterstehenden Entscheidungswege freigegeben werden. Im Einzelfall kann eine Mittäterschaft des Regierungschefs und des zuständigen Fachministers – auf Grund der Erfahrung in den bisherigen Fällen nimmt die Politik wohl eine Zuständigkeit des Finanzministers und nicht etwa des Justizministers an – meiner Meinung nach durchaus möglich sein. Dabei ist allerdings für die Sachverhalte nach dem Fall Liechtenstein II, zu beachten, dass auf Grund einer internen Absprache zwischen dem Bund und den Ländern der Bund lediglich ein Informationsrecht hat,1018 die eigentliche Entscheidung jedoch bei dem jeweiligen Bundesland liegt. Meines Erachtens scheidet damit eine täterschaftliche Strafbarkeit von Mitgliedern der Bundesregierung aus, da ihnen jegliche Einflussmöglichkeit auf den Geschehensablauf fehlt. Allenfalls denkbar erscheint eine Beihilfestrafbarkeit, wenn Unterstützung beim Datenankauf geleistet wird. Möglich bleibt hingegen eine Strafbarkeit des Ministerpräsidenten und des Landesfinanzministers. Der Finanzminister als oberster Dienstherr der Fi1016 Koblenzer, StBMag 2012, 16 (17). 1017 Stahl/Demuth, DStR 2008, 600. 1018 Sofern ausnahmsweise der BND involviert ist, ergibt sich auch für die politische Leitungsebene eine andere Beurteilung (primäre Zuständigkeit des Bundes in Gestalt des Kanzleramtsministers und nicht des Finanzministers). Da über Sachverhalte mit geheimdienstlicher Relevanz noch weniger Detailinformationen mitgeteilt werden als in den sonstigen Fällen, kann auf diese Sonderkonstellation nicht näher eingegangen werden. Zudem ist die Beteiligung des BND nicht der Regelfall.
Täterstrukturen
245
nanzverwaltung hat auf Grund seiner Weisungsbefugnis die Möglichkeit, den Kauf der CD anzuordnen beziehungsweise zu stoppen. Auch wenn er zur eigentlichen Tatbestandsverwirklichung keinen Beitrag leistet, liegt das »Ob« einer möglichen Tat mithin maßgeblich in seinen Händen. Darüber hinaus erscheint es zumindest möglich, dass er Details des Ankaufs und der Auswertung vorgibt und entsprechend mit den unmittelbar Ankaufenden kommuniziert, so dass auch ein gemeinsamer Tatplan gegeben sein kann. Damit sind die Voraussetzungen1019 der sogenannten funktionellen Tatherrschaft erfüllt. Eine ähnliche Beurteilung kann sich für den Regierungschef auf Grund seiner Richtlinienkompetenz ergeben. Die Frage des Ankaufs von Steuerdaten berührt die Sachgebiete verschiedener Ministerien und hat eine breite öffentliche Debatte ausgelöst. Hinzu kommen die internationalen Verwicklungen, die sich gerade im Verhältnis zu den Staaten, in denen die Daten entwendet worden sind, ergeben haben. Damit ist meiner Meinung nach davon auszugehen, dass eine Thematik von so grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, dass ein Fall der Richtlinienkompetenz gegeben ist. Dennoch sollte nicht pauschal bei jedem Sachverhalt die Strafbarkeit der betreffenden Regierungsmitglieder angenommen werden. Beachtet man die Kriterien für die funktionelle Tatherrschaft, insbesondere das Erfordernis eines gewichtigen Planungsbeitrags bei fehlender Mitwirkung im Ausführungsstadium, so ist für eine mittäterschaftliche Begehung zu verlangen, dass der jeweilige Minister beziehungsweise der Regierungschef in die Details der Datenankäufe involviert gewesen ist und die Organisation der Kaufverhandlungen mitbestimmt hat. Ein bloßes »Abzeichnen« von Plänen, die seitens der Verwaltung vorgelegt werden, kann dafür nicht ausreichen, wohingegen ein gewichtiger Beitrag beispielsweise in der Freigabe der entsprechenden Finanzmittel gesehen werden könnte. Ob die Voraussetzungen vorliegen, kann für die geschilderten Sachverhalte auf Grund fehlender Informationen nicht abschließend bestimmt werden. Manche Äußerungen in der Öffentlichkeit1020 lassen allerdings darauf schließen, dass einige Minister die Datenankäufe mit großem Engangement betreiben und durchaus intensiv in die Materie eingearbeitet sind, so dass eine Mittäterschaft praktisch durchaus möglich scheint.
1019 Dazu Fischer, § 25, Rn. 23ff.; L/K/Kühl, § 25, Rn. 11. 1020 Siehe Walter-Borjans, Westfalenpost Nr. 80/2012, PJO 2; ders., Handelsblatt Nr. 164/2012, 16.
246 III.
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Ergebnis: Täterstrukturen
Der genaue Täterkreis ist, wie dargestellt, so einzelfallbezogen, dass er hier nicht abschließend bestimmt werden kann. Über die Strafbarkeit der auf der Verwaltungsebene Handelnden hinaus kommt eine Strafbarkeit von Mitgliedern der politischen Leitungsebene in Betracht, wobei es sich je nach genauer Ausgestaltung des Sachverhalts um Mittäterschaft oder eine Form der Teilnahme handeln kann. Mittelbare Täterschaft scheidet jedoch aus.
B.
Tatbestandsspezifische Aspekte
Die nachfolgende Erörterung beschränkt sich auf Tatbestände des deutschen Strafrechts, während das Strafrecht anderer durch die Geschehnisse berührter Staaten1021 außer Acht bleibt.
I.
Strafbarkeit durch den Datenankauf
Bei der Betrachtung der Strafbarkeit der Amtsträger wird zunächst der Ankauf der Daten betrachtet, ehe anschließend der Umgang mit den Daten analysiert wird. 1.
§ 259 StGB: Hehlerei
Eine Strafbarkeit nach § 259 StGB wird in den Erörterungen des Steuerdatenankaufs zwar häufig angesprochen, zumeist aber nur, um sie schnellstmöglich abzulehnen.1022 1021 Dazu Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1274f.); von Planta-Sting, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (47f.); Stratenwerth/Wohlers, StrR 2010, 429 (440). 1022 So z. B. LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); NStZ-RR 2011, 84f.; FG Köln, DStRE 2011, 1076 (1077); Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1191; LK/Walter, § 259, Rn. 12; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 115; Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (343); Benkert, FS Schiller, 27 (29); Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Heine, FS v. Büren, 917 (920); ders., ASA 2010/2011, 525 (530f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1091); Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; ders./Jahn, JuS 2010, 390 (391); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388f.); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16; Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117); ders., StBMag 2012, 16 (17); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Küpper, jurisPR-StrafR 24/2010, Anm. 2; Lang, FS Schneider, 737 (741); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (303); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13); Roth, Stbg 2013, 29 (30); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202); Satzger, FS Achenbach, 447 (455); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (199); Sieber, NJW 2008, 881 (883); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Trüg, StV 2011, 111 (112f.); ders./Habetha, NJW 2008, 887f.; Werner, IWB 2010, 164 (166); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (25).
Tatbestandsspezifische Aspekte
247
a) Hehlereistrafbarkeit im klassischen Sinne Eine Hehlereistrafbarkeit ist für die Steuerdatenfälle aus mehreren Gründen praktisch bedeutungslos: Tatobjekt des § 259 StGB ist eine Sache, wobei die Sachqualität von Daten nach einhelliger Ansicht abzulehnen ist.1023 Daher kann eine Hehlereistrafbarkeit nicht über die im Fokus stehenden Daten, sondern allenfalls über das Speichermedium begründet werden. Zwar ist die Sachqualität einer CD, einer DVD oder eines USB-Sticks unproblematisch, doch ist für eine Vortat zusätzlich erforderlich, dass das Speichermedium fremd ist, was in den Steuerdatenfällen praktisch unwahrscheinlich ist1024 (zur Vortat oben im 2. Kapitel unter A. I. 1.). Selbst wenn ausnahmsweise eine Datenbeschaffung mithilfe eines fremden Speichermediums ausgeführt wird, wie im Fall Kieber, kommt eine Hehlerei auf Grund der Straflosigkeit der Ersatzhehlerei1025 nur in Betracht, wenn die staatlichen Stellen das jeweilige Originalprodukt erhalten haben.1026 Dies dürfte aber praktisch selten gegeben sein. Selbst im Kieber-Fall ist den Behörden nicht das gestohlene Sicherungsband, sondern eine eigens angefertigte Kopie übergeben worden.1027 Somit ist eine Hehlereistrafbarkeit zum einen äußerst lebensfremd, zum anderen würde es höchst merkwürdig wirken, das Unrecht über eine entwendete CD zu begründen, wo der eigentliche Schwerpunkt bei dem Inhalt der CD liegt.1028 Daher lässt sich anhand der Hehlereistrafbarkeit keine entscheidende Aussage über die Strafbarkeit der Amtsträger treffen.
1023 Zur fehlenden Sachqualität von Daten allgemein NK/Altenhain, § 259, Rn. 8; LK/Walter, § 259, Rn. 12; zur Ablehnung der Sachqualität in den Steuerdatenfällen LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); NStZ-RR 2011, 84f.; FG Köln, DStRE 2011, 1076 (1077); Ambos, Beweisverwertungsverbote, 115; Benkert, FS Schiller, 27 (29); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388f.); Kauffmann, JA 2010, 597; Klengel/Gans, ZRP 2013, 16; Küpper, jurisPR-StrafR 24/ 2010, Anm. 2; Lang, FS Schneider, 737 (741); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13); Roth, Stbg 2013, 29 (30); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202); Satzger, FS Achenbach, 447 (455); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (25). 1024 Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (343); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (202); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (25); Zur geringen Ergiebigkeit des Hehlereitatbestands in Fällen des Geheimnisverrats bereits zu Zeiten, als Geheimnisse noch nicht auf elektronischem Wege weitergegeben worden sind, vgl. Kohlrausch, ZStW 1930 (50), 30 (39). 1025 Zur Straflosigkeit der Ersatzhehlerei vgl. § 259 I StGB »Sache, die ein anderer …«. 1026 Ähnlich auch Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190); anders wohl Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1357), die in den Steuerdatenfällen eine Hehlerei wohl stets bejahen, wenn die Vortat an die Beschaffung eines fremden Datenträgers anknüpft, ohne den Aspekt der Ersatzhehlerei zu thematisieren. 1027 So Kieber, Tatsachenbericht, 607. 1028 So auch Heine, ASA 2010/2011, 525 (530); ders., FS Roxin 80, 1087 (1091); Jungbluth/ Stepputat, DStZ 2010, 781 (782); Satzger, FS Achenbach, 447 (455).
248
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
b) Hehlereistrafbarkeit und Reformbestrebungen Wie die obige Erörterung gezeigt hat, scheitert eine mögliche Hehlereistrafbarkeit an der fehlenden Sachqualität von Daten. Daher plädiert Kühne im Zusammenhang mit der Diskussion des Datenankaufs dafür, den Hehlereitatbestand auszuweiten und unkörperliche Gegenstände als Tatobjekte zuzulassen. Dafür spreche »der Wandel der Zeit«1029. Mit dieser Argumentation soll wohl auf die gestiegene Bedeutung von Daten abgestellt werden. In eine ähnliche Richtung verlaufen die Bemühungen der ehemaligen Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, die im September 2012 vorgeschlagen hat, einen eigenen Tatbestand der Datenhehlerei einzuführen. Gegner dieses Vorschlags vermuten, dass ein solches Verhalten nur dazu diene, den Ankauf von SteuerCDs zu verhindern und Steuerhinterzieher zu begünstigen.1030 Meines Erachtens ist die Kritik an dem Vorschlag Leutheusser-Schnarrenbergers unbegründet. Durch die gestiegene Digitalisierung hat der Einsatz von Daten unzweifelhaft an Bedeutung gewonnen. Damit geht zwangsläufig eine erhöhte Attraktivität für Kriminelle einher.1031 Fälle der Datenentwendung betreffen nicht nur Daten, die für die Steuerfahndung von Interesse sein können. Sie haben Bedeutung in allen Fällen, in denen früher Unterlagen entwendet werden mussten, um an die im Fokus stehenden Informationen zu gelangen. Davon betroffen sind insbesondere Firmen im Verhältnis zu Mitarbeitern oder Konkurrenten. Zudem hat der britische »Sun-Skandal«1032 gezeigt, dass selbst private Daten im Zentrum krimineller Machenschaften stehen können. Auf Grund dieser weitreichenden und verschiedene Lebensbereiche berührenden Bedeutung lässt sich schwerlich argumentieren, ein solcher Vorschlag begünstige lediglich Steuerhinterzieher. Das teilweise vorgebrachte Argument, bei Daten sei die illegale Herkunft extrem schwierig festzustellen, so dass ein Datenhehlereitatbestand nur Beweisprobleme schaffe,1033 verfängt ebenfalls nicht. Bei Sachen sind die Eigentumsverhältnisse auch nicht immer offensichtlich. Zudem gibt es gerade im Bereich der Daten Fallgestaltungen, in denen die illegale Datenherkunft offensichtlich ist. So dürfte nicht nur bei Steuer-CDs, sondern beispielsweise auch bei privaten Daten wie im angesprochenen »SunSkandal« kaum jemand annehmen, dass es sich bei dem Angebot um eine legale Geschäftstätigkeit handele. Auch die Kritik Koblenzers an einem eigenen Datenhehlereitatbestand überzeugt meiner Meinung nach nicht. Koblenzer stützt sich hauptsächlich darauf, dass angesichts einer Vielzahl von Normen mit einer 1029 Kühne, GA 2010, 275 (277). 1030 Vgl. zu dem Vorschlag und den anschließenden Reaktionen Kerl, Westfalenpost Nr. 206/ 2012, PRG 2. 1031 Vgl. dazu auch BR-Drucks. 284/13(B), 5ff. 1032 Dazu Hoyng/Rosenbach, Der Spiegel Nr. 28/2011, 140 (141ff.). 1033 69. DJT, Bd. II/2/Schüler, L 72.
Tatbestandsspezifische Aspekte
249
Anpassung an die technische Entwicklung schlichtweg kein Bedürfnis für die gesonderte Erfassung der Datenhehlerei bestünde.1034 Die bisherigen Erörterungen haben jedoch gezeigt, dass § 202a StGB längst nicht alle denkbaren Konstellationen der Datenerlangung und Datenverbreitung erfasst. Zudem bringt die Norm gerade nicht das spezifische Unrecht desjenigen zum Ausdruck, der durch sein eigenes Verhalten eine durch andere begangene Tat zu seinem eigenen Vorteil ausnutzt und damit die begangene Rechtsverletzung perpetuiert. Aus dem gleichen Grund, das heißt dem fehlenden Vortatbezug, können auch die Strafnormen des BDSG das Fehlen eines Datenhehlereitatbestands nicht vollständig auffangen. Zudem wird angesichts der oben beschriebenen, über die Steuerdatenfälle hinausgehenden Bedeutung von Datenbeschaffungsfällen eine Norm im Nebenstrafrecht der gesellschaftlichen Relevanz solcher Konstellationen nicht gerecht. Selbst wenn sich, wie die Steuerdatenfälle zeigen, einige Konstellationen über § 17 UWG lösen lassen, erscheint eine allgemeine Norm sachgerecht, um zu unterstreichen, dass auch derjenige von der »Datenhehlerei« betroffen ist, auf den sich die Daten beziehen, und nicht nur das Unternehmen, dem sie abhanden gekommen sind, beziehungsweise um nicht nur Daten mit Unternehmensbezug zu erfassen. Im Vergleich zu dem Vorschlag Kühnes ist die Idee eines eigenen Datenhehlereitatbestands, wie von der ehemaligen Bundesjustizministerin vorgeschlagen, meines Erachtens vorzuziehen. § 259 StGB ist zu sehr auf Sachen zugeschnitten, um eine schlichte Erweiterung um unkörperliche Gegenstände problemlos durchführen zu können. So ist es zumindest erörterungswürdig, ob die Beschränkung auf gegen das Vermögen gerichtete Vortaten bei Daten sinnvoll ist. 2012 hat sich auch der 69. Deutsche Juristentag in München mit der Frage eines Datenhehlereitatbestands befasst. Beschlossen worden ist dabei die Forderung nach Einführung eines solchen Tatbestands als § 259a StGB. Ende 2015 ist die »Datenhehlerei« sodann als § 202d – und damit systematisch und inhaltlich im Zusammenhang mit den Delikten über Daten im Sinne des § 202a II StGB – in das Strafgesetzbuch eingefügt worden. Ergänzt worden ist der Tatbestand der Datenhehlerei allerdings um eine Ausnahmeklausel für den berufsmäßigen oder dienstlichen Datenankauf (§ 202d III StGB). Eine solche Privilegierung vor allem für Amtsträger und die Presse ist bereits Teil der durch den 69. Deutschen Juristentag beschlossenen Forderungen gewesen.1035 Für die 1034 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117); ähnlich auch 69. DJT, Bd. II/2/Sieber, L 67 (L 69). 1035 Beschlüsse, 69. DJT, Bd. II/2, L 183 (L 184); 69. DJT, Bd. II/2/Simon, L 76ff.; gegen Ausnahmen für Steuerdatenankäufe 69. DJT, Bd. II/2/Hamm, L 70 (L 72); generell kritisch zur Einführung der »Datenhehlerei« 69. DJT, Bd. II/2/Sieber, L 67 (L 69), L 86 (L 89); vgl. dazu auch den Gesetzesentwurf des Bundesrats zur Einführung eines Datenhehlereitatbestands, in dem gerade mit Blick auf die Steuerdatenfälle ein Strafausschlussgrund für
250
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Steuer-CD-Fälle ist bereits in der Diskussion vor der Einführung des § 202d StGB vertreten worden, dass mit Einführung einer solchen Ausnahmeregelung die Straflosigkeit des Datenankaufs feststünde.1036 Diesem Ergebnis ist zu widersprechen. Schließlich bezieht sich die Regelung des § 202d III StGB nur auf den Datenhehlereitatbestand. Dafür spricht der eindeutige Wortlaut (»Absatz 1 gilt nicht für …«). Auch systematische Erwägungen streiten für dieses Ergebnis. So handelt es sich bei § 202d III StGB nach dem Wortlaut (»gilt nicht«) um eine Regelung zum Tatbestandsausschluss1037. Dies zeigt ebenfalls den ausschließlichen Bezug zu dem konkreten Tatbestand des § 202d StGB, wohingegen man einen Strafausschließungsgrund, beispielweise bei einer Formulierung ohne konkreten Normbezug, noch eher auf die gesamte Strafbarkeit für alle beschriebenen Handlungen hätte erstrecken können. Dass jedoch eine Regelung im Besonderen Teil des Strafgesetzbuchs den Tatbestand anderer, teilweise auch außerhalb des Strafgesetzbuchs liegender Normen sperren soll, ist auf Basis einer systematischen Betrachtung schwer zu vertreten. Eine Strafbarkeit nach anderen Normen bleibt daher möglich. Festgehalten werden kann somit, dass die Schaffung des § 202d StGB keinen Einfluss auf die Bewertung der Steuerdatenfälle hat. 2.
Teilnahme an Taten des Bankmitarbeiters
Bei der Erörterung der gegenwärtigen Rechtslage ist eine Teilnahme der deutschen Amtsträger an den Delikten des Bankmitarbeiters häufig Gegenstand der Erörterung1038, wobei die Teilnahmestrafbarkeit dabei teilweise als zentraler Amtsträger und deren Beauftragte festgeschrieben wird, BR-Drucks. 284/13(B), 20ff.; zu der meines Erachtens berechtigten Kritik an einem solchen Tatbestandsausschluss Bohnert, FS Schiller, 68 (71f.). 1036 Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (18), denen in ihrer grundsätzlichen Kritik an einer solchen Ausnahmeregel allerdings beizupflichten ist; vgl. auch den Gesetzesentwurf des Bundesrats zu einem Datenhehlereitatbestand, demzufolge ein Strafausschlussgrund für Amtsträger im Rahmen der sogenannten Datenhehlerei zu einer generellen Straflosigkeit des Datenankaufs führen soll, BR-Drucks. 284/13(B), 20ff.; dagegen jedoch meines Erachtens zu Recht Benkert, FS Schiller, 27 (39); vgl. auch Singelnstein, ZIS 2016, 432 (437), der eine umfassende Legalisierung des Steuerdatenankaufs durch § 202d III StGB durchaus für möglich erachtet. 1037 Für eine tatbestandsausschließende Wirkung auch Singelnstein, ZIS 2016, 432 (436f.). 1038 So z. B. erörtert für die Teilnahme an der Datenbeschaffung von Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; für die Teilnahme an dem Datenverkauf bezogen auf § 17 I und § 17 II Nr. 2 UWG LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); Benkert, FS Schiller, 27 (33f.); Habetha, ZRP 2012, 223; Kauffmann, JA 2010, 597; Klengel/Gans, ZRP 2013, 16f.; Lang, FS Schneider, 737 (741); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (192f.); Trüg, StV 2011, 111 (113); Trüg/Habetha, NStZ 2008, 481 (489); dies., NJW 2008, 887 (889); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; bezogen nur auf § 17 I UWG MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 71f.; Beckemper, in:
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Punkt1039 bei der Bewertung des Verhaltens der Amtsträger gesehen wird. Selbstverständlich ist dabei, dass nur eine Teilnahme an Straftatbeständen des deutschen Strafrechts in Betracht kommt, da eine Teilnahme nach dem Wortlaut der §§ 26, 27 StGB nur an rechtswidrigen Taten im Sinne des § 11 I Nr. 5 StGB1040 möglich ist.1041 Ob das deutsche Strafrecht auf diese Taten anwendbar ist, ist hingegen ohne Bedeutung,1042 da die Teilnahme keine der Anwendung des deutschen Strafrechts unterliegende Haupttat voraussetzt1043. a) Teilnahme an Taten der Datenbeschaffung Eine Teilnahme an Taten der Datenbeschaffung, das heißt an § 17 II Nr. 1 UWG, den BDSG-Delikten, je nach Sachverhalt an § 242 / § 246 StGB und – seltener – an § 202a StGB, käme nur in Betracht, wenn die Amtsträger schon in diesem Stadium an der Tat mitgewirkt hätten. Üblicherweise ist die Datenbeschaffung jedoch bereits beendet, wenn ein Kontakt mit deutschen Behörden aufgenommen wird.1044 Eine vorherige Mitwirkung, beispielsweise durch eine Aufforderung der Steuerverwaltung gegen Belohnung Informationen zu beschaffen, ist für die Steuerdatenfälle nicht kennzeichnend1045 (zu gezielten Ausforschungsaufträgen unten in diesem Kapitel unter B. III.1.). Auch stellt die bloße Ankaufspraxis in der Vergangenheit keine Anstiftung dar (dazu im Detail unten in diesem Kapitel unter B. III. 1.). Eine Teilnahme an den Taten der Datenbeschaffung kommt somit nicht in Betracht.
1039 1040 1041 1042 1043 1044 1045
Steuerstrafrecht, 341 (344); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 214ff.; bezogen nur auf § 17 II Nr. 2 UWG NK/Neumann, § 34, Rn. 114a; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 115; Beulke, Jura 2008, 653 (664); Heine, HRRS 2009, 540; ders., FS v. Büren, 917 (921); ders., ASA 2010/ 2011, 525 (536f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1100f.); Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304f.); Roxin/Schünemann, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 54; Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296f.); Sieber, NJW 2008, 881 (883f.); Spatscheck, FS Volk, 771 (780); vgl. auch Durst, PStR 2008, 134, Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (784) und Schierack/Bender, BRJ 2010, 173 (175, Fn. 15), die sich nur pauschal auf § 17 UWG bzw. § 17 II UWG beziehen, so dass der Bezugspunkt nicht deutlich wird. Vgl. z. B. Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296f.). § 11 I Nr. 5 bezieht sich nur auf Strafgesetze des deutschen Rechts, da der Begriff des Gesetzes nur deutsche Normen erfasst, dazu BT-Drucks. 7/550, 211. So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 214. So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 214. Dazu allgemein L/K/Heger, § 9, Rn. 3. So auch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 105, 114; Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75. So auch Wittig, WStR, § 33, Rn. 75.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
b) Teilnahme an Taten des Datenverkaufs Von größerer Relevanz ist hingegen eine Teilnahme der Staatsvertreter an Delikten des Datenverkaufs.1046 aa) Verhältnis zu eigener täterschaftlicher Begehung nach § 17 UWG Da bezogen auf die Nutzung der Daten eine Strafbarkeit der Amtsträger nach § 17 II Nr. 2 UWG von Bedeutung ist, stellt sich die Frage, wie sich dieser Umstand auf eine mögliche Teilnahme an Delikten des § 17 UWG auswirkt. Eine mögliche Strafbarkeit der Amtsträger nach § 17 II Nr. 2 UWG, so wie später geprüft, betrifft hingegen zeitlich nachgelagerte Handlungen (Nutzung statt Ankauf), so dass meines Erachtens kein Zusammenhang zwischen beiden Aspekten besteht. Auf Grund der verschiedenen Handlungen wird die Teilnahmestrafbarkeit zumindest nicht von vornherein durch die mögliche täterschaftliche Strafbarkeit nach § 17 II Nr. 2 UWG ausgeschlossen. Allenfalls ein Zurücktreten im Konkurrenzwege käme in Betracht. Hingegen argumentiert Kaiser1047, dass für eine Teilnahmestrafbarkeit neben der täterschaftlichen Begehung kein Raum bleibe und darüber hinaus im Ergebnis weder eine Begehung als Täter noch als Teilnehmer in Betracht komme, da die Amtsträger in beiden Fällen die von § 17 UWG vorausgesetzten besonderen Merkmale nicht aufwiesen. Unabhängig von der Bejahung der besonderen Merkmale des § 17 UWG kann die These Kaisers nicht überzeugen, da sie verkennt, dass bezüglich einer Teilnahmestrafbarkeit an den Ankauf angeknüpft 1046 Erörtert bezogen auf § 17 I und § 17 II Nr. 2 UWG z. B. bei LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); Benkert, FS Schiller, 27 (33f.); Habetha, ZRP 2012, 223; Kauffmann, JA 2010, 597; Klengel/Gans, ZRP 2013, 16f.; Lang, FS Schneider, 737 (741); Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (192f.); Trüg, StV 2011, 111 (113); Trüg/Habetha, NStZ 2008, 481 (489); dies., NJW 2008, 887 (889); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; bezogen nur auf § 17 I UWG MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 71f.; Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 214ff.; bezogen nur auf § 17 II Nr. 2 UWG NK/Neumann, § 34, Rn. 114a; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 115; Beulke, Jura 2008, 653 (664); Heine, HRRS 2009, 540; ders., FS v. Büren, 917 (921); ders., ASA 2010/2011, 525 (536f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1100f.); Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304f.); Roxin/Schünemann, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 54; Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296f.); Sieber, NJW 2008, 881 (883f.); Spatscheck, FS Volk, 771 (780); vgl. auch Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (784) und Durst, PStR 2008, 134, die sich nur pauschal auf § 17 UWG bzw. § 17 II UWG beziehen, so dass der Bezugspunkt nicht deutlich wird; vgl. auch Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344f.) und Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204), die eine Teilnahme hinsichtlich § 202a StGB untersuchen, was aber nach hier vertretener Ansicht daran scheitert, dass der Verkauf nicht den Tatbestand des § 202a StGB verwirklicht. 1047 Kaiser, NStZ 2011, 383 (387f.), der § 17 II Nr. 2 UWG zwar bezogen auf Nutzungshandlungen (Einnahmengenerierung, Strafrechtspflege) prüft, dennoch annimmt, es handele sich dabei und bei einer an den Ankauf anknüpfenden Teilnahmestrafbarkeit um die gleichen Handlungen.
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wird, bezüglich der täterschaftlichen Begehung jedoch an die Bearbeitung der Daten. Festgehalten werden kann daher, dass beide Fragen unabhängig voneinander zu bewerten sind. bb) Vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat Diejenigen, die eine Strafbarkeit des Bankmitarbeiters ablehnen, verneinen auch eine Teilnahmestrafbarkeit der Amtsträger.1048 Diese Argumentation ist zwar folgerichtig, doch, wie oben gezeigt, abzulehnen. Als mögliche Haupttaten des Bankmitarbeiters kommen jedenfalls § 17 II Nr. 2 UWG und, wenn der Informant die Steuerdaten während seiner Beschäftigungszeit mitgeteilt hat, zusätzlich § 17 I UWG in Betracht. Zudem sind die BDSG-Delikte und in Ausnahmefällen §§ 203, 204 StGB zu beachten. Diese Taten sind vorsätzlich und, wie ausführlich erörtert, auch rechtswidrig begangen worden. Die Taten des Informanten, die an die entgeltliche Überlassung der Daten anknüpfen, sind bei Entgegennahme durch die Amtsträger nicht vollendet und eindeutig noch nicht beendet,1049 so dass auch aus dieser Perspektive eine Teilnahme der Amtsträger möglich erscheint. Schließlich ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass sich das ganze Geschehen Zug um Zug abspielt und daher der Beitrag des Bankmitarbeiters bei Eintreffen der ankaufswilligen Amtsträger noch nicht vollständig erbracht ist. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht etwa durch das Abstellen auf die Überlassung von Probedaten,1050 da, wie bereits mehrfach herausgestellt, bezüglich der Probedaten eine selbständige Geheimnisverletzung vorliegt, die die gleiche rechtliche Bewertung nachsichzieht wie die Überlassung der Hauptdatenmenge. cc) Form der Teilnahme: Informant als omnimodo facturus? Unter den Befürwortern einer Teilnahmestrafbarkeit ist umstritten, ob die Ankaufshandlung der Amtsträger auch als Anstiftung1051 angesehen werden kann 1048 So z. B. Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Lang, FS Schneider, 737 (741); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304f.), die teilweise dennoch weitere Probleme der Teilnahmestrafbarkeit hilfsweise erörtern. 1049 So auch Heine, ASA 2010/2011, 525 (536f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1100f.), wobei allerdings unklar bleibt, ob sich die Erörterung nur auf die Beschaffungstaten oder auch auf die Weitergabedelikte bezieht. 1050 Eine solche Differenzierung wird hingegen angedeutet von Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393). 1051 Ambos, Beweisverwertungsverbote, 115; Benkert, FS Schiller, 27 (33); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4124; Roxin/Schünemann, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 54; Schünemann, GA 2008, 314 (329); ders., NStZ 2008, 305 (308); Spernath, NStZ 2010, 307 (309); Werner, IWB 2010, 164
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oder ausschließlich als Beihilfe1052 einzuordnen ist. Die unterschiedlichen Meinungen lassen sich auf divergierende Ansichten zu dem Grad der Entschlossenheit des Bankmitarbeiters zurückführen. Vertreter der »Beihilfelösung« erblicken in dem Angebot einer Geldzahlung lediglich eine Förderung des Geheimnisverrats.1053 Es müsse beachtet werden, dass der Impuls von dem Bankmitarbeiter ausgegangen sei, und sich das Geschehen somit vielmehr als eine Anstiftung des Bankmitarbeiters zur Tat der Staatsvertreter als umgekehrt charakterisieren lasse.1054 Auch sei gerade kein allgemeiner Aufruf des Staats, ihm doch steuerlich relevante Daten gegen eine Geldzahlung zu überlassen, erfolgt. Das ganze Geschehen beruhe somit allein auf der Initiative des Bankmitarbeiters, so dass von einer Anstiftung schwerlich gesprochen werden könne.1055 Der Bedingungseintritt, das heißt die Geldzahlung, sei von der staatlichen Seite abhängig gewesen, der Bankmitarbeiter habe folglich alle ihm obliegenden Entscheidungen getroffen und sei somit als omnimodo facturus einzuordnen.1056 Die Vertreter der »Anstiftungslösung« begründen ihre Ansicht damit, dass der Bankmitarbeiter nur unter der Bedingung einer Gegenleistung zur Tat entschlossen gewesen sei.1057 Dass das Angebot des Bankmitarbeiters selbst der Impuls für die Gegenleistung gewesen sei, habe auf Grund der Anstiftungsregeln keine Bedeutung. Die Art der Teilnahme hängt somit davon ab, ob es sich bei dem Bankmit-
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(166f.) zumindest tendenziell; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (27); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 71f.; Beulke, Jura 2008, 653 (664); Heine, HRRS 2009, 540; ders., FS v. Büren, 917 (921); ders., ASA 2010/2011, 525 (536f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1100f.); Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; Pawlik, JZ 2010, 693 (699); Samson/ Langrock, wistra 2010, 201 (204); Satzger, FS Achenbach, 447 (458); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296f.); Sieber, NJW 2008, 881 (883f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 216ff., insbes. 220ff.; Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Trüg, StV 2011, 111 (113). MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 72; Heine, FS v. Büren, 917 (921); ders., ASA 2010/2011, 525 (536); ders., FS Roxin 80, 1087 (1100); Trüg, StV 2011, 111 (113). Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305): Der Gedanke Ostendorfs, dass durch das Kaufangebot eine Anstiftungsstrafbarkeit des Bankmitarbeiters an den Taten der Amtsträger in Betracht zu ziehen sei, ist meines Erachtens richtig, wird aber nachfolgend auch aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht näher thematisiert, zumal es sich bei dem in der möglichen Anstiftung liegenden Strafbarkeitsvorwurf um typische Begleittaten zu dem täterschaftlich begangenen Unrecht handeln dürfte. Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Trüg, StV 2011, 111 (113); ähnlich auch MK-UWG/ Brammsen, § 17, Rn. 71. Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 217f.; Trüg, StV 2011, 111 (113). Ambos, Beweisverwertungsverbote, 115; Benkert, FS Schiller, 27 (33); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4124; Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Spernath, NStZ 2010, 307 (309); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (27); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75.
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arbeiter um einen omnimodo facturus handelt1058 oder nicht1059. Anstiftung käme nur in letzterem Fall in Betracht. Meines Erachtens ist den Anhängern der »Beihilfelösung« zuzugeben, dass das ganze Geschehen auf der Initiative des Bankmitarbeiters beruht und somit die Annahme einer Anstiftung durch die Amtsträger zumindest auf den ersten Blick nicht sachgerecht wirkt. Die Vertreter der »Anstiftungslösung« können für sich jedoch die herrschende Meinung1060 in Anspruch nehmen, nach der ein omnimodo facturus nicht vorliegen soll, wenn die Tatbegehung von einer Geldzahlung oder sonstigen Bedingung abhängig gemacht wird. Die herrschende Meinung bezieht sich ausdrücklich auch auf Konstellationen, in denen der Haupttäter an den potentiellen Teilnehmer herantritt und selbst die Geldzahlung als Bedingung für die Strafbarkeit festlegt.1061 Zudem sollen eine von dem Haupttäter ausgehende Initiative zur Tat und die allgemeine Bereitschaft zur Tatbegehung unbeachtlich sein, da auch dann noch das Hervorrufen eines Entschlusses zur konkreten Tatbegehung möglich sei.1062 Ob sich damit jedoch die Fälle der Zusage einer verlangten Belohnung ausreichend begründen lassen, ist zweifelhaft. Die in dieser Frage vorherrschende Meinung überzeugt allgemein und damit auch, aber nicht nur in den Steuerdatenfällen nicht. Dies ergibt sich entgegen anderer Ansicht1063 jedoch nicht daraus, dass der Informant bereits zur Begehung der Beschaffungsdelikte subjektive Hindernisse überwinden musste und einen von Anfang an festgelegten Plan verfolgt. Auf die Entschlossenheit hinsichtlich der Datenbeschaffung kann es bei der Beurteilung 1058 So Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (191), die aber beide bereits das Vorliegen einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat verneinen; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 217f.; Trüg, StV 2011, 111 (113). 1059 So Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4124; Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); Spernath, NStZ 2010, 307 (309); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75. 1060 S/S/Heine/Weißer, § 26, Rn. 6; MK/Joecks, § 26, Rn. 29; Roxin, GS Schröder, 145 (154f.); ders., AT II, § 26, Rn. 66; Rudolphi, AT-Fälle, 105; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 815. 1061 S/S/Heine/Weißer, § 26, Rn. 6; MK/Joecks, § 26, Rn. 29; Roxin, GS Schröder, 145 (154); ders., AT II, § 26, Rn. 66; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 815; a. A. offenbar Sonn, SteuerCD-Affäre, 218, der die h. M. offensichtlich auf den Steuerdatenankauf nicht beziehen möchte. Meines Earchtens entspricht der Datenankauf jedoch genau den Konstellationen, in denen die h. M. von Anstiftung ausgeht. Auch die von Sonn aufgestellte These, die Kaufpreiszahlung sei keine Belohnung, sondern die Gegenleistung für die Datenüberlassung, führt zu keinem anderen Ergebnis, da der h. M., auch wenn sie Belohnungen teilweise als Beispiel anführt, keine entsprechende Begrenzung zu entnehmen ist, vgl. dazu Roxin, aaO, der allgemein von »Geld« spricht oder Rudolphi, AT-Fälle, 105, der sich allgemein auf »Bedingungen« bezieht. Dass die Amtsträger in den Steuerdatenfällen auch eigene Interessen bzw. solche des Staats verfolgen, stellt keine Besonderheit des Sachverhalts dar, da derjenige, der einem anderen Geld für eine Straftat in Aussicht stellt, üblicherweise durch eigene Vorteile motiviert sein dürfte. 1062 BGHSt 45, 373 (374). 1063 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 218.
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der Teilnahme zu Delikten der Datenweitergabe nicht ankommen. Auch lässt eine solche Argumentation unberücksichtigt, dass die Weitergabe der Beschaffung nicht unmittelbar nachfolgt, so dass der Informant in der Zwischenphase noch die Möglichkeit zur Planmodifizierung, gegebenenfalls auch durch externe Beeinflussung gehabt hätte. Die eingangs geschilderten Sachverhalte zeigen, dass die Daten keineswegs stets von Anfang an für einen Verkauf an staatliche Stellen bestimmt sind. Eine Argumentation, die in den Steuerdatenfällen primär auf die Datenbeschaffung und einen von Anfang an feststehenden Plan abstellt, kann die herrschende Meinung folglich nicht entkräften. Allerdings bestehen gegen die Ablehnung eines omnimodo facturus andere Bedenken. Die zur Begründung der herrschenden Meinung vorgebrachte Argumentation Roxins, die Annahme eines omnimodo facturus führe zu dem widersinnigen Ergebnis, dass »die Bereitschaft, sich anstiften zu lassen, die Möglichkeit ausschließt, angestiftet zu werden«1064, ist im Ergebnis zirkulär. Die Argumentation setzt voraus, dass der Entschluss, eine Tat unter der Bedingung einer Geldzahlung zu begehen, die Bereitschaft, sich anstiften zu lassen, darstellt. Diese Einordnung ist aber gerade die problematische Frage. Ebenso gut, ließe sich der Fall beschreiben mit »Wer als Tatentschlossener nur auf das Vorliegen der letzten Voraussetzung wartet, kann nicht mehr angestiftet werden.«. Dabei handelt es sich jedoch letztendlich auf der einen wie auf der anderen Seite nur um Wortspiele. Wenn Roxin1065 gegen die Annahme eines omnimodo facturus in solchen Fällen anführt, es mache einen erheblichen Unterschied, ob die Tatausführung nur von äußeren Umständen oder noch vom Willen eines anderen abhängig sei, so überzeugt diese Differenzierung nicht. Was ist der Wille eines anderen denn anderes als ein äußerer Umstand? Sowohl dieser Wille als auch sonstige Umstände sind nicht mehr vom Willen des Täters abhängig. In beiden Fällen ist der Täter aus sich selbst heraus zur Tatbegehung entschlossen, wenn sich der Zweck seines Handelns,1066 in diesem Fall die Förderung seiner pekuniären Interessen, als erreichbar herausstellt. Der Entschluss ist somit bereits gefasst. Der Umstand, dass ein Dritter involviert ist, ist allein für dessen Verstrickung in das Geschehen, die sachgerechter als Beihilfe erfasst werden kann, relevant, ändert aber nichts an der Entschlossenheit zur Tatausführung. Es kann auch nicht eine bloße Tatgeneigtheit angenommen werden mit dem Argument, der Entschluss zu der konkreten Tat sei erst duch die Geldzahlung
1064 So Roxin, GS Schröder, 145 (155). 1065 Roxin, GS Schröder, 145 (155). 1066 In anderem Zusammenhang plädiert Roxin gerade dafür, in Fällen, bei denen der Entschluss für den Fall der Erreichbarkeit des gesetzten Zwecks feststeht, den Tatentschluss zu bejahen, so Roxin, JuS 1979, 1 (2).
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hervorgerufen worden.1067 Zwar führt eine bloße allgemeine Tatbereitschaft noch nicht zu einem omnimodo facturus,1068 doch ist in den Steuerdatenfällen der Tatentschluss des Informanten bereits hinreichend präzisiert gewesen: Er hat die Übergabemodalitäten vorgegeben und sich den oder die gewünschten Vertragspartner ausgesucht.1069 Dieses Ergebnis wird unterstrichen, wenn man zur Begründung der Tatentschlossenheit in Ankaufsfällen auf eine Parallele zur Versuchsstrafbarkeit abstellt. Die Frage der Tatentschlossenheit weist schon begrifflich Parallelen zum Tatentschluss im Rahmen der Versuchsstrafbarkeit auf, so dass auf diesbezügliche Grundsätze zurückgegriffen werden kann.1070 Dabei kommt eine Parallele zur Fallgruppe des sicheren Entschlusses auf unsicherer Tatsachengrundlage in Betracht. In diesen Fällen wird ein Tatentschluss angenommen, da zwar die Tatausführung noch von bestimmten Bedingungen abhängig sei, am Entschluss selbst jedoch keine Zweifel mehr bestünden und der Eintritt der Bedingung gerade nicht mehr vom Täter abhängig sei. Unsicherheiten bezögen sich daher nicht auf den Entschluss, sondern nur auf die Möglichkeit der Tatausführung.1071 Meines Erachtens ist diese Argumentation auf die hier vorliegende Anstiftungsproblematik übertragbar. Wer sicher weiß, dass er eine Tat begehen wird, wenn er eine bestimmte Geldsumme erhält, ist zu dieser Tat bereits entschlossen und nicht mehr nur tatgeneigt oder schwankend. Die tatsächliche Zahlung entfaltet ihre Wirkung dann nicht mehr auf subjektiver Seite im Sinne der Überzeugung eines bloß Tatgeneigten, sondern stellt lediglich objektiv den letzten Baustein zu der endgültigen Tatbegehung dar.1072 Demnach spricht eine Parallele zu Grundsätzen des Tatentschlusses dafür, in den Steuerdatenfällen von der Tatentschlossenheit des Bankmitarbeiters auszugehen. Das Handeln der Amtsträger kann somit nicht als Anstiftung gewertet werden. 1067 In diese Richtung wohl Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (27), der darauf abstellt, dass Heinrich Kieber die Daten mehreren Staaten angeboten hat. 1068 BGHSt 45, 373 (374); BGH, NStZ 1994, 29 (30); Fischer, § 26, Rn. 4. 1069 Im Ergebnis ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 218f., der jedoch die Ablehnung der Anstiftung nicht auf die Parallele zum Tatentschluss stützt. 1070 Ähnlich in den Steuerdatenfällen auch Satzger, FS Achenbach, 447 (458); für eine Gleichbehandlung von Anstiftung und Versuch allgemein auch Roxin, GS Schröder, 145 (154ff.), der allerdings den genau umgekehrten Schluss zieht und den Tatentschluss beim Versuch auf Grund der Parallelität zur Anstiftung in entsprechenden Fällen verneinen möchte; ebenfalls für eine Gleichbehandlung NK/Schild, § 26, Rn. 8f., allerdings mit der Konsequenz, dass ein Tatentschluss bei beiden Materien immer erst mit der Tatausführung beziehungsweise dem unmittelbaren Ansetzen dazu vorliegen soll, so dass entgegen der Lehre vom omnimodo facturus selbst ein Tatentschlossener noch der Anstiftung zugänglich sein soll. 1071 BGHSt 12, 306 (309f.); L/K/Kühl, § 22, Rn. 2; ders., AT, § 15, Rn. 31; Roxin, AT II, § 29, Rn. 82ff.; Wessels/Beulke/Satzger, AT, Rn. 851. 1072 Ähnlich auch Satzger, FS Achenbach, 447 (458).
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In Betracht kommt jedoch eine Erfassung unter dem Aspekt der Beihilfe.1073 Dies verlangt eine Hilfeleistung, die die Haupttat fördert.1074 Die Ankaufshandlung der Amtsträger ist conditio sine qua non für die Informationsweitergabe des Bankmitarbeiters, da dieser die Daten nur herausgibt, wenn seine »Leistung« honoriert wird und er durch die Gegenleistung einer vergleichsweise sicheren Zukunft entgegenblickt. Mithin dürfte eine psychische Beihilfe durch Bestärken des Tatentschlusses vorliegen.1075 Zwar wird eine rein psychische Beihilfe teilweise nur bei Vorliegen einer gewissen Intensität als ausreichender Förderungsbeitrag anerkannt,1076 doch liegt eine solche Intensität in den Steuerdatenfällen gerade vor: Schließlich ist davon auszugehen, dass das gesamte »Datengeschäft« ohne den Beitrag der Amtsträger gescheitert wäre.1077 Letztendlich kommt der genauen Einordnung des Tatbeitrags der Amtsträger jedoch keine entscheidende Bedeutung zu, da aus den nachfolgenden Erwägungen eine Teilnahme durch die Amtsträger ohnehin nicht in Betracht kommt. dd) Straflosigkeit nach den Regeln über die notwendige Teilnahme? Man kann in Betracht ziehen, das Handeln der Amtsträger als notwendige Teilnahme zu qualifizieren.1078 Eine notwendige Teilnahme liegt dann vor, wenn der mögliche Teilnehmer nur das tut, was ohnehin erforderlich ist, damit der Haupttäter den Tatbestand der Haupttat verwirklicht.1079 Unter welchen Voraussetzungen und mit welcher Begründung in diesen Konstellationen die Straflosigkeit der Teilnahme zu bejahen ist, ist im Detail höchst umstritten.1080 Für § 17 I UWG wird angenommen, dass die bloße Kenntnisnahme eines Geheimnisses eine straflose notwendige Teilnahme sei.1081 Bezogen auf den Fall der Steuerdatenübermittlung ließe sich eine notwendige Teilnahme daher bei bloßer 1073 Für eine Einordnung als Beihilfe auch MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 71f.; Beulke, Jura 2008, 653 (664); Heine, HRRS 2009, 540; ders., FS v. Büren, 917 (921); ders., ASA 2010/ 2011, 525 (536f.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1100f.); Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; Pawlik, JZ 2010, 693 (699); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204); Satzger, FS Achenbach, 447 (458); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296f.); Sieber, NJW 2008, 881 (883f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 216ff., insbes. 220ff.; Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Trüg, StV 2011, 111 (113). 1074 L/K/Kühl, § 27, Rn. 2. 1075 Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 221f. 1076 Zu der Problematik im Detail Fischer, § 27, Rn. 11ff. 1077 Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 221f. 1078 Erwogen z. B. bei MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 72; Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (17); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 222ff.; Spernath, NStZ 2010, 307 (309); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (889); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (27); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; Wulf, PStR 2012, 33 (39). 1079 Magata, Jura 1999, 246; Wolter, JuS 1982, 343; vgl. auch BGHSt 10, 386 (387); 19, 107 (108). 1080 Vgl. dazu Magata, Jura 1999, 246ff. 1081 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 72; für den verwandten Fall des § 203 StGB Brüning, NStZ 2006, 253.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Entgegennahme der Daten durch die Amtsträger begründen, da die Entgegennahme die Handlung darstellt, die erforderlich ist, damit man bei dem Bankmitarbeiter von einem Mitteilen sprechen kann: Zwar wird, wie bereits bei strafanwendungsrechtlichen Fragen im Rahmen der Bankmitarbeiterstrafbarkeit erörtert (dazu im 2. Kapitel unter E. II. 1. b)), für ein vollendetes Mitteilen nach teilweise vertretener Ansicht1082 ein Erfolg im Sinne einer Kenntnisnahme nicht verlangt, so dass es auf einen Beitrag des Empfängers nicht zwingend ankommt, doch bezieht sich die notwendige Teilnahme auch auf Verhaltensweisen, die typischerweise für die Tatbestandsverwirklichung des Haupttäters erforderlich sind.1083 Typisch für ein Mitteilen ist nun einmal die Interaktion mit Adressaten.1084 Da aber in dieser Arbeit nur Fallgestaltungen, bei denen der Informant eine Gegenleistung erhält, untersucht werden, stellt sich die Frage, ob die vorangegangene Argumentation auch auf Konstellationen mit Gegenleistung übertragen werden kann. Bei Fällen mit Gegenleistung lässt sich argumentieren, der Beitrag der Amtsträger übersteige dasjenige, was nötig ist, damit man ein Mitteilen des Bankmitarbeiters bejahen kann.1085 Dies wird allerdings bestritten.1086 Gegenleistungen hinderten die Bewertung als notwendige Teilnahme nicht, da der Tatbestand des § 17 UWG gerade ein Handeln aus Eigennutz verlange und somit selbst die Gegenleistung als Ausdruck der Eigennützigkeit im Bereich der notwendigen Teilnahme bleibe. Daran ändere sich auch durch die Möglichkeit anderer subjektiver Merkmale anstelle des Eigennutzes nichts. Zudem spreche das Rechtsgut für eine Straflosigkeit auf Grund der notwendigen Teilnahme. Durch das Verhalten der Amtsträger würden die Daten in einem rechtsstaatlichen Verfahren genutzt und somit gerade Wettbewerbern vorenthalten, womit ein erhöhter Schutz im Wettbewerb erzielt werde.1087 1082 MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 113, 109, 51, 50, die allerdings missverständlich formulieren, indem sie einerseits einen Zugang verlangen, andererseits aber betonen, dass es sich nicht um ein Erfolgsdelikt handele; tendenziell auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 88f. 1083 Gropp, Sonderbeteiligung, 126; Magata, Jura 1999, 246 (252). 1084 Vgl. dazu BayObLGSt 41, 127 (132); Brüning, NStZ 2006, 253, deren Ausführungen sich auf andere Mitteilungsdelikte beziehen, jedoch allgemeinerungsfähig sind. 1085 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 72; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 226ff.; Spernath, NStZ 2010, 307 (309); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (889); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (27); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; gegen eine notwendige Teilnahme zumindest tendenziell auch Wulf, PStR 2012, 33 (39). 1086 Kaiser, NStZ 2011, 383 (388). 1087 Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Weiterhin stellt Kaiser darauf ab, dass aus dem Vergleich zwischen § 17 und § 19 UWG die Straflosigkeit von ohne Vorliegen eines subjektiven Merkmals ausgeführten Teilnahmehandlungen folge, ähnlich auch Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (17), die die Frage aber im Ergebnis offen lassen. Diese These braucht hier nicht näher zu erörtert werden, da nach hier vertretener Ansicht vom Vorliegen eines subjektiven Merkmals ausgegangen werden kann (vgl. dazu die Ausführungen zu den BDSG-
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Die letzteren Überlegungen klingen vielmehr nach einem Plädoyer für eine teleologische Reduktion des Tatbestands, die aber, wie oben gezeigt, abzulehnen ist. Daher können die Argumente auch im Bereich der notwendigen Teilnahme nicht überzeugen: Wenn Vertreter staatlicher Stellen im Rahmen des Tatbestands des § 17 UWG grundsätzlich genauso behandelt werden wie andere Täter, ist es kaum überzeugend Fragen der notwendigen Teilnahme anders zu beurteilen. Ob die von Kaiser vorgenommene Begründung der notwendigen Teilnahme durch Abstellen auf die besonderen Merkmale überzeugt, kann dahinstehen, da eine notwendige Teilnahme meines Erachtens aus anderen Gründen zwingend ist: Die Einordnung als notwendige Teilnahme ergibt sich aus der rechtlichen Bewertung der Handlungen des Bankmitarbeiters. Entscheidender Anknüpfungspunkt für eine mögliche (notwendige) Teilnahme ist gerade nicht allein der Aspekt des Mitteilens. Bei der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters ist begründet worden, dass es vorzugswürdig ist, den Datenverkauf zusätzlich zum Mitteilen als Verwerten zu qualifizieren. Zwar kann ein Verwerten fraglos auch ohne Interaktion mit Dritten verwirklicht werden,1088 im konkreten Fall ist die Handlung der Amtsträger in Form der Überlassung einer Gegenleistung jedoch der entscheidende Anknüpfungspunkt und damit gerade konstitutiv. Daher kann argumentiert werden, dass die Amtsträger auch durch die Überlassung der Gegenleistung nur das tun, was für die Strafbarkeit des Haupttäters bezogen auf das Verwerten erforderlich ist. Die Haupttat des Bankmitarbeiters nach § 17 II Nr. 2 UWG durch Mitteilen und Verwerten beschreibt damit das in dem Datengeschäft liegende Unrecht abschließend. Die Amtsträger verwirklichen nur das, was erforderlich ist, damit dem Bankmitarbeiter ein Mitteilen und Verwerten von Geschäftsgeheimnissen zur Last gelegt werden kann.1089 Ein darüber hinausgehender Angriff auf das Rechtsgut findet gerade nicht statt. Für den hier vertretenen Ansatz, das durch Mitteilen und Verwerten verwirklichte Unrecht insgesamt zu erfassen und nicht isoliert auf das Mitteilen abzustellen, spricht der Umstand, dass durch den Verkauf letztendlich nur eine Tat nach § 17 II Nr. 2 UWG verwirklicht wird, auch wenn beide Tathandlungsalternativen einschlägig sind. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Begründung der Rechtsfigur der notwendigen Teilnahme teilweise vertreten wird, die Frage der Straflosigkeit müsse durch eine teleologische Betrachtung der jeweiligen Norm unter Be-
Delikten in diesem Kapitel unter B. I. 4. c) bb), wobei die Ausführungen zur Bereicherungsabsicht sinngemäß auf das Handeln zu Gunsten Dritter übertragen werden können. 1088 So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 230. 1089 Anders erstaunlicherweise Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (27), obwohl er bei der Tathandlung des Bankmitarbeiters nur auf ein Verwerten abstellt.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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rücksichtigung tatbestandsspezifischer Besonderheiten entschieden werden.1090 Zu den Besonderheiten des § 17 II Nr. 2 UWG zählen die Beschreibung der Tathandlung durch die Mitteilungs- und die Verwertungsalternative sowie die zumindest nach hier vertretener Ansicht zu bejahende Einordnung des Geheimnisverkaufs sowohl als Mitteilen als auch als Verwerten. Daher wird die Gegenleistung durch das Verwerten bereits im Rahmen der Informantenstrafbarkeit berücksichtigt. So kann entgegen Sonn1091 die Ablehnung einer straflosen notwendigen Teilnahme gerade nicht damit begründet werden, dass die Kaufpreiszahlung das Gefahrenpotential des Geschehens im Vergleich zu dem von dem Bankmitarbeiter verwirklichten Unrecht entscheidend erhöhe, da dieses Potential bereits durch das Verwerten zum Ausdruck gebracht wird. Zu den maßgeblichen Besonderheiten der Tatbestände des § 17 UWG zählt auch das Verhältnis zwischen § 17 II Nr. 2 UWG und § 17 I UWG: So spricht viel dafür, in § 17 I UWG die geringere Variante des Unrechts zu sehen.1092 Daher stellt Sonn1093 im Grundsatz zu Recht fest, dass die Frage der straflosen notwendigen Teilnahme für § 17 II Nr. 2 und § 17 I UWG parallel beantwortet werden muss. Dafür spricht zudem, dass beide Normen das gleiche Rechtsgut schützen. Daher ist auch für die nicht auf ein Verwerten abstellende Strafnorm des § 17 I von einer notwendigen Teilnahme auszugehen, da die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters durch das Verwerten nach § 17 II Nr. 2 UWG das in der Gegenleistung liegende Unrecht vollständig ausdrückt. Eine darüber hinausgehende Gefährdung des Rechtsguts liegt gerade nicht vor. Dieses Ergebnis kann nicht umgangen werden, indem man das Verwerten zwar für die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters bejaht, im Rahmen der Amtsträgerstrafbarkeit jedoch unberücksichtigt lässt und isoliert auf das Mitteilen abstellt.1094 Ein solches Vorgehen widerspricht dem Mechanismus der notwendigen Teilnahme, bei dem das Verhalten des vermeintlichen Teilnehmers strafrechtlich nicht erfasst wird, wenn es bereits in der Haupttat zum Ausdruck kommt. Es entspricht gerade nicht der Methodik der notwendigen Teilnahme, 1090 Dazu allgemein Magata, Jura 1999, 246 (252f.); Wolter, JuS 1982, 343 (344); in den Steuerdatenfällen auf die tatbestandsbezogenen Besonderheiten abstellend auch Sonn, SteuerCD-Affäre, 227ff., der allerdings zum gegenteiligen Ergebnis kommt. 1091 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 229f. 1092 Dazu siehe oben: 2. Kapitel A. II. 3. a). Dass § 17 I UWG im Regelfall von § 17 II Nr. 2 UWG verdrängt wird, schließt eine daran anknüpfende Teilnehmerstrafbarkeit der Amtsträger jedoch nicht von vornherein aus, da die Teilnahme losgelöst von Konkurrenzerwägungen hinsichtlich des Haupttäters zu bestimmen ist, dazu MK/von HeintschelHeinegg, Vor §§ 52ff., Rn. 74. 1093 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 230f. gelangt freilich mit der gleichen Begründung zu dem genau gegenteiligen Ergebnis. 1094 In diese Richtung wohl Sonn, Steuer-CD-Affäre, 230f., der grundsätzlich in dem Verkauf der Daten ein Mitteilen und ein Verwerten des Bankmitarbeiters sieht.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Teile des vom Haupttäter verwirklichten Unrechts unberücksichtigt zu lassen, um noch Raum für eine Teilnahmestrafbarkeit zu eröffnen. Entgegen anderer Ansicht1095 wird eine notwendige Teilnahme auch nicht durch die Entgegennahme und Bearbeitung der Testdaten ausgeschlossen. Wie bereits bei der Erörterung des Geheimnisbegriffs dargelegt worden ist, stellen die Testdaten selbst Geheimnisse dar, so dass sich diesbezüglich die gleiche strafrechtliche Behandlung ergibt wie für die übrigen Daten. Auch bei der Entgegennahme der Testdaten tun die Amtsträger nicht mehr als erforderlich ist, damit der Informant die Tat nach § 17 II Nr. 2 (und gegebenenfalls auch nach § 17 I) UWG begeht. Die für § 17 UWG entwickelte Argumentation lässt sich auf die unbefugte Datenübermittlung nach dem BDSG übertragen, da die Gegenleistung dort durch das Erschwerungsmerkmal des Handelns gegen Entgelt zum Ausdruck kommt und somit die Gegenleistung bereits konstitutiv für die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters ist. Gleiches gilt für die in Ausnahmefällen einschlägigen §§ 203, 204 StGB. Schließlich wird dort die Gegenleistung erstens durch die Qualifikation des Handelns gegen Entgelt (§ 203 V StGB) berücksichtigt, zweitens ist auch die Bejahung des Verwertens je nach genauer Bestimmung des Verwertungsbegriffs1096 möglich. Mithin liegt eine straflose notwendige Teilnahme vor, so dass eine an den Datenkauf anknüpfende Teilnahmestrafbarkeit der Amtsträger nicht in Betracht kommt.1097 Da die Details der notwendigen Teilnahme jedoch stark umstritten sind, erscheint ein anderes Ergebnis vertretbar. c) Ergebnis: Teilnahme Eine Teilnahmestrafbarkeit der deutschen Amtsträger an den Delikten des Bankmitarbeiters kommt nicht in Betracht, da das Unrecht des Datengeschäfts abschließend durch die Strafbarkeit des Bankmitarbeiters ausgedrückt wird. Damit fällt ein zentraler Anknüpfungspunkt für eine mögliche Strafbarkeit der Amtsträger weg.
1095 Vgl. Werner, IWB 2010, 164 (167), die bezogen auf eine Teilnahme an BDSG-Delikten primär auf den Umgang mit den Probedaten abstellt, um zu begründen, dass die Handlung der Staatsvertreter über das unbedingt Notwendige hinaus reicht. 1096 Zu der Frage des Verwertens durch Verkauf bei §§ 203, 204 StGB oben: 2. Kapitel A. II. 5. b). 1097 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Kaiser, NStZ 2011, 383 (388), wenngleich mit völlig anderer Begründung.
Tatbestandsspezifische Aspekte
3.
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§ 19 II Alt. 2 UWG: Annahme eines fremden Erbietens
Das oben im Rahmen der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters gemäß § 19 UWG festgestellte Ergebnis gilt auch für die Strafbarkeit der Amtsträger : Da § 19 UWG entweder auf Konstellationen, in denen die Annahmehandlung keine weiteren Folgen zeitigt, reduziert wird, oder als im Verhältnis zu § 17 UWG subsidiär angesehen wird, ist eine Strafbarkeit nach § 19 UWG ohne eigenständige Bedeutung.1098 Entgegen Koblenzer1099 ist dies unabhängig vom Vorliegen einer Probedatenüberlassung, da diese genauso zu bewerten ist wie die Übergabe der Hauptdaten und nicht etwa nur die Anbahnung des späteren Geschäfts darstellt.
4.
§§ 44, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG: Datenerhebung / Datenverschaffung
Die Amtsträger könnten sich wegen unbefugter Datenerhebung nach §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 1 BDSG und unbefugter Datenverschaffung nach §§ 44 I, 43 II Nr. 3 Var. 2 BDSG strafbar gemacht haben.1100 a) Anwendbarkeit Nach den bei der Informantenstrafbarkeit herausgearbeiteten Grundsätzen entfällt die Strafbarkeit der Amtsträger nach dem BDSG nicht bereits mit Blick auf die ausländischen Daten, die ausländische Ersterhebung oder die Tatbegehung im Ausland. Auch ist das BDSG nicht subsidiär im Sinne des § 1 III BDSG gegenüber anderen möglicherweise in Betracht kommenden Strafnormen. Die Informationen über die Bankkunden stellen personenbezogene Daten dar. Das durch das BDSG vorausgesetzte Tatobjekt liegt mithin vor. Zudem sind die Amtsträger als Stelle im Sinne der §§ 1 II, 2 BDSG zu qualifizieren, so dass auch diese Anwendungsvoraussetzung vorliegt.1101 Da vorliegend die Strafbarkeit der Amtsträger, das heißt ihr Verhalten als natürliche Personen und nicht als Behörde, im Fokus steht, dürften die Amtsträger grundsätzlich als nicht-öffentliche Stellen im Sinne des § 2 IV BDSG einzuordnen seien. Schließlich sind natürliche Personen von der Definition der öf1098 Gegen die Relevanz von § 19 UWG im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 198f., für den die zentrale Begründung jedoch in dem Fehlen der subjektiven Merkmale liegt. 1099 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119). 1100 Erörtert z. B. bei Gössel, FS Puppe, 1377 (1392ff.); Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Kelnhofer/ Krug, StV 2008, 661 (664); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (17); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Satzger, FS Achenbach, 447 (456); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 199f.; Trüg, StV 2011, 111 (114). 1101 Auf Grund der bei der Informantenstrafbarkeit angestellten Erwägungen ist für die Bestimmung der Stelle auf den jeweils Handelnden abzustellen (dazu oben: 2. Kapitel A. I. 6. a)).
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
fentlichen Stellen nicht erfasst (siehe § 2 I, II, III BDSG). Jedoch sind die Amtsträger über § 2 IV 2 BDSG als öffentliche Stellen1102 zu behandeln,1103 da der Datenankauf und die spätere Datenbearbeitung der Steuererhebung sowie der Strafverfolgung und damit der Wahrnehmung hoheitlicher Zwecke dienen. Handelt es sich um öffentliche Stellen des Landes im Sinne von § 2 II BDSG, ist nach den Maßstäben des § 1 II Nr. 2 BDSG1104 Landesrecht anwendbar.1105 Maßstab für die Anwendung des Datenschutzrechts ist die verwaltungsrechtliche Zuordnung des handelnden Amtsträgers, nicht etwa die Zuordnung des Datenbestands.1106 An dieser Stelle kann nicht auf die Strafnormen von 16 Landesdatenschutzgesetzen eingegangen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass Verhaltensweisen, die nach dem BDSG strafbar sind, auch nach Landesrecht zu einer Strafbarkeit führen.1107 Mithin ist die Anwendbarkeit des BDSG oder alternativ der Landesdatenschutzgesetze auf den Datenankauf und die spätere Datenbearbeitung zu bejahen. Da die BDSG-Delikte im Grundsatz Jedermannsdelikte sind,1108 ist auch mit Blick auf den Täterkreis eine Strafbarkeit grundsätzlich möglich.
1102 Da die Amtsträger die Daten jedoch nicht für sich selbst erheben oder nutzen, sind nicht sie, sondern ist die Behörde, der sie angehören, als verantwortliche Stelle im Sinne des § 3 VII BDSG zu qualifizieren. Die Bestimmung als verantwortliche Stelle ist jedoch lediglich für die Strafantragsregelung von Bedeutung, da die darauf rekurrierende Regelung des § 1 V nach hier vertretener Ansicht auf strafrechtliche Sachverhalte nicht anzuwenden ist. 1103 Dass die Begehung von Straftaten durch Amtsträger in der Kommentierung des § 2 IV 2 BDSG nicht erwähnt wird, vgl. dazu Simitis/Simitis, BDSG, § 2, Rn. 129ff., dürfte daran liegen, dass strafrechtliche Fragestellungen bei der Kommentierung des BDSG nicht im Fokus stehen und Amtsträger, die dienstlich Straftaten begehen, keine für das deutsche Staatssystem typische Konstellation darstellen, vgl. zur völligen Bedeutungslosigkeit der Strafnormen des BDSG in der Praxis Simitis/Ehmann, § 44, Rn. 4. 1104 Sofern die Strafbarkeit von Vertretern der Staatsanwaltschaft betroffen ist, kommt jedoch durchaus eine Anwendbarkeit des BDSG in Betracht, da nach § 1 II Nr. 2 b) BDSG das BDSG auch auf Stellen der Länder anwendbar ist, wenn es sich um Organe der Rechtspflege handelt. Darunter fallen Strafverfolgungstätigkeiten der Staatsanwaltschaft, dazu Erbs/ Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 2, Rn. 17. 1105 So im Ergebnis auch Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324). 1106 BGH, NStZ 2000, 596f.; Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, Vorbem., Rn. 3. Die dagegen vorgebrachte Kritik, Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 13ff., die auf die fehlende Abgrenzungsmöglichkeit bei einem Handeln durch Private abstellt, kann meines Erachtens nicht überzeugen, da die Landesgesetze, ohnehin nur für öffentliche Stellen gelten (vgl. z. B. §§ 1 S. 2, 2 I NDSG; dazu auch Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 238) und dort eine Zuordnung zu einem Bundesland bzw. zum Bund problemlos möglich ist. 1107 Zur Leitbildfunktion des BDSG für die Landesgesetze Simitis/Simitis, BDSG, § 4b, Rn. 101; Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 238. 1108 Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 22.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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b) Tathandlung: Erheben oder Sich-Verschaffen In Betracht kommt ein Erheben von Daten (§ 43 II Nr. 1 Alt. 1 BDSG) ebenso wie ein Sich-Verschaffen (§ 43 II Nr. 3 Var. 3 BDSG). aa) Erheben Der Ankauf der Daten könnte eine Datenerhebung darstellen. Erheben ist nach § 3 III BDSG legaldefiniert als Beschaffen von Daten über den Betroffenen. Der Kauf eines Datenarchivs wird als typischer Fall des Erhebens gesehen.1109 Zu der Datenbeschaffung hinzukommen muss ein auf die Beschaffung gerichteter Wille, so dass beispielsweise unverlangte Datenüberlassungen ausscheiden.1110 Die Datenankaufsfälle unterscheiden sich aber von einfachen bei der Steuerbehörde eingehenden, häufig anonymen Hinweisen gerade durch das aktive Bemühen der Amtsträger um die Datenerlangung. So haben die Amtsträger durch die Kaufpreiszahlung die Datenüberlassung erst ermöglicht. Daher ist es meines Erachtens unverständlich, ein Erheben in den Steuerdatenfällen mit Verweis auf die Fallgruppe der unverlangten Datenüberlassung abzulehnen1111. Ein Erheben ist somit in den Steuerdatenfällen zu bejahen.1112 bb) Sich-Verschaffen Entgegen einer teilweise geäußerten Ansicht1113 ist ein Sich-Verschaffen aus einer automatisierten Datenverarbeitung oder aus einer nicht automatisierten Datei abzulehnen. Wie bereits bei der Informantenstrafbarkeit herausgestellt, müssen die Daten unmittelbar aus dem Organisationszusammenhang der Datenverarbeitung oder Datei verschafft werden,1114 – hier also aus der Verarbeitung bei der Bank. Dies kann für den Bankmitarbeiter zutreffen, für die Amtsträger jedoch nicht. c) Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG Die Ordnungswidrigkeit des § 43 BDSG wird bei Vorliegen bestimmter Merkmale zu einer Straftat nach § 44 BDSG hochgestuft. 1109 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 109; in den Steuerdatenfällen Gössel, FS Puppe, 1377 (1393). 1110 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 102ff. 1111 So aber vertreten von Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (17); vgl. auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 199, der ein Erheben ohne Begründung verneint. 1112 So im Ergebnis auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1393); Wenn Werner, IWB 2010, 164 (167) annimmt, es läge nur eine Beihilfe zum Verschaffen durch den Bankmitarbeiter vor, verkennt sie, dass jede Datenbeschaffung zu einem Erheben führt und daher bereits eine täterschaftliche Begehung in Betracht kommt. 1113 Bejaht wird ein Sich-Verschaffen von Kelnhofer/Krug, StV 2008, 661 (664); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119); wohl auch von Gössel, FS Puppe, 1377 (1396). 1114 Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 43, Rn. 21; Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 64.
