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German Pages 387 [392] Year 1995
In den letzten 25 Jahren, in denen die Sozialgeschichte in der allgemeinen Geschichtswissenschaft für nahezu alle Zeitepochen viele neue Erkenntnisse hervorgebracht hat, wurde der Faktor „Militär" von Sozialhistorikern weitgehend ignoriert und bislang fast völlig
ausgeblendet.
Am Beispiel zweier in
Göttingen einquartierter Regimenter unter-
sucht Pröve die Lebens- und Dienstbedingungen der einfachen Soldaten und ihrer Familien sowie die Koexistenz von städtischer Gesellschaft und Militärbevölkerung. Die Ergebnisse der Studie zeigen, daß die bisherigen Vorstellungen vom Soldatendasein unzureichend sind und revidiert werden müssen. Im 18. Jahrhundert Soldat zu sein hieß mehr, als ständig Schikanen und Hunger ausgesetzt zu sein, es bedeutete zugleich auch Fürsorge und Patronage von Vorgesetzten und ein umfangreiches Konglomerat von materiellen und ideellen Zuwendungen.
Ralf Pröve ist wissenschaftlicher Assistent am Institut für Geschichtswissenschaften der Humboldt-Universität Berlin.
Umschlagbild: Göttingen (um 1750). Plan von Matthias Seutter (NHStA Hannover, 22d Gö 8pm).
Oldenbourg
UND STÄDTISCHE GESELLSCHAFT IM 18. JAHRHUNDERT
Pröve: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert
Beiträge
zur
Militärgeschichte
Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 47
R.
Oldenbourg Verlag München
1995
Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert Göttingen und
seine
Militärbevölkerung
1713-1756
Von
Ralf Pröve
R.
Oldenbourg Verlag München
1995
Gefördert mit Mitteln des Landes Niedersachsen.
Ausgezeichnet mit dem Werner-Hahlweg-Preis für Militärgeschichte und Wehrwissenschaften 1994
Die Deutsche Bibliothek
CIP-Einheitsaufnahme -
Pröve, Ralf: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18.Jahrhundert : Göttingen und seine Militärbevölkerung 1713-1756 / von Ralf Pröve. München : Oldenbourg, 1995 (Beiträge zur Militärgeschichte ; Bd. 47) Zugl.: Göttingen, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-486-56060-3 NE:GT -
© 1995 R. Oldenbourg
Verlag GmbH, München
Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen.
Satz: Militärgeschichtliches Forschungsamt, Potsdam Druck und Bindung: R. Oldenbourg Graphische Betriebe ISBN 3-486-56060-3
GmbH, München
Inhalt
Vorwort des
Vorwort
Herausgebers
.
.
Erster Teil: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert
Zweiter Teil: Die Rahmenbedingungen: kurhannoversche Armee und Stadt I.
Entstehung, A. Anfänge
Aufbau und
Verwaltung der
.
Göttingen
kurhannoverschen Armee
eines stehenden Heeres 1592—1714
.
.
.
XV XVI
1
11 11
11
(1592—1648, S. 11; Aufrüstung Johann Friedrich 1665—1679, S. 12; Sicherung und Neuregelung des Heerwesens unter Ernst August und Georg Ludwig 1680—1714, unter
S.
B.
16)
Verwaltung und Organisation der kurhannoverschen Armee 1.Leitende Gremien, Truppenstärke und Rangsystem
.
.
19 19
(Die Kriegskanzlei, S. 19; Generalstab und militärische Hierarchie, S. 19; Das Kriegskommissariat, S. 23)
2.Invaliden-, Alters- und Krankenversorgung (Invaliden- und Altersversorgung, S. 24; Krankenversorgung, S. 28)
24
3.Militärjustizwesen
29
.
(Kriegsgericht, S. 29;
.
Betroffener Personenkreis, S. 30;
Strafverfolgung, S. 32)
4.Ergänzungswesen, Entlassungsmodalitäten und illegale Abgänge: Werbung, Dimission und Desertion a) Werbung und Rekrutierung .
.
33 33
(Allgemeines zum Werbegeschäft, S. 33; Finanzierung und Organisation der Werbung, S. 34; Idealtypischer Werbeverlauf, S. 35; Motive der geworbenen Soldaten, S. 37; Landesherrliche Rekrutierungskriterien, S. 38; Gewaltsame Werbungen, S. 39)
b) Vorzeitige c) Desertion
Dimission
.
.
43 49
(Allgemeines, S. 49; Desertionshäufigkeit, S. 50; Obrigkeitliche Maßnahmen, S. 51; Bestrafung von Deserteuren, S. 56)
5.Finanzierung C.
Militär,
und Etat
.
Staat und Gesellschaft
eine —
Zusammenfassung.
57 59
Inhalt
VI II. Die Stadt A. B.
Göttingen. Göttingen 1700-1755 Göttingen im landesherrlichen Zugriff .
.
Dritter Teil: Lebens- und I.
Dienstbedingungen der Soldaten Personalwirtschaft und Organisation von Regiment A. Kompaniewirtschaft
.
und
Kompanie
.
.
(Allgemeines,
B.
S. 69; Kassenwesen, S. 70; Die Kompanie als Verwaltungseinheit, S.
Kompanierollen (Vorbemerkung,
Vorgehensweise,
als
quantifizierbare Quellen
S. 72; Zeitraum, S. 73; S. 77)
C. Tatsächlicher
Quellengrundlage,
Quellenkritik,
II.
69 69
72
77
.
82
.
Zusammenfassung
69
.
.
H.
67
S. 75;
Personalumfang D. Jahreszeitliche Einflüsse E. Abgangsursachen und Desertionsquote F. Gestaltung der Dienstkontrakte: die Verweildauer G. Exkurs: Lebensalter, Herkunft und Berufsausbildung einiger Soldaten (Alter der Soldaten, S. 94; der Soldaten, S. 98)
60
72)
.
S. 74;
60
Geographische
88 94
Herkunft der Soldaten, S. 95; Zivilberufe
.
Soldaten, Frauen und Kinder A. Ehe, Konkubinat und Prostitution
86
99
.
100
.
100
(Verheiratete Soldaten, S. 100; Heiratsbeschränkungen und Regulierung der Frauenquote, S. 102; Konkubinat und Prostitution, S. 106) B. Soldatenkinder und Familiengröße (Legitime Kinder, S. 112; Illegitime Kinder, S. 114;
.
C.
Zusammenfassung
LU. Soziale A.
.
Gliederung und Soziale Gliederung
vertikale Mobilität
112
Familiengröße, S. 116)
.
.
118 119
119
(Mannschaftsdienstgrade, S. 119; Unteroffiziere, S. 123; Offiziere, S. 125; Das Schichtenmodell >MilitärPrivate< Probleme (Die Wohnung als Ort sozialer Spannungen, S. 266; Andere Übergriffe und Ausein-
267
B.
Konflikte (Amtsmißbrauch der Wachsoldaten, S. 270; Gewaltsame Werbungsversuche, S. 271) .
270
C.
Zusammenfassung
.
273
.
andersetzungen, S. 269)
VI.
Dienstbedingte
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration A. B.
Bürger und Soldat
vereint gegen die
.
Obrigkeit Anzeichen und Ausmaß einer Integration in die städtische Gesellschaft
.
274 274
276
(Allgemeines, S. 276; Taufpaten, S. 276; Heiratsverhalten, S. 281; Bürgerrechtserwerb, S. 282) C.
Bedingungen
einer
Integration
in die städtische Gesellschaft
.
(Vom ehemaligen Soldaten und »Fremden« zum Bürger, S. 284; Die Bedeutung der sozialen Bindungen, S. 286; Die Rolle der Obrigkeiten: Dimissionserlaubnis und Bürgerrechtsvergabe, S. 288)
284
Inhalt
X D.
Integrationsbemühungen (Methodische Überlegungen, S. 291; Besitz und Steuerleistung, S. 292; »ErfolgskriZivile und militärische S. S.
291
Zusammenfassung
297
Erfolg
von
terien«, E. VII.
.
Zuwanderer,
294;
Obrigkeiten
296)
.
und Untertanen: die administrative Ebene
.
A. Persönlicher Umgang und Kommunikation: Kommandant und Stadtrat (Grundsätzliches, S. 299; Persönlicher Umgang, S. 300; Der Streit von 1730/31, S. 302)
299
B. Rivalitäten und
303
(Festungsbau: C. D. E.
oppositionelle Grundhaltungen
.
differierende Interessen, S. 303; Rivalität und
Patronage,
S.
306)
Kooperation und Zusammenarbeit Exkurs: Veränderungen durch die Universitätsgründung Haltung und Politik des Geheimen Rates und der Kriegskanzlei: zwischen >adhocMilitär< Die Koexistenz A.
von
Auswirkungen
.
Garnison und Stadt
für die Stadt
B. Sozioökonomische
C. III.
.
.
Folgen aus dem Blickwinkel Herrschaftssicherung und Sozialdisziplinierung
der Betroffenen
.
.
Herrschaftsausübung und Kommunikationsstruktur: Obrigkeiten und Untertanen
TV.
298
.
Zusammenfassung
Abkürzungen
und Ausblick
und Maßeinheiten
Tabellen I bis XVII
.
.
.
Quellen- und Literaturverzeichnis Personenregister Ortsregister
.
308 309 311
315 315 318
318 319 321
322 323 325 327
339
.
365
.
371
XI
Verzeichnis der Tabellen
Verzeichnis der Tabellen Im Text 1 Stärke und Waffengattungen der kurhannoverschen Armee 1714—1755 2 Kompaniesollstärke der Infanterie 1705—1755 3 Verteilung der Infanterieregimenter im Jahre 1737 4 Chargen und Ranggruppen 5 Desertionen von Soldaten der kurhannoverschen Armee während des Öster...
.
.
.
reichischen
Erbfolgekrieges,
nur
>Landeskinder
offiziell< und von >privat< ausgemieteten Unteroffizieren und Mannschaften, November 1740 Die Servisverhandlungen im Jahre 1735 und die Höhe der monatlichen Servissätze von 1735 bis zum Siebenjährigen Krieg. Ausmietungsbeträge im Vergleich zu den Sätzen des Reglements von 1713 Verteilung der über dem Satz von 1713 ausgemieteten 158 Unteroffiziere und Gemeinen auf vier Steigerungsgruppen 1740 Jährliche Steuerveranlagung von fünf ausgewählten Göttinger Bürgern 1735/36 (kleine Collecte, Servissatz und Proviantkorn) Von der Kriegskanzlei finanzierte Reparaturarbeiten 1715—1755 (unvollständig) Anzahl der beauftragten Handwerker und Tagelöhner und Jahressumme der Rechnungsvolumen Summe der Jahresarbeitstage von Tagelöhnern Tagelöhnerarbeiten an Wall und Graben im Sommer 1731 Verteilung des Festungsbaugeldes in ausgewählten Erhebungsjahren auf verschiedene Berufsgruppen (in Taler) Jahressoldzahlungen 1720, 1729 und 1740 Taufpaten von ehelichen Soldatenkindern Taufpaten von Kindern einfacher Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren Rangspezifischer Adelsanteil von Soldatenpaten Ranggruppenabhängiger Prozentsatz von Soldatenpaten Heiraten von Soldaten und ihre Heiratspartnerinnen Ranggruppenspezifisches Heiratsverhalten von Soldaten Bürgerrechtserwerb durch Zivilisten und Soldaten (Aktive und Abgedankte) Berufsangaben von Soldaten, die Bürger werden (Aktive und Abgedankte) Schichtenspezifischer Neubürgerzugang von Soldaten (Aktive und Abgedankte) Bürgerrecht und Immobilienbesitz von ehemaligen Soldaten Immobilienkauf nach Bürgerrechtserwerb durch ehemalige Soldaten ten
50
51 52
.
179
.
207
.
209
.
53
.
54
.
55
56 57
.
58
.
59
.
60
.
61 62 63
.
.
.
64 65 66 67 68 69 70 71 72 73
.
.
.
.
.
.
.
74 75
162 177
.
.
213
221 222
224 225 226
237 245 247 247 248
249 250 278 279 279 280 281 282 283 283
284 292 292
xrv 76
Inhalt
Besteuerung von ehemaligen Soldaten nach Bürgerrechtserwerb (Jahresbetrag der kleinen Collecte »quarta pars
77 78
simpli« in Groschen) Schichtenspezifische Besteuerung ehemaliger Soldaten und jetziger Neubürger (Jahresbetrag der kleinen Collecte »quarta pars simpli« in Groschen)... Tätigkeitsspezifische Steuerveranlagung (Jahresbetrag der kleinen Collecte »quarta pars simpli« in Groschen) Besteuerung ziviler und militärischer Zuwanderer und alteingesessener Bürger 1755/56 (Jahresbetrag der kleinen Collecte »quarta pars simpli« in Groschen) .
.
79
.
Im
293
294 295
296
Anhang I
Garnisonsangehörige 1722—1740 (Stichtag l.Juni) und 1748—1755 (Stich-
tag 1. Dezember II Anteil der geworbenen oder
.
abgegangenen erfaßten Soldaten (ohne OffiDruchtleben
ziere) im Regiment III Monats- und jahresweise Verteilung von 56 Desertionen im Regiment Block, 1. Dezember 1748 bis 30. November 1756 IV Ehepaare mit Kindern und kinderlose Ehepaare in den Regimentern .
.
Druchtleben
(Stichtag l.Juni)
und Block
(Stichtag 1. Dezember)
.
V Verheiratetenanteil von Mannschaften und Unteroffizieren der Regimen-
ter Druchtleben und Block VI Durchschnittliche Familiengröße von Mannschaften und Unteroffizieren der Regimenter Druchtleben und Block VII Göttinger Kommandanten und Truppenbelegung einschließlich der Interimskommandanten, 1703—1757. VIII Belastung der Stadt durch die Servissteuer. .
.
LX Belastung der Stadt durch Proviantkorn X Servissteuerausfälle durch Restanten XI Städtische Aufwendungen für den Festungsbau XII Belastung der Stadt durch Servis, Proviant und Festungsbaukosten XIII Rechnungssummen ausgewälilter Handwerksbetriebe (Festungsbauaufträge .
.
.
.
in Talern) XTV Städtische Festungsbauaufträge für die Reparatur der Verwaltungsgebäude in Arbeitszeit nach Tagen pro Jahr anhand ausgewählter Handwerker, Handwerksbetriebe und Tagelöhner, 1738—1747 XV Nettoverdienste für die Reparatur an den Verwaltungsgebäuden ausgewählter Handwerker und Tagelöhner, 1738—1747 (in gerundeten Groschenbe.
.
trägen)
.
XVI Fragebogen von 1711 zur Vernehmung XVII Konkordanz der Kompanien
von
Deserteuren
.
.
327 328
328 329
329 330 330 331 332 332 333 334 335
335
336 336 337
Vorwort des
Herausgebers
Obwohl sich die Sozialgeschichte in den letzten 25 Jahren einen entscheidenden Platz in der allgemeinen Geschichtswissenschaft erobert und für nahezu alle Zeitepochen viele neue Erkenntnisse hervorgebracht hat, wurde der Faktor »Militär« von Sozialhistorikern weitgehend ignoriert und bislang fast völlig ausgeblendet. Insbesondere für die Frühe Neuzeit ist diese Ausklammerung, die in anderen Ländern unbekannt ist, unverständlich und bedauerlich, da die Erforschung der Stehenden Heere des 17. und 18. Jahrhunderts für das weitere Verständnis des Absolutismus unentbehrlich ist. Mit seiner 1992 abgeschlossenen Göttinger Dissertation schließt nun der Verfasser diese häufig beklagte Forschungslücke. Mit der Auswertuung eines bislang weitgehend unbekannten Quellenbestandes gelingt ihm ein umfassendes Soziogramm der frühmodernen Garnison und Festungsstadt Göttingen. Mit dieser quellennahen Feldstudie beschreibt er eindrucksvoll nicht nur die innere Struktur des kurhannoverschen Militärs, sondern erhellt auch das wechselseitige Verhältnis auf engem Raum zusammenlebender Bürger und Soldaten. Dabei wird das von der Forschung bisher immer wieder am preußischen Beispiel erschlossene und verallgemeinerte Modell der Sozialdisziplinierung in der frühen Neuzeit deutlich korrigiert, ja in Frage gestellt. Überzeugend wird nachgewiesen, daß der Soldat weit mehr Komplize der mit ihm zusammenlebenden städtischen Bevölkerung denn Instrument fürstlicher Disziplinierungsbestrebung gewesen ist. Dieser gerade für die Erforschung des Militärs neuartige Ansatz kann als wichtiger Beitrag zu der in den letzten Jahren neuaufgeflammten Diskussion über Reichweite und Grenzen der Sozialdisziplinierung im frühmodernen Staat angesehen werden und damit neue Einsichten vermitteln.
Dr. Günter Roth
Brigadegeneral und Amtschef des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes
Vorwort
Vorliegende Abhandlung wurde dem Fachbereich Historisch-Philologische Wissenschaften der Universität Göttingen als Dissertation im Frühjahr 1992 vorgelegt. Nach diesem Zeitpunkt erschienene Literatur konnte aus technischen Gründen bis auf wenige Ausnahnicht mehr berücksichtigt werden. Die Arbeit war neben der Studie von Markus men —
Meumann über unversorgte Kinder in der flühneuzeitlichen Gesellschaft Teil des vom Land Niedersachsen geförderten Forschungsprojektes »Obrigkeit und Untertan. Kurhannoversche Gesetzgebung und Alltag im 17. und 18. Jahrhundert«; für die notwendige —
finanzielle Unterstützung durch das Land sei herzlich gedankt. Im Verlaufe der Beschäftigung mit dem Thema wurde mir vielfältige Hilfe zuteil, vor allem durch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Hauptstaatsarchivs Hannover, des Stadtarchivs Göttingen und des Kirchenbuchamtes Göttingen. Besonderen Dank möchte ich dem Betreuer der Arbeit, Prof. Dr. Hermann Wellenreuther, aussprechen, der ständiger Ansprechpartner war und sich Zeit für Diskussionen nahm, wie es im heutigen Wissenschaftsbetrieb leider sehr selten geworden ist. Dank gebührt ebenfalls Brage Bei der Wieden, Markus Meumann und Norbert Winnige für unzählige Fachgespräche und tatkräftige Hilfe beim Korrekturlesen, den beiden letztgenannten auch für Hinweise aus ihren jeweils gerade abgeschlossenen Dissertationen. Dankbar bin ich für Hinweise von Dr. habil. Hans Medick, Dr. habil. Jürgen Schlumbohm und Prof. Dr. Ernst Schubert, der auch das Zweitgutachten erstellte. Für die Aufnahme in die Publikationsreihe des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, die auf Fürsprache von Dr. habil. Bernhard R. Kroener zustande gekommen ist, möchte ich mich ebenfalls bedanken. Große Verdienste um die äußere Gestaltung der Arbeit haben sich Herr Dr. Wolfgang Michalka, Herr Dr. Armin Lang und vor allem Frau Thérèse Trésoret-Michaely von Schriftleitung und Lektorat des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes erworben. Für alle Fehler und Irrtümer bin ich jedoch allein verantwortlich. Widmen möchte ich die Arbeit meiner Frau Christine, ohne deren Beistand das Buch wohl niemals entstanden wäre.
Ralf Pröve
Göttingen
im November 1992
Erster Teil:
Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert
Das stehende Heer des 17. und 18. Jahrhunderts als »hervorstechende Ausdrucksform absolutistischen Denkens« gilt als wichtigstes Strukturmerkmal der Zeit1. Tatsächlich waren die verfassungsrechtlichen, ökonomischen und sozialen Folgen des Aufbaus und der Organisation permanenter Truppenverbände in den einzelnen Territorien des Reiches gravierend. Die bis zum Dreißigjährigen Krieg2 nur für die Dauer einer kriegerischen Auseinandersetzung angeworbenen Söldner3 waren in der Regel genossenschaftlich organisiert dem Fürsten durch einen privatrechtlichen Dienstvertrag, eine »Capitulation«, verbunden4. Mit der Übernahme langfristiger Verträge auch in Friedenszeiten wandelte sich die privatrechtliche Bindung Söldner-Fürst allmählich in eine staatsrechtliche Verpflichtung um; »Treue« und »Eid« des Soldaten als Untertan standen der Fürsorgepflicht des Fürsten als Landesherrn gegenüber. Dieses neue öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen Militär und Landesherr führte zu einem Regelzwang, da Bezahlung, Unterbringung, Verpflegung, Ausbildung, Alters- und Invalidenversorgung5 sowie berufliche Laufbahn der Soldaten festgelegt und standardisiert werden mußten. Schließlich waren mit dem »Kriegsrecht« grundlegende Normen des Soldatenlebens zu setzen6 und mit einer zu schaffenden Militärgerichtsbarkeit7 Zuwiderhandlungen zu ahnden: Der neu geschaffene, bald einheitlich gekleidete Untertanenverband8 wurde diszipliniert, gedrillt9 und unter die Kontrolle des Fürsten gestellt10. —
—
1
2
3
4
5
6
Untersuchungen zur Geschichte, S. 19. Zum Dreißigjährigen Krieg vgl. Parker, Dreißigjährige Krieg; die Sammelschrift Krieg und Politik; Schormann, Dreißigjährige Krieg; die etwas problematische Studie von Barudio, Teutsche Krieg; oder die Arbeit von Burkhardt, Dreißigjährige Krieg.
Das Söldnerwesen hat seinen Ursprung bereits im 14. Jahrhundert, als sich das lehnsrechtliche Ritterheer verwaltungstechnisch, militärtaktisch und kriegstechnisch den angeworbenen »Reisigen« als unterlegen erwies, vgl. dazu den Sammelband Rittertum; oder die diachron angelegte Studie von Howard, Ritterheer. Arbeiten zu den Landsknechten und Söldnern sind von Möller, Regiment der Landsknechte; Baumann, Söldnerwesen; und Fiedler, Kriegswesen, vorgelegt worden. Neue Erkenntnisse sind von der im Druck befindlichen Dissertation von Peter Burschel zu erwarten. Vgl. Schnackenburg, Invaliden- und Versorgungswesen; und Colshorn, Hospitalkassen. Die Ursprünge der »Kriegsartikel« liegen im 15. Jahrhundert; im Jahre 1555 wurde ein erster ein-
heitlicher »Artikelsbrief« geschaffen, vgl. Erben, Ursprung und Entwicklung. Hülle, Auditoriat. Vgl. 8 Vgl. die kulturgeschichtliche Arbeit von Lezius, Ehrenkleid. 9 Drill und Exerzierreglements waren in den meisten Ländern einheitlich geregelt und basierten auf den im 16. Jahrhundert durchgeführten Heeresreformen der Oranier, die sich auf antike Vorbilder berufen hatten, vgl. Heeresreform der Oranier; sowie Hahlweg, Heeresreform und Antike. Vgl. auch den Aufsatz von Ehlert, Ursprünge. 10 Gerade die Erfahrungen des Dreißigjährigen Krieges, in dem große, unkontrollierte Söldnerhaufen 7
2
Erster Teil: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert
Eng mit dem Prozeß der Staatsbildung verknüpft und mit diesem in Wechselwirkung stehend11, bildete das stehende Heer einen enormen Machtzuwachs des fürstlichen Herr-
schaftsapparates, der dem Landesherrn die Zurückdrängung der gegen die Militärpläne opponierenden Stände ermöglichte: »Der Streit um das Heerwesen trennte die monarchische Obrigkeit endgültig vom Ständetum; erst jetzt begann die Identifizierung des
Fürsten mit dem Staat.«12 Nachdem im Westfälischen Frieden 1648
Reichstagsabschied
von
1654
(§ 180)
(Artikel 16, § 5) und im sogenannten Jüngsten den einzelnen Territorialfürsten ausdrücklich das
Recht zuerkannt wurde, eigene Truppen aufzustellen, setzte eine allgemeine Aufrüstung ein, so daß innerhalb weniger Jahrzehnte jedes größere Territorium im Reich über eine Armee verfügte. Einige Staaten in Europa, allen voran Frankreich, Österreich, Brandenburg-Preußen und Rußland, hielten zeitweise mehr als 100000 Mann unter Waffen13. Selbst die Armeen mittlerer oder kleiner Reichsstände umfaßten teilweise mehrere Tausend Soldaten14. Parallel zur Errichtung stehender Truppen verlief der Aufbau einer Infrastruktur, mit der Versorgung, Bewaffnung und Verwaltung der Soldaten sichergestellt werden konnten. Mit Kriegskanzlei und Generalität wurden Organe geschaffen, die die straffe Lenkung der Armee nach Vorgaben des Landesherrn garantieren sollten. Kriegskommissare15 kontrollierten die Offiziere, regelten Unterbringung und Verpflegung der Truppen und trieben Steuern ein, die sie auch verwalteten. Getreidemagazine und Zeughäuser, deren Verwaltung ebenfalls den Kriegskommissariaten unterstand, sollten die Versorgung der Soldaten sichern. Da die Unterhaltung stehender Truppen enorme Kosten verursachte, wurde das bestehende Steuersystem umgestaltet bzw. erweitert und die Bevölkerung mit neuen Abgaben belastet16. Gleichzeitig erforderten der Uniformenbedarf und die Nachfrage nach Rüstungsgütern den gezielten Aufbau von Tuchmanufakturen und Rüstungsbetrieben, merkantilistischen Vorstellungen entsprechende intensive Wirtschaftsso daß eine bestimmter Produktionsstätten einsetzte17. förderung —
—
plünderten und brandschatzten und damit zu einer Gefahr für die Allgemeinheit wurden, hatten zu der Überzeugung geführt, daß »das Recht auf Gewaltanwendung an den Staat gebunden« werden müsse. Vgl. Kunisch, Absolutismus, S. 86. Zur Bedeutung des Dreißigjährigen Krieges für den Aufbau stehender Heere vgl. Mears, Thirty Years' War und Burkhardt, Dreißigjährige Krieg, bes. S. 213—224. 11 Grundlegend Oestreich, Heeresverfassung. 12
Kunisch, Absolutismus,
S. 86.
Vgl. die tabellarische Übersicht bei Corvisier, Armées et Sociétés, S. 126. Die österreichische Armee umfaßte 1690 90000 Kombattanten, vgl. Vittorio, Kriege, S. 57. 14 Die Armee des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg umfaßte 1698 19582 Soldaten, vgl. v. Wissel, Geschichte der Errichtung; während sich das Heer des Herzogtums Braunschweig-Wolfenbüttel 13
15 16
17
im Jahre 1688 aus 4500 Soldaten zusammensetzte, vgl. Elster, Geschichte der stehenden Truppen, S. 207. Selbst der »Stadtstaat« Hamburg unterhielt im Jahre 1687 2000 Soldaten, vgl. Ehlers, Wehrverfassung der Stadt Hamburg, S. 44. Vgl. zu diesem neuen Beamtentypus Hintze, Commissarius. Vgl. etwa Caspary, Wirtschaft und Heerwesen; sowie Salm, Armeefinanzierung. Vgl. allgemein zum Merkantilismus und zur Staatsfinanzierung der frühen Neuzeit Blaich, Merkantilismus; sowie Stolleis, Pecunia.
Erster Teil: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft im 18. Jahrhundert
3
Angesichts dieser hier nur grob skizzierten tiefgreifenden Wirkungen des stehenden Heeres auf Staat, Gesellschaft und Wirtschaft überrascht die verbreitete Ignorierung des Faktors
>MilitärMilitärgeschichtewillfährigen Objekt< geworden zumindest auf den
ersten
Blick339.
—
334 335
Ebd., S. 184—219; sowie Winnige, Krise und Aufschwung, Kap. III. Vgl. Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen, Bd I, S. 263; sowie Meinhardt, Münz- und Geldgeschichte.
Zur Garnisonsverwaltung und den Befugnissen des Kommandanten vgl. im Vierten Teil, Kap. I. Vgl. die allerdings idyllisierende Studie von Meinhardt, Garnisonstadt Göttingen; sowie Kühn, Göttingen im Dreißigjährigen Krieg, S. 655—664. 337 Die einzelnen Bauphasen können den Akten NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 1 bis 5 sowie ebd., Hann. 74 Gö Festung Göttingen, Nr. 13 entnommen werden. 338 Dazu einige Bemerkungen bei Fahlbusch, Topographie, S. 86. 339 Daß an diesem Bild bis zu einem gewissen Grade zu zweifeln ist, wird S. 303—306 deutlich.
336
Dritter Teil: Lebens- und Dienstbedingungen der Soldaten
folgenden Kapitel werden Personalwirtschaft und Organisation der einzelnen Kompanien und der Regimenter Druchtleben und Block beschrieben. Im zweiten Abschnitt, der den Soldaten und ihren Angehörigen gewidmet ist, werden die obrigkeitlichen Heiratsbeschränkungen und deren Folgen für die Betroffenen dargestellt sowie Kinderzahl und durchschnittliche Familiengröße berechnet. Im dritten Abschnitt werden die soziale Gliederung der militärischen Einheiten und Bedingungen einer vertikalen Mobilität besprochen. Die Beschreibung des militärischen Alltags und eine Auswertung des Einkommensgefüges der Soldaten sowie eine Beschreibung der Lebensbedingungen von InvaIm
liden schließt diesen Teil ab.
I. Personalwirtschaft und von
Regiment
A. Die
und
Organisation Kompanie
Kompaniewirtschaft
Allgemeines Die Kompanien waren nicht nur militärtaktische und disziplinarische, sondern vor allem auch wirtschaftliche Einheiten. Wie bereits bei der Darstellung des Werbesystems deutlich wurde, existierte ein kompaniespezifisches Kassenwesen, für das der Chef verantwortlich zeichnete. Die Hauptleute waren »military enterprisers on their own account and risk« und »genuine contractors«, die Kompanien ihre Unternehmen, die Soldaten deren
>AngestelltePechFirma< einen bestimmten Abstand zahlen, der durchaus mehrere tausend Taler betragen konnte3. Solange er der Kriegskanzlei eine einsatzfähige und komplette Mannschaft präsentieren konnte, deren Personalumfang der geforderten Sollstärke entsprach und für eine hinreichende Ausrüstung sorgte, konnte der Chef relativ unabhängig walten. Aufsichts- und Kontrollfunktionen nahmen allerdings in gewissem Rahmen der Regimentschef und der Kommissar wahr4. Zudem wurde die Kompanie einmal im Jahr von der Generalität inspiziert. Mit einem ausgeklügelten System von Einzahlungen und Auszahlungen waren die Soldaten am Umsatz der >Firma< beteiligt und konnten unter Umständen sogar davon profitieren. Neben der schon angesprochenen Werbekasse verfügte jede Kompanie über eine weitere Kasse5. Kassenwesen
Je nach Funktion, Einzahlungsgrund und Ausgabeanlaß wurde die Kompaniekasse als Krankenkasse, Urlaubskasse oder Wachkasse bezeichnet. Aus dieser genossenschaftlichen Kasse wurden Aufwendungen für Medikamente und Arztkosten6 bestritten, vom Kompanieschreiber benötigte Materialien bezahlt, Aufwendungen für Pflege7 und Reparatur
der Uniformen8 entnommen, bestimmte Ausrüstungsgegenstände angeschafft9 und der Sold der Kompaniemusiker bezuschußt. Schließlich wurde einzelnen Soldaten für kompanieinterne Extradienste ein »Douceur« gezahlt. Zur Bestreitung dieser Ausgaben hatten alle Angehörigen der Einheit bestimmte Beträge von ihrem Sold an die Kasse abzuführen. Mit dem Wachsystem war eine Berechnungsgrundlage geschaffen worden, die den Einzahlungsmodus regelte. Alle Soldaten hatten die Pflicht, im Monat acht Wachen zu leisten, die sogenannten »Passiv-Wachten«. Daß kaum ein Soldat diese willkürlich festgelegte Quote erfüllen konnte10, war durchaus beabsichtigt. Für jeden nicht geleisteten Wachdienst mußte ein Soldat 4 1/2 Groschen zahlen. Leistete jemand mehr als die geforderten acht Passivwachen, wurde er aus der 3 4
Busch, Militärsystem,
S. 118—122. durch »üblen Haushalt« der Chefs
zu Konkursen der Kompaniekassen, so Kriegskanzlei genötigt sah, am 21. August 1732 eine »Constitutio« zu erlassen, die die weitere Abwicklung im Konkursfall regelte. Zugleich wurde die Kassenführung der Aufsicht der »Juri-
Immer wieder kam
es
daß sich die um am
Fisci« unterstellt. Grundsätzliche Abhilfe schufen diese Bestimmungen offenbar aber nicht, denn
25. Mai 1751 wurde eine die Haushaltsführung der Kompanien betreffende Anordnung erlassen,
jede Auszahlung an den Kompaniechef von der Einwilligung des Regimentschefs abhängig gemacht wurde; StAGö AA Deposita, Nr. 23. Zur wohl eher nachlässigen Kassenprüfung durch den Regimentschef vgl. für Preußen Busch, Militärsystem, S. 129. 5 Vermutlich wurden Kompaniekasse und Werbekasse gemeinsam geführt, so daß keine klare TrenGeld des Chefs und den Einlagen der Soldaten bestand. Unterlagen, die über zwischen dem nung das konkrete Finanzgebaren Auskunft geben könnten, sind nicht überliefert. 6 Dazu zählten auch die Kosten für die Krankenverpflegung, vgl. Unterricht, Kap. V 7 Von dem Geld war eine Wäscherin zu bezahlen, die sich um die Reinhaltung der Uniformen zu kümmern hatte, vgl. Gesetz vom 16. Juni 1732; NHStA Hannover, Hann. 42, Nr. 1446 sowie Unterricht, Kap. V 8 Fehlende Kleinteile wie Gamaschenknöpfe wurden ebenfalls aus dieser Kasse bezahlt. in der
9
10
Übungszwecken benutzte hölzerne Granaten, Unterricht, Kap. V und XVI.
Etwa Patronenpapier oder zu Entweder wegen Krankheit oder
Beurlaubung oder weil weniger Wachen
real abzuleisten
waren.
I. Personalwirtschaft und
Organisation
von
Regiment und Kompanie
Kasse für jede der nun als »Lohn-Wachten« bezeichneten Dienste mit dem
71
gleichen Betrag
entlohnt. Mit diesem System ergab sich nach zeitgenössischen Berechnungen pro Kompanie ein Überschuß von monatlich 18 Taler11. Weitaus größere Summen brachte allerdings die Einbehaltung des Soldes der beurlaubten Soldaten ein12. Da maximal 20 Männer pro Kompanie (20 %)13 gleichzeitig freigestellt werden durften, wären bei voller Auslastung dieser Marge rechnerisch 27 Taler und 33 Groschen14 im Monat in die Kompaniekasse bzw. in die Taschen des Chefs geflossen15. Dazu kämen noch insgesamt 20 Taler für die nichterfüllten Passivwachen der Beurlaubten16. Tatsächlich sind jedoch wesentlich weniger Männer beurlaubt worden. Eine Übersicht aus dem Jahre 1740 zeigt, daß von dem in Göttingen stationierten Regiment nur 64 Soldaten vom Dienst befreit waren17; dies entsprach bei einer maximal erlaubten Urlauberzahl von 140 Soldaten (sieben Kompanien mal 20 Mann) lediglich einer 46prozentigen Auslastung der Urlaubsquote. In Preußen wurde die Maximalquote ebenfalls nicht immer ausgenutzt18. Die Kompaniekasse hatte auch die Funktion einer Sparkasse. Jedes Mitglied mußte in der Kasse ein Guthaben von mindestens drei Talern haben, damit im Todesfall die Beerdigungskosten gedeckt waren19. Im Einzelnen dürften die Einlagen wohl noch höher gewesen sein20. In einer Anordnung vom 25. Mai 1751 wurde allerdings festgelegt, daß kein Soldat mehr als vier Taler »gut haben« dürfe21. 11
Unterricht, Kap. V: Von
101 Soldaten pro Kompanie verrichten 20 Mann täglich Wachdienst, was Tagen 600 Wachdienste ergibt. 93 Soldaten (acht Männer fehlen im Durchschnitt entschuldigt) müßten aber nach der Quote 744 Wachen leisten; 144 bleiben also übrig. Bei zu zahlenden 4 1/2 Groschen pro Passivwache summiert sich die Zahlung auf 18 Taler. 12 Zum Urlaub als Bestandteil des soldatischen Alltags vgl. S. 158 f. Die Beurlaubten wurden in Preußen als »Freiwächter« bezeichnet, vgl. Busch, Militärsystem, S. 115. 13 Diese Zahl wird in einer Anordnung der Kriegskanzlei vom 29. Mai 1751 erwähnt; StAGö AA Deposita, Nr. 23. In Preußen war die erlaubte maximale Urlaubsrate mit 40% bzw. 44% doppelt so hoch wie in Kurhannover. Die hohe Rate erklärt sich durch den großen Finanzbedarf der aufwendig betriebenen preußischen Werbung. Diese Marke galt allerdings nur für die preußische Infanterie, Dragonerregimenter durften lediglich 17%, Kürassiereinheiten nur 22% gleichzeitig beurlauben, vgl. Lehmann, Wehrpflicht und Beurlaubung, S. 275 f. 14 Bei einem Nettosold von einem Taler, 14 Groschen und zwei Pfennigen. 15
in 30
16 17 18
19
20
21
Unklar ist, in welchem Verhältnis die Gelder der Beurlaubten verwendet wurden. In Preußen wurden die Einnahmen zwischen Chef und Kompaniekasse zunächst geteilt, später behielt der Hauptmann die ganze Summe, vgl. Lehmann, Wehrpflicht und Beurlaubung, S. 276. Diese Summe ergibt sich aus der Multiplikation 20x8x4^ Groschen. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Vgl. Lehmann, Wehrpflicht und Beurlaubung, S. 278 und S. 286—287; sowie Busch, Militärsystem, S. 115 ff. Dies entsprach immerhin fast dem Dreimonatslohn eines einfachen Soldaten. Die Beerdigungskosten umfaßten den Lohn für Pastor und Küster, den Kauf von Leichentüchern und eines Sarges sowie die Aufwendungen für den Grabaushub, dazu Unterricht, Kap. VI. Möglicherweise wurden Gelder der Kompaniekasse auch in Göttingen angelegt. Winnige, Vom Leihen und Schulden in Göttingen, S. 278f., erwähnt kreditvergebende Offiziere. Da über die genaue Kassenführung nichts bekannt ist, konnte nicht geklärt werden, ob es sich dabei um Privateigentum der Offiziere handelte oder um Einlagen der Soldaten. Überstiegen die Einlagen des Soldaten diese Summe, sollte die Differenz dem Mann ausbezahlt werden; StAGö AA Deposita, Nr. 23.
72
Die
Dritter Teil: Lebens- und
Kompanie
Nach außen
als
Dienstbedingungen der Soldaten
Verwaltungseinheit
die Kompanie eine fest abgeschlossene Verwaltungseinheit. Durch die Verquickung wirtschaftlicher und finanzieller Transaktionen, organisatorischer und disziplinarischer Aufgaben und taktischer Funktionen im Krieg ergab sich ein besonderer Zusammenhalt auf verschiedenen Ebenen. Der Hauptmann war oberster Vorgesetzter der Soldaten und Firmenchef zugleich. Ebenso waren die Soldaten nicht nur Angehörige einer bestimmten militärischen Einheit, sondern auch Beteiligte des >Unternehmens< Kompanie; sie hatten Guthaben (oder Schulden) in der genossenschaftlich ausgerichteten Kompaniekasse, konnten für geworbene Rekruten kräftig kassieren und profitierten von einer gut gefüllten Kasse, gleichzeitig wurden sie vom Chef für dienstliche Aufgaben eingeteilt, bestraft, belobigt oder sogar befördert. Der Chef trachtete danach, möglichst viel Gewinn zu machen, mußte jedoch zugleich dafür sorgen, daß der Dienstablauf reibungslos funktionierte, Ausrüstung und Mannschaft in gutem Zustand waren. Der konkrete Verwaltungsablauf und damit verbunden die jeweilige Personalpolitik des Chefs spiegelt sich in Haushaltsbüchern, Materiallisten und Lieferantenverträgen oder im tatsächlichen Personalumfang der Kompanie und der Gestaltung der Dienstkontrakte der Soldaten. Da über die finanziellen und wirtschaftlichen Tätigkeiten jedoch keine Quellen überliefert sind, was auch daran liegt, daß entsprechende Unterlagen halbprivater Natur22 waren und dem Chef gehörten23, ist nur eine Untersuchung der beiden letztgenannten Faktoren möglich. Der tatsächliche Personalumfang und die durchschnittliche Verweildauer der Soldaten können den im Stadtarchiv Göttingen überlieferten Kompanierollen entnommen werden. Vor einer solchen umfangreicheren Auswertung erscheint es jedoch sinnvoll, die genaueren Entstehungsumstände dieser Quelle zu beschreiben und die methodische Vorgehensweise näher zu erläutern. war
B.
Kompanierollen
als
quantifizierbare Quellen
Vorbemerkung Gerade rechnergestützte Auswertungen von Personalbestandsverzeichnissen eines Regiments bzw. dessen sieben Kompanien spiegeln einen Ausschnitt sozialer Realität wider24. Faktoren wie Verweildauer der Soldaten, Desertion, Heirat, Familiengröße oder Beförderung sind wichtige Indikatoren, die Rückschlüsse auf die Lebensbedingungen einer Ebd. Im Zuge einer immer intensiver werdenden Kontrolltätigkeit der Kriegskanzlei mußten im Laufe des 18. Jahrhunderts in den von den Chefs einzusendenden Musterrollen auch »Guth und Schuld« der Soldaten benannt werden, Unterricht, Kap. XIX. Diese Verzeichnisse sind jedoch auch nicht mehr überliefert. In einer Anordnung des kommandierenden Generals von Sommerfeld vom 12. Februar 1750 wurde verfügt, jährlich alle Kompaniekassenrechnungen zur Kontrolle nach Hannover einzusenden. Überlieferte Unterlagen entstammen im allgemeinen Nachlässen von Offizieren oder schlicht Zufällen. Auf die Notwendigkeit, »EDV-gestützte großräumige sozialstatistische Untersuchungen« durchzu-
I. Personalwirtschaft und
Organisation
von
Regiment
und
Kompanie
73
Bevölkerungsgruppe erlauben. Zugleich ermöglicht es eine solche Untersuchung, verwaltungstechnische Vorgaben der Generalität auf ihre Umsetzung durch die Kompaniechefs zu überprüfen. Zeitraum
September 1720 wurde Oberst von Leslie mit seinem Regiment in Göttingen einquartiert25. Für den nach wenigen Monaten verstorbenen Befehlshaber rückte im Dezember Oberst Johann August von Druchtleben im Kommando nach. Aus BraunschweigAm 1.
Wolfenbüttel stammend, hatte sich Druchtleben 1717 um hannoversche Dienste beworben und wurde noch im selben Jahr im Range eines Oberstleutnants angenommen. Dieses nunmehr nach Druchtleben benannte Regiment blieb bis zum Ausbruch des Österreichischen Erbfolgekrieges im Jahre 1741 kontinuierlich in der Stadt. Die Erfordernisse des Krieges sowie die Beteiligung an Kampfhandlungen in Süddeutschland und Belgien verhinderten dann eine ununterbrochene Einquartierung dieser Einheit, die lediglich in Ruhephasen nach Göttingen zurückbeordert wurde. Zwischen 1741 und 1748 verbrachte das Regiment deshalb nur insgesamt 26 Monate (von 86 Kriegsmonaten) in Göttingen. In der übrigen Zeit übernahmen andere reguläre Regimenter oder Invalidenkompanien die Besatzung. Nach dem Tod Druchtlebens, der in der Schlacht bei Laeffeldt 1747 schwer verwundet wurde26, übernahm Oberst von Hardenberg das Kommando. Im Herbst 1748 verfügte die Kriegskanzlei einen Wechsel der Quartiere: Das Regiment (Druchtleben-) Hardenberg zog nach Northeim und Osterode, das Regiment des Heinrich Block von rückte 15. in ein. Generalmajors Johann Göttingen Vom November 1748 bis zum Ausbruch des Siebenjährigen Krieges bzw. bis April 1757 blieb diese Einheit ohne Unterbrechung in der Stadt27. Wenige Wochen später, am 16. Juli 1757, kapitulierten die für das Regiment Block eingerückten Invalidenkompanien vor den französischen Truppen. Aus dieser Belegungspraxis ergeben sich zwei sinnvolle Untersuchungszeiträume: einmal die zwanzigjährige Einquartierung des Regiments Druchtleben von 1720/21 bis 1741 und zum zweiten die achtjährige Stationierung des Regiments Block von Ende 1748 bis Ende 175628. Die Auswirkungen des Österreichischen Erbfolgekrieges 1741 bis 1748 und die unregelmäßige Unterbringung in Göttingen lassen eine quantitative Analyse dieses Zeitraumes als wenig zweckmäßig erscheinen.
25
26
27
28
führen, hat Kroener, »Kriegsvolck«, S. 162, hingewiesen und zu Recht den »methodischen Konservativismus« der Militärgeschichte beklagt. In einer Mitteilung der Kriegsräte an den Rat der Stadt vom 23. August 1720 wird der Wechsel angekündigt. Dieses zuvor in Einbeck und Moringen liegende Regiment löste das erst seit 1718/1719 in Göttingen einquartierte Regiment von Münchhausen (1719 verstorben) bzw. von Zastrow ab; NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 89, vol. II. Druchtleben starb am 7. August 1748 in Helmond/Brabant, vgl. Sichart von Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, S. 473. Von den jährlichen, maximal zwei bis drei Wochen dauernden Übungen und Revuen einmal abgesehen. Die Berücksichtigung von zwei Regimentern hat den Vorteil, eventuelle regimentsspezifische Bedingungen relativieren zu können.
74
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der
Soldaten
Quellengrundlage Mit den von 1718 bis 1809 überlieferten »Belegefn] zur Servicerechnung« (im folgenden kurz »Belege« genannt) befindet sich im Stadtarchiv Göttingen eine serielle Quelle, in der alle Soldaten namentlich erfaßt sind29. Aktenproduzierende Stelle war das städtische Billetamt, über das an anderer Stelle noch ausführlicher berichtet wird. Dieses Billetamt bekam einmal, später zweimal im Jahr von jeder der sieben Kompanien eine sogenannte Kompanierolle ausgehändigt. Diese vom Kompanieschreiber angefertigten Listen wurden vom Chef kontrolliert und gegengezeichnet. Sie enthalten Angaben über Name, Vorname, Dienstgrad, Familienstand und Kinderzahl der Soldaten30. Seit 1730 wurde außerdem der Name des Quartierwirtes mit aufgeführt. Die Kompanierollen, oft auch als »Quartierrollen« oder lediglich als »Rollen« bezeichnet, mußten jeweils zu Beginn des städtischen Rechnungsjahres im Rathaus vorliegen31. Da das Rechnungsjahr nicht dem Kalenderjahr entsprach, sondern jeweils von Trinitatis (Dreifaltigkeitstag) zu Trinitatis währte, war der Zeitpunkt von Anfertigung und Übergabe der Rollen nicht der 1. Januar, sondern der erste Sonntag nach Pfingsten. Aus verwaltungspraktischen Gründen hatte sich jedoch der l.Juni als fester Übergabetermin ergeben32. Bis auf gelegentliche Abweichungen von zwei bis vier Tagen hielten sich die Offiziere stets an diesen Stichtag. Mit dem 1. Dezember ergab sich ein sich allmählich einspielender zweiter Termin für Erstellung und Abgabe der Kompanierollen. Die Angaben der Offiziere bildeten die Berechnungsgrundlage für die Einquartierung der Militärbevölkerung. Da jede Anwerbung, Dimission oder Desertion, jede Beförderung, Heirat oder Geburt eines Kindes die Servisleistung der Göttinger Bürger beeinflußte, mußte eine solche Veränderung dem Billetamt unverzüglich durch eine kurze schriftliche Mitteilung angezeigt werden. Zusammen mit den Rollen wurden diese Notizen der Kompaniechefs nach Ablauf des Geschäftsjahres zu den »Belegen« gebunden und archiviert. Diese Verfahrensweise hat in Göttingen dazu geführt, daß die Kompanierollen über den Umweg der städtischen Verwaltung der Nachwelt erhalten geblieben sind. Für andere administrative Zwecke33 erstellte Namenslisten, die Kompaniechef, Kommissar oder die Kriegskanzlei erhalten hatten, sind aus dieser Zeit nicht überliefert worden. Komplette Verzeichnisse hannoverscher Einheiten, die den Musterrollen34 bzw. den sogenannten Stammrollen zu entnehmen sind, sind vereinzelt erst aus den 1770er bzw. 1780er Jahren erhalten35. 29
30 31
32
33
34 35
Anlaß war eine Anordnung der Kriegsräte vom 7. Dezember 1718, von nun an Kompanierollen an die Ortsobrigkeiten zu senden; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 82. Das waren die verwaltungstechnischen Kriterien, die die Qualität der Einquartierung bestimmten. Diese Rollen bildeten die Grundlage für weitere serielle Quellen, wie die Servisrechnung oder die Servistabelle. Aufgrund der beweglichen Osterfeiertage kann Trinitatis zwischen dem 17. Mai und dem 20. Juni liegen. Der l.Juni bildet etwa die Mitte zwischen diesen extremen Möglichkeiten. Etwa zur Kontrolle der Vollzähligkeit oder für die Berechnung des Soldes oder der Ausrüstungsgelder. Vgl. zu den »Rollen« Sichart von Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, S. 117—120. Vgl. Walter, Personengeschichtliche Quellen; sowie im NHStA Hannover den Quellenbestand Hann. 48 a I.
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment
und
Kompanie
75
Quellenkritik Frühneuzeitliche serielle Quellen vermitteln in vielen Fällen nur einen sehr begrenzten und unzureichenden Eindruck von den tatsächlichen Gegebenheiten. Das liegt neben der oft mangelhaften Reichweite bei der Informationsgewinnung und der unzulänglichen Qualität der Buchführung vor allem an der jeweils spezifischen Intention des an regelmäßiger Datenerhebung interessierten Schreibers. Ein definiertes Erkenntnisinteresse setzt die Festlegung von Aufnahmekriterien voraus, was den Wegfall anderer Fakten zur Folge hat. Zudem können subjektive, die tatsächlichen Verhältnisse bewußt verfälschende Motive von aktenproduzierender Seite hinzukommen, die die Evaluierung der Informationen zusätzlich erschwert. In diesen Verdacht könnten die Kompanierollen geraten, da die Chefs nicht immer an einer korrekten Buchführung interessiert waren. Die den Kompanieführern weitgehend selbständiges Handeln einräumende Truppenverwaltung erleichterte dem Chef die Verfälschung der tatsächlichen Gesamtstärke, die er bereits durch einen unterlassenen Aktenvermerk nach Abgang eines Soldaten herbeiführen konnte. Auf diese Weise konnte er Desertionsfälle verschweigen und zuviel gezahlten Sold einbehalten oder eine höhere Einquartierungsleistung von den Quartiergebern beanspruchen. Das komplexe Einquartierungssystem, in dem Billetamt und Kompanieführung aufeinander angewiesen waren, schränkte die Erfolgsaussichten solcher Manipulationen jedoch erheblich ein. Beide Seiten kontrollierten ständig Kongruenz und Stimmigkeit der Kompanielisten, da sie ein vitales Interesse daran hatten, die eigene Partei nicht zugunsten der anderen zu benachteiligen. So wurde zum Beispiel der Stadtschreiber Clacius von Bürgermeister Morrien am 1. Mai 1725 beauftragt, »die Compagnie-Rollen bey der Militz [...] zu conferiren, ob in deren Außgabe sämbtliche Personen nach obigen Rollen accurat eingetragen« worden waren36. Das Billetamt war darauf bedacht, die Zahl von >Karteileichen< möglichst gering zu halten und die von den Bürgern zu erbringenden baren oder unbaren Leistungen stets der tatsächlichen Kompaniestärke anzupassen. Der Kompaniechef hatte dafür zu sorgen, daß alle Angehörigen seiner Einheit von der Stadt ausreichend Quartier und »Obdach« erhielten, und achtete darauf, daß Neuangeworbene
unverzüglich in die Kompanierolle aufgenommen wurden. Kriegskanzlei und Generali-
tät ermahnten 1724 die
schaft« dem Billetamt
Offiziere, stets ein Verzeichnis »der vorhandenen effectiven Mannzu
übergeben37.
Das verwaltungstechnische Wechselspiel
gegenseitiger Kontrolle bewirkte, daß den Komhohes Maß ein Authentizität an zukommt. Positiv auf die Auswertbarkeit panierollen der Quelle wirkte sich auch aus, daß alle Änderungen im Personalbestand der Kompanie unverzüglich dem Billetamt schriftlich bekanntgegeben wurden. Dadurch können 36 37
StAGö AB Belege zur Servicerechnung 1723/24. In einem »Ausschreiben« der Kriegskanzlei vom 18. März 1724. Nach einem Befehl des kommandierenden Generals von Bülow vom 19. Mai 1723, der als Kopie auch dem städtischen Billetamt in Göttingen zugesandt wurde, sollten die Rollen sorgfältig geführt werden, »damit keine Person[en] doppelt gesetzet noch angerechnet werden können«; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Vorausgegangen war eine Beschwerde der Stadt vom 8. Februar 1723.
76
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
die zwischen der jährlichen bzw. sechsmonatigen Erstellung der Rollen eingetretenen Veränderungen zeitlich präziser erfaßt werden. Hat der eigentümliche Entstehungsumstand der Kompanierollen dazu geführt, daß überhaupt Angaben über die einquartierten Soldaten überliefert sind, so impliziert er zugleich einige gravierende Nachteile. Da die Verwaltungsinteressen des Billetamts sich nur auf die Einquartierungsmodalitäten beschränkten, wurden einige für die Rekonstruktion der Lebenswelt der Soldaten wünschenswerte Faktoren wie geographische und soziale Herkunft, Lebensalter, Konfessionszugehörigkeit, erlernter Zivilberuf oder die Dauer der vereinbarten Dienstzeit nicht erfaßt. Auf Umwegen über andere Quellen konnte dieses Manko zumindest teilweise behoben werden. Erstaunen muß allerdings, daß beurlaubte Soldaten in den Rollen nicht extra gekennzeichnet wurden, obwohl die Stadt ein starkes Interesse an einer entsprechenden Klassifizierung hätte haben müssen, da die Bürger für Urlauber nur den »kleinen Service« zu leisten brauchten. Möglicherweise teilten die Soldaten bzw. deren Vorgesetzte eine erfolgte Beurlaubung in betrügerischer Absicht dem Wirt bzw. dem Billetamt nicht mit, um auch in dieser Zeit höhere Quartiersätze zu bekommen. Da wohl die meisten Soldaten (auch als Beurlaubte in Uniform) in ihrer »Urlaubszeit« weiter im Quartier wohnten und sich in Göttingen Geld verdienten, hatte eine solche Unterlassung wohl auch Aussicht auf Erfolg. Ein zweiter denkbarer Grund könnte sein, daß die Männer immer nur so kurzfristig beurlaubt wurden, daß sich eine Umbuchung nicht lohnte38. Wie auch immer das Fehlen entsprechender Urlaubsvermerke zustande kam, eine quantitative Bestimmung der vom Dienst freigestellten Soldaten ist jedenfalls nicht möglich39. Da sich die meisten Männer aber sowieso in Göttingen aufhielten und weiterhin >enrollierte< Angehörige ihrer Kompanie blieben, dürfte dieser Mangel zu verschmerzen sein. Insgesamt läßt sich beobachten, daß die Kompanierollen im Laufe der 1720er Jahre immer sorgfältiger geführt wurden. Dies drückt sich vor allem in der äußeren Form der Listen aus (Lesbarkeit, genormte Tabellierung), die die Zuordbarkeit einzelner Namen spürbar erleichtert. Eine erhebliche qualitative Verbesserung erfuhren die Listen nach dem Quartierwechsel von 1748. Die Kompanieschreiber des Regiments Block listeten nicht nur penibel die Abgangsursachen der Soldaten, getrennt nach Desertion, Dimission, Tod usw. auf, sondern gaben auch die Namen aller Kompanieoffiziere an. Da die ersten Bestandsverzeichnisse des Regiments Druchtleben erst ab dem l.Juni 1722 (fast zwei Jahre nach dem Einzug in Göttingen) überliefert sind und zwischen 1725/26 und 1728/29 die Kompanierollen fehlen, ergeben sich 15 Erhebungsjahrgänge40. Das Regiment Block konnte über acht Jahre verfolgt werden41.
38
39 40 41
Dagegen spricht allerdings, daß Soldaten zuweilen für einige Monate vom Dienst suspendiert wurden. Bis auf eine Ausnahme, vgl. dazu S. 71. Es sind dies die Jahrgänge 1722/23 bis 1724/25 und 1729/30 bis 1740/41. Die berücksichtigten Jahrgänge sind 1748/49 bis 1755/56.
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment
und
77
Kompanie
Vorgehensweise Die den »Belegen« entnommenen Angaben wurden in ein Datenbankprogramm eingegeben. Der auf diese Weise entstandenen elektronischen Kartei von etwa 3 500 Namen wurden einzelne Felder zugeordnet, in die die weiteren Informationen eingetragen wurden. Stichtag jeder Erhebung war der 1. Juni (Druchtleben) bzw. der 1. Dezember (Block). Die nach dem Namen ihrer Chefs benannten Kompanien sind zur eindeutigen Identifizierung abweichend von der zeitgenössischen Bezeichnung von eins bis sieben durchnummeriert worden42. —
—
C. Tatsächlicher
Personalumfang
Eine Gegenüberstellung der von Kriegskanzlei und Generalität vorgegebenen Sollstärken mit den tatsächlichen Regiments- bzw. Kompaniestärken ist aus zwei Gründen sinnvoll. Zum einen können Aussagen über die Berechtigung der von der Forschung bei der
Tabelle 11
Vorgegebene Sollstärke und tatsächlicher Personalumfang des Regiments Druchtleben 1722-1724 und 1729—1740, Stichtag l.Juni Jahr
Sollstärke
Iststärke
1722 1723 1724
602 602 504
580 580 490
1729 1730 1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740
700 700 693 693 693 693 693 693 693 693 693
700 666 651 673 687 690 679 696 696 694 694 703
693
Überzahl
%
Vakanz
%
22 22 14
3,7 3,7 2,8
34 42 20
4,9 6,1 2,9 0,9 0,4 2,0
6 3 14 3 3 1 1 10
0,4 0,4 0,1 0,1 1,4
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterung: Iststärke Summe aller Gemeinen und Unteroffiziere plus rechnerisch 21 Offiziere ohne Berücksichtigung des Stabes. Sollstärke Multiplikation der Kompaniesollstärken mit sieben ohne Berücksichtigung des Stabes =
—
—
=
42
In Tabelle XVII im Anhang ist deshalb mit ihren Chefs aufgelistet.
panien
zur
eindeutigen Identifizierung eine Konkordanz der Kom-
Dritter Teil: Lebens- und
78
Dienstbedingungen der Soldaten
Beschreibung militärischer Verhältnisse nahezu einhelligen Gleichsetzung von Soll- und Iststärke getroffen werden; oft ist dieses Problem sogar überhaupt nicht thematisiert worden. Zum anderen ermöglicht ein solcher Vergleich allgemeine Schlußfolgerungen über die »unternehmerische« Tätigkeit der Kompaniechefs. Größere Unterbelegungen wären neben anderen möglichen Ursachen ein Hinweis auf das persönliche Gewinnstreben des Chefs43 und würden auf eine nur geringe Durchsetzbarkeit der von Kriegskanzlei und Generalität fixierten Sollstärke deuten. Wie in Tabelle 11 deutlich wird, sind die Abweichungen zwischen Soll- und Iststärke jedoch überraschend gering: Die jährliche Differenz beträgt im Mittel weniger als zwei Prozent. Lediglich 1730 und 1731 fällt sie mit 4,9% bzw. 6,1 % relativ hoch aus. Auffallend ist, daß die Anzahl vakanter Stellen zwischen 1722 und 1735 relativ und absolut abnimmt und nach 1736 auf Regimentsebene rechnerisch keine Charge mehr unbesetzt geblieben ist. Im Zeitraum von Tabelle 12
Vorgegebene Sollstärke und tatsächlicher Personalumfang der einzelnen sieben Kompanien des Regiments Druchtleben 1722—1724, 1729—1740, Stichtag l.Juni Jahr Soll
1.
Komp.
2.
Komp.
3.
Komp.
4.
Komp.
5.
Komp.
Ist
I Diff
Ist
I Diff
Ist
I Diff
Ist
I Diff Ist I Diff
-3 1
75 81
-11
83
-3
87
+
1
-5
69
-3
-2 1
84
-1
84 71
-2 -2
3
100
0
102
-3
96
-4
98
93
-6
95
7 93 87 -13 93 -7
100 98
-3 -1
+ 2 -2 -4
94
-5
-4
-3
0
93 94
-6
96 96
95 99
95 99
-5
103
-3 -2
99 99
0
97
-2
98
0
95
4
98
-4
99
1722 1723 1724
86
83
86
85
72
71
1729
100
1730
100
103 97
1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740
99 99
98
99
100
+
1
99
101 99
+
2 0
104
+
5
100
+
1
98
-1
95
+
8
102
+
3
97
+
5
+
98
91
105
+
6
5 0
-3 -8
99
104 99
-2 -1
96
99
107 104
-1
97
99
1C9
+
10
99
-9
102
-
70
6.
Komp.
7.
Regiment
Komp.
I Diff Differenz
Ist I Diff
Ist
85
84
S3
-3
-22
84
78
-2
71
71
1
84 67
-22 -14
2
100
0
0
1
91
-9
-4
85 97
M4
-34 -42 -20
97
-2 -1
-6
-1
-14 + 3
-5
-
99 99 99
Schnitt
96
+
1-1,9
97
-2,2
0
98 90
-1,9
0
102
-2
99 95
-4
+
-
C 4
97
1 1
101 93
0 -3
103 100
+
4
96
+
1
96
-3
103
+
4
98 98
-2
96
-3
99
0
100
3
94
-5
106
7
103
—
+
-3,9
+
-
-
-1,5
-2 1 + 2
98
-
-6
+
-0,3
98 98 97
-2
-2 1
+
3
1
+
1
+
1
+
1
+
4
+
10
-
-
StAGö AB
-10,6
-2,7
zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Sollstärke inkl. drei Offiziere pro Kompanie; Ist Iststärke inkl. risch drei Offiziere pro Kompanie; Diff Differenz von Soll- und Iststärke; Schnitt schnittliche Sollzahlenabweichung.
Quelle:
Erläuterung: Soll
-3
Belege
=
=
=
—
=
rechneDurch-
—
Da der Sold pauschal in voller Höhe der Sollzahl den Soldaten Geld einstreichen.
gezahlt wurde, konnte der Chef für jeden fehlen-
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment
und
79
Kompanie
geringe und am l.Juni 1740 sogar eine deutliche Überverzeichnen. besetzung Da die Entscheidungen über Zu- und Abgang der Soldaten auf der Ebene der Kompanien getroffen wurden, erscheint es zweckmäßig, die tatsächliche Personalstärke der einzelnen Kompanien mit den Sollzahlen zu vergleichen. Zwar traten die Sollzahlenabweichungen auf Kompanieebene differenzierter und deutlicher auf, als es die Regimentsverhältnisse in Tabelle 11 haben vermuten lassen. Die durchschnittlichen Divergenzen der Kompaniesollzahlen von 3,9 bis 4-1,9 aber deuten auf eine ebenfalls beeindruckend geringe Diskrepanz von Vorgabe und Erfüllung hin. Anscheinend stellte die Sollzahl für die Kompaniechefs auf lange Sicht ein in hohem Maße bindendes Regulativ dar44. Drastische Unter- oder Überbelegungen ergaben sich nur kurzfristig. Dabei spielten offensichtlich militärische Erfordernisse, wenn überhaupt, nur eine geringe Rolle. Im einzelnen wurden Unterbelegungen von 12,8% (2. Kompanie, 1722), 13% (4. Kompanie, 1730) oder sogar 14% (7. Kompanie, 1731) erreicht, die eine deutliche personelle Schwächung der Einheiten bedeuteten. Kurz vor Ausbruch des Österreichischen Erbfolgekrieges befanden sich die 3. Kompanie mit 9,1 % und die 5. Kompanie mit 5,1% am l.Juni 1740 immer noch erheblich unter dem Sollwert. Da der Kompaniechef den überzählig gezahlten Sold für sich behalten konnte die Gelder für bis zu vier unbesetzte Stellen waren ausdrücklich für die Werbekasse bestimmt —, waren für die Duldung bzw. bewußte Herbeiführung von Vakanzen durch den Kompaniechef vor allem finanzielle Motive entscheidend. Ein Rechenbeispiel mag dies verdeutlichen: Der Chef der 4. Kompanie konnte, da ihm am l.Juni 1730 13 Soldaten fehlten, monatlich 18 Taler, fünf Groschen und zwei Pfennige einstreichen45. Wie im nächsten Abschnitt dargelegt wird, konnte allerdings auch mangelnder Werbeerfolg des Chefs temporär auf den tatsächlichen Personalumfang eingewirkt haben. Erklärungsbedürftig sind die teilweise eklatant hohen Überbelegungsquoten von 10,1 % (1. Kompanie, 1740) oder 7,1 % (6. Kompanie, 1740), da für diese Männer von der Kriegskanzlei kein Sold bezahlt wurde. Mag der wiederholt auftretende personelle Überschuß der 1. Kompanie (»Leibkompanie«) mit den spezifischen Bedingungen einer Stabskompanie interpretiert werden46, so fehlt eine Erklärung für die seltener vorkommenden Überbelegungen der anderen Kompanien47. Die teilweise stark divergierenden Bestandsgrößen sind Indiz für die eigenständige Personalpolitik jedes Kompaniechefs, der durch Forcierung der Werbemethoden, Festlegung der Dienstdauer und der Gewährung von Entlassungsgesuchen die tatsächliche Stärke relativ unabhängig nach seinem Belieben regulieren konnte. Vergleicht man die durch1736 bis 1739 ist vielmehr eine zu
—
—
—
44
45
46
47
—
In 77,2 % aller Erhebungsjahre entsprach der tatsächliche Personalumfang der vorgebenen Sollstärke oder wich mit plus/minus vier Soldaten nur geringfügig davon ab. Unter der Annahme, daß nur einfache Soldaten fehlten. Die Summe setzt sich aus der Multiplizierung des Nettosoldes von einem Taler, 14 Groschen und zwei Pfennigen mit 13 zusammen. Gegen diese Vermutung spricht allerdings, daß die »Leibkompanie« des Regiments Block kein ähnliches von den anderen Kompanien abweichendes Zahlenverhältnis aufweist, vgl. Tabelle 14. Ob es sich hier um die in Preußen nach 1756 bekannten »Überkompletten« handelte, konnte nicht geklärt werden, Busch, Militärsystem, S. 116f.
80
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
schnittliche Abweichung von der Sollstärke mit den einzelnen »Amtszeiten« eines Chefs, ergeben sich signifikante Unterschiede, die die Verquickung zwischen der spezifischen Verwaltungstätigkeit des kommandierenden Offiziers und dem Personalumfang seiner Kompanie verdeutlichen. Tabelle 13 Durchschnittliche Abweichungen von Kompaniesollzahlen in Abhängigkeit vom Kommandowechsel im Regiment Druchtleben48 2.
Kompanie
Name d.
3.
Diff
Dienstzeit
Chefs
Torney Freudemann Forest 5.
-6,3 (1722-1724) Schulenburg -3,5 (1729-1734) Oberg 1-1,2
Hauss Böse
Diff
Dienstzeit
Diff
-1,4 -2,8
Kompanie
Name d. Chefs
(1722-1735) Hamelberg (1736-1740) Dreves
Diff
Dienstzeit
-4,5 (1722-1735) -2,8 (1736-1740)
(1735-1740) 6.
Dienstzeit
Kompanie
Name d.
Chefs
Chefs Becker
Name d.
4.
Chefs
Kompanie
Name d.
Kompanie
7.
Diff
Dienstzeit
Kompanie
Name d.
Diff
Dienstzeit
Chefs
-1,2 (1722-1730) Nettelhorst -2,1 (1722-1733) Stallmeister -0,25 (1731-1734) Druchtleben + 1,7 (1734-1740) Schele -2,5 (1735-1740)
-3,5 (1722-1737) + 1,3 (1738-1740)
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterungen: Diff=Summe der Abweichungen, dividiert durch die jeweiligen Kommandojahre. Die in Tabelle 14 aufgeführten Bestandsgrößen des Regiments Block und seiner Kompanien datieren jeweils vom 1. Dezember. Die regimentsweise Abweichung vom Sollwert fiel 1748 und 1755 auffallend hoch aus. Ursache dieser deutlichen Divergenz sind unmittelbar vor einem Stichtag verordnete Sollzahlenänderungen. Die einen Monat vor dem Stichtag vorgeschriebene Abrüstung im Jahre 1748 um 24 Soldaten pro Kompanie erforderte eine gestaffelte Entlassungspraxis, die sich über einige Wochen hinzog und am 1. Dezember noch zu teilweise enormen
kurzfristigen Überbelegungen (5. Kompanie: 26,7%, 2. Kompanie: 23,3%, 7. Kompanie: 21%) führte. Tatsächlich ist erst am 15. Dezember ein Großteil der für die Entlassung vorgemerkten Soldaten verabschiedet worden. Die aus Sicht der Kompanieoffiziere tauglichsten Männer waren jedoch auch im Februar 1749 noch nicht entlassen worden49. 48
49
nur die Kompanien 2—7 angegeben, da der stellvertretend für den Regimentschef die Leibkompanie leitende untergeordnete Offizier nicht in den Kompanierollen aufgeführt worden ist. Dies geht aus einer Anweisung des kommandierenden Generals von Sommerfeld an den Regimentschef von Block vom 21. Februar 1749 hervor. Sommerfeld riet Block, schrittweise zunächst die »schlechtesten«, für die Reduktion vorgemerkten Männer zu verabschieden. StAGö AA Deposita, Nr. 23.
In Tabelle 13 sind
I. Personalwirtschaft und
Organisation
von
81
Regiment und Kompanie
Tabelle 14
Vorgegebene Jahr
Sollstärke und tatsächlicher Personalumfang im und den sieben Kompanien, 1748—1755, Stichtag 1. Dezember
Regiment
Komp.
Soll 1 Ist I Diff | 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756
630 630 630 630 630 630 630 700 798
754 617 630 616
630 617 621 623 805
+ 124 -
13
19,7 2,1
0 -
14
2,2
0 -
-
-
+
13 9 77 7
2,1 1,4 11,0 0,9
1.
Komp.
2.
Komp.
3. Komp. 4.
Komp.
Soll
Ist I Diff Ist I Diff Ist I Diff Ist
90
108 87
90
90
90 90 90 90 90 100
+ 18
-
0
86 -4
90 0 87 -3 88 -2 91 -9
114
116
111 +21 106
3
+
2
1 -
+
1
89 89
+
1
87
-2 90 89 1 90 -2 -10 0 116 -
+
16
1 1 -3 0 0 -2 -12 + 2 -
-
5.
Regiment
Komp.
6.
Block
Komp
7.
Komp.
IDiff Ist IDiff Ist IDiff Ist IDiff +12 -2 + 1 1 1 -
-
-
+
1
1
-12 +
3
+24 104 + 14 -2 86 -4 + 1 89 1 -3 88 -2 1 93 + 3 -6 87 -3 1 86 -4 -12 89 -11 1 114 0 -
+ 19 +
1 -
-2 +
1 1
+
1
+
-
-
1
-11 +
1
-
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterung: Soll: Regimentssollstärke (Kompaniesollstärke mit 7 multipliziert) inkl. Offiziere; Ist: Tatsächlicher Iststärke inkl.
Offiziere; Diff: Differenz von Soll- und Iststärke.
Offensichtlich waren die Chefs 1755 nicht in der Lage, innerhalb von vier Monaten die Verfügung datiert vom 31. Juli ihre Einheiten auf den neuen Sollwert zu bringen und blieben mit 12% (3. Kompanie, 4. Kompanie, 5. Kompanie) bzw. 11% (6. Kompanie, 7. Kompanie) deutlich unter den Anforderungen. Zum nächsten Erhebungszeitpunkt stimmte die personelle Stärke dann wieder weitgehend mit dem Sollwert überein. Die Kompaniechefs hatten es in dieser Zeit nicht nur geschafft, die geforderte Verstärkung von 1755 aufzubringen, sondern auch die erneute, im Sommer 1756 dekretierte Aufrüstungsverordnung zu erfüllen. Da solche umfangreichen Truppenverstärkungen nicht mit Freiwilligen allein zu leisten waren, wurde in dieser Zeit verstärkt gewaltsam geworben. Von den beiden Ausnahmen abgesehen, fielen die Abweichungen im Regiment Block ähnlich wie im Regiment Druchtleben gering aus; der Sollwert bildete eine Marke, die langfristig im Mittel immer eingehalten wurde50. Überdurchschnittliche Divergenzen traten erst dann auf, wenn der Sollwert spürbar nach oben oder unten gesetzt wurde. Solche Änderungen erforderten eine gewisse Anpassungsphase, die einige Wochen oder sogar Monate dauern konnte. Zusammen mit der Festlegung des Sollwertes bildeten Anwerbungsquote und Abgangsfluktuation ein Regelwerk, das den tatsächlichen Personalumfang festlegte. Zu untersuchen wäre, ob jahreszeitliche Einflüsse auf den jeweiligen Iststand einer Kompanie eingewirkt haben. —
—
50
In 97,9% aller
Erhebungsjahre entsprach der tatsächliche Personalumfang der vorgegebenen Sollstärke oder wich mit plus/minus vier Soldaten nur geringfügig davon ab. Die Abweichungen der Jahre 1748 und 1755 sind nicht berücksichtigt worden. Damit fielen die Divergenzen zwischen Sollund Istwert im Regiment Block noch geringer aus als im Regiment Druchtleben.
82
Dritter Teil: Lebens- und
D.
Die
Dienstbedingungen der Soldaten
Jahreszeitliche
Einflüsse
Einstellung eines Soldaten war im allgemeinen Folge einer freiwilligen Aufnahme
des Militärdienstes. Dieser Sachverhalt traf freilich auf Zeiten starken Soldatenbedarfs, etwa verursacht durch drastische Sollzahlenerhöhungen, nur sehr eingeschränkt zu. Nachweislich kam es 1727, 1741 und 1755/56 vermehrt zu gewaltsamen Werbungen51. Da jedoch diese Jahre zumindest bis auf 1755 nicht in die Auswertung einbezogen wurden und weder Krieg noch Sollzahlenerhöhungen in diesem Zeitraum die Häufigkeit von Aufnahmen beeinfußt haben52, wird ein Anstieg von Soldatenzugängen als verstärktes Interesse am Militärdienst und nicht als besonders rücksichtsloses Vorgehen der Werber interpretiert. Nicht auszuschließende einzelne Fälle gewaltsamer Werbung in dieser Zeit dürften sich auf das Gesamtergebnis kaum ausgewirkt haben. Der Abgang eines Soldaten konnte durch Tod, vorzeitige Dimission, Versetzung, abgelaufene Dienstzeit oder Desertion erfolgen53. Da während der Einquartierung des Regiments Druchtleben die Ursachen für den Abgang eines Soldaten nur sporadisch aufgelistet wurden, konnten die jeweiligen Anlässe insgesamt nicht bestimmt werden. Durch Tod oder Desertion verursachte Abgänge, die die typische jahreszeitliche Entwicklung verfälscht hätten, waren aber die Ausnahme. Weder gab es in diesem Zeitraum eine viele Todesopfer fordernde Epidemie noch eine durch einen bevorstehenden Krieg verursachte hohe Desertionsrate54. Deshalb werden in der weiteren Betrachtung alle Abgänge als von beiden Seiten willentlich herbeigeführte Amtshandlungen wie vorzeitige Dimission oder Verabschiedung nach beendeter Dienstzeit gedeutet. Zwischen dem 1. Juni 1722 und dem 31. Mai 1725 bzw. dem 1. Juni 1729 und dem 31. Mai 1741 waren insgesamt 2192 Männer entweder phasenweise oder während des gesamten Zeitraumes Mitglieder einer der sieben Kompanien des Regiments Druchtleben55. Es konnten jedoch nur 1121 Anwerbungen (51,1%) und 1147 Abgänge (52,3%) monatlich fixiert werden. Diese Einschränkung liegt hauptsächlich in der unerläßlichen Festlegung des Untersuchungszeitraumes begründet: 25,5% der Soldaten wurden vor dem l.Juni 1722 angeworben und 34,3% nach dem 31. Mai 1741 als Abgang verbucht. Das Fehlen der Kompanierollen über vier Jahre führt zu weiteren Informationsverlusten, 14,5% aller Anwerbungen und 5,6% aller abgegangenen Soldaten fielen auf den »dunklen« Zeitraum vom l.Juni 1724 bis zum 31. Mai 1729. Bei 225 Anwerbungen (10,3%) und 177 Abgängen (8,1%) sind Monatsangaben nicht überliefert56. —
51
52 53
54
55
Vgl.
S. 33-43. 1727 fällt statistisch in den »dunklen« Zeitraum, 1741 und 1756 sind nicht mehr berücksichtigt worden. Ausdrücklich sei noch einmal darauf hingewiesen, daß die urlaubsbedingte temporäre Abwesenheit von Soldaten nicht berücksichtigt wurde. Vgl. die Tabellen 20 und 21. Diese Zahl setzt sich aus Unteroffizieren und Mannschaftsdienstgraden zusammen; Offiziere sind nicht berücksichtigt. Da einige Soldaten innerhalb des Regiments die Kompanie wechselten, ist die Gesamtsumme der Individuen etwas geringer. Für die Betrachtung der einzelnen Kompanien ist die-
Einschränkung jedoch ohne Belang, weil die Gesamtzahl der »Buchungen« entscheidend ist. Vgl. Tabelle II im Anhang. se
56
—
I. Personalwirtschaft und
und
Organisation von Regiment
83
Kompanie
Addiert man die Aufnahmen und Abgänge von Soldaten monatsweise, erhält man eine Fluktuationsrate, die im Sommer und Frühherbst besonders gering ausfällt. Zwischen Juni und September beträgt sie durchschnittlich nur knapp 157, während sie in den Monaten Oktober bis Mai bei mehr als 205 Aufnahmen/Abgängen liegt. Tabelle 15
Monatliche Fluktuation Jan. Febr Fluktuation 235 124 Index
Quelle:
StAGö AB
Erläuterung:
Index
154 81
Belege =
(Aufnahmen/Abgänge)
Regiment Druchtleben
im März
Apr.
Mai
Juni
Juli
209 111
237 125
215 114
163 86
154 81
zur
Aug. Sept. Okt.
Nov.
Dez.
190 101
226 120
175 93
176
134 71
93
Servicerechnung der angegebenen Jahre. (189) 100.
Durchschnitt
-
Allerdings bleiben die Quoten in den Monaten Dezember und Februar erheblich unter diesem Wert. Zur weiteren Interpretation ist es sinnvoll, in den Tabellen 16 und 17 Aufnahmen und Abgänge von Soldaten isoliert zu betrachten. Tabelle 16 Monatliche Aufnahmen von Soldaten im Regiment Druchtleben und den sieben Kompanien (ohne Offiziere) Kompanie Kp. 1 Kp.2 Kp.3 Kp.4 Kp.5 Kp.6 Kp.7
Jan.
Febr. März
Apr.
Mai
Juni 12 5
20 17 17 24 12 18 15
16
14
17
9
6
13 11
17
14
10
14 15 11 15 22
21
18 13 14 11
Regiment
123 132
79 85
94 101
111
Index
119
94 101
6 17
10 14
15 16
5 12
12 7 56 60
Juli 10
Aug. Sept. Okt.
Nov.
10 11 10
10
10
19
11
14
25
2
16
14
14
14
10
14 11
12
13 7
15 14 14
11
7
20 23 27 19
82
75
73 78
106
13 8 14 11 14
81
99
147 158
Dez. Summe 169 156 138 183 160 176 139
1121 95
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Durchschnitt (93) 100
Index
=
=
Die Zahlen spiegeln einen deutlich erkennbaren Trend wider. Der Jahresverlauf von Werbung und Abgang entsprach weitgehend dem Rhythmus einer stark agrarisch orientierten Lebensweise und damit dem Zyklus von Aussaat und Ernte. Mit Ende der Frostperiode und Beginn der Ackerbestellung Ende Februar/Anfang März verstärken sich die
84
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Abgangszahlen, erreichen im April/Mai ihren Zenit und fallen mit Ende der Aussaat wieder. Ein zweiter Anstieg ist dann während der Erntezeit Ende Juli/Anfang September
zu
beobachten.
Tabelle 17
Monatliche
Abgänge von Soldaten im Regiment Druchtleben und Kompanien (ohne Offiziere) und jahreszeitlicher Saldo
Kompanie I Jan. I Febr. I März I Apr. I Mai I Juni I Juli I Aug. I Sept. I Okt. Kp. 1 Kp.2 Kp.3 Kp.4 Kp.5 Kp.6 Kp.7
j Nov. I Dez.
den sieben
I Summe I
Monat I Saldo
18
16
10
13
16
167
Jan.
14
19
15
13
17
167
Febr.
14
21
17
10
12
142
März
-21
17
19
28
19
14
179
Apr.
-15
17
23
17
11
12
163
Mai
-27
16
14
17
14
6
9
172
-51
16
14
17
21
10
7
157
Juni Juli
1147
Aug. Sept.
-26
Regiment
112
115
126
121
107
101
91
87
Index
117
120
131
126
111
105
95
91
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterung: Index Durchschnitt (96) 100 =
=
+
11
+
4
+ 10
+ 12
Okt.
+
Nov. Dez.
+68 +
8 1
Die ebenfalls im Frühjahr ansteigenden Aufnahmezahlen können mit dem Anstieg der Abgänge nicht mithalten und fallen auch zwischen Mai und Juni früher und drastischer zurück. Erst nach Beendigung der Erntearbeiten unmittelbar vor Einsetzen der Frostperiode steigt die Zugangsquote sehr deutlich und stark an. Dieser Trend würde sich sicherlich verstärken, könnte man die Beurlaubungen quantitativ erfassen57. Diese deutliche Steigerung der Aufnahmezahlen kann vor allem mit dem im Winter besonders attraktiven Militärdienst in Verbindung gebracht werden. Offensichtlich stellten Sold, Brot und eine geheizte Stube für viele eine willkommene Möglichkeit für eine Überwinterung dar. Da außerdem die Verdienstmöglichkeiten im Winterhalbjahr extrem schlecht waren weder Bauhandwerk noch Landwirtschaft benötigten in dieser Jahreszeit Arbeitskräfte —, bot der karge Sold eine vergleichsweise respektable Überlebensgrundlage. Im Sommer verlor der Militärdienst offenbar durch andere günstigere Gelegenheiten, das Auskommen zu fristen, an Reiz58. Dieser jahreszeitlich bedingte Trend wird von kleineren Modifizierungen abgesehen eindrucksvoll durch die monatliche Verteilung von Werbung und Abgang im Regiment Block bestätigt. In Tabelle 18 sind nur die Monate der Jahre 1749 bis 1754 zusammenge—
—
57
58
—
In Preußen wurden Beurlaubungen im allgemeinen zur Ernte erteilt, dazu Lehmann, Wehrpflicht und Beurlaubung, S. 275. Zum Sozialprofil der Soldaten, die im Zivilleben wohl in der Hauptsache als Tagelöhner, Landarbeiter oder Handwerksgesellen arbeiteten, vgl. S. 98 f.
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment und Kompanie
85
faßt, da die Abweichungen vom Istbestand im Dezember 1748 und den Jahren 1755 und
1756 durch die hohen Zu- und Abgänge infolge der Sollzahlenänderungen das Ergebnis verfälscht hätten.
Tabelle 18 Monatliche Aufnahmen und Abgänge von Soldaten im Regiment Block und den sieben Kompanien (ohne Offiziere) 1749—1754 Kompa
Jan. Febr. März Apr. Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Summe ZulAb ZulAb Zu|Ab ZulAb ZulAb Zu |Ab Zu|Ab ZulAb Zu|Ab Zu|Ab ZulAb ZulAb Zu|Ab
Kp. 1 Kp.2 Kp.3 Kp.4 Kp.5 Kp.6 Kp.7 Regiment
30 20 38 24 31 29 35 39 17 27 22 47 34 42 17 14 29 22 44 24 37 30 23
Prozent Z
8,4
Prozent A
6,0
7,2
8.7
Saldo
HO
1-14
+2
9,8
10,6
11,7
4,8
6,2
9,5
4,8
8,1
14,1
12,6
4,2
6,6
-10
-25
+3
+7
12,3
10,4
7,2
9,0
+20
+7
15 357 333 100
4,5
100 + 24
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterung: Zu Zugang; Ab Abgang; Prozent Z Monatlicher Anteil aller Zugänge; Prozent Monatlicher Anteil aller Abgänge; Saldo A Differenz von Zu- und Abgang. =
=
=
=
=
Die Konstanz der jahreszeitlichen Verteilung der Fluktuation über den gesamten Untersuchungszeitraum ist um so bemerkenswerter, als sie den militärischen Erfordernissen zuwiderläuft. Aus Sicht von Generalität und Regimentsführung bzw. der Kompaniechefs wäre es sicherlich sinnvoller gewesen, für die im Frühjahr und Sommer durchzuführenden Manöver, Übungen und Revuen einen personellen Höchstbestand in den Einheiten aufzuweisen und im aktionslosen Winter den geringsten Stand zu haben. Augenscheinlich war es den Offizieren aber unmöglich, im Frühjahr und Sommer eine ausreichende Anzahl von Bewerbern für den Militärdienst zu finden, gleichzeitig konnten sie die Dimissionen ihrer Soldaten nicht verhindern. Diese jahreszeitlich bedingte Regelmäßigkeit von Zu- und Abgang galt jedoch nur für Jahre, die weder von Kriegen oder außenpolitischen Krisen geprägt waren. Kriegszeiten führten zu Anhebungen des Sollwertes, damit zu einer Verschärfung der Anwerbepraxis und zu einer restriktiven Bewilligung von Entlassungsgesuchen. Wie in Tabelle 19 deutlich wird, nahm die Militärführung in Phasen außenpolitischer Krisen keine Rücksicht auf den Zyklus von Aussaat und Ernte.
86
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Tabelle 19 von
Monatsweise und jährliche Aufnahmen und Abgänge Soldaten im Regiment Block (ohne Offiziere) 1748—1756
Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Febr. März Apr. Mai Juni ZulAb ZulAb ZulAb ZulAb Zu |Ab ZulAb ZulAb ZulAb ZulAb ZulAb ZulAb ZulAb 1748
120
1749
2
1750
3
1751 1752
2
1753
2
1754
3
1755
5
3
1756 40 35 47 37 40 36 59 56 29 41 32 71 86 49 191 26 43 30 61 32 52 56 29 140
Summe
Quelle:
StAGö AB Erläuterung: Zu
=
Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Zugang; Ab Abgang; Sum Summe. =
=
Im Erntemonat August wurden in den Friedensjahren 1749 bis 1754 im Mittel knapp drei Männer geworben, in den Krisenjahren 1755 und 1756 wurden dagegen im August 64 bzw. sogar 110 Rekruten in den Militärdienst aufgenommen. Ähnliche Größenordnungen zeigte die Abrüstung von 1748: Wurden in den Dezembermonaten 1749 bis 1755 durchschnittlich weniger als drei Soldaten entlassen, waren es 1748 im Dezember 120 Männer. E.
Abgangsursachen
und
Desertionsquote
Die Kompanieschreiber des Regiments Block notierten bei mehr als 90 % aller Abgänge den Anlaß. Auf diese Weise konnte die Häufigkeit bestimmter Abgangsursachen berechnet werden. Wie in Tabelle 20 deutlich wird, war der reguläre Abschied, die Dimission, mit mehr als 50% häufigster Entlassungsgrund. Mit dem Begriff »Dimittiert« war der Abgang sowohl solcher Soldaten umschrieben, deren vereinbarte Dienstzeit abgelaufen war, als auch jener, denen auf Antrag die vorzeitige Dimission erteilt worden war. Zweithäufigste Abgangsursache war die Abrüstung von 1748, fast jeder fünfte das Regiment verlassende Soldat wurde ausgemustert. Elf Soldaten wurden nach erfolgter Beförderung in eine andere Kompanie versetzt, acht Männern wurde die Pensionsberechtigung erteilt. Insgesamt 33 Soldaten (5,1%) waren während ihres Dienstes durch einen Unfall oder häufiger nach einer Krankheit verstorben59. —
39
Die
—
jährliche Verteilung sah wie folgt aus: je 7.
1755 und 1756
1749:
3, 1750 und
1751
je 1,
1752:
4, 1753: 3 und 1754,
I.
Personalwirtschaft und Organisation
von
Regiment
und
87
Kompanie
Tabelle 20
Abgänge von Soldaten vom
und deren Ursachen im
Regiment Block
1. Dezember 1748 bis 30. November 1756
(ohne Offiziere) Einheit
Kompanie Komp. 1 Komp. 2 Komp. 3 Komp. 4 Komp. 5 Komp. 6 Komp. 7 Regiment
Quelle:
Dimittiert Zahl | % 56
42
57,1 55,6 55,9 62,9 50,6 57,1 51,2
362
56,0
60 47 61 40 56
StAGö AB
Befördert
Zahl I
%
4,1 0,9 0,0 2,1 1,3 2,0 1,2
Pensioniert
»Reduziert«
Zahl |
Zahl
1,0 1,9 0,0 1,0 0,0 2,0 2,4 1,2
|
%
18
18,4 19,4 19,0 14,4 26,6 14,3 21,9
122
18,9
18 21 16 14
21 14
Gestorbe Zahl I %
Desertiert
Zahl
|
3,8
6.3
4,1 6,1
10,2 8,5
5,1
Unbekannt Summe Zahl | Zahl
9,2 8,3 11,9 6,2
6,1 8,3 3,6 3,1
33
%
4,1 5,5 9,5
54
56
98
108 84
10,3 11,4 10,2
97
8,5
82
8,4
646
79 98
Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre.
Erstaunen muß die niedrige Desertionsrate: nur 56 Männer (8,7%) verließen illegal ihre Einheit60. Nimmt man die durchschnittliche Gesamtstärke von 657 Soldaten61 zur Grundlage, bedeutet dies, daß pro Jahr sieben62 (etwa 1 % der Regimentsangehörigen) desertierten. Zwar stellten 56 Fahnenflüchtige für die Chefs immer noch ein Problem dar, ein »disfunktionales Strukturmerkmal«63 waren sie zumindest für das Regiment Block nicht. Die hohen preußischen oder sächsischen Desertionsquoten waren in Göttingen unbekannt64. Die Desertion erfolgte ohne jahreszeitlichen Einfluß65. Weder wurde in einem bestimmten Monat besonders oft desertiert, noch stiegen die Desertionen im Winterhalbjahr (Oktober bis Februar im Schnitt 4,6) oder sank die Rate im Sommer (März bis September: 4,7). Auffällig ist, daß die Zahl der Fahnenfluchten auch nach den Aufrüstungen im Sommer 1755 und anderen Kriegsvorbereitungen nur geringfügig und weniger als erwartet
anstieg66.
Gemeinsame Fluchtaktionen von zwei oder mehreren Soldaten waren die Ausnahme67, die Desertion blieb eine eher individuelle Entscheidung. Die Dienstzeit bis zur Deser60 61
62 63 64
65 66
67
die allgemeinen Bemerkungen zur Desertion S. 49—57. Summe des in Tabelle 14 ermittelten tatsächlichen Personalumfangs, dividiert durch die Anzahl der
Vgl.
Erhebungsjahre.
Desertionen, dividiert durch acht Erhebungsjahre. Hansen, Problematik einer Sozialgeschichte, S. 436. Vgl. Heuel, Reichsstadt Köln, S. 81; Lehmann, Wehrpflicht und Beurlaubung, S. 262; sowie Schnit56
ter, Desertion im 18. Jahrhundert, S. 55. Vgl. Tabelle III im Anhang. Zwischen 1749 und 1754 desertierten im Jahresschnitt 5,5 Nur am 14. Juni 1749 flohen zwei Soldaten gemeinsam.
Soldaten,
1755 und 1756
11,5 Männer.
Dritter Teil: Lebens- und
88
Dienstbedingungen der Soldaten
tion war überraschend lang, im Durchschnitt etwas mehr als zwei Jahre. Innerhalb eines Jahres nach ihrer Anwerbung flohen 22 Soldaten (39,3%), zehn im zweiten Dienstjahr (17,9%), siebzehn nach mehr als zwei Jahren (30,4%), fünf nach mehr als vier Jahren (8,9%) und zwei Männer sogar erst nach mehr als sechs Jahren (3,6%). Die kurz nach ihrem Diensteintritt geflohenen 22 Soldaten dürften wegen einer wohl gewaltsamen bzw. illegalen Anwerbung oder wegen schikanöser Behandlung durch Vorgesetzte desertiert sein. Zumindest jene 24 Männer (42,9 %), die erst nach mehr als zwei Dienstjahren desertierten, waren wohl eher durch >private< (etwa Schulden) denn dienstliche Motive zur Fahnenflucht veranlaßt worden. Das Desertionsverhalten unter konkreten Kriegsbedingungen konnte für einige Jahre beim Regiment Druchtleben verfolgt werden.
Tabelle 21 Personelle
Zeitraum
Abgänge Dimittiert
Befördert
Zahl I %
Zahl
Juni 41—Febr. 42 Juli 42—Juni 43
23
Febr.
14
51,1 42,6 37,8
77
43,8
Belege
zur
46-April
40
46
Summe
Quelle:
StAGö AB
und deren Ursachen im Regiment Druchtleben in drei Kriegszeiträumen I
%
Pensioniert
Zahl I %
Gestorben
2
24,4 10,6 5,4
15
15,6 6,4 40,5
23
13,1
28
15,9
0,0
11
0.0
10
5,4
7
6
Bestraft Zahl I %
Zahl |
10
Desertiert
Zahl I %
Summe
Zahl |
6,7 7,4 0,0
1
2,2
45
100
31
94
100
4
32,9 10,8
37
100
5,7
36
20,5
176
100
Servicerechnung der angegebenen Jahre.
Tabelle 21 zeigt, daß die Desertionsrate unter Kriegsbedingungen in bestimmten Zeitabschnitten zwar wesentlich höher ausfallen konnte; zwischen Juli 1742 und Juni 1743 liegt der Anteil unter den Abgängen bei über 30%. Dennoch verließen mit 58% (Summe der Dimittierten, Beförderten und Pensionierten) deutlich mehr Soldaten auf legale Weise das Regiment als dies Männer auf unerlaubte Weise taten (20,5%). F.
Gestaltung der Dienstkontrakte:
die Verweildauer
Die Zu- und Abgangsdaten markieren die Dienstzeit der Soldaten im Regiment Druchtleben bzw. Block und damit auch deren Verweildauer als Soldat in Göttingen. Eine Untersuchung dieser Zeitspannen läßt deshalb nicht nur Rückschlüsse auf die vereinbarte Dienstzeit zu (die auf anderem Wege nicht zu erfassen war), sondern kann auch ein Bild vom Grad der Kompaniebindung der Soldaten bzw. ihrer Affinität zu dem Standort vermitteln. Schließlich werden Aussagen über die kompanietypische Personalpolitik getroffen. Quellengrundlage und Erhebungsmodus lassen drei unterschiedliche Auswertungsschritte als sinnvoll erscheinen. Von 426 Soldaten (etwa 20 Prozent aller Erfaßten) des Regiments Druchtleben konnten Zugangs- und Abgangsmonat ermittelt werden. Diese Männer waren
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment und Kompanie
89
innerhalb eines Zeitraumes von fast 20 Jahren für eine bestimmte Frist Angehörige einer der sieben Kompanien68. Tabelle 22 Durchschnittliche Verweildauer von 426 Soldaten (ohne Offiziere) im Regiment Druchtleben und den sieben Kompanien
Kompanie Kp. 1 Kp. 2 Kp. 3 Kp. 4 Kp. 5 Kp. 6 Kp. 7
Regiment Quelle:
StAGö AB
Soldaten
Jahr/Monat
61 63 48 74 62 66 52
3 3 7 3 3 3 8
Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre
426
4
Jahre
1 11 8 8 2 8 0
Monat Monate Monate Monate 1/2 Monate Monate Monate
9 Monate
Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre.
Im Regimentsmittel blieben die 426 Soldaten durchschnittlich fast fünf Jahre in Göttin-
gen. Dieser Zeitraum entspricht damit in etwa der von Schüssler für Heilbronn ermittelten häufigsten Vertragsdauer von sechs Jahren69. Fünf der sieben Kompanien weisen mit Spannen von drei Jahren und einem Monat bzw. drei Jahren und elf Monaten eine erstaunlich große Übereinstimmung auf. In den Kompanien 3 und 7 fiel die Verweildauer mit sieben Jahren und acht Monaten sowie acht Jahren jedoch doppelt so hoch aus wie in den anderen Einheiten. Neben einer möglichen statistisch bedingten Fehlerquelle für 80% aller Soldaten konnte die exakte Dienstdauer nicht errechnet werden könnten die erheblichen Divergenzen mit der besonderen Vertragspolitik der jeweiligen Chefs, die eher an längerfristigen Dienstkontrakten interessiert waren, erklärt werden. In einem zweiten Auswertungsschritt werden alle Soldaten, deren Zugangs- und/oder Abgangsdatum deshalb nicht ermittelt werden konnte, weil die Männer bereits vor dem 1. Juni 1722 Regimentsmitglied waren bzw. nach dem 31. Mai 1741 noch unter Druchtleben ihren Dienst versahen, dem in Tabelle 22 erfaßten Personenkreis zugeschlagen. Von der weiteren Wertung blieben nun lediglich noch solche Soldaten ausgenommen, deren Zu- bzw. Abgangsmonat während des Untersuchungszeitraumes nicht ermittelt werden konnte bzw. deren Anwerbung oder Entlassung in den »dunklen« Jahren geschah70. Die —
68
—
Berechnungsverfahren wurde auf eine Berücksichtigung des Regiments Block verzichtet, geringe Zeitraum von acht Jahren das Ergebnis verzerrt hätte.
In diesem
da der 69
Schüssler, Reichsstadt Heilbronn, S. 267.
70
War ein Soldat sowohl vor als auch nach diesem nicht erfaßbaren Zeitraum Mitglied des Regiments, wurde davon ausgegangen, daß er die vier Jahre ununterbrochen gedient hatte. Auf diese Weise konnte auf insgesamt 1437 Soldaten (66 Prozent aller Erfaßten) zurückgegriffen werden.
90
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Tabelle 23 Verweildauer/Dienst jähre von 1437 Soldaten des Regiments Druchtleben und den sieben Kompanien, aufgeteilt in neun Intervalle Kompaniel Kompanie2 Kompanie3 Kompanie4 Kompanie5 Kompanie6 Kompanie7 Regiment Sold Sold I % Sold % Sold I % Sold Sold I % Sold | % Sold I %
Intervalle
1 Monat 1—6 Monate
0,5 11,7 6,1 23,9 13,6 6,1 11,7 13,1 13,1
6—12 Monate 1—2 Jahre 2—4 Jahre 4—6 Jahre 6-10 Jahre 10—15 Jahre >
15 Jahre
213
Summe
100,0
20
0,0 9,3 6,7 17,6 21,2 10,4 18,1 6,2 10,4
193
100,0
0 18 13 34 41
20
35 12
4
2,1
11
15
8,0
26
21
33
11,2 17,6 14,4 8,0 12,8 8,0 17,6
187
100,0
33 27 15 24
15
21
4,9 11,7 5,4 22,5 14,9 7,7 16,7 6,8 9,5
222
100,0
12 50 33 17 37
15
23
1,1 7,9 14,3 22,2 13,2 12,7 11,1 5,3 12,2
189
100,0
2
15 27 42 25 24 21 10
9 16
4,0 7,1
1 26
0,5 12,4
28
1,9
141
21
10,0
110
56
26,8
326
22,7
25
217 119
15,1 8,3
214
14,9
14
11,9 2,9 18,7 6,7
110
26
1,3 26,8 16,5 10,7 14,7 7,1 11,6
9,8 7,7
21
10,0
172
7,7 11,9
224
100,0
209
3 60 37 24
33 16
6 39
100,0 1437 100,0
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegenbenen Jahre. Erläuterung: Sold Anzahl der Soldaten (ohne Offiziere) % Prozentsatz pro Kompanie Regiment (Bezugsgröße ist die jeweilige Summe). =
=
bzw.
Tabelle 24
Verweildauer/Dienstjahre von 1115 Soldaten des Regiments Block und den sieben Kompanien, aufgeteilt in sieben Intervalle. Intervalle
Kompaniel Kompanie2 Kompanie3 Kompanie4 Kompanie5 Kompanie6 Kompanie7 Regiment Sold I % Sold I % Sold I % Sold I % Sold I % Sold I % Sold I % Sold I % 2,5 5,5 7,4 18,4 17,8 12,9 35,6
1 Monat
1—6 Monate
6—12 Monate 1—2 Jahre 2—4 Jahre 4—6 Jahre >
6 Jahre
Summe
163
3 13 11 34 35
21 53
1,8 7,6 6,5 20,0 20,6 12,4 31,2
15
0,6 5,8 5,8 25,3 9,1 9,7
67
43,5
1 9
9 39 14
4
11 12 33 30
2,4 6,7 7,3 20,0
0
5
0,0 3,3
7
4,7
25 37
21
18,2 12,7
54
32,7
58
18
16,7 24,7 12,0 38,7
100,0 170 100,0 154 100,0 165 100,0 150 100,0
167
0,6 5,9 10,2 19,8 16,8 13,8 32,9
20
100,0
146
2
1,4
15
7
4,8
64
13
8,9 13,7 17,1 10,9 43,2
25 16
63
zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Anzahl der Soldaten (ohne Offiziere); % Prozentsatz pro Erläuterung: die ist (Bezugsgröße jeweilige Summe). Regiment
Quelle:
StAGö AB
Sold
81 214 198 135 408
1,3 5,7 7,3 19,2 17,8 12,1 36,6
100,0 1115 100,0
Belege
-
=
Kompanie
bzw.
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment und Kompanie
91
errechnete Verweildauer wurde in neun Intervalle aufgeteilt71. Mit einem ähnlichen Verfahren wurde die Verweildauer von 1115 Soldaten des Regiments Block berechnet72. Da allerdings nur acht Jahre berücksichtigt wurden, mußte die Disposition der Intervalle leicht variiert werden. Fast jeder fünfte Rekrut (19,4%) im Regiment Druchtleben bzw. fast jeder siebte Geworbene (14,3%) im Regiment Block blieb weniger als ein Jahr Soldat. Die größte Gruppe bildeten diejenigen, die sich für ein bis vier Jahre verpflichtet hatten (Regiment Druchtleben: 37,8%; Regiment Block: 37%). Offensichtlich wurde dieser Zeitraum von solchen Bewerbern bevorzugt, die nur temporär an einem Militärdienst interessiert waren und ihren Lebensschwerpunkt eher auf eine zivile Beschäftigung legten. Andere Motive können den insgesamt 282 Soldaten (19,6%) im Regiment Druchtleben unterstellt werden, die länger als zehn Jahre blieben und damit das Soldatendasein zu ihrem Beruf erkoren hatten. Fast 12% blieben sogar länger als 15 Jahre. Die Verhältnisse in den Kompanien weichen teilweise deutlich voneinander ab. Beträgt der Anteil der vier bis sechs Jahre Dienenden in der 7. Kompanie (Druchtleben) nur 2,9 %, so macht er in der 5. Kompanie 12,7% (Druchtleben) aus. Umgekehrt beziffert sich der Anteil der sechs bis zehn Jahre Militärdienst Leistenden in der 7. Kompanie (Druchtleben) auf 18,7%, in der 5. Kompanie (Druchtleben) nur auf 11,1%. Diese Verschiebungen im Gefüge der einzelnen Intervalle, es ließen sich noch weitere Beispiele anfügen73, sind Indiz für eine kompanietypische Gestaltung der einzelnen Dienstkontrakte. In einem dritten Berechnungsmodus wurde die abgangsbedingte sukzessive Verminderung derjenigen Soldaten ermittelt, die zu Beginn der beiden Untersuchungszeiträume ihren Militärdienst versahen. In Tabelle 25 ist das zahlenmäßige Verhältnis von diesen »dienstälteren« Soldaten und den jeweils Neuhinzugekommenen aufgeführt. Die Abnahme der »dienstälteren« Soldaten verläuft in beiden Regimentern weitgehend parallel. Im ersten Jahr verlassen lediglich 3 bzw. 4 Prozent der Soldaten das Regiment, der stärkste Verlust tritt im zweiten Jahr ein: 1724 bzw. 1750 bestehen die Regimenter bereits aus 20% bzw. 13 % Neuhinzugekommenen. Zwischen dem dritten und dem siebten Jahr verringert sich die jährliche Abgangsquote von 9 bzw. 8 Prozentpunkte auf 5 Prozentpunkte. Nach 18 Jahren am Ende des Untersuchungszeitraumes beträgt der Anteil der bereits am l.Juni 1722 dem Regiment Druchtleben angehörenden Soldaten nur noch 13%. Dieses Verfahren ist jedoch nicht unproblematisch, da die Dienstdauer der vor dem l.Juni 1722 Angeworbenen bzw. nach dem 31. Mai 1741 Abgegangenen nicht berechnet werden konnte und deshalb tendenziell die kürzeren Intervalle zu Lasten der langfristigen Dienstverträge stärker hervortreten werden, als dies der Realität entspricht. Von den insgesamt 1302 erfaßten Soldaten des Regiments Block konnte in 1235 Fällen (95%) entweder der Zu- und Abgangsmonat während des Untersuchungszeitraumes fixiert werden, oder es lagen der Zugang vor dem 1. Dezember 1748 bzw. der Abgang nach dem 30. November 1756. Um Verfälschungen zu vermeiden, wurden jedoch die gleich zu Beginn des Untersuchungszeitraumes im Dezember 1748 reduzierten 120 Soldaten nicht in Tabelle 24 aufgenommen, so daß sich die Zahl auf 1115 (86%) verringert. Die Kompanie 3 (Block) bestand zu 43,5 % aus Männern, die mehr als sechs Jahre dienten, jedoch nur zu 9,1 % aus Soldaten, die zwei bis vier Jahre Mitglied waren. Diese Verhältnisse kehrten sich bei der 2. Kompanie (Block) um: Die Einheit setzte sich zu 31,2% aus Soldaten zusammen, die länger als sechs Jahre dienten, und zu 20,6% aus Männern, die zwischen zwei und vier Jahren der Kompanie angehörten.
Dritter Teil: Lebens- und
92
Dienstbedingungen der Soldaten
Tabelle 25 Anteil der verbleibenden Soldaten, die am l.Juni 1722 bzw. am 1. Dezember 1748 den Regimentern Druchtleben und Block angehörten, 1722-1724, 1729-1740 und 1748-1756
Regiment Block Stichtag 1. Dezember
Regiment Druchtleben Stichtag l.Juni Jahr
Soldaten
Soldaten
Gesamt
von
1722
Anteil in %
Jahr 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755 1756
1722 1723 1724
580 580 490
580 556 393
100 96 80
1729 1730 1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740
700 666 651 673 687 690 679 696 696 694 694 703
256 238 214 198 183 175 165 153 127 114 102 91
37 36 33 29 27 25 24 22 18 16 15 13
Quelle:
StAGö AB
Erläuterung:
Soldaten
Soldaten
Gesamt
von
1748
754 596 549 494 455 411 384 352 327
754 617 630 616 630 617 621 623 805
Anteil in % 100 97 87 80 72 67 62 57 41
Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre.
Soldaten Gesamt
=
Werte
aus
den Tabellen 11 und 14
(ohne Offiziere).
Alle drei Auswertungsverfahren haben gezeigt, daß sich trotz eines immer noch respektablen Anteiles von Männern mit mehr als 10 oder 15 Dienstjahren die beiden Regimenter in der Mehrzahl aus solchen Soldaten zusammensetzten, die weniger als acht, hauptsächlich ein bis vier Jahre Regimentsmitglied waren. »Berufssoldaten«, solche also, die lebenslang oder über einen sehr langen Zeitraum Soldat waren, stellten deutlich die Minderheit74. Dies ist ein weiterer Beleg für die bereits vereinzelt von der Forschung beobachtete, sich allmählich abzeichnende Verkürzung der Dienstzeit: Im 17. und noch im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts waren langfristige, wenn nicht sogar lebenslange Verpflichtungen üblich75. Darauf weist nicht nur das Greisenalter der Entlassenen 74
75
Die Aussage muß natürlich auf den begrenzten Untersuchungszeitraum und die beiden in Göttingen stationierten Regimenter beschränkt bleiben. Die Männer konnten nach ihrem Abschied durchaus wieder in ein anderes Regiment eintreten. Hansen, Problematik einer Sozialgeschichte, S. 448, resümiert: »Der angeworbene Soldat diente seit dem
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment und Kompanie
93
hin76, sondern auch die in manchen Reichsständen und Territorien gebräuchliche Bevor-
lebenslanger bzw. unbefristeter Dienstverträge77. Im Laufe des 18. Jahrhunderts änderte sich dies. In Frankfurt/Main wurden die Soldaten seit 1750 nur noch für vier Jahren verpflichtet, in Heilbronn wurden Dienstkontrakte zwischen einem und maximal zwölf Jahren üblich, häufigste Vereinbarungsdauer waren sechs Jahre78. Ernst Willi Hansen sieht diese Veränderung vor allem in dem stark angewachsenen Rekrutenbedarf begründet79. In dem Maße, wie die stehenden Heere immer mehr Soldaten rekrutierten, mußten die Werber auch Männer annehmen, die nicht mehr dem Berufsbild des lebenslang bzw. unbefristet dienenden Söldners aus dem 17. Jahrhundert entsprachen. Dieser neue Personenkreis setzte sich nun aus Handwerksgesellen oder Tagelöhnern zusammen, die nur noch an kurzfristigen bzw. befristeten Verpflichtungen interessiert waren. Für sie war der Militärdienst nur eine von mehreren Möglichkeiten, sich zu verdingen und ein Auskommen zu finden. Dem Militärdienst kam auf diese Weise eine gewisse Pufferfunktion zu, die bereits in der monatlichen Fluktuation von Aufnahme und Abgang sichtbar wurde (Tabellen 16—18): War ein Geselle arbeitslos, konnte er die ökonomische Krise in Uniform überbrücken; fand er eine Anstellung bei einem Meister, zog er diese dem Dienst mit der Waffe vor und die Uniform zum nächst möglichen Termin aus. So begreift auch Carsten Rüther das Leben als Soldat im 18. Jahrhundert lediglich als Lebensabschnitt und mißt dem Militärdienst »den Stellenwert einer Gelegenheitsarbeit« bei, die »nur von Zeit zu Zeit angenommen« wurde80. Die Einstellung des Tuchmachergesellen Johann Hermann Holborn zum Soldatenberuf mag stellvertretend für ähnliche Denkweisen anderer Handwerker oder Tagelöhner stehen81. Als Holborn nach beendeter vierjähriger Dienstzeit im März 1724 das Regiment Druchtleben verließ, lebte er drei Jahre in Göttingen mehr schlecht als recht von Gelegenheitsarbeiten, so daß er und seine Frau ständig am Rande des Existenzminimums standen. Im Februar 1727 wurde er von einem Werber seiner alten Kompanie angesprochen, »ob er nicht noch einmal wolte wieder mitgehen?« Unter Hinweis auf seine momentane Lage riet dieser ihm: »Wenn ich [an] eurer Stelle wäre, [würde ich] ein Stück Handgeld nehmen, es [würde] euch [dann] beßer [gehen], [als] daß ihr euch so glauben müßet.« Hierauf entgegnete der Geselle: »Er hätte es noch nicht abgesaget, sondern er hätte noch etlang vor, wenn ihm die Tuchmacher-Gilde nicht wolte auff- und zunehmen, daß er konte Meister werden, so wolte er bey des Herren Obristen Compag. Soldat werden.« Holborn zugung
16. Jahrhundert im
S. 226f. Die in 76
77
allgemeinen für unbestimmte Zeit im Heer.« Vgl. auch Jany, Preußischen Armee,
1700 entlassenen 18 Soldaten hatten im Durchschnitt mehr als 21 Jahre gedient, elf von ihnen mehr als 25 Jahre. Vgl. StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 5.
Göttingen im Jahre
Tessin, Mecklenburgisches Militär, S. 157, weist darauf hin, daß in Mecklenburg-Schwerin 1715 viele über 60jährige entlassen wurden, sogar ein 83jähriger. Der älteste Soldat war ein angeblich 93jähriger Kurländer, vgl. ebd., 177. In Frankfurt/Main wurden die Soldaten lebenslänglich verpflichtet, vgl.
furt, S.33f. 78 Schüssler, Reichsstadt Heilbronn, S. 267. 79
Kracauer, Reichsstadt Frank-
Hansen, Problematik einer Sozialgeschichte, S. 448.
80
Rüther, Menschen auf der Straße, S. 73 f.
81
Der
folgende Vorfall in NHStA Hannover,
Hann. 47
I, Nr. 41 vol. III bzw. vol. IV
94
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
zog offensichtlich eine Arbeit als Tuchmacher in Göttingen mit der Möglichkeit, sich hier später als Meister niederlassen zu können, dem Soldatenberuf vor. Nur im Notfall wäre für ihn ein erneuter Militärdienst in Frage gekommen. Der Dienstkontrakt wäre dann sicherlich wieder auf maximal vier Jahre begrenzt gewesen. Da Holborn wenig später eine Anstellung als Tuchmachergeselle fand, konnte er das Angebot des Werbers abschlagen. Ob sich seine weiteren Hoffnungen erfüllt haben, ist allerdings nicht bekannt. Holborn war keine Ausnahme. Ähnlich wie für den Tuchmachergesellen galt der Mili-
tärdienst auch für Johann Ignatius Busch82, Andreas Bock83 oder Liborius Töpfer84 lich als zeitlich begrenzte Alternative zum zivilen Broterwerb85. G. Exkurs:
ledig-
Lebensalter, Herkunft und Berufsausbildung einiger Soldaten
Alter der Soldaten Da
Altersangaben der Soldaten in den Kompanierollen, die dem Billetamt übergeben
wurden, nicht aufgeführt sind, ist die Rekonstruktion des Lebensaltergefüges der Kom-
panien nicht möglich. Aufgrund überlieferter persönlicher Aufzeichnungen des Gene-
ralleutnants von Block konnte aber das Diensteintrittsalter von 77 Soldaten ermittelt werden, die zwischen dem 27. Januar 1749 und dem 2. Februar 1757 zur 1. Kompanie kamen. Diese wenigen Soldaten (nur 2,2 % aller Männer) können allerdings nicht repräsentativ für alle Mitglieder beider Regimenter stehen. In den Unterlagen von Block sind auch Werbeverzeichnisse für die ihm unterstellte (Leib)Kompanie enthalten86. Diesen Verzeichnissen konnten Name, Alter, Konfessionszugehörigkeit, geographische Herkunft, Höhe des Handgeldes und Name des Werbers entnommen werden. Von den 77 Soldaten war der jüngste Rekrut 15, der älteste 27 Jahre alt. Das durchschnittliche Alter war mit 18 1/2 Jahren außerordentlich niedrig. Eine Verteilung auf vier Altersgruppen ergab, daß fast 64% der Männer zwischen 17 und 20 Jahren alt waren. Bei dreizehn Männern (16,9%) lag das Alter über 20. Fünfzehn waren jünger als 17 Jahre (19,5%). Dieses geringe Alter der Rekruten läßt sich auch in anderen militärischen Korporationen beobachten87. 82
83
Busch diente in der 6. Kompanie zwischen dem 9. März 1733 und dem 26. Oktober 1737 sowie nach einer Pause von gut einem Jahr zwischen dem 13. November 1738 und dem 19. Februar 1740. Auch für die folgenden Beispiele StAGö AB Belege zur Servicerechnung. Bock war vom 29. Oktober 1722 bis zum 5. August 1729 Soldat der 5. Kompanie und nach drei offensichtlich erfolglosen Monaten wieder vom 4. November 1729 bis zum 15. Januar 1731. Töpfer diente wie Bock in der 5. Kompanie vom 30. November 1722 bis zum 16. März 1724 und vom 17. April 1732 bis zum 11. Mai 1736.
—
84
—
Weitere Beispiele: Johann Christoph Herwieg (6. Kompanie), Jürgen Heine, Christoph Kielholtz, Johann Jürgen Lambrecht (alle 5. Kompanie) oder Frantz Wesemüller (3. Kompanie). 86 Im folgenden StAGö AA Deposita, Nr. 23. 87 In Heilbronn waren alle Angeworbenen zwischen 15 und 35 Jahren alt, vgl. Schüssler, Reichsstadt Heilbronn, S. 249. In Köln war ein 44jähriger Rekrut der mit Abstand älteste Kandidat, 71 % waren zwischen 18 und 29 Jahren alt, vgl. Heuel, Reichsstadt Köln, S. 24 und S. 50f. Im Schwäbischen Kreiskontingent waren über 68% der Rekruten zwischen 20 und 29 Jahren alt, vgl. Kraus, Reichsstadt 85
Augsburg,
S. 303.
I. Personalwirtschaft und
Geographische
95
Organisation von Regiment und Kompanie
Herkunft der Soldaten
erwähnt, sind die Geburts- bzw. Herkunftsorte der in Göttingen dienenden Soldaten nicht in den Kompanierollen aufgeführt worden. Aus anderen Quellen konnte aber für einen Teil der Soldaten der Geburtsort ermittelt werden, so daß einige allgemeine Rückschlüsse auf die landsmannschaftliche Zusammensetzung der Regimenter und damit die Reichweite der Werbeaktivitäten möglich sind. Zusätzlich zu den Herkunftsangaben der 77 Soldaten konnte die geographische Herkunft von weiteren 49 Soldaten zur Berechnung herangezogen werden. Die letztgenannte Gruppe wurde Gefallenenlisten entnommen, die die militärische Führung während des Österreichischen Erbfolgekrieges hatte anfertigen lassen. dies war in 117 Fällen möglich —, wurde mit den Konnte ein Ort kartiert werden üblichen geographischen Hilfsmitteln die Distanz zu Göttingen errechnet. Die durchschnittliche Entfernung in Luftlinie betrug bei den Soldaten Blocks 45 km, bei denen Druchtlebens 41 km. Zieht man jeweils die beiden entferntesten Orte ab88, reduziert sich der Durchschnitt auf 37 km bzw. 35 km. Diese Entfernungen entsprechen in etwa einem ein- bis zweitägigen Fußmarsch. Damit fällt die durchschnittliche Wanderleistung deutlich niedriger aus als bei den zivilen Zuwanderern nach Göttingen, die im Zeitraum von 1744 bis 1755 im Mittel mehr als 110 Kilometer zurücklegten89. Wie bereits
—
Tabelle 26
Durchschnittliche Wanderleistung von 117 Soldaten, getrennt nach Kilometergruppen Druchtleben Anzahl I Prozent
Km-Gruppe 0 (Gott)
Summe
Gesamt Anzahl | Prozent
5 4
2,3 13,6 29,5 34,1 11,4 9,1
2 6 24 21 18 2
2,7 8,2 32,9 28,8 24,7 2,7
12 37 36 23 6
44
100,0
73
100,0
117
1 6 3 15
1-9 10-29 30—59 60-99 > 99
Block Anzahl | Prozent
3
2,6 10,3
31,6 30,8 19,7 5,1
100,0
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. (Regiment Block) Persönliche Unterlagen von Block (StAGö AA Deposita, Nr. 23); (Regiment Druchtleben) Gefallenenlisten von 1746 und 1747 (NHStA Hann. 47 I, Nr. 76). =
=
1
1
Im Regiment Block waren dies Esslingen bei Stuttgart (312 km) und Wöpkendorf bei Rostock (338 km); im Regiment Druchtleben waren dies Hasselbach in Hessen (208 km) und Schiedenhausen bei Osna-
brück (143 km). Vgl. Göttingen 1690-1755,
S. 406f.
96
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen
der Soldaten
Deutlicher Schwerpunkt liegt mit über 60% auf Orten, die zwischen 10 und 60 Kilometer von Göttingen entfernt liegen. Entfernungen von mehr als 100 Kilometer wurden nur sehr selten zurückgelegt und blieben die Ausnahme. Aus Göttingen selbst kamen lediglich drei Soldaten (2,6%). Dies ist erstaunlich, sollte man doch annehmen, daß die greifbare Nähe des jeweils in Göttingen einquartierten Regiments zu einer deutlich höheren Zugangsrate geführt hätte. Etwa jeder zehnte Rekrut kam aus einem Dorf, das in der näheren Umgebung von Göttingen in einer Entfernung von bis zu neun Kilometern lag. Die Kartierung der 126 Orte (von neun Orten konnte zwar eine territoriale Zuordnung vorgenommen, nicht jedoch die genaue Entfernung gemessen werden) ermöglicht außerdem Aussagen über die landsmannschaftliche Gliederung der Soldaten. Wie in Tabelle 27 deutlich wird, bestand fast die Hälfte des erfaßten Personenkreises aus »Landeskindern«. Dies entspricht in etwa den von Tessin für einzelne Regimenter Mecklenburg-Schwerins oder von Kraus für das Schwäbische Kreiskontingent oder das Augsburger Stadtmilitär Tabelle 27 Territoriale Herkunft
von
126
Soldaten
Druchtleben Zahl I %
Territorium Kfstm. Braunschweig-Lüneburg Erzbm. Mainz (Eichsfeld) Fstm. Schwarzburg-Sondershausen Ldgrft. Hessen-Kassel Fstm. Schwarzburg-Rudolstadt Bstm. Fulda Fstbstm. Hildesheim Reichsstadt Nordhausen
20 10 0 5 0 3 2 0 1 2 1 0
Hzgtm. Braunschweig-Wolfenbüttel
Bstm. Paderborn Reichsstadt Mühlhausen Reichsstadt Esslingen Fstm. Waldeck
1 1 1 1 1
Stift Corvey Fstbstm. Osnabrück Fstm. Sachsen-Meiningen Fstm. Hessen-Nassau
Kfstm.
Brandenburg Hzgtm. Mecklenburg-Schwerin
0 0
Summe
49
40,8 20,4 0,0 10,2
Block Zahl I %
41,6 18,2 27,3 0,0 3,9 o.o
0,0
32 14 21 0 3 0 1 2 1 0 c 1 0 0 0 0 0 1 1
100,0
77
| 100,0
0,0 6,1 4,1 0,0 2,0 4,1 2,0 0,0 2,0 2,0 2,0 2,0
2,0 0,0
1,3 2,6 1,3 0,0 0,0 1,3 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 1,3 1,3
Gesamt
Zahl I
%
52 24 21 5 3 3 3 2 2 2
41,3 19,0 16,7 3,9 2,4 2,4 2,4 1,6 1,6 1,6 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8 0,8
126
100,0
Quelle: StAGö AB Beleg zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterungen: Kfstm. Kurfürstentum; Fstm. Fürstentum; Ldgrft. Landgrafschaft; Fstbstm. Fürstbistum; Bstm. Bistum; Hzgtm. Herzogtum; Erzbm. Erzbistum. =
=
=
=
=
=
=
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment
und
Kompanie
97
errechneten Anteils90. Vereinzelt konnte aber von diesem Verhältnis deutlich nach oben oder unten abgewichen werden. Die preußische Armee setzte sich hauptsächlich aus Soldaten zusammen, die aus anderen Territorien kamen91; in Kursachsen lag der Anteil von »Landeskindern« 1730 bei 89 Prozent. Mehr als die Hälfte der erfaßten Soldaten kam aus anderen Territorien des Reiches; achtzehn aufgelistete Fürstentümer vermitteln einen Eindruck von der »unnationalen Gesinnung« der Werber. Große Bedeutung für beide Regimenter kam dem nur wenige Kilometer entfernten, zum Erzbistum Mainz gehörenden Eichsfeld zu; jeder fünfte Rekrut kam von dort. Im Vergleich beider Regimenter deuten sich einige Verlagerungen an. Warben Druchtlebens Soldaten eher im Süden (Hessen-Kassel, Fulda, Nassau) und Westen (Paderborn, Corvey, Osnabrück), so legten die Werber des Regimentes Block ihren Tätigkeitsschwerpunkt auf den Norden und Südosten, wichtigstes Rekrutierungsgebiet neben dem Eichsfeld war das kleine Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen. >AusländerLandeskindern< zwischen 36% und 50%, vgl. Tessin, Mecklenburgisches Militär, S. 175 f. Der Anteil von Augsburgern im Augsburger Stadtmilitär lag zwischen 1650 und 1720 zwischen 40% und 50%, vgl. Kraus, Reichsstadt Augsburg, S. 298-300. Zwei Drittel kamen aus anderen Territorien, vgl. Thum, Rekrutierung der sächsischen Armee, S. 3, S. 89 und S. 8. Die Werber hätten Landmiliz abgeworben, seien heimlich in die Wirtshäuser gegangen und hätten als Zivilisten verkleidet großgewachsene Männer angeworben. Diese Vorwürfe wiederholte die Kriegskanzlei in Briefen an Block und ermahnte den General, sich künftig solcher illegaler Methoden zu enthalten: Mitteilungen vom 10. Dezember 1749, 6. Juli 1751 und 20. Januar 1755, sowie 8. April 1750 (Kurmainz); StAGö AA Deposita, Nr. 23. So führt Wolf, Diplomatische Geschichte, S. 136, an, daß die Kirche im zehn Kilometer entfernten Nörten 1721 ausgebaut werden mußte, weil das Regiment Druchtleben »größtentheils aus Katholiken bestand und zu Nörten dem Gottesdienste beiwohnte, weil in jener Stadt [i. e. Göttingen] keine katholische Kapelle war«. Vgl. auch Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen, Bd II, S. 103.
Dritter Teil: Lebens- und
98
Dienstbedingungen der Soldaten
der 1. Kompanie des Regiments Block ergab denn auch, daß 60 (79%) lutherischen, 14 (18 %) katholischen Glaubens waren und zwei Soldaten (3 %) der reformierten Kirche
ten
angehörten. Die heterogene religiöse Zusammensetzung der Einheiten war nichts Ungewöhnliches und kam auch in anderen militärischen Korporationen vor94. Zivilberufe der Soldaten Eine Auswertung der 77 Rekruten der »Leibkompanie« Block ergab, daß 28 (36,4%) zuvor einen erlernten Zivilberuf ausgeübt hatten. Bei 49 (63,6%) Soldaten fehlt jede Berufsangabe95. Hauptsächlich vertreten waren Berufe der tendenziell überbesetzten Textilverarbeitung96. Schneider oder Leineweber waren weder sozial besonders angesehen noch ließ sich mit diesem Beruf sonderlich viel Geld verdienen. Ähnliches galt für den angeworbenen SchuTabelle 28
Berufliche 1.
Vorbildung von 28 Rekruten der Kompanie des Regiments Block
Berufsgruppe 1. Textilverarbeitung (Schneider, Leineweber, Hutmacher) 2. Holzverarbeitung (Zimmermann, Sägemüller) 3. Schmiede (Schmied, Grobschmied) 4. Musiker (Musikant, Tambour) 5. Landwirtschaft (Gärtner) 6. Lederverarbeitung (Schuster, Sattler) 7. Nahrungsgewerbe (Bäcker) Summe
Quelle: 94
Soldaten 11 5 4
3 2 2
1
28
StAGö AA
Deposita,
Nr. 23.
Von 260 Soldaten der Stadt Köln waren 195 katholisch (75%), 46 lutherisch (18%) und 19 reformiert (7%), vgl. Heuel, Reichsstadt Köln, S. 51. In Frankfurt/Main betrug das Verhältnis 72,8%
(Lutheraner), 13,5% (Katholiken), 13,7% (Reformierte), vgl. Kracauer, Reichsstadt Frankfurt/Main, S.32.
95
Kracauer, Reichsstadt Frankfurt/Main, S. 32, errechnet für das Frankfurter Militär einen Anteil von 62% Soldaten, die keine berufliche Vorbildung hatten (1732). In anderen militärischen Korporatio-
konnte der Anteil ungelernter Soldaten jedoch erheblich geringer ausfallen. So hatten im Schwäbischen Reichskreis zwischen 1730 und 1747 35%—45% aller Soldaten keine Berufsausbildung, vgl. Kraus, Reichsstadt Augsburg, S. 301. Textilverarbeitende Berufe waren unter den in Köln geworbenen Soldaten mit 34 % ebenfalls am stärksten vertreten, vgl. Heuel, Reichsstadt Köln, S. 51—52. Der Anteil von Webern und Schneidern unter den Schwäbischen Kreissoldaten schwankte zwischen 21% und 28%, vgl. Kraus, Reichsstadt Augsburg, S. 301. nen
96
I. Personalwirtschaft und
Organisation von Regiment und Kompanie
99
Qualifiziertere Berufe wie Perückenmacher, Goldschmied, Buchbinder, Ofensetzer oder Handschuhmacher waren nicht verzeichnet97. Offensichtlich trieb die angeworbenen jungen Männer vor allem die ungenügende Einkommensaussicht in ihren Berufen dazu, sich für eine bestimmte Zeit als Soldat zu verdingen98. Nur zwei der 77 Rekruten konnten bereits eine militärische Ausbildung vorweisen. Dies war zum einen der 21jährige Tambour Arend Heinrich Öhlerking aus Osterode und der ebenfalls zum anderen 21jährige Johann Jürgen Müller aus Lindau im Eichsfeld, der zuvor zwei Jahre als Dragoner gedient hatte99. Die große Mehrheit verfügte jedoch über keine einschlägigen Erfahrungen und wurde zum ersten Mal Soldat100. ster.
H.
Zusammenfassung
Die Kompanien waren nicht nur militärorganisatorische und taktische, sondern vor allem wirtschaftliche Einheiten. Der Kompaniechef fungierte als »Firmenchef« und militärischer Vorgesetzter zugleich. Mit einer spezifischen Personalpolitik, die sich an den Vorgaben der Kriegskanzlei zu orientieren hatte, mußte er einen Ausgleich zwischen eigenen finanziellen Interessen und militärischen Erfordernissen finden. Eine Gegenüberstellung der Sollstärke mit dem tatsächlichen Personalumfang ergab, daß der Sollwert vom Chef auf Dauer eingehalten und nur kurzfristig unterschritten wurde. Die Auswertung der durchschnittlichen Kompaniesollzahlenabweichungen in Abhängigkeit vom
Kommandowechsel verdeutlicht die jeweils eigenständige Personalpolitik des Hauptmanns. Dieser war jedoch vor allem vom Rhythmus einer stark agrarisch orientierten Lebensweise und damit dem Zyklus von Aussaat und Ernte abhängig, wie die saisonalen Aufnahmen und Abgänge von Soldaten zeigen. Im Frühling und Sommer verließen viele Männer die Armee, im Herbst und Winter trat eine große Zahl in den Militärdienst ein. Lediglich in Krisenjahren nahm die Armeeführung auf die jahreszyklischen Bedürfnisse des zivilen Arbeitsmarktes keine Rücksicht. Die Verweildauer bzw. vereinbarte Dienstzeit der Soldaten veranschaulicht zweierlei: Zum einen wird wiederum die kompaniespezifische Personalpolitik des Chefs deutlich. Zum anderen zeigt sich, daß im Vergleich zum 17. Jahrhundert immer weniger Soldaten die Absicht hatten, langfristig oder sogar lebenslang zu dienen. Der Militärdienst erwies sich immer stärker als Gelegenheit, lebenszyklische Existenzkrisen für ein, zwei oder auch vier Jahre zu überbrücken.
Ebd., S. 207: »Nahezu vollkommen fehlten dagegen qualifiziertere Berufe der Schmuck- und Papierbranche, die ja einen nicht geringen Anteil am Augsburger Gewerbeleben einnahmen.«
Die Berufe der zivilen Zuwanderer nach
Göttingen waren eher qualifizierter und spezialisierter. Vgl. Göttingen 1690-1755, Tabellen VIII, IX und X. Öhlerking wurde am 25. Juli 1755 geworben, Müller am 1. August 1749, vgl. StAGÖ AA Deposita,
Nr. 23.
Demgegenüber hatten von 260 in Köln geworbenen Männern bereits 205 (fast 80 %) bereits zuvor »Kriegsdienste« verrichtet, vgl. Heuel, Reichsstadt Köln, S. 52.
100
Dienstbedingungen der Soldaten II. Soldaten, Frauen und Kinder
Dritter Teil: Lebens- und
Da Frauen und Kinder von Soldaten auch zur Militärbevölkerung zählten, unterlagen sie ebenfalls in gewissem Rahmen der Verwaltungspraxis der Kompaniechefs und unterstanden dem »Kriegsrecht«. Die Angehörigen von Soldaten wurden von der Forschung jedoch bislang weitgehend ausgeblendet. Die meisten Autoren begnügten sich mit einem allgemeinen Hinweis auf die Existenz von Soldatenfamilien und versuchten allenfalls eine grobe quantitative Schätzung des Verheiratetenanteiles. Aufgrund der Angaben in den Kompanierollen können nun zum erstenmal konkrete Zahlen vorgelegt werden. Eine Berücksichtigung der Frauen und Kinder ist auch deshalb unerläßlich, um Einblicke in das »Sozialsystem Militär« zu gewinnen. A.
Ehe, Konkubinat und
Prostitution
Verheiratete Soldaten In den Tabellen 29 und 30 sind die Anzahl der Frauen und der daraus
folgende Prozent-
verheirateter Soldaten der Regimenter Druchtleben und Block angegeben. Im Regiment Druchtleben betrug die Verheiratetenrate in den ersten drei Jahren im Schnitt deutlich mehr als 40%, verringerte sich von 1722 (45,8%) bis 1729 um fast 15% auf nunmehr 31,1%. Nach leichten Steigerungen in den folgenden Jahren blieb der durchschnittliche Verheiratetenanteil bei 35,5% und erreichte in diesem Zeitraum auch in einzelnen Jahren die 40%-Marke nicht mehr. Die durchschnittliche Quote für den gesamten Zeitraum bzw. die erfaßten Jahre beträgt 37,9%; etwas mehr als jeder dritte Soldat war also verheiratet. Im Regiment Block lag der Prozentsatz niedriger, im Jahresmittel waren nur 26,9% der Männer verehelicht. Der zeitliche Verlauf der jährlichen Quote vollzog sich jedoch in entgegengesetzter Richtung wie im Regiment Druchtleben: Von 1748 bis 1755 stieg die Rate kontinuierlich von knapp 20% um mehr als zehn Prozentpunkte auf über 31% an101. Diese Zahlen widersprechen eindeutig der Auffassung Michael Mitterauers, Soldaten hätten zu den »zwangszölibatären Männern« gehört102. Verheiratetenanteile zwischen 30% und 50% wurden auch in anderen militärischen Korporationen erreicht und sogar übertroffen. In Preußen war »meist die Hälfte« verehelicht103, in Mecklenburg-Schwerin lag satz
loi
102
103
j)¡e Verhältnisse in den Kompanien wichen teilweise erheblich von der Regimentsquote ab. Im einzelnen wurden im Regiment Druchtleben Werte von mehr als 40% oder sogar 50% erreicht. Die höchsten Raten der Block unterstellten Kompanien lagen bei 34%. Niedrigste Quoten waren jeweils zwischen 18,6% und 25% (Druchtleben) bzw. 15,2% und 18,8% (Block). Mitterauer, Ledige Mütter, S. 72. Hinze, Arbeiterfrage, S. 176. Die von Hinze zusammengestellten Zahlen beziehen sich auf einzelne
Jahre: 1754, 1766, 1776,
1780 und 1786.
Soldaten,
II.
101
Frauen und Kinder
Tabelle 29 Frauen von Unteroffizieren und Mannschaften (Verheiratetenanteil) im Regiment Druchtleben und den sieben Kompanien 1722-1724, 1729-1740. Stichtag l.Juni*
Jahr
Komp. 1
Ehe I %
Komp. 2 Ehe
%
Komp. 3 Ehe 1 %
Komp. 4
Ehe I %
Komp. 5 Ehe I %
Komp. 6
Ehe I %
Komp. 7 Regiment
Ehe I %
Ehe I %
1722 1723 1724
34 38 25
42,5 46,3 36,8
43 43 35
59,7 55,1 53,0
39 36 28
49,4 44,4 41,2
38 40 31
45,2 49,4 46,3
34 29 20
41,5 35,8 29,4
31 30 22
38,3 40,0 32,4
37 35 25
46,3 43,2 39,1
256 45,8 251 44,9 186 39,7
1729 1730 1731 1732 1733 1734 173* 1736 1737 1738 1739 1740
30 28 27 28 30 35 32 35 31 30 29 31
30,0 29,8 29,0 29,5 30,9 35,7 33,3 34,7 29,8 29,7 28,4 29,2
39 38 36 37 35 45 42 42 43 40 33 33
40,2 31 40,9 36 40,0 36 40,7 37 37,6 37 48,4 34 44,7 36 43,3 35 43,4 33 39,6 33 34,4 33 34,4 29
31,3 37,9 39,1 40,2 38,5 35,4 37,5 36,8 35,1 34,7 34,7 33,3
33 35 37 33 37 44 45 45 38 29 29 27
36,7 18 41,7 25 41,1 22 36,7 24 40,7 28 46,8 33 48,9 37 48,9 38 40,9 41 32,9 37 30,9 40 27,3 42
18,6 26,3 23,9 25,0 28,0 34,7 38,9 39,6 44,1
28 32 27 29 27 31 31 33 29 26 28 26
28,3 33,3 29,3 30,9 28,4 31,6 34,4 33,0 29,9 26,0 29,2 25,2
32 31 30 37 39 37 37 36 39 39 37 36
32,9 35,2 36,6 39,4 41,5 38,9 38,9 38,3 41,1 41,1 38,1 36,0
211 225 215 225 233 259 260 264 254 234 229
39,8 43,0 46,2
224
31,1 34,9 34,1 34,5 34,9 38,7 39,5 39,1 37,6 34,8 34,0 32,8
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Tabelle 30 Frauen von Unteroffizieren und Mannschaften (Verheiratetenanteil) im Regiment Block und den sieben Kompanien 1748—1755.
Stichtag Jahr
Komp.
1
Ehe I % 1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755
16 18 22 24 28 25 23 30
15,2 21,4 25,3 28,9 32,2 29,8 27,1 34,1
Komp. 2 Ehe I % 20 22 24 23 25 23 21 24
18,5 25,6 27,3 26,1 29,4 26,7 24,7 27,6
Komp. 3 Ehe I % 22 24 25 24 26 27 28 29
21,4 27,9 29,1 28,6 29,9 31,0 32,9 34,1
1. Dezember*
Komp. 4
Ehe I % 20 21 23 22 21 22 23 24
20,2 24,7 23,5 25,6 24,4 25,6 26,1 28,2
Komp. 5
Ehe I % 23 22 24 24 27 26 24 29
20,7 25,9 27,3 28,6 31,4 32,1 27,9 34,1
Komp. 6 Ehe I % 19 19 25 26 26 26 24 27
18,8 22,9 29,1 30,6 28,9 30,9 28,9 31,4
Komp. 7 Regiment
Ehe 24 20 22
22 25 24 21 26
Ehe I %
22,6 22,7 25,6 25,9 28,4 27,3 23,9 30,2
144 19,6 146 24,5 165 27,1 165 27,7 178 29,2 173 29,0 164 27,3 189 31,4
StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Anzahl der Frauen; % Anteil der verheirateten Soldaten. Bezugsgröße ist die l.Juni bzw. am 1. Dezember ermittelte Gesamtstärke, vgl. Tab. 11, 12 und 14.
Quelle: *
Ehe am
-
=
jeweils
102
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
die Quote je nach Regiment zwischen 52% und 73 %104 und in Frankfurt/Main der Anteil Verheirateter 1733 30% und 1753 63 %105.
betrug
Heiratsbeschränkungen und Regulierung der Frauenquote Eheschließung war jedoch nicht in das Belieben der Soldaten gestellt; gleichzeitig blieb auch der Frauenanteil in den Regimentern nicht dem Zufall überlassen, vielmehr wurde er massiv reguliert. Neben den Studenten und Dienstboten zählten die Soldaten106 zu der Bevölkerungs- bzw. Berufsgruppe, deren Heiratsbegehren besonders repressiv von der (Militär-) Obrigkeit behandelt wurde107. Wollte sich ein Soldat verehelichen, mußte er seinen Regimentschef um Erlaubnis bitten. Nach positiver Prüfung des Gesuchs erhielt der Soldat von diesem einen »Consensschein«, den er dem Pfarrer vorzulegen hatte, ehe mit den Vorbereitungen zur Trauung begonnen werden konnte. Davon abgesehen hatten sich die Brautleute an die allgemeinen Heiratsvorschriften zu halten und zu bestätigen, daß »sie ledige Personen, wie auch, daß die Eltern oder Vormündere mit der Heyraht einig seyn«108. Zuwiderhandlungen, also eine »heimliche« oder verbotene Eheschließung, sollten hart bestraft werden. War es nur zu einer Verlobung gekommen, so mußte der Soldat mit einem Jahr Festungsbauhaft rechnen. Bei einer illegalen Heirat bekam der Bräutigam zwei Jahre Festungsbauhaft109, die Braut wurde als »Hure durch den Stöcken-Knecht vom Regiment und aus der Guarnison gejagt«, die Ehe für »null und nichtig« erklärt110. Damit hatte die Frau, war sie inzwischen schwanger geworden, keine Möglichkeit, »Brautschatz« einzuklagen und sich und ihr Kind auf diese Weise zu ernähren. Dem Pfarrer drohte die »Entsetzung seines Dienstes«, wenn er einen Soldaten ohne »Consens« getraut hatte111. Die
Vgl. Tessin, Mecklenburgisches Militär, S. 177. Die ermittelten Werte beziehen sich auf das Jahr 1697. Vereinzelt lag die Quote aber auch mit 15% erheblich unter diesem Satz. 105 Vgl. Kracauer, Reichsstadt Frankfurt, hier S. 79. 106 J5je Beschränkungen galten für einfache Soldaten, Unteroffiziere und die beiden unteren Offiziersränge, vgl. Krieges-Recht oder Articulsbrief, Kap. 6, § 34 und § 35. Das in den »Kriegsartikeln« von 1673 zuerst erwähnte Heiratsverbot ohne Genehmigung fand in den Verordnungen vom 12. November 1678 und 28. März 1687 (LVO, BdII,f. 208) eine Verschärfung. Zu bestrafen waren nun auch Quartiergeber, die eine ungesetzliche »Copulatio« zuließen. Später ist von diesem Passus 104
nicht mehr die Rede.
Heiratsbeschränkungen gab es auch für andere Bevölkerungsgruppen, vgl. Breit, »Leichtfertigkeit«, S. 54—57; sowie Meumann, Findelkinder, Kap. II. 2. 108 Krieges-Recht oder Articulsbrief vom 15. November 1736, Kap. 6, § 37 und § 34. 109 1716 wurde verfügt, daß, wer sich heimlich im Inland verheirate, mit einem Jahr, und wer sich heimlich im Ausland vereheliche, mit zwei Jahren Festungsbauhaft zu rechnen habe, vgl. die Verordnung vom 14. April 1716; CBL, Bd III, S. 73-74. 110 Krieges-Recht oder Articulsbrief vom 15. November 1736, Kap. 6, § 36. 111 Ebd., § 37. In königlichen Reskripten wurde mehrmals darauf hingewiesen, daß »kein Prediger bey Vermeydung willkührlicher Straffe sich unterstehen solle, [...] ohne Vorzeigung eines Consens-Scheines [...] zu copulieren«, vgl. Verordnung vom 14. April 1716; CBL, BdlII, S. 74—75. 107
Bestimmte
II.
Soldaten,
103
Frauen und Kinder
repressiven Ehebestimmungen hatten vor allem ökonomische Gründe. Die Landesregierung wollte verhindern, daß sich die oft mittellosen sowieso nur mit einem kargen Sold ausgestatteten Soldaten mit einer armen Frau verheirateten, um dann nach der Entlassung ohne Aussicht auf ein ausreichendes Einkommen zu vagieren und mit den Kindern zu betteln112. Deshalb sollte der Regimentschef prüfen, ob die »Weibes Person, welche er [der Soldat] zu heurathen gewillet«, dem Mann »an Heuraths Guht« genügend einbringen würde. Verfügten die Brautleute nach Ansicht des Offiziers nicht über ausreichende materielle Werte, verweigerte er ihnen den »Consens«. Immer wieder wurde auch eine Überprüfung der moralischen und sittlichen »Qualitäten« der Braut gefordert. Der Regimentskommandant sollte sich vergewissern, ob die Frau »ein ehrlich Mensch« sei113. Entsprach sie nicht den Anforderungen des Offiziers, wurde sie schnell als »liederlich« oder »höchstverderblich« (für den Soldaten) bezeichnet und die HeiratserlaubDiese
—
—
nis nicht erteilt114. Neben diesen eher allgemeinen und auf die zivile Welt
ausgerichteten Motiven der Heiauch militärische Argumente. ratsbeschränkung gab Eheschließungen mit ausländischem Frauen oder solchen, die ihren Wohnsitz nicht unmittelbar in der Nähe des Soldatenquartiers hatten, sollten deshalb nicht erlaubt werden, weil so der Verdacht der Kriegskanzlei die Soldaten dann von ihnen zur Desertion ermuntert würden115. Für Offiziere und Generalität schien oftmals der militärische Wert< eines Soldaten mit seiner Heirat abzunehmen. Viele vormals »guthe Leute«, so klagte die Generalität 1739, seien nach ihrer Verehelichung nicht mehr zu »gebrauchen« gewesen116. Ein weiterer Grund für die Heiratsrestriktionen war, daß jede neue Frau zwangsläufig die zu erbringende Einquartierungsleistung der Bürger erhöhte. Regiment und Quartierwirt würden dadurch »mit einer übermäßigen Anzahl Weiber belästige[t]«117. Zwar wurde von Kriegskanzlei oder Generalität kein bestimmter Prozentsatz verheirateter Soldaten festgelegt, wiederholt aber darauf gedrungen, die Einquartierungsleistung der Bürger nicht durch zu viele Frauen über Gebühr zu beanspruchen. Ähnliche Überlegungen wurden zum Beispiel im Bistum Würzburg oder im Kurfürstentum Bayern es
—
—
angestellt118.
Andererseits hätte
es auch Argumente für eine großzügigere Genehmigungspraxis von können. Immerhin konnten die Offiziere davon ausgehen, daß geben Heiratsgesuchen
Vgl. Schubert, Bettler und Gauner, S. 139, der die obrigkeitliche Sichtweise in Franken so beschreibt: »man wußte, daß ein Gemeiner nicht in der Lage war, eine Familie zu unterhalten, man wußte um bettelnde Soldatenfrauen und -kinder«. auch Kracauer, Reichsstadt Frankfurt, S. 78. Vgl. 113 »Pro Memoria« vom 30. Juli 1739; NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 79,f. 51 f. 114 Verordnungen vom 20. März 1722 (CBL, Bd III, S. 79-80) und vom 14. Oktober 1740 (LVO, Bd II, f. 214). 112
115
116 117 118
Gesetz vom 10. August 1743; NHStA Hannover, Hann. 74 Reinhausen G 44. Diese vereinfachende Überlegung der Kriegsräte läßt außer acht, daß einem Soldat, der heiraten wollte, aber nicht durfte, kaum etwas anderes übrig blieb, als zu desertieren, vgl. Schubert, Bettler und Gauner, S. 139. »Pro Memoria« vom 30. Juli 1739; NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 79,f. 51 f. Schreiben an den König vom 28. August 1739; ebd., Nr. 79,f. 53ff. Vgl. für Würzburg Sicken, Residenzstadt und Fortifikation, S. 137; und für Bayern Staudinger, Geschichte des kurbayerischen Heeres, Bd II, S. 1288.
Dritter Teil: Lebens- und
104
Dienstbedingungen der Soldaten
Soldat, der auch Familienvater
war, weniger zur Desertion neigen könnte, als ein Mann119. Eine Untersuchung der 56 zwischen 1748 und 1756 lediger ungebundener vom Regiment Block Desertierten ergab, daß 96 % (54) ledig waren. Nur zwei Soldaten (4%) flohen trotz Familie und verließen Göttingen. Beide waren jedoch auch bereits als Verheiratete angeworben worden, hatten also keine Göttingerin geheiratet und damit am Standort auch kaum weitere soziale Bindungen entwickeln können120. Die Offiziere hatten drei Möglichkeiten, den Anteil von Ehefrauen in ihren Einheiten zu regulieren. Erstens konnten sie nur ledige oder verheiratete Rekruten aufnehmen, zweitens die Heiratsgesuche ihrer Soldaten ablehnen oder erlauben und drittens nach
ein
und
Tabelle 31
Heiraten, Verheiratetenanteil und Verehelichungsgrad im Regiment Druchtleben in einzelnen Zeiträumen, 1722—1724, 1729—1741* Zeitraum
l.Juni— 31. Mai
Zahl
1722/23 1723/24 1724/25
17
1729/30 1730/31 1731/32 1732/33 1733/34 1734/35 1735/36 1736/37 1737/38 1738/39 1739/40 1740/41
Angeworbene Soldaten
Heiraten
1 12
1 24 17 11 15 23
17 19 13 4
15 10
Quote in %
0,3 5,5 4,2 0,2 5,7 4,1 2,6 3,5 5,6 4,3 4,6 3,1 0,9 3,4 2,2
davon | Anteil Gesamt I verheiratet 93
12
103
19
65
12
28
9
69
12
92
15
91
16
75
15
62
5
78 101 93 85
3
107
11
105
11
12,9 18,4 18,5 32,0 17,4 16,3 17,6 20,0 8,1 10,3 7,9 8,6 3,5 10,3 10,5
Entlassene Soldaten Saldo von davon I Anteil Werbung u. Entlassung Gesamt I verheiratet in % verheirateter Soldaten 95
29
188
85
64
20
61
17
84
26
86
16
77
19
66
9
66
10
46
13
95
31
86
26
88
19
101 73
23 18
30,5 45,2 31,3 27,9 30,9 18,6 24,7 13,6 15,2 28,3 32,6 30,2 21,6 22,8 24,7
-17 -66
-14 1 -
-
+
3 6 5
-
5
-23 -
—18 -16 -12 7 -
Schnitt
13,3
3,3
83,1
10,9
14,1
85,1
24,1
26,5
-197
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Die Quote der Heiraten wurde auf die Gesamtzahl der Ledigen zu Beginn des Zeitraumes bezogen. *
119
120
Thenius, Kursachsen, S. 124, betont, daß man Heiraten von Soldaten »günstig gesinnt [war], da sie
dadurch enger an das Regiment gefesselt und vom Desertieren abgehalten werden«. Ähnlich wurde in Augsburg argumentiert, vgl. Kraus, Reichsstadt Augsburg, S. 208. Dies waren der am 27. Dezember 1755 geflüchtete Christian Benecke von der 3. Kompanie, der eine Frau und ein Kind zurückließ, und der am 12. Mai 1756 desertierte Wilhelm Kaufmann von der 5. Kompanie, der Frau und drei Kinder zurückließ. Benecke war vier Monate in Göttingen Soldat, Kaufmann acht Monate.
II.
Soldaten,
105
Frauen und Kinder
angeordneten Truppenverringerungen vor allem verheiratete Männer oder ledige Männer
entlassen.
Um die Anwendung und Gewichtung dieser drei administrativen Möglichkeiten zu untersuchen, sind in den Tabellen 31 (Druchtleben) und 32 (Block) Heiratsquote, Verheiratetenanteil von Rekruten und Verehelichungsgrad von Entlassenen gegenübergestellt. Wie in Tabelle 31 deutlich wird, waren unter Druchtleben durchschnittlich 14% aller Rekruten, also etwa jeder siebte, verheiratet. Demgegenüber war jedoch im Schnitt jeder vierte entlassene Soldat verehelicht (26,5 %). Während des gesamten Zeitraumes wurden also stets mehr verheiratete Männer entlassen als aufgenommen (einzige Ausnahme:
1733/34). Insgesamt betrug der rechnerische Verlust 197 Ehepaare. Offensichtlich wurde mittels Anwerbekriterien (möglichst wenig Verheiratete) die als zu hoch empfundene Verheiratetenquote von anfangs über 40% auf etwa 30% gesenkt. Die Abrüstungsverordnung von 1724 ermöglichte den Offizieren zudem eine selektive Entlassung größeren Stils, im Zeitraum 1723/24 wurden 85 verehelichte Soldaten verabschiedet, was beinahe der Hälfte aller Entlassenen entsprach. Das in diesem Jahr erzielte arithmetische Minus von 66 Ehepaaren blieb während des gesamten Zeitraumes unerreicht. Dieser Regulierungsmechanismus läßt sich ein weiteres Mal beobachten. Nachdem von 1731/32 bis 1735/36 nur wenige verheiratete Männer entlassen bzw. anteilig mehr angeworben wurden, stieg die Verheiratetenquote von 34,1% (1731) auf über 39% (1735, 1736) an. In den folgenden drei Jahren kehrte sich das Verhältnis um: Eine verstärkte Anwerbung lediger Männer führte dazu, daß sich die Verheiratetenquote wieder auf 34 % senkte; der angestrebte Richtwert lag vermutlich bei einem Drittel. Tabelle 32
Heiraten, Verheiratetenanteil und Verehelichungsgrad im Regiment Block in einzelnen Zeiträumen, 1748—1756 Zeitraum
l.Juni—
31. Mai
1748/49 1749/50 1750/51 1751/52 1752/53 1753/54 1754/55 1755/56 Sehn
Heiraten
Zahl
Quote in %
Soldaten davon I Anteil Gesamt I verheiratet in %
Angeworbene
1.4
19 69
34
5,3 5,2 2,6 3,9 3,1 0,5 8,2
16,5
3,8
24 23 11 17 13 2
63 82 54 51
52 171
70,1
2,5
Entlassene Soldaten Saldo von davon I Anteil Werbung u. Entlassung Gesamt | verheiratet | in % verheirateter Soldaten
0,0 4,3 4,8 3,7 3,7 0,0 1,9 4,7
150
2,9
74,9
+/-0 +/-0
0,0 5,9 2,6 4,8 2,9 0,0 1,9 6,3
51 76 62 69
45 51 95
2,1
+
1
+/-0 +/-0 +/-0 +/-0
3,1
+
2
+
3
Quelle: StAGö
AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Die Quote der Heiraten wurde auf die Gesamtzahl der Ledigen
Erläuterung: raumes bezogen.
zu
Beginn des Zeit-
106
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
komplizierte, den Verheiratetenanteil korrigierende System auswählender Anwerund bung Entlassung erhält mit der Erteilung von Heiratserlaubnissen an ledige Soldaten eine zusätzliche Variante. Durchschnittlich heirateten etwa 13 Soldaten pro Rechnungsjahr, was einer Regimentsquote von 3,3% entsprach. Die Korrelation zwischen den Heiraten und den Zu- bzw. Abgängen Verheirateter gestaltet sich uneinheitlich, jedoch zeigt sich, daß die Heiratsfrequenz hauptsächlich dann hoch war, wenn der Verheiratetenanteil niedrig lag: Zwischen 1729 und 1733 waren knapp 34% der Soldaten verehelicht, im gleichen Zeitraum lag die Anzahl der Heiraten bei durchschnittlich 18. Die in Tabelle 32 dargestellten Verhältnisse im Regiment Block weisen gravierende Unterschiede zum Regiment Druchtleben auf. Block und seine Kompanieoffiziere nahmen nur sehr selten bereits verheiratete Rekruten auf (im Schnitt 2,9%) und verhielten sich ähnlich zurückhaltend bei den Entlassungen verehelichter Soldaten (3,1%). Damit liegen die Quoten im Regiment Druchtleben um das fünf- bzw. neunfache über den Werten im Regiment Block. Erstaunen muß vor allem die Ausgeglichenheit der Jahresbilanz: In sechs der acht Zeiträume entspricht die Zahl verehelichter Rekruten genau der Anzahl entlassener verheirateter Soldaten. Lediglich 1750/51 und 1755/56 wurden geringfügige »Überschüsse« erzielt. Dieses völlig anders geartete Zu- und Abgangsverhältnis dürfte mit den unterschiedlichen Ausgangspositionen in Zusammenhang stehen. Druchtleben und seine Offiziere mußten ihren offensichtlich als zu hoch empfundenen Verheiratetenanteil senken, Block lag 1748 weit unter der angenommenen Marge von einem Drittel. Wieder wurde (wie im Regiment Druchtleben 1724) eine Abrüstungsverordnung dazu benutzt, mit der spezifischen Auswahl einer großen Anzahl zu entlassender Soldaten den Verheiratetenanteil zu regulieren. Da 1748/49 150 ausschließlich ledige Soldaten entlassen wurden, stieg der Anteil der Ehefrauen von knapp 20% (1748) auf über 24% (1749). Da Zu- und Abgang verehelichter Soldaten nahezu gleich blieben, kam den Heiraten eine besondere Bedeutung zu. Unter Block wurden mit jährlich fast 17 Eheschließungen (im Mittel 3,8%) deutlich mehr Heiraten gestattet als unter Druchtleben mit etwa 13 Eheschließungen pro Zeitraum. Damit stellten die Heiraten neben der Massenentlassung Lediger 1748/49 die Hauptursache für den Anstieg der Verheiratetenquote von 19,6% (1748) auf 31,4% (1755) dar. Dieses
—
—
Konkubinat und Prostitution
Folge der Heiratsbeschränkungen war, daß ein Teil der zwischen Soldaten und Frauen eingegangenen Beziehungen zumindest temporär nicht gesellschaftlich, obrigkeitlich und kirchenrechtlich sanktioniert werden konnte. Einzige Möglichkeit war daher das Eingehen nichtehelicher sexueller Kontakte121. Damit förderten Geheime Räte und Kriegskanzlei genau das, was sie nach eigenem Bekunden eigentlich verhindern wollten: das »Laster der Unzucht«122. 121
122
Zu sexuellem Verhalten und seinen Bedingungen in der frühen Neuzeit vgl. Dülmen, Kultur und Alltag, Bd 1, S. 184—197; die Studie von Hoof, Pestalozzi; sowie Becker, Leben und Lieben. Wie Roper, Holy Household, S. 108, resümiert, galt »marriage [seit der Reformation] as the only
II.
Soldaten,
107
Frauen und Kinder
längerfristige zwischenmenschliche Verbindungen, eine Reihe von Soldaten lebte mit ihren Frauen sogar in eheähnlicher Lebensgemeinschaft123. Diese Formen »wilder Ehe« lassen sich jedoch nur selten und indirekt, etwa durch mehrere gemeinsame uneheliche Kinder oder eine spätere Heirat, nachweisen. In Tabelle 33 ist die zeitliche Verteilung solcher eindeutig nachgewiesener Konkubinate angegeben. Es bildeten sich kürzere oder
Tabelle 33 Zeitliche
Verteilung eindeutig nachgewiesener Konkubinate124 Zeitraum 1721-1729 1730-1739 1740-1749 1750-1755
Erläuterung: Rate
Konkubinate
Rate
11 15 12 17
3,6% -
4,0% -
Prozentsatz der im Konkubinat lebenden Soldaten bezogen auf alle während des Zeitraums sich im jährlichen Durchschnitt im Regiment aufhaltenden Ledigen. Der erste Zeitraum konnte wegen der »dunklen Jahre«, der zweite wegen der Kriegsereignisse nicht berechnet werden. =
Zwar lebten nur etwa 4 % aller ledigen Soldaten in einem Konkubinat, die Dunkelziffer wird jedoch recht hoch gewesen sein; entsprang der Beziehung kein Kind oder fand die Taufe bzw. die spätere Heirat nicht in Göttingen statt, besteht kaum eine Möglichkeit, die Existenz von »wilden Ehen« festzustellen. Kurzfristige oder lockere Beziehungen lassen sich überhaupt nicht nachweisen. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß längst nicht Soldat eine jeder ledige (nach zeitgenössischen Vorstellungen unmoralische) Beziehung zu einer Frau einging. Die wenngleich geringfügige Zunahme der Konkubinate in den 1750er Jahren trifft mit dem geringeren Verheiratetenanteil im Regiment Block zusammen, der im Mittel etwa zehn Prozentpunkte unter dem des Regimentes Druchtleben lag. Eine Folge der Zunahme »wilder Ehen« wiederum könnte die zu beobachtende häufigere Erteilung von Heiratserlaubnissen im Regiment Block gewesen sein. Wahrscheinlich bestand eine gewisse Wechselwirkung zwischen der Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften und der Gewährung von Heiratsgesuchen. Die näheren Umstände und Lebensbedingungen solcher Konkubinate sind unklar. Die Lage der Lebensgefährtin des Soldaten blieb ungesichert: Weder kam sie in den Genuß der freien Unterkunft, noch konnte sie, verstarb der Mann, als Witwe auf bestimmte Zuwen—
—
possible context for sex for the Christian«. Vgl. zu Unzuchtsmandaten in Kurhannover Meumann, Findelkinder, Kap. II.3. 123 124
Zur »clandestine marriage and sexual nonconformity« in England vgl. Gillis, For Better, S. 84—105. Aufgenommen wurden Paare, die entweder erst Jahre nach Geburt eines gemeinsamen Kindes heirateten, oder, ohne geheiratet zu haben, mehrere Kinder bekamen. Alle Angaben sind den im Kirchenbuchamt Göttingen (KBAGö) befindlichen Tauf- und Trauregistern der fünf Göttinger Pfarreien bzw. der Armenkapelle St. Crucis entnommen.
108
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
düngen der Kriegskanzlei bzw. steuerliche Vergünstigungen hoffen. Zudem unterstand sie weiterhin der Jurisdiktion der zivilen Ortsobrigkeit, so daß beide Lebenspartner unterschiedlichen Rechtsgemeinschaften angehörten. Ein wesentliches Kriterium der »wilden Ehe« ist neben gemeinsamen Kindern die gemeinsame Wohnung, da eine gemeinschaftliche Residenz auf eine koordinierte Lebensführung schließen läßt. Prinzipiell konnten
die Partner bei den Eltern der Frau wohnen oder in der Unterkunft des Mannes residieren125. Lebten die Eltern der Frau in der Nähe, war die matrilokale Residenznahme am wahrscheinlichsten126. Die Ablehnung des Heiratsgesuches mußte jedoch noch nicht das Ende aller Hoffnungen bedeuten. Es gab mehrere Möglichkeiten, ein Konkubinat doch noch zu legalisieren. Die einfachste Lösung war, auf die Entlassung des Soldaten zu warten, um dann ohne »Consens«-Zwang zu heiraten127. So zögerten zum Beispiel Cord Helt und dessen Lebensgefährtin Anna Margaretha Eckhard, die spätestens seit 1729 zusammen lebten und am 16. Juni 1730 ihre Tochter in der Johanniskirche taufen ließen, nur ein halbes Jahr, um nach der Entlassung des Mannes am 22. Dezember 1736 sich am 18. Juli 1737 vor den Traualtar der Nicolaigemeinde zu stellen. Etwas länger warteten Adam Gast und Usa Dorothea Vossbein, die gut zwei Jahre nach der Dimission von Gast heirateten128. Zeitlich äußerst präzise hatten ihre Familiengründung der Soldat Martin Heinicke und Maria Catharina Schmidt geplant. Genau einen Tag nach Heinickes Entlassung fand in der St. Cruciskapelle am 1. Dezember 1754 die Trauung statt129. Manche Soldaten, die nach ihrer Entlassung eine Ehe eingegangen waren, traten als Verheiratete wieder in die Kompanie ein. So kehrte der Musketier Christoph Kayser130 am 22. Januar 1737 wieder zur 4. Kompanie im Regiment Druchtleben zurück. Auf ähnliche Weise verfuhren der Querpfeifer Johann Anton Krafft131 und der Soldat Jürgen ChriEin solches Beispiel ist die gemeinsame Wohnung von Adam Kramer und seiner Lebensgefährtin Anne Christina Elisabeth Reuther. Beide wohnten im Quartier Kramers, das sich im Haus der Witwe Weber in der Burgstraße befand. 126 Besonders wenn der >Schwiegersohn< sowieso im Haus der Brauteltern einquartiert war. So wohnten Musketier Johann Adam Goltze und dessen Lebensgefährtin Regina Maria Reitemeyer im Haus des Tagelöhners Reitemeyer in der Düsteren Straße. 127 Vgl. den deutlichen Anstieg der Heiraten von ehemaligen Soldaten in Tabelle 47 S. 162. 128 Gast, Soldat der 3. Kompanie im Regiment Block, wurde am 30. April 1753 entlassen. Beide hatten mindestens seit 1749 eine feste Beziehung, da ihre Tochter am 31. Mai 1750 in der Jacobikirche getauft wurde. Die Heirat von Adam und Vossbein fand in der St. Cruciskapelle statt. 129 Der erst am 21. Juli 1752 von der 2. Kompanie des Regiments Block angeworbene Heinicke wurde am 30. November 1754 dimittiert. Ein knappes Jahr später wurde ein Sohn geboren und in der Jacobikirche am 29. November 1755 getauft. 130 Kayser diente zunächst vom 20. November 1731 bis zum 11. August 1736 als Lediger. Die Hochzeit, die nicht in Göttingen stattgefunden hatte, mußte demnach zwischen dem 11. August 1736 und dem 22. Januar 1737 geschehen sein, da Kayser bei Wiedereintritt in den Militärdienst eine Ehefrau angab. 131 Der in der 6. Kompanie dienende Krafft wurde in den »dunklen« Jahren angeworben und dankte am 24. Januar 1733 zunächst ab. Bereits acht Monate später, am 4. September 1733, nahm der nun verheiratete Querpfeifer wieder den »Kriegsdienst« auf, ehe er am 16. März 1736 endgültig Kompanie und Regiment verließ. 125
II.
Soldaten,
Frauen und Kinder
109
stoph Hagedorn132. Diese geschickte Umgehung der Heiratsvorschriften wurde wiederholt heftig von Kriegskanzlei und Generalität kritisiert133. Dauerte die vereinbarte Dienstzeit zu lange, bestand die Möglichkeit, durch Überschreibung des Hauses der Schwiegereltern eine vorzeitige Dimission des Soldaten zu erzwin-
gen und dann zu heiraten134. Doch auch während des Militärdienstes konnten manche Paare nach etlichen Monaten oder Jahren »wilden« Zusammenlebens doch noch heiraten. Der Soldat Henrich Wilhelm Wiese und seine Frau Margaretha Elisabeth Bereits bekamen nach mehr als fünf Jahren »wilder« Ehe den »Consens«135. Noch länger warteten der Tambour Johann Conrad Reinhard und Anna Elisabeth Drencketrog, die nach einer mindestens acht Jahre dauernden Beziehung endlich heiraten durften136. Es gab sogar noch längere »Wartezeiten«137. Es fällt auf, daß einigen Soldaten erst nach Geburt ihres ersten (unehelichen) Kindes der »Consens« erteilt wurde. Möglicherweise begünstigte das »fait accompli« die Entscheidung des Regimentschefs138. Diese vereinzelt zu beobachtende hinhaltende Genehmigungspraxis dürfte neben der durchaus möglichen Willkür des Regimentschefs139 und besonderen Umständen140 vor allem mit dem jeweiligen Frauenanteil im Regiment und deren Regulierung zu erklären sein. Wie in den Tabellen 31 und 32 deutlich wurde, bestand eine gewisse Korrelation 132
Hagedorn, in den »dunklen« Jahren zur »Leibkompanie« Druchtlebens gekommen, nahm am 1. Juni
1734 zunächst seinen Abschied. Als verheirateter Mann diente er dann vom 20. Januar 1736 bis 20. August 1739. Vgl. den Abschnitt zur Dimission S. 43—48. Nach des Hauses in der Düsteren Straße durch den Vater seiner Braut konnte Johann Adam Goltze am 18. Juni 1754 vorzeitig entlassen werden; die Heirat des neuen Hausbesitzers und Bürgers fand dann am 4. Juli 1754 statt. In dieser Zeit wurden ihnen zwei Kinder geboren (Taufeintragungen 18. Mai 1730 und 12. April 1732; St. Albani). Die Trauung fand zehn Tage nach erteilter Erlaubnis am 31. Oktober 1734 in der Armenkapelle von St. Crucis statt. Nach Geburt von zwei Söhnen (Taufeintragung St. Albani am 9. April 1724 und 5. Juli 1726) heirateten die Eltern schließlich am 23. Januar 1731 in der Albanikirche. Zu diesem Zeitpunkt war die Braut bereits hochschwanger, denn am 1. April 1731 wurde eine Tochter getauft. Balthasar Henrich Weber und Anna Margarete Ilse erhielten erst nach über zwölfjährigem Zusammenleben den »Consens«, in dieser Zeit gebar Ilse zwei Kinder (4. November 1736 und 22. Januar 1747). Die Heirat fand am 7. April 1749 statt; Kirchenbücher St. Albani und St. Jacobi. zum
133 134
135
136
137
Überschreibung
Beispiele sind die Beziehungen zwischen Johann Jacob Kersting und Catharina Agnes Warnecke sowie Heinrich Christian Wedekind und Anna Catharina Lessmann. Kersting/Warneckes Sohn wurde am 10. September 1754 getauft, die Heirat fand am 29. Juni 1755 statt (beide Eintragungen St. Jacobi); Wedekind/Lessmanns Sohn wurde am 17. Februar getauft (St. Crucis), die Heirat war am 5. April 1751 (St. Albani). 139 Es ist nicht auszuschließen, daß der Chef seine Zusage von einem Geldgeschenk abhängig machte. Mit einem Beispiel Meumann, Findelkinder, Kap. II. 2. 140 So konnte eine Änderung der Vermögensverhältnisse von Soldat oder Braut die anfangs ablehnende Haltung des Offiziers durchaus umstimmen. Über den möglichen Einfluß eines >fait accompli< wurde schon gesprochen. Grundsätzlich kann natürlich nicht ausgeschlossen werden, daß vereinzelt neben dem nicht erteilten »Consens« auch andere Motive für eine hinausgezögerte Heirat verantwortlich waren, etwa die ablehnende Haltung der Verwandtschaft. 138
110
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
zwischen den »Consens«-Erteilungen und den Zu- bzw. Abgängen verheirateter SoldaEntstanden also Vakanzen, konnte der Kommandant Heiratsgesuche wieder wohlwollender beurteilen. Sowohl Ortsobrigkeiten wie militärische Vorgesetzte scheinen Konkubinate toleriert zu haben141. Weder von Bestrafungen noch von Nachstellungen ist in den Quellen die Rede142. Vielmehr kann offiziellen Stellungnahmen ein gewisses Verständnis für die Situation des Mannes entnommen werden143. Gegenstrategien der Betroffenen und die Nachsicht der Offiziere konterkarierten damit die strengen obrigkeitlichen Regelungen. Dieses inkonsequente Verhalten der militärischen und zivilen Obrigkeiten hatte durchaus System und ging einseitig zu Lasten der Frauen. Dies wird um so deutlicher, wenn die Beziehung durch den Tod des Mannes144 oder (wahrscheinlicher) mit einer Trennung endete145. Der Mann brauchte in diesem Fall weder für den Unterhalt der Frau noch für den der eventuell vorhandenen gemeinsamen Kinder aufzukommen. Zwar stand allen Frauen prinzipiell eine Alimentationsklage zu, die im Erfolgsfall neben einer Verurteilung des Mannes zu Unterhaltszahlungen für das Kind geführt hätten146. Diese Möglichkeit, »Satisfaction« zu verlangen, wurde von der Kriegskanzlei jedoch stark eingeschränkt. Im Jahre 1740 verordneten die Räte, daß Frauen, die mit einem Gemeinen oder einem Unteroffizier, sei es mit einem Eheversprechen oder ohne, Geschlechtsverkehr gehabt hätten, nun als »Selbst-Verächterin ihrer Ehre« anzusehen seien und damit allen Anspruch auf gerichtliche Unterstützung verloren hätten147. Diese Anweisung ist um so bemerkenswerter, als für alle anderen Berufsgruppen weiterhin die strengen Bestimmungen galten148. Die Kriegskanzlei begründete diese Verordnung nur bedingt nachvollziehbar damit, daß die ledigen Mütter die Namen der wahren ten.
—
—
141
142
143
144
145
146
147 148
Der Soldat Adam Kramer unterhielt Anfang der 1750er Jahre sexuelle Beziehungen zu Anna Christina Elisabeth Reuther (Taufe eines Kindes am 26. März 1753; St. Jacobi) und deren Schwester Maria Lucia (Taufe eines Kindes am 30. März 1755; St. Jacobi). Obwohl Kramer wegen Branntweinschmuggels 1755 verurteilt wurde und während einer Untersuchungskommission auch die privaten Kontakte aktenkundig wurden, kam es deswegen nicht zu einer Bestrafung; StAGö AA Abgaben, Licent, Nr. 25. Selbst ein Ehebruch blieb lange ohne Sanktion der Obrigkeit: So lebte etwa die Frau des Göttinger Bürgers Lüdecke mehrere Jahre mit einem Soldaten zusammen, obwohl deren Mann zwischen 1720 und 1722 wiederholt das Konsistorium und den Stadtmagistrat um Hilfestellung bemüht hatte; StAGö AA Militärsachen, Nr. 7, Briefwechsel von 1720 bis 1722. Grundsätzlich wurden allerdings Soldaten vor allem im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts vereinzelt sehr wohl für Heiraten »ohne Consens« zu ein- bis zweijähriger Festungsbauhaft bestraft. So wurde zum Beispiel dem Musketier Jürgen Ritzer am 7. August 1738 vom Magistrat wohlwollend oder zumindest ohne Mißbilligung bescheinigt, daß er »außer der Ehe 2 Kinder erzeuget, weil er keinen Consens kriegen können«, StAGö AA Landwirtschaft, Garten- und Feldkultur, Nr. 4. Aus diesem Grund drangen die Soldaten 1755/56 (Beginn des Siebenjährigen Krieges) darauf, noch kurz vor Ausrücken des Regiments ihre »wilden Ehen« zu legalisieren, um die Frau im Todesfall abzusichern. Vgl. dazu den signifikanten Anstieg der Heiraten 1755 in Tabelle 32. Zur Lebenssituation alleinlebender Frauen vgl. die französische Sammelschrift Madame ou Mademoiselle; die neueste Studie von Ulbricht, Kindsmord, S. 97—114; oder Breit, »Leichtfertigkeit«, bes. S. 163—171; sowie Meumann, Findelkinder, Kap. VI. 1.
Militair-Justitz-Reglement, Kap. 3, § 31. Verordung vom 14. Oktober 1740; LVO,
Bd II, f. 214. Auf diesen Sachverhalt macht auch Schubert, Bettler und Gauner, S. 139, für Franken aufmerksam.
II.
Soldaten,
Frauen und Kinder
111
verschweigen würden und einen materiell besser gestellten Soldaten, etwa einen Offizier, als Erzeuger angäben. Die auf diese Weise entstehenden »vielen unnützen ProVäter
zeße« führten zu nichts und seien außerdem zu teuer. Über die Folgen ihrer neuen Bestimmung wohl durchaus im klaren, wiesen die Beamten alle Offiziere an, in besonders »gravierenden« Fällen ausnahmsweise doch eine Klage zuzulassen, um den Soldaten weder »einen Deckmantel der Boßheit« zu verschaffen, noch »Liederlichkeit und Unordnung« zu unterstützen. Den verlassenen Frauen drohten aber, vor allem dann, wenn sie ledige Mütter waren, nicht nur finanzielle Probleme, sondern auch die soziale Deklassierung. Sie gerieten schnell in Gefahr, »den Namen einer Hure zu einem schimpflichen] Vorwurf beständig tragen [zu] müssen«149. Oft blieb der Frau dann in ihrer Not nichts weiter übrig, als betteln zu gehen oder sich von einem anderen Mann, möglicherweise wieder einem Soldaten, aushalten zu lassen. Dieses Ungewisse Schicksal widerfuhr offensichtlich Hedwig Strellmeyer, die nacheinander Beziehungen zu den Soldaten Thomas Becker, Adam Michel, Christoph Bartram und Johann Becker unterhielt150. Ähnlich erging es Justina Regina Zierenberg151 und Anna Catharina Winkelbach152; letztere konnte einige Jahre später einen Invaliden heiraten153. Frauen wie Hedwig Strellmeyer drohten allmählich in die verdeckte oder offene Prostitution abzurutschen154. Zu beachten ist allerdings, daß die Grenzen zwischen gewerbsmäßigem Umgang, lockerer Freundschaft und fester Beziehung außerordentlich fließend waren. Lag verdeckte Prostitution vor, mußte das zudem noch lange nicht bedeuten, daß dieser Sachverhalt der Frau bzw. dem Mann bewußt war155. Dennoch nahm die offene Prostitution in Göttingen zu. Indiz dafür ist die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten156. Immer wieder wurden Soldaten, »welche mit einer verdächtigen venerischen Krankheit inficiret«157, angetroffen und mußten gepflegt werden. Kirchenkreisarchiv Göttingen (KKAGö), Akte Taufen, Trauungen, Beerdigungen. Nach einem Brief des Pastors Wreden an das Konsistorium vom 8. September 1752 (Fall Sophia Schnass). 150 Als Indiz wurde die Taufe des gemeinsamen Kindes genommen. Die Kinder Strellmeyers wurden am 13. Januar 1727 (Th. Becker; St. Jacobi), am 1. Mai 1731 (A. Michel; St. Jacobi), am 21. Juli 1735 (C. Bartram; St. Jacobi) und am 13. April 1743 (J. Becker; St. Jacobi) getauft. Als Taufpatin wurde jeweils lediglich die Hebamme hinzugezogen. 151 Die schon am 26. August 1725 (St. Jacobi) von einem unehelichen Kind entbundene Zierenberg war mit dem Soldaten Kreyenberg (Taufe des Kindes am 16. Dezember 1727; St. Albani) liiert und dann mit dem Musketier Frantz (Taufe des Kindes am 18. Oktober 1731; St. Albani) befreundet. 152 Winkelbach unterhielt Beziehungen zu den Soldaten Hans Hinrich Depner (Taufe des Kindes am 8. Februar 1731; St. Albani) und Rausch (Taufe des Kindes am 14. August 1736; St. Jacobi). 153 Nämlich am 7. Januar 1742 den Invaliden Johann Kapelle (Eintrag St. Jacobi). 154 Zum Problem von »Prostitution and moral order« im Augsburg des 16. Jahrhunderts vgl. Roper, Holy Household, S. 89-131. 155 Auch die Männer wechselten wiederholt die Partnerin. So gaben zum Beispiel sowohl Barbara Schelper (Taufe am 4. Dezember 1734; St. Jacobi) als auch Anna Catharina Fischer (Taufe am 22. März 1740; St. Albani) den Musketier Zacharias Pfau als Vater ihres Kindes an. 156 Zu geschlechtskranken Studenten vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 386—387. 157 StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 14. Januar 1732. Ebenso mußte der bei Jürgen Krahmer einquartierte Soldat, der »den Franzosen hatte«, behandelt werden, vgl. dazu StAGö AB Belege zur Servicerechnung 1732/33, Beleg vom 18. November 1732. 149
112
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Die erkrankten Frauen wurden im »blauen Turm« untergebracht und dort behandelt158. Zwar gab es in Göttingen kein behördlich kontrolliertes Bordell, inoffizielle Freudenhäuser können jedoch vereinzelt nachgewiesen werden159. An bestimmten Plätzen in der Stadt wurden Kunden geworben. Zudem »blühte besonders in Bovenden unter ständiger Fluktuation der beteiligten Frauen« das Geschäft mit der Prostitution160. Besonders nach der Universitätsgründung, als mit den Studenten eine weitere, bestimmten Heiratsreglementierungen unterworfene, männliche Bevölkerungsgruppe in Göttingen lebte, nahm die Prostitution so stark zu, daß die Wache aufgefordert wurde, Frauen, die »an den Ecken umherstehen«, festzunehmen161. B. Soldatenkinder und
Familiengröße
Legitime Kinder Mit Geburt eines ehelichen Kindes erhöhte sich der Einquartierungsanspruch der Soldatenfamilie um ein bis zwei Groschen. In Tabelle 34 sind alle in Göttingen zwischen 1721 und 1755 registrierten Taufen ehelicher Soldatenkinder aufgeführt.
Tabelle 34 Taufen
legitimer Soldatenkinder
Zeitraum
in
Taufen
159
160
161
Jährl. Mittel
1721-1729 1730-1739 1740-1749 1750-1755
426 476 320 205
47,3 47,6 32,0 34,2
1721-1755
1427
40,8
Quelle: KBAGö, Taufregister aller Göttinger Pfarreien inkl. 158
Göttingen
der
Armenkapelle St. Crucis.
So etwa 1751 Mutter und Tochter Blankenburg (StAGö AA Gesundheitswesen, Nr. 12; nach einem Bericht des Chirurgen Herlitz an den Stadtrat vom 28. Juni, der »morbus gallicus« attestierte) oder 1752 Dorothée Schumann (der am 25. Juli Chirurgus Johann Justus Weiß eine venerische Krankheit bescheinigte; StAGö AA Gesundheitswesen, Nr. 17). Zum Beispiel das Haus der Witwe Friedrichs, die »gegen dem Geiste« (gegenüber dem Spital St. Spiritus) wohnte, StAGö AA Wachwesen, Nr. 20. Mit einem anderen Beispiel Pröve und Winnige, Göttinger Bürgersöhne, S. 95. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 391, konstatiert, daß Prostituierte allein oder zu zweit lebten. Eine wichtige Rolle spielten auch die weitgehend städtischer Kontrolle entzogenen Gartenhäuser vor den Toren, vgl. ebd., S. 390 f. Ebd., S. 393. Auch in anderen Dörfern um Göttingen hielten sich Prostituierte auf, unter anderem bei einem Major von Uslar in Gelliehausen, vgl. ebd., S. 396. StAGö AA Wachwesen, Nr. 20. Nach einem Schreiben der Geheimen Räte an den Stadtmagistrat vom 29. Juni 1753. Über das Ausmaß der Prostitution können keine genauen quantitativen Aussagen getroffen werden. Am 6. April 1739 wurden nach einer Razzia »5—7 Frauen« angetroffen, die den Suchtrupps »in pto Levitatis mehr als verdächtig« erschienen. Vgl. StAGö AA Staatsverwal-
II.
Soldaten,
113
Frauen und Kinder
Wurden zwischen 1721 und 1739 im Jahresmittel etwa 47 Kinder getauft, so sank die Zahl im folgenden Zeitraum erheblich auf 32 ab, um sich zwischen 1750 und 1755 nur unwesentlich auf etwa 34 wieder zu erhöhen. Ursache dieser deutlichen Abnahme zwischen dem zweiten und dritten Zeitabschnitt war der Österreichische Erbfolgekrieg (1741—1748); in dieser Zeit verbrachten die Männer des Regiments Druchtleben nur 26 von insgesamt 86 Kriegsmonaten in Göttingen. Die geringe Taufrate der 1750er Jahre dürfte vor allem Resultat des niedrigeren Verheiratetenanteils im Regiment Block gewesen sein. Die in den Kompanierollen erfaßten Kinder sind in Tabelle 35 aufgeführt162. Tabelle 35
Eheliche Soldatenkinder in den
1722-1724,
Regimentern Druchtleben und Block
1729-1740 und
Stichtag l.Juni (Druchtleben) Jahr
Druchtleben Kinder Jahr
1722 1723 1724
363 402 279
1729 1730 1731 1732
429 457 448 460
Quelle:
StAGö AB
1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740
1748-1755,
bzw. 1. Dezember
(Block) Block
Kinder
Jahr
Kinder
466 516 567 565 520 492 461 434
1748 1749 1750 1751 1752 1753 1754 1755
214 207 246 254 284 279 267 295
Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre.
Regiment Druchtleben gehörten bis auf zwei Jahre (1722 und 1724) stets mehr als in 400, vier Jahren sogar mehr als 500 (1734 bis 1737) Kinder. Demgegenüber erreichte die Anzahl der Kinder im Regiment Block in keinem Jahr die 300er-Marke. Durchschnittlich lebten im Regiment Druchtleben 457, im Regiment Block 256 Kinder. Nicht wenige verheiratete Paare waren jedoch kinderlos. Zum Zeitpunkt der Erstellung der Kompanierollen waren im Regiment Druchtleben zwischen 3,7% und 18,7% bzw. im Regiment Block zwischen 14,0% und 24,3% aller Ehepaare ohne Nachwuchs163. Da Zum
162
163
tung, Nr. 3. Darin nicht berücksichtigt werden diejenigen Frauen sein, die einen mehr oder weniger festen Wohnsitz zur Ausübung ihres Berufes hatten. Zu beachten ist außerdem, daß in den Dörfern um Göttingen Formen von Gelegenheitsprostitution vorkamen. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 386—399. Ein grundsätzliches Problem ist, daß die Kinder nur aufgeführt wurden, solange sie einquartiert waren. Ältere Kinder (etwa ab 14 Jahren), die nicht mehr bei den Eltern wohnten, sind nicht erfaßt. Da Altersangaben nicht überliefert sind, mußten die zeitgenössischen (Einquartierungs-) Kriterien übernommen werden. Vgl. Tabelle IV im Anhang.
114
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Altersangaben der Eheleute nicht überliefert sind, sind mehrere Ursachen denkbar. Zum einen könnte die Frau bereits aus dem gebärfähigen Alter gewesen sein und die mittlerweile erwachsenen Kinder von den Eltern getrennt gelebt haben. Zum anderen könnten Ehepaare deshalb noch keine Kinder gehabt haben, weil der Zeitpunkt der Trauung erst kurz vor der Registrierung war und sich Nachwuchs noch nicht eingestellt hatte. Eine weitere, altersunabhängige Ursache für Kinderlosigkeit dürfte im kontrazeptiven Verhalten vieler Eheleute gelegen haben164. Über die konkreten Lebensbedingungen der Soldatenkinder sind keine Zeugnisse überliefert. Sicherlich dürfte ihre Lage besser gewesen sein als die der illegitimen Kinder. die
Illegitime
Kinder
Ähnlich wie die Frauen, die mit einem Soldaten in nichtehelichen Lebensgemeinschaf-
lebten, sind auch die außerhalb der Ehe geborenen Kinder in den Kompanierollen nicht erfaßt worden165. Einzig die Taufregister der Göttinger Pfarreien lassen eine ungefähre quantitative Bestimmung zu. Die Heiratsbeschränkungen der Soldaten und die daraus resultierenden zahlreichen nichtehelichen Beziehungen führten dazu, daß fast jedes zehnte in Göttingen getaufte Kind illegitim war166: Von den zwischen dem 1. Januar 1721 und dem 31. Dezember 1755 geborenen 8426 Kindern waren 717, also 8,5% »unehrlich«167.
ten
Tabelle 36 Anteil der Soldaten als Väter der in Göttingen zwischen 1721 und 1755 getauften illegitimen Kinder. Taufen unehelicher Kinder
davon Soldatenväter
Anteil in
Albani, Crucis, Jacobi, Johannis
389 328
279
71,7
Marien, Nicolai Summe
717
Pfarrei/Armenkapelle
Prozent
Quelle: KBAGö, Göttinger Taufregister der angegebenen Jahre. S. 121 f. Wurde die Beziehung nachträglich legalisiert, wurden freilich sowohl Frau als auch Kinder in den Rollen berücksichtigt. Mitterauer, Ledige Mütter, S. 72, resümiert, daß die Unehelichenquote dort besonders hoch war, wo viele Personen lebten, die nicht ohne weiteres heiraten konnten. Vgl. auch Knödel und Maynes, Urban and Rural, S. 144—148. Zur Unehelichenquote im 19. Jahrhundert vgl. Kraus, »Antizipierter Ehesegen«, S. 191. Der von Kraus, »Antizipierter Ehesegen«, behauptete »Sittenverfall« zwischen 1750 und 1850 läßt sich damit zumindest in Göttingen nicht ohne weiteres belegen. Jedenfalls steigt die Illegitimitätsquote im 18. Jahrhundert nicht deutlich an, sondern entspricht etwa dem Anteil (10,1%), der von
«"Vgl. 165
166
167
II.
Soldaten,
115
Frauen und Kinder
in drei der fünf Pfarreien sowie der Kapelle St. Crucis der Beruf oder der Nades Vaters angegeben wurde, konnte der Prozentsatz der Soldatenväter in den Pfarreien St. Marien und St. Nicolai nicht ermittelt werden168. Tabelle 36 ist zu entnehmen, daß annähernd drei von vier unehelichen Täuflingen (71,7%) einen Soldaten als Vater hatten169. Da in den 1750er Jahren der Verheiratetenanteil im Regiment Block relativ gering blieb und dementsprechend die Konkubinatsquote hoch war, müßte eine zeitliche Verteilung der 279 real erfaßten Taufen illegitimer Soldatenkinder eine Zunahme im letzten Zeitraum zeigen, was auch der Fall ist: Da
nur
me
Tabelle 37 Zeitliche
Verteilung von 279
Taufen unehelicher Soldatenkinder
Zeitraum
Taufen
1721-1729 1730-1739 1740-1749 1750-1755
48 78 65 88
5,3 7,8 6,5 14,7
1721-1755
279
7,9
Jährl.
Mittel
Quelle: KBAGö, Göttinger Taufregister der angegebenen Jahre. Damit wird noch einmal der enge Zusammenhang zwischen den rigiden Heiratsbestimmungen und der niedrigen Verheiratetenrate im Regiment Block einerseits und der Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften und der Zunahme von Taufen unehelicher Soldatenkinder andererseits deutlich. Ist über die Lebensbedingungen der ehelichen Kinder nichts bekannt, so schweigen die Quellen über das Schicksal der illegitimen Nachkommen von Soldaten erst recht. Wie generell bei unehelichen Kindern dürfte ihr Schicksal ziemlich ungewiß gewesen sein und die Lebenserwartung kürzer als bei ehelichen Kindern170. Dieser Umstand resulSumme der unehelichen Geburten, S. 398ff., für die Jahre 1777 bis 1783 errechnet worden ist, ebenso dem Wert, den Meiners, Kurze Geschichte, S. 212, für die Jahre 1787 bis 1799 angibt (9,2%). Zum Vergleich mit anderen städtischen Gesellschaften: Imhof, Illegitimität in Gie-
Wagemann, ßen,
S. 519.
Vgl. generell zum Problem der statistischen Erfassung unehelicher Geburten Mitterauer, Ledige Müt-
ter, S. 17-19.
Zweithäufigste >Berufsangabe< war »Student«. galt natürlich nur bedingt für jene Kinder, deren Eltern in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft lebten und/oder einige Zeit später heirateten. Zur kürzeren Lebenserwartung unehelicher Kinder, vgl. Mitterauer, Ledige Mütter, S. 19 und mit Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert Spree, Soziale Ungleichheit, S. 60; sowie die Aufsätze von Hilger, Seuchen; und von Schultz, Social Dies
—
Differences.
—
116
Dritter Teil: Dibens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
aus einem Teufelskreis mangelnder sozialer Fürsorge171 und damit verbunden der unzureichenden ökonomischen Absicherung des Kindes172.
tierte
Familiengröße Durchschnittliche Familiengrößen verschaffen aufschlußreiche Hinweise über die Auswirkungen der berufsspezifischen Einkünfte eines Familienoberhauptes auf die quantitative Zusammensetzung seiner Familie. Zumeist auf Volkszählungen oder Familienrekonstitutionen basierend, sind von der historischen Démographie deshalb bereits diverse Untersuchungen durchgeführt worden; allerdings blieb die Militärbevölkerung bislang unberücksichtigt. Eine erste Berechnung der durchschnittlichen Familiengröße von Soldaten ist zwar durch eine Auswertung der Kompanierollen möglich, die besonderen Entstehungsumstände und die begrenzte Reichweite der Quelle erfordern allerdings einige Einschränkungen bei der Interpretation. Da die Registrierung mit einem spezifischen Verwaltungsinteresse gekoppelt war, wurden in die Kompanierollen nur die Personen aufgenommen, die Anspruch auf Einquartierung hatten, also lediglich die engere biologische Einheit (Kernfamilie) von Vater, Mutter und Kind(ern). Ältere Kinder, »horizontale« oder »vertikale« Verwandte bzw. die Familie der Ehefrau des Soldaten sind nicht berücksichtigt worden173. Da zudem Dienstboten, deren Existenz nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, ebenfalls nicht erfaßt wurden, sind vergleichende Betrachtungen mit errechneten durchschnittlichen Familien- oder Haushaltsgrößen174 nicht möglich. Aus diesem Grund wurde auch auf eine anfänglich beabsichtigte Gegenüberstellung mit von der Forschung ermittelten Familiengrößen anderer Populationen bzw. Berufsgruppen verzichtet. 1
Dies ist schon daran zu erkennen, daß illegitime Kinder, wenn überhaupt, weniger Taufpaten hatSo betrug die durchschnittliche Patenzahl legitimer Soldatenkinder pro Taufe 1,97, während sie bei illegitimen Soldatenkindern nur bei 1,72 lag. Zudem standen die Paten illegitimer Kinder nur selten in verwandtschaftlicher Beziehung zu dem Kind. So erklärte sich lediglich die Hebamme bereit, die Patenschaft für die vier »Hurenkinder« der Hedwig Strellmeyer zu übernehmen. Ähnlich erging es den beiden unehelichen Kindern (Taufen am 24. Dezember 1747 und am 2. November 1750; St. Jacobi) von Margareta Catharina Hertz, für die sich ebenfalls nur die »Bademutter« als Taufpatin fand. Allein schon deswegen, weil ein Elternteil fehlte. Zum Problem dieser tendenziell unversorgten Kinder vgl. Meumann, Findelkinder, passim. Kinder von Soldaten seien sie nun ehelich oder nicht wurden jedoch mitunter bevorzugt in Waisenhäuser aufgenommen, selbst wenn ein oder beide Elternteile noch lebten. Vgl. für Kurhannover Meumann, Findelkinder, Kap. V 2.1 und für Preußen Kroener, Bellona. Die erfaßte Kernfamilie weist formale Übereinstimmung mit der von Edward Shorter definierten allerdings umstrittenen »Gattenfamilie« auf. In Abgrenzung zur »Stammfamilie« und dem »Familienhaushalt« umschreibt Shorter, Geburt der modernen Familie, S. 44, die »Gattenfamilie« als »verwandtschaftslose« Familie ohne »horizontale« und »vertikale« Verwandtschaft, also ohne »dritte Generation«. Etwas allgemeiner versteht Sachse, Göttingen im 18. Jahrhundert, S. 192, unter >Familie< »sämtliche in Verwandtschaftsbeziehung zum Haushaltsvorstand stehende[n], koresidierende[n] Personen«. Zur Vorstellung vom >ganzen HausMilitärMilitär< übertragen, indem die Unterschicht mit den einfachen Soldaten, die Mittelschicht mit den Unteroffizieren und die Oberschicht mit den Offizieren gleichgesetzt wird. Die üblichen Unterteilungskriterien wie Einkommen, politische Macht und soziales Ansehen225 finden ihr militärtypisches Äquivalent in Soldhöhe, Verpflegungsumfang, Unterbringungsqualität sowie Einnahme eines bestimmten Dienstgrades und damit verknüpft einem definierten Maß an Machtausübung und entsprechender sozialer Reputation. Die schichtenspezifischen Erscheinungsformen der militärischen Unterschicht wie seltenere Heirat, geringere Geburtenrate, kleinere Familiengröße oder höhere KindersterbDurch die
—
—
lichkeit wurden auch in zivilen Gesellschaften konstatiert. Diese beobachteten Erscheinungsformen rechtfertigen zusammen mit der signifikanten Zunahme adliger Soldaten in der Mittelschicht und vor allem in der Oberschicht die Übertragung eines Schichtenmodells auf die Militärbevölkerung226. Im Gegensatz zu zivilen Populationen war die militärische Gesellschaft jedoch strikter, präziser und eindeutiger gegliedert227. Waren die einzelnen, im nichtmilitärischen Bereich sonst nur in der Verwaltung existierenden Dienstränge oder Amtsbezeichnungen eine ent222
223
Im kurmainzischen Offizierskorps von 1740 befand sich nur ein bürgerlicher Stabsoffizier, vgl. Harms, Landmiliz und stehendes Heer, S. 41. Ein Beispiel dafür ist die am 7. März 1753 erfolgte Nobilitierung des Generalmajors Johann Heinrich Block. Zwischen 1660 und 1782 wurden in Kurhannover für Nobilitierungen neben Diploma-
und Verwaltungsbeamten vor allem hohe Offiziere berücksichtigt, vgl. Lampe, Hofadel und Staatspatriziat, Bd I, S. 276—286. Ein Mitglied der Familie Block wurde bereits 1720 erstmals gea-
ten
delt, vgl. ebd, Bd I, S. 282, und Bd II, S. 533. In Preußen war eine solche Verfahrensweise weit verbreitet, vgl. Busch, Militärsystem, S. 94. Zur Diskussion über die Anwendbarkeit eines
soziologischen Schichtenmodells auf frühneuzeitlivgl. Weyrauch, Schichtung, S. 6f.; Ellermeyer, »Schichtung« und »Sozialstruktur«, S. 126 f.; sowie Winnige, Krise und Aufschwung, Kap. II. 2.3. 225 Zu den Unterscheidungskriterien, die auf Max Weber zurückgehen, vgl. Weyrauch, Schichtung, S. 47 f. 226 Ein Unterschied besteht allerdings in der stark lebenszyklisch orientierten Militärgesellschaft, in der ständige Aufnahmen und Entlassungen von Soldaten für Fluktuation sorgten. 227 Aus diesem Grund entfallen auch die wiederholt vorgebrachten Einwände, ein Schichtungsmodell eigne sich nicht für die Anwendung auf frühneuzeitliche Gesellschaften, da es eine dem Modell adäquate Handlungsgemeinschaft nicht gegeben habe. 224
che Gesellschaften
128
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen
der Soldaten
scheidende Ursache für eine deutliche Segmentierung, so war zweiter Grund die eigentümliche, durch spezifische Abzeichen an der Uniform hervorgerufene Visualisierung eines Ranges. Bereits die Beschaffenheit der Uniform selbst signalisierte der Umgebung die militärische Einstufung und damit die soziale Bedeutung ihres Trägers. Besaß die Bekleidung eines einfachen Soldaten den Wert von 20 Reichstalern, so mußte für die Anfertigung einer Offiziersuniform mehr als das Zehnfache aufgewendet werden. Je nach Dienstgrad kamen besondere Rangabzeichen hinzu, die für jeden, auch jeden Nichtsoldaten, weithin sichtbar den Rang kenntlich machten. Schließlich hatte jeder Soldat einem Vorgesetzten die Ehrerbietung zu erweisen und nach einem festgelegten Zeremoniell zu grüßen228. Die Kongruenz von Dienstgrad, Position in der soldatischen Hierarchie, militärischem Aufgabenbereich und strategischer Funktion wird in detailliert geregelten Aufstellungsformationen sinnbildlich. War die Kompanie angetreten, standen die einfachen Soldaten in Sechserreihen hintereinander. Vor jeder Reihe stand in Front jeweils ein Gefreiter. Jeweils drei Reihen bildeten eine Corporalschaft, neben der sich der dazugehörige Corporal befand. Höhere Unteroffiziere waren seitlich um die Fahne gruppiert oder standen unmittelbar vor den Reihen. In einiger Entfernung vor der Kompanie saßen die Offiziere zu Pferde229. Diese sozialgeometrisch ausgerichteten Anordnungen auf dem Marsch und im Gefecht waren die Aufstellungen ebenfalls detailliert geregelt versinnbildlichten und zementierten die militärische Hierarchie und signalisierten dem einzelnen jederzeit seine Position in der Rangfolge der Einheit, die immer auch die soziale —
—
Einstufung zeigte.
Nachdem zunächst Schichtung und Rangordnung des Regiments bzw. seiner Kompanien beschrieben wurden, sollen im nächsten Abschnitt die durch eine Beförderung hervorgerufene Form dienstlichen und damit auch sozialen Aufstiegs erörtert werden. Mit einer solchen Untersuchung können zugleich Aussagen über die Durchlässigkeit der militärischen Hierarchie getroffen werden. B. Dienstliche und soziale Mobilität: die
Bedingungen
und
Beförderung
Begleitumstände von Beförderungen
Einheitliche und verbindliche Laufbahnregelungen waren unbekannt. Wie Gerhard Papke resümierend feststellt, konnte als Soldat »niemand damit rechnen, daß er zwangsläufig, das heißt in einer Karriere mit festgelegten Terminen, befördert« wurde230. Die Höherstufung bzw. Ernennung von Offizieren wurde von der Generalität oder im Bedarfsfall vom König persönlich vorgenommen. Die Beförderung war mit erheblichen Kosten für den neuen oder höhergruppierten Offizier verbunden. Außer Abstandszahlungen an den Vorgänger fielen Schreibgebühren an231, außerdem wurde der Beförderte in 228 229
Von solchen »Honneurs« berichtet auch Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 124. Vgl. Niemeyer, Revue. Vgl. außerdem die Modellzeichnung eines marschierenden
Regiments von
Uhlenbecker, Errichtung und Mondierung. 230 Untersuchungen zur Geschichte, S. 177. 231 Ein Leutnant mußte drei Taler, ein Fähnrich zwei Taler und 24 Groschen zahlen, vgl. Sichart von
III. Soziale
129
Gliederung und vertikale Mobilität
den ersten drei Monaten nach seiner Ernennung nicht oder nur nach dem alten Dienstgrad besoldet232. Ein prinzipiell geltendes, hauptsächlich bei Offizieren angewandtes Beförderungskriterium war die >AnciennitätAvancementavancierte< ein Gemeiner gleich zum Fourier oder Sergeant, hatte er zehn Taler zu hinterlegen.
bedeutete, daß, wenn in einer Kompanie eine Unteroffiziersstelle vakant war und der Chef keinen geeigneten Kandidaten fand, er von einer anderen Kompanie einen vielversprechenden Gemeinen übernehmen konnte, den er in seiner Kompanie beförderte, und dem Chef der anderen Kompanie dafür einen Gemeinen aus seiner Einheit im Wechsel übergab. Unteroffiziere konnten jedoch im Beförderungsfall ohne Ersatzmann die Kompanie wechseln. Ein solches Beispiel, das sich zur Jahreswende 1750/51 im Regiment Block zutrug, mag hier angeführt werden: Der zur 1. Kompanie gehörende Soldat Tobias Gabriel Kohlmann wurde zur 4. Kompanie versetzt und dort zum Fourier befördert. Im Gegenzug gab der Chef der 4. Kompanie einen einfachen Soldaten, Johann Friedrich Hünecke, an die 1. Kompanie ab. 242 Beförderungen eines einfachen Soldaten zum Gefreiten bzw. zum Musiker innerhalb des Mannschaftsstandes konnten nicht berücksichtigt werden, da die Quellen nur sporadisch von einer solchen geringeren Höherstufung berichten. Ebenfalls aus mangelhafter Überlieferung sind über Beförderungen von Offizieren keine (Druchtleben) oder nur wenige Fälle (Block) bekannt. 243 Diese Zahl erhält man, wenn man die 64 Beförderungen auf die insgesamt 3259 einfachen Soldaten beider Regimenter berechnet. 244 In zwei Fällen wurden die adligen Söhne Druchtlebens im Rahmen ihrer Offizierslaufbahn zum Fähnrich befördert. In einem weiteren Fall wurde der Sergeant Johann Bernhard Effler lediglich zum Fähnrich einer Landkompanie, also einer Milizeinheit, ernannt. Einzig der bürgerliche Gefr. Corp. Martin Ludwig Ude schaffte es, zum Fähnrich einer regulären Einheit befördert zu werden und damit in den Offiziersstand aufzurücken. Die Berechnung stützt sich auf diese eine Beförderung bei insgesamt 235 Unteroffizieren. 241
Dies
—
—
III. Soziale
131
Gliederung und vertikale Mobilität Tabelle 42
und
vom einfachen Soldaten zum Unteroffizier innerhalb der Unteroffiziersgruppe in den Regimentern Beförderungen Druchtleben (1722-1724,1729-1741) und Block (1748-1756)
Ernennungen
Regiment Druchtleben
Regiment Block
Vom
Vom
Corp. 1 Musk./Gefr. Musk./Gefr. Musk./Gefr.
Corporal Corporal Corporal Fourier Fourier Gefr. Corp.
Sergeant Summe
Four.
lGfrCrp.1 Serg,
40
5
0 0 XXX
1
XXX
1
XXX
5
XXX
XXX
0
XXX
XXX
8
XXX
XXX
XXX
5
XXX
XXX
XXX
XXX
40
zum
Corp.
Fähn
Musk./Gefr. Musk./Gefr.
12
Corporal Corporal
XXX
GfrCrp. Serg.
Four.
Fähnr.
XXX
Fourier
25
Gefr. Corp.
XXX
XXX
XXX
2
Sergeant
XXX
XXX
XXX
XXX
Cadett
0
0
2
0
Summe
12
10
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterung: Musk. Musketier; Four. Fourier; Serg. Sergeant; Gefr. Gefreiter; GfrCrp. Gefreiter Corporal; Fähnr. Fähnrich; Übersprungene Dienstgrade; xxx gleicher oder niederer Dienstgrad =
=
=
-
=
=
=
=
—
Der bereits
vor 1722 in der Kompanie 3 im Regiment Druchtleben seinen Dienst versehende Musketier Andreas Piepenbrinck wurde nach einer mindestens dreizehnjährigen Dienstzeit 1735 zum Gefr. Corp. befördert. Nicht ganz so lange wie Piepenbrinck, aber immerhin fünf Jahre diente der einfache Soldat Christian Bornstein, ehe er in der 7. Kompanie (Druchtleben) zum Fourier »avancierte«. Ebenfalls erst nach einigen Jahren wurde Gabriel Tobias Kohlmann am 20. November 1750 zum Fourier in der 4. Kompanie (Block) höhergruppiert. Der in der 3. Kompanie (Druchtleben) bereits vor 1722 seinen Dienst als einfacher Soldat versehende Johann Jürgen Lüdecke wurde nach mehr als acht Jahren zum Corporal und nach zehn weiteren Jahren direkt zum Sergeant befördert. Wesentlich geringere Dienstzeiten nahmen der Soldat Otto Friedrich de la Forest (ein Jahr und 10 Monate), der Cadett Carl August Wilhelm von Meyer (2 1/2 Jahre) oder der Cadett Johann Ludwig Ernst von Hanstein (vier Monate) auf sich, ehe sie zum Gefr. Corp. befördert wurden. Die zuletzt genannten drei Männer gehören zur Gruppe der fast ausschließlich adligen Offiziersanwärter, die eine gewisse Sonderrolle spielten. Da ein, wenn auch nur kurzfristiges, Dienen »von unten auf«245 zum festen Bestand—
245
Flemming,
—
Teutsche Soldat, S. 152.
132
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
teil einer vielversprechenden Offizierskarriere gehörte, wurden die jungen Adligen zunächst als einfache Soldaten oder Cadetten in die Armee aufgenommen, um nach einer gewissen Zeit, meist nur wenige Monate, zum Gefr.Corp. und dann zum Fähnrich zu »avancieren«. Innerhalb des Regiments wurden jedoch nur insgesamt sechs Offizieranwärter zum Unteroffizier befördert246. Trotz der geringen Aussichten für einfache Soldaten, in höhere Chargen aufzurücken, konnten einige Männer respektable Karrieren aufweisen, ohne jedoch nur im entferntesten die Dimensionen zu erreichen, die vereinzelt von der Forschung angegeben werden247. Der Musketier Daniel Bethelmann wurde 1729 Corporal und 1740 sogar Sergeant, der einfache Soldat Conradt Keick »avancierte« 1730 zum Corporal und 1736 zum Sergeanten und der Musketier Mathias Lipmann wurde 1730 zum Corporal und 1738 zum Sergeanten befördert248. Drei Beispiele mögen die auf eine zur Disposition stehende Unteroffizierplanstelle folgenden Personalverschiebungen veranschaulichen. Das erste Beispiel verdeutlicht, wie innerhalb einer Kompanie nach Freiwerden einer Charge mehrere Soldaten befördert wurden. Am 31. August 1749 wurde in der 7. Kompanie der Sergeant Johann Bernhard Effler zum Fähnrich einer Landkompanie befördert. Die nun vakante Stelle übernahm nach zwei Tagen der bisherige Fourier Friedrich Wilhelm Witte, der wiederum dem Corporal Johann Christian Schrader Platz machte. Die daraufhin freigewordene Corporalsstelle nahm der bisherige Musketier Andreas Klostermeyer ein. Das Ausscheiden Efflers führte also zu drei Beförderungen, die sich alle auf Soldaten der gleichen Kompanie bezogen. Waren nach Ansicht des Hauptmanns jedoch keine tauglichen Leute für eine bestimmte Position in seiner Einheit zu finden, konnten Soldaten von einer Kompanie zur anderen versetzt werden. Als in der 2. Kompanie des Regiments Block am 29. November 1754 der 43jährige Sergeant Johann Siebrand verstarb249, wurde nach einer Vakanz von dreieinhalb Monaten der Fourier von der 7. Kompanie, Johann Christian Schrader, als neuer Sergeant übernommen250. Die in dieser Einheit nun frei gewordene Stelle erhielt der bisherige Corporal Georg Christian Heidemann251, der wiederum dem Musketier Johann Christoph Horn Platz machte, der seinerseits zum Corporal befördert wurde. Eine ähnliche Verkettung zeigte sich, als in der 2. Kompanie der Sergeant Martin Ephraim Gerhard am 3. Januar 1752 seinen Abschied erhielt. Für Gerhard rückte nach einer Vakanz von zwei Monaten der von der 1. Kompanie kommende Fourier Johann Eberhard Gerig nach. Die freigewordene Fourierstelle in der 1. Kompanie nahm der bisherige Musketier Henrich Christian Areolarius ein. 246
247
248
249 250
251
Beförderungen von Offizieren von der Generalität ausgesprochen wurden, war die Versetzung in ein anderes Regiment allgemein üblich. Die vielfach zitierte Karriere vom einfachen Soldaten zum Feldmarschall war eine absolute Ausnahme und eher eine Erscheinung des 17. Jahrhunderts. Vgl. Lahne, Unteroffiziere, S. 23—26. Bethelmann diente bereits vor 1722 in der 2. Kompanie, Keick ebenfalls schon vor 1722 in der 6. und Lipmann ebenfalls bereits vor 1722 in der 2. Kompanie, alle Regiment Druchtleben. KBAGö, Sterberegister Kirchenbuch St. Nicolai. Schrader hatte zuvor bereits in dieser Kompanie Karriere gemacht, als Corporal war er am 31. August 1749 zum Fourier »avanciert«. Der zuvor einfache Soldat Heidemann hatte diesen Rang erst am 3. August 1753 eingenommen. Da
III. Soziale
Soziale
Gliederung und vertikale Mobilität
133
Auswirkungen von Beförderungen
Neben der Frage nach Umfang und Bedingung von Beförderungen sind vor allem die sozialen Folgen einer Höherstufung für die Betroffenen von Interesse. Um die Auswirkungen einer Beförderung auf Familienstand und durchschnittliche Familiengröße zu untersuchen, wurden alle 64 Mannschaftsdienstgrade (siehe Tabelle 42) berücksichtigt, die zum Unteroffizier (Corporal, Fourier oder Gefr. Corporal) »avancierten«. Um das Ausmaß des Einflußfaktors Beförderung präzise zu fassen, wurden Familienstand und -große des Soldaten drei Jahre vor seiner Beförderung und drei Jahre nach der Höherstufung verglichen. Wie in Tabelle 43 deutlich wird, nahmen Verheiratetenanteil und durchschnittliche Familiengröße nach der Beförderung zu. Betrug der Verheiratetenanteil der 49 einfachen zum Unteroffizier beförderten Soldaten im Regiment Druchtleben 49% und der 15 Beförderten im Regiment Block 33 %, so stieg der Anteil auf 86% bzw. 67%. Damit liegt der Verheiratetenanteil neu in den Unteroffiziersstand aufgerückter Soldaten noch höher als der aller Unteroffiziere. Die Beförderung und damit die spürbar verbesserten materiellen Lebensbedingungen begünstigten offensichtlich in hohem Maße die Bereitschaft, eine Familie zu gründen. Zudem dürfte die Obrigkeit diese Bereitschaft nicht behindert haben: Einen entsprechenden Antrag auf Heiratserlaubnis konnte der Regimentschef jedenfalls aus finanziellen Motiven kaum ablehnen. Die durch das »Avancement« bewirkte positive Zukunftserwartung drückte sich auch auf die durchschnittliche Familiengröße der neuen Unteroffiziere aus, die von 3,8 auf 4,6 (Druchtleben) bzw. von 3,0 auf 3,4 (Block) anstieg. —
—
Tabelle 43 Verheiratetenanteil und Familiengröße in Abhängigkeit von einer in den Regimentern Druchtleben und Block Regiment Druchtleben nach Beförderung Beförderung Gesamq Ledig | Verh. | FmGr Ledig | Verh. | FmGr
Regiment
vor
49
24
25
3,8
42
4,6
vor
Ledig
Gesamt 15
Block
Beförderung Verh.
Beförderung
FmGr
3,0
Beförderung Ledig | Verh. | FmGr nach
51
3,4
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterung: Ledig Zahl der ledigen Soldaten; Verh. Zahl der verheirateten Soldaten; FmGr Familiengröße =
=
=
Anhand von vier Beispielen sollen die Auswirkungen einer Beförderung auf die persönliche Lebensplanung der Soldaten illustriert werden. Der in der 7. Kompanie (Druchtleben) dienende ledige Musketier Johann Erich Berghansen wurde 1723 zum Corporal hochgestuft, ein Jahr später heiratete er, seine Frau bekam zwei Kinder. Ließ sich Berghansen zwischen Beförderung und Heirat ein Jahr Zeit, so heiratete Hans Henrich Reiffert (6. Kompanie, Druchtleben) sogar erst eineinhalb Jahre nach seiner am 1. April 1737
134
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der
Soldaten
erfolgten Beförderung zum Corporal: Am 24. November 1739 ehelichte er in der St. Albanikirche Catharina Piepenbrink, die Tochter des Corporals Piepenbrink von der 3. Kompanie. Dreizehn Monate später wurde seine Frau am 1. Januar 1741 von einer Tochter entbunden252. Schon verheiratet
Daniel Bethelmann von der 2. Kompanie (Druchtleben), als er Corporal befördert wurde. Hatten Bethelmann und seine Frau zwischen 1722 und 1729 drei Kinder, so vergrößerte sich die Familie nach diesem beruflichen Aufschwung des Ehemannes und Vaters merklich: Zwischen 1730 und 1735 bestand die Familie aus sechs, zwischen 1736 und 1738 aus sieben und zwischen 1739 und 1740 aus acht Personen253. Fast drei Jahre ließ Friedrich Posse von der 2. Kompanie (Block) vergehen, ehe er nach seiner Beförderung zum Corporal am 2. Mai 1749 Anna Rebecca Bandmann aus Uslar am 23. April 1752 heiratete. Elf Monate später, am 23. März 1753, gebar seine Frau einen Sohn. im Jahre 1729
war
zum
Zusammenfassung Die militärische Hierarchie mit ihrem Schichtensystem von Mannschaften, Unteroffizieren und Offizieren erwies sich als relativ undurchlässig. Abgesehen von der Sondergruppe der Offiziersanwärter, die statistisch kaum ins Gewicht fiel, konnte nur sehr selten ein einfacher Soldat in die Unteroffiziersränge aufrücken; die Chance als Unteroffizier Offizier zu werden, war noch geringer. Nur wenn eine Stelle vakant wurde, weil der Inhaber einer Planstelle verstarb, abdankte oder selbst befördert wurde, konnte ein einfacher Soldat aufrücken. Wurde eine höhere Charge, etwa die eines Sergeanten, neu besetzt, zog dies eine Reihe weiterer Höhergrup-
pierungen nach sich, die auch Kandidaten anderer Kompanien einbeziehen konnte. Weiterer Hinderungsgrund für die Beförderung einfacher Soldaten außer der begrenzten Anzahl freier Stellen waren die hohen Kosten, die mit einem Aufrücken in den Unteroffiziersstand verbunden waren. Erst 1752 wurden diese Beträge per Dekret rigoros gekürzt. Die Beförderung zum Unteroffizier stellte einen bedeutenden Einschnitt im Leben eines >Gemeinen< dar. Der mit dem neuen Dienstgrad verbundene höhere Sold und die umfangreichere Brotlieferung ermöglichten es ihm, eine Familie zu gründen. Verheiratetenanteil und Familiengröße stiegen nach einer Beförderung deutlich an.
252
253
KBAGö, Taufregister Kirchenbuch St. Albani. Taufpatin war die Schwiegermutter Reifferts. Von den am 22. August 1730, am 8. März 1733, am 18. April 1734, am 5. Juni 1738, 4. Dezember 1740, 26. November 1743 und am 1. März 1745 geborenen Söhnen starben zwei am 11. März 1733 und am 4. Mai 1739; KBAGö, Tauf- und Sterberegister der Kirchenbücher St. Jacobi, St. Albani und St. Nicolai, Taufregister Kirchenbuch St. Johannis.
135
IV. Einkommen der Soldaten A. Sold und
Sachleistungen
In diesem ersten Abschnitt werden Sold und Sachleistungen besprochen, die jedem Soldaten im Rahmen seiner Berufsausübung zustanden. Aus praktischen Gründen bezie-
hen sich alle Angaben, einfachen Soldaten254. Bare
wenn
nicht anders vermerkt, auf die Einkommenssituation der
Leistungen
Ein einfacher Soldat erhielt einen monatlichen »Bruttolohn« von zwei Taler. Von dieser Summe wurden jedoch bestimmte Beträge abgezogen, insgesamt 21 Groschen und sechs Pfennige. Den größten Posten dieser Abzüge stellten die Aufwendungen für Uniform und Leibwäsche dar: 15 Groschen wurden monatlich in die »Mondirungskasse«255 gegeben, drei Groschen in die »Camisolkasse«256. Jeweils einen Groschen erhielten der Regimentschef »als Douceur zu seiner ordinairen Gage«257, der Regimentsfeldscher für den Unterhalt seiner Gesellen (»Beckengeld«) und der Kompaniechef als »Deserteurgeld« zur Aufbesserung der Werbekasse. Schließlich wurden dem Soldaten noch sechs Pfennige abgezogen, die der Invalidenkasse zufielen. Somit verblieben monatlich >netto< ein Taler, vierzehn Groschen und zwei Pfennige. Unter Umständen konnte diese Summe noch weiter geschmälert werden258. Der Sold entsprach in etwa dem, was ein Geselle im Bauhandwerk an acht Arbeitstagen verdiente, und wäre zum Lebensunterhalt viel zu wenig gewesen. Mit einer Reihe unbarer Sachleistungen, für deren Finanzierung teilweise die Abzüge bestimmt waren, wurden die kargen Soldzahlungen jedoch ergänzt.
Unbare
Leistungen
Berufsausübung wurde dem Soldaten eine komplette und aufwendige Arbeitskleidung gestellt, die alle zwei Jahre erneuert wurde259. Etwas mehr als die Hälfte der Produktionskosten wurde aus den Soldabzügen der Männer gedeckt260, der Rest wurde von der Kriegskanzlei zugeschossen. Zur
254
255 256
257
258
259
260
Vgl.
zu den folgenden Angaben Sichart von Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, S. 178. Diese Gelder wurden von der Kriegskanzlei verwaltet. Die Beiträge für die Unterwäsche erhielt der Kompaniechef, der davon je nach Bedarf entsprechende Kleidung anzuschaffen hatte. Sichart von Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, S. 177. Diese Abgaben wurden als »Regimentsunkosten« bezeichnet. Zum Beispiel, wenn ein Soldat nicht zur Ausübung seiner acht Pflichtwachen pro Monat kam. Dann mußte er 4 1/2 Groschen pro ausgefallener Wache in die Kompaniekasse zahlen. Darüber hinaus wurde ihm unentgeltlich das zur Berufsausübung notwendige »Handwerkszeug« (Gewehr etc.) überlassen. Eine Monatszahlung von 18 Groschen (»Mondirung« und »Camisol«) ergab alle zwei Jahre die Summe von 12 Taler. Die Kosten von Uniform und Ausrüstung lagen bei knapp 20 Taler.
136
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Die Feldschergesellen übernahmen bestimmte Dienste im Rahmen der Körperpflege; sie rasierten unentgeltlich die Barte und schnitten die Haare der Männer. Erkrankten Soldaten bezahlte man die Aufwendungen für Medikamente und die Behandlungskosten aus der Kompaniekrankenkasse261. Zusammen mit dem Sold wurden jedem Soldaten im Monat 15 Brote ausgehändigt (alle 10 Tage fünf Brote), die aus einem Himten Roggen262 gebacken sein mußten. Bei einem Stückpreis von sechs Pfennig betrug der Gesamtwert der Brotverpflegung nominell elf Groschen und zwei Pfennige263. Wichtigste Leistung neben Soldzahlung und Brotverpflegung war die Gewährung einer freien Unterkunft. Jeder Musketier hatte Anspruch auf eine kleine Kammer mit Bett und Spind und durfte Küche (Herd, Tisch, Stuhl) und Küchenwerkzeuge (Topf, Pfanne, Besteck) seiner Wirtsfamilie mitbenutzen264. Zudem standen ihm Gewürze bzw. Konservierungsmittel wie Salz und Essig zu. Im Winter war ihm der Aufenthalt in der geheizten Stube gestattet, die Kosten für Brennholz hatte der Wirt zu tragen. Außerdem mußte er dem Soldaten eine Lichtquelle zur Verfügung stellen, etwa eine Kerze oder eine Öllampe. Laut Servisreglement sollten diese Leistungen einem Gegenwert von zehn bis zwölf Groschen monatlich entsprechen265. Die Ausmietungspraxis verdeutlicht jedoch, daß das Geldäquivalent in Wirklichkeit bereits wesentlich höher war. Soldaten, die sich selbst eine Wohnung suchen mußten und sich von ihrem Wirt auszahlen ließen, bekamen zwischen einem und vierzehn Groschen mehr als der reguläre Servissatz vorsah. Mit Soldzahlung, gestellter Arbeitskleidung, freier Heilfürsorge und Körperpflege, Brotverpflegung und kostenloser Unterkunft bezog der Soldat ein Konglomerat unterschiedlichster Zuwendungen, zu dem mit der Invaliditätsversicherung bzw. Altersversorgung eine weitere Leistung hinzukam.
Jahreseinkommen
und
Lebensunterhaltsberechnung
Zunächst soll der Versuch unternommen werden, die wichtigsten Sachleistungen266 in Geldwerte umzurechnen. Neben Aufwendungen für die Uniform267 kamen zum Jahreszum Kompaniekassenwesen S. 69—72. Dies entspricht exakt der Menge, die der Einbecker Bürgermeister Unger, Drittes Schreiben, f. 165, im Jahre 1750 als Nahrungsbedarf pro Person veranschlagt hatte. 263 Dieser Wert war, da sich die Getreidepreise je nach Ernteertrag und Marktsituation ständig änderten, eher fiktiv. Dazu weiter unten. 264 In einer Mitteilung an die Geheimen Räte vom 21. November 1740 beschrieb Druchtleben die »benöhtigte Küchen- und Hauß-Gerähte als Eymer, Töpfe, Kessel, Schemmel, Tisch, Bett-Stelle und darinn gehörigen Betten«. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. 265 Vgl. zur Einquartierung S. 203—234. Vgl. Sichart von Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, S. 178. 266 Auf eine Umrechnung der Heilfürsorge und Körperpflege sowie der Invalidenversicherung wurde dabei verzichtet. 267 Die Kosten der gesamten Uniform nach Abzug der Ausrüstung betrugen 17 Taler und vier Pfennige. Da alle zwei Jahre eine neue Uniform ausgeteilt wurde, ist dieser Betrag halbiert worden. 261
262
Vgl.
137
rV. Einkommen der Soldaten
Tabelle 44 Gemitteltes
reguläres Jahreseinkommen eines einfachen Soldaten, umgerechnet in kurhannoversche Kassenmünze
von
Posten
1720 bis 1733
I Tlr. I Gr. |
Pf.
Sold Brot Unterkunft
Uniform
18 43
2
Quelle: Sichart
Erläuterung:
von
Tlr.
=
von
|
Ante
Posten
38,6% 32,5% 9,2% 19,6%
Sold
1734
| Tlr. I
bis 1747 Gr. | Pf.
von
Anteil Posten
36,6% 31,0% 13,8% 18,6%
Brot
Unterkunft Uniform
1100,0 %| Summe
45
28
6
1748 bis 1755
I Tlr. I Gr. I Pf. I Anteil
Sold
34,4% 32,6% 15,4% 17,5%
Brot
Unterkunft Uniform
100,0% Summe
48
Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, Taler, Gr. Mariengroschen, Pf. Pfennig =
6
100,0%
S. 178.
=
sold von 16 Talern und 27 Groschen weitere für Brot268 und für die Unterkunft269. In Tabelle 44 ist das gemittelte Jahreseinkommen aufgeführt. Mit etwas mehr als einem Drittel nahm der Sold den größten Anteil am Jahreseinkommen ein. Mit nur kurzem Abstand folgen die Verpflegungssätze, die etwas weniger als ein Drittel der Jahreseinnahmen betrugen. Ein knappes Fünftel wurde jährlich für die Uniform und etwa ein Zehntel für die Unterkunft aufgewendet. Die Höhe der Soldzahlung blieb (ebenso die Aufwendungen für die Uniform) im gesamten Untersuchungszeitraum unverändert was bei steigenden Preisen und sinkender Kaufkraft faktisch einer Verringerung des baren Einkommens gleichkam270. Je nach Marktlage und Getreidepreis variierte jedoch der Wert der Brot Verpflegung und damit der Anteil am regulären Jahreseinkommen. Betrug das Geldäquivalent zwischen 1720 und 1733 im Mittel 14 Taler und drei Groschen, so erhöhte es sich zwischen 1734 und 1747 im Durchschnitt auf 14 Taler, sieben Groschen und vier Pfennige und im dritten Zeitraum auf 15 Taler, 31 Groschen und vier Pfennige. Deutlicher werden die Unterschiede, zieht man zwei Extremjahre heran: 1732 betrug der Roggenpreis zwei Taler und 18 Groschen pro Malter, 1740 war er mit fünf Talern und 30 Groschen pro Malter mehr als doppelt so teuer. In solchen Krisenjahren war der Anteil der Brotverpflegung höher als der des Soldes und erreichte 1740 bei 19 Talern, 19 Groschen und vier Pfennigen mit 38,2% den Spitzenwert. Das errechnete Jahreseinkommen erhöhte sich in diesem Jahr entsprechend auf über 51 Taler. —
268
269
270
Inklusive Backlohn, Mahlkosten und Lizentgebühr von jährlich zusammen acht Talern. Backlohn und Mahlkosten wurden den Tabellen in StAGö A A Gewerbesachen, Bäckergilde, Nr. 11, entnommen. Die Roggenpreise sind entnommen worden: Preise im vor- und frühindustriellen Deutschland, S. 161—165. Es wurden jeweils die Duchschnittswerte der Jahre 1720—1733, 1734—1747 und
1748—1755 herangezogen. Der erste Wert wurde dem Servisreglement von 1713 entnommen, der zweite und dritte Wert stammen einer Extrapolation der gestiegenen Mieten. Möglicherweise sank in diesem Zeitraum auch die Qualität der Uniform.
ent-
138
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Tabelle 45
Reguläres Jahreseinkommen eines einfachen Soldaten in den Getreidepreisextremjahren 1732 und 1740 Posten
1732 I Tlr. I Gr. I Pf. I Anteil
Sold Brot Unterkunft Uniform Summe
Quelle: wie Tabelle 44.
27
18 42
Erläuterung:
39,6% 30,8% 9,5% 20,1%
1740
Tlr. I Gr. I Pf. I Anteil
Posten
Sold Unterkunft Uniform
100,0% Sumn
Tlr.
=
32,8% 38,2% 12,4% 16,6%
Brot
Taler,
51
Gr.
=
100,0%
Mariengroschen,
Pf.
=
Pfennig
Neben der Brotverpflegung veränderte sich auch der Gegenwert der gestellten Unterkunft. Dies liegt vor allem daran, daß mit der Universitätsgründung in Göttingen 1734 die Mietpreise sprunghaft anstiegen. Entsprachen bis 1733 die im Servisreglement von 1713 errechneten Quartierssätze noch annähernd der tatsächlichen in Anspruch genommenen Leistung, so erhöhte sich der Wert der freien Unterkunft spätestens seit der durch zuziehende Professoren, Studenten und andere Universitätsbürger verursachten Wohnraumverknappung um mehr als die Hälfte. 1720 bis 1733 und 1748 bis 1755 steigerte sich der Anteil am Jahreseinkommen um knapp sechs Prozentpunkte (Tabelle 44). Mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von etwa 43 bis 48 Talern (Tabelle 44) das allerdings durch den außerordentlichen Gegenwert der Uniform etwas zu hoch erscheint verdienten die einfachen Soldaten so viel wie ein vollbeschäftigter Tagelöhner271 oder ein einfacher Göttinger Amtsträger, wie z.B. der Erste Ratsdiener Johann Caspar Schaper272. Vollbeschäftigte Gesellen des Bauhandwerks kamen zwischen 1735 und 1747 auf durchschnittlich jährlich 72 Taler, Handwerksmeister erhielten fast das Doppelte eines einfachen Soldatensoldes, mittlere bzw. gehobene Amtsträger wie der Kalandsverwalter Dannhauer oder der Stadtsekretär Willig bereits das Sechsfache. Damit zählten einfache Soldaten sicher zu den unteren Einkommensschichten, sie jedoch pauschal zur traditionellen Armutsgruppe zusammen mit den »Witwen, Waisen, Kranken und Verkrüppelten« zu zählen, erscheint unzulässig273. Derartige Einkommensvergleiche unterliegen allerdings methodischen Einschränkungen. Ein Tagelöhner erhielt seinen Lohn im allgemeinen ausschließlich in bar, ein Soldat bekam —
—
271
272
273
Bei einer Beschäftigung von etwa 260 Tagen im Jahr, davon 80 Tage mit Winterlohn und 180 Tage mit Sommerlohn, bekam ein Göttinger Tagelöhner etwa 47 Taler, vgl. zur Berechnungsgrundlage Kaufhold, Handwerk der Stadt Hildesheim, S. 90; und zur Umrechnung auf Göttinger Verhältnisse Winnige, Krise und Aufschwung, Kap. 1.2.3.1. Schaper erhielt zwischen 1750 und 1755 inklusive Sachleistungen jährlich 47 Taler und 33 Groschen, vgl. Gerhard, Diensteinkommen. Sachße und Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge, Bd 1, S. 101.
139
rV. Einkommen der Soldaten
jedoch lediglich ein Drittel seines Einkommens in barer Münze ausbezahlt. In Zeiten niedriger Lebenshaltungskosten, günstiger Mieten und billigem Brot konnte sich eine komplette Bezahlung in bar durchaus als Vorteil erweisen. Ein Tagelöhner war dann in der Lage, seine Ausgaben gezielter zu tätigen und zu sparen. Dies gilt vor allem für Kauf und Ausbesserung der Arbeitskleidung, für die ein Tagelöhner oder Geselle wesentlich weniger aufwenden mußte, als der errechnete jährliche Geldwert der Uniform betrug. Möglicherweise wohnte er außerhalb Göttingens in einem der Gartenhäuser und konnte auf diese Weise auch an der Miete sparen. Umgekehrt blieb ein Soldat in Krisenjahren (hohe Brotpreise, allgemeine Verteuerung) dem Tagelöhner gegenüber deshalb im Vorteil, weil er sich über gestiegene Mieten oder drastisch erhöhte Brotpreise keine Sorgen machen mußte. Ein vom Taglohn Lebender konnte jedoch extrem steigende Lebenshaltungskosten bei gleichbleibendem Lohn (wenn er dann überhaupt eine Arbeit fand) nicht mehr bestreiten und geriet in existenzielle Krisen. Für Getränke, Nahrungsmittel (außer Brot), Vergnügungen und bestimmte Verpflichtungen blieben dem einfachen Soldaten im Jahr lediglich 16 Taler und 27 Groschen. In Tabelle 46 wird eine Auswahl von Nahrungsmitteln aufgeführt, die sich ein Musketier im November 1751
von
seinem Sold hätte kaufen können.
Tabelle 46 eines einfachen Soldaten im November 1751 bei einem Nettosold von 50 Groschen und 2 Pfennig
Möglicher Warenkorb 18 13 5 6 4 3
Gr. Gr. Gr. Gr. Gr. Gr.
50 Gr.
u.
u.
u.
4
Pf.
6 Pf.
für für für für für für
acht Pfund Schweinefleisch sechs Pfund Hammelfleisch Gemüse (je etwa 3 Liter Bohnen und etwa 16 Liter Hafer (Hafergrütze) Getränke (7 Liter Bier) zwei
Erbsen)
Karpfen (Stück)
2 Pf.
Quelle: Alle Angaben errechnet nach einzelnen Marktamtzetteln StAGö AA Landwirtschaft, Fischerei. Nr. 4.
Luxusgüter wie die in Göttingen erhältlichen »Artischocken« oder »Bluhmen-Kohl«274 bzw. Schokolade oder Kaffeebohnen, deren Erwerb wohl nur den Offizieren möglich war, wurden nicht berücksichtigt275. Es zeigt sich, daß der gezahlte Sold im allgemeinen für einen Ledigen gerade ausreichte, um genügend Lebensmittel zu kaufen; Konsumgüter zu erstehen oder andere Ausgaben zu machen, war ihm jedoch nicht möglich. Vor allem, wenn er eine Familie zu ernähren hatte,
weiteren 274 275
Einnahmemöglichkeiten
umzusehen.
war
der Soldat gezwungen, sich nach
StAGö AA Handel, Verschiedenes, Nr. 6. Am l.Juni 1730 gab der Kaufmann Böge Jacobsen vor dem Rat Offizieren Tafelschokolade und Kaffeebohnen verkauft; StAGö AA
zu Protokoll, er habe vor allem Handel, Hausiererhandel, Nr. 40.
140
Dritter Teil: Lebens- und
B.
Dienstbedingungen der Soldaten
Militärspezifische
Zusatzeinkünfte
Die besonderen Bedingungen des Militärsystems boten den Soldaten neben dem Sold eine Reihe weiterer Einnahmemöglichkeiten. Diese militärtypischen Nebenbetätigungen waren unter anderem die Übernahme von Extrawachen und Sonderdiensten, die Anwerbung von Rekruten sowie die Anfertigung und Reparatur der Uniformen oder
einzelnen Uniformteile und anderer
Rüstungsgegenstände.