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aa) Handeln gegen Entgelt In Betracht kommt zunächst ein Handeln gegen Entgelt im Sinne von § 11 I Nr. 9 StGB. Die Amtsträger bekommen zwar für die Ausübung ihrer generellen Tätigkeit eine Entlohnung, doch wird diese nicht als Gegenleistung gerade für den Datenankauf gezahlt. Es besteht keine synallagmatische Beziehung zwischen den Bezügen und dem Datenankauf.1115 Auch der dem Bankmitarbeiter gezahlte Kaufpreis kommt offensichtlich nicht in Betracht. Zwar ist er die von der Seite der Amtsträger erbrachte Gegenleistung für den Erhalt der Daten, aber gerade nicht die Honorierung der Amtsträger dafür, dass sie die Daten entgegengenommen haben.1116 Daher liegt ein Handeln gegen Entgelt entgegen Kelnhofer/ Krug1117 nicht vor. bb) Bereicherungsabsicht Möglich ist darüber hinaus ein Handeln der Amtsträger in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern. Dies setzt voraus, dass die Handlung auf einen (nicht zwingend unmittelbaren) Vermögensvorteil abzielt.1118 Da die Entlohnung der Amtsträger unabhängig von einem Ankauf der Daten ist, scheidet die Absicht der eigenen Bereicherung aus. Auf Grund der Steuereinnahmen des Staats ist hingegen das Vorliegen der Drittbereicherungsabsicht zu bejahen,1119 da die Steuerzahlungen fraglos als Vermögensvorteil1120 einzustufen sind. Zu beachten ist dabei, dass die Rechtswidrigkeit der angestrebten Bereicherung nicht erforderlich ist (dazu oben im 2. Kapitel unter A. II. 7. c) cc)). Der grundsätzlich bestehende Anspruch des Staats auf die Steuern ist somit schon aus diesen Gründen bedeutungslos. Entgegen Kaiser1121 bestehen meines Erachtens auch keine Zweifel an der für die Absicht erforderlichen Willensrichtung. Gerade Beamte der Steuerfahndung messen dem Aspekt der staatlichen Einnahmengenerierung häufig eine entscheidende, handlungsleitende Rolle bei. Das dürfte besonders für die Amts1115 Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Satzger, FS Achenbach, 447 (456); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 199; Trüg, StV 2011, 111 (114); im Ergebnis ebenso, wenn auch mit zweifelhafter Begründung Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190), der Entgeltlichkeit und Bereicherung vermischt. 1116 So im Ergebnis auch Trüg, StV 2011, 111 (114). 1117 Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664), wobei bedauerlicherweise selbst der Bezugspunkt für die angenommene Entgeltlichkeit nicht deutlich wird. 1118 Simitis/Ehmann, BDSG, § 44, Rn. 6; G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 4. 1119 So auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1396); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324). 1120 Zu Steuern als Teil des staatlichen Vermögens vgl. die Ausführungen zum Verwertungsbegriff bei § 17 II Nr. 2 UWG in diesem Kapitel unter B. II. 1. d) bb) (3) (a). 1121 Kaiser, NStZ 2011, 383 (388).
Tatbestandsspezifische Aspekte
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träger gelten, die bei dem Datenankauf eingesetzt worden sind.1122 Selbst bei den Amtsträgern, die lediglich darauf abzielen, ihre Arbeit sachgemäß zu erledigen, sind der Erhalt der Datensammlung und die darauf beruhende Bereicherung durch die späteren Steuerzahlungen zwangsläufig mit der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung verknüpft. So tritt die sach- und erwartungsgemäße Aufgabenerfüllung nur bei Erreichen der staatlichen Bereicherung ein. Dass das eigentlich erstrebte außertatbestandliche Handlungsziel nicht anders erreicht werden kann, ist schließlich gerade das maßgebliche Abgrenzungskriterium für die Unterscheidung zwischen dem Absichtsbegriff unterfallenden Hauptfolgen und nicht erfassten Nebenfolgen.1123 Daher ist Drittbereicherungsabsicht zu bejahen. Sonn1124 hingegen lehnt das Vorliegen einer Drittbereicherungsabsicht ab. Erstens wendet er sich gegen die Einordnung des Staats als Dritter. Dagegen kann jedoch, wie bei einem Handeln zu Gunsten Dritter im Rahmen von § 17 II Nr. 2 UWG, vorgebracht werden, dass der Staat entweder Dritter ist oder mit dem Amtsträger eine Einheit bildet, wobei in letzterem Fall die Absicht eigener Bereicherung anzunehmen wäre. Zweitens stellt Sonn darauf ab, dass die Steuernachzahlungen erst als Folge weiterer tatsächlicher und rechtlicher Schritte bei dem Staat eingingen. Dies ist fraglos richtig, lässt aber die Bereicherungsabsicht nicht entfallen, da, wie erwähnt, eine unmittelbare Vermögensmehrung nicht verlangt wird. Drittens argumentiert Sonn mit dem bestehenden staatlichen Anspruch auf die Steuern1125 und setzt sich damit in Widerspruch zu seiner eigenen Auslegung des Merkmals der Bereicherungsabsicht: Da die angestrebte Bereicherung nach vorzugswürdiger und auch von Sonn vertretener Ansicht nicht rechtmäßig sein muss, kann das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs die Bereicherungsabsicht auch nicht entfallen lassen. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass möglicherweise bestehende Ansprüche die Bereicherungsabsicht nicht ausschließen. Daher handeln die Amtsträger mit der Absicht, den deutschen Staat zu bereichern,1126 wobei der bereicherungsrelevante Vorteil1127 in den Steuernachzahlungen zu erblicken ist.
1122 1123 1124 1125
Vgl. zu dem Engagement einzelner Steuerfahnder Kurz, Der Spiegel Nr. 34/1998, 64 (65). Dazu allgemein Kühl, AT, § 35, Rn. 5. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 199f. Darauf abstellend auch Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Satzger, FS Achenbach, 447 (456). 1126 So im Ergebnis auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1395f.); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324). 1127 Die Vermögenszuflüsse, die auf möglicherweise verhängten Geldstrafen beruhen, kommen als Vorteile nicht in Betracht, zur Begründung siehe unten in diesem Kapitel: B. II. 1. d) bb) (3) (b).
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
cc) Schädigungsabsicht In Betracht kommt weiterhin ein Handeln in Schädigungsabsicht. Dabei ist es unerheblich, wem der Schaden zugefügt werden soll. Es muss sich nicht zwingend um den von den Daten Betroffenen handeln.1128 Eine mögliche Schädigung der ausländischen Bankunternehmen dürfte für die Amtsträger aber nur in den seltensten Fällen die entscheidende Motivation sein. Tritt eine solche Schädigung später durch das Bekanntwerden der Fälle ein, handelt es sich vielmehr um eine bloße Nebenfolge, die sich nicht zwangsläufig aus dem Ankauf ergibt (näher zur Schädigungsabsicht bezogen auf die Banken unten in diesem Kapitel unter B. II. 1. f) aa) im Rahmen einer an die Nutzung anknüpfenden UWG-Strafbarkeit). In Betracht kommt daher nur eine Schädigung der Bankkunden, das heißt der deutschen Steuerzahler. Der Schadensbegriff im BDSG ist nicht beschränkt auf vermögenswerte Aspekte, sondern umfasst auch immaterielle Nachteile.1129 Möglich erscheint daher die Annahme der Schädigungsabsicht gestützt auf die Nachzahlung der Steuern, die Strafverfolgung, verhängte Strafen und auf Ansehensverluste bei Bekanntwerden der Ereignisse. Bezüglich einer Schädigung der Bankkunden ist Sonn1130 hingegen darin zuzustimmen, dass weder die Steuernachzahlung noch die Strafverfolgung als Schaden betrachtet werden können. Die Steuernachzahlung dient der Erfüllung des unabhängig von der Datenbeschaffung bestehenden Steueranspruchs, während die Strafverfolgung der Verwirklichung des staatlichen Strafanspruchs dient. Beides mag von dem Steuerpflichtigen als nachteilig empfunden werden, ist aber kein Schaden. Der bei Bekanntwerden der Ereignisse eintretende Ansehensverlust dürfte regelmäßig nicht von der Absicht der Amtsträger erfasst sein. Schließlich sind nur die wenigsten der durch den Ankauf betroffenen Kunden überhaupt öffentlich bekannt, so dass ein Ansehensverlust nur als mögliche und keinesfalls gewisse Nebenwirkung des Ankaufs eintritt. Daher wird die Schädigungsabsicht regelmäßig zu verneinen sein.1131 In Einzelfällen ist fraglos ein anderes Ergebnis möglich.
1128 G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 5; Dieser Aspekt ist in den Steuerdatenfällen offensichtlich verkannt worden von Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324) und Sonn, Steuer-CD-Affäre, 200, die beide lediglich auf die Schädigung der Bankkunden abstellen. 1129 Simitis/Ehmann, BDSG, § 44, Rn. 8; G/J/W/Glaser, BDSG, § 44, Rn. 5; Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 262; a. A. wohl Hamm, FS v. Zezschwitz, 193 (199), der alle Erschwerungsmerkmale auf finanzielle Erwägungen zurückführt. 1130 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 200; zur fehlenden Schadensqualität der Steuerzahlung auch Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (788, 790); a. A. aber wohl Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324). 1131 So im Ergebnis auch Kaiser, NStZ 2011, 383 (388); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 200; wohl bejahend hingegen Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324).
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Festgehalten werden kann, dass in Gestalt der Drittbereicherungsabsicht zumindest eines der drei Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG vorliegt. d) Unbefugtheit Die Unbefugtheit ist als Hinweis auf das allgemeine Rechtfertigungsmerkmal zu verstehen1132, so dass auf die dortigen Erörterungen verwiesen werden kann. Zwar enthält das BDSG mit § 13 einen speziellen Zulässigkeitsgrund für die Datenerhebung durch öffentliche Stellen, doch kann nicht auf die Zulässigkeitsgründe des BDSG rekurriert werden, sofern auf Grund der Eingriffsintensität der Handlung besondere Befugnisnormen erforderlich sind.1133 Wie die nachfolgenden Erörterungen einer Rechtfertigung durch die Ermittlungsgeneralklausel (dazu unten in diesem Kapitel unter D. I. 1. b)) zeigen werden, ist von einer entsprechend hohen Eingriffsintensität auszugehen. e) Strafantrag (§ 44 II 1 BDSG) Nach § 44 II 1 BDSG ist ein Strafantrag erforderlich. f) Ergebnis: §§ 44 I, 43 II Nr. 1 / 3 BDSG Die Amtsträger machen sich durch den Datenankauf wegen unbefugter Datenerhebung gemäß §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 1 BDSG strafbar.1134 Die Bejahung eines BDSG-Delikts ist meiner Meinung nach für die Gesamtbewertung der Steuerdatenfälle von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Schließlich ist damit eine Strafnorm verwirklicht, die gerade den Schutz des Bankkunden bezweckt. Somit verletzen die Amtsträger nicht nur die Rechte der Bank, sondern gerade auch die der Steuerpflichtigen, deren Strafverfolgung mit Hilfe des Ankaufs betrieben werden soll. 5.
§ 257 StGB: Begünstigung
Häufig wird im Rahmen der Steuerdatenfälle eine Strafbarkeit der Amtsträger wegen Begünstigung gemäß § 257 StGB erörtert oder zumindest erwähnt.1135 1132 G/J/W/Glaser, BDSG, § 43, Rn. 36. 1133 Zu der entsprechenden Begrenzung der Zulässigkeitsgründe Simitis/Dix, BDSG, § 1, Rn. 173. 1134 Im Ergebnis ähnlich Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324), allerdings ohne genaue Erörterung; unklar hingegen Gössel, FS Puppe, 1377 (1392ff.), bei dem nicht deutlich wird, ob in dem Verhalten der Amtsträger eine täterschaftliche Verwirklichung eines BDSG-Delikts (1393) oder lediglich eine Begehung als Teilnehmer (1395, 1399) gesehen wird. 1135 So z. B. bei LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); MK/Cramer/Pascal, § 257, Rn. 14; M/R/ Dietmeier, § 257, Rn. 22; S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 19; LK/Walter, § 257, Rn. 77; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 115; D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (47); Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344); Benkert, FS Schiller, 27 (29ff.); Beulke, Jura 2008,
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
a) Vortat Entscheidende Bedeutung im Rahmen der Begünstigungsstrafbarkeit kommt der genauen Bestimmung der Vortat zu. Dabei ist nur die Verletzung von Normen des deutschen Strafrechts in Betracht zu ziehen.1136 Straftaten, die nach dem am Ort der Bank geltenden Recht vorliegen, sind somit von vornherein bedeutungslos.1137 aa) Bedeutung des Strafanwendungsrechts Im Zusammenhang mit der Vortat des § 257 StGB ist zunächst zu erörtern, ob die Vortat der deutschen Strafgewalt unterliegen muss. Dies wird von der herrschenden Meinung verneint, zumindest wenn die Vortat ein Individualrechtsgut verletzt: Das Unrecht sei bereits verwirklicht, wenn ein deutscher Straftatbestand einschlägig sei.1138 Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts werde üblicherweise als objektive Strafbarkeitsbedingung qualifiziert, wobei das Vorliegen objektiver Strafbarkeitsbedingungen für die Vortat irrelevant sei.1139 Demnach wäre das Strafanwendungsrecht hinsichtlich der – individualschützenden – Vortaten in den Steuerdatenfällen irrelevant. Insoweit greift es zu kurz, wenn Sonn1140 zur Begründung der Gegenansicht lediglich zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht differenziert und das Strafanwendungsrecht dem materiellen Recht zuordnet, da damit suggeriert wird, alle materiell-rechtlichen Voraussetzungen seien gleich zu behandeln und für die Vortat von Relevanz. Dagegen spricht schon der Umstand, dass eine schuldhafte Begehung der Vortat nach dem eindeutigen Wortlaut des § 257 StGB gerade nicht erforderlich ist.
1136 1137 1138
1139 1140
653 (664); Bruns, StraFo, 2008, 189 (190); van Bühren, AnwBl 2012, 906; Durst, PStR 2008, 134; Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116); Fahl, ZJS 2009, 63 (68); Habetha, ZRP 2012, 223; Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (783, 790); Kaiser, NStZ 2011, 383 (389); Kauffmann, JA 2010, 597; Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (662f.); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117f.); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1275); Lang, FS Schneider, 737 (741); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (303f.); Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Salditt, PStR 2008, 84 (89); Satzger, FS Achenbach, 447 (455); Schierack/Bender, BRJ 2010, 173 (175, insbes. Fn. 15); W.-F. Schneider, RÜ 2008, 445 (446); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 200ff.; Spernath, NStZ 2010, 307 (309); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (440f.); Trüg, StV 2011, 111 (113f.); ders./Habetha, NStZ 2008, 481 (489); dies., NJW 2008, 887 (888f.); Werner, IWB 2010, 164 (167); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (25f.); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; Zieschang, FS Scheuing, 794 (809f.). Dazu allgemein für § 257 StGB S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 8. So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 202f.; Zieschang, FS Scheuing, 794 (809). LK/Walter, § 257, Rn. 19; Kaiser, NStZ 2011, 383 (389); wohl auch Benkert, FS Schiller, 27 (29); zumindest bei einer gegen ein Individualrechtsgut gerichteten Vortat S/S/Stree/ Hecker, § 257, Rn. 8; Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Stree, JuS 1976, 137 (138); Trüg, StV 2011, 111 (113); ders./Habetha, NJW 2008, 887 (888); Werner, IWB 2010, 164 (167). LK/Walter, § 257, Rn. 19. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 202.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Auch wenn die herrschende Meinung von einigen1141 bestritten wird, ist sie meines Erachtens nach überzeugend, da § 257 StGB auch dem Schutz der Interessen des Opfers der Vortat dient und eine rechtswidrige Lage, deren Fortführung § 257 StGB verhindern will,1142 auch besteht, wenn eine deutsche Strafnorm »nur« verletzt ist. Insoweit kann gerade nicht davon gesprochen werden, die herrschende Meinung erstrecke den Schutz auf ausländische Rechtsordnungen1143. Schließlich bezieht sie sich auf Konstellationen, in denen eine deutsche Strafnorm betroffen ist. Dass das deutsche Strafrecht nach hier vertretener Ansicht auf den Bankmitarbeiter sowohl hinsichtlich der Taten der Datenbeschaffung als auch hinsichtlich der Datenübergabe zumindest hinsichtlich der Tatbestände des § 17 UWG im Regelfall nicht anwendbar ist, steht einer Begünstigungsstrafbarkeit somit nicht entgegen. Für die weitere Analyse muss zunächst die genaue Vortat des Bankmitarbeiters ermittelt werden. Die Verwirklichung von § 257 StGB setzt voraus, dass dem Begünstigten aus der Vortat Vorteile erwachsen sind oder zumindest noch erwachsen sollen.1144 Daher sind mögliche Vorteile bereits für die Bestimmung der Vortat relevant. bb) Vortaten: Datenverkauf Die Taten des Bankmitarbeiters, die an den Verkauf der Daten anknüpfen, kommen dabei als Vortaten nicht in Betracht, da diese zum Zeitpunkt des Ankaufs durch die deutschen Behörden, das heißt der potentiellen Begünstigungshandlung, gerade stattfinden. § 257 StGB verlangt jedoch, dass die Unterstützungshandlung ihre Wirkung erst entfaltet, wenn die Vortat bereits begangen ist.1145 Die Ankaufshandlung der Amtsträger wirkt sich aber auf die an den Verkauf anknüpfenden Taten als solche aus und sichert nicht die dadurch erlangten Vorteile.1146 Dieser Aspekt wird verkannt, wenn teilweise1147 argumentiert wird, durch den Ankauf als Begünstigungshandlung werde der Kaufpreis als Vorteil gesichert. Der Kaufpreis resultiert aber erst aus dem Ankauf, der 1141 NK/Altenhain, § 257, Rn. 11; MK/Cramer/Pascal, § 257, Rn. 7; Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 11; für die Steuerdatenfälle Sonn, Steuer-CD-Affäre, 201f.; Zieschang, FS Scheuing, 794 (810); zumindest an der h. M. zweifelnd Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190). 1142 Zur Diskussion um die Ausrichtung des § 257 StGB L/K/Kühl, § 257, Rn. 1. 1143 So aber Sonn, Steuer-CD-Affäre, 202. 1144 Dazu allgemein Fischer, § 257, Rn. 2. 1145 S/S/W/Jahn, § 257, Rn. 10; Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 8; S/S/Stree/ Hecker, § 257, Rn. 5; gerade bezogen auf die Steuerdatenfälle Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393), bei denen jedoch nicht deutlich wird, worin die Vortat zu sehen ist. 1146 Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 204. 1147 So Durst , PStR 2008, 134; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (25f.).
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
im Zeitpunkt der Amtsträgerhandlung gerade noch nicht als bereits begangene Tat zu betrachten ist. Gleiches gilt für die teilweise zusätzlich zum Kaufpreis überlassenen Vorteile. Diese mögen zwar nach Begehung der Tat eine hohe Bedeutung bei der Sicherung des erlangten Kaufpreises und bei der Verhinderung der Strafverfolgung durch die Ursprungsländer haben. Doch ist auch die Identitätsverschaffung Teil der Gegenleistung für die Datenüberlassung und damit conditio sine qua non für die vermeintliche »Vortat«. Sie wirkt sich mithin bereits auf diese Tat aus, so dass daran keine Begünstigungshandlung angeknüpft werden kann. Auch die Überlassung der Probedaten stellt keinen geeigneten Ansatzpunkt für eine Begünstigung dar, da durch die Überlassung als solche kein sicherungsfähiger Vorteil eintritt, wohingegen der durch die Probedatenübergabe zumindest mitbewirkte Endvorteil in Gestalt des Kaufpreises erst mit dem endgültigen Vollzug des Kaufes existiert.
cc) Vortaten: Datenbeschaffung Als Vortaten kommen daher lediglich die Taten der Datenbeschaffung in Betracht.1148 Entgegen Benkert1149 kann nicht argumentiert werden, dass im Liechtenstein-Fall eine Begünstigung nicht in Betracht komme, da die Vortat, mithin die Beschaffung der Daten durch Heinrich Kieber, ohne jeden Bezug zu einem möglichen staatlichen Ankauf erfolgt sei. Dass die Begünstigungshandlung sich noch nicht auf die Vortat auswirkt, ist, wie soeben dargestellt, gerade die Voraussetzung für die Annahme einer Begünstigungsstrafbarkeit. Fraglich ist, ob die Beschaffungstaten bereits zu einem Vorteil geführt haben. Unter Vorteil ist jede wirtschaftliche, rechtliche oder tatsächliche Besserstellung des Vortäters, die ihm nicht zusteht, zu verstehen.1150 Paeffgen1151 verneint eine Begünstigungsstrafbarkeit mit Blick darauf, dass dem Informanten aus seinen 1148 So im Ergebnis auch Benkert, FS Schiller, 27 (29) zumindest im Grundsatz; wohl auch Fahl, ZJS 2009, 63 (68); Satzger, FS Achenbach, 447 (455) Werner, IWB 2010, 164 (167); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; indirekt auch Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Kelnhofer/ Krug, StV 2008, 660 (663); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (889), die alle auf die Tat abstellen, die zu der »Beute« in Gestalt der Daten geführt hat; hingegen stellt Trüg, StV 2011, 111 (113) sowohl auf Taten der Beschaffung als auch der Weitergabe ab. 1149 Benkert, FS Schiller, 27 (32f.). 1150 BGH, HRRS 2012, 103; NK/Altenhain, § 257, Rn. 16; Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 12. 1151 Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13); ähnlich van Bühren, AnwBl 2012, 906, der von der Wertlosigkeit der Daten für den Informanten ausgeht; in diese Richtung auch Kaiser, NStZ 2011, 383 (389); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117f.); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); widersprüchlich hingegen Benkert, FS Schiller, 27 (29ff.), der ebenfalls annimmt, dass die Beschaffungstaten zu keinem Vorteil auf Seiten des Bankmitarbeiters geführt haben, andererseits aber die »Beute« als gesichert ansieht.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Vortaten kein Vorteil entstanden sei. Ein Vorteil entstehe erst durch den Verkauf und könne daher nicht durch den Ankauf der Daten gesichert werden. Eine solche Argumentation ist meiner Meinung nach abzulehnen. Sie verkennt, dass auch die Datenbeschaffungsdelikte zu einem Vorteil führen – in Gestalt der Daten. Der zu sichernde Vorteil des Bankmitarbeiters besteht mithin in der Verfügungsmacht über die Datensammlungen,1152 was ein Vorteil zumindest tatsächlicher Art ist. Der Kaufpreis und die neue Identität kommen hingegen als Vorteile der Datenbeschaffungsdelikte nicht in Betracht, da sie erst aus dem Verkauf der Daten und nicht bereits aus der Beschaffung entstehen.1153 Anerkanntermaßen sind mittelbare Vorteile für eine Begünstigungsstrafbarkeit irrelevant.1154 Folglich stellen Verkaufserlöse keine geeigneten Gegenstände der Begünstigung dar.1155 Allerdings wird teilweise argumentiert, dass »unmittelbar entstehende Ersatzvorteile«1156 noch als unmittelbare Vorteile zu qualifizieren seien, da § 257 StGB schließlich anders als § 259 StGB nicht von der konkreten Sache spreche, sondern von einem Vorteil. Daher seien bei der Begünstigung weniger strenge Maßstäbe anzulegen als bei der Hehlerei.1157 Einer derartigen Argumentation ist meines Erachtens zu widersprechen. Die unterschiedliche Wortwahl im Vergleich zwischen Begünstigung und Hehlerei lässt sich auch dadurch erklären, dass bei § 259 StGB eben nur Sachen erfasst sind, während § 257 StGB auch bei nicht-sachbezogenen Vortaten Anwendung findet. Schlussfolgerungen für die Behandlung von »Ersatzfällen« ergeben sich aus dem Wortlautvergleich hingegen nicht. Entscheidend ist meines Erachtens aber, dass die oben zitierte Konstruktion der unmittelbaren Ersatzvorteile auf sehr wackligen Füßen steht. Bei näherem Hinsehen wird deutlich, dass die Formulierung der unmittelbaren Ersatzvorteile verdecken soll, dass es sich um mittelbare Vorteile handelt. Was sind Ersatzvorteile, wenn nicht gerade nur mittelbare Vorteile der Tat? Durch die Hervorhebung der Unmittelbarkeit des Ersatzvorteils wird nur klargestellt, dass 1152 Ähnlich Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (662); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Satzger, FS Achenbach, 447 (455); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 205, der jedoch ein Abstellen auf die Datenbeschaffung und die daraus resultierenden Vorteile im Ergebnis ablehnt. 1153 So auch Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304); Satzger, FS Achenbach, 447 (455); a. A. aber wohl MK/Cramer/Pascal, § 257, Rn. 14, die darauf abstellen, dass die Verkaufsmöglichkeit als Vorteil bei wertender Betrachtung bereits dem Datenträger anhaftet, sofern die spätere Verwertung in der Vortat angelegt ist. 1154 BGHSt 24, 166 (168); BGH, NStZ 2008, 516; MK/Cramer/Pascal, § 257, Rn. 11; L/K/Kühl, § 257, Rn. 5; S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 18. 1155 BGH, NStZ 2008, 516; Fischer, § 257, Rn. 6; S/S/W/Jahn, § 257, Rn. 17; S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 18; Rengier, BT I, § 20, Rn. 8. 1156 Schlüchter, NStZ 1988, 53 (57). 1157 Schlüchter, NStZ 1988, 53 (57).
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
es sich in einer möglichen Reihe von mittelbaren Vorteilen um die erste Stufe handelt. Es bleiben aber mittelbare Vorteile. Solche Vorteile sind von § 257 StGB nicht erfasst, da eine Hilfeleistung zur Sicherung solcher Vorteile keinen Einfluss auf die Restitutionsinteressen des durch die Vortat Geschädigten hat.1158 Selbst wenn die Einschränkung auf unmittelbare Vorteile teilweise mit Blick auf eine wirtschaftliche Betrachtung aufgeweicht wird,1159 ist im Fall des Verkaufserlöses das maßgebliche Kriterium der Stoffgleichheit1160 zwischen dem Schaden des Berechtigten und dem Vorteil des Vortäters doch eindeutig nicht erfüllt: Die Nachteile der Bank sind unabhängig von der Höhe des Kaufpreises. Folglich stellen der Kaufpreis und die neue Identität keine für eine Begünstigungshandlung der Amtsträger relevanten Vorteile dar. Festgehalten werden kann, dass die Taten der Datenbeschaffung, zumindest also § 17 II Nr. 1 UWG, taugliche Vortaten darstellen, die zu einem Vorteil in Gestalt der Daten geführt haben. Fraglich bleibt hingegen, ob auch noch möglicherweise erstellte Kopien der ursprünglich erlangten Datensammlung einen unmittelbaren Vorteil der Vortat bilden.1161 Nimmt der Bankmitarbeiter im Rahmen der Vortat einen Datenträger ansich und erstellt er später verschiedene Sicherungskopien, so entstammen die Datensicherungen nicht direkt der Vortat. Auch wenn soeben auf eine restriktive Auslegung des Vorteilsbegriffs abgestellt worden ist, stellen auch die Vervielfältigungen meiner Meinung nach (unmittelbare) Tatvorteile dar. Grund sind die Besonderheiten, die auftreten, wenn der Vorteil aus Daten und somit gerade nicht in einer Vergegenständlichung besteht. Bei den Daten steht nicht die Verkörperung in Gestalt eines spezifischen Datenträgers, der in manchen Konstellationen gar nicht aus der Vortat erlangt ist, im Zentrum, sondern das Erlangen einer Information. So liegt ein wesentlicher Bestandteil der durch die Vortat erlangten Verfügungsmacht über Daten darin, dass man deren Verkörperung entweder erst herstellt oder vervielfältigt. Der Vorteil, die Verfügungsmacht über die Daten, bleibt somit stets gleich und ist immer aus der Vortat erlangt, die Anzahl der Datenträger betrifft lediglich die Darstellungsform. Insoweit ist die Situation vergleichbar mit den Fällen, in denen Bargeld auf ein Konto eingezahlt wird, nur mit dem Unterschied, dass Geld nicht zugleich in mehreren Darstellungsformen vorliegen kann. Festgehalten werden kann daher, dass der maßgebliche Vorteil der Datenbeschaffungsdelikte in der Verfügungsmacht über die Daten liegt und somit jede Datenverkörperung als Ausprägung des Tatvorteils bezeichnet werden kann.
1158 1159 1160 1161
BGHSt 24, 166 (167f.); Rengier, BT I, § 20, Rn. 8. Dazu MK/Cramer/Pascal, § 257, Rn. 14; S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 18. Dazu MK/Cramer/Pascal, § 257, Rn. 14; Dehne-Niemann, ZJS 2009, 142 (146). Wohl indirekt angenommen von Satzger, FS Achenbach, 447 (455), allerdings ohne Erörterung des Problems.
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b) Hilfeleisten zur Vorteilssicherung oder bloße Ersatzbegünstigung ? Fraglich ist, ob die Handlung der Amtsträger, das heißt die Überlassung des Kaufpreises und die Beschaffung einer neuen Identität, als Hilfeleisten zu qualifizieren ist. aa) Voraussetzungen des Hilfeleistens: Sicherung durch Ankauf ? Unter den Begriff des Hilfeleistens fällt nach herrschender Ansicht jede Handlung, die objektiv geeignet ist, die Vorteile der Vortat gegen Entziehung zu sichern.1162 Durch die Hilfeleistung muss die Möglichkeit verringert werden, den Schaden des durch die Vortat Verletzten durch ein Vorgehen gegen den Vortäter, das diesem den Vorteil entzieht, wiedergutzumachen.1163 Dass die Überlassung des Kaufpreises und der neuen Identität grundsätzlich geeignet ist, den Bankmitarbeiter zu unterstützen, dürfte kaum zu bezweifeln sein. So wird beispielsweise die Flucht erleichtert. Doch erweist sich hier die Sicherung des Vorteils als problematisch. Die staatlichen Stellen haben dem Bankmitarbeiter Geld und je nach Sachverhalt andere Vorteile zukommen lassen, um dafür im Austausch gerade die Datensammlung zu erhalten. Die entscheidende Weichenstellung liegt folglich in der Frage, ob dieses Verhalten der Amtstäger geeignet ist, die Verfügungsmacht als Vorteil des Bankmitarbeiters zu sichern1164 oder ob die Hingabe des Kaufpreises als Beschaffung neuer Vorteile und somit als straflose Ersatzbegünstigung1165 einzuordnen ist. Zu dieser Frage wird in der Diskussion um entwendete Steuerdaten teilweise angeführt, der Ankauf bringe den Vorteil in Gestalt des Kaufpreises erst hervor und sichere ihn daher nicht.1166 Diese Argumentation geht jedoch fehl, da, wie oben gezeigt, auf die Verfügungsmacht über die Daten als Vorteil abzustellen ist. Dennoch handelt es sich meines Erachtens bei dem Verhalten der Amtsträger 1162 NK/Altenhain, § 257, Rn. 20ff., auch zu den mit dem Begriff verbundenen Streitigkeiten, auf die es hier aber nicht ankommt; Fischer, § 257, Rn. 7; L/K/Kühl, § 257, Rn. 3; Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 15; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 808. 1163 BGHSt 24, 166 (167). 1164 So bezogen auf die Steuerdatenfälle Fahl, ZJS 2009, 63 (68); Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663); Trüg, StV 2011, 111 (113); ders./Habetha, NJW 2008, 887 (889); Werner, IWB 2010, 164 (167); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; wohl auch van Bühren, AnwBl 2012, 906; eine Hilfeleistung zur Vorteilssicherung bejahend, aber fälschlicherweise auf den Kaufpreis als Vorteil abstellend Durst, PStR 2008, 134. 1165 So NK/Altenhain, § 257, Rn. 24; Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323), Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190); Spernath, NStZ 2010, 307 (309), die darauf abstellen, dass Erlöse aus dem Verkauf keine Vorteile der Vortat mehr seien. 1166 Kaiser, NStZ 2011, 383 (389), der jedoch auf Grund der Rechtsprechung zur Mitwirkung beim Absetzen der Beute an seiner eigenen Argumentation zweifelt; Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117f.); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190); Spernath, NStZ 2010, 307 (309).
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grundsätzlich nicht um eine Hilfeleistung bei der Sicherung des Vorteils. Der ursprüngliche Vorteil der Vortat, die Verfügungsmacht über die Datensammlung, wird grundsätzlich gerade nicht gesichert, sondern aufgegeben, um einen neuen Vorteil, den Kaufpreis, zu erhalten.1167 Daher argumentiert Erb,1168 eine Vorteilssicherung sei abzulehnen, da es für die Behörden nicht darauf ankomme, ob die Datensammlung oder der Kaufpreis sichergestellt werden müsse. Zwar ist Erb im Ergebnis zuzustimmen, doch überzeugt die Begründung nicht: Entscheidend kann nicht primär sein, ob die Arbeit der Ermittlungsbehörden erschwert wird, sondern einzig und allein, ob der Vorteil, das heißt die Verfügungsmacht über die Datensammlung, vor dem Zugriff des Berechtigten oder der Behörden gesichert wird. Diese Sicherungswirkung entfällt nicht automatisch dadurch, dass das Surrogat durch die Behörden mit dem gleichen Aufwand sichergestellt werden könnte. Die Rechtsprechung und die herrschende Literaturmeinung bejahen jedoch auch bei einer Weggabe oder Vernichtung des ursprünglichen Vorteils, beispielsweise durch Verzehr, Verschenken oder Mitwirkung am Verkauf, eine Vorteilssicherung.1169 Dies wird für die Vernichtung des Vorteils damit begründet, dass so der Zugriff des Berechtigten endgültig vereitelt werde.1170 Auch wenn Verkaufserlöse nicht als unmittelbare Vorteile der Vortat eingeordnet werden, soll eine Hilfeleistung beim Verkauf der ursprünglich erlangten Gegenstände für eine Begünstigungshandlung ausreichen, sofern der Sinn des Verkaufs gerade darin besteht, den Vortäter vor der Entziehung des ursprüng-
1167 So auch NK/Altenhain, § 257, Rn. 24; ähnlich auch Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Satzger, FS Achenbach, 447 (455), jedoch beide ohne nähere Auseinandersetzung mit der herrschenden Meinung zur Vorteilssicherung durch Verkauf; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 204f., der jedoch das Abstellen auf die Datenbeschaffung und daran anknüpfende Vorteile ohnehin ablehnt. 1168 Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116). 1169 BGHSt 2, 362 (363); 4, 122 (123ff.); BGH, NStZ 2008, 516; OLG Braunschweig, GA 1963, 211f.; OLG Düsseldorf, NJW 1979, 2320f.; Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 17.1.; für die Steuerdatenfälle D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (47); Fahl, ZJS 2009, 63 (68); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663); Trüg, StV 2011, 111 (113); ders./ Habetha, NJW 2008, 887 (889), die alle auf die sikzzierte Handhabung durch Rechtsprechung und herrschende Meinung rekurrieren; hingegen ohne nähere Begründung Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Werner, IWB 2010, 164 (167); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (25f.); Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; wohl auch van Bühren, AnwBl 2012, 906; hingegen hält Sonn, Steuer-CD-Affäre, 205f. den Verweis auf die herrschende Meinung für nicht zielführend, wobei er übersieht, dass die herrschende Meinung sich nicht nur auf die Absatzhilfe (seiner Meinung nach ein nicht zu vergleichendes aliud zum Ankauf) bezieht, sondern eine generelle Tendenz auch für ähnlich gelagerte Fälle erkennen lässt, zu entsprechenden Verallgemeinerungen auch Fahl, aaO; Kelnhofer/Krug, aaO, Fn. 22. 1170 OLG Braunschweig, GA 1963, 211f.
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lichen Vorteils zu schützen.1171 Dem wird nur vereinzelt widersprochen. So argumentiert Altenhain1172 meines Erachtens zu Recht, dass durch Veräußerungshandlungen der Vorteil nicht beim Vortäter verbleibe, so dass von einer Sicherung nicht gesprochen werden könne. Mangels Sicherung sei es unerheblich, dass die Vorteilsentziehung durch den Berechtigten erschwert oder gar vereitelt werde. Auch die Begründung der herrschenden Meinung, gerade in der Veräußerung, der Vernichtung oder dem Verzehr manifestiere sich die Anmaßung der Eigentümerstellung, sei nicht überzeugend, da die angemaßte Eigentümerstellung kein Ersatz für das Erfordernis der Sicherung sei. Erforderlich sei eine Besserstellung des Vortäters hinsichtlich des Vorteils, was bei dem Verlust des Vorteils kaum bejaht werden könne. Dem ist meiner Meinung nach beizupflichten. Zwar führt auch der Ankauf der »Beute« zu einer Schlechterstellung des Berechtigten im Hinblick auf die Restitution und entspricht damit dem Sinn des § 257 StGB, solche Handlungen zu bestrafen, doch ändert das nichts daran, dass der Tatbestand eine Hilfeleistung zur Vorteilssicherung und nicht eine Hilfeleistung zum endgültigen Ausschluss des Berechtigten verlangt. Rechtsprechung, herrschende Meinung und die daran anknüpfenden Stimmen in den Steuerdatenfällen verzichten somit auf das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals, betreiben folglich täterbelastende Analogie. Festgehalten werden kann daher abschließend, dass die Ankaufshandlung mangels Vorteilssicherung für eine Begünstigung grundsätzlich nicht ausreicht, so dass bei oberflächlicher Betrachtung eine Begünstigungsstrafbarkeit ausscheiden müsste. bb) Relevanz von zurückbehaltenen Datensammlungen Wenn man hingegen darauf abstellt, dass der Bankmitarbeiter selbst noch eine Datensammlung behält, ergibt sich ein anderes Bild.1173 Die zurückbehaltene Datensammlung und damit die Verfügungsmacht über die Informationen wird durch den Kaufpreis und die gegebenenfalls überlassene neue Identität durchaus gesichert, so dass der Vorteil in Gestalt der Verfügungsmacht über die Daten fortbesteht. Schließlich begünstigen beide Umstände die Flucht und damit auch die Sicherung der Verfügungsmacht, gerade vor einem Eingreifen der (ausländischen) Ermittlungsbehörden. Angesichts dieser Sicherungswirkung kann 1171 BGH, NStZ 2008, 516; Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 17.1.; Rengier, BT I, § 20, Rn. 11. 1172 NK/Altenhain, § 257, Rn. 24; im Ergebnis genauso, doch, wie oben gezeigt, mit abzulehnender Begründung Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116); kritisch zur Einbeziehung von Weitergabehandlungen allgemein auch Hruschka, JR 1980, 221 (224f.). 1173 A.A. Ostendorf, ZIS 2010, 301 (303f.); Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Satzger, FS Achenbach, 447 (455) und Sonn, Steuer-CD-Affäre, 205, die zwar auch eine zurückbehaltene Datensammlung annehmen, diese durch den Ankauf aber gerade nicht als gesichert ansehen.
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dem teilweise vorgebrachten Argument, die Gegenleistung beeinflusse die Verfügungsmacht über die Daten überhaupt nicht,1174 nicht gefolgt werden. Entgegen Trüg1175 ist die Annahme zurückbehaltener Datensammlungen keineswegs lebensfremd. Erstens ist ein solches Vorgehen aus Sicht des Bankmitarbeiters sinnvoll, um sich vor Durchführung des Verkaufs gegen Verlust und Beschädigung des Datenträgers abzusichern. Zweitens ist die Datensammlung teilweise im Anschluss an das Geschäft mit der Bundesrepublik noch anderen Staaten zum Kauf angeboten worden.1176 Aus diesen Gründen ist die skizzierte Sicherungswirkung für den Bankmitarbeiter durchaus von Belang. Im Rahmen von § 257 StGB müssen die Vorteile der Tat allerdings nicht nur abstrakt gesichert werden, sondern gerade gegen die Entziehung zu Gunsten des Berechtigten.1177 Doch ist bei einer zurückbehaltenen Datensammlung auch dieses Merkmal erfüllt. Schließlich führt eine Erleichterung der Flucht dazu, dass die Zugriffschancen der Bank auf die verbliebene Datensammlung geringer werden.1178 In diesen Fällen ist mithin grundsätzlich von einem Hilfeleisten auszugehen. cc)
Einschränkungsbemühungen: Geheimnisbezug und Herbeiführung des rechtmäßigen Zustands In den Steuerdatenfällen wird teilweise argumentiert, dass eine Strafbarkeit ausscheiden müsse, da eine Entziehung des Vorteils zu Gunsten des Berechtigten und eine Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands ohnehin nicht mehr möglich seien. Dem Bankmitarbeiter könne man die Kenntnis des Geheimnisses, die er einmal erlangt habe, schwerlich wieder wegnehmen.1179 Demnach wäre einem Hilfeleisten zur Vorteilssicherung die Grundlage entzogen, da ein Vorteil, der ohnehin nicht mehr entzogen werden kann, auch nicht vor Entziehung geschützt werden muss. Für diese Überlegungen spricht auf den ersten Blick der Umstand, dass eine »Rückführung« des Geheimnisses zu der Bank als Berechtigtem schlichtweg überflüssig ist, da die Bank selbst über die Daten verfügt. Dennoch ist eine solche Reduktion in den Steuerdatenfällen meiner Meinung 1174 So vertreten von Ostendorf, ZIS 2010, 301 (303f.), Pawlik, JZ 2010, 693 (699, Fn. 82); Satzger, FS Achenbach, 447 (455); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 205. 1175 Trüg, StV 2011, 111 (113). 1176 Dazu Kieber, Tatsachenbericht, 628, demzufolge Heinrich Kieber die Daten mehreren Regierungen mitgeteilt hat und von gewissen Dokumenten sogar englische Ausgaben angefertigt hat, um anderen Staaten die Lektüre zu erleichtern. 1177 S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 19; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 808. 1178 Für eine Verschlechterung der Stellung der Bank auch Ostendorf, ZIS 2010, 301 (304), der zur Begründung aber auf die fehlende Herausgabebereitschaft der Steuerbehörden abstellt und zudem die vorteilssichernde Wirkung des Ankaufs im Ergebnis verneint. 1179 Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (790); ähnlich Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (441).
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nach nicht überzeugend. Die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands ist zumindest teilweise noch möglich. Zwar verfügt die Bank noch über die Daten, so dass eine Entziehung der Datensammlung, um sie der Bank zurückzugeben, ins Leere liefe. Doch besteht der rechtswidrige Zustand in der Verfügungsmacht des Bankmitarbeiters über die Daten. Diese Verfügungsmacht ist ihm sehr wohl noch zu entziehen. Bei entsprechendem Ermittlungseinsatz erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch die zurückbehaltenen Datenausgaben auffindbar sind. Da bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen ist, dass der Bankmitarbeiter die meisten auf dem Datenträger enthaltenen Informationen nicht auswendig gelernt hat, ist eine Entziehung auch durchaus sinnvoll. Schließlich wird so verhindert, dass der Bankmitarbeiter die Daten (erneut) weitergibt oder sie zu anderen den Interessen der Bank zuwiderlaufenden Zwecken einsetzt. Anders als § 259 StGB mit der strikten Begrenzung auf durch die Vortat erlangte Sachen verlangt § 257 StGB eben gerade keine rechtswidrige Besitzlage, sondern lässt jeden rechtswidrig erlangten Vorteil genügen.1180 Daher ist es bei § 257 StGB möglich, dass der Vortäter über eine rechtswidrige Position verfügt, während diese Position gleichzeitig noch beim Berechtigten vorhanden ist. Dieser Umstand unterstreicht meiner Meinung nach, dass die von den Vertretern der Einschränkungsbemühungen geforderte Verengung der Strukur der Norm widerspricht. Festgehalten werden kann daher, dass eine Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands auch in den Steuerdatenfällen möglich ist, wenn man dem Bankmitarbeiter die Verfügungsmacht über die Daten entzieht. Daher verbleibt für Einschränkungsversuche, die sich auf die Besonderheiten von geheimnisbezogenen Vortaten stützen, kein Raum. Im Rahmen anderer Reduktionsbemühungen wird die Ablehnung der Begünstigungsstrafbarkeit damit begründet, dass in den Steuerdatenfällen durch den Ankauf der rechtmäßige Zustand wiederhergestellt werde. Schließlich führe der Datenerwerb zu Steuereinnahmen, auf die der Staat einen Anspruch habe, so dass die durch die Steuerhinterziehung geschaffene rechtswidrige Beeinträchtigung des deutschen Steueraufkommens beseitigt werde.1181 Eine solche Argumentation verkennt den Sinn der Begünstigungsstrafbarkeit. § 257 StGB dient nicht der Beseitigung irgendeines beliebigen Ungleichgewichts und soll nicht jede rechtswidrige Lage rückgängig machen. § 257 StGB soll verhindern, dass die Wiederherstellung des durch die Vortat angegriffenen rechtmäßigen Zustands erschwert wird.1182 Relevant sind folglich lediglich die durch die Datenentwendung geschaffenen nachteiligen Folgen für die Bank und je nach Delikt 1180 Fischer, § 257, Rn. 6; Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 7; zu den engeren Voraussetzungen des § 259 StGB NK/Altenhain, § 259, Rn. 10; L/K/Kühl, § 259, Rn. 2. 1181 Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (790); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 206; in diese Richtung auch Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116f.) verallgemeinernd für alle Anschlussdelikte. 1182 Dazu BGHSt 24, 166 (167); Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 3.
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für die Bankkunden, jedoch keineswegs die durch die mögliche Steuerhinterziehung der Bankkunden eingetretenen Konsequenzen für den Staatshaushalt. Zum Schutz der Bankinteressen oder der Bankkundenrechte werden die Staatsvertreter in den Steuerdatenfällen nun aber gerade nicht tätig. Im Gegenteil dürfte die von der Bank angestrebte Vertraulichkeit der Daten und ihr Recht, über den Zugang zu diesen zu entscheiden, durch das staatliche Ankaufsund Nutzungsverhalten endgültig nicht mehr zu realisieren sein. Mithin ist für eine teleologische Reduktion in den Steuerdatenfällen kein Bedürfnis ersichtlich. dd) Zwischenergebnis Ein Hilfeleisten kann in den Steuerdatenfällen nur dann bejaht werden, wenn der Informant eine Datensammlung zurückbehält, da ansonsten durch die Ankaufshandlung der Amtsträger keine Sicherung des Vorteils, der Verfügungsmacht, eintritt. Zurückbehaltene Datensammlungen dürften aber bei lebensnaher Betrachtung den Regelfall bilden. Folgt man hingegen der herrschenden Meinung, nach der ein Hilfeleisten auch durch die Mitwirkung am Verkauf erfolgen kann, liegt ein Hilfeleisten unabhängig von der Frage der zurückbehaltenen Datensammlungen vor. c) Subjektive Merkmale der Amtsträger Als problematisch erweisen könnten sich sowohl der Vorsatz als auch die Vorteilssicherungsabsicht der Amtsträger. aa) Vorsatz Das vorsätzliche Handeln des Amtsträgers könnte bezogen auf das Hilfeleisten problematisch sein. Ob der jeweilige Amtsträger überhaupt erfasst hat, dass sein Handeln für den Informanten eine unterstützende Wirkung entfaltet, kann je nach den genauen Umständen des Sachverhalts bezweifelt werden. So ist beispielsweise denkbar, dass der Amtsträger davon ausgeht, der Informant könne gar nicht mehr unterstützt werden, da er seinen Vorteil in Gestalt der – einzigen – Datensammlung aus den Händen gegeben habe. Fehlt dem Amtsträger schon das Wissen um die hilfeleistende Funktion seines Handelns oder um die Existenz eines Vorteils, scheitert die Begünstigungsstrafbarkeit bereits am Vorsatz und nicht erst bei der Vorteilssicherungsabsicht. Welche Vorstellungen sich die beteiligten Amtsträger hinsichtlich möglicherweise einbehaltener Datenträger gemacht haben, kann nicht abschließend beurteilt werden. Nimmt der Amtsträger hingegen lediglich einen tatsächlich nicht vorliegenden Vorteil an – sieht er hier also beispielsweise in dem Kaufpreis den Vorteil –,
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so schließt das den Vorsatz1183 nicht aus. Die Fragen nach der genauen Vorstellung sind jedoch abhängig vom Einzelfall, so dass an dieser Stelle nur konzediert werden kann, dass der Vorsatz besonders sorgfältig geprüft werden muss. Ein vorsätzliches Handeln kann keinesfalls als sicher angesehen werden,1184 dürfte jedoch in den meisten Fällen vorliegen. bb) Vorteilssicherungsabsicht Wenn vorsätzliches Handeln bejaht werden kann, kommt es darauf an, ob die Amtsträger zusätzlich mit Vorteilssicherungsabsicht tätig werden. Die Frage der Vorteilssicherungsabsicht der Amtsträger ist in der bisherigen Erörterung der Steuerdatenfälle besonders kontrovers diskutiert worden. (1) Einstellung der Amtsträger Besonders umstritten ist dabei die Bewertung der subjektiven Einstellung der Amtsträger zur Vorteilssicherung des Bankmitarbeiters. Teilweise wird argumentiert, das Ziel der Amtsträger habe in der Datenerlangung gelegen, jedoch nicht darin, dem Bankmitarbeiter die Vorteile zu sichern. Eine solche Vorteilssicherung habe lediglich als Nebenfolge zur eigenen Zielerreichung in Kauf genommen werden müssen.1185 Zunächst ist ohnehin umstritten,1186 ob für die Vorteilssicherungsabsicht des § 257 StGB Absicht im technischen Sinne erforderlich ist oder ob Wissentlichkeit ausreicht. Selbst wenn man der strengen Ansicht folgt und dolus directus ersten Grades verlangt, ist es meines Erachtens überzeugend, die Vorteilssicherungsabsicht zu bejahen. Ist doch die Vorteilssicherung, so sie denn besteht, ein notwendiges Zwischenziel und daher nach der allgemeinen Absichtsdogmatik ausreichend.1187 So ist es für die Vorteilssicherungsabsicht unschädlich, dass die Vorteilssicherung nicht das Endziel darstellt oder dass weitere Motive über die Vorteilssicherung hinaus handlungsleitend sind. Es reicht, dass der 1183 Zu den Auswirkungen der Vorstellungen des potentiellen Begünstigungstäters auf den Vorsatz allgemein NK/Altenhain, § 257, Rn. 29f.; S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 20. 1184 Anders jedoch Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663), die den Vorsatz ohne Erörterung möglicher Probleme bejahen. 1185 M/R/Dietmeier, § 257, Rn. 22; S/S/Stree/Hecker, § 257, Rn. 19; Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (17); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (303f.); W.-F. Schneider, RÜ 2008, 445 (446); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 206f.; Wittig, WStR, § 33, Rn. 75; wohl auch Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344) und Satzger, FS Achenbach, 447 (455); ähnlich auch Lang, FS Schneider, 737 (741), der auf die Aufdeckung unbekannter Steuerfälle als einzige Triebfeder abstellt. 1186 Zu der Streitfrage Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 27; Dehne-Niemann, ZJS 2009, 248. 1187 So bezogen auf diesbezüglich vergleichbare Fällen BGHSt 4, 107 (110); Schlüchter, NStZ 1988, 53 (57f.).
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Vorteil als Mittel zu einem anderen Zweck gesichert wird.1188 Dies entspricht der Situation in den Steuerdatenfällen: Ohne Zahlung des Kaufpreises und damit Sicherung der noch vorhandenen Datensammlung gibt es keine Daten. Damit sind die Sicherung der bei dem Bankmitarbeiter verbleibenden Daten und die Erlangung der Verfügungsmacht durch die staatlichen Stellen zwei Seiten der gleichen Medaille. Die Vorteilssicherung ist damit konstitutiv für die eigene Zielerreichung und nicht bloße Nebenfolge.1189 Dass den Amtsträgern die Sicherung der Vorteile des Informanten eventuell unerwünscht ist,1190 hat keine entscheidenden Auswirkungen, da der gefühlsmäßigen Einstellung zu notwendigen Folgen bei der Beurteilung der Absicht auch in anderen Zusammenhängen keine Bedeutung zugemessen wird1191. Die Steuerdatenfälle ähneln insoweit der Taxifahrer-Entscheidung des BGH1192, nach der ein Taxifahrer, der Diebe samt Beute vom Tatort abholt, auch dann mit Vorteilssicherungsabsicht handelt, wenn er lediglich zur Erlangung des Entgelts tätig wird. Die Sicherung der Diebesbeute sei vom Willen des Taxifahrers allein deshalb gedeckt, da sie notwendiges Mittel zur Erlangung des Entgelts gewesen sei. In diesem Sinne handeln auch die Amtsträger, die zur Erlangung der Daten als Zwischenschritt und zur Generierung von Steuereinnahmen als Endzweck tätig werden, mit Vorteilssicherungsabsicht, da ein konstitutiver Zusammenhang zwischen Vorteilssicherung und Erreichung des eigenen Zwecks besteht. Gegen einen konstitutiven Zusammenhang zwischen Vorteilssicherung und Kaufpreiszahlung wendet sich Walter1193 mit der Argumentation, eine Datenerlangung sei auch ohne Vorteilssicherung möglich gewesen, beispielsweise durch Zahlung mit Falschgeld, so dass es an einer zwingenden Verknüpfung fehle. Daran ist richtig, dass nach der Absichtsdogmatik1194 nicht mehr von Absicht 1188 BGHSt 4, 107 (110); 16, 1 (4); L/K/Kühl, § 257, Rn. 5f. 1189 So im Ergebnis auch Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663); Trüg, StV 2011, 111 (113f.); ders./Habetha, NJW 2008, 887 (889); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (26), die sich aber alle auf die Konstellation ohne zurückbehaltene Datensammlung beziehen; vgl. auch Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393), die offen lassen, ob die Vorteilssicherung Zwischenziel der Amtsträger ist; vgl. auch Fahl, ZJS 2009, 63 (68f.), der grundsätzlich die Vorteilssicherung als vom Absichtsbegriff erfasstes Zwischenziel der Amtsträger betrachtet, jedoch die Vorteilssicherungsabsicht im Ergebnis aus systematischen Gründen verneint. 1190 Darauf abstellend Sonn, Steuer-CD-Affäre, 206f. 1191 Zur Bejahung der Absicht trotz emotionaler Ablehnung von Hauptfolgen und notwendigen Zwischenzielen allgemein Kühl, AT, § 5, Rn. 35; konkret bezogen auf § 257 StGB Roxin, AT I, § 12, Rn. 14, der meines Erachtens überzeugend begründet, warum trotz einer tatbestandsabhängigen Auslegung des Absichtsbegriffs eine solche Auslegung auch bei § 257 StGB sachgerecht ist; a. A. aber wohl für § 257 StGB Heintschel-Heinegg/Ruhmannseder, § 257, Rn. 27. 1192 BGHSt 4, 107 (109f.); dazu Roxin, AT I, § 12, Rn. 12, 14. 1193 LK/Walter, § 257, Rn. 77. 1194 Dazu Kühl, AT, § 5, Rn. 35.
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auszugehen ist, wenn das eigentliche Handlungsziel nach der Tätervorstellung auch anders zu erreichen ist. So liegt der Fall in den Steuerdaten aber nicht. So sicher und risikofrei wie durch die Hingabe des Kaufpreises sind die Daten ohne Vorteilssicherung zumindest nach der Vorstellung der Amtsträger nicht zu erlangen gewesen. Wenn die Übergabe von Falschgeld wirklich eine adäquate Alternative wäre, hätte der Staat sie schon aus Gründen der Sparsamkeit wählen müssen. Man denke aber nur mal an das Risiko, das ein solches Vorgehen für die Abwicklung des konkreten Ankaufs mitsichbrächte und an die Folgen, die ein unzufriedener Informant für die Zukunft der Datenankäufe hätte. Daher ist davon auszugehen, dass die Befriedigung der Informanteninteressen und damit die Vorteilssicherung aus Sicht der Amtsträger notwendig gewesen ist, um an die Daten zu gelangen und einen reibungslosen Fortgang der Ankaufspraxis zu ermöglichen, was angesichts der Häufigkeit solcher Käufe durchaus ebenfalls als Ziel der Staatsvertreter gesehen werden kann. Erst Recht kann es nicht überzeugen, aus der denktheoretischen Möglichkeit, dass der Bankmitarbeiter den Kaufpreis direkt nach Erlangung durch Diebstahl verlieren könnte,1195 das Fehlen eines konstitutiven Zusammenhangs abzuleiten. Erstens tritt selbst in solchen Fällen eine Vorteilssicherung zunächst ein. Der Bankmitarbeiter hat den Kaufpreis schließlich erst einmal erhalten, so dass die Entfaltung der Sicherungswirkung zumindest für eine logische Sekunde möglich gewesen ist. Zweitens ist es nicht plausibel, auf Grund von möglichen, aber fernliegenden Kausalverläufen einen konstitutiven Zusammenhang zu verneinen. Irgendeine denktheoretische Variante, die zum Vorteilsverlust führt, lässt sich für jede mögliche Begünstigungsstrafbarkeit konstruieren. In dem angesprochenen Taxifahrer-Fall hat der BGH auch nicht darauf abgestellt, dass der Dieb nach dem Aussteigen aus dem Taxi hätte überfallen werden können, so dass der Taxifahrer das Entgelt erlangt hätte, der Dieb aber über keine Vorteile mehr verfügt hätte. Die genannten Einwände greifen damit nicht durch. Vom Vorliegen der Vorteilssicherungsabsicht ist demnach grundsätzlich auszugehen. (2) Verhältnis von Vorteilssicherungsabsicht und drittnützigem Handeln Mitunter wird jedoch gerade in den Steuerdatenfällen argumentiert, die Vorteilssicherungsabsicht bei § 257 StGB und die (Dritt)Bereicherungsabsicht des § 259 StGB schlössen sich gegenseitig aus, da die Absicht der Amtsträger nicht gleichzeitig auf die Vorteilssicherung zu Gunsten des Vortäters und die eigene Bereicherung beziehungsweise die eines vom Vortäter verschiedenen Dritten
1195 Darauf abstellend jedoch LK/Walter, § 257, Rn. 77.
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gerichtet sein könne. Eine solche Betrachtung sei erforderlich, um die Trennlinie zwischen Begünstigung und Hehlerei nicht zu verwischen.1196 Zwar ist in der vorangegangenen Erörterung gezeigt worden, dass schon der objektive Hehlereitatbestand selten gegeben sein wird, doch liegt subjektiv eine Drittbereicherungsabsicht des Amtsträgers im Sinne einer Bereicherung des Staats vor (vgl. z. B. das Handeln zu Gunsten Dritter bei § 17 UWG und die Erörterung der Bereicherungsabsicht im Rahmen der BDSG-Delikte). Daher dürften die Überlegungen auch dann Bedeutung haben, wenn im Ergebnis eine Hehlerei zu verneinen ist. Meines Erachtens greifen die Erwägungen aber nicht durch. Wie dargestellt, handelt es sich bei der staatlichen Bereicherung und der Sicherung des Vorteils um zwei Seiten der gleichen Medaille. Daher scheint ein Exklusivitätsverhältnis1197 hier fernliegend. (3) Absicht und Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands Der Annahme der Vorteilssicherungsabsicht wird teilweise entgegengehalten, dass sich die Absicht bei der Begünstigung immer auch auf die Erschwerung der Wiederherstellung des rechtsmäßigen Zustands beziehen müsse und eine solche Absicht bei den Amtsträgern im Hinblick auf die Wiederherstellung der Steuergerechtigkeit nicht vorliege.1198 Mit einer solchen Argumentation wird die jeweilige Vortat als Bezugspunkt der Begünstigung außer Acht gelassen. Der rechtmäßige Zustand wäre wiederhergestellt, wenn ausschließlich die Bank über die Verwendung ihrer Daten entscheiden könnte. Dies ist aber nicht die Absicht der Amtsträger, die den Vorteil gerade sichern, damit sie selbst die Daten zu Gunsten des deutschen Staats nutzen können. Somit wird die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands endgültig unmöglich gemacht. Dass das Handeln der deutschen Beamten dabei auch auf die Rechtmäßigkeit der deutschen Steuererhebung abzielt, kann Relevanz allenfalls im Bereich der Rechtswidrigkeit entfalten und ist für den Begünstigungstatbestand, wie bereits im Rahmen des objektiven Tatbestands gezeigt, ohne Bedeutung, da der Bezugspunkt der durch die Vortat geschaffene rechtswidrige Zustand ist. (4) Zwischenergebnis Als Ergebnis kann festgehalten werden, dass die Begünstigungsstrafbarkeit nicht an der Vorteilssicherungsabsicht scheitern wird.
1196 Fahl, ZJS 2009, 63 (68f.), der sich auf einen Sachverhalt bezieht, bei dem der Originaldatenträger überlassen wird. 1197 Allgemein auf das Verhältnis von § 257 und § 259 StGB kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, dazu Fahl, ZJS 2009, 63 (68). 1198 So Kaiser, NStZ 2011, 383 (389); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 207.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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d) Fehlen einer Vortatbeteiligung (§ 257 III StGB) Ob eine Begünstigungsstrafbarkeit wegen Beteiligung an der Vortat ausscheidet, hängt von den obigen Erörterungen zu einer Teilnahmestrafbarkeit bezogen auf die Datenbeschaffung ab. Nach hier vertretener Ansicht ist eine Strafbarkeit nach § 257 StGB grundsätzlich möglich, da eine Teilnahme an der Datenbeschaffung nicht in Betracht kommt (dazu oben in diesem Kapitel unter B. I. 2. a)).1199 e) Strafantrag (§ 257 IV StGB) Da es sich bei den typsichen Vortaten um Antragsdelikte handelt (§ 17 V UWG, § 205 I 2 StGB, § 44 II 1 BDSG), ist auch für die Begünstigungsstrafbarkeit ein Strafantrag erforderlich. f) Ergebnis: § 257 StGB Abschließend kann festgehalten werden, dass der Begünstigungsstrafbarkeit durchaus eine gewichtige Rolle zukommt1200 : § 257 StGB kommt zwar nach hier vertretener Ansicht nur in Betracht, wenn der Informant zumindest eine Ausgabe der Datensammlung zurückbehält, da nur in diesen Fällen ein sicherungsfähiger unmittelbarer Vorteil vorhanden ist. Doch dürfte diese Konstellation bei lebensnaher Betrachtung der Regelfall sein. Liegt eine solche Konstellation vor, ist eine Begünstigungsstrafbarkeit bezogen auf die Datenbeschaffungsdelikte als Vortat und die Verfügungsmacht über die Informationen als Vorteil möglich, da insbesondere die Vorteilssicherungsabsicht zu bejahen ist und eine Reduktion in den Steuerdatenfällen nicht überzeugend begründet werden kann.
6.
§§ 258 I, 258a StGB: Strafvereitelung im Amt
Vereinzelt wird eine Strafbarkeit wegen Strafvereitelung im Amt gemäß §§ 258 I, 258a StGB diskutiert. Dabei wird zum einen auf die Datenübergabe außerhalb Deutschlands und zum anderen auf die Verschaffung einer neuen Identität abgestellt. Der ausländische Übergabeort verhindere die Festnahme des Bankmitarbeiters in Deutschland, so dass eine Vereitelungshandlung ge1199 Ähnlich auch Kaiser, NStZ 2011, 383 (389). 1200 Eine Strafbarkeit bejahen z. B. auch Benkert, FS Schiller, 27 (29ff., insbes. 35), Beulke, Jura 2008, 653 (664); Durst, PStR 2008, 134; Habetha, ZRP 2012, 223; Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (662f.); Salditt, PStR 2008, 84 (89) zumindest tendenziell; Trüg, StV 2011, 111 (113f.); ders./Habetha, NStZ 2008, 481 (489); dies., NJW 2008, 887 (888f.); Werner, IWB 2010, 164 (167); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (25f.), allerdings teilweise nur nach oberflächlicher Prüfung und mit anderer Begründung.
286
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
geben sei.1201 Die folgenden Überlegungen hinsichtlich der Vortat werden jedoch zeigen, dass einer Strafvereitelung nur geringe Bedeutung zukommt. a) Vortat Für § 258 StGB ist Voraussetzung, dass sich die potenzielle Vereitelungshandlung nicht mehr auf die Vortat auswirkt.1202 Wie schon im Rahmen von § 257 StGB erörtert, sind die Einhaltung der von dem Bankmitarbeiter verlangten Übergabemodalitäten und insbesondere die Beschaffung einer neuen Identität Teil der Gegenleistung für die Datenüberlassung1203 und damit konstitutiv für die Delikte der Datenweitergabe. Daher scheiden diese Delikte als Vortaten für eine Begünstigung aus. In Betracht kommt eine Strafvereitelung folglich nur bezogen auf die Datenbeschaffungstaten. Die Beschaffungstaten unterfallen jedoch nur dann der deutschen Strafgewalt, wenn es sich ausnahmsweise um einen deutschen Bankmitarbeiter handelt oder wenn ein BDSG-Delikt verwirklicht ist (dazu oben im 2. Kapitel unter E. I.), was wegen der Einzelfallabhängigkeit der Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG nicht in jedem Fall gegeben sein wird (dazu im 2. Kapitel unter A. I. 6. e)). Die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts auf die jeweilige Vortat ist für § 258 StGB jedoch Voraussetzung,1204 was vor dem Hintergrund des geschützten Kollektivrechtsguts, dem Schutz der Strafrechtspflege,1205 überzeugend ist. Die Bedeutung des Strafanwendungsrechts für die Strafvereitelungsstrafbarkeit scheint in der bisherigen Erörterung des § 258 StGB völlig übersehen worden zu sein.1206 Allein aus diesen Gründen kommt einer Strafvereitelungsstrafbarkeit in den Steuerdatenfällen nur geringe Bedeutung zu.
1201 Spernath, NStZ 2010, 307 (309); Werner, IWB 2010, 164 (167); angedeutet auch bei Erb, FS Roxin 80, 1103 (1116); Koblenzer, StBMag 2012, 16 (20). 1202 S/S/Stree/Hecker, § 258, Rn. 5. 1203 A.A. offenbar Spernath, NStZ 2010, 307 (309), der davon ausgeht, dass die Beschaffung einer neuen Identität erst nach dem Datenankauf erfolgt und deshalb wohl die an den Verkauf anknüpfenden Taten als Vortaten in Erwägung zieht. Dass die neue Identität erst im Anschluss an den Datenkauf verschafft wird, ist meines Erachtens unwahrscheinlich, da der Informant die Daten nur übermitteln wird, wenn seine gesamten Forderungen erfüllt werden. Insoweit ist auch die neue Identität Teil der vertraglich vereinbarten Gegenleistung. 1204 Fischer, § 258, Rn. 5; L/K/Kühl, § 258, Rn. 1; S/S/Stree/Hecker, § 258, Rn. 3. 1205 Fischer, § 258, Rn. 2; L/K/Kühl, § 258, Rn. 1; S/S/Stree/Hecker, § 258, Rn. 1. 1206 Vgl. Spernath, NStZ 2010, 307 (309), der zwar auch davon ausgeht, dass das deutsche Strafanwendungsrecht nicht auf die Taten des Bankmitarbeiters anwendbar ist, sofern nicht besondere Übermittlungswege genutzt werden (307), dies bei der Strafvereitelung aber nicht thematisiert; Werner, IWB 2010, 164 (167).
Tatbestandsspezifische Aspekte
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b) Vereitelungshandlung und subjektiver Tatbestand Da das Vorliegen einer dem deutschen Strafrecht unterliegenden Datenbeschaffungstat jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden kann, werden nachfolgend einige wenige Überlegungen zum objektiven und subjektiven Tatbestand des § 258 I StGB angestellt. Handlungen, die die Flucht begünstigen, werden zu den typischen Vereitelungshandlungen des § 258 StGB gezählt.1207 Auch wird die durch die neue Identität und die Ausstattung mit finanziellen Mitteln erleichterte Flucht zumindest zu einer nicht völlig unerheblichen Verzögerung1208 der Strafverfolgung führen. An den subjektiven Voraussetzungen seitens der Amtsträger, das heißt Absicht oder Wissentlichkeit hinsichtlich der Vereitelungshandlung und des Vereitelungserfolgs sowie bedingter Vorsatz bezüglich der Vortat,1209 dürfte nicht zu zweifeln sein. Bei lebensnaher Betrachtung wird der Amtsträger eine nach deutschem Recht strafbare Vortat des Bankmitarbeiters im Sinne eines sachgedanklichen Mitbewusstseins zumindest für möglich gehalten haben und die Besserstellung des Bankmitarbeiters zumindest als sichere Folge angesehen haben, wenngleich aus den im Rahmen der Begünstigungsstrafbarkeit angestellten Erwägungen ohnehin Absicht vorliegen dürfte. c) Qualifikation der Strafvereitelung im Amt (§ 258a StGB) Durchgreifende Bedenken bestehen jedoch gegen die Annahme des Qualifikationstatbestands der Strafvereitelung im Amt1210. Dieser greift nicht bereits bei jedem beliebigen dienstlichen Handeln eines Amtsträgers ein. Erforderlich ist, dass ein Bezug zwischen der dienstlichen Tätigkeit des Amtsträgers und dem vereitelten, sich folglich auf die Vortat beziehenden Verfahren besteht.1211 Dass die konkret handelnden deutschen Beamten, das heißt im Regelfall Amtsträger der Steuerfahndung oder des BND, einen Bezug zu einem möglichen an die Vortat anknüpfenden Verfahren gegen den Bankmitarbeiter haben, dürfte sehr unwahrscheinlich sein. d) Ergebnis: §§ 258, 258a StGB Abschließend kann festgehalten werden, dass die Amtsträger sich nur dann wegen (einfacher) Strafvereitelung strafbar machen, wenn das deutsche Strafrecht auf die Vortaten anwendbar ist. 1207 Fischer, § 258, Rn. 10. 1208 Eine Verzögerung für einen gewissen Zeitraum reicht für den Vereitelungserfolg aus, dazu L/K/Kühl, § 258, Rn. 4. 1209 Zu den subjektiven Voraussetzungen S/S/Stree/Hecker, § 258, Rn. 23f. 1210 Das Vorliegen dieser Qualifikation wird angenommen von Werner, IWB 2010, 164 (167); zumindest angedeutet bei Koblenzer, StBMag 2012, 16 (20). 1211 Fischer, § 258a, Rn. 2; S/S/Stree/Hecker, § 258a, Rn. 4.
288 7.
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
§ 140 StGB: Belohnung und Billigung von Straftaten
Auch wenn das Verhalten der Staatsvertreter in der öffentlichen Diskussion gelegentlich unter dem Stichwort »Belohnung von Straftaten« kritisiert wird,1212 liegt eine entsprechende Strafbarkeit nicht vor, da der Bankmitarbeiter keine der Katalogtaten des § 140 StGB verwirklicht hat.1213
8.