Lohnwachen und Sonderdienste Da stets ein Teil der Soldaten beurlaubt war, mußten zusätzliche Wachdienste übernommen werden. Für solche Lohnwachen bekamen Freiwillige bestimmte Sätze ausbezahlt276. Ein einfacher Soldat erhielt pro Wache 4 1/2 Groschen, ein Tambour oder ein Unteroffizier sechs Groschen. Darüber hinaus konnten Soldaten mit der Übernahme einiger Sonderdienste weitere Einkünfte erzielen. So verdiente man für eine 24stündige Krankenwache drei Groschen, für ein »großes Kommando« (4 bis 5 Meilen Entfernung) 24 Groschen, für eine »kleine Arbeit« eineinhalb Groschen, für eine »große Arbeit« drei Groschen und für Arbeiten am Festungswerk pro halbem Tag drei Groschen277. Diese Ausgaben wurden entweder mit Abgaben beurlaubter Soldaten, die eigentlich im Rah-
ihrer Dienstverpflichtungen diese Aufgaben unentgeltlich hätten verrichten müsoder mit Zuschüssen der Kriegskanzlei finanziert. sen, Eine weitere Verdienstmöglichkeit bestand darin, daß Kommandant und Kompaniechefs für anfallende Arbeiten dienstlicher oder privater Natur ihre Untergebenen beschäftigten. So wurde beispielsweise der Musketier Meyer für Botengänge eingesetzt (»zum Verschicken gebrauchet«)278. Manchmal arbeiteten Soldaten im Garten des Regimentschefs279. men
Werbeprämien Konnte ein Soldat einen Rekruten anwerben, bekam er vom Kompaniechef eine Erfolgsprämie ausbezahlt. Die Höhe dieser Geldsumme richtete sich nach Körpergröße, beruflicher Vorqualifikation und vereinbarter Vertragsdauer des neuen Soldaten280. Die Vermittlungstätigkeit erwies sich als außerordentlich lukrativ. Im Durchschnitt erhielten die Soldaten mehr als zwei Reichstaler281, also fast das Doppelte eines Nettomonatsloh276 277
278 279
280
281
Für diese Gelder mußten die Beurlaubten aufkommen. Vgl. Unterricht, Kap. V und VI. Diese Löhne entsprechen in etwa dem, was ein im Baugewerbe tätiger Handwerksgeselle in Göttingen in diesem Zeitraum erhielt. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193; Brief Druchtlebens an die Kriegskanzlei vom 21. November 1740. StAGö AA Deposita, Nr. 23. Nach einem an Druchtleben gerichteten Antwortbrief der Kriegskanzlei vom 18. Juli 1731. Ebd., die Beträge schwankten zwischen einigen Groschen und mehr als fünf Talern, vgl. im folgen-
den ebd. In der »Leibkompanie« Block wurden zwischen 1749 und 1756 77 Rekruten geworben. In 44 Fällen wurde dem Soldaten für die Vermittlungstätigkeit eine Vergütung gezahlt, insgesamt 95 Taler und 35 Groschen. Bezogen auf die 44 Fälle beträgt die Durchschnittssumme zwei Taler, sechs Groschen
IV Einkommen der Soldaten
141
Einige Männer konnten auf diese Weise respektable Summen einstreichen. So wurde der Musketier Adam Weltz für die Anwerbung des Rekruten Christian Just am 26. August 1755 mit fünf Talern und 30 Groschen belohnt. Die erfolgreichen Werbeaktivitäten von Heinrich Hebenstreit und Hans Heinrich Schußler282 wurden mit vier Talern 24 Groschen bzw. vier Talern vergolten. Einige Soldaten konnten mehrere Rekruten werben und so ihren Lebensunterhalt spürbar aufbessern283. Ein besonderes Talent bewies Georg Caspar Rosenstengel, der innerhalb von sechs Jahren gleich fünf Kandidaten überreden konnte, in den Militärdienst einzutreten284. Dafür erhielt er von seinem Kompaniechef insgesamt 14 Taler und 26 Groschen285. Es hatten jedoch nur wenige Männer die Chance, ihren Sold mit einer Werbeprämie merklich aufzubessern. Von den zwischen 1748 und 1756 vorübergehend oder die ganze Zeit in der »Leibkompanie« dienenden 193 Soldaten konnten nur 34 Männer (17,6%) einen oder mehrere Rekruten werben und Prämiengelder kassieren. Hauptursache dafür war vor allem die geringe Aufnahmekapazität der Kompanie; in fast acht Jahren wurden nur 77 Rekruten vereidigt286. nes.
Uniformherstellung Zur Reparatur und Anfertigung der Uniformen und einzelner Uniformteile beauftragte der Regimentschef Soldaten, die über entsprechende Fähigkeiten verfügten und eine Berufsausbildung vorweisen konnten. Gelernte Schneider wurden für die Herstellung der Hosen und Jacken eingesetzt287, »Soldatenschuster« fertigten die Schuhe, Hutmacher den Dreispitz der Soldaten288. und vier Pfennige, bezogen auf die Gesamtzahl der 77 Geworbenen beträgt das Mittel ein Taler, acht Groschen und sechs Pfennige. Hebenstreit hatte am 29. November 1755 Johann Andreas Staude und Schußler am 30. Oktober 1751 Johann Andreas Stephen geworben. Dem Musketier Johann Nicolaus Engelhardt wurden für die Anwerbung von Johann Severus Starck und Johann Nicolaus Kiemen am 9. September 1749 sieben Taler vergütet. Der einfache Soldat Gottlieb Engelke erhielt für seine erfolgreiche Vermittlungstätigkeit für die Rekruten Ferdinand Bertram (24. August 1755) und Joseph Eibes (8. Juni 1756) zusammen drei Taler und zwölf Groschen. Dies waren am 6. März 1750 Johann Christof Klitsch, am 10. April 1750 Christian Wilhelm Warmuth, am 31. Juli 1751 Michael Stephen, am 27. März 1755 Heinrich Brant und am 2. Februar 1756
Caspar Ludewig.
Dies war sogar etwas mehr als der Nettomonatssold eines Leutnantes. Andere den Personenkreis einschränkende Kriterien werden aus Sicht des Hauptmanns Vertrauenswürdigkeit und »Überzeugungsqualitäten« eines Soldaten gewesen sein, denn die Chefs hatten nur bestimmte Personen zum Zwecke der Anwerbung beurlaubt. Dies geht hervor aus einem Briefwechsel zwischen den Geheimen Räten und dem Stadtrat vom 1. Dezember 1746 und 29. Dezember 1746. Dem Schreiben vom 1. Dezember ist zu entnehmen, daß pro Kompanie etwa drei bis vier »Soldatenschneider« eingesetzt wurden; StAGö AB Belege zur Servicerechnung 1746/47. Vgl. außerdem die Beschwerde der Schneidergilde vom 7. August 1738; StAGö AA Gildensachen, Allgemeines, Nr. 26. StAGö AA Gewerbesachen, Hutmacher, Nr. 4. Beschwerdeschreiben der Hutmachergilde über die Arbeit der »Soldatenhutmacher« vom 10. Dezember 1729.
142
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Zusammenfassung Nicht jeder Soldat konnte von den zusätzlichen militärtypischen Verdienstmöglichkeiten profitieren. Zum einen lag dies daran, daß nicht alle Männer einen Beruf erlernt hatten, der für Reparatur und Herstellung von Uniformen oder anderen Gegenständen geeignet war. Zum anderen waren Aufträge größeren Volumens temporär beschränkt, nur alle zwei Jahre mußten neue Uniformen genäht werden. In der übrigen Zeit waren lediglich kleinere Ausbesserungsarbeiten vorzunehmen. Ähnliche Einschränkungen galten für das Kassieren von Werbeprämien; nur wenige hatten das Glück und die Gelegenheit, einen Rekruten zu werben. Die Übernahme von Lohnwachen oder anderen Extradiensten war aber längst nicht so lukrativ, zudem außerordentlich zeitintensiv. Schließlich blieb den Frauen der Soldaten dieser Bereich völlig verschlossen. Aus diesem Grunde mußten wohl die meisten Soldaten (und deren Frauen) nach weiteren legalen und illegalen Verdienstmöglichkeiten im nichtmilitärischen Umfeld suchen. Neben den militärtypischen Nebeneinkünften blieb den Soldaten die Möglichkeit, den Bürgern und Einwohnern der Stadt Produkte und Dienstleistungen anzubieten, also Schwarzhandel zu betreiben oder als »Pfuscher« zu arbeiten. Schließlich versuchten viele Männer mit illegalen Methoden wie Lizentschmuggel, Geldverleih, Diebstählen oder Erpressungen ihre Einkünfte zu verbessern289. V.
Gestaltung des Alltags:
Dienst und Freizeit
A. Militärdienst
Der Wachdienst
Wichtigste Aufgabe und Hauptbeschäftigung der Soldaten war der tägliche Wachdienst. Diese Tätigkeit umfaßte neben Kontrollgängen durch die Stadt vor allem die Sicherung der vier Stadttore und der Festungseinrichtungen sowie die Bewachung des Gefängnisses (Stockhaus). Eine Wachmannschaft bestand im Normalfall aus einem Offizier, sechs Unteroffizieren, 23 Gefreiten, 6 Tambouren und 95 Musketieren, insgesamt also 131 Soldaten290. Kamen besondere Umstände 289 290
291
Vgl.
hinzu, wurde die Gesamtzahl leicht variiert291. Die
zur »Pfuschertätigkeit« der Soldaten S. 252—260. StAGö AA Deposita, Nr. 23. Nach einer Wachpostenverteilung vom 2. Oktober 1756. Auch über einen längeren Zeitraum hinweg hatte sich diese Anzahl nur geringfügig verändert: Nach einer Wachverteilung aus dem Jahre 1708 hatten 126 Soldaten den Wachdienst zu verrichten, vgl. die Verteilung des Generalleutnants von Voigt vom 30. März; NHStA Hannover, Hann. 47IV 9, Nr. 3. Nach Ansicht des Stadtrates lag die personelle Mindestbesetzung bei 100 Soldaten, vgl. den Bericht des Bürgermeisters an den Geheimen Rat vom 30. Januar 1747; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. Mußten die Bürger ohne Garnison die Bewachung ihrer Stadt übernehmen, wurden allerdings lediglich 81 Männer eingesetzt, vgl. die einzelnen Rapportlisten in StAGö AA Wachwesen, Nr. 4, vol. 1. Als sich am 29. September 1756 die Prinzen aus Hessen-Kassel in Göttingen aufhielten, wurden die Wachen umgestellt und deren Gesamtzahl geringfügig auf 133 Mann erhöht; StAGö AA Deposita, Nr. 23.
V.
Gestaltung des Alltags:
Dienst und Freizeit
143
Verteilung der Wachposten war vom Kommandanten detailliert geregelt und richtete sich nach militärischen und verteidigungsstrategischen Erwägungen. An besonders schutzbedürftigen und für fremde Übergriffe anfälligen Stellen292 wurden mehrere Posten aufgestellt, an weniger sensiblen Punkten nur ein Mann postiert. Allerdings wurden einige Wachsoldaten auch eher zu Repräsentationszwecken eingesetzt293. Die Wachmannschaft wurde stets aus allen sieben Kompanien gebildet, fünf Einheiten hatten 19 Soldaten, zwei Kompanien 18 Mann abzustellen. Da der Wachdienst 24 Stunden294 dauerte, bedeutet dies, daß rechnerisch jeder Soldat etwa 1—2 mal pro Woche entsprechende Sicherungsaufgaben zu verrichten hatte295. Dies würde bedeuten, daß für einen einfachen Soldaten mehr als ein Viertel eines Monats mit Wachdiensten abge—
—
deckt gewesen war296. Bezogen auf eine fiktive Arbeitszeit von 260 Monatsstunden297 würde der Wachdienst sogar fast drei Viertel der Dienstzeit (73,8%) in Anspruch nehmen. Der Wachdienst begann und endete im allgemeinen mittags mit einem Zeremoniell. Die alte Wache trat auf dem Marktplatz an und wurde von der neuen Wachmannschaft abgelöst. Nach der Vergabe der »Parole«, einer Losung, mit der sich die Wachleute bei Dunkelheit untereinander verständigen konnten, und der Ausgabe der Gewehre und Munition wurde der Dienst angetreten298. Während der 24stündigen Wachtätigkeit galten für den Soldaten spezielle Wachvorschriften; Übertretungen, etwa Schlafen im Dienst oder der Genuß von Alkohol, wurden streng bestraft. Dafür stand der Wachsoldat unter einem besonderen Schutz; wer einen Soldaten während seines Wachdienstes behinderte, beleidigte oder gar tätlich angriff, wurde unverzüglich zur Rechenschaft gezogen. Besonders personalintensiv und aufwendig war tagsüber die Überwachung der vier Stadttore. Die Wachsoldaten hatten den Durchgangsverkehr zu kontrollieren, einreisende Personen nach dem Zweck ihres Besuches zu befragen, die Pässe von Reisenden durchzusehen und die Ladung von Fuhrwerken zu überprüfen. Kam während der Sperrzeit nach —
—
Etwa die Kanonenstellplätze oder das Zeughaus. Vor den Häusern des Kommandanten, des Oberstleutnants und des Majors standen drei Mann, vor dem Haus des Komissars befanden sich zwei Wachposten »vor dem Gewehr«. Ebenso in Lübeck, vgl. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 218. Vgl. außerdem für Bremen Focke, Stadtmilitär, S. 17. Diese Zahl errechnet sich wie folgt: Zwischen 1722 und 1756 waren durchschnittlich 620 bis 650 Soldaten Mitglied des Regiments. Nach Abzug der Kranken und Beurlaubten bleiben etwa 550 Männer übrig. Bei einer Wachmannschaftsstärke von 131 Soldaten mußte also im Schnitt ein Soldat alle 4,2 Tage Wache stehen. Zum Vergleich: In Lübeck hatten die Soldaten im dreitägigen Turnus ihre Wachdienste zu leisten, vgl. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 217. In Frankfurt/Main war stets ein Drittel aller Soldaten mit Wach- und Sicherungsaufgaben beschäftigt, vgl. Kracauer, Reichsstadt Frankfurt/Main, S. 51. Bei einer errechneten Gesamtstundenzahl pro 30-Tage-Monat von 720 Stunden (30x24) und einer Gesamtwachdienstdauer von 192 Stunden (24x8). Zehn Stunden mal 26 Tage im Monat, also 260 Stunden. Ein solcher Arbeitstag würde als Mittelwert den von Nahrstedt, Entstehung der Freizeit, S. 132, berechneten Arbeitszeiten eines Handwerkers um 1750 von 8,5 bis 11,5 Stunden pro Tag entsprechen. Wahrscheinlicher ist, daß die Soldaten ihren Dienst kürzer und unregelmäßiger verrichten mußten. Zeitpunkt und Ausgabe der Parole werden erwähnt in einem Bericht des Stadtrates vom 29. Juli 1735; StAGö AA Sicherheitswesen, Nr. 2.
144
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen
der Soldaten
Schließung der Tore ein Wagen, mußte vom Fuhrmann eine Gebühr erhoben und das Tor geöffnet werden. Nachts, nach der endgültigen Schließung der Tore, beschränkte sich die Aufgabe der Torwache auf die Sicherung der Anlage.
Sowohl in der Stadt als auch auf dem Wall oder den Ravelins standen einzelne Posten, die zur Objektsicherung eingesetzt wurden. Neben den Wohnhäusern der drei ranghöchsten Offiziere und des Kommissars wurden innerhalb der Stadt noch das Zeughaus, das Getreidemagazin und die Pulvertürme geschützt. Die Bewachung des Stockhauses richtete sich nach der Anzahl der inhaftierten Gefangenen. Bei einer üblichen Belegungsdichte299 befand sich ein Soldat im Aufenthaltsraum der Gefangenen, ein weiterer Mann vor der Tür und ein dritter Posten vor dem Haus. Auf dem Wall und den Festungswerken standen die Männer unter anderem »bei die Canons«, »auf der langen Linie«, »auf der kalten Herberge«, »beim Bürgerpulverturm« oder »bey der Leineausfluß«. Außer der Bewachung der einzelnen Festungswerke und Funktionseinheiten hatte die Wachmannschaft in bestimmten Abständen Patrouillengänge durch die Straßen und Wirtshäuser vorzunehmen. Lagen keine außergewöhnlichen Umstände vor, waren vor allem drei »Ronden« nach vorgeschriebenem Weg zu bestimmten Zeiten durch die Stadt zu machen: die erste nach dem Zapfenstreich um 22 Uhr, die sogenannte Hauptrunde um 24 Uhr und eine dritte Runde morgens zwischen zwei und drei Uhr300. Wachoffizier und Unteroffiziere hatten die einzelnen Wachposten mehrmals zu überprüfen und auf die korrekte Ablösung der Männer zu achten, die sich nach einigen Stunden301 für eine gewisse Zeit in den Wachhäusern ausruhen konnten bzw. in Bereitschaft blieben, ehe sie wieder ihren Posten bezogen302.
Übungen, Manöver und Revuen Einen wichtigen Platz nahm die militärische Ausbildung der Soldaten ein. Die Disziplin des Soldaten und die Beherrschung der Ausrüstung, vor allem des Gewehres, waren aus Sicht der Generalität entscheidende, die Schlagkraft der Armee beeinflussende Faktoren. Die Exerzierung der Handgriffe und Bewegungsabläufe wurde nach vorgegebenen Reglements einstudiert und fand in der Stadt auf dem Marktplatz oder dem Neuen Markt statt303. Die dafür nötigen jeweiligen Wendungen und Körperdrehungen waren in sogenannte Actionen unterteilt304. Diese definierten Actionen waren sehr detailliert, 299 300
301
302
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304
Festungsbaugefangenen schwankte zwischen 20 und 40 Personen. »Reglement vor die Wachen«; StAGö AA Wachwesen, Nr. 4 Bd 1. Vgl. zur Hauptrunde auch das
Die Anzahl der
Schreiben Druchtlebens an die Geheimen Räte vom 17. Januar 1737; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 9. In Lübeck durfte ein Zeitraum von acht Stunden nicht überschritten werden, vgl. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 218. Vgl etwa das Gutachten von Notar Kunze vom 14. Mai 1738, der darauf hinweist, daß nie alle Soldaten gleichzeitig Wache hätten, sondern sich in den Wachhäusern ausruhen könnten; StAGö Geheimer Rat, Bausachen Nr. 159. Ein ähnliches System von Postenstehen und Ruhephasen gab es in Lübeck, vgl. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 218. Vereinzelt wurde der Neue Markt deshalb auch als Paradeplatz bezeichnet. Im folgenden nach einem »Extract« von 1751; NHStA Hannover, Hann. 41 IV, Nr. 41, f. 38—41.
V
Gestaltung des Alltags: Dienst und Freizeit
145
für einfache Bewegungen wurden bereits zwei bis drei Actionen verlangt. Die Präsentierung des Gewehres umfaßte 15 Actionen, die Handgriffe zum Abfeuern des Gewehres sogar 75 einzelne Abläufe. Insgesamt bestand das »Exercice« der Infanteristen aus 265 Actionen, die immer wieder eingeübt wurden. Dieser ständige Drill sollte die Truppenkörper zu perfekten Maschinen machen, die auf dem Marsch und im Gefecht größt-
mögliche Manövrierfähigkeit garantierten.
Aus diesem Grunde wurde den Übungen große Bedeutung beigemessen. Als 1750 bzw. 1751 von der Kriegskanzlei ein neues Exerzierreglement ausgearbeitet worden war, drang man in Hannover darauf, innerhalb kürzester Zeit jedem Soldaten die neuen Kommandos vorzuführen305. Über Häufigkeit und Dauer solcher Übungszeiten kann keine Aussage gemacht werden, da entsprechende Quellen nicht vorhanden sind306. Vermutlich wurde in Göttingen zusätzlich das Verhalten im Belagerungsfall geprobt307. Eine weitere Stufe der Ausbildung war die Übung im Felde, das Manöver. Mindestens einmal im Jahr, im allgemeinen je nach Wetterlage Ende März oder Anfang April308, verließen die Kompanien die Stadt für einige Tage, um im Gelände das Einhalten der Marschordnung309, den Aufbau eines Zeltlagers und das Verhalten während einer Kampfsituation einzuüben310. Für Schießübungen erhielt jeder Musketier drei bis vier Patronen311. Um die Simulation eines Gefechtes möglichst realitätsnah zu gestalten, nahmen in der Regel drei Regimenter an einem Manöver teil, so daß verschiedene Freund/FeindKombinationen einstudiert werden konnten312. Die Grenadiere wurden im Rahmen des Manövers gesondert ausgebildet313.
Eigens wurde ein Offizier, Oberstleutnant von Wangenheim, damit beauftragt, in jede Garnison zu reisen und Offiziere und Unteroffiziere in die neuen Regeln einzuweisen. Die Kriegskanzlei vergewisserte sich in einem Schreiben an Block vom 31. März 1751, daß zur weiteren Einübung auch alle Mannschaftsmitglieder in Göttingen anwesend sein würden; StAGö AA Deposita, Nr. 23. 306 Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 220, weist darauf hin, daß im Laufe des 18. Jahrhunderts Drill 305
und Exerzierübungen stetig zunahmen. Etwa die Alarmierung der Garnison und die Besetzung der einzelnen Verteidigungsstellungen, vgl. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 221. 308 Vgl. die bei der Munitionsausgabe notierte lapidare Bemerkung des Zeughauswärters: »gewöhnlichermaaßen exercieren«. Das Datum der Munitionsausgabe schwankte zwischen dem 19. März und dem 29. April; StAGö AA Deposita, Nr. 23. 309 Die »Ordre de Bataille« war die Grundaufstellung der Armee nicht nur im Kampf, sondern auch im Lager und auf dem Marsch. 310 Im Gefecht bildeten die Soldaten einzelne Gruppen, die sogenannten Pelotons, die sich in der Schußfrequenz ablösten und ergänzten. Vgl. Sichart von Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, S. 136—140. Zu den einzelnen Feuerungsarten wie Gliederfeuer, Einbruchsfeuer oder Defileefeuer vgl. ebd. 311 So wurden zum Beispiel pro Regiment am 16. April 1726 1554 Kugeln, 1036 Flintensteine und 313 Pfund Pulver ausgegeben. Wurden Rekruten ausgebildet, erhielt jeder Soldat 16 Patronen, nach einer Anweisung vom 21. März 1727; StAGö AA Deposita, Nr. 23. 312 Außer dem Regiment Druchtleben bzw. Block nahmen die beiden Göttingen am nächsten gelegenen, in Northeim (1726: Regiment Wurmb) und Münden (1726: Regiment Schwaan) stationierten Einheiten teil. 313 Nach einer Aufforderung an den Zeughauswärter Lotze vom 16. Juni 1736 erhielt jeder Grenadier zu Übungszwecken drei Handgranaten ausgehändigt. StAGö AA Deposita, Nr. 23. Die Übungen der Artilleristen wurden gesondert von der Infanterie organisiert, vgl. allgemein NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 56 und Nr. 46 vol. III. 307
146
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen
der Soldaten
Ausbildungsstand, Manövrierfähigkeit und Ausrüstung der Soldaten wurden jährlich bzw. alle zwei Jahre im Sommer anläßlich der in Hannover314 stattfindenden »Revuen« überprüft315. Außer einer als »Particulier Musterung« bezeichneten Zustandskontrolle316 durch Generalität und Kriegskanzlei bestand die Revue noch in einer vor zahlreichen Schaulustigen vorgetragenen »Revue en Parade«317. Diese Militärparaden jedes Regiment defilierte nach einem ausgeklügelten System gerieten zu gesellschaftlichen Ereignissen318 und dienten »dem zeittypischen Bedürfnis nach Repräsentation«319. Zudem hatte die Zurschaustellung des militärischen Potentials auch politische Funktionen. Da die Soldaten der Regimenter Druchtleben und Block den Weg von Göttingen nach Hannover zu Fuß zurücklegten320, nahm die Revue inkl. Reisedauer etwa zwei bis drei Wochen in Anspruch. Hin- und Rückreise dauerten bei einer täglichen Marschleistung von 25 bis 30 Kilometern jeweils sechs Tage321. —
—
Sonderdienste
Je nach Sachlage und Erfordernis hatten die Soldaten temporär begrenzte Sonderdienste
verrichten. Dazu zählten Ausbesserungstätigkeiten am Festungswerk322 ebenso wie Reparaturarbeiten in der Waffenkammer323. Zuweilen hatten die Soldaten den Transport von Militärgütern zu begleiten und zu bewachen bzw. die Überführung von Gefangenen vorzunehmen324. Auf Bitten der Ortsobrigkeiten unterstützten Soldaten zivile zu
314 315
316
317 318 319
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324
Mitunter fanden die Revuen an anderen Orten statt, so etwa 1738 bei Buxtehude; ebd., Nr. 45 vol. I. War der König anwesend, wurden diese Treffen als »Große Revue« bezeichnet. Vgl. auch RichterUhlig, Hof und Politik, S. 31. Niemeyer, Revue, S. 5, faßt zusammen: »Die periodische Untersuchung der Regimenter sollte ermitteln, ob sie vollzählig, die Soldaten gesund und dienstfähig, ausreichend bekleidet und ausgerüstet und ob der Mann die ihm zustehende Löhnung und die übrigen vorgeschriebenen Gebühren richtig ausgehändigt erhalten hatte.« Die Musterung konnte einige Stunden dauern oder sich sogar auf einen ganzen Tag pro Regiment erstrecken, vgl. ebd., S. 10. Vgl. allgemein NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 45 vol. I-IV. Vgl. Niemeyer, Revue, S. 26—30. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 222. Für den Transport von schwerem Gepäck bzw. von Ausrüstungsgegenständen erhielt jedes Infanterieregiment zur Revue von 1735 drei Wagen, vgl. NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 45 vol. II. Ebd., vol. IV, die Marschrouten der Regimenter wurden von der Kriegskanzlei ausgearbeitet. Zur Revue von 1752 war für das Regiment Block folgender Reiseweg vorgeschrieben: 29. Mai: ins Amt Brunstein; 30. Mai: ins Wolfenbüttl. Amt Greene, Naensen, Brunsen; 31. Mai: Rasttag; 1. Juni: ins Amt Lauenstein, gegen Lübbrexen; 2. Juni: ins Amt Calenberg, Hallerburg, Ansen; 3. Juni: ins Cantonnement Linden, Bornum, Empelde. Zur Marschleistung von Soldaten vgl. auch Thenius, Kursachsen, S. 92. Der letzte große Einsatz von Soldaten am Festungsbau datiert allerdings bereits aus dem Jahre 1715, vgl. NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 4. Danach wurde auf die Dienste von Garnisonsangehörigen nur noch sehr selten zurückgegriffen. Im übrigen blieb die Teilnahme am Festungsbau im Prinzip freiwillig und wurde extra honoriert. Zum Aufgabenbereich der Augsburger Soldaten vgl. Kraus, Reichsstadt Augsburg, S. 214—217. So hatten zum Beispiel die Gefreiten-Corporale Granaten zu füllen. Nachricht der Kriegskanzlei an Block vom 13. April 1750; StAGö AA Deposita, Nr. 23. Ebd., am 20. Juli 1730 hatten sieben Soldaten eine aus Bursfelde ankommende Pulverladung zu bewachen an 29. Juli 1730 begleiteten Soldaten eine Pulverladung nach Einbeck; am 9. Oktober 1734
V
Gestaltung des Alltags: Dienst und Freizeit
147
Beamte bei der Verfolgung von Dieben oder anderen gesuchten Verbrechern325. Anläßlich einer »Generalvisitation« in Göttingen es sollten alle Wirtshäuser, Gartenhütten —
und andere Gebäude nach »Mordbrenner[n] und ander[em] liederlich[en] Gesindel[s]« abgesucht werden setzten sich die einzelnen Suchtrupps aus je fünf Bürgern und fünf Soldaten zusammen326. Als im nahegelegenen Rosdorf ein Brand ausbrach, half beim Löschen auch ein Kommando der Göttinger Garnison327. Gelegentlich wurden Soldaten zur »militärische[n] Execution« bei säumigen Steuerzahlern eingesetzt328. Die Funktion einer Ordnungsmacht übernahm die Garnison bei Studentenunruhen329. Hin und wieder beschäftigte der Stadtrat einige Soldaten für öffentliche Arbeiten, so im Jahre 1716, als ein kleiner Damm im »großen Mühlen Kolck« errichtet werden sollte330. —
B.
Uniform und
Dienstbedingungen
Ausrüstung
Die Uniform stellte die Arbeitskleidung der Soldaten dar, die ständig, auch außerhalb des Dienstes, zu tragen war331. Außer der Visualisierung des Ranges innerhalb der Militärhierarchie hatte die Bekleidung des Soldaten korporative Signalwirkung, die ihn stets als Mitglied einer bestimmten Berufsgruppe ausweisen und aus der zivilen Bevölkerung
herausheben sollte. Die Uniform332 setzte sich aus Kopfbedeckung333, Jacke334, Hose, Palasch bzw. Kittel335 und Schuhen zusammen. Dazu wurden Unterzeug aus Leinen336, Weste, Hemd, Strümpfe, wurde eine angelieferte Kanone nach Göttingen gebracht. Ebenso leisteten Soldaten Botendienste. Ebd., wiederholt wies die Kriegskanzlei ihre Kommandeure an, den Obrigkeiten bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben behilflich zu sein, so beispielsweise am 8. Januar 1751. 326 StAGö AA Staatsverwaltung, Nr. 3. Die Razzia wurde am 7. April 1739 durchgeführt. 327 StAGö AA Brand- und Feuersachen, Nr. 89. Das Feuer brach am 17. November 1751 aus. 325
StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 21. Januar 1732. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 86 f. 330 In dem aufgestauten Wasser sollte eine Kindsmörderin ertränkt werden. Für ihre Tätigkeit erhiel328
329
ten
die Männer je nach Arbeitseinsatz zwischen 4 Groschen und 20 Groschen vergütet; StAGö AB
Kämmereirechnung 1716/17, f. 315 (Extraordinaire Ausgaben vom 27. Juni 1716). 331 Das Anlegen ziviler Kleidung war dem Soldaten streng verboten, vgl. die Anordnung der Kriegs-
332
333 334
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kanzlei vom 31. März 1751, StAGö AA Deposita, Nr. 23. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 301, beschreibt die Situation in Lübeck folgendermaßen: »Es bestand eine Vorschrift, nach der die Garnisonsangehörigen auch außerhalb ihres Dienstes ihre Montur tragen mußten.« Dies »galt selbst für den Kirchenbesuch«. Hier sollen nur summarisch die Bestandteile der Uniform aufgezeichnet werden, da über Uniformmode und die einzelnen Uniformen der hannoverschen Armee bereits zahlreiche Werke vorliegen. Vgl. im einzelnen Niemeyer, Revue; Unterricht, Kap. HI und IV, Sichart von Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, S. 152—158; das »Gmundener Prachtwerk«; sowie Ronnenberg, Abbildung. Grenadiere trugen eine mittelhohe zylindrische Mütze, alle anderen Soldaten einen schwarzen Dreispitz. Der in der Regel rote »Rock« war halb Mantel, halb Jackett und an den Ärmeln, am Kragen, an der Taille und der Knopfleiste mit verschiedenfarbigen Revers ausgestattet. Hierbei handelte es sich wohl um ein mantelartiges Kleidungsstück, das zum Schutz über dem »Rock«
getragen wurde. Als Camisol oder Unter-Camisol bezeichnet.
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Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen
der Soldaten
Gamaschen, Handschuhe und zahlreiche Applikationen337 getragen. Da die Soldaten grundsätzlich nur alle zwei Jahre neu eingekleidet wurden338, in der Zwischenzeit aber an
einen Austausch zumindest der Oberbekleidung aus Kostengründen nicht zu denken
beeinträchtigten Schmutzeinwirkungen und Abnutzungserscheinungen allmählich den Gesamtzustand der Uniform339. Diesen fortschreitenden Verfall konnte auch der Umstand nicht verhindern, daß bestimmte Kleidungsstücke wie Unterwäsche und Gamaschen regelmäßig gewechselt und gewaschen wurden340. Reparaturarbeiten wurden lediglich zur reinen Funktionserhaltung einzelner Uniformteile vorgenommen341. Da die Mannschaftsdienstgrade die qualitativ schlechteren Uniformen bekamen und am häufigsten Außendienst leisteten, nutzte sich die Bekleidung der einfachen Soldaten besonders schnell ab. Neben der Uniform erhielten die Soldaten eine Reihe von Ausrüstungsgegenständen, die sie selbst aufbewahren mußten, wie zum Beispiel einen Tornister, eine Patronentasche, ein Pulversäckchen oder Degen nebst Degengehänge342. Gewehr, Munition und Bajonett wurden nur nach Bedarf ausgegeben und im Zeughaus bzw. der Mondirungskammer im Kommandantenhaus gelagert. Die Tamboure und Oboenspieler bekamen zusätzlich Musikinstrumente gestellt343.
war,
Arbeitsplatz Hauptarbeitsplatz der Soldaten waren die zu bewachenden Anlagen der Festungswerke.
Einzelne Posten hielten sich in bzw. vor den Schilderhäusern344, an den Toreinfahrten und in den Ravelins oder konnten sie sich ausruhen in den einzelnen Wachhäusern auf. Gerade die Arbeitsbedingungen der auf dem Wall oder in den Ravelins wacheschiebenden Männer waren sehr hart. Die gegen Kälte und Regen ungeschützten Wach—
—
Bordüren, Tressen, Schnüre, Knöpfe (fast 100), Borten, Schnallen und Riemen. Auf den ständigen Gebrauch von Uniformen weist hin Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 236: »Die Montierung war bei Tag und Nacht und bei jedem Wetter zu tragen«. 339 Zu den teilweise zerschlissenen Uniformen der Lübecker Soldaten ebd., S. 234. Stark verschmutzt wurden die Uniformen während des Wachdienstes. Regen und nasser Sand bzw. Spritzwasser der passierenden Kutschen an der Toreinfahrt führten schnell zu erheblichen Verschmutzungen, Vgl. die Mitteilung Druchtlebens an die Kriegskanzlei vom 14. Januar 1743; NHStA Hannover, Hann. 47 rV, Nr. 12. 340 jede Kompanie unterhielt eine Waschfrau, vgl. die Verordnung vom 16. Juni 1732; NHStA Hannover, Hann. 42, Nr. 1446. Danach sollten Gamaschen alle zwei Tage gewechselt werden. 341 Kleinteile wie Garn und Band oder Ersatz für verlorene Knöpfe wurden von der Kompaniekasse bezahlt. 342 Obwohl Degen nur zur Grundausstattung der Unteroffiziere zählten, konnten sich einfache Soldaten auf eigene Kosten Degen besorgen. Per Erlaß wurde darauf hingewiesen, daß das Degentragen neben den Musketieren auch den Heeresmusikern erlaubt sei, vgl. Gesetz vom 9. November 1731; NHStA Hannover, Cal.Br. 23 b, Nr. 573. 343 Vgl. die Anweisung der Kriegskanzlei an Block die Ausgabe von Messingtrommeln an die Tambou337
Etwa
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betreffend. StAGö AA Deposita, Nr. 23. Dies waren kleinere nach der Körpergröße eines Mannes bemessene posten vor den Einwirkungen des Wetters schützen sollten. re
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Bretterverhaue, die den Wach-
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Gestaltung des Alltags:
Dienst und Freizeit
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posten waren schnell »gantz naß und erfroren«. Selbst die auch nicht überall vorhandenen Schilderhäuser konnten oft nur sehr unzureichenden Schutz vor den Unbilden des Wetters bieten, da im allgemeinen Dach und Wände undicht waren345. Die Wachhäuser sollten unter anderem zum Aufwärmen der abgelösten Posten dienen, waren für diesen Zweck jedoch ungeeignet. Zwar wurde in den Wachlokalen für Heizung und Beleuchtung346 gesorgt, Bauzustand und Inneneinrichtung der Holzhütten wiesen jedoch zahlreiche Defizite auf, die die Gesundheit und Ausrüstung der Soldaten gefährdeten. Undichte Dächer, zugige Fenster und defekte Öfen schufen naßkalte und ungesunde klimatische Bedingungen347. Darüber hinaus fehlten ausreichende Sitz- oder Schlafgelegenheiten, so daß sich die Männer »auf der platen Erde oder Steinen auf einander wie die Hunde«348 legen mußten. In einem an die Kriegskanzlei gerichteten Schreiben vom 10. April 1738 beklagte Druchtleben den katastrophalen Zustand der Wachhäuser und monierte, daß sich seine Leute »in einem solchen Loche ärger alß ein Gefängniß mit Ungeziefer angefüllet« aufhalten müßten. —
—
Krankheiten und Unfälle Die schlechten Arbeitsbedingungen während der Wachtätigkeit waren Ursache bestimmter diensttypischer Krankheiten und Unfälle. Die feuchter Witterung und niedrigen Temperaturen ausgelieferten Soldaten zeigten eine höhere Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten oder andere Virusinfektionen349. Die Wachtätigkeit auf dem Wall oder den anderen zu sichernden Objekten barg jedoch noch andere Risiken. Durch Stürze kam es wiederholt zu Unfällen350, die in einigen Fällen sogar zum Tode eines Soldaten führ-
Vgl. die Übersicht der zu reparierenden Schilderhäuser, die vom Handwerksmeister Johann Deckelmann am 27. Juli 1737 angefertigt wurde. Deckelmann listet mehrere alte, unbrauchbare und defek-
te Unterstände auf; StAGö AA Militärsachen, Nr. 53. Die Beleuchtung diente vor allem dazu, bei Dunkelheit dem Wachunteroffizier das Schreiben zu erleichtern. Aus diesem Grund befanden sich seit 1739 zwei Lampen in jedem Wachlokal. Vgl. die Anweisung vom 8. Januar 1739; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 11. Vgl. dazu das Gutachten des Kommissars Hahn vom 1. Oktober 1738, in dem der Bauzustand jedes einzelnen Wachhauses beschrieben wird; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Vgl. außerdem die Mängelliste von Deckelmann weiter oben. In einem Brief Druchtlebens an den Geheimen Rat vom 28. April 1738; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 159. Auf diesen Zusammenhang weist Druchtleben hin, der auf die Gefahren von »Kranckheiten« aufmerksam macht, ebd. In einer Nachricht an den Geheimen Rat vom 12. Juni 1738. An Tuberkulose erkrankte beispielsweise der Gefr.Corporal Jahns; StAGö AB Stadtratsprotokolle, Eintrag vom 11. November 1732. Als das Regiment Druchtleben am 5. September 1741 ausrückte, waren 18 Soldaten so krank, daß sie im Quartier bleiben mußten; StAGö AB Belege zur Servicerechnung 1741/42, Beleg vom 5. September 1741. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 225f., kann einen Zusammenhang zwischen niedrigen Außentemperaturen und hohen Krankenzahlen nachweisen. In einem Bericht des Kommissars Friedrich an die Kriegskanzlei vom 24. Juli 1752 wird der Bau eines Geländers für die Wache erbeten, um die Soldaten in Zukunft zu schützen; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 13.
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Dienstbedingungen der Soldaten
ten351. Verletzungen von Wachposten konnten auch durch Übergriffe von Personen, besonders Studenten352, entstehen oder aus Zusammenstößen im starken Durchgangsverkehr an den Stadttoren resultieren353. Gefährdet waren die Soldaten außerdem durch den Umgang mit Waffen und Munition354.
Zucht und
Fürsorge
Das Verhältnis zwischen Vorgesetzten und Untergebenen
war sowohl von unterdrückenden und terrorisierenden Mechanismen geprägt als auch von fürsorgerischen und schützenden Maßnahmen bestimmt. Die Anwendung unmittelbaren und äußeren Zwanges gehörte wohl zum nicht nur militärischen Alltag des 18. Jahrhunderts355. Mit Prügel und Stockschlägen versuchten Vorgesetzte, ihren Anordnungen und »Vorstellungen von einem reibungslosen Dienst«356 und damit dem Prinzip von Befehl und Gehorsam Nachdruck zu verleihen. Die körperliche Züchtigung wurde meist dann angewandt, wenn ein einfacher Soldat dienstlichen Aufforderungen eines Unteroffiziers oder Offiziers nicht oder nur verspätet nachkam357 oder sich ein Untergebener nach Ansicht des Vorgesetzten bestimmter Versäumnisse und Fehler schuldig gemacht hatte358. War ein Offizier oder Unteroffizier der Überzeugung, —
—
351
So stürzte etwa am 1. Februar 1721 ein Soldat vom Stockhaus in den Brunnen und erlag seinen Verletzungen; KBAGö Sterberegister St. Jacobi. Am 13. Juni 1747 wurde ein Musketier tot in der Leine gefunden, der vermutlich während der Wache in den Fluß gestürzt war; KBAGö Sterberegister
352
353
St. Marien.
Vgl. dazu allgemein das Kapitel 13 »Reibereien zwischen Studenten und Militär« bei Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 277—297. Beispiele für Mißhandlungen der Schildwachen auch bei Schwark,
Lübecks Stadtmilitär, S. 226. In einer Nachricht an die Kriegskanzlei vom 14. Januar 1743 erbat Druchtleben das Aufstellen von Podesten für die Wachposten wegen der passierenden Kutschen und Reiter; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 12. In einem Schreiben Druchtlebens
an die Kriegskanzlei vom 10. April 1738 wurde auf die besondere Gefährdung der Wache durch die geladenen Gewehre hingewiesen; StAGö Geheimer Rat Bausachen, Nr. 159. Dem Sergeanten von der Artillerie wurde die Vergabe eines Quartiers mit der Begründung verweigert, er gehe mit Pulver um und sei deshalb zu gefährlich für die Wirtsleute; StAGö AB Stadtratsprotokolle, Eintrag vom 9. September 1732. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 226, unterstreicht, daß wiederholt Soldaten aus Unkenntnis oder Fahrlässigkeit im Umgang mit Waffen Schaden erlitten. 355 Vereinzelt werden in der Forschungsliteratur die Verabreichung von Prügel und Stockschlägen als typische und/oder ausschließlich in militärischen Korporationen existierende Umgangsformen charakterisiert. Übersehen wird dabei, daß in allen Bereichen der zeitgenössischen Gesellschaft Ehrerbietung und Gehorsamkeit von Lohnabhängigen, Dienstpersonal oder anderen Untergebenen mitunter mit Gewalt eingefordert wurden. Es schlug der Meister den Lehrling, der Bauer den Knecht, der Vater den Sohn und die Dienstherrschaft die Hausangestellten. 354
356
357
S. 124. Vgl. auch Kracauer, Reichsstadt Frankfurt, S. 66. Als ein Musketier während des Exerzierens seinen Platz verließ, erhielt er vom kommandierenden Unteroffizier Stockschläge, vgl. die genaue Schilderung des Vorfalles bei Brüdermann, Göttinger
Schwark, Lübecks Stadtmilitär, Studenten, S. 288.
358
Im Juli 1715 sah sich Fähnrich Brückmann genötigt, »einen Faulläuten oder ungehorsahmen [Untergebenen] durch ein [paar] Stockschläge zur Raison zu bringen«. Schreiben Brückmanns an die Kriegskanzlei vom 15. Juli 1715; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 4. Als am 21. Dezember 1702
V
Gestaltung des Alltags:
Dienst und Freizeit
151
seine »Autorité« sei »in Gefahr«, zögerte er nicht, sofort zum Stock zu greifen. Dies macht die Aussage des Fähnrichs Brückmann deutlich: »Er sey Soldat oder Bürger, so bald er auß seinen Schrancken gehet und ungehorsahm gegen seine Vorgesetzte prostituiert, so stehet [es mir ...] frey [zu schlagen].«359
wird, und sich
Die Anwendung physischer Gewalt fand ihre Fortsetzung in der Rechtsprechungspraxis der Militärgerichte, nach der eine Reihe von Verfehlungen ebenfalls durch die Verabrei-
chung von Schlägen geahndet wurde. Übermäßige oder grundlose Mißhandlungen von Untergebenen waren jedoch verboten und wurden bestraft. Vorgesetzte sollten »die Gemeinen nicht brutalisieren« und »sich alles unzeitigen Schiagens und Prügeins enthalten«360. Der militärische Umgangston bestand jedoch nicht nur aus Maßnahmen, die die Disziplin der Truppe und die Autorität der Vorgesetzten sichern sollten. Zugleich fühlten sich Offiziere und Unteroffiziere für die sozialen und finanziellen Belange ihrer Soldaten zuständig. So übernahmen Vorgesetzte Patenschaften für Kinder von Untergebenen361, verliehen Geld an Mannschaftsdienstgrade362 oder vertraten die Interessen einfacher Soldaten vehement gegen Übergriffe anderer Obrigkeiten, im allgemeinen gegen Anfechtungen des Stadtmagistrates363. Unaufhörlich setzte sich der Kommandant für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen seiner Soldaten ein. In zahlreichen Anträgen und Bittschriften an den Stadtmagistrat, die Kriegskanzlei oder die Geheimen Räte verlangte er umfassende Reparaturen an den undichten, zugigen und zu kleinen Wachlokalen364, die Aufstellung weiterer Schilderhäuser zum Schütze der Wachposten, die Errichtung von Schutzzäunen auf dem Wall365 oder die Anfertigung von Podesten in den Toreinfahrten366. Um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen, nahm Druchtleben einmal sogar eine Reise nach Han-
auf sich, um persönlich bei den Oberbeamten der Kriegskanzlei vorstellig zu werden367. Ziel des Generals war es, die Entstehung von Krankheiten zu verhindern oder die nover
der Soldat Christoph Dicke nicht dem Befehl seines Wachvorgesetzten Johann Arendt Volmer folger ebenfalls geschlagen. Vor einer Untersuchungskommission rechtfertigte sich Volmer er nun gesehen, daß er sich so wiederspänstig bezeiget und durchauß nicht »Wie später: parieren wolle, hätte er ihm mit dem Commando Stock durch ein paar Streiche zu seiner Schuldigkeit angewiesen«. StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 5. Schreiben Brückmanns an die Kriegskanzlei vom 15. Juli 1715; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, te, wurde
359
Nr. 4. 360
361 362 363 364
365
366
367
Flemming, Teutsche Soldat, Vgl. Tabelle 68. Winnige,
Zuweilen
S. 147f.
Vom Leihen und Schulden, S. 278 f. setzte der Regimentschef sich aber auch gegen die
Kriegskanzlei durch. Auseinandersetzung um Reparatur bzw. Errichtung neuer Wachhäuser zog sich über zwanzig Jahre (1735—1755) hinweg. Dokumentiert in StAGö Geheimer Rat Bausachen Nr. 159 und Nr. 166; Die
StAGö AA Militärsachen, Nr. 53; sowie NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 10. Die Geländer sollten ein Abstürzen der Wachposten verhindern, vgl. NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 13; Brief des Kommissars Friedrichs vom 28. Februar 1751, ebd., Nr. 10; Mitteilung Druchtlebens vom 26. Juni 1738. Auf einem solchen Podest stehend, seien die Wachen besser vor dem Schmutz der Straße geschützt, vgl. die Mitteilung Druchtlebens an die Kriegskanzlei vom 14. Januar 1743; ebd., Nr. 12. StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 159. Nach einem Bericht des Notars Kuntze vom 14. Mai 1738.
152
Dritter Teil: Djbens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Gefahr von Unfällen während des Wachdienstes zu verringern. Zudem sollten Beschädigungen an Uniform und Ausrüstung vermieden werden368. Eine weitere von Druchtleben initiierte Fürsorgemaßnahme war der Bau einer Krankenstube369. Zudem kümmerte sich der Regimentschef um die finanziellen Interessen seiner Soldaten. Als im Jahre 1739 der Plan diskutiert wurde, einen neuen Friedhof vor den Toren Göttingens anzulegen, schlug Druchtleben den Kriegsräten vor, zusätzlich einen eigenen, gesonderten Friedhof für die Militärbevölkerung anzulegen. Zur Begründung gab er an, daß er fürchte, seinen Soldaten würden für die Benutzung des neuen städtischen Friedhofes Gebühren abverlangt werden, was bei dem geringen Sold seiner Leute nicht hinzunehmen sei370. Ebenso verteidigte Druchtleben seine Untergebenen, als der Stadtmagistrat sich über die Unterbringungspraxis der Soldaten beschwerte371, oder nahm sie in Schutz, wenn Mitglieder seines Regiments wegen unerlaubten Schwarzhandels oder der Ausübung anderer Tätigkeiten belangt wurden372. Er tolerierte zudem ausdrücklich das eigentunter Hinweis auf die schlechte Einkommenssituation der Soldaten373 lich vom Magistrat verbotene Holzholen aus dem Stadtwald374. Schließlich verbaten sich die Regimentschefs Beschimpfungen ihrer Soldaten. Als wegen einiger Vorfälle (es wurde Brennholz entwendet) 1749 ein Abgesandter der Stadt während einer Untersuchung dieser Vorkommnisse Soldaten als Diebe bezeichnete, äußerte Block energisch, daß er sich die »expression« des Wortes »diebisch« verbitte, »weilen dieselben im Regiment keine Diebe hätten«375. An anderer Stelle erklärte Druchtleben den —
368
369
370
371
372
373
374
375
—
an die Kriegskanzlei vom 28. April 1738 weist Druchtleben darauf hin, daß der schlechten Arbeitsbedingungen der Wachsoldaten »die Mondirungfen] in den Grund verwegen derben«; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 159. Vgl. den Bericht des Kommissars Hahn an die Kriegskanzlei vom 25. August 1738 und die Nachricht Druchtlebens vom 26. Juni 1738; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 10. Eine andere Fürsorgemaßnahme des Regimentschefs war die Bestellung zusätzlicher Decken, als die Soldaten im »Wintercampement« lagen; NHStA Hannover, Hann. 47 II, Nr. 35 vol. I. Bestellung durch den Kommissar Peters aus dem Jahre 1745. Ausdrücklich wies Peters darauf hin, daß die Decken auf Wunsch Druchtlebens notwendig seien, um Erkältungskrankheiten vorzubeugen. Brief der Kriegsräte vom 27. Februar 1739 und Nachricht Druchtlebens vom 23. April 1739; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 11. Beide Pläne wurden zunächst nicht weiter verfolgt. Vgl. zum Göttinger Friedhofwesen Döring, Göttinger Friedhöfe. Beschwerde des Rates vom 3. Oktober 1740, StAGö AA Deposita Nr. 23. In einer Nachricht an die Kriegsräte vom 21. November 1740 forderte der General, daß die Soldaten entweder ordentlich »in natura« einzuquartieren oder in vernünftiger Höhe auszuzahlen seien, damit diese sich auf dem Wohnungsmarkt ein Zimmer mieten könnten. So wurde dem »Schwarzen Meyer« vom Magistrat vorgeworfen, daß er sich mit unerlaubtem Holzhandel bereichert habe, worauf Druchtleben entgegnete, Meyer habe sich nur durch »Fleiße und beständiger Arbeit« ein kleines Vermögen erwirtschaftet, nicht aber mit unerlaubtem Holzhandel,
In einem Schreiben
StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. »Da nun notorischermaaßen bey Winterszeiten ein Soldat so wenig alß sonsten jemand vermögend ist, eine Stube vor 18 mgr. zu heitzen, wo soll derselbe also vorangeführten andere nohtwendigkeiten hernehmen?« Brief Druchtlebens vom 21. November 1740; ebd. Vgl. ebd. die in dem Schriftverkehr mit Stadtmagistrat und Kriegskanzlei deutlich werdende Hinhaltetaktik des Regimentschefs. Untersuchungsprotokoll vom 8. März 1749; StAGö AA Deposita Nr. 23.
vgl.
V
Gestaltung des Alltags:
153
Dienst und Freizeit
Stadträten, daß »eine Gemeinschaft mit Schelm[en] und Dieben [...] seinen Soldaten, welche dem König par honneur dienten«, nicht zugemutet werden dürfe376. Die überraschend vielschichtig ausgeprägte Bandbreite fürsorgerischer Maßnahmen von
sehen des Kommandanten bzw. der Offiziere hing eng mit dem Patronatsverhältnis377 zwischen den Soldaten und ihrem Regimentschef zusammen. Druchtleben und Block fühlten sich durch »Eydt und Pflicht«378 daran gebunden, für das Wohlergehen ihrer Soldaten zu sorgen. Zu beachten ist dabei, daß Antrieb und Motivation solcher Handlungsweisen nicht nur aus der Fürsorgepflicht gegenüber Untergebenen nach heutigem Verständnis resultierten, sondern wohl auch der Abwehr von Zugriffsversuchen anderer Obrigkeiten und damit der eigenen Kompentenzwahrung dienten. Inwieweit den Bemühungen Druchtlebens oder Blocks neben utilitaristischen Erwägungen immerhin war ein geworbener und ausgebildeter Soldat bzw. seine Ausrüstung teuer und Ersatz nur mit hohen Kosten zu beschaffen auch humanitäre und philanthropische Überlegungen zugrunde lagen, kann hier nicht geklärt werden. Die unklare Motivlage ändert am Resultat selbst jedoch nichts. Auf unterer Ebene, also im Verhältnis Unteroffizier-»Gemeiner«, gestaltete sich die Hilfe des Vorgesetzten oft direkter und individueller. Kam es zu Auseinandersetzungen zwischen einem Wirt und seinem einquartierten Soldaten, trat bald ein Corporal oder Fourier hinzu, der die Partei seines Untergebenen ergriff und ihn vor den Anschuldigungen des Bürgers schützte379. —
—
Der Stadtmagistrat wollte kranke Soldaten in die gleiche Krankenstube verlegen, in der erkrankte Prostituierte gepflegt wurden. Actum Göttingen, den 15. April 1738; StAGö AA Militärsachen, Nr. 54. Die Bezeichnung »Patron« benutzt der Oberstleutnant von Wallbaum in einem Schreiben an seinen Untergebenen Fähnrich Overheide vom 26. April 1732; NHStA Hannover, Hann. 47IV 9, Nr. 7. Wallbaum verstand unter Patronage den »großen Support«, den ein Mann bei seinem Vorgesetzten genoß. Ein anderes frühneuzeitliches Patronagesystem, das zwischen Pachtherr und Pächtern im England des 18. Jahrhunderts, hat Wellenreuther, Repräsentation, ausführlich beschrieben. Wellenreuther definiert die zentrale Funktion des Patrons damit, dem Abhängigen »aus Schwierigkeiten zu helfen, Schutz im umfassenderen Sinne zu gewähren« (S. 237). Zum Verhältnis von »Clientèles et fidélités« in der frühneuzeitlichen französischen Armee vgl. Corvisier, Les Hommes, 191—214. Vgl. zur »Military and Naval Patronage« in Schottland, Sunter, Patronage and Politics, bes. 42—60. Vgl. zudem den Sammelband Klientelsysteme in Europa. StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 159. Aus einem Schreiben Druchtlebens an den Geheimen Rat vom 12. Juni 1738. Als am 28. Mai 1731 der Musketier Andreas Deppe vom Billetamt vorgeladen wurde, begleitete ihn der Corporal Bethelmann, der die Verhandlungen mit den Vertretern der Stadt führte. Actum Göttingen vom 28. Mai 1731; ebd., Nr. 97. An anderer Stelle verteidigte der Fourier Johann Christoph Behr den Soldaten Angermann gegen die Nachstellungen des Bürgers Johann Henrich Pieper, vgl. Actum Göttingen vom 28. März 1747; ebd., Nr. 93. Als 1746 ein Wirt die Einquartierung eines erkrankten Musketiers verweigerte, drang Corporal Baschemeyer »sehr ungestüm darauf, daß er [der Wirt] diesen Musketier in seiner Stube betten sollte«; Actum Göttingen vom 8. März 1746; ebd., Nr. 93. Aus solchen Hilfestellungen sollte jedoch keine »allzugrosse Familiarité« zwischen einfachen Soldaten und Unteroffizieren entstehen, vgl. Flemming, Teutsche Soldat, S. 148.
154
»Ehre« und
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
»Tugend«
Kapitels sollen verschiedene zeitgenössische Vorstellungen Soldaten skizziert werden. Als Grundlage der Soldatenehre galten einem »guten« bestimmte »Tugenden«. In der Einleitung zum hannoverschen Exerzierreglement heißt es380: »Das Air und die Stellung« sei eines »der vornehmsten Stücke«, die sich der Soldat »selbst geben« müsse. Als Hilfe gelte ihm die »Propretät«, die den Bauern vom Soldaten unterscheide. »Ein jeder Officier wird dies erkennen und gestehen müssen, daß ein wohl dressirter Kerl unter der Maße viel besser ins Auge fällt, als einer von etlichen Zollen über die Maße, in welchem der Bauer noch steckt.« Ein »christlich ehrbares Leben«, »Gottesfurcht« und der regelmäßige Besuch des Gottesdienstes galten als Basis für einen korrekten soldatischen Lebenswandel. Gotteslästerliches Verhalten und Zuwiderhandlungen gegen die »göttlichen Gebote« waren nicht nur als unehrenhaft verpönt, sie wurden auch hart bestraft. Zudem hatte der Soldat sich allen »Fluchens, Schwerens [...] Spielen[s], Sauffen[s] oder dergleichen Üppigkeit« zu enthalten381. Statt sich der »abscheulichen Laster« der »Völlerey und Trunckenheit«382 oder der »Hurerey und Unkeuschheit« zu ergeben, sollte er sich den »löblichefn] und herrliche[n] Tugenden« der »Nüchternheit und Mäßigkeit« widmen. Eine für Generalität und Kriegskanzlei sehr wichtige Charaktereigenschaft war die Tapferkeit. Flemming hat dies so beschrieben: »Die Tapferkeit ist wohl ein höchstnöthiges Requisitum eines Soldaten. Wer diese Tugend nicht besitzt, Im letzten Abschnitt dieses von
bleibe zu Hause, hinter dem Ofen. Ein Soldat ohne Hertz ist wie eine Glocke ohne Kleppel [...] Ein verzagter und furchtsamer Soldat ist die verachteste und elendeste Creatur unter der Sonnen, auch nicht werth, daß ihm [sie!] dieselbe bescheine.«383
Unentbehrlich sei ebenso die »Munterkeit und Wachsamkeit« und die »liebe Gedult«. Zugleich sollte der Soldat sich bemühen, »seine Dienste ohne grosse Fehler zu verrichten«. Dritter Schwerpunkt war die geforderte Einhaltung von »Treue und Gehorsam« gegenüber dem Landesherrn und seinen Offizieren. Das äußere Erscheinungsbild hatte der »Ehre und Stellung« des Soldaten zu entsprechen: »Er muß sich auch nach aller Möglichkeit der Reinlichkeit und Propreté befleißigen, seine Kleidung auf das beste in Acht nehmen und sich hüten, daß er ja niemahls mit beschmutzten Schuhen, zurißnen Strümpfen, garstigen Hembden und so fort, oder auch mit unsaubern Händen u[nd] Gesicht erscheine, insonderheit [wenn er] vor denen Augen seiner Vorgesetzten [erscheint].«384
Folge dieser konstruierten Soldatenehre, deren >äußere< und >innere< Bedingungen geschildert wurden, war die Herausbildung eines elitären Selbstverständnisses der Soldaten. Der erreichte »point d'honneur«385 wurde innerhalb der Militärgesellschaft, aber auch gegen380
381
382
383
384 385
Dieses Reglement war im Archiv nur in Auszügen greifbar, deshalb wird an dieser Stelle aus der wörtlichen Wiedergabe von Sichart von Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd II, S. 134f. zitiert. Militair-Justitz-Reglement, Kap. 1; Flemming, Teutsche Soldat, S. 96 (Zitat). Militair-Justitz-Reglement, Kap. 8. Vergehen, die in betrunkenem Zustand verübt wurden, sollten noch härter bestraft werden. Flemming, Teutsche Soldat, S. 97—101. Ebd., S. 102. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 277—297.
V.
Gestaltung des Alltags:
Dienst und Freizeit
155
über anderen Bevölkerungsgruppen verteidigt. Fühlte sich ein Soldat beleidigt, konnte er nach bestimmten Regeln Satisfaktion verlangen386. Zahlreiche Duelledikte aus dieser Zeit sind Indiz für die häufig angewandte verbotene ritualisierte Form des Zwei—
kampfes387.
—
C. Freizeit und Urlaub
Allgemeines zum Freizeitbegriff Freizeit388 nach heutigem Verständnis, also als Komplementärbegriff zur Arbeit für alle existenzerhaltenden Verrichtungen wie Schlafen, Essen, Ruhen, Körperpflege und verhaltensbeliebige, der Zerstreuung dienende Betätigungen, gebraucht, läßt sich nicht ohne weiteres auf das 18. Jahrhundert übertragen389. Zwei Tatbestände verdeutlichen dies. Zum einen war der Soldat auch außerhalb bestimmter Militärdienste (wie etwa während der Wache oder im Manöver) prinzipiell »im Dienst«: Er mußte sich stets zur Verfügung halten und durfte die nähere Umgebung Göttingens nicht ohne Erlaubnis seiner Vorgesetzten verlassen. Nicht zuletzt am ständigen Tragen der Uniform war diese geforderte Bereitschaft erkennbar. Zum anderen waren die Stunden nach einer regulären Dienstverrichtung für die meisten Männer »keineswegs eine Zeit ohne Arbeit«390. Vor allem zum Lebensunterhalt notwendige Nebenerwerbstätigkeiten prägten diese Phase, die dem Soldaten für Mußestunden schließlich nur noch wenig Zeit übrig ließ391. Mit diesen Einschränkungen wird »Freizeit« enger gefaßt, als dies etwa Schwark für Lübeck getan hat392. fat er dies nicht, konnte er sogar dafür bestraft werden. So mußte 1737 ein Soldat Spießruten laufen, weil er sich von einem Studenten schlagen ließ, ohne sich zu wehren, vgl. zu diesem Vorfall Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 288. Ähnlichem sozialen Druck waren auch die Studenten ausgesetzt, vgl. ebd., S. 208. 387 Über solche ritualisierten Formen der Wiedergutmachung sind während des Untersuchungszeitraumes 3»6
jedoch in Göttingen keine Zeugnisse vorhanden. Vor allem die einfachen und aus Sicht der oft adligen Studenten nicht satisfaktionsfähigen Soldaten werden sich eher unmittelbar gerächt haben, zum Beispiel durch Verprügeln des Gegners. Dazu ebd., S. 290. Zum Ehrbegriff der Studenten und dem Duell in der gerichtlichen Praxis vgl. ebd., S. 186—213. Vgl. zum Duell, allerdings mit Schwerpunkt auf dem 19. Jahrhundert, die Studien von Frevert, Ehrenmänner, und Dieners, Duell. 388 Vgl. zum Problem der Freizeit Huck, Freizeit als Forschungsproblem. Dazu auch Eichler, Spiel und Arbeit, sowie Nahrstedt, Entstehung der Freizeit. 389 Zu Feierabendbräuchen und Freizeitverhalten bestimmter Bevölkerungsgruppen im 18. Jahrhundert Medick, Spinnstuben auf dem Dorf; sowie Engelsing, Arbeitszeit und Freizeit. vgl. 390 Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 301. Nahrstedt, Entstehung der Freizeit, S. 132, hat die Arbeits- und Freizeit eines Handwerkers um 1750 berechnet: täglich durchschnittlich acht Stunden Schlaf, eine »Nicht-Arbeitszeit« von vier bis sieben Stunden und eine Arbeitszeit von 8 1/2 bis 11 1/2 Stunden.
391
Zedler, Universal-Lexikon, Bd XXII, Sp. 1537, versteht unter Muße »die Freyheit von ordentlichen
Verrichtungen«. In solchen Stunden habe man keine »Gelegenheit zu arbeiten« und pflege die Zeit »mit seinen Gedanken 392
zu vertreiben«, ebd., Bd XXII, Sp. 663. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 301 und Anmerkung 991, bezeichnet, basierend auf Huck, Freizeit als Forschungsproblem, alle Stunden, in denen sich der Soldat nicht an seinem militärischen Arbeitsplatz befindet, als Freizeit. Damit schließt er die Nebenerwerbstätigkeit mit in den Freizeit-
bereich ein.
156
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen
der Soldaten
Geselliges Beisammensein Ihre Freizeit scheinen die Soldaten selten allein, sondern in kleinen Gruppen von zwei bis sechs »Cameraden« verbracht zu haben393. Der Ort geselligen Beisammenseins war entweder das Quartier eines Soldaten oder eines der vielen Wirtshäuser in Göttingen und der unmittelbaren Umgebung394. Neben dem Genuß alkoholischer Getränke395, vor allem Bier und Branntwein, vergnügten sich die Männer mit Tabakrauchen396. Gerade der Konsum von Branntwein gewann im 18. Jahrhundert besondere Bedeutung397. Nicht immer wurde der Schnaps jedoch aus narkotischen Gründen getrunken, um den Alltag für einige Zeit zu vergessen398. Wie Heggen in seiner Studie deutlich machen konnte, galt der Genuß des »aqua vitae« durchaus auch als gesundheitsfördernd; wiederholt wurde Branntwein als Medikament eingesetzt399. Beliebt waren auch sogenannte Hazardspiele, also mit Karten oder Würfeln betriebene Glücksspiele400. Gelegentlich wurde auch gekegelt, einige der vor Göttingen liegenden Schenken verfügten über entsprechende Vorrichtungen401. Wiederholt unternahmen SolGrößere Ansammlungen von Soldaten hätte man schnell als verbotene »Zusammenrottung« deuten können. Vgl. zu diesem Problem auch Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 302. 394 Dazu gehörte auch der Besuch von Tanzveranstaltungen im nahegelegenen Bovenden. Zu den Dorfausflügen im 18. Jahrhundert allgemein Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 392—395. Vgl. dazu auch den Aufsatz von Blessing, Fest und Vergnügen, S. 352—379, der die Geselligkeit der »kleinen Leute« untersucht hat, und die »kultivierten Triebe« wie Essen und Trinken als »Streben nach Lebenslust« begreift. 395 Die Auswirkungen öffentlicher Trinksucht auf die Volkskultur im Paris des 18. Jahrhunderts hat Brennan, Public Drinking, untersucht. 396 Vgl. allgemein Schivelbusch, Paradies, S. 108—142, der die soziale und räumliche Expansion des Rauchens beschreibt; oder die kulturgeschichtlich angelegte Arbeit von Doren und Rien, Tabago Buch. 397 Heggen, Alkohol und bürgerliche Gesellschaft, S. 45—48, weist darauf hin, daß etwa seit 1600 Branntwein immer größere Verbreitung fand: »Für die Ausbreitung des Branntweins spielte der 30jährige Krieg eine gewisse Rolle: Die Söldnerheere sorgten quasi als Katalysator für eine weitere Verbreitung und Popularisierung«. Nicht zuletzt wegen der allgemeinen qualitativen Verschlechterung des Bieres waren gebrannte Getränke im 18. Jahrhundert sehr beliebt. Im Jahre 1773 betrug der Pro-Kopf-Verbrauch in Paderborn 17 Liter, berechnet auf eine angenommene Quote von 50% Branntweintrinkern würde der Jahresverbrauch sogar auf durchschnittlich 35 Liter steigen, ebd., 39. Heggens Berechnung basiert auf einer Auswertung von Steuerlisten. 398 Diese Ansicht vertritt Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 303: »Die berauschende Wirkung von Bier und Branntwein ließ Notlagen und dienstliche Repression kurzzeitig besser ertragen«. Zur konfliktverdrängenden Wirkung des Alkoholkonsums in militärischen Gesellschaften vgl. auch den aus soziologischem Blickwinkel verfaßten Artikel Roghmann und Ziegler, Militärsoziologie, bes. S. 172 und S. 175 ff.; sowie den Aufsatz von Lambert, Alkohol und Arbeitsdisziplin. 399 Heggen, Alkohol und bürgerliche Gesellschaft, S. 45. Zur (angeblich) gesundheitsfördernden Wirkung des Branntweins auch Zedler, Universal-Lexikon, Bd IV, Sp. 1082. 400 Als am 12. Dezember 1732 in Göttingen ein landesherrliches »Edict wider die Hazard-Spiele in Carten und Würfeln« einging, wurde der Adjutant Roddow vom Kommandanten Druchtleben beauftragt, in allen »Krügen, Wirtshäusern und Schencken« den Wortlaut des Gesetzes den dort verkehrenden Soldaten bekanntzugeben. StAGö MS Landesverordnungen. Bei den Studenten war das Glücks393
—
—
401
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—
spiel ebenfalls sehr beliebt, vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 344—347. Zum Aufstellen der Kegel wurde Jungen eingesetzt, die sich damit ein Taschengeld verdienen konn-
V.
Gestaltung des Alltags:
Dienst und Freizeit
157
daten Ausflüge in die nähere Umgebung, besonders das nur wenige Kilometer entfernt auf dem Territorium Hessen-Kassels gelegene Bovenden war wegen der günstigeren Branntweinpreise das am stärksten frequentierte Ausflugsziel. Zuweilen schlössen sich mehrere Soldaten zu einer Jagdgemeinschaft zusammen, um Niederwild zu erlegen402.
Schlägerei
und
Gewalttätigkeiten
Die durch Befehlsdruck und eintönigen Militärdienst verursachte Frustration im militärischen Alltag entlud sich zuweilen in gewaltsamen Auseinandersetzungen403. Es genügte ein geringer Anlaß, um eine Schlägerei zu beginnen404. Selbst sachliche Probleme wurden als persönliche Kontroversen aufgefaßt und mit physischer Gewalt zu lösen versucht. Mehrmals wurden von der städtischen Obrigkeit Schlägereien von Soldaten mit Studenten405, Handwerksgesellen oder Bauern vermerkt406. Eine quantitative Bestimmung derartiger Konflikte ist allerdings nicht möglich. Die unter den Soldaten vorhandenen Gewaltpotentiale richteten sich nicht nur gegen andere Sozialgruppen, sondern kamen auch innerhalb des Militärs vor. Es konnte sogar passieren, daß bei einer Messerstecherei ein Soldat tödlich verletzt wurde407. Solche Gewalttaten wurden im allgemeinen nach star-
kem Alkoholkonsum begangen408. Insgesamt fällt auf, daß sich das Freizeitverhalten der Soldaten nicht sonderlich von dem anderer Bevölkerungs- bzw. Berufsgruppen, etwa von Handwerksgesellen oder Knechten, unterschied. Auch der übliche Alkoholkonsum und der Hang zur gewalttätigen Konfliktbewältigung dürfte keineswegs eine ausschließlich militärtypische Erscheinung gewesen sein. Eine weiterführende Analyse des Freizeitverhaltens von Soldaten ist wegen der nur mangelhaften Überlieferung allerdings nicht möglich.
vgl. StAGö AA Landwirtschaft, Fischerei Nr. 4, einen Vorfall, in dem zwei Jungen die Kegel für andere Gäste aufgestellt haben. Zum Kegeln der Musketiere vgl. auch Gesetz vom 7. September 1742; LVO, Bd II, f. 206. Ob die Soldaten wie die Studenten Billard spielten, konnte durch das Aktenmaterial nicht geklärt werden, auszuschließen ist es aber nicht. Zum Billardspielen der Studenten Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 302 ff. Dies war freilich verboten und nur dem Kommandanten erlaubt. So beschwerten sich Bürger, sie hätten reitende Offiziere mit ihren Jagdhunden gesehen (StAGö AB Stadtratsprotokoll, Eintrag vom 25. August 1732), und 1734 wurden vier Musketiere mit zwei Flinten beobachtet (StAGö AA Forstsachen, Nr. 221; Protokoll vom 26. Februar 1734). Die Beweggründe waren nicht immer eindeutig zu rekonstruieren, in manchen Fällen spielten aber auch subjektiv empfundene Ehrverletzungen eine Rolle. Vgl. auch Kopp, Würzburger Wehr, S. 78. Vgl. Pröve, Höckelheimer »Tumult«. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 289. So wurde zum Beispiel am 7. März 1732 von einer Schlägerei zwischen Schustern und Soldaten im Wirtshaus »Zur Sonne« berichtet, vgl. den entsprechenden Eintrag im StAGö AB Stadtratsprotokoll. Am 18. März 1735 wurde der Musketier Philip Remcke »von einem anderem Soldaten« erstochen (KBAGö Sterberegister St. Nicolai) und am 15. August 1735 erlag ein Querpfeifer seinen Wunden, die ihm »vor 12 Tagen zugefügt« wurden (KBAGö Sterberegister St. Johannis). An den »Folgen einer Schlägerei« starb am 18. April 1721 der Soldat Dieterich Grosse (KBAGö Sterberegister St. Albani). Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 303 f., hat auf das Zusammenspiel von Alkoholkonsum und Gewalt ten,
hingewiesen.
158
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Urlaub Die vorübergehende Freistellung von einem Dienstverhältnis wurde schon in der frühen Neuzeit als >Urlaub< bezeichnet. Zedler versteht unter >Urlaub< »überhaupt nichts anderes als die Erlaubnis, Nachsicht oder Vergünstigung derer Obern, daß ihre Untergebene etwas thun oder unterlassen mögen, welches diesen sonst nicht frey gestanden hätte«409. Ursprünglich hauptsächlich für den militärischen Bereich angewandt, fand die Bezeichnung >Urlaub< bald allgemeine Verwendung410. Sprachen keine dienstlichen Erwägungen oder besonderen Umstände dagegen, konnte grundsätzlich jeder Soldat um Urlaub nachsuchen. Offiziere hatten ihren Regimentschef um eine entsprechende Erlaubnis zu bitten411, Unteroffiziere und Mannschaften mußten sich an ihren Kompaniechef wenden412. War der Urlaub bewilligt, erhielt der Soldat einen Paß ausgestellt, auf dem Name und Einheit vermerkt wurden. Die Dauer des Urlaubes konnte sich auf einen Tag erstrecken oder mehrere Monate umfassen413. Während ihres Urlaubes hatten sich die Soldaten an dem auf dem Paß angegebenen Wohnort aufzuhalten und mußten weiter ihre Uniform tragen. Außer dienstlichen Motiven414 nahmen die Soldaten vor allem deshalb Urlaub, um einer Nebenerwerbstätigkeit nachzugehen415. Diese mußte einträglich genug sein, um nicht nur den Soldausfall auszugleichen ein Beurlaubter erhielt weder Sold noch Brotversondern die Passivwachen um zu bezahlen. Eine wichtige Bedeutung auch, pflegung —, hatte die Gewährung von Urlaub zudem für den Haushalt der Kompaniekasse, so daß Chefs oft aus finanziellen Gründen ihre Männer beurlaubten416. Da in Göttingen zahlreiche Möglichkeiten bestanden, zu Geld zu kommen, werden die meisten »Urlauber« in der Stadt in ihrem zugewiesenen Quartier geblieben sein417. —
4°9 410
Zedler, Universal-Lexikon, Bd LI, Sp. 327. Ebd., hier wird die anfängliche Konzentrierung auf das Militär deutlich,
zum
Urlaub wird noch
anfügt: »Besonders versteht man bey denen Soldaten hierunter diejenige Freyheit oder Erlaubniß, da ihnen von ihren commandirenden Officieren verstattet wird, sich auf eine gewisse Zeitlang von ihren Quartieren oder Fahnen, Compagnien und Regimentern zu entfernen.« 411 »Gehet aber die Reise außer Landes« oder »auf lange Zeit«, mußte der kommandierende General werden, benachrichtigt vgl. Unterricht, Kap. 23. 412 Wollte der Soldat seinen Urlaub im Ausland verbringen, mußte allerdings der Regimentschef hinzugezogen werden, vgl. ebd., Kap. 23. Zur Urlaubsregelung in der kursächsischen Armee vgl. The413
414
415
416
417
nius, Kursachsen, S. 50 f. und S. 109. Einem Eintrag im Stadtratsprotokoll vom 17. Juni 1732 ist zu entnehmen, daß die Langzeiturlauber für die Dauer von acht oder zehn Monaten ihre Einheit verließen. StAGÖ AB Stadtratsprotokoll. Manchmal wurden Soldaten mit dem Auftrag beurlaubt, Rekruten zu werben. Es gab natürlich auch nach heutigem Verständnis urlaubstypische, private Gründe: So bekam zum Beispiel der Soldat Thomas Christoph Bornemann Urlaub, um seinen verletzten Vater besuchen zu können, vgl. Pröve und Winnige, Göttinger Bürgersöhne, S. 93. Sold und Aufwendungen für den Beurlaubten wurden von der Kriegskanzlei weiter gezahlt und fielen der Kompaniekasse zu. Offiziell stand dem Soldaten während seiner Beurlaubung nur der »kleine Service« zu, der mit 4 1/2 Groschen etwas weniger als die Hälfte des normalen Satzes betrug.
159
VI.
Lebensbedingungen der Invaliden
Die entlassenen, abgedankten und invaliden Soldaten mit ihren Familien gehörten formell nicht mehr dem Militär an; statt Regimentschef, Generalität und Kriegskanzlei war dieser Personenkreis der Aufsicht und Jurisdiktion der jeweiligen Ortsobrigkeit unterworfen. Dennoch existierten zahlreiche formelle und informelle Verbindungen zum Militär, die eine Berücksichtigung der Invaliden rechtfertigen. Zudem können mit der Beschreibung der Lebensverhältnisse entlassener Soldaten auch soziale und materielle Auswirkungen des Militärdienstes gezeigt werden.
Entlassene, Abgedankte und Invaliden Zwischen 1721 und 1756 verließen mehr als 1 600 Soldaten aus unterschiedlichsten Gründen die Regimenter Druchtleben und Block. Dieser in bezug auf die Abgangsmotive heterogene Personenkreis läßt sich in drei Gruppen unterteilen418. Zur ersten Gruppe gehörten solche Männer, die sich zwar von ihrer Einheit trennten, trotzdem aber weiter Soldaten blieben419. Die zweite Gruppe setzte sich aus Männern zusammen, die sich total vom Militär lösen und eine bürgerliche Existenz gründen konnten bzw. ihren vor Diensteintritt bestehenden Bürgerstatus wieder aufnahmen420. Die dritte und hier interessierende Gruppe bildeten jene, die aufgrund ihres Alters, einer Versehrtheit oder anderer Umstände keinen regulären Kriegsdienst mehr leisten konnten (oder wollten) und bzw. entlassen aber nicht der in wurden, gleichzeitig Lage waren, eine bürabgedankt zu weder waren Existenz Damit Soldaten noch sie gerliche gründen. Bürger, standen also zwischen beiden Rechts- und Sozialgemeinschaften. Auch dieser Personenkreis war in finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht keineswegs homogen. Begünstigt waren Soldaten, die schon über zwanzig Jahre gedient hatten und denen auf Antrag eine lebenslange Pension gewährt worden war421. Andere Männer, die entweder nur eine kürzere Dienstzeit aufweisen konnten oder deren Pensions418
419
Nicht zu den formalisierten Entlassungen zählten Abgänge, die entweder aus einem Sterbefall, einer Desertion oder strafbedingtem Fortjagen bzw. Festungshaft resultierten. Diese wurden im Rahmen einer Beförderung versetzt oder bewarben sich unmittelbar nach ihrer Abdankung bei einer anderen Einheit, wie etwa Johann Georg Völcker, der wenige Monate nach seiner Entlassung von der 4. Kompanie am 23. September 1751 sich in Stade anwerben lassen wollte, vgl. dazu den Bericht des Pastors Wreden in KKAGö, Taufen, Trauungen, Beerdigungen vom 8.
420
421
September
1752.
Darunter sind jene gefaßt, die eine vorzeitige Dimittierung dadurch erreichen konnten, daß sie Haus und Hof übernahmen. Ähnliches galt für Leute, die sich nach gewöhnlichem Ablauf ihres Dienstvertrages eine Existenz aufbauen konnten. Eine erfolgte »Verbürgerlichung« ist auch daran zu erkennen, daß diese Männer von den Behörden nicht mehr als »Abgedankte« oder »Gewesene« angesprochen, sondern nach ihrem ausgeübten Beruf eingestuft wurden. Die Pension belief sich auf einen Taler pro Monat. Zu Unrecht wird dieser Tatbestand häufig von Sozialhistorikern ignoriert, so zum Beispiel von Sachße und Tennstedt, Geschichte der Armenfürsorge, Bd I, S. 101—102, die behaupten, »auch nach jahrelangem Dienst« blieben die Soldaten »ohne jede Versorgung«. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß das Invalidengeld anfangs eher »den Charakter von Almosen« hatte, vgl. Ehmer, Sozialgeschichte des Alters, 40.
160
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
antrag nicht genehmigt wurde, bekamen sieht man von der einmaligen Abstandszahlung ab keinerlei materielle Zuwendungen. Die Militärbehörden schieden deshalb entlassene Soldaten strikt in »abgedanckte Soldaten ohne Gnadengeld« und in »in Pension stehende Invalide«422. Ebenfalls uneinheitlich waren Alter und körperliche Verfassung der ehemaligen Soldaten und damit die Voraussetzung, sich durch Arbeit ein ausreichendes Einkommen zu verschaffen. Schließlich war die soziale und wirtschaftliche Ausgangslage unterschiedlich, einige hatten während ihres Militärdienstes Geld sparen können, andere besaßen Verwandte in Göttingen und damit einen gewissen sozialen Rückhalt. Für die Zivilbevölkerung hatten solche Unterscheidungskriterien allerdings keine Bedeutung. Solange ein ehemaliger Soldat keinen bestimmten Beruf oder eine fest umrissene Tätigkeit ausübte und sich allmählich in die städtische Gesellschaft integrierte423, schwankten die zeitgenössischen Bezeichnungen. Ein ehemaliger Soldat wurde entweder als »Gewesener« oder »gewesener Soldat«, als »Abgedankter«, als »Invalide« oder »invalider Soldat« klassifiziert, ohne daß die Faktoren >PensionsberechtigungVersehrtheit< oder Alten eine Rolle spielten424. Die weitgehende semantische Kongruenz dieser Bezeichnungen wird daran deutlich, daß wiederholt derselbe Mann einmal als »Gewesener«, ein anderes Mal als »Invalide« tituliert wurde425. Die genaue Anzahl der in Göttingen lebenden Invaliden, ob sie nun eine Pension bekamen oder nicht, läßt sich nicht ohne weiteres ermitteln. Daran ist zum einen die unzureichende Quellenbasis schuld, die nicht zuletzt Ausdruck der unklaren Position der Invaliden ist. Weder zur bürgerlichen, steuerzahlenden Einwohnerschaft noch zur Militärbevölkerung gehörend sind sie weder in städtischen Steuerakten und Bürgerlisten aufgenommen, noch in militärischen Akten wie Kompanierollen oder anderen Listen berücksichtigt worden426. Zum anderen erschweren definitorische und methodische Pro—
—
422
423 424
425
426
In einem Schreiben des Kommissars Hahn an die Geheimen Räte vom 6. April 1739; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 11. Zur Integration von Soldaten und Invaliden in die städtische Gesellschaft S. 274—298.
Vgl.
etwa die Kirchenbucheinträge der Pastoren. Wurde Johann Henrich Knocke bei der Taufe seines Sohnes am 18. März 1752 vom eintragenden Pastor von St. Albani als »gewesener Soldat« bezeichnet, so schrieb dieser nach der Beerdigung des Kindes fünf Tage später am 23. März den Ausdruck »Invalide« vor den Namen Knockes. Weitere Beispiele sind bei den Sterbeeinträgen der Kinder von Johann Henrich Gutjahr zu finden (KBAGö Sterberegister St. Albani): am 25. Mai 1746 als »gewesener Querpfeifer« benannt, wird er am 3. Januar 1755 als »Invalide« bezeichnet. In den Kirchenbüchern von St. Nicolai (KBAGö Sterbe- und Taufregister) wurde der ehemalige Soldat Wilhelm Krüger zunächst als »Gewesener« (bei der Taufe seiner Zwillinge am 5. Oktober 1724), dann als »Invalide« (bei der Beerdigung eines Sohnes am 19. Dezember 1724), dann wieder als »Gewesener« (bei der Beerdigung eines weiteren Kindes am l.Juni 1725) und schließlich wieder als »Invalide« (bei der Taufe einer Tochter am 20. April 1728) benannt. Einzige Ausnahme waren Namenslisten und Kassenzettel nebst Quittungsbelegen pensionsberechtigter Invaliden, die der Kommissar zu führen hatte. Leider sind solche Akten im NHStA Hannover nicht erhalten. Lediglich ein Extrakt der »Cassa Balance« vom 3. Dezember 1731 ist überliefert, in dem nur summarisch die Ausgaben ohne Nennung einzelner Namen aufgelistet wurden; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 7, f. 122. Erwarben Invaliden immobilen Besitz in Göttingen und beantragten das Bürgerrecht, fanden ihre Namen Eingang in städtische Akten. Hausbesitz und Bürgerrecht sind aber Indizien für eine erfolgte Integration.
VI.
161
Lebensbedingungen der Invaliden
bleme die quantitative Erfassung. Vor allem die soziale und geographische Mobilität der Invaliden führte dazu, daß immer nur ein bestimmter Teil über einen längeren Zeitraum faßbar blieb. Viele mußten Göttingen nach einiger Zeit verlassen427, andere konnten sich in die städtische Wirtschafts- und Sozialgemeinschaft integrieren und ihren Status als »invalider Soldat« zugunsten einer bürgerlichen Existenz aufgeben, manchmal nahm ein Invalide wieder Kriegsdienste an428. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden drei namentliche Verzeichnisse von ständig in Göttingen lebenden Invaliden ange-
fertigt:429
Diese Zahlen
20. März 1700: 7. Juli 1714: 3. Dezember 1744:
19; 65; 29430.
unzureichend die tatsächliche Stärke. Vor allem die spiegeln jedoch 1744 erfaßte von Zählung lediglich den Personenkreis, der sich nach einer bereits erfolgten »Enrollierung« tauglicher Invaliden noch in Göttingen aufhielt. Noch fünf Jahre zuvor, im März 1739, sprachen die Geheimen Räte von einer »starcken Anzahl Invaliden«. Als die Scharwache mit Invaliden neu besetzt werden sollte, fand man immerhin noch achtzehn Männer, »welche noch rührig und zu Scharwächters dienen können, auch freywillig dazu [bereit] sind«431. Eine weitaus größere Anzahl der Stadtrat führt ein Verhältnis von 15:1432 an hatte aber kein Interesse gezeigt oder war aufgrund mangelnder körperlicher Leistungsfähigkeit nicht in der Lage, einen derartigen Dienst zu verrichten. Weiteres Indiz für eine hohe Zahl in Göttingen lebender Invaliden ist die Reaktion Druchtlebens auf den Plan, einen eigenen Friedhof für Garnison und Invaliden einzurichten: Der General lehnte diesen Vorschlag mit der Begründung ab, eine Ruhestätte innerhalb der Stadtmauern sei zu klein, da »wenn die Invaliden [mit] deren Weiber und Kinder auch allda begraben werden solten, würde derselbe bald voll«433. nur
—
—
Zum Beispiel aus wirtschaftlichen und fiskalischen Gründen. Eindringlich beschreibt Schubert, Bettler und Gauner, S. 143—147, das Schicksal der vagierenden und bettelnden Invaliden, denen nur das soziale Elend blieb. 428 w/;e etwa ¿er 50jährige Hans Henrich Schiehütte, der bald nach seiner Entlassung wieder in die Armee eintrat, vgl. »In Kriegsdiensten gestandene Beywohner«; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 5. 429 Zu berücksichtigen ist eine gewisse Korrelation zwischen Kriegsgeschehen und erhöhtem Invalidenaufkommen, vgl. Titz-Matuszak, Mobilität der Armut, S. 155—159. 430 »In Kriegsdiensten gestandene Beywohner«; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 5. »Dato wurden die allhier sich auffhaltenden invalide Soldaten sowohl Unterofficirs als Gemeine [... gezählt]«; ebd., Nr. 8. »Derer in Göttingen sich aufhaltenden] gemeinen Invaliden, welche noch nicht enrolliert sindt«; ebd. Die im Rapport vom Jahr 1767 angebene außerordentlich hohe Invalidenzahl von 1331 wird (nach)kriegsbedingte Folge gewesen sein. Zudem beziehen sich die Zahlen wohl nicht nur auf Göttingen, sondern auch auf die Invaliden des ganzen Kommissariats. 431 NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 10; in einem »Pro Memoria«, Liste des Kommissars Hahn vom 6. April 1739, f. 52. 432 Der Stadtrat beschwerte sich, daß man »unter 30 kaum 2 [Geeignete] fände«; Schreiben an den Geheimen Rat vom 23. April 1739, ebd. 433 Ebd., Schreiben vom 29. Oktober 1747. 427
162
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen
der Soldaten
Eine Auswertung der Kirchenbücher der fünf Göttinger Pfarreien bietet gewisse Rückschlüsse auf die Größe der ständigen Invalidenpopulation in Göttingen434. In Tabelle 47 sind Invalidenkindertaufen und Eheschließungen von Invaliden im jährlichen Mittel auf-
geführt.
Tabelle 47 Taufen Heiraten
Zeitraum 1721-1729 1730—1739 1740—1749 1750—1755
Invalidenkindern und Invaliden im jährlichen Mittel
von
von
Taufe
Heirat
4,0 5,1 6,0 12,5
0,2 1,9 3,1 4,0
Quelle: Kirchenbuchamt Göttingen, Tauf- und Trauregister,
1721—1755.
Taufen und Heiraten steigen während des gesamten Zeitraumes stetig an. Heirateten in den 1720er Jahren nur zwei Invaliden, so verehelichten sich in den 1730er Jahren 19 und ein Jahrzehnt später bereits 31 ehemalige Soldaten. In dem kurzen Zeitraum von 1750 bis 1755 heirateten nochmals 24 Männer. Ähnlich deutlich stiegen die Geburtenzahlen bzw. Taufen von Invalidenkindern an. Besonders drastisch war der Zuwachs in den 1750er Jahren, der sich gegenüber dem Jahrzehnt zuvor mehr als verdoppelt hatte. Hauptursache für diesen Anstieg dürften die Auswirkungen des Österreichischen Erbfolgekrieges gewesen sein. Viele Verwundete wurden schon während des Krieges entlassen, ein großer Teil gesunder Männer nach der Reduktion von 1748 abgedankt. Nach einer vorsichtigen Schätzung dürften sich bis 1740 annähernd 120 Invaliden ständig in Göttingen aufgehalten haben435. Bei einer angenommenen Verheiratungsquote von 30 Prozent und einer durchschnittlichen Familiengröße von 3,5 Personen würde sich eine Invalidenpopulation von etwa 220 Personen ergeben436. Diese Zahl stieg offensichtlich bereits in den 1740er Jahren kontinuierlich an, seit 1749 werden mindestens doppelt so viele Invaliden in Göttingen gelebt haben437. 434
435
436 437
Alle Daten aus dem Kirchbuchamt Göttingen. Aufgenommen wurden alle »gewesenen Soldaten«, »Invaliden« und »abgedankten Soldaten«. Einige Männer blieben viele Jahre, teilweise sogar Jahrzehnte in der Stadt. So wohnte Hans Jürgen Wesemüller nach seiner Entlassung am 26. Januar 1732 mindestens zwölf Jahre in Göttingen (Invalidenliste von 1744) und Ludolf Krische hielt sich mehr als dreißig Jahre in Göttingen auf (er wurde in den Listen 1714 als 32jähriger und 1744 als 68jähriger registriert). In vielen Fällen blieben die Invaliden bis zu ihrem Tod in der Stadt, wie etwa der am 1. Dezember 1739 entlassene Diedrich Ritter (4. Kompanie Druchtleben), der am 28. Juni 1753 verstarb (KBAGö Sterberegister St. Albani). Als Maßgabe wurden Verheiratetenquote und Familiengröße der Mannschaftsdienstgrade genommen. Nach obiger Berechnung also 240 Männer, 80 Frauen und 120 Kinder.
VI.
Die Invaliden im
Lebensbedingungen der Invaliden
163
Zugriff der Obrigkeiten
Auch nach ihrer Entlassung blieben die Invaliden im Blickfeld der militärischen Obrigkeit438. Als ausgebildete, gedrillte und waffengeübte Soldaten besaßen diese Männer für Kriegskanzlei und Generalität einen gewissen strategischen Wert, der sich gerade in Kriegszeiten ausnutzen ließ. Während des Österreichischen Erbfolgekrieges wurde zum Beispiel beschlossen, zur Entlastung der regulären Truppen ein Invalidenregiment zu bilden, das bestimmte Sicherungsaufgaben übernehmen sollte. Deshalb wurden am 25. November 1744 alle entlassenen und abgedankten Soldaten aufgefordert, sich am 7. Dezember um acht Uhr zur Musterung bei Druchtleben zu melden. Ausdrücklich wurde darauf hingewiesen, daß derjenige, der verhindert sei, sich ein entsprechendes Attest von seiner Obrigkeit zu besorgen habe439. Aber auch in Friedenszeiten bildeten invalide und in Pension stehende Soldaten für die Obrigkeiten ein willkommenes und verfügbares Reservoir an Arbeitskräften. Je nach Bedarf wurden die Männer für bestimmte Aufgaben eingesetzt440. Um sich einen Überblick auf den Gesundheitszustand der Invaliden zu verschaffen, fanden in unregelmäßigen Abständen »Examinationen« statt441. Die Invaliden hatten selten die Möglichkeit, sich derartigen Zwangsuntersuchungen oder ungewollten temporären Wiederaufnahmen des Militärdienstes zu entziehen442. Anderenfalls wurde ihnen der Bezug des monatlichen >Gnadentalers< gestrichen443. Die Invaliden wurden aber nicht nur von der Kriegskanzlei beaufsichtigt und kontrolliert, sondern auch von der jeweiligen Ortsobrigkeit. Aus fiskalischem Interesse versuchte der Göttinger Magistrat immer wieder, den abgedankten, steuerbefreiten Soldaten und deren Frauen die Ausübung eines bürgerlichen Handwerks nachzuweisen. Im Sommer 1720 faßte der Rat den Entschluß, alle sich in Göttingen aufhaltenden Invaliden regelmäßig zu überprüfen; jeder Mann solle sich jederzeit vor den Dienern der Ratsstube 438
439
440
441 442
443
Sinnbildlich war dies allein schon dadurch, daß die entlassenen Soldaten weiterhin ihre Uniform trugen und nicht sofort von aktiven Soldaten zu unterscheiden waren. Als Druchtleben einen seiner »Spatzier«-Ritte außerhalb der Stadt unternahm, sah er von weitem Uniformierte, die er zunächst für seine Soldaten hielt, ehe er, als er direkt neben ihnen ritt, sie als Invaliden erkannte, vgl. dazu StAGö AA Holzsachen, Nr. 193; Brief Druchtlebens an die Kriegskanzlei vom 21. November 1740. StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 8. Erste Anlaufstation war in der Regel der Chef des nächstgelegenen Regiments oder der zuständige Kommissar. Nach einer Verordnung vom 20. Februar 1730 wurde eine Invalidenkompanie gebildet. Alle Männer hatten sich zu diesem Zwecke am 15. März bei Kommissar Hahn einzufinden, ebd. Vgl. weiter oben die Sicherungsaufgaben der Invaliden in Göttingen, wenn das Regiment im Manöver war oder in Hannover weilte. Die Verwendung konnte sich aber auch auf rein zivile Angelegenheiten erstrecken: Als 1738 in einigen Gegenden die Pest ausbrach, suchten die Obrigkeiten Pestschreiber. Sofort wur-
de in Göttingen eine »Liste derer in Pension stehenden Unterofficiere, so alß Paß und Pestschreiber allenfalls gebraucht werden können« erstellt; StAGö AA Gesundheitswesen, Nr. 16. So zum Beispiel am 29. Januar 1727, StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 8. Andererseits waren wohl für viele Invaliden diese Nebenbeschäftigungen notwendiger Bestandteil zum Lebensunterhalt. Dies die Drohung in der Bekanntmachung vom 25. November 1744, StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 8.
Dritter Teil: Lebens- und
164
Dienstbedingungen der Soldaten
ausweisen können. Gelang der Nachweis der »bürgerlichen Nahrung«, mußte der Überführte Steuern zahlen444. Im allgemeinen konnten sich die ehemaligen Soldaten jedoch gegen die Vorstöße der Stadt wehren, zumal Geheimer Rat und Kriegskanzlei wiederholt die Partei der Invaliden ergriffen445.
Invalidität als
Erwerbsbehinderung
Ein Teil der Invaliden war durch hohes Alter, Krankheit oder Versehrtheit stark behindert und konnte keinen Beruf mehr ausüben bzw. keine körperliche Tätigkeit verrichten. Von den am 3. Dezember 1744 ausgemusterten 29 Invaliden konnten sieben wegen hohen Alters nicht mehr arbeiten446, einer war erblindet447, fünf waren »lahm«, einer hatte einen »Bruch« und einem fehlte ein Bein448. Außer dem Alter und altersbedingten Gebrechen bzw. Krankheiten resultierten manche Blessuren aus kriegsbedingten Verletzungen. Die nach dem Spanischen Erbfolgekrieg erstellte Invalidenliste vom 7. Juli 1714 führt mehrere Männer auf, die durch Feindeinwirkung dienstuntauglich geworden waren449. Diese Männer, alle »zur Arbeit incapabel«, konnten wenn überhaupt nur am Rande der städtischen Gesellschaft existieren. Blieben Versorgungsleistungen durch mögliche Verwandte aus und hatte der Invalide keinen Anspruch auf den monatlichen Gnadentaler (der sowieso kaum zum Lebensunterhalt gereicht hätte)450, konnte er nur auf Almosen hoffen und betteln. Außer privaten Geldspenden kam es zwar immer wieder zu öffentlicher Almosenvergabe, die jedoch nur kurzfristige Entlastung bot. Titz-Matuszak kann nach Durchsicht städtischer Kämmereiregister in Südniedersachsen aufzeigen, daß wiederholt abgedankte und invalide Soldaten aus städtischen Kassen unterstützt wur—
444
Am 2.
—
September 1726 forderte der Magistrat vom Geheimen Rat, daß den mit Taglohn und Boten-
gängen sich verdingenden Invaliden die »onera publica« abzuverlangen seien. In diesem Fall wurde
dem Begehren jedoch nicht stattgegeben; StAGö MS 12,4 Landesverordnungen. Nachdem die städtischen Behörden den Invaliden Martin Schulver aufgefordert hatten, Steuern zu zahlen, wandte sich dieser an den Geheimen Rat, der daraufhin dem Magistrat verbot, von Schulver Gelder einzufordern; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 82, Antwort der Geheimen Räte vom 7. November 1733. Vgl. ebd., Nr. 97, außerdem den 1720 gescheiterten Versuch des Magistrats, von den Soldatenfrauen Steuern einzutreiben. Schriftverkehr vom 29. April, 1. Mai, 27. Juni und 13. Juli 1720. 446 Ebd., Nr. 8: »Derer in Göttingen sich aufhaltenden] gemeinen Invaliden, welche noch nicht enrolliert sindt«; Hermann Pötger war 70 Jahre, Christoph Wedig 74 Jahre, Peter Joel 80 Jahre, Albrecht Manlahe 83 Jahre, Henrich Rothhuth 83 Jahre, Martin Stuhlbert 84 Jahre und Erich Saltiger 86 Jahre alt. 447 Der am 9. Juni 1731 von der 4. Kompanie (Druchtleben) abgedankte Hans Henrich Bliedun war auf beiden, Albrecht Manlahe auf einem Auge blind. 448 Johann Kelb hatte ein »hölzernes Bein«. 449 »Dato wurden die allhier sich auffhaltenden invalide Soldaten sowohl Unterofficirs als Gemeine [... gezählt]«; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 8. Der 77jährige Johann Bensen hatte seinen »Rücken in Ungarn verletzt«, der 67jährige Corporal Christoph Bartels war »vor Tournai in eine Mine kommen« und der 53jährige Trompeter Johann Berend Ahrens war vom Pferd gestürzt. 450 So bezeichnete etwa der Invalide Zellmann es als »ohnmöglich, von dem monatlichen Thaler Pension« zu leben. Brief Zellmanns an die Geheimen Räte vom 14. Juli 1749; StAGö AA Gewerbesa445
chen, Schneider,
Nr. 10.
VI.
165
Lebensbedingungen der Invaliden
den451. Die bettelnden ehemaligen Soldaten wurden ihren zivilen, den »Leidensgenossen« jedoch nicht immer vorgezogen452.
um
Almosen bitten-
Tätigkeiten Entgegen dem heutigen Sprachgebrauch war längst nicht jeder ehemalige, als »invalide« bezeichnete Mann gebrechlich und erwerbsuntüchtig. Jüngere, gesunde und noch nicht am Ende ihres lebenszyklischen Leistungsvermögens angekommene Männer vermochten durchaus, sich eine gewisse Existenzgrundlage zu verschaffen. Je nach Fähigkeit, Begabung und Geschäftssinn waren Ausgangsposition und wirtschaftlicher Erfolg sehr unter-
schiedlich. Die untere Schicht bildeten Leute, die nur für leichtere oder saisonale Tätigkeiten eingesetzt werden konnten. Dies waren Männer, die entweder keinen Beruf erlernt hatten oder eine leichte Behinderung aufwiesen. So arbeitete der am Rücken verletzte Johann Bensen »manchmal in Ebels Garten« und der an seiner rechten Schulter blessierte Ludolf Krische verdingte sich als Tagelöhner »dann und wann«453. Krische und Bensen zählten zu der Gruppe von Männern, die phasenweise ihre Lebensverhältnisse aufbessern konnten. In Zeiten wirtschaftlicher Stagnation, etwa im Winter, wenn Landwirtschaft und Bauhandwerk keine Beschäftigung boten, waren sie dagegen arbeitslos. Dauerhaftere und krisensichere Anstellungen hatten jene, die von der öffentlichen Verwaltung beschäftigt wurden, um kleinere Dienste oder Botengänge zu erledigen454. So wurde zum Beispiel der Invalide Christoff Kruse vom Magistrat als »Policey-Diener« eingesetzt und Hans Jürgen Wesemüller für alle anfallenden Arbeiten »beim hohen Raht« beschäftigt455. Gleich zwölf Invalidenarbeitsplätze bot die neue Scharwache. Diese Einrichtung wurde kurz nach der Universitätsgründung in Göttingen etabliert und sollte die Einhaltung der öffentlichen Ordnung in den Straßen und Wirtshäusern der Stadt garantieren und vor allem die Studenten kontrollieren456. Die Scharwächter erhielten für ihren Dienst respektable drei Taler und zwölf Groschen monatlich vergütet457. Andere Invaliden traten in private Dienstverhältnisse und arbeiteten als »Aufwärter«, Diener oder Bote458. 451
452
453
454
Titz-Matuszak, Mobilität der Armut, S. 306—317, hat die Kämmereiregister von Duderstadt, Bovenden, Göttingen, Osterode, Einbeck und Münden untersucht. Zwar bekamen viele Invaliden einen Bettelbrief, von außerhalb kommende, um Almosen bittende Invaliden sollten aber wie andere auswärtige, »herrenlose« Bettler behandelt werden, vgl. ebd., S. 44. Angaben zu beiden in der Invalidenliste von 1744: »Derer in Göttingen sich aufhaltenden] gemeinen Invaliden, welche noch nicht enrolliert sindt«; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 8. Schubert, Bettler und Gauner, S. 143, weist darauf hin, daß auch in Ansbach zunehmend entlassene Soldaten für
geringere öffentliche Dienste übernommen wurden. Angaben zu Kruse und Wesemüller StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 8. 456 Vgl. zur Scharwache Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 79—84. 457 Dafür wurde den Männern der Gnadentaler um die Hälfte gekürzt. Vor diesem Hintergrund wird die Forderung der Kriegskanzlei verständlich, nur in »Pension stehende Invalide« anzuheuern. 458 w/;e zum Bespiel ¿er Invalide Friedrichs, der bei einem Dr. Crusig als Aufwärter gearbeitet hatte; StAGö AA Wachwesen, Nr. 20; Actum Göttingen vom 21. Februar 1753. Für Botendienste bekam der Invalide Cruse 24 Groschen vergütet, vgl. StAGö AB Stadtratsprotokoll, Eintrag vom 19. Juni 1733. 455
166
Dritter Teil: Lebens- und
Dienstbedingungen der Soldaten
Im Vorteil waren Männer, die vor ihrem Militärdienst einen Beruf erlernt hatten. Sie waren
nicht auf eine Beschäftigung als Dienstboten oder Tagelöhner angewiesen und konnten selbständig arbeiten459. So profitierten einige Invaliden als Weißbinder vom Bauboom und konnten sogar »noch Gehülfen« einstellen460. Andere produzierten Nahrungsmittel, die sie ihren Kunden direkt verkauften461. Für viele Männer stellte die Ausübung ihres Handwerks eine Möglichkeit dar, finanzielle Engpässe für eine Übergangszeit auszugleichen. So entsann sich zum Beispiel der etwa 60jährige Paul Zellmann462 seiner »in [der] Jugend erlernten Schneiderprofession«, um neben dem Gnadentaler »bey jetzigen schweren Zeiten« weitere Einkünfte zu erzielen. Sein Plan war, nur »kleine und geringe Schneider Arbeit« zu machen und »Brusttücher und Kinderzeug« anzufertigen463. Andere versuchten, die nach der Universitätsgründung sprunghaft angestiegene Nachfrage nach Dienstleistungen verschiedenster Art zu nutzen, und boten bestimmte, teilweise von der Obrigkeit verbotene Dienste an. So hatte sich zum Beispiel Wilhelm Bleien auf die Vermittlung freier Wohnungen und Zimmer spezialisiert und lebte von Maklergebühren, die er nach Zustandekommen eines Mietvertrages sowohl vom Vermieter als auch vom Mieter erhob464. Zusätzlich betrieben Bleiert und seine Frau Catharina Elisabeth einen Pfandverleih465. Kunden waren vor allem Studenten, die ihren hohen Finanzbedarf decken wollten466. Als Zuhälter und »Kuppler« für ihre sich prostituierenden Töchter fungierten der Invalide Friedrichs und seine Frau467. Einige übernahmen den Zwischenhandel mit Brennholz468 oder Lebensmittel469 und verkauften dabei auch in die Stadt geschmuggelte, unversteuerte Waren470. 459 460
461
462
463
464
Vgl.
auch Schubert, Bettler und Gauner, S. 138—139. Schreiben des Stadtboten Johann Christoph Sörhagen an den Magistrat vom 25. November 1738; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. Wiederholt beschwerte sich die Bäckergilde über »Pfuscher«, die ihnen Konkurrenz machten. Einem Brief der Gilde an den Geheimen Rat vom 6. Februar 1741 wurde eine Namensliste beigefügt, auf der auch ein »abgedankter Soldat« erwähnt wurde; StAGö AA Gewerbesachen, Bäcker, Nr. 11. Der Gefreite Zellmann wurde nach 39j ähriger Dienstzeit »in Pension gesetzt« und lebte seitdem in Göttingen zur Untermiete; vgl. den Schriftwechsel Zellmanns mit den Geheimen Räten vom 14. Juli 1749 und 8. September 1749; StAGö AA Gewerbesachen, Schneider, Nr. 10. Trotz massiver Proteste der Schneidergilde erhielt Zellmann auf Anordnung der Geheimen Räte eine entsprechende Konzession; Mitteilung vom 22. September 1749; ebd. StAGö AA Gewerbesachen, Auktionatoren, Taxatoren, Makler, Nr. 1. Schreiben des Magistrats an die Geheimen Räte vom 10. Februar 1748.
Göttingen vom 23. Januar 1750; StAGö AA Handel, Kommerzkollegium, Nr. 28. Vgl. allgemein Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 298—379. 467 StAGö AA Wachwesen, Nr. 20. Als wichtigste »Kunden« werden die Studenten bezeichnet, vgl. dazu das an den Geheimen Rat gerichtete Schreiben des Magistrats vom 30. Januar 1753 und den Eintrag 465
Actum
466
468
469
470
Actum Göttingen vom 21. Februar 1753. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. So saß zum Beispiel die Frau des Invaliden Klebecker »vor dem Buschen Haus« an der Ecke Johannisstraße und bot Obst feil. Die Frau des Invaliden Lampmann verkaufte »am Scharren Butter und andere Victualien«. Der gelernte Bäcker und aus Dransfeld stammende Invalide Johann Christian Kratz handelte mit Weizen. StAGö AA Handel, Verschiedenes, Nr. 7; Actum Göttingen vom 19. Juni 1738, 19. Dezember 1747 und 25. Februar 1750. Am 11. Dezember 1749 wurde der Invalide Winzenborn beim Schmuggeln von Roggen erwischt,
Vgl.
VI.
Lebensbedingungen der Invaliden
Ehemalige Soldaten in Göttingen:
eine
167
Zusammenfassung
Die Bezeichnungen »invalider« oder »gewesener« Soldat haben nur mittelbaren Aussagewert über die körperliche Verfassung der Männer. Invaliden konnten alt und gebrechlich sein, aber auch relativ jung und im Vollbesitz ihrer Kräfte. Ebensowenig sagt der Terminus etwas über die Pensionsberechtigung aus sieht man von der Perspektive des den Gnadentaler auszahlenden Kommissars ab. Aus diesem Grund wird mit der Klassifikation »Abgedankter«, »Gewesener« oder »Invalide« eine sozial und wirtschaftlich heterogene Gruppe angesprochen: alte und gebrechliche Männer, jüngere und kräftige Männer, Männer mit und ohne Pensionsbezug, Leute mit und ohne Berufsausbildung, arme und etwas wohlhabendere Männer usw. Alle »Invaliden/Abgedankten« haben lediglich den Umstand gemeinsam, daß sie einmal für kürzere oder längere Zeit Soldat gewesen waren und aus unterschiedlichen Gründen den Dienst quittiert haben bzw. entlassen wurden. Je nach persönlicher Lebensplanung und materieller Voraussetzung wurde die Daseinsform »ehemaliger Soldat« wieder aufgegeben (zugunsten einer bürgerlichen Existenz mit fest umrissener Berufsausübung oder einer Wiederaufnahme des Kriegsdienstes) oder bis zum Tode beibehalten. Die Lebensbedingungen waren stark von der unklaren rechtlichen Position der »ehemaligen Soldaten« geprägt. Offiziell der Obrigkeit unterstellt, in deren Zuständigkeit der Invalide wohnte, blieb er doch immer im Zugriffsbereich seines alten Arbeitgebers, der ihn wiederholt aus Eigeninteresse vor den fiskalischen Nachstellungen der Ortsobrigkeiten in Schutz nahm und so sein Anrecht auf Steuerfreiheit garantierte. Aus dieser eigentümlichen Situation, die dem Invaliden in bestimmter Hinsicht damit zwei Obrigkeiten zuordnete, konnten sich gewisse Freiräume ergeben. Den wenigen Gemeinsamkeiten dieses Personenkreises entsprechend divergierte die Skala des wirtschaftlichen Erfolges bzw. Mißerfolges. Viele starben in Armut und Elend, manche gelangten zu bescheidenem Wohlstand, wenige konnten sogar immobilen Besitz erwerben. —
—
—
ihm die Strafe aber »wegen Armut« erlassen. Die Frau des Invaliden
Lütgen
und die Tochter des
Abgedankten Deitzel versuchten, Branntwein ohne Besteuerung in die Stadt zu bringen. StAGö AA Abgaben, Licent, Nr. 12 Bd 1; Licentstrafprotokolle vom 11. November 1749 (Winzenborn), 28. Dezember 1750 (Lütgen) und 20. August 1750 (Deitzel).
Vierter Teil: Festung und Garnison
Darstellung blieb bisher weitgehend auf die Regimenter mit ihren Kompanien beschränkt, ohne daß bislang soziale, rechtliche oder organisatorische Berührungspunkte mit der Stadt Erwähnung fanden. Obwohl das Regiment die quantitativ wichtigste Größe war, bestand die Göttinger Garnison nicht nur aus diesen sieben Kompanien. Ihr gehörten außerdem noch Artilleristen, Kommissariatsbeamte und weitere Personen an, die jeweils ganz unterschiedliche Aufgabenbereiche hatten und zusammen mit dem Regiment eine funktionale Einheit bildeten. Haupttätigkeit der Soldaten war die Bewachung, Instandsetzung und Verteidigung der Festungswerke, die sich als Ring um die ganze Stadt schlössen. In den folgenden Abschnitten werden daher die personale und architektonische Konzeption von Garnison und Festung dargelegt und spezifische Probleme und Schwachpunkte beleuchtet. Außerdem werden die von der Obrigkeit gewünschten Aspekte sozialer Disziplinierung der Einwohnerschaft durch Festung und Garnison diskutiert. Die
I. A. Der
Personalkonzeption
Regimentschef als Kommandant von
Stadt und
Festung
Der jeweilige Regimentschef war nicht nur Oberbefehlshaber einer militärischen Einheit und disziplinarischer Vorgesetzter von annähernd 700 Soldaten, er war zugleich auch Kommandant der Stadt und Festung Göttingen1. In dieser Eigenschaft standen ihm bestimmte Sondereinnahmen und Rechte, die sogenannten »Kommandanten-Gefälle« zu. Er residierte in einem großen mehrstöckigen Haus, das ihm die Stadt zur Verfügung zu stellen hatte2. Dieses Kommandantenhaus wurde 1730/31 »vollenkommen ausgebauet« und das Hinterhaus von »Grund aus neu« aufgebaut »und mit bequemen Zimmern, einer Gallerie vor denselben, Pferde- und anderen Ställen versehen« und galt seitdem als eines »der bequemsten Häuser«3. Die Räume waren teilweise mit kostbaren Tapeten
1
2
3
Die Verknüpfung beider Ämter erfolgte endgültig erst nach dem Spanischen Erbfolgekrieg. Siehe dazu die Liste der Göttinger Kommandanten Tabelle VII im Anhang. Dieses Haus befand sich in hervorragender Lage, direkt am Marktplatz an der Ecke Barfüßerstraße/Weender Straße und nur 150 Meter vom Rathaus entfernt. Das Gebäude wurde um 1500 von Gabriel von Schneen errichtet, vgl. Zeit- und Geschicht-Beschreibung, Bd I, Buch 2, S. 100. Für sämtliche Reparaturen und Instandhaltungskosten mußte die Stadt aufkommen; StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 8, Bd 1. Actum Göttingen vom 12. April 1729. Zeit- und Geschicht-Beschreibung, Bd I, Buch 2, S. 100.
170
versehen und
Vierter Teil: von
Festung und
Garnison
der Stadt mit einem Grundstock
an
Möbeln und anderen Einrich-
tungsgegenständen ausgestattet4.
Zusätzlich hatte der Kommandant das Recht, im Göttinger Stadtwald zu jagen, und erhielt aus den städtischen Holzungen pro Jahr 24 Klafter Brennholz. Zudem konnte er die auf dem Wall und den Außenwerken wachsende »Gräserey« zur Fütterung seines Viehs verwenden und in dem städtischen Wassergraben eine Fischzucht anlegen. Schließlich stand ihm von jedem nach Göttingen kommenden Fuhrwerk ein bestimmter Prozent-
satz des Frachtgutes zu5. Der Kommandant, zuweilen auch als »Gouverneur«6 bezeichnet, war für die »Beschützung des Ohrtes«7 und seiner Bewohner verantwortlich. In dieser Funktion ließ er den Reiseverkehr kontrollieren und die Fremden und Gäste der Wirtshäuser überprüfen. Täglich mußten Wirte und Krüger die sogenannten Gastzettel auf der Kommandantur abgeben8. Druchtleben legte Wert darauf, daß »alles was in der gantzen Stadt passire ohngesäumt zu [seiner] Wißenschaft« komme9. Die Kontrolle des Reiseverkehrs erfolgte durch die Torwachen, die nicht nur die Pässe der Leute, sondern auch das Gepäck kontrollierten und nach Ziel und Zweck der Reise sowie nach der Dauer ihres geplanten Aufenthaltes in der Stadt fragten. Da der Kommandant die Schlüssel zu den äußeren vier Toren10 verwaltete, konnte er, wenn er es für nötig hielt, die Stadt sperren lassen. Nachts hatte die Wache in mehreren Kontrollgängen die Straßen und Wirtshäuser zu überprüfen, um, wie Druchtleben sich einmal ausdrückte, »Ruhe und Sicherheit«11 zu garantieren. Um den »Ohrt einigermaßen in Defensions-Stande«12 zu halten, sorgte der Kommandant jedoch nicht nur für die >innere Sicherheit^ Ihm unterstanden zudem auch alle Festungseinrichtungen, der gesamte Artilleriepark sowie Munition und Ausrüstung der Soldaten. Er war dafür verantwortlich, daß die einzelnen Bestandteile des Festungswerkes, wie Wall, Graben, die einzelnen Ravelins, die Grabenböschungen und die Tore und Zugbrücken, in verteidigungsfähigem Zustand blieben. Schließlich galt dies auch für alle 4
5
6
Dazu zählten neben Schränken, Tischen und der kompletten Kücheneinrichtung auch ein »Repositorium zu Bouteilles«. Dazu eine ausführliche Liste vom 28. November 1748; StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 2. Ebd., Nr. 8, Bd 1. Zum Beispiel pro Fuder Holz ein »Stück«, pro Fuder Wellen (Brennholz) ein »Bundt«, pro Fuder »Kollen« (Kohlen) ein Beutel voll oder pro Fuder Töpfe bzw. Flaschen je ein
Exemplar. Diese Bezeichnung wird vom Magistrat in dem an die Witwe Druchtlebens gerichteten Beileidsschrei-
ben vom 22. August 1748 benutzt; ebd., Nr. 2. Diese Formulierung gebrauchte Druchtleben in einer Mitteilung an die Kriegskanzlei vom 13. Dezember 1731; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 7. 8 StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 7; Benachrichtigung der Geheimen Räte an den Magistrat vom 9. Januar 1719. Erwähnt wird in diesem Schriftstück ein entsprechendes, bereits am 27. März 1718 erstelltes Reskript. 9 StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 154; in einem Schreiben des Kommandanten an die Geheimen Räte vom 11. Oktober 1734. 10 Jede einzelne Toreinfahrt war durch drei Tore gesichert. 11 In einem Schreiben an die Geheimen Räte vom 11. Oktober 1734; StAGö Geheimer Rat, Nr. 154. 12 Druchtleben faßte seinen Aufgabenbereich in einer Mitteilung an die Kriegskanzlei vom 17. April 1732 so zusammen; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 7. 7
I.