§ 261 I Nr. 4a, VIII StGB: Geldwäsche
Teilweise wird argumentiert, die CD könne das Produkt einer gewerbsmäßigen Unterschlagung oder gewerbsmäßigen Untreue sein und der Datenankauf stelle eine taugliche Tathandlung der Geldwäsche dar.1214 Eine Geldwäschestrafbarkeit scheitert entgegen Kühne1215 nicht zwingend daran, dass der Bankmitarbeiter durch seine Vortat keine Gegenstände erlangt hat. Wenn Speichermedien direkt entwendet werden, gelangt der Informant wie beispielsweise im Fall Heinrich Kiebers durchaus an eine Sache. Da § 261 StGB anders als § 259 StGB auch Surrogate erfasst, solange diese aus der Vortat herrühren und nicht auf selbständigen Leistungen Dritter beruhen,1216 ist es unschädlich, dass den Staatsvertretern in diesen Fällen nicht das Originalspeichermedium, sondern eine Kopie ausgehändigt worden ist. Dennoch bleibt für eine Geldwäschestrafbarkeit im Ergebnis kein Raum. Entscheidend für die Beurteilung ist die Vortat des Bankmitarbeiters. Diese müsste als Diebstahl, Unterschlagung oder Untreue einzuordnen sein, wobei das Verhalten des Bankmitarbeiters zusätzlich noch gewerbsmäßig sein müsste. Bei der Erörterung der Informantenstrafbarkeit ist dargelegt worden, dass eine Untreue nicht in Betracht kommt. Diebstahl beziehungsweise Unterschlagung sind zwar keineswegs charakteristisch für die Steuerdatenfälle, dennoch, wie gezeigt, in manchen Sachverhaltskonstellationen zu bejahen. Die entscheidende Weichenstellung liegt jedoch in der fehlenden Gewerbsmäßigkeit der Datenbeschaffung. Wie bereits bei der Erörterung der Gewerbsmäßigkeit bezogen auf § 17 UWG erläutert worden ist (dazu im 2. Kapitel unter A. I. 5. j) aa)), kann die Datenbeschaffung des Bankmitarbeiters nicht als gewerbsmäßig qualifiziert werden. Festgehalten werden kann daher, dass sich die Amtsträger mangels geeigneter Vortaten des Bankmitarbeiters nicht wegen Geldwäsche strafbar machen können. 1212 Zu entsprechenden Argumentationen Schauerte, Steuer-CDs, 12. 1213 So auch Satzger, FS Achenbach, 447 (456); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 212. 1214 So Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); ders., GA 2008, 314 (329), wobei die Möglichkeit eines Diebstahls anstelle einer Unterschlagung offenbar übersehen worden ist. 1215 Kühne, GA 2010, 275 (276). 1216 BT-Drucks. 12/989, 27; Fischer, § 261 Rn. 7f.
Tatbestandsspezifische Aspekte
9.
289
§ 266 I StGB: Untreue
Einige Stimmen1217 in der Literatur sehen in dem Ankauf der Steuerdaten eine strafbare Haushaltsuntreue. a) Missbrauchs- oder Treubruchstatbestand Die Begehung einer Haushaltsuntreue ist grundsätzlich sowohl durch Verwirklichung des Missbrauchs- als auch des Treubruchstatbestands möglich.1218 Kennzeichnend für die Handlungen, die dem Missbrauchstatbestand unterfallen, ist jedoch ein im Außenverhältnis wirksames Rechtsgeschäft.1219 Im Rahmen der Steuerdatenfälle ist mithin der Kaufvertrag zwischen dem Bankmitarbeiter und der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise dem jeweils maßgeblichen Bundesland vertreten durch die jeweils handelnden Amtsträger zu betrachten ebenso wie die Übereignung des Geldes beziehunsgweise des Datenträgers. Diese Rechtsgeschäfte sind aber weder im Außen- noch im Innenverhältnis wirksam, da sich die strafrechtlichen Verstöße zivilrechtlich in Form von § 134 und § 138 BGB auswirken.1220 Mithin scheidet der Missbrauchstatbestand entgegen Kelnhofer/Krug1221 in Ermangelung eines wirksamen Rechtsgeschäfts aus. In Betracht kommt folglich nur eine Verwirklichung des Treubruchstatbestands. Dafür reicht jede tatsächliche Einwirkung auf das betreute Vermögen aus.1222 In den Steuerdatenfällen stellt die Zahlung an den Bankmitarbeiter eine solche Einwirkung dar. Somit ist der Treubruchstatbestand die grundsätzlich passende Tathandlungsalternative.
1217 Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663f.); Trüg, StV 2011, 111 (114); Wulf, PStR 2012, 33 (41); in diese Richtung auch Bohnert, FS Schiller, 68 (76f.); Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; Koblenzer, StBMag 2012, 16 (20); Spernath, NStZ 2010, 307 (312); ablehnend hingegen Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (345); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (788); Kaiser, NStZ 2011, 383 (389f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (189f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 207ff. 1218 Fischer, § 266, Rn. 86. 1219 Fischer, § 266, Rn. 24; L/K/Heger, § 266, Rn. 5. 1220 Zur zivilrechtlichen Beurteilung des Rechtsgeschäfts Spernath, NStZ 2010, 307ff., der die Nichtigkeit des Kaufvertrags meines Erachtens überzeugend begründet; vgl. zu zivilrechtlichen Folgen auch Kühne, GA 2010, 275 (283); Wulf, PStR 2012, 33 (41). Meines Erachtens muss sich die Nichtigkeitsfolge allein schon deshalb auf die Übereignung des Geldes erstrecken, da die regelmäßig vorliegende Begünstigungsstrafbarkeit gerade an die Geldzahlung anknüpft, so dass die §§ 134, 138 BGB auch hinsichtlich der Übereignung eingreifen. 1221 Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663f.), vgl. auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 208, 211, der grundsätzlich ebenfalls die Verwirklichung des Missbrauchstatbestands für möglich erachtet, wobei er jedoch eine Untreuestrafbarkeit im Ergebnis verneint. 1222 Fischer, § 266, Rn. 33.
290
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
b) Vermögensbetreuungspflicht Zudem müssten die an dem Datenankauf beteiligten Amtsträger gegenüber dem Staat vermögensbetreuungspflichtig sein. Vom Vorliegen einer Vermögensbetreuungspflicht ist bei öffentlichen Bediensteten, die vermögensbezogene Aufgaben wahrnehmen, regelmäßig auszugehen.1223 So ist im Falle des Steuerdatenankaufs eine Vermögensbetreuungspflicht der Regierungschefs von Bund und Ländern sowie des Bundesfinanzministers beziehungsweise seiner Länderkollegen offensichtlich zu bejahen. Schließlich handelt es sich um die Spitze des Staats. Soweit bisher bekannt, sind die Verhandlungen über den Datenankauf zwar mit Billigung durch die jeweiligen Regierungen, jedoch nicht mit direkter Beteiligung von Regierungsmitgliedern, sondern von Vertretern der Steuerfahndung beziehungsweise im Fall Kieber (Liechtenstein II) auch des Bundesnachrichtendiensts geführt worden. Die Betrauung mit der selbständigen Verhandlungsleitung zeigt, dass zumindest die leitenden Vertreter von Steuerfahndung und BND über die für die Annahme einer Vermögensbetreuungspflicht erforderliche Eigenständigkeit verfügt haben. Diejenigen, die letztendlich über die Durchführung des Ankaufs entschieden haben, haben damit auch über die Ausgabe eines Millionenbetrags entschieden. Wenn Beamte befugt sind, beträchtliche Summen auszugeben, dann ist der Vermögensbezug ihrer Tätigkeit von einigem Gewicht, zumal das Datengeschäft der Vermögensgewinnung für den Staat dienen sollte. Somit sind die Kriterien1224 für die Vermögensbetreuungspflicht bezüglich der in den Datenankauf involvierten leitenden Beamten erfüllt,1225 wenn auch sicher nicht bezüglich eines jeden Beamten, der an dem Ankauf durch »Hilfstätigkeiten« (Sicherung des Übergabeorts, Datenprüfung, etc.) beteiligt gewesen ist. c) Pflichtwidrigkeit: Verstoß gegen haushaltsrechtliche Bestimmungen Für einen die Haushaltsuntreue kennzeichnenden1226 Verstoß gegen haushaltsrechtliche Bestimmungen kommen im Rahmen der Steuerdatenfälle verschiedene Anknüpfungspunkte in Betracht. Diesbezüglich muss allerdings vorweggeschickt werden, dass von Seiten der Bundesregierung nur wenige Informationen über die genaue Finanzierung des dem Bankmitarbeiter gezahlten Kaufpreises erteilt werden. Hinzu kommt der Umstand, dass je nach Sachverhalt der Bundeshaushalt oder verschiedene Landeshaushaltsplanungen heranzuziehen sind. Folglich muss die nachfolgende Erörterung an einigen Stellen vage
1223 1224 1225 1226
LK/Schünemann, § 266, Rn. 128f. Dazu L/K/Heger, § 266, Rn. 8. So für die BND-Beamten auch Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663). Dazu MK/Dierlamm, § 266, Rn. 259.
Tatbestandsspezifische Aspekte
291
und spekulativ bleiben.1227 Fest steht lediglich, dass ein spezieller Haushaltstitel für den Ankauf von Steuerdaten nicht existiert.1228 aa) Verstoß gegen die zeitliche und sachliche Bindung der Mittel Es könnte ein Verstoß gegen den Grundsatz der zeitlichen und sachlichen Bindung der Mittel (für den Bund: § 45 I 1 BHO, § 27 I 1 HGrG) vorliegen. Diesbezüglich ergibt sich in der bisherigen Diskussion ein zweigeteiltes Meinungsbild. Einige Stimmen in der Literatur1229 sehen die Pflichtwidrigkeit darin, dass öffentliche Mittel ausgegeben worden sind für einen Zweck, der im Haushaltsrecht generell nicht vorgesehen sei. Schließlich sei dem Haushaltsrecht der Haushaltstitel »Ankauf von Bankdaten« fremd. Folglich werde durch den Ankauf gegen den Grundsatz der sachlichen Bindung der Mittel verstoßen. Ein anderes Ergebnis könne auch nicht mit Blick auf die übliche Praxis von Strafverfolgungsbehörden, Belohnungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren auszusetzen, erzielt werden. Schließlich handele es sich dabei um geringere Geldmittel, die haushaltsrechtlich den allgemeinen Mitteln der Justizverwaltung zugeordnet würden.1230 Dass eine solche Ausgabe wie die für den Datenankauf aus dem Rahmen falle, sei schon daran erkennbar, dass staatlicherseits auch keine Ausgaben zum Ankauf entlastender Beweismittel veranschlagt würden.1231 In eine ähnliche Richtung zielt die Überlegung,1232 dass gegen die Mittelbindung verstoßen werde, wenn das federführende Finanzministerium in Ermangelung eines eigenen Haushaltstitels auf Mittel des Justizministeriums etwa aus dem Bereich der Kronzeugenregelung zurückgreife. Im Gegensatz zu der die Pflichtwidrigkeit bejahenden Strömung argumentiert Schroth,1233 dass die Aufklärung von Steuerstraftaten ein bei der Haushaltsplanung vorgesehener Zweck sei und damit zumindest dann eine Haushaltsuntreue nicht in Betracht komme, wenn der Kaufpreis aus einem Haushaltstitel finanziert werde, der für die Bekämpfung der Steuerhinterziehung wenigstens mitbestimmt sei. In eine ähnliche Richtung zielen die Ausführungen
1227 Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 208. 1228 So auch Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 208; Trüg, StV 2011, 111 (114). 1229 Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663f.); Trüg, StV 2011, 111 (114); ähnlich Koblenzer, StBMag 2012, 16 (20); an der Existenz eines einschlägigen Haushaltstitels zweifelnd auch Tipke, BB 1998, 241 (245). 1230 Trüg, StV 2011, 111 (114). 1231 Trüg, StV 2011, 111 (114). 1232 Koblenzer, StBMag 2012, 16 (20). 1233 Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (189f.).
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
von Kaiser1234, der den Datenankauf als Ermittlungsmaßnahme einordnet und daher auf den Haushaltstitel »allgemeine Gerichtskosten« zurückgreift. Grundsätzlich ist der letztgenannten Auffassung meines Erachtens beizupflichten. Der Datenankauf stimmt nicht nur dann mit dem Haushaltsrecht überein, wenn ein expliziter Haushaltstitel dafür existiert. Wenn beispielsweise im Bereich der Verwaltung Bleistifte gekauft werden, verlangt schließlich auch keiner einen Haushaltstitel, der den genauen Gegenstand, Anzahl, Firma und weitere Details nennt, sondern es erfolgt eine allgemeine Zuordnung im Bereich der Materialbeschaffung. Demnach muss es grundsätzlich im Bereich der Steuerdaten ausreichen, wenn das Thema des Datenankaufs abstrakt unter einen Haushaltstitel zu subsumieren ist, zum Beispiel im Bereich der Steuerfahndung oder sonst im Bereich von Ermittlungsmaßnahmen.1235 Zweifelsfrei muss, wie Koblenzer zu Recht ausführt, der jeweilige Haushaltstitel dem handelnden Ministerium zuzuordnen sein, doch wird dafür auch im Bereich des Finanzressorts ein passender Titel zu finden sein, sofern das Finanzministerium tatsächlich zuständig1236 ist. Diesbezüglich ist der zweiten für einen einschlägigen Haushaltstitel plädierenden Ansicht mithin zuzustimmen. Ob der vom Bundesfinanzministerium angeführte Haushaltstitel »Vermischte Verwaltungsaufgaben« als Teil des Haushalts des Bundeszentralamts für Steuern (vgl. dazu die Ausführungen zum Sachverhalt Schweiz II) besonders passend ist, mag bezweifelt werden, doch handelt es sich zumindest nicht um einen völlig sachfremden Titel. In der Praxis wird sich dabei jedoch ein Problem stellen, welches dazu führt, dass im Ergebnis der erst genannten Ansicht zumeist zu folgen sein dürfte: Die in den Steuerdatenfällen gezahlten Kaufpreise bewegen sich in Millionenhöhe. Selbst wenn man den Betrag aufsplittet, da er üblicherweise von Bund und Ländern gemeinsam aufgebracht wird (dazu oben im 1. Kapitel unter B. I. 6.), bleiben gerade für den Bund Millionenbeträge übrig. Insbesondere in Zeiten knapper Kassen wird der jeweilige Haushaltstitel nicht so gut ausgestattet sein, dass er solche Beträge aufweist, ohne dass sie anderswo benötigt würden.1237 Dies gilt vor allem für die anfänglichen Datenankaufsfälle, da dort ein entsprechendes Bedürfnis bei der Planung sicher nicht durch eine Erhöhung des für einschlägig erachteten Haushaltstitels berücksichtigt worden ist. Mit anderen Worten: Es 1234 Kaiser, NStZ 2011, 383 (387). 1235 Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 208f. 1236 Ob das Finanz- oder das Justizministerium federführend zuständig ist, wird von den betroffenen Landesregierungen nicht mitgeteilt. Das Auftreten der Landesregierungen in den Medien suggeriert hingegen eine Zuständigkeit des Finanzministeriums. Man denke nur an die häufigen Stellungnahmen des nordrhein-westfälischen Finanzministers. Auch auf Bundesebene wird eine Zuständigkeit des Finanzministeriums angenommen (vgl. die Schilderungen zum Sachverhalt Schweiz II). 1237 Vgl. Kaiser, NStZ 2011, 383 (387), der das Fehlen ausreichender Geldmittel immerhin für möglich erachtet.
Tatbestandsspezifische Aspekte
293
wird zwar ein auf den Datenankauf passender Haushaltstitel zu finden sein, doch wird dieser Titel höchstwahrscheinlich nicht mit den erforderlichen Mitteln ausgestattet sein.1238 Ein Zugriff auf andere Bereiche, um den für die Datenankaufsfälle passenden Haushaltstitel mit Geld auszustatten, ist durch den Grundsatz der zeitlichen und sachlichen Mittelbindung verwehrt, zumindest sofern er im Haushaltsrecht nicht vorab bei dem jeweiligen Haushaltstitel vorgesehen worden ist oder mit einer entsprechenden Genehmigung zu rechnen ist.1239 Im Ergebnis liegt demnach eine übermäßige Ausgabe vor. Dieser Befund kann nun nicht einfach dadurch umgangen werden, dass man wie Kaiser1240 ein unvorhergesehenes und unabweisbares Bedürfnis annimmt, welches auf die Unvorhersehbarkeit von Kaufangeboten und den bei der Entscheidungsfindung herrschenden Zeitdruck gestützt wird. Ein solches Bedürfnis legitimiert über- und außerplanmäßige Ausgaben, wenn das Finanzministerium der Ausgabe zustimmt (§ 37 I BHO). Wie Trüg1241 zu Recht konstatiert, ist ein unvorhergesehenes Bedürfnis zwar bei den ersten aufgetretenen Ankaufsfällen noch zu bejahen, in der Folgezeit jedoch zweifelhaft. Angesichts der Häufigkeit, mit der die öffentliche Hand in jüngster Zeit über die Annahme von Ankaufsangeboten diskutiert, wird man jedenfalls für die Fälle nach 2008 verlangen können, dass entsprechende Mittel im Vorhinein bei der Haushaltsplanung berücksichtigt werden. Allerdings kommt es haushaltsrechtlich nicht darauf an, ob ein solches Bedürfnis hätte vorhergesehen werden können, sondern nur, ob es tatsächlich vorhergesehen worden ist,1242 was von außen schwer zu überprüfen ist. 1238 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 209f. verweist hingegen auf den Haushaltstitel »Sonstige Auslagen in Rechtssachen« des nordrhein-westfälischen Justizministeriums und argumentiert dieser sei mit 402.900.000 E ausgestattet, so dass auch CD-Ankäufe abgedeckt seien. Unabhängig von der Frage, ob nicht auf den Haushalt des Finanzministeriums abzustellen ist und ob der Titel überhaupt einschlägig ist, unterschlägt Sonn dabei, dass die von ihm als einschlägig angesehene Fallgruppe der Geldbelohnungen nur einen Betrag von 9.870.000 E aufweist. Auch wenn die Ausgaben teilweise mit anderen Positionen gegenseitig deckungsfähig sind, ist es angesichts der Häufigkeit mit der NRW Daten ankauft und der anderen Posten, die aus dem Titel noch finanziert werden müssen, durchaus möglich, dass der Betrag nicht ausreicht (vgl. zu dem entsprechenden Haushaltsentwurf http://fm. fin-nrw.de/info/fachinformationen/haushalt/havinfo/hh2013_final.ges/daten/pdf/2013/ hh04/kap210.pdf – zuletzt abgerufen am 28. 06. 2015). 1239 So die h. M. zur Haushaltsuntreue Fischer, § 266, Rn. 128; S/S/Perron, § 266, Rn. 44; Schünemann, StV 2003, 463 (470); anders jedoch für die Steuerdatenfälle Sonn, Steuer-CDAffäre, 210 f, der entgegen der herrschenden Literaturmeinung davon ausgeht, eine nachträgliche Umwidmung sei ausreichend. 1240 Kaiser, NStZ 2011, 383 (387); ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 210, der ebenfalls auf eine Erlaubnis für die Überschreitung von im Haushaltsrecht vorgesehenen Grenzen abstellt. 1241 Trüg, StV 2011, 111 (114). 1242 Dittrich, BHO, § 37, Rn. 5.2.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Doch unabhängig von der Frage der Vorhersehbarkeit bestehen gravierende Zweifel an der Unabweisbarkeit der Mittelaufwendung. Im Zusammenhang mit CD-Ankäufen, die vor dem Hintergrund des deutsch-schweizerischen Steuerabkommens getätigt worden sind, verweist die Bundesregierung selbst darauf, dass haushaltsrechtliche Bedenken gegen einen Ankauf bestünden, da das gleiche Steuerergebnis auf Basis des Steuerabkommens und damit ohne die zusätzliche Ausgabe des Kaufpreises erzielt werden könne.1243 Auch wenn man das Steuerabkommen außer Acht lässt und berücksichtigt, dass die Frage eines unabweisbaren Bedürfnisses der politischen Einschätzungsprärogative mit einem weiten Ermessensspielraum unterliegt, kommt man zu keinem anderen Ergebnis. Die vorangegangenen Erörterungen haben gezeigt, dass sich die Vertreter des deutschen Staats durch den Ankauf nach § 257 StGB und nach dem BDSG strafbar machen (zu den im Ergebnis zu bejahenden Merkmalen der Rechtswidrigkeit und Schuld unten in diesem Kapitel unter D. und E.) – unabhängig davon, wie eine mögliche Haushaltsuntreue beurteilt wird. Informanten für die Begehung ihrer Straftaten zu honorieren und sich damit selbst strafbar zu machen, ist wohl kaum ein unabweisbares Bedürfnis.1244 Die Grenzen des Strafgesetzbuchs gelten auch für die Ermessensausübung und für politische Einschätzungen. Ebenfalls aus diesem Grunde scheitert die zweite Möglichkeit, die von Kaiser1245 ins Feld geführt wird, um haushaltsrechtliche Defizite zu heilen: Die Geringfügigkeitsklausel1246 (§ 37 I 4 BHO i. V. m. § 4 I 1 HG 20131247), die das Haushaltsrecht für zusätzliche Ausgaben bereithält, befreit nicht von dem Erfordernis eines unabweisbaren Bedürfnisses, sondern stellt lediglich klar, dass bei Ausgaben bis zu fünf Millionen Euro ein Nachtragshaushalt nicht erforderlich ist. Da aber aus den genannten Gründen ein unabweisbares Bedürfnis abzulehnen ist, kann die Geringfügigkeitsklausel zu keinem anderen Ergebnis führen. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass gegen den Grundsatz der sachlichen Bindung der Haushaltsmittel verstoßen wird: Zwar lassen sich passende Haushaltstitel finden, doch dürften diese nicht mit ausreichenden Mitteln ausgestattet sein. Ausnahmen von den engen Vorgaben des Haushaltsrechts scheitern grundsätzlich, da die Straftaten, die Staatsvertreter durch den Datenankauf begehen, eine Ermessensausübung zu Gunsten der Mittelverausgabung unmöglich machen. Da die genaue haushaltsrechtliche Einordnung des Ankaufs jedoch mit vielen Unsicherheiten belastet ist, ist ein anderes Ergebnis nicht auszuschließen. 1243 1244 1245 1246 1247
BT-Drucks. 17/10657, 4. Ähnlich wie hier Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663f.); Trüg, StV 2011, 111 (114). Kaiser, NStZ 2011, 383 (387). Dazu Dittrich, BHO, § 37, Abschn. 5.9. Eine entsprechende Regelung ist in dem Haushaltsgesetz eines jeden Jahres zu finden.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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bb) Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Weiterhin könnte ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vorliegen (für den Bund: § 7 BHO, § 6 HGrG). Ein solcher Verstoß wird in der Literatur vereinzelt1248 erörtert. Zumindest diejenigen, die im Rahmen der Rechtswidrigkeit argumentieren, dass lediglich solche Daten erlangt würden, die sich der Staat auch durch normale Zwangsmittel hätte beschaffen können,1249 müssten bei konsequenter Argumentation zwingend einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot bejahen. Wenn man etwas kostenlos haben kann, darf bei sparsamer Haushaltsführung kein Geld dafür ausgegeben werden. Insoweit müssten diejenigen, die so argumentieren, eine Strafbarkeit wegen Haushaltsuntreue näher erörtern. Diese Konsequenz zieht jedoch lediglich Kühne,1250 der argumentiert, dass die in der Datensammlung enthaltenen Informationen auch kostenlos hätten erlangt werden können, wenn staatlicherseits auf Zwangsmaßnahmen des Strafprozessrechts zurückgegriffen worden wäre. Dieser Ansatzpunkt ist jedoch lebensfremd. Die deutschen Behörden kaufen die Daten gerade deshalb an, weil sie auf legalem Wege durch strafprozessuales Handeln und zwischenstaatliche Vereinbarungen keine Möglichkeit sehen, an die Daten zu gelangen. So sind die Möglichkeiten, Liechtenstein zu einer Rechtshilfe1251 im Rahmen von Steuerstraftaten zu bewegen, zumindest vor der im Zuge der Datenaffäre aufgekommenen Debatte sehr begrenzt gewesen. Der Vorschlag Kühnes, ohne Geldzahlung an die illegal beschafften Daten zu gelangen, wird selbst dann scheitern, wenn der betroffene Staat kooperiert. Der Informant wird die Daten regelmäßig sicher und anonym aufbewahren, wie das Beispiel Heinrich Kiebers gezeigt hat. Mangels Kenntnis dieses Aufbewahrungsorts werden jegliche Zwangsmaßnahmen ins Leere laufen.1252 Abgesehen davon dürften die deutschen Behörden aus strategischen Gründen vor der Anwendung von Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Bankmitarbeiter zurückschrecken. Dies würde schließlich andere poten1248 So von Bohnert, FS Schiller, 68 (76f.); Kaiser, NStZ 2011, 383 (387); Kühne, GA 2010, 275 (277ff.); ders., FS Roxin 80, 1269 (1276). 1249 Zu einer solchen Argumentation vgl. Kühne, GA 2010, 275 (277ff.); ders., FS Roxin 80, 1269 (1276) primär bezogen auf die Sonderkonstellation eines Rechtsanwalts als Mittelsmann; vgl. auch Kaiser, NStZ 2011, 383 (386) und Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4119, die beide auf die Beschlagnahmerechte des Staats rekurrieren; vgl. auch Roth, Stbg 2013, 29 (30), der argumentiert, es werde nur der ohnehin durch die StPO vorgesehene Zustand hergestellt. 1250 Kühne, GA 2010, 275 (277ff.); ders., FS Roxin 80, 1269 (1276). 1251 Zur Situation der Rechtshilfe vor der Debatte um eine Änderung von internationalen Steuerabkommen vgl. für Liechtenstein Gassner, StraFo 2002, 1 (5); für die Schweiz Heine, GS Vogler, 67ff.; zu Änderungen, die durch die Debatte um die Datenankäufe ausgelöst worden sind, vgl. Birke, PStR 2010, 199ff.; Hecht/Lampert/Schulz, BB 2010, 2727ff.; Spatscheck, SAM 2010, 7ff. 1252 So auch Kaiser, NStZ 2011, 383 (387).
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zielle Informanten abschrecken und die Wahrscheinlichkeit zukünftiger Angebote drastisch reduzieren.1253 Folglich kann ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nicht mit Blick auf die Möglichkeit kostenloser Datenerlangung bejaht werden. Mitunter wird das Vorgehen der deutschen Amtsträger aus wirtschaftlicher Perspektive sogar begrüßt. Jungbluth/Stepputat1254 verneinen die Pflichtwidrigkeit des Datenankaufs und sehen auf Grund von Wirtschaftlichkeitsüberlegungen sogar eine Handlungspflicht zum Datenankauf. Bei einer Nichtzahlung entgingen dem Staat und damit der Solidargemeinschaft der Steuerzahler entsprechende Steuereinnahmen, so dass im Falle des unterbliebenen Ankaufs eine Haushaltsuntreue durch Unterlassen vorläge. Ähnlich argumentiert Kaiser1255, der das staatliche Vorgehen in Ermangelung alternativer Möglichkeiten zur Datenerlangung für geboten erachtet. Auch das staatliche Vorgehen, zunächst eine Prüfung der Datenqualität vorzunehmen, zeige das Bemühen, unnötige und überflüssige Ausgaben zu vermeiden. Trotz dieser Einwände liegt meiner Meinung nach ein Verstoß gegen Wirtschaftlichkeitserwägungen vor. Entscheidend ist dabei nicht die Frage, ob die Datensammlung hätte günstiger erlangt werden können, sondern die Frage, ob ihre Erlangung sinnvoll und damit die Ausgabe wirtschaftlich zu rechtfertigen ist. Ungeachtet der Kontroverse um die Verwertung der erlangten Daten im Straf- und Steuerverfahren, das heißt ungeachtet der Problematik, ob die Datenbeschaffung sich überhaupt »lohnt«, kann es nicht Sinn und Zweck staatlichen Handelns sein, Straftaten zu begehen und dabei auch noch Straftäter finanziell zu unterstützen. Staatliche Mittel werden hier verausgabt, obwohl die Verausgabung selbst, das heißt der Datenankauf, genauso wie der Zweck der Ausgabe, das heißt die Datenbearbeitung, Straftaten darstellen (zu den Straftaten der Datenbearbeitung unten in diesem Kapitel unter B. II., zu den im Ergebnis vorliegenden Merkmalen der Rechtswidrigkeit und Schuld unter D. und E.). Solche Ausgaben können vor dem Hintergrund der Einheitlichkeit der Rechtsordnung nicht als wirtschaftlich vernünftig eingestuft werden. Hinzu kommt, dass, wie die Kontroversen im Bereich der Beweisverwertung zeigen, zumindest erhebliche Zweifel bestehen, ob die Daten zu straf- und steuerrechtlichen Zwecken verwertet werden dürfen, so dass unter Umständen die wirtschaftliche Ergiebigkeit des ganzen Geschäfts in Frage gestellt ist.1256 Mithin liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vor. 1253 1254 1255 1256
Vgl. zu den Gründen für das staatliche Vorgehen auch Wulf, PStR 2012, 33 (39f.). Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (788). Kaiser, NStZ 2011, 383 (387). Ähnlich auch Rößler, DStZ 1998, 721.
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cc) Verstoß gegen das Verbot der Mischfinanzierung Weiterhin könnte zur Begründung der Pflichtverletzung auf das verfassungsrechtliche Verbot der Mischfinanzierung abgestellt werden. Hätte ein Verstoß gegen das Verbot der Mischfinanzierung Relevanz für eine mögliche Untreuestrafbarkeit, läge eine Pflichtverletzung vor, die in ihrer Bewertung unabhängig von der Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Ankaufs im übrigen wäre und sich damit von den beiden vorher bejahten Pflichtverletzungen unterschiede. Wie im Rahmen der Sachverhaltsschilderung dargelegt, haben der Bund und die Länder, nachdem sich Angebote zum Datenkauf gehäuft haben, untereinander vereinbart, dass die Kosten für den Ankauf zwischen dem Bund und den beteiligten Bundesländern hälftig aufgeteilt werden, wobei die Bundesländer untereinander eine Verteilung nach dem Königssteiner Schlüssel vornehmen. Dies könnte verfassungsrechtliche Schwierigkeiten aufwerfen. So statuiert Art. 109 I GG die Selbständigkeit und Unabhängigkeit des Bundeshaushalts und der Länderhaushalte. Daraus folgt ein Verbot der Mischfinanzierung und der Mitfinanzierung, sofern das Grundgesetz die gemeinsame Aufgabenfinanzierung durch Bund und Länder nicht ausdrücklich gestattet.1257 Eine gemeinsame Finanzierung des Ankaufs entwendeter Bankdaten ist dem Grundgesetz zweifelsfrei fremd. Auch wenn man das Thema des Ankaufs abstrahiert und beispielsweise auf die Erschließung unbekannter Steuerquellen oder die Verfolgung von Steuerstraftaten abstellt, findet sich keine Ermächtigung, da auch in Fragen der Finanzverwaltung oder von Ermittlungsmaßnahmen eine gemeinsame Finanzierung nicht gestattet ist. Ob eine verbotene Mischfinanzierung vorliegt, kann aber letztendlich dahinstehen, da es jedenfalls an dem erforderlichen1258 Kausalzusammenhang zwischen der Pflichtwidrigkeit und dem Vermögensschaden fehlt. Ein Vermögensnachteil kann schwerlich aus der gemeinsamen Finanzierung mit anderen erfolgen, da dadurch die eigenen Ausgaben vielmehr gemindert werden. Insofern handelt es sich bei dem Verbot der Mischfinanzierung um eine haushaltsrechtliche Bestimmung mit ausschließlich formeller Bedeutung. So dient das Verbot der Mischfinanzierung nicht dem Vermögensschutz, sondern der Wahrung von Autonomie im Bund-Länder-Verhältnis.1259 Folglich kann das pflichtwidrige Vorgehen der handelnden Amtsträger nicht mit einer Verletzung des Mischfinanzierungsverbots begründet werden.
1257 von Münch/Kunig/Heintzen, GG, Art. 109, Rn. 15; Dreier/Heun, GG, Art. 109, Rn. 19f.; Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 109, Rn. 1, 4. 1258 Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 775. 1259 Zum Zweck des Mischfinanzierungsverbots von Münch/Kunig/Heintzen, GG, Art. 109, Rn. 15f.
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dd) Zwischenergebnis: Pflichtwidrigkeit Die Pflichtwidrigkeit des Datenankaufs durch die handelnden Beamten liegt darin, dass die Grundsätze der sachlichen Mittelbindung und der Wirtschaftlichkeit verletzt worden sind. Beide Verstöße setzen jedoch voraus, dass man den Ankauf als Straftat betrachtet. Daher muss der von Paeffgen1260 aufgestellten These, dass eine pflichtwidrige Mittelverwendung nur bei der Annahme einer Strafbarkeit der deutschen Amtsträger zu bejahen sei, zugestimmt werden. d) Vermögensnachteil: gleichwertige Gegenleistung oder Kompensation? Das pflichtwidrige Handeln der Staatsvertreter müsste nun aber auch zu einem kausalen Vermögensnachteil geführt haben. Die Frage des Vermögensschadens wird in der Diskussion um die Steuerdatenfälle sehr unterschiedlich beurteilt. Das Meinungsbild schwankt zwischen klarer Ablehnung1261 und entschiedener Befürwortung1262 eines Vermögensnachteils, wobei die vorgebrachten Begründungen selbst bei denjenigen, die sich im Ergebnis einig sind, stark variieren. Zumindest ist ein Vermögensschaden nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kaufvertrag zivilrechtlich nichtig ist. In solchen Fällen wird regelmäßig mit Blick auf die Unsicherheit der Rückabwicklung zumindest ein Gefährdungsschaden angenommen.1263 Für die Beurteilung eines möglichen Vermögensschadens sind verschiedene Aspekte relevant, die zu den Grundsätzen der Schadensbestimmung im Rahmen der Untreue zählen. Die sorgfältige Anwendung dieser Prinzipien ist gerade bei den Steuerdatenfällen wichtig, da diese sich von den sonst unter dem Stichwort der Haushaltsuntreue erörterten Sachverhalten deutlich abheben. Betrachtet man einzelne Argumentationswege, die in der Diskussion um die Behandlung der Steuerdatenfälle als Haushaltsuntreue beschritten werden, so fällt auf, dass gerade bei der Frage des Vermögensschadens anerkannte Grundsätze zur Schadensbestimmung außer Acht gelassen werden, um das jeweils gewünschte Ergebnis zu erzielen. Daher werden die nachfolgenden Überlegungen die bisher vorgeschlagenen Lösungswege auf ihre Übereinstimmung mit der Schadensdogmatik des § 266 StGB hin überprüfen und anschließend daraus einen eigenen Lösungsweg entwickeln.
1260 Paeffgen, BRJ 2010, 12 (13, Fn. 7). 1261 Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (345); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (788ff.); Kaiser, NStZ 2011, 383 (389f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 211. 1262 Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664); Trüg, StV 2011, 111 (114); tendenziell auch Kühne, GA 2010, 275 (277ff.); ders., FS Roxin 80, 1269 (1276). 1263 Zu den Auswirkungen von Ausgleichsansprüchen allgemein Ransiek, ZStW 2004 (116), 634 (664ff.).
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aa) Diskussion bisheriger Lösungsansätze Unter den verschiedenen bisher erörterten Lösungsansätzen am auffälligsten ist die Argumentation, mit der Jungbluth/Stepputat1264 einen Vermögensschaden durch den Datenankauf ablehnen. In der Diskussion um eine mögliche Untreuestrafbarkeit der handelnden Amtsträger wird darauf verwiesen, dass die Steuer, die die Steuerhinterzieher in Folge des Datenankaufs nachzuzahlen hätten, eine staatsbürgerliche Verpflichtung und somit kein Schaden sei. Eine solche Argumentation ist im Kontext der Untreuestrafbarkeit nicht zielführend. Dabei wird übersehen, dass ein Schaden der Steuerhinterzieher auf Grund der geforderten Identität zwischen betreutem und geschädigtem Vermögen1265 für die Schadensbestimmung irrelevant ist. Schließlich bezieht sich die mögliche Untreuestrafbarkeit der in den Steuerdatenkauf involvierten Amtsträger auf die Frage, ob diese eine (Haushalts-)untreue zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland respektive der jeweiligen Bundesländer begangen haben, da auch nur das Staatsvermögen von den Amtsträgern betreut wird. Ob die betroffenen Bankkunden in ihrem Vermögen verletzt sind, ist irrelevant. Der von Jungbluth/ Stepputat vorgeschlagene Begründungsansatz zur Verneinung eines Schadens ist mithin eindeutig abzulehnen. Bedenken bestehen hingegen auch gegenüber Versuchen, einen Schaden ohne Weiteres zu bejahen. So stützt Kühne1266 die Annahme eines Vermögensschadens darauf, dass es eine kostenlose Möglichkeit zur Datenerlangung gegeben habe, folglich Geld ohne Grund ausgegeben worden sei. Im Rahmen der Pflichtwidrigkeit ist bezogen auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bereits dargelegt worden, dass die These der kostenlosen Datenerlangung meines Erachtens auf einer praxisfremden Grundannahme beruht. Daher kann über diesen Argumentationsweg ein Vermögensschaden nicht begründet werden. Auch die Begründung eines Schadens primär gestützt auf den haushaltsrechtlichen Verstoß1267 vermag nicht zu überzeugen. Eine solche Annahme verstößt gegen anerkannte Grundsätze der (Haushalts)untreue. Die Begründung des Schadens allein mit der Pflichtwidrigkeit würde zu einer Vermengung beider 1264 Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (788, 790), die sogar für den Fall der Ablehnung eines Ankaufsangebots eine Untreuestrafbarkeit der involvierten Amtsträger in Erwägung ziehen, da eine solche Verweigerung die Treuepflicht gegenüber den ehrlichen Steuerzahlern verletze. Woraus sich eine solche Treuepflicht gegenüber den einzelnen Steuerzahlern – denkbar wäre wohl allenfalls eine Verpflichung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland – ergeben soll, wird allerdings nicht erörtert. 1265 BGHSt 51, 29 (31); Fischer, § 266, Rn. 109f.; L/K/Heger, § 266, Rn. 16. 1266 Kühne, GA 2010, 275 (277ff.); ders., FS Roxin 80, 1269 (1276). 1267 So vertreten von Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664); Koblenzer, StBMag 2012, 16 (20); indirekt auch von Trüg, StV 2011, 111 (114), der keine selbständige Begründung für den Schaden gibt.
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Merkmale und zur Bedeutungslosigkeit des Schadens führen.1268 Daher gilt im Bereich der Haushaltsuntreue der Grundsatz, dass nicht jeder haushaltsrechtliche Verstoß automatisch einen Schaden nachsichzieht.1269 Der haushaltsrechtliche Verstoß allein ist folglich für die Annahme eines Schadens durch den Datenankauf nicht ausreichend. Eine gewisse Berechtigung hat hingegen die schadensverneinende Überlegung von Kaiser1270, der zur Ablehnung eines Vermögensnachteils auf die durch den Datenkauf generierten Steuereinnahmen als Schadensausgleich verweist. Doch macht Kaiser damit den zweiten Schritt vor dem ersten. Die Frage einer möglichen Kompensation wird erst dann virulent, wenn feststeht, dass die Hingabe des Kaufpreises gegen Überlassung der Daten zunächst zu einer Minderung des Staatsvermögens geführt hat. Daher kann die rechtliche Bewertung der infolge des Ankaufs erzielten Einnahmen erst erfolgen, wenn feststeht, dass das Ankaufsgeschäft als solches für den Staat nachteilig gewesen ist. Nur dann besteht auch eine Notwendigkeit für die Einbeziehung einer möglichen Kompensation in die Überlegungen. bb) Eigene Erwägungen anhand einer zweischrittigen Prüfung Wie anhand der Auseinandersetzung mit dem Vorgehen Kaisers gezeigt, ist die Schadensfrage meines Erachtens zweischrittig zu beantworten. Zunächst ist die Werthaltigkeit des Datengeschäfts zu untersuchen. Erst wenn feststeht, dass dabei eine Vermögenseinbuße eingetreten ist, besteht Raum für die Erörterung einer möglichen schadensausschließenden Kompensation. (1) Gleichwertigkeit der Gegenleistung? Somit hängt die Schadensfrage zunächst von der Beurteilung ab, ob der Staat für seine Leistung im Rahmen des Datenankaufs eine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat, also von der Frage, ob die Daten »ihr Geld wert sind«. Bei einer gleichwertigen Gegenleistung, die ihrem Anschaffungszweck entsprechend einsetzbar ist, kann grundsätzlich kein Schaden vorliegen.1271 Daher ist die Frage der Gleichwertigkeit die zentrale Weichenstellung für die Schadensfeststellung. Das Problem besteht in den Steuerdatenfällen jedoch in 1268 Dazu allgemein BVerfGE 126, 170 (211); Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, 521 (525); Saliger, HRRS 2006, 10 (14). 1269 BGHSt 40, 287 (294); 43, 293 (297); BGH, JR 2002, 116 (117); Rübenstahl/Wasserburg, NStZ 2004, 521 (525); für die Steuerdatenfälle Kaiser, NStZ 2011, 383 (389). 1270 Kaiser, NStZ 2011, 383 (389f.); ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 211. 1271 Vgl. dazu bezogen auf die Untreue im Allgemeinen Ransiek, ZStW 2004 (116), 634 (653); Die Ausnahme des auf staatliche Verhältnisse übertragbaren (dazu BGHSt 43, 293 (299)) individuellen Schadenseinschlags greift in den Steuerdatenfällen ersichtlich nicht, da für die im Vergleich zum Gesamthaushaltsvolumen geringen Beträge schon keine gewichtige Kreditaufnahme erforderlich ist.
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der Beurteilung der Gleichwertigkeit der Gegenleistung. Wann sind die angekauften Daten ihr Geld wert beziehungsweise welchen Wert haben die Daten?1272 Diese Frage ist allein schon deshalb nicht leicht zu beantworten, da für illegal beschaffte Daten ein Marktpreis schwerlich zu ermitteln ist. Der in den Steuerdatenfällen naheliegende Gedanke, bereits für die Wertbestimmung auf die in Folge des Datenankaufs erzielten Steuereinnahmen abzustellen, kann jedoch nicht zum Erfolg führen. Der Wert eines Gegenstands hängt nicht von den damit individuell zu erzielenden Vorteilen ab.1273 Derartige Aspekte können, wenn überhaupt, nur Einfluss auf einen Wegfall des Schadens auf Grund späterer Vermögenszuflüsse haben. Ein anderes Ergebnis ist mit dem herrschenden1274 juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff nicht zu vereinbaren, sondern ließe sich allenfalls auf Basis des personalen Vermögensbegriffs1275 begründen. Kaiser1276 sieht in den erlangten Daten bereits einen Vermögensvorteil in Höhe der sich aus ihnen ergebenden Steueransprüche. Dem ist zu widersprechen, da sich aus den Daten keine Steueransprüche ergeben. Steueransprüche entstehen durch Gesetz und gemäß § 38 AO mit Verwirklichung des jeweiligen Tatbestands.1277 Daher sind die Steueransprüche in den Steuerdatenfällen bereits deutlich vor dem Datenankauf entstanden, so dass ein diesbezüglicher Vermögenswert den Daten nicht innewohnt. Selbst wenn man anstelle der Entstehung eines Anspruchs auf dessen infolge des Ankaufs gestiegene Werthaltigkeit abstellen würde,1278 erhielte man im Ergebnis keine überzeugende Wertbestimmung, da darauf die Kritik, die gegen eine Wertbestimmung durch die Steuereinnahmen vorgebracht worden ist, ebenfalls zutrifft. Zu einer gleichwertigen Gegenleistung gelangt man daher nur, wenn man der Datensammlung mindestens den Wert des Kaufpreises zuweist. Bezogen auf die Bestechung von Bundesligaspielern, ebenfalls einem Bereich ohne legalen 1272 Vgl. dazu BGH, NStZ-RR 2011, 143 (144), der im Rahmen der Erpressung der LLB annimmt, dass die CD-Daten zumindest für die betroffene Bank wertlos seien, da die Bank selbst über eine Ausgabe der Daten verfüge. Ob ein Verkehrs- bzw. Marktwert für die Daten generell mit Blick darauf, dass sich ihr Wert in den mit der Sachherrschaft verknüpften Möglichkeiten erschöpft, zu verneinen ist, wird durch den BGH offen gelassen. Die in der nachfolgenden Erörterung angesprochenen Aspekte zur Wertbestimmung werden gar nicht thematisiert. 1273 Dazu allgemein für § 266 StGB Waßmer, Untreue, 118. 1274 S/S/Perron, § 263, Rn. 82f.; LK/Tiedemann, § 263, Rn. 132; Rengier, BT I, § 13, Rn. 118ff.; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 534ff. 1275 Vertreten z. B. von Otto, BT, § 51, Rn. 59ff. 1276 Kaiser, NStZ 2011, 383 (390), der diesen Aspekt allerdings nicht bei der Frage einer ursprünglichen Vermögensminderung, sondern nur im Zusammenhang mit einer Kompensation erörtert. 1277 Dazu Kruse, FS Tipke, 277ff. 1278 In diese Richtung wohl Sonn, Steuer-CD-Affäre, 211.
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Markt, wird argumentiert, der Wert für bestochene Fußballspieler sei der Betrag, den der Bestochene fordere und der vom Bestechenden akzeptiert werde. Schließlich sei dieser Betrag das Ergebnis der Marktmechanismen.1279 Bezogen auf den Wert der Steuerdatensammlung hieße dies, dass der Wert der Datensammlung dem Kaufpreis entspräche. Ein Schaden wäre bei einer solchen Betrachtung stets ausgeschlossen, da sich hingegebenes Geld und der Wert des dafür Erlangten zwangsläufig decken müssten. Eine solche Argumentation erscheint vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Überlegungen zunächst plausibel, könnte aber vor dem Hintergrund des vorherrschenden1280 juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs, der gerade kein rein ökonomischer Vermögensbegriff ist, problematisch sein. Das Problem liegt in der rechtlichen Anerkennung des Gegenwerts.1281 Würde man der Gleichsetzung von Wert und Gegenleistung folgen, gäbe es im Ergebnis bei Investitionen in illegale Aktivitäten ohne legalen Markt keinen Schaden und damit auch keine Untreuestrafbarkeit mehr, da man stets eine Entsprechung zwischen dem Erlangten und der dafür aufgebrachten Gegenleistung annehmen müsste. Ein solcher Freifahrtsschein für Geschäfte im Widerspruch zur Rechtsordnung erscheint vor dem Hintergrund des juristisch-ökonomischen Vermögensbegriffs bedenklich. Er würde darüber hinaus zu dem absurden Ergebnis führen, dass eine Untreuestrafbarkeit bei üblichen, zu einem normalen Geschäftsablauf zählenden Geschäften möglich wäre, während eine Investition in illegale Tätigkeiten kein Risiko einer Untreuestrafbarkeit mitsichbrächte. Ähnliche normative Erwägungen spiegeln sich in der Beurteilung des Werts illegal erlangter Geschäftsgeheimnisse wider. Für Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse wird angenommen, dass solche Geheimnisse, die unter Verstoß gegen § 17 UWG erlangt worden sind, nicht zum Vermögen des Erlangenden zu zählen sind, da derartige Geheimnisse dem legalen Wirtschaftskreislauf entzogen sind und dem Erwerber nicht rechtlich zugeordnet werden können.1282 Demnach
1279 So zumindest im Grundsatz vertreten von Ransiek, ZStW 2004 (116), 634 (650); Waßmer, Untreue, 122f. 1280 S/S/Perron, § 263, Rn. 82f.; LK/Tiedemann, § 263, Rn. 132; Rengier, BT I, § 13, Rn. 118ff.; Wessels/Hillenkamp, BT 2, Rn. 534ff. 1281 So auch Waßmer, Untreue, 125, der sich bezogen auf den Vergleichsfall der manipulierten Fußballspiele im Ergebnis gegen die rechtliche Anerkennung der Gegenleistung ausspricht; offen gelassen hingegen von Ransiek, ZStW 2004 (116), 634 (650); vgl. auch Saliger, HRRS 2006, 10 (21), der die durch den Bundesligafall aufgeworfenen Probleme noch immer für ungeklärt hält. 1282 MK/Hefendehl, § 263, Rn. 455; NK/Kindhäuser, § 263, Rn. 235; LK/Tiedemann, § 263, Rn. 142, 132; Eine solche Einordnung von Geschäftsgeheimnissen steht auch nicht im Widerspruch zu der vorherrschenden Praxis (dazu Fischer, § 263, Rn. 102), den rechtswidrigen Besitz ebenso wie widerrechtlich erlangtes Eigentum zum geschützten Vermögen zu zählen: Schließlich besteht für diese Rechtspositionen im Unterschied zu den
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würde der erworbenen Datensammlung kein eigener, das Staatsvermögen mehrender Wert inne wohnen, da der deutsche Staat sie nie hätte auf rechtmäßige Weise erwerben1283 können. Eine Vermögenseinbuße durch die Zahlung des Kaufpreises wäre grundsätzlich anzunehmen. Es müsste in einem zweiten Schritt allenfalls geklärt werden, ob der Schaden auf Grund einer anderweitigen mit der Tatbegehung verbundenen Vermögensmehrung ausgeschlossen wäre. Meines Erachtens überzeugt die Ansicht, illegal erlangte Geschäftsgeheimnisse nicht dem Vermögen zuzurechnen, da sie für den Vermögensbegriff allgemein geltende Rechtsgedanken auf den Bereich der Geschäftsgeheimnisse überträgt. So wird mitunter der Vermögenswert einer Position dann verneint, wenn sich ihr Tauschwert nicht durch ein rechtlich anerkanntes Geschäft umsetzen lässt.1284 Demnach wäre ein Vermögenswert der erlangten Steuerdaten abzulehnen, da die Amtsträger die erlangten Daten auf legale Weise nicht veräußern können. Aus den genannten Erwägungen erscheint es sachgerecht der Datensammlung keinen Vermögenswert zuzuweisen.1285 Damit hat die Bundesrepublik Deutschland keine gleichwertige Gegenleistung für die Geldzahlung an den Bankmitarbeiter erlangt. Eine Vermögenseinbuße ist mithin zu bejahen. (2) Schadensausschluss? Nachdem nun festgestellt worden ist, dass der Staat durch das Datengeschäft eine Vermögenseinbuße erlitten hat, muss erörtert werden, ob diese durch die mit Hilfe der erworbenen Daten generierten Steuereinnahmen derart kompensiert worden ist, dass nach den Grundsätzen der Untreue ein Wegfall des Schadens anzunehmen ist.1286 (a) Relevante Zahlungen Bevor erörtert werden kann, ob Zahlungen der Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit Datenankäufen schadensausschließend wirken, sollte geklärt werden, welche Zahlungen für einen solchen Ausgleich in Betracht kommen. Dabei ist hervorzuheben, dass hierfür allenfalls die Zahlungen berücksichtigt
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Geschäftsgeheimnissen ein grundsätzlich legaler Markt, während der Wert der Kundendaten nicht durch ein rechtlich anerkanntes Geschäft realisiert werden könnte. Zur fehlenden Möglichkeit eines rechtmäßigen Erwerbs durch den Staat in anderem Zusammenhang Kühne, GA 2010, 275 (283). So SK/Hoyer, § 263, Rn. 118ff. A.A. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 211, der die Problematik eines rechtmäßigen Erwerbs und der daraus folgenden fehlenden Zuordnung zum staatlichen Vermögen ignoriert und ohne nähere Begründung annimmt, die Konstellation müsse genauso behandelt werden wie Fälle, in denen eine verwertbare und geldwerte Gegenleistung erlangt wird. Man könnte zusätzlich auch noch einen Wegfall des Schadens unter dem oben angesprochenen Gesichtspunkt der durch die Auswertung der Daten erhöhten Werthaltigkeit der Steuerforderungen erörtern, doch ergibt sich dabei im Ergebnis die gleiche Problematik wie beim direkten Abstellen auf die Steuerzahlungen.
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werden dürfen, die nach der Bearbeitung der erworbenen Daten im Besteuerungsverfahren eingegangen sind und nicht etwa solche Beträge, die auf der Selbstanzeige eines Steuerpflichtigen beruhen, der sich unabhängig von der konkreten Betroffenheit lediglich aus Angst vor Entdeckung nach Bekanntwerden eines Ankaufsfalls zu seinem Vorgehen entschlossen hat. Würde man auch solche Zahlungen berücksichtigen, würde man nicht nur rechtspolitisch bedenklich den Staat in seiner nötigungsähnlichen Politik, durch Publikmachen von Ankaufsfällen Selbstanzeigen zu provozieren (der inzwischen sogenannte »Hoeneß-Effekt«), unterstützen. Man würde auch in strafrechtsdogmatischer Hinsicht problematisch jeglichen Tatbestandsbezug außer Acht lassen. Die Einnahmen aus Selbstanzeigen beruhen nicht auf dem Datenankauf und damit nicht auf der hier in Betracht kommenden Untreuehandlung, sondern nur aus dem Bekanntwerden eines Datenankaufs, der tatsächlich gar nicht vorgelegen haben muss, und der dadurch veranlassten Reaktion Einzelner. So ist in einigen Ankaufsfällen schon vermutet worden, die staatlichen Stellen hätten das Geschehen nur erfunden, um weitere Selbstanzeigen zu provozieren. Daher müssen Einnahmen aus Selbstanzeigen unberücksichtigt bleiben, wenngleich sie sogar deutlich höher sind als die auf Grund der Datenbearbeitung erzielten Steuernachzahlungen (vgl. dazu die Darstellungen im 1. Kapitel unter B. I. 7.). Andere Gelder, die dem Staat lediglich im Zusammenhang mit dem Datenankauf zufließen, insbesondere Geldstrafen, sind sicher nicht als Kompensation einzuordnen, da sie auf einer selbständigen Entscheidung der Strafjustiz beruhen und sich nicht automatisch aus der Datenbearbeitung ergeben (vgl. die Differenzierung im Rahmen des Verwertungsbegriffs unten in diesem Kapitel unter B. II. 1. d) bb) (3)). Folglich kann für einen möglichen Schadensausgleich allenfalls auf die aus der Datenbearbeitung resultierenden Steuereinnahmen abgestellt werden. (b)
Schadensausschließende Kompensation oder unbeachtliche, mittelbare Zahlung? Ob die auf der Bearbeitung der Daten beruhenden Steuerzahlungen eine schadensausschließende Wirkung haben, ist jedoch fraglich. Wie bereits angedeutet, hält Kaiser1287 die erzielten Steuereinnahmen für relevant. Ein Schaden sei mit Blick auf die durch den Datenankauf zu erzielenden Steuernachzahlungen und zukünftigen Steuermehreinnahmen ausgeschlossen. Diese Argumentation soll für alle Steuerdatenfälle gelten, zumindest aber für 1287 Kaiser, NStZ 2011, 383 (389f.); ähnlich auch Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (345) und Sonn, Steuer-CD-Affäre, 211, die allerdings bereits auf den Zeitpunkt des Datenerhalts abstellen und von den zu erwartenden Steuereinnahmen auf die Werthaltigkeit der Daten schließen.
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solche Sachverhalte, bei denen die Qualität der Daten vor Ankauf durch das Überlassen der Probesätze geprüft worden sei. Die Zwischenschritte bis zur Realisierung der Steuereinnahmen seien unbeachtlich, da die Deckung des Kaufpreises durch die zu erwartenden Einnahmen sicher sei. Die angekaufte Datensammlung sei ihr Geld wert, da sich aus ihr Steueransprüche und somit mehr als eine Kompensation des Kaufpreises ergäben. In der bisherigen Auseinandersetzung mit der möglicherweise schadensausschließenden Wirkung der Steuereinnahmen ist die entscheidende Weichenstellung teilweise in der Frage gesehen worden, ob die auf Grund des Datenankaufs erwarteten Steuereinnahmen wahrscheinlich sind1288 oder ob ihr Eintritt risikobelastet ist1289. Meines Erachtens liegt darin jedoch nicht der entscheidende Aspekt. Bei lebensnaher Betrachtung wird zwar nicht jede Steuerforderung eingetrieben werden können, doch dürfte der durch die geleisteten Zahlungen erzielte Betrag den Kaufpreis nicht nur erreichen, sondern sogar deutlich übertreffen (vgl. dazu die Schilderungen im 1. Kapitel unter B. I. 7.). Diesbezüglich ist Kaiser folglich beizupflichten. Doch ist die entscheidende Frage nicht in der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Nachzahlungen zu sehen, sondern darin, ob diese Zahlungen die Kriterien des Untreuetatbestands für eine Schadenskompensation erfüllen. Kaiser1290 schließt von der hohen Wahrscheinlichkeit, mit der der Kaufpreis erreicht wird, auf das Vorliegen eines Schadensausgleichs. Dabei vernachlässigt er meines Erachtens das dafür kennzeichnende Kriterium der Unmittelbarkeit. Entscheidend ist gerade nicht nur der Ausgleich der getätigten Ausgabe zu irgendeinem späteren Zeitpunkt, sondern der Umstand, dass dieser Ausgleich auf der potentiellen Untreuehandlung beruht.1291 Nach der Dogmatik der Untreue haben nachträglich eintretende Zahlungen wie Schadenswiedergutmachungen und sonstige Vermögensmehrungen grundsätzlich keine kompensierende Wirkung, so dass sie die Annahme eines Schadens nicht verhindern können.1292 So könnte der Argumentation Kaisers in der Steuerdatendiskussion entgegengehalten werden, dass sie eine verbotene Gesamtbetrachtung von Kaufpreis und späteren Zahlungen darstelle.1293 Eine 1288 So Kaiser, NStZ 2011, 383 (389f.). 1289 Vgl. Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664): »vage[n] Aussicht auf Vermögensmehrung«; indirekt Heine, FS v. Büren, 917 (937), allerdings nur en passant bei der Erörterung strafprozessualer Folgen. 1290 Kaiser, NStZ 2011, 383 (390). 1291 Allgemein für § 266 StGB BGHSt 47, 295 (302); BGH, NJW 1975, 1234 (1235); NStZ 1986, 455 (456); Müller-Gugenberger/Hadamitzky, WStR, § 32, Rn. 177b. 1292 BGHSt 47, 295 (302); BGH, NJW 1975, 1234 (1235); NStZ 1986, 455 (456). 1293 So Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664); Trüg, StV 2011, 111 (114); Wulf, PStR 2012, 33 (41), die sich gegen eine Gesamtbetrachtung von Steuermehreinnahmen und Kaufpreis aussprechen, allerdings ohne konkreten Bezug zu der von Kaiser vertretenen Gegenan-
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
solche Einbeziehung von selbständigen Handlungen in eine Gesamtbetrachtung wird jedoch unter gewissen Voraussetzungen durch den BGH anerkannt. Zwar nimmt der BGH grundsätzlich an, dass bei Zahlungen auf Grund selbständiger Handlungen kein Schadensausgleich vorliege, da es an der Gleichzeitigkeit von Vermögensminderung und Vermögensmehrung fehle,1294 doch lässt er Ausnahmen zu bei der Verwirklichung eines langfristig angelegten, wirtschaftlich sinnvollen Plans, bei dem der Vermögensvorteil nicht ohne eine zuvor nachteilige Ausgabe erreicht werden kann.1295 In den Steuerdatenfällen könnte man mithin argumentieren, die Vermögensmehrung (Steuernachzahlungen) sei ohne die Vermögensminderung (Kaufpreiszahlung) nicht erzielbar gewesen, da ohne die angekauften Daten die Sachverhalte nicht aufdeckbar gewesen wären. Bei rein ökonomischer Betrachtung kann das Vorgehen der Staatsvertreter durchaus als vernünftiger Plan angesehen werden. Schließlich wird von staatlicher Seite stets betont, wie lohnend die Datenankäufe seien. Dennoch kommt meines Erachtens ein Schadensausschluss nicht in Betracht: Angesichts des Umstands, dass der letztendliche Zahlungseingang nur auf der Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit der Steuerpflichtigen beruht, könnte man schon daran zweifeln, ob ein hinreichender enger Zusammenhang1296 zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten, das heißt der Hingabe des Kaufpreises, und dem möglicherweise kompensierenden Vermögensvorteil besteht. Jedenfalls aber lässt sich ein Verhalten, das, wie gezeigt, die Rechte Dritter, das heißt zumindest der Bankunternehmen, verletzt, nicht in die Kategorie des wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans einordnen. Dies folgt schon daraus, dass dem juristischökonomischen Vermögensbegriff gerade kein rein ökonomisches Vermögensverständnis zugrunde liegt. Vermögenszuflüssen, die auf unredliche oder strafbare Weise erzielt worden sind, ist die Eignung zur Schadenskompensation abzusprechen, da der Beurteilung eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans zwangsläufig eine wertende Komponente innewohnt, welche es verbietet, auf strafbarem Verhalten beruhende Geldflüsse als Ausgleich zu betrachten.1297
1294 1295
1296
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sicht; vgl. auch Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8, der ohne nähere Begründung annimmt, dass die Steuereinnahmen kein Hindernis für eine Untreuestrafbarkeit seien. BGHSt 47, 295 (302); BGH, NJW 1975, 1234 (1235); NStZ 1986, 455 (456). BGHSt 47, 295 (302); in diese Richtung auch Müller-Gugenberger/Hadamitzky, WStR, § 32, Rn. 177b; in den Steuerdatenfällen auf einen solchen wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan abstellend Sonn, Steuer-CD-Affäre, 211, der aber bereits in den Daten eine geldwerte Gegenleistung erblickt, so dass es bei Zugrundelegung seiner Ansicht auf den wirtschaftlichen Gesamtplan nicht ankommt. Vgl. dazu Fischer, § 266, Rn. 166f., der sich mit Blick darauf, dass der Vorteil im Zeitpunkt des Vermögensabflusses noch nicht vollständig entstanden ist, gegen die Annahme einer Kompensation sowohl in dem angesprochenen Bundesligafall als auch in anderen ähnlich gelagerten Fällen wendet. Vgl. dazu Bringewat, JZ 1977, 667 (671f.), der hinsichtlich des hier als Vergleichsfalls herangezogenen Bundesligafalls auf die Unvereinbarkeit zwischen Rechtsverletzungen
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Dagegen lässt sich nicht vorbringen, dass die Steuereinnahmen auf legalem Verhalten beruhten,1298 das heißt der Erfüllung der Zahlungspflicht durch die Steuerpflichtigen: Ohne die herausgearbeiteten Rechtsbrüche1299 wäre der (grundsätzlich legale) Vermögenszufluss in Gestalt der Steuereinnahmen nicht zu erlangen gewesen. Mit der Argumentation, dass die Ankäufe die einzige Möglichkeit zur Erlangung der Steuern seien, werden die Datenankäufe schließlich von den staatlichen Stellen gerechtfertigt. Da die Figur des wirtschaftlichen Gesamtplans aber nun mal auf das gesamte Geschehen abstellt, müssen auch die für den Vermögenszufluss kausalen vorangegangenen und gerade nicht legalen Ursachen für die Beurteilung eines wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplans berücksichtigt werden. Es fehlt folglich auf Grund der rechtlich missbilligten Art und Weise, auf der der Vermögenszufluss beruht, an einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan, so dass Ausnahmen von dem erforderlichen Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Untreuehandlung und möglicher Ausgleichszahlung nicht zugelassen werden können. Daher liegen die Voraussetzungen für einen Schadensausschluss durch spätere Zahlungseingänge nicht vor. Die Steuernachzahlungen lassen den Schaden nicht entfallen. e) Ergebnis: § 266 I StGB Eine Strafbarkeit wegen Untreue durch den Datenankauf ist möglich.1300 Zudem wird das Vorliegen eines besonders schweren Falls in Gestalt des Vermögensverlusts in einem großen Ausmaß (§§ 266 II, 263 III Nr. 2 Alt. 1 StGB) bejaht.1301 Dies erscheint plausibel, da die Grenze von 50.000 E1302 durch den jeweiligen Kaufpreis deutlich überschritten ist. Da die Beurteilung gerade objektiv und
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1299 1300 1301 1302
und einem wirtschaftlich vernünftigen Gesamtplan abstellt; vgl. auch RGSt 71, 344 (346), wonach der Vermögensabfluss nicht durch den Erfolg einer gegen Dritte gerichteten Rechtsverletzung beseitigt werden könne; anders aber in dem angesprochenen Bundesligafall BGH, NJW 1975, 1234 (1235f.), der einen Ausgleich für möglich hält, ohne auf die Problematik der Rechtsverletzungen näher einzugehen, und LG Bielefeld, JZ 1977, 692 (693f.). Vgl. dazu Schreiber/Beulke, JuS 1977, 656 (659), die in dem angesprochenen Bundesligafall annehmen, dass die Bestechung gegnerischer Spieler zur Erlangung der Bundesligazugehörigkeit und damit das Beruhen der Kompensation auf einer Straftat unbeachtlich sei, da die wirtschaftlichen Vorteile der Bundesligazugehörigkeit auf rechtmäßigen Geschäften (z. B. Einnahmen aus Kartenverkäufen) beruhten. Die nachfolgende Erörterung (siehe unten in diesem Kapitel unter D.) wird zeigen, dass auch ein rechtswidriges Handeln der Amtsträger zu bejahen ist. Zu einem ähnlichen Befund gelangen im Ergebnis Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (663f.); Trüg, StV 2011, 111 (114); Wulf, PStR 2012, 33 (41). Trüg, StV 2011, 111 (114); für einen besonders schweren Fall auch Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664), ohne jedoch ein konkretes Regelbeispiel zu benennen. Fischer, § 263, Rn. 215a.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
nicht aus Opferperspektive zu erfolgen hat,1303 kann auch nicht argumentiert werden, dass der Kaufpreis angesichts des Gesamthaushaltsvolumens eine geringe Rolle spielt. 10.
Konkurrenzen und Gesamtergebnis
Der Datenankauf stellt eine Haushaltsuntreue zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise der betroffenen Bundesländer dar. Zudem ist eine an die Datenerhebung anknüpfende Strafbarkeit nach §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 1 BDSG möglich. In den meisten Fällen dürfte auch eine Begünstigungsstrafbarkeit vorliegen, während eine Strafbarkeit nach § 258 StGB deutlich unwahrscheinlicher, wenngleich nicht völlig ausgeschlossen ist. Die genannten Normen stehen zueinander in Idealkonkurrenz. Damit ist gezeigt worden, dass die Staatsvertreter bei ihrem Versuch, Straftaten aufzuklären und Steuern einzutreiben, selbst zumindest Straftatbestände verwirklichen. Dass dieses Verhalten auch rechtswidrig ist, wird später (in diesem Kapitel unter D.) gezeigt werden.
II.
Strafbarkeit durch die Nutzung der Daten
Nachfolgend wird die Strafbarkeit der Staatsvertreter durch die Nutzung der Daten erörtert. Dabei meint Nutzung die interne Bearbeitung der Daten inklusive der zwischenbehördlichen Weitergabe zur Steuereintreibung und Strafverfolgung. Hinzu kommt die Übermittlung der Daten an andere Staaten. 1.
§ 17 II Nr. 2 UWG: Geheimnishehlerei
Auch wenn die staatlichen Stellen, wie gezeigt, nicht als »Hehler« im klassischen Sinne zu qualifizieren sind, könnten sie sich wegen Geheimnishehlerei gemäß § 17 II Nr. 2 UWG strafbar gemacht haben,1304 indem sie die Steuerdaten bearbeitet haben. 1303 Dazu Fischer, § 263, Rn. 215a. 1304 Angesprochen z. B. bei Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (344); Gössel, FS Puppe, 1377 (1381ff.); Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Joecks, SAM 2011, 21 (24); Kaiser, NStZ 2011, 383 (387f.); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16; Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323f.); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4121; Satzger, FS Achenbach, 447 (456f.), der die Strafbarkeit wegen bejahter Rechtfertigung ablehnt, ohne auch nur ein Tatbestandsmerkmal erörtert zu haben; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 197f., der eine entsprechende Strafbarkeit für fernliegend erachtet und die geringe Bedeutung, die der Norm in der bisherigen Erörterung der Steuerdatenfälle zugemessen worden ist, begrüßt; Zieschang, FS Scheuing, 794 (808f.).
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Vereinzelt wird § 17 II Nr. 2 UWG bereits bezogen auf den Ankauf an sich angenommen.1305 Dies ist meines Erachtens nicht überzeugend, da nicht ersichtlich ist, wie der Ankauf alleine ein Verwerten darstellen soll, liegt doch in der bloßen Entgegennahme keine Nutzung. Auch handelt es sich nicht um ein Mitteilen. Die Amtsträger nehmen die Daten lediglich in Empfang, bekommen sie folglich mitgeteilt, ohne aber selbst mitzuteilen oder gar zu verwerten. Folglich ist lediglich in der Bearbeitung der Daten ein Anknüpfungspunkt für eine mögliche Strafbarkeit nach § 17 II Nr. 2 UWG zu sehen. a) Täterkreis § 17 II Nr. 2 UWG ist kein Sonderdelikt, so dass sich nicht nur Beschäftigte eines Unternehmens, sondern auch Außenstehende wegen Geheimnishehlerei strafbar machen können.1306 Eine Strafbarkeit der Vertreter des deutschen Staats ist daher grundsätzlich möglich. b) Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis Die Kundendaten sind, wie gezeigt, ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis im Sinne des § 17 UWG. c) Vortaten: Erlangung des Geheimnisses Erforderlich ist zudem, dass die Kundendaten durch eine der von § 17 II Nr. 2 UWG vorausgesetzten Vortaten erlangt worden sind. Die genaue Bestimmung der jeweiligen Vortat ist abhängig von der strafrechtlichen Beurteilung des Bankmitarbeiters. Insoweit kann auf die Erörterungen im zweiten Kapitel verwiesen werden. Dort ist dargestellt worden, dass regelmäßig eine Betriebsspionage vorliegt, so dass für die Staatsvertreter die Erlangung durch eine – fremde – Tat nach § 17 II Nr. 1 UWG einschlägig ist. Je nach genauer Sachverhaltsgestaltung kommt auch eine Erlangung des Geheimnisses durch eine Tat des Bankmitarbeiters nach § 17 I UWG in Betracht.1307 Bereits im zweiten Kapitel (siehe A. II. 3. d)) ist gezeigt worden, dass die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Vortat ohne Relevanz für § 17 II Nr. 2 UWG ist. Es ist nicht notwendig, dass der Staatsvertreter, der möglicherweise § 17 II Nr. 2 UWG verwirklicht, das Geheimnis unmittelbar von dem Ersttäter 1305 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118). 1306 MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 94; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 518. 1307 Für ein Abstellen auf § 17 I UWG auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 197, der darin jedoch die einzig in Betracht kommende Vortat sieht. Bei einer solchen Argumentation wäre die Strafbarkeit der Staatsvertreter begrenzt auf Daten, die von einem noch bei der Bank beschäftigten Mitarbeiter erlangt werden. Praktisch wichtige Fälle könnten so nicht erfasst werden.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
erhalten hat. Die Kenntniserlangung von dem Geheimnis muss zwar auf der Vortat beruhen.1308 Dabei reicht es aus, dass der Täter die Kenntnis über Mittelsmänner erlangt hat (und nicht vom Vortäter). Das Geheimnis darf also nach der Vortat mehrere Zwischenstationen durchlaufen haben.1309 Folglich sind auch solche Fälle erfasst, in denen der (ehemalige) Bankmitarbeiter nur über einen Mittelsmann mit dem deutschen Staat in Kontakt tritt. Zudem ist das Handeln in einer Mitteilungskette ausreichend.1310 Mithin kann ein Mitteilen auch durch solche Amtsträger erfolgen, die das Geheimnis erst im Laufe der Datenbearbeitung von Kollegen erfahren. Ein Mitteilen bleibt demnach grundsätzlich solange möglich, bis der Geheimnischarakter entfallen ist (dazu näher oben im 2. Kapitel unter A. II. 3. c)). Vor diesem Hintergrund kann erörtert werden, ob die Handlungen der Amtsträger als Mitteilen und / oder Verwerten betrachtet werden können. d) Mitteilen oder Verwerten Fraglich ist, ob die deutschen Amtsträger, das heißt die Handelnden der Strafverfolgungs- und Finanzbehörden oder des BNDs, die Daten der Bankkunden mitgeteilt und / oder verwertet haben. aa) Mitteilen Ein Mitteilen könnte darin gesehen werden, dass die Daten während der Prüfung, der steuerlichen Bearbeitung und der Vorbereitung der Strafverfolgungsmaßnahmen bei lebensnaher Betrachtung innerhalb der jeweiligen Behörde und gegebenenfalls von einer Behörde zur anderen weitergegeben werden. Dies kommt beispielsweise in Betracht, wenn die dem BND ausgehändigten Daten an die Steuerfahndung weiter gegeben werden.1311 Auch während der Prüfung und Auswertung der Daten ist an ein Mitteilen zwischen einzelnen Amtsträgern zu denken. Zudem kann auf die Weitergabe der Daten an andere befreundete Staaten1312 abgestellt werden. Meines Erachtens ist allerdings für die innerstaatlichen Weitergaben erörterungswürdig, ob überhaupt ein Mitteilen zwischen verschiedenen Amtsträgern
1308 G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 46. 1309 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 45; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 48; Fezer/ Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 66; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 99; Brammsen, in: Unternehmen, 69 (85). 1310 Westermann, Know-how-Schutz, Kap. 4, Rn. 45, 53. 1311 Vgl. Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664). 1312 Wie bereits oben im 1. Kapitel unter B. I. 3 geschildert, sind die von Heinrich Kieber erworbenen Daten kurz nach ihrem Erwerb kostenlos anderen Staaten zur Verfügung gestellt worden, dazu auch Schauerte, Steuer-CDs, 7.