Gebäude und
Personalkonzeption
171
der Wachmannschaft benutzt wurden, etwa die Hauptwache, die Torwachhäuser oder die vielen auf dem Wall und in der Stadt stehenden Schilderhäuser. Kontrolle und Reparatur der Festungswerke nahmen viel Zeit in Anspruch. In regelmäßigen Abständen waren detaillierte Berichte über den Zustand der Festung nach Hannover zu senden13. Gab es Beanstandungen, mußte der Kommandant für Abhilfe sorgen und entsprechende Reparaturarbeiten in Absprache mit der Kriegskanzlei einleiten. Gehörten die beanstandeten Bauten (wie Wachhäuser oder Wall) der Stadt, mußte der Magistrat um eine Reparatur ersucht werden. Außerdem war der Kommandant für ausreichende Qualität und Quantität der Armierung verantwortlich, es mußten zum Beispiel im Verteidigungsfall genügend funktionstüchtige Kanonen auf dem Wall einsatzbereit stehen. Deshalb zählten Lagerung und Inventarisierung des Artillerieparks und damit die Aufsicht über das Zeughaus und alle »das Zeughaus betreffenden Angelegenheiten«14 ebenfalls zu seinem Aufgabenbereich. Der Kommandant war als Regimentschef zugleich Vertreter des Generalkriegsgerichts und konnte bestimmte Verfehlungen seiner Untergebenen als Richter bzw. Ankläger sofort ahnden15. Sein Machtbereich erstreckte sich aber nicht nur auf die Angehörigen seines Regimentes, sondern umfaßte soweit die Belange der Festung berührt waren alle sich in Göttingen aufhaltenden Soldaten und Beamten der Kriegskanzlei und schloß damit die kleine einquartierte Artillerieeinheit, das Zeughauspersonal und die Festungsbaube-
Einrichtungen,
die
von
—
—
auftragten ein.
B. Das
Hilfspersonal
Die Artillerie
Die kleine
Gruppe der in Göttingen einquartierten Artilleristen wurde erst allmählich vergrößert. In den 1720er Jahren bestand sie lediglich aus vier Männern, in den 1730er Jahren im Schnitt aus 14 Soldaten und in den 1750er Jahren aus 21 Constablern und Feuerwerkern. Die Einheit wurde von einem Offizier befehligt, der den Chef des Artilleriekorps als Fachvorgesetzten hatte, in allen die Festung Göttingen betreffenden Angelegenheiten aber dem Kommandanten untergeordnet war. Die Artilleristen hatten die Aufgabe, die Geschütze, den Fuhrpark und das benötigte Zubehör in Funktionsbereitschaft zu halten und bei Bedarf zu reparieren. Außerdem mußten sie Patronen und Granaten herstellen und den Zeughausverwalter bei seiner Tätigkeit unterstützen. Der Artillerieoffizier hatte den Kommandanten über verschiedene Einsatzmöglichkeiten der »Stücke« und die optimalen Stellplätze der Kanonen zu beraten. 13 14
15
keine besonderen Umstände vor, mußten diese Berichte monatlich eingesandt werden. Ausdrücklich verweisen die Kriegsräte in einem Brief an Druchtleben vom 19. Dezember 1731 auf diesen Umstand; StAGö AA Deposita, Nr. 23. Vgl. zur Stellung des Regimentschefs den Abschnitt Militärjustizwesen S. 29—33.
Lagen
Vierter Teil:
172
Festung und
Garnison
Zeughauspersonal Das
Zeughaus befand sich in dem alten, im Zuge der Reformation säkularisierten Fran-
ziskanerkloster an der Barfüßer Straße und wurde vermutlich schon in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts (von der Stadt) als Lagerstätte für Geschütze, Artilleriezubehör und Pulverfässer benutzt, bevor es die landesherrliche Armee in Gebrauch nahm16. Der Zeughausverwalter war als Leiter der Einrichtung für korrekte Lagerung und Inventarisierung diverser Gegenstände17 verantwortlich. Täglich wurden der Wache Gewehre und Munition ausgehändigt, die nach Beendigung des Dienstes wieder in Empfang genommen wurden18. Für die Reparatur defekter Gewehre, Degen oder Kanonen wurde ein Rüstmeister nebst Gesellen beschäftigt. Zudem arbeiteten die Artilleristen ebenfalls im Zeughaus. Zusammen mit Rüstmeistern und Geschützführern mußte der Verwalter je nach Bedarf bestimmtes Kriegsgerät herstellen19. Das Zeughauspersonal gehörte fachlich zum Artilleriekorps, unterstand jedoch wie die Gruppe der Geschützführer direkt dem Kommandanten. Der Verwalter mußte der Kriegskanzlei in regelmäßigen Abständen Inventare senden20, vom Fortgang einzelner Reparaturarbeiten berichten21 und gezielte Anfragen aus Hannover beantworten22. Zuweilen verfügte die Kriegskanzlei den Verkauf bestimmter unbrauchbar gewordener Gegenstände23
Zusammenhang mit einem weiteren Festungsausbau wurde am 10. August 1671 in Hannover verfügt, daß die Kirchengebäude renoviert werden sollten, um dort »grobe Geschütz und Munition« zu lagern. Deutlich wird aber, daß auch schon vor dieser Anordnung die Gebäude als Zeughaus genutzt wurden; StAGö AA Klostersachen, Nr. 3. Sieben Jahre später erwähnt Müller, Abbildung, S. 10, ein »Zeug- und Rüst-Haus«, das sich im alten Kloster befindet. 17 Eingelagert waren neben den Geschützen und Gewehren viele andere größere und kleinere Objekte, 16
In
die teilweise völlig veraltet und unbrauchbar waren. Eine Auswahl, die vor allem einzelnen Schriftstücken der Akte StAGö AA Deposita, Nr. 23, entnommen wurde, sei hier angefügt: Bohlen, Räder, »Stück-Assuiten« (Lafetten), Pulver, Patronentaschen, Ladestöcke, Kugeln, Schanzzeug (Hacken, Schau-
feln, Brecheisen, Äxte, Zangen, Nägel etc.), Schiebkarren, Pechfackeln, Handgranaten, Lanzen, Degen, Stellagen, Munitionskarren, Protzketten, Schmelztöpfe, Trommeln, Zelte, Decken, Flintensteine, Armbrüste, Morgensterne, Sattelwagen und Kartuschen. 18 Jede außergewöhnliche Munitionsausgabe mußte von der Kriegskanzlei eigens angeordnet werden,
der Empfänger hatte in diesem Fall eine Quittung zu unterzeichnen. Diese Arbeiten umfaßten zum Beispiel die Anfertigung von Granaten und Patronen, das Gießen von Kugeln oder das Nähen von Zelten. Zwischen 1720 und 1755 waren Zeughausverwalter: [N.N.] Jürgens (1720—1732) und Georg Friedrich Lotze (1732—1755). Rüstmeister waren Christoph Holland (1720-1732) und Michael Eichler (1732-1755). 20 Einmal im Jahr erfolgte eine Revision der Bestände; Brief der Kriegskanzlei vom 22. Dezember 1727, StAGö AA Deposita, Nr. 23. 21 Ebd., Zur Lagerung einzelner Objekte verfügte die Kriegskanzlei manchmal spezielle Weisungen. Am 15. Dezember 1727 ordnete das Amt an, daß die einzelnen Zelte jeweils im Sommer aufzustellen seien. Besonderes Augenmerk galt der Aufbewahrung des Pulvers, das bei unsachgemäßer Lagerung schnell verderben konnte. 22 Am 14. Februar 1730 verlangte die Kriegskanzlei einen Bericht darüber, wieviele »Lantzen oder Spontons« für Offiziere vorrätig seien; ebd. 23 Zum Beispiel am 15. Januar 1722, als der Verwalter aufgefordert wurde, 392 alte Musketen an den Meistbietenden zu verkaufen und den Erlös an die Kriegskasse abzuführen; ebd. 19
I.
Personalkonzeption
173
oder ordnete die Einlagerung neuer Objekte an24. Der Schriftverkehr lief immer über den Kommandanten, der die Mitteilungen des Verwalters unterzeichnete oder dem Schriftstück eine kleine Notiz beilegte25. Antworten bzw. Anordnungen der Kriegskanzlei wurde stets eine für den Kommandanten bestimmte Kopie beigelegt. Betrafen die >Ordres< auch die Belange des Kommissars, wurde eine zweite Kopie ausgestellt. Conducteur zuvor nur zeitweise bei anfallenden größeren Bauvorhaben ein Festungsbaunach ingenieur Göttingen beordert wurde, bestimmte die Kriegskanzlei 1730 die dauerhafte Stationierung eines solchen Conducteurs26. Dieser Beamte, ein in der Festungsbaukunst und Mathematik geschulter sowie im Zeichnen geübter Mann, sollte alle Arbeiten an den Festungseinrichtungen überwachen und die Bauaufsicht führen. Er berechnete Menge und Beschaffenheit des benötigten Materials und stellte Kostenpläne auf. Der Kommandant ließ sich über den Verlauf einzelner Reparaturen »täglich durch den Conducteur [...] rapportiren«27. Wurde Material angekauft, etwa Bauholz oder Grassoden, mußte es »durch den Conducteur mit examini [geschehen] und über deren Anfahrung mit demselben communient« werden28. Zudem hatte der Festungsbauingenieur Pläne und Skizzen der einzelnen Bauwerke anzufertigen29. Gelegentlich sollte er bestimmte Werkstoffe oder Baumaschinen prüfen30. Ähnlich wie Zeughauspersonal und Artillerieeinheit hatte der Conducteur einen eigenen, in Hannover oder Stade stationierten Fachvorgesetzten, in bezug auf die Stadt und
Nachdem
Mitteilung vom 6. März 1721 wurde dem Verwalter die baldige Ankunft von 20 Zentnern Musketenpulver avisiert, die die Kriegskanzlei in Hameln bestellt hatte. Die Ladung sollte er in Empfang nehmen und inventarisieren; ebd. 25 Als der erst seit wenigen Monaten seinen Dienst als Zeughausverwalter verrichtende Lotze ein erstes 24
26
27
28 29
30
In einer
»Inventarium« ohne Unterschrift Druchtlebens nach Hannover schickte, wurde er am 19. Januar 1733 aufgefordert, zukünftig immer den Kommandanten unterzeichnen zu lassen; ebd. Auch der seit 1730 in Göttingen einquartierte Artillerieoffizier mußte alle Belege abzeichnen. Richtete sich das Schreiben direkt an den Kommandanten, erhielt der Verwalter nur eine Kopie. Dies wird dem Kommandanten in einem Schreiben der Kriegskanzlei vom 10. April 1730 angekündigt; ebd. Diese Dauerstationierung hängt mit einer Reorganisation des Ingenieurkorps zusammen, die praktisch einer Neugründung dieser Abteilung gleichkam. In Göttingen waren zwischen 1730 und 1755 die Conducteure Johann Anthon Overheide (1730—1743) und Bernhard Johann Zacharias Fescka (1743—1755) einquartiert. Ebd. In einem Brief der Kriegsräte an Druchtleben vom 23. April 1732. Ebd. So in einer Mitteilung der Kriegkanzlei an Druchtleben vom 5. August 1732. So wurde in einem an den Kommandanten und den Conducteur gerichteten Schreiben der Kriegskanzlei vom 19. Februar 1733 die Erstellung eines Übersichtsplanes von Stadt und Festung Göttingen gefordert; ebd. Die Originale blieben in Hannover, »in copiam« in Göttingen. Den Arbeiten der Conducteure Overheide und Fescka verdankt die Stadtgeschichte somit wertvolle Hinweise. So sollte er 1729 den Einsatz von »Planckerde« testen (NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6; Schriftwechsel vom 23. April 1729 und 9. Mai 1729) oder ein holländisches Baggereisen erproben (nach einem Vorschlag des Chefs des Ingenieurkorps von Wallmoden vom 22. Juni 1739; ebd., Nr. 11). Am 3. August 1728 hatte der Conducteur Eden einen ausführlichen Bericht über die Einsatzmöglichkeiten einer »Mudder-Machine« einzusenden; StAGö AA Deposita, Nr. 23.
174
Vierter Teil:
Festung und Garnison
Festung Göttingen unterstand er dem Kommandanten. Dies bedeutete konkret, daß er den Weisungen des Gouverneurs zu folgen hatte, dieser ihm jedoch in disziplinarischer und fachlicher Hinsicht kein Vorgesetzter war31. Die regelmäßigen Berichte des Conducteurs an die Kriegskanzlei32 wurden vom Kommandanten gegengezeichnet, gezielte, den Bereich des Ingenieurs betreffende Anordnungen aus Hannover wurden an den Conducteur und den Kommandanten adressiert.
Adjutant, Wachtmeisterleutnant,
Auditeur
Adjutant war persönlicher Gehilfe des Kommandanten und wurde als Bote eingesetzt. Für diesen Posten wurde ein für diese Aufgabe geeigneter Sergeant aus dem Regiment bestimmt, der für die Dauer seiner Abstellung neben dem Sergeantensold besondere Vergünstigungen erhielt33. Der Wachtmeisterleutnant war für das Wachwesen der Stadt und Festung verantwortlich und damit Vorgesetzter aller Wachsoldaten. In dieser Eigenschaft war er für das Schließen der Tore, die Besetzung der einzelnen Posten, Ausgabe der Parole, Bewaffnung und Ausrüstung der Wachen und Kontrolle der Männer zuständig. Das Amt war ortsgebunden, verließ das Regiment die Stadt, blieb der Wachtmeisterleutnant zurück34. Der Auditeur gehörte als Justizbeamter der Kriegsgerichtskommission nur indirekt zur Göttinger Garnison. Dem Kommandanten unterstand er nicht. Der Arbeitsbereich des Auditeurs umfaßte die Ahndung von »Excessen« und zivilrechtlichen Verfehlungen Göttinger Soldaten35.
Der
C. Das Kommissariat Der Kommissar
Der Kommissar36 war ein ziviler Beamter des zur Kriegskanzlei zählenden Kriegskommissariats und unterstand nicht dem Generalstab37. Da ihm die Finanzverwaltung von 31
32
33
34
35
36
37
Bestrafungen oder Beförderungen waren nur durch den Chef des Ingenieurkorps möglich. Eine Ein-
flußnahme durch den Kommandanten ist natürlich denkbar. Als Beispiel sei auf die Bauzustands- und Arbeitsberichte Overheides vom 31. August 1730 oder vom 2. Oktober 1730 verwiesen; NHStA Hannover, Hann. 47 TV 9, Nr. 7. Zwischen 1720 und 1755 waren Adjutanten: Ernst Hennig Burghart (1720—1728), Johann Diedrich Roddow (1728-1734), Johann Friedrich Ostmann (1734-1741), [N.N.] Eckhard (1741-1743), Friedrich Christian Weber (1743—1749), [N.N.] König (1749) und Johann Henrich Watermeyer
(1749-1755).
Zwischen 1720 und 1755
waren
Inhaber dieses Amtes: Johann Missoll
Burghart (1737-1741) und Otto Friedrich Osterkamp (1741—1755).
(1720—1737), Ernst Hennig
Göttingen stationierte Auditeure waren [N.N.] Arends (1720—1737), August (1737—1743), Anton August Ciar (interimsmäßig 1743—1744), wieder August (1744—1754) und Justus Klaproth (1754—1755). In
Ernst Ernst
Insinger Insinger
Der Inhaber des später zum Oberkommissariat erweiterten Amtes wurde, wenn sich dessen Tätigkeit auf das Eintreiben des Proviantkorns beschränkte, auch als Proviantverwalter bezeichnet. Zwischen 1720 und 1755 gab es folgende Kriegskommissare in Göttingen: Philip Brauns (1720—1726), Zacharias Arnold Hahn (1727-1745), [N.N.] Peters (1745-1749) und [N.N.] Friedrichs (1749-1755).
I.
Personalkonzeption
175
Garnison und Festung oblag sowie »die Besorgung der Arbeit selbst bey dem FestungsBau und die Bezahlung derer dero Behuf erforderlichen Gelder«, läßt sich sein Tätigkeitsgebiet in zwei Bereiche aufteilen38. Zum einen zahlte er den Kompaniechefs den Sold, sorgte für die Brotversorgung der Soldaten und nahm von der Stadt das Proviantkorn in Empfang39, zum anderen verwaltete er die Festungsbaukasse40. Wurden Reparaturarbeiten an den Festungswerken nötig, erstellten Festungsingenieur oder Wallmeister nach Aufforderung des Kommandanten einen Kostenvoranschlag. Stand die Höhe der Ausgaben fest, sandte der Kommissar diesen Plan zur Begutachtung nach Hannover. Mit dem positiven Bescheid durch die Kanzlei erging dann im allgemeinen auch eine Zahlungsanweisung. Die einzelnen Anforderungen wurden, vor allem bei größeren Beträgen, vom Ingenieur und dem Kommandanten gegengezeichnet. Gelegentlich legte der Kommissar seinem Schreiben auch nur den Bericht des Conducteurs bei. Nach erfolgter Bewilligung des Arbeitsvorhabens kümmerte sich der Kommissar um den Ankauf der benötigten Materialien, suchte das günstigste Angebot aus und bezahlte die Lieferanten. Nicht verbrauchtes Material wurde inventarisiert. Zur Bewältigung dieser verschiedenen Tätigkeiten konnte der Kommissar auf die Dienste einiger Mitarbeiter zurückgreifen. Zwei Schreiber, von denen einer als Proviantschreiber fungierte, halfen bei der Buchführung. Mit dem Wallmeister und dem Stockhausverwalter gab es zwei weitere zum Kommissariat gehörende Funktionsträger.
Gehilfen des Kommissars: Wallmeister und Stockhausverwalter Der Wallmeister war für die Inspektion der Festungswerke zuständig41. Darüber hinaus verhandelte er im Auftrag des Kommissars mit Lieferanten oder verschiedenen Wald-
besitzern über den Ankauf von Bauholz bzw. über die Zusendung von Grassoden, die für die Befestigung des Walles verwendet wurden42. Da sich der Tätigkeitsbereich des Wallmeisters nahezu vollständig mit dem des Ingenieurs deckte, bedeutete dies, daß nach 1730 zwei Männer mit der gleichen Aufgabe betreut waren. Aus diesem Grund wurde vermutlich nach Wechsel des Kommissars 1745 kein neuer Wallmeister beschäf-
tigt43. 38
an die Kriegskanzlei gerichteten Schreiben vom 15. Oktober 1739 beklagte sich KommisHahn darüber, daß er neben seinem »Commissariatswesen« noch die »Zeughaus- und Artillerierechnung« zu führen habe; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 11. Der Kommissar verwaltete nicht nur das Getreide für die Göttinger Garnison, sondern auch für die in Moringen, Uslar und Dransfeld stationierten Soldaten. Ende November 1733 befanden sich im Getreidemagazin etwa 1100 Malter Roggen, dazu Bericht Hahns an die Kriegskanzlei vom 30. November 1733; ebd., Nr. 8. Pro Monat würden zum Brotbacken für die Göttinger Garnison 161 Malter abgeführt. Zu den allgemeinen Aufgaben eines Kommissars im Rahmen der Truppenverwaltung siehe oben, S. 23 f. Wallmeister war von 1720 bis 1745 Otto Rennert. 1730 verhandelte der Wallmeister zum Beispiel in den Ämtern Münden und Friedland über den Ankauf von 48 000 Soden; nach einem an die Kriegsräte gerichteten Arbeitsbericht des Kommissariatsschreibers vom 8. Mai 1730; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 7. Wallmeister Rennert verstarb am 14. Juni 1747; Kirchenbuch St.Jacobi.
In einem
sar
39
40 41 42
43
176
Der
Vierter Teil:
Festung und Garnison
Stockhausverwalter, auch »Gewaltiger« genannt, führte das Gefängnis und war für
Bewachung und Verpflegung der untergebrachten Gefangenen verantwortlich44. Dieses Amt wurde erst 1716 bzw. 1717 eingerichtet, als die ersten zum Festungsbau Verurteilten nach Göttingen gebracht wurden. Der »Gewaltige« überwachte im Auftrag des Kommissars den Einsatz der zwangsweise zur Arbeit verurteilten Männer. Da Finanzierung der Bauvorhaben bzw. Reparaturen an den Bollwerken dem Kommissar oblagen, wurden ihm diese Leute von der Kriegskanzlei anvertraut. Zur Bestreitung der Bekleidungsund Verpflegungskosten wurden Gelder bewilligt, über deren Auszahlung quartalsweise den Kriegsräten Rechenschaft abzulegen war. Exkurs: die
Festungsbaugefangenen
Gegen Ende des Jahres 1715 faßte die Kriegskanzlei den Entschluß, für die in Göttingen zu verrichtenden Arbeiten Festungsbaugefangene einzusetzen. Es hatte sich gezeigt, daß ein Großeinsatz von Soldaten oder Tagelöhnern an den Festungswerken nicht den gewünschten Erfolg brachte und vor allem zu teuer war45. In einem Reskript vom 23. Dezember 1715 werden die »Karrengefangenen« erstmalig erwähnt46. Nachdem sich zunächst Kommissar Brauns Anfang 1716 nach Unterbringungsmöglichkeiten in Göttingen umgesehen hatte, entschied man sich, das vorhandene Stockhaus für diesen Zweck umzubauen47. Im Januar 1717 waren die Umbauten beendet, es war jetzt für etwa 40 Gefangene und 10 Wachsoldaten Platz vorhanden48. Wenige Wochen später wurde mit dem Hilwartshäuser Klosterkrüger Hans Jost Kümmel der erste zum Festungsbau »condemnierte« Mann im Stockhaus untergebracht49. Im Januar 1720 befanden sich 28 Gefangene in Göttingen50, deren Gesamtzahl im Untersuchungszeitraum zwischen 20 und 40 schwankte: 1738 waren es 39, 1740 24, 1745 35 und 1746 33 Zwangsarbeiter51. Zwei überlieferte Namenslisten von 1720 und 1745 erlauben eine nähere Betrachtung der Gefangenen. Weit mehr als die Hälfte aller Insassen wurde wegen Diebstahls verurteilt. Weitere Delikte waren Ehevergehen (Ehebruch und »ohne Consens geheiratet«) und in der Liste von 1745 wohl vor allem kriegsbedingt Desertion. Die anderen wurden wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung bestraft.
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48 49
50 51
Dieses Amt hatten zwischen 1720 und 1755 inne: Benjamin Pfanholtz (1720—1730), Johann Scheffler (1730-1750) und Nicolaus Meyer (1750—1755). Allein im Sommer 1715 betrugen die Personalkosten mindestens 3000 Taler; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 4, Berichte von Kommissar Brauns vom 1. Juli und 17. August 1715. Dieses Reskript war nicht greifbar, wird aber in einem Gesetz vom 7. März 1729 erwähnt. Dazu weiter unten. Zu den Ursprüngen der Festungsbaustrafe vgl. die rechtsgeschichtliche Dissertation von Krause, Strafrechtspflege, S. 38—41, S. 199—207, S. 214—225 und S. 234—238. Schreiben vom 3. Februar 1716, 5. September 1716 und 17. September 1716; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 5. Außer dem alten Stockhaus wurden noch ein altes Brauhaus, ein Turm auf dem Wall und ein Gebäude am Groner Tor als mögliche Orte diskutiert. Bericht Brauns vom 7. Januar 1717; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 5. In einer Mitteilung der Kriegsräte an Brauns vom 29. Januar 1717; ebd. Namensliste vom 14. Januar 1720; ebd. Arbeitsbericht Hahns an die Kriegskanzlei vom 10. April 1738 (ebd., Nr. 10), Schreiben Hahns vom
I.
Personalkonzeption
177
Tabelle 48
Festungsbaugefangene, Delikte und Strafmaß 1720
Delikt
Diebstahl
Heiratsvergehen
1745
1720
Zahl I
%
Zahl I
%
15 6
53,6 21,4
23
65,7
6 3
17,1 8,6
2 1
5,7 2,9
Desertion »rebelliret«
21,4 3,6
Schlägerei
Ehebruch »Frevler«
Strafmaß
Zahl I
1 Jahr ljahr 2 Jahre 3 Jahre 4 Jahre 5 Jahre 6 Jahre 8 Jahre 10 Jahre
10 2
oben< weitergeleitet wurden und die Polaritäten verstärkten. Die Kriegskanzlei hatte deshalb kaum Möglichkeiten, Zwistigkeiten ihrer Untergebenen wirksam und rasch beizulegen. Solange einem Bediensteten kein grober und vor-
1740. Hahn schlug als Kommissionsmitglieder die Lizentkommissare Uslar (aus Sennikerode) und von Bodenhausen (aus Niedergandern) sowie den Amtmann Götz zu Olenhusen, den Göttinger Bürgermeister Morrien und Inspektor Helmold oder fakultativ Amtmann Tolle (Amt Wiebrechtshausen) und Amtmann Niemeyer (Amt Erichsburg) vor. Schreiben vom 4. August und 12. August 1740; ebd. Der Einbau dieser zweiten Tür sicherte sowohl die Objekte des Kommissars als auch die Gegenstände des Zeughausverwalters. In einem Schreiben der Kriegsräte vom 9. August 1740 wurde Hahn befohlen, nach Hannover zu reisen und bei der Kriegskanzlei vorstellig zu werden; ebd. Schreiben Dotzes an die Kriegskanzlei vom 20. Oktober und Nachricht Hahns vom 27. Oktober 1740; ebd. In einer Mitteilung der Kriegsräte vom 13. Oktober 1740; ebd. Hahn hatte Lotze unter anderem »niederträchtige Affecte« unterstellt. Vgl. dazu die Diskussion um die vorzeitige Dimission S. 43—48.
Ebd., Schreiben vom 25. Juli
von
II.
Festung Göttingen: Funktion und architektonisches Konzept
187
sätzlicher Bruch seiner Dienstpflichten101, nachgewiesen werden konnte, hatten die Räte kaum eine Handhabe gegen renitente Mitarbeiter, die weiterhin von ihrem Patron geschützt wurden. Die Reaktionen der Kriegskanzlei waren oberflächlich, unpräzise und beschwichtigend. Um möglichst wenig Reibeflächen zu erzeugen, wurden die konkreten Probleme nur am Rande gestreift; hauptsächlich erschöpften sich die Antworten mit allgemeinen und wenig spezifizierten Ermahnungen an die Beteiligten, »Privat-Zwistigkeiten« zu unterlassen und weiter ordentlich den Dienst zu versehen. Selbst gegen offenkundig im Unrecht stehende und eigensinnige Beamte wie den Kommissar Hahn102 konnte die Kanzlei keine disziplinarischen Mittel einsetzen. Einzige Lösungsstrategie war im Konfliktfall die Einberufung einer Kommission. Doch auch dieser Weg war, da er auf der Konsensfähigkeit aller Beteiligten beruhte, nur bedingt erfolgversprechend. Die Hilflosigkeit der Oberbeamten wird daran deutlich, daß es ihnen auch nach Monaten nicht gelang, Hahn zur Herausgabe eines Schlüssels zu zwingen, obwohl dies zu einer ernsthaften Beeinträchtigung des Dienstablaufes führte. Da die Kanzlei nicht in der Lage war, den Dauerstreit in Göttingen zu beenden, führte erst der Tod des umstrittenen Kommissars 1745 zu einer deutlichen Entspannung. II.
Festung Göttingen:
Funktion und architektonisches Konzept Im vorangegangenen Abschnitt wurden
Organisation und Arbeitsweise der Garnisonsbeschrieben sowie die verschiedenen verwaltung Aufgaben und Funktionen der einzelnen Amtsträger näher erläutert. Personale Konzeption und bestimmte Tätigkeitsbeschreibungen (etwa die des Conducteurs) deuteten bereits die enge funktionale Verflechtung der Garnison mit den Festungsbauten an. Beide Bereiche, Garnison und Festung, bildeten eine Funktionseinheit; die Festung wurde von den Soldaten bewacht, verteidigt und instandgesetzt und war Hauptarbeitsplatz der Soldaten. Im folgenden wird deshalb die architektonische Konzeption der »regulieren und formellen«103 Festung Göttingen in Form einer Zustandsbeschreibung dargelegt, in der nicht Anscheinend gab es keine Möglichkeit, den einmal festgelegten Tätigkeitsbereich eines Bediensteten mit einem weiteren Diensteid neu zu definieren. Jedenfalls äußerte der Chef des Ingenieurkorps, von Wallmoden, in einem Brief an den Conducteur Overheide die Vermutung, daß das 40 Jahre alte »Eidformular« des Wallmeisters Rennert zu »undifferenziert« sei und ihm aus diesem Grunde nicht alle Pflichten bewußt seien. Schreiben vom 26. April 1732; NHStA Hannover, Hann. 47IV 9, Nr. 7. 2 Daß die Vorwürfe gegen Hahn nicht völlig einer Grundlage entbehrten, zeigt ein Vorfall aus dem Am 1735. 20. Juni beschwerte sich der Sekretär für Universitätsangelegenheiten Johann FrieJahre drich Mejer beim Geheimen Rat, daß sich Hahn über die Universität lustig gemacht habe und die Sänfte des Hofrates Gebauer von einem Querpfeifer besetzen ließ und diesen »unter Rührung seiner Querpfeiffe zum Spectacel und Aufsehen in der gantzen Stadt durch die Gaßen [hat] tragen laßen«. Zudem ziehe Hahn Studenten an sich und verleite sie »beym Gesäufte zu allerhand Unge-
"
3
bührlichkeiten«, ebd., Nr. 8. Diese Formulierung wird in einem Rezeß von 1670 benutzt, zitiert nach einem Schreiben des Kommandanten von Koseritz an den Kurfürsten vom 27. Dezember 1704; ebd., Nr. 2.
188
Vierter Teil:
Festung und
Garnison
die einzelnen Bauwerke Erwähnung finden, sondern auch spezifische Probleme der Instandhaltung erörtert werden. Da die Festung nicht nur nach >außeninnen< wirken sollte und zur Reglementierung der Einwohner >eingesetzt< wurde, werden zusätzlich Zweck und Funktionalität der Anlage erläutert. nur
A.
Festungswerke
und ihre
Instandhaltung
Zustandsbeschreibung Die zahlreichen zeitgenössischen Stadtpläne, Bauzeichnungen und Übersichtsskizzen ermöglichen eine detaillierte Zustandsbeschreibung der Festung Göttingen104. Die Stadt war von einem etwa 5—6 Meter hohen Erdwall umgeben, dessen Sockel gemauert war. An der Sohle war der Wall zwischen 20 und 24 Metern breit. Die gesamte Länge betrug mehr als 3 200 Meter105. Die Innenseite schloß direkt mit der spätmittelalterlichen Stadtmauer ab, in die in bestimmten Abständen bollwerkartige Turmbauten integriert worden waren106. Diese Türme bestanden aus einem es waren mehr als zwanzig107 Unterbau und Fachwerkaufsatz108. steinernen Ein Teil der schon einem zweigeschossigen im 15. und 16. Jahrhundert errichteten Türme war zu Beginn des 18. Jahrhunderts in unbrauchbarem Zustand109, einige Türme dienten der Stadt bzw. der Garnison als Lagerraum für Pulverfässer und Artilleriezubehör110, andere Türme waren an Bürger vermietet, ein Turmgebäude wurde als Gefängnis genutzt. —
—
Folgende Beschreibungen stützen sich vor allem auf die zwischen 1730 und 1756 entstandenen Zeichnungen der beiden in Göttingen stationierten Festungsbauingenieure Overheide und Fescka. Insgesamt existieren für die Zeit von 1626 bis 1900 64 Stadtpläne und 16 Pläne, auf denen die Befestigungswerke dargestellt werden, vgl. Denecke, Materialien zur Stadtplanung, S. 19. Die Pläne werden unter anderem im Stadtarchiv Göttingen und im Hauptstaatsarchiv Hannover aufbewahrt. Ein Stadtplanverzeichnis mit Fundangaben bei Saul, Stadtplan als Quelle. Einen guten Überblick verschafft die vor allem auf den Zeichnungen von Overheide und Fescka basierende Rekonstruktion des Kartographen Sailer, Historisch-Topographischer Stadtplan. Vgl. zudem den Bildband Strenge Form; sowie Pröve, Herrschaftssicherung. 105 An seiner höchsten Stelle war der Wall annähernd neun Meter hoch. Der Wall war stark abgeflacht, die Wallböschungen wurden als Dossierung bezeichnet, vgl. dazu Fahlbusch, Topographie, S. 78 und S. 81. Zeit- und Geschieht- Beschreibung, Bd I, Buch 2, S. 40 f. Danach lag der Umfang bei 697 Ruten (= 3248 Meter). 106 Außer dieser Mauer existierten in der Stadt noch Reste eines älteren, aus dem 12.—14. Jahrhundert stammenden Befestigungswalles, der allerdings keinerlei militärische Funktion mehr hatte, dazu Reuther, Architektur; Fahlbusch, Topographie, S. 51—79; und Rüttgerodt-Riechmann, Stadt Göttingen, S. 23—26. 107 Von »30 Bollwerken« spricht Fahlbusch, Göttingen im Wandel, S. 23, während Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen, Bd II, S. 8, 23 Wachttürme erwähnt. 108 Reuther, Architektur, S. 567. Ein solcher Turm ist teilweise abgebildet bei Tecklenburg, Erinnerung, S. 689. Mit weiteren Abbildungen Rüttgerodt-Riechmann, Stadt Göttingen, S. 25, und Fahlbusch, Topographie, S. 79. 109 So mußte zum Beispiel der »in Verfall stehende« sogenannte Blaue Turm 1738 umfangreich erneuert werden; vgl. StAGö AA Militärsachen, Nr. 54. 110 Dazu der Akteneintrag vom 6. April 1736; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5 und die Meldung des Kom-
104
II.
Festung Göttingen: Funktion und architektonisches Konzept
189
Die Wallkrone war an ihrem äußeren Rand von einer Brustwehr umgeben, die im Verteidigungsfall Schutz bot und den Weg über den Wall deckte. Die Brustwehr bestand aus Palisaden und einem kleinen Erdwall. In bestimmten Abständen befanden sich Schießscharten in der Brüstung, die ein Abfeuern der Gewehre oder Kanonen ermöglichen sollten. An vielen Stellen waren außerdem Sturmpfähle angebracht; dies waren kurze und gespitzte Pfähle, die unterhalb der Brustwehr horizontal aus dem Wall herausragten. Außerhalb des Walles befand sich das sogenannte Glacis, eine abgeflachte wenige Meter breite Erdaufschüttung111. Daran schloß sich ein annähernd ein bis drei Meter tiefer112 und stellenweise bis zu dreißig Meter breiter Graben an113. Da mit einem System von Schleusen und Steindämmen (»Bären«) bei einem Niveauunterschied zwischen höchster und niedrigster Stelle von dreizehn Metern ein Abfließen des Wassers verhindert werden mußte, bestand der Graben eigentlich aus einer Kette von Teichen114. Die stadtabgewandten Grabenböschungen, die sogenannten Contrescarpen, waren durch
kleinere Erdwälle und Palisadenzäune gesichert und bildeten die äußere Verteidigungslinie. An manchen Stellen wurden auch Dornenhecken gepflanzt115. Ein gedeckter Weg verband die Contrescarpen mit den einzelnen Außenwerken. An ungeschützten Winkeln der Stadtmauer und schwer zu verteidigenden Abschnitten waren Außenwerke angelegt worden, die pfeilartig aus dem Wall herausragten. Je nach Größe und Bauart wurden diese Werke Schanzen, Lunetten oder Ravelins genannt. Es gab insgesamt neun größere Außenwerke: die beiden Lunetten am Leineein- und ausfluß; vier Ravelins vor den Stadttoren; drei Schanzen, davon zwei im Nordosten (die Kalte-Herberge-Schanze und die Feuerschanze) und eine im Südosten (die Bleicherschanze)116. —
—
—
missariatsbeamten Brauns vom 14. Oktober 1723; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6. Fünf als Pulvermagazin genutzte Türme waren an die Kriegskanzlei abgetreten worden, die die Gebäude 1735 zusätzlich mit Lattenzäunen versehen ließ, vgl. Schreiben vom 5. Januar 1735; StAGö Gehei-
mer Rat, Bausachen, Nr. 155. Das Glacis ging in die innere Grabenböschung, die sogenannte Escarpe über. Die Stadt bezeichnete den Raum zwischen Mauer und Graben als »Zwinger«. Die Wassertiefe sollte drei Fuß (= 0,87 cm) betragen; Schreiben der Räte an den Stadtrat vom 5. Juni 1733; StAGö AA Deposita, Nr. 23. Der Graben hatte zwischen Albaner und Groner Tor eine Breite von etwa sieben Ruten (= 32,60 Meter); Plan Overheide »Von einem Theil der Fortification zu Göttingen«; NHStA Hannover, 22d, Göttingen 30 pm. Am Groner Tor war der Graben annähernd 60 Fuß (= 17,40 Meter) breit; Plan von Henrich Gabriel Thon »Dessin zu einer neuen Brücke im Grüner Thor« (siehe Abbildung 4); ebd., Hann. 47 TV 9, Nr. 8,f. 117. Rüttgerodt-Riechmann, Stadt Göttingen, S. 26 und Reuther, Architektur, S. 567. Einer dieser Teiche ist der noch heute vorhandene Schwanenteich. In der Zeit- und Geschicht-Beschreibung, Bd I, Buch 2, S. 39 f., sind acht Teiche namentlich benannt. Vor allem an den Ravelins befanden sich solche Dornenhecken, dazu Schreiben des Kommandanten von Druchtleben an die Kriegskanzlei vom 26. Juni 1738; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9,
Nr. 10.
Vgl. hierzu auch Zeit- und Geschicht-Beschreibung, Bdl, Buch 2, S. 38 f. Siehe auch unten Abbildung 1, S..
Vierter Teil:
190
Festung und
Garnison
Diese Vorwerke waren außerordentlich groß, allein die an den Ravelins zwischen 1700 und 1704 vorgenommenen Vergrößerungen erstreckten sich auf ein Gebiet von mehr als vier Hektar117. Im Jahre 1734 umfaßte das von der Festung umschlossene Gebiet eine Gesamtfläche von mehr als 80 Hektar118. Die Außenwerke bestanden aus einer Kombination von Erdaufwürfen und Palisaden, Gräben, seitlichen Wällen, einzelnen gedeckten Gängen oder Kasematten und geschützten Sammelplätzen (Place d'armes). Über sogenannte Künetten waren die Gräben der Werke mit dem Hauptgraben verbunden. Einzelne Querwälle, die Traversen, schützten die Außenwerke vor seitlichen Angriffen. Zusammen mit den Contrescarpen bildeten die Brustwehren der Außenwerke die äußere Verteidigungslinie, die vom Hauptwall aus nur über die Zugbrücken und einzelnen Steindämme zu erreichen war. Die vier Ravelins vor den Stadttoren waren am aufwendigsten konstruiert. Jede der vier Ausfallstraßen Göttingens führte durch einen Tunnel unter Wall und Torturm119 am städtischen Torschreiberhaus und dem Wachhaus vorbei über die Zugbrücke120 des Stadtgrabens in das Ravelin, ehe die Straße schließlich seitwärts hinaus führte. Außer dem am Tage genutzten Wachhaus zu ebener Erde befand sich ein zweites, sogenanntes Nachtwachhaus oberhalb der Straße im Ravelin bzw. auf dem Wall121. Jede der vier Einfahrten war durch jeweils drei Torsperren gesichert122, die teilweise von Soldaten, teilweise von Stadtbeamten bedient wurden. In einigen Torravelins waren außerdem kleinere Funktionsbauten wie Brennholzschuppen oder Gewehrunterstände errichtet worden. Im Albaner Ravelin befanden sich zusätzlich Kommißbäckerei und Krankenstube. Die innerhalb der Stadt gelegenen Verwaltungsgebäude wie Kommandantenhaus, Zeughaus, Hauptwache und Proviantmagazin gehörten zur Infrastruktur der Garnison und ergänzten die Festungsbauten.
Besitzverhältnisse
Obwohl primär von der Garnison genutzt, gehörten Festungswerke und Verwaltungsgebäude nicht ausschließlich dem Militär. Stadtmauer, Wall und Graben bis zur Contrescarpe blieben auch weiterhin in städtischem Besitz123. Gleiches galt für alle auf und an dem Wall befindlichen Gebäude, wie Wachhäuser oder Türme, sowie für die gesamten Toranlagen mit Zugbrücken und Torsperren, soweit diese nicht baulich in die Ravelins integriert waren. An den vier Toren markierte die mittlere Sperre den Übergang vom 117
Fahlbusch, Topographie,
S. 86.
Geschicht-Beschreibung, Bd I, Buch 2, S. 40f.: 327 Morgen (= 81,75 Hektar), 6 Quadratruten (=130,6 m2) und 60 Quadratfuß (= 5,1 m2). 119 Siehe den Plan des Albaner Ravelins (Abbildung 2) und die Skizze des Albaner Tores (Abbildung 3). Vgl. außerdem die Abbildungen bei Reuther, Architektur, S. 568, und Fahlbusch, Topographie, S. 66f. 120 Eine solche Zugbrücke zeigt Abbildung 4. 121 Vermutlich befanden sich die vier oberen Wachhäuser in den Obergeschossen der Tortürme. 122 118
Zeit- und
Diese Tore wurden als
inneres, mittleres und äußeres Tor bezeichnet. Die Sperren bestanden
aus
Schlagbaum und hölzernen Torflügeln, die als Staketenzaun angefertigt waren. 123 Dies galt auch für die Steindämme und Schleusen im Graben, dazu der Brief des Kommissars Hahn an die Kriegskanzlei vom 7. September 1730; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 7.
II.
Festung Göttingen: Funktion und architektonisches Konzept
191
militärischen zum zivilen Bereich124. Die Stadt war außerdem Eigentümerin des Kommandantenhauses. Für die Nutzung des Zeughauses und des Getreidemagazins zahlte die Kriegskanzlei Miete an den Kalandsverwalter125. Die neue Hauptwache am Neuen Markt wurde 1735 auf Kosten der Stadt errichtet. Lediglich die Außenwerke waren als ein im 17. Jahrhundert »acquiriertes Eigentum«126 der Kriegskanzlei zugesprochen worden. Als für die baulichen Erweiterungen zwischen 1699 und 1715 weitere Flächen benötigt wurden, requirierte die Kanzlei die Gärten und Weiden der Bürger und zahlte den Vorbesitzern eine
Entschädigung127.
Die unterschiedlichen Besitzverhältnisse hatten zur Folge, daß die Instandhaltungskosten der Festung zum Teil von der Stadt, zum Teil von der Kriegskanzlei aufgewendet werden mußten. Doch obwohl die Stadt Reparaturen an Wall und Graben bezahlte, hatte sie nur ein sehr eingeschränktes Zugriffsrecht auf ihr Eigentum; Verfügungsgewalt und
Nutzungsrechte128
hatte der Kommandant.
Organisationsprobleme
und
Reparaturanfälligkeit
Instandhaltung der Fortifikationsbauten erforderte immense organisatorische, finanzielle und logistische Anstrengungen. Die hauptsächlich aus Holz und aufgeschütteter Erde bestehenden Festungswerke waren außerordentlich reparaturanfällig. Langanhaltende Regenfälle oder das klimatische Wechselspiel von Frost- und Tauwetter im Winter hatten eine verheerende Wirkung129. Nachlässige Bauausführung130 und nur bedingt brauchbares Baumaterial taten ein Übriges. Einzelne Erdrutsche zerstörten Teile der Brustwehr, immer wieder sackten die Grabenböschungen ab. Überdies begannen die aus billigem und begrenzt haltbarem Holz hergestellten Palisadenzäune bereits nach wenigen Jahren zu vermodern131. Die zur BefeDie
124
125
126
127 128
129
130
131
Dies geht aus einem am 11. April 1715 vom Bürgermeister an die Kriegskanzlei gerichteten Schreiben hervor; ebd., Nr. 4. Für das Getreidemagazin und den Lagerraum für das Festungsbauholz im alten Paulinerkloster wurden bis 1734 jährlich 18 Taler Pacht gezahlt, Brief Hahns an die Kriegskanzlei vom 30. November 1733; ebd., Nr. 8. Diese Bezeichnung gebrauchten die Bürger- und Gildevertreter in einer Eingabe an das Geheime Ratskollegium vom 30. Juni 1755; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Fahlbusch, Topographie, S. 86. Der Kommandant konnte jederzeit den Wall sperren und, wenn es nach seiner Ansicht die Lage erforderte, bauliche Veränderungen vornehmen lassen. Die Stadt mußte sich jedoch jedes Bauvorhaben an Mauer oder Wall vom Kommandanten genehmigen lassen. Ebenso durfte er die Teiche für eine Fischzucht nutzen; zudem durfte er die »Gräserey« auf Wall und Glacis für sich verwenden. So beklagte 1754 der Göttinger Student Johann Georg Bärens das »fette Erdreich«, das bereits »bey einem sehr mäßigen Regen [...] überaus schlimm« werden konnte; Bericht über Göttingen, S. 56. So beschwerte sich von Druchtleben am 17. Januar 1726 in einem Brief an die Kriegskanzlei, daß vor zehn Jahren die Arbeiten »sehr liederlich gemacht« worden seien; NHStA Hannover, Hann. 47 TV 9, Nr. 6. Am 18. März 1731 mußte Hahn neue Palisaden anfordern, »weilen die alten gantz abgefaulet« waren; ebd., Nr. 7.
192
Vierter Teil:
Festung und
Garnison
stigung der aufgeschütteten Erde verwendeten Grassoden wurden nicht bewässert und konnten deshalb nicht anwachsen, trockneten aus und rutschten ab oder verdarben. Ein besonderes Problem stellte die Verlandung des Stadtgrabens dar, der nach einiger Zeit »von Schilff gantz zugewachsen« war132. Während längerer Trockenperioden war ein
Austrocknen des Grabens überdies nicht zu verhindern. Nicht nur der Zustand der Außenwerke, des Walles und des Grabens litt unter den Einwirkungen der Witterung. Die teilweise noch aus dem Dreißigjährigen Krieg stammenden hölzernen Wachhäuser an den Toren und auf dem Wall sackten allmählich »tieff in die Erde« ein und waren stark einsturzgefährdet133. Die Verantwortlichen waren nicht in der Lage, die anfallenden Probleme zufriedenstellend zu lösen. Dies lag zunächst an den technischen Unzulänglichkeiten: Mit Spaten und Schaufeln ließ sich immer nur ein Teil der nötigen Reparaturen ausführen. Der Einsatz neuer Techniken, etwa der sogenannten Schlammkästen oder »Mudder-Machinen«, führte lediglich zu spärlichen Erfolgen134. Größere Probleme ergaben sich allerdings auch aufgrund der vielfachen organisatorischen Schwierigkeiten. Um die Beschaffung des Baumaterials sicherzustellen, verfiel man zunächst darauf, die Lieferung von Holz, Erde und Grassoden den Ämtern und Gerichten im Rahmen der Landfolge abzufordern135. Dies funktionierte jedoch im Laufe der 1720er Jahre immer seltener, zumal die Forderungen nach Soden jahrelang gleich hoch blieben136 und die Ämter sich bald mit dem Hinweis weigerten, sie hätten nicht mehr ausreichend Wiesenflächen zur Verfügung137. Am 27. Februar 1737 räumte auch die Kriegskanzlei ein, daß das häufige und massenhafte Sodenstechen für die Besitzer und Pächter von Wiesen »sehr lästig« sei, und versprach, in Zukunft nur noch in dringenden Fällen Soden anzufordern138. 132 133
134
135
136
137
138
Mitteilung an den Stadtrat vom 28. Juni 1751; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. In einer Mitteilung der Geheimen Räte an den Stadtrat vom 20. Juli 1735; StAGö AA Militärsachen, Nr. 53. Da die Wachhäuser zum Teil über dem Graben hingen, war die Absturzgefahr entsprechend groß: Schreiben des Kommandanten von Block an die Kriegsräte vom 27. März 1755;
NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 14. Schreiben vom 1. Juni und 3. August 1728 (StAGö AA Deposita, Nr. 23) sowie vom 22. Juni 1739 (NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 11). Ebenso brachte die Verwendung anderer Baumaterialien, etwa die sogenannte Plackerde oder die Anpflanzung von Hecken kaum Besserung. Vgl. den Bericht vom 27. Februar 1740; ebd., und das Schreiben vom 23. April 1729 und 9. Mai 1729 (ebd., Nr. 6) sowie vom 27. Februar 1737 (ebd., Nr. 10). Ein Beispiel ist die an die umliegenden Dörfer und Amter ergangene Aufforderung der Geheimen Ratskanzlei vom 4. Juni 1726, Soden und Palisaden zu liefern und auch den Transport zu übernehmen, NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6. 1726 wurden zum Beispiel 59400 Soden übernommen, 1729 48000, 1733 35000 und 1737 50000 Soden benötigt; Schreiben vom 30. Dezember 1726 und 25. Juni 1729, ebd., sowie vom 15. Februar 1733 (ebd., Nr. 8) und vom 10. Mai 1737 (ebd., Nr. 10). Daß die Beschaffung von Soden immer schwieriger wurde, wird in einem Ausschreiben vom März 1727 deutlich; ebd., Nr. 6. Auch in einem Schreiben vom 16. Mai 1729 beklagten die Verantwortlichen in Göttingen, daß kaum noch in ausreichender Menge Soden zur Verfügung gestellt würden; ebd. Schreiben an den Kommandanten von Druchtleben und Kommissar Hahn; ebd., Nr. 10. Bereits am 26. April 1730 hatte die Kriegskanzlei verfügt, wegen der problematischen Sodenbeschaffung
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Vgl. dazu die »Specifikation der in der Bürgerschaft befindlichen Gewehre« vom 12. September 1741; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 55. Ähnlich war die Situation in Einbeck, wo die unbrauchbaren Kanonen verkauft wurden, vgl. StA Einbeck I.D.H.a., Nr. 2. 158 In einem an die Kriegskanzlei gerichteten Schreiben vom 22. Mai 1755 bat der Magistrat, auf die Verwendung von Bürgern zu verzichten, da »es unförmlich aussehen würde, wenn, zumahl alte Bürger, mit den Soldaten täglich ins Gewehr träten, wodurch besonders den Studenten zu allerhand Spöthereyen Anlaß gegeben werden«; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. 159 Eichberg, Ordnen, S. 350. 160 Eine Ausnahme blieben freilich die Reichsstädte, die ihre Befestigungen in eigener Regie verbesserten. Die Stadtgeschichtsforschung interpretiert die »gegen das Bürgerinteresse« gerichteten fürstlichen Baumaßnahmen zu Recht als Eingriff in die städtischen Freiheiten, vgl. Stoob, Stadtbefestigung, S. 47; oder Ennen, Festungsstadt, S. 24. 161 Von dieser Ausgrenzung waren vor allem arme und mittellose Personen betroffen, die oft pauschal als Diebe oder Mitglieder einer der vagierenden Räuberbanden verdächtigt wurden. Am 18. Januar 1723 verlangte der Kommandant, Oberst von Druchtleben, mit dem Hinweis auf »continuirliche Diebstähle in denen Gartens« die Verlegung weiterer Palisadenzäune. NHStA Hannover, Hann. 47 157
162
163
164
165
IV 9, Nr. 6. Kommandant von Block in einer an den Stadtrat gerichteten »Gegenvorstellung« vom 21. Februar 1752; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Vgl. dazu den Brief vom 18. März 1731; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 7. Dazu auch der Kommissionsbericht des Artilleriemajors Brückmann vom 7. April 1715; ebd., Nr. 4. Wörtlich heißt es: Damit »nicht so gleich jemand ihnen einlauffen könne«. Schreiben der Kriegsräte an Kommandant von Druchtleben vom 14. Februar 1723; ebd., Nr. 6. Natürlich galt es auch, Artilleriepark, Zeughaus und Getreidemagazin zu schützen. Dazu die Weisung der Geheimen Räte vom 9. Januar 1719; StAGö AA Militärsachen, Komman-
dant,
Nr. 7.
II.
Festung Göttingen: Funktion und architektonisches Konzept
197
Zudem versprach sich die Obrigkeit von der bestehenden Umwallung der Stadt eine Optimierung der Lizenteinnahme einer landesherrlichen Verbrauchssteuer auf bestimmte Waren und Güter —, da der Warenfluß nur durch die vier Tore in die Stadt erfolgen konnte166. An den Wachhäusern hielten sich Steuerbeamte auf, die nach Taxierung der Güter den entsprechenden Lizent erhoben. Nach Entrichtung der Steuerschuld erhielt der Importeur oder Fuhrunternehmer eine Quittung, die er beim Weiterverkauf in der Stadt dem Marktmeister zeigen mußte. Um »den Unterschleiff beym Licent zu verhüten« und die steuerliche Integrität Göttingens und damit die Wirksamkeit der Zollkontrollen aufrechtzuerhalten, drängten die Verantwortlichen darauf, die Zäune und Gräben intakt zu halten167. Schließlich verband die Obrigkeit mit der Festung die Absicht, die darin stationierten Soldaten einzugrenzen und zu disziplinieren168. Wall, Graben und Palisadenzäune sollten die Männer daran hindern, die Stadt unerlaubt zu verlassen und zu desertieren169. So drang der Festungsbauingenieur Overheide 1740 im Auftrag des Kommandanten beim Magistrat darauf, einen defekten Bretterzaun zu reparieren, da »solches Gelegenheit zur Desertion gebe«170. Bereits 1723 beantragte Kommandant von Druchtleben die Verstärkung der Toranlagen und Zäune mit der Begründung, daß sonst »die Gelegenheit, deß Nachts auß der Stadt [...] zu kommen, im geringsten nicht gehemmet« werde171. Nicht nur die Soldaten, auch die zivile Einwohnerschaft Göttingens konnte (und sollte) sich dem Einfluß von Festung (und Garnison) nicht entziehen172. Ein nach Göttingen kommender Reisender mußte zunächst das äußere Tor der Verteidigungslinie passieren, um dann durch das Ravelin vorbei an hohen Wällen, Mauern und Zäunen und patrouillierenden Wachposten zum mittleren Tor zu kommen. Hier angelangt, wurde er nochmals von Soldaten angehalten, die nicht nur seinen Paß, sondern auch das Gepäck kontrollierten und nach Ziel und Zweck der Reise sowie nach der Dauer —
Auf dem Lande oder in den unbefestigten Kleinstädten war die Erhebung des Lizents mit größeren Schwierigkeiten und organisatorischen Problemen verbunden. Vermutlich kontrollierten die Steuerbeamten vor Ort die lokalen Märkte. Schreiben der Kriegsräte an Kommandant von Druchtleben vom 14. Februar 1723; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6. Niemand sollte sich »einschleichen« können und »Licentdefraudationen« begehen dürfen. Bereits am 5. August 1713 forderte der Kommissar Friedrich Julius Schrader in einem Schreiben an die Kriegsräte den Bau zusätzlicher Staketenzäunen, um die »Licent-Defraudation« zu verhindern; ebd., Nr. 3. Am Beispiel der Festung Stade hat Eichberg, Zentralmacht und Sozialgeometrie, S. 528, deutlich machen können, daß die Fortifikation (neben ausgeklügelten Exerzierreglements, detaillierten Militärdienst- und Justizordnungen, einem abgestuften Rangsystem und dem Prinzip von Befehl und Gehorsam sowie der Uniformierung der Männer) zu einem entscheidenden »Disziplinierungsmuster« geriet, mit dem die »soziale Rationalisierung« der Soldaten versucht wurde. Eichberg ist der Ansicht, daß die Desertionsverhinderung »eine der wichtigsten Funktionen der
Festung war«; ebd.,
S. 485.
13. September 1740; StAGö AA Militärsachen, Nr. 53. Schreiben Kommandant von Druchtlebens vom 18. Februar 1723 an die Kriegsräte; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6. Dazu auch Eichberg, Zentralmacht und Sozialgeometrie, S. 525, der die Aufgabe der Festung unter anderem als »Abriegelung nach innen« bezeichnet.
Actum
Göttingen vom
198
Vierter Teil:
Festung und
Garnison
geplanten Aufenthaltes in der Stadt fragten. Schließlich erreichte er über die Zugbrücke das innere, das städtische Tor. Nach einer letzten Kontrolle, die ein weiteres Mal die Durchsicht seines Gepäcks einschloß, durfte die Person schließlich den Festungsbereich verlassen und in die Stadt gehen. Der Durchgangsverkehr war zudem nicht in das Belieben der Bürger oder Reisenden gestellt, sondern zeitlich stark eingeschränkt und auf bestimmte Öffnungszeiten terminiert. Nach Einbruch der Dämmerung wurden zwei Tore geschlossen, die anderen zwei lediglich mit einem Schlagbaum »gesperret«173. Durch diese Sperrtore durfte die Bevölkerung noch 2—3 Stunden nach Sonnenuntergang gegen Entrichtung eines bestimmten Geldbetrages passieren174. Anschläge an seines
den Wachhäusern, Kirchen und am Rathaus informierten die Einwohner über die Gebührensätze und die jeweiligen Sperrstunden, die je nach Jahreszeit wechselten. Mit großem Verwaltungsaufwand wurde der Personenverkehr kontrolliert. Erreichte jemand das äußere Tor, wurde er vom Posten angehalten, der nach einer Visitierung das Sperrgeld gemäß der Gebührenordnung kassierte. Als Quittung erhielt der Reisende »blecherne Zeichen«, die er im Wachhaus vorzeigen und wieder abgeben mußte. Nachdem der wachhabende Unteroffizier Datum, Name des Reisenden und die Art des Fortbewegungsmittels (das die Höhe des Geldbetrages bestimmte) notiert hatte, durfte dieser schließlich die inneren Tore passieren und die Stadt betreten. Spätestens abends, nach endgültiger Schließung der Tore, wurde die Stadt für ihre Bewohner zum »Gefängnis«. Ohne triftigen Grund durfte niemand mehr den Ort verlassen; ein Betreten der Toranlagen oder des Walles nach Einbruch der Dämmerung war verboten. Es ist bezeichnend, daß selbst einzelne Festungsbaugefangene sich in gewissem Maße innerhalb des Festungsrings frei bewegen durften; die Garnisonsleitung wußte sie trotzdem in sicherem Gewahrsam175. Die
Festung als
Instrument der
Sozialdisziplinierung
geworden, daß die Festungswerke nicht nur militärisch-strategische und nach »außen« gerichtete bzw. staatspolitische Funktionen hatten, sondern vor allem nach »innen« gelenkte, soziale (und fiskalische) Wirkungen erzielen sollten: Die Bewohner sollten diszipliniert werden. Dieses obrigkeitliche Bemühen um Ordnung und Diziplin hat Gerhard Oestreich mit dem Begriff der Sozialdisziplinierung umschrieben. Oestreich verstand darunter einen Prozeß, der von »oben« ausgehend sich zu einer Fundamentaldisziplinierung ausweitete, die massiv in das soziale und wirtschaftliche Leben der Bevölkerung eingriff und »Haltung und Handlung auch des einfachen Untertanen« reglementierte und vereinheitlichte176. Als obrigkeitliches Instrumentarium zur RegleEs ist deutlich
—
—
Verordnung König Georgs II. »Die Einführung und Veranstaltung des Einlasses zu Göttingen betreffend« vom 16. Mai 1738; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 9, f. 24 f. 174 Sonntags und zur Erntezeit gab es Sonderregelungen. 175 So durfte zum Beispiel der inhaftierte Radmacher Harm Eilers im Januar 1755 ungehindert durch Göttingens Gassen gehen, sich eine Kleinsäge leihen oder Bier und Branntwein kaufen; StAGö AA Abgaben, Licent, Nr. 25., Actum Göttingen vom 21. Februar 1755. 176 Oestreich, Strukturprobleme, S. 179—197. Ergänzend auch Schulze, Gerhard Oestreichs Begriff. 173
Siehe dazu die
II.
Festung Göttingen: Funktion und architektonisches Konzept
199
mentierung der Bevölkerung eingesetzt, lassen sich die Festungswerke in die Reihe jener Disziplinierungstechniken einreihen, »mit deren Hilfe abweichendes Verhalten schon in der Wurzel ausgerottet«177 werden sollte. Neben Kirchen- und Eheordnungen, Erziehungsanweisungen, der Aufrichtung von »Policey und guter Ordnung« und den alle Bereiche des wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens umfassenden und regulierenden Mandaten, Reskripten und Gesetzen, erfuhren die obrigkeitlichen Einwirkungsmöglichkeiten durch den gezielten »Einsatz« von Festungsbauten eine neue, architektonische
Dimension. Gerade in jüngster Zeit wurde von der Forschung teilweise berechtigte Kritik am Sozialdisziplinierungskonzept selbst178 sowie an der Anwendung des Konzeptes auf historische Sachverhalte geäußert179. Ein besonderes Problem ist, daß in vielen Studien lediglich normative Quellen, also zum Beispiel Gesetzestexte oder Armenordnungen, ausgewertet werden, ohne daß ihre Wirksamkeit auf tatsächliche Verhältnisse untersucht werden. Vielmehr werden solche Quellen dann als reale Wirklichkeit interpretiert und Wirkung sowie Reichweite obrigkeitlichen Dominanzstrebens überschätzt180. Im Falle der Festung Göttingen sind Nachrichten von defekten Mauern oder zugewachsenen Gräben und Meldungen über Desertionen oder über Lizentschmuggel Indizien für die baubedingte Nichtfunktionalität der Anlage, die die Durchsetzbarkeit obrigkeitlichen Disziplinierungsstrebens einschränkte.
Funktionaler Wert und Realzustand der
Festung
Der verteidigungstechnische Zustand der Festung Göttingen ließ stark zu wünschen übrig und war unzureichend. Weder wurde in der Nähe von Göttingen eine reine und besser zu verteidigende Festung ohne zivile Ansiedlung wie etwa Ehrenbreitstein (bei Koblenz), Rheinfels (bei St. Goar) oder Hohenasperg (bei Asperg) gebaut181, noch wurden im Zuge einer Generalerneuerung überholte mittelalterliche Wehrbauten abgetragen und neuzeitliche Mauern oder Bastionen errichtet182. Schließlich wurde die Festung nicht mit umfangreichen Bastionsbauten und Bollwerken sowie gemauerten Ravelins ausgerüstet, die dem technischen Stand der Zeit entsprachen183. Selbst innerhalb des Kurfürstentums Hannover waren die Festungen bzw. Festungsstädte Hameln, Stade und Ratzeburg ungleich stärker armiert und befestigt184. 7 8
Breuer, Sozialdisziplinierung, S. 62.
So etwa zur zeitlichen Einteilung der Sozialdisziplinierungg und der Vorform der rung Buchholz, Anfänge der Sozialdisziplinierung, bes. Anm. 1.
Sozialregulie-
Dinges, Frühneuzeitliche Armenfürsorge. Dabei belegen ständige Wiederholungen bestimmter Verordnungen doch schon deren Nichteinhaltung seitens der zu Disziplinierenden. 1 Herrmann, Entstehung von Festungsstädten, S. 12. 2 9 0
3
4
Wie bei der Neugründung Neuf Brisach [Neu Breisach], Elsaß oder in Ratzeburg. Zu Neuf Brisach vgl. Brockhoff, Geschichte, S. 222—228, und zu Ratzeburg Krüger, Militär und Stadt. Etwa die Festungen Rastatt oder Philippsburg, vgl. die zahlreichen Festungspläne und Modelle von Festungsstädten, die in den Katalogen Festungswesen, angegeben sind. Dazu allgemein für Norddeutschland Menne, Festungen; speziell zu Stade Eichberg, Zentralmacht und Sozialgeometrie, S. 519—525 und zu Ratzeburg, Krüger, Militär und Stadt.
200
Vierter Teil:
Festung und
Garnison
Göttingen hatte keine gemauerten Außenwerke oder Bastionen, die Süd- und Westseite der Stadt waren sogar nahezu völlig ohne vorgelagerte Festungswerke. Die teilweise hohen
Stadtbauten boten feindlicher Artillerie ein leichtes Ziel, deren Geschosse von dem flachen Wall kaum aufgehalten werden konnten. Darüber hinaus waren Wallring und Ravelins viel zu groß und weiträumig und die Besatzung viel zu schwach, um einem geschlossenen Angriff standzuhalten. Nach zeitgenössischen Berechnungen185 hätte Göttingen im Frieden etwa 4500 Soldaten, im Belagerungsfall sogar 13500 Verteidiger benötigt. In Wirklichkeit waren mit durchschnittlich 660 Soldaten gerade 15 Prozent der erforderlichen Friedensstärke vorhanden. Auch die Armierung erreichte nicht den geforderten Standard186. So überrascht es keineswegs, daß Göttingen im Siebenjährigen Krieg insgesamt fünfmal ohne größere Verzögerung oder nennenswerte Gegenwehr der jeweiligen Verteidiger erobert werden konnte187. Insofern war es nur konsequent, daß 1762 mit der »Demolition« der Festungswerke begonnen wurde188. Die unzureichende Ausstattung und Armierung der Festung ist erstaunlich und mit Geldmangel allein nicht zu erklären. Es besteht vielmehr der Verdacht, daß die Hauptaufgabe der Fortifikationen weniger in der Abwehr feindlicher Truppenverbände bestand, sondern vor allem in der sozialdisziplinierenden Wirkung nach >innenoffiziellem< Eintritt in die Stadt noch schmuggeln konnten. Schließlich beteiligten sich die Soldaten selbst an den »Licentdefraudationen«, die ihnen aufgrund der Kenntnis der Festungswerke besonders leicht fielen200. Damit wird deutlich, daß sich die obrigkeitlichen Zielsetzungen wenn überhaupt nur zum Teil durchsetzen ließen. Die Fortifikationen erwiesen sich in bestimmten Bereichen nur bedingt als geeignet, disziplinierend und reglementierend Leben und Alltag der Menschen zu bestimmen. Es überrascht, daß für die begrenzte Reichweite des obrigkeitlichen Ordnungsstrebens nicht nur die üblichen technischen, materiellen und finanziellen Unzulänglichkeiten der Zeit verantwortlich waren, sondern auch und besonders —
—
Pro Memoria des Bauratsherrn Campe vom 14. Februar 1752; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Actum Göttingen vom 22. Januar 1749. Kommandant von Druchtleben hatte sich beschwert, daß der Fischmeister mitunter tagelang, auch nachts, eine Leiter am Wall stehen lasse; ebd. Am 1. Februar 1755 entdeckten vier Steuerbeamte »eine kleine Treppe« am Badehaus in der Nähe des Albaner Tores sowie eine »Passage«, die über den Graben führte; Bericht vom 6. Februar, StAGö AA Abgaben, Licent, Nr. 25. Zwischen 1748 und 1756 desertierten 56 Soldaten. Zur Desertion vgl. S. 49—56 und S. 86—88. Am 6. Mai 1749 konnten wegen des trockenen Grabens drei Gefangene fliehen; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Es scheint sich bei dem Steuerbetrug um ein Delikt zu handeln, daß von allen Bevölkerungsschichten begangen wurde. Im Stadtarchiv Göttingen befinden sich mehrere Faszikel, in denen Hunderte von Fällen von »Licentdefraudationen« dokumentiert sind. Es ist bezeichnend, daß das Geheime Ratskollegium den Stadtmagistrat zur Aushebung des Grabens mit der Begründung aufforderte, daß sonst den neu angeworbenen Rekruten zum Desertieren »Anlaß und Gelegenheit« gegeben werde; das Schreiben datiert vom 3. Dezember 1703; StAGö AA
Bauwesen, Nr. 258. Aus einem Bericht von vier Lizentbeamten vom 6. Februar 1755; StAGö AA Abgaben, Licent, Nr. 25. In einem Schreiben an den Kommandanten von Block vom 1. Dezember 1749 monierte die Kriegskanzlei, daß die Soldaten »nicht nur vor ihre Persohn selbst defraudieren, sondern auch ihre Wirte durchhelfen, auch die Visitation nicht gestalten wollen« würden; StAGö AA Deposita, Nr. 23.
202
Vierter Teil:
Festung und
Garnison
die starre Haltung des Magistrats, die mit dem Bild von der Stadt als lediglich weisungsempfangende Kommune nur bedingt vereinbar ist. Wie im fünften Teil, Kap. VII, zu zeigen sein wird, hemmten gerade die rivalisierenden Obrigkeiten vor Ort (also Magistrat und Kommandantur) immer wieder Maßnahmen der landesherrlichen Regierung. Zugleich wurde ebenfalls deutlich, daß die zu Disziplinierenden Anordnungen und Weisungen ihrer Obrigkeiten immer wieder unterliefen und neue Mentalitäten entwickelten, die die Zielsetzungen des Staates sabotierten. Gerade die verbotene Zusammenarbeit von Soldat und Bürger war Ausgangspunkt für gemeinschaftlichen Steuerschmuggel oder andere verbotene Aktivitäten201.
1
Vgl.
dazu den Fünften Teil, insbesondere die
Kapitel
IV und VI.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Im
folgenden werden die sozialen, wirtschaftlichen, fiskalischen und organisatorischen
Konsequenzen, die aus der Koexistenz von Garnison und Stadt für die zivilen Einwohner wie für die Soldaten entstanden, in den Vordergrund gerückt. Ein besonderes Augen-
merk gilt zudem der administrativen Kommunikationsstruktur und den besonderen Beziehungen von Kommandantur und Magistrat. Wie im vierten Teil deutlich wurde, war es eine der beabsichtigten Funktionen von Garnison und Festung, die Stadt in den absolutistischen Untertanenverband einzugliedern und ihre Bewohner zu disziplinieren. Erfaßt wurden vornehmlich langfristige verfassungsrechtliche Veränderungen auf institutioneller Ebene, die vor allem die landesherrliche Perspektive berücksichtigen. Bislang ausgeblendet blieben die sozioökonomischen Folgen auf individueller Ebene aus dem Blickwinkel der Untertanen. I. Das
System der Einquartierung
Die Unterbringung der Soldaten in den Häusern und Wohnungen der Bürger stellte den engsten und intimsten Berührungspunkt zwischen Bürgern und Soldaten dar1. Zugleich hatte die Einquartierung wesentliche sozioökonomische Folgen. Die Nutzung einer gemeinsamen Wohnung konnte Ausgangspunkt ebenso für sozialen Unfrieden wie für Integration der Soldaten sein. Schließlich stellte die Gewährung freier Unterkünfte für den Bürger als Individuum wie für die Stadt als Korporation eine starke finanzielle Belastung dar. Zunächst rückt die Beschreibung des Einquartierungssystems in den Vordergrund. Beleuchtet werden besondere Schwachstellen und Problembereiche ebenso wie Abwehrmechanismen und Gegenstrategien der Bürger oder Verhaltensweisen der Soldaten. A. Die
Einquartierung bis
1713
Die Wurzeln des im 18. Jahrhundert insgesamt erstaunlich gut funktionierenden Einquartierungssystems liegen im Dreißigjährigen Krieg, in dem Göttingen zunächst von feindlichen ligistischen Truppen, dann von »befreundeten« lutherischen und reformierten Regimentern besetzt wurde2. In dieser Zeit mußten die Soldaten von den Einwoh1
2
Einige wenige Informationen zur Unterbringung von Soldaten bieten Dethlefs, Münster; Müller, Karlsruhe, und Kotsch, Potsdam, sowie ders., Holländerviertel. Kühn, Göttingen im Dreißigjährigen Krieg, S. 655f. Von 1626 bis 1632 waren Truppen Tillys in der Stadt, 1632 Söldner des Herzogs Bernhard von Weimar, 1633 hessische Regimenter und von 1634 bis 1641 Truppen des Niedersächsischen Kreises.
204
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
verpflegt und untergebracht werden. Als eine Art »Einziehungsbehörde« nahm das eingerichtete Billet-3 oder Kontributionsamt die interne Erhebung der von der Stadt als Korporation abgeforderten Steuern vor4. Die Unterbringungsleistungen wurden von den Offizieren »meist nach Willkür und Machtgefühl« festgesetzt und schlössen Erpressung, Raub oder Plünderung nicht aus5. Außer den Geldern für Unterbringung und Verpflegung der Soldaten mußten die Bürger hohe Summen in Form einer allgemeinen Kriegssteuer zahlen, die Kontribution6. Die ursprünglich kriegsbedingten und zeitlich terminierten Abgaben, also Unterbringungsleistung und Kontribution, blieben im Grundsatz jedoch auch nach Abzug der fremden Truppen 1632 und nern
im Winter 1626/27
dem Friedensschluß von 1641/42 bzw. 1648 bestehen, da der Landesherr das einmal eingeführte Steuersystem zum Ausgangspunkt eigener Abgabeveranlagungen machte und die Kontribution »zu einer ständigen Steuerleistung der Stadt zum Zwecke von Erhaltung und Ausbau« des Heeres umgestaltete7. Die Kontribution wurde monatlich nach einem Umlagesystem erhoben8 und vermutlich mehr oder weniger direkt einem Kommissar bzw. den Soldaten gezahlt, die von dem Geld verpflegt wurden und wohl auch den Sold empfingen. »Meist in Anlehnung an den Kontributionsbedarf berechnet und als Zuschläge« abgefordert, mußten zudem bestimmte Beträge als Einquartierungsleistung gezahlt werden. Zwischen diesen Steuern gab es jedoch bis 1668/1672 (und noch darüber hinaus) »ein fast undurchdringliches Durcheinander«9. In Göttingen hielt das »Durcheinander« der Einquartierung trotz einiger einschneidender Veränderungen bis zur grundsätzlichen Reform des Stadtregiments im Jahre 1690 an. Es existierten zunächst keine eindeutigen Erhebungskriterien, es gab keine Trennung der Steuerverfahren, städtische und landesherrliche Abgaben wurden nicht voneinander abgegrenzt. Zudem waren zahlreiche Häuser in unzulässiger Weise von den Steuern »bisher verschont geblieben«. Der allgemeine Zustand der öffentlichen Verwaltung gewährleistete weder eine »saubere Finanzverwaltung« noch »eine gerechte Verteilung der Steuerlast«10. In der zweiten Hälfte der 1660er Jahre, nach der drastischen Erhöhung der landesherrlichen Abgaben, häuften sich zahlreiche Beschwerden der Bürger und Gilden11. Zumindest für den unzureichend ausgebildeten Zustand der städtischen Einquartierungsverwaltung gab es zwei sich einander bedingende Ursachen. Zum einen war der Regulierungsbedarf seitens des Magistrats bzw. des Billetamtes anfangs relativ gering gewesen, stammt von den Quartierzetteln und Steuerbelegen (=Billets), die den Bürgern bzw. den gegeben wurden. 4 Eysel, Steuerverfassung, S. 203; vgl. Mohnhaupt, Göttinger Ratsverfassung, S. 73. 5 Diese beklagte Verfahrensweise bezog sich vor allem auf die Besetzung durch kaiserliche Truppen, dazu Eysel, Steuerverfassung, S. 189. 6 Unter Tilly wurde 1626 ein »Sühnevertrag« geschlossen, der eine Kontributionszahlung von 523 000 3
Der Name
Soldaten
7
8 9
10 11
Talern vorsah, ebd. Ebd., S. 190. Zu Umlagesystem und
Erhebungsmodus vgl. Winnige, Krise und Aufschwung, Kap. III. 1. Eysel, Steuerverfassung, S. 192 f. Ebd., S.222f. Ebd., S. 224; Mohnhaupt, Göttinger Ratsverfassung, S. 87 f.
I. Das
System der Einquartierung
205
da die Stärke der einquartierten Soldaten einerseits im Vergleich zum 18. Jahrhundert gering blieb und andererseits aufgrund des großen Bevölkerungsrückganges seit Ende des 16. Jahrhunderts ausreichend viele Häuser leer standen, in denen die Soldaten problemlos untergebracht werden konnten, von kurzfristigen Unterbringungen größerer Truppenverbände abgesehen. Zum anderen war das »Durcheinander« in Göttingen nur Spiegelbild (und Folge) der unklaren Situation in Hannover. Die Zahl der Soldaten blieb bis 1670 landesweit gering; zwischen 1670 und 1690 stieg sie zwar tendenziell an, schwankte aber je nach außenpolitischer Konstellation und Subsidienzahlung stark. Die Heeresverwaltung war bis 1665/1670 wenig ausgebaut, es existierten kaum Verordnungen oder Regularien, und auch die Einquartierungsmodalitäten waren nicht eindeutig geregelt. Nach dem Regierungsantritt Johann Friedrichs änderte sich dies. Parallel zum massiven Aufbau landesherrlicher Truppen wurde die Verwaltung intensiviert, die mit immer detaillierteren Gesetzen und Verordnungen auch die Unterbringung und Verpflegung der Soldaten nach einheitlichen und landesweit gültigen Kriterien regelte. Im Jahre 1668 bzw. 1672 wurde die Einquartierung mit einer neuen allgemeinen Landessteuer, dem Servis, in Absprache mit den Ständen neu geordnet. Obwohl als eigenständige Abgabe nun definitorisch deutlich von der Kontribution gelöst, wurde der Servis bis 1676 bzw. 1686 noch im Rahmen und nach dem Fuß der Kontribution bezahlt. Das Servisreglement vom 3. August 1672 legte die Höhe der Steuerbeträge der Einwohner fest und bestimmte je nach »Charge und Condition« des Soldaten die Qualität seines Quartiers. Diese Bestimmungen wurden von obrigkeitlichen Eingriffen in die städtische Steuerverfassung begleitet. Klagen und Forderungen der Bürger aufgreifend, setzten landesherrliche Beamte eine neue Umlage auf der Basis eines Grundstückskatasters in Göttingen durch, das die Verfahrenstechnik bei der Erhebung der Kontribution und damit des Servis' auf eine neue Grundlage stellte. Fundament dieses neuen Verfahrens waren die sogenannten Collectentabellen, die nach langjährigen Verhandlungen 1676 eingeführt worden waren12. In den Collectentabellen wurden Haus- und Landbesitz der Bürger, aber auch Großviehbesitz und Gewerbe verzeichnet und mit einer Steuer, der Collecte, belegt. Einmal als jährliche Abgabequelle genutzt, diente die Collecte vor allem als Berechnungsgrundlage: Mußten andere Steuern erhoben werden, setzte der Magistrat je nach Höhe der erforderlichen Summe einen Multiplikator fest, mit dem die Collecte vervielfacht wurde13. Die Einführung der Collecte sollte nicht nur eine gerechtere Erhebung der landesherrlichen Kontribution garantieren, sondern zugleich die Zahlungsleistung der Bürger maximieren. Nachdem 1686 eine neue indirekte Landessteuer (der Konsumtionslizent) die Kontribution abgelöst hatte14, behielt die Collecte ihre Funktion als Berechnungsgrundlage bei und wurde seit 1690 hauptsächlich zur Veranlagung der Servissteuer ein-
gesetzt15. 12
13 14
15
Seit 1669 diskutiert, wurde die erste Collectentabelle 1676 erstellt, vgl. Eysel, Steuerverfassung, S. 223-227. Dieses Multiplikationsverfahren selbst war allerdings nicht neu. Vgl. Eysel, Steuerverfassung, S. 198—202. Zudem wurde die Collecte zur Bestimmung der Magazinkornabgabe benutzt und zur Berechnung anderer zeitlich terminierter Steuern (Neue Anlage) eingesetzt.
206
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Obwohl im Rezeß von 1690 Finanzwesen, Verwaltung, Steuererhebung und Verfassung der Stadt umfassend vom Landesherren umgestaltet wurden und auch Personal, Aufgabenverteilung und Struktur des Billetamtes neu organisiert wurden, belegen Beschwerden der Bürger, daß die Einquartierungspraxis immer noch zahlreiche Schwachstellen aufwies. In einer »Supplication« vom 8. Juni 1695 wurde beklagt, daß die Einquartierung unregelmäßig gehandhabt werde, und »etzliche wolvermögende, die eigene Brauhäuser und Länderey [besitzen ...] übersehen« worden seien. Zudem habe der Billetschreiber Lichten »die Einquartierung nicht nach dem Fuß der [alten] Contribution [festgelegt], sondern nach günsten eingetheilet«16. Ein anderes, die reibungslose Einquartierung erschwerendes Problem war, daß das Verhältnis zwischen Bürger und Soldat noch sehr ungeregelt und von vielen Spannungen und »Injurien« gekennzeichnet war. Es ist wohl charakteristisch für den frühen Umgangston, wenn der Fourier Voigt seinen Soldaten Rehbein auffordert, »wann der Wirth ihn nicht annehmen und verpflegen wolte, so solte er dem Wirth die Kammer aufschlagen, und sich darauff logiren und wan der Wirth solches nicht zugeben wolte, so solte er nur auf sein Befehl ihn den Degen zwischen die Ohren legen«17. Erst nach weiteren Verwaltungsanweisungen, peniblen Kontrollen der städtischen Rechnungsbücher, dem neuen Servisreglement von 1713, detaillierten Verhaltensmaßregeln für die Soldaten, »sich mit der Bürgerschaft friedl. zu betragen«18 und einer längeren Anpassungsphase erreichte der Einquartierungsmodus gegen Ende der 1710er Jahre einen Standard, der in Göttingen für viele Jahrzehnte die Unterbringung der Soldaten verglichen mit den Verhältnissen im 17. Jahrhundert fast problemlos regelte. Dies ist um so bemerkenswerter, da die Bedingungen in diesem Zeitraum hohe Anforderungen an die administrativen Fähigkeiten des Billetpersonals stellte: Zum einen wurde der verfügbare Wohnraum durch den Bevölkerungsanstieg seit der Jahrhundertwende immer geringer, zum anderen mußte bis zum Siebenjährigen Krieg ohne Unterbrechung ein komplettes Regiment mit durchschnittlich 1200 Menschen (inkl. der Familienangehörigen) einquartiert werden. —
—
B. Funktionsweise
von
1713 bis 1756
Ordonnanz und Servis
Ausgangspunkt der Einquartierung war die Anzahl der unterzubringenden Soldaten. Hatte die Kriegskanzlei eine Aufstockung (bzw. auch eine Minderung der Truppenstärke) 16 17
18
StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 87. Actum Göttingen vom 5. Juli 1703; ebd. Zu ähnlichen in Stade vorgefallenen Beispielen vgl. Eichberg, Zentralmacht und Sozialgeometrie, S. 442 f. Die Kommandanten und die Kompaniechefs wurden wiederholt angewiesen, Soldaten, die sich gegen ihren Wirt oder das Billetamt etwas zuschulden kommen ließen, hart zu bestrafen. So wurde in Göt-
tingen zum Beispiel der Sergeant Dencke »für die auf der Billet Stube gegen das Billet Ambt ausgestoßenen Injurien« bestraft. Schreiben des Geheimen Rates an den Magistrat vom 21. März 1718; StAGö AA
Militärsachen, Kommandant,
Nr. 8.
I. Das
System der Einquartierung
207
beschlossen, wurde dies dem Magistrat einige Tage vor Inkrafttreten der Maßnahme mit-
geteilt19. Solche Planstellenveränderungen konnten sich sowohl im Rahmen einer allgemeinen landesweiten Auf- oder Abrüstung, die zu einer Variation der Kompaniesollstärke führte, vollziehen, als auch örtlich begrenzte Truppenverstärkungen umfassen20. BeTabelle 50
Berechnung der Collecte 1713 bis 1756 und Bestimmung des mit dem Multiplikator acht (in Jahresbeträgen) zu
versteuerndes Gut
Immobilien (Land in Großes Haus
Servissatzes
Collecte
Morgen) Gr. Gr. 4 Pf. Gr. Gr. 3 Pf. 1 Gr. 4 Pf. 2 Gr. 2 Pf. 1 Gr. 7 Pf. 9 7 6 3
Haus 1. Kl. Haus 2. Kl. Baustätte Land von geringster Güte bis Land von bester Güte
Erbwiese Lehnwiese
Viehbesitz Pferd Kuh
Ziege Rind
Servissatz
2Th. 1 Th. 14 Gr. 1 Th. 12 Gr. 24 3 12 18 15
Gr. Gr. Gr. Gr. Gr. Gr. Gr. Gr. Gr.
3 2 1 1
Gr. Gr. 2 Pf. Gr. 4 Pf. Gr. 1 Pf.
24 18 12 9
27 18 12 6 5 10 4
Gr. Gr. Gr. Gr. Gr. 2 Pf. Gr. Gr. 4 Pf.
6Th. 4Th. 2 Th. 24 1 Th. 12 1 Th. 27 3 Th. 12 1 Th.
Gewerbe Kramer 1.K1. Kramer 2. Kl.
Höker
Krüger
Handwerker* bis
von
Tagelöhner
Gr. Gr. Gr. Gr.
Sonstiges
Braurecht
9 Gr. 3 Gr.
Häuslingsstatus
2 Th. 24 Gr.
StAGö AB Kämmerei; Collectentabellen der angegebenen Jahre. Erläuterungen: Th Thaler/Taler; Gr. Mariengroschen; Pf. Pfennig * Die Sätze der Handwerker wurden nach Gewerbe und Umfang des Betriebes
Quelle:
=
=
=
festgelegt.
Beispiel in einer Mitteilung vom 25. August 1730, in der die Landesregierung den Rat infor1. September fünf weitere Artilleristen in Göttingen einquartiert werden müßten. StAGö AA Militärsachen, Einquartierung, Nr. 87. 20 In Göttingen betraf dies zum Beispiel die Aufstockung der Artilleriegruppe. 19
Zum
mierte, daß ab
208
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
sonders im Krieg schwankte je nach taktischer Erfordernis die Zahl der einzuquartierenden Soldaten stark. War eine Maßgabe die von der Kriegskanzlei fixierte Sollstärke, so war zweiter Faktor der konkrete Einquartierungsbedarf vor Ort. Vakante Planstellen, beurlaubte Soldaten oder Familienangehörige der Soldaten veränderten die Einquartierungsleistung von Monat zu Monat. Zusammen mit den im Servisreglement von 1713 festgelegten Gebührensätzen ermittelte sich der jeweils in Geldbeträge umgerechnete erforderliche Servis. Insgesamt ergaben sich auf diese Weise jährliche Summen zwischen 3900 und 4500 Taler21. Die Erhebung des Servis' erfolgte nach einem vom Fürsten festgelegten »Principium«: »Die gantze Garnison wird nach der [jeweils geltenden] Ordonnantz zu Gelde geschlagen und das heraus gebrachte Quantum unter der Bürgerschafft nach dem Fundament der alten Contribution [...]
repartir«.«22
Dieses »Fundament« bildeten die bereits erwähnten Collectentabellen. Da die Einquartierungsleistung zwischen dem Spanischen Erbfolgekrieg und dem Siebenjährigen Krieg annähernd gleich blieb, wurde monatlich das Achtfache des als »quarta pars simpli« berechneten Collectensatzes als Servissteuer erhoben23. Auch die Grundtaxierung der Collecte blieb während des 18. Jahrhunderts fast unverändert, lediglich eine geringe Abweichung läßt sich feststellen. So wurde auf die Entrichtung der Schweinesteuer bald ver-
zichtet.
Geldleistung oder Sachleistung Obwohl in
Geldbeträgen ausgewiesen war der Servis eine Steuer, die hauptsächlich als Sachleistung »in natura« durch die konkrete Einquartierung eines Soldaten abgeleistet
werden sollte. Damit hob sich diese Steuer deutlich von allen anderen städtischen oder landesherrlichen Abgaben, die mit Geldzahlungen abzuleisten waren, ab24. Zugleich wurde jedoch auch die Möglichkeit eingeräumt, den Servis in bar zu erlegen. Im ServisRèglement von 1713 wurde dieser Alternative Rechnung getragen: konkrete Gebührensätze stehen Beschreibungen der notwendigen Einquartierungsleistungen gegenüber. Die Sachleistungen richteten sich nach dem Dienstgrad des einzuquartierenden Soldaten (bei Gemeinen und Unteroffizieren auch nach dem Familienstand) und sind zugleich Merkmal der gesellschaftlichen Stellung des Soldaten. So standen den höheren Offizieren nicht nur ein »anständiges« Haus, sondern zugleich Zimmer für ihre Diener und Stallungen für die Pferde zu25. Die Geldbeträge spiegelten offensichtlich die damals üblichen Nutzungsgebühren von Pferdestall, Kammer, Wohnung oder Haus auf Basis des Mietniveaus 2' 22
23
24
25
Tabelle VIII im Anhang. StAGö AB Kämmerei; Ratsmonita über die Collecten- und Service-Rechnungen der Jahre 1729—1746. Da der einfache Collectensatz überdies erhoben wurde, bedeutete dies, daß im Jahr das 108fache des monatlichen »quarta pars simpli« (12x9) zu entrichten war. Mit Ausnahme des Proviantkorns. Um den Offizieren eine Mindestqualität der Unterbringung zu garantieren, wurden »die Obrigkeiten auf dem platten Lande« angewiesen, zu kontrollieren, »daß die Ober-Officiers nicht gar zu schlecht bequartiret werden«.
Vgl.
I. Das
209
System der Einquartierung
1713 wider26, die dem ausgezahlten Soldaten die Anmietung einer anderen Räumlichkeit auf dem freien Wohnungsmarkt sichern sollte. In Städten mit besonders hohem Mietniveau, etwa Hannover, wurden die Sätze lokal variiert und dem marktüblichen Mietzinsniveau angepaßt. Von kleinen Änderungen abgesehen, galten für Göttingen bis 1735 die in Tabelle 51 aufgeführten Geldsätze. von
Tabelle 51
Geldleistungen* versus Sachleistungen nach dem Servisreglement von (monatlich), in Göttingen gültig 1713 bis 1735 Geldleistungen Gemeine 12 Gr.
(ledig)
1713
Sachleistungen (Musketier, Gefreiter, Tambour) Quartier (Kammer) mit Lagerstatt (Bett) sowie Benutzung der Küche und der Geräte
15 Gr. (verh.) 2 Gr. pro Kind
(inkl. Gestellung der Gewürze und Konservierungsmittel) und der »Mitgebrauch
Unteroffiziere
(Corporal, GefreiterCorporal, Fourier, Sergeant)
20 Gr. (ledig) 24 Gr. (verh.) 2 Gr. pro Kind
wie bei den Gemeinen, vermutlich aber
Offiziere
(Fähnrich, Leutnant, Capitainleutnant, Capitain, Major, Oberstleutnant, Oberst)
1 Th. 24 Gr.
des Wirts Feuer und Licht«
größere und geräumigere Unterkunft
»einem Capitaine-Lieutenant, einem Regiments-Quartier-Meister, ein Lieutenant, Fähndrich, Feld-Prediger, Auditeur, Adjutant und Regiments-Feldscher jedem 1
Stube und 1 Cammer sammt 1 Bette für Diener, auch denen Pferde und denen übrigen auf 2 Pferde Stallung«
drey ersten auf 3
2 Th. 18 Gr.
»einem Capitaine aber 2 Stuben und 2 2 Bette für Diener und Knechte«
3Th. 4Th.
»einem Oberst-Lieutenant und Major [...] jedem ein anständiges Haus, jedoch daß der Wirt mit darin bleiben und seine Nahrung ohngehindert treiben könne, mit Stallung auf sechs Pferde, und 2 Bette für Diener und Knechte«
6Th.
»einem Obersten ein absonderliches seiner Charge anständiges Haus [ohne daß ein Wirt noch darin wohnt] und nohtdürfftige Stallung, auch zwey Bette für Diener und Knechte«
Cammern, auf 4 Pferde Stallung, und
Quelle: Einquartierungs- und Service-Reglement vom 26. Dezember 1713, in: CBL, Bd III, S. 112—121 Erläuterung: Th. Thaler/Taler; Gr. Mariengroschen =
*
26
=
Die Geldsätze wurden im Laufe der Zeit variiert.
Unterbringung der Musketiere kamen neben der Miete für Kammer und Bett weitere Aufwendungen hinzu, die einmal aus der Küchennutzung und zum anderen aus dem Verbrauch bestimmter Güter (»Saltz, Sauer und Pfeffer«) sowie den Heizungs- und Beleuchtungskosten resultierten. Zur
210
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Servispflichtige und Steuerbefreiungen Wie schon ausgeführt, wurden Immobilien- und Großviehbesitz sowie Gewerbe besteuert. Da Gewerbetätigkeit und der Erwerb von Grund und Boden an den Besitz des Bürgerrechts gebunden waren, bedeutete dies, daß nur Bürger veranlagt wurden. Da das Bürgerrecht im Laufe des 18. Jahrhunderts jedoch immer mehr an Bedeutung verlor, sank gemessen an der steigenden Einwohnerzahl der Anteil der zur Servissteuer herangezogenen Personen. In bestimmten Fällen wurden Bürger zudem von der Einquartierung befreit. Auf Dauer galt dies für alle »Ratsglieder«, also für den Gerichtsschulzen, die Bürgermeister und die Ratsherren, wenn ihr versteuerbarer Besitz den Servissatz von 15 Talern im Jahr nicht überschritt27. Dies war eine beträchtliche Summe, immerhin konnte damit ein Ratsherr sieben »Große Häuser« besitzen, ohne zur Servissteuer herangezogen zu werden. Im Rahmen landesherrlicher Förderungsmaßnahmen wurden außerdem Fremde, die nach Göttingen zogen und hier das Bürgerrecht erwarben, wie auch Bürger, die ein Haus bauen oder aufwendig reparieren wollten, für drei, fünf oder sogar zehn Jahre »von allen oneribus personalibus [...] ferner von denen Cämmerey- und Stadt-Abgifften und Einquartie—
—
runge«28 befreit. Auf besonderen Antrag konnten Bürger aus »bewegender Ursache«, also etwa wegen Krankheit oder nach einem Unglücksfall29, oder wegen »notorischer Armut« zumindest zeitweise von der Servispflicht befreit werden; in anderen Fällen wurde die Auszahlung des fälligen Betrages zurückgestellt (»restiert«)30. Das Billetamt und sein Personal Wie bereits erwähnt
gab es in Göttingen, wie in allen Städten des Kurfürstentums, ein das die Billetamt, Einquartierung regelte. Obwohl Interessen des Landesherren wahrnehmend, war dieses Amt eine städtische Einrichtung, die dem Magistrat unterstellt war31. Im Rezeß von 1690 wurde einer der Ratsherren zum Leiter bestimmt, der für die Dauer seines Amtes Billetherr genannt wurde. Sah die ursprüngliche Regelung von 1690 vor, daß die Ratsherren »wechselweise [...] alle drey Monat einer den anderen ablöße[n soll27
28 29
30
31
Zunächst vom Landesherrn im Rezeß von 1690 auf zehn Taler festgesetzt, wurde der Grenzwert in einer Verordnung vom 15. Juni 1692 auf 15 Taler erhöht. Vgl. StAGö AB Rezesse und Normalia, Rezeß vom 16. Januar 1690, Artikel 24 und den Briefwechsel zwischen dem Geheimen Rat und dem Magistrat vom 17. Oktober 1735 in StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 101. Landesverordnung vom 12. Juli 1718, vgl. Vom Fremden zum Bürger, S. 97. So erhielt zum Beispiel die Witwe von Andreas Holborn eine Befreiung, weil ihr Mann lange Jahre bettlägrig gewesen war. Actum Göttingen vom 4. April 1740; StAGö AA Militärsachen, Allgemei-
nes, Nr. 93. In einer Liste
vom 22. August 1738 wurden 36 Bürger verzeichnet, die immer noch als Restanten des Servisjahres 1732/33 geführt wurden; ebd. Dies entspricht der Situation auf dem Land, wo die Eintreibung landesherrlicher Steuern von den Ständen durchgeführt wurde. Immer wieder wurde das Billetamt von einzelnen Offizieren auch als Fürstliches oder Königliches Billetamt bezeichnet.
I. Das
System
der
211
Einquartierung
so verlängerte sich die Amtszeit im 18. Jahrhundert deutlich auf mehrere Jahre. Dem Billetherrn standen ein oder zwei Bürgerdeputierte zur Seite, die jährlich von den Gildemeistern gewählt wurden32. Diese Billetdeputierten hatten nicht nur die Aufgabe,
ten]«,
konkrete Verwaltungsarbeit zu leisten, sondern sollten auch als Kontrollinstanz fungieren und im Auftrag der Gilden und Bürger einen möglichst gerechten Einquartierungsmodus garantieren. Die eigentliche Arbeit verrichteten jedoch der Billetschreiber und ein Billetdiener33.
Verwaltungsaufwand und Einquartierungspraxis Der Verwaltungsaufwand war außerordentlich groß, da er zwei Bereiche umfaßte. Zum einen mußte das Billetamt die steuerlichen Verpflichtungen der Stadt gegenüber dem
Landesherren erfüllen und den Soldaten ausreichend Quartier oder Bargeld zur Verfügung stellen. Zum anderen mußten die Billetamtsbediensteten für eine gerechte Erhebung der Servissteuer unter der Bürgerschaft sorgen und die tatsächliche Zahlung des Servis' bzw. die Bereitstellung von Quartieren überwachen. In der »Service- oder Quartier-Gelder-Rechnung« wurden alle Einnahmen und Ausgaben des Billetamtes verzeichnet und nach Schluß des Rechnungsjahres der aktuelle Kassenstand berechnet. Die Einnahmeseite basiert auf den Angaben der Collectentabellen; getrennt nach Hausbesitzern (in der Reihenfolge des Collectenumganges und mit der 1729 eingeführten Collectennummer versehen), Häuslingen und den »Auswärtigen« sind die Namen der Bürger, ihre zu erbringende und die tatsächlich erbrachte Leistung (monats- und jahSteuerzahlung resweise) angegeben. Eine sachliche Unterscheidung von Barzahlungen und Einquartierungen »in natura« wurde jedoch nicht vorgenommen. Auf der Ausgabenseite wurden die Soldaten, getrennt nach Kompanien und Dienstgraden, zusammen mit ihrem Familienstand namentlich verzeichnet und die in Anspruch genommene Leistung (bar oder »natura«) vermerkt. Da zudem noch bestimmte Aufwendungen aus der Kasse finanziert werden mußten, sind auch diese Posten in der Servisrechnung berücksichtigt: Im einzelnen handelte es sich um Reparaturen für das Kommandantenhaus, die Wachhäuser und die kleinen Schilderhäuser, um verschiedene »extraordinaire« Kosten (auf die noch einzugehen sein wird), um die Besoldung des Billetpersonals und schließlich zeitlich begrenzt um die Mietkosten einiger Glaubensflüchtlinge34. Resultieren die Daten auf der Einnahmeseite aus den Angaben der Collectentabellen, so entstammen alle Einträge der Ausgabeseite (soweit sie die Einquartierung betreffen) —
—
32
33
34
Insgesamt gab es vier Bürgerdeputierte, die »nicht nur die Interessen der Gilden, sondern vielmehr der gesamten Bürgerschaft vor dem Rat und vor den Landesbehörden vertraten«, Mohnhaupt, Göttinger Ratsverfassung, S. 107 f. Außer Rechnungen kontrollieren mußten sie Kommissionen einset-
zen und Beschwerdeschriften absenden. Der Billetschreiber erstellte die Quartierkataster, besichtigte die Unterkünfte, führte die Rechnungsbücher und quittierte Einzahlungen. Der Billetdiener wurde als Bote eingesetzt und sollte Billets zu den Bürgern oder Belege zu den Kompaniechefs bringen. Vgl. die einzelnen Tätigkeitsbeschreibungen in StAGö A A Militärsachen, Allgemeines, Nr. 106. Dies war zwischen 1733 und 1739, als sich allerdings auch nur sehr wenige Emigranten in Göt-
tingen aufhielten.
—
—
212
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Meldungen der Kompaniechefs bzw. der Bürger. Außer den jährlich, später halbjährlich erstellten Kompanierollen wurde jede Änderung, die sich auf die Einquartierungsleistung auswirkte (Zu- oder Abgang eines Soldaten, Heirat oder Geburt eines Kindes bzw. Beförderung eines Soldaten) dem Billetamt mitgeteilt. Diese Meldungen wurden zusammen mit den Quittungen über den in bar erhaltenen Servis und den Rechnungen der Handwerker als »Belege zur Servicerechnung« gebunden. Die konkrete Einquartierung, also die Zuweisung eines Soldaten in die Wohnung eines Bürgers, wurde in den sogenannten Servistabellen eingetragen. Wiederum in Anlehnung an die Collectentabellen sind die Namen der Bürger nach Reihenfolge ihrer Collectennummer angegeben und der zu leistende Servissatz vermerkt. In zwölf vorgedruckten Monatskästchen wurde der Name des jeweils einquartierten Soldaten geschrieben und die dabei erbrachte Leistung eingetragen. Am Ende des Rechnungsjahres zog der Billetschreiber die tatsächlich erbrachte (in bar oder »in natura«) Servisleistung von der Steuerschuld des Bürgers ab. Hatte der Bürger mehr geleistet, als er aufgrund seiner Veranlagung hätte zahlen müssen, wurde ihm die Differenz gutgeschrieben, blieb er unter dem den
Soll, mußte
nachzahlen. Die Einquartierungspraxis soll an einigen Beispielen erläutert werden. Nachdem Anfang 1753 Johann Conrad Ernst Rekrut der 7. Kompanie geworden war, erhielt der neue Soldat einen vom Kommandanten Block unterschriebenen Beleg: er
»Von des Herrn General
Major von Block Regiment des Capitains von Sydow Compagnie ist der RecJohann Conrad Ernst den 24ten Januar a[nni] c[urrentis] angeworben, als wird daß Billet Amt ersuchet, bemeldeten Recruten mit gehörigen quartier zu versehen.«35 rute
Mit diesem Beleg ging Ernst, vermutlich in Begleitung des Fouriers, zum Billetamt und bat um die Zuweisung eines Quartiers. Der Billetschreiber heftete den Beleg ab, suchte in seinen Steuerverzeichnissen und Quartierunterlagen nach einer freien Unterkunft und stellte Ernst schließlich ein Billet aus, auf dem die Namen des Soldaten und des Quartiergebers (es handelte sich in diesem Fall um Andreas Krische) sowie die Höhe der Servisleistung notiert waren. Mit diesem Billet wandte sich Ernst anschließend direkt an Krische und überreichte ihm den Zettel. Nach einer Besichtigung der Qrtlichkeiten, an der oft auch der Billetschreiber selbst teilnahm, dem gütlichen Einvernehmen von Soldat und Wirt und der Zustimmung des Fouriers konnte Ernst seine neue Unterkunft beziehen. Das Billet behielt Krische, der den Zettel nach Ablauf des Rechnungsjahres dem Billetamt als Quittung für die erbrachte Einquartierungsleistung ein-
reichte36. War ein Soldat
einquartiert, bedeutete dies noch lange nicht das Ende der Verwaltungstätigkeit. Immer wieder mußten Umquartierungen vorgenommen werden. Außer sozialen Anlässen37 lag die Ursache für einen Wechsel der Unterkunft entweder in einer Erhöhung der erforderlichen Einquartierungsleistung seitens des Soldaten oder in einer Hebung bzw. Senkung des vom Wirt zu leistenden Servissatzes. Wurde der Soldat beför35
36 37
StAGö AB Kämmerei, Belege zur Servicerechnung. Beleg vom 25. Januar 1753. Ernst wohnte dort bis zum kriegsbedingten Ausmarsch des Regimentes im Jahre 1757. Zum Beispiel Unfrieden zwischen Wirt und Soldat, vgl. S. 266—269.
I. Das
213
System der Einquartierung
dert, heiratete er oder bekam seine Frau ein Kind38, konnte die von ihm in Anspruch
Unterbringungsleistung den zu erbringenden Steuersatz seines Wirtes überund einen Umzug in das Quartier eines Bürgers mit höherer Besteuerung nötig steigen machen. Als zum Beispiel der Fourier Johann Christoph Schrader Ende 1752 heiratete, bekam der Bräutigam von seinem Kompaniechef einen entsprechenden Beleg für das Billetamt ausgestellt: »Weil der Fourier Johann Christoph Schrader, von meiner unterhabenden Compagnie, sich d[en] 21ten November a[nni] cfurrentis] verehliget, als wird demselben, ein solches zu Verbesserung seines Quartiers bey den löblfichen] Billiets Ambte bescheiniget.«39 Da Schraders Quartiersatz nun von 20 Gr. auf 24 Gr. monatlich stieg, verfügte das Billetamt einen Umzug. Der Fourier verließ seine bisherige Unterkunft in dem Kothaus H. Klasse des Tuchmachers Jobst Jünemann und erhielt eine andere Bleibe. Eine Umquartierung war ebenfalls notwendig, wenn sich der zu versteuernde Besitz eines Bürgers verkleinerte oder erweiterte (und sich damit der Servissatz veränderte), oder wenn er ein Haus baute oder reparierte und dadurch eine mehrjährige Befreiung von der Einquartierung erwirkte. Wie in Tabelle 52 deutlich wird, war die Fluktuation außerordentlich groß und schwankte je nach >Umbuchungsbedarf< pro Rechnungsjahr zwischen 16 Prozent und 31 Prozent. genommene
Tabelle 52
Quartierumbuchungen von Mannschaften und Unteroffizieren in ausgewählten Rechnungsjahren (offizielle Buchungen durch das Billetamt) Rechnungsjahr 1731/32 1732/33 1735/36 1739/40 1750/51 1751/52 1753/54 1755/56
Anwesende Soldaten 630 652 658 673 609 595 596 602
kein Quartierwechsel Soldaten I % 454 450 487 560 416 482 463 469
Quartierwechsel
Soldaten
72,1 69,0 74,0 83,2 68,3 81,0 77,7 77,9
176 202 171 113 193 113
133 133
I
%
27,9 31,0 26,0 16,8 31,7 19,0 22,3 22,1
Quelle: StAGö AB Kämmerei Servicerechnungen und StAGö AB Kämmerei Belege zur Servicerechangegebene Jahre.
nung,
38
39
So wurden zum Beispiel zwei Soldaten der 5. Kompanie umquartiert, weil sich ihre Familie vergrößert hatte. Der Eintrag des Chefs, Hauptmann von Bobarth lautete: »Dem königl. Billet Ambt wirdt ersucht, dem Gefr. Otte Schnepper und Mousq. Degenhard von meiner unterhabenden Compag. von lten 7btr a. c. an, jedem auf ein Kind den gehörigen Servis zu vergüthen«. StAGö AB Kämmerei
Belege zur Servicerechnung 1753/54, Eintrag vom 1. September 1753. Ebd., Beleg vom 30. November 1752.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
214
servisbedingte Quartierwechsel machte eine systematische Unterbringung der Soldaten etwa nach Kompanien geordnet unmöglich. Bereits 1718 stellten die Geheimen Räte resigniert fest, daß die gewünschte »Einquartierung zu Göttingen Cantonsweiße, oder jede Compagnie in gewiße Gaßen Hauß bei Hauß zu logiren, nicht practicable und demnach davon zu abstrahieren« sei. Zwar forderten die Räte den Magistrat weiterhin auf, »die Einquartierung per Cantons, so viel sich immer thun laßen [wird], einzurichten«40, in der täglichen Einquartierungspraxis ließen sich die Wünsche der Regierung oder der Militärs jedoch nicht realisieren. Obwohl zum Beispiel Oberstleutnant von Landesberg wiederholt das Billetamt bat, Soldaten seiner Kompanie zusammenzulegen, konnten die städtischen Bediensteten dem Verlangen nicht immer nachkommen41. Dies galt natürlich auch für Einquartierungswünsche der Bürger. Als sich der Tuchmacher Nicolaus Henrich Krische einmal beschwerte, weil das Billetamt seinem Begehren nicht entsprach, wurde ihm lapidar mitgeteilt, »es wäre aber nicht möglich, jedem Bürger nach seinem Beschluß zu belegen«42.
Der ständige
—
—
»Bar« oder »In Natura«
Wie bereits
dargelegt konnte die Servissteuer in bar oder als Einquartierung »in natura« werden. Dem Wunsch der Kriegskanzlei entsprechend, hatte es sich in Götabgeleistet tingen eingebürgert, daß der Servis für die Offiziere vom Billetamt in bar ausgezahlt wurde und die Offiziere sich damit auf dem Wohnungsmarkt selbst eine Bleibe suchten. Da dem Kommandanten bereits das Kommandantenhaus zur unentgeltlichen Nutzung gestellt wurde, erhielt dieser allerdings nur noch zwei Taler zusätzlich im Monat. Insgesamt fielen pro Jahr (bis 1735) rechnerisch 528 Taler an43. Um diese baren Ausgaben bestreiten zu können, wurde verfügt, daß alle Bürger, die kein Haus besaßen oder ihren Wohnsitz außerhalb Göttingens hatten, ihren Servis nach »dingpflichtigen Stücken« (Großvieh, Gewerbe, Landbesitz) ausschließlich in Geld an das Billetamt abzuführen hätten. Da man die Unteroffiziere und Mannschaften entsprechend den Vorstellungen der Kriegskanzlei prinzipiell »in natura« unterbringen wollte, bestimmte der Rat, daß alle Hausbesitzer ihren Servis mit einer Einquartierung »der Unterofficiers und Gemeinen« ableisten sollten44. Dies ließ sich jedoch nicht konsequent durchsetzen. Einträge in der Servisrechnung zeigen, daß etliche Hausbesitzer statt der geforderten Einquartierung lieber Geld an das Billetamt zahlten und daß einige Häuslinge statt der gewünsch40 41
42 43
44
StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 8. Schreiben der Landesregierung vom 21. März 1718. So zum Beispiel am 12. Januar 1750, als von Landesberg eine bestimmte Unterkunft für den Rekruten Hermann Heger forderte: »Wen es geschehen könte, wolte ihm [Heger] jerne bey den Musquetier Reesen ins Quartier hulen, [dieser] lieget auff papendiek bey Joh. Just Schepeler [und] den Gefreiten Grewe daraus [nehmen] undt ein Quartier geben«. Da Schepeler jedoch nicht weiter vom Billetamt veranlagt werden konnte, wurde Heger in das Haus von Andreas Ludwig einquartiert. StAGö AB Kämmerei, Belege zur Servicerechnung 1749/50. Actum Göttingen vom 9. Dezember 1740; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. Außer den Offizieren erhielten auch der Auditeur, der Wachtmeisterleutnant, der Zeughausverwalter, der Kommissar und der Adjutant ihren Servis in bar. Diese Bestimmung findet sich in StAGö AB Kämmerei, Service- oder Quartiergelderrechnung 1723/24.
I. Das ten
System der Einquartierung
215
Geldzahlung eine Einquartierung bevorzugten. So wundert es nicht, daß das Billet-
nicht nur den Offizieren, sondern zusätzlich auch einer Anzahl von Unteroffizieund Gemeinen den Servis in bar auszahlte45. Da sich Hausbesitzer und Häuslinge auf das Servisreglement von 1713 beriefen, in dem die Option »bar oder in natura« prinzipiell dem Quartiergeber zugestanden wurde, wenn es »denen Unterthanen bequemer fallen solte« und »der Wirt oder Quartiers-Mann dem Soldaten lieber Geld für das Quartier geben wolte«46, hatten Rat und Billetamt keine Möglichkeit, den spezifischen Wünschen der Bürger gegenzusteuern47. Die sogenannte Ausmietungs- oder Ausheurungspraxis weitete sich sogar aus: Nicht nur das Billetamt als offizielle Instanz nahm Bargeld von den Steuerpflichtigen ein und vergab den Servis in barer Münze, auch zwischen Wirt und Soldat direkt wurden >inoffiziell< Auszahlungen vereinbart48, im allgemeinen, ohne daß das Billetamt informiert oder gar um Erlaubnis gefragt wurde, weil es »dem Billet Ambte nichts angehet«49. Da die privaten »Ausheurungen« sich nicht negativ auf die Einquartierungskapazitäten auswirkten oder die Erlegung der von der Stadt als Korporation auferlegten Servisschuld insgesamt nicht gefährdet war, duldete das Amt die Ausmietungen nicht zuletzt aufgrund der eindeutigen Bestimmungen im Servisreglement von 1713. In manchen Fällen, etwa, wenn es zwischen Wirt und Soldat zu Auseinandersetzungen gekommen war, empfahl der Billetschreiber einem Bürger sogar die Ausmietung. Weil die >privaten< Ausmietungen nicht vom Billetamt registriert wurden in den Verzeichnissen wurde der in Wirklichkeit bereits ausgemietete Soldat weiterhin als bei seinem ursprünglich vom Billetamt zugeteilten Wirt wohnend geführt —, ist allerdings eine quantifizierende Wertung dieser Praktiken (bis auf eine Ausnahme) nicht möglich. Waren Verhandlungen mit dem Billetamt oder einzelnen Quartiergebern zu führen, zogen die Soldaten wiederholt ihre Unteroffiziere, insbesondere den Fourier, zu Hilfe. Einer Aufstellung von 1740 ist zu entnehmen, daß fast jeder vierte Ausmietungsvertrag von einem Vorgesetzten ausgehandelt worden war50. Das Einquartierungssystem war außerordentlich komplex und stellte ganz unterschiedliche Anforderungen. Zahlreiche Pannen und Widrigkeiten zeigen, daß die Einquartierung nicht immer reibungslos verlief. amt ren
—
—
So erhielten zum Beispiel im Rechnungsjahr 1732/33 57 Soldaten (das sind 9% aller Unteroffiziere und Gemeinen) ihren Servis entweder ganz oder temporär vom Billetamt in barer Münze ausbezahlt. Prinzipiell konnte auch der Soldat eine Ausmietung erreichen, wenn er »sich mit seinem Wirt nicht
friedlich
betragen könte«.
Für bestimmte Soldaten wurde
aus Sicherheitsgründen kein Quartier »in natura« ausgegeben, so z. B. Sergeanten von der Artillerie, weil dieser mit Schwarzpulver umzugehen hatte, vgl. StAGö AB Stadtratsprotokoll, Eintrag vom 9. September 1732. Wie es heißt, würden Wirt und Soldat »monahtlich ein unter ihnen beyden stipulirtes Geldtquantum« vereinbaren. Vgl. das Schreiben des Magistrats an die Landesregierung vom 3. Oktober 1740; StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Im allgemeinen bat der Soldat seinen Fourier hinzu, der mit dem Bürger die spezifischen Bedingungen der »Ausheurung« aushandelte. Actum Göttingen vom 5. Dezember 1729; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 90. Diese Formulierung gebrauchte ein Vertreter des Billetamtes. 57 Soldaten (23,8%) ließen sich von einem Unteroffizier vertreten, 182 (76,2%) Männer »accordir-
für den
ten
selbst«.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
216
C.
Alltägliche Verwaltungsprobleme
Grenzen der Verwaltbarkeit Wie Norbert
Winnige am Beispiel der Göttinger Kalandskasse beleuchtet, war die VerKassen von einer großen Ineffizienz geprägt, Korruption und unzuöffentlicher waltung reichende Bilanzierung gehörten zur Tagesordnung51. Im Vergleich dazu funktionierte die Verwaltung des Billetamtes erstaunlich gut obwohl auch in diesem Bereich Probleme entstanden. Gerade weil das Einquartierungssystem unter einer intensiven öffentlichen Kontrolle stand, wurden Pannen von den Betroffenen sofort registriert, was sich in entsprechenden Beschwerden von Bürgern oder Soldaten widerspiegelt. Auch die Landesregierung beklagte wiederholt die Arbeitsweise und mangelnde Effizienz des Billetamtes; mit immer weiteren detaillierten »Mónita« beanstandete sie Aufbau und Zustand der Rechnungsbücher und forderte genauere Verzeichnisse und übersichtlichere Bilanzen52. Die Probleme entstanden vor allem deshalb, weil die Billetbediensteten schlicht überfordert waren. Kein anderes Amt erforderte eine derart aufwendige Verwaltungstätigkeit. Aufbau und Struktur der Stadtverwaltung, die »nicht klar nach Ressorts gegliedert, sondern fast [...] immer neuen Wechselspielen] der Befugnisse und Zuständigkeiten unterworfen war«53, trugen nicht dazu bei, die Arbeit zu erleichtern. Ein besonderes Problem war, daß die Billetverwaltung ein Maximum an Arbeitszeit beanspruchte, viele Bedienstete aufgrund der besonderen Einkommensstruktur jedoch auf Nebeneinkünfte angewiesen waren54. So wundert es nicht, wenn alle Beteiligten wiederholt die lange und mühevolle Arbeitszeit beklagten, die ihnen für andere Tätigkeiten keine Zeit mehr ließ55. Aus diesem Grund wurde Bitten um Gehaltserhöhungen im allgemeinen umgehend entsprochen, die jedoch das Problem nicht grundlegend lösten56. Zahlreiche Pannen57 belegen die im Billetamt gemachten Fehler58. —
51 52
53
Vgl. Winnige, Kassendefizite.
Die »Mónita« befinden sich in StAGö AB Kämmerei, Kä 37. Vgl. auch Actum Göttingen vom 19. Oktober 1734; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Gerhard, Diensteinkommen, S. 9. So wechselten Leitung und Deputierte des Billetamtes im Abstand
einigen Jahren. Vgl. allgemein ebd., S. 11 ff. und S. 21-79. von
54 55
So beschwerte sich
etwa am 2. Mai 1746 der Billetdeputierte Polmann, daß er auch mit Hilfe des Proviantschreibers Frankenfeld seine Arbeit nicht bewältigen könne; StAGö AA Militärsachen, All-
gemeines, Nr. 93. Vgl. ebd., Nr. 107 (Billetdiener), Nr. 105 und 106 (Billetschreiber) und Nr. 93; Schreiben des Billetdeputierten Reinholt vom 14. August 1740. 57 So waren zum Beispiel am 19. September 1729 keine Unterlagen auffindbar! Ebd. Nach einer Aufstellung vom 3. Mai 1746 wurden allein in 23 Fällen Soldatenfrauen und deren Kinder einfach vergessen oder falsch taxiert; StAGö AB Kämmerei, Belege zur Servicerechnung 1746/47. 58 Dazu kam die mangelnde Arbeitsbereitschaft einzelner Mitarbeiter. So brachte der Billetdeputierte Oppermann vor den Rat, »wasgestalt der Billetschreiber Eberwien sein Officium so gar unfläßig tactierte, so daß er offters einige Tage nicht einmahl zur Billetstube [ge]kommen« sei; StAGö AB Stadtratsprotokoll, Eintrag vom 30. September 1732. 56
I. Das
System der Einquartierung
217
Immer wieder meldeten sich Bürger, die falsch taxiert worden waren oder zuviel bezahlt hatten59. Auch steuerbefreite Bürger wurden wiederholt versehentlich mit einem Soldaten belegt60. So war beispielsweise dem Billetamt entgangen, daß Christian Gelbcke in seinem Haus nach 1725 eine Badestube eingerichtet hatte und von einer Einquartierung »in natura« befreit war61. Das Einquartierungssystem enthielt viele Mängel und
Unübersichtlichkeiten, die sich die Bürger, aber auch die Bediensteten selbst machten,
um
das Billetamt
zu
zunutze
betrügen.
Betrug und Täuschung Immer wieder versuchten
Bürger, sich unter Vorspiegelung falscher Tatsachen Befreiunerschleichen. Besonders die Ratsmitglieder nutzten die ihnen eingegen räumte Einquartierungsfreiheit (bis 15 Taler) aus, um das Billetamt zu betrügen. Erst als sich der Stadtschreiber Johann Heinrich Pfister beim Geheimen Rat beschwerte, weil ihm diese Freiheit vom Magistrat nicht genehmigt worden war62 und die Landesregierung daraufhin eine Untersuchung forderte, wurden die »Defraudationen« bekannt. Sowohl die Ratsherren Heinrich Böning und Otto Philipp Riepenhausen als auch der Sekretär Lesche und der Kämmereischreiber Georg Friedrich Speckbötel lagen deutlich über der Marke von 15 Talern und hätten Servissteuer zahlen müssen. Als besonders geschickt erwies sich der Ratsherr Riepenhausen, der ein Haus in Geschwistergemeinschaft besaß, auf dieses Haus aber die volle Ratsfreiheit anrechnen ließ63. Trotz dieser Vergehen sah die Landesregierung von einer Bestrafung ab64. Andere Bürger versuchten, das Billetamt zu betrügen, indem sie dem Schreiber gefälschte Angaben über ihre tatsächliche Steuerleistung machten. So behauptete zum Beispiel der »Schweineschneider« Anton Steinbrück, er habe zuviel bezahlt, nämlich statt der festgesetzten 20 Gr. einen Taler und forderte die Auszahlung der Differenz65. Auch das Billetpersonal versuchte, einen unerlaubten Vorteil aus dem unübersichtlichen Einquartierungssystem zu ziehen. So stellte zum Beispiel der Billetdeputierte Reinholt vom
59
So
zum
Servis
zu
Beispiel am 19. September 1729 oder am 30. November 1740 der Bürger Johann Jobst Fob-
be, der darauf hinwies, daß sein Haus falsch taxiert worden sei; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. 60
61
62
63
So beklagte sich am 11. Januar 1745 die Badertochter Dorothea Sophie Watterodt über die Einquartierungsverfügung des Amtes, weil ihre Badestube von der Einquartierung befreit sei; ebd.
Schreiben Gelbckes an den Rat vom Mai 1734; ebd., Nr. 97. Der Stadtsekretär wurde von den anderen Ratsherren nicht als vollwertiges Mitglied des Magistrats anerkannt. Dazu Mohnhaupt, Göttinger Ratsverfassung, S. 54 f. Die Untersuchungen fanden Ende 1735, Anfang 1736 statt. StAGö AA Militärsachen, Allgemeines,
Nr. 101. 64
65
Schreiben vom 21. Dezember 1735; ebd. Nach dieser >Affäre< verfuhr der Rat allerdings rigoroser: als 1737 auch der Stadtphysikus Dr. Sothen Steuerfreiheit begehrte, wurde dies abgelehnt. Schreiben vom 4. Juli 1737, 11. Juli 1737 und 10. Februar 1738; ebd, Nr. 102. Erst nach einer Kontrolle der Unterlagen wurde der Betrug entdeckt. Wie der Rat in einer Aktennotiz ausdrücklich vermerken ließ, entging Steinbrück nur deshalb einer schweren Strafe, weil er inzwischen verstorben war. Actum Göttingen vom 5. Dezember 1729; ebd., Nr. 90.
218
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Georg Andreas Wagener eine falsche Quittung über eingenommenes und der Billetschreiber Frantz Hartwig Eberwein unterschlug Geld, das Servisgeld aus66, Regina Margaretha Borheck ihm als Einzahlung für das Billetamt übergeben hatte67. Trotz dieser aktenkundig gewordenen Pannen und Betrügereien funktionierte das System der Einquartierung gerade angesichts der enormen Schwierigkeiten und Unzulänglichkeiten erstaunlich gut. Wie im nächsten Abschnitt deutlich wird, gab es neben den alltäglichen Schwierigkeiten jedoch auch strukturelle und langfristige Probleme. dem Kaufmann
D. Finanzielle und wirtschaftliche
Aspekte
Wohnraumverknappung und private Ausmietungswünsche reibungslose Unterbringung von über 1000 Menschen erforderte zum einen ausreichenden verfügbaren Wohnraum und zum anderen die bereitwillige Gestellung dieses Wohnraums. Diese fundamentalen Voraussetzungen waren in Göttingen nach dem Spanischen Erbfolgekrieg jedoch immer weniger gegeben. Der Grund dafür war die stetige Zunahme der Bevölkerung, die sich innerhalb von dreißig Jahren (1720—1750) fast verdoppelte68. Gleichzeitig reichten die vorhandenen Häuser trotz eines »Baubooms«69 vor allem in den 1720ern und 1730er Jahren70 (der durchaus als Reaktion auf den Bevölverstehen bei zu nicht weitem ist) aus, um allen Einwohnern ausreichend kerungsanstieg Wohnfläche zur Verfügung zu stellen71. Die Folge war eine dramatische Wohnraumverknappung72, die noch verstärkt wurde, weil es viele Bürger gab, die »gantz arme Leute [waren und ...] nicht im Stande [waren], die erforderl. Bette her zu geben«73. Die
66
67
68 69
70
71
72
73
Actum Göttingen vom 28. April 1739; ebd., Nr. 93. Ein von Borheck angestrebter Prozeß fand dann Ende 1740, Anfang 1741 statt; Acta Göttingen, ebd. Diese Unterschlagung war vermutlich der Anlaß, Eberwien zu entlassen und mit Carl Johann Otto Stein einen neuen Schreiber einzustellen, vgl. den Eintrag vom 15. September 1738; ebd., Nr. 105. Vgl. S. 60-67. Dieser »Bauboom« beschränkte sich allerdings vor allem auf die Reparatur vorhandener Häuser, die Errichtung von Neubauten war seltener. Vgl. Kastner, Bürgerliches Wohnen, S. 200—206. Zudem hatte selbst ein solcher Bauboom noch Nachteile, da er die Zahl der wegen Bauens steuerbefreiten Bürger nach oben trieb, diese zumindest für einige Jahre der Pflicht zur Einquartierung enthob und damit das Kontingent der verfügbaren Quartiere verringerte. Vgl. die Tabellen ebd., S. 186 und S. 201. Es ist bezeichnend, daß der Gerichtsschulze Neubour in seinem Gutachten über die Vor- und Nachteile der Stadt Göttingen als Universitätsstandort vom 8. Januar 1733 den »Mangel bequehmer Wohnungen« als das »gröszeste Hindernis hervorhebt, da er jedem »in die Augen fället«: »Unsere Bürger haben bishero nur zu ihrer höchsten Nothdurft gebauet, und gemeiniglich kaum so viel Platz in ihren Häusern, da sie mit ihrer Familie und den einquartierten Soldaten bleiben können.« Gutachten des Gerichtsschulzen Friedrich] Chr[ristoph] Neubour zu Göttingen, abgedruckt in Gründung der Universität, S. 28—31, hier S. 30. Nach einer etwas wagemutigen Berechnung von Kastner, Bürgerliches Wohnen, S. 215—254, hier S. 245, die allerdings den Trend widerspiegelt, erweiterte sich die Wohnfläche der Stadt von 84880 m2 im Jahre 1702 auf 87620 m2 im Jahre 1731 und schließlich auf 101600 m2 im Jahre 1755. Der jeder Person durchschnittlich zur Verfügung stehende Wohnraum verringerte sich in diesem Zeitraum von 22,3 m2 (1702) auf 16,4 m2 (1731) und endlich auf 12 m2 (1755). Diese verarmten und »nonvalenten« Steuerpflichtigen konnten einem Soldaten kein Quartier gewähren
I. Das
219
System der Einquartierung
Zusätzlich zu dieser Entwicklung zeigten die Bürger immer weniger Bereitschaft, einen Soldaten mit seiner Familie bei sich aufzunehmen74. Dies hatte zum einen mentalitätsspezifische Ursachen und zum anderen finanzielle und wirtschaftliche Motive. Die Bürger mußten mit der Einquartierung einschneidende Einschränkungen ihrer persönlichen Lebensführung hinnehmen, die uns heute unvorstellbar erscheinen. Zwar hatte die Wohnung im 18. Jahrhundert noch nicht die private Bedeutung entwickelt und war noch nicht zu der schützenswerten Intimsphäre geworden wie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dennoch lassen sich auch in Göttingen bereits in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts Anzeichen erkennen, die auf eine geänderte Auffassung vom Wohnen75 und auf einen »Strukturwandel der Öffentlichkeit«76 schließen lassen. In den Bauplänen und Grundrissen der 1740er und 1750er Jahre sind deutlich zwei getrennte Sphären unterschieden, ein demonstrativ-öffentlicher Sektor zur Straße hin und ein privater Wohn- und Schlafbereich im Hinterhaus77. Solche Änderungen lassen sich freilich nur innerhalb der ökonomischen und politischen Oberschicht nachweisen, die finanziell in der Lage war, sich aufwendige Häuser zu bauen und einen großbürgerlichen Lebensstil zu führen78. Den unteren bürgerlichen Schichten war eine derartige Lebensweise nicht möglich, gleichzeitig konnten sich solche Wünsche aber auch nicht in dem gleichen Maße entwickeln, da die meisten Göttinger eher dichtgedrängt in ihren kleinen Wohnungen und Häusern hausten, die schon allein aus Platzgründen das Entstehen einer Privatsphäre bzw. die und wurden vom Billetamt als Schuldner geführt. Die Zahl der armen und mittellosen Bürger (sie schwankte zwischen 109 und 200 Personen) blieb allerdings im Untersuchungszeitraum vergleichsweise konstant. Schreiben des Rates an die Kriegskanzlei vom 22. Mai 1755; StAGö AA Militärsa74
75
chen, Allgemeines,
Nr. 93.
Dies lag auch an dem nächsten Abschnitt.
Risiko, sich von einem erkrankten Soldaten anstecken
zu
können.
Vgl. den
Vgl. Zinn, Entstehung und Wandel, zusammen:
»Plötzlich wurde
es
S. 17f., faßt den Wandel bürgerlicher Wohngewohnheiten so unüblich, Freunde oder Geschäftspartner ohne vorherige Anmel-
dung zu jeder beliebigen Tageszeit aufzusuchen«. Die »Diskretion gegenüber der Intimsphäre anderer wurde zur Verpflichtung«. 76 Mit theoretischem Hintergund Habermas, Strukturwandel, S. 58, der die Entstehung der Unterscheidungskriterien »öffentlich« und »privat« um 1750 ansetzt. 77 Zudem waren die einzelnen Zimmer durch Flure getrennt und voneinander abgeschirmt, vgl. Kastner, Bürgerliches Wohnen, S. 216—226. Die Trennung von Wohn- und Arbeitsstätte bzw. von Haus und Betrieb hält Dülmen, Kultur und Alltag, Bdl, S. 231, für eine der strukturellen Voraussetzungen für die Herausbildung einer bürgerlichen Wohnkultur; vgl. speziell zum Wohnen, ebd., S. 56—68. Van Dülmen datiert den Beginn dieses Wandels allerdings erst auf die 1770er und 1780er Jahre. 78 Diesen Wandel beschleunigt haben sicherlich nicht nur die nach der Universitätsgründung 1734 in Göttingen erhältlichen Luxusgüter und Waren der gehobenen Lebensart, sondern vor allem die sich von der bisherigen Lebensführung der Göttinger Bürger deutlich unterscheidenden Lebensweisen der Professoren und hohen Universitätsbeamten, die von der städtischen Oberschicht nachgeahmt wurden. Auf den ökonomisch-ideologischen Zusammenhang verweist auch Dülmen, Kultur und Alltag, Bd I, S. 230, der die ersten Veränderungen in der oberen Bevölkerungsschicht bei »aufklärerischen Beamten, Pfarrern, Professoren und Kaufleuten« findet.
220
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Trennung von Arbeits- und Wohnbereich nicht zuließen79. Damit soll nicht behauptet werden, daß ärmere Bürger grundsätzlich gerne Soldaten aufnahmen, nur konnten sich diese im allgemeinen keine »Ausheurung« der Soldaten leisten. Es ist bezeichnend, daß vor allem solche Bürger, die »vor anderen bessere Häuser, Nahrung und Güther haben«, die Einquartierung als »sehr lästig«80 und als besondere »Incommodität«81 emp-
fanden. Außer derartigen mentalitätsbedingten Motiven gab es vor allem finanzielle und wirtschaftliche Beweggründe, die zu einer Verweigerung der Einquartierung »in natura« führten. Ein altes, bereits im 17. Jahrhundert diskutiertes Problem war, daß bestimmte Berufszweige, etwa Brauer, Bäcker, Schmiede oder Kaufleute, jeden Winkel ihres Hauses zur gewerblichen Produktion oder zur Lagerung von Waren und Gütern82 benötigten und keine Bereitschaft zeigten, noch zusätzlich einen Soldaten aufzunehmen. Mit der Universitätsgründung bildete sich ein weiterer Beruf aus, der ebenfalls aus gewerblichen Motiven keine Soldaten im Haus dulden wollte, nämlich der des professionellen Vermieters83. Diese Vermieter, »welche entweder Studenten-Tische halten, [oder] ihre Häuser und Zimmer an Professores und Studiosos vermiethfen]«, wollten lieber von der Universität profitieren als Soldaten einquartieren. In einem an die Kriegskanzlei gerichteten Schreiben vom 22. Mai 1755 wies der Magistrat darauf hin, daß »viele Bürger deswegen keinen Soldaten einnehmen, weil sie ihr Haus mit Studenten besetzt haben«84. Als in den ersten Jahren der Universität massiv der Bau von Studentenzimmern gefördert wurde, nahmen die Hausbesitzer die erforderlichen Umbaumaßnahmen zum Anlaß, ihren bisher einquartierten Soldaten zu kündigen85. Wiederum waren vor allem reichere, der ökonomischen Oberschicht angehörende Bürger an einer Auszahlung der Soldaten interessiert, denn nur Hausbesitzer, die über die räumlichen Kapazitäten verfügten, konnten qualitativ hochwertige Wohnungen oder Zimmer an anspruchsvolle Studenten und Akademiker vermieten und zugleich (auch als Folge über die finanziellen den Soldaten auszumieten. dessen) Möglichkeiten verfügen, 79
80
81 82
83
84
85
In einem Haus 2. Klasse hatte jede Person durchschnittlich 8 qm zur Verfügung; vgl. Kastner, Bürgerliches Wohnen, S. 210 und S. 218: Zum Vergleich: Im Haus des Bäckers Rackebrand stand jeder
Person im Schnitt ein Wohnraum von 40 qm zu. Vgl. dazu die an die Landesregierung gerichtete Supplikation des Stadtrates vom 17. September 1749; StAGö A A Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Vgl. Actum Göttingen vom 15. August 1723; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6. So klagte eine Witwe, daß sie Soldaten aufnehmen müsse, obwohl sie den Platz für Getreide, Ackerpferde, Bierfässer und Gesinde brauche. Vgl. Schreiben von Margarethe Hildegardt vom 12. Juni 1694; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 77. Am 9. Mai 1733 erklärten sich 87 Hausbesitzer bereit, Studentenzimmer in ihren Häusern zu bauen; StAGö AA Universität, Nr. 31. Vgl. dazu die an die Landesregierung gerichtete Supplikation des Stadtrates vom 17. September 1749; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Vgl. das Schreiben des Magistrats an die Landesregierung vom 27. Mai 1734; StAGö AA Universität, Nr. 31. In diesem Schreiben wies der Rat darauf hin, daß »durch die Einquartierung [die Umbauten] nicht behindert werden« dürften und forderte, auf Dauer zwei Kompanien von Göttingen nach Northeim zu verlegen. Dem wurde jedoch nicht entsprochen.
I. Das
221
System der Einquartierung
Zunehmende Ausmietung. Beide Entwicklungen, die Wohnraumverknappung einerseits und intensivere Bemühungen der reicheren Bürger um die Ausmietung der Soldaten andererseits, führten dazu, daß die Einquartierung immer häufiger nicht »in natura«, sondern in bar abgewickelt wurde. Wie Tabelle 53 zu entnehmen ist, nahm die Entsachlichung der Servisleistung nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg deutlich zu. Erhielten in den 1730er Jahren noch weniger als 10 Prozent der Unteroffiziere und Gemeinen ihren Servis vom Billetamt in bar, so stieg die Quote in den 1750er Jahren auf mehr als 20 Prozent. Am Vorabend des Siebenjährigen Krieges suchte sich bereits jeder vierte Soldat eine Kammer auf dem Göttinger Wohnungsmarkt. Parallel dazu stieg der Anteil der baren Ausgaben des Billetamtes von 23—25 Prozent in den 1720er und 1730er Jahren auf beinahe 50% in den 1750er Jahren. Tabelle 53 Art der in
Anspruch genommenen Servisleistung durch Unteroffiziere und Mannschaften in ausgewählten Rechnungsjahren bei ganzjähriger Anwesenheit (offizielle Buchführung des Billetamts) Rechnungs- Empfangene Leistungen Empfangene Leistungen in natura in bar jahr Soldaten | Prozent Soldaten I Prozent 1731/32 1734/35 1737/38 1740/41 1752/53 1755/56
571 622 622 643 482 456
90,6 93,0 92,1 94,3 79,1 75,7
59 47 53 39 127 146
9,4 7,0 7,9 5,7 20,9 24,3
Geldleistungen Summe Soldaten
Taler
630 669 675 682 609 602
921 1024 1172 1046 2153 2387
des Billetamtes
I in Prozent der Gesamtleistung
23,1 24,1 26,6 23,4 50,9 48,5
Quelle: StAGö AB Kämmerei Servicerechnungen und StAGö AB Kämmerei; Belege zur Servicerechnung, jeweils die angegebenen Jahrgänge. Diese Zahlen spiegeln jedoch nur die Spitze des Eisberges, sozusagen die >offizielle< Version wider. Da die privatrechtliche Ausmietung ohne Bestätigung und Buchung durch das Billetamt praktiziert wurde, lag der Prozentsatz derjenigen Soldaten, die ihren Servis in barer Münze erhielten, vermutlich in Wirklichkeit wesentlich höher. Durch einen glücklichen Zufall ist die Zahl der im November 1740 >privat< ausgemieteten Soldaten überliefert, so daß eine Quantifizierung möglich ist86. Wie sich zeigt, waren fünfmal mehr Soldaten als das Billetamt in seinen Rechnungen und Verzeichnissen gebucht hatte. ausgemietet, Während einer längeren Auseinandersetzung (1740/41) zwischen dem Magistrat und Druchtleben, es um den korrekten Auszahlungsmodus ging, ließ der General eine Liste anfertigen, die zeigen sollte, daß seine Soldaten nicht, wie behauptet, zuviel Geld von ihren Wirten forderten. Die Liste ist einem Brief Druchtlebens an die Landesregierung vom 21. November 1740 beigelegt; vgl. dazu StAGö AA Holzsachen, Nr. 193.
in der
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
222
Tabelle 54
Verteilung von »in natura« einquartierten, von >offiziell< und von >privat< ausgemieteten Unteroffizieren und Mannschaften, November 1740
Gesamt 682
Einquartierung in
natura
Auszahlung durch das Billetamt
66,4%
453
39
5,7%
Private 190
Auszahlung 27,9%
Quelle: StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Schreiben Druchtlebens vom 21. November 1740, darin: Soldaten, von meinem mir allergnädigst an vertrautem Regiment, so Servis bekommen und sich ausgeheuret haben.« »Extract derer
Dies wirft ein bezeichnendes Bild auf die
Zuverlässigkeit und Reichweite der offiziell der Stadt erfaßten Daten, da die 190 privat ausquartierten Soldaten in den Servisrechnungen bzw. den Quartierrollen als »in natura« bei ihren vom Billetamt zugeordneten Wirten wohnend geführt wurden. Die Ausmietungszahlen belegen deutlich das steigende Bedürfnis (und die finanzielle Möglichkeit) des Wirtes, den Soldaten mit seiner Familie lieber »auszuheuren«, als ihn in der eigenen >guten Stube< wohnen zu lassen. Da leider nur in einem Fall die Zahl der privat ausgemieteten Soldaten bestimmt werden konnte, ist es nicht möglich, dem Anstieg der offiziellem Auszahlungen durch das Billetamt in den 1750er Jahren die entsprechenden >inoffiziellen< Größenordnungen im gleichen Zeitraum gegenüberzustellen. Wahrscheinlich ist, daß die bereits hohe Quote von über 20 Prozent (Tabelle 53) ebenfalls wesentlich höher liegt vielleicht ähnlich ausgeprägt wie im Jahre 1740 (Tabelle 54). Daß die >offiziellen< Auszahlungen überhaupt nach 1749 anstiegen, dürfte auf Bemühungen des Billetamtes zurückzuführen sein, die Reichweite seiner Daten auszuweiten und auch alle >privaten< Ausmietungen zu registrieren ohne freilich die >private< Ausmietung als solche gesondert zu buchen. Zudem konnten die städtischen Bediensteten nur eine relative Verbesserung erreichen, denn auch die hohe >offizielle< Quote von 24,3 Prozent im Jahr 1755/56 bleibt noch deutlich unter der tatsächlichen Quote von 1740. Am Vorabend des Siebenjährigen Krieges aber lag die Ausmietungsquote eher noch wesentlich höher, da sich die Wohnraumverknappung in diesem Zeitraum (1749—1755) weiter verschärfte und die deutlich ansteigenden Studentenzahlen für verstärkte Ausmietungen aus wirtschaftlichen Gründen sorgten. von
—
—
Wirtschaftliche
Folgen der Wohnraumverknappung
Die Folge war, daß die Beschaffung von Quartieren immer schwieriger wurde. Vor allem neue Soldaten mußten manchmal Monate warten, um eine Unterkunft zugewiesen zu bekommen. Das Billetamt verfiel deshalb darauf, Rekruten und Musketiere, für die kurzfristig kein Quartier zu finden war, auf Kosten der Stadt in Wirtshäusern unterzu-
I. Das
System
der
Einquartierung
223
bringen87. Die Wirte erhielten für die Gestellung von Kost und Logis neben dem Erlaß ihrer Servissteuer monatlich 12 Groschen. Dieser Betrag erwies sich jedoch bald als zu gering, da die Gastwirte mit der Einquartierung von Soldaten im allgemeinen größere
finanzielle Einbußen erlitten. Am 22. November 1746 beschwerte sich Christian Lorentz Goldbach, der Wirt des Lokals »Im weißen Roß«, dem die »Ordonance vor hiesiger Garnison nebst der freyen Logirung derer Recruten, bis dieselbe mit Quartier versehen wer-
den«, zugeteilt worden war: »ich [werde] Tag täglich mit Recruten, auch denen auf den Anwachs angeworbenen, so allhier monahtlich Warthe Gelder zu erwerben haben, dergestalt überhäuffet, daß ich dieses Einlagers halber die wenigste Zeit Raum behalte, anderen Reisenden ein Nachtlager in meinem hause zu geben; dahero die Karren-
Führer und sonstige Reisende Leute Anlaß nehmen, mein Haus zu quittieren, wodurch mir aber der größeste Theil meiner Wirtschafts Nahrung entgehet, nicht weniger die Verseilung des Getränckes dabey merklich leide, weil durch den Zulauf der Soldaten und Recruten, andere Gäste abgehalten werden, bey mir reinzusprechen.«88
Goldbachs Forderung nach Verdoppelung des Zuschusses auf 24 Groschen im Monat wurde vom Billetamt umgehend entsprochen. Doch auch die Berücksichtigung der Wirtshauskapazitäten schuf keine dauerhafte Lösung der Probleme. Wie der Rat einmal formulierte, falle »es sehr schwehr [...], die quartiere ausfindig zu machen, wie die Erfahrung schon mehrmahlen gelehret« habe89. Eine weitere Konsequenz der Wohnraumverknappung war das deutliche Ansteigen der Mietpreise. Schon wenige Monate nach Universitätsgründung stellte der Rat fest, daß »die Preiße der Häuser und Zimmer wegen der Neu angelegten Universität um ein merckliches gestiegen sind«90. Da die alten, den Mietpreisen von 1713 entsprechenden Aus-
mietungssätze noch immer zur Berechnung herangezogen wurden, waren Konflikte vorprogrammiert. Am 28. Mai 1734 vergaß Hauptmann Stallmeister jede Etikette und stürmte »in die Rahtsstudierstube, ohne sich vorher melden zu laßen, und brachte vor, daß der [Bürger] Lieutenant Mühlenfeld ihm sein Hauß aufgekündiget, [und obwohl er] aber sich nun sehr viele Mühe [beim Suchen] gegeben [habe], so könte er doch nicht unterkommen«91. Zusammen mit anderen Offizieren, darunter Hauptmann Becker, weigerte sich Stallmeister, das angemietete Haus zu verlassen, wenn ihm nicht der Rat ein »Quartier in natura« verschaffen würde. Da die Stadt dieses Begehren mit dem Hinweis ablehnte, sie verfüge über keine Offiziersquartiere, eskalierte die Situation und Kommandant 87
88
89 90 91
Vor allem während des Österreichischen Erbfolgekrieges mußten wiederholt verschiedene Truppenverbände kurzfristig in Wirtshäusern untergebracht werden. Als am 8. und 9. Februar 1746 eine Nachschubeinheit in Göttingen Quartier verlangte, wurden Männer, Pferde und »Pontons« auf fünf Lokale und sechs Bürgerquartiere verteilt. Actum Göttingen vom 8. Februar 1746; StAGö AA Militär-
sachen, Allgemeines,
Nr. 93.
Schreiben an den Rat vom 22. November 1746; ebd., Nr. 97. Goldbach fügte hinzu, »zumahlen ein Recrut oder Soldat des Tages über 1 g 4 Pf. nicht zu verzehren hat, auch wohl gar gelegenheit suchet, mit der gemachten Schuld ohne Bezahlung wegzugehen«. Schreiben des Magistrats an die Kriegskanzlei vom 22. Mai 1755; ebd., Nr. 93.
Actum Göttingen vom 22. August 1735; ebd., Nr. 82. Die Kündigung erfolgte bezeichnenderweise deshalb, weil Mühlenfeld in seinem Haus Studentenzimmer einrichten wollte; Actum Göttingen vom 28. Mai 1734; StAGö AA Universität, Nr. 31.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
224
Druchtleben übernahm die Verhandlungen mit dem Rat. Er forderte eine Erhöhung der Servisgelder, da es »denen Officiers [meines] Regiments ohnmöglich falle, bey jetziger Errichtung der dortigen Universität vor das ihnen vermachte Servis-Geld Quartier zu bekommen«, und schaltete den Geheimen Rat ein92. Die Landesregierung akzeptierte die Forderung des Generals und wies den Magistrat an, sich »billig« mit der Kommandantur zu einigen93. Die Verhandlungen zogen sich über zwei Monate hin, so daß zunächst zeitlich erst am 22. August 1735 ein Kompromiß erzielt werden konnte, der begrenzt bis zum Siebenjährigen Krieg beibehalten wurde94. Die erreichten durchschnittlichen Steigerungen von fast 50 Prozent spiegeln die drastischen Mietanhebungen wider. von
—
—
Tabelle 55 Die Servisverhandlungen im Jahre 1735 und die Höhe der monatlichen Servissätze von 1735 bis zum Siebenjährigen Krieg
Dienstgrad
Reglement von
Angebot von
Angebot
vom
Kompromiß
1713
Druchtleben
1 Tlr. 24 Gr. Tlr. 24 Gr.
2 Tlr. 6 Gr. 3 Tlr.
2 Tlr.
2 Tlr.
3 Tlr.
2 Tlr. 18 Gr. 3 Tlr.
4 Tlr.
Major
5 Tlr.
3 Tlr. 18 Gr. 4 Tlr. 12 Gr.
Oberstlt.
4 Tlr.
6 Tlr.
5 Tlr. 18 Gr.
3 3 4 5
Leutnant
Capitainlt. Capitain
1
Rat
Steigerung
1735
Tlr. Tlr. 18 Gr. Tlr. 18 Gr. Tlr. 18 Gr.
20,0 80,0 40,0 50,0 37,5
% % % % %
Quelle: StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 82. Da für die Unteroffiziere und Gemeinen keine
neuen Sätze ausgehandelt wurden, blieben die privaten Ausmietungsverhandlungen zwischen Bürger und Soldat Anlaß für ständige Querelen. Die Soldaten konnten sich mit den niedrigen, auf dem Reglement von 1713 basierenden Sätzen in Göttingen kaum noch eine andere Unterkunft auf dem freien Wohnungsmarkt leisten. Dazu kam, daß die Sätze für Mannschaftsdienstgrade schon 1713 zu niedrig angesetzt worden waren, da der Soldat sich im Falle der Ausmietung von dem Geld »nicht nur das Quartier, sondern auch Licht und Feurung, ingleichen den kleinen Service als Saltz, Sauer, Pfeffer, weniger nicht das benöhtigte Küchen- und Hauß-Gerähte, als Eymer, Töpfe, Kessel, Schemmel, Tisch, Bett-Stelle und darin gehörigen Betten«95 92
Zitiert wurde aus einem Schreiben der Landesregierung an den Rat vom 21. März 1735; StAGö AA
Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Ebd., Schreiben vom 21. März 1735 und 7. Juli
1735. Der Vorschlag der Geheimen Räte, für einige Jahre den Servissatz zu erhöhen (also die Collecte mit einem höheren Multiplikator zu versehen), wurde von der Stadt jedoch verworfen. 94 Wie der Rat am 22. August 1735 bekanntgab, sei der Kompromiß zunächst nur »auf einige Jahre und so lange die Hauß-Miethen im jetzigen Preiße stehen« begrenzt; ebd., Nr. 82. 95 Schreiben Druchtlebens an die Landesregierung vom 21. November 1740; StAGö AA Holzsachen, 93
Nr. 193.
I. Das
225
System der Einquartierung
besorgen mußte. Diese Kosten aber hatte die Kriegskanzlei bei Erstellung des Reglements 1713 außer acht gelassen vermutlich auch deshalb, weil die Landesregierung ursprünglich von der Annahme ausging, daß die Gemeinen sowieso ihr Quartier »in natura« erhalten würden. Die drastischen Mietsteigerungen taten ein Übriges, so daß die Soldaten, wollten ihre Wirte sie ausmieten, im allgemeinen nicht mit dem offiziellen Gebührensatz einverstanden waren, sondern einen höheren Betrag forderten. Dies stieß auf den Widerstand der Bürger. Am 3. Oktober 1740 beschwerte sich der Magistrat in einem längeren Schreiben an die Landesregierung, daß »in dieser Guarnison kein einziger Soldat vorhanden, welcher mit dem im Service Reglement vermachten Geldt Servis zufrie—
den« sei96. Wie Tabelle 56 zu entnehmen ist, war das zwar einerseits deutlich übertrieben, denn nicht alle, sondern 70 Prozent der ausgemieteten Soldaten erhielten mehr Geld (fast jeder fünfte Mann begnügte sich sogar mit weniger!), andererseits entsprach es jedoch durchaus dem allgemeinen Trend. Tabelle 56
Ausmietungsbeträge Erfaßte Soldaten 229
Quelle:
im
Vergleich
Betrag bleibt unter dem Satz von 1713 % Soldaten | 43
StAGö AA
18,8
Holzsachen,
zu
den Sätzen des
Betrag entspricht
dem Satz von 1713 % Soldaten | 28
und
»Wan der
»genöthiget«
1713
Betrag liegt über dem Satz von 1713 Soldaten I % 158
70,0
Nr. 193.
Am meisten Verdruß bereitete den Bürgern, daß sie set«
12,2
Reglements von
würden:
angeblich von den Soldaten »erpres-
Bürger nach dem Willen des Soldaten sich nicht allcommandiren, und selben Geldt genug
geben will, der Soldate so dan mit dem einziehen, und daß er nach dem Service Wirths Stube sambt Weib und Kinder Platz nehmen wolle, drohe.«97
Reglement
in des
Diese städtische Sichtweise war aus begreiflichen Gründen recht einseitig und ließ das Problem der ansteigenden Mietpreise ebenso unberücksichtigt wie die Schwierigkeiten der Soldaten, mit dem geringen Servisgeld eine Wohnung zu finden. Die Forderung des Magistrates, ihren Soldaten die Eintreibung eines höheren Geldservises zu verbieten, lehnten die Komandanten ab. So erklärte Johann Heinrich von Block, daß er seinen Soldaten nicht vorschreiben könne, »was [sie] monathlich an Service nehmen [sollten], gestalten der Unterofficier und Soldate am besten wißen müßte, womit er ohne seinen Schaden auszulangen vermögte«98. In mehreren Schreiben an den Geheimen Rat versuchte 96 97
98
Ebd. Schreiben des Magistrats an die Landesregierung vom 3. Oktober 1740; ebd. Aus einer Supplikation des Stadtrates vom 17. September 1749; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93.
226
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Druchtleben vielmehr, auf die schlechte Lage seiner Soldaten aufmerksam zu machen. Bürgermeister und Rat zielten mit ihren Beschwerden und Supplikationen nur darauf ab, daß »der arme Soldat nach Bequemlichkeit des Wirths, wann derselbe entweder ihm laut Reglement, oder sonsten von sich nur nach eigenen Gutdünken zu geben beliebet jedesmahl ohngesäumet auszuheuren,
mithin von des Wirthes Discretion endiglich dependiren, und solchesgestalt in allen nach dessen Pfeifen zu tantzen, schuldig und gehalten seyn soll«99.
Der General betonte zugleich, daß »der Soldat mit seiner wenigen gage nur kümmerlich sein Leben sich zu halten imstande« sei und mit »dergleichen ohnerlaubte proceduren« nämlich der Ausmietungspraxis der Bürger, die dem Soldaten zu wenig einbringe »ohnstreitig gäntzlich ruiniret werden dürffte«. Da es zu keiner Lösung kam, weil einerseits die Stadt Druchtlebens Vorschlag ablehnte, alle Soldaten »in natura« einzuquartieren, und die Empfehlung des Geheimen Rates, die Steuern zu erhöhen, für nicht praktikabel hielt, andererseits aber Kommandant und Landesregierung das Ansinnen des Magistrats, im Ausmietungsfall in Zukunft lediglich die Gebühren von 1713 zahlen zu müssen, verweigerten, änderte sich nichts. Dies deutet darauf hin, daß sich Bürger und Soldat im allgemeinen doch arrangieren konn—
—
und
grundsätzliche Dissonanzen seltener waren, als es die Beschwerdeschriften des Magistrats von 1740 und 1749 vermuten lassen. Eine Überprüfung der Ausmietungssätze, die für den November 1740 greifbar sind, zeigt zudem, daß die Forderungen der Soldaten gar nicht so überzogen waren, wie behauptet wurde. Die Steigerungsquote gegenüber dem Reglement von 1713 betrug im Durchschnitt nur etwa 30 Prozent (rechnet man die Soldaten hinzu, die einen geringeren Betrag oder den identischen Satz erhielten, hinzu, liegt die Quote sogar wesentlich niedriger) und bewegte sich damit noch weit unter den Sätzen der Offiziere, die 1735 durchschnittliche Erhöhungen von fast 50 Proten
zent
durchsetzen konnten.
Tabelle 57
Verteilung der über dem
Satz von 1713 ausgemieteten 158 Unteroffiziere und Gemeinen auf vier Steigerungsgruppen, 1740
Quelle:
Steigerung in%
Soldaten
Prozent
1-10 11-25 26-50 > 50
16 58 67 17
10,1 36,7 42,4 10,8
StAGö AA
Holzsachen,
Nr. 193.
Schreiben Druchtlebens an die Landesregierung vom 21. November 1740; StAGö AA Holzsachen, Nr. 193.
I. Das
System
der
Einquartierung
227
wenige Soldaten bekamen eine monatliche Summe von ihrem Wirt, die um mehr als die Hälfte über dem Servisgeldsatz von 1713 lag. Zu diesen Ausnahmen gehörten der Soldat Christoph Wentzel (verheiratet) mit 83 Prozent über dem Soll ebenso wie der Musketier Johann Ludwig Krause (verheiratet) mit 83 Prozent oder der Soldat Hans Jürgen Kaufmann (verheiratet, ein Kind) mit 78 Prozent. Die größte Steigerung erzielte jedoch Sebastian Osterwald (verheiratet, ein Kind) mit fast 110 Prozent100. Da die Bürger von dem allgemeinen »Boom« durch die Universitätsgründung finanziell profitierten (besonders die Vermieter), dürften ihnen die relativ gemäßigten Forderungen der Soldaten kaum wirkliche Probleme bereitet haben. Es ist bezeichnend, daß der Rat, als 1735 die Erhöhung der Servisgelder für die Offiziere beschlossen worden war, verkündete, eine solche Anhebung könne man sich gefallen lassen, »als die Bürgerschafft anjetzo ein ansehnliches mehr als vorhin aus ihren Häusern einnehmen [...] kan«101. Natürlich versuchten auch die Soldaten, ihren Vorteil aus den Ausmietungswünschen der Bürger zu ziehen. Mußten sie einerseits wirklich ein höheres »Geldt Quantum« erhandeln, um eine andere Wohnung in Göttingen zu finden, so bemühten sie sich andererseits aber auch nach Möglichkeit, Gewinn zu erzielen. Die Gelegenheit ergab sich meist dann, wenn der Soldat beurlaubt wurde oder seine Familie sich nicht in Göttingen aufhielt was der ausmietende Bürger nicht unbedingt wußte. In diesem Fall konnte der Soldat das auf die ganze Familie errechnete respektable »Geldt Quantum« monatlich einstecken, ohne daß er Ausgaben in gleicher Höhe bestreiten mußte. In einer Supplikation vom 17. September 1749 wiesen die Stadträte auf diese Praxis hin: »Es ist daher eine nicht geringe Anzahl von unseren Mitbürgern ohnumgänglich genöthiget worden, alles mögliche anzuwenden, um den ihm zuquartirten Soldaten dahin zu disponieren; daß er sich ausmiethen möge, und da er dieses nicht anders, als mit Gelde zwingen können, hat er demselben ein gantz übermäßiges Service-Geld monathlich accordiren müßen, um einen öffters doppelte und dreyfache Last von gantzen Familien aus seinem Hause loß zu werden. Diejenigen Unter-Officier und Gemeine, Nur
—
welche in denen übergebenen Compagnie Rollen als Beweibte aufgeführet, ihr Frauens und Kinder aber nicht gegenwärtig haben, oder vorher gewußt, daß sie einige Monathe Urlaub erhalten würden, haben unter dem Vorwande, daß sie ihre Frauens und Kinder anhero kommen laßen, und diese das Quartier gleichfalls beziehen würden, es [...] dahin gebracht, daß der Quartiers-Mann [dem Soldaten ...] ein so starckes Service-Geld [geben muß].«102
Auch wenn ein bestimmter Ausmietungssatz zwischen Wirt und Soldat ausgehandelt worden war und der Soldat auszog, mußte dies nicht bedeuten, daß alle Schwierigkeiten 100
101
102
w/entzei und Krause erhielten monatlich 30 Groschen statt regulär 16 Groschen, Kaufmann 32 statt 18 Groschen und Osterwald 29 statt regulär 14 Groschen im Monat. Actum Göttingen vom 22. August 1735; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 82. Für ein normales Studentenzimmer konnte ein Vermieter 12 bis 16 Taler jährlich verlangen, ein gutmöbliertes Zimmer brachte 18 bis 30 Taler im Jahr, ein feineres Zimmer mit Tapetenwänden konnte für 40 bis 50 Taler Jahreszins vermietet werden und die Vermietung einer kompletten Wohnung, also mehrere Zimmer auf einer Etage, brachte sogar 60 bis 70 Taler im Jahr. Die Gestellung von Studententischen erbrachte je nach Qualität der Verpflegung 20 Groschen bis zwei Taler die Woche. Alle Angaben basieren auf dem Preisniveau Ende der 1730er Jahre. Vgl. Jetztlebende Göttingen, S. 121-122. StAGö AA
Militärsachen, Allgemeines,
9. Oktober 1741; ebd.
Nr. 93. Eine ähnlich lautende Beschwerde datiert
vom
228
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
beseitigt waren. Immer wieder entstanden Differenzen über den vereinbarten Auszahlungsmodus103, die
vor
Auswirkungen
dem Billetamt verhandelt werden mußten104.
auf den städtischen
Wohnungsmarkt
Ausmietungspraxis führte schließlich auch dazu, daß in Göttingen eine immer größer werdende Gruppe von Unteroffizieren und Gemeinen mit ihren Familien lebte, die über ein respektables Mietbudget verfügte, welches durch die regelmäßigen Zahlungen der ausmietenden Bürger abgesichert war. Dieses Geld bescherte wiederum allen Bürgern, die einerseits reich genug waren, Quartiere für Soldaten anzubieten (etwa, um zusätzliche Betten bezahlen zu können) und andererseits aber nicht so wohlhabend waren, daß sie mit ihrem Haus bzw. ihren Zimmern besser zahlende akademische Kundschaft anlocken konnten, Einkünfte. Auf diese Weise floß das bar ausgezahlte Servisgeld zum größten Teil wieder in die Kassen der Bürger zurück. Da nur wenige Angaben über jene Bürger, die ihren Lebensunterhalt vor allem aus der Vermietung von Wohnraum an Soldaten bestritten, greifbar sind, ist eine Sozialanalyse dieses Personenkreises leider nicht möglich. Das Beispiel des armen Tuchmachers Nicolaus Henrich Krische vermag die Zusammenhänge zu illustrieren. Krische ließ extra das vorhandene Bett vergrößern, um einen zweiten Soldaten aufnehmen zu können. Zusätzlich vermietete er Wohnraum an den von der Lizenteinnehmerin Riefkohl ausgemieteten Soldaten Andreas Deppe und dessen Frau. Der Wortlaut des Kontraktes ist nicht überliefert, aber Krische dürfte damit wenigstens 20 Groschen Miete im Monat eingenommen haben, eine Summe, für die er sonst mindestens zweieinhalb Tage hätte arbeiten müssen105. Die Ausmietungspraxis bewirkte, daß Soldaten die allgemeine Mietspirale weiter nach oben trieben. Waren Unteroffiziere und Gemeine von Mietsteigerungen betroffen, brauchten sie lediglich ihren vom Billetamt zugeordneten Wirt aufzusuchen und eine höhere Auszahlungssumme abzufordern. Verweigerte dies der Wirt, bezog der Soldat eben sein Quartier »in natura«. Diese Möglichkeit hatten Handwerksgesellen und Tagelöhner nicht. Sie, am unteren Ende der Mieterskala stehend, waren den steigenden Mieten relativ hilflos ausgesetzt und mußten schlechteste Wohnqualitäten akzeptieren oder in die »Buden Die
103
11. Oktober 1746 zwischen Sergeant Holte und der »Jungfer« Ebel, die sich den vereinbarten Auszahlungssatz hielt; ebd. Ein anderer aktenkundig gewordener Fall ereignete sich im Sommer 1737, als der Witwe Behrens »von der Billet Stube [der Corporal Hauenschild] zuquartiret [wurde]; alß dieselbe nun den Corporal bey sich im Hause nicht wohnen laßen wollen, und mit dem Corporal vor Ausmiethung monatlich 1 Rth zu geben accordiret, so entzog sich jedoch [die Witwe Behrens] den 1 Rth zu geben und [gab] nur 33 mgr.« Das Billetamt ließ nach Beschwerde des Soldaten nähere Erkundigungen einziehen, deren Resultate nicht bekannt sind;
So
zum
nicht
Beispiel am
an
Göttingen vom 3. Juni 1737, ebd., Nr. 97. Handlungsbedarf für das Billetamt bestand allerdings nur, wenn die Interessen des Soldaten betroffen waren. Beschwerte sich ein Bürger, zum Beispiel über einen zu hohen Ausmietungssatz, der über seiner Steuerveranlagung lag, schritt das Amt nicht ein, weil, wie der Rat am 5. Dezember Actum
104
betonte, der »Acccord [den] der Bürger mit dem Soldaten so gut er kan schließet« Privatsache Bürgers sei; ebd., Nr. 90. Actum Göttingen vom 28. Mai 1731 und vom 9. Dezember 1740; ebd., Nr. 97. 1729
des 105
I. Das
229
System der Einquartierung
der Mauer« ziehen. Bereits 1731, also noch vor Gründung der Universität, beklagsich die Tuch- und Raschmachergesellen vor dem Rat, daß sie schon »in den Winckeln« hausen müßten, da sie für ihr »HaußMietheGeld« keine »Stube und Cammer« mehr bekommen könnten. Bezeichnenderweise führten die Gesellen als Begründung für ihre Wohnmisere an, daß das Militär wegen seines Servises »die Hauße so hoch treiben [würde], daß unser einer solches nicht auffzubringen vermag«106. vor
ten
E. Soziale und medizinische
Aspekte
Verweigerungen Offener Widerstand gegen die Einquartierung war außerordentlich selten. Wie der Fall des Tischlers Adam Schilling zeigt, hatte die totale Weigerung Schilling wollte nämlich anscheinend weder einen Soldaten beherbergen noch den baren Servissatz erlegen unangenehme Konsequenzen. Am 25. November 1739 ließ Schilling das Rathaus wissen, er werde keine Steuern an das Billetamt mehr zahlen, und verbarrikadierte sich in seinem Haus. Daraufhin beauftragte der Billetherr zwei Bedienstete, die Schilling die Tür einschlugen und den widerstrebenden Bürger in die Scharwache schleppten, wo er bis zur Zahlung seiner Steuerschuld festgehalten wurde107. Eine andere Verweigerungstaktik gebrauchte Andreas Busse. Als ihm im November 1732 der Soldat Immenhausen zuquartiert werden sollte, erschien Busse auf dem Billetamt, warf den Bediensteten das Billet vor die Füße und sagte, »er wolte einen solchen Kerl, der die Leute todtschießen [würde], nicht ins Quartier haben«108. Im Gegensatz zu Schilling handelte es sich hier nicht um eine Totalverweigerung, sondern nur um die Ablehnung der Einquartierung eines bestimmten Soldaten, nämlich des Musketiers Immenhausen. Zudem blieb Busse noch die Möglichkeit der »Ausheurung«109. Aber auch solche Verweigerungen, die nur auf eine zeitliche Verzögerung oder maximal auf eine Verlegung des Soldaten hinausliefen, waren eher selten. Angesichts der nahezu 200 Ein- oder Umquartierungen pro Rechnungsjahr stellen diese wenigen, an einer Hand abzuzählenden Konflikte eine verschwindende Zahl dar. Einerseits verhinderte die Ausmietungspraxis mögliche Auseinandersetzungen, andererseits ließen die Zwangsmittel des Billetamtes den Erfolg offener Verweigerungen fragwürdig erscheinen. Einzig, wenn die Bürger Leib und Leben in Gefahr sahen, formierte sich größerer Widerstand. —
—
Krankheit und
Ansteckungsgefahr
Am 13. Dezember 1730 verlangte die Ehefrau von Michael Redderich auf dem Rathaus, daß der bei ihnen einquartierte Soldat Hans Jürgen Kulle ausquartiert werden solle, da 106
107 ios
109
Schreiben
vom 4. September 1731; StAGö AA Wachwesen, Nr. 4, Bd 1. StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Actum Göttingen vom 14. November 1732; ebd., Nr. 97. Allerdings nahm Frau Busse, vermutlich um unangenehme Konsequenzen zu vermeiden, das Billet
später doch
an.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
230
dieser seit zehn Tagen an einer ansteckenden Krankheit leide, in ihrer Stube liege und sie anstecken könne110. Als das Regiment Druchtleben im Österreichischen Erbfolgekrieg am Rhein und in Süddeutschland eingesetzt wurde und der Chef in bestimmten Abständen Kranke und Verwundete nach Göttingen zurücksandte, war die Angst der Bevölkerung angesteckt zu werden besonders groß111. Nachdem am 8. Februar 1746 um 12 Uhr mittags ein Wagen mit kranken Soldaten der Kompanie Böse auf dem Marktplatz eingetroffen war, herrschte unter den Einwohnern Unruhe112. Noch auf dem Marktplatz teilte der Unteroffizier, der den Wagen anführte, besorgten Bürgern mit, daß seine Soldaten keine ernsthaften oder gar ansteckenden Krankheiten hätten. Diese Beschwichtigungen konnten die Bürger aber nicht beruhigen, nach sechs Tagen forderten die Bürgerdeputierten, daß die Soldaten, die mit »Ungeziefer« behaftet seien, in das Seifenhaus einzuquartieren wären. Dort sei die Bürgerschaft vor ansteckenden Krankheiten geschützt113. Einzelne Beschwerden heizten die Gerüchteküche weiter an, so daß jeder kranke Soldat mit Schwierigkeiten zu rechnen hatte. Am 22. Februar beschwerte sich die Ehefrau von David Biermann, »daß der bey ihr einquartierte Musquetier in schlechten Umständen war, und sie vor Gestank nicht bey ihm dauern könnte, auch ihnen die Bette verdorben würde«. Zwar attestierte der vom Billetamt herbeigerufene Stadtphysikus Sothen keine ansteckende Krankheit, notierte aber »einen gewaltigen Geruch«. Einige Tage später drang der Ratsdiener Röhr »sehr ungestüm darauf«, den ihm zugewiesenen Soldaten nicht aufnehmen zu müssen, da dieser eine ansteckende Krankheit habe114. Daß die Angst der Bürger in vielen Fällen nicht unbegründet war, zeigt der Fall der Witwe Borheck, die ihren Mann und dessen drei Gesellen verloren hatte, weil diese sich an dem einquartierten, inzwischen ebenfalls verstorbenen Soldaten Nolte angesteckt hatten. Da »ein solches [Unglück] von der gehabten Einquartierung herrühret«, wurden der Witwe vier Monate Einquartierungsfreiheit gewährt115. In einem anderen Fall wurde die ganze Familie des Bäckers Henrich Fincke krank, wofür ihr später es gab keine Todesfälle drei Monate Steuererlaß gewährt wurde116. Diagnostizierten der Stadtphysikus und der Regimentsfeldscher eine ansteckende Krankheit, wurde der Soldat isoliert und in den sogenannten Blauen Turm verlegt bzw. nach Bau der Regimentskrankenstube im Albaner Tor verpflegt. Hatte der einquartierte Soldat keine ansteckende Krankheit, blieb er im allgemeinen bei seinem Wirt und wurde von einem Feldscher versorgt. Für erlittenes »Ungemach« wurden den Bürgern in der Regel einige Monate Einquartierungsfreiheit gewährt117, gab es Sonderauslagen, z.B. für —
—
StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. Die beschriebenen Symptome deuten auf Ruhr oder Cholera hin. 111 Als im Januar 1747 das Regiment von Maydel von der Front nach Göttingen verlegt werden sollte, wehrte sich der Stadtrat mit der Begründung, daß ansteckende Krankheiten zu befürchten seien, und plädierte dafür, lieber in der Nähe stationierte (gesunde) Invalidenkompanien aufnehmen zu wollen. 112 Der gesamte Vorfall StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. 113 Actum Göttingen vom 14. Februar 1746; ebd. 114 Actum Göttingen vom 8. März 1746; ebd. 115 StAGö AB Kämmerei, Belege zur Servicerechnung 1733/34, Beleg vom 23. Oktober 1732. 116 Ebd., Belege zur Servicerechnung 1731/32, Beleg vom 14. Januar 1732. 117 So bekam der Zimmermann Henrich Gabriel Thon drei Monate Freiheit, da er den an Schwindsucht 110
I. Das
System der Einquartierung
231
zusätzliche Heizkosten eines weiteren Zimmers im Winter, beteiligte sich die Kompanie daran118. War das Bett durch die lange Krankheit eines Soldaten unbrauchbar geworden und »verdorben«, erhielt der Quartiergeber einen Betrag aus der Kasse des Billetamtes, um sich ein neues Bett bauen zu lassen119. Aber auch solche, aus der Angst vor einer Ansteckung resultierenden Verweigerungen waren keine ernsthafte Belastung für das Einquartierungssystem. Die sofort eingeleiteten Maßnahmen (Untersuchung durch Ärzte und Isolierung des Soldaten bei diagnostizierter Ansteckungsgefahr) verhinderten größere Panik. Zudem wurde erlittenes »Ungemach« mit Steuerbefreiungen und Schadensersatz vergütet. F. Der
Kasernenbauplan
von
1723
Die verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Begleitumstände der Einquartierung hatimmer wieder zu Beschwerden Anlaß gegeben. Mit bestimmten Praktiken, vornehmlich den Ausmietungen, versuchten gerade reichere Bürger, sich der Unterbringung eines Soldaten »in natura« zu entziehen. Wie der Kasernenbauplan von 1723 zeigt, wurden auch andere Möglichkeiten erörtert, die Einquartierung zu umgehen. Da die Beweggründe der Urheber dieses Vorhabens, ebenso wie die Motive, die zur Ablehnung des Planes geführt hatten, die besonderen Bedingungen und Probleme des Einquartierungssystems widerspiegeln, wird die Auseinandersetzung um diesen Plan ausführlich dargestellt. Im Sommer 1723 faßte angeblich die »gantze Bürgerschafft«120 den Plan, in Göttingen eine Kaserne zu bauen, um auf diese Weise von der Einquartierung befreit zu werden. Ohne daß der Magistrat zuvor in Kenntnis gesetzt worden war, wurde am 14. Juli ein von den Gildenvertretern und allen Bürgerdeputierten unterzeichnetes Bittgesuch an den der in König gesandt, gerade Pyrmont weilte. »Aus höchstdringender Noth und zur conservation und höchsten Nothdurfft der gantzen Bürgerschafft« beantragte man, in Göttingen eine Kaserne nach Maßgabe der Soldatenunterkünfte in Hameln bauen zu dürfen, »weilen in denen langen Jahren her viele Bürger von denen eingequartirten Soldaten sehr molestiret und pressiret [...] ja gar einige Bürger von denen eingequartirten Soldaten zu nichte geschlagen und gehauen«. Um dem König die Situation dramatisch genug zu wurde ein Mord erwähnt, der zwei Jahre zuvor für Aufsehen gesorgt hatte. schildern, ten
erkrankten und später verstorbenen Gefr. Corp. Jani bei sich hatte, »und dabey viele und langwierige Aufwartung haben müßen, eine schwere Einquartierung gehabt« habe: StAGö AB Stadtratsprotokoll, Eintrag vom 11. November 1732. Weiter wurden Bartold Porse für die Pflege einer kranken Soldatenfrau zwei Monate und Jobst Irsengart für die Pflege eines Soldaten ein Monat Einquartie-
rungsfreiheit gewährt, vgl. ebd., Belege zur Servicerechnung 1733/34, Beleg vom 26. Juli 1734 und Belege zur Servicerechnung 1728/29, Beleg vom 30. August 1728. 118 Nach einer Beschwerde des Bürgers Johann Henrich Keyser wurde zusätzlich benötigtes Holz vom bereitgestellt, StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 105. Regiment 119 So wurden zum Beispiel dem Weißbinder Daniel Hartwig am 26. Juli 1751 die Kosten für sein verdorbenes Bett vom Billetamt bezahlt, ebd., Nr. 93. Diese Ausgaben buchte der Schreiber als »extra120
ordinaire« Kosten. In Wirklichkeit handelte es sich um die ökonomische und politische Führungsschicht. Der gesamte Vorgang ist dokumentiert in NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6.
232
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Um dergleichen »Unglücke inskünftig vorzubauen«, sei man nun entschlossen, »der Milice baraquen anzuschaffen«; Bauplatz sei in der Stadt ausreichend vorhanden. Nachdem die Kriegskanzlei, vom König informiert, drei Wochen später, am 6. August, um nähere Erläuterungen gebeten hatte, fand am 15. August eine Sitzung statt, an der Rat und Gildevertreter teilnahmen. erläuterten Hier die Gildevertreter Bürgermeister, dem Magistrat ihren Plan. Sie beabsichtigten, am Leinekanal, entweder am Großen Freudenberg oder an der Mühle in der Nähe des Weender Tores, mehrere Holzhäuser zu errichten, in denen die Soldaten mit ihren Familien untergebracht werden könnten. Die Kosten für Bauholz, Mobiliar und Hausgeräte hoffe man durch großzügige Spenden seitens des Königs oder der Landesregierung bestreiten zu können. Die Bezahlung der Hei-
zungskosten, der Aufwendungen für Licht und anfallende Reparaturen sowie der kleine Servis (also vor allem Gewürze und Konservierungsmittel) seien durch die Einnahmen des Billetamtes zu begleichen. Der Magistrat lehnte diesen Vorschlag jedoch strikt ab. Eine Kaserne in der Stadt würde enorme Kosten verursachen, zumal die Ausgaben für Heizung, Licht und Mobiliar viel höher lägen, als wenn die Soldaten in den Bürgerwohnungen einquartiert wären. Diese Ausgaben könnten die ärmeren Bürger nicht aufbringen, zudem würden nur die reicheren Bewohner von einer Kaserne profitieren. So sei es kein Wunder, wenn die »vermögenden Bürger und mittlern Bürger, welche die Zusteuer eines monathlichen Geldt Betrages lieber erlangefn], als die Einquartirung in natura [zu haben], [den Plan] in ihren Begehren favorisire[n], der Arme hingegen, welcher lieber etwas incommodität im hause hat, als das baar Geldt hergiebet [... würde durch die] Geldt Abgifften [jedoch] ruiniret«121. Der Rat zeigte sich »gantz gewiß, [daß sich] die allermeisten [Bürger] finden [würden ...]
welche gegen die Barraquen gesinnet [seien] und lieber die Einquartierung behalten« würden. Zudem würden die Soldaten, wenn sie erst einmal in den Kasernen wohnen würden, ohne bürgerliche Kontrolle sein und könnten dann ungehindert Brot backen und Bier brauen und so den Bürgern wirtschaftlichen Schaden zufügen122. Eine vom Magistrat genehmigte Informationsfahrt zu den Kasernen in Hameln123, die vom Billetamt bezahlt wurde, zeigte, daß der Rat mit seinen Befürchtungen nicht unrecht hatte. Vertreter des Hamelner Rates räumten vor den beiden Göttinger Abgesandten, Ratsherr Otto Johann Sothen und Zimmermeister Jonas Henrich Breden, zwar ein, daß es seit der Unterbringung der Soldaten in den Kasernen keine »Klage der Einquartierung halber« gegeben habe, »dagegen aber verachten die Barraquen alle, die aus der Bürgerschaft Gewerb und Nahrung treiben, welche dann auch der Uhrsach halber in einer besondern Supplie um Abschaffung der Barraquen und Einquartirung der Militz in ihre Häuser den König gebethen«124 hätten. Am 11. Oktober sandte der Rat einen detaillierten Bericht an den Geheimen Rat nach Hannover, dem er den Bericht der nach Hameln Abgesandten und die Anhörungsprotokolle beilegte. Hier machte der Magistrat noch einmal seine ablehnende Haltung deut121
NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6.
122
Vgl.
123 124
zur »Pfuschertätigkeit« von Soldaten S. 252—260. Zu den Hamelner »Baracken« vgl. Klingebiel, Weserfranzosen, S. 100—106. NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6.
I. Das
System der Einquartierung
233
lieh. In einer Nachricht vom 18. Oktober folgte die Landesregierung den Darlegungen des Rates und lehnte den Antrag der Gilden und Bürgerdeputierten ab. Nicht eine grundsätzliche Abneigung der Kriegskanzlei war für den abschlägigen Bescheid maßgeblich, sondern die Haltung des Stadtrates. Der Magistrat hatte in diesem Fall offensichtlich das Gemeinwohl der Bürger über die Interessen der Oberschicht gestellt. Die armen Bürger der Stadt hätten statt der bisher unbar zu erbringenden Leistungen (wie etwa Stellung eines Bettes für den Soldaten) bar zahlen müssen. Diese Zahlungen wären aber angesichts der begrenzten finanziellen Möglichkeiten eines größeren Teiles der Bürgerschaft nicht möglich gewesen. Vor diesem Hintergrund war dann die Diskussion um die Höhe der Baukosten und ihre Finanzierungsmöglichkeiten unerheblich geworden. Möglicherweise werden den Rat aber auch die Klagen Hamelner Bürger über die gewerblichen Tätigkeiten der Soldaten in ihren Kasernen beeindruckt haben. Gesondert in einheitlichen Bauten untergebracht, hätten die Soldaten nicht mehr unter der Kontrolle ihrer Wirte gestanden, die bislang allzu umfangreiche Gewerbetätigkeiten einschränkten. Eine von Gilden und Bürgerdeputierten sechs Jahre später an den Geheimen Rat eingereichte Bittschrift wiederum ohne vorherige Konsultation des Magistrats offenbart, daß man den Kasernenplan noch nicht aufgegeben hatte. Möglicherweise erhoffte man sich von dem neuen König größeres Entgegenkommen125. Mit der Bitte um Bereitstellung von Bauholz und eisernen Öfen machte man am 25. Juni 1729 den Vorschlag, zunächst probehalber nur einhundert Soldaten in Kasernen unterzubringen. Begründet wurde das Gesuch wiederum mit den Widrigkeiten, die das Zusammenleben mit den Soldaten mit sich brachte, »weilen der mehrste Theil davon nicht allein beweibet, und mit ziemlich vielen Kindern begäbet ist, sondern auch viele Bürgere von ihren einquartirten unverträglichen Soldaten, deßen Zanck begierigen Weibe und Kindern gar sehr molestiret, öffters ohne gegebene Uhrsache mit dem bloßen Degen über—
fallen und
zu
nichts
gehauen,
—
mithin in Leib und
Lebensgefahr gesetzet werden«126.
Vom Geheimen Rat auf die Eingabe der Bürgerschaft aufmerksam gemacht, bekräftigte der Rat seine ablehnende Haltung mit Hinweis auf die Argumente von 1723127. Zu einer weiteren Eingabe kam es dann zumindest bis zum Siebenjährigen Krieg nicht mehr128.
G.
Zusammenfassung
Das Einquartierungssystem war eine komplexe und detailliert geregelte Verfahrensweise, die erstaunlich wenig störanfällig war. Trotz gelegentlicher Pannen, Verweigerungen oder Betrügereien funktionierte die Einquartierung nahezu reibungslos. Nach einer jahrzehntelangen Disziplinierungs- und Gewöhnungsphase hatten sich die Bürger mit der Ein125 126
127 128
Georg II. bestieg im Jahre 1727 den Thron. NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6. Ebd., Schreiben des Geheimen Rates, 29. Juni, Antwort des Magistrates, 5. September 1729. Daß der Kasernenbauplan jedoch auch nach 1729 von Teilen der Bevölkerung noch diskutiert wurde, zeigt ein Lageplan aus dem Jahre 1736, in dem es ging um die Erschließung eines bisher brachliegenden Viertels in Göttingen auch ein möglicher Bauort für »Baraquen« eingezeichnet worden war. Vgl. dazu Brinkmann, Zierde und Annehmlichkeit, S. 284. —
—
234
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
quartierung bzw. der Zahlung des Servis' abgefunden. Sie stellten grundsätzlich weder die Unterbringung der Soldaten in ihren Wohnungen noch den Modus selbst in Frage. Die Darstellung gelegentlicher umfangreicher Beschwerdeschriften der Bürger ist im allgemeinen eher überzogen. Kritisiert wurde überdies nicht das System als Ganzes, sondern nur einige Ausformungen, etwa die Höhe des Ausmietungssatzes. Selbst das Hauptproblem, nämlich die durch den enormen Bevölkerungsanstieg und durch die Ausmietungspraxis verursachte Quartierverknappung, konnte durch die Flexibilität des Systems gemildert werden. Besonders die »private« und »öffentliche« Ausmietung erlaubte es den Bürgern, den zugeordneten Soldaten auszuzahlen und das eigene Haus für andere Zwecke zu nutzen. Wie sich gezeigt hat, konnten aber nur reichere Bürger »ausheuren«, den ärmeren Bürgern fehlte es hierzu an finanziellen Möglichkeiten. Diese ärmeren Bürger konnten jedoch ebenfalls davon profitieren, da sie Wohnraum an jene Soldaten vermieten konnten, die sich bei einem anderen Bürger ausgemietet hatten. Die allgemeine Mietpreisspirale wurde durch die Ausmietungspraxis noch zusätzlich nach oben getrieben. Die Soldaten waren jedoch aufgrund ihres Einquartierungsanspruches in der Lage, sich dem steigenden Mietniveau anzupassen. Dies hatte Auswirkungen auf den städtischen Wohnungsmarkt. Handwerker oder Tagelöhner, die über ein geringeres Mietbudget verfügten, konnten mit den Soldaten nicht mehr auf dem Wohnungsmarkt konkurrieren und mußten mit schlechteren Unterkünften vorlieb nehmen. aufschlußreich, daß nicht die Landesregierung, sondern der Magistrat den Kasernenbauplan von 1723 (und 1729) ablehnte. Der Rat sah in einer Kaserne mehr Nachais Vorteile und favorisierte die bisher geübte Einquartierungspraxis. Eine totale Entsachlichung des Servis', die sich die reicheren Bürger mit ihrer Initiative vom Kasernenbau erhofft hatten, ließ sich allein deshalb nicht vornehmen, weil die meisten Bürger den Servis nicht in bar hätten aufbringen können. Es ist
II. Steuern und
die
Ausgaben: militärbedingte finanzielle Belastung der Stadt
A. Art,
Berechnung, Erhebung und Verwendungszweck der militärbezogenen Steuern
Lizent, Servis und Proviantkorn
Wichtigste Einnahmequelle für den Landesherrn war die an den Stadttoren, Marktplätund Mühlen erhobene Umsatzsteuer, der Lizent. Auf bestimmte Waren und Güter mußten festgelegte Beträge oder anteilige Gebühren gezahlt werden, deren Höhe jeweils in einer Lizentordnung fixiert wurde. Die Gelder wurden von Lizentbeamten erhoben und an den zuständigen Lizentkommissar abgeführt, der sie nach Hannover weiterleitete. Wie bereits erwähnt, dienten diese Einnahmen der Kriegskanzlei hauptsächlich zur Besoldung der Soldaten. Der Lizent war die höchste Steuer, die die Einwohner zu entrichten hatten, und überstieg Servis und Proviantkorn um das Dreifache. Die Abgabe zen
II. Steuern und
Ausgaben:
die
militärbedingte finanzielle Belastung der Stadt
235
beschränkte sich nicht129, wie alle anderen Steuern, auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe innerhalb der Stadt, nämlich auf diejenigen, die das Bürgerrecht hatten bzw. auf solche, die immobilen Besitz in Göttingen ihr eigen nannten, sondern erstreckte sich auf alle Personen, die lizentpflichtige Waren kauften bzw. verkauften, egal ob Student, Bürger, Soldat, »Fremder« oder Auswärtiger. Wurden die Einnahmen des Lizents von nichtstädtischen Beamten zentral gesammelt und in Hannover als Sold auf die Regimenter verteilt, so waren Servis und Proviantkorn Steuern, deren Berechnung, Erhebung und Ausgabe in Eigenregie vom Göttinger Magistrat vorgenommen werden mußten. Da beide Abgaben auf die Bedürfnisse des in Göttingen stationierten Regiments zugeschnitten waren, blieben Ausgabe und Verwendung des Geldes bzw. der Steuerleistung im Gegensatz zum Lizent faßbar: Die Servissteuer diente zur Unterbringung der Männer, die Proviantkornabgabe der Brotverpflegung der Soldaten. Ebenso wie zur Servissteuer wurden auch zur Abgabe des Proviantkorns nur jene Personen veranlagt, die das Bürgerrecht besaßen. Alle »Fremden«, Soldaten und Universitätsangehörigen blieben steuerfrei. Damit verblieb ein zu besteuernder Kreis von etwa 1000 bis 1200 Steuerhaushalten. Die Berechnungsgrundlage beider Abgaben bildete die kleine Collecte130. Je nach tatsächlichem Bedarf bestimmte der Magistrat einen Multiplikator, mit dem die kleine Collecte vervielfacht wurde. Während der Servis in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts mit dem achtfachen Collectensatz konstant blieb, änderte sich die Berechnung des Proviantkorns häufiger. Je nach Bedarf, Ernteertrag und Getreidepreis kam es zu teilweise erheblichen Schwankungen131. Im Gegensatz zum Lizent konnten und sollten Servis und Proviantkorn auch in unbarer Form geleistet werden. Da von der baren und sachlichen Aufbringung der Servissteuer im Rahmen des Einquartierungssystems schon gehandelt wurde, bleibt die weitere Darstellung auf das Proviantkorn beschränkt. Zweck dieser Steuer war es, den in Göttingen stationierten Soldaten das dreimal im Monat zu reichende Roggenbrot zu finanzieren. Die Übergabe an den zuständigen (Proviant-)Kommissar konnte entweder in barem Gelde oder in Roggen geschehen. Im allgemeinen wurde von den Militärbehörden die Naturallieferung bevorzugt132, im Zeitraum von 1733 bis 1756 wurde lediglich 1742, 1745/46 und 1747/48 das Proviantkorn in bar gezahlt133. Je nach Zahlungsmodus (Korn oder Geld) und jeweiligem Getreidepreis errechnete der Magistrat die Höhe der Abgabe, in der Regel wurden pro Groschen kleiner Collecte ein Himten und drei Metzen Roggen veran-
schlagt134.
Ausführlich dazu Winnige, Krise und Aufschwung, Kap. III. 2. Vgl. S. 206-208, besonders Tabelle 50. 131 Vgl. Tabelle LX im Anhang. 132 Konkret wurde dies so gehandhabt, daß der König am Ende jeder Getreideernte ein Ausschreiben anfertigen ließ, in dem für jeden Ort und jede Stadt die Menge des abzuführenden Proviantkorns 129 130
133
134
fixiert wurde. Dies geschah auf Wunsch der Bürgerschaft. Vgl. Tabelle IX im Anhang. Es findet sich im Proviantregister jeweils der Eintrag: »Nachdem nun vorstehende Summe von der Bürgerschafft nach den Fuß der Collecte abgeführet wird, so ist nach den gewöhnlichen Fuß als
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
236
Aufwendungen bestritten, Besoldung des Personals noch verschiedene Extrakosten135. Der größte Sonderposten bestand allerdings in Ausgaben, die für die Reparatur der Wachstuben, des Von Servis und Proviantkorn wurden teilweise auch andere
außer der
Kommandantenhauses und der Schilderhäuser zu entrichten waren. Die Arbeiten wurden von den Serviseinnahmen bezahlt. Da die Stadt zusätzlich für die Instandhaltung von Wall und Graben verantwortlich war, mußte sie zur Bestreitung dieser Aufwendunfesten städtischen Haushalt einen im einrichten. Etat gen
Festungsbauausgaben Obwohl keine Steuer und nicht direkt von einzelnen Bürgern, sondern von der Stadt als Institution aufzubringen, zählten die Gelder, die für die Reparatur von Wall und Graben aufzuwenden waren, ähnlich wie Lizent, Servis oder Proviantkorn, zu den finanziellen Belastungen, die der Stadt und ihren Einwohnern aus der Existenz des kurfürstlichen Heeres im allgemeinen und der Garnison im besonderen erwuchsen. Je nach Reparaturbedarf betrugen die jährlichen Aufwendungen zwischen 40 und 700 Taler136. Diese Kosten waren im städtischen Haushalt fest eingeplant und nach systematischen sowie sachlichen Gesichtspunkten in drei Posten unterteilt137. Die Reparaturarbeiten umfaßten Wallaufschüttungen, Grabenaushebungen, Planierungen, das Beschneiden von Uferbewuchs sowie die Ausbesserung von Dächern, Dämmen, Geländern, Toren oder Mauer-
brüstungen138.
B.
Belastung durch militärbezogene
Steuern und
Ausgaben
Höchste Steuer
(nach dem Lizent) war der Servis. Zwischen 1728 und 1756 hätten die Bürger im Jahresdurchschnitt 4622 Taler (Geld und Sachleistungen) aufbringen müssen, die niedrigste Summe wurde 1728/29 mit 4099 Talern, die höchste 1748/49 mit 4986
Talern erreicht139. Der durchschnittliche Wert des einzutreibenden Proviantkorns betrug zwischen 1735 und 1756 pro Jahr 2239 Taler, 1742/44 waren mit 1358 Talern die niedrigste Quote, 1742/43 mit 4390 Talern der höchste Sollwert fixiert140. Beide Steuern übertrafen damit in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts die einzelnen städtischen Steu1 Mgr. Collecten 1 Himten 3 Metzen Rocken zu geben die Repartition darnach eingerichtet«; StAGö AB Wirtschaft. Für Servis und Proviantkorn waren dies Schreibkosten, verschiedene »Douceurgelder«, Kanzleigebühren, Buchbinderarbeiten, Porto und Agio. Zum Proviantkorn kamen noch zusätzlich als Extrakosten Aufwendungen für die Zwischenlagerung des Getreides und Schäden durch Mäusefraß. Zusätzliche Sonderposten aus der Serviskasse wurden bereits besprochen. Vgl. Tabelle XI im Anhang. Einmal unter »Wall und Türme«, unter »Mauer und Zwinger« und unter »Graben und Teiche«. Vgl. StAGö AB Kämmereiregister 1721/22 bis 1755/1756. Zu einzelnen Arbeiten und den wirtschaftlichen Impulsen der Handwerksaufträge vgl. den nächsten Abschnitt. Vgl. Tabelle VIII im Anhang. Vgl. Tabelle IX im Anhang. von
135
136
137
138
"9 140
II. Steuern und
Ausgaben:
die
militärbedingte finanzielle Belastung der Stadt
237
und Abgaben um ein Mehrfaches141. Gemessen an den gesamten städtischen Einnahmen und Ausgaben betrug der Anteil von Servis und Proviantkorn142 42 Prozent (Einnahmen) bzw. 47 Prozent (Ausgaben)143. Im Vergleich dazu fiel die finanzielle Belastung durch die städtischen Festungsbauausgaben mit 206 Talern im Jahresdurchschnitt vergleichsweise gering aus. Bei einem Anteil von 1,4 Prozent aller Ausgaben der Stadt erscheinen die Klagen des Magistrats über zu hohe Ausgaben stark überzogen. Im folgenden soll die Belastung der Bürger durch Servis und Proviantkorn im einzelnen veranschaulicht werden. In Tabelle 58 sind exemplarisch fünf Bürger aufgeführt: ein Tagelöhner, der zur Untermiete wohnte, ein Schuster mit geringem Besitz, ein Zeugmacher mit kleinem Brauhaus, ein Böttcher mit Haus-, Land- und Viehbesitz sowie ein Ackermann, der zwei Häuser und beträchtliche Mengen Land sein eigen nannte. Gerade für Bezieher geringerer Einkommen waren die Steuern kaum zu bezahlen. Bürgern wie dem aufgeführten Tagelöhner Krebs oder dem Schuster Bereit verschlangen Servis und Proviantkorn bereits zwischen 5 Prozent und 10 Prozent ihres Jahreseinkomern
—
—
Tabelle 58
Jährliche Steuerveranlagung von fünf ausgewählten Göttinger Bürgern, 1735/36 (kleine Collecte, Servissatz und Proviantkorn) versteuernde
Name
zu
Cyriacus Krebs
Tagelöhner; Häusling
Objekte
Johann Ludolph Schuster; Hslg; 1 Kuh; 2,25 Bereit Mg.Land 1. Kl; 0,5 Mg. Wiese
Zeugmacher;
Zacharias Damerahl
0,25 Mg. Land 1. Kl.
BrHs 1.
Christoph
Böttcher; BrHs
1,5 Mg. Land 1. Kl.
Bartold
Ackermann; GrBrHs; BrHs 1.K1 4 Pferde; 2 Kühe; 43,5 Mg. Land; 3,25 Mg. Wiese
Irsengart
Kl.;
Servissatz
7 Gr. 4 Pf.
1 Th. 24 Gr.
Proviantkorn 18 Gr
15 Gr
3 Th. 12 Gr.
lTh.
22 Gr. 1 Pf.
4 Th. 33 Gr.
1 Th. 18 Gr.
26 Gr. 5 Pf.
5 Th. 33 Gr.
2 Th. 18 Gr.
2 Th. 27 Gr. 6 Pf.
22 Th. 6 Gr.
7 Th. 18 Gr.
Kl.;
Eberwein
1.
kleine Collecte
1 Kuh
Quelle: StAGö AB Wirtschaft Proviantregister 1735; StAGö AB Kämmerei Servicerechnung 1735/36; Collectentabelle 1735/36 Erläuterung: BrHs Brauhaus; Mg. Morgen; Kl. Klasse; GrBrHs Großes Brauhaus; Th. Thaler; Gr. Groschen; Pf. Pfennig; Hslg Häusling. =
=
141
142 143
=
=
=
=
=
-
Umfangreichste Stadtsteuer war der Schoß, der sich im Jahresdurchschnitt zwischen 1720 und 1755 auf weniger als 600 Taler belief. Zum Schoß und anderen städtischen Steuern vgl. Winnige, Krise und Aufschwung Kap. III. 2.2. Zwischen 1735 und 1756 waren dies im Jahresschnitt 6900 Taler. Vgl. Tabelle XII im Anhang. Die Angaben über den städtischen Haushalt stellte mir freundlicherweise Norbert Winnige zur Verfügung.
238
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
vorausgesetzt, sie verdienten gut. War ihr Einkommen rückläufig oder wurden sie krank und arbeitsunfähig, war an eine Bezahlung überhaupt nicht mehr zu denken. Die Folge war, daß das errechnete Steuerquantum nie erreicht wurde. Die Fehlbeträge fielen um so höher aus, wenn es sich um bare Abgaben handelte. So wurden zwischen 1728 und 1756 im Durchschnitt fast 9% der unbar zu gewährenden Einquartierungsleistung nicht erbracht, während die Ausfallquote des bar zu erbringenden Servis' sogar durchschnittlich 21 % betrug. Beim ebenfalls materiell zu erbringenden Proviantkorn (Korn oder Geld) fiel der Anteil nicht abgeführter Steuern mit fast 30% noch deutlicher aus144. Bei diesen Ausfällen handelte es sich zum einen um sogenannte Remissionen, also um Steuernachlässe, die einzelnen Bürgern auf Antrag von der Obrigkeit gewährt wurden. Als Grund anerkannt wurden Krankheit und Unglücksfälle, die zu einer starken Beeinträchtigung des Einkommens geführt hatten145. Ebenfalls als »Remission« wurden zeitlich begrenzte Steuerbefreiungen, etwa »wegen Bauens« oder »als Fremder«, eingestuft. Da Erteilung und Entzug von Remissionen nach Vorgabe und Weisung der Landesregierung erfolgten, gingen diese Steuerausfälle nicht zu Lasten der Stadtkasse146. Anders verhielt es sich mit Restantengeldern, für die die Stadt aufkommen mußte. Restanohne eine Remission erwirkt zu haben nicht oder ten waren Steuerveranlagte, die nur teilweise die erforderlichen Abgaben leisten konnten. Meist waren dies Witwen oder alte und gebrechliche Männer, die bereits unterhalb der Armutsgrenze lebten. Einige Bürger zahlten aber auch nur deshalb nicht, weil sie mit der Stadt »in lite« (i.e. Streit) lagen147. Konnte jemand keine Steuern entrichten, wurde ihm zunächst von den städtischen Beamten Aufschub gewährt. Dies führte dazu, daß die Rechnungsbücher oft längere Zeit nicht abgeschlossen werden konnten148. Wenn auch nach Jahren noch keine Zahlung erfolgt war, wurden die »Service Restanten [...] in Gegenwart derer Gildendeputierten durchgegangen und weil dieselbe theils arm theils hinweg gezogen oder verstorben [...] in remisso abgesetzet«149. Da die Restantengelder in den Rechnungsbüchern als bezahlt gebucht wurden, ist eine detaillierte quantitative Bestimmung kaum möglich. Einzelne Aufstellungen zwischen 1732 und 1749 erlauben jedoch gewisse Rückschlüsse auf die Zahlungsunfähigkeit der Bürger150. Danach konnten pro Jahr durchschnittlich 15 Prozent151 der Steuerveranlagten keine oder nur unvollständige Abgaben mens
—
—
144
145 146
147
148
149 150
151
—
die Tabellen VIII und X im Anhang. In den Proviantregistern werden die Remittenten auch als »ganze oder halbe Nonvalente« aufgeführt. Dies ist schon daran zu erkennen, daß die Remissionsgelder vom abzuführenden Quantum abgezo-
Vgl.
gen wurden. Dieser Personenkreis war allerdings die Ausnahme. Nach einer Liste vom 22. August 1738 gab es vier Personen, die keine Steuern zahlen wollten; StAGö AB Belege zur Servicerechnung 1732/33 (sie!). So wurde zum Beispiel der Rechnungsjahrgang der Servissteuer 1732/33 erst fünf Jahre später, Ende 1738, abgeschlossen. Ähnlich war die Situation beim Proviantkorn: Im Register von 1742/43 wurde noch ein Außenstand von 1727 aufgeführt und das Register von 1747/48 konnte erst Ende 1755
abgeschlossen werden.
Vermerk vom 22. August 1738; StAGö AB Belege zur Servicerechnung 1732/33. Die Listen befinden sich ebd. (entsprechende Jahrgänge). Jeder Restant wurde mit den gen in den Collectentabellen und in den Servicerechnungen verglichen. Bei durchschnittlich 159 Restanten pro Jahr.
Eintragun-
II. Steuern und
Ausgaben:
die
militärbedingte finanzielle Belastung der Stadt
239
leisten. Der finanzielle Verlust war enorm: im Schnitt wurden 31 Prozent152 der bar zu erbringenden Servissteuer nicht gezahlt153. So wundert es nicht, wenn der Magistrat den Kasernenbauplan von 1723 mit der Begründung ablehnte, die Unterhaltungskosten für eine »Barraque« seien zu hoch und könnten nicht gedeckt werden, da es schon jetzt »unmöglich [sei, den] monathlichen Betrag [i.e. Servis] von der Bürgerschafft bey zu treiben«, weil der Servis »in Gelde [sie!] so schwer bey denen Bürgern fält«154. Da überdies die Ausgaben in einigen Jahren die Einnahmen überstiegen155, blieb die Jahresbilanz der Serviskasse in 18 von 28 Rechnungsjahren (1728 bis 1756) defizitär156. Im Januar 1738 mußte der Magistrat den Gilden eröffnen, daß die Serviskasse zahlungsunfähig sei und Verbindlichkeiten von über 1184 Talern aufweise157. Diese Fehlbeträge mußten durch Zuschüsse aus dem Stadthaushalt158 und durch Zahlungen der Landesregierung gedeckt werden159. Auch wurde versucht, die ausstehenden Gelder einzutreiben160. Es kam vor, daß der Billetvorsteher mit seinem Privatvermögen Defizite ausglich161. Zudem wurden seit 1749 die meisten Remissionsgesuche rigoros abgelehnt, so daß der Anteil der Steuernachlässe vom bar zu erbringenden Servis von 21 Prozent auf unter drei Prozent sank, während die Ausfallquote beim Proviantkorn konstant blieb162. C.
Zusammenfassung
militärbezogenen Steuern und Festungsbauaufwendungen erwiesen sich als außerordentlich hoch. Mit durchschnittlich über 7000 Talern pro Jahr wurde der Stadt und ihren Bürgern eine Summe abverlangt, die nahezu der Hälfte des städtischen Etats entsprach. Höchste Einzelsteuer nach dem Lizent war der Servis. Für viele an der ArmutsDie
152
Bei durchschnittlich restierten 269 Talern und einer angeblich realen Steuereinnahme von 866 Talern pro
153 154 155
156
157
158
159
160
Vgl.
Jahr.
Tabelle X im Anhang. Actum Göttingen vom 15. August 1723; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6, f. 67. Besonders während des Österreichischen Erbfolgekrieges lagen die Ausgaben für die Einquartierung zusätzlicher Truppen weit über dem Quantum der Friedensjahre. Vgl. Tabelle VIII im Anhang. Vgl. Tabelle VIII im Anhang. Vermerk vom 15. und 20. Januar 1738; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Die Gläubiger sind im einzelnen aufgeführt. Zur Deckung wurden auch andere Einnahmen oder Gelder verwandt, so zum Beispiel in der Servicerechnung von 1755/56 die »von der Brandassecurationscasse vor das Commendanten Hauß aufge-
kommenen« Gelder. In Abständen überwies der Geheime Rat Beträge an die Serviskasse, so im März 1745 100 Taler. Schreiben der Landesregierung vom 5. März 1745; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Nach jahrelangen Bemühungen gelang es zum Beispiel dem Magistrat 1748, den bislang steuerbefreiten Fabrikbesitzer Grätzel zu einer jährlichen Pauschalabgabe von 50 Talern zu zwingen. Zusätzlich
verpflichtete sich Grätzel zu einer einmaligen Nachzahlung von 300 Talern. Vgl. StAGö AB Servicerechnung 1748/49 und Koch, Honoratiorentum, S. 116ff. 161 Nach einer Aufstellung vom 17. März 1739 hatte der Billetherr Böning 390 Taler in die Billetkasse bezahlt! StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 99. Welche Motive Böning dazu bewogen hatten, bleibt unklar. Möglicherweise glaubte er, an dem Defizit nicht schuldlos zu sein. Vgl. einen ähnlichen Fall, den Winnige, Kassendefizite, dokumentiert. 162 Vgl. die Tabellen VIII und IX im Anhang.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
240
grenze lebende Steuerpflichtige waren solche Abgaben nicht zu leisten, sie mußten, wenn sie keine Remission erhielten, ihre Steuern »restieren« lassen. Bedingt durch solche Steuerausfälle und durch höhere Abgabenquoten in Krisenzeiten blieb zumindest die Serviskasse fast ständig im Defizit. Die fiskalische Belastung von Bürger und Stadt relativiert sich allerdings erheblich, wenn man die Gelder gegenüberstellt, die durch Sold und Kommissariatsaufträge jährlich in die Stadt flössen und unmittelbar Handwerkern, Krügern und Kaufleuten zugute kamen. Addiert man alle Beträge, ergibt sich das Vier- bis Fünffache dessen, was die Bürger für die Unterbringung und Brotverpflegung der Garnison sowie für die Reparatur bestimmter Festungsbauten und Verwaltungsgebäude abführen mußten163. Die >Bilanz< dürfte im einzelnen auf individueller Ebene recht unterschiedlich ausgefallen sein; einige Berufszweige zogen größeren Nutzen von der Garnison als andere. Nur die ganz Armen, jene, die schon die Steuern nicht oder nur teilweise erlegen konnten, konnten nicht von ihr
profitieren.
III. Die Garnison als Wirtschaftsfaktor Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt angedeutet, war die fiskalische Belastung der Bürger nur ein Resultat der Präsenz von Regiment und Garnison in Göttingen. Zugleich stellte die Garnison einen eminent wichtigen Wirtschaftsfaktor dar; mit ihren spezifischen Bedürfnissen beeinflußte sie die städtische Wirtschaft; Gilde und Zünfte stellten sich auf die neue Nachfrage ein: Mehr als 1200 zur Militärbevölkerung zählende Personen deckten ihren täglichen Bedarf an Nahrungsmitteln und Waren aller Art bei Göttinger Kaufleuten; Handwerker und Tagelöhner profitierten von Aufträgen der Kriegskanzlei. A. Tuch- und
Uniformherstellung
Tuchherstellung Am eindruckvollsten lassen sich die wirtschaftlichen Folgen und Auswirkungen des stehenden Heeres bei den tuchherstellenden und tuchverarbeitenden Gewerben zeigen, die gravierenden Veränderungen ausgesetzt waren. Dafür war zum einen der enorme Uni-
formenbedarf des Staates,
anderen die gezielte, nach merkantilistischen Grundsätzen ausgerichtete Wirtschaftsförderung der Landesregierung verantwortlich. Die kurhannoversche Armee benötigte alle zwei Jahre zwischen 15000 und nahezu 30000 Uniformen164. Dieser immense Bedarf war mit den herkömmlichen Produktionsmethoden nicht hinreichend zu decken. Die in einzelne Zünfte gegliederten, im allgemeinen aus 163
164
zum
Addiert man das Lizentaufkommen hinzu, wären nach Abzug aller Steuern immer noch mehr als 10000 Taler pro Jahr mehr in die Stadt geflossen. Je nach Armeegröße, vgl. Tabelle 1. Im Jahre 1741 beliefen sich die gesamten Herstellungskosten für die »Monturen« von fast 25 000 Soldaten auf etwa eine halbe Million Taler. In dieser Summe sind alle Material- und Herstellungskosten enthalten.
III. Die Garnison als Wirtschaftsfaktor
241
einem Meister bestehenden, unabhängigen und wenig marktorientierten Kleinstbetriebe konnten allein aus organisatorischen und technischen Gründen weder die gewünschte Qualität noch die erforderlichen Quantitäten liefern. Zudem fehlte es am notwendigen Betriebskapital; die Tuchmacher konnten Wolle nur in geringem Umfang kaufen und sich erst nach Veräußerung ihrer Produkte wieder neuen Rohstoff anschaffen165. Bereits ein geringfügiges Ansteigen der Rohstoffpreise brachte diesen Kreislauf zum Erliegen. Die Landesregierung versuchte deshalb, Einfluß auf die Betriebs- und Unternehmensformen auszuüben und veranlaßte die Gründung von Produktionsgemeinschaften, die allmählich zu einem Verlagssystem ausgeweitet wurden. Schließlich unterstützten die Geheimen Räte mit der Vergabe von Privilegien, Geldgeschenken und Steuererlassen die Gründungen von Textilmanufakturen und »Fabriquen«. Aus unabhängigen Tuchmachermeistern wurden allmählich lohnabhängige und dem Fabrikanten zuarbeitende Tucharbeiter166. Besonders in Göttingen veränderte sich die Struktur des Tuchgewerbes innerhalb weniger Jahrzehnte vollkommen167. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts erhielten die Gilden einen ersten Großauftrag zur Anfertigung von Uniformen für drei Regimenter168. Bereits im Jahre 1707 wurde ein landesherrlicher »Faktor« ernannt, der den Rohstoffeinkauf übernehmen und die einzelnen Herstellungsstufen koordinieren sollte169. Die Tuchmacher erhielten von dem Faktor die Wolle und lieferten ihm das fertige Produkt wieder ab. Sogenannte Schaumeister prüften die Qualität der Ware, bei Beanstandungen trugen die Tuchmacher das Risiko. Mit detaillierten Anweisungen versuchte die Landesregierung, die Beschaffenheit der Tuche zu verbessern und zu vereinheitlichen170. Einige Jahre später wurden die ersten Manufakturen gegründet, so im Jahre 1722 die Grätzelsche »Tuchfabrique«171. Der sagenhafte und »beispielhafte« Aufstieg des Faktors Johann Heinrich Grätzel, der 1711 noch als »Kunst- und Waidfärber« und 1721 als »Faktor in puncto Färberei« gearbeitet hatte, personifiziert die Umwälzungen im Tuchgewerbe172. nur
Zu diesem Problem Höttemann, Göttinger Tuchindustrie, S. 52. in diesem Zusammenhang Aßmann, Entwicklung großbetrieblicher Unternehmensformen, S. 209, der die Übergänge vom zünftig geprägten Produktionssystem bis zum industriellen Unter-
Vgl.
nehmen skizziert.
Das im Mittelalter bedeutende
Tuchgewerbe hatte im 17. Jahrhundert seine ehemalige Bedeutung vollständig eingebüßt. Mitteilung der Geheimen Räte vom 20. August 1689; StAGö AA Gewerbesachen, Tuchmacher, Nr. 38. Ein erster Probeauftrag war zwei Jahre zuvor eingegangen. Vgl. Deppe, Göttinger Tuchmacherei, S. 377; sowie Höttemann, Göttinger Tuchindustrie, S. 46. Der Auftrag von 1689 hatte ein Volumen von etwa 8600 Talern, vgl. ebd., S. 47. In diesen Zeitraum fiel die endgültige Entscheidung für eine einheitliche und alle Einheiten und Waffengattungen umfassende Uniformierung, vgl. Sichart von fast
Sichartshoff, Geschichte der hannoverschen Armee, Bd I, S. 296. Etwa das Weben, Walken und Färben der Stoffe, vgl. Aßmann, Entwicklung großbetrieblicher Unter-
nehmensformen, S. 210. Höttemann, Göttinger Tuchindustrie, S. 48 f. Zu Beginn der 1720er Jahre versuchten auch andere »Entrepeneurs« ihr Glück, vgl. Koch, Honora-
tiorentum, S. 60—75.
Zum Aufstieg vgl. die detaillierte Darstellung ebd., S. 98—108 und S. 111—124. Zu Grätzel auch Meiners, Kurze Geschichte, S. 95 f.
242
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Mit staatlichen Vorschußgeldern und Privilegien173 ausgestattet, kam er bald in den Besitz einer Walkemühle und einer Presserei und konnte so alle Produktionsstufen vereinen174. Im Jahre 1732 besaß er bereits 44 Webstühle und konnte ein Jahr später schon acht Regimenter175 mit Uniformtuchen beliefern. Mit mehreren Ehrentiteln ausgestattet, gewann Grätzel allmählich die »Alleinherrschaft« im Göttinger Tuchgewerbe176. Zwischen 1725 und 1755 erwarb er beträchtlichen Grundbesitz, außer seinen Fabrikgebäuden besaß er innerhalb der Stadtmauern allein dreizehn Häuser177. Am Vorabend des Siebenjährigen Krieges befanden sich nur noch die wesentlich kleineren Manufakturen der Fabrikanten Scharff und Funcke innerhalb der Stadt. Alle anderen Konkurrenten waren verdrängt worden; fast die Hälfte aller in Göttingen ansässigen Tuch- und Raschmacher arbeitete mittlerweile ausschließlich für Grätzel178. Im Verdrängungsprozeß waren die selbständig arbeitenden Tuchmacher gegen Fabrikbesitzer wie Grätzel chancenlos. Am 20. August 1726 klagten die Gildemeister dem Magistrat, daß alle Tuchrahmen von den Faktoren besetzt seien und die einzelnen Meister keinen Platz mehr für ihre Tuche hätten. Auf diesen Tuchrahmen wurden die frisch eingefärbten Stoffe getrocknet179. Zudem, so die Gildemeister weiter, würden sie im Gegensatz zu den Fabrikbesitzern zu spät erfahren, welche Regimenter »zur Lieferung kähmen« und könnten deswegen nicht »bey Zeiten vor dem Accordt die Couleur« bestimmen. Als Anfang Januar 1727 die Sollzahlen drastisch erhöht wurden und pro Regiment Uniformtuche für 196 Rekruten angefertigt werden mußten, kam es in Göttingen zu erbitterten Auseinandersetzungen zwischen den Fabrikanten und einzelnen Tuchmachern180. Wiederholt wurden Fabrikantentuche nachts auf den Rahmen zerschnitten oder »mit Kohle beschmiert«181. Doch solche Widerstandsformen nutzten den unabhängig arbeitenden Handwerkern wenig, langfristig hatten sie den Manufakturbesitzern nichts entgegenzusetzen. Da »für die Manufakturen [...] die Montierungslieferungen wesentlicher Bestandteil des Produktionsprogrammes«182 waren, blieben hohe Umsatzzahlen garantiert. Wenn die 173
Allein von öffentlicher Hand bekam er insgesamt 20000 Taler, vgl. Patje, Kurzer Abriß, S. 50 f. Dazu kam die Vergabe günstiger Kredite, vgl. Deppe, Göttinger Tuchmacherei, S. 377f. Zur jahr-
zehntelangen Steuerbefreiung und den staatlichen Förderungen vgl. Aßmann, Entwicklung groß-
174 175
betrieblicher Unternehmensformen, S. 206f. und Koch, Honoratiorentum, S. 62. Aßmann, Entwicklung großbetrieblicher Unternehmensformen, S. 215. Dies war fast ein Viertel der Gesamtarmee. Nach Angaben von Deppe, Göttinger Tuchmacherei, S. 377,
176
177
178
179
180
181 182
waren es
sogar
neun
Regimenter.
1733 wurde er vom König zum Manufaktur-Commissarius, 1748 zum Obercommercien-Commissarius ernannt, dazu Koch, Honoratiorentum, S. 106, S. 119, S. 73. Vgl. Denecke, Materialien zur Stadtplanung, S. 79 f. Vgl. Vom Fremden zum Bürger, S. 151 (Tabelle 23 »Besitz von Johann Henrich Grätzel«). Nach einer »Specificatio derer Tuch- und Raschmacher« vom 17. Februar 1756, ebd., S. 119. Nur noch 28% arbeiteten selbständig, 29% waren arbeitslos. StAGö AA Gewerbesachen, Tuchmacher, Nr. 45. Vgl. die Beschwerden des Buchhalters Schachtrup vom 16. Januar 1727 und die Aktennotiz vom 24. Februar 1727; ebd. Actum Göttingen, den l.März 1727; ebd. Aßmann, Entwicklung großbetrieblicher Unternehmensformen, S. 217.
III. Die Garnison als Wirtschaftsfaktor
243
Information zutrifft, daß Grätzel seit den 1730er Jahren regelmäßig acht Regimenter mit Uniformtuchen belieferte, hätte er demzufolge zwischen 1730 und 1755 jährlich im Schnitt mindestens 25000 bis 30000 Taler umgesetzt183. Ein komplettes weiß gefärbtes Uniformentuch hatte einen Wert von etwa zehn Talern, ein rot gefärbtes Tuch kostete etwas mehr als zwölf Taler184. Der enorme Uniformenbedarf und die gezielten staatlichen Förderungsmaßnahmen hatten nicht nur drastische Umwälzungen im Göttinger Tuchherstellungsgewerbe bewirkt. Eine andere Auswirkung war die Schaffung von Arbeitsplätzen. Grätzel wurde zum größten Arbeitgeber der gesamten Region. Er beschäftigte allein 1000 Wollspinner, die teils in Göttingen wohnten, teils täglich aus dem Umland, besonderes dem Eichsfeld, kamen und entweder in Heimarbeit oder auf dem Fabrikgelände arbeiteten185. Zum größten Teil waren dies Frauen. Es ist bezeichnend, daß der Stadtrat 1753 die Geheimen Räte bat, den Zugang lediger Frauen nach Göttingen nicht zu verbieten, da diese in den Fabriken als Weberinnen und Näherinnen »unentbehrliche« Dienste leisten würden186. Außer den Weberinnen und Näherinnen arbeiteten zahlreiche Facharbeiter für Grätzel, die mit dem Schneiden, Walken und Färben der Stoffe beschäftigt waren187. Schließlich dürften noch etliche formell unabhängige Kleinstbetriebe mittelbar von einer Auftragsvergabe abhängig gewesen sein188. Ein Beispiel dafür ist der Tuchmachermeister Andreas Jacob Bornemann, der Grätzel mit Wolle zu beliefern hatte189. Da auch die anderen kleineren Manufakturen, »welche ebenfalls Militärtücher herstellten«, zahlreiche Arbeiter beschäftigten190, dürften vom Uniformenbedarf in und um Göttingen direkt oder mittelbar mehrere tausend Menschen profitiert haben191. Diese Zahlen gerechnet auf einen Uniformenbedarf von etwa 5000 Stück (8 x 600) alle zwei Jahre. Noch 1732 erhielt der mit Grätzel konkurrierende Faktor Gallenkamp einen Heeresauftrag von 10000 Taler; StAGö AB Stadtratsprotokoll, Eintrag vom 31. Dezember 1731. 184 Das sind die Durchschnittswerte, auf deren Basis das Göttinger Leihhaus Kapitalien verlieh; StAGö AA Leihhaussachen, Nr. la. Das Leihhaus war 1731 mit der Intention eingerichtet worden, den Manufakturbesitzern eine Stärkung ihres Betriebskapitals zu ermöglichen, dazu Höttemann, Göttinger Tuchindustrie, S. 52. Die Fabrikanten konnten auf ihre Waren Geld zu einem günstigen Zinssatz von nur 3% leihen. Allein 1732 lieh sich Grätzel 11000 Taler, vgl. Koch, Honoratiorentum, S. 105. 185 Vgl. Jetztlebende Göttingen, S. 119; sowie Koch, Honoratiorentum, S. 113. Grätzel ließ eigens Häuser errichten, in denen seine Arbeiter wohnen konnten, vgl. Denecke, Materialien zur Stadtplanung, S. 79 f. 186 Ausgangspunkt war eine Überlegung der Landesregierung, wegen »des liederlichen Gesindels« in Göttingen und dessen schädlichen Auswirkungen auf die Moral der Studenten, den Zuzug unverheirateter Frauen stärker zu reglementieren. Brief vom 29. Juni 1753; StAGö AA Wachwesen, Nr. 20. 187 Koch, Honoratiorentum, S. 113, erwähnt für das Jahr 1739 144 Personen; Denecke, Materialien zur Stadtplanung, S. 79, notiert für das Jahr 1750 186 Facharbeiter. 188 D¡es betont auch Koch, Honoratiorentum, S. 105. 189 Bornemann in einem Schreiben an die Geheimen Räte vom 17. Februar 1727. Der Auftrag erwies sich als so groß (Anfang Januar waren die Sollzahlen erhöht worden, was die Herstellung zusätzlicher Tuche für die Rekruten bedeutete), daß Bornemann sogar den Gesellen Johann Hermann Holborn beschäftigen konnte; NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 41, vol. IV 190 Der Fabrikant Scharff beschäftigte 1753 120 Arbeiterinnen, Höttemann, Göttinger Tuchindustrie, 183
191
S. 61. Zu berücksichtigen ist freilich, daß eine >Vollbeschäftigung< wohl nur zu Stoßzeiten erreicht etwa bei Sollzahlenerhöhungen oder zum zweijährigen Uniformenwechsel.
wurde,
244
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Tuch- und
Uniformverarbeitung
Aufträge zur weiteren Verarbeitung der fertigen Tuche zu Uniformen oder zur Herstellung anderer Uniformteile sowie der Ankauf bestimmter Produkte wurden dezentral von jedem Regiment selbst in Absprache mit der Kriegskanzlei vergeben. In mehreren Edikten drang die Landesregierung im Rahmen ihrer merkantilistischen Wirtschaftspolitik jedoch darauf, nur einheimische Handwerker zu beschäftigen und Produkte lediglich im Inland
zu
kaufen192.
Wenn auch viele Arbeiten von Soldaten verrichtet wurden, wurden doch auch in erheb-
lichem Maße einheimische Handwerker aus der Textil- und Lederbranche mit Regimentsaufträgen bedacht. Leider sind detaillierte serielle Unterlagen, die über die jeweilige Höhe der Auftragsvolumen Auskunft geben könnten, nicht überliefert. Immerhin konnten wenigstens einzelne Beurkundungen von Aufträgen in den Stadthandelsbüchern lokalisiert werden, die einen allgemeinen Eindruck vermitteln. So wurden zum Beispiel der Göttinger Schnurmachermeister Matthias Friedrich Fleischer 1743 mit der Anfertigung von Schnüren und Bändern und der Schuster Johann Andreas Grube mit der Herstellung von 168 Paar Stiefel betraut193. Beim Sattler Heinrich Lempe wurden 1745 Patronentaschen bestellt; der Posamentier (Bortenwirker) Christoph Georg Mühlenpfort wurde 1741 mit der Anfertigung »von silbernen, seidenen und wollenen Tressen«194 und der Tuchmacher Johann Christoph Ziegeler 1738 mit der Herstellung von Wolldecken beauftragt195. Das rechnerische Gesamtvolumen der Uniformproduktion war beträchtlich: Für das in Göttingen einquartierte Regiment müssen alle zwei Jahre zwischen 3 000 und 3 500 Taler veranschlagt werden196. B.
Aufträge
durch
Festungsbau
Außer der Textilbranche profitierten auch andere Gewerbe von der Existenz von Garnison und Festung. Für die Reparaturen bzw. Neubauten an den Festungswerken und Verder wurden Garnison allem vor Handwerker des Bau- und Ausbauwaltungsgebäuden einzelne Fuhrunternehmer und diverse Tagelöhner benötigt. Den Besitzvergewerbes, hältnissen entsprechend erfolgten Auftragsvergabe und Bezahlung für die Reparaturen an den Ravelins und Contrescarpen durch die Kriegskanzlei bzw. den Kommissar, wäh192
Die Edikte wurden am
193
194
5. Januar 1756
dieser Regelung ausgenommen. StAGö AB Stadthandelsbücher 12, f. 303. Eintrag vom 20. Juni 1743 (Fleischer) und ebd., 11, f. 838. Eintrag vom 4. Februar 1743 (Gruber). Ebd., 13, f. 283. Eintrag vom 16. November 1745 (Lempe) und ebd., 11, f. 288. Eintrag vom 8. Juli 1741
195
(Mühlenpfort).
Ebd., 9, f. 247. Eintrag vom 30. Juli
1738. Als seine Soldaten im »Wintercampement« lagen, bestellDruchtleben im Jahre 1745 zusätzliche Decken im Wert von 500 Taler bei der Tuchmanufaktur Funcke; NHStA Hannover, Hann. 47 II, Nr. 35 vol. I. Bei durchschnittlichen Kosten von mindestens fünf Talern pro Uniform und einer Stärke von über 600 Soldaten. te
196
9. Oktober 1720 (CBL, Bd III, S. 152f.), am 10. Juli 1732 (ebd., S. 153) und (LVO, Bd II, f. 236) erlassen. Ausdrücklich waren Tücher für die Kavallerie von am
245
III. Die Garnison als Wirtschaftsfaktor
rend die notwendigen Arbeiten an Wall, Mauer oder Graben aus den Mitteln der Stadt bestritten werden mußten. Reparaturen am Kommandantenhaus, der Hauptwache und den Wachhäusern wurden mittelbar von der Stadt aus den Einnahmen der Servissteuer durch das Billetamt bezahlt.
Aufträge durch den Kommissar Während die städtischen Zahlungen durch die Kämmereiregister und Billetamtsrechnungen geschlossen überliefert sind, fehlt eine ähnliche serielle Quelle, der die Handwerksaufträge und Rechnungen des Kommissars entnommen werden können. Die Festungsakten der Kriegskanzlei enthalten nur sporadische Hinweise, so daß nur einige allgemeine Aussagen über das Volumen der vom Kommissariat bzw. der Kriegskanzlei vergebenen Aufträge getroffen werden können. In folgender Aufstellung wird zumindest deutlich, daß die jährlichen Aufwendungen vermutlich kaum unter 500 Taler, bei größeren Reparaturmaßnahmen sogar mehrere tausend Taler betragen konnten. Tabelle 59 Von der
1715—1755
Jahr
Art der Arbeit
Taler
1715 1716 1723 1726 1740
Anlegung neuer Contrescarpen Jahresreparaturaufkommen
5200 750 50 590 1100 350 350 860 30 260 80 460 1080 180 100
1744
1745 1746 1747 1750 1751 1752 1753 1754 1755
Quelle:
Kriegskanzlei finanzierte Reparaturarbeiten (unvollständig)
NHStA
Malerarbeiten
Jahresreparaturaufkommen Jahresreparaturaufkommen
Zimmer- und Maurerarbeiten einzelne Reparaturen
Stockhausreparaturen
Zimmer- und Schmiedelohn
Zeughausreparaturen
Maler-, Schmiede- und Zimmerarbeiten Maler-, Schmiede- und Zimmerarbeiten
Erneuerung der Zugbrücken Reparatur des Leinegeländers Schmiedearbeiten
Hannover, Hann. 47
IV 9, Nr. 4—13.
Der Kommissar scheint ausschließlich Göttinger Handwerker beauftragt zu haben; einige, wie der Zimmermeister Jobst Henrich Thon oder der Schmied Bestian Busse, wur-
den (soweit sich das aus den nur lückenhaft überlieferten Rechnungen überhaupt ersehen läßt) offensichtlich vom jeweiligen Kommissar bevorzugt. Zwischen 1751 und 1755
246
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
erhielt Busse alle anfallenden
Schmiedeaufträge197, Thon beantragte sogar, nachdem er Zimmerarbeiten verrichtet hatte, sich »kgl. Zimmermeister« nennen zwanzig Jahre lang zu dürfen198. Außer für Arbeiten an den Festungswerken wurden Handwerker mit der Herstellung einzelner Ausrüstungsgegenstände betraut. Im Mai 1739 fertigte der Sattler Lempe für 86 Taler 100 Ledereimer an und ein nicht namentlich genannter Göttinger Tischler zimmerte für 71 Taler »Spanische Reiter« (hölzerne Reitersperren)199. Im Jahre 1747 bzw. 1749 fertigten die Schwertfeger Meisner und Schütze für zusammen 36 Taler Klingen und »Pallasche« (gerade einschneidige Schwerter) an200. Schließlich profitierten auch die Holzhändler vom Bauholzbedarf des Kommissariats. Vor allem der Bauunternehmer Daniel Gebert konnte größere Mengen absetzen201. Städtische
Aufträge
Höhe und jährliche Verteilung der städtischen Aufwendungen für den Festungsbau (Wachhäuser, Kommandantenhaus und Schilderhäuser einerseits, Wall, Mauer und Graben andererseits) wurden bereits an anderer Stelle besprochen202. Insgesamt wandte die Stadt zwischen 1722 und 1755 9625 Taler für Arbeiten an den Festungswerken auf, was einem jährlichen Mittel von etwas über 280 Talern entspricht. Soweit es sich rekonstruieren läßt, wurden in diesem Zeitraum insgesamt mehr als 350 Personen kurz- oder langfristig beschäftigt. Im folgenden soll versucht werden, die Verteilung der Aufträge auf bestimmte Berufe, Betriebe oder Personen aufzuschlüsseln, um einen ungefähren Überblick auf die wirtschaftliche Bedeutung der Festungsarbeiten für bestimmte Berufsgruppen zu gewinnen. Da jedoch weder Jahreseinkommen noch Jahresarbeitszeit der Handwerker bekannt sind und deshalb die >zivilen< den >militärischen< Aufträgen nicht gegenübergestellt werden können, sind konkrete Aussagen über die jeweils betriebsgebundene finanzielle Bedeutung der Festungsbauaufträge nicht möglich. Den städtischen Rechnungsbüchern können im allgemeinen Beruf und Name des beauftragten Handwerksmeisters bzw. Betriebsleiters entnommen werden. Dagegen können Anzahl und Namen der jeweils mitarbeitenden Gehilfen nur relativ selten isoliert werden. Besonders die Tagelöhner sind namentlich kaum berücksichtigt; in der Regel wird 197
198
199
200
201
202
Busse setzte dabei jährlich etwa 50 Taler um. Darauf wies Thon in seinem Antrag vom 24. August 1716 hin; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9,
Nr. 5. Am 14. Mai 1739 meldete der Zeughausverwalter Lotze der Kriegskanzlei die entsprechende Auftragsvergabe; ebd., Nr. 11. StAGö AA Gewerbesachen, Schmiede, Nr. 3. Verzeichnis vom September 1747 und vom Dezember 1749. Zum Beispiel am 3. Februar 1752, als Gebert Eichenholz für 240 Taler lieferte, oder am 29. Juli 1754, als der Kommissar Tannenbohlen für 10 Taler orderte; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 13 und 14. Ebenfalls Eichenholz benötigte Kommissar Friedrichs am 7. November 1754, als er eine Rechnung über 240 Taler und 35 Groschen ausstellte. Vermutlich wurde wieder Gebert beauftragt; ebd. Vgl. allgemein S. 234—240, sowie die Tabellen XI und XIV im Anhang.
III. Die Garnison als Wirtschaftsfaktor
247
der Name des Vorarbeiters mit dem Zusatz »et Consorten« erwähnt und summarisch die Arbeitszeit angeführt. Ein weiteres Problem stellt die mangelnde Unterscheidung zwischen Lohn- und Materialkosten dar (Ausnahme: der nach Zeit berechnete Arbeitslohn der Tagelöhner), die eine Berechnung von Nettolöhnen nicht zuläßt. Aus diesem Grund können lediglich die Rechnungsbeträge herangezogen werden, die nur bedingt auf den tatsächlichen Verdienst hinweisen. Aus praktischen Gründen wurde jedes fünfte Jahr für eine Querschnittsanalyse ausgewählt. Bei der Auswahl wurden bestimmte Faktoren (Krieg und Frieden; Jahre mit hohem und geringem Reparaturaufkommen) berücksichtigt, die die Repräsentativität gewährleisten. In Tabelle 60 sind die Anzahl der jeweils beauftragten Handwerker und Tagelöhner sowie die Rechnungssummen aufgeführt. Im Jahresdurchschnitt wurden etwa 30 bis 50 Personen (Durchschnitt der sieben Erhebungsjahre: 42 Personen) mit Reparaturen an den Festungswerken und Verwaltungsgebäuden betraut. Da der Bezeichnung »et Consorten« nicht immer die genaue Zahl der jeweils beschäftigten Tagelöhner und Handlanger entnommen werden konnte, liegt die Gesamtsumme jedoch höher. Je nach Bedarf wurden spezialisierte Handwerker oder beliebig einsetzbare Tagelöhner benötigt. Wurden arbeitsintensive und personalaufwendige Arbeiten wie die Reinigung Tabelle 60 Anzahl der beauftragten Handwerker und Tagelöhner und Jahressumme der Rechnungsvolumen
Handwerker
(Meister Gesellen) Rechnungssumme (Taler) Gehilfen und Tagelöhner (mindestens) Rechnungssumme (Taler) Handwerker u. Tagelöhner Rechnungssumme Gesamt Quelle:
u.
StAGö AB Kämmerei Nr. 1,
1722
1727
1732
1737
1742
1747
1752
27 77
24 97
22 45
28 41
34 233
28 208
18 111
19 164
18
260
23 363
12 18
18 92
11 31
9 37
46 241
42 357
45
46 59
52 325
39
408
239
27 148
1747
1752
Kämmereiregister der angegebenen Jahre. Tabelle 61
Summe der
Jahresarbeitstage von Tagelöhnern
Erhebungsjahr Arbeitstage Quelle:
StAGö AB Kämmerei Nr. 1,
1722
|
1148
1727
|
1820
1737
1732
|
2541
|
126
1742
|
644
Kämmereiregister der angegebenen Jahre.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
248
Aufschüttung des Walles fällig, mußten entsprechend viele Männer im Taglohn beschäftigt werden. In den Jahren 1722, 1727 und 1732 lagen die Rechnungssummen um ein Vielfaches über den Auftragsvolumen für Handwerker. Die Übersicht zeigt, daß in Jahren umfangreicherer Instandsetzungsarbeiten mehrere tausend Arbeitstage abzuleisten waren. Unter Leitung des städtischen Wallmeisters wurden ungelernte Arbeiter verdingt, die wochenweise bezahlt wurden. Die Männer mußten Erdbewegungen, Anpflanzungen und Planierungen am Wall vornehmen, den Graben vertiefen und das Schilf an den Ufern schneiden. In Tabelle 62 sind die zeitliche Verteilung der Arbeiten und die Anzahl der im Sommer 1731 beschäftigten Tagelöhner aufgeführt. des Grabens oder die
Tabelle 62
Tagelöhnerarbeiten
an
Wall und Graben im Sommer 1731
Zeitraum
Art der Arbeit
3. Mai—10. Mai 10. Mai-17. Mai 17. Mai-24. Mai
Wallarbeiten Wallarbeiten Wallarbeiten Wallarbeiten Wallarbeiten Wallarbeiten Wallarbeiten Wallarbeiten Schilfschneiden Schilfschneiden
24.Mai-31.Mai 31. Mai—7. Juni 7. Juni—14. Juni 14. Juni—21. Juni 21. Juni—28. Juni 25. August 29. August
ArbeitsPersonen 11 15 13 14 15 15 18 17
? ?