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erfasst ist, da die einzelnen Beteiligten das Mitteilen in amtlicher Eigenschaft vornehmen, so dass der Übermittlungsvorgang innerhalb des Staats erfolgt. Rückschlüsse für diese Frage lassen sich eventuell aus Grundsätzen des § 17 UWG gewinnen. Anerkanntermaßen ist ein Mitteilen zu verneinen, wenn der Adressat das Geheimnis bereits kennt1313 und der Mitteilende davon auch ausgeht (sonst untauglicher Versuch). Hier könnte man argumentieren, dass der zuerst eingeweihte Amtsträger mit seiner Kenntnis die Kenntnis des Staats begründet und somit bereits ab diesem Zeitpunkt die Kenntnis der anderen Amtsträger zumindest fingiert werden kann, da sich die Kenntniserlangung gerade auf Grund der amtlichen Eigenschaft vollzieht1314. Dies ließe sich stützen durch die zivilrechtliche Betrachtung des Kaufvertrags. Die konkret handelnden Amtsträger haben die Daten nicht in eigenem Namen, sondern in Vertretung für die Finanzverwaltung des jeweils federführenden Bundeslands oder für den BND angekauft. Ein solcher Gedankengang, der hauptsächlich auf zivilrechtlichen Zurechnungsgrundsätzen und Vertretungsregeln beruht, ist meines Erachtens im Strafrecht jedoch systemfremd. Damit würde man sich von dem Grundsatz lösen, dass die strafrechtliche Beurteilung gerade das Verhalten von Individualpersonen betrifft. Dieser Grundsatz kommt auch zum Ausdruck in der Praxis,1315 in Unternehmen ein Mitteilen selbst dann anzunehmen, wenn die Mitteilung an einen Kollegen während des Geschäftsbetriebs erfolgt. Zudem zählt zwar die Gewinnung und – arbeitsteilige – Verarbeitung von Daten gerade zur normalen Tätigkeit der Steuerbehörden, doch handelt es sich in den Steuerdatenfällen nicht um Informationen aus üblichen Geschäftsvorgängen, sondern um Daten, die man auf »besondere« Weise erlangt hat. Gerade die Bearbeitung von Daten mit zumindest problematischer Herkunft dürfte, obwohl sich Steuerdatenankäufe in der jüngeren Vergangenheit reger Beliebtheit erfreuen, nicht zur regulären Tätigkeit gehören. Insbesondere bei Daten, die durch eine der in § 17 II Nr. 2 UWG beschriebenen Vortaten erlangt worden sind, wäre ein besonderer Respekt vor der ohnehin schon verletzten fremden Geheimnissphäre angebracht. Daher wäre nach diesen Grundsätzen ein Mitteilen zwischen Amtsträgern in den Steuerdatenfällen tendenziell zu bejahen. Da die Problematik für § 17 UWG nicht intensiv diskutiert worden ist, könnte ein Blick auf § 203 StGB als klassische Geheimnisschutznorm helfen, da das 1313 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 43; NK-UWG/Koehler/Hasselblatt, § 17, Rn. 30; Köhler/ Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 19. 1314 Vgl. zu ähnlichen Überlegungen im Rahmen von § 203 II StGB Rogall, NStZ 1983, 1 (8), wonach die Behörde das Geheimnis erfährt und nicht der einzelne Amtsträger. 1315 Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 50 i.V.m. Rn. 26; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 20; Schlötter, Abwerbung, 152; a. A. zur Parallelproblematik bei § 404 AktG Achenbach/Ransiek/Ransiek, HWSt, 8. Teil, Kap. 2, Rn. 20.
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Problem der innerorganisatorischen Mitteilungen im Rahmen von § 203 StGB sowohl bezogen auf Unternehmen als auch auf Behörden umfangreich erörtert worden ist. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass unter den Mitteilungsbegriff auf Grund dessen Weite auch innerorganisatorische Mitteilungen fallen, es sei denn man nähme eine entsprechende Korrektur vor.1316 Im Rahmen von § 203 I StGB werden verschiedene Einschränkungsvorschläge sowohl für die inner- als auch für die außerorganisatorische Geheimnisweitergabe diskutiert.1317 Doch dem hier relevanten Fall wesentlich näher ist die Konstellation des § 203 II StGB, da es sich sowohl dort als auch bei der Be- und Verarbeitung der angekauften Steuerdaten um Geheimnisweitergaben durch Amtsträger oder zumindest durch für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete handelt. Für § 203 II StGB gilt nach ganz überwiegend vertretener Meinung, dass innerbehördliche Geheimnisweitergaben oder solche an Aufsichtsbehörden nicht dem Begriff des Offenbarens unterfallen, sofern sie sich im Rahmen der Zuständigkeit halten und nicht die speziellen Berufsgruppen des § 203 I StGB betreffen.1318 Diese speziellen Berufsgruppen sind für den Fall der Steuerdaten ersichtlich irrelevant. Hintergrund des Restriktionsansatzes ist, dass die Behörde als solche mit den Informationen in Berührung komme und nicht auf Grund des besonderen Vertrauens, das in einzelne Amtsträger als Individualpersonen gesetzt werde.1319 Eine Blockierung der Verwaltung müsse verhindert werden. Zudem diene die Vorschrift dem Schutz vor Geheimnisverrat, der bei sachgemäßem Gebrauch gerade nicht vorliegen soll.1320 Auch wird eine solche Restriktion auf das durch das BVerfG entwickelte Kriterium der Zweckbindung gestützt, nach dem der Bürger nicht in seinen Grundrechten verletzt sei, wenn die Daten ihrem Zweck entsprechend weitergegeben würden.1321 Die entsprechende Restriktion der Norm folge daher aus ihrem Zweck und dem Fehlen einer internen Schweigepflicht.1322 Sobald die Daten jedoch an eine andere Behörde im funktionellen Sinne weitergegeben werden, soll ein Offenbaren vorliegen, das nur dann ge1316 Schauenburg, Schweigepflichtverletzungen, 68f. 1317 Vgl. dazu den Überblick bei Schauenburg, Schweigepflichtverletzungen, 221ff. 1318 OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 1997, 69; NStZ-RR 2003, 170; MK/Cierniak/Pohlit, § 203, Rn. 98; S/S/Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 45; LK/Schünemann, § 203, Rn. 44f., hinsichtlich mancher Fallgruppen sogar mit Plädoyer für eine Restriktion bei Berührung der Berufsgruppen des Abs. 1; Heckel, NVwZ 1994, 224 (228); Otto, wistra 1999, 201 (202f.); Rogall, NStZ 1983, 1 (7ff.); ähnlich Würthwein, Schweigepflicht, 131f., 136, 219, die allerdings primär auf das Kriterium der Zweckbindung abstellt; zu einer ähnlichen Handhabung bei § 353b und § 355 StGB, vgl. Fischer, § 353b, Rn. 15; S/S/Perron, § 355, Rn. 14. 1319 Heckel, NVwZ 1994, 224 (228); ähnlich auch Otto, wistra 1999, 201 (202). 1320 LK/Schünemann, § 203, Rn. 44. 1321 Würthwein, Schweigepflicht, 128ff. 1322 S/S/Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 45.
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rechtfertigt werden kann, wenn es eine entsprechende Befugnisnorm für die Datenweitergabe gibt,1323 wofür eine generelle Regelung wie die allgemeine Amtshilfeverpflichtung nicht ausreicht.1324 Eine andere Behörde ist auch dann gegeben, wenn beide Behörden der gleichen Verwaltungseinheit angehören.1325 Auf Grund der Vergleichbarkeit der Situation, das heißt der Mitteilung innerhalb von Amtsstrukturen, ist zu erwägen, die für § 203 II StGB anerkannten Erwägungen auf die Beurteilung der Amtsträgerhandlungen bei § 17 UWG zu übertragen. Auch im Rahmen der Steuerdatenfälle trifft die Überlegung, dass es nicht auf den individuellen Amtsträger ankommt, grundsätzlich zu. Die von den entwendeten Daten betroffenen Banken werden sicher nicht primär beklagen, dass ein weiterer Amtsträger Kenntnis erlangt. Eine Übertragung der Grundsätze würde bedeuten, dass ein Mitteilen zu verneinen wäre, solange die Daten innerhalb einer Behörde, das heißt vor allem der Steuerfahndung, an zuständige1326 Mitarbeiter weitergegeben werden. Hingegen läge ein Mitteilen vor, wenn die Daten zwischen verschiedenen Behörden übermittelt werden, so zum Beispiel wenn der BND der Steuerfahndung die Daten überlässt oder wenn die Daten an die Finanzbehörden eines anderen Bundeslandes weitergeleitet werden. Dann käme allenfalls eine Rechtfertigung in Betracht. Auch wenn eine solche Argumentation gerade angesichts der zumindest bei oberflächlicher Betrachtung vorliegenden Vergleichbarkeit der Situationen plausibel erscheint, bestehen meines Erachtens erhebliche Bedenken. Schließlich weist der Fall der entwendeten Steuerdaten einige Abweichungen von der Ausgangssituation im Rahmen von § 203 II StGB auf. Dass die Daten nicht auf Grund eines freiwilligen Entschlusses des Berechtigten an die Behörden gelangt sind, steht einer Übertragung allerdings nicht grundsätzlich entgegen. Da auch Angaben gegenüber Behörden nicht immer freiwillig geschehen und nicht durch besonderes Vertrauen seitens des Geheimnisträgers gekennzeichnet sind, bestehen auch diesbezüglich Parallelen. Dass der Amtsträger die Behörde repräsentiert, gilt, unabhängig davon, ob der Geheimnisherr rechtlich zur Information der Behörde gezwungen wird, die Information freiwillig offenbart oder die Informationsweitergabe noch nicht mal bemerkt. Gegen eine Übertragung des Ansatzes sprechen meines Erachtens andere Überlegungen. Der entscheidende Unterschied zu § 203 II StGB liegt darin, dass bei § 17 II Nr. 2 UWG die betroffenen geheimen Informationen inkriminiert 1323 S/S/Lenckner/Eisele, § 203, Rn. 45; LK/Schünemann, § 203, Rn. 44; Würthwein, Schweigepflicht, 131; vgl. auch die Regelung des § 203 II 2 Hs. 2, nach der bei Einzelangaben eine Mitteilung bereits ausgeschlossen ist, wenn kein Verbot vorliegt. 1324 Rogall, NStZ 1983, 1 (7). 1325 Rogall, NStZ 1983, 1 (8). 1326 Vgl. zu möglichen Zweifeln an der Zuständigkeit bereits der konkret handelnden Behörde Bach, PStR 2009, 70ff.; Römer, StraFo 2009, 194ff.; Salditt, PStR 2008, 84 (87f.).
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sind. Der Geheimnisherr gibt im Rahmen von § 17 II Nr. 2 UWG seine Daten nie zu Zwecken eines ordnungsgemäßen Verfahrens heraus, so dass überhaupt kein Anknüpfungspunkt für die Konstruktion eines automatischen Einverständnisses oder einer konkludenten Einwilligung1327 mit der Weitergabe an alle zuständigen Amtsträger besteht. Bei § 203 II StGB mag man argumentieren, bei einem sachgemäßen Gebrauch sei ein Geheimnisverrat, vor dem die Norm schützen soll, auszuschließen, bei § 17 II Nr. 2 UWG hingegen liegt ein solcher Geheimnisverrat oder eine ähnliche gegen das Geheimnis gerichtete Tat auf Grund des Vortaterfordernisses gerade vor, so dass durch jede Weitergabe der inkriminierten Daten der vorangegangene Rechtsverstoß weiter perpetuiert wird. Ein sachgemäßer, sich im Rahmen der gesetzmäßigen Verwaltung vollziehender Gebrauch und eine dem Zweck entsprechende Weitergabe sind somit gar nicht mehr möglich. Gerade dieser Vergleich zwischen der für § 203 II StGB gefundenen, ausbalancierten Lösung und der für § 17 II Nr. 2 UWG kennzeichnenden Situation zeigt, dass in den Steuerdatenfällen viel dafür spricht, ein Mitteilen anzunehmen, obwohl die Amtsträger in offizieller Eigenschaft für den Staat handeln. Dies wird unterstützt durch die im BDSG aufgestellten Grundsätze über den Umgang mit Daten. So ist das in § 5 BDSG normierte Datengeheimnis grundsätzlich auch gegenüber anderen Mitarbeitern der gleichen Behörde zu wahren.1328 Im Rahmen der BDSG-Delikte, aber mit verallgemeinerungsfähiger Begründung wenden sich Ostendorf und Schroth1329 gegen eine Strafbarkeit durch die Nutzung der Daten, wobei unklar bleibt, ob die Tathandlung oder lediglich die Rechtswidrigkeit verneint werden soll. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die Auswertung der Daten gerade zur Aufgabe der Amtsträger gehöre. Dies ist zweifellos im Grundsatz richtig. Doch wird dabei verkannt, dass die Bearbeitung und Weiterleitung ordnungsgemäß erhobener Daten zu dem Tätigkeitsbereich der Amtsträger zählen, sicher aber nicht die Verarbeitung von Informationen, die auf strafbare Weise1330 beschafft worden sind. Würde man 1327 Die Überlegungen zur Ablehnung des Mitteilens innerhalb von Amtsstrukturen beruhen im Ergebnis auf dem Gedanken, dass der Geheimnisherr voraussehen muss und daher durch die Preisgabe des Geheimnisses damit einverstanden ist, dass innerhalb von behördlichen Strukturen die Informationen an mehrere jeweils zuständige Amtsträger gelangen können, da die Preisgabe des Geheimnisses zur sachgemäßen Bearbeitung durch die Behörde und nicht auf Grund des besonderen Vertrauens in einen einzelnen Amtsträger erfolgt, dazu LK/Schünemann, § 203, Rn. 44f., vgl. auch Heckel, NVwZ 1994, 224 (229), wonach trotz Einführung der Datenschutzgesetzgebung zumindest noch ein begrenzter Anwendungsbereich für den Gedanken einer konkludenten Einwilligung verbleibt. 1328 Zum Umfang des Datengeheimnisses Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 158. 1329 Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190). 1330 Die Beschaffung der Informationen verwirklicht typischerweise die Tatbestände des § 257
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mit Verweis auf eine vermeintlich reguläre Tätigkeit bereits die Tathandlung ablehnen, würde man von vornherein die Möglichkeit einer strafbaren Handlung und damit die Überprüfung von Amtsträgerhandeln ausschließen. Wenn man bei üblichen Ermittlungstätigkeiten (Durchsuchung, Festnahme, etc.) keine Strafnormen prüft, liegt das lediglich daran, dass die Rechtfertigung durch entsprechende Ermittlungsbefugnisse offensichtlich ist, nicht aber am Fehlen der Tathandlung. Wenn Ostendorf in diesem Zusammenhang darauf abstellt, dass auch der pflichtgemäß arbeitende Strafverteidiger keine Strafvereitelung begehe,1331 dann verkennt er, dass die Rechtsordnung dem Strafverteidiger seine Tätigkeit aus rechtsstaatlichen Gründen gerade auch vor dem Hintergrund möglicher illegaler Aktivitäten des Mandanten zugesteht. Der Bezug zur Rechtswidrigkeit gehört folglich gerade zum Berufsbild des Strafverteidigers. Ein solcher Bezug zählt aber wohl kaum zum Berufsbild deutscher Amtsträger, bei denen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass sie ihre Daten ordnungsgemäß erheben. Entgegen Ostendorf kann die Datenbearbeitung nicht völlig losgelöst von der möglicherweise rechtswidrigen Datenerlangung betrachtet werden. Das hieße, dass illegal beschaffte Daten nach Belieben und mit dem Testat der Rechtmäßigkeit versehen verarbeitet werden könnten, wenn es nur im Rahmen der üblichen Aufgabenerfüllung geschähe. Das kann nicht im Sinne eines Schutzes der informationellen Selbstbestimmung sein. Daher schließt der Aspekt der regulären Aufgabenerfüllung die Annahme des Mitteilens nicht aus. Die vorangegangene Argumentation hat gezeigt, dass ein Mitteilen meines Erachtens auch innerhalb von Amtsstrukturen zu bejahen ist. Erst Recht liegt es vor, wenn Daten an andere Behörden weitergereicht werden. bb) Verwerten In Betracht kommt auch das Verwerten der Daten.1332 Ein solches Verwerten könnte im Hinblick auf mehrere Folgen der Datenverarbeitung angenommen werden: In Betracht kommen die Steuererhebung,1333 die Strafverfolgung1334 als
1331 1332 1333
1334
StGB sowie des § 266 StGB und verstößt gegen das BDSG (dazu siehe oben in diesem Kapitel unter B. I. 10.), zu den im Ergebnis zu bejahenden Merkmalen Vorsatz, Rechtswidrigkeit und Schuld unten in diesem Kapitel unter C., D. und E. Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305). Vgl. Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157), der ein Verwerten bejaht, ohne einen konkreten Anknüpfungspunkt zu benennen; vgl. auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1381f.); Joecks, SAM 2011, 21 (24), die beide ein Verwerten zumindest für möglich erachten. Bejahend MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128; Zieschang, FS Scheuing, 794 (808); widersprüchlich MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 106, die ein Verwerten bejahen, wenn über die Strafverfolgung hinaus »Erwerbszwecke« verfolgt werden, andererseits strafloses Handeln der Amtsträger annehmen, wenn diese erst nach der Vortat aktiv tätig werden; ablehnend Kaiser, NStZ 2011, 383 (387); Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4121. Ein Verwerten durch Strafverfolgung bejahend MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128; ablehnend Kaiser, NStZ 2011, 383 (387); vermittelnd MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17,
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solche sowie die im Rahmen der Strafverfolgung erzielten »Einnahmen« in Gestalt von Geldstrafen und Geldauflagen1335. Mitunter wird auch auf den zwischenbehördlichen Geldfluss1336 abgestellt. Meines Erachtens muss der Blick noch auf einen weiteren Aspekt gerichtet werden: Die bisher bekannt gewordenen Fälle haben gezeigt, dass dem Staat mehr Einnahmen aus Selbstanzeigen zufließen als aus der direkten Datenbearbeitung, wobei die Anzeigen aus der Angst vor Entdeckung nach Bekanntwerden erneuter CD-Ankäufe herrühren. Dabei handelt es sich häufig um Steuerpflichtige, deren Daten durch den CDKauf überhaupt nicht berührt sind. Mithin sollten diese Einnahmen gesondert erörtert werden. (1)
Vorfragen: Fremdnützigkeit, fehlender Unmittelbarkeitsbezug und Vermögenszuordnung Ehe jedoch auf die angesprochenen Anknüpfungspunkte und die Reichweite des Verwertungsbegriffs näher eingegangen wird, werden drei Aspekte angesprochen, die sich unabhängig von der konkreten Begründung der Verwertungshandlung als problematisch erweisen könnten. Zunächst könnte dem Verwerten das auch an anderen Stellen relevante Problem der Fremdnützigkeit entgegenstehen. Schließlich stellen alle in Betracht kommenden Nutzungen der Daten Vorteile des Staats und nicht der Amtsträger dar. Allerdings ist anerkannt, dass es sich bei dem durch die Verwertung erzielten Nutzen nicht zwingend um einen eigenen Nutzen des Täters handeln muss.1337 Daher kann festgestellt werden, dass die Fremdnützigkeit des möglichen Vorteils zumindest im Rahmen des Verwertens kein Hindernis darstellt. Weiterhin stellt sich die Frage, ob der Nutzen, das heißt die Steuereinnahmen und die anderen oben angesprochenen Vorteile, unmittelbar aus dem Geheimnis fließen muss. Diesbezüglich wird es als ausreichend angesehen, wenn der erzielte Nutzen nur teilweise oder mittelbar auf den unlauter erlangten Kenntnissen beruht.1338 Der Nutzen muss sich folglich nicht direkt aus dem ersten Schritt ergeben: Ein Verwerten liegt dennoch bereits mit dem ersten auf die Nutzung ausgerichteten Schritt vor, auch wenn der Nutzen erst durch Folgeschritte eintritt.1339 Insofern ist es unschädlich, dass zur Steuereintreibung neben
1335 1336 1337 1338 1339
Rn. 106, die wohl ein an die Strafverfolgung anknüpfendes Verwerten bejahen, sofern Einnahmen erzielt werden. Angedeutet bei MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 106. Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664). MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 124; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 124. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 124; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 41; Ackermann, WR, 313; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 52. Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 35; Wawrzinek, Verrat, 241f.
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dem Abgleich mit anderen Daten und der entsprechenden weiteren Bearbeitung in der Steuerverwaltung noch die Zahlung durch den Steuerpflichtigen erforderlich ist. Mithin ergibt sich für das Verwerten gerade eine andere Beurteilung als für die Frage eines Schadensausgleichs im Rahmen der Haushaltsuntreue, da die Untreue nur unmittelbaren Vermögensmehrungen Relevanz zumisst: Ein Verwerten kann vorbehaltlich der weiteren Erörterung also bereits durch den Beginn der Datenbearbeitung angenommen werden, obwohl der Nutzen, beispielsweise die Steuereinnahmen, erst nach weiteren Zwischenschritten eintritt. Diese Zwischenschritte hindern zwar auf Grund des Unmittelbarkeitskriteriums die Einordnung der Steuereinnahmen als schadensausschließende Kompensation im Rahmen der Untreue, sind aber kein Ausschlusskriterium für das Verwerten. Zudem ist im Rahmen der Haushaltsuntreue vertreten worden, dass die erlangten Geheimnisse auf Grund ihrer illegalen Erlangung nicht dem Vermögen des Staats zuzuordnen sind. Die fehlende Zugehörigkeit zum eigenen Vermögen schließt aber die Möglichkeit einer verwertungsrelevanten Nutzziehung nicht aus.1340 Dies ist meines Erachtens folgerichtig, da man auch solche Positionen, die nicht dem eigenen Vermögen zuzuordnen sind, zu seinem Vorteil einsetzen kann. Nachdem nun geklärt ist, dass zumindest keine allgemeinen Hindernisse der Annahme des Verwertens entgegenstehen, können die konkreten Anknüpfungspunkte im Hinblick auf die Reichweite des Verwertungsbegriffs erörtert werden. (2) Der Verwertungsbegriff des § 17 UWG Um ermitteln zu können, ob die bereits genannten Anknüpfungspunkte ein Verwerten darstellen, muss daher zunächst die genaue Reichweite des Verwertens geklärt werden. Bereits im Rahmen der Informantenstrafbarkeit hat sich gezeigt, dass der Verwertungsbegriff in seinen Details sehr umstritten ist. Dabei ist für die Amtsträgerstrafbarkeit von zentraler Bedeutung, wie der für das Verwerten kennzeichnende Vorteil beschaffen sein muss und ob weitere Voraussetzungen zusätzlich zu einem Vorteil vorliegen müssen. (a) Meinungsstand Die vertretenen Ansichten lassen sich grob in drei Strömungen einteilen. Am weitesten reicht die Ansicht,1341 die ein Verwerten bei jeder gesicherten und dauerhaften Kenntnis bejaht. Gegen diese Ansicht sprechen jedoch gewichtige Argumente: So deutet der Wortlaut eindeutig darauf hin, dass die 1340 LK/Tiedemann, § 263, Rn. 142, 144. 1341 Rosenthal/Leffmann, UWG, § 17, Rn. 46.
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Handlung über ein bloßes Innehaben des Geheimnisses hinausgeht.1342 Zum anderen zeigt die Systematik des Gesetzes, dass klar zwischen Kenntniserlangung und Verwertung unterschieden wird.1343 Gerade das Kernargument dieser weiten Ansicht, die Einbeziehung des bloßen Innehabens sei erforderlich, um Vorstufen des Verwertens zu erfassen,1344 zeigt, warum die Ansicht abzulehnen ist: Auch Vorstufen des tatbestandsmäßigen Verhaltens zu erfassen, die noch nicht auf eine Nutzziehung ausgerichtet sind, widerspricht dem Bestimmtheitsgrundsatz und verwischt die Grenzen zur Versuchsstrafbarkeit. Mithin ist der Interpretation des Verwertens als bloßes Innehaben zu widersprechen. Die mittlere Ansicht1345 zur Bestimmung des Verwertungsbegriffs verlangt zwar eine Nutzung des Geheimnisses und damit mehr als ein bloßes Innehaben, lässt aber dafür jede Nutzung genügen. Es seien auch ideelle, wissenschaftliche, politische und sonstige Vorteile erfasst. Die herrschende Meinung1346 hingegen zieht den Verwertungsbegriff enger und verlangt eine wirtschaftliche Nutzung. Kennzeichnend soll dabei der ge1342 1343 1344 1345
RGSt 63, 205 (206). RGSt 63, 205 (206f.); Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (366). In diese Richtung wohl Rosenthal/Leffmann, UWG, § 17, Rn. 46. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128; Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 35; Lehmler, UWG, § 17, Rn. 45; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 108; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (367); Föbus, Insuffizienz, 174f.; von Stebut, DB 1974, 613 (614) im Rahmen der Erörterung von § 404 AktG, aber durchaus verallgemeinernd; Wawrzinek, Verrat, 242ff., der allerdings zumindest missverständlich im Rahmen der Auslandsverwertung wieder von einer wirtschaftlichen Nutzung spricht, 247; Brammsen, aaO, Föbus, aaO und Harte-Bavendamm, aaO verlangen dabei zusätzlich die Realisierung des Nutzunspotentials, was typischerweise nur von Befürwortern einer Beschränkung auf wirtschaftliche Nutzungen gefordert wird. 1346 RGSt 63, 205 (207); BGH (ZR), GRUR-RR 2002, 359; LG Düsseldorf (ZR), K& R 2002, 101 (102); Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 50; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 53; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 106; NK-UWG/Koehler/Hasselblatt, § 17, Rn. 63; Köhler/Bornkamm/Köhler, UWG, § 17, Rn. 41; Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 22; Fezer/ Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 76; Ackermann, WR, 313; Wabnitz/Janovsky/Bär, HWSt, Kap. 14, Rn. 177; Brammsen, in: Unternehmen, 69 (85); Achenbach/Ransiek/Ebert-Weidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 93, wobei das Erfordernis einer wirtschaftlichen Nutzung erst im Zusammenhang mit der Erörterung von § 18 UWG deutlich wird, vgl. Rn. 100; Emmerich, Wettbewerb, § 10, Rn. 28; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 53; Götting, WR, § 13, Rn. 14; Grosch/Liebl, CR 1988, 567 (573); Achenbach/Ransiek/Heghmanns, HWSt, 6. Teil, Rn. 223; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 520; Lettl, WR, § 12, Rn. 17; Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 33; Meyer/Möhrenschlager, WiVerw 1982, 21 (38); Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 26; Pfeiffer, FS Nirk, 861 (883); Schlötter, Abwerbung, 165; Tiedemann, FS Kohlmann, 307 (315) mit einem Plädoyer für die wirtschaftliche Nutzung bei allen Geheimnisschutztatbeständen, allenfalls mit Ausnahme des § 55a KWG; Többens, NStZ 2000, 505 (508); Wittig, WStR, § 33, Rn. 64; gerade in den Steuerdatenfällen van Bühren, AnwBl 2012, 906; Kaiser, NStZ 2011, 383 (387); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16; Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4121; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (21); wohl auch Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664).
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werbliche1347 oder vermögensbezogene1348 Zweck sein. Innerhalb der herrschenden Meinung gibt es verschiedene Spielarten. Teilweise verbleibt es bei dem Erfordernis der wirtschaftlichen Nutzung, teilweise werden zusätzliche Anforderungen gestellt wie ein Handeln mit spiegelbildlicher Entreicherung des Geheimnisträgers,1349 die Realisierung gerade des im Geheimnis verkörperten Werts1350 (zu diesen beiden Voraussetzungen siehe oben im Rahmen der Informantenstrafbarkeit) oder ein Handeln mit Gewinnerzielungs- oder Kostensenkungsabsicht1351. Diese Spielarten müssen jedoch nur vertieft betrachtet werden, wenn feststeht, dass überhaupt eine wirtschaftliche Nutzung erforderlich ist. Daher lässt sich die Bestimmung des Verwertungsbegriffs zuspitzen auf die Frage, ob eine wirtschaftliche Nutzung erforderlich ist oder ob eine beliebige Nutzung ausreichend ist. Dabei liegt die Relevanz für die Steuerdatenfälle darin, dass im letzteren Fall die Verwendung grundsätzlich als Verwerten zu qualifizieren wäre. Im ersten Fall hingegen müsste erörtert werden, ob die auf Grund der Datensammlung erhobenen Steuern und die mit der Strafverfolgung gegebenenfalls erzielten »Einnahmen« als wirtschaftliche Nutzung zu betrachten sind. Vorteile ohne Vermögensrelevanz, wie beispielsweise die Möglichkeit zur
1347 So RGSt 39, 83 (85); 40, 406 (408); Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 50; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 53; Metzler, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 33. Das Abstellen auf eine gewerbliche Nutzung lässt sich mit Blick auf die Reichsgerichtsentscheidung RGSt 39, 83 (85) erklären, dürfte aber heute keine einschränkende Funktion mehr haben, zumal es widersinnig wäre, Freiberufler in den Schutz des § 17 UWG einzubeziehen (dazu Föbus, Insuffizienz, 113f.), aber das Verwerten nur bei gewerblicher Tätigkeit zu bejahen. Aus diesen Gründen überzeugt es meines Erachtens nicht, ein Verwerten der staatlichen Stellen mit schlichtem Hinweis auf die fehlende Gewerblichkeit der behördlichen Tätigkeit abzulehnen, so aber Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4121. 1348 Brammsen, in: Unternehmen, 69 (85); Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 26. 1349 Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 87, 280, 341, der allerdings eine Relativierung vornimmt, nach der zwar eine Vorteils-Nachteils-Entsprechung gegeben sein müsse, diese aber nicht zwingend einen Vermögensbezug haben müsse; für § 204 StGB MK/Graf, § 204, Rn. 11; S/S/Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; LK/Schünemann, § 204, Rn. 6; für § 404 AktG Achenbach/Ransiek/Ransiek, HWSt, 8. Teil, Kap. 2, Rn. 22; ders., Unternehmensstrafrecht, 167, durchaus verallgemeinernd für andere Geheimnisschutznormen (163); Richter, GmbHR 1984, 113 (117); für § 85 GmbHG Tiedemann, GmbHG, § 85, Rn. 17. 1350 Zu § 17 UWG Achenbach/Schröder, ZBB 2005, 135 (139); zu § 204 StGB MK/Graf, § 204, Rn. 10; S/S/Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; LK/Schünemann, § 204, Rn. 6; zu § 85 GmbHG Tiedemann, GmbHG, § 85, Rn. 15. 1351 BGH (ZR), GRUR-RR 2002, 359; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 53; Noak, wistra 2006, 245 (247); Otto, wistra 1988, 125 (129); Pfeiffer, FS Nirk, 861 (883); Többens, WRP 2005, 552 (558); in diese Richtung auch Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 26.
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Strafverfolgung und -vollstreckung als solche, könnten in diesem Fall zur Begründung des Verwertens nicht herangezogen werden. Folglich wird nachfolgend zunächst diskutiert, ob eine wirtschaftliche Nutzung notwendiger Bestandteil des Verwertens im Rahmen von § 17 II Nr. 2 UWG ist. Anschließend wird das dabei gefundene Ergebnis auf die in den Steuerdatenfällen in Betracht kommenden Vorteile angewandt. (b) Stellungnahme Um das Für und Wider einer Begrenzung des Verwertungsbegriffs auf eine vermögensorientierte Ausrichtung erwägen zu können, muss präzisiert werden, was genau unter wirtschaftlichen Nutzungen zu verstehen ist. Der Begriff könnte im Sinne einer Handlung im Wirtschaftsleben zu verstehen sein. Bei einem solchen Verständnis entstünden ähnliche Fragestellungen wie sie bereits im Rahmen der Erörterung einer möglichen teleologischen Reduktion behandelt worden sind (dazu oben im 2. Kapitel unter A. II. 2. g)). Jedoch zeigt ein näherer Blick auf die in der Diskussion um die Reichweite des Verwertungsbegriffs vorgebrachten Argumente, dass es sich bei einer wirtschaftlichen Nutzung primär um eine Handlung zur Erzielung eines Vermögensvorteils handelt, wenngleich typischerweise ein Bezug zu einer wirtschaftlichen Betätigung vorliegt.1352 Das entscheidende Kriterium ist folglich nicht das Umfeld der Handlung, sondern der mit der Handlung verfolgte Zweck, das heißt die Vermögensmehrung. Mithin muss erörtert werden, ob auch die Verfolgung von Zwecken jenseits eines Vermögensvorteils vom Verwertungsbegriff erfasst ist. (aa) Wortlaut-Auslegung Die Befürworter eines weiten Verständnisses argumentieren, der Begriff des Verwertens verlange dem Wortlaut nach zwar einen Nutzen1353, aber eben nicht zwingend einen solchen wirtschaftlicher Art.1354 Dem könnte man entgegenhalten, dass das Verwerten schon vom Wortkern her auf einen Wert verweist und der Begriff des Werts zwar auch jenseits wirtschaftlicher Zusammenhänge auftaucht, aber doch häufig in einem vermögensbezogenen Sinne gebraucht 1352 Vgl. dazu MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128, der sich explizit sowohl gegen das Erfordernis einer wirtschaftlichen Zwecksetzung als auch einer ökonomischen Komponente ausspricht; G/J/W/Hammer, UWG, § 17, Rn. 53, wonach ein Verwerten vorliegt bei einer Handlung, die darauf gerichtet ist »den Wert aus ihr [der Kenntnis] zu ziehen, sie also wirtschaftlich zu nutzen«; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 106: »Nutzung … von wirtschaftlicher Bedeutung«. 1353 Zur Bedeutung des Nutzens für den Verwertungsbegriff vgl. Bedeutungswörterbuch, 1047, Stichwort »verwerten«, wonach »nutzen« das Synonym zu »verwerten« ist. 1354 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128; Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 35; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (367); Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 51.
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wird. Dass bei § 17 UWG gerade ein solches auf den Vermögenswert rekurrierendes Verständnis in Betracht kommt, könnte aus dem Standort der Norm im Wirtschaftsstrafrecht und dem Bezug zum Wettbewerb als einer wirtschaftlichen Materie folgen.1355 Letztendlich kann aber festgehalten werden, dass vom Wortlaut her beide Verständnisse des Verwertungsbegriffs möglich erscheinen, so dass sich aus dem Wortlaut kein eindeutiges Ergebnis herleiten lässt. (bb) Systematische Auslegung Für die weitere Erörterung bietet sich eine systematische Betrachtung an. Der Begriff des Verwertens wird in verschiedenen Tatbeständen verwendet, so zum Beispiel in § 18 UWG, § 404 II 2 AktG, § 85 II 2 GmbHG, § 333 II 2 HGB, § 315 II 2 UmwG, § 151 II 2 GenG, § 19 II 2 PublG, § 138 II 2 VAG, § 14 II 2 EWiV-Ausführungsgesetz, § 120 III 2 BetrVG, § 55a KWG, § 204 I StGB und § 355 StGB. Daher kann eine Betrachtung dieser Normen eventuell Aufschluss geben über die Interpretation des Verwertungsbegriffs im Rahmen des § 17 II Nr. 2 UWG, zumal sich die auf spezielle Gesellschaftsformen zugeschnittenen Normen des Geheimnisschutzes ohnehin alle am Vorbild1356 des § 404 II 2 AktG orientieren. Meines Erachtens ist ein solcher Vergleich allerdings problematisch. Dies zeigt schon der Umstand, dass zur Begründung1357 des Erfordernisses der wirtschaftlichen Nutzung bei anderen Geheimnisschutznormen teilweise die Handhabung im Rahmen von § 17 UWG herangezogen wird und allgemein argumentiert wird,1358 die Auslegungsgrundsätze der Geheimnisschutztatbestände könnten wechselseitig herangezogen werden. Somit ist der Verweis wenig ergiebig, da der Streit um die Reichweite des Verwertungsbegriffs im Rahmen der anderen Tatbestände ebenfalls besteht. Daher ergäbe sich durch das pauschale Abstellen auf andere Tatbestände stets eine zirkuläre Argumentation. So ergibt sich zum Meinungsstand im Rahmen der anderen Tatbestände auch ein ähnliches Bild wie bei § 17 UWG: Überwiegend wird eine wirtschaftliche Nutzung verlangt,1359 teilweise aber auch für die Erfassung jeder Nutzung 1355 Angedeutet von MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 107. 1356 Zum Vorbildcharakter Brammsen, in: Unternehmen, 69 (100). 1357 Vgl. Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (373); Achenbach/Ransiek/EbertWeidenfeller, HWSt, 3. Teil, Kap. 3, Rn. 100. 1358 Erbs/Kohlhaas/Schaal, AktG, § 404, Rn. 4; vgl. auch Tiedemann, FS Kohlmann, 307 (315), der für eine gleiche Auslegug des Verwertungsbegriffs bei allen Geheimnisschutztatbeständen mit Ausnahme von § 55a KWG plädiert. 1359 Für § 404 AktG KK-AktG/Geilen, § 404, Rn. 55ff.; MK/Kiethe, AktG, § 404, Rn. 50; Schmidt/Lutter/Oetker, AktG, § 404, Rn. 9; GK-AktG/Otto, § 404, Rn. 27; Erbs/Kohlhaas/ Schaal, AktG, § 404, Rn. 19; G/J/W/Temming, AktG, § 404, Rn. 16; Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (392, 387), der sich allerdings im Rahmen von § 17 UWG gegen das Erfordernis einer wirtschaftlichen Nutzung ausspricht (vgl. 367); Müller-Gugenberger/Dittrich, WStR, § 33, Rn. 101; für § 85 GmbHG Michalski/Dannecker, GmbHG, § 85,
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plädiert.1360 Folglich lassen sich aus der Handhabung des Verwertens bei anderen Geheimnisschutznormen keine eindeutigen Schlüsse ziehen, so dass sich allenfalls einige der Argumente, die innerhalb der entsprechenden Diskussionen entwickelt worden sind, auf § 17 II Nr. 2 UWG übertragen lassen. Eventuell hilft jedoch eine Betrachtung der Systematik innerhalb des § 17 UWG weiter. So wird argumentiert, die Einführung der Schädigungsabsicht mit der Erfassung auch immaterieller Schäden sei ein Indiz für ein weites Verständnis des Verwertens.1361 Dass das Handeln aus Eigennutz ein Erstreben immaterieller Vorteile ausreichen lässt,1362 könnte eine solche Argumentation noch verstärken. Meines Erachtens besteht jedoch kein Grund für eine Verknüpfung beider Materien. Aus einer Erweiterung der besonderen subjektiven Anforderungen auf außerwirtschaftliche Aspekte folgt nicht zwingend, dass die Tathandlung parallel behandelt werden muss. Die Erfassung immaterieller Aspekte durch die subjektiven Merkmale ist auch dann nicht gegenstandslos, wenn man die Tathandlung des Verwertens auf die Ausnutzung zu vermögensbezogenen Zwecken beschränkt1363 : So ist auch eine Sachverhaltskonstellation denkbar, bei der das Geheimnis zu wirtschaftlichen Zwecken genutzt werden soll, gleichzeitig aber das subjektive Merkmal der Schädigungsabsicht bezogen auf einen immateriellen Schaden vorliegt, da materielle Ziele nicht handlungsleitend sind. Diese Sachlage tritt besonders häufig auf bei Fällen, in denen Geheimdienste Unternehmen verfeindeter Staaten ausspionieren,1364 um mit den Erkenntnissen vor allem politische Schäden zu bewirken. Auch lässt sich eine Erfindung wirtschaftlich nutzen, dies aber primär motiviert durch eine Steigerung des eigenen Ansehens und nicht durch die erwarteten Einnahmen. Darüber hinaus kann ohnehin nicht vertreten werden, dass die Einbeziehung immaterieller Aspekte bei der Schädigungsabsicht und dem Handeln aus Ei-
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1363 1364
Rn. 51; Baumbach/Haas, GmbHG, § 85, Rn. 42; MK/Hohmann, GmbHG, § 85, Rn. 49ff.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, GmbHG, § 85, Rn. 7; G/J/W/Otte, GmbHG, § 85, Rn. 17; wobei sowohl von Dannecker als auch von Kleindiek betont wird, dass nicht gleichzeitig die Verwertungsmöglichkeiten der GmbH geschmälert werden müssten; für § 55a KWG Achenbach/Ransiek/Schröder, HWSt, 10. Teil, Kap. 3, Rn. 119, 123; für § 204 StGB Fischer, § 204, Rn. 3; MK/Graf, § 204, Rn. 9f.; NK/Kargl, § 204, Rn. 6f.; S/S/Lenckner/Eisele, § 204, Rn. 5/6; Achenbach/Schröder, ZBB 2005, 135 (139); Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (387); für § 355 StGB NK/Kuhlen, § 355, Rn. 21f., 24; S/S/Perron, § 355, Rn. 15; Maurach/Schröder/Maiwald, BT 1, § 29, Rn. 116. Für § 404 AktG von Stebut, DB 1974, 613 (614); für § 85 GmbHG Ulsenheimer, NJW 1975, 1999 (2001); für § 355 StGB S/S/W/Bosch, § 355, Rn. 9. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128; Föbus, Insuffizienz, 174f.; Wawrzinek, Verrat, 243. Dazu Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (360); Emmerich, Wettbewerb, § 10, Rn. 17; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 32; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 26; Schlötter, Abwerbung, 154; Wawrzinek, Verrat, 190f., 223, der aber gerade bei immateriellen Vorteilen eine gewisse Erheblichkeit fordert. Anders aber wohl Wawrzinek, Verrat, 243. Zu solchen Sachverhaltskonstellationen BT-Drucks. 8/2145, 28; 9/1707, 30; 10/5058, 40.
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gennutz gegenstandslos sei, wenn man ein Verwerten auf wirtschaftliche Nutzungen begrenzen würde. Schließlich beziehen sich die subjektiven Merkmale ebenfalls auf die Tathandlung des Mitteilens, so dass sich zumindest dort das weite Verständnis auswirkt. In eine ähnliche Richtung zielt die Argumentation, eine Einschränkung der Strafnorm sei bereits durch die besonderen subjektiven Merkmale erreicht, so dass für Restriktionsbemühungen keine Notwendigkeit gegeben sei.1365 Mit einer solchen Argumentation werden ebenfalls beide Fragestellungen vermengt, zumal man schwerlich vorher abstrakt bestimmen kann, wo das richtige Maß an Einschränkung für eine Norm liegt. Somit lassen sich aus den subjektiven Merkmalen keine Erkenntnisse für den Verwertungsbegriff gewinnen. Auch von den Befürwortern einer Begrenzung auf wirtschaftliche Nutzungen wird auf die Systematik der Norm abgestellt. So wird angeführt, dass es nicht erforderlich sei, politische Nutzungen ebenfalls in den Verwertungsbegriff einzubeziehen, da derartige Nutzungen ohnehin auch in einer Mitteilung bestünden, so dass keine Strafbarkeitslücken zu befürchten seien.1366 Dass es meines Erachtens durchaus darauf ankommt, ob gegebenenfalls zusätzlich zum Mitteilen ein Verwerten vorliegt, ist bereits bei der Erörterung der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters dargelegt worden (dazu oben im 2. Kapitel unter A. II. 3. e)). Somit kann auch dieses Argument nicht überzeugen. Zur Begründung des Erfordernisses einer wirtschaftlichen Nutzung wird im Rahmen von § 404 AktG auf die Strafdrohung verwiesen, die im Vergleich zum bloßen Offenbaren gesteigert sei, aber derjenigen entspreche, die für das Offenbaren gegen Entgelt vorgesehen sei. Daraus sei zu folgern, dass die höhere Strafdrohung nur bei wirtschaftlichem Bezug anzuwenden sei.1367 Aus dieser Argumentation ergibt sich für § 17 UWG jedoch allenfalls der Umkehrschluss, dass eine Begrenzung auf wirtschaftliche Nutzungen nicht erforderlich ist, da es an der Qualifikation des Mitteilens / Offenbarens gegen Entgelt fehlt.1368 Die vorangegangenen Erörterungen zeigen, dass sich aus systematischen Erwägungen keine zwingenden Erkenntnisse über die Reichweite des Verwertungsbegriffs ziehen lassen.
1365 Harte/Henning/Harte-Bavendamm, UWG, § 17, Rn. 35; Gloy/Harte-Bavendamm, Hb. WR, § 77, Rn. 51; Wawrzinek, Verrat, 243f. 1366 Für § 404 AktG KK-AktG/Geilen, § 404, Rn. 57; Schmidt/Lutter/Oetker, AktG, § 404, Rn. 9; GK-AktG/Otto, § 404, Rn. 27. 1367 Erbs/Kohlhaas/Schaal, AktG, § 404, Rn. 19. 1368 So auch Wawrzinek, Verrat, 243.
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(cc) Teleologische Auslegung Da sich die Auslegung am Unrecht und am Rechtsgut der Norm orientieren sollte, versprechen meiner Meinung nach teleologische Aspekte mehr Aufschluss. Allerdings vermag auch hier nicht jedes Argument zu überzeugen. So wird die Ablehnung eines weiten Verwertungsbegriffs im Rahmen von § 85 GmbHG damit begründet, dass ideelle oder politische Nutzungen ausscheiden müssten, um nicht Verhaltensweisen ohne Strafwürdigkeit zu erfassen.1369 Dabei bleibt jedoch unklar, warum es bei nicht-wirtschaftlichen Nutzungen an der Strafwürdigkeit fehlen soll. Vor dem Hintergrund des Verwertungsunrechts (dazu oben im 2. Kapitel unter A. II. 3. e)) erscheint vielmehr das Gegenteil naheliegend. Wenn der zentrale Aspekt darin liegt, das inhaltsbezogene Potential des Geheimnisses zu einem selbstbestimmten Vorteil einzusetzen, so ist dieses Unrecht auch bei nicht-wirtschaftlichen Vorteilen verwirklicht. In eine ähnliche Richtung zielt die Argumentation,1370 dass das Nutzungspotential des Geheimnisses ebenfalls auf nicht-wirtschaftliche Weise ausgeschöpft werden könne. Auch der Perpetuierungsgedanke ist nicht abhängig von der Art der Nutzung. An das Unrecht der vorangegangenen Straftat knüpft ebenso derjenige an, der die Tat zur Förderung seiner eigenen nicht-wirtschaftlichen Zwecke ausnutzt. Da das Vermögen nicht das geschützte Rechtsgut ist (dazu oben im 2. Kapitel unter A. I. 5. a)), lässt sich eine Begrenzung auf wirtschaftliche Nutzungen auch nicht auf Basis einer am Rechtsgut orientierten Argumentation begründen. Maßgeblich sollte sein, ob das geschützte Rechtsgut, also je nach Ansicht das Geheimnis selbst, der Geheimbereich, das Integritätsinteresse des Geheimnisherrn oder die Dispositionsbefugnis, bei einer wirtschaftlichen Nutzung stärker beeinträchtigt ist. Jedoch sind die genannten Rechtsgüter auch bei einer nichtwirtschaftlichen Nutzung berührt. So ist zum Beispiel bei einer Veröffentlichung zu wissenschaftlichen Zwecken als Paradebeispiel für eine nicht-wirtschaftliche Nutzung das Geheimnis genauso betroffen wie die anderen in Erwägung gezogenen Rechtsgüter. Aus Sicht des Rechtsgutsträgers macht es keinen Unterschied, ob man eine Erfindung nicht mehr exklusiv nutzen kann, weil Dritte zur Erzielung eines wissenschaftlichen Nutzens in das Verfügungsrecht eingegriffen haben oder weil sie in ein Produkt umgesetzt worden ist. Ein ähnliches Bild ergibt sich bezüglich des Kollektivrechtsguts des Wettbewerbs. Dieses kann ebenfalls durch nicht-wirtschaftliche Nutzungen berührt sein. So können auch immaterielle Nutzungen insbesondere durch die Schwächung des betroffenen Wettbewerbsteilnehmers den Wettbewerb beeinflussen. Folglich spricht gerade 1369 Michalski/Dannecker, GmbHG, § 85, Rn. 52. 1370 Föbus, Insuffizienz, 174f.
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die Perspektive des geschützten Rechtsguts für die Einbeziehung immaterieller Vorteile in den Verwertungsbegriff. Mithin kann festgehalten werden, dass das spezifische Verwertungsunrecht und die durch § 17 UWG geschützten Rechtsgüter keinesfalls zu einer Begrenzung auf wirtschaftliche Nutzungen zwingen, sondern tendenziell ein großzügigeres Verständnis des Verwertungsbegriffs nahelegen1371. (dd) Ergebnis Wie die vorangegangenen Erwägungen zeigen, ist zweifelhaft, ob der Verwertungsbegriff des § 17 II Nr. 2 UWG auf wirtschaftliche Nutzungen begrenzt werden sollte. Eine Einbeziehung auch immaterieller Vorteile bringt das Verwertungsunrecht besser zum Ausdruck und folgt aus dem geschützten Rechtsgut. Selbst wenn man, wie hier vertreten, für ein Verwerten die Vorteilsziehung gerade aus dem Nutzungspotential des Geheimnisses verlangt, ist eine solche in den Steuerdatenfällen zumindest hinsichtlich der Steuereintreibung und der Strafverfolgung gegeben, jedenfalls dann, wenn man das Nutzungspotential so versteht wie hier (zum Erfordernis und Begriff des Nutzungspotentials oben im 2. Kapitel unter A. II. 3. e)). Schließlich wird bei der Bearbeitung der erlangten Daten gerade der Inhalt genutzt, um die Vorteile zu erzielen. Dass mit der Nutzung der Geheimnisse zur Generierung von Steuereinnahmen ein völlig anderes Ziel verfolgt wird als ursprünglich bei der Verwendung durch die Bank vorgesehen, ist, wie bereits dargestellt, unschädlich. Für die Amtsträgerstrafbarkeit stellt der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Nutzung letztendlich jedoch nicht die entscheidende Weichenstellung dar : Die folgende Erörterung der verschiedenen Aspekte, auf die ein Verwerten gestützt werden könnte, wird zeigen, dass es sich dabei entweder um wirtschaftliche Nutzungen handelt oder aber um Handlungen, aus denen sich überhaupt keine für § 17 II Nr. 2 UWG relevante Nutzziehung ergibt. (3) Verwertungsrelevante »Vorteile« im Einzelnen Wie bereits zu Beginn der Verwertungserörterung dargestellt, gibt es in den Steuerdatenfällen verschiedene Gesichtspunkte, an die möglicherweise ein Verwerten angeknüpft werden könnte.
1371 Aus den gerade dargelegten Gründen ergibt sich, dass eine Begrenzung auf gewerbliche Tätigkeiten, wie sie oben im Rahmen der Darstellung des Meinungsstands angedeutet worden ist, erst Recht nicht überzeugen kann.
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(a) Steuererhebung Dabei wird zunächst die Nutzung zur Steuererhebung1372 näher betrachtet. Selbst in der deutschen Politik wird teilweise von einem »Verwerten« der Daten zur Erzielung von Steuereinnahmen gesprochen,1373 wenngleich ohne konkreten Bezug zu § 17 UWG. Auch wenn der Streit um die Annahme des Verwertens zumeist an der Bedeutung der wirtschaftlichen Nutzung festgemacht wird,1374 verbirgt sich meines Erachtens ein anderes Problem hinter der Kontroverse. Dass Steuerzahlungen nicht nur beliebige Vorteile sind, sondern auch Einnahmen darstellen und damit grundsätzlich wirtschaftliche Relevanz entfalten,1375 dürfte auch von Kaiser und Sonn,1376 die eine wirtschaftliche Nutzung ablehnen, nicht wirklich bestritten werden. Die Steuern sind zentral für die Bestimmung der wirtschaftlichen Potenz eines Staats und somit für seine Leistungsfähigkeit. Damit stellen sie für den Staat genauso einen wirtschaftlichen Vorteil dar, wie es Einnahmen für Unternehmen tun. Wenn Kaiser argumentiert, dass es sich bei der Steuereintreibung um die Verfolgung öffentlicher Zwecke handele und somit eine wirtschaftliche Nutzung ausgeschlossen sei,1377 dürfte nicht der fehlende Einnahmecharakter im Zentrum stehen. Es scheint vielmehr eine Sonderbehandlung für öffentliche Zwecke gefordert zu werden. Ähnliches gilt für die Argumentation von Sonn, der den Zweck von Steuereinnahmen ausschließlich in der Herbeiführung einer einheitlichen Besteuerung sieht und eine wirtschaftliche Nutzung auf Grund der Verfolgung von Gemeinwohlbelangen ausschließt. Meiner Meinung nach wäre 1372 Eine daran anknüpfende Verwertung bejahend MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128; Zieschang, FS Scheuing, 794 (808), der aber die Normen des § 17 UWG in den Steuerdatenfällen auf Grund des Auslandsbezugs ablehnt; ähnlich wohl auch MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 106; ablehnend Kaiser, NStZ 2011, 383 (387f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 197. 1373 Vgl. die kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE zum Liechtenstein-Fall, BT-Drucks. 17/ 836, 2, Frage 9. 1374 Vgl. MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 128, der ein Verwerten durch Steuereintreibung und Strafverfolgung bejaht und dies mit dem fehlenden Erfordernis einer wirtschaftlichen Nutzung begründet; MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 106, die die Verfolgung von Erwerbszwecken verlangen; ein Verwerten mit Blick auf die fehlende wirtschaftliche Nutzung ablehnend hingegen Kaiser, NStZ 2011, 383 (387f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 197. 1375 Vgl. Klengel/Gans, ZRP 2013, 16, die, wie auch hier vertreten, Steuereinnahmen als »vermögenswerte Vorteile« qualifizieren, ein Verwerten im Ergebnis dennoch ablehnen, da nur der rechtmäßige Zustand hergestellt werde. 1376 Kaiser, NStZ 2011, 383 (387); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 197. 1377 Kaiser, NStZ 2011, 383 (387); vgl. auch Schünemann, StV 2003, 463 (466), der jenseits der Steuerdatenfälle eine Sonderstellung staatlicher Einnahmen mit Blick auf die Gemeinwohlorientierung zumindest für denkbar erachtet, da staatliche Einnahmen nicht zur Vermögensmehrung gedacht seien, sondern dem Bürger nutzen sollten, so dass sie zeitnah wieder ausgegeben würden. Auch dieser Aspekt ändert meines Erachtens nichts an der Zuordnung von Steuereinnahmen zum staatlichen Vermögen, da auch solche Bestandteile, die nicht dauerhaft im Vermögen verbleiben sollen, zunächst zum Vermögen zählen.
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zumindest eine nähere Begründung erforderlich, wenn man aus der Verfolgung öffentlicher Zwecke automatisch das Fehlen einer wirtschaftlichen Nutzung herleiten wollte. Zumindest als derartig pauschale Aussage erscheint die Annahme kaum haltbar. Der Staat und seine Untergliederungen verfolgen grundsätzlich bei ihrem gesamten Tun öffentliche Zwecke. Verkauft beispielsweise der Staat Beteiligungen an einem Unternehmen, so verfolgt er öffentliche Zwecke, indem er Einnahmen für den Staat generiert. Bei einem Verkauf von Beteiligungen durch Private würde man den Vorgang unproblematisch als wirtschaftliche Nutzung qualifizieren. Wenn aber der Verkauf von VW-Beteiligungen durch Private eine wirtschaftliche Nutzung ist, dann kann für das Land Niedersachsen keine andere Beurteilung gelten, nur weil durch den Verkauf Einnahmen für öffentliche Zwecke erzielt werden sollen und damit Gemeinwohlinteressen verfolgt werden, zumal bereits gezeigt worden ist, dass es für eine wirtschaftliche Nutzung lediglich auf den Vermögensbezug, hingegen nicht auf das Umfeld der Handlung ankommt. Bezogen auf den Tatbestand der Geheimnishehlerei lässt sich das Beispiel wie folgt präzisieren: Nutzt ein Unternehmen illegal erlangte Erkenntnisse eines Konkurrenzunternehmens zur Produktion, liegt unzweifelhaft ein Verwerten vor. Das ändert sich nicht dadurch, dass der Staat (Mit-)Eigentümer des Unternehmens ist und die gesteigerten Einnahmen damit letztendlich dem Gemeinwohl dienen. Diese Überlegungen zeigen, dass die Zielrichtung der Gemeinwohlorientierung die Annahme einer wirtschaftlichen Nutzung nicht ausschließt. Entgegen Sonn1378 steht bei der Steuereintreibung in den Steuerdatenfällen auch primär der Einnahmeerzielungsaspekt und nicht der Gedanke einer einheitlichen Besteuerung im Vordergrund. Der Staat erhebt Steuern, um finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben1379 und nicht damit eine einheitliche Besteuerung gewährleistet wird. Diese wäre auch bei einem Verzicht auf jegliche Steuern garantiert, was wohl kaum im Sinne eines funktionierenden Staatswesens sein kann. Die einheitliche Besteuerung ist, wie sich bereits aus Überschrift und Wortlaut von § 85 AO ergibt, nicht der Zweck der Steuererhebung, sondern lediglich ein dabei einzuhaltender Grundsatz.1380 Entsprechend dient die Ermittlung von Steuersündern zwar auch der Einhaltung dieses Grundsatzes, aber dennoch primär der Generierung von staatlichen Einnahmen. Auch bei der umstrittenen Rechtfertigung der Selbstanzeigeregelung wird zumeist auf den Einnahmegedanken verwiesen1381 und nicht auf die einheitliche Besteuerung. Folglich kann das Verwerten nicht durch das Leugnen 1378 1379 1380 1381
Sonn, Steuer-CD-Affäre, 197. Dazu BVerfGE 84, 239 (268); Spatscheck, FS Schiller, 608 (610). Vgl. auch BVerfGE 84, 239 (268f.). Rolletschke, SteuerstrafR, Rn. 546d, der zusätzlich noch auf die Rechtsprechung verweist, nach der die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit honoriert werden soll; Schmitz, FS Achenbach, 477 (483f.).
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einer Einnahmeerzielung verneint werden. Zudem ist es unschädlich, dass zum Erreichen der Einnahmen weitere Schritte (Zahlungswilligkeit und Zahlungsfähigkeit des Steuerschuldners, ggf. eine gerichtliche Bestätigung des Steuerbescheids1382) erforderlich sind, da, wie dargestellt, eine mittelbare Verursachung des Vorteils durch das Täterverhalten ausreicht und jedes auf den Vorteil abzielende Verhalten unter den Begriff des Verwertens fällt, während die tatsächliche Erzielung des Vorteils nicht verlangt wird1383. Meines Erachtens könnte man eine wirtschaftliche Nutzung allenfalls mit Blick auf die Art der konkreten staatlichen Tätigkeit verneinen. Insoweit könnte man auf die Steuereintreibung als hoheitliche Staatstätigkeit abstellen und die wirtschaftliche Nutzung ablehnen, da Steuereinnahmen auf hoheitliche Rechte und nicht auf die Teilnahme am Wirtschaftsleben zurückzuführen sind. Es könnte insoweit einen Unterschied machen, dass der Steueranspruch aus öffentlichem Recht folgt, während die im obigen Beispielsfall erwähnten Einnahmen zivilrechtlicher Natur sind. Doch ist bei der Präzisierung des Begriffs der wirtschaftlichen Nutzung gezeigt worden, dass das prägende Kriterium der Handlungszweck, das heißt die Erzielung von Vermögensvorteilen, und nicht das Umfeld der Handlung im Sinne einer Teilhabe am Wirtschaftsleben ist. Demnach ist konsequenterweise auch der hoheitliche Ursprung des Vermögensvorteils Steuern unschädlich, solange es sich um einen Vermögensvorteil handelt, was, wie eingangs festgestellt, zu bejahen ist. Wenn man staatliches Verhalten in den Tatbestand des § 17 UWG einbezieht (dazu oben im 2. Kapitel unter A. II. 2. g)), erscheint es meiner Meinung nach konsequent auch die Hauptquelle staatlicher Einnahmeerzielung, das heißt die Steuern, zu erfassen: Selbst wenn es auf den ersten Blick kühn klingen mag, besteht durchaus eine grundsätzliche Vergleichbarkeit zwischen dem Staat, der das Geschäftsgeheimnis »Steuerdaten« für seine »reguläre Einnahmeerzielung«, die Steuererhebung, einsetzt und dem Unternehmen, das ein Geheimnis für seine übliche Tätigkeit, beispielsweise die Produktherstellung oder im Bankenbereich die Entwicklung einer Anlagestrategie, einsetzt. So erscheint es aus der Perspektive des geschützten Individualrechtsguts sinnvoll, das Nutzen der Daten zur Steuererhebung als Verwerten anzusehen. Unzweifelhaft dürfte sein, dass es sich dabei um eine Nutzung des Geheimnisses handelt, die den Interessen des Geheimnisherrn als Rechtsgutsträger zuwiderläuft. Wie bereits herausgestellt (siehe im 2. Kapitel unter A. II. 3. e) cc)), verwirklicht eine den Interessen des Geheimnisherrn widersprechende Nutzung des Geheimnisinhalts zum selbst1382 Die gerichtliche Tätigkeit kommt jedoch für ein Verwerten nicht in Betracht (vgl. dazu die Erörterung der Strafverfolgung als verwertungsrelevanten Vorteil direkt anschließend in diesem Kapitel unter B. II.1. d) bb) (3) (b)). 1383 Zu den Grundsätzen des Verwertens Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 124; Wawrzinek, Verrat, 241.
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bestimmten Vorteil gerade das spezifische Unrecht des Verwertens, da damit das Recht des Geheimnisherrn zur ausschließlichen Nutzung beeinträchtigt wird. Demnach stellen auch Steuern trotz ihres öffentlich-rechtlichen Entstehungsgrunds einen Vermögensvorteil und damit einen wirtschaftlichen Nutzen dar. Anzumerken bleibt, dass man selbst dann zur Bejahung des auf die Steuergenerierung gestützten Verwertens gelangt, wenn man der hier vertretenen Argumentation zum Vorliegen einer wirtschaftlichen Nutzung nicht folgt, sofern man mit der vorzugswürdigen Ansicht ein Verwerten auch bei nichtwirtschaftlichen Vorteilen zulässt: Wenn ideelle und wissenschaftliche Vorteile erfasst sind, besteht kein Grund staatliche Vorteile unberücksichtigt zu lassen. Fraglich bleibt lediglich, wie sich der Umstand auswirkt, dass der Staat grundsätzlich einen Anspruch auf das Geld hat, ob man also von einem Verwerten sprechen kann, wenn das Verhalten der Amtsträger lediglich zu einem Nutzen führt, der dem Staat ohnehin zusteht. Wenn das Verhalten der Amtsträger nur darauf abzielt, diesen staatlichen Anspruch zu realisieren, könnte sich dieser Umstand auch für sie entlastend auswirken.1384 Man könnte das der Steuerbeschaffung dienende Verhalten somit nicht als Straftat, sondern als reguläre, der gleichmäßigen Besteuerung dienende Staatstätigkeit einordnen. Gegen eine Relevanz des zweifelsohne bestehenden Anspruchs zur Steuereintreibung spricht aber auch hier der Umstand, dass Opfer des § 17 UWG die Bank ist, der gegenüber weder ein Anspruch1385 auf Zahlung der Steuern ihrer Kunden noch auf Überlassung der zur Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Daten der Kunden besteht. Die Kundendaten sind, wie oben herausgearbeitet, im Zusammenhang von § 17 UWG dem Unternehmen zuzuordnen. Daher ist die Erlangung des Geheimnisses »Steuerdaten« und alles, was aus dieser Erlangung folgt, im Vergleich zur Bank ein Vorteil, der nicht durch einen »Anspruch« gegenüber dem Bankkunden legitimiert werden kann. Die Amtsträger nutzen das Geschäftsgeheimnis der Bank dem Willen des Geheimnisherrn zuwiderlaufend zur Verfolgung drittnütziger finanzieller Interessen und perpetuieren damit das durch die Vortat begangene Unrecht. Dagegen kann nicht angeführt werden, der Staat habe auf Grund seiner hoheitlichen Stellung ein Recht auch gegenüber den Banken, diese Daten zu erlangen. Dann hätte der Staat von die1384 So im Ergebnis angenommen von Klengel/Gans, ZRP 2013, 16. 1385 Selbst wenn man das Verhalten der Bankmitarbeiter als Teilnahme an der möglichen Steuerhinterziehung der Bankkunden werten würde, wofür wenig spricht (dazu siehe oben im 2. Kapitel unter A. I. 5. c) bb) (2) (f) (bb)), bestünde eine Haftung für die Steuerschuld nur für den Bankmitarbeiter als Teilnehmer (§ 71 AO), nicht jedoch für die Bank. Anders als von Heine, FS Roxin 80, 1087 (1093f.) angedeutet, ändert sich an diesem Ergebnis auch dann nichts, wenn der Bank ein Vorwurf nach § 30 oder § 130 OWiG gemacht werden kann, da § 71 AO nur auf die Teilnahme im engeren Sinne abstellt (vgl. dazu die Aufzählung bei Tipke/Loose, AO, § 71 AO, Rn. 6).
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sem Recht Gebrauch machen müssen. Er ist aber nun mal nicht auf dem prozessualen Wege oder unter Einbeziehung internationaler Rechtshilfeabkommen vorgegangen, sondern hat mit Straftätern1386 kooperiert. Dass der reguläre prozessuale Weg in derartigen Fällen wenig erfolgsversprechend ist, führt nicht zu einem staatlichen Sonderrecht für ein solches Vorgehen, welches ein Verwerten ausschlösse. Bei einer anderen Betrachtung würde man einen staatlichen Sonderweg zulassen, der auch bei anderen Tatbeständen zu Recht nicht beschritten wird. So bleibt die Androhung von Folter zumindest tatbestandlich eine Nötigung, auch wenn sie der einzige Weg ist, ein Menschenleben zu retten. Festgehalten werden kann folglich, dass der grundsätzlich bestehende Anspruch des Staats auf die Zahlung der Steuern die Annahme des Verwertens nicht hindert. Mithin liegt durch die Nutzung des Geschäftsgeheimnisses »Steuerdaten« zur Generierung von Steuereinnahmen ein Verwerten vor. (b) Strafverfolgung und durch Strafverfolgung generierte Geldeinnahmen In der bisherigen Erörterung der Steuerdatenfälle wird die Strafverfolgung als solche teilweise nicht als verwertungsrelevanter Vorteil gesehen.1387 Dabei wird jedoch mitunter zwischen der bloßen Strafverfolgung und den dadurch generierten Geldeinnahmen differenziert und ein Verwerten bezogen auf die erzielten Einnahmen durchaus bejaht.1388 Hier könnte sich mithin der eingangs erörterte Streit um eine mögliche Begrenzung auf materielle Vorteile auswirken. Meines Erachtens ergibt sich jedoch bereits für mögliche Geldeinnahmen im Rahmen der Strafverfolgung eine andere Betrachtung als für Steuereinnahmen. Anders als bei der Steuereintreibung stehen bei der Strafverfolgung nicht primär Finanzierungsfragen, die Einnahmengenerierung oder andere Vorteile im Vordergrund, so dass die Situation bei der Strafverfolgung schon von vornherein keine Vergleichbarkeit mit den für § 17 UWG typischen Unternehmensfällen bietet. Die Strafverfolgung erfolgt weder zur Einnahmeerzielung noch zu irgendeiner anderen eigenen (materiellen oder immateriellen) Vorteilserzielung, 1386 Unabhängig von der hier erörterten Sachlage nach deutschem Strafrecht besteht zumindest eine Strafbarkeit des Bankmitarbeiters nach dem Recht des Staats, in dem die Bank ansässig ist, zur dortigen Rechtslage Gössel, FS Puppe, 1377 (1384f.); Heine, ASA 2010/ 2011, 525 (528ff.); ders., FS Roxin 80, 1087 (1088ff.); Jahn, FS Stöckel, 259 (281); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (782f.); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1272f.); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (302f.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186f.; Schünemann, GA 2008, 314 (328); Sieber, NJW 2008, 881; Spatscheck, FS Volk, 771 (779); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (438f.); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (23ff.). 1387 MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 106; Kaiser, NStZ 2011, 383 (387); a. A. MK-UWG/ Brammsen, § 17, Rn. 128. 1388 Angedeutet bei MK/Janssen/Maluga, UWG, § 17, Rn. 106.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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sondern zur Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs vor dem Hintergrund des Rechtsgüterschutzes1389. Die Strafverfolgung ist daher vielmehr eine »neutrale« Tätigkeit, der kein nutzziehendes Element, wie es für das Verwerten charakteristisch ist, innewohnt. Es handelt sich somit um eine genuin staatliche Materie, zu der im Wirtschaftsleben keine Entsprechung materieller oder immaterieller Art zu finden ist. Die Unterschiede zwischen Steuereintreibung und Strafverfolgung bestehen in einem weiteren Punkt: Die Steuereinnahmen ergeben sich aus der Bearbeitung der erlangten Informationen durch die dafür zuständigen Amtsträger. Selbst wenn verschiedene Stellen daran beteiligt sind, so beschränkt sich der Weg bis zum Erlass des Steuerbescheids doch auf die Exekutive. Eine dem Bankkunden auferlegte, der Staatskasse zu Gute kommende Geldstrafe ergibt sich hingegen nicht aus der Bearbeitung der Steuerdaten, sondern durch das eigenständige und unabhängige Urteil eines Gerichts, das an der Beschaffung und Bearbeitung der Daten vollkommen unbeteiligt ist und dessen Tätigkeit der Rechtsprechung anstatt der Vorteilsziehung dient. Selbst wenn das Gericht bei der Urteilsfindung auf die Steuerdaten zurückgreift, ist dies mithin kein Verwerten, da die ursprüngliche Unrechtskette der Datenauswertung durch das eigenverantwortliche Dazwischentreten des Richters unterbrochen worden ist. Der Richter entscheidet und bewertet eigenständig und unabhängig von den an der Datenauswertung beteiligten Behörden.1390 Damit unterbricht er die fortgesetzte in der Bearbeitung zu steuerlichen Zwecken liegende Unrechtskette. Ein richterliches Urteil dient der Realisierung des staatlichen Strafanspruchs und nicht der Einnahmeerzielung, so dass es nicht als Teil des ursprünglichen Unrechts der Datenauswertung angesehen werden kann.1391 Daran zeigt sich, dass die strafgerichtliche Bewertung der Vorgänge eine selbständige Handlungskette ist und somit die Folgen der strafrechtlichen Bewertung kein Produkt der ursprünglichen Datenauswertung sind. Gleiches gilt für eine mögliche steuergerichtliche Entscheidung hinsichtlich der zu zahlenden Steuern. Auch dabei handelt es sich um eine Unterbrechung des ursprünglich durch die Datenbearbeitung begonnenen Unrechts, so dass auch diesbezüglich eine Verwertungshandlung ausscheiden muss. Zwar kann die steuergerichtliche Entscheidung dazu führen, dass Steuern, das heißt verwertungsrelevante Vorteile, zu 1389 Zum Zweck der Strafverfolgung BVerfGE 57, 250 (275). 1390 Vgl. zur besonderen Rolle der Gerichte in anderem Zusammenhang Kühne, GA 2010, 275 (285). 1391 Vgl. BGHSt 3, 110 (114) zur Unrechtsdurchbrechung kraft gerichtlicher Urteile. Insofern liegt meines Erachtens auch eine völlig andere Konstellation vor als bei der Fallgruppe des Prozessbetrugs, bei der das Gericht anders als hier auf Grund der Täuschung intrumentalisiert wird und nicht auf Basis einer vollständigen Sachverhaltskenntnis entscheiden kann.