Summe
Quelle:
StAGö AB Kämmerei Nr. 1,
Tage
Taler
77 105 91 98 105 105 126 119 ? >
11 22 19 13 17 21 35 20 4 4
826
166
Kämmereiregister der angegebenen Jahre.
Tagelöhner wurden auch als Handlanger für Handwerker eingesetzt, entweder auf eigene Rechnung oder zeitlich beschränkt für die Dauer eines größeren Auftrages als Konsorten eines Handwerksmeisters. Für qualifiziertere Arbeiten wurden Handwerker benötigt. Mußten Mauerabschnitte erneuert, Turmdächer repariert, Schlösser instandgesetzt oder das Kommandantenhaus gestrichen werden, brauchte man vornehmlich die —
—
Dienste von Maurern, Dachdeckern, Schmieden und Weißbindern. Dieser unterschiedliche, nach der jeweiligen Reparaturbedürftigkeit ausgerichtete Arbeitsbedarf wird in Tabelle 63 deutlich: Summarische und anteilige Rechnungssumme sowie die Anzahl beschäftigter Handwerker bzw. Tagelöhner schwankten jahrgangsweise stark. Fast die Hälfte der Gelder wurde im Schnitt der sieben Erhebungsjahre für die Dienste von Tagelöhnern aufgewendet. Unter den Handwerkern wurden tendenziell vor allem Maurer und Zimmerleute beschäftigt. Den weitaus höchsten Auftrag bekam im Herbst 1736 der Maurerbetrieb von Bestian Seeger, der für die Ausbesserung der Gewölbe unter dem Wall 200 Taler erhielt. Hier handelt es sich allerdings um eine Summe, in der die
III. Die Garnison als Wirtschaftsfaktor
249
Tabelle 63
Verteilung des Festungsbaugeldes in ausgewählten Erhebungsjahren auf verschiedene Berufsgruppen (in Taler) Jahi
Zimmerleute Schmiede Maler Fuhrleute Maurer Summe Tagelöhner Sonstige Per Summe Per Summe Per Summe Per Summe Per Summe Per Summe Per Summe Per Summe Tlr I % Tlr Tlr I % Tlr I % Tlr I % Tlr I % Tlr I % Tlr I %
1722 1727 1732
9,9 15,9 3,2 5,1 22,8 42,7 14,2
1737 1742 1747 1752
Sehn
Quelle:
42
10,8 8,2 2,5 23,7 12,3 15,9 6,8 24
16,3
11,5
6,6 1,9 4,4
20,3 4,3 6,3 43,2 21 12,4
StAGö AB Kämmerei Nr. 1, Per Personen; Tlr
Erläuterung:
=
=
68,0 72,8 88,9 30,5 28,3 12,9 25,0
4,1 0,8 0,5 3,4 29,8 7,5 2,0
0,0 0,0 0,2 15,3 2,2 3,8 8,1 4,2
19
6,9
16
138
46,6
0,4 0,3
0,2 1,7 0,3 10,9 0,7 2,1 42 254 100
Kämmereiregister der angegebenen Jahre. Taler; Summe Rechnungssumme. =
Maurer: Maurer, Steinsetzer, Steinbrecher und Ofensetzer. Zimmerleute: Zimmermann, Tischler, Dachdecker, Fenstermacher und Böttcher. Schmiede: Grobschmied, Kleinschmied, Klempner und Leuchtenmacher. Maler: Maler und Weißbinder. Fuhrleute: Ackermann und Höker. Sonstige: Schornsteinfeger, •Fischmeister, Brunnenmeister, Röhrenmeister, Seiler und Glaser.
Ausgaben für Steinbruch, Transport und Material nicht gesondert aufgeführt wurden. Andere hohe, jedoch gegenüber den 200 Talern für Seeger schon bedeutend niedrigere Summen bekamen 1747 der Maurer Hans Henrich Lippert, der für 85 Taler die Steindämme im Graben anfertigte, und der Zimmermann Henrich Gabriel Thon, der 1755 für fast 50 Taler am Bau der neuen Wachhäuser beteiligt war. Wie bei Seeger sind auch in den Rechnungen von Lippert und Thon Aufwendungen für beteiligte »Consorten« nicht extra aufgelistet. Solche hohen Rechnungssummen waren jedoch relativ selten, im allgemeinen lagen die Beträge bei nur wenigen Talern, oft blieben sie unter einem Taler203. nach und fanden etliche Handwerker oder TagelöhArbeitsaufwand Je Reparaturbedarf ner jährlich für zehn und mehr Tage Lohn und Brot204. In einzelnen Jahren betrug der Anteil der Festungsbauarbeiten an der von der Forschung errechneten Jahresarbeitsleistung fast zehn Prozent205. Den höchsten Wert erzielte der Maurergeselle Christoph Schachtebeck, der für Cyriacus Seeger arbeitete: er kam 1739 auf 38,5 Arbeitstage. Die Arbeitslöhne blieben zwischen 1722 und 1755 relativ konstant. Ein Tagelöhner erhielt 203 204 205
Tabelle XIII im Anhang. Tabelle XV im Anhang. So im Jahre 1739 für den Tagelöhner Daniel Polle, vgl. Tabelle XV im Anhang. Zur errechneten durchschnittlichen Jahresarbeitsdauer von Handwerkern und Tagelöhnern vgl. Löhne im vor- und frühindustriellen Deutschland, S. 188—295.
Vgl. Vgl.
250
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
je nach Schwere der Arbeit fünf oder sechs Groschen am Tag, ein Geselle verdiente sechs Groschen und ein Handwerksmeister neun Groschen pro Tag. Welchen Anteil die städtischen Festungsbauaufträge für die beteiligten Handwerker hatten und welche Bedeutung sie selbst diesen regelmäßigen Verdienstmöglichkeiten beimaßen, kann nicht geklärt werden, da weder zeitgenössische Aussagen noch Daten über die Vergabe >ziviler< Aufträge vorliegen. Es ist aber anzunehmen, daß die Aufträge des städtischen Bauamtes bzw. des Kommissars für nicht wenige Göttinger Familien eine willkommene Ergänzung ihres Einkommens bedeuteten. Aus der Sicht von Göttingens Tagelöhnern stellten die regelmäßigen Reparaturaufträge eine stets potentiell vorhandene, wenn auch zeitlich befristete Möglichkeit dar, das Existenzminimum zu verdienen. Neben Handlangerdiensten für Handwerker boten sich den vom Taglohn lebenden Männern vor allem durch die Instandhaltungsarbeiten an Wall und Graben zahlreiche Möglichkeiten des Broterwerbs. C. Soldaten als Käufer und Mieter Private Kaufkraft Die Kaufkraft der durchschnittlich 660 mit ihren Familien in Göttingen einquartierten Soldaten läßt sich aus den Soldzahlungen der Kriegskanzlei ermitteln. Jährlich überwies der Oberzahlkommissarius für Regiment, Artillerie und Kommissariatsbedienstete mehr als 20000 Taler, nach der Aufrüstung 1727 sogar mehr als 25000 Taler. Dies ist eine gewaltige Summe und entspricht dem zwei- bis zweieinhalbfachen des städtischen Etats. Eine Käuferschicht vergleichbaren Umfangs bildete sich in Göttingen erst Jahre nach der Universitätsgründung, als Professoren und Studenten Geld in die Stadt brachten.
Tabelle 64
Jahressoldzahlungen 1720 1729 1740
Quelle:
NHStA Hannover, Hann. 47 Nr. 163;
1720, 1729 und 1740 22800 Taler 26256 Taler 27444 Taler
Kriegskassenrechnungen der angegebenen Jahre
Da die Besoldungshöhe im Untersuchungszeitraum unverändert blieb, sind die Steigerungen zwischen 1720 und 1740 mit Personalaufstockungen zu erklären (Sollzahlenerhöhung und sukzessive Vermehrung der Artilleriegruppe). Von dem Sold wurden vor allem Le-
bensmittel (Fleisch, Fisch, Obst, Gemüse, Käse, Bier), Genußmittel (Tabak, Branntwein) und Konsumgüter (Kleidung für Frau und Kinder) auf dem Markt oder bei Göttinger Kaufleuten erstanden. Die Tatsache, daß der Magistrat einer Bitte des Kommandanten Voigt um die Einführung eines zusätzlichen Markttages in der Woche entsprach, zeigt, wie wich-
III. Die Garnison als Wirtschaftsfaktor
251
tig der Stadt die Kaufkraft der Soldaten war206. Auch die Landesregierung wußte um die Bedeutung der Soldaten als Käuferschicht. Als sich 1730 der Rat beschwerte, daß er weitere Artilleristen einquartieren sollte, wiesen die Geheimen Räte den Einspruch mit der Begründung ab, daß die Stadt sich nicht wegen der weiteren Servis- und Quartiergelder beklagen solle, da sich diese Männer nun in der Stadt aufhalten und »das Geldt bey euch verzehren« würden207. Einige Berufszweige der Nahrungsmittelbranche waren so von den Bestellungen der Soldaten abhängig, daß ihnen, als die Garnison 1741 vorübergehend die Stadt verließ, die Steuern »wegen Verminderung der Consumtion« erlassen werden mußten208. Soldaten als Mieter Wie bereits ausführlich dargelegt, bot das Einquartierungssystem mit der angewandten Ausmietungspraxis vielen Einwohnern die Möglichkeit, Wohnraum an Soldaten zu vermieten. Vor allem für ärmere Bürger, deren Haus bzw. Wohnung mindere Qualität hatte, so daß sie für eine Vermietung an Studenten oder Professoren nicht in Frage kamen, waren Soldaten begehrte Mieter209. Da sie über ein regelmäßiges Einkommen verfügten, somit pünktliche Mietzahlungen garantiert waren, wurden sie den Handwerksgesellen oder Tagelöhnern vorgezogen210. So ließ zum Beispiel der Tuchmacher Nicolaus Henrich Krische 1740 sein Soldatenbett auf eigene Kosten verbreitern, um einen weiteren (Soldaten-)Mieter aufnehmen zu können211. Nach einer »Specificatio« vom Februar 1734 gab es allein achtzehn Bürger, die sich auf militärische Kundschaft spezialisiert hatten und ganze Häuser an Soldaten vermieteten212. 206
207
208
209
210 211 212
Schreiben von Voigt vom Dezember 1707; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 3. Er begründete seinen Antrag damit, daß die Abstände von Markttag zu Markttag zu groß seien und die »darinnen liegenden Garnisonen, welche in specie nicht bürgerlich eingerichtet, sondern auch [...] ihren Haußhalt vorrathlich nicht einrichten können, auff diese 5 Tage [i. e. Sonntag bis Donnerstag ...] an Victualien, und sonderlich an Fleische, in Vorrath einkauffen« müßten und empfindliche Lebensmittel verderben würden. Zu den Markttagen vgl. auch Zeit- und Geschicht-Beschreibung, Bd I, Buch 2, S. 117. Antwort der Räte vom 13. September 1730; StAGö AA Militärsachen, Einquartierung, Nr. 87. Als sich in Münden die Bürger über zu hohe Militärsteuern beschwerten, antwortete der Geheime Rat von Steinberg am 14. Mai 1738, das »künfftig von der starcken Garnison [die zu erwartende] Nahrung diese Ausgabe« vergessen lassen wird. StAMü IX Militaría, B 2188. So hatten zum Beispiel der »kleine« und der »große« Müller 1741 einen Steuernachlaß mit der Begründung beantragt, daß »von der Zeit, da das Druchtlebensche Regiment [...] aus dem Lande marchiret«, ihre Nahrung empfindlich geschmälert würde. Stellungnahme des Rates an die Landesregierung vom 3. Januar 1744; StAGö AA Mühlen, Nr. 43. Bereits 1694 ereignete sich ein ähnlicher Fall, als der Müller Johann Andreas Rudorff um eine Senkung der Pachtsumme bat, da zur Zeit keine Soldaten im Lande seien. Brief an den Rat vom 8. Mai 1694; ebd., Nr. 6. Lediglich »gantz arme[n] Leute«, die zwar »wohl den nöthigen Platz haben«, blieb diese Einnahmemöglichkeit verwehrt, weil sie »nicht im Stande [waren,] die erforderlichen Bette[n] her zu geben«. Schreiben des Magistrats an die Kriegskanzlei vom 22. Mai 1755; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Vgl. die auf S. 228 f. erwähnte Klage der Tuch- und Raschmachergesellen. Actum Göttingen, den 9. Dezember 1740; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. »Specification derer Bürger, welche ihre Häußer an Soldaten auch ander Officier vermietet« vom 23. Februar 1734; StAGö AA Universität, Nr. 31.
252
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Modellrechnung gibt Aufschluß über das ungefähre Volumen soldatischer Mietzahlungen. Nach einer Auflistung aus dem Jahre 1740 war jeder dritte einfache Soldat oder Unteroffizier, insgesamt 223 Männer, »ausgeheuret«. Diese Männer erhielten im Monat 150 Taler, was hochgerechnet eine jährliche Summe von 1800 Talern ergibt.
Eine
D.
Zusammenfassung
Es ist deutlich geworden, daß die Garnison einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor darstellte. Bis zur Universitätsgründung war das Militär größter Arbeitgeber der Stadt und der näheren Umgebung. Monatliche Soldzahlungen der Kriegskanzlei und Festungsbauaufträge des Kommissariats verursachten einen jährlichen Geldstrom von etwa 25000 Talern, nach 1727 von etwa 30000 Talern, der direkt in den städtischen Wirtschaftskreiskauf floß. In dieser Summe sind weder die Zahlungen an die Tuchfabrikanten, noch die Gelder für die weitere Uniformherstellung berücksichtigt. Der wirtschaftlichen Bedeutung der Garnison waren sich die Zeitgenossen durchaus bewußt, einige Berufsgruppen waren von den Käufen der Soldaten regelrecht abhängig. Arbeit und Auskommen für viele, Wohlstand für manche, waren eine Auswirkung des Wirtschaftsfaktors Militär. Eine weitere Folge war die drastische Veränderung der städtischen Wirtschaftsstruktur, da sich die Bürger zwangsläufig den neuen Marktbedingungen anpassen und sich an den Bedürfnissen der Militärbevölkerung orientieren mußten. Am sichtbarsten und fundamentalsten waren die Umwälzungen im Tuchherstellungsgewerbe, das die Landesregierung aktiv mit der Vergabe von Privilegien an einzelne Fabrikbesitzer und voluminösen und regelmäßigen Aufträgen beeinflußte.
IV. Konkurrenz und wirtschaftlicher Schaden
durch die
Militärbevölkerung
Wie schon im Abschnitt über das Einkommen der Soldaten zum Ausdruck gebracht wurde, reichte der Sold im allgemeinen kaum aus, einen ausreichenden Lebensunterhalt zu finanzieren. War der Soldat zudem verheiratet und hatte Kinder, mußten sich Mann und Frau nach weiteren Verdienstmöglichkeiten umsehen. Begünstigt wurde die Suche nach weiteren Einnahmen durch den Umstand, daß den Soldaten zwischen den Wachdiensten und Exerzierübungen genügend Zeit blieb, sich eine Nebentätigkeit zu suchen. Waren sie überdies beurlaubt, konnten sie sogar längere Verpflichtungen ein-
gehen.
Diese Nebentätigkeiten stießen jedoch auf den Widerstand der Gilden und Zünfte, die die unliebsame Konkurrenz innerhalb der Stadtmauern ausgeschaltet wissen wollten. Auch der Magistrat war an den wirtschaftlichen Aktivitäten der Soldaten und ihrer Frauen nicht interessiert und versuchte, diese einzudämmen. Zudem bedrohten wildernde, fischende und Holz stehlende Soldaten die natürlichen Ressourcen der Stadt.
rV. Konkurrenz und wirtschaftlicher Schaden durch die
A.
Rechtliche
Militärangehörige
Militärbevölkerung
253
als »Pfuscher« und »Vorkäufer«
Grundlagen
Innerhalb der Militärgesellschaft galten praktisch keine wirtschaftlichen Einschränkungen: Jeder Soldat durfte für einen anderen Soldaten arbeiten, Reparaturen ausführen oder diesem selbstgefertigte Produkte verkaufen. Problematischer wurde es, wenn ein Soldat einem Zivilisten etwas verkaufte oder ihm Dienste anbot, da Militärangehörige von solchen, als »bürgerliche Nahrung« bezeichnete Tätigkeiten ausgeschlossen waren. Als Mitglied einer besonderen Sozial-, Rechts- und Berufsgemeinschaft besaßen die Soldaten weder das Bürgerrecht noch waren sie Angehörige einer Gilde bzw. einer Zunft. Beides war jedoch Voraussetzung, wollte man in Göttingen oder anderswo Handel treiben oder eine zünftige Profession ausüben. Diese Einschränkung galt natürlich auch für andere Bewohner, die wie die Soldaten weder einen Gildebrief noch das Bürgerrecht besaßen. Produzierte trotzdem jemand etwas, wurde er bestraft und als »Pfuscher« bezeichnet, seine Produkte als »Pfuscherware« deklariert und konfisziert. Lediglich in bestimmten ökonomischen Bereichen, die keinen Zulassungsbeschränkungen unterlagen, durften Soldaten und andere Nichtbürger arbeiten. Die Tätigkeit als Tagelöhner, Schuhflicker, Handlanger oder als Textilarbeiter in den Manufakturbetrieben galt als zunftfrei213. Diese grundsätzlichen Bestimmungen wiederholte die Landesregierung in einem Reskript vom 20. Februar 1702. Darin heißt es, daß alle Soldaten »sich der Treibung der Handwerker enthalten sollen« und nur für andere Soldaten arbeiten dürften214. Als erlaubte Arbeiten galten Schuster- und Schneidertätigkeiten mit der Einschränkung, daß nur die Uniformen einfacher Soldaten angefertigt werden durften, die kostbareren Uniformen der Unteroffiziere und Offiziere hingegen nicht.
»Pfuscherei« Die Erlaubnis, Uniformen für Gemeine herzustellen, begünstigte allerdings den Einstieg in verbotene wirtschaftliche Tätigkeiten. Am 7. August 1738 beklagte nämlich die Schneidergilde, daß sich in Göttingen »verschiedene Mousquetiers von hiesiger Milice befinden, [... welche] nicht so wohl die gesammte Mondirung vor die unter hiesiger Guarnison stehende gemeine Soldaten verfertigen, [...] sondern überdas vor die sämbtl. hiesigen Ober- als UnterOfficiers ingl. auch Studiosos und anderen, so es verlangen«, Kleidungsstücke herstellen würden215. Die Übergänge zwischen erlaubter »Soldatenschneiderei« 213
214 215
In diesem Bereich arbeiteten viele Soldaten und deren Frauen. So kratzte der Soldat Jürgen Ritzer ebenso Wolle für Grätzels Manufakturbetrieb (StAGö AA Landwirtschaft, Garten- und Feldkultur, Nr. 4. Actum Göttingen vom 7. August 1738) wie die Musketiere Gerlach und Fricke (StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Actum Göttingen vom 8. März 1749). Vgl. allgemein über wollspinnende und in Taglohn arbeitende Frauen und Soldaten den Bericht des Rates vom 27. Juni 1720; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. CBL, Bd III, S. 67 f. StAGö AA Gildensachen, Allgemeines, Nr. 26. Brief der Schneidergilde an den Geheimen Rat vom 7. August 1738.
254
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
und verbotener Schneiderarbeit für Offiziere oder Bürger waren fließend, zumal die Verlockung groß war, denn vor Entdeckungen durch Gildevertreter blieben die »pfuschenden« Musketiere relativ sicher. Dazu kam, daß die Offiziere ihre Untergebenen sogar ermunterten, ihnen Uniformteile anzufertigen. Am 10. Dezember 1729 beklagte die Hutmacherzunft, daß »die Chefs bey denen Regimentern, wan sie Leute von ihrer Profession unterm Regiment hätten, denen selben die Hüte aufs Regiment zu machen veraccordirten«216. Manche Angehörige der Militärbevölkerung, die für Grätzels Manufakturbetriebe (erlaubte) Arbeiten, etwa Nähen, Stricken und Spinnen, verrichteten, versuchten, zusätzlich in Eigenregie »kleine und geringe Schneider Arbeit« zu erledigen217. Wie das Beispiel der Schneider und Hutmacher zeigt, waren jene Soldaten im Vorteil, die über bestimmte Kenntnisse verfügten und einen zünftigen Zivilberuf erlernt hatten. Als besonders geschickt erwies sich der gelernte Tischler und Musketier Daniel Otte. Otte baute zwischen 1724 und 1729 dem Bürger Adolph Quentin »Schlag und Boden« und dem Bürger Fröhlich »eine Stube«; zudem fertigte er Christoph Biermann und dem Kronenwirt Hentze jeweils einen Kleiderschrank an, reparierte Daniel Rubahrt einen weiteren Schrank und zimmerte diesem noch drei Türen218. Beinahe eine feste Anstellung fand der gelernte Tuchfärber und Soldat Krüger, der längere Zeit für den aus Sachsen stammenden Schönfärber Johann Christian Kaune arbeitete. Wie eine Überprüfung durch die Gilde ergab, besaß Kaune 1725 einen kleinen Tuchmacherbetrieb, in dem er Wolle spinnen und färben ließ und die fertigen Tuche dann auf dem Wochenmarkt verkaufte. Neben Krüger hatte er weitere »Pfuscher« beschäftigt219. Andere Soldaten arbeiteten als Glaser bzw. Fenstermacher, Tuchmacher, Weißbinder oder Radmacher220. Weitere Möglichkeiten, zusätzliche Einkommen zu erzielen, boten sich den Soldaten, die über spezielle Qualifikationen verfügten, also den Feldschern und Musikern. Am 10. September 1734 beschwerten sich die Göttinger Chirurgen, daß »etliche von der Soldateske mit unterlauffen, und denen academicis Bürgern und anderen [...] Bürgern aufwarten, auch selbige accomodiren« würden221. Die »Pfuscherei« der Heeresmusiker, aber 216 217
218
219
220
221
StAGö AA Gewerbesachen, Hutmacher, Nr. 4. Actum Göttingen vom 10. Dezember 1729. Solche Arbeiten umfaßten zum Beispiel die Herstellung »sogenannter Bügel-Röcke«, die die Witwe des Sergeanten Ludwig Müller fertigte, oder »Brusttücher und Kinderzeug«, das der Invalide Paul Zellmann produzierte; ebd., Schneider, Nr. 10. Actum Göttingen vom 30. Juli 1736 und Schreiben Zellmanns an die Geheimen Räte vom 14. Juli 1749. Otte diente in der 4. Kompanie des Regiments Druchtleben vom 22. Februar 1724 bis zum 9. Juni 1731. StAGö AA Gewerbesachen, Tischler, Nr. 4. Actum Göttingen, den 6. September 1724, den 15. November 1724, den 1. Oktober 1727 und den 15. Juni 1729. Ebd., Tuchmacher, Nr. 52. Actum Göttingen den 17. Januar 1725. Ebenfalls als Färber arbeitete der Musketier Küster, der sich bei Andreas Christoph Becker verdingte. Actum Göttingen, den 25. August 1738; StAGö AA Landwirtschaft, Garten- und Feldkultur, Nr. 10. Zum Dienstverhältnis von Küster und Becker notierte der Stadtschreiber: Der »Soldate arbeite bey ihn [sie!] und gebe er ihn [sie!] auch eßen und trinken«. StAGö AA Gewerbesachen, Glaser, Nr. 2. Dies geht hervor aus einem Brief des Magistrats an die
Landesregierung vom 6. Februar 1754. Ebd., Bader und Chirurgen, Nr. 8. Actum Göttingen, den 10. September 1734. Zwar war den Feldschern die Anwendung äußerlicher »Curen undt [das] Bartschären« erlaubt, nicht jedoch die Ver-
rV. Konkurrenz und wirtschaftlicher Schaden durch die
Militärbevölkerung
255
auch anderer musikalisch begabter Soldaten, stieß auf den besonderen Unwillen des Stadtmusikanten Adam Wolfgang Seiffert, der sich durch eine jährliche Zahlung an die Kämmereikasse das Recht erworben hatte, mit seinen Gesellen für alle öffentlichen und privaten Anlässe222 von den Bürgern beauftragt zu werden. In einem Protestschreiben beklagte sich Seiffert über die unliebsame Konkurrenz: »In allen Wirthshäusern und publiquen Zusammenkünften, derer Herren Studiosorum wie auch bey vielen Bürger Gelagen, [hört man] so wohl in, als außer der Stadt plenaire instrumental Music, so wohl
Tages als Nachts wie auch noch bis jetzo, auf den Gaßen von denen hiesigen Regiments Hautboisten als auch besonders von den hiesigen Regiments musicalischen Pfuschern, (als deren Zahl nunmehr so groß, daß auch ohne Mühe unter deren Auslesung fast eine gantze Compagnie musicalischer Soldaten befindlich und gezehlet werden kan) biß wieder an den anbrechenden Morgen.«223 »Vorkäuferei« Versuchten die Männer, Produkte herzustellen oder in ihrem Zivilberuf zu arbeiten, um zusätzlich Geld zu verdienen, so spezialisierten sich die Soldatenfrauen auf den Zwischenhandel mit Lebensmitteln. In den umliegenden Dörfern und Gehöften kauften sie den Bauern Waren ab, etwa Obst, Gemüse und »Fettwaren« oder auch Dreschfutter für Kleinvieh224. In der Stadt wurden die Waren außerhalb der offiziellen Marktzeiten feilgeboten225. Aus der Vorkäuferei226 entwickelte sich ein reges Geschäft, einige Frauen bezogen bald feste Verkaufsplätze, andere wechselten ihren Stand regelmäßig oder verkauften ihre Waren direkt an der Haustür der Kunden. So saß zum Beispiel die Ehefrau des Gefreiten Dithmer an der »Scharfen Ecke«227, während die Frau des Musketiers Münch an der Haustür Äpfel, Birnen und Nüsse anbot228. Je nach Jahreszeit schwankte die Zahl der Vorkäuferinnen, von denen sich wohl mindestens 50 innerhalb der Stadtmauern aufhielten. Im Frühjahr 1750 monierte der Magistrat, »daß der Obstweiber und anderer Vorkäuferinnen in der Stadt übermäßig viel werde, und sich absonderlich viele Soldatenweiber darunter befinden«229.
Schreibung und Zubereitung innerlich anzuwendender Medikamente. Dazu auch die Nachricht der Landesregierung vom 25. April 1720. Vgl. zu den Göttinger Ärzten im 18. Jahrhundert Meinhardt, Göttinger Stadtärzte; und allgemein zu Chirurgen und Feldschern Sander, Handwerkschirurgen. Zum Beispiel zu den Gottesdiensten, zu Hochzeiten, zur Begrüßung des Neuen Jahres oder zu »convivia«. Zu »pfuschenden« Militärmusikern in Lübeck vgl. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 293 ff. StAGö Geheimer Rat, Bestallungen, Nr. 7. Beschwerdeschreiben Seifferts an die Geheimen Räte vom
5. Juni 1738.
Vermutlich wurde auch in kleinen Mengen mit Getreide gehandelt. Jedenfalls wurde am 19. Juni 1738 der Invalide Johann Christian Kratz beim Handel mit Weizen erwischt. StAGö AA Handel,
Verschiedenes,
Nr. 7. Dies wird deutlich in einem Bericht des Magistrats an die Landesregierung vom 27. Juni 1720; siehe StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. Der Name rührt auch daher, daß die Waren vor, also außerhalb des Marktplatzes verkauft wurden. Nach einer Liste vom 25. Februar 1750 hatten 16 Frauen einen festen Verkaufsplatz, während 11 Frauen »nicht aussitzen«. StAGö AA Handel, Verschiedenes, Nr. 7. Actum Göttingen, den 19. Dezember 1747; ebd. Actum Göttingen, den 16. März 1750; ebd. Einen Monat zuvor lag die Zahl der aktenkundig gewordenen Vorkäuferinnen bereits bei 27. Als am 26. September 1733 der Geheime Rat von Hardenberg
256
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Andere Frauen wie Anna Catharine Dehnert versuchten, sich als »Kleidersellerin« etwas hinzuzuverdienen230. Zusammen mit ihren Männern beteiligten sich die Frauen auch am Brennholzhandel231. Zum Zubereiten von Mahlzeiten und zum Heizen der Stuben unerläßlich, hatte Brennholz im 18. Jahrhundert existentielle Bedeutung. Die Soldaten sammelten im Wald trockene Äste, banden diese zu sogenannten Wellen zusammen und verkauften sie an Göttinger Bürger: »Allein die Soldaten dienten sich zu dem Ende des Holztragens, [...] ja [sie] trieben zum Theil daßselbe dergestalt, daß sie das Holtz bey Enden zusammen trügen, und in großen Quantitaeten hier wieder verkaufften, also eine rechte Handlung damit treiben.«232 1740 wurden sechs und 1749 zehn Soldaten namentlich genannt, die beim Handel mit Brennholz erwischt wurden233. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher gelegen haben. Außer mit Holz und bestimmten Lebensmitteln handelten die Soldaten auch mit selbst-
gebrautem
Bier234.
Wirtschaftliche
Erfolge
Einige Anzeichen deuten darauf hin, daß die »Pfuscher« und »Vorkäufer« in manchen Bereichen durchaus wirtschaftliche Erfolge erzielen konnten. So ermöglichte die günstige Auftragslage den als Weißbindern arbeitenden Soldaten sogar die Anstellung mehrerer Gehilfen235. Besonders großen Absatz hatten die »Soldatenschneider«, die »nicht so wohl vor sich als Meister arbeiten, sondern daneben eine gantze Stube voll und [...] eine [große] Anzahl Gesellen, so gleichfalls Soldaten sind, setzen« konnten236. Der Handel mit Brennholz schien mitunter ebenso einträglich zu sein, denn laut Angabe des Stadtrats hatte sich ein Soldat »durch das Holtztragen und dessen Verkauff dergestalt bereichert, daß er gantze Capitalia außzulayhen« imstande gewesen sei237. dem ° 1
2 3
4
5
Magistrat die »Verhütung derer Vorkäuffereyen« befahl, verlangte er, daß insbesondere
»von
Seiten der Garnison zu leistenden Beytrits Vorkehrung« zu schaffen sei, zitiert nach Gründung der Universität, S. 66—74, hier S. 67. StAGö AA Handel, Kommerzkollegium, Nr. 28. Bericht des Magistrats vom 14. Juni 1753. Zur Beteiligung von Frauen am Brennholzhandel vgl. den Bericht des Rates vom 27. Juni 1720; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Schreiben des Rates an die Landesregierung vom 3. Oktober 1740. Ebd. Übersicht vom 30. August 1740 und Actum Göttingen, den 3. März 1749. In einem Schreiben des Stadtmagistrats vom 13. September 1740 wird das verbotene Brauen von »Dünne-Bier« erwähnt. Der Drahtzieher des Bierhandels sei, laut einer Mitteilung vom 8. September 1740, ein »Capitain von der Cavallerie«, der sich in den umliegenden Dörfern aufhalte. StAGö AA Brausachen, Nr. 83. StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. Beschwerde des Stadtboten Johann Christoph Sörhagen vom 25. November 1738. Sörhagen erwähnte allerdings vor allem Invaliden, die das Weiß-
binderhandwerk betrieben. 6
7
StAGö AA Gildensachen, Allgemeines, Nr. 26. Hier die Beschwerde der Schneidergilde vom 7. August 1738. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Schreiben des Rates an die Landesregierung vom 3. Oktober 1740. Zu berücksichtigen ist allerdings, daß der vorgesetzte Offizier des erfolgreichem Soldaten die Version des Rates bestritt.
IV Konkurrenz und wirtschaftlicher Schaden durch die
B. Reaktionen und
Militärbevölkerung
257
Gegenmaßnahmen
Bürger und Einwohner als Kunden Die Indizien über wirtschaftliche Erfolge
»pfuschender« Soldaten deuten bereits auf eine
durch die Göttinger Einwohnerschaft hin. So wurde der bereits erwähnte Daniel Otte zunächst von seinem Wirt gebeten, einen Schrank anzufertigen, ehe andere Bürger mit weiteren Aufträgen an ihn herantraten. Auf den wohl großen Absatz von Schneiderwaren wurde schon hingewiesen. Auch der Handel mit Lebensmitteln und Brennholz schien in Göttingen auf ein reges Interesse zu stoßen. Die Dienste der Feldscher und Musiker wurden ebenfalls gern in Anspruch genommen. Wie der Stadtmusikant Seiffert am 5. Juni 1738 erklärte, hatten allein innerhalb der letzten Monate zwölf Hochzeiten stattgefunden, an denen »pfuschende« Hautboisten aufspielten. Nicht nur die Offiziere, auch die »vornehmen Bürger« würden, so Seiffert, statt seiner Gesellen lieber Heeresmusiker »gern und willig« beauftragen238. Sogenannte Pfuscher wurden zumindest in einigen Bereichen offensichtlich von den Einwohnern bevorzugt. Dies hatte mehrere Gründe. Pfuscherprodukte und Dienste unzünftiger Personen waren im allgemeinen billiger als die Waren und Dienstleistungen der Gilden- und Zunftvertreter. Außerdem gab es kürzere >WartezeitenSchwarzarbeiter< erwischt, wurde er vom Rat in Beisein eines Offiziers verhört und wurde er eines Vergehens überführt bestraft246. Von den Behörden gefaßte Soldatenfrauen, die als Vorkäuferinnen gearbeitet hatten, wurden für einige Zeit arretiert247. Strafverfolgung und Aufdeckung verbotener wirtschaftlicher Betätigungen von Soldaten und deren Frauen waren jedoch aus Sicht der städtischen Behörden nicht unproblematisch. Militärangehörige konnten nur mit Einwilligung des Kommandanten bzw. der Kriegskanzlei von zivilen Dienststellen belangt werden. Eine solche Einwilligung wurde aber im allgemeinen nur bei eindeutiger Beweislage erteilt, in einigen Fällen wurde einem entsprechenden Ersuchen sogar trotz nachgewiesener Verten
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242
—
StAGö AA Gewerbesachen, Hutmacher, Nr. 4. Actum Göttingen, den 10. Dezember 1729. Zu beachist, daß solche Klagen vermutlich überzogen wurden. Dieses Argument wurde zum Beispiel 1748 benutzt, um den Vorkauf der Frauen zu verhindern. StAGö AA Handel, Verschiedenes, Nr. 7. Dieser Vorwurf ist jedoch unlogisch, da die unzünftigen Händler eher die festgesetzten Preise unterboten, um Absatz zu finden. StAGö AA Gildesachen, Allgemeines, Nr. 26. Schreiben der Schneidergilde an den Geheimen Rat ten
243
244
vom 245
246 247
7.
August
1738.
Nr. 10. Schreiben Zellmanns an die Landesregierung und Brief der Witwe Müller an die Geheimen Räte vom 27. Juli 1736. Vgl. den Fall Daniel Otte; ebd., Tischler, Nr. 4. StAGö AA Handel, Verschiedenes, Nr. 7. Actum Göttingen, den 19. Dezember 1747.
StAGö AA
Gewerbesachen, Schneider,
14. Juli 1749
vom
rV.
Konkurrenz und wirtschaftlicher Schaden durch die Militärbevölkerung
259
stoße nicht stattgegeben248. Da die Soldaten von ihren Auftraggebern oder Kunden gedeckt wurden und zahlreiche Möglichkeiten der Verschleierung bestanden, gestaltete sich die Beweisführung in vielen Fällen zudem als besonders schwierig249. Daher wurde nicht nur die Herstellung unzünftiger Waren verboten, sondern zusätzlich der Ankauf solcher Waren oder die Inanspruchnahme verbotener Dienste unter Strafe gestellt. Mit Anschlägen an den Toren und öffentlichen Gebäuden wurde die Bevölkerung auf das »Pfuscherverbot« hingewiesen. Jedem, der »Pfuscherprodukte« erwarb, drohte die Konfiskation des Gekauften und zusätzlich sechs Taler Strafe250.
Wirtschaftspolitik
der
Landesregierung
Die Haltung der Landesregierung den »Pfuschern« gegenüber war uneinheitlich. Einerseits drang sie auf Befolgung der gesetzlichen Bestimmungen und ermunterte die Ortsobrigkeit, gegen »Pfuscher« vorzugehen und die Rechte der Gilden zu bewahren. Andererseits schützten die Räte mitunter Schwarzarbeiter und griffen in die Rechte der Zünfte ein. Vor allem in den ersten Jahren nach der Universitätsgründung, als sich die mangelnde Leistungsfähigkeit der zünftig geordneten städtischen Wirtschaft offenbarte und der Aufbau der Hochschule ins Stocken zu geraten drohte, lockerte die Landesregierung den Zunftzwang. Sie protektionierte zeitweise den Zwischenhandel und bezeichnete ihn »als diensam und nöthig«251, da er ein ausreichendes Warenangebot in der Stadt gewährleiste252. Ebenso wurde der Gildebrief der Zimmerleute temporär außer Kraft gesetzt, da die einheimischen Handwerker nicht ausreichten, den hochschulbedingten Baubedarf zu dekken253. Diese je nach Sachlage »Zunftzwängen eher abholde landesherrliche Wirtschaftspolitik«254 führte jedoch nicht zu einer grundsätzlichen »Liberalisierung« der WirtschaftsSo verweigerte Druchtleben seine Mitarbeit, als die Stadt den Holzhandel der Soldaten unterbinden wollte. Die Kriegskanzlei schützte wiederholt Hinterbliebene oder Invaliden vor dem Zugriff des Magistrats. 249 So behauptete der Musketier Daniel Otte, der zahlreiche Kleiderschränke hergestellt hatte, er hätte nicht als Tischler (verboten), sondern als Tagelöhner (erlaubt) gearbeitet. Einer seiner Kunden, der Bürger Daniel Rubahrt, wies darauf hin, daß der inkriminierte Schrank ein Geschenk an Otte gewesen sei, der diesen lediglich für sich repariert habe. StAGö AA Gewerbesachen, Tischler, Nr. 4. Aussagen vom 1. Oktober 1727 und vom 15. Juni 1729. Ein weiteres Beispiel sei noch angefügt: Als dem Bürger Georg Wilhelm Quentin vorgeworfen wurde, er habe Regimentspfeifer mit der musikalischen Begleitung seines »Conviviums« beauftragt, antwortete Quentin, die Soldaten hätten kein Geld bekommen, sondern ¡hm nur eine Gefälligkeit erwiesen und für ihre Darbietungen lediglich ein Glas Bier und eine Pfeife Tabak erhalten. StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 27. Januar 1733. 250 StAGö AA Gildensachen, Allgemeines, Nr. 26. Schreiben der Landesregierung an den Magistrat
248
vom
26.
August
1738.
StAGö AA Handel, Verschiedenes, Nr. 7. Schreiben der Geheimen Räte vom 8. Dezember 1747. 252 Diese liberale Haltung betraf nicht nur den Handel der Soldatenfrauen, sondern schloß auch die Aktivitäten anderer Personen ein. Obwohl der Tuchmacher Thomas Jürgen Kayser als »Pfuscher« selbstgefertigtes Gebäck in den Straßen verkaufte, erfolgte keine Bestrafung, vgl. Möhle und Pröve, Göttinger Neubürger, S. 97 f. 253 Vgl. Kastner, Bürgerliches Wohnen, S. 200—206; sowie allgemeiner Vom Fremden zum Bürger, S. 115. 254 Vgl. Vom Fremden zum Bürger, S. 116. Allgemein zur Wirtschaftspolitik des 18. Jahrhunderts Blaich, Merkantilismus; speziell zu Kurhannover Püster, Möglichkeiten und Verfehlungen. 251
260
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Ordnung, wie sie in der Reichshandwerkerordnung von 1731 gefordert wurde255. Wurden bestimmte Dienste nicht mehr benötigt, drang man wieder auf eine scharfe Überwachung der Bestimmungen256. Im Gegensatz zu zivilen Schwarzarbeitern hatten die »Soldatenpfuscher« insofern größere Freiheiten, als die Landesregierung nach militärischen Gesichtspunkten >nützliche< Wirtschaftsaktivitäten durchaus duldete. Konnte ein Regimentschef auf die dienstliche Notwendigkeit, Offiziersuniformen durch eigene Soldaten anfertigen zu lassen, hinweisen, blieben Sanktionen im allgemeinen aus257. Dies ging soweit, daß die Geheimen Räte sogar das Erlernen eines Handwerks während der Dienstzeit duldeten:
»Ob nun wohl keinem Mousquetier, wenn er gleich zünfftig gelernt hette, während der Kriegs-Dienste freygestehet, in einer Stadt ein Handwerk zu treiben; so vermag jedoch solches nicht ausschließen, daß er nicht, wenn sein Chef damit zufrieden ist, während der Dienst-Zeit ein Handwerck zunftmäßig solte erlernen dörffen.«
Wie sich
gezeigt hat, waren die obrigkeitlichen Reaktionen auf »pfuschende« und »vorkaufende« Militärangehörige längst nicht eindeutig negativ. Da die »Pfuscher« in einigen Fällen qualitativ bessere Arbeit boten und vor allem ihre Produkte und Dienste prompter oder billiger anbieten konnten, hatten sie entsprechenden Zulauf, den auch die energischen Proteste der Gilden und des Magistrats nicht verhindern konnten. Hinzu kam, daß die Soldaten und ihre Frauen einen gewissen Schutz vor den Zugriffen der Ortsobrigkeiten genossen. Auf einhelligere Kritik durch Magistrat und Landesregierung stießen jedoch die zahlreichen wirtschaftskriminellen Aktivitäten. C. Exkurs:
Bedrohung der natürlichen
städtischen Ressourcen und Wirtschaftskriminalität
Stadtwald, Wild und Fischteiche Der Stadt und ihren
Bürgern gehörten außerhalb der Stadtmauern beträchtliche MenStadtwald, dessen Nutzung nur den Bürgern
gen Land259. Besonderen Wert hatte der
erlaubt war. Dieser diente als Reservoir für Bauholz und für Brennholz, das vor allem zur Herstellung von Bier und Branntwein benötigt wurde260. Vor allem Soldaten betrieben den lebhaften Handel mit Brennholz261. Sie sammelten nicht nur das Trockenholz (was 255 256
257
258
259 260
261
Die Ordnung ist abgedruckt in Herbst des alten Handwerks, S. 54—71. Bereits wenige Jahre später wurden mit Zustimmung der Landesregierung wieder Maßnahmen gegen »Obstweiber und andere Vorkäuferinnen« ergriffen. StAGö AA Handel, Verschiedenes, Nr. 7. Actum Göttingen, den 16. März 1750. Ähnlich »liberal« reagierte die Lübecker Kriegsstube auf »pfuschende« Soldaten. Schwark bilanziert: »fast könnte der Eindruck entstehen, als habe die Kriegsstube den Nebenerwerb im Handwerk stillschweigend toleriert«. Schwark, Lübecks Stadtmilitär, S. 292. Antwort der Geheimen Räte vom 23. Februar 1754 auf die Beschwerden der Zünfte und des Magistrats hin, daß mehrere Soldaten in Göttingen ein Handwerk lernten. StAGö AA Gewerbesachen, Glaser, Nr. 2. Vgl. Bartel, Besitz. Vgl. zum Göttinger Wald die Magisterarbeit von Borgemeister, Beiträge zur Waldgeschichte. Neben den Soldaten sammelten aber auch Invaliden oder andere als >Stadtarme< bekannte Leute Holz.
IV. Konkurrenz und wirtschaftlicher Schaden durch die
261
auch nicht gern gesehen wurde, immerhin aber nicht verboten werden konnte262), sondern schlugen auch »grünes Holz«. In mehreren Protestschreiben an die Landesregierung beklagten die Stadträte, daß »die Soldaten bey dem Holtztragen große Excesse begehen [und] vielen Schaden im Walde außüben« würden. »Tagtäglich« liefen viele Soldaten in den Forst und würden Holz, welches »noch auff dem Stam stehet« mit Sägen, Messern oder Beilen abschlagen. »Im vergangenen harten Winter« sei sogar Bauholz gestohlen worden263. Obwohl das Abhauen »grünen Holzes« streng verboten war den Soldaten drohte der Spießrutenlauf wurden immer wieder Musketiere mit frischem Holz aufgegriffen264. Ein anderes Problem stellte die den Soldaten gemäß Edikt vom 30. Dezember 1713 untersagte Jagd dar. Soldaten durften »keine Jagt-Hunde mit sich führen, noch aus ihren Quartieren mit Carabinern« gehen265. Lediglich Generälen und Kommandanten war die Jagd unter Beachtung der Hegezeit erlaubt. Doch weder Offiziere, Unteroffiziere noch Musketiere hielten sich an dieses Verbot. Immer wieder wurden Soldaten beobachtet, die in Jagdgesellschaften von vier bis sieben Personen das Gelände durchstreiften266. An einigen Gesellschaften nahmen auch Bürger teil. Selbst der Kommandant verstieß gegen jagdrechtliche Bestimmungen267. Soldaten wilderten nicht nur und stahlen Holz, sie plünderten auch die in der Umgebung von Göttingen angelegten Fischteiche. Im Sommer 1720 beschwerte sich der Stadtrat, »daß Leute von dasiger Garnison zur Ungebühr gejaget, oder auch in Häge-Wasser gefischet« hätten268. Das Fischen in Teichen und anderen Gewässern war den Soldaten jedoch wie das Jagen grundsätzlich verboten269. vom
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Stadtrat
Militärbevölkerung
zwar
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Dem Göttinger Magistrat mißfiel generell die Mitnahme von Holz durch Nichtbürger. Vorschläge an die Landesregierung oder den Kommandanten, das Sammeln von Trockenholz durch Militärangehörige verbieten zu lassen, wurden mit Hinweis auf die ökonomische Notwendigkeit abgelehnt. Allerdings wurde das Reisigsammeln im Jahre 1749 auf bestimmte Tage in der Woche begrenzt. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Schreiben vom 3. Oktober 1740. Frühere Klagen hatten zu einer landesherrlichen »Verordnung gegen diejenige so die Göttingische Stadt-Forsten bestehlen oder verwüsten« vom 12. März 1740 geführt. Inwieweit die Holzdiebstähle der Soldaten wirklich den Göttinger Stadtwald ernsthaft schädigten, kann nicht überprüft werden. Am Beispiel des Pfälzer Waldes verweist Allmann, Wald, S. 220—227, darauf, daß Berichten von Holznot oft wirtschaftliche Motive zugrundelagen. Vgl. auch Radkau, Holzverknappung. So zum Beispiel am 3. März 1749 fünf Soldaten, am 29. Juli 1749 zwei Männer, am 31. Dezember 1751 ein Soldat und am 17. Januar 1752 ein weiterer Musketier. Allein im März 1753 wurden 23 Fälle von Holzdiebstahl bekannt. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Jeweils Acta Göttingen. Solche aktenkundig gewordenen Fälle waren sicherlich nur die Spitze des Eisbergs. »Renovatio Edicti de dato 2. Mai 1698, die Jagt und Fischerey der Militair-Personen betreffend«; CBL, Bd III, S. 71—72. Allgemein zur Jagd im 18. Jahrhundert und den sozialen und wirtschaftlichen Folgen, Allmann, Wald, S. 239—250. Am 26. Februar 1734 wurden vier Musketiere mit zwei Flinten im Wald überrascht, und am 22. August 1740 beobachtete der Stadtdeputierte Ebel sieben Offiziere und Unteroffiziere »auf der Jagd«. Siehe StAGö AA Forstsachen, Nr. 221. Am 25. August 1732 wurden sogar elf Offiziere mit Jagdhunden gesehen. StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 25. August 1732. Druchtleben ließ während der Hegezeit jagen. StAGö AA Forstsachen, Nr. 221. StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 97. Schreiben des Magistrats vom 27. Juni und Antwort der Landesregierung vom 13. Juli 1720. Edikt vom 2. Mai 1698; CBL, Bd III, S. 71 f.
262
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Diebstahl, Nötigung und Unterschlagung Da den Soldaten und ihren Familien
trotz diverser Nebentätigkeiten immer noch das Diebstähle und Unterschlagungen. Besonders die mit Gemüse sie Nötigste fehlte, begingen und Obst angefüllten Gärten waren im Spätsommer und Herbst Anziehungspunkt hungernder Menschen. Immer wieder wurden vor allem Soldatenfrauen und -kinder, aber auch Musketiere von Feldhütern erwischt, so zum Beispiel die Tochter des Rüstmeisters Fricke und eine ungenannte Soldatenfrau beim Stehlen von Kohl, die Tochter des Musketiers Meyer oder der Soldat Küster beim Diebstahl von »2 Kohlköpfen und Pastenacken« (Wurzelgemüse) oder der Musketier Ritzer beim Entwenden von Mohrrüben270. Andere Militärangehörige stahlen Holz und zerstörten dabei Zäune und Bretterverhaue271. Die dienstlichen Befugnisse der Torwachen ermöglichten den Soldaten zusätzliche kriminelle Handlungen. Sie stahlen Waren von den Fuhrwerken oder erpreßten und nötigten die Fuhrleute, ihnen bestimmte Güter auszuhändigen. So beschwerten sich zum Beispiel 1746 die Fuhrunternehmer Christoph und Barthold Hampe sowie Andreas und Claus Bornemann, »die Wache [hätte ihnen] mit Schlägen gedrohet und [sie] genöthiget, Holz abzuwerfen«272. Die jeweilige Wachmannschaft an den Toren machte durchaus gemeinsame Sache, an der sich sogar der vorgesetzte Unteroffizier beteiligte. Dies zeigt folgender Fall aus dem Jahre 1749: Am 4. März berichtete der Fuhrknecht Nicolaus Schrader, daß ihm drei Tage zuvor zwischen fünf und sechs Uhr abends der Unteroffizier am Albaner Tor unter einem fadenscheinigen Vorwand befohlen habe, »stille« zu halten. In dieser Zeit hätten dann zwei Soldaten seine Ladung um einige Holzwellen er-
leichtert273.
Es konnte auch
vorkommen, daß Militärpersonen ihnen anvertraute Gegenstände, zum Beispiel Kleidungsstücke, die ausgebessert oder gewaschen werden sollten, unterschlugen. So stellte der Magistrat am 10. April 1750 fest, daß die Ehefrau des Fouriers Strube »von hier entwichen [sei und] bey verschiedenen hiesigen Einwohnern Sachen, so ihr zum
Waschen
anvertrauet
gewesen,
versetzet«
habe274.
StAGö AA Landwirtschaft, Garten- und Feldkultur, Nr. 10. Actum Göttingen, den 8. November 1736, den 25. August 1738 und den 26. September 1742 sowie ebd., Nr. 4. Actum Göttingen vom 7.
August 1738. So schnitten sich mehrere Jugendliche, darunter >Rekruten auf Zuwachs< und Kinder von Invaliden, Holz aus einem neuen Eichenzaun. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Actum Göttingen vom 26. April 1756. Sogar Unteroffiziere waren am Holzdiebstahl beteiligt: Am 17. Februar 1744 wurde Corporal Rosenstengel von einem Feldhüter dabei überrascht, wie er eine junge Weide fällte. Trotz eines Bestechungsversuches (Rosenstengel bot dem Mann eine Kanne Bier an) wurde der Soldat angezeigt. StAGö AA Landwirtschaft, Garten- und Feldkultur, Nr. 4. Actum Göttingen vom 17. Februar 1744.
StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 1. Actum Göttingen, den 1. August 1746. StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Actum Göttingen, den 4. März 1749 und Actum der Untersuchungskommission vom 8. März 1749. Der späteren Untersuchungskommission gab der befragte Unteroffizier, Corporal Jürgen Andreas Hanson, eine erstaunliche Antwort zu Protokoll: Er habe den Diebstahl deshalb nicht verhindert, weil ihn der Fuhrknecht nicht darum gebeten habe. StAGö A A Handel, Kommerzkollegium, Nr. 28. Schreiben der Stadt an die Landesregierung.
rV. Konkurrenz und wirtschaftlicher Schaden durch die
Pfandverleih und
Militärbevölkerung
263
Betrug
Pfandverleih gehörte als »verbotene Wucherey« zu den »unerlaubten Gewerben«275. Vor allem Frauen beteiligten sich an diesem Geschäft, das durch den enormen Geldbedarf der Studenten außerordentlich lukrativ war und ständige Kundschaft garantierte276. Brüdermann hat errechnet, daß die Zinsgewinne sehr hoch waren; bisweilen wurden Zinssätze bis zu 125 Prozent erreicht. Die Frau des Sergeanten Koppe lieh den Studenten ebenso Geld wie die Witwe des Hauptmanns Roddow. Zudem wurden einige geldverleihende Invalidenfrauen aktenkundig277.
Steuerhinterziehung Ein letzter Bereich der Wirtschaftskriminalität war die Hinterziehung des Lizents. Geschmuggelte Lebensmittel oder Konsumgüter, die Soldaten außerhalb Göttingens im benachbarten Hessen-Kassel günstiger erworben hatten, konnten in der Stadt mit Gewinn weiterverkauft werden278. Zwar beteiligten sich nahezu alle Bevölkerungsgruppen in Göttingen mehr oder weniger ausgiebig am Lizentbetrug, die Soldaten waren jedoch aus zwei Gründen den schmuggelnden Zivilisten gegenüber im Vorteil. Zum einen verfügten sie über eine detaillierte Kenntnis der Festungswerke und wußten, wo freie Übergangsstellen waren oder die Gefahr, entdeckt zu werden, am geringsten war. Zum anderen unterstützten die »Cameraden« der diensthabenden Torwache die schmuggelnden Soldaten. Mit Durchsuchungen des Gepäcks und »Haußvisitationen« bei verdächtigen Personen versuchten die Lizentbeamten, die »Defraudationen« einzudämmen. Bei dem Musketier Kramer entdeckte man mehrere Quartiere (ein Quartier 0,974 Liter) Branntwein sowie unlizensierte Kleidungsstücke279. Außer Branntwein und kostbaren Bekleidungsstücken wurden vor allem Tabak und Getreide geschmuggelt280, manchmal auch Fleisch281. =
'5
Diese 1753
6
Einschätzung machte der Stadtrat in einem Schreiben an die Landesregierung vom
deutlich; ebd.
Zum Geldbedarf der Studenten und zur obrigkeitlichen Bekämpfung der Kreditvergabe an Studenvgl. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 298—379 und speziell zum Pfandverleih S. 360—364. Etwa die Ehefrau des Invaliden Bleiert. Mit Vermittlungsgeschäften verdiente sich die Invalidenfrau Dehnert etwas hinzu, die eine »gelbe seidene Weste und eine weiße linnere Weste von dem Studioso Rougemont« dem Tuchmacher Lücking brachte und dafür einen Taler und 24 Groschen erhielt. StAGö AA Handel, Kommerzkollegium, Nr. 28. Actum Göttingen vom 23. Januar 1750 (Bleiert) und Schreiben des Stadtrates vom 14. Juni 1753 (Dehnen). So ergab die illegale Einfuhr von einem Quartier (0,974 Liter) Branntwein und einem halbem Pfund (ein Pfund 468 Gramm) Tabak bereits einen Steuergewinn von drei Groschen und vier Pfennigen. Diese Waren hatte der Soldat Hans Cyriacus Kazmann geschmuggelt. StAGö AA Abgaben, Licent, Nr. 25. Actum Göttingen vom 20. Februar 1755. Dies waren zwei Goldmützen, eine Silbermütze und zwei mit Silber besetzte rote Blusen; ebd., »Haußvisitation« vom 20. Februar 1755. Alltagskleidung war seit 1714 steuerfrei. Der Tambour Sprick wurde mit zwei Quartieren (= 1,95 Liter) Branntwein und einer viertel Rolle Tabak ertappt, ebd. Actum Göttingen vom 20. Februar 1755) und der Invalide Winzenborn wurde des Schmuggeins mit Roggen überführt, ebd., Nr. 12 Bd 1. Actum Göttingen vom 11. Dezember 1749). So wurde der Soldat Andreas Schneider mit drei Pfund Schweinefleisch erwischt, ebd. ten
7
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=
9
0
1
14. Juni
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
264
Einige Soldaten, wie die Musketiere Johann Felix Beyer und Johann Adam Kramer, waren so erfolgreich, daß sie »nicht allein öffentlich Brandtwein schenken, sondern auch mit Taback Handlung treiben, und also auch Gelegenheit haben, mit anderen den Licent unterworfenen Waaren zu handeln und herein zu bringen«282. Eine groß angelegte Untersuchung im Februar 1755 ergab, daß Beyer und Kramer in Göttingen ein ganzes Vertriebsnetz aufgebaut hatten, mit dem sie die Schmuggelware weiterverkauften; Kunden waren nicht nur andere Soldaten, sondern auch Bürger der Stadt. Reaktionen der
Obrigkeiten
Waren die Reaktionen der militärischen und zivilen Obrigkeiten auf die
Tätigkeiten der und »Vorkäufer« uneinheitlich und teilweise so wohlwollend, »Soldatenpfuscher« sogar und Kommandant jedoch geschlossen gingen Magistrat, Landesregierung, Kriegskanzlei gegen wirtschaftskriminelle oder die Ressourcen der Stadt verwüstende Soldaten vor. Wurde eine »Person, welche unter des Kriegs Gerichts Jurisdiction« steht, auf frischer Tat ertappt oder einer kriminellen Handlung verdächtigt, wurde eine Untersuchungskommission gebildet, an der sich Vertreter der Stadt und Offiziere des Regiments beteiligten283. Den Vorsitz führte ein Offizier oder der Auditeur, der den Delinquenten verhörte. Überführte Täter wurden teilweise mit empfindlichen Sanktionen bestraft: neben den üblichen Ahndungen (Geldstrafe und/oder Gefängnishaft)284 drohte zusätzlich eine Bestrafung nach Militärrecht285. D.
Zusammenfassung
Nebenerwerb, »Pfuscherei« und »Vorkäuferei«, aber auch die wirtschaftskriminellen Akti-
vitäten der Soldaten und ihrer Familienangehörigen hatten vornehmlich strukturelle Ursachen. Der Sold reichte zum Bestreiten des Lebensunterhaltes nicht aus, besonders wenn der Soldat eine Familie zu ernähren hatte. Die jahreszeitlich bedingte Häufigkeit bestimmter Delikte, zum Beispiel der Diebstahl von Brennholz im Winter, macht diesen Zusam-
menhang deutlich. beteiligten sich auch andere arme und einkommensschwache, nicht zur Militärgesellschaft gehörende Personen an Gelegenheitsarbeiten, Diebstählen oder Lizentschmuggel. Die illegalen Aktionen von Soldaten waren jedoch besonders schwerwiegend. Dies lag nicht nur an der großen Zahl in Göttingen lebender und arbeitender Soldaten, sondern vor allem an den spezifischen dienstbedingten Möglichkeiten und Kenntnissen Natürlich
282
283
284 285
Bericht von vier Lizentbeamten vom 6. Februar 1755; ebd., Nr. 25. Auf Vorschlag des Rates sollte eine ständige Kommission eingerichtet werden, in die Kriegsgericht, Stadt und Universität Vertreter berufen sollten. Brief an die Landesregierung vom 10. April 1750; StAGö AA Handel, Kommerzkollegium, Nr. 28. Dies schloß natürlich die Konfiskation der gestohlenen oder geschmuggelten Waren mit ein. Etwa dann, wenn der Kommandant eine nach zivilem Recht strafbare Handlung zusätzlich mit einer Strafe belegt hatte. So wurde zum Beispiel der Diebstahl von »grünem Holz« mit Gassenlaufen geahndet.
V. Soziale Konflikte und
Antipathien
265
der Männer. Wachsoldaten konnten am Tor während der Überprüfung eines Fuhrwerkes Warenladungen stehlen oder die Herausgabe von Gütern erpressen. Die genaue Kenntnis der Festungswerke erleichterte den Schmuggel mit unlizensierten Waren. Ein letzter Punkt war, daß die Verfolgung und Ahndung wirtschaftskrimineller Tätigkeiten durch städtische Beamte nur mit Einverständnis des Kommandanten erlaubt war. »Pfuscherei« und »Vbrkäuferei« wurden von der Bevölkerung durchaus unterschiedlich bewertet. Für Gilde und Zünfte waren die Soldaten lästige Konkurrenten; für Käufer bzw. Auftraggeber bestimmter Dienste waren Obstweiber und »pfuschende« Soldaten eher nützlich, da zum Teil die Produkte billiger und Dienstleistungen prompter und besser waren. Langfristig bedeutete jeder Schwarzarbeiter natürlich eine Beeinträchtigung des Steueraufkommens. Ausgeprägter war der »Schaden« für Stadt und Bürger durch kriminelle Übergriffe der Soldaten. Waldfrevel und Wilderei oder Erpressungen am Tor störten nicht nur empfindlich das Verhältnis zwischen Stadt und Garnison, sondern fügten auch spürbaren wirtschaftlichen Schaden zu, einmal dem Bürger als direkt Betroffenem und einmal der Stadt als Korporation. Die obrigkeitlichen Sanktionen und Reaktionen waren unterschiedlich. »Pfuscher« und »Vorkäufer«, die nur gegen zünftige Privilegien verstießen, wurden von den Militärbehörden und der Landesregierung zeitweise sogar geduldet. Dieses moderate Verhalten hatte mehrere Ursachen. Zum einen waren sich Kommandant und Kriegskanzlei durchaus über die manchmal prekäre ökonomische Situation ihrer Untergebenen im klaren und schützten sie vor Nachstellungen der Zünfte bzw. der Ortsobrigkeit. Zum anderen war die Landesregierung nicht abgeneigt, eine »liberalere« Wirtschaftspolitik zu verfolwenn sich daß die Zünfte die des Marktes nicht ausBedürfnisse gen, besonders, zeigte, reichend befriedigen konnten. Bei Aktivitäten, die nicht nur gegen zünftige Wirtschaftsordnungen, sondern auch gegen ordnungspolizeiliche Bestimmungen verstießen, wurde jedoch hart durchgegriffen. Lizentschmuggler, Holzdiebe, Betrüger, Wilderer oder Erpresser wurden von militärischen und zivilen Organen unnachgiebig verfolgt und bestraft. V. Soziale Konflikte und
Antipathien
Die Existenz einer Garnison in Göttingen hatte nicht nur finanzielle oder wirtschaftliche Folgen, sondern vor allem auch soziale Implikationen. Die Soldaten mit ihren Frauen und Kindern waren ein fremdes Element innerhalb der Einwohnerschaft. Fast alle waren außerhalb Göttingens geboren, etwas mehr als die Hälfte kam sogar aus einem anderen Territorium; viele waren im Gegensatz zur alteingesessenen lutherischen Bevölkerung katholischer oder reformierter Konfession. Lebensbedingungen und Tagesablauf der Soldaten unterschieden sich zudem erheblich vom bürgerlichen Alltag; Ehrbegriff und Verhaltensmuster kontrastierten deutlich voneinander. Schließlich gehörten beide verschiedenen Rechtsgemeinschaften an. Das enge Zusammenleben innerhalb der Stadtmauern führte zu sozialen Spannungen und Auseinandersetzungen, die zuweilen dienst-
266
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
bedingte Ursachen hatten, zum Teil jedoch Folge der sozialen, mentalen und kulturellen Differenzen waren. Der Bürger erlebte den Soldaten zum einen als »privates« Individuum außer Dienst, etwa in der gemeinsamen Wohnung, und zum anderen in der Gemeinschaft mit anderen Soldaten im Dienst, zum Beispiel in der Wachmannschaft an den Stadttoren. A. »Private« Probleme
Die
Wohnung als
Ort sozialer
Spannungen
gemeinsame Nutzung einer Wohnung war der engste Berührungspunkt zwischen Bürger und Soldat. Im allgemeinen zwangsweise zusammengesetzt, mußten sich Quartierwirt und untergebrachter Militärangehöriger notgedrungen arrangieren, damit ein reibungsloser Tagesablauf möglich war und ein für beide Seiten erträgliches Zusammenleben gestaltet werden konnte. Das System gegenseitiger Rücksichtnahme und Toleranz war jedoch außerordentlich störanfällig. Es genügte ein kleiner Anlaß, um schwelende soziale Konflikte und persönliche Antipathien offen ausbrechen zu lassen. Ein grundsätzliches Konfliktpotential ergab sich aus dem unzureichend geregelten Modus der Einquartierung. Zwar wurden in den Servisordnungen allgemein die dem Soldaten zu gewährenden Leistungen festgelegt, zugleich unterblieb jedoch eine detaillierte Beschreibung der Unterbringungsqualität, die eine generelle, übertragbare Norm geschaffen hätte. An diesem Manko änderte auch die Tatsache nichts, daß sich im Laufe der Einquartierungspraxis auf Seiten der Regimentsführung und des Billetamts allmählich in groben Umrissen gemeinsame Vorstellungen einer Art >Leistungskatalog< entwickelt hatten. Auf individueller Ebene wurden Umfang und Qualität der Einquartierung letztlich aber immer im Einzelfall geregelt und blieben ein persönliches Verhandlungsergebnis von Wirt und Soldat. Unterblieb ein für beide Parteien erträglicher Kompromiß, kam es wiederholt zu Auseinandersetzungen, die durchaus handgreiflich verlaufen Die
konnten. In der Wohnung des Bürgers Johann Henrich Pieper, der mit Frau und Sohn ein Brauhaus in der Weender Straße bewohnte und dem Musketier Henrich Angermann Quartier bot, war man sich zum Beispiel über die Nutzungsrechte der Küche uneinig286. Familie Pieper hatte sich schon seit längerer Zeit darüber geärgert, daß der Soldat recht selbstherrlich in ihrer Küche hantierte. Besonders aber verdroß es den Hausherren, daß Angermann selbst bei kleineren Gerichten sehr großzügig mit den Brennholzvorräten
umging:
»Maßen er auch, wenn er nur 1 Pfund Grütze kochet, ein falsch groß Feuer machet, daß das Feuer in den Schornstein schlaget, wodurch nicht allein mein Hauß, sondern auch die gantze Stadt in Brand gestrickelt werden könnte.«
Vorgang ergibt sich aus den Aussagen von Johann Henrich Pieper und Henrich Angermann, die am 28. März 1747 protokolliert wurden. StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Der gesamte Nr. 93.
V Soziale Konflikte und
Antipathien
267
Als Angermann sich am 28. März 1747 wieder einmal eine Schüssel Grütze in den Backofen stellte, um sie zu erwärmen, eskalierte die Situation. Mit der Bemerkung, es stehe ihm nicht zu, »die Schüssel in die Röhre zu setzen, weilen er ein Soldat wäre«, nahm Frau Pieper die Grütze heraus, da sie selbst das Mittagessen für ihre Familie zubereiten wollte und »das ihrige, was zu ihrer profession nöthig wäre, auch warm haben« müsse. Angermann wollte diese Brüskierung nicht hinnehmen, beschimpfte die Frau als »freches brutales Weib« und bedrängte sie mit »Ungestüm«, ihn zunächst sein Gericht im Ofen garen zu lassen. Beide begannen eine Rangelei; die Frau trat dem Soldaten auf die Füße, Angermann schubste sie fort und »stößte sie in der Stube herum«. Vom Lärm aufgeschreckt, kamen Pieper sen. und Pieper jun. in die Küche, die sich an dem Streit beteiligten. Der junge Pieper herrschte Angermann an, »er solte das Maul halten«, woraufhin der Soldat ihn »für einen groben Kerl, Ochsen, Esel und Flegel gescholten« habe. War zwischen Pieper und Angermann die Küchennutzung Gegenstand ständiger Querelen gewesen, so erwies sich zwischen dem Schuster und Tagelöhner Daniel Hertz und seinem einquartierten Soldaten Johann Ernst Löwe die korrekte Ausstattung des Bettes als Streitobjekt. Löwe hatte ein neues Laken gefordert, da der alte Bettbezug von seinem Vorgänger offensichtlich zum Stiefelputzen benutzt worden war und entsprechend verschmutzt war. Der Schuster verweigerte jedoch die Ausgabe neuer Bettlaken, warf ihm statt dessen ein Bund Stroh hin und beschimpfte Löwe als »Lausehund und Lausewentzel«. Später zu diesem Wutausbruch befragt, gab Hertz zu Protokoll, daß ihn das selbstherrliche Verhalten Löwes und dessen überzogene Forderungen aufgebracht hätten: »[Löwe sei] in seiner Abwesenheit zu seiner Frau ins Hauß [ge]kommen, [habe] das Billet gewiesen und sich gegen seine Frau gantz ungestüm bezeuget, einen Cammerschrank und gantz andere Überzüge über die Bette
gefordert287.«
Diese zwei
Beispiele zeigen deutlich, wie durch die Einquartierungssituation Auseinandersetzungen entstehen konnten, deren Verlauf und Ergebnis ganz unterschiedlich war. Immer handelte es sich aber um die Unterbringungsmodalitäten selbst und ihre konkrete Umsetzung. War der Wirt der Ansicht, der Soldat fordere zuviel, oder der Musketier der Meinung, ihm würden Leistungen vorenthalten, kam es zu Differenzen. Diese Differenzen mündeten im allgemeinen in grundsätzliche Debatten und gegenseitige BeschulDer sah sich zu Unrecht Bürger digungen. »erpresset«, der Soldat fühlte sich von »groben Leuten« umgeben, die nicht »wüßten [wie man einem] Soldaten zu begegnen« habe. Oft blieb es nicht bei verbalen Attacken und Beschimpfungen. Mehrmals wurden Handgreiflichkeiten oder Körperverletzungen (zumal, wenn beide Parteien zu Waffen griffen)288 aktenkundig; in einem Fall führte ein Streit zwischen Wirt und Soldat sogar zum Tode eines Beteiligten: »Endlich ist gar am Uten Nov. 1721 des Abends um 7 Uhr ein frommer und fleißiger Bürger nahmens Hans Jürgen Lüning auff seiner Werck Stätte von seinem eingequartirten Soldaten heimtückischer Weise gleich todt geschoßen worden.«289 287 288
289
Ebd., Nr. 97.
Actum Göttingen vom 25. Juni 1743. So holte zum Beispiel im Verlauf des Streites zwischen Pieper und Angermann der Sohn des Wirtes in der Küche ein »Schabe-Messer« hervor. Schreiben der Bürgerschaft vom 14. Juli 1723 an den König; NHSTA Hannover Hann. 47 TV 9, Nr. 6.
268
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Konnten Soldat und Wirt ihre
Unstimmigkeiten nicht selbst lösen, beschwerten sie sich beim vorgesetzten Offizier bzw. dem Billetamt und forderten ein anderes Quartier bzw. einen neuen Untermieter. Nicht immer wurde der übliche Beschwerdeweg eingehalten. So eilte zum Beispiel Frau Pieper nach ihrem Streit mit Angermann nicht in das Rathaus, sondern zu dem Kompaniechef des Soldaten und bat um Bestrafung des Musketiers. Da die Frau jedoch die >Etikette< nicht einhielt, brachte ihr dieser forsche Auftritt
weitere Unannehmlichkeiten290. Kommandantur und Stadtmagistrat versuchten, die Einquartierung möglichst reibungslos zu gestalten. Konnten Fourier und Billetamtsschreiber den Streit vor Ort nicht schlichten und zeigten auch Ermahnungen des Rates oder des Kompaniechefs keinen Erfolg, wurde im allgemeinen eine Umquartierung vorgenommen. Komplizierter wurde es, wenn »Injurien« begangen waren oder sich jemand beleidigt fühlte und auf Satisfaktion drang. Dann wurde eine Untersuchungskommission aus Vertretern der Stadt und der Garnison gebildet, die die Beteiligten verhörte und das Strafmaß aussprach291. Die Beweisführung war jedoch außerordentlich schwierig, da die Parteien im allgemeinen alle Vorwürfe abstritten292. In solchen Verfahren kam der Öffentlichkeit eine besondere Bedeutung zu. Zum einen konnten Nachbarn oder Passanten als Zeugen auftreten, zum anderen wurden laute Schimpfworte, die man auch auf der Straße hören konnte, im allgemeinen schärfer geahndet293. So wurde zum Beispiel der laut fluchende und die »gantze Straße in Alarm« versetzende Daniel Hertz »wegen ungebührlicher Aufführung« zu einem Tag Gefängnis verurteilt294. Vor allem, wenn abfällige Bemerkungen über die Obrigkeit gemacht wurden, griffen die städtischen Beamten bzw. die Offiziere hart durch. Die einvernehmliche Kooperation ziviler und militärischer Dienststellen bei der energischen Verfolgung und Ahndung von »Einquartierungsinjurien« wurde erst allmählich selbstverständlich295. Noch wenige Jahrzehnte zuvor zeigten Vorgesetzte kaum Interesse, Exzesse, die untergebene Soldaten gegenüber ihren Wirten ausgeübt hatten, zu unterbinden bzw. die Übeltäter zu bestrafen296. nur
290
291
292
293
294
295
296
w/;e ¿el ebenfalls ¡n ¿er Kompaniestube anwesende Fourier aussagte, sei Frau Pieper »bey seinen Capitain gewesen und hätte sich gantz impertinent bezeiget und den Mousquetier unter anderen einen Kerl geheißen« und bat den Rat im Auftrag des Chefs, »dieselbe dafür zu bestrafen«. So nahm zum Beispiel der Stadthauptmann Quentin am 11. November 1732 an einer Gerichtsverhandlung teil, die eine Klage des Goldschmiedes Eberwein gegen seinen einquartierten Soldaten zum Gegenstand hatte. StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 11. November 1732. Meistens hielt man sich dann an die Glaubwürdigkeit des Beklagten bzw. des Klägers. Im Fall Hertz/Löwe wirkte sich negativ aus, daß der temperamentvolle Schuster bereits vor einigen Jahren »einmahlen mit seinem einquartirten Musquetiers Streit gehabt« hatte. Im allgemeinen drohten ein oder mehrere Tage Gefängnisstrafe oder wahlweise eine Geldbuße, wobei pro Tag Freiheitsentzug ein Taler gerechnet wurde. Vor diesem Hintergrund wird verständlich, wenn Pieper jun. zu seinem Vater sagt: »Vater schweiget stille, wenn die Fenster-Laden aufgeschoben sind und die Thür zugeschlossen ist, wollen wir ihm [i.e. Soldat Angermann] seinen Theil schon geben.« Dies schloß freilich nicht aus, daß städtische Beamte eher den Argumenten ihrer Bürger, Offiziere
vornehmlich den Erklärungen ihrer Soldaten gegenüber aufgeschlossen waren. Ähnliche drastische Beispiele aus dem Jahre 1706 sind für Buxtehude und Stade berg, Zentralmacht und Sozialgeometrie, S. 442 f.
belegt bei Eich-
V Soziale Konflikte und
Antipathien
269
quantitative Bestimmung der Einquartierungskonflikte ist nicht möglich, da entsprechenden Akten des Billetamtes nur einige wenige Fälle entnommen werden konnten, die behördlich registriert wurden. Wahrscheinlicher ist, daß die weitaus meisten Auseinandersetzungen intern geregelt wurden und nicht an die Öffentlichkeit gelangten bzw. keine schriftlich fixierte Untersuchung durch Beamte des Billetamts nach sich zogen. Eine
Andere
Übergriffe und Auseinandersetzungen
Nicht
nur in der Wohnung, sondern auch auf der Straße oder im Wirtshaus konnte es Handgreiflichkeiten und Beschimpfungen zwischen Soldaten und zivilen Einwohnern kommen. Eine Durchsicht der Stadtratsprotokolle297 der 1720er und 1730er Jahre ergab, daß pro Jahr etwa zwei bis fünf Schlägereien vor dem Rat verhandelt werden mußten298. Es überwogen kollektiv geführte Auseinandersetzungen, am häufigsten waren Handwerksgesellen und Studenten beteiligt299. Insbesondere, wenn Alkohol im Spiel war, genügte ein geringer Anlaß, um eine Eskalation herbeizuführen. »Point d'honneur«, Korpsgeist und gruppendynamische Prozesse verhinderten dann im allgemeinen eine rechtzeitige gütliche Einigung300. Quantifizierung und Beurteilung tätlicher Auseinandersetzungen zwischen Bürgern bzw. Einwohnern und Soldaten erweisen sich, ähnlich wie die Bestimmung der Einquartierungsstreitfälle, als außerordentlich problematisch. Dafür ist nicht nur die unzureichende Quellenbasis verantwortlich. Zugleich dürfen Hinweise auf Schlägereien nicht überinterpretiert werden, da jedes reibungslose Treffen zwischen Soldaten und zivilen Einwohnern nicht mit einem entsprechenden Eintrag gewürdigt wurde. Angesichts dieser kalamitätsorientierten Notierungspraxis sollte man sich davor hüten, einzelne Belege zu verallgemeinern und entsprechende Vorkommnisse für alltäglich zu halten. Zudem ist es kaum möglich, die sozialen Auswirkungen von Prügeleien nachzuweisen. Da Verstöße gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung rigoros geahndet wurden301, wurde schnell eine gewisse Toleranzgrenze überschritten. Gerade weil militärische und zivile Obrigkeiten bei der Verfolgung und Sanktion von Übergriffen und Tätlichkeiten zusammenarbeiteten, dürfte die tatsächliche Bedrohung durch alkoholisierte und gewalttätige Soldaten für die Einwohner relativ gering gewesen sein302. zu
297
Polizeiprotokolle und Gerichtsakten der Zeit keinerlei Vorfälle zwischen Einwohnern und Soldaten verzeichnen, blieben die Stadttatsprotokolle und einige verstreute Einzelakten einzige QuelDa die
lengrundlage. Zum Beispiel am 12. Juni 1724 oder am 7. März 1732, jeweils StAGö AB Stadtratsprotokoll. 299 Zu Auseinandersetzungen zwischen Studenten und Soldaten vgl. Brüdermann, Göttinger Studen298
ten, S. 277-297.
Beispiel Pröve, Höckelheimer »Tumult«, S. 133—137; vgl. außerdem Brüdermann, GötStudenten, S. 277 ff. tinger 301 Tumulte und Prügeleien wurden von der Wache oder der Bürgermiliz aufgelöst und die Beteiligten arretiert. Waren »Injurien« vorgefallen, schloß sich eine Gerichtsverhandlung an. Vgl. Pröve, Höckelheimer Tumult; sowie StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 7. März 1732. 302 Deshalb von einem >Idyll< auszugehen und das Zusammenleben von Soldat und Einwohner als »angenehm« zu bezeichnen, wie es Meinhardt, Garnisonstadt Göttingen, S. 25, macht, geht allerdings 300
Mit einem
wohl deutlich
an
der Realität vorbei.
270
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Dies traf jedoch nur auf den >privaten< Soldaten zu, also einen Musketier, der sich nicht unmittelbar im Dienst befand und sich zum Zwecke der Freizeitgestaltung im Wirtshaus aufhielt oder im Quartier sein Essen kochte. Befand sich ein Soldat im Wachdienst oder hatte er einen Befehl auszuführen, konnte er durchaus Übergriffe gegen einzelne Personen als militärisch notwendig legitimieren. In diesem Fall stand er unter dem Schutz der Kompanie- und Regimentsführung. B.
Dienstbedingte Konflikte
Amtsmißbrauch der Wachsoldaten Wachsoldaten waren mit besonderen Vollmachten ausgestattet303. An den Stadttoren hatten sie die Aufgabe, Fuhrwerke und Personen zu kontrollieren. Da der Wache zumindest prinzipiell eingeräumt worden war, zur Beheizung ihrer Wachstuben sich einer Welle Brennholz pro hineingebrachter Holzladung zu bemächtigen, interpretierten dies die Soldaten als Anrecht, größere Holzmengen zu fordern oder sogar völlig andere Waren zu beschlagnahmen. Verweigerten Fuhrknechte die Herausgabe einzelner Gegenstände, wandten die Wachen Gewalt an. So wurde am 6. Dezember 1734 der Herberhäuser Holzhändler Friedrich Grothey von dem Wachunteroffizier Corporal Uhe mit dem Stock verprügelt, da er sich geweigert hatte, mehr als eine Welle Holz abzugeben304. Zu den Tätlichkeiten und Übergriffen der Soldaten kam für die Betroffenen deshalb oft noch ein materieller Schaden hinzu. Überschritten die Wachsoldaten allerdings den von der Garnisonsleitung eingeräumten und stillschweigend geduldeten Freiraum, kam es von Seiten des Regiments durchaus auch zu gerichtlichen Untersuchungen und Bestrafungen, insbesondere, wenn der Magistrat energisch intervenierte. Die geschädigten Einwohner hatten jedoch unmittelbar am Tor keine Möglichkeit, sich gegen die Soldaten zu wehren, zumal die Männer bewaffnet waren und eine Gegenwehr Gesundheit und Leben hätte gefährden können. Die besonderen Vollmachten spielten die Soldaten nicht nur an den Toren, sondern auch am Wall und in den Festungsanlagen aus. Verirrte sich weidendes Vieh auf dem Wall, sperrten die Wachen die Tiere ein und verlangten von ihren Besitzern zum Teil hohe, willkürlich festgelegte Geldsummen305. Gegen solche Maßnahmen, die durchaus umstritten waren, da die Soldaten das Vieh angeblich selbst auf den Wall getrieben hätten, waren die Einwohner machtlos. Da das Vorgehen der Wachen ausdrücklich von Druchtleben gebilligt worden war, nützten Beschwerden nur wenig306. Die Übergriffe auf Gesundheit, Eigentum und Ehre der Einwohner durch Soldaten, die im Dienst standen, fanden ihre Fortsetzung in gewaltsamen Werbungsversuchen. 303 304
305
306
S. 142 ff. StAGö AA Stadtverwaltung, Torwächter und Torschreiber, Nr. 2a; Actum Göttingen vom 6. Dezember 1734. StAGö AA Landwirtschaft, Viehzucht, Nr. 7. Actum Göttingen vom 25. August 1738. Für die Herausgabe seiner Kuh mußte Balthasar Ritzer zum Beispiel 18 Groschen zahlen, immerhin der Zweitageslohn eines Meisters. Angeblich hätten der »Kuhhirte, und des Schweinehirten Frau, wie auch des Thorschreiber Eber-
Vgl.
V. Soziale Konflikte und
Gewaltsame
Antipathien
271
Werbungsversuche
In ihrer Garnisonsstadt wandten die
Regimenter Druchtleben und Block vergleichsweiselten Gewalt bei der Rekrutierung an. Dies lag zum einen daran, daß es in Friedensjahren kaum Mangel an willigen Kandidaten für den Militärdienst gab und Zwangsmittel nicht eingesetzt zu werden brauchten. Zum anderen war die öffentliche Kontrolle in der Stadt relativ ausgeprägt und der soziale Rückhalt der »Opfer« so groß, daß die Werber ihre Aktivitäten hauptsächlich auf dem Land entfachten. In Zeiten erhöhten Soldatenbedarfs kam es jedoch auch in Göttingen zu gewaltsamen Werbungen. Die wohl schlimmsten Ausschreitungen ereigneten sich Anfang 1727. Am 31. Dezember 1726 war der Befehl eingegangen, jede Kompanie um 28 Soldaten zu verstärken. Dies war eine außerordentliche Steigerung von fast 30%, eine Zunahme, die im 18. Jahrhundert nicht annähernd wieder erreicht wurde307. Für das Göttinger Regiment bedeutete dies, daß innerhalb weniger Tage 196 Rekruten gefunden werden mußten. Dieser hohe Rekrutierungsdruck ließ die Soldaten alle Rücksichtnahmen vergessen; offenbar der Meinung, die »Ordre« vom 31. Dezember gebe ihnen die Ermächtigung dazu, stürmten die Männer in kleinen Trupps durch die Stadt, um »Kerl[e], die weder Haus noch Hof« ihr Eigen nannten, zu »pressen«308. Dabei zögerten sie nicht, Türen aufzubrechen und in Häuser einzudringen. Wie der Bürger und Schnurmacher Johann Leopold Wildt noch am 1. Januar beklagte, seien am Mittag Soldaten »in mein Hauß und Stuben gefallen und [hätten] meinen Lehrjungen Johann Balzer Ritzer [...] hinterm Werckestuhle beym Hären heraus gerißen und dabey fast den gantzen Stuhl nebst der darauf seiender Seide entzwey geschlagen und gehauen«. Einen Tag später beschwerte sich der Postmeister Johann Atzenheim, daß einer »meiner Postillions, wie er auß der Kirchen gekommen, auf öffentlicher Straße mit 4 Soldaten angepacket« worden sei. Am gleichen Tag brachte der Manufakturbesitzer Rötger Gallenkamp vor, daß ein Sergeant ihm »ins Haus gefallen [sei], willens einen meiner Wollenaußbinder nahmens Christoph Fricke daraus zu holen«309. Auch der Tuchmacher Jacob Bornemann berichtete, daß »in sein Haus [Soldaten] mit geladenem Gewehr« gestürmt seien und seinen Gesellen weggeschleppt hätten310. Alle Aufgegriffenen brachte man in die Wache, wo sie »zum Trinken alkoholischer Getränke genötigt, verprügelt, getreten oder auf andere Weise gequält« wurden311. se
307 308 309 310 311
wiens Haushälterin [...] gesehen, daß die Soldaten die Wallpforten, wenn solche schon zugemacht sind, wieder aufmachen, und das Vieh schüchtern, damit solches auf dem Wall laufen muß«. Die massiv vorgebrachten Beschwerden der Besitzer erbrachten lediglich eine geringe Senkung der Gebühren. Ygj ¿ie Kompaniesollzahlen für die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts in Tabelle 2. Vgl. die Schilderungen bei Pröve und Winnige, Göttinger Bürgersöhne, S. 95—99. Vgl. ebd., sowie NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 41 vol. I. NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 41 vol. IV. Supplikation vom 3. März 1727. »Henrich Schrader wurde hinter den Ofen gesetzt, ihm wurden die Haare mit Pulver angesteckt und seine Peiniger erklärten, sie würden ihn >das opus naturae nicht verrichten lassen, bis er Soldat werden wilh.« Pröve und Winnige, Göttinger Bürgersöhne, S. 96.
272
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Stellten sich den Soldaten Bürger in den Weg, etwa die Angehörigen oder der Lehrmeister, wurden sie verprügelt und beschimpft. So gab zum Beispiel Wildt zu Protokoll: »wie ich dieser gewalthat wiedersprochen, [hätten die Soldaten mich] mit den Degens hauen wollen, des Lehrpurschen seine Mutter aber dermaßen geschlagen und gestoßen, daß selbe braun und blau auffm Leibe und dene Armen [sei] und alß lahm das Bette hüten muß«312. Der ebenfalls Widerstand leistende Tuchmacher Bornemann wurde »geschlagen, gestoßen, getreten«, mit »aufgesteckten Bajonetten maltraitiret« und schließlich »in Ketten und Banden geleget« und zur Wache geschleppt313. Nicht nur Bürger, auch Soldaten wurden in Mitleidenschaft gezogen und verprügelt314. Wie Druchtleben sich in einem Schreiben vom 17. März 1727 an seinen Vorgesetzten, General von Bülow, bitter beklagte, hätten sich die »Bürger verhalstarret, sich der von mir abgeschickten Wachte, die meinen Recrouten holen und in Arrest bringen [wollte], sich zu wiedersetzen, ja sogar mit großen Steinen auff die Wachte zu werffen, davon viele Leuthe hart geworffen, auch den Fendrich Müller mit getroffen«315. Die brutalen und ungesetzlichen Überfälle der Soldaten ließen Magistrat, Gilden und Bürger unverzüglich handeln. Noch am Neujahrstag klagten Bürgermeister und Stadtrat der Landesregierung, daß »wir dergleichen [...] niehmahlen belebet«, und forderten, den Offizieren jedes gewaltsame Vorgehen zu verbieten, da sonst »die Stadt und Landt ruiniret, mithin nervus rerum gerendarum fehlen werde«316. Auch der Gerichtsschulze Neubour schilderte dem Geheimen Rat die »unerhörte[n] Excesse hiesiger Garnison [...] welche unsere arme Bürgerschafft [...] in großen Furcht und Schrecken gejaget« hätte und bat um Bestrafung der Verantwortlichen317. In zahlreichen Briefen und Bittgesuchen beschrieben Familienangehörige von »Gepreßten«, aber auch Gilden und Zünfte die Überfälle und baten um Entlassung der zu Unrecht festgehaltenen jungen Männer und um Wiedergutmachung des erlittenen Schadens318. Die massiv vorgebrachten Beschwerden ließen die Landesregierung schnell handeln. Druchtleben wurde angewiesen, alle Inhaftierten auf freien Fuß zu setzen, die Übeltäter zu bestrafen und den Opfern »Satisfaction« zu gewähren319. Zwar zog sich die materielle Wiedergutmachung noch längere Zeit hin, die »Gepreßten« wurden jedoch sofort freigelassen und die Verantwortlichen verurteilt320. 312
313 314
315
Schreiben des Magistrats an die Landesregierung vom 1. Januar 1727; NHStA Hannover, Hann. 471, Nr. 41 vol. I. Actum Göttingen vom 25. Februar 1727 und Supplikation vom 3. März 1727; ebd., vol. IV. Etwa der Corporal Wallbaum von mehreren Bürgern, als er sich allein auf der Straße befand. Actum Göttingen vom 25. Februar 1727, Bericht von Capitain Hamelburg und Leutnant Becker; ebd.
Ebd.
316
Ebd., vol. I.
317
Schreiben vom 27. Februar 1727; ebd., vol. IV. Ebd., vol. I-V Dies teilte die Kriegskanzlei dem Magistrat und dem Gerichtsschulzen per Eilbote bereits am 2. Januar mit! Ebd., vol. I. Ebd., Nachricht vom 2. Januar 1727 (vol. I) und Schreiben vom 13. März 1727 (vol. IV). Die schuldigen Unteroffiziere und Fähnriche wurden für eine bestimmte Frist zum einfachen Wachdienst (Schildwache) eingeteilt, ihr Sold für diese Zeit auf ein einfaches Musketiergehalt reduziert.
318 319
320
V. Soziale Konflikte und
Antipathien
273
Trotz dieser eindeutigen obrigkeitlichen Reaktionen und unverzüglich eingeleiteten Maßnahmen blieben die Ressentiments auf beiden Seiten noch für längere Zeit bestehen und belasteten das städtische Klima321. Im März wurden Bürger von der Wache als »Bürger-
Canailles, Hunden, Schelmen« oder »Galgenstricke« beschimpft, und der Unteroffizier Meyer ließ verlauten, wie Zeugen später aussagten, »die Bürger wären Canaillen, welche man todtschießen solte«322. Nicht nur die Soldaten, auch die Bürger und Einwohner ihre Antipathie. So trat zum Beispiel der schon erwähnte Tuchmachermeister Bornemann einem Corporal »auff der Straße in den Hintern« und drohte ihm mit seiner Obrigkeit, worauf der Soldat entgegnete, »er scheiße was auff ihre
zeigten unverhohlen
Obrigkeit«323.
Machten die Ereignisse vom Januar und Februar 1727 auf besonders drastische Weise deutlich, daß sich die Antipathien zwischen Bürgern und Soldaten durchaus handgreiflich in Körperverletzungen und Beleidigungen ausdrücken konnten, so muß zugleich betont werden, daß diese Vorkommnisse eine Ausnahme darstellten, die durch die exorbitante Sollzahlenerhöhung verursacht wurde. Zwar gab es immer wieder einzelne Vorfälle gewaltsamer Werbung, an die Ereignisse von 1727 reichten sie aber weder qualitativ noch quantitativ im entferntesten heran324. Der Verlauf der Auseinandersetzungen hat auch gezeigt, daß der korporative Geist von Bürgern und Soldaten nicht nur zur Solidarität mit einem Bedrängten ihrer Sozialgruppe führte, sondern auch die latent vorhandenen Abneigungen gegenüber der anderen Gruppe verstärkte bzw. zum Ausbruch brachte. C.
Zusammenfassung
Latent auf beiden Seiten vorhandene Antipathien und Vorurteile, die aus der stark differierenden Lebensführung und einem jeweils anderen Tagesablauf resultierten, ihre Ursache aber auch in der unterschiedlichen konfessionellen und sozialen Herkunft hatten, mündeten wiederholt in Beleidigungen und Gewalttätigkeiten. Die Bürger erlebten die Soldaten einmal als >Privatpersonim Dienstprivaten< Bereich konnten sich die Bürger unmittelbar zur Wehr setzen. Etwas anders gestaltete sich die Lage, wenn der Soldat im Dienst war. Den mit besonderen Vollmachten ausgestatteten Wachsoldaten mußten die Bürger gehorchen und konnten sich bei Übergriffen nicht sofort verteidigen. Offenbar war die Hemmschwelle der Soldaten niedriger, da sie keine oder nur eine geringere Sanktion durch Vorgesetzte erwarteten; deutlich wird dies, als Ende 1726 die Rekrutierungsorder 321
322
323
324
Auch später kam es zu vereinzelten Zwischenfällen. Als es zum Beispiel einigen Soldaten 1751 nicht gelang, einen Schustergesellen zu rekrutieren, »verschärften« sich »die Fronten zwischen Werbern und Schustergesellen«. Dazu Pröve und Winnige, Göttinger Bürgersöhne, S. 95. Actum Göttingen vom 25. Februar 1727 und Schreiben Jacob Bornemanns an die Kriegskanzlei vom 24. März 1727; NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 41 vol. IV. Ebd. Mit Beispielen aus dem Jahre 1724 und 1751 Pröve und Winnige, Göttinger Bürgersöhne, S. 93 ff.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
274
erging: Zusätzlich von Unteroffizieren ermuntert, zögerten sie nicht, auch in Bürgerhäuser einzudringen und bei Widerstand der Bewohner Gewalt anzuwenden. Wie das Beispiel von 1726/27 aber auch zugleich zeigt, ging die militärische Führung sehr wohl rigoros gegen Übeltäter vor, wenn sie unvertretbare Übergriffe verübt hatten oder wenn zivile Dienststellen oder breite Bevölkerungskreise vehement protestierten. »Privat« verübte Missetaten wurden von ziviler und militärischer Obrigkeit gemeinsam verfolgt, etwa bei Ausschreitungen gegen den Quartierswirt. Orte sozialer Spannungen waren vor allem die gemeinsame Wohnung, das Wirtshaus oder die vier Stadttore. Dies waren gleichzeitig die formalisierten Begegnungsstätten von Bürger und Soldat. Bereitet es kaum Mühe, mittels Berücksichtigung einzelner Tätlichkeiten und Beleidigungen, Indizien für eine latent gehegte Antipathie von Soldat und Bürger zu finden, so ist eine Quantifizierung dieser Gewalttätigkeiten unmöglich. Da im allgemeinen nur negative Nachrichten aufgeschrieben wurden, ist vielmehr die Gefahr einer tendenziellen Überbewertung und Verallgemeinerung einzelner Vorfälle gegeben. Ebenso wenig ist es möglich, Ausmaß, Hintergrund und Dauerhaftigkeit vorhandener Antipathien zu beleuchten. Nicht zu leugnen ist jedoch, daß es Phasen gab, in denen zwischen Bürgern und Soldaten die Abneigungen außerordentlich ausgeprägt waren.
Wie im nächsten Abschnitt zu zeigen sein wird, erwuchsen aus dem Zusammenleben von Militär- und Stadtbevölkerung nicht nur negative soziale Folgen. Zugleich waren viele Soldaten bestrebt, sich in die Göttinger Bevölkerung zu integrieren, eine Göttingerin zu heiraten, das Bürgerrecht zu erlangen und Besitz zu erwerben, kurz, von einem Militärangehörigen zu einem Mitglied der städtischen Gesellschaft zu werden. Auch die Bürger und Einwohner hatten ein Interesse, Kontakte zu Soldaten herzustellen.
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und
Integration
folgenden Abschnitt werden Indikatoren und Kriterien einer Integration von Teilen der Militärbevölkerung in die städtische Gesellschaft erörtert. Da die städtische Wirtschaft vielen Menschen Arbeit bot und die Bevölkerungsgröße Göttingens umfangreiche Absatzmöglichkeiten für Waren und Dienstleistungen verschiedenster Art garantierte, war die Leinestadt bereits vor der Universitätsgründung zu einem Anziehungspunkt für Menschen einer ganzen Region geworden. Generell dürfte also die Neigung der Soldaten, sich in Göttingen eine Existenz aufzubauen und in die Gesellschaft zu integrieren, recht ausgeprägt gewesen sein. Im
A.
Bürger und Soldat
vereint gegen die
Obrigkeit
Wie im Abschnitt über die Pfuschertätigkeit der Soldaten bereits angesprochen, existierten zwischen Bürgern und Soldaten durchaus Formen freundschaftlichen oder geselligen Umgangs, die häufig in eine wirtschaftliche Kooperation mündeten und sich gegen
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
275
zünftige Vorrechte und obrigkeitliche Steuergesetze richteten. Es ist bezeichnend, daß die Soldaten »nicht nur vor ihre Persohn selbst [den Lizent] defraudieren, sondern auch ihre[n] Wirthe[n] durchhelfen, auch die visitation nicht gestatten wollen«325. Diese Kooperation zum beiderseitigen Nutzen und zum Schaden der landesherrlichen Steuerkasse zeigte sich nicht nur an den Stadttoren. Bürger und Einwohner Göttingens waren Abnehmer für von Soldaten geschmuggelten Branntwein und andere Waren: Als die beiden Branntweinschwarzhändler, die Musketiere Johann Felix Bayer und Adam Kramer, verhaftet wurden, ergab die nachfolgende Untersuchung, daß mindestens zehn Einwoh-
ständige Konsumenten gewesen waren. Gemeinsame wirtschaftliche Interessen spielten auch bei halblegalen Beschäftigungen und Transaktionen eine wichtige Rolle. Wie bereits besprochen, wurden Soldaten verbotenerweise von Handwerksmeistern als »Pfuscher« beschäftigt, was oft eine jahrelange Beschäftigung im gleichen Betrieb bedeutete326. Musikalisch begabte Musketiere spielten, sehr zum Ärger des Stadtmusikanten, Bürgern bei ihren Hochzeiten auf und Waren von Soldatenfrauen fanden regen Absatz bei der Göttinger Einwohnerschaft. Es bildeten sich jeweils zwischenmenschliche Kontakte zwischen Verkäufer und Kunde oder zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer heraus, die vor allem von einem vereinten Handeln gegen die Obrigkeit bzw. gegen die Zunftordnung gekennzeichnet waren. Diese Verbindungen erstreckten sich nicht nur auf den wirtschaftlichen Bereich, sondern bezogen auch gesellige und soziale Beziehungen und damit eine gemeinsame Freizeitgestaltung mit ein. Wiederholt wurden von Feldhütern Jagdgesellschaften angetroffen, die sich aus Bürgern und Soldaten zusammensetzten. Ebenso waren »gemischte« Trinkgemeinschaften und der gemeinsame Besuch von Soldat und Bürger bzw. Einwohner in einem der Wirtshäuser keine Seltenheit. Auf die zahlreichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften von Soldaten und Göttingerinnen wurde schon an anderer Stelle eingegangen327. Diese vielschichtigen Berührungsflächen zwischen Garnison und Einwohnerschaft verdeutlichen, daß es sehr wohl Gemeinsamkeiten geben konnte und die jeweils gemachten Erfahrungen mit der anderen Sozialgruppe ganz unterschiedlich ausfallen konnten328. Dies gilt auch für die Beziehungen zwischen Soldaten und Studenten, die keinesfalls ausschließlich von gegenseitigen Abneigungen geprägt waren329. Als Ursache oder Folge einer wechselseitigen sozialen Akzeptanz genau läßt sich das sicherlich nicht analysieren kam es dann sogar zur zeitweisen oder dauerhaften Integration einzelner Soldaten in die städtische Gesellschaft. ner
—
—
—
—
325
Nr. 23. Anweisung der Kriegskanzlei an den Kommandanten Block vom 1749, die entsprechenden Mißstände abzustellen. Vorausgegangen waren Klagen der örtlichen Lizentbeamten. Einige Soldaten gingen bei einem Meister sogar in die Lehre.
StAGö AA
Deposita,
1. Dezember
326 327
328 329
Vgl. S. 106-112. Mit ähnlichen Überlegungen
Schoeppner, Zivilbevölkerung und Militär, S. 136. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 277—291 und S. 522, beschränkt sich fast ausschließlich auf die Konflikte und unterstreicht die besondere Rivalität zwischen beiden Sozialgruppen. Diverse studentische Taufpaten von Soldatenkindern zeigen aber auch, daß es sehr wohl auch zu sozialen Kontakten anderer Art gekommen sein muß.
276
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
B. Anzeichen und Ausmaß einer
Integration
in die städtische Gesellschaft
Allgemeines Integrationsbemühungen und ihre Erfolge lassen sich schwer und, wenn überhaupt, nur indirekt nachweisen. Dies hängt vor allem mit der unbefriedigenden Quellenlage zusammen. Persönliche Aussagen über Lebensplanung und private Vorhaben liegen nicht vor, so daß nur Faktoren wie Heirat einer Bürgertochter, bürgerliche Taufpaten von Soldatenkindern, Erwerb des Bürgerrechtes oder der Ankauf von Immobilien als Indikatoren für Eingliederungsbestrebungen und eine erfolgte Integration genommen werden können. Zudem sind aber auch diese den Akten entnommenen Erkenntnisse nur bedingt brauchbar, die Reichweite der Daten greift oft zu kurz, in vielen Fällen fehlen weitere Informationen. Im folgenden soll dieses Manko kurz erläutert werden. Die üblichen städtischen seriellen Quellen (Bürgerbuch, Steuerlisten) erfassen nur eine bestimmte Gruppe innerhalb der Göttinger Einwohnerschaft, nämlich die der Bürger. Die sogenannten »Fremden«330 bleiben im allgemeinen unerwähnt. Dies bedeutet, daß alle Soldaten, die statt einer vollständigen Integration in die Bürgerschaft lediglich eine Eingliederung in die unterbürgerlichen Schichten erreichten, nicht erfaßt werden können. Männer, die Grundbesitz und Bürgerrecht erwarben und damit eine andere Qualität der Integration errangen, konnten jedoch nahezu vollständig nachgewiesen werden. Diese durch die Quellenlage bedingte soziale Verzerrung, die den Blickwinkel lediglich auf einen spezifischen Teil der integrierten Soldaten verengt, konnte wenigstens teilweise durch die Berücksichtigung der vitalstatistischen Eintragungen der Göttinger Pfarrer ausgeglichen werden, die über Heiraten und Taufpaten der Soldaten bzw. ihrer Rinder Auskunft geben. Jedoch zeigte sich auch hier, daß die mehr oder weniger willkürlichen Notierungskriterien der Pastoren eine Quantifizierung erschwerten. In den Mittelpunkt des Interesses rücken nur solche Männer, die nachweisbar nicht aus Göttingen stammten. Aus Göttingen gebürtige Soldaten brauchten sich im allgemeinen nicht erst zu integrieren. Dies gilt auch für »zivile« Zuwanderer, die nach einigen Jahren Aufenthaltes in Göttingen und einem Bürgerrechtserwerb für eine bestimmte Frist in das Garnisonsregiment eintraten, um eine Existenzkrise zu überbrücken331. Taufpaten erste Annäherung an den Komplex >soziale Akzeptanz< und >Integration< ermöglicht die Auswertung der Taufpaten ehelicher Soldatenkinder. Über die soziale Bedeutung und Auswirkung einer spezifischen Patenwahl und die Beziehungen zwischen Täuf-
Eine
330 331
Zu diesem Personenkreis allgemein S. 6Iff. Diesen Weg wählten der aus Birkenau in der Kurpfalz stammende Schneider Adam Carl, der 1746 Bürger wurde und sich später von der 6. Kompanie (Regiment Block) anwerben ließ, und der aus Bückeburg eingewanderte Tagelöhner Johann Henrich Rogge, der, seit 1727 Göttinger Bürger, am 9. April 1734 Soldat der 7. Kompanie (Regiment Druchtleben) wurde. Alle Angaben aus Göttingen 1690—1755, Tabelle IV und StAGö AB Belege zur Servicerechnung, entsprechende Jahrgänge.
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
277
ling und Paten sind bislang keine fundierten Untersuchungen vorgelegt worden, die die Bindungskraft einer Taufe und ihren sozialen Kontext nachzeichnen. Zugleich herrscht jedoch weitgehend Konsens darüber, daß die Wahl eines Paten nicht zufällig war332 und sehr wohl als deutliches gesellschaftliches Signal empfunden wurde333 wenn auch die Motivation der Paten durchaus unterschiedlich ausfallen konnte. Eine Taufpatenanalyse ist allerdings nicht unproblematisch334. Insbesondere die Zuordnung der Paten zu einzelnen Sozialgruppen (Bürger, »Fremde«) bereitet Schwierigkeiten, da die Eintragungen des Pfarrers einziger Anhaltspunkt für eine entsprechende Klassifizierung sind335. Unterließ also ein Pastor den Eintrag »hiesiger Bürger«, »hiesiger Handwerksmeister« oder andere Bezeichnungen, die eindeutig auf einen Göttinger Bürger schließen lassen, mußte diese Person wenn nicht eine andere Zuordnung möglich war unter die Rubrik »Fremde« gefaßt werden. Lediglich, wenn dem Namen ein anderer Wohnort zugefügt wurde, erfolgte eine Zuordnung in die kleinere Gruppe der »Auswärtigen«, deren Zahl aber relativ gering gewesen sein dürfte, da eine Taufe innerhalb weniger Tage nach der Geburt vollzogen sein mußte336 und so den gewünschten Paten oftmals wenig Zeit zur Anreise blieb337. In der Regel weniger Probleme bereitete die Einteilung in die Klassifikationen »Militärbevölkerung« und »Verwandte«, da diese Gruppen einerseits durch die detaillierten Beifügungen der Pfarrer, die dem Kriterium »Verwandtschaft« offensichtlich besondere Rechnung trugen, und andererseits durch den Namensabgleich mit den Kompanielisten leichter und eindeutiger bestimmt werden konnten. Folge dieser Abgrenzungsprobleme ist, daß der Anteil der Bürger als Taufpaten tendenziell zugunsten der Gruppe der »Fremden« unterrepäsentiert ist und wohl eher höher lag. Deshalb dürften in der Rubrik »Fremde« nicht nur nichtbürgerliche Einwohner Göttingens, sondern auch Bürger und vermutlich auch (obwohl schon unwahrscheinlicher) Auswärtige vertreten sein. Wären die Soldaten mit ihren Kindern innerhalb der Göttinger Einwohnerschaft weitgehend isoliert gewesen, dürften neben Verwandten hauptsächlich andere Soldaten und deren Frauen Paten geworden sein. Wie in Tabelle 65 ersichtlich wird, waren aber nur bei einem Drittel aller Taufen Paten der eigenen Sozial- und Berufsgruppe beteiligt, während bei zwei Drittel aller Taufen Personen der disparaten Gruppe der »Fremden« zu Paten gebeten wurden. Die große Zahl der »Fremden« und immerhin 9,3 % bürgerliche Paten verdeutlichen ein überraschend hohes Maß an sozialer Annäherung zwischen Garnison und Einwohnerschaft. Auffällig ist vor allem die große Zahl »fremder« Paten, zu —
—
332
333
—
Immerhin wird dem Paten während des Taufrituals in der revidierten Braunschweigischen Kirchenordnung von 1615 eine dominierende Stellung eingeräumt. Vgl. CBL, Bd I, Von der Taufe, S. 130— 140, bes. S. 132 und S. 138. So etwa bei Göttinger Stadtrat, S. 80ff. Vgl. auch Leinert, Sozioökonomische Aspekte; Reiling, Freiburg, und mit einem anderen Zeitraum Jussen, Patenschaft. Zu diesem Problem Leinert, Sozioökonomische Aspekte, S. 98. Eine umfassende Klassifizierung der Taufpaten über die Daten der Kirchenbeamten hinaus wäre nur durch eine totale Familienrekonstitution der Göttinger Einwohnerschaft möglich, was jedoch aus begreiflichen Gründen weder realisierbar noch unbedingt sinnvoll wäre. Im allgemeinen erfolgte die Taufe noch am Tag der Geburt, insbesondere wenn der Gesundheitszustand des Säuglings Anlaß zur Sorge gab. Allerdings kam es vor, daß sich ein Pate von einer anderen Person während der Taufe vertreten ließ. —
334 335
336
337
—
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
278
denen neben anderen ärmeren Personen auch ehemalige Soldaten zählten. Offensichtlich war die Solidarität zwischen Soldaten und »Fremden« besonders ausgeprägt. Die Bindungen scheinen im Laufe der Jahre zugenommen zu haben, denn der Anteil von Paten aus der Militärbevölkerung sank eher, während der Anteil der »Fremden« stieg (die Verteilung der Bürger und Verwandten blieb praktisch unverändert). Parallel dazu erhöhte sich die durchschnittliche Patenzahl pro Täufling. Tabelle 65
Taufpaten von ehelichen Zeitraum
Taufen Paten P./T.
Bürger Zahll %
1721-1729
424
757
1730-1739 1740-1749
476 316
944 656
1750-1755
200
434
1,79 1,98 2,08 2,17
1721-1755
1416
2791
1,97
Soldatenkindern
»Fremde« Verwandte Militärbev. Zahll % Zahll % Zahll %
9,3
923
65,2
%
Univers* Ohne Zahll % Zahll %
10,4 155 36,6 9,0 189 39,7 12,7 103 32,6 10,5 72 36,0
8,5 259 61,1 10,3 309 64,9 8,2 211 66,8 10,0 144 72,0 131
Auswärtige
Zahll
148
10,5
519
36,7
34
40
2,8
22
1,6
45
3,2
Quelle: Kirchenbuchamt Göttingen; Heiratsregister aller Göttinger Pfarreien. Erläuterung: P./T. Durchschnittliche Anzahl der Paten pro Taufe; % alle Angaben beziehen sich auf die Taufen. Da viele Täuflinge mehrere Paten verschiedener Gruppenzugehörigkeit hatten, liegt die Summe der einzelnen Nennungen höher, zudem kam es vor, daß ein Taufpate mehr als =
einer Rubrik zuzuordnen war. * Es wurden nur ehrende und Studenten =
-
berücksichtigt,
keine Universitätshandwerker.
Weiteren Aufschluß über die Integrationsbemühungen der Soldaten vermittelt eine schichtenspezifische Auswertung der Taufpaten. In Tabelle 66 wird deutlich, daß die Offiziere wenig Neigung zeigten, sich in die städtische Gesellschaft zu integrieren. In einem überregionalen gesellschaftlichen und sozialen Konnex stehend hatte diese Schicht keinen Anlaß, sich lokal zu binden. Der hohe Anteil auswärtiger, verwandter und aus der Militärbevölkerung stammender Paten sowie die entsprechend wenigen »fremden« und bürgerlichen Paten machen diesen Zusammenhang offensichtlich. Die hauptsächlich adligen Offiziere baten neben Bürgermeistern, Amtleuten, Richtern, Hofräten und anderen hohen Verwaltungsbeamten vor allem adlige Personen sowie Offiziere bzw. deren Frauen zu Paten ihrer Kinder (vgl. Tabelle 67). Ähnliche Zusammenhänge kann Leinert für die Militärbevölkerung in Mainz aufdecken338. Selbst Paten aus dem universitären Bereich waren vertreten339. 338
339
Leinert, Sozioökonomische Aspekte, S. 100, kann deutlich machen, daß Soldaten im allgemeinen Soldaten gleichen Dienstranges zu Taufpaten wählten. Von 32 Paten waren 15 Studenten und 18 Doktoren und Professoren der theologischen Fakultät. Allein 14 Studenten waren Paten eines Täuflings von einem Mannschaftsdienstgrad.
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
279
Tabelle 66 Kindern einfacher Soldaten, Unteroffizieren und Offizieren
Taufpaten von Zeitraum
Taufen Paten
P./T.
612
Gemeine Unteroffiziere Offiziere
1126
2246
212
409
78
136
1,99 1,93 1,74
Gesamt
1416
2791
1,97
Soldaten Bürger Verwandte »Fremde* Auswärtige Univers11 Ohne Zahll % Zahll % Zahll % Zahll % Zahll % Zahll % Zahll %
5,5 153 6,8 1297 57,7 13,2 31 7,6 164 40,1 9 4 2,9 6,6 20 14,7
123
62
27,2 32,3 45,6
806
28,9
186
132
1,6 6,1
54
6,7 204
7,3 1465 52,5
27,2 3,5
98
32
1,1
45
3,2
Quelle: Kirchenbuchamt Göttingen; Heiratsregister aller Göttinger Pfarreien. Erläuterung: Bezugsgröße aller Prozentzahlen (bis auf die Rubrik »Ohne«) ist die Summe aller Tauf-
paten; P./T. Paten pro Taufe. * Es wurden nur Dihrende und Studenten berücksichtigt, keine Universitätshandwerker. Erfüllte ein Taufpate Kriterien mehrerer Rubriken, wurde eine Mehrfachnennung vorgenommen. =
=
Im Vergleich zu den Offizieren waren Mannschaftsdienstgrade und Unteroffiziere offen-
sichtlich wesentlich stärker bemüht, Kontakte zur Einwohnerschaft zu knüpfen340. Zudem wohnten einfache Soldaten und Unteroffiziere bei Göttinger Familien, während Offiziere abgeschirmt von der Einwohnerschaft in angemieteten Häusern residierten. Der Anteil von Paten aus der Militärbevölkerung und der Verwandtschaft sowie der Prozentsatz von auswärtigen Taufpaten fiel jedenfalls deutlich niedriger aus; »fremde« und bürgerliche Paten hingegen wurden wesentlich häufiger gewählt. Es fällt auf, daß die durchschnittliche Patenzahl pro Offizierstäufling merkbar niedriger war als bei Unteroffiziers- und Mannschaftskindern. Offensichtlich bemühten sich die unteren Chargen, die im allgemeinen geringere Reputation der Paten durch die Berücksichtigung mehrerer Taufpaten auszugleichen. Tabelle 67
Rangspezifischer Adelsanteil von Soldatenpaten Paten
Zahl »Gemeine«
%
Unteroffiziere Offiziere
2246 409 136
19 20 62
0,9 4,9 45,6
Gesamt
2791
101
3,6
Quelle: Kirchenbuchamt Göttingen; Heiratsregister 340
Adlige
aller
Göttinger Pfarreien.
Beide Dienstranggruppen standen natürlich auch nicht in einem überlokalen Konnex, waren also viel stärker gezwungen, sich zu integrieren. Zudem hatten die meisten Gemeinen und Unteroffiziere im Gegensatz zu den Offizieren nicht vor, lebenslang als Soldat zu arbeiten.
280
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Den höchsten Anteil bürgerlicher Taufpaten weisen die Täuflinge von Unteroffizieren auf. Vom Sozialprestige und den ökonomischen Möglichkeiten her zwischen Gemeinen
und Offizieren stehend, war die Gruppe der Unteroffiziere gegenüber den Offizieren viel stärker bemüht, sich zu integrieren und konnte, im Vergleich zu den Gemeinen, erfolgreicher Bürger mobilisieren, die Patenschaft für ein Kind zu übernehmen341. Die ranggruppenspezifische Auswertung der Soldatenpaten macht deutlich, daß Eltern eher Taufpaten aus ihrer eigenen Ranggruppe wählten.
Tabelle 68
Ranggruppenabhängiger Prozentsatz von Soldatenpaten Soldaten als Paten Offiziere Unteroffiziere % % Zahl I Zahl I
Paten
Gemeine
Unteroff. Offiziere Gesamt
Quelle:
|
total
Summe
2246 409 136
612 132 62
2791
|
806
Kirchenbuchamt
18 24 62
|
104
38 76 0
2,9 18,2 100,0 I
12,9
Göttingen; Heiratsregister
| aller
114
Gemeine % Zahl I 556 32 0
6,2 57,6 0,0 I
14,1
|
90,8 24,2 0,0 73,0
Göttinger Pfarreien.
Offiziere nahmen ausschließlich, Mannschaften zu mehr als 90 Prozent und Unteroffiziere zu fast 58 Prozent Angehörige ihrer eigenen Ranggruppe zu Paten ihrer Kinder. Schotteten sich die Offiziere total nach unten ab, so bestanden zwischen Unteroffizieren und Mannschaftsdienstgraden sehr wohl »private« Berührungspunkte. Immerhin fast jeder vierte aus der Militärbevölkerung stammende Taufpate eines Unteroffizierkindes war ein Gemeiner bzw. die Frau eines Gemeinen. Zudem übernahmen Vorgesetzte wiederholt die Rolle eines Taufpaten für ein Kind ihres Untergebenen342. Die Taufpatenanalyse hat gezeigt, daß die Soldaten mit ihren Familien sehr wohl soziale Kontakte zur Einwohnerschaft knüpfen konnten und zum größten Teil nicht isoliert in Göttingen lebten. Besonders intensiv waren die Bindungen zu den »Fremden«. Offensichtlich war die Solidarität zu dieser sozial heterogenen Gruppe, der vor allem Personen aus ärmeren, unterbürgerlichen Schichten angehörten, am ausgeprägtesten, zumal auch ehemalige Soldaten zu diesem Kreis zählten. Der Anteil »fremder« Paten ist denn auch bezeichnenderweise bei Kindern einfacher Soldaten besonders hoch, während die Kinder von Offizieren kaum »fremde« Paten hatten.
341
342
Ähnliche unterschiedliche Gewichtungen ergab eine schichtenspezifische Auswertung des Neubürgerzugangs, vgl. Tabelle 73. Zur Fürsorge von Vorgesetzten und
zum
Patronagesystem vgl.
S. 150—153.
VI.
281
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
Heiratsverhalten Ebenso wie die Wahl der Taufpaten kann auch das Heiratsverhalten als Indikator für Bemühungen um soziale Bindung und Integration herangezogen werden343. Wiederum sind einige quellenkritische Hinweise angebracht. Zu den schon im Zusammenhang mit den Taufpaten erwähnten Problemen kommt eine weitere Schwierigkeit hinzu. Im Gegensatz zur Taufe, die unmittelbar nach Geburt eines Kindes vorgenommen werden mußte und allein aus Zeitgründen in einer der Göttinger Pfarreien standfand, gingen einer Hochzeit längerfristige Planungen und Vorbereitungen voraus. Sie konnte deshalb sehr wohl auch außerhalb Göttingens, etwa am Wohnort der Brauteltern oder in der Heimatgemeinde des Soldaten stattgefunden haben. Aus diesem Grund geben die Einträge der Göttinger Pfarrer nicht alle Heiraten von Soldaten wieder.
Tabelle 69 Heiraten
Zeitraum
Heiraten
von
Soldaten und ihre
Tochter/Witwe eines Bürgers Zahl I %
•
1721-1729
250
10
1730-1739
71
11
1740—1749 1750-1755
117
13
63
17
20,0 15,5 11,1 26,9
1721-1755
301
51
16,9
Tochter/Witwe eines Soldaten Zahl
Heiratspartnerinnen
Tochter/Witwe Tochter/Witwe eines Auswärtiger eines »Fremden« Zahl | % Zahl I %
6
12,0
4
7
9.9
3
16
13,7 23,8
25 22
8,0 4,2 21,4 34,9
14,6
54
17,9
15
30 47 62
147
unbekannt Zahl I %
60,0 66,2 52,9 12,7
0,0 4,2 1,7 0,0
48,8
1,7
Quelle: Kirchenbuchamt Göttingen; Heiratsregister aller Göttinger Pfarreien. Zwar verheirateten sich Soldaten hauptsächlich mit unterbürgerlichen Frauen, der Anteil solcher Heiraten verliert jedoch in der zeitlichen Entwicklung erkennbar an Bedeutung344. Gleichzeitig steigt der Prozentsatz von Heiraten mit auswärtigen Frauen und mit Frauen der eigenen Sozial- und Berufsgruppe bzw. mit Bürgertöchtern und -witwen an. Allein in den 1750er Jahren wurde jede vierte Soldatenehe mit einer Bürgerin geschlossen. Die schichtenspezifische Auswertung des Heiratsverhaltens in Tabelle 70 zeigt, daß vor allem Unteroffiziere eine Bürgerin zur Frau nahmen, während Gemeine eher auswärtige oder »fremde« Frauen heirateten. Dies entspricht weitgehend den Ergebnissen der vorgenommenen ranggruppenorientierten Taufpatenauswertungen (Tabelle 68) und läßt auf eine schichtenspezifische Solidarität einfacher Soldaten mit der unterbürgerlichen »fremden« Bevölkerung schließen. Etwas uneinheitlicher gestaltet sich das Heirats343
Allgemein
zum
S. 138-144. 344
Heiratsverhalten
von
Soldaten
Schoeppner, Zivilbevölkerung und Militär,
bes.
Möglicherweise liegt dies daran, daß verstärkt an anderen Orten geheiratet wurde. In den Quellen ließ sich jedoch kein Hinweis finden, der diese Vermutung gestützt hätte.
282
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
verhalten der Offiziere. Unter der Annahme, daß die meisten Offiziere wegen ihrer überregionalen Bindungen nicht in Göttingen heirateten, dürfte die geringe Zahl der auswärtigen Heiratspartner nicht verwundern. Heirateten Offiziere doch eine Göttingerin, ehelichten sie ihrem Stand entsprechend vornehmlich Töchter von Ratsherren oder Professoren bzw. Witwen oder Töchter anderer Offiziere. Tabelle 70
Ranggruppenspezifisches Heiraten
Tochter/Witwe eines Bürgers Zahl I %
Gemeine Unteroff. Offiziere
247
26
42
20
12
5
Gesamt
301
51
Quelle:
Kirchenbuchamt
10,5 47,6 41,7
16,9
Heiratsverhalten
Tochter/Witwe eines Soldaten Zahl | % 34
5 5
von
Soldaten
Tochter/Witwe Tochter/Witwe eines Auswärtigen eines »Fremden« Zahl | % Zahl | %
unbekannt Zahl I %
13,8 11,9 41,7
49
19,8
133 14
2
7,1 16,7
53,8 33,3
2,0
3
0
0,0
0,0
14,6
54
17,9
147
48,8
1,7
Göttingen; Heiratsregister
aller
0.0
Göttinger Pfarreien.
Auswertung des Heiratsverhaltens hat ergeben, ebenso wie die Analyse der TaufpaVerbindungen zwischen Militärbevölkerung und Einwohnerschaft entwickelt hatten. Diese Verbindungen mußten jedoch nicht zwangsläufig auf eine dauerhafte und totale Integration hinauslaufen. Selbst die Heirat einer Bürgertochter bedeutete ja noch nicht unbedingt, daß sich der Soldat nach Ablauf seiner Dienstzeit wirklich in Göttingen niederließ. Ebenso konnte eine Soldatenfamilie, deren Kinder Bürger zu Taufpaten hatten, durchaus die Stadt wieder verlassen. Eindeutiger war jedoch ein Bürgerrechtserwerb. Mit dem Erwerb des Bürgerrechts setzte ein Soldat klare Zeichen einer zielgerichteten Integrationsbemühung. Die
ten, daß sich zahlreiche soziale
Bürgerrechtserwerb Wollte jemand in Göttingen Grund und Boden erwerben oder ein zünftiges Handwerk ausüben bzw. Handel treiben, mußte er das Bürgerrecht erwerben. Als Göttinger Bürger genoß er dann bestimmte Privilegien und war weitgehend integriert345. Zwischen 1720 und 1755 erwarben insgesamt 723 männliche Zuwanderer das Bürgerrecht346. Die Angabe der Berufsnotierungen einerseits und ein Namensabgleich der Kompanielisten andererseits ermöglichen eine Isolierung derjenigen Neubürger, die zuvor Soldaten waren.
Vgl. zur symbolischen und praktischen Bedeutung des Bürgerrechtes und den spezifischen rechtlichen Determinanten des Bürgerrechterwerbs Vom Fremden zum Bürger, bes. S. 94—99. 346 Vgl. Göttingen 1690—1755, Tabelle IV. Die Angaben wurden aus dem Bürgerbuch, den Stadtratsprotokollen und den Kämmereirechnungen entnommen. Nicht berücksichtigt wurde die Vergabe des Bürgerrechtes an sogenannte Bürgersöhne. 345
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
283
Wie Tabelle 71 zu entnehmen ist, entstammten immerhin 13 % aller Neubürger den in Göttingen stationierten Regimentern347. Der durch die Universitätsgründung ausgelöste Zuwandererboom in den 1730er Jahren spiegelt sich nicht nur in dem signifikanten Anstieg der Zahlen ziviler Zuwanderer, sondern auch in dem deutlichen Zuwachs von Neubürgern, die aus dem militärischen Umfeld stammten. Vor dem Stadtschreiber gaben nur ein Drittel aller Soldaten, die Neubürger geworden waren, ihren alten Soldatenberuf zu Protokoll; zwei Drittel ließen eine zivile Tätigkeit notieren. Nimmt man die jeweilige Berufsangabe als Beleg für ein Bekenntnis für oder gegen den Militärberuf, so würde dies auf eine im zeitlichen Verlauf (vor allem nach 1740) ausgeprägtere Affinität zur zivilen Tätigkeit hindeuten. Tabelle 71
Bürgerrechtserwerb durch Zivilisten und (Aktive und Abgedankte) Zeitraum
Gesamt
Soldaten
Soldaten
Zivilisten
Zahl
%
89
1720-1729 1730-1739 1740-1749 1750-1755
100 280 227 116
238 199 103
1720-1755
723
629
QpJ
Zahl
%
QpJ
89,0 85,0 87,7
8,9 23,8 19,9 17,2
11 42 28 13
11,0 15,0 12,3 11,2
4,2 2,8 2,2
87,0
17,9
94
13,0
2,7
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung; Göttingen 1690—1755, Erläuterung: QpJ Neubürgeraufnahmen pro Jahr.
1,1
Tabelle IV
=
Tabelle 72
Berufsangaben von Soldaten, die Bürger werden (Aktive und Abgedankte) Zeitraum
Soldaten
(Gesamt)
Gaben Soldatenberuf % Soldaten I
an
Gaben Zivilberuf Soldaten I %
an
Gaben beide Berufe % Soldaten |
1720-1729 1730-1739 1740-1749 1750-1755
42 28 13
1720-1755
94
Quelle:
Belege zur Servicerechnung; Göttingen 1690—1755, Tabelle fV.
347
11
StAGö AB
Da nur eindeutige Fälle
höher
gelegen
haben.
3 15
51
27,3 35,7 7,9
24 21
21
5,4
252
6,6
9
72,7 57,1 75,0 69,2
0,0 7,3 7,1 15,4
62
65,9
7,4
an
berücksichtigt wurden, dürfte der Soldatenanteil der Neubürger eher noch
284
Die
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
schichtenspezifische Aufstellung in Tabelle 73 verdeutlicht noch einmal, daß sich am erfolgreichsten in die städtische Gesellschaft integrie-
die Unteroffiziere tendenziell ren konnten.
Tabelle 73
Schichtenspezifischer Neubürgerzugang von (Aktive und Abgedankte) Gemeine Soldaten Neubürger (Summe) Abgänge I Neubürgerl 1720-1755
1544
78
%
Unteroffiziere Abgänge I Neubürgerl
5,1
59
Soldaten
%
Offiziere Abgänge I Neubürgerl
%
18,6
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung; Göttingen 1690—1755, Tabelle IV Erläuterung: Die Prozentzahlen beziehen sich auf die Summen der abgegangenen Gemeinen (1544) bzw. der abgedankten Unteroffiziere (59), die in den Regimentern Block und Druchtleben gedient haben. Da die Offiziere nur partiell erfaßt werden konnten, mußte auf eine Berechnung verzichtet werden. aus der Einwohnerschaft stammender Taufpaten, die Heirat einer oder der Erwerb des Bürgerrechtes haben nicht nur deutlich gemacht, daß Göttingerin es zahlreiche soziale Kontakte gab, sondern auch, daß sich Soldaten durchaus in die Göttinger Bürgerschaft integrieren konnten.
Die Wahl bestimmter,
C. Vom
Bedingungen
ehemaligen
einer
Integration
Soldaten und »Fremden«
in die städtische Gesellschaft
zum
Bürger.
die nach ihrem Abschied in der Stadt blieben, ohne das Bürgerrecht zu erwerben, sind zahlenmäßig nicht faßbar348. Die hohe Zahl der in Göttingen lebenden sogenannten Invaliden deutet jedoch darauf hin, daß sich im Mittel etwa 100 bis 300 abgedankte Männer in der Stadt aufhielten. Diese Männer konnten sich entweder aus finanziellen Gründen den Erwerb des Bürgerrechtes nicht leisten349 oder wurden nach einem entsprechenden Gesuch vom Magistrat nicht zum Neubürger angenommen, weil ihre beruflichen Fähigkeiten und Kenntnisse nach Ansicht der Ratsherren »nicht qualificiret« genug waren350. Gleiches galt natürlich auch für alle anderen Zuwanderen
Ehemalige Soldaten,
Allgemein zu diesem Problem auch Vom Fremden zum Bürger, S. 99: »Desolat dagegen ist die Quellenlage zu den Fremden, die das Bürgerrecht überhaupt nicht erwarben«. 349 Von 1690 bis 1749 betrug die Gebühr vier Taler und 24 Groschen, danach 14 Taler, vgl. ebd., S. 94—99. 350 Zum Beispiel am 27. November 1731, als sich der Musketier und Tuchmacher Johann Henrich Luning beim Rat vorstellte und um Aufnahme in das Bürgerbuch bat; StAGö AB Stadtratsprotokoll. Ein anderer Verweigerungsgrund war ein zu geringes Vermögen des Antragstellers. So wurde zum Bei348
spiel dem Schuster Heinrich August Bestel am das Bürgerrecht verweigert; ebd.
13.
Oktober 1750 zunächst mit dieser Begründung
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
285
Über die Lebensbedingungen dieser Männer, denen nur eine »unterbürgerliche Integration« (bzw. gar keine) gelang, ist nur wenig bekannt351. Einige werden vermutlich, nachdem es ihnen nicht geglückt war, Bürger zu werden, weggezogen sein, entweder, um in
einer anderen Stadt eine zivile Existenz zu gründen oder um wieder »Kriegsdienste zu nehmen«. Andere werden versucht haben, sich innerhalb der Stadtmauern eine soziale und ökonomische Nische zu verschaffen, die ihnen ein einigermaßen erträgliches Dasein ermöglichte. Je nach eigener Leistungsfähigkeit und konjunkturellen Verdienstmöglichkeiten blieb ihre Existenz jedoch mehr oder weniger ungesichert352. Ob diese Formen einer zweifelhaften Integration den Erwartungen der Betroffenen entsprach, ist fraglich. Möglicherweise hatten einige ehemalige Soldaten aber auch eine so geringe Erwartungshaltung entwickelt, daß sie sich mit ihrem Los abfanden. Andere Männer konnten sich jedoch nach einer gewissen Übergangszeit von einigen Jahren doch noch in die Bürgerschaft integrieren. Dieser Personenkreis nutzte die ökonomischen Möglichkeiten, die ihnen Stadt und Universität boten. Obwohl ihnen als »Fremde« ohne Bürgerrecht der Eintritt in eine Zunft oder Gilde verwehrt blieb, konnten einige Männer nämlich sehr wohl in bestimmten ökonomischen Bereichen ihr Auskommen fristen: entweder mit zunftfreien Tätigkeiten (Aushilfsarbeiten, Botendienste oder Handlangertätigkeiten) oder mit einer illegalen Berufsausübung. Gerade am Beispiel der Tagelöhner wird deutlich, daß in einer »sich allmählich liberalisierenden frühneuzeitlichen
städtischen Wirtschaftsordnung [... eine] große Beweglichkeit, [nämlich] die Bereitschaft, sich als Knecht zu verdingen, die Bereitschaft, temporär auch außerhalb der Stadt Arbeit anzunehmen, [...] unabdingbare Voraussetzung [und Chance] für den erhofften sozialen Aufstieg« war353. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen. Der am 26. August 1735 entlassene und aus Sondershausen stammende Musketier Georg Günter Blume arbeitete zunächst zwei Jahre als Metzger in Göttingen, ehe er am 26. November 1737 das Bürgerrecht erhielt354. Einige Jahre länger als Blume, vermutlich über einen Zeitraum von fünf Jahren, verdingte sich der aus Nordhausen gebürtige ehemalige Soldat Christoph Blettermann, bis er am 7. November 1749 das Bürgerrecht zugesprochen bekam. Blettermann fand zwischendurch immer wieder Gelegenheitsarbeiten als Tagelöhner und Gartenarbeiter355. Ähnlich wie Blettermann und Blume erging es vielen anderen zivilen Zuwanderern, die nach Göttingen kamen und Bürger werden wollten356. Diese Lebensläufe machen zweierlei deutlich. Zum einen wird klar, daß es >fleißigen< und geschickten ehemaligen Soldaten bzw. »Fremden« durchaus gelingen konnte,
Vgl. auch den Abschnitt über die Invaliden, in dem die Lebensbedingungen entlassener und ehemaliger Soldaten beschrieben worden sind. 352 Das untere Ende einer >Erfolgsskala< markieren wohl ehemalige Soldaten wie Conrad Heise, der »in großer Armut alhier« lebte. Vermerk vom 18. September 1741; StAGö AB Belege zur Servicerechnung 1736/37. 351
353
354
355
356
Vom Fremden zum Bürger, S. 166. Blume hatte in der 1. Kompanie des
Regimentes Druchtleben gedient. Vgl. StAGö AB Belege zur
Servicerechnung und Göttingen 1690—1755,
Tabelle IV. Blettermann war Soldat der 5. Kompanie. StAGö AB Belege zur Servicerechnung und Vom Fremden zum Bürger, S. 164 sowie Göttingen 1690—1755, Tabelle IV. Dazu einschlägig Vom Fremden zum Bürger, S. 131—167.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
286
sich nach einer gewissen Zeit vollständig zu integrieren und Grundbesitz wie Bürgerrecht zu erwerben. Im allgemeinen verstrichen jedoch zwischen Abdankung und Bürgerrechtserwerb viele Monate oder mehrere Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, ehe die durch die Bürgerrechtsvergabe signalisierte vollständige Integration gelang. Für einen längeren und für die Beteiligten Ungewissen Zeitraum (je nach sozialen Kontakten, eigenem Vermögen oder beruflicher Qualifikation) gehörten sie der disparaten unterbürgerlichen Gruppe der »Fremden« an, bis ihnen der Erwerb des Bürgerrechtes glückte. Die
Bedeutung der sozialen Bindungen
Im Gegensatz zu ihren zivilen »Schicksalsgenossen« besaßen Abgedankte allerdings einen erheblichen Vorteil. Für ehemalige Soldaten war die Stadt mit ihren Einwohnern nichts
Fremdes, sie kannten weitgehend die informellen Strukturen und Normen, nach denen man sich zu richten hatte, wußten, wo etwas zu bekommen war und wichtiger noch hatten bereits soziale Bindungen entwickeln können, wie die Taufpatenanalyse, die nicht—
—
ehelichen Lebensgemeinschaften und das Heiratsverhalten der Soldaten belegen. Durch gemeinsame Tätigkeiten, vor allem aber durch die Einquartierung lernten die Soldaten viele Bürger kennen, von denen ihnen bei der Existenzgründung einige durchaus behilflich waren. Im folgenden soll auf die Bedeutung dieser Bindungen eingegangen werden. Ein Beispiel für den Nutzen einer sozialen Verbindung ist der Verlauf des Integrationsprozesses von Christoph Schachtebeck. Der aus Herberhausen in Hessen-Kassel gebürtige, in der 3. Kompanie des Regiments Druchtleben dienende Tambour wurde am 18. Februar 1735 nach sechsjähriger Dienstzeit entlassen357. Nach einem Jahr Gelegenheitsarbeit entsann er sich der Beziehungen zum Maurermeister Cyriacus Seeger, bei dem er zwei Jahre einquartiert gewesen war, und begann bei diesem 1736 eine Maurerlehre. Am 1. Oktober 1739 erhielt er von Seeger den Gesellenbrief. Offensichtlich verdiente Schachtebeck danach so gut, daß er 1746 ein kleines Haus kaufen und zwei Jahre später das Bürgerrecht erwerben konnte358. Dreizehn Jahre nach seiner Entlassung hatte der ehrgeizige Maurer und Exsoldat damit sein Ziel erreicht: er gehörte zur Göttinger Bürgerschaft. Ebenso erwies sich für den aus Schönhagen bei Uslar stammenden ehemaligen Gefreiten Daniel Hartwig die Bekanntschaft mit dem Tischlermeister Andreas Schrader als wertvolle Hilfe. Da Schrader ihm Geld lieh und eine notwendige Kaution stellte, konnte der gelernte Maler ein Haus kaufen und Bürger werden359. Auch Johann Adam Goltze profitierte von geknüpften sozialen Kontakten. Seine Bekanntschaft mit dem Bürger und Universitätsprofessor Johann David Michaelis brachte ihm nach seiner Entlassung eine »beständige« Arbeit ein360. 357
358 359
360
Schachtebeck war am 11. November 1729 geworben worden; vgl. StAGö AB Belege zur Servicerechnung. Vgl. Vom Fremden zum Bürger, S. 163, und Göttingen 1690—1755, Tabelle IV. Vgl StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 11. Schreiben des Magistrats an die Landesregierung vom 6. März 1743. Diese Arbeit es handelte sich
um einen Botendienst Darüber hinaus hatte Goltze eine Beziehung ebd., Actum Göttingen vom 9. Mai 1755.
antreten«.
—
konnte Goltze —
zu
einer
»gleich nach Dimission Bürgertochter eingehen können;
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
287
Waren im Falle von Hartwig, Schachtebeck oder Goltze einzelne Bürger lediglich behilflich (wenn auch oft in entscheidender Weise), so war in anderen Fällen die Heirat einer Bürgerfrau überhaupt erst Voraussetzung einer Integration361. Wiederum waren Soldaten im Vorteil, die durch die Einquartierung private Kontakte zur Wirtstochter und zum Schwiegervater knüpfen konnten362. So heirateten zum Beispiel Johann Adam Goltze363, David Thon364, Johann Conrad Reinhard365 oder Johann Steffen Nödel366 nach mehreren Jahren gemeinsamen Wohnens die Tochter bzw. die Witwe des Wirtes, übernahmen Haus und Hof und wurden Bürger. Solche Einheiraten waren nichts ungewöhnliches und wurden von den Zeitgenossen als »Zufreyungen« bezeichnet oder mit Formulierungen wie »beheyrathet des Bürgers [...] Haus« bedacht367. War der Vorteil einer solchen Verbindung für den Soldaten offensichtlich welches Interesse verbanden Braut und mögliche Schwiegereltern mit einer solchen Heirat? Außer gefühlsmäßigen Bindungen dürften vermutlich wirtschaftliche Motive entscheidend gewesen sein. Handelte es sich um eine alleinstehende Witwe, sollte der neue Ehemann vermutlich zur Unterhaltssicherung beitragen368, handelte es sich um die Tochter eines —
Fall Goltze deutlich wird, spielten oft mehrere soziale Bindungen eine Rolle. den Eintragungen des Billetamtes nicht wirklich auf den tatsächlichen Wohnort geschlossen werden konnte, mußte auf eine quantifizierende Auswertung des Faktors >Einquartierung< verzichtet werden. Die weiter unten angeführten eindeutigen Fälle verdeutlichen aber den Zusammenhang von gemeinsamem Quartier und Heiratsverhalten. Der aus Wiegershausen, Amt Hohenstein, gebürtige Goltze diente von 1748 bis zum 18. Juni 1756 in der 5. Kompanie (Regiment Block) und wohnte von 1751 bis 1754 bei dem Tagelöhner Friedrich Reitemeyer. Die Heirat zwischen Regina Maria Reitemeyer und Goltze fand am 4. Juli 1754 in der Nicolaikirche statt. Schon einige Monate zuvor, am 28. November 1753, wurde Goltze Neubürger (seine Braut war bereits schwanger). Vgl. Göttingen 1690—1755, Tabelle IV; Kirchenbuch St. Nicolai; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 11, Schriftverkehr vom 25. Juni 1754 und 22. Mai Wie Da
am
von
1755; StAGö AB Belege zur Servicerechnung. aus Mühlhausen stammende Thon diente
von 1733 bis 1736 in der 7. Kompanie (Regiment Druchtleben) und wohnte in dieser Zeit bei dem Drellmacher Johann Hinrich Kafuß. 1736 heiratete er Kafuß' Witwe, übernahm das Haus und wurde Neubürger. Vgl. Göttingen 1690—1755, Tabelle IV; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 11, Mitteilung des Magistrats vom 31. August 1736; StAGö AB Belege zur Servicerechnung. Der aus Einbeck stammende Reinhard wohnte bei Jürgen Drencketrog und diente in der 1. Kompanie (Regiment Druchtleben). Am 23. Januar 1731 ehelichte er dessen Tochter, Anna Elisabeth, in der Nicolaikirche. Vgl. Göttingen 1690—1755, Tabelle IV; StAGö AB Belege zur Servicerechnung; Kir-
Der
chenbuch St. Nicolai. Der aus Renshausen stammende Nödel diente in der 3. Kompanie und war bei dem Diineweber Henrich Christian Pieper einquartiert. Die Heirat zwischen Piepers Tochter Clara Margaretha und Nödel fand am 31. Mai 1735 in der Albanikirche statt. Vgl. Göttingen 1690—1755, Tabelle IV; StAGö AB Belege zur Servicerechnung; Kirchenbuch St. Albani. Um eine Meisterstelle zu bekommen, war es für Altgesellen oft der einzige Weg, eine Meisterwitwe zu ehelichen und den Betrieb zu übernehmen. Wie ein allerdings mißgünstiger Nachbar, nämlich Georg Andreas Hildebrandt, dem Magistrat am 3. August 1750 meldete, hätte sich die Witwe des Polizeidieners Kruse »ebenermaßen gefallen lassen, einen Mousquetier von dem hiesigen Regiment den Abschied zu erkauffen und selbigen zu eheligen, auch zugleich zu sich in die Bude zu nehmen«. StAGö AA Grundbesitz, Einzelne Häuser, Nr. 89.
288
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Handwerkers, konnte der Brautvater hoffen, seinen Betrieb mit Unterstützung des Schwiegersohnes personell zu erweitern369. Beide Bereiche überschnitten sich, wenn eine Witüber Produktionsmittel verfügte, diese aber ohne Mann nicht einsetzen konnte oder durfte und auf die Hilfe eines neuen Ehemannes angewiesen war370. Einige Gilden wie die Kaufgilde übten starken Druck auf alleinstehende Frauen aus, um sie zur Übergabe ihrer Geschäfte an einen Mann zu bewegen371. we
Die Rolle der
Obrigkeiten:
Dimissionserlaubnis und
Bürgerrechtsvergabe
Da die
Wandlung vom kurfürstlichen Soldaten zum städtischen Bürger den Übergang einem autonom und separat gestalteten Rechts- und Sozialsystem in ein anderes markiert, hing der Erfolg eines solchen Wechsels von den Entlassungsbedingungen bzw. Aufnahmekriterien der jeweiligen militärischen und zivilen Obrigkeit und deren Einverständnis ab. Wie sich in den meisten vorgestellten Fallbeispielen (Blettermann, Blume, Hartwig oder Schachtebeck) zeigt, war es ein relativ problemloser Weg, das Ende der vereinbarten Dienstzeit abzuwarten und aus der militärischen Rechtsgemeinschaft entlassen zu werden. Als »Fremder« unterlag der Abgedankte dann der Jurisdiktion der Obrigkeit des Ortes, an dem er sich aufhielt. Um Bürger und damit Zunftmitglied werden zu können bzw. um Immobilienbesitz erwerben zu dürfen, mußte er sich beim Magistrat vorstellen und das Bürgerrecht beantragen. Im allgemeinen entschied der Rat nach finanziellen und ökonomischen Gesichtspunkten. Vermögende Personen und »Fremde«, die einen qualifizierten Beruf ausübten bzw. allgemein Zuwanderer, von denen man sich eine Belebung der Wirtschaft versprach, wurden bevorzugt372. Manchmal wurde aber auch »aus bewegender Ursache« oder aus sozialen Gründen einem Antragsteller das Bürgerrecht verliehen, ohne daß von diesem ein ökonomischer Nutzen für die Stadt zu erwarten gewesen wäre. Über die finanziellen Hürden der Gebühren eines Bürgerrechtserwerbes wurde schon gesprochen. Ehemalige Soldaten, die diesen Weg beschritten, hatten zwar kaum rechtliche Probleme zu bewältigen, der Integrationsprozeß konnte aber einioder mehrere Monate ge Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte, dauern, ehe die vollständivon
ge
Eingliederung gelang.
Zufall, daß zum Beispiel der aus Roringen stammende ehemalige Soldat und Schneider gelernte Johann Andreas Behrens die Tochter des Tuchmachers Friedrich Anthon Schnaß heiratete. Kirchenbuch St. Albani (Eintrag vom 10. Februar 1745); Göttingen 1690—1755, Tabelle IV; StAGö AB Belege zur Servicerechnung. 370 Ein Beispiel ist die Heirat des ehemaligen, aus Brieg in Schlesien gebürtigen Soldaten Johann Michael Fröhlich (Fröhlingen) mit der Witwe des Branntweinbrenners Ziegeler (3. Februar 1724, St. Johannis). Frau Ziegeler besaß ein Brauhaus in der Zindelstraße und wohl auch mindestens eine Branntweinblase. Einige Monate nach der Heirat erhielt er das Bürgerrecht und ließ bezeichnenderweise im Bürgerbuch die Profession »Wirt« eintragen. Vgl. ebd., Tabellen IV und XV; Kirchenbuch St. Johannis. 371 So wurde zum Beispiel die älteste Tochter des verstorbenen Kaufmannes Johann Henrich Apel, Dorothea Catharina, bei Androhung der Schließung ihres Ladens de facto gezwungen, einen Mann zu heiraten, was sie vor der versammelten Kaufgilde am 21. August 1753 schließlich auch ankünStAGö AB Kaufgildeprotokoll, f. 584. digte. 372 Vgl. Vom Fremden zum Bürger, S. 94—99. 369
Es war sicherlich kein
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
289
Unter bestimmten Bedingungen konnte ein Soldat jedoch mittels der sogenannten Dimission373 vorzeitig die Armee verlassen und sich übergangslos in die städtische Bürgerschaft integrieren. Wollte ein Soldat die Dimission erreichen, war er allerdings auf das Wohlwollen des Magistrates angewiesen, weil nur aufgrund eines von der Ortsobrigkeit verfaßten und gesiegelten Attestes, das die wirtschaftliche Notwendigkeit und Nützlichkeit einer Integration des Antragstellers bescheinigte, die Armeeführung eine vorzeitige Entlassung genehmigte. Immer wieder erschienen deshalb Soldaten vor dem Rat, legten ihre Zeugnisse und Vermögensverhältnisse vor, gaben an, Bürger werden zu wollen und baten um die Erstellung eines entsprechenden Attestes. Die besten Chancen hatten Soldaten, denen sich die Möglichkeit bot, immobilen Besitz zu erwerben, etwa durch Einheirat374, eine Erbschaft375 oder durch den günstigen Ankauf eines Hauses376. Insbesondere, wenn jemand vorhatte, eine verwaiste Baustelle zu bebauen oder ein verfallenes Haus zu reparieren, konnte er auf Unterstützung durch den Magistrat hoffen377. Schließlich erwuchsen dem Magistrat mit jedem neuen oder größeren Haus weitere und höhere
Steuereinnahmen.
Bürgermeister und Stadträte von der wirtschaftlichen Nützlichkeit eines Bewerbers überzeugt, zögerten sie nicht, sich auch aktiv um die Entlassung eines Soldaten zu bemühen. Dies zeigt folgender Fall: Im Jahre 1738 heiratete der aus Holtensen stammende Gefreite Johann Friedrich Rehren die Witwe Rosbach und beabsichtigte, deren stark baufälliges Haus in der Kurzen Straße grundlegend zu sanieren. Als sich die Dimission Rehrens dann aber hinauszögerte, schrieb der Rat einen Brief an die Landesregierung, in dem er energisch auf die Entlassung Rehrens drang378. An diesem Beispiel ist zugleich deutlich geworden, daß die militärischen Dienststellen durchaus nicht immer bereit waren, ohne weiteres auf ihre Soldaten zu verzichten. Im allgemeinen zögerten die Offiziere eine Dimission um mehrere Monate oder sogar Jahre Waren
Zur Entwicklung des Dimissionsrechtes und den einzelnen Bestimmungen vgl. S. 43—48. Zum Beispiel der aus Herzberg stammende Musketier und gelernte Weißbinder Johann Daniel Vogelsang, der die Witwe des Bürgers Dietrich heiraten konnte und deren Haus »auf dem Masche« bezog. Vgl. Göttingen 1690—1755, Tabelle IV; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 11. Schreiben der Räte vom 7. Dezember 1751 und Aktennotiz vom 6. Dezember 1751. Hierzu sei das folgende Fallbeispiel angeführt: Am 3. Dezember 1732 bat die Witwe des Bürgers Jobst Lambrecht, Catharina Margaretha, den Rat, ihrem im Regiment Druchtleben dienenden Sohn Johann Jürgen Lambrecht Haus und Hof zu überschreiben, damit er den Dienst quittieren und das Schusterhandwerk übernehmen könne, um sie und ihre sieben Kinder zu unterstützen. Da Lambrecht sich als Bürgersohn nicht zu integrieren brauchte, wurde er allerdings nicht in den vorausgegangenen Berechnungen berücksichtigt. Vgl. StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 3. Dezember 1732.
So etwa der aus Mansbach gebürtige Sergeant Friedrich Carl Brandtstätter, der der Witwe Spatze ein Haus in der Buchstraße abkaufen konnte; vgl. ebd., und Stadtratsprotokoll vom 1. September 1732, Göttingen 1690-1755, Tabellen IV und XV. Zum Beispiel der Corporal Johann Ernst Herrenkind aus Mengershausen, der ein Haus in der Roten Straße baute, vgl. Göttingen 1690—1755, Tabellen IV, XIV und XV; StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 19. Februar 1732. StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 11. Das Schreiben datiert vom 31. Juli 1738. Bereits 1734 hatte Rehren angeblich einen Antrag auf vorzeitige Dimission gestellt.
290
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
hinaus, was sie mit dienstlichen Erfordernissen begründeten379. Aber auch nach seiner
Dimission war ein Abgedankter vor Nachstellungen seines früheren Kompaniechefs keineswegs sicher. Dies bekam auch Johann Adam Goltze zu spüren. Goltze hatte als Soldat in der Nicolaistraße bei dem Tagelöhner Friedrich Reitemeyer gewohnt und mit dessen Tochter ein Verhältnis begonnen. Am 28. November 1753 beantragte er das Bürgerrecht, kaufte am 1. Juli 1754 für zehn Reichstaler das Haus des alten Tagelöhners und heiratete am 4. Juli 1754 dessen einzige Tochter. Aufgrund seiner »häuslichen Besetzung« erhielt Goltze am 18. Juni 1754 die Dimission. Schon wenige Monate später meldete sich jedoch Goltzes Kompaniechef, Capitain von Pufendorf, im Rathaus und forderte die >Herausgabe< seines ehemaligen Musketiers. Zur Begründung gab der Offizier an, Goltze habe nicht die Dimissionsbedingungen erfüllt, sondern nur »des Bürgers Reitemeiers Tochter geschwängert und es darauf angeleget, selbige zu ehelichen«380. Überdies habe Goltze das Haus nicht wirklich gekauft, zahle seine Steuern nicht selbst und arbeite lediglich als »domestique«381. Nachdem der Rat das Ansinnen des Offiziers abgelehnt hatte, mobilisierte dieser seinen Regimentschef und die Kriegskanzlei, um Druck auf den Magistrat auszuüben. Doch Bürgermeister und Stadträte blieben unnachgiebig. Wie sie in Schreiben an die Landesregierung unterstrichen, führe Goltze sehr wohl Steuern ab und sei wirklich Besitzer des Hauses. Zudem habe er eine feste und gut besoldete Stelle »für eine beständige Zeit angenommen«382, die ihn und die ganze Familie ernähre. Darüber hinaus plane Goltze, das Haus zu reparieren. Mit diesen Ausführungen gab sich die Landesregierung zufrieden. Wieder zeigt sich, daß die neuen Bürger auf das Wohlwollen der Ortsobrigkeit angewiesen waren und, daß, wenn der Magistrat einmal die Nützlichkeit eines ehemaligen Soldaten erkannt hatte, alles daran setzte, diesen als Bürger und Steuerzahler zu bekommen bzw. zu behalten. Der Wechsel von einer Rechtsgemeinschaft zur anderen konnte durchaus in beide Richtungen erfolgen. Immer wieder gab es Bürger, die für eine gewisse Zeit in den Militärdienst traten, um nach Ablauf der Dienstzeit wieder ihre alte Tätigkeit aufzunehmen. Üblicherweise ruhte während dieser Zeit das Bürgerrecht und damit alle daraus erwachsenden Rechte und Pflichten. Auch kam es vor, daß ein Soldat ein Haus erwarb, Bürger wurde und dennoch weiter seinen Militärdienst versah383. Oft lautete die lapidare Antwort »weil es aber jetzo außer der Zeit ist, Leute aus Krieges Diensten loß zugeben«. Antwortschreiben an den Amtmann von Radolfshausen wegen Dimittierung von Johann Jobst Magerhans vom 26. Mai 1727; NHStA Hannover, Hann. 74 Gö, G Militaría M, Nr. 346b. Magerhans mußte 1 1/2 Jahre auf seine Entlassung warten, Rehren sogar vier Jahre. 380 StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 11. Schreiben Pufendorfs vom 20. März 1755. 381 Ebd., Pro Memoria des Generals von Block. Goltze arbeitete für den Professor Johann David Michaelis. 382 Ebd., Actum Göttingen vom 9. Mai 1755. Seine Tätigkeit bei Prof. Michaelis wird wie folgt beschrieben: »er [bringe] die Bücher nach den Rezensoren [..., hole] die Rezensionen wieder [ab], [bringe] selbige nach der Druckerey [..., und hole selbige] wiederum ab, [um] die Gelder den Recensenten zu stellen«. 383 w/elcne Gründe eine Rolle spielten, ist nicht klar. Die Mitgliedschaft in zwei verschiedenen Rechtsgemeinschaften war in Göttingen nichts besonderes: mehr als 50 Personen besaßen das Stadtbürgerund das Universitätsbürgerrecht, vgl. Göttingen 1690—1755, Tabelle IV sowie S. 127, 130. 379
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration D.
Methodische
291
Erfolg von Integrationsbemühungen
Überlegungen
Ein Erfolg von Integrationsbemühungen läßt sich
nur indirekt nachweisen. Da persönliche Aufzeichnungen des untersuchten Personenkreises fehlen, mußten die Faktoren Bürgerrechtserwerb und Immobilienbesitz als Indikatoren für eine erfolgte und geglückte Integration genommen werden384. Zusätzlich wurde die steuerliche Veranlagung eines ehemaligen Soldaten als Integrationsmerkmal herangezogen. Dieses Verfahren birgt mehrere Probleme. Zum einen können wiederum nur sehr wenige Männer in die Auswertung einbezogen werden, nämlich jene 94 Personen, die das Bürgerrecht erwarben und deren Namen damit Eingang in die städtischen Akten gefunden haben; die große Zahl der unterbürgerlich Integrierten muß jedoch unberücksichtigt bleiben. Aussagen über Erfolg und Besitz sind deshalb lediglich für diesen exklusiven Kreis erfolgreicher Abgänger möglich. Zum anderen bereiten die benutzten Quellen Schwierigkeiten. Angaben über Immobilienbesitz und dessen Wert können den Stadthandelsbüchern entnommen werden385. In diesen Akten sind Verkäufe und Käufe von Land und Häusern, der jeweilige Wert der Immobilie und die Namen der Zeugen beurkundet. Da der Zahlungsmodus jedoch nicht immer fixiert wurde, können nicht oder nur selten Angaben über die Verschuldung eines Käufers gewonnen werden. Hatte also jemand ein großes und teures Haus gekauft, mußte dies noch lange nicht bedeuten, daß er über die Kaufsumme wirklich verfügte. Vielmehr konnte er sich hoch verschuldet und sein neues Haus mit zahlreichen Hypotheken belastet haben. Ähnliche Probleme bereitet eine Berechnung der Steuerveranlagung, um damit Rückschlüsse auf das Eigentum des Besteuerten ziehen zu können. Herangezogen wurden die Collectentabellen von 1747, 1751/52 und 1755/56386 und jeweils die sogenannte »kleine Collecte« berücksichtigt387. Diese Steuerlisten fassen jedoch nur einen Teil des Besitzes. Barvermögen, Hausrat, Werkzeuge oder andere bewegliche Güter wurden nicht zur Versteuerung herangezogen388.
Möglicherweise hatten Bürgerrecht und Immobilienbesitz für ehemalige Soldaten aber auch einen ganz anderen Stellenwert. Generell zu diesem Problem und zum Hauskauf als Indiz für »eine positive Einschätzung der eigenen Zukunftsaussichten« Vom Fremden zum Bürger, S. 133. Für die Einsichtnahme in seine Daten sei Norbert Winnige herzlich gedankt. Die Auswahl der Jahrgänge erfolgte im Vierjahresrhythmus; da den Tabellen der 1720er und 1730er Jahre wegen der Eingrenzung des Untersuchungszeitraumes nur sehr wenige Personen entnommen werden konnten, die eine statistische Auswertung fragwürdig erscheinen ließen, wurde auf eine Berücksichtigung verzichtet. Zu den Collectentabellen und zur Veranlagung der »kleinen Collecte«, die zur Berechnung des Servissatzes herangezogen wurde, vgl. S. 236—240. Vgl. zu den methodischen Problemen einer Auswertung der Collectentabellen auch Vom Fremden zum
Bürger,
S. 131—134.
292
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Besitz und
Steuerleistung
Wie in Tabelle 74
ersichtlich, besaß längst nicht jeder ehemalige Soldat, der das Bürgerrecht erwarb, auch Immobilien. Mehr als die Hälfte der 94 Neubürger blieb bis zum Vorabend des Siebenjährigen Krieges ohne Besitz eines Hauses oder von Land und wohnte als Häusling zur Untermiete. Der durchschnittliche Wert der Immobilien betrug 334 Taler389, das entspricht etwa dem Gegenwert eines kleinen Hauses. Tabelle 74
Bürgerrecht
und Immobilienbesitz
von
ehemaligen
Soldaten
Neubürger
Ohne Immobilienbesitz
Mit Immobilienbesitz
Durchschnittlicher Wert
94
54
40
334 Taler
Quelle: Göttingen 1690—1755, Tabelle IV;
StAGö AB
Stadthandelsbücher.
Belege
zur
Servicerechnung;
StAGö AB
Knapp die Hälfte der Immobilienbesitzer nannte unmittelbar vor oder nach dem Bürgerrechtserwerb Haus und/oder Land sein eigen. Dies sind Männer, die vor allem durch Einheirat immobiles Gut erwerben konnten. 23 ehemalige Soldaten kauften sich erst einige Jahre oder Jahrzehnte nach dem Bürgerrechtserwerb ein Haus oder Land. Diese Personen
konnte nach einer längeren Phase ökonomischen Erfolgs nach der Verbürgerlichung auch Grund und Boden erwerben. Einen etwas größeren Personenkreis erfassen die Collectentabellen, da nicht nur Immobilien, sondern auch Gewerbe, Großviehbesitz und einiges mehr veranlagt wurden390. Tabelle 76 führt die durchschnittliche Steuerveranlagung aller ehemaligen Soldaten und zusätzlich die Verteilung auf drei Vermögensgruppen auf. Tabelle 75 Immobilienkauf nach
Bürgerrechtserwerb
durch
ehemalige
Soldaten
Immobilienkauf nach
Besitz/Bürger
Immobilien besitzer
Bürger
40
17
I
1—5
Jahren
6—10
330
Quelle: Göttingen 1690—1755,
146
389 390
11-15
Jahren
16—20
=
Tabelle TV; StAGÖ AB
Wert in Talern pro
179
315
handelsbücher.
Erläuterung: Tlr/Bg
Jahren
Jahren
Tlr/Bg Bürger | Tlr/Bg Bürger I Tlr/Bg Bürger I Tlr/Bg Bürger I Tlr/Bg
Belege
zur
Servicerechnung
344
und Stadt-
Bürger
Berücksichtigt wurde der jeweils zeitlich letzte Eintrag eines Neubürgers in den Stadthandelsbüchern. Vgl. Tabelle 50.
VI.
Ökonomische Zusammenarbeit, soziale Bindungen und Integration
293
Tabelle 76
Besteuerung von ehemaligen Soldaten nach Bürgerrechtserwerb (Jahresbetrag der kleinen Collecte »quarta pars simpli« in Groschen) Steuer) ahr
Steuerbürger
1747/48 1751/52 1755/56
37 36
39
Collecten-Steuer Groschen I Gr./Bg. 442,13 530,63 512,25
11,95 14,74 13,13
Quelle: StAGö AB Collectentabellen; StAGö Erläuterung: Bg. Bürger; Gr. Groschen =
0—12 Gr.
Bürger | 27 20 27
AB
Anteil
73,0% 55,5% 69,2%
12-24 Gr.
Bürger | 5 10
Anteil
13,5% 27,8% 20,5%
24 Gr.
Bürger |
Anteil
13,5% 16,7% 10,3%
Belege zur Servicerechnung;
=
Wie sich bereits in der Aufstellung der Immobilienbesitzer (Tabellen 75 und 76) andeutete, gab es auch innerhalb der Gruppe derjenigen ehemaligen Soldaten, die das Bürgerrecht erwerben konnten, erhebliche Vermögensunterschiede. Eine zahlenmäßig breite Unterschicht, die über nur wenig Besitztümer verfügt, steht einer Mittelschicht und einer Oberschicht gegenüber, die teilweise das vier- bis viereinhalbfache dessen versteuerten, was ein Angehöriger der ärmeren Gruppe bezahlen mußte391. Einige ehemalige Soldaten und Bürger hatten so wenig wirtschaftlichen Erfolg und waren so arm geworden, daß sie überhaupt nicht mehr in die Collectentabellen aufgenommen wurden. Ein Beispiel dafür ist der abgedankte Musketier und gelernte Camelotmacher Johann Gottfried (Otte) Erhard. Aus Bause im Vogtland gebürtig, ließ sich Erhard Mitte der 1740er Jahre von der 3. Kompanie des Regiments Block anwerben und erhielt am 16. Juni 1752 nach etwa sechsjähriger Dienstzeit seinen Abschied. Am 29. Oktober 1753 wurde er zum Bürger angenommen. Offensichtlich hatte der Neubürger in Göttingen wenig Glück und verließ schon nach drei Jahren die Stadt: in der Collectentabelle von 1755/56 findet sich der lakonische Vermerk, »ist heimlich weggezogen«392. Vermutlich suchte Erhard, der vom Stadtfiskus mit zehn Groschen (kleine Collecte) als Schuldner in den Akten geführt Glück sein in anderen Stadt einer oder einer anderen militärischen Einheit. Andere, wurde, wie etwa Daniel Vogelsang oder Johann Conrad Wigandt, blieben zwar weiter in Göttingen wohnen, zahlten aber wegen ihrer wenigen Besitztümer nur einen geringen Steuersatz. Der aus Herzberg stammende Vogelsang, erst 1751 abgedankt und zum Bürger angenommen, versteuerte 1755/56 lediglich ein kleines Haus 2. Klasse mit sechs Groschen im Jahr. Der aus Nordhausen gebürtige Wigandt, 1738 zum Bürger angenommen, brauchte als Untermieter 1755/56 nur neun Groschen (kleine Collecte) zu erlegen393. 391 392
393
Zum Problem einer Schichtung mittels Steuerdaten vgl. Winnige, Krise und Aufschwung, Kap. II. 2.3. Dazu Vom Fremden zum Bürger, S. 140; Göttingen 1690—1755, Tabelle IV; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 11, Schreiben des Stadtrates vom 29. Januar 1753; StAGö AB Belege zur Servicerechnung; und StAGö AB Collectentabelle 1755/56, Häusling Nr. 287. Zu Vogelsang und Wigandt vgl. Göttingen 1690—1755, Tabelle rV; StAGö AA Militärsachen, All-
294
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Das andere Ende der
Erfolgsskala markieren beispielsweise Johann Anthon Krafft und Johann Jacob Uhe. Krafft, ehemaliger Querpfeifer aus Münden und seit 1732 Bürger, versteuerte 1747/48 ein Großes Haus mit Braurecht, das Hökergewerbe, dreieinhalb Morgen Ackerland, einen Viertel Morgen Wiese und eine Kuh für insgesamt mehr als 43 Groschen im Jahr. Der aus der Nähe von Gandersheim gebürtige Uhe, 1734 als Musketier von der 2. Kompanie (Druchtleben) abgedankt und 1740 Bürger geworden, versteuerte 1747/48 ein Haus erster Klasse mit Braurecht, sieben Morgen Ackerland, einen Morgen Wiese und zwei
de führten
zu
Kühe, wofür er 37 1/2 Groschen zahlen mußte394. Welche Umstänsolchen Diskrepanzen? Wie sahen die jeweiligen >Erfolgskriterien< aus?
»Erfolgskriterien« Es lassen sich
längst nicht alle Faktoren, die zum ökonomischen Erfolg oder Mißerfolg führten, beleuchten. Eigenes Vermögen, persönliche Veranlagungen, Qualifikation, Tüchtigkeit und Fleiß des Betreffenden, aber auch schlichtes Glück (etwa eine unerwartete Erbschaft) sind entscheidende und wichtige Umstände, die natürlich nicht im einzelnen
bestimmt werden können. Zwei meßbare Kriterien liegen allerdings vor: zum einen der im früheren Soldatenleben eingenommene Rang und zum anderen die im zivilen Leben ausgeübte Tätigkeit des Neubürgers. War jemand Unteroffizier oder sogar Offizier gewesen, so konnte er möglicherweise während seiner Dienstzeit ein kleines Vermögen ansparen und nach der Entlassung umfangreichere Besitztümer erwerben als ein Mannschaftsdienstgrad, dem es kaum gelungen sein dürfte, vom Sold nennenswerte Beträge zu sparen. Zudem wäre es möglich, daß Unteroffiziere und Offiziere aufgrund ihres höheren Sozialstatus Tabelle 77
Schichtenspezifische Besteuerung ehemaliger Soldaten und jetziger Neubürger (Jahresbetrag der kleinen Collecte »quarta pars simpli« in Groschen) Steuerjähr
Gesamt
1747/48 1751/52 1755/56
Unteroffiziere
>Gemeine
ihrer< jeweiligen Untertanen die Obrigkeiten zur kooperativen Problembewältigung. —
—
—
VIL
Obrigkeiten und Untertanen:
die administrative Ebene
299
Entscheidungsspielraum und Herrschaftsausübung der Ortsobrigkeiten wurden aber nicht nur durch spezifische Schwierigkeiten von >unten< beeinflußt, sondern vor allem von den Entscheidungsorganen des Landesherrn geprägt. Mit konkreten Anweisungen und Verfügungen bestimmten Geheimer Rat und Kriegskanzlei die Handlungsweisen der ihnen untergeordneten Verwaltungsbehörden, dabei Klagen und Vorschläge des Magistrats
oder des Kommandanten aufnehmend. A. Persönlicher
Umgang und Kommunikation: Kommandant und Stadtrat
Grundsätzliches Mit Kommandant und Magistrat befanden sich innerhalb der Göttinger Stadtmauern zwei von ihrer sozialen Herkunft her stark differierende Obrigkeiten402, die verschiedenen separat gestalteten Rechtsgemeinschaften vorstanden403. Zum Bereich des Kom-
mandanten zählten die dem Kriegsrecht unterworfenen Soldaten und deren Familien, der Stadtobrigkeit waren die Bürger mit ihren Angehörigen Untertan. Beide Obrigkeiten, Kommandant und Magistrat, waren gleichgestellt, keine Partei konnte der anderen unmittelbare Anweisungen oder Direktiven erteilen. Auch wenn der Rat ausdrücklich von der Landesregierung darauf hingewiesen wurde, den jeweiligen Kommandanten »an[zu]erkennen und [zu] respectiren«, brauchte er keine Befehle von ihm entgegenzunehmen404. Ähnliches galt für den Kommandanten. Zwar unterstanden ihm die Festungsbauten, damit auch der städtische Wall, in die inneren Angelegenheiten der Stadt durfte er sich jedoch nicht einmischen405. Mußten Streitereien zwischen Bürgern und Soldaten geschlichtet werden oder waren Reparaturen an den Festungswerken zu verrichten406, waren Bürgermeister und Kommandant deshalb auf Zusammenarbeit angewiesen. Funktionierte die Kooperation nicht dies war wiederholt der Fall —, wandten sich Kommandant und Magistrat an ihre Vorgesetzten in Hannover, um der jeweils anderen Partei einen »expressen Befehl« erteilen zu lassen oder um sich zu beschweren407. Diese schwierige und nicht unproblematische Ausgangssituation wirkte sich auf den persönlichen —
Umgang 402
403
404
405
406 407
aus.
Dies ist allein dadurch schon erkennbar, daß die Kommandanten adliger Abstammung und die Bürgermeister und Stadträte bürgerlichen Standes waren. Mit der Universität kam 1734/37 noch ein weiterer eigenständiger Rechtsbereich hinzu. Verfassung und Organisation der Universitätsverwaltung werden eingehend besprochen von Gundelach, Verfassung der Göttinger Universität; sowie Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 45—64. NHStA Hannover, Hann. 47 I, Nr. 89 vol. II. Schreiben der Geheimen Räte an den Rat der Stadt vom 23. August 1720. Damit verbunden war die Aufforderung, dem Kommandanten die ihm zustehenden »Gefälle« zu reichen und das Kommandantenhaus zur Verfügung zu stellen. Vgl. die Anweisung der Geheimen Ratskanzlei vom 21. März 1718 (etwa Punkt 4 und Punkt 11); StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 8. Vgl. zu den Festungswerken im einzelnen S. 187—194. Am 22. März 1723 beklagte Druchtleben, daß die Stadt seinen Bitten nicht entspreche, sondern stets einen »expressen Befehl« vom Geheimen Rat fordere, NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 6.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
300
Persönlicher
Umgang
Stadtrat und Kommandant verkehrten äußerst sporadisch direkt miteinander. Nur sehr selten erschienen Druchtleben oder Block persönlich auf dem Rathaus408 bzw. ein Bürgermeister im Kommandantenhaus. Wenn eine Kontaktaufnahme erforderlich war, sandten Magistrat und Kommandant im allgemeinen Boten aus. Druchtleben und Block setzten dafür ihre Adjutanten409 ein, der Magistrat in der Regel den Stadthauptmann410. Dies konnte mitunter dazu führen, daß an einem Tag Adjutant bzw. Stadthauptmann mehrmals zwischen Rathaus und Kommandantenhaus pendeln mußten; diese Verfahrensweise zögerte die Verhandlungen unnötig hinaus411. Bei ihm unliebsamen Vorfällen ließ sich der Kommandant auch schon einmal verleugnen, um damit den Fortgang einer Untersuchung zu blockieren412. Alle wichtigeren Angelegenheiten wurden überdies schriftlich über den Geheimen Rat bzw. die Kriegskanzlei verhandelt. Dieses umständliche Verfahren ist jedoch nicht nur Folge der strukturell bedingten Rivalität zwischen beiden Obrigkeiten, die sich aus dem Festungscharakter der Stadt und aus den die Verteidigung und Sicherheit des Ortes berührenden Befugnissen des Kommandanten ergaben. Offensichtliche, an die Person des jeweiligen Kommandanten gebundene Divergenzen zwischen Rat und Kommandantur beeinträchtigten ebenfalls die Zusammenarbeit413. Besonders in den 1730er und 1740er Jahren, als Druchtleben Kommandant war, kam es wiederholt zu Problemen. 408
Zum Beispiel am 24. Juli 1730. Der Schreiber verweist in seiner Aktennotiz ausdrücklich auf die persönliche Anwesenheit Druchtlebens. Bezeichnenderweise hatte den Kommandanten ein besonderes Anliegen zu diesem Besuch veranlaßt: Er wollte, daß der Rat an seinem Haus bestimmte Reparaturen
ausführte; StAGö
AA
Militärsachen, Kommandant,
Nr. 1.
Beispiel am 16. Juni 1730; ebd., Nr. 2. Zur Funktion des Adjutanten im Rahmen der Garnisonsverwaltung siehe weiter oben. Der Adjutant holte für Kommandant und Offiziere zudem den monatlichen Servisbetrag vom Billetamt ab. Vgl. die Aussage des Billetschreibers Frantz Hartwig Eberwein vom 12. April 1729; ebd., Nr. 8. 410 Zum Beispiel am 29. April 1738, als der Stadthauptmann beauftragt wurde, vom Kommandanten einen Schlüssel zu holen; ebd., Allgemeines, Nr. 54. 411 Dies kann einem Akteneintrag vom 13. Mai 1738 entnommen werden; ebd. An diesem Tag herrschte Uneinigkeit zwischen Rat und Druchtleben über die korrekte Bezahlung einiger Betten, die an das Stockhaus geliefert worden waren. Der Adjutant hatte den jeweiligen Argumentationsstand der einen der anderen Partei zu übermitteln. Ein anderes Beispiel für kommunikationsbedingte Verzögerungen waren die wochenlangen Servisverhandlungen von 1735, vgl. S. 224. 412 So etwa am 18. Juli 1746 der stellvertretende Kommandant Oberstleutnant von Vietinghoff; Actum Göttingen vom 18. Juli 1746; StAGö AA Bauwesen, Gräben, Stadtmauern, Wälle, Stadttore, Nr. 255. Vietinghoffs Soldaten hatten Stadtbedienstete am Schließen der Tore gehindert. 413 In welchem Umfang eine Änderung auch von Seiten des Magistrats verursacht wurde, konnte nicht werden. Die zunehmende Professionalisierung des städtischen Entscheidungsgremiums, in geklärt deren Folge auch Personen als Beamte eingesetzt wurden, die nicht aus Göttingen stammten, mag eine gewisse Rolle gespielt haben. Der »Korpsgeist« verhinderte aber vermutlich umfangreichere Alleingänge. Aus den Akten ist jedenfalls keine diesbezügliche Änderung festzustellen. Einzig der 1736 zum regierenden Bürgermeister berufene Friedrich Ferdinand Insinger schien zunächst dem Kommandanten ein größeres Entgegenkommen zu signalisieren. Zwei Jahre später war davon jedoch nichts mehr zu spüren, wie Druchtleben am 12. Juni 1738 der Landesregierung berichtete; Nach409
Zum
VIL
Obrigkeiten und Untertanen:
die administrative Ebene
301
Im Gegensatz zu Druchtleben verhielt sich Block im allgemeinen moderat und umgäng-
lich. Entstanden Probleme, wurde etwa die Reparatur eines Wachhauses fällig oder gab der Zustand des Walles Anlaß zur Kritik, wandte sich Block zunächst an den Rat, erst mittels einer mündlichen Benachrichtigung durch den Adjutanten, dann mit einer schriftlichen Mitteilung. Selbst nach Monaten städtischer Untätigkeit ließ Block erneut zunächst beim Rat an gegebene »Versprechen« erinnern und auf deren Einhaltung dringen414. Erst als auch solche Bemühungen ohne Erfolg blieben, wandte sich Block direkt an die Kriegskanzlei, um auf den Magistrat Druck ausüben zu lassen. Druchtleben schrieb jedoch fast immer sofort an die Kriegskanzlei, um sich über das »Ohnverhalten« der Stadt zu beschweren und die Regierung zu bitten, dem Magistrat entsprechende Anweisungen zu erteilen. In einigen Fällen informierte er die Geheime Ratskanzlei sogar, ohne überhaupt mit dem Rat zuvor Kontakt aufgenommen zu haben415. Dieses Vorgehen stieß auf den besonderen Unwillen der Ratsherren, die ein solches Verfahren als ungerechtfertigt empfanden und ihrerseits auf die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Generals verwiesen: Es »wäre solches [i. e. einzelne Reparaturen] bereits geschehen, wenn man uns von der Garnison gehörige Anzeige hätte thun laßen, immaßen wir ohne vorgängige Anzeige ohnmöglich wißen können, was zu
reparieren nöhtig.«416
Wandte sich Druchtleben in Ausnahmefällen doch einmal direkt an den Magistrat, brüskierte er die Ratsherren mit seinem rüden Befehlston417. Nicht nur einmal beschwerte sich die Stadt deshalb über Druchtleben und warf ihm eine besondere »Rancune« vor418. Diese unterschiedlichen Umgangsformen wären allein mit dem jeweiligen Naturell der beiden Offiziere nicht zu erklären gewesen. Ausgangspunkt der sich seit 1730 tendenziell verschlechternden Beziehung zwischen Druchtleben und dem Rat war vielmehr eine persönliche Auseinandersetzung, die zu einem tiefen Zerwürfnis führte und die Atmosphäre zwischen Rathaus und Kommandantur nachhaltig belastete419.
rieht Druchtlebens in StAGö AA Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 159. Zum Rat allgemein und zu Insinger im besonderen vgl. Göttinger Stadtrat, S. 28—32; sowie Mohnhaupt, Göttinger Ratsverfassung, S. 109. 414 Vgl. die Schreiben Blocks vom 28. Juni 1751, vom 30. November 1751 oder vom 14. Februar 1752; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Am 14. Februar mahnte Block, er werde, wenn nicht bald repariert werde, »genöthiget«, »dieserhalben an höhern Orthen es anzuzeigen«. 415 Als die Stadt im April 1738 lediglich plante, eine Treppe am Wall zu errichten, deutete dies Druchtleben bereits als Beschneidung seiner Kompetenzen und ersuchte die Landesregierung, dieses Vorhaben zu unterbinden; Schreiben vom 28. April 1738; vgl. ebd., sowie StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 159. 416 Schreiben der Stadt an den Geheimen Rat vom 9. Juni 1738; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. 417 Blocks Schreiben können dagegen zumindest grundsätzlich gewisse Bemühungen um Verständigung und einvernehmliche Zusammenarbeit entnommen werden. 418 Schreiben vom 9. Juni 1738; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. 419 Das Verhältnis schien vor 1730 tatsächlich entspannter und moderater gewesen zu sein, denn noch kurz vor dem Ausbruch der Differenzen suchte Druchtleben den Rat persönlich auf; dies war am 24. Juli 1730, StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 1.
302
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Der Streit
von
1730/31
Im Jahre 1730 kaufte Druchtleben den steuerbefreiten Hardenberger Hof und drei unmittelbar daneben gelegene Baugrundstücke420. Am 2. September bat er den Rat, auch die
drei neu erworbenen Grundstücke von allen städtischen Abgaben zu befreien421. Dies lehnte der Magistrat jedoch vier Tage später mit dem Hinweis auf einen zu großen Steuerausfall (wenn auf den Parzellen erst einmal Häuser stünden) ab. Druchtleben, dessen Grundstücke im Fall einer Steuerbefreiung eine Wertsteigerung von 500 %422 erfahren hätten, hatte für die Argumentation des Magistrats kein Verständnis und faßte die Ablehnung als Affront auf. Er beschuldigte den Rat, sein »so gerechtes als billiges Begehren [...] hintertrieben« zu haben und bat die Landesregierung um Unterstützung. Da die Stadt bei ihrem abschlägigen Bescheid blieb, sah sich der Geheime Rat von Steinberg genötigt, nach Göttingen zu reisen, um eine Eskalation der »Differentien« zu verhüten und den Streit zu schlichten. Nach Prüfung der Sachlage entschied der Minister zugunsten der Stadt. Druchtleben gab sich damit jedoch nicht zufrieden. Einem Schreiben an das Geheime Ratskollegium legte er nicht nur diverse Verträge und alte Dokumente bei, die seinen Anspruch auf Steuerexemtion untermauern sollten, sondern versuchte, die Entscheidung des Magistrats zu diskreditieren423. Er wies darauf hin, daß die Resolution des Rates nicht wie behauptet einstimmig beschlossen worden sei; einige Männer, vornehmlich Bürgermeister Georg Friedrich Morrien und Ratsherr Christian Heinrich Bönig hätten lediglich aus »bloßer Passion« gegen ihn gehandelt und sein »so rechtsbegehrendes Gesuch [...] auf gantz heimliche, will nicht sagen, verkehrte Art zur Welt gebracht«: »So ist der auctor [Urheber] davon der H. Bürgermeister Morien ein Mann, der sich gleich anfangs aufs euserste bemühet, mir hierin gäntzlich contruiren zu seyn, und damit er dieses alles mit dem Schein rechtens desto beßer bekleiten könte, so suchte er den H. Senator Bönig in betracht er diesen zu Außführung des vorgenommenen propos am geschicktesten erachte, auf seine Seite zu bringen, und gab darauff vor, es könte diese Sache ohne Zuziehung der Gilden, nicht abgethan werden.« Bönig habe dann auf dieser Versammlung eine lange Rede gehalten, »worin er auf das Nachdrücklichste vorstellete, wie die löblichen Gilden dieses mein Begehren, mit guten Gewißen nicht eingehen könten«. Ausdrücklich vermerkte Druchtleben in seinem Schreiben, daß einige Gildevertreter sowie der Bürgermeister Otto Riepenhausen sen. und die Ratsherren Caspar Heinrich Berckenstam und Otto Philipp Riepenhausen für seinen Kompromißvorschlag gestimmt hätten424. —
420
—
Der in Adelsbesitz befindliche Hof wurde 1582 von allen »oneribus« befreit, vgl. Zeit- und GeschichtBeschreibung, Bd I, Buch 2, S. 104 ff. Dort sind auch Angaben über Vorbesitzer und die einzelnen
Steuerbefreiungen verzeichnet.
421
422
423
424
StAGö Geheimer Rat, Nr. 75. Nach einer Berechnung des Rates hätte Druchtleben die für 210 Taler gekauften Grundstücke nach einer Steuerbefreiung für mindestens 1000 Taler wieder verkaufen können: Schreiben des Rates an die Geheimen Räte vom 12. April 1731; ebd. Schreiben Druchtlebens an den Geheimen Rat vom 2. November 1730; ebd., Brief vom 18. Januar 1731; ebd. Druchtleben hatte angeboten, jährlich pauschal zehn Taler an die Stadtkasse abzuführen.
VIL
Obrigkeiten und Untertanen:
die administrative Ebene
303
Inwieweit diese vom Kommandanten beschriebenen Parteiungen innerhalb des Stadtregiments auf Tatsachen beruhten oder von Druchtleben sinnentstellt oder übertrieben dargestellt wurden, kann hier nicht geklärt werden425. Es dauerte jedenfalls noch mehrere Monate und bedurfte diverser Stellungnahmen aller Beteiligten, ehe man sich im Juli 1731 doch noch auf einen Vergleich einigen konnte426. Dieser Vorfall belastete die Zusammenarbeit von Druchtleben und Rat und verstärkte die grundsätzlichen Rivalitäten427. Als der Kommandant 1734 wiederholt die Stadt auffordern ließ, den Graben zu reinigen, betrachtete dies der Magistrat als Schikane und wertete es als Beweis für den gegen »uns derozeit gefaßeten Unwillen, da wir salva conscientia nicht nachgeben [konnten], daß derselbe einige angekauffte Baustellen mit einem Freyhause bebauen dörffe«428. Auch 1738 beschwerte sich die Stadt bei der Geheimen Ratskanzlei über die Vorgehensweise Druchtlebens: »zumahlen uns bekannt, wie der Brigadier bey aller Gelegenheit gerne causam [ergreift], sich über uns zu beschweren, ohngeachtet wir ihm zu Unterhaltung eines guten Vernehmen[s] zwischen der Stadt und Garnison, alle Gefälligkeiten erweisen und bey seinen vielen Angesinnungen bald dieses, bald jenes machen und anderes [machen] zu laßen, nach Möglichkeit zu willen seyn und fügen, ihm auch vieles, was er nicht praetendiren kan, genießen [lassen].«429 B. Rivalitäten und
Festungsbau:
oppositionelle Grundhaltungen
differierende Interessen
Wie bereits dargelegt wurde, gehörten die Außenwerke und Contrescarpen der Kriegskanzlei, während Wall (inkl. der darauf stehenden Wachhäuser) und Graben im Besitz der Stadt geblieben waren. Diese eigentümliche Situation führte dazu, daß der für den »Defensionsstand« der gesamten Festung zuständige Kommandant bei anfallenden Reparaturen die Stadt auffordern konnte, notwendige Arbeiten an Wall und Graben vorzunehmen. Der Kommandant mußte für eine intakte und funktionstüchtige Festung sorgen, vor allem Stadtgraben und Wall hatten nach Ansicht von Landesregierung und Garnisons425
426
Dies war die einzige Stelle, in der Druchtleben auf einzelne Mitglieder des Magistrats einging. Vor und nach dieser Auseinandersetzung schrieb er stets allgemein von dem »Rathaus« oder dem »Rat«. Der Wortlaut dieses Vergleichs ist nicht bekannt. Wahrscheinlich hatte man sich auf eine bestimmte
427
428
429
Abschlagszahlung geeinigt.
Dies hielt den Rat freilich nicht davon ab, in einem an die Witwe Druchtlebens gerichteten Beileidsschreiben vom 22. August 1748 den verstorbenen Kommandanten ausdrücklich zu loben: Sein Tod »hat uns um so mehr gerührt, da die hiesige Stadt zugleich einen wegen seiner ausnehmenden Billigkeit, Leutseligkeit und guter Gesinnung gegen uns und hiesige Bürgerschaft überall geliebten und hochgeschätzten Gouverneur verliehret«. StAGö AA Militärsachen, Kommandant, Nr. 2. Schreiben an das Geheime Ratskollegium vom 1. März 1734; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 152. Tatsächlich mußte die Stadt in den ersten Jahren nach dieser Auseinandersetzung wesentlich mehr für den Festungsbau ausgeben. Waren in den fünf Jahren zuvor im Schnitt 189 Taler aufzuwenden, so stiegen die Kosten 1732/33 auf 466 und 1733/34 sogar auf 700 Taler! Diese Summe bildete den höchsten Betrag im ganzen Untersuchungszeitraum, vgl. die Tabellen XI, XII und XIV im Anhang. Schreiben vom 9. Juni 1738; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
304
führung
eine
wichtige Verteidigungsfunktion430.
Der
Stadtmagistrat verfolgte jedoch
andere Interessen; für verteidigungstechnische Überlegungen war er nur sehr bedingt aufgeschlossen. Für ihn boten »Wall und Mauern Sicherheit genug«431, selbst wenn der Wall nach Ansicht des jeweiligen Kommandanten »dermaaßen schlecht«432 war, daß »man mit Pferden daselbst hinauf reiten könne« und er »mit der Zeit keines Walles mehr ähnlich« aussah433. Auch die mitunter heftig kritisierte Beschaffenheit des Grabens, der von Block 1751 als »fast einer Wiese ähnlich«, beschrieben wurde, störte den Rat nur
wenig434. Das geringe Interesse des Rates an einer nach militärischen Gesichtspunkten optimalen Festung hatte vor allem finanzielle Gründe. Die von der Stadt verlangten, oft als zu hoch empfundenen Aufwendungen für die Instandhaltung von Wall und Graben oder für die Reparatur einzelner Wachhäuser wurden wiederholt kritisiert435. Je nach Sachlage und Taktik zweifelte der Magistrat die Zuständigkeit der Stadt an und verwies auf die Verantwortlichkeit der Kriegskanzlei, bestritt die Gutachten des Conducteurs und leugnete die Baufälligkeit einzelner Wachhäuser bzw. den reparaturbedürftigen Zustand des Walles oder feilschte um die Höhe der Baukosten und um die Ausstattung der von der Stadt zu errichtenden neuen Wachhäuser. Im folgenden sollen Verlauf und Erfolg einzelner Verweigerungsstrategien erörtert werden. Mehrmals versuchte die Stadt, die Pflicht, sich am Erhalt der Festung finanziell beteiligen zu müssen, auf andere abzuwälzen. In mehreren Schreiben an die Landesregierung wies der Magistrat darauf hin, daß seiner Ansicht nach auch das umliegende Land von der Festung profitiere. Da zudem die Kosten die Kräfte der Stadt überstiegen436, beantragte der Rat, Bauern im Rahmen der Landfolge zu verpflichten, den Graben regelmä0
1 2
3 4
Der Geheime Rat von Alvensleben in einem Schreiben an die Stadt vom 8. März 1734; StAGö AA Bauwesen, Gräben, Stadtmauern, Wälle, Stadttore, Nr. 238. Daß der jeweilige Kommandant Wall und Graben eine besondere Bedeutung zumaß, wird in einem an die Kriegskanzlei gerichteten Schreiben vom 17. April 1732 deutlich; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 7. In einer Mitteilung an die Geheimen Räte vom 9. Juni 1738; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Beschwerdebrief Druchtlebens vom 14. Mai 1738; StAGö AA Militärsachen, Nr. 53. In einer Mitteilung Blocks vom 14. Februar 1752 an den Stadtrat; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. In einer Mitteilung an den Stadtrat vom 28. Juni 1751; ebd. Auch die Einwohner der Stadt zeigten wenig Interesse an einem intakten Zustand >ihrer< Festung und beschädigten die Festungswerke: Am 14. März 1708 wurde der Walkemüller ertappt, wie er Palisaden stahl, und am 11. September 1713 wurden der Schneider Rust sowie der Ratsherr Johann Ludolph Biermann überführt, Befestigungspfähle entwendet zu haben; NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 3. Am 26. Juni 1739 wurde der Müller Christoph Ahlborn verdächtigt, Steine aus der Stadtmauer ausgebrochen zu haben; StAGö AA
Militärsachen,
Nr. 53.
Angesichts einer durchschnittlichen jährlichen Belastung des städtischen Etats von lediglich 1,4% erscheinen die vielen Klagen und Beschwerden allerdings deutlich überzogen. Vgl. die Zahlen in Tabelle XII im Anhang. 6 5
Der Rat bezifferte die Kosten einer Sanierung des gesamten Walles auf etwa 50 000 Taler; Schreiben vom 9. Juni 1738; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Die gleiche Summe hielt der Bauratsherr Frantz Lebrecht Kampe in einem Gutachten vom 14. Februar 1752 für erforderlich. Kampe berechnete die Sanierungskosten auf 200 Taler pro 1000 Fuß Wall. Sein Bauplan sah einen zeitlichen Rahmen von zehn Jahren vor.
VIL
Obrigkeiten und Untertanen:
die administrative Ebene
305
ßig auszuheben und den Wall zu verstärken437. Auf diese Weise würde, so die Stadtväter, der ständige »Querel« mit dem Kommandanten beigelegt. Die Geheimen Räte lehnten dieses Ansinnen jedoch ab. Sie verwiesen darauf, daß Wall und »sothane Gräben hauptsäglich zur Defensión dienen und dannenhero allerdings in gehörigen Stand erhalten werden müßen, wofür dan die Stadt, weil sie derselben zuständig [ist], ohne Concurrentz
des Landes zu sorgen hat«438. Da die Landesregierung nicht dem Antrag der Stadt entsprach, versuchte der Rat auf andere Weise, seine Ausgaben zu senken. Als 1755 einige Wachhäuser aufwendig renoviert bzw. sogar neu gebaut werden mußten, verweigerte der Magistrat zunächst die Übernahme der Kosten. Am 30. Juni betonten Rat und Bürgerdeputierte, daß die (vorgeblich) im Jahre 1634 vom damaligen Kommandanten errichteten Häuser der Kriegskanzlei »als ein [...] Eigenthum« gehören würden. Da die »Besatzung aus regulirten Soldaten« bestehe, so die Bürger in ihrem Schreiben, sei nicht zu verstehen, warum »eine Stadt überhaupt [...] nach principiis [...] Wachthäuser vor die einquartirte Milice zu erbauen« nötig habe439. Diesen Einwand ließ der Geheime Rat jedoch nicht gelten. Er hatte längst die Absicht des Magistrats durchschaut und war über das korrekte Baujahr 1620 bereits informiert worden, »zu welcher Zeit die Stadt noch mit keinen landesherrlichen Truppen belegt gewesen«440. Eine andere Vorgehensweise war, daß die Vertreter der Stadt versuchten, bestimmte Schäden an den Festungswerken als Folge unsachgemäßer Nutzung durch die Soldaten zu interpretieren, um damit jede Verantwortlichkeit von sich zu weisen441. Doch ebenso wie alle anderen Bemühungen scheiterte auch dieser Versuch des Rates, städtische Reparaturpflichten in die Zuständigkeit der Kriegskanzlei zu verlegen. Mit Gegengutachten bemühte sich der Magistrat überdies, die vom Kommandanten gemeldeten Schäden zu bagatellisieren. Als am 10. April 1738 Druchtleben die Baufälligkeit des Albaner Wachhauses monierte und es wegen des undichten Daches und der drangvollen Enge als ein »Loche ärger alß ein Gefängiß mit Ungeziefer angefüllet« bezeichnete, fanden Zimmermeister Thon und Notar Kuntze das Gebäude angeblich »in einem ohntadelhafften Stande« vor und begutachteten statt Nässe und Ungeziefer lediglich »etwas drocken auskehrigt Dreck«442; zudem sei Platz in ausreichendem Maße vorhanden443. 437
438 439 440
441
442
443
Etwa am 1. März 1734 oder am 9. Juni 1738; ebd., sowie StAGö Geheimer Rat, Generalia et varia, Nr. 152 (1734) Die Antwort datiert vom 8. März 1734; StAGö AA Deposita, Nr. 23. Schreiben an den Geheimen Rat vom 30. Juni 1755; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 166. Nachricht Blocks vom 5. Juli 1755, der die Landesregierung in Kenntnis setzte; ebd. Zur ersten Stationierung landesherrlicher Soldaten und zur Einrichtung einer Kommandantur vgl. S. 67f. So räumte die Stadt am 9. Juni 1738 in einem Brief an die Landesregierung zwar ein, daß es zwei
schadhafte Stellen am Wall gäbe, monierte jedoch zugleich, »daß die Mousquetiers solche wegen selbst gemacht haben [...], um einen Umweg zu erspahren und die auf den Brustwehren führende Treppen nicht ab- und aufzusteigen«. StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Schreiben an den Geheimen Rat vom 10. April 1738; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 159 und ebd., Gutachten vom 14. Mai 1738. Am 9. Juni 1738 schrieb der Rat an die Landesregierung, daß »besagte Mousquetiers Raum und Bequemlichkeit genug« hätten; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. In Anbetracht der divergierenden Aussagen wurde schließlich vom Geheimen Rat eine unparteiische Kommission bestimmt, die den
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
306
Eingaben und Protesten zögerte die Stadt eine Totalrenovierung der Wachhäuser fast zwanzig Jahre hinaus. Eine letzte Möglichkeit der Kostenminimierung nutzte der Magistrat, indem er einzelne Bauvorhaben kritisierte und kostengünstigere Bauausführungen forderte. Als die Stadt 1735 die Neue Hauptwache vor dem Zeughaus zu errichten hatte, verzichtete sie auf den Einbau von »Privets«, was zu einem längeren Diskurs mit dem Kommandanten und der Kriegskanzlei führte444. Als 1755 die Wachgebäude erneuert werden sollten, beanstandete der Rat die ihm zu großzügige und teure Raumaufteilung; neben einem geräumigen Mannschaftsraum und der Unteroffiziersstube war auch ein Aufenthaltsraum für den Offizier vorgesehen: »Weil nämlich ein Officier überaus selten an einem oder anderen Thor erfordert wird, stehet zu besor-
Mit weiteren
gen,
es
Noth
dürfte dergleichen Stube für Kranke oder zu anderen Absichten gebrauchet, mithin selbige ohne geheitzet [werden].«445
Insgesamt konnte der Rat nur wenige grundsätzliche Erfolge erzielen. Die Stadt konnte we-
der eine Änderung der Zuständigkeit erreichen, noch vom Kommandanten geforderte Baumaßnahmen in nennenswertem Umfang verhindern. Allerdings bewirkte die mit Widersprüchen, Eingaben und Gegengutachten gekennzeichnete oppositionelle Hinhaltetaktik des Magistrats teilweise enorme Verzögerungen aus Sicht der Garnison notwendiger Bau- oder Reparaturmaßnahmen. Zudem konnte die Stadt mehrere Vorhaben zum Scheitern bringen bzw. zumindest die bauliche Ausstattung einzelner Objekte einschränken. Der Festungsbau war nicht der einzige, wenn auch wohl der wichtigste und dauerhafteste Anlaß für Rivalitäten und ein gestörtes Verhältnis zwischen Kommandantur und Magistrat. Andere Ursachen wurden von den jeweiligen Schutzbefohlenen an die Obrigkeiten herangetragen. Jeder Streitfall zwischen Bürgern und Soldaten konnte zu weiteren Auseinandersetzungen führen.
Rivalität und
Patronage
Untersuchung des militärischen Umgangstones hat gezeigt, daß sich der Kommandant mit seinen Offizieren für die sozialen und ökonomischen Belange seiner Untergebenen durchaus verantwortlich fühlte. Regimentschef und Soldaten bildeten gemeinsam die Säulen eines Patronagesystems, in dem Gehorsam und Loyalität auf der einen, Schutz und Fürsorge auf der anderen Seite standen. Außer denkbaren philanthropischen Motiven waren für den Kommandanten vor allem utilitaristische Beweggründe und die Sorge um die eigene Kompetenzwahrung gegenüber anderen Obrigkeiten ausschlaggebend. Zwar war das Verhältnis zwischen Bürgern und Magistrat kein militärdienstliches und nicht auf und Gehorsam Befehl unbedingt ausgerichtet, in den Grundzügen sind ähnliche Wechund selbeziehungen Abhängigkeiten aber auch hier erkennbar. Die
444 445
Zustand der Wachgebäude überprüfen sollte. Der Kommissionsbericht vom 1. Oktober 1738 ergab, daß fast alle Wachhäuser baufällig waren. Vgl. den Schriftwechsel der Jahre 1735 und 1736; StAGö AA Militärsachen, Nr. 53. Schreiben des Stadtrates an die Landesregierung vom 15. Juli 1755; StAGö AA Wachhäuser, Nr. 5. Zusätzlich wurde eine Verkürzung des Schirmdaches gefordert, Schreiben vom 17. Juli 1755; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 166.
VIL
Obrigkeiten und Untertanen:
die administrative Ebene
307
Diese besondere Konstellation führte dazu, daß jeder zwischen einem Soldaten und einem
Bürger vorgefallene Streitfall zwangsläufig beide Obrigkeiten als rivalisierende Kontrahenten auf den Plan rief. Darüber hinaus konnte jede Maßnahme der einen Obrigkeit zum Schutz ihrer Untertanen von der anderen Obrigkeit als Übergriff gewertet werden, der die Rechte der eigenen Schutzbefohlenen beeinträchtigte und zu Gegenmaßnahmen herausforderte. Dies zeigte sich insbesondere am Beispiel der Einquartierungspraxis, den wirtschaftlichen Aktivitäten der Militärbevölkerung und den Holzdiebstählen der Soldaten446. Immer wieder beschwerte sich der Rat über die Ausmietungspraxis, monierte die »mercklichen Unterschiede«, die zwischen den Sätzen des Servisreglements und der tatsächlich ausgehandelten Auszahlungstaxe bestanden, und beklagte sich, daß die Bürger von den
Soldaten »erpresset« würden. In mehreren Schreiben forderte der Rat deshalb den Kommandanten auf, seinen Soldaten zu befehlen, »denen Mitbürgern« weniger Geld abzuverlangen, was dieser jedoch vehement verweigerte. Er war der Ansicht, »so wenig [die] Soldaten zum Ausmiethen nöthigen« zu können, »als weniger denselben vorschreiben [zu] können, was [sie] monathlich an Service nehmen sollten«447. Die Bürger würden vielmehr, so Kommandant von Druchtleben in einem Schreiben von 1740, die Notlage der Soldaten ausnutzen und mit »ohnerlaubte[n] proceduren [...seine Leute] gäntzlich ruinire[n]«448. Da sich Magistrat und Kommandant nicht einigen konnten, korrespondierten beide Parteien mit ihren vorgesetzten Dienststellen in Hannover, um Unterstützung zu erlangen. Da sich allerdings weder der Geheime Rat noch die Kriegskanzlei in der Angelegenheit festlegten, änderte sich grundsätzlich nichts. Ein anderer Streitpunkt zwischen Kommandantur und Magistrat war die »Pfuschertätigkeit« der Soldaten. Als Interessenvertreter der Gilden und Zünfte versuchten Bürgermeister und Stadträte, mit verschiedenen Maßnahmen gegen einzelne Soldaten vorzugehen und deren Produkte zu konfiszieren. Der Kommandant schützte jedoch nicht nur seine Männer vor dem Zugriff der zivilen Obrigkeit, sondern leistete der verbotenen Schwarzarbeit wiederholt kräftig Vorschub, indem er seine Soldaten mit verbotenen Tätigkeiten beauftragte. Ein letztes ständiges »Querel« war das »Holzsamlen« der Soldaten. Obwohl der Kommandant mehrfach vom Magistrat aufgefordert wurde, seinen Männern dieses zu verbieten, weigerten sich Druchtleben bzw. Block beharrlich. Als im »harten Winter« 1739/40 die Soldaten massenhaft Holz aus dem Stadtwald holten, spitzte sich die Situation zu. Die Stadt beschwerte sich beim Geheimen Rat und forderte ein formelles Verbot, da das Holzsammeln für die Soldaten unnötig sei; diese seien ja »bey dem Wirthe in der warmen Stube«. Druchtleben ließ diesen Einwand jedoch nicht gelten und betonte, daß »der Soldat mit seiner wenigen Gage nur kümmerlich sein Leben sich zu halten imstanBewußt wurden vor allem strukturell
bedingte und ökonomische Problembereiche angeführt. Tem-
porär beschränkte Widrigkeiten wie die gewaltsamen Rekrutierungsversuche Anfang 1727 (S. 271 ff.) blieben deshalb unberücksichtigt. Schreiben des Stadtrats an die Geheimen Räte vom 17.
Nr. 93.
September 1749; StAGö AA Militärsachen,
Schreiben Druchtlebens an die Landesregierung vom 21. November 1740; StAGö AA Holzsachen, Nr. 193.
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
308
de ist« und sehr wohl darauf angewiesen sei, Brennholz zu sammeln449. Da der Geheime Rat keine Entscheidung traf, blieb auch das Brennholz-Problem ungelöst. C.
Kooperation
und Zusammenarbeit
Wurden im vorangegangenen Abschnitt vor allem die Rivalitäten und oppositionellen Grundhaltungen erläutert, die zwischen Kommandantur und Magistrat bestanden, sollen nun Formen gemeinsamen Vorgehens und gegenseitiger Kooperation beleuchtet werden, die trotz aller Vorbehalte auf beiden Seiten durchaus vorhanden waren450. Alle Streitfälle und Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Soldaten wurden in gemeinsamen Kommissionen, die sich aus Vertretern des Rates und Abgesandten der Kommandantur zusammensetzten, verhandelt451. In diesen Gremien wurden zivilrechtliche Ansprüche überprüft, war der Beklagte Bürger, führte die Stadt die Untersuchung durch, war der Beklagte Soldat, tagte das Kriegsgericht. Vertreter der jeweils klagenden Partei wurden hinzugebeten452. Auf diese Weise wurden die meisten Zerwürfnisse und Handgreiflichkeiten bereits im Vorfeld kanalisiert und geschlichtet, ehe daraus grundsätzliche Probleme entstehen konnten. Gleichzeitig förderte die Abhaltung gemeinsamer Kommissionen bzw. Gerichtssitzungen unter den Offizieren und Ratsmitgliedern die Bereitschaft zu weiterer Zusammenarbeit. Hatten sich Soldaten bestimmter Vergehen schuldig gemacht, etwa Holz aus dem Stadtwald gestohlen oder an den Toren einzelne Bürger überfallen und belästigt, befahl der Kommandant eine Untersuchung und entsprach damit den Wünschen des Magistrats. So fand zum Beispiel im Frühjahr 1749 »auf Ordre« Johann Henrich von Blocks eine größere Untersuchung statt, in deren Verlauf die verhörten und wegen Holzdiebstahls überführten Männer bestraft wurden453. Block bat nicht nur einen Vertreter der Stadt als Prozeßbeobachter hinzu, sondern ließ dem Magistrat auch eine Abschrift des Gerichtsprotokolls zukommen eine freiwillige Maßnahme, die durchaus Symbolwert besaß. Ein Ausdruck für die einvernehmliche Zusammenarbeit von Magistrat und Kommandantur waren gemeinsam abgehaltene Gerichtssitzungen und auf Kooperation und Ausgleich bedachte zivil- und strafrechtliche Ahndungen von Vergehen, die Bürger oder Soldaten begangen hatten. Ein anderes Zeichen war die gegenseitige Amtshilfe. Gerade bei der Wahrnehmung obrigkeitlicher Aufgaben, etwa zur Steuereintreibung454 oder zur —
449
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Ebd.: Schreiben des Magistrats an die Landesregierung vom 3. Oktober 1740; Schreiben vom 28. April 1740; Schreiben Druchtlebens vom 21. November 1740 an den Geheimen Rat. Zu beachten ist, daß ein kooperatives Vorgehen von Kommandantur und Magistrat wiederholt von der Landesregierung bzw. der Kriegskanzlei angemahnt wurde. Nach Gründung der Universität wurde eine ständige Kommission ins Leben gerufen, die aus Vertretern der Stadt, der Garnison und der Universität bestand. So zum Beispiel am 11. November 1732, als der Stadthauptmann an einem Verhör des Kriegsgerichts teilnahm. Gegenstand der Sitzung war die Klage des Goldschmiedes Eberwein gegen dessen einquartierten Gefreiten. StAGö AB Stadtratsprotokoll vom 11. November 1732. Actum Göttingen vom 8. März 1749; StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Als der Proviantschreiber Hering am 21. Januar 1732 vor dem Rat berichtete, daß viele Bürger sich weigerten, Steuern zu zahlen, wurde erwogen, eine »militairische Execution« durchzuführen; StAGö AB
Stadtratsprotokoll.
VII.
Obrigkeiten und Untertanen:
die administrative Ebene
309
Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung455, griff der Rat wiederholt auf die Hilfe des Kommandanten zurück. Als zum Beispiel der Magistrat eine Razzia in Göttingen durchführen sollte vorausgegangen war ein königliches Reskript, nach »Mordbren—
nern] und andererem] liederlichem] Gesindel«
zu suchen456 bat man den General dieser sich bereit 65 und Soldaten für die Razfand Beistand, »sogleich willig« abkommandierte457. zia In Katastrophenfällen wie Überschwemmungen oder Feuersbrünsten unterstützten die Männer des Kommandanten Hilfsmaßnahmen der städtischen Behörden458. Waren bestimmte öffentliche Aufgaben oder Arbeiten zu verrichten, etwa zur Vorbereitung oder Durchführung einer Exekution, konnte der Rat ebenfalls auf die Unterstützung durch detachierte Soldaten zurückgreifen459. Amtshilfe gab es jedoch auch in umgekehrter Richtung. Konnten der Magistrat bzw. dessen Exekutivbeamten Deserteure460 oder straffällig gewordene Soldaten fassen461, wurden sie inhaftiert und an den Kommandanten ausgeliefert. —
um
wozu
D. Exkurs:
Veränderungen
durch die
Universitätsgründung
In diesem Exkurs sollen
weniger die Organisation der Universität, sondern vielmehr der sozialen einige Aspekte Auswirkungen auf die Garnison beleuchtet werden. Aus Sicht der Soldaten brachte die Universitätsgründung etliche negative Folgen. Mit den Studenten kam eine soziale Gruppe in die Stadt, die ihnen mehrheitlich feindlich oder doch zumindest ablehnend gesonnen war. Mit besonderen Rechten und Privilegien462 sowie eigenen speziellen Umgangsformen ausgestattet, hoben sich die Studenten, die überdies in vielen Fällen adliger Herkunft waren und durchweg einer gehobeneren sozialen Schicht als die Soldaten angehörten, deutlich von allen anderen in Göttingen lebenden Bevölkerungsteilen ab. Ein besonderer Ehrenkodex auf beiden Seiten und traditionelle gegenseitige 455
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457 458
459 460
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462
Reskripten vom 28. Oktober 1718 und vom 13. September 1719 wurde verfügt, bei Ergrei»herrenlosen Gesindels« die Hilfe der »nechst Einquartierte von der Militz [zu] requiriren«. fung Den Offizieren wurde befohlen, »alle erforderliche Assistentz ohne Entgeld« zu leisten. In einer Weisung der Kriegskanzlei vom 8. Januar 1751, die an alle Kommandeure gerichtet war, wurde angeordnet, daß den Obrigkeiten bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben zu helfen sei; StAGö In zwei
AA Deposita, Nr. 23. Das Reskript datiert vom 28. März 1739; StAGö AA Staatsverwaltung, Generalvisitation, Nr. 3. Actum Göttingen vom 6. April 1739; ebd. So etwa am 17. November 1751, als in dem vor den Toren Göttingens gelegenen Rosdorf ein Brand ausbrach; StAGö AA Brand- und Feuersachen, Nr. 89. Zum Beispiel als Sperrposten für den Hinrichtungsplatz. Zur Mithilfe ziviler Dienststellen bei der Verfolgung und Ergreifung von Deserteuren vgl. dazu unten, S. 51—55. So verhaftete zum Beispiel der Stadtcorporal Polle einen Musketier wegen »schimpflicher Reden« und übergab den Gefangenen an die Kommandantur. Actum Göttingen vom 11. Dezember 1742; StAGö AA Militärsachen, Allgemeines, Nr. 93. Dazu gehörte natürlich auch das Recht, sich zu bewaffnen und einen Degen zu tragen. Überdies waren die Studenten gegen Übergriffe der Soldaten, etwa gegen Rekrutierungsversuche, gesetzlich geschützt. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 497ff., S. 505—510.
310
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Abneigungen463 führten zu zahlreichen Tätlichkeiten und »Injurien« zwischen Soldaten und Studenten464. Immer wieder wurden Wachposten belästigt oder einzelne Soldaten mißhandelt und beschimpft bzw. Studenten von Musketieren verprügelt. Nicht immer
konnten sich die Musketiere wehren, standen sie auf Wache oder wurde exerziert, waren sofortige Sanktionen nicht möglich. Zudem störten die Studenten den Militärbetrieb und betraten die Verteidigungsanlagen, die sie mitunter mutwillig beschädigten465. Eine andere Verschlechterung der Dienstbedingungen einfacher Soldaten in Folge der Universitätsgründung war die größere Arbeitsbelastung. Dabei spielten weniger zusätzliche Einsätze bei Studentenunruhen eine Rolle466, sondern vielmehr der bedingt durch ein höheres Verkehrsaufkommen außerordentlich arbeitsintensive Torwachdienst. So beklagte sich Kommandant von Druchtleben, daß sich »die armen Soldaten in den sehr schlechten alten Wachthäusern ohnmöglich länger können behelfen, zumahlen, da jetzo wegen der Universität fast alle Nachte die Thore müßen geöffnet werden«467. Die 1738 erlassene Sperrordnung besserte die Situation keineswegs468. Eine letzte, die Garnison als Ganzes betreffende Auswirkung der Universitätsgründung war die Verlegung der Hauptwache, die bis 1735 auf dem Marktplatz vor dem Rathaus gestanden hatte und nun auf dem entlegenen sogenannten Neuen Markt errichtet wurde. Ohne auf die Proteste des Kommandanten einzugehen, der vergebens die strategische Bedeutung des alten Standortes unterstrich469, verfügten die Geheimen Räte, daß angesichts »jetziger Anrichtung der daßigen Universität verschiedene andere Ursachen anzurahten scheinen, daß hierunter eine Veränderung getroffen, und besagte Corps de Garde an einer anderen schicklichen, von den Studenten weniger, als der Marckt frequentirten Ort geleget werde«470. Die Verlegung der Hauptwache hatte durchaus symbolische Bedeutung und markierte den Paradigmenwechsel in der bisherigen Haltung der Landesregierung zum Nachteil der Garnison und zugunsten der Universität. Haltung und Politik des Geheimen Rates und der Kriegskanzlei werden im nächsten Abschnitt beleuchtet. —
—
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470
Ebd., S. 43, S. 491—497, S. 289 und bes. Anmerkung 83. Es gab jedoch auch positive soziale Bezie-
hungen zwischen Soldaten und Studenten. Vgl. ebd., S. 277-297 mit vielen Beispielen und S. 157.
So betraten Studenten verbotenerweise nachts den Wall oder brachen ein Tor auf, dazu Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 281—285. Dazu ebd., S. 86 f. Diese Einsätze waren jedoch relativ selten. Schreiben an die Landesregierung vom 28. April 1738; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 159. Um dem gewachsenen Personenverkehr Rechnung zu tragen, hatte sich die Landesregierung entschlossen, die Öffnungszeiten der Stadttore um zwei bis drei Stunden zu verlängern. In dieser Zeit wurden die Tore »gesperrt«, d. h. nur mit einem Schlagbaum geschlossen, um bei Bedarf gegen Erlegung einer Gebühr noch geöffnet zu werden. Vgl. die königliche Verordnung »Die Einführung und Veranstaltung des Einlasses zu Göttingen betreffend« vom 16. Mai 1738. Vgl. auch Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 284. Druchtleben hob die zentrale Lage der alten Hauptwache hervor, die es ihm ermögliche, daß er über alles, »was in der gantzen Stadt passiret connaissance bekömbt«. Demgegenüber sei der neue geplante Standort viel zu entlegen. Schreiben Druchtlebens an die Landesregierung vom 11. Oktober 1734, 28. Oktober 1734 (Zitat) und 18. November 1734; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 154. »Pro Memoria« der Geheimen Räte
vom
30.
Dezember 1734; ebd.
VIL
E.
Obrigkeiten und Untertanen:
Haltung und Zwischen
die administrative Ebene
311
Politik des Geheimen Rates und der Kriegskanzlei: >adhoceigene< Obrigkeit geschickt. Wurde der umgekehrte Weg beschritten, versuchte die angeschriebene untergeordnete Obrigkeit, zunächst Kontakt zur zuständigen vorgesetzten Dienst-
stelle herzustellen473. Wie Brüdermann feststellt, wurde der Schriftwechsel »mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit betrieben«474. Sandten Magistrat oder Kommandant einen ihrer regelmäßigen Zustandsberichte ein, dauerte es im allgemeinen nur ein bis zwei Wochen, ehe eine Antwort aus Hannover eintraf, es sei denn, sachliche Gründe erforderten eine längere Beratungsphase. Persönliche Kontaktaufnahmen waren dagegen seltener. Zusammen mit gelegentlichen Inspektionen zählten die periodisch einzusendenden Berichte zu den wesentlichsten Instrumentarien landesherrlicher Herrschaftsausübung, weil sie eine permanente Kontrolle der nachgeordneten Beamtenschaft bzw. der Regimentskommandeure garantierten. Hauptaugenmerk der Landesregierung war nach eigenem Bekunden zumindest bis zur Universitätsgründung das »Wohl der Stadt und Garnison«. Die Oberbeamten legten deshalb großen Wert auf eine »Unterhaltung guter Freundschaft und Einverständnisses« zwischen Kommandantur und Stadtrat. Es sollte alles verhindert werden, was »ein übles Vernehmen zwischen der Stadt und Garnison« zur Folge haben könnte475. Gab es Probleme, appellierten die Räte an die »Gemüths-Billigkeit«476 der Kontrahenten und forderten die Parteien zur gütlichen Einigung vor Ort auf477. Konnten die Differenzen auf diesem 471
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Zur Kommunikation der Universitätsleitung mit dem Kurator vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 65-78. Etwa dann, wenn eine Angelegenheit besonders dringlich war oder eine Partei versuchte, auf direktem Wege der anderen Partei Anweisungen erteilen zu lassen. Kontakte zwischen Kommandant und
Geheimen Rat waren häufiger als zwischen Magistrat und Kriegskanzlei. Nachdem sich der Geheime Rat unmittelbar an Druchtleben gewandt hatte, um diesen über die Verlegung der Hauptwache in Kenntnis zu setzen, bat der Kommandant, zuvor den kommandierenden General und die Kriegskanzlei informieren zu dürfen und um »Ordre« nachzusuchen. Schreiben vom 28. Oktober 1734; StAGö Geheimer Rat, Bausachen, Nr. 154. Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 68 und allgemein S. 68—74. Brüdermanns Beobachtungen beziehen sich zwar nur auf die Kommunikation zwischen Regierung und Universität, sie charakterisieren aber auch zugleich den Kontakt zwischen Magistrat und Geheimen Rat bzw. Kommandantur und Kriegskanzlei. Nachricht der Geheimen Räte an den Magistrat vom 18. April 1752; Schreiben der Geheimen Räte an den Magistrat vom 8. Mai 1738; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Zum Beispiel am 10. Mai 1740 in einem Brief der Landesregierung an den Kommandanten; StAGö AA Holzsachen, Nr. 193. Etwa am 18. April 1752; StAGö AA
Wachwesen,
Nr. 5.
312
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
Wege nicht ausgeräumt werden, wurde entweder auf Weisung der Regierung eine unparteiische Kommission gebildet, die eine einvernehmliche Lösung finden sollte478, oder, nutzte auch dies nichts, ein Geheimer Rat persönlich nach Göttingen beordert479.
Diese Harmonisierungsbemühungen konnten jedoch nur selten die Differenzen dauerhaft schlichten bzw. die Probleme grundsätzlich lösen480. Selbst Kommissionen oder Besuche eines Mitgliedes der Landesregierung zeigten nur wenig Wirkung, da sich die streitenden Parteien nicht zu einem Kompromiß bewegen ließen. Eine Ursache der Schwierigkeiten war das mangelnde Durchsetzungsvermögen der Geheimen Räte. Wenn der Geheime Rat sein »Mißfallen« äußerte und der Stadt »allen Ernstes« unter »Androhung behufiger Mittel« einzelne Weisungen erteilte, scheint dies bereits die schärfste und eindringlichste Form einer Befehlsübermittlung gewesen zu sein481. Es ist bezeichnend, daß auch bei unmißverständlich formulierten Weisungen der gewünschte Erfolg längst nicht immer eintrat. Solange die Stadtväter der Ansicht waren, über die besseren Argumente zu verfügen, verweigerten sie mit weiteren Eingaben und Gutachten schlicht die Befolgung eindeutig artikulierter Aufforderungen ihrer Vorgesetzten482. Besonders ausgeprägt zeigte sich die Renitenz des Magistrats in Fragen des Festungsbaus. Ohne den Einsatz von Zwangsmitteln und nur auf Einsicht und Verständnis der Beteiligten bauend, konnten die Geheimen Räte deshalb oft nur wenn überhaupt sehr schleppend mit großen zeitlichen Verzögerungen ein positives Ergebnis ihrer Bemühungen erzielen. Zwar bereitete der Kriegskanzlei die Durchsetzung von »Ordres« gegenüber dem Kommandanten aufgrund des militärischen Prinzips von Befehl und Gehorsam weniger Probleme, sah der Kommandant jedoch massiv »sein Eyd und Pflicht« in Gefahr, leistete auch er Widerstand wenn auch nicht so eindeutig und offen formuliert wie der Magistrat. Gegenüber widerstrebenden zivilen Beamten der Kriegskanzlei, etwa dem Kommissar Hahn, waren allerdings auch die Kriegsräte nur begrenzt in der Lage, auf die Befolgung ihrer Weisungen zu dringen483. Gerade die Kommunikationsstruktur selbst und damit eine Form und Bedingung der Herrschaftsausübung leistete dem mangelnden Durchsetzungsvermögen auf der einen, Widersetzlichkeit und Eigensinn auf der anderen Seite Vorschub. Entstand in Göttingen —
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Zum Beispiel als sich Magistrat und Kommandantur nicht über die Reparaturbedürftigkeit der Wachhäuser einigen konnten, vgl. den Kommissionsbericht vom 1. Oktober 1738; ebd. Vgl. den Streit von 1730/31. Offensichtlich war die Landesregierung nur bedingt in der Lage oder willens, von Einzelfällen und immer wiederkehrenden typischen Beschwerden auf die ursächlichen und grundlegenden Problembereiche zu schließen und diese radikal zu lösen. Die Androhung von Sanktionen blieb, wenn überhaupt formuliert, nur sehr allgemein gefaßt. Schreiben vom 9. Juli 1755; StAGö AA Wachwesen, Nr. 5. Als zum Beispiel nach einem wochenlangen Streit zwischen Kommandantur und Magistrat um die Bezahlung einiger zusätzlicher Betten für Soldaten der Geheime Rat am 24. Mai 1738 unmißverständlich die Stadt aufforderte, ohne weitere Verzögerung die Kosten zu übernehmen, weigerte sich der Magistrat mit dem Argument, dann müsse man in Zukunft immer für die Reparatur dieser Betten aufkommen, was nicht hinzunehmen sei. Schreiben vom 24. Mai 1738 und 16. Juni 1738; StAGö AA Militärsachen, Nr. 54. Vgl. S. 182-197.
VII.
Obrigkeiten und Untertanen:
die administrative Ebene
313
Problem, stritten sich also etwa Kommandantur und Stadtrat um den Neubau eines Wachhauses, verfügten im allgemeinen weder Geheimer Rat noch Kriegskanzlei über ein
eine ausreichende Kenntnis der spezifischen rechtlichen und organisatorischen Sachlage vor Ort, um selbst eine Entscheidung treffen zu können. Beide Gremien waren deshalb von der überzeugenden schriftlichen Darstellung des Problems durch Kommandantur oder Stadtrat abhängig. Machte sich die Landesregierung zunächst die Auffassung der ersten Partei zu eigen, beugte sie sich schließlich wiederum den Argumenten der zweiten Partei. Die in Hannover vorliegenden, die jeweiligen Interessen widerspiegelnden alternativen Expertisen lähmten die Räte eher, als daß sie den Entscheidungsvorgang beschleunigt hätten und ermunterten Stadtrat und Kommandantur zu weiteren Widersprüchen und Eingaben! Ein verkürztes Beispiel mag der Erläuterung dienen. Als Anfang 1755 Kommandant von Block einen erneuten Versuch unternahm, die Stadt zum Bau neuer Wachhäuser zu bewegen, schrieb er im Februar dem Geheimen Rat, schilderte die wichtige strategische Lage der Stadt und betonte die Notwendigkeit neuer Wachhäuser484. Nachdem daraufhin in Hannover die Weisung an die Stadt erging, unverzüglich neue Wachhäuser zu errichten, sandte der Magistrat zusammen mit den Bürgerdeputierten ein Rechtsgutachten ein, aus dem hervorging, daß nicht sie, sondern die Kriegskanzlei für den Bau aufkommen müsse. Nun wankelmütig geworden, stoppte der Geheime Rat zunächst alle »Ordres« und erbat von Block eine Stellungnahme. Dieser sandte nun seinerseits einen längeren Bericht ein, in dem er die Version der Stadt bestritt und weitere Erklärungen abgab. Die Stadt mußte zwar schließlich doch den Neubau bezahlen, hatte aber eine längere Verzögerung erwirken können485. Ein anderes Problem war, daß zahlreiche Parteiungen und persönliche Befindlichkeiten innerhalb der Landesregierung zu vielen Zugeständnissen und Rücksichtnahmen zwangen, die grundsätzliche Lösungen kaum zuließen, solange sich auch nur eine Seite dadurch benachteiligt fühlte. Wie bereits erläutert gab es zwischen Geheimen Rat auf der einen sowie Kriegskanzlei und Generalität auf der anderen Seite Rivalitäten, Interessenkonflikte und Abneigungen, die in sehr problematischen Fällen sogar an den König in London herangetragen wurden486. Die Konflikte und Rivalitäten in Göttingen zwischen Stadtrat und Kommandantur erwiesen sich lediglich als verkleinertes Spiegelbild der Situation in Hannover. Beide Ebenen, die der untergeordneten Obrigkeit und der Landesregierung, traten in eine enge Wechselbeziehung. Zum einen verfestigten sich in Hannover die Gegensätzlichkeiten, da jeder Streitfall vor Ort an die jeweiligen Vorgesetzten herangetragen wurde und zu neuen Diskussionen führte. Zum anderen entstanden viele Streitfälle in Göttingen überhaupt erst aufgrund der Dichotomie von zivilem und militärischem Bereich mit seinen getrennten Kompetenzen und eigenen Rechtssystemen. —
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Der ganze Vorfall StAGö AA Wachwesen, Nr. 5 und NHStA Hannover, Hann. 47 IV 9, Nr. 14. Der gesamte Briefwechsel fand zwischen Februar und Juli 1755 statt. Vor seiner Initiative hatte von Block die Kriegskanzlei informiert, die ihrerseits Stellungnahmen abgab, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Da die ersten Bemühungen des Kommandanten um einen Neubau schon aus dem Jahre 1738 datieren, hatte die Stadt insgesamt einen Aufschub von 17 Jahren erreicht. Vgl ¿Je Diskussion um Werbung, Desertion und Dimission S. 41—48.
314
Fünfter Teil: Garnison und Stadt
an einem Fall gezeigt wurde, konnten sich in Hannover gehegte Rivalitäten sogar innerhalb der Militärverwaltung zwischen einzelnen Dienststellen vehement vor Ort auswirken487. Es wäre sicherlich zu einseitig, würde man die Art der Informationsgewinnung und die langen und umständlichen Entscheidungsfindungsprozesse der Landesregierung nur als eine die Entwicklung des Landes hemmende Führungsschwäche, bedingt durch Rivalitäten innerhalb der eigenen Führungsschicht, Kommunikationsprobleme oder durch fehlende Sachkenntnis interpretieren. Gerade indem Geheimer Rat und Kriegskanzlei den örtlichen Obrigkeiten intensiv Gelegenheit zur Darlegung ihrer Sichtweise boten und Rücksicht auf überkommene Bräuche und lokale Besonderheiten nahmen, konnten sie eine allen Seiten möglichst gerecht werdende Detaillösung finden. Die alternativen Entwürfe der Ortsobrigkeiten, die aus ihrem jeweiligen Blickwinkel die für sie günstigste Maßnahme vorschlugen, konnten der Landesregierung sogar ein beträchtliches Maß an Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum verschaffen. Dies ändert freilich nichts daran, daß in vielen Fällen eine >schmerzhafteadhoc-Maßnahmen< beruhende Politik verhinderte nicht nur dauerhafte Lösungen, sondern perpetuierte auch strukturell bedingte Probleme. Geheimer Rat und Kriegskanzlei unterstützten die Interessen >ihrer< nachgeordneten Beamten. Stellten die Kriegsräte fast ausschließlich die Belange der Kommandantur über die Angelegenheiten der Stadt, so änderte sich die Haltung des Geheimen Rates im zeitlichen Verlauf. Bis zur Universitätsgründung blieb er sicherheitspolitischen Erwägungen durchaus aufgeschlossen und förderte bestimmte Gesuche des Kommandanten auch gegen den Willen der Stadt. Freilich blieb das Hauptziel der Landesregierung das »Wohl« der Stadt und die weitere Förderung der städtischen Wirtschaft. Nach der Universitätgründung änderte sich dies. Wichtigstes Anliegen der Regierung war nun die intensive Förderung der neuen Hochschule, der alle anderen Interessen untergeordnet wurden. Vor allem die Garnisonsverwaltung bekam dies sehr bald zu spüren. Sinnfälligster Ausdruck war die Verlegung der Hauptwache und des Paradeplatzes vom Zentrum an den Rand der Stadt, da nach Ansicht der Landesregierung ein Marktplatz, auf dem Soldaten exerzierten und auf dem ein Wachgebäude stand, die Attraktivität des Universitätsstandortes erheblich gemindert hätte. Bedenken des Kommandanten, der durchaus zu Recht sicherheitstechnische Nachteile für Stadt und Garnison befürchtete, und Proteste der Kriegskanzlei wurden von der Mehrheit der Geheimen Räte energisch zurückgewiesen488. Wie die Landesregierung in einem »Pro Memoria« den Kriegsräten mitteilte, sei das Wohl der Universität für das ganze Land entscheidend und müsse deshalb über die militärischen Belange gestellt werden489.
Wie
487
488 489
Vgl. das Beispiel des Kommissars Hahn S. 182—187. Immerhin konnte ein ursprünglich geplanter Abzug mehrerer Kompanien verhindert werden. Dies machte der Geheime Rat in einer Mitteilung an die Kriegskanzlei vom 12. Januar 1747 deutlich; NHStA Hannover, Hann. 47 I Nr. 89 vol. II, Kommandanturen.
Sechster Teil: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft: Resümee und Schlußfolgerungen
I. Leben als Soldat im 18. Jahrhundert: die Lebens- und Dienstbedingungen im Sozialsystem >Militär
Fürsorge< auf der anderen Seite standen. Die entwickelte soziale Binnenstruktur zeigte sich auch daran, daß zum Beispiel Vorgesetzte wiederholt die Patenschaft für das Kind eines Untergebenen übernahmen oder Kredite an einfache Soldaten vergaben. Daß das Verhalten der Offiziere durchaus eigennützig war und der einfache Soldat dadurch stärker an das Regiment gebunden werden sollte, ändert an der Tatsache selbst nichts. Eine andere wichtige Dienstbedingung war das Einkommen der Soldaten, das Soldzahlungen und ein Konglomerat von Sachleistungen umfaßte. Zu den unbaren Leistungen gehörten die Stellung von Uniform und speziellen Ausrüstungsgegenständen, die kostenlose Unterbringung, die Verpflegung mit Brot, freie Heilfürsorge und eine Invalidenbzw. Altersversorgung. Gerade die Uniform, deren materieller Gegenwert dem entsprach, was ein Tagelöhner in einem halben Jahr verdienen konnte, besaß durchaus hohen Prestigewert wenn die »schmucke« Einheitsbekleidung wohl im Alltag auch nicht immer so tadellos aussah, wie in den idealtypischen zeitgenössischen Abbildungen dargestellt. Die Bedingungen des Einquartierungssystems und der Ausmietungspraxis ermöglichten den Soldaten sogar die Anmietung von Wohnräumen, die gemessen an ihrer sozialen Herkunft relativ komfortabel und für Tagelöhner oder Handwerksgesellen unerreichbar waren. Einzelne Soldaten konnten sogar ein zusätzliches Einkommen erzielen. Eine andere wichtige Sachleistung war die Verpflegung mit Brot. Die regelmäßige Versorgung —
316
Sechster Teil: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft
Grundnahrungsmittel und die Stellung einer Unterkunft machten die Soldaten von Ernährungs- und allgemeinen Teuerungskrisen vergleichsweise unabhängig; hohe Brotpreise und steigende Mieten waren für sie kein Problem. In Relation zu diesen Sachleistungen fiel der bar ausgezahlte Sold allerdings gering aus, was die freie Konsumwahl mit einem
einschränkte.