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zahlen sind, doch dient auch die Steuergerichtsbarkeit als neutrale Tätigkeit der Rechtsprechung und nicht der Staatsfinanzierung. Für die hier vertretene Differenzierung zwischen Steuereinnahmen und Einnahmen aus der Strafverfolgung spricht auch die im Rahmen von § 263 StGB überwiegend vertretene Ansicht,1392 Geldzahlungen, die zur Sanktionierung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit verhängt worden sind, auf Grund ihrer repressiven Zwecksetzung und der besonderen Funktion im Rechtsstaat nicht dem staatlichen Vermögen zuzuordnen, während das Steueraufkommen zum staatlichen Vermögen1393 gerechnet wird. Folglich stellen schon die der Strafverfolgung entspringenden Einnahmen keinen verwertungsrelevanten Vorteil dar. Die Verneinung des Verwertens gilt somit erst Recht für die Strafverfolgung als solche. (c) Einnahmen aus Selbstanzeigen Die bisherigen Fälle des Ankaufs von Steuerdaten haben gezeigt, dass in Folge des Bekanntwerdens eines Ankaufs jeweils eine Flut von Selbstanzeigen bei den Behörden eingeht.1394 Dabei besteht häufig kein Zusammenhang zwischen den Kunden, zu denen den staatlichen Stellen tatsächlich Daten vorliegen, und den Steuerpflichtigen, die von einer Selbstanzeige Gebrauch machen. Die Selbstanzeigen beruhen auf der Angst vor Entdeckung, da trotz Bekanntwerdens des Datenkaufs regelmäßig unklar bleibt, welches Bankhaus und insbesondere welche Kunden betroffen sind. Im Rahmen der Voraussetzungen der Selbstanzeige sind von dem Steuerpflichtigen die Steuern nachzuzahlen (§ 371 III AO) sowie die entsprechenden Zinsen zu entrichten (§ 235 AO). Somit ist zu erörtern, ob es sich bei den dadurch erzielten staatlichen Einnahmen um (wirtschaftliche) Vorteile im Sinne des Verwertungsbegriffs handelt. Der Unterschied zu den vorangehend behandelten Aspekten ergibt sich daraus, dass hier nicht die angekauften Daten als solche genutzt werden. Die Einnahmen beruhen lediglich auf dem Umstand, dass der Ankauf nicht näher bezeichneter Daten publik wird. Hierin liegt meines Erachtens kein Verwerten der Steuerdaten. Die Konstellation ähnelt der im Rahmen der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters bei der Abgrenzung von Mitteilung und Verwertung erwähnten Fallgruppe der Drohung mit Veröffentlichung eines Geheimnisses. Im Verlauf der dortigen Erörterung ist begründet worden, warum in solchen Fällen ein Verwerten abzulehnen ist: Dort 1392 BGHSt 38, 345 (351f.); OLG Karlsruhe, NStZ 1990, 282; BayObLG, JR 1991, 433f.; Fischer, § 263, Rn. 99; LK/Tiedemann, § 263, Rn. 145; Rengier, BT I, § 13, Rn. 126; kritisch Jänicke, Gerichtliche Entscheidungen, 401ff.; Otto, BT, § 51, Rn. 83. 1393 Rolletschke, Steuerstrafrecht, Rn. 3. 1394 Zum Anstieg der Selbstanzeigen Mückenberger/Iannone, NJW 2012, 3481; Schauerte, Steuer-CDs, 33f., insbesondere zur wirtschaftswissenschaftlichen Erklärung für den Anstieg der Selbstanzeigen.
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wird der Vorteil nicht aus dem Inhalt des Geheimnisses erzielt. Genauso verhält es sich mit den Einnahmen aus Selbstanzeigen. Die Selbstanzeigen sind motiviert durch das Bekanntwerden eines Geheimnisverlusts und der Angst vor den Folgen einer Nutzung des Geheimnisses durch die staatlichen Stellen. Darin liegt aber gerade kein Bezug zu dem Inhalt des tatsächlich entwendeten und genutzten Geheimnisses. Die staatlichen Stellen könnten den gleichen Nutzen erzielen, wenn sie lediglich behaupten würden, erneut eine Datensammlung angekauft zu haben, ohne es jedoch tatsächlich getan zu haben. Dies zeigt die Irrelevanz des konkreten Geheimnisses für die Einnahmen aus Selbstanzeigen, so dass dabei nicht von einer Nutzziehung aus dem Geheimnis gesprochen werden kann. Der Nutzen entsteht allenfalls im Zusammenhang mit dem Geheimnis. Bezogen auf die Selbstanzeigen und auf die daraus fließenden Einnahmen kann folglich festgehalten werden, dass die Veröffentlichung eines erneuten CD-Ankaufs und die infolgedessen erhaltenen Einnahmen aus Selbstanzeigen für den Staat zwar ein gutes Geschäft darstellen, jedoch nicht zu einem Verwerten im Sinne des § 17 II Nr. 2 UWG führen. (d) Zwischenbehördliche Erstattungszahlungen Teilweise wird eine Verwertung in der Vereinbarung gesehen, dass die Finanzbehörden dem BND den Kaufpreis erstatten.1395 Dass die Erstattung eine wirtschaftliche Nutzung oder überhaupt eine Nutzung im Sinne des Verwertungsbegriffs ist, erscheint meines Erachtens jedoch höchst zweifelhaft. Wie bereits dargelegt, ist das Erstreben eines Vorteils entscheidend für das Verwerten. Das impliziert das Anstreben einer tatsächlichen Besserstellung im Vergleich zur Situation vor der Verwertungshandlung. Wenn man nur das zurück erhält, was man vorher ausgelegt hat, ist das kein Vorteil, sondern allenfalls das Ausbleiben eines Nachteils. Auch bringt die Annahme zurückgezahlten Geldes keine Verfolgung eigener Interessen, wie sie für das Verwertungsunrecht typisch ist, zum Ausdruck. Das bloße Hin- und Herzahlen innerhalb der staatlichen Strukturen führt zudem weder zu einer erneuten Beeinträchtigung des Individualrechtsguts des Geheimnisherrn noch zu einer Berührung des Wettbewerbs. Ein Verwerten kann folglich nicht auf zwischenbehördliche Kaufpreiserstattungen gestützt werden. (e) Innerstaatliche Geldflüsse Anders ist der Sachverhalt indes zu beurteilen, wenn der »Erstattungsvorgang« ein eigener Weiterverkauf ist und es sich damit nicht um eine Erstattung des vorgestreckten Kaufpreises, sondern um die Gegenleistung für die Überlassung der Daten handelt. 1395 Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664) ohne nähere Begründung.
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Das ist bezogen auf den Sachverhalt, bei dem der BND involviert gewesen ist, höchst unwahrscheinlich. So vermittelt zumindest die staatlicherseits erfolgte Darstellung des Sachverhalts den Eindruck, dass der BND ausschließlich als Mittler aufgetreten ist und die Kosten nur vorgestreckt hat. Anders verhält es sich jedoch mit einer verwandten Konstellation, die in diesem Zusammenhang bisher nicht untersucht worden ist: Gerade zu Beginn der neueren Ankaufswelle fehlte es an einem koordinierten Vorgehen zwischen dem Bund und den einzelnen Bundesländern, so dass ein Bundesland die Daten angekauft hat, während nach dem Ankauf andere Bundesländer ihr Interesse an der CD bekundet haben und angeboten haben, sich gegen Überlassung der Daten am Kaufpreis zu beteiligen.1396 Tatsächlich ist der Datenankauf zum Zeitpunkt des Angebots in diesen Fällen abgeschlossen gewesen.1397 Somit liegt keine Beteiligung an der ursprünglichen Finanzierung vor. Vielmehr handelt es sich um eine Überlassung der Daten gegen Entgelt. Die Überlassung der Daten an weitere Bundesländer gegen Geldzahlung ist daher ein schlichter Verkauf der Daten. Dass es sich bei Verkaufshandlungen mit Bezug zu einem konkreten Geheimnis um ein Verwerten handelt, ist im Rahmen der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters bereits begründet worden. Diesbezüglich weist die Weitergabe von Bundesland zu Bundesland keine Unterschiede auf: In beiden Fällen werden inkriminierte Daten gegen Entgelt überlassen. Der Verkäufer profitiert von den Daten, indem er fremde Informationen zur Erzielung eigener Einnahmen nutzt. Folglich kann eine zwischenbehördliche Zahlung oder eine solche zwischen verschiedenen Gebietskörperschaften durchaus ein Verwerten begründen (Ein Mitteilen liegt daneben vor.). Erforderlich dafür ist aber stets, dass es sich nicht um einen bloßen Geldfluss, sondern um die Gegenleistung für die Überlassung des Geheimnisses, das heißt der Steuerdaten, handelt. (f ) Zwischenergebnis: Verwerten in den Steuerdatenfällen Als verwertungsrelevante Vorteile kommen jedenfalls die Steuereinnahmen in Betracht. Zudem kann an Zahlungen anderer Bundesländer angeknüpft werden, sofern diese Zahlungen eine Gegenleistung für die Überlassung der Daten darstellen. Auf die Verhängung von Strafen, die Strafverfolgung oder die Einnahmen aus Selbstanzeigen kann ein Verwerten hingegen ebensowenig gestützt werden wie auf zwischenbehördliche Erstattungen. 1396 Vgl. dazu einige der im 1. Kapitel unter B. I. 6. und 7. zusammengefassten Sachverhalte, bei denen zumindest unklar ist, wann das Angebot anderer Bundesländer zur Kostenbeteiligung erfolgt ist. 1397 Diese Konstellation ist nicht zu verwechseln mit den Fällen, in denen die Datensammlung gemeinsam angekauft wird oder auf Basis eines anfänglichen gemeinsamen Entschlusses mit Finanzierungsplan und Kostenaufteilung ein Bundesland mit dem Kauf für alle beauftragt wird.
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cc) Zwischenergebnis: Tathandlung Bei der Bearbeitung der angekauften Steuerdaten durch die deutschen Amtsträger wird das Geschäftsgeheimnis »Steuerdaten« sowohl mitgeteilt als auch verwertet. Angeknüpft werden kann hinsichtlich des Verwertens zum einen an all diejenigen Handlungen der involvierten Amtsträger, die im Ergebnis dazu führen, dass ein Steuerbescheid erlassen und daraufhin Steuereinnahmen erzielt werden. Zum anderen liegt auch in der entgeltlichen Überlassung der Daten an andere Bundesländer ein Verwerten. e) Unbefugtheit Bei der Unbefugtheit des Mitteilens beziehungsweise Verwertens handelt es sich nach herrschender Meinung um einen bloßen Hinweis auf das allgemeine Rechtfertigungsmerkmal.1398 Daher kann auf die Erörterung unter B. verwiesen werden. Auch der Umstand, dass der deutsche Staat grundsätzlich einen Anspruch auf die steuerlich relevanten Informationen hat, lässt aus den gleichen Gründen, die bereits hinsichtlich des Bankmitarbeiters genannt worden sind, die Unbefugtheit nicht entfallen. f) Besondere subjektive Merkmale Bezogen auf die Motivationslage der Amtsträger werden einige Merkmale diskutiert. Mitunter wird das vermeintlich offensichtliche Fehlen der subjektiven Merkmale zum Anlass genommen, einer Strafbarkeit wegen Geheimnishehlerei von vornherein nicht viel Raum einzuräumen.1399 Die nachfolgenden Erörterungen werden jedoch zeigen, dass die subjektiven Merkmale kein Hinderungsgrund für die Annahme einer Strafbarkeit sind. aa) Schädigungsabsicht Wenn in der Erörterung der Steuerdatenfälle angenommen wird,1400 die Bank und die Bankkunden seien Geschädigte im Sinne des Gesetzes, so scheint dies die Annahme einer Schädigungsabsicht nahezulegen, da ein möglicher Schaden im Rahmen von § 17 UWG lediglich in diesem Zusammenhang relevant ist. Dazu ist zunächst festzustellen, dass eine Schädigung der Kunden nach dem klaren Wortlaut der Norm (»Absicht, dem Inhaber des Unternehmens Schaden zuzufügen«) irrelevant ist. Da es für die Schädigungsabsicht entscheidend ist, dass es dem Täter gerade auf die Schädigung des Unternehmens ankommt,1401 ist die Schädigungsabsicht nur dann zu bejahen, wenn eine Schädigung der Bankun1398 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 133; GK-UWG/Wolters, § 17, Rn. 114; Hellmann/Beckemper, WStR, Rn. 520; Mühlbauer, wistra 2003, 244 (247); Wawrzinek, Verrrat, 244. 1399 So Sonn, Steuer-CD-Affäre, 197f. 1400 So von Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118). 1401 Piper/Ohly, UWG, § 17, Rn. 25.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
ternehmen gerade Motiv des Amtsträgers ist. Nachteile der Banken sind keine zwingenden Zwischenschritte auf dem Weg zur Überführung der Steuersünder, sondern treten allenfalls als Folge der Datenbearbeitung und Strafverfolgung ein. Somit lässt sich die Absicht nicht über die Konstruktion des notwendigen Zwischenziels begründen. Da eine Schädigung der Banken für die wenigstens Amtsträger handlungsleitend sein dürfte, kann festgestellt werden, dass eine Schädigungsabsicht nur selten vorliegen wird.1402 Etwas anderes kommt insbesondere in Betracht, wenn durch Auswertung und Weitergabe gerade des speziellen Materials über die Arbeitsweisen der Banken die Position der Banken gezielt geschwächt werden soll. bb) Handeln aus Eigennutz Teilweise wird ein Handeln aus Eigennutz bejaht.1403 Nach der Gegenansicht soll dieses ausscheiden, da die Amtsträger durch die Förderung der Steuereintreibung im Dienste der Allgemeinheit handelten.1404 Auch wenn ein Handeln aus Eigennutz meines Erachtens abzulehnen ist, erscheint mir doch die Begründung äußerst zweifelhaft: Entscheidend ist nicht, dass durch das Handeln Allgemeinwohlinteressen gefördert werden. Entscheidend sind die Beweggründe der Amtsträger. Mithin kann eine eigennützige Motivation nicht mit einem pauschalen Verweis auf die Allgemeinwohlförderung ausgeschlossen werden. Dennoch handeln die Amtsträger nicht aus Eigennutz, da ihnen selbst aus der Bearbeitung der Kundendaten und der Steuereintreibung kein Vorteil entsteht. Zwar reicht es aus, dass der eigentliche Vorteil unmittelbar einem Dritten zu Gute kommt, solange der Täter mittelbar einen eigenen Vorteil daraus ziehen kann.1405 Doch hier fehlt es an einem eigenen Vorteil des Amtsträgers. Schließlich verfügt die öffentliche Hand nicht über ein Bonussystem mit extra Entlohnung für jeden überführten Steuersünder.1406 Wer aus dem Vorteil des deutschen Fiskus auf ein eigennütziges Handeln der Beamten schließt,1407 setzt in fehlerhafter Weise Amtsträger und Staat gleich. Es steht schließlich nicht eine Strafbarkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Diskussion, da diese sich als Körperschaft gar nicht strafbar machen kann. Abgestellt werden muss auf das Handeln von Individualpersonen – sowohl für die Strafbarkeitsprüfung als solche als auch bei der Beurteilung des Eigennutzes. Schließlich bezieht sich der Eigennutz immer auf den handelnden Täter. Daher sollte nur in Ausnahmefällen 1402 1403 1404 1405 1406 1407
Im Ergebnis genauso Kaiser, NStZ 2011, 383 (388), wenngleich ohne nähere Begründung. Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157). Kaiser, NStZ 2011, 383 (387f.). Arians, in: Schutz des Betriebsgeheimnisses, 307 (360); Pfeiffer, FS Nirk, 861 (877). In diesem Sinne auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 198. Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157): »Fiskus verwertet aus Eigennutz…«.
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ein Handeln aus Eigennutz bejaht werden. Ein solcher Ausnahmefall ist beispielsweise denkbar, wenn ein Amtsträger sich durch ein entschiedenes Vorgehen in den Datenankaufsfällen eine entscheidende Förderung seiner Karrierre verspricht, da das Erstreben einer starken Stellung im Arbeitsleben1408 für die Annahme von Eigennutz ausreicht. Im Normalfall verbleibt es jedoch bei der Verneinung des Eigennutzes. cc) Handeln zu Gunsten Dritter Der Staat, das heißt die Bundesrepublik Deutschland, hat jedoch durch die Datenauswertung und Datenweitergabe die Möglichkeit, Steuern einzutreiben, die andernfalls nur schwer einzutreiben gewesen wären. Ferner führt die entgeltliche Weitergabe der Daten an andere Staaten / Bundesländer ebenso zu Einnahmen auf der staatlichen Seite wie die im weiteren Verlauf der Datenbearbeitung tatsächlich eintretenden Steuerzahlungen. Mithin spricht viel für ein Handeln zu Gunsten Dritter.1409 Dieses liegt vor, wenn das Ziel des Täters in einer materiellen oder immateriellen Besserstellung des Dritten liegt.1410 Anerkanntermaßen können auch Institutionen unter den Begriff des Dritten fallen.1411 Auch wenn in den Motiven zur Einführung des Handelns zu Gunsten Dritter stets hervorgehoben wird, Ziel sei insbesondere die Erfassung der Förderung fremdstaatlicher Belange,1412 ist kein Grund ersichtlich, warum nicht auch die Begünstigung des eigenen Staats darunter fallen sollte. Zumindest einige Amtsträger, die im Bereich der Steuerfahndung tätig sind, dürften gerade darauf abzielen, Steuersünder zu überführen und dem Staat Einnahmen zu verschaffen. Selbst dem Amtsträger, dem die staatliche Besserstellung gleichgültig ist und der lediglich seine Arbeit erledigen möchte, kommt es auf die Begünstigung des Staats an.1413 Schließlich ist die Erzielung der staatlichen Einnahmen zwangsläufig mit der Pflichterfüllung der Amtsträger verknüpft. Für die Details der Begründung kann auf die Ausführungen zum Vorliegen der Bereicherungsabsicht im Rahmen der BDSG-Delikte (in diesem 1408 AG Saarbrücken, wistra 1991, 318 (319); Wawrzinek, Verrat, 191. 1409 So auch Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323f.), jedoch ohne nähere Begründung. 1410 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 132, 53; Wabnitz/Janovsky/Möhrenschlager, HWSt, Kap. 15, Rn. 17; Schlötter, Abwerbung, 154; Wawrzinek, Verrat, 192, 244. 1411 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 132, 53. 1412 BT-Drucks. 8/2145, 28; 9/1707, 30; 10/5058, 40; Erbs/Kohlhaas/Diemer, UWG, § 17, Rn. 31; Fezer/Rengier, LauterkeitsR, § 17, Rn. 43; Aldoney, Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, 99, 115, 125; Gamm, WR, Kap. 50, Rn. 2, 33; Wawrzinek, Verrat, 61, 192, 244. 1413 Anders MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 74, der die ordnungsgemäße Pflichterfüllung als einzige Motivation der Amtsträger betrachtet und die staatlichen Steuereinnahmen auch nicht als miterfasstes (Zwischen)ziel oder notwendige Hauptfolge einordnet. Zwar erörtert Brammsen nur den Ankauf als solchen, doch dürfte seine Argumentation auf die Nutzung übertragen werden können.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Kapitel unter B. I. 4. c) bb)) verwiesen werden. Die Bedeutung, die die Aufdeckung von Steuerhinterziehungen für die Arbeit des Amtsträgers hat, ist folglich für die Qualifizierung als Handeln zu Gunsten Dritter nicht zentral. Ein Handeln zu Gunsten Dritter ist mithin grundsätzlich zu bejahen. Allerdings stellt sich die Frage, ob ein Vorteil auch dann vorliegt, wenn, wie im vorliegenden Fall hinsichtlich der Steuern, der Begünstigte ohnehin einen Anspruch darauf hätte. Diesbezüglich könnte man argumentieren, dass der Fiskus nur die Steuereinnahmen erhält, die ihm ohnehin zustehen und bisher vorenthalten worden sind. Eine solche Argumentation kann meines Erachtens jedoch nicht überzeugen. Erstens besteht in Gestalt der Dateien unzweifelhaft ein Vorteil in tatsächlicher Hinsicht. Die Staaten mögen schon vor dem Datenankauf ein Recht auf die Steuern gehabt haben, realisieren konnten sie es eindeutig nicht, sonst hätten sie die Daten wohl kaum erworben. Zudem ist auch hier wieder zu beachten, dass der Staat durch die Datenbeschaffung »Ansprüche« gegenüber den Bankkunden realisiert. Diese Ansprüche geben ihm jedoch, wie bereits an anderen Stellen ausgeführt, nicht das Recht, Geheimnisse Dritter, das heißt der Bankunternehmen zu verletzen. Daher führt der staatliche Anspruch auf die Steuern nicht dazu, dass für die Amtsträger ein Handeln zu Gunsten Dritter entfällt. Auch die Verfolgung von Gemeinwohlzwecken vermag ein Handeln zu Gunsten Dritter aus den Aspekten, die bereits bei der Parallelproblematik im Rahmen des Verwertens angesprochen worden sind, nicht auszuschließen.1414 Fraglich könnte allenfalls noch sein, ob der für den deutschen Staat handelnde Amtsträger nicht auf Seiten des Staats zu verorten ist und somit der Staat im Verhältnis zu dem Amtsträger nicht als Dritter gesehen werden kann.1415 Für eine solche Überlegung spricht jedoch wenig. So ist bei der Frage des Eigennutzes bereits dargestellt worden, dass sich der dortige Nutzen stets auf denjenigen beziehen muss, dessen Handeln strafrechtlich bewertet wird. Dann ist aber Dritter jeder andere. Meines Erachtens liegt ein Handeln zu Gunsten Dritter daher vor. Jedenfalls müsste man aber auch bei einer Betrachtung von Staat und Amtsträger als Einheit zum Vorliegen eines subjektiven Merkmals kommen, da dann bei konsequenter Anwendung dieser These der Amtsträger aus Eigennutz handelt. Eigennutz abzulehnen, weil nur staatliche Vorteile vorliegen, und gleichzeitig ein drittnütziges Handeln mit Blick auf die Einheit von Staat und Amtsträger zu verneinen,1416 ist ein Widerspruch: Entweder sind Staat und Amtsträger als Ganzes zu betrachten oder der Staat ist im Verhältnis zum 1414 Anders aber Kaiser, NStZ 2011, 383 (387f.); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (17); Sonn, SteuerCD-Affäre, 198. 1415 So Sonn, Steuer-CD-Affäre, 198. 1416 So Sonn, Steuer-CD-Affäre, 198.
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Amtsträger Dritter. Festgehalten werden kann daher abschließend, dass ein subjektives Merkmal vorliegt. dd) Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs Ein Handeln der Amtsträger zu Zwecken des Wettbewerbs1417 kommt aus den gleichen Gründen, die für den Bankmitarbeiter herausgearbeitet worden sind, grundsätzlich nicht in Betracht: Einflüsse aus dem Wettbewerb sind allenfalls eine Nebenfolge aus den Geschehnissen und dürften für die wenigsten Amtsträger handlungsleitend sein. ee) Zwischenergebnis: Besondere subjektive Merkmale Die Erörterung der subjektiven Merkmale hat gezeigt, dass drei der vier besonderen subjektiven Merkmale nur sehr selten vorlegen werden. Jedoch liegt ein Handeln der Amtsträger zu Gunsten Dritter vor. Daher sind die subjektiven Erfordernisse des § 17 UWG entgegen anderer Ansicht1418 kein Grund, eine Strafbarkeit der Amtsträger zu verneinen. g) Strafzumessung: Besonders schwere Fälle Es könnte zudem ein besonders schwerer Fall der Geheimnishehlerei vorliegen. aa) Gewerbsmäßigkeit (§ 17 IV Nr. 1 UWG) Das Handeln der Amtsträger könnte das Regelbeispiel der Gewerbsmäßigkeit verwirklichen. Gewerbsmäßiges Handeln liegt vor, wenn durch wiederholte Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschafft werden soll, wobei bereits die erste Tat bei der Absicht weiterer Tatbegehungen für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit ausreicht.1419 Der Ankauf der Datensammlungen bietet dem deutschen Staat eine zumindest nicht völlig unerhebliche Einnahmequelle. In Anbetracht der Häufung der Fälle wirkt gewerbsmäßiges Handeln durchaus naheliegend. Schließlich liegt dadurch die Absicht der Einnahmeerzielung durch fortgesetzte Tatbegehung vor. Nach ganz überwiegend vertretener Meinung ist es nicht erforderlich, dass die Taten die Haupteinnahmequelle darstellen, sofern es sich nur um eine nicht völlig unbedeutende Geldquelle handelt.1420 Somit steht auch der Umstand, dass die erzielten Einnahmen verglichen mit dem Gesamtvolumen nur 1417 Abgelehnt, wenngleich ohne Begründung, auch von Kaiser, NStZ 2011, 383 (388). 1418 Kaiser, NStZ 2011, 383 (387f.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 197f.; vgl. auch MK-UWG/ Brammsen, § 17, Rn. 73f.; der ebenfalls die subjektiven Merkmale des § 17 UWG hinsichtlich der Amtsträger verneint, allerdings nur den Ankauf als solchen erörtert. 1419 BGH, NStZ 1995, 85; StraFo 2010, 75. 1420 MK/Schmitz, § 243, Rn. 40; LK/Vogel, § 243, Rn. 36; Krummacher, Qualifikation, 129.
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einen geringen Teil der staatlichen Finanzmittel ausmachen, der Annahme der Gewerbsmäßigkeit nicht entgegen. Für ein gewerbsmäßiges Handeln kommt es nicht auf die Art der Einnahmeerzielung an. Die eigene Nutzung ist ausreichend, so dass eine Weiterveräußerung nicht erforderlich ist.1421 Damit kommt gewerbsmäßiges Handeln auch in Betracht, wenn die Einnahmen durch die Steuererhebung infolge der Datenauswertung erzielt werden. Jedoch weisen die Steuerdatenfälle mehrere Besonderheiten auf, die nachfolgend auf ihre Auswirkungen hin untersucht werden. (1) Bezug zur Staatstätigkeit Dass vorliegend das Verhalten von Amtsträgern und die Erzielung staatlicher Einnahmen Gegenstand der Erörterung sind, steht der Annahme von Gewerbsmäßigkeit meines Erachtens nicht grundsätzlich entgegen: Wenn, wie im Rahmen der Ablehnung einer teleologischen Reduktion gezeigt, § 17 UWG auch auf Handlungen mit staatlichem Hintergrund anzuwenden ist, muss dies konsequenterweise auch für das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit gelten. Dies gilt insbesondere für Sachverhalte, bei denen in Gestalt der Steuereintreibung der Kernbereich staatlicher Einnahmeerzielung berührt ist und damit für die hier erörterten Steuerdatenfälle. (2) Staatlicher Anspruch auf die Einnahmen Auch hat ein staatlicher Anspruch auf die Steuern, wie bereits bei der Frage des Handelns zu Gunsten Dritter dargelegt, keinen Einfluss auf die Beurteilung der Gewerbsmäßigkeit: Die Einnahmen werden erzielt aus Geheimnisverletzungen zum Nachteil der Bankunternehmen, denen gegenüber kein Anspruch auf die Steuern besteht. Die Durchsetzung eigener Ansprüche berechtigt nicht zur Verletzung von Rechtsgütern Dritter. Mithin kann das Recht des Staats zur Eintreibung seiner Steuern das gewerbsmäßige Handeln nicht ausschließen. (3) Strafgrund der Gewerbsmäßigkeit und Steuerdatenfälle Sieht man den Strafgrund der Gewerbsmäßigkeit in der Verbindung von Einnahmeerzielung und wiederholter Tatbegehung1422 und damit im Sinne einer negativen Generalprävention darin, zu verdeutlichen, dass mit Straftaten dauerhaft kein Gewinn zu erzielen ist,1423 so ist festzustellen, dass diese Erwägungen gerade in den Steuerdatenfällen einschlägig sind. Wie bereits näher beschrieben, 1421 Heintschel-Heinegg/Wittig, § 243, Rn. 20. 1422 So überzeugend Krummacher, Qualifikation, 128ff. 1423 So überzeugend MK/Schmitz, § 243, Rn. 39; zumindest auch für eine generalpräventive Erklärung LK/Vogel, § 243, Rn. 35; vgl. zu abweichenden Begründungsansätzen Stratenwerth, FS Schultz, 88 (104ff.); von Liszt, ZStW 1901 (21), 121 (124f., 129, 138ff.).
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legitimiert der Staat sein Verhalten vor allem mit den erzielten Einnahmen. Gerade dieser Aspekt, das heißt der finanzielle Erfolg durch vergangene CDSammlungen, wird dazu führen, dass zukünftigen Angeboten nur schwer widerstanden werden kann. Damit wird der Gesellschaft der Eindruck vermittelt, dass selbst der Staat bei entsprechenden finanziellen Anreizen zu Rechtsbrüchen bereit ist. (4) Fremdnützigkeit als Hindernis für die Gewerbsmäßigkeit Letztendlich scheitert die Annahme von Gewerbsmäßigkeit aber an der Fremdnützigkeit der von den Amtsträgern herbeigeführten Einnahmeerzielung, das heißt daran, dass der individuelle Amtsträger als Täter nicht gleichzeitig der Profiteur der Einnahmen ist. Für den Gewerbsmäßigkeitsbegriff wird üblicherweise ein eigennütziges Handeln des Täters verlangt.1424 Das Verhalten der Amtsträger nützt aber primär dem Staat und nicht ihnen selbst, ist mithin also fremdnützig. Diese rigide Handhabung lässt sich auch mit der Einordnung der Gewerbsmäßigkeit als besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 II StGB1425 erklären. Wenn schon die Einnahmen anderer Tatbeteiligter nicht zugerechnet werden, erscheint es nicht sachgerecht, Einnahmen Dritter zuzurechnen. Zwar reichen für die Annahme von Gewerbsmäßigkeit grundsätzlich entsprechende mittelbare Vorteile für den Betreffenden aus,1426 doch hängt der Vorteil der Amtsträger, das heißt ihr Verdienst, nicht von der Tatbegehung ab. Zudem ist der deutsche Staat für die Entlohnung nicht zwingend auf die Steuernachzahlungen angewiesen, so dass auch über die mittelbaren Vorteile keine Gewerbsmäßigkeit begründet werden kann. (5) Unbenannter schwerer Fall auf Grund der Nähe zur Gewerbsmäßigkeit Diskutiert wird allgemein in Drittbegünstigungsfällen ein unbenannter schwerer Fall.1427 Dieser kommt auf Grund der nicht abschließenden Natur von Regelbeispielen grundsätzlich in Betracht. Für die Annahme eines unbenannten schweren Falls in den Steuerdatenfällen spricht einiges. So ist bereits dargelegt worden, dass der Strafgrund des gewerbsmäßigen Handelns gerade auch auf das Verhalten der Amtsträger zutrifft. Gegen die generelle Erfassung von Drittbegünstigungsfällen als unbenannte schwere Fälle ließe sich jedoch anführen, dass damit die Begrenzung der Ge1424 BGH, wistra 1994, 230 (232); Kühn/v. Wedelstädt/Blesinger, AO, § 373, Rn. 4; S/S/Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52ff., Rn. 95; Deumeland, StraFo 2006, 487 (488). 1425 Dazu BGH, wistra 1987, 30 (31); StraFo 2008, 434; StraFo 2009, 429 (430). 1426 BGH, wistra 1994, 230 (232); StraFo 1998, 386 (387); StraFo 2012, 27; Kühn/v. Wedelstädt/ Blesinger, AO, § 373, Rn. 4; S/S/Sternberg-Lieben/Bosch, Vorbem. §§ 52ff., Rn. 95. 1427 Vgl. BGH, StraFo 1998, 386 (387).
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werbsmäßigkeit bewusst umgangen würde. Dass mag man der automatischen Bejahung eines unbenannten schweren Falls bei drittnützigem Handeln meines Erachtens erfolgreich entgegensetzen können. Hier liegt jedoch eine Besonderheit vor, die es rechtfertigt, einen unbenannten schweren Fall auf Grund der Nähe zur Gewerbsmäßigkeit anzunehmen: In üblichen Drittbegünstigungsfällen wird der begünstigte Dritte zumeist irgendwie in die Tatbegehung involviert gewesen und damit häufig zumindest als Teilnehmer strafbar sein, so dass der Aspekt der Einnahmeerzielung durch wiederholte Straftatbegehung nach § 28 II StGB durch die Annahme gewerbsmäßigen Handelns beim Profiteur berücksichtigt werden kann. Dass dies hier nicht möglich ist, liegt allein daran, dass die Bundesrepublik Deutschland sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Daher erscheint es meines Erachtens sachgerecht, zumindest in Konstellationen wie den Steuerdatenfällen, in denen eine Strafbarkeit des Profiteurs auf Grund dessen Rechtsnatur ausgeschlossen ist, einen unbenannten schweren Fall auf Grund der Nähe zur Gewerbsmäßigkeit anzunehmen. Da es sich folglich nur um einen Fall in der Nähe zur Gewerbsmäßigkeit handelt, hindert auch der Umstand, dass bei lebensnaher Betrachtung nicht jeder involvierte Amtsträger in jede Tat involviert gewesen ist, die Annahme eines besonders schweren Falls nicht: Dass Handeln der Amtsträger ist dadurch gekennzeichnet, dem Staat durch fortlaufende Bearbeitung der Steuerdaten stetig neue Einnahmen zu verschaffen. Hinzu kommt, dass sich die Zuständigkeit für Steuerdaten insbesondere in Nordrhein-Westfalen bei bestimmten Behörden konzentriert,1428 so dass gerade die dort beschäftigten Amtsträger häufig involviert sein dürften. (6) Zwischenergebnis Im Ergebnis verwirklicht das Handeln der Amtsträger mithin im Regelfall einen unbenannten schweren Fall auf Grund der Nähe zur Gewerbsmäßigkeit. Erforderlich bleibt aber stets eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung aller Strafzumessungsfaktoren. bb) Auslandsbezug (§ 17 IV Nr. 2, 3 UWG) Auch kommt eine Verwertung der Kundendaten im Ausland (Nr. 3) oder das Wissen um eine solche (Nr. 2) in Betracht. Anknüpfend an die Mitteilung erscheint das Regelbeispiel der Nr. 2 möglich, bezogen auf die Verwertung die Verwirklichung des Beispiels Nr. 3. Als möglicher Bezugspunkt kommt in diesem Fall jedoch nur Deutschland in Betracht. Im Rahmen der Informantenstrafbarkeit ist dargelegt worden, dass auf Grund des anzuwendenden Auslandsbegriffs des StGB Deutschland nicht als Ausland betrachtet werden kann. 1428 Zur Konzentration bei bestimmten Behörden und daraus folgenden Zweifeln an der Zuständigkeit Bach, PStR 2009, 70ff.; Römer, StraFo 2009, 194ff.; Salditt, PStR 2008, 84 (87f.).
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Allerdings liegen die vorzugswürdigen Gründe für das Unrecht des Auslandsbezugs, wie bei der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters dargelegt, auch dann vor, wenn ein ausländisches Geheimnis in Deutschland verwertet wird. Daher ist auch hier an einen unbenannten schweren Fall zu denken. h) Ergebnis: § 17 II Nr. 2 UWG Die Bearbeitung der Steuerdaten durch die deutschen Amtsträger verwirklicht den Tatbestand des § 17 II Nr. 2 UWG,1429 wobei eine Strafschärfung auf Grund eines unbenannten schweren Falls in Betracht kommt. 2.
§§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 / Nr. 3 Var. 3 BDSG: Datenverarbeitung / Datenverschaffung
Die Amtsträger könnten sich wegen unbefugter Datenverarbeitung nach §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 BDSG und unbefugter Datenverschaffung an andere nach §§ 44 I, 43 II Nr. 3 Var. 3 BDSG beziehungsweise nach den entsprechenden Ländernormen strafbar gemacht haben.1430 a) Daten und Anwendungsbereich Wie in der vorangegangenen Erörterung (im 2. Kapitel unter A. I. 6. b)) gezeigt, handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinne des BDSG. Auch hinsichtlich der Anwendbarkeit des BDSG auf Sachverhalte mit transnationaler Dimension sowie für die nicht vorliegende Subsidiarität (§ 1 III BDSG) des BDSG kann auf die vorangegangenen Erwägungen zu den BDSG-Normen verwiesen werden. Zu bemerken bleibt noch, dass hinsichtlich der Nutzung der Daten eine deutsche Stelle in Deutschland handelt. Selbst wenn man entgegen der hier vertretenden Ansicht § 1 V BDSG auf strafrechtliche Sachverhalte bezieht, müsste in dieser Konstellation die Anwendbarkeit der BDSG-Delikte bejaht werden, sofern man nicht § 1 V BDSG so interpretiert wie Zieschang und die Anwendbarkeit von der Herkunft der erstmals erhebenden Stelle abhängig macht (dazu oben im 2. Kapitel unter A. I. 6. c)). 1429 Zu einem ähnlichen Befund gelangen im Ergebnis Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (118); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323f.), allerdings teilweise nach einer äußerst oberflächlichen Prüfung, die den in den Steuerdatenfällen auftretenden Problemen nicht gerecht wird. 1430 Erörtert z. B. bei Gössel, FS Puppe, 1377 (1392ff.), bei dem jedoch nicht deutlich wird, ob in dem Verhalten der Amtsträger eine täterschaftliche Verwirklichung eines BDSG-Delikts (1393) oder lediglich eine Begehung als Teilnehmer (1395, 1399) gesehen wird; Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (17); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (664); Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324), wobei unklar bleibt, ob sich die Erörterung nur auf den Ankauf oder auch auf die Nutzung der Daten bezieht; Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190); Trüg, StV 2011, 111 (114).
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b) Tathandlung: Verarbeitung und Drittverschaffung Bezüglich der Tathandlungen ist zu beachten, dass das reine Nutzen als solches gerade nicht von den Tathandlungen des BDSG1431 erfasst ist. aa) Verarbeiten in Form des Übermittelns In dem Umgang mit den erlangten Informationen könnte jedoch ein Übermitteln zu sehen sein. Im Rahmen von § 17 UWG ist bereits dargelegt worden, dass bei lebensnaher Betrachtung eine Weiterleitung der Daten an andere Amtsträger erfolgt ist. Dies fällt unter den Begriff des Übermittelns. Allerdings erfasst das Übermitteln im datenschutzrechtlichen Sinn nur eine Weitergabe an einen Dritten im Sinne des Gesetzes und daher keine internen Bekanntgaben.1432 § 3 VIII 2 BDSG verdeutlicht, dass Personen innerhalb der verantwortlichen Stelle keine Dritten sein können. Maßstab ist dabei nicht etwa die Gebietskörperschaft, sondern die jeweilige Behörde.1433 Daraus folgt, dass bei behördeninternen Datenweitergaben kein Übermitteln in Betracht kommt, während die Mitteilung an andere Behörden unter den Begriff des Übermittelns fällt.1434 Nach anderer Ansicht soll ein Übermitteln zumindest in manchen Fällen auch innerhalb der maßgeblichen Behörde in Betracht kommen, da bei Behördenteilen mit anderen Aufgabenbereichen nicht mehr die gleiche Stelle gegeben sei.1435 Dagegen spricht jedoch der Wortlaut von § 2 I bzw. II BDSG: Dort wird bei der Definition der öffentlichen Stelle von Behörden, etc. gesprochen, nicht aber von Teilen einer Behörde.1436 Konkret bezogen auf den Kontext der entwendeten Steuerdaten bedeuten diese Grundsätze insbesondere, dass Übermittlungsvorgänge zwischen dem Finanzamt und der Staatsanwaltschaft erfasst sind, da es sich trotz der Strafverfolgungszuständigkeit der Finanzbehörde im Ermittlungsverfahren (§ 386 II AO) um zwei selbständige Behörden handelt. Ein weiterer Anwendungsfall des Übermittelns ist gegeben, wenn Daten zwischen Behörden verschiedener Bundesländer beziehungsweise zwischen Bundes- und
1431 Zu der Nichterfassung des bloßen Nutzens Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 43, Rn. 19; Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 11, 57. 1432 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 158. 1433 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 231. 1434 Anders wohl Gössel, FS Puppe, 1377 (1395), der ein Verarbeiten pauschal bejaht, ohne zu differenzieren. 1435 So wohl Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 2, Rn. 5. 1436 Auf ggf. abweichende Formulierungen in Landesdatenschutzgesetzen, dazu Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 2, Rn. 5, wird an dieser Stelle nicht eingegangen, zu beachten bleibt aber, dass das bayerische Landesdatenschutzgesetz, das Behördenteile mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen als andere Stellen einordnet, eine Ausnahme gerade für die in den Steuerdatenfällen relevanten Finanzämter macht, so dass bei Informationsweitergaben innerhalb eines Finanzamts ebenfalls kein Übermitteln vorliegt.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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Landesbehörden weitergeleitet werden.1437 Auch ein Übermitteln an andere Staaten kommt in Betracht. Mitunter wird ein Verarbeiten in den Steuerdatenfällen mit Blick darauf abgelehnt, dass solche Handlungen gerade in den Aufgabenbereich der Amtsträger fielen.1438 Zur Ablehnung dieser Argumentation kann auf das im Rahmen der Mitteilung Festgestellte (dazu in diesem Kapitel unter B. II. 1. d) aa)) verwiesen werden. Es verbleibt somit bei der Bejahung des Übermittelns. bb) Drittverschaffung Die Tathandlung der Drittverschaffung im Sinne der Nr. 3 ist hingegen abzulehnen, da ein Verschaffen im Sinne des BDSG stets nur die Begründung der Verfügungsgewalt hinsichtlich der Informationen unter direkter Herauslösung aus ihrem Organisationszusammenhang im Rahmen der ursprünglichen Datei oder Datenverarbeitung erfasst1439. cc) Verarbeiten in Form des Speicherns Die Bearbeitung der erworbenen Informationen könnte jedoch ein Verarbeiten der Daten sein. Das Verarbeiten ist in § 3 IV BDSG legaldefiniert. Es umfasst das Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen. Speichern ist dabei in § 3 IV Nr. 1 BDSG legaldefiniert als Erfassen, Aufnehmen oder Aufbewahren auf einem Datenträger zum Zweck der Nutzung oder weiteren Verarbeitung. Damit kommt jedes Abspeichern der erhaltenen Daten in Betracht. Dass die Amtsträger die erhaltenen Daten während ihrer weiteren Bearbeitung selbst gespeichert haben, erscheint nicht zwingend, ist bei lebensnaher Betrachtung jedoch mehr als wahrscheinlich. Schließlich dürfte für den gewinnbringenden Einsatz der Erkenntnisse und zum Abgleich mit anderem Material die elektronische Erfassung erforderlich sein. Zudem liegt ein Speichern auch dann vor, wenn ein Datenträger nur entgegengenommen und für die weitere eigene Verwendung behalten wird.1440 Jedoch soll ein Speichern stets dann ausscheiden, wenn die betroffenen Daten zuvor bereits unbefugt übermittelt worden sind.1441 Eine unbefugte Übermittlung liegt unabhängig von der Weitergabe innerhalb des deutschen Behördenapparats bereits durch die ursprüngliche Weitergabe des 1437 Für die Vertreter der empfangenden Behörde kommt in diesen Fällen jeweils eine Strafbarkeit wegen unbefugter Datenerhebung in Betracht. Auf eine ausführliche Erörterung wird verzichtet, da sinngemäß auf die Überlegungen zur Strafbarkeit der datenankaufenden Stelle zurückgegriffen werden kann. 1438 Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190), wobei Fragen von Tathandlung und Rechtfertigung vermischt werden. 1439 Zum Anwendungsbereich des Verschaffens Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 43, Rn. 21; Simitis/Ehmann, BDSG, § 43, Rn. 64. 1440 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 115. 1441 Erbs/Kohlhaas/Ambs, BDSG, § 43, Rn. 22.
346
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Bankmitarbeiters vor. Daher kommt ein Speichern in den Steuerdatenfällen nicht in Betracht. dd) Ergebnis: Tathandlungen Festgehalten werden kann somit im Ergebnis, dass eine unbefugte Datenverarbeitung vorliegt, wenn die Daten an andere Behörden oder Gebietskörperschaften übermittelt worden sind. c) Erschwerungsmerkmale des § 44 BDSG Hinsichtlich der Erschwerungsmerkmale kann sinngemäß auf die obige Erörterung im Rahmen des Datenankaufs verwiesen werden. Auf Grund der dortigen Erörterungen ist ein Handeln der Amtsträger in Drittbereicherungsabsicht anzunehmen. d) Unbefugtheit Diesbezüglich kann grundsätzlich auf die Erörterungen zur Rechtswidrigkeit verwiesen werden. Das BDSG beinhaltet allerdings spezielle Zulässigkeitsgründe (vgl. § 4 I BDSG), darunter auch solche für die Datenverarbeitung durch öffentliche Stellen, wobei sich § 15 BDSG auf Übermittlungsvorgänge bezieht. Zur Verfolgung von Straftaten sind demnach sogar zweckverändernde Maßnahmen zulässig (§§ 15 I Nr. 2, 14 II Nr. 7 BDSG). Die Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen jedoch nur vor, wenn das Vorgehen der öffentlichen Stelle bei der Aufgabenerfüllung keine Rechtsverstöße beinhaltet. Dabei sind lediglich solche Verstöße beachtlich, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit und dem Datenumgang besteht.1442 Die bisherige Erörterung hat gezeigt, dass der Umgang mit den Daten § 17 II Nr. 2 UWG verletzt. Darüber hinaus ist bereits die Datenerhebung in strafbarer Weise erfolgt. Die weiteren Erörerungen im Rahmen der Rechtswidrigkeit werden zeigen, dass für das Verhalten der Amtsträger kein Rechtfertigungsgrund eingreift (dazu unten in diesem Kapitel unter D.). Die genannten Rechtsverletzungen resultieren auch gerade aus dem Umgang mit den Kundendaten. Damit ist die Anwendung der besonderen datenschutzrechtlichen Zulässigkeitsgründe ausgeschlossen.1443 Zudem scheitert ein Rückgriff auf die Zulässigkeitsgründe an der Eingriffsintensität der Maßnahmen (zur Eingriffsintensität unten in diesem Kapitel unter D. I. 1. b) cc)), da die datenschutzrechtlichen Zulässigkeitsgründe bei einer entsprechenden Grundrechts1442 Simitis/Dammann, § 14, Rn. 32f.; Für § 15 BDSG gilt allein schon deshalb die gleiche Voraussetzung, da § 15 an die Zulässigkeit nach § 14 anknüpft (§ 15 I Nr. 2 BDSG). 1443 Anders offenbar Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (17), die annehmen, dass die Verarbeitung stets gesetzlich erlaubt sei. Dabei wird aber verkannt, dass die Zulässigkeitsgründe bei Rechtsverstößen nicht eingreifen.
Tatbestandsspezifische Aspekte
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relevanz nicht in Betracht kommen1444. Die Zulässigkeitstatbestände des BDSG können das Handeln der Amtsträger mithin nicht legitimieren. e) Strafantrag (§ 44 II 1 BDSG) Nach § 44 II 1 BDSG ist ein Strafantrag erforderlich. f) Ergebnis: §§ 44, 43 II Nr. 1 BDSG Die Amtsträger haben den Tatbestand der §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 2 BDSG verwirklicht,1445 wenn sie die Daten an andere Behörden oder Gebietskörperschaften übermittelt haben. Sofern die Übermittlung dabei durch diejenigen vorgenommen wird, die sich bereits wegen unbefugter Datenerhebung strafbar gemacht haben, könnte man die Übermittlung als mitbestrafte Nachtat ansehen. Dagegen spricht jedoch meines Erachtens, dass die Weitergabe an andere Behörden nicht typischerweise mit dem Erheben zu Zwecken der eigenen Behörde zusammenhängt und daher die durch die Erhebung eingetretene Rechtsgutsverletzung vertieft.
3.
Gesamtergebnis
Die Bearbeitung und Auswertung der Daten verwirklicht den Tatbestand der Geheimnishehlerei nach § 17 II Nr. 2 UWG. Dabei sind sowohl ein Mitteilen, das an die für die Bearbeitung nötige Datenweitergabe anknüpft, als auch ein Verwerten, das auf die Nutzziehung in Gestalt der Steuereinnahmen oder eine entgeltliche Weiterleitung der Daten abstellt, denkbar. Daneben kommen auch BDSG-Delikte1446 in Betracht. Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die Einführung eines speziellen Datenhehlereitatbestands für die Steuerdatenfälle nicht erforderlich ist. Dass eine solche Norm aus anderen Gründen sinnvoll sein könnte (vgl. die obige Erörterung in diesem Kapitel unter B. I. 1. b)), bleibt davon unberührt. Soweit die Daten durch Amtsträger weitergegeben werden, die bereits in den 1444 Zur Begrenzung der Zulässigkeitsgründe allgemein Simitis/Dix, BDSG, § 1, Rn. 173. 1445 Vgl. auch Gössel, FS Puppe, 1377 (1392ff.), bei dem nicht deutlich wird, ob in dem Verhalten der Amtsträger eine täterschaftliche Verwirklichung eines BDSG-Delikts (1393) oder lediglich eine Begehung als Teilnehmer (1395, 1399) gesehen wird; vgl. auch Heerspink, AO-StB 2010, 155 (157), der zwar im Ergebnis ebenfalls eine Strafbarkeit bejaht, jedoch erstens auf eine andere Tathandlungsmodalität (Verschaffen) abstellt und zweitens in manchen Fällen nur zu einer Strafbarkeit nach der korrespondierenden Norm im EUAusland gelangt. Dabei wird die Abgrenzung zwischen den Jurisdiktionen auf § 1 V BDSG gestützt, ohne hingegen eine nähere Begründung vorzunehmen. 1446 Zum Verhältnis zwischen den UWG- und den BDSG-Normen kann auf die Ausführungen zur fehlenden Subsidiarität im Rahmen des BDSG verwiesen werden (dazu oben im 2. Kapitel unter A. I. 6.).
348
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Ankauf der Daten involviert gewesen sind, stehen die Delikte der Weitergabe zu denjenigen des Ankaufs (typischerweise § 257 StGB, § 266 StGB und §§ 44 I, 43 II Nr. 1 Alt. 1 BDSG) in Tatmehrheit, da auf Grund der unterschiedlichen Schutzrichtungen der Normen kein Raum für die Konstruktion einer mitbestraften Nachtat bleibt.
III.
Strafbarkeit durch die Aufforderung zum Erwerb von (weiteren) Daten
Ein weiterer Aspekt in der Diskussion um eine mögliche Strafbarkeit von Vertretern staatlicher Stellen liegt in den Auswirkungen, die das Verhalten dieser Personen auf zukünftige Fälle der »Datenbeschaffung« zeitigt. 1.
Anstiftung zu Delikten zukünftig tätig werdender Bankmitarbeiter
Es ist davon auszugehen, dass die erfolgten Geldzahlungen einen Anreizeffekt auf andere Bankmitarbeiter ausüben und somit zu weiteren Datenbeschaffungen führen. So hat die bisherige Chronologie gezeigt, dass seit Bekanntwerden der ersten neueren Welle von Datenankäufen 2008 eine Hochkonjunktur für Beschaffung und Ankauf von Bankdaten besteht und dass Heinrich Kieber zahlreiche Nachahmer gefunden hat. Vor diesem Hintergrund ist mitunter1447 eine Anstiftungsstrafbarkeit der handelnden Staatsvertreter durch die Ankaufspraxis erörtert worden. Zudem haben zahlreiche Politiker nach Bekanntwerden der ersten Steuerdatenfälle sowohl das Vorgehen der Ermittlungsbehörden als auch das Verhalten der Bankmitarbeiter begrüßt und teilweise auch als Modell für die Zukunft gepriesen, so dass auch hierin eine Anstiftung gesehen werden könnte. Bezüglich der in Betracht kommenden Haupttaten kann grundsätzlich auf die obige Erörterung der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters mit den dort herausgearbeiteten Weichenstellungen verwiesen werden. Es verbleibt mithin nur die Möglichkeit einer Anstiftung durch die ersten Steuerdatenfälle zu den Taten in den späteren Steuerdatenfällen. Entscheidend für die Anstiftungsstrafbarkeit ist die Frage, ob sich die Äußerungen, mit denen die Ankaufspraxis begrüßt und als Erfolgsmodell für die Zukunft gepriesen worden ist, auf eine hinreichend bestimmte Haupttat bezogen haben. Da sich die Staatsvertreter bei ihren Aufforderungen weder auf bestimmte Täter noch auf genaue Informationen oder auf andere Details beziehen, 1447 D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (48); P. Fischer, jurisPR-SteuerR 51/2010, Anm. 1; Kühne, GA 2010, 275 (277); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204); Satzger, FS Achenbach, 447 (458); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 215f., 219f.
Tatbestandsspezifische Aspekte
349
kann die Annahme einer Anstiftung nicht überzeugen.1448 Es fehlt an der für den Anstiftungsvorsatz erforderlichen1449 Konkretisierung der Haupttat.1450 Aus diesen Gründen kann erst Recht keine Anstiftung lediglich auf Grund der bisherigen Ankaufspraxis angenommen werden. Die jüngste Entwicklung hat jedoch gezeigt, dass eine Anstiftung durch die Vertreter der staatlichen Stellen keineswegs ausgeschlossen werden kann. Wenn von staatlicher Seite aus gezielte »Spionageaufträge« ausgegeben worden sind, ist eine Anstiftung durchaus wahrscheinlich. Laut den entsprechenden Medienberichten1451 haben Staatsvertreter durch frühere Datenangebote bekannte Bankmitarbeiter gebeten, ihnen konkret benannte Informationen zu bestimmten Bankhäusern zu verschaffen, wobei es sich insbesondere um Informationen zur genauen Arbeitsweise der Banken sowie zu Art und Zeitpunkt einzelner Anlagen gehandelt hat. In solchen Fällen ist der Täter der Haupttat bekannt. Zudem ist das Opfer in Gestalt des konkret betroffenen Bankhauses vorgegeben. Auch sind die gewünschten Informationen spezifiziert worden. Daher ist in solchen Fällen von einer hinreichend konkretisierten Haupttat auszugehen.1452 Eine Anstiftungsstrafbarkeit bezogen auf weitere Taten von Bankmitarbeitern liegt mithin nicht alleine in vorangegangenen Ankaufsfällen oder in einer Aussage, die vergangene Geschehnisse begrüßt und als beispielhaft bezeichnet. Bei konkreten Anweisungen zur Informationsbeschaffung ist eine Anstiftungsstrafbarkeit durch Amtsträger jedoch möglich. 2.
§ 111 StGB
Die von diversen Politikern erklärte Absicht, auch zukünftig Daten anzukaufen, könnte eine öffentliche Aufforderung zu rechtswidrigen Taten darstellen und damit für den Fall der erfolgreichen Aufforderung zu einer Strafbarkeit nach § 111 I StGB und im Fall einer erfolglosen Aufforderung zu einer Strafbarkeit nach § 111 II StGB führen.1453
1448 Anders aber offenbar D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (48). 1449 Dazu Fischer, § 26, Rn. 8. 1450 So auch Kühne, GA 2010, 275 (277); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Satzger, FS Achenbach, 447 (458); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 215f., 219f. 1451 Seher, Westfalenpost Nr. 55/2012, PPL 1; ders., Westfalenpost Nr. 55/2012, PJO 1; ders., Westfalenpost Nr. 157/2012, PWI 1; vgl. zu gezielten Ausforschungsaufträgen auch Koblenzer, StBMag 2012, 16 (18, 20). 1452 So im Ergebnis auch Wulf, PStR 2012, 33 (39). 1453 Erörtert z. B. von van Bühren, AnwBl 2012, 906; Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204f.); Satzger, FS Achenbach, 447 (456); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 212f.; Wulf, PStR 2012, 33 (36).
350
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
a) Öffentliche Aufforderung: Bedeutung der Intensität Zur Bejahung einer öffentlichen Aussage kann an die Stellungnahmen diverser Politiker, auch zukünftig Datensammlungen ankaufen zu wollen, angeknüpft werden.1454 Erfasst sind jedoch auch non-verbale und konkludente Willenskundgebungen,1455 so dass grundsätzlich auch auf den Datenankauf als solchen1456 abgestellt werden kann. Die geforderte Öffentlichkeit einer solchen Äußerung ergibt sich unproblematisch aus der Lancierung in den Medien.1457 Damit liegt der vorausgesetzte1458 unbestimmte Personenkreis vor. aa) Ausrichtung auf zukünftige Straftaten In der erwähnten Aussage zum zukünftigen Datenankauf kommt meines Erachtens die Hoffnung zum Ausdruck, dass Informanten auch zukünftig Daten beschaffen und anbieten.1459 Damit ist sie durchaus auf zukünftige Straftaten ausgerichtet. Hingegen zweifelt Sonn1460 bereits am Bezug zu neuen Straftaten. Solche Zweifel erscheinen allenfalls noch plausibel, wenn man schwerpunktmäßig auf den Ankauf als solchen und nicht auf damit verbundene politische Absichtserklärungen abstellt. Allerdings ist meines Erachtens auch bei einem isolierten Betrachten der Ankaufspraxis ein Bezug zu neuen Straftaten vorhanden: Der Datenankauf hat sich inzwischen beinahe zu einer Standardmaßnahme entwickelt.1461 Damit dies in Zukunft möglich ist, ist der Staat geradezu auf neue Straftaten angewiesen. Eine Ausrichtung auf weitere Straftaten ist daher sowohl bezüglich politischer Absichtserklärungen als auch bezogen auf das reine Ankaufsverhalten gegeben. Zwar sind die genauen Anforderungen an die Konkretisierung der in Aussicht genommenen Taten umstritten,1462 doch steht in diesem Fall fest, dass es sich um Taten zur Beschaffung und Weitergabe von Material ausländischer Banken handelt. Da § 111 StGB geringere Anforderungen an die Konkretisierung stellt als § 26 StGB,1463 ist davon auszugehen, dass diese Merkmale für die Konkretisierung ausreichen. Ein Bezug zu zukünftigen, hinreichend konkreten Taten liegt damit vor.
So auch van Bühren, AnwBl 2012, 906; Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204f.). LK/Rosenau, § 111, Rn. 17, 25. So wohl auch Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 212f. Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204). Zur Unbestimmtheit des Personenkreises als Voraussetzung Fischer, § 111, Rn. 5. Ähnlich Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204). Sonn, Steuer-CD-Affäre, 213: »Die Behörden machen sich lediglich vergangene Straftaten zunutze …«. 1461 Ähnlich Roth, Stbg 2013, 29. 1462 Dazu Fischer, § 111, Rn. 4a. 1463 Fischer, § 111, Rn. 4a.
1454 1455 1456 1457 1458 1459 1460
Tatbestandsspezifische Aspekte
351
bb) Aufforderungscharakter Fraglich ist jedoch, ob die erwähnten Anknüpfungspunkte den Charakter einer Aufforderung im Sinne des § 111 StGB haben. In der bisherigen Erörterung der Relevanz von § 111 StGB in Bezug auf die Steuerdatenfälle ist der entscheidende Aspekt in der Frage nach der Intensität der Forderungen gesehen worden. So wird in der bisherigen Diskussion eine Aufforderung mit dem Argument abgelehnt, dass ein bloßer Anreiz keine Forderung zu einem bestimmten Verhalten darstelle und damit nicht die Intensität einer Aufforderung aufweise.1464 Dieser Ansicht ist auf Grund der zu § 111 StGB entwickelten Dogmatik zuzustimmen. Anerkanntermaßen wird mit Blick auf den fehlenden Appellcharakter eine Aufforderung sowohl bei bloßen Tatanreizen1465 als auch bei Befürwortungen von Straftaten1466 abgelehnt. Geldzahlungen, die in den Steuerdatenfällen das Motiv für potentielle Informanten bilden, stellen eher Anreize als Appelle dar. Die Äußerungen, Datenankäufe seien auch zukünftig ein erfolgversprechendes Modell, sind nichts anderes als Befürwortungen, so dass eine Aufforderung verneint werden muss, zumal laut BGH1467 auch Äußerungen, die Straftaten als »zukünftig erstrebenswert« darstellen, in die Kategorie der Befürwortungen einzuordnen sind. Lediglich bei extremen Äußerungen, die explizit die Forderung enthalten, Banken auszuspionieren, erscheint eine andere Bewertung denkbar. Die bisher bekannten öffentlichen Äußerungen bieten dafür allerdings kein Beispiel, zumal die Fälle des konkret angeforderten Materials über Banktätigkeiten nicht auf öffentlichen Äußerungen beruhen, sondern konkret an bestimmte Informanten herangetragen worden sind. In den Steuerdatenfällen dürfte es daher zumeist an einer Aufforderung im Sinne des § 111 StGB fehlen. Letztendlich kommt der Frage des Aufforderungscharakters entgegen einigen bisherigen Stimmen bei der Erörterung der Steuerdatenfälle aus den nachfolgenden Überlegungen ohnehin keine entscheidende Bedeutung zu.
1464 Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Satzger, FS Achenbach, 447 (456); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 213, der aber bereits generell an einer Anreizwirkung zweifelt; anders jedoch Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204f.), die keinerlei Bedenken gegen die Annahme einer Aufforderung vorbringen. 1465 OLG Stuttgart, NStZ 2008, 36 (37); S/S/W/Fahl, § 111, Rn. 2; NK/Paeffgen, § 111, Rn. 13. 1466 BGHSt 32, 310 (311); OLG Stuttgart, NStZ 2008, 36 (37); S/S/W/Fahl, § 111, Rn. 2; Fischer, § 111, Rn. 2a, 4b; S/S/Eser, § 111, Rn. 3; L/K/Heger, § 111, Rn. 3; NK/Paeffgen, § 111, Rn. 12. 1467 BGHSt 32, 310 (311).
352
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
b) Ort der in Aussicht genommenen Deliktsbegehung Meines Erachtens stellt die Frage der Aufforderung nur eine für § 111 StGB mitentscheidende Weichenstellung dar, da eine mögliche Strafbarkeit zumeist bereits bei der Frage der in Aussicht genommenen Straftat scheitert. Zwar haben die Ausführungen im zweiten Kapitel gezeigt, dass ein tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Verhalten1468 zumindest in den meisten bekannt gewordenen Sachverhalten vorliegt und lediglich die konkret verwirklichten Tatbestände von Details des Einzelfalls abhängen. Jedoch verlangt die ganz überwiegend vertretene Meinung, dass die in Aussicht genommene Straftat nicht nur dem deutschen Strafanwendungsrecht unterfällt, sondern sich auch im Geltungsbereich des deutschen Strafgesetzbuchs, das heißt im Inland, ereignet, da nur in diesen Fällen eine Störung des innerstaatlichen Gemeinschaftsfriedens in Betracht komme.1469 Kennzeichnend für die Steuerdatenfälle ist allerdings gerade der Bezug zu ausländischen Banken, so dass die Beschaffungsdelikte typischerweise im Ausland zu verorten sind (dazu oben im 2. Kapitel unter E. I.). Die bisherigen Fälle zeigen zudem, dass auch die Datenübergabe regelmäßig im Ausland stattfindet. Eine im Geltungsbereich des Strafgesetzbuchs begangene Tat käme damit nur in Betracht, wenn bei einem Delikt ein inländischer Erfolgsort begründet werden könnte, was aber nach hier vertretener Ansicht regelmäßig zu verneinen ist (dazu oben im 2. Kapitel unter E. II.). Mithin fehlt es üblicherweise schon am Erfordernis einer den Anforderungen des § 111 StGB entsprechenden Straftat. c) Ergebnis: § 111 StGB Folglich kann festgehalten werden, dass entgegen Samson/Langrock1470 § 111 StGB für die Steuerdatenfälle keinerlei Bedeutung hat1471: Auch wenn die Äußerungen einiger Politiker aus rechtsstaatlicher Sicht befremdlich erscheinen, sind sie nicht nach § 111 StGB strafbar.
3.
Ergebnis
Eine Strafbarkeit auf Grund von Aufforderungshandlungen ist damit im Grundsatz zu verneinen, soweit lediglich vergangene Ereignisse begrüßt oder entsprechende Ankäufe für die Zukunft angekündigt werden. 1468 § 111 StGB verlangt eine vorsätzliche und rechtswidrige Straftat, dazu Fischer, § 111, Rn. 4. 1469 Fischer, § 111, Rn. 4; NK/Paeffgen, § 111, Rn. 30; LK/Rosenau, § 111, Rn. 51. 1470 Samson/Langrock, wistra 2010, 201 (204f.). 1471 So im Ergebnis auch Küchenhoff, NJ 2010, 321 (324); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Satzger, FS Achenbach, 447 (456); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 212f.
Vorsatz der Mitarbeiter der staatlichen Stellen
IV.
353
Sonstige strafrechtlich relevante Verhaltensweisen: § 240 StGB
In der Erörterung der Steuerdatenfälle wird teilweise argumentiert, der Aufruf führender Amtsträger zur Abgabe von Selbstanzeigen könne eine Nötigung darstellen.1472 Meines Erachtens ist diese Argumentation fernliegend. In Betracht kommt allenfalls eine Nötigung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel in Gestalt der Strafverfolgung für den Fall des Ausbleibens der Selbstanzeige. Nötigung setzt jedoch voraus, dass das Opfer bei Vornahme der abgenötigten Handlung seinem Willen zuwider handelt.1473 Kein Steuerhinterzieher begibt sich jedoch direkt und gegen seinen Willen zum Finanzamt, um eine Selbstanzeige abzugeben, nur weil der Finanzminister gerade im Fernsehen zur Selbstanzeige aufgerufen hat. Wenn ein Steuerhinterzieher nach Beratung mit seinem Steuerberater und / oder einem Rechtsanwalt selbständig die Entscheidung trifft, dass für ihn das Entdeckungsrisiko durch angekaufte Daten oder andere Umstände zu hoch ist, ist das seine selbständige Entscheidung, die, mag sie ihm auch aus finanziellen Aspekten unwillkommen sein, von seinem Willen getragen ist. Hinzu kommt, dass der vermeintlich Nötigende zumindest vorgeben muss, auf das Übel Einfluss zu haben.1474 Die Entscheidung über die Strafverfolgung wird aber nicht vom Bundesfinanzminister oder ähnlichen Führungspolitikern getroffen. Dies ist auch von diesen nie behauptet worden. Vielmehr tritt die Strafverfolgung unabhänig von den Äußerungen einzelner Spitzenpolitiker ein. Dies ist auch jedem Steuerhinterzieher bewusst. Insoweit haben die Äußerungen der Führungspolitiker vielmehr den Charakter einer Warnung. Eine Nötigung durch einen Aufruf zu Selbstanzeigen kommt folglich nicht in Betracht.
C.
Vorsatz der Mitarbeiter der staatlichen Stellen
Auch an einem vorsätzlichen Handeln seitens der Amtsträger dürfte kaum ein Zweifel bestehen.1475 Die Umstände, insbesondere die Berührung fremder Geheimnisse und auch die Nutzung der Daten zur Erzielung staatlicher Einnahmen, sind nicht nur vollständig erfasst worden, sondern auch vom Willen der
1472 1473 1474 1475
Van Bühren, AnwBl 2012, 906. Fischer, § 240, Rn. 4, 6. Fischer, § 240, Rn. 36. Zu Besonderheiten im Rahmen der Begünstigung oben in diesem Kapitel unter B. I. 5. c) aa).
354
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Amtsträger getragen worden.1476 In den jüngeren Steuerdatenfällen ist anders als im Sachverhalt Liechtenstein I (dazu im 1. Kapitel unter B. I. 2.) auch der Aspekt des Ankaufs vermutlich allen Amtsträgern bewusst gewesen, so dass an der vollständigen Erfassung des Geschehens keine Zweifel bestehen dürften. Einzig bei der Untreue könnte man eine vorsätzliche Schadensherbeiführung in Frage stellen. Doch haben die entscheidenden Amtsträger zumindest im Sinne einer Parallelwertung in der Laiensphäre gewusst und gewollt, dass sie staatliche Mittel hingeben für einen Gegenstand, dessen Wert höchst zweifelhaft ist und dessen problematische Herkunft einer Einverleibung in das staatliche Vermögen entgegenstehen könnte. Damit liegt nicht nur ein bewusstes und gewolltes Handeln hinsichtlich der Möglichkeit eines Vermögensschadens, sondern auch hinsichtlich einer Verschwendung öffentlicher Mittel, das heißt in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit des Handelns, vor. Folglich ist grundsätzlich auch bei § 266 StGB von vorsätzlichem Handeln auszugehen.
D.
Rechtswidrigkeit
Auch die Frage einer möglichen Rechtfertigung der Amtsträger zählt zu den umstrittenen Fragestellungen in der Steuerdatendiskussion. Dabei reicht das Meinungsspektrum von einer selbstverständlichen Bejahung der Rechtswidrigkeit1477 über die Annahme prozessualer Befugnisse1478 bis hin zur Rechtfertigung aus Notstandsgesichtspunkten1479.
I.
Grundkonstellation ohne BND
Zunächst wird die Rechtfertigungsebene untersucht hinsichtlich der Standardkonstellation des Datenankaufs durch die Finanz- und Strafverfolgungsbehörden. Die durch die Einbeziehung des BND auftretenden Abweichungen werden nachfolgend gesondert erörtert.
1476 Ähnlich auch Fahl, ZJS 2009, 63 (67) bezogen auf den Hehlereivorsatz der Amtsträger (bei Annahme der Übergabe des Originaldatenträgers). 1477 MK-UWG/Brammsen, § 17, Rn. 134, der ohne ausführliche Erörterung möglicher Rechtfertigungsgründe schlicht auf die Rechtswidrigkeit verweist; Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (297): »Rechtfertigungsgründe … nicht erkennbar«. 1478 Kaiser, NStZ 2011, 383 (386); Wannemancher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4119. 1479 So z. B. vertreten von Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (790); zumindest tendenziell auch von Paeffgen, BRJ 2010, 12 (16).
Rechtswidrigkeit
1.
355
Eingriffsbefugnisse des Strafverfahrens
Unstreitig ist hinsichtlich der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse lediglich das Fehlen einer expliziten Ermächtigungsgrundlage für den Informationsankauf.1480 a) §§ 94ff. StPO: Sicherstellung / Beschlagnahme Erwogen wird eine Rechtfertigung durch § 94 StPO (ggf. i. V. m. §§ 399 I / 404, 385, 208 I Nr. 1 AO). Der Datenankauf stelle eine Sicherstellung auf sonstige Weise dar, da eine Beschlagnahme auf Grund des Informantenverhaltens nicht erforderlich1481 beziehungsweise auf Grund der Vorsichtsmaßnahmen des Informanten nicht möglich1482 sei. Meines Erachtens kommt eine Beschlagnahme nicht in Betracht. Erstens ist fraglich, ob die deutschen Amtsträger im Ausland überhaupt zur Ausübung von Hoheitsgewalt berechtigt sind.1483 Dies würde die Zustimmung des Staats, in dem der Ankauf stattfindet, voraussetzen. Hierüber ist nichts bekannt. Im Ergebnis kommt es auf diese Frage auch nicht entscheidend an. Schließlich fehlt dem Gesamtsachverhalt das für eine Beschlagnahme typische Gepräge.1484 Gegenstände, die als Beweismittel von Bedeutung sein können, sind nach §§ 94, 95 StPO durch den Gewahrsamsinhaber herauszugeben. Werden sie nicht freiwillig herausgegeben,1485 so kommen nach § 95 II 1 StPO die Ordnungs- und Zwangsmittel des § 70 StPO zur Durchsetzung der Herausgabepflicht als Unterfall der Beschlagnahme1486 in Betracht. Zu diesen Zwangsmitteln zählt die Zahlung eines Millionenbetrags sicher nicht. Dieser Befund kann auch nicht durch die Annahme einer Sicherstellung in anderer 1480 So auch Bohnert, FS Schiller, 68 (74); Fahl, ZJS 2009, 63 (68); Habetha, ZRP 2012, 223; Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1280); Joecks, SAM 2011, 21 (24); Roth, Stbg 2013, 29; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 234f. 1481 So Kaiser, NStZ 2011, 383 (386); für ein Abstellen auf die Sicherstellung auch Wannemancher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4119, allerdings ohne Begründung. 1482 So Gössel, FS Puppe, 1377 (1396ff.), der im Ergebnis allerdings eine Rechtfertigung durch § 94 StPO bezogen auf BDSG-Delikte ablehnt, da es sich bei der Datensammlung um strafrechtlich bemakeltes Material handele und in diesem Fall die Bemakelung durch das Verhalten von Privatpersonen beachtlich sei, da das BDSG auch vor dem Verhalten von Privatpersonen schützen soll. 1483 Zu Voraussetzungen hoheitlicher Tätigkeit im Ausland allgemein Herdegen, VölkerR, § 23, Rn. 3; speziell für die Beweismittelbeschaffung Spilker, Amtsermittlung, 183ff. 1484 Vgl. auch Bohnert, FS Schiller, 68 (74), der in dem Datenankauf gerade eine aus rechtsstaatlicher Perspektive bedenkliche Umgehung der Beschlagnahmevorschriften erblickt. 1485 Entgegen Kaiser, NStZ 2011, 383 (386, Fn. 35) kann meines Erachtens nicht von einer freiwilligen Herausgabe gesprochen werden, da der Informant gerade nicht vorbehaltlos und ohne staatliche Einwirkung zur Herausgabe bereit ist sondern nur nach Erhalt einer Geldzahlung. Aus dem Zusammenspiel von § 95 I und § 95 II StPO ergibt sich aber, dass eine Herausgabeverweigerung und damit Unfreiwilligkeit stets anzunehmen ist, wenn staatlicherseits mehr erforderlich ist als das bloße Anfordern des Gegenstands. 1486 Dazu Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 94, Rn. 13.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Weise umgangen werden.1487 Die Sicherstellung in anderer Weise ist gedacht für Konstellationen, in denen die Inverwahrnahme nicht erforderlich oder auf Grund der Beschaffenheit des Gegenstands nicht möglich ist.1488 Fallgestaltungen, bei denen der Herausgabe mit Millionenzahlungen nachgeholfen werden muss, zählen daher nicht zu dem Anwendungsbereich. Zudem fehlt es an der gerichtlichen Anordnung der Beschlagnahme (§ 98 StPO), welche erforderlich ist, da auf Grund der vorangegangenen Verhandlungen nicht von Gefahr im Verzug ausgegangen werden kann.1489 Das staatliche Handeln gegenüber dem Bankmitarbeiter ist mithin von vornherein nicht auf die Datenbeschaffung durch staatliche Zwangsmittel im Rahmen eines Subordinationsverhältnisses ausgerichtet gewesen, sondern als zivilrechtliches, synallagmatisches Geschäft im Rahmen eines Gleichordnungsverhältnisses angelegt gewesen – sicher auch um zukünftige Informanten nicht zu verschrecken1490. Eine Rechtfertigung durch die Beschlagnahmevorschriften der StPO muss daher scheitern. Das gleiche Ergebnis ergibt sich, wenn man die Befugnisse der Finanzbehörde nach der AO in den Blick nimmt und auf Vorlageersuchen nach § 97 AO und eine mögliche Durchsetzung mit den Zwangsmitteln der §§ 328ff. AO1491 abstellt.1492 Darauf ist die obige Argumentation sinngemäß anwendbar. Auch im Steuerrecht gilt der Grundsatz des numerus clausus1493 der Zwangsmittel. Eine staatlich veranlasste Geldzahlung ist dem steuerrechtlichen Zwangsmittelkatalog ersichtlich fremd. b) Rechtfertigung durch die Ermittlungsgeneralklausel In Betracht kommt hingegen eine Rechtfertigung durch die Ermittlungsgeneralklausel der Strafprozessordnung – §§ 161 I, 163 I StPO (ggf. i. V. m. §§ 399 I / 404, 385, 208 I Nr. 1 AO).1494 1487 So aber wohl Gössel, FS Puppe, 1377 (1397). Wenn Gössel ohne nähere Erörterung von einer Sicherstellung in anderer Weise ausgeht, verkennt er, dass auch dafür die Voraussetzungen einer förmlichen Beschlagnahme vorliegen müssen (dazu Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 94, Rn. 16), die aber, wie die Erörterung in diesem Abschnitt zeigt, in den Steuerdatenfällen gerade fehlen. 1488 Zum Anwendungsbereich der Sicherstellung in anderer Weise Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 94, Rn. 16. 1489 Wulf, PStR 2012, 33 (39). 1490 Vgl. hinsichtlich der Abschreckungswirkung auch Wulf, PStR 2012, 33 (39f.). 1491 Zur Durchsetzung von § 97 AO auf dem Zwangsmittelweg Tipke/Kruse, AO, Vor § 328 AO, Rn. 5; § 328 AO, Rn. 11; Tipke/Seer, AO, § 97 AO, Rn. 16. 1492 Für eine befugnisbegründende Wirkung des Vorlageersuchens hingegen Lang, FS Schneider, 737 (742). 1493 Zum abschließenden Charakter der steuerrechtlichen Zwangsmittel Tipke/Kruse, AO, § 328 AO, Rn. 24. 1494 Erörtert z. B. bei VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (243f.); LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); NStZ-RR 2011, 84 (85); Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR,
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Die Ermittlungsgeneralklausel berechtigt zu Ermittlungen jeder Art und vermag staatliches Handeln zu legitimieren, sofern das Handeln keinen wesentlichen Eingriff in Grundrechte darstellt. Bei wesentlichen Grundrechtseingriffen ist hingegen eine spezielle Ermächtigungsgrundlage erforderlich.1495 Ob die Ermittlungsgeneralklausel in den Steuerdatenfällen zur Rechtfertigung herangezogen werden kann, ist Gegenstand einer kontroversen Debatte. Daher findet nachfolgend zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit zwei Extrempositionen statt, ehe die entscheidende Frage des wesentlichen Grundrechtseingriffs thematisiert wird. aa) Ablehnung der Rechtfertigung auf Grund der Geldzahlung Gegen eine Rechtfertigung durch die Ermittlungsgeneralklausel wird angeführt, dass derart hohe Geldzahlungen, wie sie in den Steuerdatenfällen erfolgt sind, der StPO fremd seien.1496 Diese Argumentation verfehlt meines Erachtens den Kern der Problematik. Schließlich ist es gerade der Sinn der Ermittlungsgeneralklausel Maßnahmen zu erfassen, die in der StPO nicht explizit genannt sind. Entscheidend kann daher nur die Frage der Wesentlichkeit des Grundrechtseingriffs sein. Mit Blick auf die Außergewöhnlichkeit der Ankäufe kann die Rechtfertigung folglich nicht abgelehnt werden. bb) Rechtfertigung auf Grund der Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands Konträr zur gerade erörterten Ansicht hält das LG Düsseldorf die allgemeine Befugnisnorm für ausreichend. Schließlich werde nur der von der Strafprozessordnung vorgesehene Zustand hergestellt, da die Strafverfolgungsbehörden § 385 AO, Rn. 1195; Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 117; Beulke, Jura 2008, 653 (664); Beyer, AO-StB 2011, 4 (5); Gehm, ZRP 2012, 223; Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1280ff.); Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (925); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Koblenzer, StBMag 2012, 16 (17); Kölbel, NStZ 2008, 241 (243); Küchenhoff, NJ 2010, 321ff.; Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Pfisterer, JR 2015, 314 (321f.); Roth, Stbg 2013, 29; Roxin/Schünemann, StrafverfahrensR, § 39, Rn. 24; Satzger, FS Achenbach, 447 (458f.); ders., FS I. Roxin, 421 (426ff.); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 233ff.; Trüg, StV 2011, 111 (114f.); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 551ff.; Zieschang, FS Scheuing, 794 (814ff.); indirekt auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 161, Rn. 1, wobei der Bezug zur Steuerdatenaffäre nur durch die Literaturhinweise deutlich wird. 1495 BGHSt 42, 139 (150); 51, 211 (218); Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 163, Rn. 9; Beulke, StrafprozessR, Rn. 104; Roxin/Schünemann, StrafverfahrensR, § 39, Rn. 23. 1496 Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1195; Beulke, Jura 2008, 653 (664); ähnlich auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 117; in diese Richtung, aber ohne Bezug zur Anwendbarkeit der Ermittlungsgeneralklausel auch Spatscheck, FS Volk, 771 (780, Fn. 35), der die Geldzahlung als gesetzlich nicht vorgesehenen und daher verbotenen Vorteil im Sinne des § 136a StPO ansieht. Ob der Vorteil tatsächlich gesetzlich nicht vorgesehen ist, hängt aber vom Eingreifen der Ermittlungsgeneralklausel ab, so auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 254f.
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die betroffenen Informanten ohnehin als Zeugen hätten vernehmen können, ohne dass diese sich auf ein Aussageverweigerungsrecht hätten stützen können. Auch sei eine dem Informanten gewährte Gegenleistung nicht als Eingriff in die Rechte der Beschuldigten zu qualifizieren, sondern sei vielmehr bei der Strafverfolgung üblich. Abschließend sei zu berücksichtigen, dass es an einem Verbot für den Ankauf von Steuerdaten und damit am Erfordernis einer speziellen Ermächtigungsgrundlage fehle.1497 Dabei wird übersehen, dass das Verbot des Ankaufs daraus folgt, dass durch den Ankauf Strafnormen verletzt werden. Um trotz eines erfüllten Straftatbestands rechtmäßig zu handeln, wäre mithin das Eingreifen eines Rechtfertigungsgrunds erforderlich. Nicht den staatlichen Stellen muss ein Verbot des Datenankaufs nachgewiesen werden, sondern die staatlichen Stellen müssen eine Befugnisnorm oder einen anderen Rechtfertigungsgrund aufweisen können, damit die Erfüllung diverser Straftatbestände nicht als rechtswidriges Handeln zu bewerten ist. Entscheidend ist somit entgegen der Ansicht des LG Düsseldorf nicht die Existenz eines expliziten Verbots des Datenankaufs, sondern die Frage, ob der Datenankauf mehr als nur geringfügig in Grundrechte eingreift. Bezüglich der Auswirkungen einer Zeugenstellung, auf die sich das LG Düsseldorf beruft, kann auf die obigen Erwägungen im Zusammenhang mit einer entsprechenden Rechtfertigung des Bankmitarbeiters verwiesen werden. cc) Vorliegen eines intensiven Grundrechtseingriffs Die vorangegangene Erörterung der beiden Extrempositionen hat gezeigt, dass die Anwendung der Ermittlungsgeneralklausel nicht durch pauschale Erwägungen ausgeschlossen oder begründet werden kann, sondern nur vom Vorliegen eines wesentlichen Grundrechtseingriffs abhängt. Daher wird nachfolgend zunächst begründet, warum ein Grundrechtseingriff gegeben ist, ehe die Intensität des Eingriffs untersucht wird. (1) Eingriff Hinsichtlich eines möglichen Eingriffs kommen sowohl Grundrechte der betroffenen Banken als auch der Bankkunden in Betracht. (a) Rechte der Banken Das Beschaffen der Geschäftsgeheimnisse der Banken und das spätere Auswerten der gewonnenen Informationen könnten Verletzungen von Art. 12 (Be1497 LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); NStR-RR 2011, 84 (85); in diese Richtung auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 256f., der ebenfalls entscheidend auf Aussagepflichten des Informanten abstellt. Zur fehlenden Aussagekraft einer solchen Argumentation kann auf das dazu im Rahmen der Rechtfertigung des Bankmitarbeiters Festgestellte verwiesen werden (dazu oben im 2. Kapitel unter C. II. 2.).
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rufsfreiheit) beziehungsweise Art. 14 GG (Eigentum) darstellen.1498 Allerdings handelt es sich bei den betroffenen Banken typischerweise um ausländische juristische Personen, die nicht dem Schutzbereich der jeweiligen Grundrechte unterfallen.1499 Ob die von den Grundrechten erfassten Verhaltensweisen für ausländische juristische Personen zumindest durch Art. 2 I GG geschützt sind, ist angesichts der Begrenzung von Art. 19 III GG auf inländische juristische Personen umstritten.1500 Jedenfalls können sich ausländische juristische Personen aber auf Art. 2 I GG berufen, wenn das Rechtsstaatsgebot durch die Staatsgewalt zu ihren Lasten verletzt ist, wobei eine Verletzung des Rechtsstaatsgebots auch in Betracht kommt, wenn durch den Staat in klassische, ausländischen juristischen Personen nicht direkt zustehende Grundrechte eingegriffen wird.1501 Ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot ist in den Steuerdatenfällen durch die Verwirklichung von Staftatbeständen, die teilweise dem Schutz der Banken dienen, anzunehmen (dazu unten unter (2) (f)). Eine Berufung auf Art. 2 I GG setzt auch nicht voraus, dass ein Bezug zum deutschen Markt besteht,1502 da deutsche Amtsträger auch im Ausland die Grundrechte von Ausländern zu beachten haben, soweit die Grundrechte auf ausländische Personen anwendbar sind,1503 was, wie dargelegt, nach teilweise vertretener Ansicht hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit, jedenfalls aber über die Rüge des Rechtsstaatsgebots zu bejahen ist.1504 Während die Eingriffsqualität der Geldzahlung bezüglich der Kunden teilweise bestritten wird (dazu unten unter (b)), dürfte sie für die Banken offensichtlich sein. So schützt der nach hier vertretener Ansicht durch den Ankauf zumindest im Regelfall einer zurückbehaltenen Datensammlung verwirklichte Tatbestand des § 257 StGB auch die Interessen des Vortatopfers: Die Geldzah1498 Hierzu widersprüchlich Sonn, Steuer-CD-Affäre, 245, der zunächst einen Eingriff bejaht, ohne den Aspekt des ausländischen Grundrechtsträgers zu thematisieren, dann allerdings einen Eingriff verneint (249), da es sich um ausländische Grundrechtsträger ohne Bezug zum deutschen Markt handele. 1499 Zu dem personalen Schutzbereich der Grundrechte Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 12, Rn. 12f., Art. 14, Rn. 22, Art. 19, Rn. 21ff., wonach eine Grundrechtsträgerschaft allenfalls für juristische Personen aus EU-Staaten möglich wäre, allerdings auch nur, soweit dies europarechtlich geboten ist oder ein Regelungsgegenstand des Gemeinschaftsrechts betroffen ist. Da im vorliegenden Zusammenhang in Gestalt der Beweisverschaffung für straf- und steuerrechtliche Verfahren Gebiete mit spezifisch nationaler Prägung berührt sind, liegt kein gemeinschaftsrechtlicher Bezug vor. 1500 Offen gelassen durch BVerfGE 18, 441 (447); 64, 1 (11); ablehnend Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 2, Rn. 8; befürwortend Zuck, EuGRZ 2008, 680 (683, 685). 1501 Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 2, Rn. 19f.; Guckelberger, AöR 2004 (129), 618 (626). 1502 So aber wohl Sonn, Steuer-CD-Affäre, 249. 1503 Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 1, Rn. 43. 1504 Einen Eingriff im Ergebnis bejahend auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 552f.
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lung erschwert die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands (dazu im Detail oben in diesem Kapitel unter B. I. 5. b) cc)), da der Bankmitarbeiter mithilfe der Geldzahlung seine Verfügungsmacht über die Informationen sichern kann. So wird in die Rechte der Bank hinsichtlich ihrer Geschäftsgeheimnisse eingegriffen. Auch die Nutzung berührt die Bankenrechte, wie die Verwirklichung von § 17 II Nr. 2 UWG zeigt. Die Schutzbedürftigkeit der Banken entfällt auch nicht mit Blick auf eine faktische Mitwirkung an der Steuerhinterziehung der Bankkunden.1505 Wenn schon die Begehung von Straftaten den Grundrechtsschutz nicht entfallen lässt (dazu nachfolgend im Rahmen der Kundenrechte), dann kann erst Recht der rein tatsächliche Bezug zu solchen Taten nicht zu einem Wegfall des Grundrechtsschutzes führen. (b) Rechte der Bankkunden Weiterhin könnten Grundrechte der Bankkunden von Bedeutung sein. (aa) Relevanz der Kundenrechte? Gegen die Berücksichtigung von Grundrechten der Bankkunden wird vorgebracht, dass ein Eingriff in Grundrechte der Bankkunden bedeutungslos sei, wenn die Rechtfertigung von Straftaten gegen die Banken geprüft werde.1506 Jedoch sind die Grundrechte der Bankkunden meines Erachtens selbst dann von Bedeutung, wenn man entgegen der hier vertretenen Ansicht (BDSG-Strafbarkeit) Straftaten zu ihren Lasten verneint. Auch wenn man eine Rechtfertigung durch die Ermittlungsgeneralklausel bezogen auf Delikte, die sich gegen die Banken richten, prüft, müssen alle Grundrechtseingriffe berücksichtigt werden und nicht nur solche, die Grundrechte der Banken betreffen. Dies ergibt sich schon daraus, dass die Ermittlungsgeneralklausel nicht nur in strafrechtlicher Hinsicht rechtfertigend wirkt, sondern auch öffentlich-rechtlich den Ankauf als staatliche Ermittlungsmaßnahme legitimieren muss. Für die öffentlich-rechtliche Beurteilung der Frage, ob §§ 161, 163 StPO als Rechtsgrundlage ausreichen, sind aber alle von einer staatlichen Maßnahme ausgehenden Eingriffe zu berücksichtigen – unabhängig von der Schutzrichtung möglicher Straftaten. Da auf Grund der Einheit der Rechtsordnung die öffentlich-rechtliche und die strafrechtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit parallel verlaufen müssen, sind auch im Kontext einer strafrechtlichen Prüfung alle Eingriffe in die Betrachtung einzubeziehen.1507 Andernfalls könnte man zu dem Ergebnis gelangen, dass die 1505 Anders hingegen Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (44). 1506 So erwogen von Sonn, Steuer-CD-Affäre, 241f., der sich aber im Ergebnis gegen solche Überlegungen ausspricht. 1507 So im Ergebnis auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 241ff., der jedoch vorher ausgiebig eine isolierte strafrechtliche Betrachtung ohne Einbeziehung der Grundrechte der Bankkun-
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Ermittlungsgeneralklausel in Ermangelung eines Eingriffs oder zumindest der Wesentlichkeit des Eingriffs zur Rechtfertigung einer Straftat herangezogen wird, während öffentlich-rechtlich §§ 161, 163 StPO als Rechtsgrundlage abgelehnt werden, da dort auf Grund der Einbeziehung weiterer Grundrechte ein wesentlicher Eingriff angenommen wird. Daher sind auch die Grundrechte der Bankkunden entscheidend für das Vorliegen eines Eingriffs. Gegen die Berührung des Rechtskreises der Bankkunden und damit gegen einen möglichen Eingriff kann entgegen teilweise vertretener Ansicht1508 auch nicht angeführt werden, dass die Geldzahlung lediglich die Situation des Bankmitarbeiters verbessere, während sie die Position der von den Daten Betroffenen überhaupt nicht tangiere und als reine Beschaffungsmodalität in grundrechtlicher Hinsicht bedeutungslos sei. Eine solche Betrachtung, die nur auf die Geldzahlung fokussiert ist, reißt den einheitlichen Vorgang des Datenankaufs in sachfremder Weise auseinander und verkennt, dass die Geldzahlung gerade konstitutiv für die Datenbeschaffung ist und einen engen Zusammenhang mit dem dadurch verwirklichten Unrecht aufweist. Zudem wird zu Recht konstatiert,1509 dass auch die Modalitäten der Informationserlangung zu einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beitragen: Für denjenigen, der von einer staatlichen Datenerhebung betroffen ist, mag es auf den ersten Blick irrelevant sein, ob der Staat für die Informationsbeschaffung Geld gezahlt hat oder nicht. In beiden Fällen verfügt der Staat über Informationen, die der Betroffene ihm vorenthalten möchte. Eine solche Betrachtung lässt aber außer Acht, dass es sich sich um eine staatliche Datenerhebung handelt. Der Staat ist bei der Datenerhebung wie bei seiner gesamten Tätigkeit an das Rechtsstaatsprinzip gebunden, so dass es auch darauf ankommt, auf welche Weise er sich Informationen beschafft. Daher ist es auch hinsichtlich des Rechts der Bankkunden auf informationelle Selbstbestimmung von Belang, dass der Staat nur an die relevanten Informationen gelangt, indem er durch die Geldzahlung die illegale Vorgehensweise des Bankmitarbeiters honoriert, seine Vertreter regelmäßig die Tatbestände verschiedener Strafnormen erfüllen lässt und damit seine eigene Datenerhebung erst ermöglicht. den erörtert, was angesichts des offensichtlichen Ergebnisses, das heißt der Einbeziehung aller relevanten Grundrechtsverletzungen, wenig sachgerecht erscheint. 1508 VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (244); LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); NStZ-RR, 84 (85); Kaiser, NStZ 2011, 383 (386f.); Kölbel, NStZ 2008, 241 (243); Roth, Stbg 2013, 29; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 554, die allerdings auf Grund der Geldzahlung Konflikte mit der Wesentlichkeitstheorie sieht; ähnlich auch Satzger, FS Achenbach, 447 (460); ders., FS I. Roxin, 421 (428), der allerdings mit dieser Argumentation nur die Wesentlichkeit des Eingriffs verneint. 1509 So von Sonn, Steuer-CD-Affäre, 245, der zwar im Ergebnis einen Eingriff sowohl durch die Entgegennahme der Daten als auch durch die Kaufpreiszahlung bejaht, aber entgegen der hier vertretenen Ansicht den Ankauf in die beiden Komplexe aufspaltet.
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(bb) Vorliegen eines Eingriffs In der Frage der Grundrechtsrelevanz spricht der Personenbezug der Daten für einen Eingriff in das Recht der Bankkunden auf informationelle Selbstbestimmung. Der Datenankauf ist ein Vorgang der Datenbeschaffung. Laut BVerfG1510 ist bei der Erhebung personenbezogener Daten das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i. V. m. Art. 1 I GG) betroffen. Nach diesen Grundsätzen muss auch in den Steuerdatenfällen ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung bejaht werden.1511 Auch der Nutzung und Weitergabe personenbezogener Daten kommt Eingriffsqualität zu.1512 Daher ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht nur durch den Datenankauf, sondern zusätzlich durch die spätere Nutzung der Informationen berührt. (cc)
Bedeutung der Steuerhinterziehung und der ausländischen Belegenheit der Daten Zu Recht wird darauf hingewiesen,1513 dass ein Eingriff unabhängig von der Frage der Steuerhinterziehung ist, da auch bei einem Rechtsbruch der Betroffenen ein staatlicher Eingriff einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden Rechtsgrundlage bedarf. Zudem lässt sich der Ankauf nicht mit Blick auf das Anzeigerecht des Bankmitarbeiters verharmlosen. Wenn argumentiert wird, angesichts von § 158 StPO sei die Entgegennahme von Informationen über mögliche Straftaten völlig unproblematisch,1514 wird ein einheitlicher Vorgang auseinandergerissen, da der Aspekt des Ankaufs unberück-
1510 BVerfGE 65, 1 (43); für den Eingriffscharakter von Erhebungsmaßnahmen auch Jarass/ Pieroth/Jarass, GG, Art. 2, Rn. 53. 1511 Einen solchen Eingriff befürwortend auch VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (243f.); Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; Betzinger/Rutemöller, ZRP 2008, 95 (96); Beyer, AO-StB 2011, 4 (5); Bohnert, FS Schiller, 68 (73); Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277f.; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Junker, StRR 2008, 129 (131); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (121); ders., StBMag 2012, 16 (17); Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Pfisterer, JR 2015, 314 (321f.); Satzger, FS Achenbach, 447 (458); ders., FS I. Roxin, 421 (427); Sieber, NJW 2008, 881 (885); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 238ff.; Spernath, NStZ 2010, 307 (311); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 552; Trüg, StV 2011, 111 (114f.). 1512 BVerfGE 65, 1 (43); Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 2, Rn. 53; Bull, DÖV 1979, 689 (691f.). 1513 So von Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 240; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 551; Trüg, StV 2011, 111 (115); anders hingegen allgemein im Zusammenhang mit der Ermittlungsgeneralklausel Gössel, JuS 1979, 162 (166), wonach die Persönlichkeitsentfaltung nur geschützt sei, solange sie sich nicht in Straftaten ausdrücke und bezogen auf die erste Welle der Steuerdatenankäufe Rößler, DStZ 1998, 721f., wonach demjenigen, der sich steuerrechtswidrig verhalte, kein verfassungsrechtlicher Schutz zukommen dürfe. Diese Haltung dürfte angesichts der in den letzten Jahrzehnten gestiegenen Sensibilisierung bei Daten und der Entwicklung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung kaum haltbar sein. 1514 So Zieschang, FS Scheuing, 794 (814).
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sichtigt bleibt. Zudem kann auf die Erörterung des Anzeigerechts im Rahmen der Informantenstrafbarkeit verwiesen werden. Auch mit Blick auf die bewusste Verbringung der Daten ins Ausland durch die Bankkunden kann entgegen teilweise vorgebrachter Einwände1515 ein Eingriff nicht verneint werden, da ein solches Verhalten wohl kaum als Grundrechtsverzicht gewertet werden kann.1516 Es käme auch niemand auf die Idee, dass ein Deutscher während eines Auslandsaufenthalts gegenüber dem deutschen Staat auf sein Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verzichtet. Hinzu kommt, dass die Verpflichtung zur Wahrung der Grundrechte für deutsche Amtsträger nicht entfällt,1517 weil sich der durch das Grundrecht geschützte Gegenstand im Ausland befindet oder weil es sich zumindest teilweise um ein im Ausland stattfindendes Geschehen handelt.1518 (dd) Zwischenergebnis Festgehalten werden kann daher, dass der Datenankauf und die nachfolgende Datenbearbeitung in das Recht der Bankkunden auf informationelle Selbstbestimmung eingreifen. (c) Ergebnis: Eingriff Ein Eingriff liegt damit sowohl hinsichtlich der als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit geschützten wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit der ausländischen Banken als auch hinsichtlich des Rechts der Bankkunden auf informationelle Selbstbestimmung vor. (2) Intensität des Eingriffs Fraglich ist, ob es sich um einen wesentlichen Grundrechtseingriff handelt.1519 Grundsätzlich kann die Datenerhebung auch bei personenbezogenen Daten auf 1515 Kaiser, NStZ 2011, 383 (386). 1516 So zu Recht auch Wannemacher/Nossen, SteuerstrafR, Rn. 4119; Sonn, Steuer-CD-Affäre, 239f. 1517 Zur Grundrechtsbindung der vollziehenden Gewalt im Ausland Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 1, Rn. 44; vgl. auch Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1281), die im Kontext eines mutmaßlich ausländischen Übergabeorts auf die Grundrechtsbindung deutscher Amtsträger verweisen. 1518 So auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 551. 1519 Dagegen VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (243f.); wohl auch Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 161, Rn. 1, der die Maßnahmen als »Gegenleistungen für ›zeugenschaftliche Kooperation‹« für zulässig erachtet; dafür Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1281f.; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Pfisterer, JR 2015, 314 (321f.); Sieber, NJW 2008, 881 (885); Spernath, NStZ 2010, 307 (311); Trüg, StV 2011, 111 (114f.); wohl auch Radtke/ Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; Betzinger/Rutemöller, ZRP 2008, 95 (96); Bohnert, FS Schiller, 68 (73ff.); Junker, StRR 2008, 129 (131); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (121).
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die Generalklausel gestützt werden, da die Ermittlung von Straftaten geradezu typischerweise einen Bezug zu personenbezogenen Daten aufweist.1520 Bevor einzelne Kriterien zur Wesentlichkeit des Eingriffs näher auf ihre Bedeutung in den Steuerdatenfällen untersucht werden, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass Argumente, die auf die Kronzeugenregelung oder die übliche Praxis von Auslobungen abstellen,1521 um das Bild eines nur geringfügigen Eingriffs zu vermitteln, aus den schon bei der Erörterung der Rechtswidrigkeit des Informantenhandelns genannten Gründen nicht überzeugen können. (a)
Vergleich zu Online-Durchsuchung, Vorratsdatenspeicherung und Rasterfahndung Mitunter wird eine Parallele zur rigiden Rechtsprechung des BVerfG im Bereich der Rasterfahndung, der Vorratsdatenspeicherung und der Online-Durchsuchung gezogen, um die Bedeutung des Grundrechtseingriffs hervorzuheben.1522 Dies überzeugt jedoch nicht.1523 Nur weil das BVerfG in einigen Fällen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung die Ermittlungsgeneralklausel als hinreichend qualifizierte Rechtsgrundlage abgelehnt hat, folgt daraus nicht, dass §§ 161, 163 StPO stets ausscheiden, sobald die informationelle Selbstbestimmung betroffen ist. Gerade die Online-Durchsuchung ermöglicht detaillierte Einblicke in die gesamte Lebensführung und stellt damit im Vergleich zu dem Steuerdatenankauf einen tiefgreifenderen Eingriff dar. Anstelle von abstrakten Vergleichen scheint es daher vorzugswürdig, die Intensität der Steuerdatenankäufe anhand von Kriterien, die typischerweise zur Einordnung eines Grundrechtseingriffs herangezogen werden, zu ermitteln. (b) Gegenstand der Daten Zur Klärung der Eingriffsintensität bietet es sich an, zunächst den Inhalt der beschafften Informationen zu betrachten. So wird zur Ablehnung eines wesentlichen Eingriffs darauf abgestellt, dass die Daten immerhin nicht zur Intimsphäre der Bürger zählten.1524 Dabei ist meines Erachtens jedoch zu beachten, dass auf Grund der zumindest in manchen Fällen vorliegenden Detailliertheit
1520 KK-StPO/Griesbaum, § 161, Rn. 1a; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 161, Rn. 1. 1521 Im Rahmen der Rechtfertigung der Amtsträger auf die Kronzeugenregelung abstellend Sonn, Steuer-CD-Affäre, 253f.; auf die Auslobungspraxis abstellend Roth, Stbg 2013, 29; Sonn, aaO; Zieschang, FS Scheuing, 794 (815). 1522 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (120); ders., StBMag 2012, 16 (17). 1523 Eine solche Parallele ablehnend auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 251f. 1524 VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (243f.); Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1281); Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Satzger, FS Achenbach, 447 (459); ders., FS I. Roxin, 421 (427); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 248f.; Zieschang, FS Scheuing, 794 (814f.).
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des Materials nicht nur der geschäftliche Bereich betroffen ist.1525 Eine umfangreiche Auflistung von Vermögensbestandteilen oder gar die Angabe von Nachfolgeregelungen dürfte, wenn auch nicht zur Intimsphäre, doch zumindest zum privaten Bereich zählen.1526 Hinzu kommt, dass in den Steuerdatenfällen Daten beschafft werden, die der Berechtigte offensichtlich geheim halten wollte. Insoweit besteht keine Vergleichbarkeit zu der Erhebung von im Internet allgemein zugänglichen Daten, welche zulässigerweise1527 auf die Generalklausel gestützt werden kann. Für eine geringe Eingriffsintensität könnte jedoch sprechen, dass hier Informationen betroffen sind, hinsichtlich derer gewisse Offenbarungspflichten bestehen. So wird zur Begründung der Geringfügigkeit des Eingriffs angeführt, dass das deutsche Steuerrecht umfangreiche Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen kenne und zudem staatliche Auskunftsansprüche gegen die Banken bestünden, wenn es sich um deutsche Banken handeln würde. Daher seien die Daten weniger schutzwürdig.1528 Meines Erachtens lassen sich aus dem Kriterium der Mitteilungspflicht keine entscheidenden Erkenntnisse gewinnen. Die geringe Ergiebigkeit einer Argumentation, die auf Auskunftsansprüchen gegenüber deutschen Banken beruht, zeigt sich schon daran, dass das Argument nur im Konjunktiv verwendet werden kann: Das Problem besteht schließlich gerade darin, dass es sich nicht um deutsche Banken handelt. Daher bestehen auch keine Auskunftsansprüche. Dass die Steuerpflichtigen grundsätzlich zu korrekten Angaben über ihre Vermögensverhältnisse und bei Auslandssachverhalten nach § 90 II AO zu besonders detaillierten Angaben verpflichtet sind, ist unbestritten. Ein Anspruch besteht aber nur auf Mitteilung der konkret steuererheblichen Information als solcher und nicht auf die Herausgabe der kompletten Bankakten. Der Staat hat folglich keinen Anspruch auf die Information in der Gestalt, in der er sie sich beschafft hat. Daher kann auch aus den steuerlichen Mitwirkungspflichten nicht auf die geringe Schutzwürdigkeit geschlossen werden. Hinsichtlich des Datenankaufs liegt die entscheidende Frage nicht in der Berechtigung der staatlichen Steuer1525 So aber Satzger, FS Achenbach, 447 (459); ders., FS I. Roxin, 421 (427); Sonn, Steuer-CDAffäre, 248. 1526 Vgl. auch Beyer, AO-StB 2011, 4 (5), der ohne weitere Begründung annimmt, die Kunden seien in ihrer Privatsphäre betroffen; Pfisterer, JR 2015, 314 (321f.), der in den entsprechenden wirtschaftlichen Informationen einen besonders schutzwürdigen Teil der Privatsphäre sieht und eine Differenzierung zwischen wirtschaftlicher und privater Sphäre ablehnt. 1527 Zur Ermittlungsgeneralklausel als Grundlage solcher Datenerhebungen Meyer-Goßner/ Schmitt, StPO, § 163, Rn. 28a. 1528 VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (244); Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1281); Pawlik, JZ 2010, 693 (697); Satzger, FS Achenbach, 447 (459); ders., FS I. Roxin, 421 (427); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 250f.
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erhebung inklusive damit verbundener Mitteilungspflichten, sondern darin, was der Staat tun darf, wenn gegen die Mitwirkungspflichten verstoßen worden ist. In diesem Zusammenhang ist eingriffsintensivierend zu berücksichtigen, dass das staatliche Verhalten nicht nur in die Rechte derjenigen eingreift, deren Daten erlangt werden sollen, sondern zusätzlich die Rechte Dritter, das heißt der Banken, berührt, wobei die betroffenen ausländischen Banken gerade keiner Mitteilungspflicht unterliegen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen nur im steuerlichen Kontext bestehen, nicht aber hinsichtlich der strafrechtlichen Bewertung seines Verhaltens.1529 Meines Erachtens muss im Kontext der zur Strafverfolgung gedachten Ermittlungsgeneralklausel aber gerade diese strafrechtliche Betrachtung dominierend sein. Aus dem Aspekt des Datengegenstands lassen sich folglich keine eindeutigen Erkenntnisse über die Frage der Eingriffsintensität gewinnen. Einerseits handelt es sich nicht um Daten aus der Intimsphäre, andererseits lassen gerade umfangreiche Bankdaten Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu, so dass es sich keineswegs um Bagatellinformationen handelt.1530 Insbesondere führt die Verletzung steuerlicher Mitwirkungspflichten nicht dazu, dass die Daten »vogelfrei« werden und der Staat sie sich auf jede Weise beschaffen darf. (c) Heimlichkeit des Vorgehens Für eine geringe Eingriffsintensität des Datenankaufs wird in den Steuerdatenfällen angeführt,1531 dass er nicht heimlich erfolgt sei. Dieser Annahme ist jedoch zu widersprechen: Schließlich findet der Ankauf als solcher sehr wohl heimlich statt, da die Behörden den Ankauf erst nach seiner Durchführung öffentlich machen.1532 Auch machen die Behörden lediglich den Ankauf öffentlich, informieren jedoch nicht die betroffenen Kunden von der Auswertung ihrer Daten. Daher geschieht auch die Nutzung der Daten heimlich. Die Heimlichkeit alleine ist jedoch kein Grund für die Annahme eines wesentlichen Eingriffs.1533 Teilweise wird allerdings vertreten, für Steuerhinterziehungen sei den §§ 100a, 100c, 110a StPO die Aussage zu entnehmen, dass ein heimliches Vorgehen nicht zulässig sei und nur eine offene Vorgehensweise in 1529 1530 1531 1532
So auch Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1281f.). So auch Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1281f.). Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1282). Auch für die Annahme von Heimlichkeit Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; Stoffer, Ermittlungsverfahren, 554; wohl auch für die Annahme eines heimlichen Vorgehens, zumindest aber für eine qualitative Vergleichbarkeit Junker, StrR 2008, 129 (131). 1533 BGHSt 42, 139 (150); KK-StPO/Griesbaum, § 161, Rn. 12; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 161, Rn. 7.
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Betracht komme.1534 Meines Erachtens ist den genannten Normen hingegen lediglich die Aussage zu entnehmen, dass die dort normierten Maßnahmen bei Steuerhinterziehung nicht zulässig sind. Für einen gesetzgeberischen Willen, nach dem sich aus drei nicht miteinander im Zusammenhang stehenden Einzelmaßnahmen ein abschließender Katalog für Taten, bei denen heimliche Ermittlungsmaßnahmen zulässig sind, ergeben soll, bestehen keine Anhaltspunkte. Festgehalten werden kann daher einerseits, dass die Heimlichkeit des Datenankaufs alleine nicht ausreicht, um einen wesentlichen Eingriff zu begründen, aber immerhin ein Indiz ist, aus dem sich bei Vorliegen weiterer Aspekte ein Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle ergeben kann. (d) Streubreite und fehlende Verdachtsmomente Als Indizien für einen intensiven Eingriff werden allgemein die Streubreite einer Maßnahme sowie fehlende Verdachtsmomente genannt.1535 Beide Kriterien sprechen dagegen, den Datenankauf auf die Ermittlungsgeneralklausel zu stützen.1536 So ist in den Steuerdatenfällen vor Beschaffung des Materials – sei es als Probedaten oder durch den Hauptankauf – lediglich bekannt, dass eine Vielzahl nicht näher bekannter deutscher Staatsbürger Vermögen bei einer ausländischen Bank angelegt hat. Das kann aus den bereits in anderem Zusammenhang dargelegten Gründen einer globalisierten Wirtschaft und der zumindest hinsichtlich mancher Staaten relevanten Geltung der Kapitalverkehrsfreiheit (siehe oben im 2. Kapitel unter A. I. 5. c) bb) (2) (f) (aa)) für einen Verdacht nicht ausreichen.1537 Es kann auch nicht argumentiert werden, dass die Auswertung der Probedatensätze zu einem Anfangsverdacht führe.1538 Bei Erwerb der Probedaten hat aus den gerade angestellten Erwägungen kein Anfangsverdacht bestanden. Die Prüfung der (Probe-)Daten und die Erkenntnis, dass es sich bei den dortigen Kunden (zu einem Teil) um Steuerhinterzieher gehandelt hat, führt 1534 Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 49. 1535 BVerfGE 100, 313 (392); 113, 29 (53f.); KK-StPO/Griesbaum, § 161, Rn. 1a; dagegen in den Steuerdatenfällen VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (244), wonach die Betroffenheit Unschuldiger für die Eingriffsqualität irrelevant sein soll; dagegen offenbar auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 237ff., der zwar die Streubreite des Ankaufs anerkennt, aber hinsichtlich der Verdachtslosigkeit darauf verweist, dass die Generalklausel auch Vorermittlungen erfasse. Dies verkennt aber, dass gerade auf das Zusammenspiel von Verdachtslosigkeit und großer Streubreite der Maßnahme, das heißt auf eine besonders intensive Form der Vorermittlung, abgestellt wird. 1536 Anders Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1281), die die Krierien in den Steuerdatenfällen für unergiebig erachten. 1537 Einen Anfangsverdacht in den Steuerdatenfällen ablehnend auch Spernath, NStZ 2010, 307 (311); allgemein gegen einen Anfangsverdacht gestützt auf eine ausländische Geldanlage auch BFH, wistra 2001, 354 (358); Bülte, wistra 2008, 292 (293f.). 1538 So aber Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1281).
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auch nicht zu einem Anfangsverdacht für alle danach übermittelten und auf andere Kunden bezogenen Datensätze. Schließlich handelt es sich dabei lediglich um die Vermutung, dass es bei der betroffenen Bank noch mehr steuerunehrliche Kunden gibt. Solche bloßen Vermutungen hinsichtlich gleich gelagerter Fälle reichen für einen Anfangsverdacht jedoch nicht aus.1539 Selbst wenn in einem der Ankaufsfälle angeblich die Steuerhinterzieherquote der Datensammlung bei 88 Prozent gelegen haben soll, ist es unvermeidlich, dass durch den Datenankauf auch Informationen zu steuerehrlichen Kunden gesammelt werden. Obwohl solche Kunden nichts zu verbergen haben, berechtigt dies den Staat nicht automatisch zur Sammlung ihrer Daten. Hingegen argumentiert Sonn,1540 dass die Finanzbehörden von den steuerehrlichen Kunden bereits die Informationen, insbesondere die Höhe der angefallenen Kapitalerträge, erhalten hätten. Diese Aussage ist zwar im Grundsatz richtig. Zum einen ist jedoch davon auszugehen, dass die Angaben in der Datensammlung, zumindest wenn diese so detailliertes Material wie im Fall von Heinrich Kieber enthält, umfangreicher sind als die in der Steuererklärung gemachten Angaben. Zum anderen folgt aus der Angabe der Vermögensverhältnisse in der Steuererklärung nicht automatisch das Recht der staatlichen Organe, sich die ausländischen Bankakten zur Überprüfung der Angaben zu beschaffen. Die Annahme Sonns,1541 die korrekte Angabe in der Steuererklärung sei eine Einwilligung in die Kenntnisnahme der Angaben und daher ein Verzicht auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, ist lebensfremd. Wer Angaben in einer Steuererklärung macht, willigt darin ein, dass die zuständigen staatlichen Stellen die dort aufgeführten Informationen in der dortigen Gestalt zur Kenntnis nehmen. Doch ist darin sicher weder eine Einwilligung in die staatliche Beschaffung der gleichen Daten noch eine Einwilligung in die Beschaffung darüber hinausgehender Angaben, also in eine Kenntniserlangung auf völlig andere Art und Weise, zur Kontrolle der Steuererklärung zu sehen. Dies gilt vor allem für Steuerpflichtige, die ihr Vermögen bei einer ausländischen Bank deponiert haben und sich auch bei gesetzestreuen Motiven bewusst sind, dass dort wesentlich geringere Kontrollmöglichkeiten für den deutschen Staat bestehen. Hinzu kommt, dass die Datenbeschaffung typischerweise nicht von der für die steuerliche Veranlagung zuständigen Stelle durchgeführt wird. Die Annahme einer Einwilligung in den Datenankauf ist mithin nicht überzeugend.1542 Es verbleibt somit bei der hohen Streubreite der Maßnahme. Zudem ist, wie Sonn1543 im Grundsatz zu Recht konstatiert, zu berücksichtigen, dass die Datensammlungen durchaus auch 1539 1540 1541 1542 1543
Dazu allgemein Volk, StPO, § 8, Rn. 5. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 247. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 247. So im Ergebnis auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 552. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 247.
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Daten von Personen, die in Deutschland nicht der Steuerpflicht unterliegen, enthalten. Diese Daten sind unabhängig von der Steuerehrlichkeit der Kunden den deutschen Finanzbehörden ganz sicher nicht bekannt und dürften in Deutschland weder für die Steuererhebung noch für die Strafverfolgung relevant sein. Auch dies spricht für die Streubreite der Maßnahme. Dagegen kann nicht argumentiert werden, dass sich diese Anleger nur eingeschränkt auf das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung berufen könnten,1544 da dieses auch für natürliche Personen ausländischer Herkunft gilt1545. Der von Sonn1546 hinsichtlich des Schutzes ausländischer Anleger vermisste Bezug zu Deutschland ergibt sich daraus, dass an Grundrechte gebundene deutsche Amtsträger die Informationen beschaffen, um diese in Deutschland auszuwerten und gegebenenfalls sogar an die Heimatstaaten weiterzureichen. Folglich sprechen die aus den angeführten Gründen zu bejahende große Streubreite und die fehlenden Verdachtsmomente für einen wesentlichen Grundrechtseingriff.1547 Dies gilt umso mehr, wenn man noch die Grundrechte der Banken in den Blick nimmt, in die eingegriffen wird, ohne dass es einen Verdachtsmoment bezüglich einer Verfehlung der Banken oder ihrer Mitarbeiter gibt. (e) Vergleich mit Einzelermächtigungen Für die Frage der Wesentlichkeit eines Eingriffs ist ein Vergleich mit den Einzeleingriffsermächtigungen der StPO vorzunehmen. Nur Maßnahmen, deren Eingriffsintensität geringer ist als die der explizit zugelassenen Mittel, sind gestützt auf die Ermittlungsgeneralklausel zulässig.1548 Meines Erachtens zeigt gerade ein Vergleich mit der durch § 94 StPO explizit geregelten Beschlagnahme, dass der Datenankauf nicht auf die Generalklausel gestützt werden kann. Während sich der Datenankauf vollzieht, ohne dass die von den Daten Betroffenen, das heißt die Bankkunden oder die Verfügungsberechtigten über die Datenbestände, das heißt die Bank, Kenntnis von der staatlichen Informationsbeschaffung erlangen, ereignet sich eine Beschlagnahme typischerweise nicht heimlich. Auch setzt eine Beschlagnahme zumindest einen Anfangsverdacht voraus,1549 während der Datenankauf, wie gezeigt, durch Verdachtslosigkeit gekennzeichnet ist. Das Erfordernis eines Anfangsverdachts führt auch zu einer im Vergleich zum Datenankauf geringeren Streubreite. Abschließend ist zu berücksichtigen, dass eine Beschlagnahme keinerlei Vorteile für einen Unbe1544 1545 1546 1547 1548 1549
So aber Sonn, Steuer-CD-Affäre, 247f. Zur Geltung für Ausländer Jarass/Pieroth/Jarass, GG, Art. 2, Rn. 51 i.V.m. Rn. 7. Sonn, Steuer-CD-Affäre, 247. So im Ergebnis auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 553. Beulke, StrafprozessR, Rn. 104. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 94, Rn. 8.
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teiligten bringt, bei dem das Material beschlagnahmt wird, so dass im Gegensatz zum Datenankauf weder vorangegangene Straftaten gefördert noch erhebliche finanzielle Mittel des Staats verausgabt werden. Damit spricht der Vergleich mit anderen explizit geregelten Befugnissen gegen die Anwendung der Ermittlungsgeneralklausel.1550 (f ) Rechtsstaatsprinzip Zur Begründung der Wesentlichkeit des Eingriffs wird meines Erachtens zu Recht auf das Rechtsstaatsprinzip abgestellt: Wenn der Staat sich illegal erlangte Informationen gegen Bezahlung beschafft und so mittelbar die Straftaten des Informanten fördert, ist das Rechtsstaatsprinzip betroffen, so dass ein wesentlicher Grundrechtseingriff angenommen werden muss.1551 Die vorangegangenen Erörterungen haben gezeigt, dass die Auswertung und Weitergabe der Daten zu einer Strafbarkeit nach § 17 II Nr. 2 UWG führt, während der Ankauf zumindest im Regelfall zu einer Strafbarkeit nach § 257 StGB führt. Zudem kommen Delikte des BDSG in Betracht. Meines Erachtens zutreffend wird daher darauf hingewiesen,1552 dass die Ermittlungsgeneralklausel jedenfalls keine Straftaten legitimieren könne. Dabei handelt es sich auch nicht, wie man auf den ersten Blick durchaus denken könnte, um einen Zirkelschluss. Fraglos läge, wenn man eine Rechtfertigung durch die Ermittlungsgeneralklausel zuließe, gar keine Straftat vor.1553 Daher muss man die obige Argumentation richtigerweise dahin präzisieren, dass Maßnahmen, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen, nicht durch die Ermittlungsgeneralklausel gerechtfertigt werden können. Dass ein bestimmtes Verhalten mit einer Strafandrohung belegt ist, zeigt, dass es sich nicht um einen völlig unbedeutenden Eingriff in andere Rechtsgüter handelt und spricht damit für die Wesentlichkeit des Eingriffs. Explizit gegen eine solche Argumentation wendet sich Sonn,1554 indem er konstatiert, dass öffentlich-rechtliche Befugnisnormen durchaus Straftaten rechtfertigen könnten. Dazu verweist er auf die Rechtfer1550 Ähnlich auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 553. 1551 So auch Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1278f., 1282); Heine, ASA 2010/2011, 525 (537); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 555; für eine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips auch Junker, StRR 2008, 129 (132f.). 1552 Heine, ASA 2010/2011, 525 (537); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (121); Roxin/Schünemann, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 54, § 39, Rn. 24; ähnlich auch Fahl, ZJS 2009, 63 (68), der die gleichen Erwägungen hinsichtlich der allgemeinen staatlichen Aufgabe der Verbrechensbekämpfung anstellt; anders jedoch Küchenhoff, NJ 2010, 321 (323), der die Ermittlungsgeneralklausel nur bei Unverhältnismäßigkeit zwischen Straftat und Ermittlungszweck ablehnt und argumentiert, dass in den Steuerdatenfällen auf Grund der angestrebten Nachversteuerung gerade keine Unverhältnismäßigkeit gegeben sei. 1553 In diese Richtung argumentierend Sonn, Steuer-CD-Affäre, 236 (insbes. Fn. 635), 245. 1554 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 236 (insbes. Fn. 635).
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tigung des Hausfriedensbruchs durch § 102 StPO und die Rechtfertigung der Freiheitsberaubung durch § 127 StPO. Meines Erachtens belegt Sonn damit genau das Gegenteil seiner These: Dass (besondere) öffentlich-rechtliche Eingriffsermächtigungen grundsätzlich auch straftatbestandliche Handlungen rechtfertigen können, ist unbestritten. Hier relevant ist jedoch die Frage, ob dies auch für die Ermittlungsgeneralklausel gilt. Dass Sonn zum Beleg ausschließlich spezielle Ermittlungsbefugnisse anführt, verstärkt vielmehr die Forderung nach solchen Spezialbefugnissen für andere Fälle, in denen staatliches Verhalten die Merkmale eines Tatbestands erfüllt. Das Rechtsstaatsprinzip ist folglich ein entscheidendes Indiz für die Wesentlichkeit des Eingriffs. (g) Zwischenergebnis Die vorangegangene Erörterung hat gezeigt, dass die besseren Argumente für die Annahme eines wesentlichen Grundrechtseingriffs sprechen. Die hohe Eingriffsintensität entfällt auch nicht mit Blick auf die Abschreckungswirkung, die dem Datenankauf hinsichtlich weiterer Steuerhinterziehungen zukommt:1555 Eingriffsmaßnahmen sind typischerweise abschreckend. Je intensiver der Eingriff ausfällt, desto höher dürfte zumeist auch die Abschreckungswirkung ausfallen. Ließe man den Abschreckungseffekt als Gesichtspunkt für die Minderung der Eingriffsintensität zu, entstünde die widersinnige Situation, dass die Eingriffsintensität umso mehr gemindert würde, je intensiver der Eingriff im Grundsatz ausfällt. Abschließend lässt sich festhalten, dass das Rechtsstaatsprinzip, der Vergleich mit den Einzelermächtigungen der StPO sowie die Verdachtslosigkeit und die Streubreite, die dem Ankauf innewohnen, dazu führen, dass ein Rückgriff auf die Ermittlungsgeneralklausel zur Rechtfertigung des Datenankaufs ausscheidet. (h) Widerspruch zur Mikado-Entscheidung? Mitunter wird jedoch ein Vergleich zu dem Urteil des BVerfG im sogenannten Mikado-Fall gezogen und gefolgert, dass die Wesentlichkeit des Eingriffs nach den dort aufgestellten Beurteilungsmaßstäben auch in den Steuerdatenfällen verneint werden müsse.1556 Dort hat das BVerfG1557 entschieden, dass zu Ermittlungen im Rahmen von Kinderpornographie gestützt auf die Ermittlungsgeneralklausel Bankdaten abgerufen werden durften, um zu ermitteln, ob zu einem bestimmten Zeitpunkt 1555 So aber Sonn, Steuer-CD-Affäre, 255f. 1556 Satzger, FS Achenbach, 447 (459); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 252f.; wohl auch Küchenhoff, NJ 2010, 321 (325). 1557 BVerfG, NJW 2009, 1405 (1406ff.).
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gewisse Beträge auf einem philippinischen Konto eingezahlt worden sind. Dabei sind die Kontodaten durch die Bank auf entsprechende, vorgegebene Kriterien geprüft worden. Lediglich in den Fällen, in denen eine Übereinstimmung mit den sehr konkreten Kriterien vorgelegen hat, sind die entsprechenden Kundendaten an die Strafverfolgungsbehörden übermittelt worden. Unabhängig von der Berechtigung der teilweise geäußerten Kritik1558 an der Mikado-Entscheidung kann meines Erachtens mithilfe der Mikado-Entscheidung keinesfalls eine geringe Eingriffsintensität in den Steuerdatenfälle begründet werden: Warum angenommen wird, dass in dem Mikado-Fall der Eingriff auf Grund detaillierter Angaben zu Kontobewegungen intensiver gewesen sei als in den Steuerdatenfällen,1559 ist angesichts der Detailliertheit des in den Steuerdatenfällen betroffenen Materials schwer nachzuvollziehen. Im Gegenteil erscheint es vorzugswürdig in dem Datenankauf den intensiveren Eingriff zu sehen, da dort ohne konkreten Anhaltspunkt und bezogen auf eine Vielzahl von Personen vorgegangen worden ist,1560 während in dem Mikado-Fall die Bank den Strafverfolgungsbehörden lediglich die Daten solcher Personen übermittelt hat, auf die die genannten Merkmale zugetroffen haben.1561 Insbesondere können diese Unterschiede hinsichtlich der Streubreite und der Verdachtslosigkeit nicht damit aufgewogen werden, dass man den staatlichen Organen in den Steuerdatenfällen nur ein passives Verhalten unterstellt: Nach Sonn1562 habe der Staat im Mikado-Fall die Bankdaten aktiv bei den Banken nachgefragt, während in den Steuerdatenfällen keine Datenerhebung vorgelegen habe, sondern nur eine passive Entgegennahme der »Früchte der privaten Datenerhebung«. Diese Argumentation setzt sich in Widerspruch zum Erhebungsbegriff des BDSG,1563 nach dem jede auf einem aktiven Verhalten beruhende Datenbeschaffung, unabhängig von der Freiwilligkeit der Informationsüberlassung, eine Erhebung darstellt. Vor allem aber verkennt eine solche Betrachtungsweise die tatsächlichen Vorgänge. Der Informant mag anders als die Banken im Mikado-Fall freiwillig gehandelt haben, wie Sonn zu Recht feststellt, doch hat trotzdem nur die Kaufpreiszahlung zur Datenüberlassung geführt. Das Bereitstellen einer erheblichen Geldsumme, um an Informationen zu gelangen, ist kein passives 1558 Dazu z. B. Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 163, Rn. 9. 1559 So Satzger, FS Achenbach, 447 (459). 1560 So auch Spernath, NStZ 2010, 307 (311); vgl. auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 252, der zwar für eine ähnliche Behandlung beider Konstellationen plädiert, diesen Unterschied aber auch nicht zu leugnen vermag. 1561 Im Ergebnis ähnlich Stoffer, Ermittlungsverfahren, 554, die sich dabei aber primär auf die fehlende Heimlichkeit in dem Mikado-Fall stützt. Die fehlende Heimlichkeit scheint jedoch in Bezug auf die Bankkunden zweifelhaft. 1562 Sonn, Steuer-CD-Affäre, 252f. 1563 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 102ff., insbes. Rn. 109 zum Erheben durch Inbesitznahme eines Datenträgers.
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Dulden von Dateneingängen. Eine solche Konstellation lässt sich nicht vergleichen mit unverlangten Zusendungen, die nach den BDSG-Grundsätzen1564 eine Erhebung ausschließen. Zudem kann die Freiwilligkeit einer Informationsherausgabe die Eingriffsintensität nur mindern, wenn dem Herausgebenden die Informationen auch zustehen. Der Informant hat sich die Daten aber selbst illegal beschafft, was den staatlichen Organen auch bewusst gewesen ist. Damit kann die Freiwilligkeit des Informantenhandelns nicht dazu führen, eine im Vergleich zum Mikado-Fall geringere Eingriffsintensität anzunehmen. Die Annahme eines wesentlichen Eingriffs in den Steuerdatenfällen setzt sich demnach nicht in Widerspruch zu der Mikado-Entscheidung des BVerfG. (i) Ergebnis: Ermittlungsgeneralklausel Folglich ist eine Rechtfertigung durch die Ermittlungsgeneralklausel ausgeschlossen.1565 Dabei liegt ein wesentlicher Grundrechtseingriff nicht nur in dem Ankauf der Daten, sondern ebenso in der Nutzung der Daten durch Weitergabe und Bearbeitung: Erstens verfestigt die Nutzung die durch den Ankauf eingetretenen Grundrechtsverletzungen. Zweitens erfüllen auch die Datenweitergabe und die Auswertung zu eigenen Zwecken die Merkmale eines Straftatbestands. 2.
Eingriffsbefugnisse des Steuerverfahrens
Hinsichtlich besonderer Eingriffsbefugnisse im Steuerverfahren käme zusätzlich zu dem bereits erörterten § 97 AO allenfalls § 93 I 3 AO i. V. m. § 30a VAO in Betracht.1566 Dort sind Voraussetzungen für an Banken gerichtete Auskunftsersuchen normiert. Zum einen ist davon aber der Datenankauf eindeutig nicht erfasst.1567 Ein Ankauf des Materials zählt auch nicht zu den Zwangsmitteln der §§ 328ff. AO, mit denen das Auskunftsersuchen durchzusetzen ist. Zudem hat der Bankmitarbeiter offensichtlich in seinem eigenen Interesse gehandelt und 1564 Simitis/Dammann, BDSG, § 3, Rn. 104. 1565 Im Ergebnis ähnlich, wenngleich mit wesentlich knapperer oder anderer Begründung Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48f.; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 117; Beulke, Jura 2008, 653 (664); Beyer, AO-StB 2011, 4 (5); Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1280ff.); Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (925); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (393); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (121); Roxin/Schünemann, StrafverfahrensR, § 39, Rn. 24; Spernath, NStZ 2010, 307 (311); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 555; Trüg, StV 2011, 111 (114f.). 1566 Erörtert z. B. bei Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (784ff.); Lang, FS Schneider, 737 (742); Sieber, NJW 2008, 881 (885); Spernath, NStZ 2010, 307 (311). 1567 So auch Sieber, NJW 2008, 881 (885); Spernath, NStZ 2010, 307 (311); Sieber, aaO verweist in diesem Zusammenhang noch auf einen internen Erlass des Bundesfinanzministers zur Informationshonorierung, ohne jedoch rechtliche Schlüsse daraus zu ziehen. Wenn jedoch schon die Ermittlungsgeneralklausel zur Rechtfertigung nicht ausreicht, kann ein interner Erlass den Grundrechtseingriff kaum hinreichend legitimieren.
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nicht, um eine – angesichts des ausländischen Sitzes und der ausländischen Niederlassung der betroffenen Bank ohnehin zweifelhafte – Auskunftsverpflichtung seines (ehemaligen) Arbeitgebers zu erfüllen. Eine Rechtfertigung durch die steuerverfahrensrechtlichen Befugnisse scheidet somit aus.1568 3.
Notstand (§ 34 StGB)
Vielfach wird in den Steuerdatenfällen eine Rechtfertigung durch die allgemeine Notstandsregelung des § 34 StGB erörtert.1569 a) Anwendbarkeit des § 34 StGB auf staatliches Verhalten Zunächst stellt sich die Frage, ob § 34 StGB überhaupt auf Amtsträger, die in Ausübung ihrer Stellung handeln, anzuwenden ist. Die Problematik der Anwendbarkeit der Notstandsregeln auf Staatstätigkeiten ist seit Jahrzehnten heftig umstritten. Einerseits wird argumentiert, § 34 StGB sei auf Amtsträger in Ausübung ihrer Verpflichtungen nicht anwendbar, da sonst die Notwendigkeit spezieller Ermittlungsbefugnisse umgangen würde.1570 Eine Anwendung von § 34 StGB auf hoheitliches Handeln schaffe Staatsnotstandsrecht und unterlaufe damit die diesbezüglich expliziten Regelungen des Grundgesetzes.1571 Zudem ermangele es § 34 StGB gerade an der für öffentlich-rechtliche Befugnisnormen kennzeich1568 Im Ergebnis wie hier Sieber, NJW 2008, 881 (885); Spernath, NStZ 2010, 307 (311); anders aber Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (784ff.) zumindest für die steuerliche Nutzung; Lang, FS Schneider, 737 (742). 1569 So z.B bei Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; NK/Neumann, § 34, Rn. 114a; D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (49); ders., Beweisverwertungsverbote, 117; Bruns, StraFo 2008, 189 (190); Fahl, ZJS 2009, 63 (68); Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1282); Heine, FS Roxin 80, 1087 (1101); Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (790); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665f.); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (19); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119f.); Kühl, AT, § 8, Rn. 179; Paeffgen, BRJ 2010, 12 (16); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (192ff.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); ders., GA 2008, 314 (329); Sieber, NJW 2008, 881 (885); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 276ff.; Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Spernath, NStZ 2010, 307 (311); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Trüg, StV 2011, 111 (115); ders./Habetha, NStZ 2008, 481 (489f.); Werner, IWB 2010, 164 (168); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (28); Wittig, § 33, WStR, Rn. 75; Wulf, PStR 2012, 33 (39). 1570 NK/Neumann, § 34, Rn. 113f.; LK/Zieschang, § 34, Rn. 8ff.; Amelung, NJW 1977, 833 (835ff.); ders./Schall, JuS 1975, 565 (571); in den Steuerdatenfällen D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (49); Bruns, StraFo 2008, 189 (190); Fahl, ZJS 2009, 63 (68); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665f.); Satzger, FS Achenbach, 447 (460); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); ders., GA 2008, 314 (329); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 276ff.; Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Spernath, NStZ 2010, 307 (311); Trüg, StV 2011, 111 (115); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (28); Wittig, § 33, WStR, Rn. 75. 1571 Amelung, NJW 1977, 833 (838).
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nenden Kompetenzzuweisungen für bestimmte staatliche Organe.1572 Da von einer unvorhersehbaren Gefahr für höchste Rechtsgüter in den Steuerdatenfällen fraglos nicht auszugehen ist, kann dahinstehen, ob in einem solchen Fall Einschränkungen der Nichtanwendbarkeit des § 34 StGB in Betracht kommen.1573 Die Gegenansicht wendet die Notstandsregeln auch auf Amtsträger bei einem Handeln für den Staat an.1574 Teilweise wird die Beurteilung in eine öffentlichrechtliche und eine strafrechtliche Komponente zerlegt, wobei die strafrechtliche Rechtfertigung zugelassen wird, gleichzeitig aber für die öffentlich-rechtliche Bewertung abgelehnt wird.1575 Dagegen spricht eindeutig die Einheit der Rechtsordnung. Ein Verhalten kann nicht gleichzeitig rechtmäßig und rechtswidrig sein.1576 Vermittelnd wird vertreten, § 34 StGB jedenfalls nicht anzuwenden, sofern der betreffende Bereich insgesamt abschließend geregelt sei.1577 In den Steuerdatenfällen wird diesbezüglich meines Erachtens zu Recht angenommen, dass bei Zugrundelegung dieser Ansicht die Anwendung von § 34 StGB auf Grund der abschließenden Regelung der Beweismittelgewinnung durch die StPO ausgeschlossen ist.1578 Dagegen wird jedoch angeführt, dass die Staatsanwaltschaft nach § 160 StPO Ermittlungen vorzunehmen habe, wenn sie durch Anzeige oder auf anderem Wege Kenntnis vom Verdacht hinsichtlich einer Straftat erlange, wobei die dort angesprochenen anderen Wege gerade nicht abschließend ge1572 NK/Neumann, § 34, Rn. 113; Amelung, NJW 1977, 833 (837). 1573 Im Ergebnis auch gegen das Vorliegen einer Ausnahmesituation in den Steuerdatenfällen Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665f.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); ders., GA 2008, 314 (329); Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Trüg, StV 2011, 111 (115); allgemein gegen die Anwendbarkeit von § 34 StGB auf staatliches Verhalten selbst in Extremsituationen LK/ Zieschang, § 34, Rn. 15. 1574 Gössel, JuS 1979, 162 (164ff.); in den Steuerdatenfällen Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (790), allerdings ohne Erörterung des Problems; wohl auch Paeffgen, BRJ 2010, 12 (16), der eine Anwendung auf Amtsträger zwar grundsätzlich ablehnt, in den Steuerdatenfällen aber wegen der Kooperationsverweigerung anderer Staaten und des Fehlens anderer Aufklärungsmöglichkeiten befürwortet. Zur Entkräftung dieser Argumentation kann auf das hier und im Rahmen der Informantenstrafbarkeit Ausgeführte verwiesen werden. 1575 MK/Erb, § 34, Rn. 43ff.; Beaucamp, JA 2003, 402 (403ff.); Sydow, JuS 1978, 222 (224f.). 1576 LK/Zieschang, § 34, Rn. 16; in den Steuerdatenfällen auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 276f. 1577 Fischer, § 34, Rn. 35; Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 163, Rn. 7; Roxin, AT I, § 16; Rn. 104; in den Steuerdatenfällen Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1282); Heine, FS Roxin 80, 1087 (1101); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (19); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (192); Sieber, NJW 2008, 881 (885); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 278f.; Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (890). 1578 So auch Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1282); Heine, ASA 2010/2011, 525 (537); ders., FS Roxin 80, 1087 (1101); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (19); Sieber, NJW 2008, 881 (885); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 277ff.; Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (890).
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
regelt seien und somit auf § 34 StGB gestützt werden könnten.1579 Diese Argumentation verkennt die Ausrichtung von § 160 StPO. Die Norm statuiert das Legalitätsprinzip und beinhaltet eine Aufgabenzuweisung für die Staatsanwaltschaft, ist aber eindeutig keine Befugnisnorm,1580 die einen Freifahrtsschein für Kenntniserlangungen durch alle denkbaren Wege begründen oder durch die Zulassung der Berufung auf § 34 StGB eröffnen könnte. Befugnisse werden in der StPO entweder durch spezielle Ermächtigungen geregelt oder sind, wenn sie ihren Anforderungen genügen, durch die Ermittlungsgeneralklausel legitimiert. Andernsfalls sind sie unzulässig.1581 Eine Legitimation für die Anwendung von § 34 StGB ergibt sich entgegen Ambos1582 auch nicht aus der Neuartigkeit des Datenankaufs.1583 Neuartige Ermittlungsmaßnahmen können bei geringer Eingriffsintensität auf die Ermittlungsgeneralklausel gestützt werden. Die Möglichkeit einer schnellen Reaktion auf neue Entwicklungen ist ein wesentlicher Grund für die Existenz der Generalklausel.1584 Gehen neuartige Maßnahmen mit erheblichen Grundrechtseingriffen einher, so muss eine spezielle Regelung geschaffen werden.1585 Hinzu kommt, dass es sich meines Erachtens keineswegs um eine wirklich neue Ermittlungsmaßnahme handelt. Die Möglichkeit, Informationen anzukaufen, ist nicht neu und nicht vergleichbar mit innovativen technischen Ermittlungsmöglichkeiten, bei denen das Abstellen auf allgemeine Klauseln noch mit der fehlenden Zeit zum Erlass einer speziellen Regelung begründet werden könnte. Daher ist der Komplex der Ermittlungsbefugnisse sehr wohl abschließend durch die StPO normiert.1586 Ein Rückgriff auf § 34 StGB müsste ausscheiden. Die Ansicht, § 34 StGB bei staatlichem Verhalten mit Blick auf eine sonst entstehende staatliche Generalermächtigung abzulehnen, ist überzeugend, da nur so verhindert werden kann, dass Eingriffe der öffentlichen Hand auf eine Interessenabwägung reduziert würden1587. Vor allem kann entgegen Paeffgen1588 nicht argumentiert werden, dass eine Anwendung von § 34 StGB bei hoheitlichem Handeln zwar grundsätzlich ausgeschlossen sei, auf Grund einer sonst bestehenden rechtlichen Aufklärungsunmöglichkeit nicht jedoch in den Steuerdatenfällen. Wenn dem Staat keine Rechtsgrundlage für einen Grundrechts1579 1580 1581 1582 1583 1584 1585 1586 1587 1588
So vertreten von Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (192). Löwe/Rosenberg/Erb, StPO, § 160, Rn. 1ff. Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 279f. Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (43f.); ders., Beweisverwertungsverbote, 117. Ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 279f.; gegen das Abstellen auf eine neuartige Situation in den Steuerdatenfällen auch Trüg, StV 2011, 111 (115). Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 163, Rn. 9. Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 163, Rn. 9. So auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 278ff. So LK/Zieschang, § 34, Rn. 9, 13. Paeffgen, BRJ 2010, 12 (16).
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eingriff zur Verfügung steht, hat er das Verhalten zu unterlassen und nicht auf eine allgemeine Norm wie § 34 StGB auszuweichen. Wenn eine andernfalls eintretende rechtliche Aufklärungsunmöglichkeit ausreichend wäre, um auf § 34 StGB zurückzugreifen, wären Tür und Tor geöffnet für rechtsstaatlich bedenkliche Maßnahmen. Mit der gleichen Argumentation könnte man in Entführungsfällen Folter zur Rettung von Menschenleben gestützt auf § 34 StGB zulassen, da es an einer legitimierenden Rechtsgrundlage fehlt, so dass auch hier ein Fall von Aufklärungsunmöglichkeit vorläge. Die besseren Argumente sprechen mithin gegen die Anwendung von § 34 StGB. Dennoch wird nachfolgend das Vorliegen der Notstandsvoraussetzungen näher betrachtet, um die fehlende Rechtfertigungswirkung von § 34 StGB in den Steuerdatenfällen auf eine fundiertere Grundlage stellen zu können. b) Voraussetzungen des § 34 StGB in den Steuerdatenfällen Die nachfolgenden Erörterungen werden zeigen, dass eine Rechtfertigung im Ergebnis zu verneinen ist, selbst wenn man die Anwendung von § 34 StGB auf hoheitliches Handeln grundsätzlich zulässt. Es liegt zwar eine Notstandslage für den staatlichen Steueranspruch vor.1589 Diesbezüglich kann auf das im Rahmen der Rechtfertigung des Bankmitarbeiters Ausgeführte verwiesen werden. Auch ist anders als bei der Informantenstrafbarkeit das subjektive Rechtfertigungselement zu bejahen,1590 da die Amtsträger tatsächlich von dem Gedanken der staatlichen Steuereintreibung motiviert sein dürften. Doch wird man im Ergebnis mit ähnlichen Erwägungen wie bei der Informantenstrafbarkeit feststellen müssen, dass die Voraussetzungen der Notstandshandlung nicht vorliegen. aa) Interessen der Banken Zunächst ist eine Abwägung zwischen den staatlichen Interessen und den Interessen der Banken vorzunehmen. Schünemann1591 begründet das NichtÜberwiegen des staatlichen Interesses mit dem vorrangigen Interesse an Rechtsstaatlichkeit. Diese Argumentation ist zwar grundsätzlich begrüßenswert, da sie auf den höchst bedenklichen Handel mit Kriminellen rekurriert, sie läuft jedoch Gefahr zirkulär zu verlaufen: Läge tatsächlich ein Rechtfertigungsgrund vor, wäre das Verhalten aus rechtsstaatlicher Perspektive weniger bedenklich. Bei der Interessenabwägung ist auch hier wieder zu berücksichtigen, dass sich 1589 Anders Wulf, PStR 2012, 33 (39). 1590 Für die Bejahung des subjektiven Rechtfertigungselements auch Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (44); ders., Beweisverwertungsverbote, 117. 1591 Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); ders., GA 2008, 314 (329).
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die Delikte des § 17 UWG gegen einen unbeteiligten Dritten richten.1592 Die gleichen Erwägungen gelten auch für § 257 StGB, da dort zumindest auch die Rechtsgüter der Vortaten geschützt sind – hier also primär die durch das Informantenhandeln berührten Rechtsgüter der Banken. Für ein überwiegendes staatliches Interesse kann auch nicht angeführt werden,1593 dass Bankmitarbeitern in strafrechtlichen und steuerlichen Belangen in Deutschland kein Zeugnisverweigerungsrecht zustehe. Schließlich handelt es sich bei dem Datenankauf gerade nicht um eine Zeugenbefragung (dazu im Detail oben im 2. Kapitel unter C. II.). Die entscheidende Frage liegt darin, ob das staatliche Interesse an der Informationsbeschaffung auf gerade diesem Wege überwiegt und nicht darin, ob es andere, hier nicht einschlägige Konstellationen gibt, in denen die deutsche Rechtsordnung ein Überwiegen des staatlichen Strafverfolgungsinteresses oder des Steuererhebungsinteresses gegenüber dem Bankgeheimnis der Kunden und dem Bankeninteresse an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse anerkennt. Festzuhalten ist daher, dass vor allem auf Grund der Feststellungen zur Interessenabwägung, die im Rahmen der Strafbarkeit des Bankmitarbeiters herausgearbeitet worden sind (dazu oben im 2. Kapitel unter C. V. 2. c)), ein Überwiegen des staatlichen Interesses nicht angenommen werden kann. bb) Interessen der Bankkunden Bezüglich der kundenschützenden Delikte, das heißt der BDSG-Normen, kann ebenfalls sinngemäß auf die Ausführungen zur Rechtfertigung des Bankmitarbeiters verwiesen werden. Daher ist nach hier vertretener Ansicht eine zu Gunsten des Staats ausgehende Interessenabwägung zu verneinen. Aus der Selbstanzeigemöglichkeit der Bankkunden ergeben sich dabei keine anderen Interessengewichtungen. Dass die Selbstanzeigemöglichkeit die negativen Folgen für die Kunden abfedere und somit deren Interessen noch weniger stark zu gewichten seien,1594 kann nicht angenommen werden. Hält man die Datenankäufe und die Datenauswertung entgegen der hier vertretenen Ansicht mit Blick auf eine zu Lasten der Kunden ausgehende Interessenabwägung für gerechtfertigt, wird man im Rahmen der Selbstanzeige eine Tatentdeckung spätestens annehmen müssen, wenn der Bankkunde von einem auf den angekauften Informationen beruhenden Ermittlungsverfahren gegen ihn beziehungsweise von dem erfolgten Datenabgleich erfährt1595. Dann ist eine Selbstanzeige aber aus1592 Anders Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (194f.), der entscheidend auf die fehlende Schutzwürdigkeit des Bankgeheimnisses der Bankkunden abstellt und den Banken eine Mitverantwortung für die Steuerhinterziehungen zuweist. 1593 So aber Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (44); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (194). 1594 So Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (195). 1595 Zu der Streitfrage, ob ein Abgleich der Daten mit der Steuererklärung des Betroffenen für
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geschlossen und kann die Beeinträchtigung der Kundeninteressen nicht mindern. Jedenfalls fehlt es nach dem bei der Rechtfertigung des Bankmitarbeiters Festgestellten aber an der Angemessenheit1596 der Rettungshandlung. Schroth1597 hingegen bejaht die Angemessenheit und argumentiert, die Gefahrtragung sei dem Staat selbst dann nicht zuzumuten, wenn man die in Deutschland geltende Steuer für unverhältnismäßig hoch halte, da die Steuerhöhe schließlich Ausdruck der demokratischen Entscheidungsfindung sei. Diese Argumentation verkennt die entscheidungserheblichen Fragestellungen. Selbstverständlich muss der Staat Steuerhinterziehungen nicht hinnehmen. Ebensowenig hat der einzelne Bürger ein Recht auf Steuerhinterziehung, bloß weil er die Steuerlast als unpassend empfindet. Doch liegt hierin nicht die entscheidende Wertungsstufe. Maßgeblich ist die Frage, ob der Staat zur Steuererhebung jedes Mittel ergreifen darf oder ob Grenzen, die sich aus den Grundrechten von Steuerzahlern, den Rechten Dritter, der Souveränität anderer Staaten, dem Völkerrecht und damit auch der eigenen Rechtsordnung ergeben, zu respektieren sind.1598 Aus diesen, die Tatentdeckung erforderlich ist, Kohlmann/Schauf, SteuerstrafR, § 371 AO, Rn. 689ff.; Bron/Seidel, ErbStB 2010, 111 (114); Durst, PStR 2008, 134 (136); Fehling/Rothbächer, DStZ 2008, 821 (825); Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1358); Holewa/Löwe-Krahl, PStR 2010, 91 (94); Hunsmann, NJW 2011, 1482 (1485); Löwe-Krahl, PStR 2012, 245 (246f.); Mückenberger/Iannone, NJW 2012, 3481 (3482); Randt/Schauf, DStR 2008, 489 (490); Rode, in: Strafverteidigung, 365 (372); Roth, Stbg 2013, 29 (33); ders./Schützeberg, PStR 2010, 214 (217); Rüping, DStR 2010, 1768 (1771); Salditt, PStR 2008, 84 (85); ders., FS Schaumburg, 1269 (1275); Trüg, StV 2011, 111 (120); Wessing/Biesgen, NJW 2010, 2689 (2692). Ob der Datenabgleich für die Entdeckung des subjektiven Tatbestands ausreicht, ist ebenfalls umstritten, dazu Fehling/Rothbächer, DStZ 2008, 821 (826). Weiterhin wird kontrovers diskutiert, ob ein Rechnenmüssen mit der Tatentdeckung angesichts der immensen Medienberichterstattung angenommen werden kann, so beispielsweise von Bach, PStR 2012, 248 (249); Beyer, AO-StB 2014, 186 (187); Durst, PStR 2008, 134 (136f.); Fehling/Rothbächer, DStZ 2008, 821 (828); Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1358f.); Jope, StRR 2008, 124 (129); Mückenberger/Iannone, aaO; Rode, in: Strafverteidigung, 365 (375); Roth/Schützeberg, aaO; Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (297); Tormöhlen, AO-StB 2014, 158 (162). 1596 Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (120) verneint hingegen die Angemessenheit mit Blick darauf, dass die Beamten im Vorfeld nicht hätten wissen können, ob alle Daten zur Erfüllung der angestrebten Zwecke geeignet seien. Diese Argumentation erscheint jedoch problematisch, da der Ankauf grundsätzlich geeignet gewesen ist und das Risiko des Fehlschlags nicht bei dem Notstandstäter liegt (dazu: Fischer, § 34, Rn. 10); vgl. auch Kühl, AT, § 8, Rn. 179, der die Angemessenheit mit Blick auf die in der StPO geregelte staatliche Beweisbeschaffung ablehnt und somit auf die bereits im Rahmen der Anwendbarkeit angesprochenen Aspekte rekurriert; vgl. auch NK/Neumann, § 34, Rn. 114a; Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); ders., GA 2008, 314 (329), die alle ebenfalls die Angemessenheit verneinen, allerdings ohne Begründung. 1597 Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (195f.). 1598 Erstaunlicherweise möchte Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (196) eine Rechtfertigung durch § 34 StGB zumindest dann verneinen, wenn deutsche Amtsträger zu Verstößen gegen eine fremde Rechtsordnung anstiften, da ein solches Verhalten den erfor-
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
bei der Rechtfertigung des Bankmitarbeiters näher ausgeführten Gründen ist die Angemessenheit zu verneinen. cc) Sondersituation bei § 266 StGB Eine Besonderheit stellt die Interessenabwägung bezogen auf das von § 266 StGB geschützte Rechtsgut1599 dar. § 266 StGB bezieht sich in den Steuerdatenfällen auf das staatliche Vermögen, so dass im Ergebnis das Erhaltungsgut betroffen ist. Aus rein quantitativer Perspektive ließe sich noch argumentieren, dass selbst bei Außer-Acht-Lassen der Einnahmen aus Selbstanzeigen und damit bei isolierter Betrachtung der aus der tatsächlichen Bearbeitung der Steuerdaten erzielten Steuerzahlungen der Kaufpreis übertroffen worden ist.1600 Doch ist eine rein quantitative Betrachtung bei der Interessenabwägung üblicherweise nicht ausschlaggebend.1601 Vielmehr sind alle in Betracht kommenden Umstände in die Bewertung miteinzubeziehen. Dabei ist dann auch wieder zu beachten, dass der wirtschaftliche Erfolg der Steuereinnahmen nur durch Eingriffe in die Rechtsgüter Unbeteiligter zu erzielen gewesen ist. Damit muss für § 266 StGB die Abwägung ebenfalls zu Lasten der Amtsträger ausfallen. c) Ergebnis: § 34 StGB Unabhängig von der Anwendbarkeit auf Amtshandlungen deutscher Staatsvertreter kann eine Rechtfertigung nicht auf den Notstand gestützt werden,1602 da es an einer zu Gunsten des staatlichen Erhaltungsguts ausfallenden Interessenabwägung, jedenfalls aber an der Angemessenheit der Handlung fehlt.
1599 1600 1601 1602
derlichen Respekt vor fremden Rechtsordnungen vermissen lasse. Dies verkennt meines Erachtens, dass auch, wenn es sich nicht um Anstiftung handelt, die Honorierung solcher Rechtsverstöße und das damit einhergehende Schaffen einer Anreizwirkung für zukünftige Verstöße mit dem Respekt vor der Souveränität anderer Staaten nicht zu vereinbaren sind. Dabei ist zu beachten, dass bei einem Eingriff in staatliche Rechtsgüter überwiegend für die Anwendbarkeit von § 34 StGB auch auf staatliches Verhalten plädiert wird, dazu S/S/ Perron, § 34, Rn. 7; LK/Zieschang, § 34, Rn. 6, 20. Darauf entscheidend abstellend Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (790), die im Ergebnis § 34 StGB anwenden wollen. Dazu allgemein BGH, NJW 1976, 680 (681); L/K/Kühl, § 34, Rn. 8. Im Ergebnis auch gegen die Anwendung von § 34 StGB in den Steuerdatenfällen, allerdings überwiegend nur mit einer kursorischen Prüfung Radtke/Hohmann/Kretschmer, StPO, § 136a, Rn. 48; NK/Neumann, § 34, Rn. 114a; Bruns, StraFo 2008, 189 (190); Fahl, ZJS 2009, 63 (68); Haensle/Reichold, DVBl 2010, 1277 (1282); Heine, FS Roxin 80, 1087 (1101); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665f.); Klengel/Gans, ZRP 2013, 16 (19); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (119f.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (308); ders., GA 2008, 314 (329); Sieber, NJW 2008, 881 (885); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 276ff.; Spatscheck, FS Volk, 771 (780); Spernath, NStZ 2010, 307 (311); Stahl/Demuth, DStR 2008, 600; Trüg, StV 2011, 111 (115); ders./Habetha, NStZ 2008, 481 (489f.); Werner, IWB 2010, 164 (168); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (28); Wittig, § 33, WStR, Rn. 75; Wulf, PStR 2012, 33 (39).
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Übergesetzlicher Notstand
Aus ähnlichen Erwägungen, wie sie bei der Rechtfertigung des Bankmitarbeiters angestellt worden sind, scheidet auch ein übergesetzlicher Notstand aus. Hier kommt noch hinzu, dass ein übergesetzlicher Notstand für staatliches Handeln, wenn überhaupt, aus den bereits bei § 34 StGB angestellten Erwägungen nur für extreme Ausnahmesituationen und bei Gefahr für Rechtsgüter von überragender Bedeutung bejaht werden sollte, da sonst die Gefahr bestünde, dass der Staat das Gesetzlichkeitsprinzip verwässert und die engen Voraussetzungen staatlicher Eingriffsbefugnisse umgeht.1603 5.
Besonderheiten der Datenbearbeitung
Wenn schon der Ankauf der Daten nicht gerechtfertigt ist, erscheint es immerhin möglich, dass die Bearbeitung der Daten gerechtfertigt ist. Zwar beziehen sich die Erwägungen im Rahmen der soeben erörterten Rechtfertigungsgründe auch auf die Auswertung der Daten. Doch handelt es sich bei der Datenweiterleitung und Datenauswertung um Tätigkeiten, die grundsätzlich zur »normalen« Aufgabenerfüllung der Amtsträger zu rechnen sind. Dies könnte Auswirkungen auf die Rechtswidrigkeit haben. So wird in den Steuerdatenfällen teilweise darauf abgestellt, dass die dort vorgenommenen Handlungen gerade in den Aufgabenbereich der Amtsträger fielen.1604 Im Rahmen allgemeiner Überlegungen zur Datenüberlassung im staatlichen Bereich wird angesichts des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung jedoch unterstrichen, dass die Zulässigkeit der Datenverarbeitung für jede Stelle gesondert zu bestimmen sei, so dass bei Übermittlungsvorgängen zwischen Behörden, aber auch innerhalb einer Behörde, die übermittelnde und die empfangende Seite grundsätzlich als Dritte zu betrachten seien.1605 Dies zeigt, dass eine generelle Zulässigkeit von innerbehördlichen und zwischenbehördlichen Datenüberlassungen nicht angenommen werden kann. Zudem kann auf die obigen Ausführungen im Rahmen des Mitteilens (in diesem Kapitel unter B. II. 1. d) aa)) verwiesen werden, die gezeigt haben, dass durch den Verweis auf die vermeintlich reguläre Aufgabenerfüllung die Strafbarkeit der Amtsträger nicht pauschal ausgeschlossen werden kann.
1603 Gegen eine Rechtfertigung durch den übergesetzlichen Notstand im Ergebnis auch Betzinger/Rutemöller, ZRP 2008, 95 (96); van Bühren, AnwBl 2012, 906, wobei unklar bleibt, ob sich die Erörterung des übergesetzlichen Notstands auf die Amtsträger und / oder den Informanten bezieht; Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8. 1604 Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (190), wobei Fragen von Tathandlung und Rechtfertigung vermischt werden. 1605 Bull, DÖV 1979, 689 (691).
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Jedoch könnte es spezielle Zulässigkeitsgründe für die staatliche Datenauswertung, insbesondere für die Informationsweitergabe, geben. a) Rechtfertigung der Datenweiterleitung durch § 116 AO Für die Weitergabe der Daten kommt dabei eine Rechtfertigung durch § 116 AO in Betracht. § 116 AO statuiert eine Mitteilungspflicht für Gerichte und Behörden, die keine Finanzbehörden sind, sofern dienstlich Kenntnisse über eine Steuerstraftat erlangt worden sind. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sind an die zuständige Finanzbehörde oder das Bundeszentralamt für Steuern weiterzuleiten. Durch § 116 AO könnte daher die zwischenbehördliche Datenweitergabe zu rechtfertigen sein, beispielsweise die Weitergabe zwischen verschiedenen Bundesländern. In den Luxemburger Steuerdatenfällen sind 1995 während einer Durchsuchung bei einem Informanten sowohl Kundenunterlagen als auch Material mit bankinternen Vermerken von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt und an die Finanzbehörden weitergeleitet worden. Das OLG Frankfurt1606 hat entschieden, dass die Staatsanwaltschaft nach § 116 AO zur Weiterleitung verpflichtet gewesen sei und die Überlassung des Materials daher rechtmäßig sei. Dass das Material durch den Informanten bei der Bank illegal beschafft worden sei und dass der Informant versucht habe, die Bank zu erpressen, sei unerheblich, da die Staatsanwaltschaft die Daten unstreitig befugtermaßen im Wege der Beschlagnahme erlangt habe. Mit dieser Begründung steht aber zugleich fest, dass die Entscheidung auf die Fälle des Datenankaufs nicht übertragbar ist. Schließlich handelt es sich hier nicht um eine Beschlagnahme und auch im Übrigen gerade nicht um eine rechtmäßige Erlangung des Datenmaterials. So stellt Schünemann1607 auf die Strafbarkeit der Datenerlangung ab und folgert daraus, dass es sich bei auf strafbare Weise erlangtem Material nicht um dienstlich erfahrene Kenntnisse handeln könne, da die Begehung von Straftaten Amtsträgern verboten sei, so dass eine Straftat als Privathandlung zu qualifizieren sei. Auch wenn das Ergebnis, das heißt die Ablehnung einer Weitergabepflicht bei illegal erlangtem Material, zu begrüßen ist, scheint die Begründung zweifelhaft. So zeigt die Strafanwendungsregel des § 5 Nr. 12 StGB eindeutig, dass auch Handlungen deutscher Amtsträger, die in Beziehung auf den Dienst erfolgen, Straftaten sein können. Straftaten und dienstliche Tätigkeit schließen sich mithin nicht pauschal aus. Meines Erachtens ist § 116 AO in den Steuerdatenfällen schon deshalb vergleichsweise bedeutungslos, da es nur Mitteilungen von Gerichten oder Be1606 OLG Frankfurt a.M., wistra 1996, 159 (160). 1607 Schünemann, NStZ 2008, 305 (307) bezogen auf eine Weitergabe durch den BND.
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hörden, die keine Finanzbehörden sind, erfasst.1608 Nach § 6 AO beziehungsweise §§ 1, 2 FVG zählen zu den Finanzbehörden nicht nur die örtlichen Finanzämter, sondern gerade auch die Ministerien. Damit unterliegen die für die Steuerdatenfälle typischen Behörden nicht der Mitteilungspflicht. Raum für § 116 AO besteht daher nur in Fallgestaltungen, in denen die Staatsanwaltschaft die Daten an das Finanzministerium oder an die zuständigen Finanzämter weiterleitet. Üblicherweise erfolgt der Datenankauf aber nicht alleine durch die Staatsanwaltschaft, sondern durch Ministeriumsvertreter und die Steuerfahndung. Auch die Übermittlung der Daten beispielsweise an andere Bundesländer, die den Ankauf nicht unmittelbar selbst durchgeführt haben, dürfte bei lebensnaher Betrachtung auf Ministeriumsebene und nicht durch die Staatsanwaltschaft erfolgen. Mithin kann die Rechtfertigung der Datenweitergabe ohnehin nicht auf § 116 AO gestützt werden. Auf die Frage, ob § 116 AO auch bei rechtswidrig erlangten Kenntnissen anwendbar ist, dürfte es somit nicht entscheidend ankommen, wenngleich die Frage aus den nachfolgend ausgeführten Gründen zu verneinen ist. Für Informationsweitergaben innerhalb der Finanzverwaltung wird jedoch jenseits der Steuerdatenfälle teilweise auf die vorherrschende Praxis des Informationsaustauschs abgestellt,1609 um eine Berechtigung zu internen Informationsweitergaben zu begründen. Selbst wenn man solche Informationsweitergaben grundsätzlich für zulässig erachtet, stellt sich in den Steuerdatenfällen die Frage, ob allgemeine Mitteilungsermächtigungen, die sich noch nicht einmal auf eine eindeutige gesetzliche Grundlage stützen können, auch dann eingreifen, wenn dienstlich erfahrene Kenntnisse auf rechtswidrige Weise erlangt worden sind. Meines Erachtens ist die Frage zu verneinen.1610 Dafür sprechen schon teleologische Gründe. Ließe man Informationsüberlassungen auch bei rechtswidrig erlangten Erkenntnissen zu, könnten Eingriffsbefugnisse beliebig umgangen werden. Die sachlich zuständige Behörde, die an einer Informationserhebung gehindert ist, könnte schlicht eine unzuständige, zu der Maßnahme ebenfalls nicht befugte Behörde um die Informationserhebung bitten und sich die so gewonnenen Erkenntnisse mit Blick auf die Mitteilungspflichten über-
1608 Vgl. auch Trüg, StV 2011, 111 (114), der ohne nähere Begründung davon ausgeht, dass § 116 AO nur in BND-Konstellationen Bedeutung habe. 1609 Tipke/Seer, AO, § 85 AO, Rn. 45, wonach bei zwischenbehördlichen Mitteilungen innerhalb der Finanzverwaltung eine Ermächtigung entbehrlich sein soll; a. A. Bilsdorfer, BB 1989, 1102f., der Kontrollmitteilungen jenseits der speziell normierten Fälle (z. B. § 194 III AO) mangels Rechtsgrundlage für rechtswidrig hält. 1610 Vgl. auch Tipke/Seer, AO, § 85 AO, Rn. 45, wonach die Zulässigkeit von Informationsweitergaben innerhalb der Finanzverwaltung nur hinsichtlich rechtmäßig erlangter Erkenntnisse bestehen soll.
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mitteln lassen.1611 Eine rechtswidrige und die Übermittlung sperrende Informationserhebung mag noch nicht bei jeder lediglich formal fehlerhaften Informationsgewinnung vorliegen. Doch indiziert, wie im Rahmen der Ermittlungsgeneralklausel begründet, die Verwirklichung eines Straftatbestands gerade, dass es sich um eine erhebliche Rechtsbeeinträchtigung handelt. Zudem spricht ein Erst-Recht-Schluss aus den zu der Ermittlungsgeneralklausel angestellten Erwägungen gegen die Rechtfertigung durch verwaltungsinterne Übungen. Wenn schon eine Rechtsnorm auf Grund ihrer abstraken Fassung nicht ausreicht, um einen Eingriff hinreichend zu legitimieren, kann für eine bloße Verwaltungspraxis nichts anderes gelten. Somit können allgemeine Informationspflichten oder Informationsrechte in den Steuerdatenfällen keine rechtfertigende Wirkung entfalten.1612 Sie stellen keine hinreichende Ermächtigung für die Weitergabe von inkriminiertem Material und die daraus folgende Verstärkung der Geheimnisverletzung dar. Es verbleibt bei dem Ergebnis, dass die strafbare Erlangung von Informationen ein Abstellen auf die reguläre behördliche Aufgabenwahrnehmung versperrt. b)
Rechtfertigung der Weiterleitung durch Auskunftspflicht (§§ 161 I 1, 163 I 2 StPO) Auch kann die zwischenbehördliche Weitergabe der Steuerdaten, so zum Beispiel die Überlassung der Informationen durch das am Ankauf beteiligte Finanzministerium, nicht auf die Auskunftspflicht gegenüber der Staatsanwaltschaft / der Polizei und gegenüber der Steuerfahndung nach §§ 161 I 1 Alt. 1, 163 I 2 StPO (ggf. i. V. m. §§ 386, 399 I AO) gestützt werden. Wie gezeigt, kommt der Weitergabe der durch den Ankauf gewonnenen Informationen eine wesentliche Eingriffsintensität zu. Daher kann auch die Weitergabe nicht durch generalklauselartige Regelungen gerechtfertigt werden. c)
Rechtfertigung der Weiterleitung durch Amtshilfe (§§ 111ff. AO, §§ 4ff. VwVfG) Die Weiterleitung der Daten an andere Behörden kann auch nicht durch Amtshilfe gerechtfertigt werden, da aus der Möglichkeit der Amtshilfe keine Befugnis für innerstaatliche Informationsweiterleitungen erwächst.1613 Die Amtshilferegeln setzen im Gegenteil die Zulässigkeit der Informationsüber1611 Aus dem gleichen Grund, das heißt auf Grund der rechtswidrigen Erlangung, greifen auch andere steuerrechtliche Mitteilungsermächtigungen (z. B. § 30 IV AO) nicht ein. 1612 Vgl. auch Tipke/Seer, AO, § 85 AO, Rn. 46, der eine Rechtfertigung des Datenankaufs durch steuerliche Befugnisse ebenfalls verneint, allerdings ohne Bezug zu steuerlichen Mitteilungspflichten oder einer konkreten Befugnisnorm. 1613 Ähnlich auch W.-F. Schneider, RÜ 2008, 445 (448).
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mittlung voraus und stellen daher keine Ermächtigungen für Grundrechtseingriffe dar.1614 d)
Rechtfertigung der Datenbearbeitung durch allgemeine Handlungsbefugnisse? Hinsichtlich der Nutzung der Daten wird auf die allgemeinen Handlungsbefugnisse der Behörden verwiesen. So sei die Steuerfahndung nach § 208 I 1 Nr. 1 sowie Nr. 3 AO sowohl zur Erforschung von Steuerstraftaten als auch zur Aufdeckung unbekannter Steuersachverhalte befugt. Daher sei beispielsweise der Datenabgleich als wesentlicher Teil der Datenauswertung erlaubt auf Grund der Befugnisse der Finanzbehörden zur Sachverhaltsaufklärung (§§ 88, 92 AO).1615 Fraglos dürfen die Amtsträger Steuerakten von Steuerpflichtigen als Teil ihrer üblichen Tätigkeit nutzen. Der Vorwurf besteht aber gerade darin, dass diese Unterlagen mit dem inkriminierten Material zusammen gebracht worden sind, um aus dem Abgleich staatliche Einnahmen zu generieren. Dies ist der Vorwurf des § 17 II Nr. 2 UWG. Aus dem Aspekt des straftatbestandsmäßigen Verhaltens und aus der oben dargestellten intensiven Grundrechtsberührung folgt, dass zur Legitimation nicht auf eine Norm, die hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung lediglich eine Aufgabenzuweisung1616 vornimmt, zurückgegriffen werden kann.1617 e) Ergebnis: Datenbearbeitung Selbstverständlich ist den handelnden Amtsträgern die Aufklärung steuerlich relevanter Sachverhalte gestattet. Dies gibt ihnen jedoch nicht das Recht, auf rechtswidrig erlangte Informationen zurückzugreifen. Dies gilt erst Recht, wenn die Ausnutzung solcher Informationen tatbestandsmäßig ist. Zur Rechtfertigung eines strafrechtlich relevanten Verhaltens kann gerade nicht auf die übliche »Geschäftstätigkeit« der Behörden rekurriert werden.
1614 MK/Cierniak/Pohlit, § 203, Rn. 104; Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 5, Rn. 21; Benda, FS Geiger, 23 (38f.), wonach die Amtshilfenormen noch nicht einmal die unbegrenzte Weitergabe rechtmäßig erlangter Daten ermöglichen. Dann kann die Weitergabe unrechtmäßig erlangter Daten erst Recht nicht auf die Amtshilfenormen gestützt werden. 1615 Kaiser, NStZ 2011, 383 (386). 1616 § 88 AO beinhaltet nur eine Aufgabenzuweisung und stellt keine Rechtsgrundlage für Eingriffe dar, dazu Tipke/Seer, AO, § 88 AO, Rn. 1, 9; Koenig/Wünsch, AO, § 88, Rn. 1; § 92 AO ist lediglich als allgemeine Befugnis zur Sachverhaltsaufklärung einzuordnen, dazu Koenig/Wünsch, AO, § 92, Rn. 2; § 208 I 1 AO ist ebenfalls lediglich eine Aufgabennorm, dazu Tipke/Seer, AO, § 208 AO, Rn. 17, 22, 26. 1617 Im Ergebnis ebenfalls gegen eine Rechtfertigung durch Aufgabenzuweisungen Benkert, FS Schiller, 27 (35).
386 6.
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Ergebnis: Rechtfertigung
Festgestellt werden kann, dass weder die Entgegennahme der Daten noch die erneute Mitteilung und die sonstige Bearbeitung zur Steuereintreibung und Strafverfolgung durch deutsche Amtsträger gerechtfertigt ist.
II.
Sonderkonstellation: BND
Eine andere Bewertung der Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns könnte sich in den Fällen ergeben, in denen der BND involviert gewesen ist. Soweit bisher bekannt, ist ein Ankauf durch den BND jedoch nur im Fall der LGT erfolgt. 1.
Datenankauf und Eingriffsbefugnisse des BND
Es erscheint möglich, dass die besonderen Befugnisse des BND den Datenankauf legitimieren. Der Umstand, dass es sich bei der Datensammlung um Material handelt, das durch Private illegal beschafft worden ist, könnte für den BND bedeutungslos sein, da die Beschaffung und Auswertung gerade von geheimem Material und damit unter Umständen auch von Informationen zweifelhafter Herkunft die Kernaufgabe eines Nachrichtendiensts ist.1618 So gestattet das BNDG selbst für den sensibleren Bereich der Informationsbeschaffung im Inland nach § 3 S. 1 BNDG i. V. m. § 8 II 1 BVerfSchG1619 ausdrücklich die Anwendung von Methoden, Gegenständen und Instrumenten zur heimlichen Informationsbeschaffung, worunter man den Datenankauf durchaus fassen könnte.1620 Wenn ein solches Vorgehen grundsätzlich selbst im Inland möglich wäre, muss das erst Recht für eine Informationsbeschaffung im Ausland, die gesetzlich nicht geregelt und daher in weiterem Umfang zulässig ist,1621 gelten. Dennoch muss sich der BND bei dem Datenankauf innerhalb seiner Zu1618 So auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 116; ähnlich auch Heine, FS v. Büren, 917 (923), der zwar kritisch hinterfragt, ob ein Nachrichtendienst zum Erwerb inkriminierter Informationen berechtigt ist, aber gleichzeitig zugesteht, dass die geheimdienstliche Tätigkeit auf eine solche Weise stattfindet. 1619 Wenn §§ 2, 3 BNDG i. V. m. § 8 BVerfSchG direkt als mögliche Rechtsgrundlage für die Datenbeschaffung in Erwägung gezogen werden, so von Ambos, Beweisverwertungsverbote, 116; Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (923); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665), wird verkannt, dass diese Normen direkt nur für Informationsbeschaffungen im Inland gelten. 1620 So auch Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1356); Sieber, NJW 2008, 881 (882); offen gelassen hingegen von Heine, FS v. Büren, 917 (923). 1621 Zu der fehlenden Geltung der BNDG-Restriktionen bei Auslandstätigkeiten Gröpl, Nachrichtendienste, 227.
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ständigkeit bewegen. Dabei ist fraglich, welche Verbindung es zwischen dem BND und der Steuerereintreibung gibt.1622 Steuerliche Belange zählen nicht zu den Zuständigkeiten des BND, der nach § 1 II 1 BNDG1623 Erkenntnisse über das Ausland von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung gewinnen soll.1624 Nur sofern solche Informationen betroffen sind, darf der BND nachrichtendienstliche Mittel einsetzen.1625 Das Erlangen der Steuerdaten könnte damit nur unter dem Aspekt des Beifangs gerechtfertigt sein. Dies wäre dann gegeben, wenn der BND ursprünglich darauf abgezielt hätte, Material von außenpolitischer Bedeutung, beispielsweise zur Aufklärung Organisierter Kriminalität oder Geldwäsche in internationalen Zusammenhängen, zu erlangen.1626 Diese Annahme mag für den LGT-Fall als ersten der in jüngerer Zeit erfolgten Ankaufsfälle gerade noch haltbar sein,1627 wenngleich vermutlich auch in diesem Fall die steuerliche Motivation vorrangig gewesen ist. Inzwischen erfreut sich der zu steuerlichen Zwecken erfolgte Datenankauf aber einer derartigen Beliebtheit, dass kaum mehr ernsthaft von einem »Beifang« gesprochen werden kann. Das zeigt sich schon daran, dass der Datenankauf in steuerlicher Hinsicht offen als 1622 An der Zuständigkeit des BND zweifelnd auch Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1193f., 1196; Ambos, Beweisverwertungsverbote, 116, der die Frage im Ergebnis offen lässt; Erb, FS Roxin 80, 1103 (1119), wobei danach differenziert wird, ob sich der BND aktiv um die Daten bemüht hat oder nur im Wege der Amtshilfe als Vermittler für die Finanzbehörden agiert hat. Aus den nachfolgenden Erwägungen zur Amtshilfe kann diese Differenzierung aber nicht überzeugen. 1623 Obwohl das BNDG sich primär auf die Inlandstätigkeit des BND bezieht, ist die Zuständigkeitsbeschreibung des BNDG bindend auch für die Auslandstätigkeit, dazu Gröpl, Nachrichtendienste, 226f. 1624 So auch Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1193; Flöthmann, SAM 2008, 63; Gazeas, Übermittlung, 156; Heerspink, AO-StB 2009, 25 (27); Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (922); Junker, StRR 2008, 129 (131); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1277, Fn. 23); Sieber, NJW 2008, 881 (882); Tormöhlen, AO-StB 2012, 380 (381); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887 (890). 1625 BT-Drucks. 11/4306, 70. 1626 So auch Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1193; Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1356f.); Kölbel, NStZ 2008, 241 (243); Tormöhlen, AO-StB 2012, 380 (381f.); Zieschang, FS Scheuing, 794 (813); ähnlich auch Flöthmann, SAM 2008, 63 (63f.), der von einem Zufallsfund ausgeht; hingegen etwas kritischer Heine, FS v. Büren, 917 (923), der selbst unter dem Gesichtspunkt des Beifangs daran zweifelt, ob der Ankauf illegaler Informationen mit dem geheimdienstlichen Auftrag in Einklang zu bringen ist. 1627 In diese Richtung auch Spatscheck, FS Volk, 771 (778); Tormöhlen, AO-StB 2012, 380 (381); vgl. auch Sieber, NJW 2008, 881 (882), der auf Grund der internationalen Dimension der Daten, insbesondere auf Grund des Bezugs zu ausländischen Kunden und internationalen Finanzströmen, keinerlei Probleme hinsichtlich der außenpolitischen Relevanz sieht. Dabei wird aber verkannt, dass die bloße internationale Dimension noch nicht beweist, dass der BND tatsächlich primär zur Aufklärung entsprechender Delikte tätig geworden ist; vgl. auch Gazeas, Übermittlung, 156; Salditt, FS Schaumburg, 1269 (1278); Trüg/ Habetha, NJW 2008, 887 (889f.), die offenbar keinen Anwendungsbereich für einen Beifang sehen.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Erfolg dargestellt wird,1628 während keiner davon spricht, wie ergiebig die Datenauswertung eigentlich für den Bereich der Organisierten Kriminalität gewesen ist. Festgehalten werden kann daher, dass der BND Datensammlungen ankaufen darf, wenn er damit eigene auslandsbezogene Zwecke verfolgt und sich die steuerliche Relevanz nur als »Beifang« ergibt. Praktisch dürfte diese Konstellation nicht sehr relevant sein. Dennoch sollte untersucht werden, ob der BND in diesen Fällen die erlangten Daten weitergeben darf. Selbstverständlich sein sollte gerade nach den zuvor zu der Standardkonstellation des Ankaufs gefundenen Ergebnissen, dass der BND in anderen Fällen, in denen er die Daten mangels Bezugs zu seiner Tätigkeit schon rechtswidrig und unter Verwirklichung mehrerer Straftatbestände erlangt hat, die Daten nicht rechtmäßig weitergeben darf. 2.
Auswertung und Weiterleitung der Informationen
Nachdem gezeigt worden ist, dass der BND zumindest in manchen Fällen Daten ankaufen darf, stellt sich die Folgefrage, ob der BND die Daten auch weitergeben beziehungsweise selbst auswerten darf. Die Ermittlung von Steuerstraftaten zählt ebensowenig zum Aufgabenkreis des BND wie die Steuererhebung (vgl. § 1 II 1 BNDG). Daher ist eine eigene Auswertung durch den BND ausgeschlossen. Auch im Fall der LGT-Daten ist die Datenbearbeitung nicht durch den BND, sondern durch die Strafverfolgungs- und Steuerbehörden erfolgt. Somit stellt sich die Kernfrage, ob der BND die legal erlangten Daten in rechtmäßiger Weise an diese Behörden weiterleiten darf. Trotz der legalen Erlangung der Daten bleiben Straftaten, die an die Weiterleitung anknüpfen, möglich. Die Steuerdaten stellen weiterhin personenbezogene Daten im Sinne des BDSG dar, so dass eine an die Übermittlung anknüpfende Strafbarkeit nur entfällt, sofern ein entsprechender Rechtfertigungsgrund existiert. Auch bleiben die Steuerdaten trotz einer möglicherweise legalen Erlangung durch den BND Geschäftsgeheimnisse, die durch eine Tat des Bankmitarbeiters nach § 17 II Nr. 1 UWG erlangt worden sind, so dass weiterhin ein Anknüpfungspunkt für eine Strafbarkeit nach § 17 II Nr. 2 UWG besteht. Aus den bereits in der obigen Erörterung zu § 34 StGB genannten Gründen scheidet eine Rechtfertigung aus Notstandsgesichtspunkten aus, da so die Spezialregelungen zur Informationsweitergabe unterlaufen würden.1629
1628 Vgl. Walter-Borjans, Handelsblatt Nr. 164/2012, 16. 1629 So auch Jahn, FS Stöckel, 259 (271).
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a) Rechtfertigung durch die Übermittlungsvorschriften des BNDG Die Übermittlung der Steuerdaten könnte durch die entsprechenden Vorschriften des BNDG, das heißt durch die Regelung des § 9 BNDG, erlaubt sein. Dabei konstituiert § 9 III BNDG bei Vorliegen bestimmter Straftaten eine Übermittlungspflicht für Übermittlungen an Strafverfolgungsbehörden, während § 9 I BNDG ohne Einschränkung des Behördenkreises eine Übermittlung in das Ermessen des BND stellt. Umstritten ist dabei gerade in den Steuerdatenfällen, in welchem Verhältnis § 9 III BNDG zu § 9 I BNDG steht. aa) Relevanz des BNDG? Ehe dieser Streit relevant wird, ist meines Erachtens jedoch zu untersuchen, ob § 9 BNDG überhaupt für die Steuerdatenfälle herangezogen werden kann. Hält man sich strikt an den Wortlaut von § 1 II 2 BNDG, so gelten die nachfolgend aufgeführten Bestimmungen, darunter auch § 9 BNDG, nur für im Inland erhobene Daten. Wie schon an mehreren Stellen ausgeführt, dürfte die Datenerhebung in Gestalt des Datenankaufs regelmäßig im Ausland stattfinden. Demnach läge hier überhaupt kein Anwendungsfall für die Übermittlungsvorschriften vor. Allerdings spricht schon die Gesetzesbegründung1630 zum BNDG dafür, dass das Gesetz auf jede Inlandstätigkeit des BND anzuwenden ist.1631 Demnach wäre § 9 BNDG maßgeblich bei jeder im Inland vollzogenen Informationsübermittlung – unerheblich von dem Ort der ursprünglichen Datenerhebung. Es ist davon auszugehen, dass die Übermittlung zwischen zwei in Deutschland ansässigen Behörden wie dem BND und den Finanzbehörden in Deutschland geschieht,1632 zumal es sicherlich rechtsmissbräuchlich wäre, wenn die Informationsübermittlung eigens ins Ausland verlegt würde, um das BNDG zu umgehen. Folglich ist § 9 BNDG heranzuziehen, wenn man das BNDG auf jede Inlandstätigkeit anwendet. Für eine solche Auslegung spricht die ratio der Norm. Das BNDG ist geschaffen worden, um nach dem Volkszählungsurteil des BVerfG eine Rechtsgrundlage für grundrechtsrelevante Tätigkeiten der Sicherheitsdienste im Inland zu haben.1633 Da auch die Übermittlung von Daten an andere Behörden als Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung 1630 BT-Drucks. 11/4306, 70: »informationserhebende und -verarbeitende Tätigkeiten des Bundesnachrichtendienstes, soweit sie … im Geltungsbereich des Gesetzes stattfinden müssen«. 1631 Für die Erfassung aller Übermittlungsvorgänge wohl auch Kretschmer, Jura 2006, 336 (341); hingegen anders Gröpl, Nachrichtendienste, 227f. 1632 Für eine im Inland erfolgende Weitergabe von durch den BND erlangten Information allgemein jenseits der Steuerdatenfälle auch Gazeas, Übermittlung, 161. 1633 BT-Drucks. 11/4306, 1, 70.
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zu werten ist,1634 erscheint es folgerichtig, die Datenübermittlung unabhängig vom Erhebungsort auf § 9 BNDG als Rechtsgrundlage zu stützen.1635 Auch verlöre die in § 9 III BNDG normierte Übermittlungspflicht entscheidend an Bedeutung, wenn man sie nur auf im Inland erhobene Informationen bezöge, da der Schwerpunkt der Informationserhebung des BND im Ausland liegt. Mithin greift § 9 BNDG unabhängig von dem Ort der Informationserhebung bei jeder Informationsübermittlung im Inland ein,1636 so dass die Datenüberlassung an die Steuerbehörden daran zu messen ist. bb) Verhältnis von § 9 I zu § 9 III BNDG Das Kernproblem bei der Anwendung von § 9 BNDG besteht darin, ob Absatz 1 oder Absatz 3 für die Beurteilung der Übermittlung heranzuziehen ist. Daher wird zunächst das Vorliegen der Voraussetzungen von § 9 I BNDG erörtert, ehe auf das Verhältnis zu § 9 III BNDG eingegangen wird. (1) § 9 I BNDG: Bestimmung der »öffentlichen Sicherheit« Teilweise wird in den Steuerdatenfällen § 9 I BNDG zumindest grundsätzlich für anwendbar erachtet.1637 Danach ist eine Datenübermittlung gestattet, wenn dies für Zwecke des BND oder für Belange der öffentlichen Sicherheit erforderlich ist. BND-Zwecke sind, wie bereits dargelegt, bei einer Nutzung zur Steuereintreibung und Strafverfolgung nicht berührt.1638 In Betracht kommen aber Zwecke1639 der öffentlichen Sicherheit. Bezüglich des Begriffs der öffentlichen Sicherheit 1634 Riegel, JZ 1980, 757. 1635 Ähnlich auch Gazeas, Übermittlung, 161. 1636 Noch weitgehender Gazeas, Übermittlung, 159ff.; Soin8, DÖV 2006, 204 (210f.), die das BNDG offenbar auch auf Auslandstätigkeiten anwenden möchten und darauf abstellen, dass Grundrechtseingriffe auch durch extraterritoriales Handeln deutscher Staatsorgane denkbar sind. 1637 Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1193; Pawlik, JZ 2010, 693 (695f.); Tormöhlen, AO-StB 2012, 380 (381); Zieschang, FS Scheuing, 794 (813f.); grundsätzlich auch Sieber, NJW 2008, 881 (882), der bei der Anwendung der Norm jedoch Einschränkungen anhand des G 10-Gesetzes vornimmt. 1638 Ähnlich auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 118; vgl. in diesem Zusammenhang auch Ambos, aaO, 119, der das Vorliegen von Zwecken der öffentlichen Sicherheit auch von der Frage abhängig macht, ob BND-Zwecke (Außen- und Sicherheitspolitik) mit der Weitergabe verfolgt werden. Dies überzeugt nicht, da der Wortlaut von § 9 I BNDG zeigt, dass bei Belangen der öffentlichen Sicherheit gerade keine BND-Zwecke verfolgt werden müssen. 1639 Die Ende 2015 eingeführten Änderungen des BNDG sehen eine Beschränkung auf erhebliche Zwecke der öffentlichen Sicherheit vor. Laut Gesetzesbegründung sollen damit jedoch lediglich bagatellartige Sachverhalte aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden, BT-Drucks. 18/4654, 37 i. V. m. 34. Da Steuerhinterziehung sicher nicht als Bagatelle eingeordnet werden kann, hat die Gesetzesänderung keinen Einfluss auf die nachfolgend vorgenommene Bewertung.
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wird in den Steuerdatenfällen vertreten,1640 dass auf Grund der besonderen Stellung der Nachrichtendienste Einschränkungen im Vergleich zur weiten polizeirechtlichen Definition vorzunehmen seien. Entgegengesetzt wird in den Steuerdatenfällen argumentiert, dass der Begriff der öffentlichen Sicherheit im BNDG nach den polizeirechtlichen Maßstäben auszulegen sei.1641 Unumstritten ist lediglich, dass bei Anwendung des polizeirechtlichen Maßstabs ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit gestützt auf mögliche Steuerhinterziehungen anzunehmen wäre.1642 Sowohl nach der Gesetzesbegründung1643 als auch nach weit überwiegender Literaturmeinung1644 ist trotz der Besonderheiten der Nachrichtendienste die polizeirechtliche Definition maßgebend. Angesichts der weitgehenden Befugnisse, die der BND zur Informationsbeschaffung besitzt, ist es meines Erachtens zwar rechtsstaatlich bedenklich, eine Informationsübermittlung in dem Ausmaß zuzulassen, doch entspricht dies ganz offensichtlich der gesetzgeberischen Entscheidung. Würde man in den Steuerdatenfällen für eine restriktive Auslegung des Begriffs der öffentlichen Sicherheit plädieren, sähe man sich vermutlich dem Vorwurf ausgesetzt, mit aller Macht die Rechtswidrigkeit der Ankaufspraxis begründen zu wollen. Daher sollte man für die nachfolgende Erörterung die polizeirechtliche Definition der öffentlichen Sicherheit zugrunde 1640 So Ambos, Beweisverwertungsverbote, 118f., der eine restriktive Auslegung von § 9 I BNDG mit Blick auf § 9 III BNDG begründet, ohne das Verhältnis zwischen beiden Normen abschließend zu klären; Heerspink, AO-StB 2009, 25 (27f.); Heine, FS v. Büren, 917 (925); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665); ähnlich auch Kölbel, NStZ 2008, 241 (243) und Spatscheck, FS Volk, 771 (778), die Zwecke der öffentlichen Sicherheit ohne Begründung verneinen; ähnlich auch Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1276f.), der ohne nähere Erörterung § 9 BNDG nur bei Staatsschutzdelikten anwendet; vgl. auch Flöthmann, SAM 2008, 63 (64), der ohne konkreten Bezug zum BNDG von einer restriktiven Übermittlung ausgeht. 1641 So in den Steuerdatenfällen vertreten von Pawlik, JZ 2010, 693 (695f.); Tormöhlen, AO-StB 2012, 380 (381); Zieschang, FS Scheuing, 794 (814); im Grundsatz auch von Sieber, NJW 2008, 881 (882), der dann jedoch für eine restriktive Auslegung in Analogie zum G-10Gesetz plädiert. 1642 Dazu Heerspink, AO-StB 2009, 25 (27); Sieber, NJW 2008, 881 (882); Zieschang, FS Scheuing, 794 (814); vgl. aber Spatscheck, FS Volk, 771 (778), der einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit ohne Begründung und ohne Eingehen auf den Maßstab ablehnt. 1643 BT-Drucks. 11/4306, 63 für die Übermittlungsregelung des BVerfSchG, wobei die BNDGRegelung der Norm des BVerfSchG enstpricht, dazu BT-Drucks., aaO, 70. 1644 Gröpl, Nachrichtendienste, 335; Haedge, Nachrichtendienstrecht, 227; Soin8, DÖV 2006, 204 (208); indirekt auch Kretschmer, Jura 2006, 336 (342), indem Straftaten generell als Anwendungsfall für die öffentliche Sicherheit gesehen werden; lediglich Gazeas, Übermittlung, 403ff., 419f. nimmt Strafverfolgungsbehörden aus dem Empfängerkreits entsprechender Übermittlungen heraus, da der polizeirechtliche Begriff der öffentlichen Sicherheit nur vor drohenden Verletzungen der Rechtsordnung schütze, so dass eine repressive Tätigkeit wie die Strafverfolgung nicht erfasst sei. Zudem sei die Übermittlungsnorm wegen Bestimmtheitsdefiziten und fehlender Verhältnismäßigkeit ohnehin verfassungswidrig.
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Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
legen, um das Ergebnis in den Steuerdatenfällen nicht auf eine gerade angesichts der eindeutigen Gesetzesbegründung schwer zu vertretende Auslegung zu stützen. Daraus folgt, dass die Datenüberlassung durch den BND zulässig ist, wenn die Anwendung von Absatz 1 nicht auf Grund des Vorrangs von Absatz 3 gesperrt ist und keine anderen Übermittlungssperren eingreifen.
(2) Sperrwirkung von § 9 III BNDG? § 9 III BNDG befasst sich mit der Datenübermittlung an Strafverfolgungsbehörden. So gibt es gerade in den Steuerdatenfällen eine Strömung,1645 die § 9 III BNDG als speziellere und für Übermittlungen an Strafverfolgungsbehörden einzig einschlägige Norm ansieht und vertritt, dass Übermittlungen an Strafverfolgungsbehörden nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des dritten Absatzes möglich seien, während sie in allen übrigen Fällen unzulässig seien. Auf Grund des Verdachts der Steuerhinterziehung sind in den Steuerdatenfällen offensichtlich auch Strafverfolgungsbelange berührt, so dass nach der gerade geschilderten Ansicht § 9 III BNDG der richtige Beurteilungsmaßstab wäre. § 9 III BNDG setzt für eine Informationsübermittlung jedoch Anhaltspunkte für die in § 20 BVerfSchG näher definierten Staatsschutzdelikte voraus, so dass die Voraussetzungen in den Steuerdatenfällen offensichtlich nicht gegeben sind. Hätte § 9 III BNDG tatsächlich eine Sperrwirkung gegenüber § 9 I BNDG, käme eine Datenübermittlung durch den BND folglich nicht in Betracht. Die These der Sperrwirkung ist jedoch auf den ersten Blick und insbesondere auf Grund des Wortlauts des dritten Absatzes schwer nachzuvollziehen.1646 So statuiert § 9 III BNDG hinsichtlich der Information der Strafverfolgungsbehörden eine Übermittlungspflicht bei bestimmten Delikten, während § 9 I BNDG die Übermittlung an alle inländischen öffentlichen Stellen erlaubt.1647 Daraus ergibt sich zumindest vordergründig, dass jenseits der Staatsschutzdelikte eine Informationsüberlassung an Strafverfolgungsbehörden zwar nicht zwingend, aber doch zulässig ist. Dementsprechend argumentiert die einhellige Literaturmeinung jenseits der Steuerdatenfälle1648, dass auch Strafverfolgungs1645 Kohlmann/Schauf, SteuerstrafR, § 371 AO, Rn. 696ff., der zudem betont, dass auf Grund der strafrechtlichen Relevanz auch eine Weitergabe zu steuerlichen Zwecken unterbleiben müsse, um Umgehungen zu verhindern; Heerspink, AO-StB 2009, 25 (28); Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (925); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1277); Schünemann, NStZ 2008, 305 (306f.); ders., GA 2008, 314 (326f.); wohl auch Salditt, FS Schaumburg, 1269 (1279). 1646 So auch Sieber, NJW 2008, 881 (882). 1647 Dazu Gröpl, Nachrichtendienste, 318, 334f.; Kretschmer, Jura 2006, 336 (342). 1648 Gazeas, Übermittlung, 394ff.; Gröpl, Nachrichtendienste, 318, 335; Haedge, Nachrichtendienstrecht, 227; Kretschmer, Jura 2006, 336 (342); für die parallel gestaltete Regelung zu Übermittlungen durch das BfV Nehm, NJW 2004, 3289 (3295).
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behörden mögliche Empfänger von nach § 9 I BNDG überlassenen Informationen sein können. Für die Sperrwirkung des § 9 III BNDG wird jedoch das Trennungsprinzip angeführt.1649 Das Trennungsgebot verbietet in formeller Hinsicht die Angliederung des Nachrichtendiensts an die Polizei und in materieller Hinsicht die Anwendung polizeilicher Befugnisse durch den Nachrichtendienst.1650 Der genaue materielle Gehalt des Trennungsgebots ist ebenso umstritten wie die Frage der Herleitung des Trennungsgebots aus der Verfassung.1651 Zwar existiert kein striktes eigenständiges informationelles Trennungsgebot,1652 doch wird vertreten,1653 dass der Informationstransfer von den Auswirkungen des materiellen Trennungsgebots beeinflusst sei. Die Befürworter einer Sperrwirkung räumen zwar ein, dass auf Grund der unterschiedlichen Rechtsfolgen § 9 I BNDG auch als eine neben § 9 III BNDG anwendbare Ermessensregelung interpretiert werden könne.1654 Dagegen spreche jedoch, dass die materielle Reichweite des Trennungsgebots nicht nach freiem Belieben des BND bestimmt werden könne. Das Trennungsgebot liefe völlig leer, wenn zwar formal eine Trennung gegeben sei, durch einen fast beliebigen Informationsfluss aber die Grenzen aufgehoben werden könnten. Damit könnten insbesondere die Begrenzungen strafprozessualer Befugnisse wie die Bindung an Verdachtsschwellen ausgehebelt werden.1655 Eine solche Handhabung sei nicht mit dem Bestimmtheitsgebot für strafrechtliche Eingriffe in Einklang zu bringen.1656 Zudem würde bei einer großzügigen Auslegung von § 9 I BNDG der Grundsatz, dass Ermittlungen im Ausland durch Strafverfolgungsbehörden nur auf dem Rechtshilfewege durchgeführt werden dürfen, unterlaufen. Schließlich könnte als Alternativmöglichkeit stets auf den BND 1649 Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (924f.); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665); Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1276f.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (306f.); ders., GA 2008, 314 (326f.); vgl. auch Flöthmann, SAM 2008, 63 (64), der unabhängig von § 9 BNDG das Trennungsgebot zur Begründung von Übermittlungsschranken heranzieht. 1650 Ruhmannseder, StraFo 2007, 184f. 1651 Dazu Brenner, BND, 45ff.; Roewer, DVBl 1986, 205ff. 1652 Dazu Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (185); nur vordergründig anders Gazeas, Übermittlung, 61ff., der zwar eine eigenständige informationelle Dimension des Trennungsgebot annimmt, aber zugleich betont, diese habe nur eine relative Wirkung in dem Sinne, dass Informationsweitergaben nicht grundsätzlich ausgeschlossen seien. Im Ergebnis dürften die Unterschiede zwischen den Auffassungen damit gering sein. 1653 BVerfGE 133, 277 (329), wonach die entsprechende Begrenzung aus dem Recht auf informationelle Selbsbestimmung folgen soll; Ruhmannseder, StraFo 2007, 184 (185); in den Steuerdatenfällen Schünemann, NStZ 2008, 305 (306f.); ders., GA 2008, 314 (326f.); gegen eine informationelle Dimension des Trennungsgebots hingegen Roewer, DVBl 1986, 205 (207f.). 1654 Schünemann, NStZ 2008, 305 (306f.); ders., GA 2008, 314 (326f.). 1655 Schünemann, NStZ 2008, 305 (306f.); ders., GA 2008, 314 (326f.). 1656 Schünemann, NStZ 2008, 305 (306); ders., GA 2008, 314 (327).
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zurückgegriffen werden1657 – zumindest dann, wenn sich nur irgendein Anknüpfungspunkt für eine BND-Zuständigkeit finden ließe, sei es auch nur unter dem Gesichtspunkt des Beifangs. Gerade auf Grund der weitreichenden BND-Befugnisse und der vergleichsweise geringen Kontrollmöglichkeiten spricht aus teleologischer Sicht meines Erachtens viel für die Annahme einer Sperrwirkung von § 9 III BNDG, da gerade im Bereich der Strafverfolgung das Unterlaufen rechtsstaatlicher Garantien des Strafprozessrechts besonders naheliegend ist. Trotz dieser gewichtigen Argumente wäre eine Sperrwirkung meines Erachtens aber dann abzulehnen, wenn der Gesetzgeber mit der Regelung des § 9 I BNDG eine Übermittlung zu Strafverfolgungszwecken zulassen wollte, wofür, wie bereits dargelegt, der Wortlaut spricht. Nutzte man die Steuerdatenfälle quasi zu einer Neuinterpretation des Geheimdienstrechts, sähe man sich, so berechtigt das Anliegen auch sein mag, ebenfalls wieder dem Vorwurf ausgesetzt, mit aller Macht die Rechtswidrigkeit des Datenankaufs begründen zu wollen und dafür von bisher üblichen Auslegungsergebnissen abzuweichen. In diesem Zusammenhang ist die Gesetzesbegründung1658 zum BNDG eindeutig.1659 Dort wird die Regelung für die Überlassung an Strafverfolgungsbehörden zwar als »Spezialvorschrift« zu der vorhergehenden Norm, die Übermittlungen zu Zwecken der öffentlichen Sicherheit zulässt, bezeichnet, doch bezieht sich die Spezialität eindeutig nur auf die Übermittlungspflicht im Vergleich zur Übermittlungsbefugnis in anderen Fällen. Hinsichtlich der allgemeineren Regelung der Übermittlung an inländische öffentliche Stellen wird klargestellt, dass Strafverfolgungsbehörden ausgeschlossen sind, soweit Angelegenheiten des Staats- und Verfassungsschutzes betroffen sind. Daraus ergibt sich eindeutig, dass der Gesetzgeber eine Übermittlungsbefugnis schaffen wollte, die auch gegenüber Strafverfolgungsbehörden besteht. Dieser gesetzgeberische Wille ist zu beachten. Da das Trennungsgebot nach wohl überwiegender Auffassung1660 nicht aus dem Verfassungsrecht
1657 Schünemann, NStZ 2008, 305 (307). 1658 BT-Drucks. 11/4306, 63 für die Normen des BVerfSchG, die laut der BT-Drucks., aaO, 70 das Vorbild für die entsprechenden BNDG-Regelungen darstellen. 1659 Anders Gazeas, Übermittlung, 396, der die nachfolgend wiedergegebene Formulierung der Gesetzesbegründung als mehrdeutig empfindet, obwohl aus ihnen meines Erachtens deutlich hervorgeht, dass sich die Spezialität nur auf die staats- und verfassungsrechtlichen Belange bezieht. 1660 Brenner, BND, 53; Nehm, NJW 2004, 3289 (3290ff.); Roewer, DVBl 1986, 205ff.; vgl. auch BVerfGE 133, 277 (329), wonach erhöhte verfassungsrechtliche Anforderungen an Übermittlungen zwischen Polizei und Nachrichtendiensten aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung folgen sollen und damit wohl nicht aus einer eigenständigen verfassungsrechtlichen Verankerung des Trennungsgebots; anders hingegen Gazeas, Übermittlung, 63ff.; M. Koch, ZRP 1995, 24.
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hergeleitet wird, bestehen auch keine Anhaltspunkte für die Verfassungswidrigkeit von § 9 I BNDG.1661 Zudem spricht noch ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Relevanz der restriktiven Ansicht gerade in den Steuerdatenfällen: Ein Verbot der Informationsweitergabe an Strafverfolgungsbehörden1662 könnte, selbst wenn es existierte, nicht automatisch ein Verbot der Übermittlung an die Finanzbehörden zu steuerlichen Zwecken begründen. Die Regelung des § 393 I 1 AO mit der dort normierten Trennung von Besteuerungs- und Strafverfahren spricht vielmehr dafür, dass eine nur die Besteuerung betreffende Übermittlung möglich ist. Zwar wird vereinzelt argumentiert,1663 dass die Sperrwirkung des § 9 III BNDG auf Grund der anderweitig bestehenden Umgehungsgefahr auch steuerliche Zwecke umfasse, doch übersieht diese Argumentation die Regelung des § 9 I 2 BNDG, nach der übermittelte Informationen grundsätzlich nur zu dem Zweck ihrer Übermittlung eingesetzt werden dürfen. Demnach wären die Finanzbehörden daran gehindert, die Daten zu Strafverfolgungszwecken einzusetzen, sie düften sie aber zu steuerlichen Zwecken erhalten. Auch daran wird deutlich, dass das Abstellen auf § 9 III BNDG nicht geeignet ist, die Rechtswidrigkeit der durch den BND vorgenommenen Datenübermittlung zu begründen. (3) Eigener Ansatz und Ablehnung einer Lösung über das G 10-Gesetz Die Weitergabe der Steuerdaten vom BND an die Finanzbehörden ist mithin grundsätzlich durch § 9 I BNDG gerechtfertigt, sofern keine Übermittlungsverbote eingreifen. In Betracht kommt ein Übermittlungsverbot nach § 23 Nr. 1 BVerfSchG, welches eine an sich zulässige Übermittlung untersagt, wenn die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen überwiegen. Die Regelung des BVerfSchG ist nach § 10 BNDG auch auf Übermittlungen nach dem BNDG anzuwenden. Maßstab für die Interessenabwägung sind dabei nach dem Wortlaut der Norm vor allem die Art der Information und die Umstände ihrer Erhebung. Hinsichtlich der Art der Information ist schon mehrfach festgestellt worden, 1661 Anders Gazeas, Übermittlung, 419f., der auf die fehlende Verhältnismäßigkeit und auf Bestimmtheitsmängel rekurriert. Dem ist meines Erachtens zu widersprechen. Die Norm ist nicht unbestimmt, sondern nur sehr weitreichend. Für diese Weite besteht aber in Gestalt von § 23 BVerfSchG ein flexibler Korrekturmaßstab, mit dem sowohl die Grundrechte als auch alle sonstigen abwägungsrelevanten Faktoren im Einzelfall angemessen austariert werden können. Das Erfordernis einer Abwägung im konkreten Einzelfall bringt zwangsläufig Bestimmtheitsverluste mitsich. Das ist aber der notwendige Preis für die anders nicht zu erzielende Einzelfallgerechtigkeit. Daher kann die Kritik, die Gazeas, aaO, 361 an § 23 BVerfSchG übt, nicht überzeugen. 1662 Dabei soll die Steuerfahndung in diesem Zusammenhang nicht als Strafverfolgungsbehörde angesehen werden können, da es sich funktionell nicht um eine Polizeibehörde handele, so Gazeas, Übermittlung, 342. 1663 Kohlmann/Schauf, SteuerstrafR, § 371 AO, Rn. 697f.
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dass es sich zwar einerseits nicht um Daten aus dem Bereich der Intimsphäre handelt,1664 andererseits zumindest in einigen Fällen auf Grund der Detailliertheit des Materials umfassende Angaben enthalten sind, die einen Rückschluss auf die Persönlichkeit zulassen. Allein die Art der betroffenen Informationen führt aber dennoch sicher nicht dazu, dass die Abwägung für ein Übermittlungsverbot spricht. Bezogen auf die Umstände der Informationsgewinnung lässt sich hier anders als bei Handlungen durch die Finanzbehörden auch nicht auf die Aspekte des Ankaufs und des Zusammenwirkens mit Straftätern rekurrieren. Ein solches Vorgehen ist für einen Geheimdienst anders als für Strafverfolgungs- oder Finanzbehörden keinesfalls untypisch1665. Andererseits fällt hier der Umstand, dass sich das Material zumindest in einem Teil der Fälle auf Steuerstraftäter bezieht, woraus sich ein geringeres Gewicht der betroffenen Kundeninteressen ergeben könnte, nicht entscheidend ins Gewicht: Schließlich ist die Aufklärung von Handlungen, die Rechtsgüter bedrohen, ein Haupttätigkeitsfeld der Nachrichtendienste,1666 der Bezug zu Straftaten liegt bei BNDErkenntnissen damit fast standardmäßig vor und kann daher keine abwägungsrelevante Besonderheit darstellen. Allenfalls die vergleichsweise geringe Stellung des betroffenen Rechtsguts, der staatlichen Finanzen, und die Beeinträchtigung der Rechtsgüter Unbeteiligter, das heißt der Banken und der ehrlichen Kunden, könnten für eine Abwägung zu Ungunsten der Übermittlung sprechen. Entscheidend ist meines Erachtens jedoch der Aspekt des Beifangs. In den Steuerdatenfällen ist zu beachten, dass der BND für die Beschaffung von derartigen Daten grundsätzlich nicht zuständig ist und die erlangten Informationen nur deshalb rechtmäßig erlangt worden sind, weil man sie als »Beifang« oder Zufallsfund wertet. Eine Weitergabe von Zufallsfunden oder Beifangerkenntnissen erscheint gerade hinsichtlich der nachrichtendienstlichen Tätigkeit besonders problematisch, da die umfassenden BND-Beschaffungsmöglichkeiten so auf Gebiete ausgedehnt werden, für die sie eigentlich nicht gedacht sind.1667 Dass die genauen
1664 In diesem Zusammenhang zu beachten ist die Ansicht von Gazeas, Übermittlung, 360, wonach § 23 Nr. 1 BVerfSchG bei fehlender Berührung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung regelmäßig zu verneinen sei. Eine solche Pauschalisierung, die die Berücksichtigung anderer abwägungsrelevanter Faktoren ohne Grund verhindert, erscheint jedoch nicht sachgerecht. 1665 Dazu auch Heine, FS v. Büren, 917 (923), der in illegalen Informationen ebenfalls ein typisches geheimdienstliches Tätigkeitsfeld sieht. 1666 Zu den Tätigkeitsfeldern des BND Kretschmer, Jura 2006, 336 (340). 1667 Vgl. zu der Problematik im Zusammenhang mit G 10-Maßnahmen Paeffgen, StV 1999, 668 (676f.).
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Umstände der Datenbeschaffung bei Geheimdiensten nicht offen gelegt werden,1668 verschärft diese Problematik noch. Bei schwerster Kriminalität mag man eine Informationsweiterleitung noch hinnehmen. Dies kann jedoch nicht für eine Straftat wie Steuerhinterziehung gelten, die sich unterhalb der Schwelle des § 138 StGB1669 bewegt. Hinzu kommt entgegen Kaiser1670, dass in den Steuerdatenfällen die Erkenntnisse Behörden überlassen werden, die, wie die bisherige Erörterung gezeigt hat, die Informationen selbst nicht hätten rechtmäßig erheben dürfen. Auf Grund der genannten Erwägungen ist die Annahme eines Übermittlungsverbots meines Erachtens folgerichtig, wenngleich, wie häufig bei Abwägungsfragen, ein anderes Ergebnis vertretbar erscheint. Durch die Berücksichtigung eines Übermittlungsverbots wird dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen, der einerseits eine weitgehende Übermittlung auch zu Strafverfolgungszwecken zulassen wollte, andererseits aber auch gesehen hat, dass in manchen Bereichen Übermittlungssperren erforderlich sind. Die Einbeziehung des Übermittlungsverbots ermöglicht eine Restriktionsmöglichkeit für den besonders sensiblen Bereich der Zufallsfunde und Beifangerkenntnisse, die den Vorteil hat, die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. So wäre auch bei Zufallsfunden eine Übermittlung bei Betroffenheit höchstrangiger Rechtsgüter möglich. Die Lösung über das im BNDG grundsätzlich verankerte Übermittlungsverbot ist meiner Meinung nach vorzugswürdig insbesondere gegenüber den vereinzelt vertretenen Versuchen1671, den in den Steuerdatenfällen vorherrschenden rechtsstaatlichen Bedenken gegen eine Übermittlung durch eine analoge Anwendung des G 10-Gesetzes Rechnung zu tragen. Nach dieser Ansicht ist die Weitergabe der Daten zu präventiven und repressiven Zwecken nur zulässig, sofern die in §§ 3, 5, 7 G 10-Gesetz genannten Straftaten, die Steuerhinterziehung nicht umfassen, einschlägig sind. Dagegen spricht schon, dass das BNDG selbst in einigen Fällen (vgl. z. B. § 2a BNDG) auf das G 10-Gesetz verweist – aber gerade nicht im Rahmen von § 9 BNDG. Gerade weil der Gesetzgeber in manchen Fällen ein Bedürfnis für Restriktionen im Sinne des
1668 Auf diesen Aspekt verweisend auch Flöthmann, SAM 2008, 63 (64), der die Zulässigkeit der Übermittlung jedoch nicht am BNDG, sondern allgemein am Trennungsgebot misst. 1669 Vgl. Paeffgen, StV 1999, 668 (676f.), der sich im Zusammenhang mit G 10-Maßnahmen tendenziell für § 138 StGB als Schwelle für die Annahme eines überwiegenden Strafverfolgungsinteresses ausspricht. 1670 Kaiser, NStZ 2011, 383 (385). 1671 Salditt, FS Schaumburg, 1269 (1280f.); Sieber, NJW 2008, 881 (882f.); dagegen Spatscheck, FS Volk, 771 (778), der den Begriff der öffentlichen Sicherheit restriktiv auslegt und daher kein Bedürfnis für eine weitere Restriktion sieht.
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G 10-Gesetzes gesehen hat, scheint die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke1672 nur schwer vertretbar. (4) Zwischenergebnis Das BNDG kann nach hier vertretener Ansicht die Überlassung der Steuerdaten nicht rechtfertigen, da ein Übermittlungsverbot nach § 10 BNDG i. V. m. § 23 Nr. 1 BVerfSchG eingreift. b) Rechtfertigung der Weiterleitung durch § 116 AO Diskutiert wird, ob § 116 AO dem BND die Möglichkeit eröffnet, die Daten an die Steuerbehörden weiterzugeben.1673 Angesichts der unter dem Gesichtspunkt des Beifangs rechtmäßigen Datenerlangung durch den BND ist das Eingreifen von § 116 AO nicht von vornherein ausgeschlossen. Diese Möglichkeit lässt Schünemann1674 außer Acht, wenn er argumentiert, dass solche Erkenntnisse, die man nur durch Mitwirkung an Straftaten gewinnen könne, niemals dienstlich erfahrene Informationen seien, da Amtsträgern die Begehung von Straftaten verboten sei. Im Falle des BNDG erscheint schließlich eine rechtmäßige Informationserlangung möglich. Auch die Überlegung Junkers1675, nach der es sich nicht um dienstlich erfahrene Informationen handele, da der BND bei Annahme einer rechtmäßigen Datenerlangung nicht gezielt hinsichtlich der Bankdaten tätig geworden sei, vermag nicht zu überzeugen. Schließlich besteht der Sinn des § 116 AO gerade darin, dass auch Stellen tätig werden, die nicht für steuerstrafrechtliche Sachverhalte zuständig sind und daher bei der Informationserlangung nicht gezielt gehandelt haben. Dass die Informationen ursprünglich nicht zu steuerlichen Zwecken erlangt worden sind, kann die Anwendung von § 116 AO somit nicht ausschließen. Die entscheidende Weichenstellung dürfte in der Spezialität der BND-Regelungen liegen. Diesbezüglich wird grundsätzlich zu Recht darauf verwiesen,1676 1672 Auch eine vergleichbare Interessenlage erscheint angesichts der Zweckrichtung des G 10Gesetzes zweifelhaft, dazu allgemein Roewer, Nachrichtendienstrecht, G 10, § 7, Rn. 14. 1673 Bejahend Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1196; Gazeas, Übermittlung, 557f., soweit Erstinformationen des Informanten betroffen sind; Kölbel, NStZ 2008, 241 (243), der sich allerdings primär auf Vorbereitungshandlungen bezieht; Tormöhlen, AO-StB 2012, 380 (381f.); Zieschang, FS Scheuing, 794 (814); bejahend auch Kaiser, NStZ 2011, 383 (385); Kauffmann, JA 2010, 597 (599f.), die aber beide Amtshilfefragen und § 116 AO vermengen; ablehnend Ambos, Beweisverwertungsverbote, 120; Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (924f.); Junker, StRR 2008, 129 (134); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665); Salditt, FS Schaumburg, 1269 (1279); Schünemann, NStZ 2008, 305 (307); offen gelassen von Esskandari/Kische, AO-StB 2010, 67. 1674 Schünemann, NStZ 2008, 305 (307); in eine ähnliche Richtung wohl auch Junker, StRR 2008, 129 (134). 1675 Junker, StRR 2008, 129 (134). 1676 So von Gazeas, Übermittlung, 558; Kölbel, NStZ 2008, 241 (243); Sieber, NJW 2008, 881
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dass ein eindeutiger logischer Vorrang einer der beiden Normen nicht bestehe. § 9 I BNDG sei spezieller hinsichtlich des Absenders der Information, während § 116 AO in Gestalt des Materials mit steuerstrafrechtlicher Relevanz den spezielleren Informationsgegenstand aufweise. Ebenfalls zu Recht wird jedoch darauf hingewiesen,1677 dass teleologische Erwägungen angestellt werden müssten, wenn es an einem eindeutigen logischen Verhältnis fehle. Bei einer solchen teleologischen Betrachtung sei es aber geradezu zwingend, die Besonderheiten der BND-Regeln zu beachten. Sonst habe das Trennungsgebot keinen materiellen Gehalt.1678 Auch wird die Spezialität der BNDG-Regeln aus den dort gesetzten Restriktionen gefolgert, die bei einem Nebeneinander mit § 116 AO umgangen würden.1679 Beide Argumente können meines Erachtens jedoch kaum überzeugen, wenngleich das durch sie erreichte Ergebnis richtig ist. Dass das BNDG vorrangig sein müsse, um die dort gesetzten Restriktionen nicht zu unterlaufen, ist zumindest dann kaum plausibel, wenn man wie hier § 9 I BNDG für anwendbar erachtet, da dort kaum Restriktionen aufgestellt werden. Angesichts der durch § 9 I BNDG im weiten Umfang zugelassenen Informationsübermittlung, die dem Trennungsgebot offensichtlich keine große Bedeutung beimisst, kann auch das Trennungsgebot nicht herangezogen werden, um die Anwendung von § 116 AO abzulehnen. Vielmehr ergibt sich der Vorrang meines Erachtens aus dem Zweck der Übermittlungsregeln des BNDG. Aus dem Zusammenspiel von § 9 I und § 9 III BNDG ergibt sich eindeutig, dass der BND zur Informationsübermittlung nur verpflichtet sein soll, wenn Staatsschutzbelange berührt sind. In allen anderen Fällen, also auch bei steuerstrafrechtlich relevantem Material, soll der BND in seiner Entscheidung nicht gebunden sein. Dies erscheint in Anbetracht der Tätigkeit des BND aus praktischen und teleologischen Gründen geradezu zwingend. Ließe man die Anwendung von § 116 AO zu, wäre der BND zur Übermittlung verpflichtet, unabhängig von den Konsequenzen, die eine Weiterleitung für die eigene Tätigkeit mitsichbrächte. Praktisch hieße dies, dass der BND beispielsweise Informationen hinsichtlich potentieller Terroristen an die Finanzbehörden weiterleiten und damit das Bekanntwerden beispielsweise von Überwachungsmaßnahmen riskieren müsste, wenn die bisher erlangten Informationen den Verdacht einer Steuerhinterziehung durch die überwachten Per(883); für ein Nebeneinander beider Normen auch Zieschang, FS Scheuing, 794 (814); zumindest für die Anwendbarkeit von § 116 AO Kaiser, NStZ 2011, 383 (385); anders aber Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665) und zumindest tendenziell Spatscheck, FS Volk, 771 (778f.), für die § 116 AO allgemeiner ist. 1677 So von Schünemann, NStZ 2008, 305 (307). 1678 Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (924f.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (307). 1679 So Ambos, Beweisverwertungsverbote,120; Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (665).
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sonen begründeten. Eine solche Verpflichtung dürfte kaum mit der Tätigkeit eines Geheimdiensts zu vereinbaren sein. Hinzu kommt auch hier, dass, wie die vorangegangenen Erwägungen gezeigt haben, entgegen Kaiser1680 gerade nicht argumentiert werden kann, dass die empfangenden Behörden die Daten auch selbst hätten ankaufen können. Eine teleologische Betrachtung zeigt mithin, dass § 116 AO nicht für Mitteilungen durch den BND gilt, da die Vorschriften des BNDG vorrangig sind. Die gleichen Gründe führen auch dazu, dass einem auf die strafprozessuale Generalklausel (§§ 161 I, 163 I StPO) gestützten staatsanwaltlichen Auskunftsverlangen kein Erfolg beschieden wäre. c) Rechtfertigung durch Amtshilfe (§§ 111ff. AO, §§ 4ff. VwVfG) Zudem wird eine Rechtfertigung durch Amtshilfe erwogen. Demnach wäre der BND von Anfang an für die Steuerbehörden tätig geworden und müsste nur herausgeben, was er für diese erlangt hätte.1681 Die speziellen Übermittlungsvorschriften des BNDG sind eingeführt worden, da man die allgemeinen Amtshilferegeln nach dem Volkszählungsurteil des BVerfG nicht mehr für ausreichend erachtet hat, um Übermittlungen zu rechtfertigen.1682 Daher kann die Amtshilfe schon im Grundsatz nicht herangezogen werden.1683 Zudem beinhaltet die Annahme einer Amtshilfehandlung das Eingeständnis, dass der BND von den Finanzbehörden eingeschaltet und damit von Anfang an nur wegen der steuerlichen Bedeutung der Daten tätig geworden ist. Damit scheidet aber die Einordnung der Informationen als Zufallsfund oder Beifang aus. Die bewusste Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel zu Zwecken, bei denen es sich nicht um außen- und sicherheitspolitische Belange handelt, ist dem BND untersagt, so dass Amtshilfe nach § 112 II AO ausscheiden müsste, da der BND zu der ersuchten Tätigkeit aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage wäre.1684 Der BND hätte somit bereits hinsichtlich der Beschaffung gar nicht tätig 1680 Kaiser, NStZ 2011, 383 (385). 1681 So BVerfG, DStR 2010, 2512 (2517), wonach das Abstellen der Untergerichte auf eine Amtshilfetätigkeit nicht zu beanstanden sei; Kaiser, NStZ 2011, 383 (385); Kauffmann, JA 2010, 597 (599f.), die aber beide Amtshilfefragen und § 116 AO vermengen. 1682 Dazu BT-Drucks. 11/4306, 1, 70; zum Eingriff bei zwischenbehördlichen Übermittlungen Riegel, JZ 1980, 757. 1683 Entgegen Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1277) kann jedoch nicht argumentiert werden, dass Amtshilfe auf Grund eines aus § 2 III 2 BNDG folgenden Amtshilfeverbots ausscheiden müsse, da dort nur die Amtshilfe der Polizei für den BND untersagt wird, während zu Amtshilfeersuchen, die an den BND gerichtet sind, keine Aussage getroffen wird. 1684 So auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 119f.; Spatscheck, FS Volk, 771 (779); im Ergebnis ähnlich auch Gazeas, Übermittlung, 558f., der seine Ansicht im Ergebnis wohl damit begründet, dass dem BND keine steuerstrafrechtliche Ermittlungszuständigkeit zustehe; Junker, StRR 2008, 129 (133f.), der die Unzulässigkeit der Amtshilfe jedoch
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werden dürfen. Der vom BVerfG1685 in Anknüpfung an die Tatsachenfeststellung der Vorinstanzen vertretenen Ansicht, Amtshilfe sei möglich, da der Informant von sich aus den BND kontaktiert habe, ist zu widersprechen: Dass sich Privatpersonen an eine unzuständige Stelle wenden, führt weder automatisch zu einer Amtshilfekonstellation noch zu einer Befugniserweiterung. Zudem richtet sich die Zulässigkeit der Amtshilfehandlung nach dem Recht der ersuchenden Behörde (§ 114 I Hs. 1 AO). Die Steuer- und Strafverfolgungsbehörden sind zu einem Datenankauf jedoch gerade nicht befugt, wie die obigen Erörterungen ergeben haben. Daher liegt auch aus diesem Aspekt heraus keine Amtshilfe vor.1686 Der Gesichtspunkt der Amtshilfe ist für die Zusammenarbeit zwischen BND und Finanz- beziehungsweise Strafverfolgungsbehörden daher aus vielen Gesichtspunkten heraus nicht bedeutsam. 3.
Ergebnis: BND
Der BND darf die Daten zwar ankaufen, wenn er mit dem Datenmaterial Zwecke seines Zuständigkeitsbereichs verfolgt. Dafür ist insbesondere erforderlich, dass diese Zwecke über die Steuererhebung und die strafrechtliche Verfolgung von Steuerstraftätern hinausgehen. Eine Weitergabe an die zuständigen Behörden zur Steuererhebung und zur Strafverfolgung bezogen auf Steuerhinterziehung ist dem BND hingegen untersagt.
III.
Ergebnis: Rechtfertigung
Das Verhalten der handelnden Amtsträger ist grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Die Steuer- und Strafverfolgungsbehörden dürfen die Daten weder ankaufen primär auf das Trennungsgebot und den in der Datenweitergabe liegenden Grundrechtseingriff stützt; im Ergebnis gleich auch Heerspink, AO-StB 2009, 25 (27), der jedoch darauf abstellt, dass der BND zu der Übermittlung nicht befugt sei. Die ersuchte Tätigkeit, die der BND als Gegenstand der Amtshilfe für die Finanzbehörden durchführen soll, ist aber der Datenankauf und nicht die Übermittlung; ebenfalls auf § 112 II AO abstellend Heine, HRRS 2009, 540 (541); ders., FS v. Büren, 917 (924), der jedoch zur Begründung auf die fehlende Befugnis der Finanzbehörden abstellt, obwohl sich § 112 II AO auf die ersuchte Behörde bezieht, hier also auf den BND; dazu auch Kölbel, NStZ 2008, 241 (244), der den BND jedoch nur in einer Botenrolle sieht und daher ein Bedürfnis für eine Amtshilfe im engeren Sinne verneint. 1685 BVerfG, DStR 2010, 2512 (2517). 1686 So auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 119f.; Heine, HRRS 2009, 540 (541); Salditt, FS Schaumburg, 1269 (1279); Sieber, NJW 2008, 881 (885); in diese Richtung auch Trüg/ Habetha, NJW 2008, 887 (890); hingegen folgert Flöthmann, SAM 2008, 63 (64) die Unzulässigkeit der Amtshilfe aus dem Trennungsgebot.
402
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
noch übermitteln und auswerten. Der BND darf die Daten zwar ankaufen, wenn er damit Zwecke innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs verfolgt. Doch ist es dem BND untersagt, die Daten weiterzuleiten oder zur Steuereintreibung beziehungsweise zur Verfolgung von Steuerstraftaten zu verwenden, so dass ein Vorgehen unter Einschaltung des BND ebenfalls nicht zu einer Legitimation der Steuergenerierung und Strafverfolgung durch Datenankauf führt.
E.
Schuld: Möglichkeit eines unvermeidbaren Verbotsirrtums
Mitunter wird ein Verbotsirrtum (§ 17 StGB) der Amtsträger für möglich gehalten.1687 Zumindest in den Fällen nach der Causa Kieber wird man von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum auf Grund der breiten Debatte kaum ausgehen können.1688 Zwar kann der Überlegung Schünemanns,1689 die materiell-rechtliche Rechtslage sei nicht sonderlich kompliziert, auf Grund der zahlreichen in dieser Arbeit erörterten Fragestellungen und angesichts der höchst unterschiedlichen in der Literatur vertretenen Ergebnisse nicht beigepflichtet werden. Doch ist Schünemann darin zuzustimmen, dass gewichtige Indizien eine Strafbarkeit nahegelegt haben, so dass auf Grund der Erkennbarkeit einer möglichen Strafbarkeit deutsche Amtsträger die Steuereintreibung durch Straftaten hätten ablehnen müssen. Diese Argumentation wird verstärkt durch § 36 II BeamtStG und § 63 II 4 BBG, wonach Beamte bei Erkennbarkeit der Strafbarkeit für die dienstliche Begehung von Straftaten auch dann die Verantwortung tragen, wenn sie ihre Bedenken geltend gemacht haben und die Anweisung daraufhin bestätigt worden ist. Dies zeigt, dass Amtsträger für ihr Verhalten die Verantwortung tragen, auch wenn ihr Handeln auf Anweisungen beruht. Auf Grund zahlreicher kritischer Stimmen in der Debatte hätten den handelnden Amtsträgern Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihres Verhaltens kommen müssen. Allerdings wird man meines Erachtens auf Grund der bereits in den 90er Jahren geführten Debatte auch im LGT-Fall keinen unvermeidbaren Ver1687 Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (44); ders., Beweisverwertungsverbote, 117f., der zusätzlich auch die Unvermeidbarkeit bejaht; Gössel, FS Puppe, 1377 (1399), der die Frage der Vermeidbarkeit offen lässt; Jahn, FS Stöckel, 259 (267), der tendenziell für einen unvermeidbaren Verbotsirrtum plädiert; Sieber, NJW 2008, 881 (885), der ebenfalls für einen unvermeidbaren Verbotsirrtum plädiert. 1688 So auch D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (49); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (394); Trüg, StV 2011, 111 (115); für eine Unvermeidbarkeit hingegen tendenziell LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38). 1689 Schünemann, NStZ 2008, 305 (309).
Strafanwendungsrecht
403
botsirrtum annehmen können.1690 Hinzu kommen die strengen Anforderungen, die insbesondere die Rechtsprechung1691 an die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums stellt.1692 Die bloße Versicherung, von behördlicher Seite sei alles geprüft worden, genügt selbst dann nicht, wenn sie sogar vom Bundesfinanzminister bekräftigt wird.1693 So ist von staatlicher Seite nie präzise dargelegt worden, dass vorher ein umfassender Rechtsrat eingeholt worden wäre. Gerade auf Grund der Ungewöhnlichkeit des Ankaufs wäre ein solches Vorgehen aber erforderlich gewesen.1694 Teilweise wird darauf rekurriert, dass die Strafbarkeit der staatlichen Stellen in der Literatur keinesfalls gesichert sei und der Sachverhalt als neuartig eingestuft werden müsse,1695 so dass auf Grund der ungeklärten Rechtslage ein unvermeidbarer Verbotsirrtum anzunehmen sein könnte. Meines Erachtens ist für die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums genau die umgekehrte Argumentation richtig: Angesichts der Anforderungen an die Unvermeidbarkeit, insbesondere angesichts der Gewissensanspannungspflicht, ist ein möglicherweise strafrechtlich relevantes Verhalten bei ungeklärter Rechtslage zu unterlassen. Das sollte erst Recht für das dienstliche Handeln deutscher Amtsträger gelten. Auch wenn die Frage eines Verbotsirrtums immer vom Einzelfall abhängt,1696 kann doch festgestellt werden, dass zumindest ein unvermeidbarer Verbotsirrtum in den Steuerdatenfällen und damit der Wegfall der Strafbarkeit der Amtsträger tendenziell nicht gegeben sein dürfte.
F.
Strafanwendungsrecht
Abschließend muss geklärt werden, ob die handelnden Amtsträger überhaupt nach dem deutschen Strafrecht beurteilt werden können.
1690 Anders Sieber, NJW 2008, 881 (885), der die Diskussion um den Ankauf wohl als neuartig betrachtet. 1691 BGHSt 2, 194 (201f.); 3, 357 (365f.); 4, 1 (5f.); 4, 236 (243); 21, 18 (20f.); OLG Frankfurt a.M., NStZ-RR 2003, 263f. 1692 Darauf abstellend auch D. Amelung, Datev magazin 2010, Heft 2, 46 (49); Schünemann, NStZ 2008, 305 (309); Trüg, StV 2011, 111 (115). 1693 So auch Schünemann, NStZ 2008, 305 (309); vgl. auch Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (121f.), der sich mit Blick auf die kritischen Stimmen zum Datenankauf tendenziell zumindest gegen die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums ausspricht. 1694 So auch Spatscheck, FS Volk, 771 (781). 1695 Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (44); ders., Beweisverwertungsverbote, 118; vgl. auch Beulke, Jura 2008, 653 (664f.) im Zusammenhang mit Fragen der Beweisverwertung. 1696 So zu Recht Sonn, Steuer-CD-Affäre, 281, der daraus jedoch die Konsequenz zieht, den Aspekt nicht näher zu thematisieren.
404 I.
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
Datenankauf
Es ist davon auszugehen, dass die für die Bundesrepublik Deutschland Handelnden Amtsträger im Sinne des § 11 I Nr. 2 StGB oder für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete im Sinne des § 11 I Nr. 4 StGB sind, so dass § 5 Nr. 12 StGB als Anknüpfungspunkt für die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts in Betracht kommt.1697 Danach ist das deutsche Strafrecht unabhängig vom Recht des Tatorts bei ausländischer Tatbegehung anwendbar. Entgegen der Überschrift des § 5 StGB ist die Regelung nicht nur bei Taten zum Schutz inländischer Rechtsgüter anwendbar, sondern gilt unabhängig vom geschützten Rechtsgut, da sie mit der besonderen Verpflichtung deutscher Amtsträger dem deutschen Staat gegenüber und somit mit dem aktiven Personalitätsprinzip begründet wird.1698 Voraussetzung ist jedoch der dienstliche Bezug der Tatbegehung. In den Steuerdatenfällen handeln die Amtsträger offensichtlich in Ausübung ihrer Tätigkeit, so dass § 5 Nr. 12 StGB anzuwenden ist. Auf die an die Tatortstrafbarkeit anknüpfenden Regelungen des § 7 StGB kommt es mithin nicht entscheidend an, es käme jedoch § 7 II Nr. 1 StGB auf Grund der deutschen Staatsangehörigkeit der Amtsträger in Betracht.1699 Nicht abgestellt werden kann für die Bewertung des Amtsträgerhandelns hingegen auf § 9 II 1 i.V.m § 3 StGB gestützt auf eine mögliche Teilnahmehandlung von Deutschland aus,1700 da nach hier vertretener Ansicht eine Teilnahme der Amtsträger durch den Ankauf der Daten nicht in Betracht kommt (siehe oben in diesem Kapitel unter B. I. 2.). Bei der Untreue als Erfolgsdelikt lässt sich die Anwendung auch auf § 3 StGB stützen, da der Schaden und somit der tatbestandliche Erfolg bei der Bundesrepublik Deutschland und damit in Deutschland eintritt. Die Tat ist folglich nach § 9 I Var. 3 StGB auch in Deutschland begangen.
1697 So auch Erb, FS Roxin 80, 1103 (1103, Fn. 5); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117); Spernath, NStZ 2010, 307; Werner, IWB 2010, 164 (167); im Grundsatz auch Kaiser, NStZ 2011, 383 (388, Fn. 50) und Zieschang, FS Scheuing, 794 (809), die jedoch beide schon die Strafbarkeit verneinen; vgl. auch Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (783), die nur für die Ausnahme eines ausländischen Amtsträgers § 5 Nr. 13 StGB heranziehen, § 5 Nr. 12 StGB jedoch ignorieren. 1698 S/S/Eser, § 5, Rn. 1, 5, 19; zur missverständlichen Überschrift auch NK/Böse, § 5, Rn. 1. 1699 Ähnlich auch Erb, FS Roxin 80, 1103 (1103f., insbes. Fn. 5); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (117); Spernath, NStZ 2010, 307; entscheidend auf § 7 II Nr. 1 StGB abstellend hingegen Ostendorf, ZIS 2010, 301 (303); Trüg/Habetha, NJW 2008, 887. 1700 So aber – folgerichtig – vertreten von Sieber, NJW 2008, 881 (883), der von einer Teilnahmestrafbarkeit ausgeht.
Fazit zur Strafbarkeit der staatlichen Stellen
II.
405
Datennutzung
Die Tätigkeiten der Datennutzung, das heißt alle mit der Auswertung der Daten zusammenhängenden Tätigkeiten, finden in Deutschland statt, so dass die Anwendung deutschen Strafrechts aus § 3 i.V.m § 9 I Var. 1 StGB folgt.1701 Da bereits die Tathandlung in Deutschland stattfindet, ist es entgegen Erb1702 bedeutungslos, einen möglichen Verwertungserfolg in die Erörterung miteinzubeziehen. Daher können die Streitfragen, ob das Verwerten einen Erfolg verlangt und ob ein Erfolgsort im Sinne des § 9 I StGB auch jenseits von Erfolgsdelikten besteht (dazu oben im 2. Kapitel unter E. II. 1. b)), außer Acht gelassen werden.
III.
Ergebnis: Strafanwendungsrecht
Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auf die Taten der handelnden Amtsträger folgt für die an den Ankauf anknüpfenden Taten grundsätzlich aus § 5 Nr. 12 StGB und für die an die Auswertung anknüpfenden Taten aus §§ 3, 9 I Var. 1 StGB. Auf die möglichen Delikte, die an eine Aufforderung zum Erwerb weiterer Daten anknüpfen, muss dabei nicht weiter eingegangen werden, da die relevanten Tatbestände im Ergebnis zumindest für den Normalfall ohnehin zu verneinen sind. In Ausnahmefällen ergibt sich die Anwendung deutschen Strafrechts aus den oben dargestellten Grundsätzen.
G.
Fazit zur Strafbarkeit der staatlichen Stellen
Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass der Ankauf und die Auswertung der inkriminierten Steuerdaten durch die deutschen Amtsträger strafbar sind. Eine Rechtfertigung durch Befugnisse des Verfahrensrechts scheitert daran, dass speziell normierte Befugnisse das staatliche Verhalten nicht erfassen, während die Eingriffsintensität der Maßnahmen eine Rechtfertigung durch Generalklauseln versperrt. Dies gilt zumindest für die Standardkonstellation der Steuerdatenfälle, das heißt bei einer Beteiligung von Finanz- und Strafverfolgungsbehörden. Auch bei Einschaltung des BND ergeben sich nur geringfügige Abweichungen von diesem Ergebnis: Selbst wenn der Datenankauf
1701 So auch Zieschang, FS Scheuing, 794 (808). 1702 Erb, FS Roxin 80, 1103 (1103f., Fn. 5) wohl bezogen auf die Verwertungshandlung der Amtsträger.
406
Die Strafbarkeit der beteiligten staatlichen Stellen
durch den BND erlaubt ist, so ist ihm die Mitteilung dieser Informationen versperrt. Zudem kann festgestellt werden, dass die Strafbarkeit der Amtsträger, auf die selbstverständlich deutsches Strafrecht anzuwenden ist, zumindest überwiegend1703 nicht davon abhängig ist, ob auf das Verhalten der Bankmitarbeiter das deutsche Strafrecht anwendbar ist.
1703 Ein anderer Befund kommt, wie gesehen, für § 258 StGB in Betracht.
4. Kapitel: Fazit und Ausblick
Abschließend werden prozessuale Konsequenzen der gefundenen Ergebnisse thematisiert, ehe die Erkenntnisse dieser Arbeit in den politischen Kontext eingeordnet und die wesentlichen Thesen zusammengefasst werden.
A.
Konsequenzen und Ausblick
Diese Arbeit hat gezeigt, dass der Ankauf entwendeter Steuerdaten zu einer Strafbarkeit der darin involvierten Amtsträger führt und daher zukünftig aus rechtsstaatlichen Erwägungen unterbleiben sollte. Eine solche Änderung der staatlichen Ankaufspraxis dürfte aber wohl nur durch die (gerichtliche) Annahme eines Beweisverwertungsverbots zu erreichen sein. Hinsichtlich der Beweisverwertung herrscht ein ähnlich breites Meinungsspektrum wie bezüglich der bisher erörterten Strafbarkeitsfragen. Einige Stimmen1704 erachten ein Beweisverwertungsverbot für zwingend. Entgegenge1704 Kohlmann/Schauf, SteuerstrafR, § 371 AO, Rn. 699 nur bezogen auf Sachverhalte mit BND-Beteiligung; Benkert, FS Schiller, 27 (36f.); Beyer, AO-StB 2011, 4f. zumindest für alle Fälle nach dem Liechtenstein-Fall 2008; Bruns, StraFo 2008, 189 (191); Durst, PStR 2008, 134f.; Flöthmann, SAM 2008, 63 (65) nur bezogen auf Sachverhalte mit Beteiligung des BND; Heerspink, AO-StB 2009, 25 (28f.); Heine, HRRS 2009, 540 (545f.); ders., FS v. Büren, 917 (930ff.); ders., ASA 2010/2011, 525 (541ff.), der vor allem auf völkerrechtliche Gründe für ein Verwertungsverbot verweist; Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (394f.); Kauffmann, JA 2010, 597 (598ff.); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (666f.); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (122f.); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (305ff.), der zwar eine Strafbarkeit der Amtsträger ablehnt, aber auf Grund der erfolgten Geldzahlung ein Verwertungsverbot aus §§ 136a, 69 III StPO analog herleitet; Pfisterer, ZStrR 2013, 360 (374ff.); Wabnitz/Janovsky/Pflaum, HWSt, Kap. 20, Rn. 276; Salditt, FS Schaumburg, 1269 (1280f.), der allerdings auf Besonderheiten bei Sachverhalten mit BND-Beteiligung abstellt; Schierack/Bender, BRJ 2010, 173 (175); Schünemann, NStZ 2008, 305 (309); Spatscheck, FS Volk, 771 (785f.); Spilker, Amtsermittlung, 188ff., 258ff., wobei die Begründung primär auf völkerrechtliche Erwägungen abstellt; Trüg, StV 2011, 111 (116ff.); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 556ff.;
408
Fazit und Ausblick
setzt wird angenommen,1705 dass auch eine strafbare oder rechtsstaatswidrige Beweiserlangung kein Hindernis für eine Beweisverwertung sei. Zu dem gleichen Ergebnis gelangen die Stimmen,1706 die ein Beweisverwertungsverbot ablehnen, da entweder von einem rechtmäßigen und vor allem strafrechtlich nicht zu beanstandenden Verhalten der deutschen Amtsträger ausgegangen wird oder lediglich ein marginaler, für die Beweisverwertung unerheblicher Rechtsverstoß angenommen wird. Die Entlohnung des Informanten habe keinen Einfluss auf die Beweisverwertung, da sie die Rechtsposition des Bankkunden nicht berühre.1707 Die Bejahung eines Beweisverwertungsverbots durch die mit der Sache befassten Strafgerichte sei »illusionär«1708. Diese Annahmen lassen sich meines Erachtens jedoch nur schwer mit den Ergebnissen dieser Arbeit in Einklang bringen. Die Erörterungen haben gezeigt, dass sich die für den deutschen Staat handelnden Amtsträger bei der Beweisgewinnung selbst strafbar machen. Dieses Ergebnis hat weitreichende Konsequenzen auch für die prozessuale Frage der Beweisverwertung. Schließlich kann die Problematik damit entgegen anderer
1705
1706
1707 1708
Wendt, DStZ 1998, 145 (148ff.); Werner, IWB 2010, 164 (165ff.); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (28ff.); tendenziell auch Göres/Kleinert, NJW 2008, 1353 (1357); Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; Wulf, PStR 2012, 33 (40f.); hingegen machen Jungbluth/ Stepputat, DStZ 2010, 781 (787) die Frage des Verwertungsverbots von den genauen Umständen des Einzelfalls abhängig. So von Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (44f.); Lang, FS Schneider, 737 (741); vgl. auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 122f., der auch in einem Verstoß gegen Völkerrecht keinen Grund für ein Beweisverwertungsverbot sieht; vgl. auch Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (346f.), die auf die fehlende Klärung der Strafbarkeitsfrage verweist und argumentiert, dass eine ungeklärte Strafbarkeit für ein Verwertungsverbot nicht ausreiche, da ein solches auch in vergleichbaren Fällen, konkret bei der Annahme von durch die Ehefrau des Steuerpflichtigen abgegebenen Informationen, nicht angenommen werde. BVerfG, DStR 2010, 2512 (2515ff.), wonach auch Straftaten keinen hinreichend schweren Rechtsverstoß darstellen; VerfGH Reheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (241ff.); LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38f.); NStZ-RR 2011, 84f.; LG Bochum, NStZ 2010, 351f., wobei sich die genannten Gerichtsentscheidungen direkt nur mit der Vorauswirkung von Beweisverwertungsverboten befassen, aber auch Aussagen zu Beweisverwertungsverboten i. e. S. enthalten; SK-StPO/Rogall, § 136a, Rn. 17; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 136a, Rn. 3a; Erb, FS Roxin 80, 1103 (1117f.); Kaiser, NStZ 2011, 383 (390); Kölbel, NStZ 2008, 241 (244); Pawlik, JZ 2010, 693 (694ff.), der auf Basis der gegenwärtigen Rechtslage ein Verwertungsverbot ablehnt, aber die gesetzliche Normierung eines Verwertungsverbots als vertretbar ansieht; Rolletschke, SteuerstrafR, Rn. 154; Roth, Stbg 2013, 29 (30); Satzger, FS Achenbach, 447 (460f.); ders., FS I. Roxin, 421 (424ff.); Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (198ff.); Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (436ff.); Wohlers, JZ 2011, 252 (253f.), der zwar ein Beweisverwertungsverbot auf Basis der geltenden Rechtslage ablehnt, jedoch eine kritischere Betrachtung der Verwertbarkeit für wünschenswert erachtet; Zieschang, FS Scheuing, 794 (812ff.). VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (244); LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); NStZ-RR 2011, 84 (85); Erb, FS Roxin 80, 1103 (1117f.). So von Holewa/Löwe-Krahl, PStR 2010, 91 (92).
Konsequenzen und Ausblick
409
Ansicht1709 nicht unter dem Stichwort »rechtswidrige Beweisgewinnung durch Privatpersonen«1710 beleuchtet werden. Es liegt eben nicht nur ein rechtswidriges Verhalten von Privatpersonen, sondern auch ein rechtswidriges Verhalten der für den Staat handelnden Amtsträger vor.1711 Die staatliche Beweisgewinnung an 1709 LG Düsseldorf, wistra 2011, 37 (38); NStZ-RR 2011, 84f.; LG Bochum, NStZ 2010, 351 (352); KK-StPO/Diemer, § 136a, Rn. 4; SK-StPO/Rogall, § 136a, Rn. 17; Coen, NStZ 2011, 433 (434ff.), der die Problematik aus völkerrechtlicher Perspektive beleuchtet; Esskandari/Kische, AO-StB 2010, 67 für Sachverhalte ohne BND-Beteiligung; Godenzi, GA 2008, 500, für die die Steuerdatenfälle ein Paradebeispiel für Verwertungsprobleme durch die illegale Beweisbeschaffung Privater sind; Jäger, GA 2008, 473 (492f.); Junker, StrR 2008, 129 (130ff.); Kaspar, GA 2013, 206 (219f.); Kölbel, NStZ 2008, 241 (244); Pawlik, JZ 2010, 693 (695, 697ff.); Wabnitz/Janovsky/Pflaum, HWSt, Kap. 20, Rn. 276; Schroth, in: Politik – Recht – Ethik, 186 (198ff.); Sieber, NJW 2008, 881 (886) zumindest widersprüchlich, indem einerseits auf eine rechtswidrige staatliche Beweisbeschaffung abgestellt wird, andererseits die Zurechnung des Privatverhaltens zum Staat erörtert wird; Sonn, Steuer-CDAffäre, 296ff.; Spilker, DStR 2014, 2490 (2493f.) im Rahmen der steuerlichen Beurteilung; Stratenwerth/Wohlers, ZStrR 2010, 429 (437ff.); Tormöhlen, AO-StB 2012, 380 (381f.); Wohlers, JZ 2011, 252 (253f.); Zieschang, FS Scheuing, 794 (816ff.); ähnlich Wendt, DStZ 1998, 145 (148ff.) und Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (29ff.), die zur Begründung des Verwertungsverbots im Ausgangspunkt auf die Übernahme der Daten durch den Staat abstellen und nicht auf eine Strafbarkeit der Amtsträger; nicht eindeutig hingegen Joecks, SAM 2011, 21 (22ff.), der zwar einerseits auf die restriktive Annahme eines Verwertungsverbots bei rechtswidriger privater Beweisbeschaffung verweist, andererseits ein Beweisverwertungsverbot für möglich erachtet, sofern ein strafbares Verhalten deutscher Amtsträger vorliegt; vgl. auch Stoffer, Ermittlungsverfahren, 482ff., 556ff., die die Annahme eines Beweisverwertungsverbots sowohl auf staatliche Rechtsverletzungen als auch auf die Zurechnung privater Verstöße zum Staat stützt. 1710 Zum Meinungsstand hinsichtlich der umstrittenen Frage, welche Auswirkungen eine von Privatpersonen vorgenommene rechtswidrige Beweisbeschaffung für die Verwertung nachsichzieht, vgl. die Darstellung bei Bienert, Private Ermittlungen, 99ff.; vgl. auch die Ausführungen von Wessing, wistra 2007, 171 (172), der bei strafbarer privater Beweisverschaffung stets ein Beweisverwertungsverbot annimmt. In diesem Zusammenhang sind die Ausführungen des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs zu beachten, die eine Pflicht zur gerichtlichen Prüfung der Umstände des Datenankaufs begründen, da ein Beweisverwertungsverbot auch dann in Betracht kommen soll, wenn auf Grund einer Häufung von Datenankäufen oder von besonders engen Kontakten zu einem Informanten eine staatlich verursachte Anreizwirkung angenommen werden könne, dazu VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (244ff.). 1711 Wie hier im Ergebnis auch Betzinger/Rutemöller, ZRP 2008, 95 (96) zumindest für die Verwertung im Besteuerungsverfahren; Durst, PStR 2008, 134f.; Habetha, ZRP 2012, 223; Heine, HRRS 2009, 540 (544ff.); ders., FS v. Büren, 917 (931ff.); ders., ASA 2010/2011, 525 (541); Schierack/Bender, BRJ 2010, 173 (175); Spatscheck, FS Volk, 771 (785); Trüg, StV 2011, 111 (116); tendenziell auch Jahn, FS Stöckel, 259 (281); Kauffmann, JA 2010, 597 (599); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (666f.); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (122); Werner, IWB 2010, 164 (166ff.); Wulf, PStR 2012, 33 (40); wohl auch Ambos, Beweisverwertungsverbote, 109, 121ff. für den von ihm allerdings verneinten Fall eines rechtswidrigen staatlichen Verhaltens; nicht eindeutig Schünemann, NStZ 2008, 305 (309): »Private[n] und/oder Ermittlungsbehörden mit strafbaren Methoden«; zum Zusammenspiel von rechtswidriger Beweisgewinnung durch Private und möglichen staatlichen Rechtsverstößen vgl. Godenzi, GA 2008, 500 (503ff.); vgl. auch Bienert, Private Ermittlungen,
410
Fazit und Ausblick
sich ist auf Grund der dabei verletzten Strafnormen rechtswidrig. Zwar folgt nicht aus jedem Rechtsverstoß ein Beweisverwertungsverbot,1712 doch handelt es sich in den Steuerdatenfällen nicht nur um eine rechtswidrige, sondern um eine strafbare Beweisgewinnung.1713 Hinzu kommt, dass die häufig zur Abwendung eines Beweisverwertungsverbots genutzte Figur des hypothetischen Ersatzeingriffs in den Steuerdatenfällen nicht weiterhilft: Wie bereits in anderen Zusammenhängen mehrfach herausgestellt, hat von Anfang an keine realisierbare Möglichkeit bestanden, auf rechtmäßige Weise an die Daten zu gelangen.1714 Dass ein Beweismittel, das nur auf strafbare Weise in den staatlichen Herrschaftsbereich gebracht werden kann,1715 nicht verwertet werden darf, sollte in einem Rechtsstaat eigentlich selbstverständlich sein.1716 Wenn ein Verwertungsverbot schon in manchen Fällen der bewusst rechtswidrigen Informationsbeschaffung angenommen wird,1717 muss es erst Recht im Falle der strafbaren Informationsbeschaffung bestehen.1718 Für die durch den BGH für die Annahme
1712 1713
1714
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113, 121ff., wonach allgemein die Fallgruppe der privaten Beweisbeschaffung ausscheidet, sobald ein staatlicher Rechtsverstoß vorliegt. BGHSt 51, 285 (289f.). Entgegen der hier nachfolgend vertretenen Ansicht hält das BVerfG eine mögliche Strafbarkeit der Amtsträger bei dem Datenerwerb für unbeachtlich, BVerfG, DStR 2010, 2512 (2516f.), und unterstellt einen strafbaren Erwerb. Für das Postulat der Zulässigkeit einer Beweisführung durch Straftaten wäre zumindest eine ausführliche Begründung wünschenswert gewesen. So auch Bruns, StraFo 2008, 189 (191); Heerspink, AO-StB 2009, 25 (28); Heine, HRRS 2009, 540 (545); ders. ASA 2010/2011, 525 (541); Kauffmann, JA 2010, 597 (600); Ostendorf, ZIS 2010, 301 (306); Trüg, StV 2011, 111 (116f., 119); Werner, IWB 2010, 164 (169). Man mag Kaspar, GA 2013, 206 (211) im Grundsatz durchaus Recht geben, wenn er gegen ein pauschales Verwertungsverbot bei strafbarer Beweisgewinnung auf die Konstellation einer Blutentnahme, bei der der eingesetzte Arzt Täter einer fahrlässigen Körperverletzung wird, verweist und daraus herleitet, dass nicht bei jeder Straftat ein Beweisverwertungsverbot sachgerecht sei. Doch trifft dies ersichtlich nicht die Konstellation der Steuerdatenfälle, bei denen eine Möglichkeit zur rechtmäßigen Beweisgewinnung nie bestanden hat. Zu Recht weist Kühne, FS Roxin 80, 1269 (1282) darauf hin, dass es für die Annahme eines Verwertungsverbots nicht darauf ankommen kann, ob der im jeweiligen konkreten Fall mit der weiteren Ermittlung betraute Amtsträger an dem Ankauf beteiligt gewesen ist. Ähnlich auch Benkert, FS Schiller, 27 (36); Beyer, AO-StB 2011, 4f.; Heine, ASA 2010/2011, 525 (542f.); Schierack/Bender, BRJ 2010, 173 (175); Trüg, StV 2011, 111 (117); Werner, IWB 2010, 164 (166); Wulf, PStR 2012, 33 (40); anders aber Jahn, FS Stöckel, 259 (267, 274), der zwar tendenziell ein Beweisverwertungsverbot bejaht, aber unterstreicht, dass ein solches nicht allein aus der Strafbarkeit der Amtsträger gefolgert werden könne; vgl. auch Junker, StrR 2008, 129 (132); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 299f. und Zieschang, FS Scheuing, 794 (812), die alle ebenfalls ein Beweisverwertungsverbot bei strafbarer Beweismittelverschaffung für zwingend erachten, jedoch eine Strafbarkeit der Amtsträger in den Steuerdatenfällen als unsicher betrachten bzw. ablehnen. So z. B. in BGHSt 51, 285 (297f.). Ähnlich Roxin/Schünemann, StrafverfahrensR, § 24, Rn. 54; Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (297).
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eines Verwertungsverbots vertretene Argumentation, dass die »Duldung eines bewussten oder gleichgewichtig schweren Rechtsbruchs durch Ermittlungsbeamte ein[en] Ansehensverlust … bei der rechtstreuen Bevölkerung« und eine Gefährdung des »Vertrauens in die Lauterkeit der Ermittlungsorgane«1719 befürchten lasse, ist die Beweisführung durch Begehung von Straftaten in den Steuerdatenfälle geradezu ein Paradebeispiel.1720 Andere im Bereich der (schlicht) rechtswidrigen Beweisgewinnung üblicherweise1721 herangezogene Kriterien, beispielsweise eine Interessenabwägung, Schutzzweck- oder Rechtskreiserwägungen,1722 können in Fällen der Strafbarkeit von Amtsträgern nicht zielführend sein, so dass es einer Abwägung zwischen Strafverfolgungsinteresse und Beschuldigtenrechten nicht bedarf:1723 Die Begehung von Straftaten durch Amtsträger ist keine beliebige Handlungsoption, die bei überwiegenden Interessen gewählt werden kann. Daher ist es auch unbeachtlich, ob der Beschuldigte Opfer der bei der Beweisgewinnung begangenen Straftaten ist oder »lediglich« Delikte, die dem Schutz Dritter dienen, verwirklicht worden sind.1724 Das Recht, nicht auf Grund von in strafbarer Weise erlangten Beweisen verurteilt zu werden, als Teil des Rechts auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren,1725 ist unabhängig von dem Opfer der Straftat, da jede Beweisführung durch Straftaten dem Rechtsstaatsprinzip widerspricht. Entgegen anderer Ansicht1726 kann es auf Grund der vorangegangenen Überlegungen nicht überzeugen, ein Beweisverwertungsverbot nur für die Fälle anzunehmen, in denen die Initiative zum Geheimnisverrat von den staatlichen Stellen ausgeht. Eine Strafbarkeit der staatlichen Stellen ist auch gegeben, wenn die Initialzündung für die gesamte 1719 BGHSt 51, 285 (297) im Fall einer Hausdurchsuchung unter Missachtung des Richtervorbehalts. 1720 Ähnlich auch Ignor, Der Tagesspiegel Nr. 41/2010, 8; Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (30). 1721 Zur Begründung eines Beweisverwertungsverbots durch Abwägung LG Bonn, NJW 1981, 292 (293f.); LG Baden-Baden, StV 1989, 428 (429). 1722 Vgl. zum Kreis der üblicherweise herangezogen Kriterien BVerfG, JR 2012, 211 (213). 1723 So auch Trüg, StV 2011, 111 (117f.); anders BVerfG, DStR 2010, 2512 (2517); Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (45); ders., Beweisverwertungsverbote, 121, 123ff., der allerdings eine Strafbarkeit ohnehin ablehnt; Beulke, Jura 2008, 653 (664f.); Ignor/Jahn, JuS 2010, 390 (394); wohl auch Werner, IWB 2010, 164 (168f.). 1724 Vgl. dazu Wulf, PStR 2012, 33 (40f.), der die Frage offen lässt. 1725 Vgl. hierzu VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (241ff.), wonach eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren in den Steuerdatenfällen zumindest für möglich erachtet wird. 1726 Jäger, GA 2008, 473 (493); wohl auch Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, § 136a, Rn. 3a, der entscheidend auf die Einordnung als »bloße nachträgliche Entgegennahme« abstellt; wohl auch Ambos, Datev magazin 2010, Heft 2, 42 (45); ders., Beweisverwertungsverbote, 124, der schon einer Strafbarkeit der Amtsträger kritisch gegenüber steht und argumentiert, dass eine Straftatbegehung, wenn sie denn zu bejahen sei, jedenfalls nicht gezielt gewesen sei.
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Handlungskette von dem Informanten ausgegangen ist.1727 Außerdem lässt sich, wie bereits in anderen Zusammenhängen ausgeführt, auf Grund der von staatlicher Seite erbrachten Gegenleistung schwerlich von einer rein passiven Rolle des Staats sprechen.1728 Man mag der teilweise zur rechtswidrigen Beweisgewinnung durch Private vertretenen These der »Beweismittelhehlerei«1729 zu Recht vorwerfen, dass sie materiell- und prozessrechtliche Fragen vermengt und nicht jede Verwertung von rechtswidrig erlangtem Material das in der Vortat liegende Unrecht perpetuiert,1730 doch muss anderes gelten, wenn die staatliche Übernahme des Materials selbst eine Straftat darstellt. Schließlich besteht der Strafgrund der durch den Ankauf verwirklichten Delikte gerade in der Fortsetzung der durch die Vortat geschaffenen Lage, so beispielsweise bei der in den Steuerdatenfällen einschlägigen Begünstigungsstrafbarkeit. In diesem Fall wird der Einfluss materiell-rechtlicher Fragen auf die prozessuale Verwertung gerade durch das Verhalten der Amtsträger, die Strafverfolgung durch Begehung von Straftaten betreiben, herbeigeführt und nicht etwa durch eine der zahlreichen Theorien zur Beweisverwertung »konstruiert«. Die vorangegangenen Erwägungen müssen meines Erachtens auch dann gelten, wenn lediglich eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige Tat vorliegt.1731 Selbst wenn man die Schuld, das heißt die individuelle Vorwerfbarkeit, hinsichtlich des jeweils handelnden Amtsträgers verneint, was in Einzelfällen möglich erscheint, bleibt die bewusst strafrechtswidrige Beweisgewinnung bestehen. Folglich ist es für die Beweisverwertung nicht von Bedeutung, ob man, wie hier vertreten, einen unvermeidbaren Verbotsirrtum zumindest im Regelfall ablehnt oder die Schuld des Amtsträgers verneint. Die Bejahung des Beweisverwertungsverbots führt zu der Folgefrage, ob das Beweisverwertungsverbot Fernwirkung entfaltet. Auch Erkenntnisse aus Maßnahmen, die auf Grund des Datenankaufs angeordnet worden sind, aber nicht direkt auf den angekauften Daten beruhen, könnten bei der Annahme einer Fernwirkung nicht verwertet werden. Dies betrifft vor allem Erkenntnisse aus Durchsuchungen, die infolge der Datenankäufe bei Beschuldigten durchgeführt 1727 Ähnlich auch Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (30). 1728 Ähnlich auch Junker, StrR 2008, 129 (132f.); Daher ist es nicht erforderlich, wie Beyer, AOStB 2011, 4f. auf den durch den Staat mit dem ersten Ankauf geschaffenen Anreiz abzustellen, um eine aktive Rolle des Staats ab dem zweiten Ankaufsfall zu begründen. 1729 Zur Klärung von Fragen der Beweisverwertung stellt jenseits der Steuerdatenfälle z. B. Bienert, Private Ermittlungen, 114ff. auf Parallelen zur Hehlerei ab. 1730 So z. B. Godenzi, GA 2008, 500 (508f.); Pawlik, JZ 2010, 693 (701); Rogall, JZ 2008, 818 (828); Sonn, Steuer-CD-Affäre, 300ff.; gegen einen Einfluss von materiellrechtlichen Aspekten auf verfahrensrechtliche Wertungen auch Jäger, GA 2008, 473 (493). 1731 Vgl. dazu Bienert, Private Ermittlungen, 113, die im Rahmen der Diskussion um die Folgen der strafrechtswidrigen Beweisbeschaffung durch Private stets nur ein tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Verhalten verlangt.
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worden sind. Wegen der Vorauswirkung als Teil der Fernwirkung wäre zudem bereits die Anordnung einer Durchsuchung unmöglich, da der erforderliche Tatverdacht nicht mit den Informationen der Datensammlung begründet werden könnte.1732 Einige Stimmen in der Literatur1733 bejahen die Fernwirkung auf Grund der Schwere des Rechtsverstoßes und der Außergewöhnlichkeit einer Beweisführung durch Straftaten. Nur die Fernwirkung könne zu einer Beendigung der rechtsstaatswidrigen Beschaffung von legal nicht zu erlangenden Beweisen führen.1734 Dem wird die äußerst zurückhaltende Annahme der Fernwirkung im deutschen Recht entgegengehalten.1735 Zudem müsse berücksichtigt werden, dass das Handeln der deutschen Amtsträger zwar rechtswidrig gewesen sei, aber eine Rechtfertigung nicht völlig ferngelegen habe. Auf Grund der Rechtfertigungsnähe sei daher die Fernwirkung abzulehnen.1736 Diese Argumentation vermag meines Erachtens nicht zu überzeugen.1737 Das Verhalten der Amtsträger ist rechtswidrig. Diesen Befund abzumildern, indem man auf die »Rechtfertigungsnähe« abstellt, erscheint vielmehr als letzte Brücke, die dem Staat gebaut werden soll, um den Ankauf weiterhin als nutzbringende Maßnahme betrachten zu können, zumal die Kriterien für die angesprochene »Rechtfertigungsnähe« völlig offen bleiben. Die bewusste Begehung von Straftaten zur Erlangung materieller Vorteile des deutschen Staats wird nicht deshalb weniger gravierend, 1732 Vgl. dazu BVerfG, DStR 2010, 2512 (2515). 1733 Heerspink, AO-StB 2010, 155 (158); Heine, HRRS 2009, 540 (546f.); ders., FS v. Büren, 917 (936ff.); tendenziell auch Jahn, FS Stöckel, 259 (285), der in den Steuerdatenfällen die Fernwirkung dann bejaht, wenn das Trennungsgebot verletzt ist, gegen Völkerrecht verstoßen worden ist oder das Fehlen einer ausdrücklichen Gesetzesgrundlage für die Zahlung der Belohnung angenommen wird; Junker, StrR 2008, 129 (134f.); Kauffmann, JA 2010, 597 (600f.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (309f.); ders., GA 2008, 314 (329f.); Stoffer, Ermittlungsverfahren, 562ff., die sich allerdings primär auf völkerrechtliche Erwägungen stützt; Trüg, StV 2011, 111 (119); Wessing, Steueranwalt 2010/11, 17 (31); tendenziell auch Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (298); vgl. auch Sieber, NJW 2008, 881 (886), der die Frage der Fernwirkung von Einzelheiten des Sachverhalts abhängig macht. 1734 So meines Erachtens zu Recht Junker, StrR 2008, 129 (134f.); Schünemann, NStZ 2008, 305 (309f.); ders., GA 2008, 314 (329f.); Trüg, StV 2011, 111 (119); Wessing, Steueranwalt 2010/ 11, 17 (31). 1735 Beulke, Jura 2008, 653 (665); Fahl, ZJS 2010, 2009, 63 (69f.); Joecks, SAM 2011, 21 (25); Kelnhofer/Krug, StV 2008, 660 (667f.); Lipsky, PStR 2011, 3 (4); wohl auch Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (123); ähnlich auch Sonn, Steuer-CD-Affäre, 310f. und Stratenwerth/ Wohlers, ZStrR 2010, 429 (444f.), die jedoch zuvor bereits das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbots i. e. S. verneinen; gegen die Annahme einer Vorauswirkung als Teil der Fernwirkung auch BVerfG, DStR 2010, 2512 (2515ff.); LG Bochum, NStZ 2010, 351f.; LG Düsseldorf, wistra 2011, 37ff.; NStZ-RR 2011, 84f. 1736 Fahl, ZJS 2010, 2009, 63 (69f.). 1737 Vgl. zur Bedeutung der »Rechtfertigungsnähe« für Verwertungsfragen allgemein Bienert, Private Ermittlungen, 120f., die sich anhand der Rechtsfigur der »notwehrähnlichen Lage« ebenfalls kritisch zum Abstellen auf rechtfertigungsnahe Konstellationen äußert.
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weil Rechtfertigungsgründe nicht von vornherein ausgeschlossen werden können. Daher spricht der Aspekt der Beweisbeschaffung durch Begehung von Straftaten meines Erachtens trotz der restriktiven Annahme einer Fernwirkung im deutschen Recht dafür, in den Steuerdatenfällen von einer Fernwirkung des Beweisverwertungsverbots auszugehen. Aus einem strafrechtlichen Beweisverwertungsverbot kann nicht zwingend ein steuerliches Beweisverwertungsverbot abgeleitet werden.1738 Ungeachtet der im Einzelnen umstrittenen Frage, unter welchen Umständen ein strafprozessuales Verwertungsverbot Wirkung im steuerlichen Verfahren zeitigt,1739 dürfte aber jedenfalls dann auch die steuerliche Verwertung zu verneinen sein, wenn das Verwertungsverbot in einem allgemeinen Rechtsgedanken wurzelt und demnach Geltung für die gesamte Rechtsordnung beanspruchen kann,1740 wie es auf das im Rechtsstaatsprinzip verwurzelte Verbot der Beweiserhebung durch Straftaten zutrifft.1741 Dem kann nur schwerlich entgegengehalten werden, dass das Besteuerungsverfahren schlichtweg auf Geld und eine gleichmäßige Besteuerung anstatt auf Sanktionen abziele, so dass die erforderliche Abwägung zumeist zu Gunsten einer Verwertung ausgehen müsse1742. Auch wenn »nur« Geld Gegenstand eines staatlichen Verfahrens ist, sind rechtsstaatliche Mindeststandards einzuhalten. Das Gebot der Rechtsstaatlichkeit ist keine Besonderheit des Strafverfahrens, so dass in den Steuerdatenfällen aus dem straf-
1738 So auch Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1173ff.; Heerspink, AOStB 2010, 155 (159); vgl. auch VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (242), wonach aus der Verwertbarkeit im Besteuerungsverfahren nicht auf die Verwertbarkeit im Strafverfahren geschlossen werden könne. 1739 Vgl. dazu die Darstellung bei Heerspink, AO-StB 2010, 155 (159). 1740 So Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1173, 1176; Schützeberg, PStR 2010, 22 (25f.), der unter die besonders gravierenden Verstöße explizit den Fall der strafbaren Erlangung von Erkenntnissen subsumiert. 1741 So auch Kohlmann/Hilgers-Klautzsch, SteuerstrafR, § 385 AO, Rn. 1173 zumindest tendenziell; Heerspink, AO-StB 2010, 155 (159), der aber wohl zu weit geht, wenn er aus § 393 III 2 AO den Schluss zieht, ein steuerliches Verwertungsverbot sei bei jedem strafprozessualen Rechtsverstoß zu bejahen (vgl. zu den Folgen des § 393 III 2 AO Schützeberg, PStR 2010, 22 (26)); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (297); ähnlich auch Betzinger/ Rutemöller, ZRP 2008, 95 (96); für ein Beweisverwertungsverbot bei strafbarer Beweisbeschaffung auch FG Köln, DStRE 2011, 1076f., wobei aber eine Strafbarkeit durch die CD-Ankäufe abgelehnt wird; tendenziell für ein Beweisverwertungsverbot bei strafbaren Handlungen auch VerfGH Rheinland-Pfalz, wistra 2014, 240 (242f.), wobei die Annahme eines rechtmäßigen Handelns durch die Vorinstanzen nicht beanstandet wird; vgl. aber auch Reichling, wistra 2014, 247f., der hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen strafrechtlichem und steuerrechtlichem Beweisverwertungsverbot deutlich zurückhaltender ist. 1742 So aber Jungbluth/Stepputat, DStZ 2010, 781 (787f.).
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rechtlichen Verwertungsverbot auf ein Verwertungsverbot im Besteuerungsverfahren geschlossen werden kann1743. Neben der Beweisverwertung wirkt sich die Bejahung der Strafbarkeit der Amtsträger auch auf die Selbstanzeige aus. Im Zusammenhang mit der Selbstanzeige stellen sich in den Steuerdatenfällen einige Probleme, die hier nicht einzeln erörtert werden können. Festgehalten werden kann aber, dass die soeben befürwortete Annahme eines Beweisverwertungsverbots den Ausschlussgrund der Tatentdeckung sperrt, da eine Tatentdeckung nur auf prozessual verwertbare Erkenntnisse gestützt werden kann.1744 Die vorangegangenen Erwägungen zeigen, dass der materiell-rechtlichen Bewertung der Steuerdatenfälle entscheidende Bedeutung zukommt. Zu klären bleibt noch, ob die Problematik des Datenankaufs auch in Zukunft Relevanz haben wird: Inzwischen sind die transnationalen Bemühungen zur Bekämpfung von Steuerflucht vorangeschritten. Trotz des ab 2017 geltenden Abkommens zum automatischen Austausch von Kontoinformationen, das von rund 50 Staaten abgeschlossen worden ist,1745 dürfte sich die Problematik des Datenankaufs nicht erledigt haben. Erstens wird es immer Staaten geben, die sich solchen Abkommen verschließen.1746 Zweitens bleibt abzuwarten, ob der Staat seine Ankaufspraxis auf andere Bereiche ausdehnt. Denkbar sind dabei vor allem »Geschäftsfelder«, die für den Staat finanzielle Vorteile bringen. Neben anderen Informationen über steuerliche Praktiken insbesondere von Unternehmen ist hierbei auf Grund der Höhe der in Betracht kommenden Sanktionen vor allem an Informationen aus dem Kartell- und Wettbewerbsrecht zu denken.1747 Auch wenn sich die hier angestellten Überlegungen nicht eins zu eins auf 1743 Ebenfalls für ein steuerliches Verwertungsverbot, teilweise auch mit Bejahung der Fernwirkung, Tipke/Seer, AO, § 85 AO, Rn. 46, § 208 AO, Rn. 99a; Betzinger/Rutemöller, ZRP 2008, 95 (96); Heerspink, AO-StB 2010, 155 (159); Koblenzer, ErbStB 2010, 116 (123); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (297); Spilker, DStR 2014, 2490 (2493f.); Wulf, PStR 2012, 33 (40); dagegen FG Köln, DStRE 2011, 1076f.; Kaiser, NStZ 2011, 383 (390); Rolletschke, SteuerstrafR, Rn. 154; Roth, Stbg 2013, 29 (30). 1744 Für den Ausschluss der Tatentdeckung auf Grund eines Beweisverwertungsverbots in den Steuerdatenfällen auch Kauffmann, JA 2010, 597 (601); wohl auch Salditt, PStR 2008, 84 (87); ders., FS Schaumburg, 1269 (1283); Schierack/Bender, BRJ 2010, 173 (175); Schwedhelm/Wulf, Stbg 2008, 294 (296); Trüg, StV 2011, 111 (121); unentschlossen hingegen Bach, PStR 2012, 248 (249f.), der ein Abstellen auf ein Beweisverwertungsverbot für wenig erfolgversprechend erachtet, und Fehling/Rothbächer, DStZ 2008, 821 (826), die auf die höchst umstrittene Frage der Frühwirkung von Beweisverwertungsverboten verweisen. 1745 Dazu H. Koch, Westfalenpost Nr. 251/2014, PWF 1. 1746 Vgl. Jost/Kunz/Seibel, WamS Nr. 9/2015, 32, die Prognosen hinsichtlich der Geldanlagen, die potentielle Steuerhinterzieher zukünftig ergreifen werden, anstellen. 1747 Vgl. in diesem Zusammenhang auch Beckemper, in: Steuerstrafrecht, 341 (342, 352f.), die auf die Gefahr von Wertungswidersprüchen zwischen der Verwertung von Steuerdaten und der Verwertung von auf ähnliche Weise erlangten Informationen verweist; Bohnert,
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ähnliche Konstellationen übertragen lassen,1748 bilden sie doch eine Diskussionsgrundlage. Angesichts der Ergebnisse dieser Arbeit muss dem Vorschlag Gehms,1749 eine Rechtsgrundlage für deutsche Amtsträger zu schaffen, die ein aktives Auffordern zur Informationsbeschaffung im Ausland erlaubt, energisch widersprochen werden. Zwar ist eine solche Rechtsgrundlage erforderlich, da nach bisherigem Recht keine Rechtfertigungsmöglichkeit für die Amtsträger besteht. Doch ist schwerlich einzusehen, warum ein Verhalten, das nicht nur mehrere Tatbestände des deutschen Rechts verwirklicht, sondern dabei auch unterschiedliche Rechtsgüter und Rechtsgutsträger verletzt, für deutsche Amtsträger erlaubt sein sollte, ohne dass höchstrangige Rechtsgüter betroffen sind.1750 Gegen eine solche staatliche Sondererlaubnis spricht auch der im Rahmen der Rechtfertigung aufgezeigte Aspekt, dass die anerkannten Rechtfertigungsgründe, selbst wenn man sie auf Staatstätigkeiten anwenden würde, vor allem an der Interessenabwägung scheitern. Auch die völkerrechtlichen und außenpolitischen Konflikte, die entstünden, wenn deutsche Amtsträger in anderen Staaten gezielt Mitarbeiter zur Informationsbeschaffung verleiteten, sprechen entschieden gegen die Einführung einer solchen gesetzlichen Regelung.
B.
Thesenartige Zusammenfassung
Abschließend werden die Ergebnisse der Arbeit thesenartig zusammengefasst: 01. Die Kundendaten und das übrige entwendete Material sind als Geschäftsgeheimnisse der betroffenen Bank zu qualifizieren. Diese Bewertung wird weder durch die Zuordnung zu einem ausländischen Unternehmen noch durch den Inhalt, der möglicherweise auf Straftaten hinweist, beeinflusst. 02. Zu beachten ist, dass sich die übergebene Datensammlung aus einer Vielzahl einzelner Geheimnisse zusammensetzt und nicht etwa nur als Gesamtheit ein Geheimnis bildet. Daraus folgt, dass die strafrechtliche Bewertung der Überlassung einzelner Datensätze zur Probe im Grundsatz zu den gleichen Ergebnissen führt wie die Einordnung des eigentlichen Verkaufs. FS Schiller, 68 (75ff.), der mögliche Folgen eines staatlichen Rechts zum Ankauf illegal erlangter Informationen erörtert. 1748 So kommt nach der hier vertretenen Differenzierung beispielsweise ein Verwerten gestützt auf die Verhängung von kartellrechtlichen Bußgeldzahlungen nicht in Betracht. 1749 Gehm, ZRP 2012, 223. 1750 Gegen eine staatliche Erlaubnis zum Datenankauf auch Bohnert, FS Schiller, 68 (71f., 75ff.); tendenziell anders hingegen Benkert, FS Schiller, 27 (39f.), der eine staatliche Befugnis zum Datenankauf zwar für erforderlich, aber auch für durchaus denkbar hält, solange die Ankaufserlaubnis nur auf eine entsprechende politische Willensentscheidung gestützt werden könne.
Thesenartige Zusammenfassung
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03. Die Beteiligung staatlicher Stellen schließt die Tatbestände des § 17 UWG nicht aus. 04. Der Bankmitarbeiter verwirklicht bei der Erlangung der Geheimnisse den Tatbestand der Betriebsspionage nach § 17 II Nr. 1 UWG. Andere Tatbestände (§§ 202a, 242, 246 StGB, BDSG-Delikte) können abhängig von der genauen Sachverhaltsgestaltung verwirklicht werden. Zwingend ist eine entsprechende Strafbarkeit jedoch keinesfalls. 05. Der Verkauf der Daten an die deutschen Amtsträger erfüllt den Tatbestand des § 17 II Nr. 2 UWG, wobei die Datenüberlassung gleichzeitig als Mitteilen und als Verwerten zu qualifizieren ist. Auch eine Verwirklichung von § 17 I UWG ist im Einzelfall möglich. 06. Zumindest die Übergabe der Daten führt üblicherweise auch zu einer Strafbarkeit nach dem BDSG. Die Anwendbarkeit des BDSG entfällt weder durch die ausländische Belegenheit der Daten noch durch die Ersterhebung durch ein ausländisches Unternehmen. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass § 1 V BDSG keine Auswirkungen auf den Tatbestand hat, sondern erstens als anwendungsrechtliche Kollisionsnorm aufzufassen ist und zweitens auf die strafrechtlichen Normen des BDSG nicht anzuwenden ist. 07. Die Verkaufshandlungen des Bankmitarbeiters können je nach Einzelfall weitere Straftatbestände verwirklichen (z. B. § 203 StGB). Da diese Beurteilung jedoch stark von den Besonderheiten des jeweiligen Sachverhalts abhängt, ergeben sich daraus anders als bei den Tatbeständen des § 17 UWG keine verallgemeinerungsfähigen Aussagen für die Beurteilung der Steuerdatenfälle. 08. Das Handeln des Bankmitarbeiters ist rechtswidrig sowohl bezogen auf die Erlangung als auch auf den Verkauf der Daten. Eine Rechtfertigung nach § 34 StGB scheitert insbesondere an der Interessenabwägung, die zu Ungunsten der staatlichen Erhaltungsgüter ausgeht. Jedenfalls ist die Angemessenheit der Notstandshandlung zu verneinen. Prozessuale Regelungen (Anzeigerecht und Zeugenpflicht) mit möglicherweise rechtfertigender Wirkung treffen auf die Konstellation der Steuerdatenfälle nicht zu. 09. Auf die Delikte des Bankmitarbeiters ist deutsches Strafrecht nur anzuwenden, wenn der Informant ausnahmsweise deutscher Staatsbürger ist oder wenn Delikte zum Schutz der deutschen Bankkunden (§§ 44 I, 43 II BDSG, § 203 StGB) verwirklicht sind. 10. Bezogen auf die staatlichen Stellen kommt eine Strafbarkeit der unmittelbar handelnden Amtsträger in Betracht. Je nach genauer Sachverhaltskonstellation ist zudem ein mittäterschaftliches Handeln von Regierungsmitgliedern möglich. Mittelbare Täterschaft von Spitzenpolitikern scheidet hingegen aus, da die Bundesrepublik Deutschland kein rechtsgelöstes Unrechtsregime ist.
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11. Der Datenankauf durch die deutschen Amtsträger ist strafbar als Haushaltsuntreue nach § 266 StGB. Zudem ist eine Begünstigungsstrafbarkeit nach § 257 StGB zu bejahen, wenn der Informant bei der Datenüberlassung selbst eine Ausgabe der Daten behält, was bei lebensnaher Betrachtung zumeist zutreffen wird. Daraus ergibt sich, dass auch der Ankauf als solcher strafbar ist und es entgegen eingangs erwähnter Differenzierungen nicht überzeugen kann, eine Strafbarkeit nur bei aktivem Anfordern des Materials anzunehmen. 12. Verwirklicht werden auch Normen des BDSG oder der entsprechenden Landesdatenschutzgesetze. 13. Das Verhalten der Amtsträger lässt sich zwar nicht unter den klassischen Hehlereitatbestand des § 259 StGB subsumieren, erfüllt aber bezogen auf die Nutzung der Daten die Voraussetzungen der Geheimnishehlerei nach § 17 II Nr. 2 UWG. Dabei ist der Einsatz der erlangten Daten zur Erzielung von Steuereinnahmen als Verwerten im Sinne der Norm zu verstehen. Zudem ist davon auszugehen, dass die Daten nach Erhalt weitergegeben werden, so dass eine Mitteilung vorliegt. 14. Die Handlungen der Amtsträger sind rechtswidrig. Die Ermittlungsgeneralklausel der StPO kann nicht zur Rechtfertigung herangezogen werden, da Ankauf und Auswertung der Daten einen intensiven Grundrechtseingriff darstellen. Spezielle staatliche Zwangsbefugnisse sind auf den Ankauf allein deshalb unanwendbar, da der Staat sich nicht für ein Vorgehen im Wege eines Über- und Unterordnungsverhältnisses sondern für eine Kooperation mit dem Bankmitarbeiter entschieden hat. § 34 StGB ist zur Rechtfertigung von staatlichem Verhalten schon grundsätzlich nicht geeignet. Zudem führt die Interessenabwägung nicht dazu, dass die staatlichen Interessen überwiegen. 15. Eine Befugnis des BND zum Ankauf der Daten kann nicht vollständig ausgeschlossen werden. Jedenfalls stellt aber die Weitergabe der Daten an die Finanz- und Strafverfolgungsbehörden strafbares Unrecht dar. 16. Die Handlungen der deutschen Amtsträger unterfallen unabhängig vom Begehungsort des jeweiligen Delikts dem deutschen Strafrecht. 17. Insbesondere die Strafbarkeit der Amtsträger führt zu massiven rechtsstaatlichen Bedenken, die ein Beweisverwertungsverbot in straf- und steuerrechtlicher Hinsicht zwingend erscheinen lassen und dazu führen, dass auch die äußerst restriktive gehandhabte Fernwirkung von Verwertungsverboten bejaht werden sollte. 18. Auf Grund der in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse ist festzustellen, dass die Ankäufe entwendeter Steuerdaten weder ein legitimes Mittel der Strafverfolgung sind noch der Herstellung einer gesetzmäßigen Besteuerung dienen.
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