Umrechnung der verschiedenen Leistungen ergab, daß ein einfacher Soldat auf ein beachtenswertes Jahreseinkommen kommen konnte, das dem eines voll beschäftigten Tagelöhners entsprach und einem ledigen Mann durchaus einen ausreichenden Lebensunterhalt bot. War der Soldat jedoch verheiratet und hatte er Kinder, kam es zu Engpässen. Da das Militärsystem aber zusätzliche Verdienstmöglichkeiten schuf (Werbeprämien, Lohnwachen oder Extradienste) und der einzelne Soldat außerdem teilweise verbotene zünftige Tätigkeiten ausüben konnte, war ihm eine Aufbesserung der regulären Einnahmen relativ leicht möglich. Im Vergleich zu Handwerksmeistern, Kaufleuten oder Offizieren blieben die Bezüge einfacher Soldaten freilich kümmerlich und erreichten nicht annähernd deren Einkommensverhältnisse. Für unregelmäßig Beschäftigte oder arbeitslose Männer stellte der Sold eines einfachen Soldaten jedoch schon eine respektable Alternative dar, die ihm zumindest das Existenzminimum sicherte. Eine andere >Dristung< erfolgte erst nach Entlassung des Soldaten in Form einer einmaligen Abfindung oder einer monatlichen Rente, die mit einem Taler zwar recht bescheiden ausfiel und zum Lebensunterhalt nicht ausreichte (und auch nur wenigen Soldaten zuteil wurde), die Entlassenen aber immerhin gegenüber anderen völlig mittellosen Armen privilegierte. Aus diesem Grund ist die von der Forschung oftmals vorgenommene pauschale Gleichsetzung invalider Soldaten mit ganz Armen oder Vagierenden problematisch. Schon der Begriff »Invalide« sagt zunächst wenig und drückt lediglich aus, daß jemand für eine kurze oder längere Zeit Soldat gewesen war, ohne daß die Konnotationen >Alter< oder >Versehrtheit< zutreffen müssen. Invalide Soldaten durchlebten als entlassene Soldaten eine Übergangsphase, die entweder zu einer Integration in die bürgerliche Gesellschaft bzw. zu einer unterbürgerlichen Existenz führte oder an deren Ende die Wiederaufnahme des Militärdienstes stand oder aber auch das wirtschaftliche Scheitern und ein Leben in Armut und Unsicherheit auf der Straße. Wie am Beispiel der in Göttingen lebenden Invaliden gezeigt werden konnte, war ein Erfolg von etlichen Ausgangsbedingungen abhängig, die je nach körperlicher Leistungsfähigkeit, beruflicher Vorbildung, Versehrtheitsgrad, Pensionsberechtigung und sozialem Rückhalt ganz unterschiedlich ausfielen. Eine wichtige Rolle spielten auch die Familienangehörigen der Soldaten, deren Existenz zu Unrecht von der Forschung bislang wiederholt ausgeblendet wurde. Auch die Behauptung, Soldaten seien »zwangszölibatäre« Männer gewesen, entspricht schon allein angesichts eines Verheiratetenanteils von teilweise über 35% nicht dem realen Sachverhalt. Soldatenfrauen und deren Kinder waren in das Militärsystem eingebunden und unterstanden ebenso wie die Soldaten der Gerichtsbarkeit des Auditeurs bzw. des Regimentschefs. Zugleich erhöhte sich das unbare Einkommen eines verheirateten Soldaten, da der Einquartierungssatz an den steigenden Wohnraumbedarf angepaßt wurde. Die rechtliche und materielle Absicherung galt jedoch nur für legitimierte Familienmitglieder, Eine
—
I. Leben als Soldat im 18. Jahrhundert
317
uneheliche Kinder oder Frauen, die in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einem Soldaten lebten, wurden nicht zur Militärbevölkerung gezählt. Dies hatte neben militärdienstlichen Beweggründen vor allem materielle Motive, die »Belastung« der Quartierwirte durch Soldatenfamilien sollte ein bestimmtes Maß nicht übersteigen. Aus diesem Grund wurde das Heiratsverhalten von der militärischen Obrigkeit stark reglementiert, die Eheschließung war nicht in das Belieben des Soldaten gestellt, sondern blieb von der Zustimmung des Regimentschefs abhängig; Zuwiderhandlungen zogen empfindliche Strafen nach sich. Wie am Beispiel der Göttinger Garnison gezeigt werden konnte, wurden die repressiven Heiratsbeschränkungen auf der einen Seite durch die Personal- bzw. Sozialpolitik der Kompaniechefs und des Regimentskommandeurs, die die Einhaltung eines begrenzten Verheiratetenanteils (vermutlich ein Drittel) in den Einheiten zum Ziel hatte, teilweise verwirklicht. Auf der anderen Seite gelang es Soldaten jedoch, Verhaltensweisen zu entwickeln, die ihnen entweder nach einigen Jahren doch noch eine Heiratserlaubnis des Kommandanten einbrachten oder zumindest für die Dauer der Militärzeit die Existenz einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht gefährdeten. Indem die Regimentsführung Verstöße gegen sittliche Normen in gewissem Rahmen tolerierte und auf >wilde Ehen< oder uneheliche Kinder ihrer Untergebenen nicht mit Sanktionen reagierte, ermöglichte sie die Knüpfung sozialer Beziehungen. Diese überraschend flexible Haltung der Regimentsführung, die auf die Bedürfnisse ihrer Soldaten einging, von der Norm abweichendes Verhalten durchaus billigte und, solange militärische Belange nicht gefährdet waren, sogar Verstöße gegen Verordnungen der Kriegskanzlei in Kauf nahm, läßt sich besonders auf einem anderen Sektor beobachten: Obwohl die zünftige Betätigung von Soldaten ausdrücklich von der Landesregierung verboten wurde, duldete der Regimentschef den ökonomischen Nebenerwerb seiner Soldaten und gewährte ihnen sogar Schutz vor den Beschwerden und Angriffen der Zunftmitglieder oder des Magistrats. Insgesamt betrachtet waren die materiellen und ideellen Lebens- und Dienstbedingungen der in Göttingen stationierten Soldaten bei aller Problematik, etwa den praktisch nicht vorhandenen Aufstiegsmöglichkeiten, überraschend vielschichtig und vorteilhaft zumindest entsprechen sie nicht dem gängigen einseitig negativ verzerrten Bild vom Soldatendasein. Dem soll freilich keineswegs eine ebenso einseitig positive Überzeichnung oder gar >Idyllisierung< des Militärdienstes gegenübergestellt werden. Prügel und Schikane durch Vorgesetzte, kargen Lohn und harte Dienstbedingungen gab es auch in Göttingen. Es bleibt allerdings zu konstatieren, daß die zeitlich begrenzte Aufnahme des Militärdienstes für Angehörige der Unterschicht oder unteren Mittelschicht in finanzieller Hinsicht eine durchaus attraktive Möglichkeit darstellte, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Gerade in jahreszeitlich bedingten Arbeitsmarktkrisen, wenn Ackerbau oder Bauwirtschaft keine Beschäftigung boten, waren viele Männer darauf angewiesen, zur weiteren Subsistenzsicherung Soldat zu werden. Die hohen Eintrittszahlen im Spätherbst und Winter und die vermehrten Abgänge im Frühling und Frühsommer bestätigen diesen Zusammenhang eindrucksvoll. Selbst Göttinger Bürger ließen sich anwerben, wenn sie sich in einer ökonomisch schwierigen Situation befanden und ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten bzw. die Steuern nicht mehr bezahlen konnten. Besserte sich die —
318
Sechster Teil: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft
wirtschaftliche Lage, verließen diese Männer nach zwei, vier oder auch mehr Jahren das Militär und versuchten, ihre bürgerliche Existenz bzw. eine zivile Tätigkeit wieder aufzunehmen. Eine Auswertung der durchschnittlichen Dienstdauer legt den Schluß nahe, daß die überwiegende Mehrheit der Männer den Militärdienst weniger als lebenslangen Beruf auffaßte, sondern vielmehr als Gelegenheitsjob begriff. Die Attraktivität des Militärdienstes spiegelt sich in relativ seltenen gewaltsamen Werbungen und niedrigen Desertionsquoten wider. Gerade weil sich genügend Freiwillige fanden, mußte im allgemeinen nur in Zeiten besonderen Soldatenbedarfs, etwa im Krieg, »gepreßt« werden. Krieg gehörte aber zumindest für die Göttinger Soldaten nicht zum »normalen« Soldatenalltag und war eher eine extreme Ausnahmesituation. Ähnliches gilt für die Desertion. Wenn im Regiment Block pro Jahr nur ein Prozent aller Soldaten die Fahnenflucht ergriff (von denen die meisten eher private denn dienstliche Motive hatten), kann man wohl kaum von einem »disfunktionalen Strukturmerkmal« sprechen. Wiederum muß sorgfältig zwischen Kriegs- und Friedenszeiten unterschieden werden. Eine wichtige Ursache für die Anziehungskraft des Militärdienstes lag auch in der städtischen Unterbringung des Regimentes begründet. Gerade aus der Koexistenz von Garnison und Stadt ergaben sich für die Militärbevölkerung günstige Lebensbedingungen: Zum einen bot die Stadt vielerlei Nebenverdienstmöglichkeiten. Soldatenfrauen verkauften Lebensmittel oder webten und nähten für Grätzels Manufakturbetriebe, die Männer arbeiteten als »Pfuscher« oder lebten vom Taglohn. Je nach krimineller Energie kamen Einkünfte durch Steuerbetrug oder Diebstahl hinzu. Zum anderen konnten die Soldaten soziale und wirtschaftliche Kontakte zur Stadtbevölkerung knüpfen und eine Integration in die bürgerliche Gesellschaft oder doch zumindest in unterbürgerliche Schichten erreichen.
II. Die Koexistenz A.
von
Garnison und Stadt
Auswirkungen für
Für die Stadt hatte die dauerhafte
die Stadt
Stationierung eines kompletten Regiments einschneidende soziale, wirtschaftliche, fiskalische und verfassungsrechtliche Bedeutung, deren Auswirkungen im 17. und 18. Jahrhundert durchaus mit denen der Universität verglichen werden können. Zwischen dem Spanischen Erbfolgekrieg und dem Siebenjährigen Krieg umfaßte die Militärbevölkerung stets weit mehr als tausend, teilweise sogar bis zu 1600 Personen. Damit war zeitweise jeder dritte Einwohner Göttingens Soldat bzw. Familienmitglied eines Soldaten. Selbst im Jahre 1755, nachdem sich die Bevölkerung durch Zuwanderung und natürliches Wachstum innerhalb von dreißig Jahren verdoppelt hatte, betrug das Verhältnis von Militär- und Zivilbevölkerung immer noch 1:6. Da sich sehr viele entlassene Soldaten in Göttingen weiter aufhielten und teilweise sogar das Bürgerrecht erwarben, trug die Garnison nicht unerheblich zu dieser Bevölkerungsvermehrung bei.
II. Die Koexistenz
von
Garnison und Stadt
319
Die ökonomischen Folgen der Existenz einer zahlenmäßig so großen Garnison waren beträchtlich. Mit ihrer Kaufkraft, die dem zwei- bis zweieinhalbfachen des städtischen Etats entsprach, beeinflußten die Soldaten die städtische Wirtschaft; Lebensmittelhändler, Wirte und Krämer stellten sich auf die spezifischen Wünsche ihrer Kunden ein. Am eindruckvollsten zeigen sich die ökonomischen Veränderungen im Textilgewerbe, für das sich durch den enormen Uniformenbedarf beträchtliche Verdienstmöglichkeiten ergaben. Infolgedessen wurde die Textilherstellung innerhalb weniger Jahrzehnte vollkommen umgestaltet. Nach einem Konzentrationsprozeß, der von der Landesregierung gefördert wurde, waren aus vielen unabhängig arbeitenden Tuchmachern und Leinewebern abhängige Zulieferer und Lohnarbeiter geworden, die für eine der neu gegründeten Tuchmanufakturen arbeiteten. Die größte Tuchfabrik, die von Johann Henrich Grätzel, erhielt jährlich Armeeaufträge für die Anfertigung von Uniformtuchen im Wert von mehreren zehntausend Taler. Es wundert daher nicht, daß Grätzel größter Arbeitgeber der Region geworden war und mehr als tausend Menschen beschäftigte. Unabhängig davon profitierten Tagelöhner und Handwerker von Festungsbauaufträgen, deren Gesamtvolumen jährlich durchaus mehr als tausend Taler betragen konnte. Nicht nur die wirtschaftlichen Folgen, auch die fiskalischen Auswirkungen der Existenz von Regiment und Garnison waren erheblich. Die fiskalische Belastung der Bürger und Einwohner durch Steuern (Lizent, Servis und Proviantkorn), die zum Unterhalt des Regiments erhoben wurden, war enorm hoch und übertraf städtische Abgaben um ein Vielfaches. Vergleicht man jedoch die jährlichen Steuersummen mit den Geldern, die durch Soldzahlungen und Aufträge nach Göttingen in die Kassen der Handwerker, Tagelöhner und Kaufleute flössen, ergibt sich ein deutliches rechnerisches Plus für die Stadt. Je nach Vermögen, zu versteuerndem Eigentum, Konsumverhalten, beruflicher Tätigkeit und Verdienst dürfte es allerdings ganz unterschiedliche >Gewinner< und >Verlierer< gegeben haben. Andere Folgen für die Stadt ergaben sich im rechtlichen und organisatorischen Bereich. Die Stadt mußte nicht nur beträchtlichen Landbesitz an die Kriegskanzlei abtreten, die auf den Grundstücken Außenwerke anlegen ließ, sondern war auch gezwungen, die Verfügungsgewalt auf Stadtmauer und Graben dem Kommandanten zu überlassen. Gerade dem Kommandanten mußte der Magistrat wiederholt weitere Sonderbefugnisse einräumen. Die dauerhafte Anwesenheit landesherrlicher Soldaten, die die Bewachung der Festungswerke und der Stadttore übernahmen, führte auch zu einem nachhaltigen Bedeutungsverlust des vormals existentiell wichtigen städtischen Milizsystems. Die Schützenveranstaltungen degenerierten ihrer Funktion beraubt zu gesellschaftlichen Ereignissen. —
—
B. Sozioökonomische
Folgen
aus
dem Blickwinkel der Betroffenen
Zwischen der Einwohnerschaft und der Militärbevölkerung ergaben sich viele Berührungsflächen. Vor allem aus dem Einquartierungssystem und der gemeinsamen Nutzung einer Wohnung erwuchsen soziale Kontakte und zwischenmenschliche Beziehungen. Andere Bindungen resultierten aus der wirtschaftlichen >Pfuschertätigkeit< der Soldaten, etwa der Verbindung von Arbeitgeber (Bürger) und Arbeitnehmer (Soldat) oder der von Verkäufer (Soldatenfrau) und Käufer (Bürger).
320
Sechster Teil: Stehendes Heer und städtische Gesellschaft
Nicht immer waren die Kontakte allerdings positiv. Gelegentlich kam es zu Übergriffen von Wachsoldaten auf einzelne Bürger oder zu Prügeleien zwischen Soldaten und Einwohnern, in deren Verlauf unverhohlen die gegenseitige Antipathie gezeigt wurde. Ein Problem waren zudem gewaltsame Werbungsversuche, so selten sie auch in der Stadt vorkamen. Schließlich trafen die pfuschenden Soldaten und deren Frauen auf den erbitterten Widerstand der zünftigen Handwerker, die auf Einhaltung ihrer Vorrechte drangen. Insgesamt funktionierte das Zusammenleben von Militär- und Stadtbevölkerung aber erstaunlich gut. Dies ist um so bemerkenswerter, weil sich die Soldaten, die nahezu ausschließlich außerhalb Göttingens geboren waren und etwa zur Hälfte sogar aus einem anderen Territorium kamen, zugleich in vielen Fällen anderer Konfession waren, hinsichtlich Verhaltensmuster und Mentalität von der eingesessenen Bevölkerung durchaus unterschieden. Die Kooperation von Soldat und Einwohner umfaßte nicht nur gemeinsam durchgeführte verbotene wirtschaftliche Aktivitäten, sondern erstreckte sich auch auf gemeinschaftlichen Steuerbetrug. Ein solches kooperatives Handeln gegen Zunftgesetze und obrigkeitliche Steuerordnungen mündete im allgemeinen in eine engere soziale Bindung und beförderte die Integration einzelner Soldaten in die städtische Gesellschaft. Wie sich herausgestellt hat, gehörten die während der Militärzeit geknüpften sozialen Beziehungen zu den wichtigsten Voraussetzungen einer Integration. Gegenüber zivilen Zuwanderern waren ehemalige Soldaten deshalb zunächst beim Erwerb des Bürgerrechts deutlich im Vorteil, zumal sie sich in der Stadt nach jahrelangem Aufenthalt bestens auskannten. Zahlreiche Indikatoren wie die Übernahme von Patenschaften von Soldatenkindern durch Göttinger Einwohner, die Existenz von Konkubinaten von Soldaten mit Frauen, die aus Göttingen stammten oder sich zumindest in der Stadt aufhielten, spezifisches Heiratsverhalten, Bürgerrechtserwerb oder der Kauf von Immobilien belegen den Willen der Soldaten zur Integration gleichermaßen wie die verbreitete Akzeptanz der Einwohnerschaft gegenüber der Militärbevölkerung. Einzelne Bürger ermöglichten in den meisten Fällen überhaupt erst die Eingliederung eines Soldaten, indem sie ihm Geld liehen bzw. eine notwendige Kaution stellten oder ihm eine Lehrstelle oder eine Beschäftigung anboten. Entscheidende Bedeutung hatte auch die Einheirat des Soldaten, da die Verehelichung mit einer Bürgerwitwe oder Bürgertochter im allgemeinen mit der Übernahme von Haus und Gewerbe verbunden war. Aus solchen Beziehungen zogen nicht nur ehemalige Soldaten, sondern durchaus auch die Bürger Vorteile. Der Erfolg von Integrationsbemühungen fiel ganz unterschiedlich aus, neben anderen Faktoren spielten der vorherige Dienstgrad und die wirtschaftliche Tätigkeit nach der Entlassung eine wichtige Rolle. Wie sich zeigte, hatten ehemalige Unteroffiziere gegenüber entlassenen Mannschaftsdienstgraden die besseren Erfolgsaussichten, zugleich reüssierte aber auch derjenige schneller, der sich erfolgreich auf die spezifischen Marktbedingungen einstellen konnte. Auf längere Sicht betrachtet gelang allerdings zivilen Zuwanderern eine nachhaltigere Integration. Der anfängliche Vorteil der ehemaligen Soldaten, sich in Göttingen mit den Gepflogenheiten auszukennen und auf soziale Bindungen zurückgreifen zu können, wurde rasch ausgeglichen, da zivile Zuwanderer im Vergleich zu den Soldaten über beträchtliches Eigenkapital verfügten und bessere berufliche Qualifikationen mitbrachten. —
—
II. Die Koexistenz
C.
von
321
Garnison und Stadt
Herrschaftssicherung und Sozialdisziplinierung
Errichtung und Aufbau von Festung und Garnison waren in der Politik des Landesherrn neben umfassenden Eingriffen in das Stadtregiment und einer oktroyierten Steuerverfassung wichtige und entscheidende Maßnahmen, um die bis zum Dreißigjährigen Krieg nahezu unabhängig agierende Stadt in den entstehenden Untertanenverband einzugliedern. Der absolute Herrschaftsanspruch des Fürsten manifestierte sich zum einen in den Ravelins und Vorwerken, die sich wie eine Kette um die Stadt legten und zum anderen in den einquartierten Soldaten, die mögliche Unbotmäßigkeiten des Magistrats im Keim erstickt hätten. Die Stadtmauer, jahrhundertelang steinerner Ausdruck bürgerlicher Freiheit, wurde von Männern bewacht, die nicht mehr dem Bürgermeister, sondern dem Landesherrn durch Eid verbunden waren. Der mehrere Jahrzehnte umfassende Unterwerfungsprozeß war gegen Ende des 17. Jahrhunderts weitgehend abgeschlossen und die Stadt äußerlich zu einem willfährigen Objekt geworden. Die disziplinierende Funktion von Festung und Garnison richtete sich aber nicht nur gegen die Stadt als Korporation, zugleich sollten Alltag und Tagesablauf jedes einzelnen Einwohners reglementiert werden. Die nächtliche Abriegelung nach >innenoben< und >unten< zu weiteren Schwierigkeiten, da jeder zwischen einem Bürger und einem Soldaten vorgefallene Streitfall zwangsläufig beide Obrigkeiten als rivalisierende Kontrahenten auf den Plan rief. Jede Maßnahme der einen Obrigkeit zum Schutz >ihrer< Untertanen konnte von der anderen Obrigkeit als Übergriff gewertet werden. Zwar gab es durchaus auch Gemeinsamkeiten zwischen Magistrat und Kommandantur sowie Zusammenarbeit im Rahmen gegenseitiger Amtshilfe; insgesamt dominierten jedoch eher die Abneigungen und Rivalitäten. Diese oppositionellen Grundhaltungen, die sich negativ auswirkten und die nicht nur den Festungsbetrieb behinderten, hatten ihre Ursache aber auch in Haltung und Politik der Landesregierung und der besonderen Kommunikationsstruktur zwischen den einzelnen Dienststellen. Da Magistrat und Kommandantur mit dem Geheimen Rat und der Kriegskanzlei jeweils ihre eigenen Vorgesetzten hatten, mit denen sie kommunizierten, wurden lokale Rivalitäten in die Landesregierung hineingetragen ein Übertragungsprozeß, der sich aber auch von >oben< nach >unten< fortsetzte, indem Parteiungen und Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Ratskollegiums überhaupt erst auf unterer Verwaltungsebene Probleme hervorriefen. —
rV.
Zusammenfassung und Ausblick
323
Gerade die Kommunikationsstruktur selbst und damit eine Form und Bedingung der Herrschaftsausübung leistete dem mangelnden Durchsetzungsvermögen der Landesregierung auf der einen, Widersetzlichkeit und Eigensinn lokaler Beamten auf der anderen Seite Vorschub. Weil Geheimer Rat und Kriegskanzlei in Unkenntnis der Sachlage vor Ort auf überzeugende Darstellungen ihrer nachgeordneten Dienststellen angewiesen waren, wurde eine Entscheidungsfindung hinausgezögert, da die sich widersprechenden Expertisen die Räte eher lähmten was zu weiteren Eingaben und Protesten führte und renitente Beamte in ihrem Tun noch bestärkte. Doch wirkten sich die Art der Informationsgewinnung und die langen, umständlichen Entscheidungsfindungsprozesse nicht nur negativ aus. Die alternativen Entwürfe rivalisierender Ortsobrigkeiten verschafften der Landesregierung zugleich ein beträchtliches Maß an Gestaltungsspielraum, das ihr eine realitätsnahe Detaillösung ermöglichte. —
—
—
IV.
Zusammenfassung und Ausblick
In dieser Studie konnte
gezeigt werden, daß die bisherige, einseitig negative Vorstellung Militär< neu überdacht und korrigiert werden muß. Zumindest in >Sozialsystem der kurhannoverschen Armee entsprachen die Lebens- und Dienstbedingungen der einfachen Soldaten nicht dem gängigen Klischee vom gequälten, hungernden und rechtlosen Musketier. Der Militärdienst stellte für viele Männer vielmehr eine Möglichkeit dar, temporäre Subsistenzkrisen zu überbrücken und bot eine überraschende Vielfalt unterschiedlicher materieller und auch ideeller Zuwendungen. Es ist jedoch wenig wahrscheinlich, daß die kurhannoversche Armee in dieser Hinsicht eine Ausnahme bildete. Durch eine Reihe weiterer, ähnlich ausgerichteter Untersuchungen müßten die realen Lebensund Dienstbedingungen in anderen Territorien überprüft werden, was bislang nicht oder nur unzureichend geschehen ist. Möglicherweise ließen sich selbst an dem so festgefügten Bild des preußischen Militärsystems etliche neue Perspektiven eröffnen, die andere Interpretationen ermöglichen würden. Auch das Verhältnis zwischen Zivil- und Militärbevölkerung konnte in einem anderen Licht dargestellt werden. Gegenseitige Antipathien, die Anwendung physischer Gewalt oder gewaltsame Werbungsversuche waren nur ein Aspekt, der das enge und intime Zusammenleben von Soldaten und Bürgern bestimmte und der bislang allzusehr in den Vordergrund gerückt wurde. Soziale Beziehungen zwischen Einwohnern und Soldaten, ökonomische Kooperationen und gemeinsame Freizeitgestaltungen prägten den Alltag wesentlich starker. Gerade das Einquartierungssystem bewirkte, daß sich die Soldaten in hohem Maße stadtbürgerlichen Lebenswelten aufschlössen und bereits während ihrer Militärzeit den Aufbau einer zivilen Existenz nach der Entlassung vorbereiteten und die Integration in die städtische Gesellschaft anstrebten. Statt zu einer »sozialen Militarisierung der Gesellschaft« (Otto Busch) führte die Einquartierung eher zu einer Verbürgerlichung der Soldaten. Erst die im 19. Jahrhundert praktizierte konsequente Abschottung des militärischen Bereichs durch Kasernen, die mit hohen Mauern und Stacheldraht gesichert wurden, bewirkte eine ausgeprägtere Entfremdung der zivilen und militärischen Welt. vom
—
Abkürzungen und Maßeinheiten
(Die Quellenzitate sind originalgetreu wiedergegeben. Die in dem Text aufgeführten Tabellen sind arabisch numeriert, Tabellen im Anhang römisch.)
1.
Abkürzungen
AA AB Cal.Br. CBL
Altes Aktenarchiv Amtsbücher Calenberger Briefschaftsarchiv
f.
folio
Gr. Hann. KBA KKAGö LVO
(Marien)Groschen
Mgr.
Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landes-Ordnungen (siehe Gedruckte Quellen) Hannover
Kirchenbuchamt (Göttingen) Kirchenkreisarchiv Göttingen
Landesverordnungen (siehe Ungedruckte Quellen, I.) Mariengroschen
ND NHStA Pf. StAE StAGö StAMü StANo Tlr.
Nachdruck Niedersächsisches
WBB
Wehrbereichsbibliothek
Pfennig
Hauptstaatsarchiv
Stadtarchiv Einbeck Stadtarchiv Göttingen Stadtarchiv Münden Stadtarchiv Northeim
(Reichs)Taler
2. Maßeinheiten Fuder Fuß
935 Liter
Mariengroschen
(=
Himten Klafter Malter Meile Metze
(Hohl- bzw. Raummaß)
0,29 Meter 8
Pfennige)
31,2 Liter (Getreidehohlmaß) 3,589 m3 (Raummaß) 187 Liter (= sechs Himten; Getreidehohlmaß) 7,4 Kilometer 1,95 Liter (Getreidehohlmaß)
Morgen
2600 Quadratmeter 468 Gramm
Quartier Rute
0,97 Liter 4,66 Meter
Reichstaler
(=
Pfund
36
Mariengroschen
=
288
Pfennige)
Tabellen
Tabelle I:
Garnisonsangehörige 1722—1724, 1729—1740 (Stichtag l.Juni) und 1748—1755 (Stichtag 1. Dezember)
Regiment Männer Frauen Kinder Männer Frauen Kinder Männer Frauen Kinder Männer Frauen KindereMänni
Kinder (GesamtMänner Frauen HCindei
1722 1723
1236
1456
1268
1488
1724
997
1217
211
1390
1610
225 215
1398
1618
1606
225
1386 1429
1733
233
1463
1683
1734
259
1546
1766
1735 1736
260
1592 1604
1812
264
1737
254
1560
1738
234
1502
1722
1739
229
1684
1740
224
1464 1434
1748 1749
1185 1034
1625
1750
1110
1550
1751 1752
1105
1545
1167
1753
1155
1754 1755
1138 1180
1607 1595 1578 1620
1729 1730 1731 1732
1649
1824 178C
1654
1474
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung und StAGö AB Servicerechnung der angegebenen Jahre. Erläuterung: Regiment: Die Offiziere sind summarisch (21) hinzugefügt, Angaben über die Frauen und Kinder der Offiziere fehlen.
Stab:
Der (kleine) Stab setzt sich
aus dem Regimentsfeldscher, den beiden Feldschergesellen, dem Steckenknecht und den Musikern zusammen. Die schwankende Gesamtzahl erklärt sich dadurch, daß mitunter einige Heeresmusiker als Angehörige einer der sieben Kompanien geführt wurden. Artillerie: Familienangaben für einen, zeitweise drei Offiziere fehlen. Zwischen 1722 und 1730 sind keine Angaben überliefert. Personal: Unter dieser Bezeichnung sind alle übrigen Funktionsträger aufgeführt, die mehr oder weniger zur Garnison zählten (Kommissar, Wachtmeisterleutnant, Auditeur, Stockhausverwalter, Zeughausverwalter, Rüstmeister, Wallmeister, Proviantschreiber und ab 1730 ein Conducteur). Familienangaben konnten nur für den Wallmeister, den Stockhausverwalter und den Rüstmeister ermittelt werden. Allerdings konnten keine Angaben über die Zahl der Rüstmeistergesellen oder der Kommissbäcker aufgeführt werden. Zwischen 1748 und 1755 fehlen Angaben über Familienmitglieder völlig. Invaliden: Alle Angaben sind geschätzt. Die Invaliden gehören prinzipiell nicht mehr zur Militärbevölkerung und unterstanden dem Rat.
328
Tabellen
Tabelle II: Anteil der geworbenen oder abgegangenen erfaßten Soldaten (ohne Offiziere) im Regiment Druchtleben
Anwerbung Kompanie
Gesamt
Kp. 1 Kp.2 Kp.3 Kp.4 Kp.5 Kp.6 Kp. 7 Regiment
Vor
Abgang
24/29 ohne Erfaßt
%
330
81
50
40
169
312 283
76
45
35
156
78
48
20
138
333
81
39
35
183
312
79
50
30
160
322
78
46
24
176
300
80
40
41
139
51,2 50,0 48,8 54,9 51,3 54,7 46,3
2192
553
318
225
1121
51,1
Nach 24/29 ohne Erfaßt
%
109
17
27
172
102
11
30
157
50,6 53,5 50,2 53,8 52,2 53,4 52,3
752
123
177
1147
52,3
114
20
29
167
105
20
20
167
105
19
17
142
116
18
21
179
101
18
33
163
Quelle: wie Tabelle I. Anmerkung: Die Summe der einzelnen Spalten kann die Zahl »Gesamt« übertreffen, da einige Soldaten zweimal angeworben bzw. abgegangen sind. Erläuterung: Vor Vor dem l.Juni 1722 angeworbene Soldaten 24/29 In den »dunklen« Jahren angeworbene/abgegangene Soldaten ohne Anwerbung/Abgang ohne Monatsangabe Erfaßt In die weitere Analyse aufgenommene Soldatenanwerbungen/abgänge Nach Nach dem 31. Mai 1741 abgegangene Soldaten =
=
=
=
=
Tabelle III: Monats- und jahresweise Verteilung von 56 Desertionen im Regiment Block, 1. Dezember 1748 bis 30 November 1756 Jahr
Jan.
Febr.
März
April
Mai
Juni
1749
0
0
0
1
0
2
0
1
0
1
1750
0
0
0
0
0
0
0
0
0
0
1751
0
0
1
0
1
1
4
0
0
1
Juli
Aug.
Sept.
Okt.
Dez.
Summe
0
0
0
0
5
0
0
0
2
0
10
Nov.
1748
1752
2
0
0
2
0
0
0
0
1
2
1
1
9
1753
1
0
0
1
0
0
1
1
0
2
0
0
6
1754
0
0
1
0
0
1
0
1
0
0
0
0
3
1755
1
0
0
2
1
0
0
3
1
1
0
3
12
1756
1
2
1
2
1
1
0
0
1
0
2
Summe
Quelle:
11 56
wie Tabelle I.
Tabellen
Tabelle IV:
Ehepaare mit Kindern und kinderlose Ehepaare in den Regimentern Druchtleben (Stichtag l.Juni) und Block (Stichtag 1. Dezember) Regiment
Jahr
Paare
Druchtleben
Paare mit Kinder
kGesamt Anzahl 1722 1723 1724
329
256
208
251
226
186
153
1729 1730
211
193
225
211
1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740
215
207
225
206
233 259
210
260 264
237
in
%
234
232 224 212
229
197
224
201
89,7
225
254
Jahr
Paare
18,7 10,0 17,7
1748 1749 1750
144 146 165
126
165
132
18
8,5
1751 1752
178
146
14 8
6,2 3,7
173
144
164
141
19
8,4 9,9
1753 1754 1755
189
152
Paare ohne Kinder
Anzahl
in %
48
81,3 90,0 82,3 91,5 93,8 96,3 91,6 90,1 86,9 91,2 87,9 88,2 90,6 86,0
Regiment
25 33
23 34 23 32
30 22 32 23
Block
Paare mit Kinder
Paare ohne Kinder
Anzahl
in %
Anzahl
in %
109
75,7 78,1 76,4 80,0 82,0 83,2 86,0 80,4
35
24,3 21,9 23,6 20,0 18,0 16,8 14,0 19,6
114
9,4 14,0 10,3
Regiment
Jahr
VrhQtMann
VrhQtUffz
VrhQtReg
Jahr
1722 1723 1724
45,8
45,6 49,1 44,6
45,8 44,9 39,7
1748
31,1
34,9 34,1 34,5 34,9 38,7 39,5 39,1 37,6 34,8 34,0 32,8 36,8
1729 1730
1737
29,5 33,1 32,5 33,2 33,5 37,2 37,7 36,9 35,7
1738 1739 1740
32,3 31,0 29,8
52,1 55,8 54,2 49,1 51,9 58,0 60,4 64,8 60,4 64,7 70,6 67,3
0
35,4
56,5
1731 1732 1733 1734 1735 1736
33 32 29 23 37
Quelle: wie Tabelle I.
Regiment Druchtleben
38,9
39
13,1 8,8 12,1 11,8
Tabelle V: Verheiratetenanteil von Mannschaften und Unteroffizieren der Druchtleben und Block
44,4
32
VrhQtMann
Regimenter
Block
VrhQtUffz
VrhQtReg
1754 1755
17,1 21,9 24,1 24,6 26,1 25,2 24,3 28,5
50,0 52,0 59,6 60,8 65,3 65,3 55,2 61,5
19,6 24,5 27,1 27,7 29,2 29,0 27,3 31,4
0
23,9
58,5
26,9
1749 1750 1751 1752 1753
Quelle: wie Tabelle I. Erläuterung: VrhQtMann Verheiratetenquotient der Mannschaften VrhQtOffz Verheiratetenquotient der Unteroffiziere VrhQtReg Regimentsquote aller verheirateten Sol=
-
=
daten
Tabellen
330
Tabelle VI: Durchschnittliche Familiengröße von Mannschaften und Unteroffizieren in den Regimentern Druchtleben und Block Regiment
Druchtleben
Regiment
Jahr
FaGröMann
1722 1723 1724
3,39 3,41 3,45
3,80 3,65 3,80
3,42 3,60 3,50
1729
1730 1731 1732 1733 1734 1735 1736 1737 1738 1739 1740
3,93 3,96 4,02 3,98 3,93 3,92 4,12 4,09 4,00 4,07 3,89 3,74
4,13 4,52 4,61 4,61 4,44 4,64 4,71 4,52 4,39 4,31 4,13 4,04
4,03 4,03 4,08 4,04 4,00 3,99 4,18 4,14
0
3,86
4,29
3,94
Tabelle VII:
April
1757
FaGröUffz
FaGröReg
1751 1752 1753 1754 1755
3,36 3,18 3,40 3,49 3,49 3,51 3,55 3,50
4,00 4,50 3,87 3,74 4,06 4,06 3,97 3,84
3,49 3,42 3,49 3,54 3,59 3,61 3,63 3,56
0
3,44
4,00
3,54
1748 1749 1750
Quelle: wie Tabelle Erläuterung: FaGröMann
=
I.
Familiengröße von Mannschaftsdienstgra(nur Ehepaare) Familiengröße von Unteroffizieren (nur Ehepaare) Durchschnittliche Regimentsfamiliengröße (nur Ehepaare) den
FaGröOffz
=
FaGröReg
=
1703—1757
Genlt.
von Voigt Brigadier von Koseritz Brigadier von Belling
Oberst von Münchhausen Oberst von Zastrow Oberst von Leslie Oberst/Genlt. von Druchtleben Oberst von Calenberg Genlt. von Druchtleben Oberst von Uslar
Major von Genlt. Genlt.
(Chef
01.03.1755
4,10 4,01 3,94
Kommandant
Datum
01.03.1745 01.04.1745 09.02.1746 06.05.1746 01.08.1746 15.02.1747 15.08.1747 01.12.1748 17.12.1754
4,05
FaGröMann
Jahr
Göttinger Kommandanten und Truppenbelegung einschließlich der Interims-
kommandanten, 1703 1716 1719 1719 1720 01.09.1720 1721 14.09.1741 01.11.1741 01.06.1743 01.01.1744 19.10.1744 26.12.1744
FaGröReg
FaGröUffz
Block
Bibow Druchtleben von Druchtleben des 2. Reg.: Oberst von
Bibow Major Genlt. von Druchtleben Genmaj. von Maider Oberst von Münchow von
Maydell Genmaj. Major von Bibow von
Regiment
Kompanien
(Kav.) (Inf.) (Inf.) (Inf.) (Inf.) (Inf.) (Inf.) Inval.-Komp. Nr. 6 (Inf.) Inval.-Komp. Inval.-Komp. Nr. 6 (Inf.)
7 7 7 7 7 7 2 7 2 2
Nr. 4 Nr. 9 Nr. 7 Nr. 9 Nr. 9 Nr. 6 Nr. 6
Nr. 6/Nr. 3
Freudemann)
7 14
(Inf.) Inval.-Komp. Nr. 6 (Inf.) Nr. 3 (Inf.) Nr. 3 (Inf.) Nr. 5 (Inf.) Inval.-Komp. Nr. 8 (Inf.)
Genmaj./Genk. von Block Nr. 8/Nr. 6 Genmaj./Genlt. von Block (Inf.) (2 Komp. des Reg. Oberst Hardenberg) Nr. 8 (Inf.) Genmaj./Genlt. von Block Ausrücken des Regiments und Besetzung der Stadt durch französische Truppen im Juli 1757
Erläuterung: Genlt.
Genmaj. Reg.
-
=
Kav. Inf.
Inval.-Komp.
Generalleutnant
Generalmajor Regiment Kavallerie Infanterie Invaliden=
kompanie
Regimenentsprechen den 1784 eingeführten Regimentsnummern.
Die Nummern der ter
Tabellen
Tabelle VIII: Jahr
Belastung der
Stadt durch die Servissteuer
Bare und unbare Servissteuer
Berhg
Nur bare Servissteuer
Solut Remissionen Saldo
Taler Tale:
Berechnung
Taler Taler
Taler
331
%
Solut
Nur unbare Servissteuer
Remissionen Saldo
Taler Taler
%
Berechnung
Remissionen
Taler
Taler
%
Taler
%
201
3171
70,8
357
11,3
56
3350
74,4 3239 70,7
311
9,3
102
3,1
1722/23 1723/24 1724/25
1725/26 1726/27
1727/28 1728/29
4099
3525
574
14,0 -583
1729/30
4904
4195
709
14,5 -131
1730/31
4481
3864
617
13,8
-166
1310
29,2
1050
260
19,8
1731/32
4501
3950
551
82
1151
25,6
911
240
20,9
1732/33
4582
3923
659
12,2 14,4
-257
1343
29,3
786
557
41,5 -293
1733/34
4532
3837
695
15,3
-436
1379
30,4
755
624
45,3
-312
3153
69,6
71
2,3
1734/35 4433
3882
551
12,4
442 1107
24,9
927
18C
16,3
118
3326
75,0
371
11,2
1735/36
4513
3861
652
14,4 -738 1280
28,4
840
440
34,4 -520
3233
71,6
212
6,6
1736/37
4681
3996
685
14,6
1457
31,1
830
627
43,0 -402
3224
68,9
58
1,8
1737/38
4736
3985
751
15,9 -561 1471
31,1
791
680
46,2 -522
3265
68,9
71
2,2
1738/39
4678
3987
691
14,8 -461 1161
24,8
835
326
3517
75,2
365
10,4
4704
3918
786
16,7 -653 1162
24,7
827
335
28,1 28,8
-342
1739/40
-420
3542
75,3
451
1740/41
4590
3870
720
15,7
1043
22,7
742
301
28,9
-412
3547
77,3
419
12,7 11,8
1741/42
4629
4008
621
13,4 -510 1091
23,6
798
293
26,9
324
3538
76,4
328
9,3
1742/43
4631
4090
541
11,7 -1004 996
793
203
3635
78,5
338
9,3
4663
4032
631
13,5
+
837
1100
875
225
20,4 20,5
-393
1743/44
21,5 23,6
-202
3563
11,4
1744/45
4733
4069
664
14,0
+
73
1179
24,9
924
255
21,6
+
353
3554
76,4 75,1
406 409
11,5
1745/46
4671
4062
609
13,0
+
115
1250
26,8
1026
224
17,9
+
558
3645
78,0
385
10,6
1746/47
4637
3943
694
14,9
+
152
1202
25,9
967
235
19,6
+
59
3435
74,1
459
13,4
1747/48
4653
3845
808
17,4
+
112
1257
1017
240
19,1
+
165
3396
73,0
568
16,7
1748/49
4986
4247
739
14,8
+
692
1218
27,0 24,4
988
230
18,9
+
39
3768
75,6
509
13,5
1749/50
4674
4411
263
5,6
+
561
1376
29,4
1356
20
1,5
-241
3298
7,4
4595
4349
246
5,4
+
278
1258
27,4
1208
50
3,9 -527
3337
1751/52 4653
4424
229
4,9
+
49
1595
34,3
1548
47
2,9 -613
3058
70,6 72,6 65,7
243
1750/51 1752/53
4610
4416
194
4,2
+
89
1485
32,2
1442
43
2,9 -809
3168
68,7
1753/54
4623
4422
201
4,3
1754/55
4595
4399
196
4,3
-635
1755/56
4619
4431
188
4,1
-635
—
+
—
—
—
440 —
709 —
—
310 —
Quelle:
StAGö AB
Erläuterung: Berhg
Servicerechnungen der angegebenen Jahre. Berechnung (errechnete Steuerschuld); Solut =
=
Erlös
196
5,9
182
5,9
151
4,8
332
Tabellen
Belastung der Stadt
Tabelle IX:
Grundlage
Jahr
Taler
1 Gr. Collecte
Himten
1735/36 1736/37 1737/38 1738/39 1739/40 1740/41 1741/42 1742/43 1743/44 1744/45 1745/46 1746/47 1747/48 1748/49 1749/50 1750/51 1751/52 1752/53 1753/54 1754/55 1755/56
1,75 1,75 1,75 1,75 1,75 1,75 1,75 4,00 1,75 1,75
1,75 1,75 1,75 1,75 1,75 1,75 1,75 1,75 1,75
durch Proviantkorn Errechnete Steuerschuld
pro
Taler
0,88 1,09 0,96 0,88 0,93 1,96 0,93 1,32 0,74 0,74 0,88 1,10 0,88 1,17 1,17 0,93 1,09 1,10 1,31 1,45 1,02
Erlös
Remissionen
Malter
Malter
Tal er
Malter
Malter
%
3,0 3,7
537 547 544 556 548 540 545 1626 543 550
1611 2024 1795 1668 1754 3132 1744 4390 1358 1375 1660 2090 1661 2216 2212 1734 2028 2071 2462 2725 1894
454 441 415
357 1108 353 360
83 106 130 147 184 196 188 518 190 190
15,5 19,4 23,9 26,4 33,6 36,3 34,5 31,9 34,9 34,5
384
166
30,2
405
149 142 148 156 159 169 176 219
26,9 25,7 27,3 28,5 29,2 30,9 32,3 40,5
3,3 3,0 3,2 5,8 3,2 2,7 2,5 2,5 3,0
3,8 3,2 4,0 4,0 3,2 3,7 3,8 4,5 5,0 3,5
550 554 553 542 548 545 547 545 541
409 364 344
411
394 392 386 378
369 322
Quelle: StAGö AB Proviantrechnung der angegebenen Jahre. Erläuterung: Gr. Mariengroschen =
Tabelle X: Servissteuerausfälle durch Restanten Rechnungsjahr
Restanten
Tale
1732/33 1733/34 1734/35 1735/36 1736/37 1737/38 1738/39 1739/40 1740/41 1741/42 1742/43 1743/44 1744/45 1745/46 1746/47 1747/48 1748/49
157 168 110 145 161 200
262 295 210 273 271 330 278 333 289 253
178
200 177 172 109 121
148 144 163 176 168
160
213 251 ? 282 331 273
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung der angegebenen Jahre.
333
Tabellen
Tabelle XI: Städtische
Aufwendungen für den Festungsbau
a) Aufträge für Wachhäuser, Schilderhäuser
und das
Kommandantenhaus, Auf-
tragsvolumen
in Talern
Jahr
Betriebe
Aufträge
Beteiligte1
b)
Kosten für Instandhaltung von Wall, Mauer und Graben, Angabe jeweils in Talern
Taler
Zeitraum
Wall
1722/23 1723/24 1724/25 1725/26 1726/27 1727/28 1728/29 1729/30 1730/31 1731/32
177
33
62
65
27
26
33
21
30
199
56
52
155
10
61
179 104
5
25
1722
75
27
30
50
1723
29
16
19
25
1724
28
14
17
37
1725
42
18
22
25
1726
77
26
30
75
1727 1728
57
18
23
50
80
22
29
55
1729
108
40
54
88
1730
26
17
18
20
1731
34
17
20
14
1732
46
23
27
34
1733
81
35
46
45
1734 1735
26
19
20
17
1736
32
15
19
18
1737 1738
4C
20
26
47
24 145
170
183
347
43
7
29
65
36
20
304
2
1
20
21
88
17
17
238
67
19
19
239
1755
58
25
25
180
Schnitt
74
26
29
80
Schnitt
128
127
37
46
95
1741 1742
117
30
40
52
89
29
33
51
1743
128
30
36
105
1744
116
29
37
94
1745 1746
80
25
31
83
112
31
35
87
1747
69
26
29
69
1748
83
28
29
99
1749
63
19
20
68
1750
77
22
23
83
1751
92
30
31
234
6
25
166
5
65
53
53
10
27
54
27
43
12
170
1752
21
170
35
294
1753 1754
100
Graben
1732/33 1733/34 1734/35 1735/36 1736/37 1737/38 1738/39 1739/40 1740/41 1741/42 1742/43 1743/44 1744/45 1745/46 1746/47 1747/48 1748/49 1749/50 1750/51 1751/52 1752/53 1753/54 1754/55 1755/56
1739 1740
Mauer
37 56
111
41
52
7
35
129
23
19
192
11
13
106
11
52
178
13
13
18
7
290
49
358
23
5
25
33
2
299
59
203
130
69
66
146
62
4
14
85
26
22
101
56
22
81
133
26
91
42
73
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung, Servicerechnung und Kämmereiregister, jeweils angegebene Jahre.
Erläuterung: 1 Die Zahl der auf S. 246—250. =
beteiligten Handwerker und Tagelöhner liegt höher, vgl.
dazu die
Bemerkungen
334
Tabellen
Tabelle XII:
Belastung der Stadt
Servissteuer
Einqu. |
Jahr
(Taler)
Rest
| Summe
durch Servis, Proviant und
Festungsbaukosten
Anteile am städti Proviant Festungs Gesamt sehen SteueraufTaler bautaler Summe kommen in %
Anteile der Festungsbaukosten an den städtischen Ausgaben in %
1722/23
272
3,9
1723/24
118
1,1
1724/25
84
0,7
1725/26
47
0,4
1726/27
307
3,0
1727/28
226
3,3
209
2,5 1,3
1728/29
3904
204
4108
1729/30
4234
92
4326
120
1730/31 1731/32
3954
76
4030
191
1,8
3987
45
4032
199
2,2
1732/33
4125
55
4180
1733/34
4121
152
4273
1734/35 1735/36
4249
75
4324
1469
79
5872
4463
136
4599
1342
121
6062
1736/37
4405
31
4436
1298
307
6041
1737/38 1738/39
4405
141
4546
1232
45
5823
4364
84
4448
1162
175
5785
1739/40
4413
158
4571
1093
93
5757
1740/41
4472
107
4579
992
42
5613
1741/42 1742/43
4433
85
4518
942
152
5612
5019
75
5094
3014
222
8330
1743/44 1744/45
3082
113
3195
892
130
4217
3791
205
3996
649
243
4888
1745/46
3830
117
3947
1047
31
5025
1746/47 1747/48
3886
85
3791
1087
301
5179
3647
86
3733
1431
407
5571
1748/49
3425
130
3555
601
53
4209
1749/50
3764
86
3850
1046
334
5230
1750/51
3955
116
4071
1150
392
5613
1751/52
4130
245
4375
1122
281
5778
1752/53 1753/54
4229
98
4327
1116
80
5523
466
1425
700
6398
4418
314
4732
1083
133
5948
1754/55
4871
163
5034
1148
179
6361
1755/56
4922
144
5066
1004
240
6310
Quelle: wie Tabelle XI. Erläuterung: Einqu. Einquartierung =
48,5 55,1 31,8 22,2 23,4 43,3 55,5 51,2 53,9 75,7 47,2 29,6 27,1 41,9 32,9 22,5 19,7 38,0 37,8 40,9 36,8 39,2 41,9
3,9 5,3 0,7
0,6 1,1 0,2 1,3 0,9 0,4 1,5 2,0 1,5 1,5 0,2 2,4 2,4 0,3 1,3 2,7 1,8 0,6 0,8 1,1 1,6
335
Tabellen
Tabelle XIII:
Rechnungssummen ausgewählter Handwerksbetriebe (Festungsbauaufträge in Talern)
Betrieb Daniel
Branche
1722 1727 1732 1737 1742 1747 1752
Lippen Cyriacus Seeger Jost Jürgen Breden
Maurer
Henrich Gabriel Thon
Zimmermann
6
Andreas Holborn
Schmied
0,5
Johann
Maler
1
Bestian
u.
Hans
Maurer
u.
Zimmermann
Diedrich Bornemann
Christoff Ahlborn
24
48
93
17
Fuhrunternehmer
34
7
18
Quelle: wie Tabelle XL
Tabelle XIV: Städtische Festungsbauaufträge für die Reparatur der Verwaltungsgebäude in Arbeitszeit nach Tagen pro Jahr anhand ausgewählter Handwerker, Handwerksbetriebe und Tagelöhner, 1738—1747 Handwerker/Tagelöhner
Beruf
1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747
Hans Henrich Fassmer
Maurer
1,0
3,0
1,0
Moritz Krische
Zimmermann
7,25 9,5
5,0
5,0
2,0
8,5 19,25 1,0
6,0
1,5
Dachdecker
7,25
5,0
5.0
2,0
12,5 22,25 1,0
6,0
1,5
72,0
1,5
15,5
Hans
Jürgen Schaper
Maurer
Cyriacus Seeger* Henrich
Christoph
6,0
41,0 93,0
Schröder* Maurer
1,0 14,5
6,5
46,5 12,0
1,0
1,0
34,75 17,0 21,0 26,0
6,0
2,0
6,0
4,0
2,5
5,0
1,0
7,0
3,0
Henrich Gabriel Thon*
Zimmermann 62,5 80,25 24,0
9,0
Daniel Busse
Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner
3,5
5,0
3,0
19,0
1,0
6,0
12,5
5,0
2,5
11,0
9,0
5,0
9,0
1,0
2,0
7,0 28,0
8,5
4,0
7,5
2,5
3,5
24,0
17,5
1,5
1,0
7,0
3,0
0,5
1,0
11,5
1,0
7,0
17,5 11,0
7,0
0,5
Daniel Hertz
Dietrich Kramer Cordt
Niemeyer
Daniel Polle Ricus Schrader
Johann Wolff
11,0
18,5 1,0
3,5
6,0
9,75
2,0
1,0
4,0
2,0
1,5 6,0
3,5
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung und StAGö AB Servicerechnung der angegebenen Jahre.
Erläuterung: *
=
hat zusätzlich Gesellen
eingesetzt;
= —
kein
Auftrag;
x
-
Arbeitszeit nicht ermittelbar
Tabellen
336
Tabelle XV: Nettoverdienste für die Reparatur an den Verwaltungsgebäuden ausgewählter Handwerker und Tagelöhner, 1738—1747 (in gerundeten Groschenbe-
trägen)
Handwerker/Tagelöhner
Beruf
Hans Henrich Fassmer
Maurer
Moritz Krische
Zimmermann
Hans
Jürgen Schaper
Christoph
Schachtebeck
Daniel Busse Daniel Hertz Dietrich Kramer
Cordt Niemeyer Daniel Polle Ricus Schrader
Johann
Wolff
1738 1739 1740 1741 1742 1743 1744 1745 1746 1747
58
Dachdecker
Maurergeselle
139
Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner Tagelöhner
16
5
86
40
40
68
148
46
12
85
45
45
100
183
51
13
20
29
15
113
5
10
34
22
73
29
13
59
49
13
26
5
30
55
6
10
42
165
58
37
18
51
24
38
13
21
346
60 57
32
36
144 21
105
6
42
15
3
36
5
69
5
42
99
58
40
3
12
5
20
10
8 36
21
Quelle: StAGö AB Belege zur Servicerechnung und StAGö AB Servicerechnung der angegebenen Jahre.
Tabelle XVI:
Fragebogen
von
1711
zur
Vernehmung von Deserteuren
»1. Wie Inquisit heisse? 2. Wie alt er sey?
Inquisit bürtig und was seine Eltern seyn? Inquisit in Sr. Churfürstl. Durchl. Diensten stehe? was Compagnie und Regiment? Bey Wie Inquisit von dieser Compagnie abkommen? Was er vor Gewehr und Mundirung mit genommen? Wohin er sich begeben, und wo er sich bißhero aufgehalten? Ob nicht Inquisit sich in diesen Krieges-Diensten willig anwerben lassen? Ob Inquisit das versprochene Anreitzgeld, Brod und Monaths-Gage allemahl richtig
3. Woher
4. Ob nicht 5. 6. 7.
8. 9. 10.
bekommen?
Inquisit auch geschworen Sr. Churfürstl. Durchl. Treu und redlich zu dienen? Inquisiten auch die Kriegs-Articul, und unter solchen auch der 68. Art. krafft dessen die Desertiones mit dem Strange abgestraffet werden, vorgelesen worden? Was den Inquisiten bewogen, gegen sein Ayd und Pflicht zu desertieren?«
11. Ob nicht
12. Ob nicht
13.
Quelle: LVO, III, f. 377; Verordnung vom
19.10.1711.
337
Tabellen
Tabelle XVII: Konkordanz der
Kompanien Regiment Druchtleben Kompaniechef
Kompanie Kompanie (»Leibkompanie«) 2. Kompanie 3.
von
von
Kompanie
4. Kompanie 5.
Kompanie
6.
Kompanie
7.
Kompanie
Regiment Kompanie 2.
Kompanie (»Leibkompanie«) Kompanie
3.
Kompanie
4.
Kompanie
5.
Kompanie
1.
Block
Kompaniechef von Block (1748-1756) von Landesberg (1748—1756) von Sanee (1748-1755) von Witzendorf (1755-1756) le Bachelle (1748) von Bobart (1748-1756) von Wackerbarth (1748-1750) von
von
6.
Kompanie Kompanie
Alvensleben (1750—1752) Pufendorf (1752-1756)
Goldacker (1748-1752) Harling (1752—1755) von Meding (1755—1756) von Sydow (1748-1756) von
von
7.
Druchtleben
(1722-1740) Torney (1722-1724) Freudemann (1729—1734) de la Forest (1735—1740) von der Schulenburg (1722—1735) von Oberg (1736-1740) Hamelberg (1722-1735) von Dreves (1736—1740) Becker (1722-1730) von Hauss (1731-1734) Böse (1735-1740) Nettelhorst (1722-1733) von Druchtleben (1734—1740) von Stallmeister (1722—1737) von Schele (1738-1740)
1.
Quellen- und Literaturverzeichnis
Ungedruckte Quellen A. Stadtarchiv
Göttingen (StAGö)
1. Geheimer Rat
Bestallungen Nr. 7: Nr. 10:
Stadtmusikanten,
Stadthauptmann,
1726—1770 1744—1772
Kämmereisachen Nr. 75: Der von dem Obristen Druchtleben im Jahre 1730 gekaufte Hof, 1730 Nr. 85: Die Kosten für die Dienstfuhren zur Anfahrung der Wälle, 1744 Bausachen Nr. 152: Reinigung des Stadtgrabens, 1734 Nr. 154: Bau einer Hauptwache, 1734—1735 Nr. 155: Stadtpulverturm, 1735 Nr. 159: Reparaturen an den Wachhäusern an den Toren und Nr. 166: Bau der Wachhäuser, 1755/56 2. Altes Aktenarchiv
am
Wall,
1736—1752
(AA)
Abgaben, Licent
Nr. 11: Licentstrafsachen, 1727—1763 Nr. 12: Licentstrafprotokolle, Bd 1, 1749—1757 Nr. 25: Licentsachen. Denunziationen wegen eingeschmuggelten Branntweins, 1753—1755
Bauwesen Nr. 37: Die Gilde der Zimmermeister klagt gegen den Krüger Daniel Gebert, vor dem Groner Tor wegen Holzhandel, 1748—1755 Nr. 124: Neue Straßen in den Vorstädten, 1734—1737 Nr. 238: Die Stadtgräben, 1703-1734 Nr. 241: Stadtmauer. Durchbruch durch die Stadtmauer, 1733—1740 Nr. 243b: Die Türme in der alten Stadtmauer, 1735—1750 Nr. 254: Sperrung des Weender- und Geismartores in der Festung Göttingen, 1738—1768 Nr. 255: Stadt-Tore, 1741-1850 Nr. 256: Groner Tor, 1751-1754 Nr. 280,2: Die Bebauung des Götzischen, nachmals Beuermannschen Gartens durch den Obersten von Druchtleben, 1730 Nr. 281: Grätzel gegen Scharf, 1727—1733 Nr. 300: Bauvorschüsse und andere Ermunterungen zum Bauen, 1733—1755 Nr. 306: Bauvorschußgelder für den Ausbau von Studentenwohnungen, 1749—1766
340
Quellen- und Literaturverzeichnis
Brand- und Feuersachen Nr. 89: Feuersbrunst in Rosdorf, 1751 Brausachen Nr. 83: Haus- oder Winkelbrauen, widerrechtlich Garnison, 1740
Deposita
Johann Heinrich von Block. Festungssachen Nr. 23:
angefangen von den Unterofficieren der hiesigen
Militärakten
dem Nachlaß, 1710—1764
aus
Nr. 20: Die Vorräte an Geschütz und Munition und die Besetzung der Festungswerke, 1615—1719 Nr. 21: Instandhaltung der Festungswerke, 1620—1730 Nr. 22: Instandhaltung der Festungswerke, 1620—1759 Nr. 27: Weigerung des Rates, den Torschlüssel an den Kommandanten herauszugeben, 1633—1634 Nr. 40: Die Besoldung des Zeugwärters Jürgen Fincke, 1697—1702 Nr. 41: Instandhaltung der Festungswerke. Geplante Erweiterung, 1699—1704 Nr. 42: Anlage neuer Contrescarpen und Außenwerke und die Vergütung der hierfür erforderlichen Grundstücke, 1700 Nr. 44: Anschaffung von Palisaden, 1715—1723 Nr. 45: Entschädigung an die Bürger bei Erweiterung der Festungsanlagen, 1716 Nr. 46: Das zu den im Jahre 1720 angelegten Festungswerken benötigte Gartenland, 1718—1721
Forstsachen Holzsachen
Jagd
Nr. 193: Holzdiebereien und Forstwrugen, 1733—1808 Nr. 221: Jagd während der Hegezeit, 1732—1807, Bd 1
Gesundheitswesen, Stadtphysikat Nr. 12: Venerische Krankheiten,
1731—1752 Nr. 16: Anstalten und Vorkehrungen gegen die Nr. 17: Chirurgus Weiss und die Bezahlung der Kuren, 1752
Gewerbesachen Auktionatoren Bader und Chirurgen Bäcker Glaser Hutmacher Schmiede Schneider Tischler Tuchmacher
Nr. 1: Nr. 8: Nr. 11: Nr. 18 Nr. 2: Nr. 4 Nr. 3
Pest, von
1738—1741
ihm
an
mehrere Ratsbediente
Das Gewerbe der Makler, 1736—1871 Die hiesigen Chirurgen, 1716—1759, Bd 1 Die Bäckergilde, 1694—1756 Die Bäckergilde, 1737-1878 Die Glaserzunft gegen ihren Mitmeister J. C. Kaufmann, 1753—1754 Die Hutmacherzunft in Göttingen, 1721—1768 Die der Gilde der Grob- und Kleinschmiede inkorporierten
Schwertfeger, 1747-1857 Nr. 9: Die Schneidergilde zu Göttingen, 1736—1866 Nr. 10: Konzessionen zum Betrieb des Schneiderhandwerks, 1736—1870 Nr. 4: Klagen des Tischleramtes wegen der Pfuscherei und unzünftigen Tischler, 1724-1729 Nr. 38 Die Anfertigung und Lieferung von Montierungsstücken, 1689 Nr. 45 Die Tuchmacherrähmen auf dem Freudenberge, 1705—1728 Nr. 52 Unzünftige Tuch- und Raschmacher, 1724—1725 Nr. 53 Klagen der Tuchmachergilde wegen des Verkaufs auswärtiger Tuche, 1727-1734
Gildensachen
Allgemeines
angewendeten
Nr. 26:
Handwerkspfuscherei,
1702—1814
Ungedruckte Quellen Grundbesitz Einzelne Häuser Handel Hausierhandel
Kommerzkollegium Verschiedenes
Klostersachen Einzelne Klöster,
Nr. 89: Die
Ratsbuden,
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
Hausierhandel,
40: 28: 2: 5a: 6: 7:
Nr. 3:
Landwirtschaft Fischerei
Nr. Nr. Garten und Feldkultur Nr. Nr. Nr. Viehzucht Nr.
Der
Wucherei mit
341
1727-1840
1718-1865
versetzten
Sachen,
1750—1768
Garnhaspel,
1706-1755 Das Degentragen, 1732—1748 Varia: Vorkäuferei und Taxen der Vorkäuferei, 1738-1830
Victualien,
1733- -1764
Die Franziskanerkirche und Zubehör und deren 1582-1794
Verpachtung,
3: Die Verpachtung der hiesigen Ratsfischerei, 1712—1749 4: Verpachtung der städtischen Fischerei, 1747—1774 4: Garten und Feldwrugen, 1673—1823 10: Garten, Gartenland und Gartendiebereien, 1731—1771 14: Förderung des Gartenbaus, 1738—1756 7: Viehpfändung des Stadtviehs von der hiesigen Milice auf dem Stadtwall, 1736
Leihhaussachen Nr. la: Buch über die bei der
Göttingischen Leihkammer versetzten Stücke,
1731—1733
Militärsachen
Allgemeines
Nr. 3:
Beschwerden der Bürgerschaft über verschiedene verübte Excesse, 1692
von
der Garni-
son
Nr. 3a: Nr. 5: Nr. 6: Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
Nr. Nr. Nr. Nr.
Billetamt,
1680—1683
Abgedankte Soldaten, 1700 Sammlung verschiedener Nachrichten über militärische Angelegenheiten, 18. Jhd. Heiraten von Militärpersonen, 18. Jhd.
7: 8: Invaliden, 1712-1803 11: Entlassungen aus dem Militärdienst, 1738—1830 52: Schreiben des Herzogs Friedrich Ulrich über den Schutz der Stadt durch eine Garnison, 1623 53: Einrichtung der Neuen Hauptwache, 1734—1770 54: Der »blaue« Turm und dessen an die Stadt, 1738 55: Specification der in der Bürgerschaft befindlichen Gewehre, 1741— 1760 70: Beschwerden der Stadt über allzu starke und unerträgliche Belastung durch Einquartierung, 17. Jhd. 71: Einquartierung der von Herzog Georg von Lüneburg geschickten Soldaten, 1633 77: Eine chronologisch geordnete Sammlung von fürstlichen Befehlen, 1640—1695 82: Varia, Einquartierung und Service betrf., 1684—1760 84: Einquartierung in die Wohnungen der Geistlichkeit, 1690—1714 85: Einquartierung und Proviant, 1694—1730
Übergabe
342
Quellen- und Literaturverzeichnis Nr. 86: Nr. 87: Nr. 88: Nr. 90: Nr. 91: Nr. 93: Nr. 94: Nr. 95: Nr. 96: Nr. 97: Nr. 98: Nr. 99: Nr. 100: Nr. 101:
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
102: 103: 105: 106: 107: 160: 161:
Einquartierung und Service,
1697—1715
Beschwerden der Stadt gegen
Einquartierung, 1695, Einquartierungsfreiheit, 1703 Einquartierung der Soldaten, 1704—1803 Servicereglement vom 26.12.1713
1702—1730
Billetamts-Sachen,
1715-1760 Des Auditeurs Ahrens Einquartierung, 1718 Einquartierung in den Buden, 1720 Der Service von den Ländereien, 1727
Billetstube, Generalakte, 1729—1748 Die Billet-, Kollecte- und Servicerechnungen
von
1730 ff.
Die Forderung des Senators Böning und dessen Erben an die BilletStube, 1730-1746 Die Freiheit der Professoren von der Einquartierung, 1734 Service- und Einquartierungsfreiheit der Ratsmitglieder, 1735— 1788 Die prätendierte Einquartierungsfreiheit des Dr. med. Sothen, 1737 Auditeurstelle bei der Garnison, 1737—1763 Billetschreiber, 1738-1796 Der Billetschreiber, 1744—1763 Die Besetzung der Billetamtsdienststelle, 1748—1808 Varia, Werbung betrf., 17. und 18. Jhd. Werbung. Tumulte bei der Anwerbung Göttinger Bürgersöhne, 1701-1722
Nr. 162: Die Anwerbung des Dragoners Thomas Christoph Bornemann, 1724 Nr. 163: Werbung. Die Anwerbung eines Lehrjungen des Schuhmachers
Wildt,
Kommandant
1727
Nr. 164: Werbungen, 1731-1794 Nr. 165: Fremde Werbung. Preußische Werbung, 1737 Nr. 166: Anwerbung, 1742 Nr. 168: Desertierungen und Deserteure, 1668—1731 Nr. 169: Deserteure, 1743—1808 Nr. 173: Einquartierungsfreiheit des Stadtphysikus, 1733 Nr. 1: Varia: Der Kommandant und sein Haus, 17. und 18. Jhd. Nr. 2: Der Kommandant und dessen Wohnung, 1648—1806 Nr. 3: Einrichtung der Kommandantenschaft, 1644 Nr. 4: Forderungen des Kommandanten nach Lieferung von Deputatholz, 1690-1730 Nr. 5: Differenz mit dem Kommandanten wegen der Bürgerwachen, 1702 Nr. 6: Kommissarische Untersuchung der gegenseitigen Beschwerden zwi-
schen dem
Stadthauptmann
Magistrat und dem Kommandanten,
1713—1714
Nr. 7:
Verpflichtung, dem Kommandanten die ankommenden Fremden
Nr. 8: Nr. 2:
Die Der
Nr. 6: Nr. 43:
Varia, Mühlen, in specie Mühlenzwang, 1550—1746 Verpachtung der Kleinen Mühle, 1632—1810
anzuzeigen, 1719 Kommandantengefälle, 1716—1803 Stadthauptmann und die Besetzung dieser Stelle,
Mühlen
Allgemeines
Kleine Mühle
1744—1856
Ungedruckte Quellen
343
Sicherheitswesen
Gefängnisse
Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr. Nr.
Polizei
Wachwesen
Staatsverwaltung Sonstige Regierungssachen Stadtverwaltung Münzsachen
5: 11: 20: 2: 3: 4: 5: 6: 7: 11:
Gefangenen-Turm, 1736—1748 Verordnungen wegen der Hazard-Spiele, 1732—1789 Die Verhütung und Bestrafung der Hurerei, 1748—1799 Ausgaben an Lichtern und Öl für die Wachen, 1711—1712 Artikel der bürgerlichen Konstabel, 1720 Wachwesen und Wachpflichtigkeit, Bd 1, 1729—1763
Wachhäuser und deren Reparierung, 1736—1767 Die Wachfreiheit der Ratspersonen, 1737 Wachtmeisterleutnant, vornehmlich deren Deputatholz, 1742—1826 Das Wachwesen überhaupt, 1722—1835
Generalvisitation,
Nr. 3:
1739—1765
Nr. 26: Die verrufenen zen
Kreutzer, halben Münzen, insbesondere die Patoder Petermännchen, 1717—1733
Universität
Allgemeines 3. Amtsbücher
Nr. 31:
Logis der Studenten,
1733—1765
(AB)
Expositum IV, Stadthandelsbücher des Stadtgerichts Göttingen,
1710—1756
Gerichtswesen Nr. 4: Nr. 8:
Zivilgerichtsprotokolle, 1701—1728 Polizeiprotokolle, 1739—1755
Gildebücher, Nr. 5: Nr. 6:
Ms 12
Kaufgilde-Protokollbuch, Kaufgilde-Protokollbuch,
1664—1734 1734-1756
Kämmerei Nr. 1:
Kämmereiregister, 1718—1756 Nr. 12: Collecten-Tabellen, 1720—1756 Nr. 14: Service-Tabellen, 1736—1756 Nr. 21: Göttingische Servis-Rechnungen, 1723/24—1757/58 Nr. 23: Belege zur Göttingischen Servicerechnung, 1719—1756 Nr. 37,3: Ratsmonita über die Collecten- und Service-Rechnungen 1729—1746 Nr. 54: Sperr-Gelder, 1740-1761
Landesverordnungen, Ms 14 Nr. 1: Landesverordnungen Nr. 3: Landesverordnungen Nr. 4: Landesverordnungen Nr. 5: Landesverordnungen
1549—1713 1713—1724 1724—1733 1741—1779
Rezesse und
Normalia, Landschaftssachen, Ms 9, Nr.
Verwaltung,
Nr. 1:
Stadtratsprotokolle,
1720—1756
Wirtschaft Nr. 9: Nr. 20:
Marktamt,
1736-1758 1722—1756
Proviantrechnungen,
1:
Recessbuch,
1232—1777
344
Quellen- und Literaturverzeichnis
B. Kirchenbuchamt
Tauf-, Tauf-, Tauf-, Tauf-, Tauf-, Tauf-,
Heirats- und Heirats- und Heirats- und Heirats- und Heirats- und Heirats- und
Göttingen (KBAGö)
Sterberegister der Pfarrei St. Albani, 1720—1756 Sterberegister der Pfarrei St.Jacobi, 1720—1756 Sterberegister der Pfarrei St. Johannis, 1720—1756 Sterberegister der Pfarrei St. Marien, 1720—1756 Sterberegister der Pfarrei St. Nicolai, 1720—1756 Sterberegister der Kapelle St. Crucis, 1740—1756
C. Kirchenkreisarchiv Akte Taufen,
Göttingen (KKAGö)
Trauungen, Beerdigungen
D. Stadtarchiv Northeim
Q. Militaría, Allgemeines,
(StANo)
Nr. 2: Desertionen
E. Stadtarchiv Einbeck
(StAE)
I. D. H. a. Nr. 2 Der Verkauf der Städtischen Kanonen
F. Stadtarchiv Münden IX. IX.
Militaría, Militaría,
(StAMü)
B 2188. Kommandanten 1659—1738 1—2. Inventarium der Mündener Kaserne
G. Niedersächsisches 1.
Hauptstaatsarchiv Hannover (NHStA) Cal. Br.23b Verordnungen und Gesetze 1209—1866 B Verordnungsdrucke und Sammlungen, II., Nr. 352—577
2. Hann. 41 Akten des Generalkommandos mit den Militär-Akten der Londoner Kanzlei 18.—19. Jahrhundert III.
der Armee Nachricht von der
Organisation
Nr. 1:
Nr. 2: Nr. 3: Nr. 4: Nr. 5:
Truppen
seit dem Westfälischen
Truppen
seit dem Westfälischen
Verfügungen und Erlasse des Herzogs Georg Wilhelm von Celle 1666—1680. Sammlung von verschiedenartigen Korrespondenzen, Observationen, Relationen, Vorschriften, Erlasse[n]
Nr. 6: Nr. 9 :
Errichtung der Regimenter der früheren und derzeitigen Chefs,
1629-1788 desgl., 1634—1784 Kurze historische Beschreibung der hannoverschen Frieden bis 1762 Kurze historische Beschreibung der hannoverschen Frieden bis zum Jahr 1784 u.a., 1666—1815
Eine Sammlung gedruckten Schriftguts verschiedenen Inhalts, 1693—1797 Landesherrliche Verordnungen über die mit fremden Staaten abgeschlossenen Kartelle wegen Auslieferung der Deserteure, 1731—1774
345
Ungedruckte Quellen
Listen, Rapporte, Designationen, Dispositionen, Etats und sonstige Angaben über die alliierten Truppen im Österr. Erbfolgekriege, 1744—1756
Nr. 16: IV.
Exercice, Campements, Manöver, Musterung der Truppen, Exerzier-, Dienst- und Lagerreglements
Exerzierreglements für die Infanterie und Anweisung der Grenadiere beim Gebrauch der Granaten, vor 1720, 1720, nach 1720 Altes Exercicereglement der Infanterie, 1750—1751
Nr. 40: 3 Nr. 41: IX.
Festungen, Fortifikationen und Zivilbau Festungs- und Zivilbausachen zu Göttingen. Spezialia,
Nr. 6:
1725—1764
3. Hann. 42 Akten des Generalkommandos 1814—1837 und der Generaladjutantur 1837— 1866 mit Vorakten A Generalia XII Varia Nr. 1446: Nr. 1468:
aus von Iltens Manuskript-Sammlung. Von 1700—1757 Zur Geschichte der hannoverschen Kavallerie- und Infanterie-Regimenter, 1666— 1690
Auszüge
H Gebundene Archivalien Nr. 2178a: Kriegsarchiv des Grossen Generalstabs. Stärke- u. Verlustlisten des Celle-Hannöverschen Korps im englischen Solde, 1702—1757 Nr. 2208: Geschichte der Königlich Hannoverschen Truppen vom vorigen Jahrhundert bis Nr. 2209:
Nr. 2210:
4. Hann. 43
Geheime Nr. 1:
auf das Jahr 1746, 1774 Materialien zur Geschichte und zur Offizier-Anciennität des Kurfürstlich Braunschweig-Lüneburgischen Militärs, gesammelt von Bürgermeister Dr. Christian Friedrich Oldekop und vom Zöllner Urban Friedrich Christoff Manecke, beide zu Lüne-
burg, 1. Bd, 1514—1762 Desgl., 2.Bd, 1737-1802
Geheime Räte, dann Kabinettministerium
Kriegskanzlei
1691—1831
(Militärdepartement)
betr. die
Reglements für die Geschäftsführung und Geschäftsverteilung der Kriegskanzlei,
1701—
1748
Nr. 2: Extrakte aus dem Regierungsreglement vom 29. August 1714 mit Abschriften von den EidesNr.
formeln für die Kriegskanzleibedienten, 1714 20:Bestallung der Geh. Kriegsräte, der Kriegsräte und der Auditoren, vol. I, 1714—1782
5. Hann. 47 I.
Kriegskanzlei
Kriegswesen Nr. 20: Reskripte, Reglements, Vorschriften und Verfügungen betr. die Einrichtung und den Dienstbetrieb bei der Kriegskanzlei und der Kriegskasse, vol. I, 1688—1792 Nr. 21: Reglement für die kurfürstlich hannoversche Kriegskanzlei vom 9. September 1748, 1748 Nr. 24: Ernennung der Kriegsräte und sonstigen Beamten der Kriegskanzlei, deren Eidesleistung, Introduktion, Besoldung, weitere Beförderung usw., vol. I, 1699—1817 Nr. 29: Militär-Dienstreglement vom 11. April 1690, 1690 Nr. 41 : Beschwerden von Gemeinden und Städten über gewaltsame Werbungen seitens hannoverscher Offiziere und Unteroffiziere, vol. I—V, 1727
Nr. 42: Konflikt zwischen Kriegskanzlei und Generalität über die Frage, ob die Ursache der zahlreichen Desertionen in gewaltsamer Werbung und Verweigerung berechtigter Entlassungsanträge zu suchen sei, 1747
Quellen- und Literaturverzeichnis
346
Nr. 43 : Beschwerden der Untertanen über die gewaltsamen Werbungen und dabei vorgekommenen Exzesse, vol. I—III, 1755 Nr. 44: Lager und sonstige größere Übungen der hannoverschen Armee, vol. I, 1733—95 Nr. 45: Von König Georg II. abgehaltene Revuen, vol. I—IV, 1729—55 Nr. 46: Zusammenziehung größerer Truppenmassen zu Übungen, vol. I—III, 1732—75 Nr. 55: Organisation und Verstärkung des Artilleriekorps, 1716—41 Nr. 56: Verstärkung und Neueinteilung des Artilleriekorps in 3 Kompanien, 1731—43 Nr. 76: Listen der bei Fontenay, 11.5.1745, in Gefechten am 7. und 11.10.1746 und bei Laf-
feldt, 2.7.1747, gefallenen Mannschaften,
1745—47
dem Kriegsdienst zwecks häuslicher Niederlassung, Entlassung vol. I, 1711—13, Entlassungslisten, vol. II, 1763 Nr. 79: Disput mit königlicher Regierung betr. Militärpersonen, welche sich häuslich niederlassen wollen, und deren zu bestellende Kaution, 1739—40 Nr. 82: Kautionsstellung der Reuter, Dragoner und Musketiere wegen häuslicher NiederlasNr. 78:
Die
von
Leuten
aus
sung, 1751 Nr. 89: Kommandanturen 1674—1807, vol. II, Göttingen 1703—89 Nr. 106: Artillerie- und Zeughaus-Sachen, vol. VI, 1731—36 Nr. 155: Winterquartiere und Bezahlung der nicht in englischem Sold
unter dem Kommando des Generalleutnants v. Druchtleben stehenden Regimenter, auch besonders der Fou-
rage, 1744 Nr. 156: Die unter dem Kommando des Generalleutnants von Druchtleben stehenden, in den westfälischen Landen bequartierten acht Bataillone und eine Eskadron, 1744 Nr. 157: Das Invaliden-Hospital St. Wilhelm zu Celle, insbesondere seine Aufhebung und Verkauf der Gebäude und Grundstücke desselben, 1684—1794 Nr. 158: Das St. Georg (später St. Wilhelm genannte) Invaliden-Hospital zu Celle, 1689—1776 Nr. 163: Kriegskassen-Rechnungen, vol. XVII-XXII, 1700-1750 Nr. 178: Offiziers-Pensionen, vol. I, 1715—40, vol. II, 1741—55, vol. III, 1756—65 Nr. 203: Militär-Justiz, vol. I, 1690—1761 Nr. 204: Verordnungen und Reglements betr. die Verwaltung der Militärjustiz, 1711—68 II.
Kriegsereignisse Korrespondenz der Kriegskanzlei betr. die Ausrüstung, Verpflegung, Besoldung usw. der im Feld stehenden Truppen während des Österreichischen Erbfolgekrieges, vol. I,
Nr. 35
1742-47
IV.
Festungen.
9.
Göttingen, Bd 1-14,
6. Hann. 48 a I Stammrollen und 1733-1867
1673-1759
Tagebücher
(jetzt neu Nr. 139-152) der hannoverschen
Truppenteile 1660,
Göttingen G Militaría Generaba, Nr. 13: Amt Harste: Akten über den ehemaligen Festungsbau zu Göttingen, 1637—1729 Dimissionen, Pensions-, Invaliden- und Militärunterstützungssachen
7. Hann. 74 A M
Nr. 346b Amt Radolfshausen: Die Dimittierung der Musketiere Andreas Buermann und Johann
Jobst Magerhans,
1724
Nr. 346e Amt Radolfshausen: Die gesuchte Dimission des Musketiers Günther und dessen Auswechslung gegen einen Ausschößer Theuerkauf, 1741
8. Hann. 74 Reinhausen G Militaría F Deserteure Nr. 44 Allgemeine Verfügungen über Desertionen, 1672—1844
Gedruckte
Quellen
347
H. Wehrbereichsbibliothek II, Hannover
Rapport der Hannoverschen Trouppen
wie auch Land- und Garnison-Regimenter. Verzeichnis der undienstbaren Invaliden und Feld- und Garnis. Artillerie nebst Extract der Einnahmen und Ausgaben des gantzen Militair Etats vom Jahr 1767 Uhlenbecker, Johann Jürgen, Errichtung und Mondierung derer Chur-Braunschweig-Lüneburgisch.
Trouppen,
o.O. 1770
Unterricht, woraus die Hannoverischen Trouppen in Friedenszeiten bestehen, wie sie alsdann mit Gage, Portiones, Rationes, Quartiere und Moundirung versehen werden auch was Ihnen vor Abzüge von
der Gage geschehen, und wie dabey mit dem Avancement, Verabschiedung und Beuhrlaubung gehalten wird. Teil 1: In Friedenszeiten, o.O. [um 1745]
I. Bibliothek des
Juristischen
Seminars der
Georg-August-Universität Göttingen
Sammelbände unedierter Hannover-Calenberg-Göttingischer Landesgesetze von ca. 1709—1807, 20 Bde nebst Register. Gesammelt von E. Hake, o.O. o.J.
Gedruckte
Quellen
Bräker, Ulrich, Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des armen Mannes im Tockenburg, hrsg. und mit einem Nachwort versehen von Werner Günther, Stuttgart 1989 (Original Zürich 1789) Chur-Braunschweig-Lüneburgische Landes-Ordnungen und Gesetze, Zum Gebrauch der Fürstenthümer Graf- und Herrschaften Calenbergischen Theils, Dritter Theil, Göttingen 1740
Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, hrsg. und bearb. von Jan Peters, Berlin 1993 (= Selbstzeugnisse der Neuzeit. Quellen und Darstellungen zur Sozial- und
Erfahrungsgeschichte) Flemming, Hanns Friedrich von, Der vollkommene Teutsche Soldat, welcher die gantze Kriegs-Wissenschaft, insonderheit was bey der Infantrie vorkommt, ordentlich und deutsch vorträgt [...], Leipzig 1726 Gruber, Johann Sebastian, Neuer und Gründlicher Unterricht von der heutigen Fortification und Artillerie, Fürth 1700 Die Gründung der Universität Göttingen. Entwürfe, Berichte und Briefe der Zeitgenossen, hrsg. von Emil F. Rössler, Göttingen 1855 Hannoversche Rotröcke in Griechenland. Das Tagebuch des Fähnrichs Zehe in den Türkenkriegen 1685—1688, hrsg. von Herbert Röhrig, Hildesheim 1975 (= Quellen und Darstellungen zur Geschichte Niedersachsens, 84)
jetztlebende Göttingen und darzu dienende Nachrichten, Göttingen 1739 Justi, Johann Gottlob, Staatswirthschaft oder Systematische Abhandlung aller Oekonomischen und Cameralwissenschaften, die zur Regierung eines Landes erfordert werden, Teil I, Leipzig 21758 Klöden, Karl Friedrich von, Jugenderinnerungen. Nach der ersten von Max Jahns besorgten Ausgabe neu bearb. von Karl Koetschau, Leipzig 1911 Magister Laukhard. Sein Leben und seine Schicksale von ihm selbst beschrieben, hrsg. von Heinrich Schnabel, München 1912 Das
Militair-Justitz-Reglement vom 1. Dezember 1736, in: CBL, BdIV, S. 36—62 Müller, Heinrich, Abbildung der uhralten und weitberühmten Frontier-Stadt und Vestung Göttingen, Osterode 1678
O'Cahill, Der vollkommne Officier nach vorgeschlagnen Grundsätzen von Major O'Cahill, Frankenthal 21787
(ND Koblenz 1979)
348
Quellen- und Literaturverzeichnis
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tragen
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zur
Geschichte ihrer
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Konfliktforschung, S. 9—23
Allmayer-Beck, Johann Christoph, Die Militärgeschichte in ihrem Verhältnis zur historischen Gesamtwissenschaft, in: Geschichte und Militärgeschichte, S. 177—199 Althannoversche Feldzeichen 1620—1803, in: Niedersächsisches Jahrbuch für Landesgeschichte, 16 (1939), S. 147-207
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349
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Von den
Anfängen
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rischen Sozialwissenschaft, 15) Beiträge zur Geschichte der frühneuzeitlichen Garnisons- und Festungsstadt [Referate und Ergebnisse der Diskussion eines Kolloquiums in Saarlouis vom 24.-27.6.1980], hrsg. von Hans Walter Herrmann und Franz Irsigler, Saarbrücken 1983 (= Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung, 13) Beiträge zur niedersächsischen Preisgeschichte des 16. bis 19. Jahrhunderts, hrsg. von Reinhard Oberschelp, Hildesheim 1986 (= Veröffentlichungen der niedersächsischen Landesbibliothek Hannover) Bevölkerungsbewegung und soziale Strukturen in Mainz zur Zeit des Pfälzischen Krieges (1680—1700). Eine historisch-demographische Fallstudie, hrsg. von Walter G. Rodel, Wiesbaden 1978 (= Geschichtliche Landeskunde, 19) Die Bildung des Offiziers in der Aufklärung. Ferdinand Friedrich von Nicolai (1730—1814) und seine enzyklopädischen Sammlungen. Ausstellungskatalog, Stuttgart 1990 Blaich, Fritz, Die Epoche des Merkantilismus, Wiesbaden 1973 (= Wissenschaftliche Paperbacks, 3) Bleckwenn, Ruth, Zelt und Lager im altpreußischen Heer, Osnabrück 1975 (= Das altpreußische Heer. Erscheinungsbild und Wesen 1713-1807, Teil TV, Bd 4) Blessing, Werner K., Fest und Vergnügen der »kleinen« Leute. Wandlungen vom 18. bis zum 20. Jahr-
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Kriege, Kassel
1954
(= Beiträge
zur
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1903
350
Quellen- und Literaturverzeichnis
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der Pharmazie, N.F., 49) Busch, Otto, Militärsystem und Sozialleben im alten Preußen 1713—1807. Die Anfänge der sozialen Militarisierung der preußisch-deutschen Gesellschaft, Berlin 1962 (= Veröffentlichungen der Berliner Kommission beim Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin, 7) Burhenne, Verena, Göttingen als Heimstätte der Georgia Augusta. Die Auswirkungen der Universi-
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Wellenreuther, Hermann, Göttingen und England im achtzehnten Jahrhundert, in: 250 Jahre Vorlesungen an der Georgia Augusta 1734—1984, Göttingen 1985 (= Göttinger Universitätsreden, 75), S. 30—63 Wellenreuther, Hermann, Repräsentation und Großgrundbesitz in England 1730—1770, Stuttgart 1979 Wellschmied, Karl, Die Hospitäler der Stadt Göttingen. Ihre Entwicklung, Verwaltung und Wirtschaft
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Wandel,
S. 13—27
Personenregister
Zu beachten ¡st, daß insbesondere Personennamen zahlreiche orthographische Abweichungen aufweisen.
Ahlborn, Christoph (Bürger) 304, Tabelle XIII Ahrens, Johann Berend (Invalide) 164
Biermann, Johann Ludolph (Ratsherr)
Angermann (Soldat) 153, 266—268
Bleiert, Wilhelm (Invalide) 166 Blettermann, Christoph (Soldat, Bürger) 285, 288 Bliedun, Hans Henrich (Invalide) 164 Block, Johann Heinrich von (General) 35, 51, 73, 76-81, 84-92,94f., 97f., lOOf., 104-107,113, 115, 117f., 120f., 124, 126f., S. 130-134, 140, 145f., 148,152f., 159,192, 194, 196, 200f., 212, 225, 271, 275f., 287, 290, 293, 300f., 304f., 308,
Alrutz (Arzt) 29 Alvensleben von (Geheimer Rat) 46, 304 Alvensleben von (Offizier), Tabelle XVII
Apel, Dorothea Catharina Arens (Auditeur) 174, 183
Bachelle le
den) 166, 263
288
Areolarius, Henrich Christian (Unteroffizier) Atzenheim, Johann (Postmeister) 271
132
(Offizier) Tabelle XVII
Bärens, Johann Georg (Student) 191
Bandmann, Anna Rebecca (Frau eines Soldaten) 134
Bartels, Christoph (Invalide) Bartram, Christoph (Soldat)
164 111
Baschemeyer (Unteroffizier) 153 Becker, Andreas Christoph (Bürger) 254 Becker, Johann (Soldat) 111 Becker, Thomas (Soldat) 111 Becker von (Offizier) 80, 183, 223, 272, Tabelle XVII
Behr, Johann Christoph (Unteroffizier) von
313, 318, Tabellen VII, XVII
Blume, Georg Günter (Soldat, Bürger) 285, 288 Bobarth von (Offizier) 213, Tabelle XVII Bock, Andreas (Soldat) 94 Bodenhausen von (Lizentkommissar) 186 Böning, Heinrich (Ratsherr) 217, 239, 302
Borheck, Regina Margaretha (Hausbesitzerin) 218, 230 Bornemann, Andreas Jacob
(Bürger) 243, 262,
271-273 153
(General) 22 Behrens, Johann Andreas (Bürger) 288 Behrens (Witwe) 228 Belling von (General) Tabelle VII Benecke, Christian (Soldat) 104 Bensen, Johann (Invalide) 164 f. Berckenstam, Caspar Heinrich (Ratsherr) 302 Bereit, Johann Ludolph (Bürger) 237 Bereits, Margaretha Elisabeth (Frau eines Soldaten) 109 Berghansen, Johann Erich (Unteroffizier) 133 Bertram, Ferdinand (Soldat) 141 Berwardt von (General) 22 Bestel, Heinrich August (Bürger) 284 Bethelmann, Daniel (Unteroffizier) 132, 134, 153 Beyer, Johann Felix (Soldat) 264, 275 Bibow von (Offizier) Tabelle VII Biermann, Christoph (Bürger) 254 Biermann, David (Bürger) 230 Behr
304
Bierwirth, Johann Jürgen (Soldat) 56 Blankenburg (Mutter und Tochter) 112 Bleiert, Catharina Elisabeth (Frau des Nachfolgen-
Bornemann, Claus (Bürger) 262 Bornemann, Johann Dietrich (Bürger), Tabelle XIII
Bornemann, Thomas Christoph (Soldat) 158 Bornstein, Christian (Soldat) 131 Böse von (Offizier) 80, 230, Tabelle XVII
Bothmer von (General) 22 Bräker, Ulrich (Schriftsteller) 5 Brandtstätter, Friedrich Carl (Unteroffizier) 289 Brant, Heinrich (Soldat) 141
Brauns, Philipp (Kommissar) 175—177, 180, Breden, Jost Jürgen (Bürger), Tabelle XIII Brock, Georg Christoph (Gefangener) 177 Brückmann (Offizier) 150f., 193f., 196 Bülow
189
von (General) 44—46, 75, 272 Burghart, Ernst Hennig (Adjutant und Wachtmeisterleutnant) 174 Busch, Johann Ignatius (Soldat) 94 Busse, Andreas (Bürger) 229 Busse, Bestian (Bürger) 245 f.
366
Personenregister
Busse, Daniel (Bürger), Tabellen XIV, XV Busse, Johann Christoph (Notar) 183
Eckhard, Anna Margaretha (Frau eines Soldaten)
Calenberg von (Offizier),
Effler, Johann Bernhard (Unteroffizier) 130, Eibes, Joseph (Soldat) 141 Eichler, Michael (Rüstmeister) 172 Eilers, Harm (Gefangener) 198
Campe (Kampe),
Tabelle VII Frantz Lebrecht (Bauratsherr)
201, 304
Campen
von
(General)
22
Carl, Adam (Bürger und Soldat)
276
Christian Ludwig (Herzog) 12, 68 Clacius (Stadtschreiber) 75
Ciar,
August (Auditeur) (Invalide) 165 Crusig (Arzt) 165 Anton
174
Cruse
Damerahl, Zacharias (Bürger)
237
D'Ampreux (General) Dannhauer, Christoph Gottlob (Kalandsverwalter) 138 Deckelmann, Johann (Handwerksmeister) 149 Degenhard (Soldat) 213 Dehnen, Anna Catharina (Frau eines Soldaten) 22
256,
263
Deitzel (Tochter eines Invaliden) 167 Dencke (Unteroffizier) 206 Depner, Hans Hinrich (Soldat) 111 Deppe, Andreas (Soldat) 153, 228
Dicke, Christoph (Soldat)
151
Dietrich (Witwe) 289 Dithmer (Frau eines Soldaten) 255 Drencketrog, Anna Elisabeth (Frau eines Solda-
ten) 109, 287 Drencketrog, Jürgen (Bürger) 287 Dreves von (Offizier) 80, Tabelle XVII Druchtleben, Johann August von (General) 22,
35,43,51, 54,73,76-84,88-93,95,97f., lOOf., 104—107, 113, 117, 120f., 124—127, 130-134, 136, 140, 144-146, 148—153, 156, 159, 161, 163 f., 170f., 173, 181-186, 189, 191 f., 196 f., 201,221 f., 224,226,230,244,251,254,259,261, 270-272, 276, 285-287, 289, 294, 300-305, 307f., 310f„ Tabellen VE, XVII
Druchtleben von (Offizier) 80,183, Tabelle XVII Druchtleben (Witwe) 170, 303 Ebel Ebel
(Frau) 228 (Stadtdeputierter) 261 Ebeling (Kommissar) 193 Eberwein, Christoph (Bürger) 237, 268, 308 Eberwein (Torschreiber) 271 Eberwien, Frantz Hartwig (Billetschreiber) 216, 218, 300 Eckhard (Adjutant) 174
108
Eden
(Conducteur)
173
132
Elisabeth
(preuß. Königin) 40 Engelhardt, Johann Nicolaus (Soldat) 141 Engelke, Gottlieb (Soldat) 141 Erhard (Otte), Johann Gottfried (Soldat) 293 Ernst II. (Herzog) 11 Ernst August (Herzog) 16 f., 26, 38, 43 Ernst, Johann Conrad (Soldat) 212 Fassmer, Hans Henrich (Bürger), Tabellen XIV, XV
Fescka, Bernhard Johann Zacharias (Conducteur) 173, 188
Fincke, Henrich (Bürger) 230 Fischer, Anna Catharina (Frau eines Soldaten) Fleischer, Matthias Friedrich (Bürger) 244
111
Flemming, Hanns Friedrich von (Offizier) 25,154
Fobbe, Johann Jobst (Bürger)
217
Forest, de la (Offizier) 80, Tabelle XVII Forest, Otto Friedrich de la (Kadett) 131
(Proviantschreiber) 216 (Soldat) 111 Freudemann von (Offizier) 80, Tabellen VII, Frankenfeld Frantz
XVII
Fricke, Christoph (Wollenausbinder)
271
Fricke (Rüstmeister) 262 Fricke (Soldat) 253 Friedrich II. (preuß. König) 40 Friedrich Wilhelm I. (preuß. König) 33, 40 Friedrichs (Invalide) 165 f. Friedrichs (Kommissar) 149, 174, 177, 246 Friedrichs (Witwe) 112 Fröhlich (Fröhlingen), Johann Michael (Bürger und Soldat) 254, 288 Funcke, Johann Heinrich (Manufakturbesitzer)
242,
244
Gallenkamp, Röttger (Faktor) 243, 271 Gast, Adam (Soldat) 108 Gebauer (Hofrat) 187 Geben, Daniel (Bürger) 246 Gelbcke, Christian (Bürger) 217 Georg I. (engl. König und hann. Kurfürst) 8, 16, 18, 27, 45, 53, 194
Georg II. (engl. König und hann. Kurfürst) 8, 35, 41 f.,
47f., 198,
233
367
Personenregister Georg Ludwig (Herzog) siehe Georg I. Georg von Calenberg (Herzog) 11 f., 15 Georg Wilhelm (Herzog) 12f., 18, 25f. Gerhard, Martin Ephraim (Unteroffizier) 132 Gerig, Johann Eberhard (Unteroffizier) 132 Gerlach (Soldat) 253 Götz (Amtmann) 186 Goldacker von (Offizier) Tabelle XVII Goldbach, Christian Lorentz (Wirt) 223 Goltze, Johann Adam (Soldat, Bürger) 108 f., 286f„ 290 Grätzel, Johann Heinrich (Fabrikbesitzer) 62, 64, 239, 241-243, 253f., 318f. Grewe
(Soldat)
Haberland, Georg Conrad (Gefangener) 177 Hagedorn, Jürgen Christoph (Soldat) 109 Hahn, Zacharias Arnold (Kommissar) 149, 152, 160,163,174,176—178,180—187,190-192,194, 196, 200, 312, 314
Hamelberg XVII
(Offizier)
80, 183, 272, Tabelle
Hampe, Barthold (Bürger) 262 Hampe, Christoph (Bürger) 262 Hanson, Jürgen Andreas (Unteroffizier) 262 Hanstein, Johann Ludwig Ernst von (Kadett) 131 Hardenberg von (Geheimer Rat) 255
Hardenberg von (Offizier) 73, Tabelle VII Harling von (Offizier) Tabelle XVII Hartwig, Daniel (Soldat und Bürger) 231, 286— 288
Hauenschild (Unteroffizier) 228 Hauss von (Offizier) 80, Tabelle XVII Hebenstreit, Heinrich (Soldat) 141
(Soldat) 214 Heidemann, Georg Christian (Unteroffizier) Heine, Anthon (Soldat) 37 Heine, Hans Jürgen (Gefangener) 177 Heger,
108
Heinrich Julius (Herzog) 67 Heise, Conrad (Soldat) 285 Helmold (Inspektor) 186 Helt, Cord (Soldat) 108 Hentze (Wirt) 254, 257
Hering (Proviantschreiber) Herlitz (Chirurg) 178
Herwig, Johann Christoph (Soldat) 94 Hildebrandt, Georg Andreas (Bürger) 287 Hildegardt, Margarethe (Witwe) 220 Holborn, Andreas (Bürger) Tabelle XIII Holborn, Johann Hermann (Geselle, Soldat) 93 f., 243
Holborn
(Witwe)
210
Holland, Christoph (Rüstmeister)
172
(Unteroffizier) 228 Horn, Johann Christoph (Unteroffizier) 132 Hotze (Offizier) 183 Hünecke, Johann Friedrich (Soldat) 130 Ilse, Anna Margarete (Frau eines Soldaten) 109 Uten von (Kriegsrat) 181 f., 186 Immenhausen (Soldat) 229 Insinger, August Ernst (Auditeur) 174 Insinger, Friedrich Ferdinand (Bürgermeister) 65,
308
300
Irsengart, Bartold (Bürger) 237 Irsengart, Jobst (Bürger) 231 Jacobsen, Böge (Kaufmann) 139 Jahns (Unteroffizier) 149 Jani (Unteroffizier) 231 Joel, Peter (Invalide) 164 Johann Friedrich (Herzog) 13-15, 17f., 194, 205 Jünemann, Jobst (Bürger) 213 Jürgens (Zeughausverwalter) 172 Juncker, Johann Christoph (Soldat) 121 Just, Christian (Soldat) 141 Justi, Johann Heinrich Gottlob (Kameralist) 25 Kämmerer, Johann Christoph (Soldat)
Hermann
Heine, Jürgen (Soldat) 94 Heinicke, Martin (Soldat)
116
Holte
214
Grosse, Dieterich (Soldat) 157 Grothey, Friedrich (Holzhändler) 270 Grube, Johann Andreas (Bürger) 244 Gutjahr, Johann Henrich (Invalide) 160
von
Herrenkind, Johann Ernst (Unteroffizier) 289 Hertz, Daniel (Bürger) 267f., Tabellen XIV, XV Hertz, Hans Jürgen (Gefangener) 177f. Hertz, Margareta Catharina (Frau eines Soldaten)
132
Kafuß, Johann Hinrich (Bürger) Kafuß
287
(Witwe des Vorigen) 287 Kapelle, Johann (Invalide) 111 Kaufmann, Hans Jürgen (Soldat) 227 Kaufmann, Wilhelm (Soldat) 104 Kaune, Johann Christian (Bürger) 254 Kayser, Christoph (Soldat) 108 Kayser, Thomas Jürgen (Bürger) 259 Kazmann, Hans Cyriacus (Soldat) 263 Keick, Conrad (Unteroffizier) 132 Kelb, Johann (Invalide) 164 Kersting, Johann Jacob (Soldat) 109 Keyser, Johann Heinrich (Bürger) 231
121
368
Personenregister
Kielholtz, Christoph (Soldat) 94 Klaproth, Justus (Auditeur) 174 Klebecker (Frau eines Invaliden) 166 Kiemen, Johann Nicolaus (Soldat) 141 Klinkowström von (General) 22 Klitsch, Johann Christoph (Soldat) 141 Klöden, Karl Friedrich von (Reformpädagoge)
Lotze, Georg Friedrich (Zeughausverwalter) 145,
172f., 177f., 185f.,
Lüdecke
5
Klostermeyer, Andreas (Unteroffizier) 132 Knocke, Johann Henrich (Invalide) 160 König (Adjutant) 174 Kohlmann, Tobias Gabriel (Soldat) 130 f. Koppe (Frau eines Unteroffiziers) 263 Koseritz von (General) 188, 194, Tabelle VII Krafft, Johann Anthon (Soldat, Bürger) 108,294 Krahmer, Jürgen (Bürger) 111 Kramer, Adam (Soldat) 108, 110, 263f., 275 Kramer, Dietrich (Bürger), Tabellen XTV, XV Kratz, Johann Christian (Invalide) 166, 255 Krause, Johann Ludwig (Soldat) 227 Krebs, Cyriacus (Bürger) 237 Kreyenberg (Soldat) 111 Krische, Andreas (Bürger) 212 Krische, Ludolf (Invalide) 162, 165 Krische, Moritz (Bürger) Tabellen XIV, XV Krische, Nicolaus Henrich (Bürger) 214, 228, 251 Krüger (Soldat) 254 Krüger, Wilhelm (Invalide) 160 Kruse, Christoff (Invalide) 165 Kruse (Witwe des Polizeidieners) 287 Kümmel, Hans Jost (Klosterkrüger) 176 Küster (Frau eines Soldaten) 262 Küster (Soldat) 254 Kulle, Hans Jürgen (Soldat) 229 Kunze (Notar) 144, 305 Lambrecht, Catharina Margaretha 289 Lambrecht, Johann Jürgen (Soldat) 94, Lampmann (Frau eines Invaliden) 166
5
Laukhard siehe Lauckhard
Heinrich (Bürger) 244, 246 Lesche (Sekretär) 217 Leslie von (Offizier) 73, Tabelle VII Lessmann, Anna Catharina (Frau eines Soldaten)
Lempe,
109
Lichten
246 110
Lüdecke, Johann Jürgen (Unteroffizier) Lüning, Hans Jürgen (Bürger) 267 Lütgen (Frau eines Invaliden) 167 Ludewig, Caspar (Soldat) 141
131
Ludwig, Andreas (Bürger) 214 Luning, Johann Henrich (Soldat, Bürger) 284 Maaß, Johann Conrad (Gefangener) 177 Magerhans, Johann Jobst (Soldat) 290 Maider von (General) 22, Tabelle VII Manlahe, Albrecht (Invalide) 164 Maydel von (Offizier) 230, Tabelle VII Meding von (Offizier) Tabelle XVII Mejer, Johann Friedrich (Sekretär) 187 Melville von (General) 22, 46 Meyer, Carl August Wilhelm von (Kadett) 131 Meyer, Johann (Gefangener) 177 Meyer, Nicolaus (Stockhausverwalter) 176 Meyer (Soldat) 140, 152 Meyer (Tochter eines Soldaten) 262 Michaelis, Johann David (Universitätsprofessor) 286, 290
Michel, Adam (Soldat) 111 Missoll, Johann (Wachtmeisterleutnant)
174
(General) 22 Morrien, Georg Friedrich (Bürgermeister) 75, Monroi
von
186, 302 Mühlenfeld
(Bürger) 223 Mühlenpfort, Christoph Georg (Bürger) 244 Müller, Johann Jürgen (Soldat) 99 Müller (Unteroffizier) 272 Müller (Witwe eines Soldaten) 254, 257 f.
Münch (Frau eines Soldaten) 255 Münchhausen von (Offizier) 73, Tabelle VII Münchow von (Offizier) Tabelle VII
289
Landesberg von (Offizier) 214, Tabelle XVII Lauckhard, Friedrich Christian (Schriftsteller)
(Bürger)
(Billetschreiber) 206 Lipmann, Mathias (Unteroffizier) 132 Lippert, Daniel (Bürger), Tabellen XIII Lippen, Hans Henrich (Bürger) 249, Tabelle XHI Löwe, Johann Ernst (Soldat) 267 f.
Nettelhorst von (Offizier) 80, Tabelle XVII Neubour, Friedrich Christoph (Gerichtsschulze) 183, 185, 218, 272
Niemeyer (Amtmann) 186 Niemeyer, Cordt (Bürger) Tabellen XIV, XV Nödel, Johann Steffen (Soldat) 287 Nolte (Soldat) 230 Oberg von (Offizier) 80, Tabelle XVII Öhlerking, Arend Heinrich (Soldat) 99 Osterkamp, Otto Friedrich (Wachtmeisterleutnant) 174 Osterwald, Sebastian (Soldat) 227
369
Personenregister Ostmann, Johann Friedrich (Adjutant) 174 Otte, Daniel (Soldat) 254, 257-259 Overheide, Johann Anthon (Conducteur) 129, 153, 173f., 177, 180f., 186-189, 194,
197
(Kommissar) 152, 175 Pfanholtz, Benjamin (Stockhausverwalter) 176 Pfau, Zacharias (Soldat) 111 Pfister, Johann Heinrich (Stadtschreiber) 217 Piepenbrinck, Andreas (Unteroffizier) 131, 134 Piepenbrinck, Catharina (Tochter des Vorigen) 134 Pieper, Clara Margartha (Tochter von H. C. Pieper) 287 Pieper (Frau von J.H.) 266—268 Pieper, Henrich Christian (Bürger) 287 Pieper, Johann Henrich (Bürger) 153, 266f. Podewils von (General) 15 Pötger, Hermann (Invalide) 164 Polle, Daniel (Bürger) 249, Tabellen XIV, XV Polle (Stadtkorporal) 309 Polmann (Billetdeputierter) 216 Porse, Bartold (Bürger) 231 Posse, Friedrich (Unteroffizier) 134 Pufendorf von (Offizier) 290, Tabelle XVII Quentin, Adolph (Bürger) 254, 259 Quentin (Stadthauptmann) 268 Rackebrand (Bürger) 220 Rausch (Soldat) 111 Ranzow von (General) 22 Redderich, Michael (Bürger) 229 Reese (Soldat) 214 Rehbein (Soldat) 206 Rehren, Johann Friedrich (Soldat) 289 Reiffert, Hans Henrich (Unteroffizier) 133 f. Reinhard, Johann Conrad (Soldat, Bürger) 109, Peters
287
Reinholt
(Billetdeputierter) 216f. Reitemeyer, Friedrich (Bürger) 287, 290 Reitemeyer, Regina Maria (Frau des Vorigen) 108, 287
Remcke, Philip (Soldat)
157
Rennen, Otto (Wallmeister) 175, 180f., 186f.
Reuther, Anne Christina Elisabeth (Frau eines Sol-
daten) 108, 110 Reuther, Maria Lucia (Schwester der Vorigen) 110 Riefkohl (Frau des Lizenteinnehmers) 228 Riepenhausen, Otto Philipp (Ratsherr) 217, 302 Riepenhausen, Otto sen. (Bürgermeister) 302 Ritter, Diedrich (Invalide) 162 Ritzer, Balthasar (Bürger)
270
Ritzer, Jürgen (Soldat) 110, 253, 262 Ritzer, Johann Balzer (Lehrjunge) 271 Roddow, Johann Diedrich (Adjutant) 156, 174, 183 f. Roddow
(Witwe eines Offiziers) 263 Rogge, Johann Henrich (Soldat, Bürger)
276
Rosbach
(Witwe) 289 Rosenstengel, Georg Caspar (Soldat) 141, Rothhuth, Henrich (Invalide) 164 Rougemont (Student) 263 Rubarth, Daniel (Bürger) 254, 259 Rudorff, Johann Andreas (Bürger) 251 Rust (Bürger) 304 Saltiger,
262
Erich
(Invalide) 164 (Offizier) Tabelle XVII Sauermann, Hans Henrich (Gefangener) 177 Schachtebeck, Christoph (Soldat, Bürger) 249, Sanee
von
286—288, Tabelle XV
Schachtrup (Buchhalter) 242 Schaper, Hans Jürgen (Bürger), Tabellen XIV, XV Schaper, Johann Caspar (Ratsdiener) 138 Scharff, Johann Georg (Manufakturbesitzer) 242 Scheffler, Johann (Stockhausverwalter) 176 Schele
von (Offizier) 80, Tabelle XVII Schelper, Barbara (Frau eines Soldaten) Schepeler, Johann Just (Soldat) 214
111
Schiehütte,
Hans Henrich (Invalide) 161 Schilling, Adam (Bürger) 229 Schlemme (Amtmann) 185 Schmidt, Maria Catharina (Frau eines Soldaten) 108
Schnass, Sophia (Frau eines Soldaten) 111, Schneen, Gabriel von (Bauherr) 169 Schneider, Andreas (Soldat) 264
Schnepper,
Otto
(Soldat)
288
213
Schrader, Andreas (Bürger) 286 Schrader, Friedrich Julius (Kommissar) 197 Schrader, Henrich (Lehrjunge) 271 Schrader, Johann Christian (Unteroffizier) 132,213 Schrader, Nicolaus (Fuhrknecht) 262 Schrader, Ricus (Bürger), Tabellen XIV, XV Schröder, Henrich Christoph (Bürger), Tabelle XIV
Schütte, Andreas (Soldat) 53 f. Schulenburg, Ernst August von der (Offizier) 80, 183, Tabelle XVII
Schulver, Martin (Invalide) 164 Schumann, Dorothée 112 Schußler, Hans Heinrich (Soldat) Schwaan
von
(General) 22,
145
141
370
Personenregister
Seeger, Bestian (Bürger) 248, Tabelle XIII Seeger, Cyriacus (Bürger) 249,286, Tabellen XIII,
151
Vogelsang, Johann Daniel (Soldat, Bürger) 289, 293
XIV
Seiffert, Adam Wolfgang (Stadtmusikant) 255,257 Siebrand, Johann (Unteroffizier) 132
Siegmann, Christoph (Gefangener) 177 Sörhagen, Johann Christoph (Stadtbote) 166, 256 Sommerfeld(t) von (General) 22, 42, 72, 80 Sondermeyer, Johann Jobst (Unteroffizier) 117 Sothen, Dr. Johann Friedrich (Stadtphysikus) 217, 230
Sothen, Otto Johann (Ratsherr) Soubiron
Volmer, Johann Arendt (Unteroffizier)
232
(General) 22 Spatze (Witwe) 289 Speckbötel, Georg Friedrich (Kämmereischreiber) von
217
Sprinck (Sprick), Johann Heinrich (Soldat) 35,263 Stallmeister von (Offizier) 80, 223, Tabelle XVU Starck, Johann Severus (Soldat) 141 Staude, Johann Andreas (Soldat) 141 Stein, Carl Johann Otto (Billetschreiber) 218 Steinberg von (Geheimer Rat) 251, 302 Steinbrück, Anton (Bürger) 217 Stephan, Johann Andreas (Soldat) 141 Stephan, Michael (Soldat) 141 Strellmeyer, Hedwig (Frau eines Soldaten) 111,116 Strube (Frau eines Unteroffizier) 262 Struckmann, Johann Friedrich (Soldat) 54 Stuhlbert, Martin (Invalide) 164 Sydow von (Offizier) 212, Tabelle XVII Theuerkauff, Andreas Jacob (Soldat) 35 Thon, Henrich Gabriel (Bürger) 189, 230, 249, 305, Tabellen XIII, XTV
Thon, Jobst Henrich (Bürger) 245 f. Tieten, Johann Dietrich (Gefangener) Tilly (General) 203 f.
177
Töpfer, Liborius (Soldat) 94 Tolle (Amtmann) 186 Torney von (Offizier) 80, Tabelle XVII Ude, Martin Ludwig (Unteroffizier) 130 Uhe, Johann Jacob (Soldat, Bürger) 294 Uhe (Unteroffizier) 270 Unger (Bürgermeister) 136 Uslar von (Lizentkommissar) 186 Uslar von (Offizier) 54, 183 Uslar von (Offizier) 112, Tabelle VII Vincke
von (General) 22 Vietinghoff von (Offizier) 300 Völcker, Johann Georg (Soldat)
159
Voigt (Unteroffizier) 206 Voigt von (General) 142, 250f., Tabelle VII Vossbein, Ilsa Dorothea (Frau eines Soldaten) 108 Wackerbarth von (Offizier) Tabelle XVII Wagener, Georg Andreas (Bürger) 218 Wallbaum (Unteroffizier) 272 Wallbaum von (Offizier) 153 Wallersen, Wilhelm (Gefangener) 178 Wallmoden von (Offizier) 173,177,180f., 187,194 Wangenheim von (Offizier) 145 Warmuth, Christian Wilhelm (Soldat) 141 Warnecke, Catharina Agnes (Frau eines Soldaten) 109
Watermeyer, Johann Henrich (Adjutant) 174 Watterodt, Dorothea Sophie (Badertochter) 217 Weber, Balthasar Henrich (Soldat) 109 Weber, Friedrich Christian (Adjutant) 174 Weber (Witwe) 108 Wedekind, Heinrich Christian (Soldat) 109 Wedig, Christoph (Invalide) 164 Weimar, Bernhard von (Herzog) 203 Weiß, Johann Justus (Chirurg) 112 Weltz, Adam (Soldat) 141 Wentzel, Christoph (Soldat) 227 Wesemüller, Frantz (Soldat) 94 Wesemüller, Hans Jürgen (Invalide) 162, 165 Wiese, Henrich Wilhelm (Soldat) 109 Wigandt, Johann Conrad (Soldat und Bürger) 293 Wildt, Johann Leopold (Bürger) 271 f. Willig (Stadtsekretär) 138 Winkelbach, Anna Catharina (Frau eines Soldaten) 111 Winzenborn (Invalide) 166f., 263 Witte, Friedrich Wilhelm (Unteroffizier) 132 Witzendorf von (Offizier) Tabelle XVII Wolff, Johann (Bürger) Tabellen XIV, XV Wrangel von (General) 22 Wrede, Johann Ernst (Arzt) 28 Wrede, Otto Justus (Arzt) 28 Wreden (Pastor) 159 Wurmb von (General) 22, 145 Zastrow von (General) 22, 73, Tabelle VII Zellmann, Paul (Invalide) 164, 166, 254, 258 Ziegeler, Johann Christoph (Bürger) 244 Ziegeler (Witwe) 288 Zierenberg, Justina Regina (Frau eines Soldaten) 111
Ortsregister
Verweise auf die Stadt
Göttingen wurden
icht mit
Celle 8f., 11-13, 20, 22, 25f., 28f., 38, 58 Clausthal-Zellerfeld 27 Corvey (Abtei) 17, 96 f.
Aachen 48 Anhalt 14 Ansen 146
Artlenburg Asperg
22
Dänemark 55
199
Augsburg 7,
aufgenommen.
96 f.,
99, 104, 146
Bad Münder siehe Münder Bad Pyrmont siehe Pyrmont Bardowick 22
Dannenberg Danzig 7
Deutschland
Diepholz
22
(Bundesrepublik)
Bause 293
Dransfeld 22, 175, Dresden 28
Bayern siehe Kurbayern Bayonne 28
Duderstadt 165 Düsseldorf 4
Belgien
59
22 194
73
Bentheim 14 Berlin 26 Birkenau 276 Bleckede 22 Bodenwerder 22
Ehrenbreitstein 199 Eichsfeld 35, 60, 96f., 99, 243 Einbeck 22, 38, 136, 147, 165, 193, 196, 287
Boitzenburg
Empelde 146 England siehe Großbritannien Erichsburg (Amt) 186 Esslingen 95 f.
22
Bonn 4
Bordeaux 201 Bornum 146 Bovenden 60, 112, 156f., 165 Brandenburg—Preußen siehe Kurbrandenburg Braunschweig-Lüneburg siehe Kurhannover Braunschweig-Wolfenbüttel 2, 7, 55, 73, 96f., 146
Bremen
(Stadt)
143
Bremen/Verden (Landschaft) 57 f. Bremervörde 22 Brest 28 288
Brieg
Brunstein 146
Brunsen 146 Budapest 26 Bückeburg 276 Burgdorf 22 Bursfelde 146
Buxtehude 22, 146, 268
Calenberg (Amt) 146 Calenberg-Göttingen siehe Kurhannover
Eldagsen 22,
26
Elsaß 199
Fallersleben 22 Flandern 17 Franken 103, 110 Frankfurt/Main 37, 93, 98, 102, 143 Frankreich 2, 6, 14, 28, 52 Friedland (Amt) 175 Fulda (Bistum) 96 f. Gandesheim 294 Gelliehausen 112 Gifhorn 22 Greene 146
Großbritannien 6, 8, 14, 18, 28, 62
Hadeln(Land) 57 Hallerburg 146 Hamburg 2, 7, 125
Hameln 20-22, 24, 173, 199, 231-233 Hann. Münden siehe Münden
372
Ortsregister
Hannover (Stadt) 8-10, 12, 18-22, 31 f., 37, 40, 43, 51, 54, 72, 145f., 151, 163, 171-175, 181f.,
186, 188, 199, 205, 209, 232, 234f., 299, 307,
313 f.
Hannover
(Staat) siehe Kurhannover
Harburg 20, 24, 29, Hardegsen 22
181
Harste 185 Harz 38 Hasselbach 95 Hedemünden 22 Heilbronn 38, 89, 93f. Helmond/Brabant 73 Herberhausen 286
Herzberg 289,
Mecklenburg-Schwerin 4,40,43,93,96f., 102,126 Mengershausen 289 Mölln 22
22
57 f.
194
Moskau 28 Mühlhausen 17, 96, 287 München 28 [Hann.] Münden (Stadt und Amt) 22, 24, 145, 165, 175, 251, 294 [Bad] Münder 22, 26 Münster
(Bistum)
55
Nancy
28
Nassau 14
Nassau-Weilburg
55
Neu Breisach siehe Neuf Brisach Neuf Brisach 199
Koblenz 199 Köln (Erzbistum) siehe Kurköln Köln (Stadt) 94, 98 f. Kurbayern 4, 28, 103
2, 6f., 14, 28, 33, 43, 55, 60, 70f., 79, 96f., 102, 126f. Kurhannover 2, 7, 12-15, 18, 26, 28, 33f., 39f., 43, 54f., 57-60, 71, 96f.
Kurbrandenburg
Kurköln 54 f. Kurmainz 55, 60, 96 f. Kurpfalz 54, 261, 276 Kursachsen 28, 39, 42, 55, 97 Kurtrier 55
Neuhaus/Stapel 22 Neustadt am Rübenberge Niedergandern 186
57
Nienburg 20, 22, 24, Nimwegen 15
29
Nörtenf-Hardenberg]
97
Nordamerika 62
Norddeutschland 200 Nordhausen 7, 17, 96, 285, 293 Northeim 8, 22, 37, 73, 145, 193
Österreich 2, 14,
28 193 Olenhusen 186 Osnabrück 95—97
Osterode 22, 73, 99, 165 Ostfriesland 14
Lauenstein 146
Lemförde 22 Lindau 99 Linden 146
Lippe(-Bückeburg)
Ottersberg 14, 55
22
Niederlande 14, 17, 122
Oldenburg
Laeffeldt 73
Langensalza 7 Lauenburg 22,
Moringen 73, 175,
Naensen 146
287
Holland siehe Niederlande Holtensen 289
Horneberg/Harsefeldt
(Erzbistum) siehe Kurmainz (Stadt) 4, 62, 278
Mansbach 289 Mansfeld 14
Hessen-Darmstadt 55 Hessen-Kassel 4, 28, 54 f., 60, 95—97, 142, 157, 263, 286 Hessen-Nassau 96 f. Hildesheim (Stadt und Stift) 14, 17, 27, 96f. Hilwartshausen 176 Hitzacker 22
Hoya 22,
Lübeck 7, 143f., 147f., 155, 255, 260 Lüchow 22 Lüneburg 20-22, 27, 38 Lüneburg-Celle 18, 57 Mainz Mainz
293
Hohenasperg 199 Hohenstein (Amt)
London 8, 19, 26, 28, 129, 313 Lübbrexen 146
Paderborn Paderborn
22
(Bistum) 96 f. (Stadt) 156
373
Ortsregister
Spandau 28 Spanien 14, 17 Springe 22, 26
Paris 26 Pattensen 26 Pfalz siehe Kurpfalz
Philippsburg 199 Plesse (Herrschaft)
Stade 20-22,24,29,159,174,193,195,197,199, 60
200, 206,
268
Polen 55
St. Goar 199
Prag
Stolberg
14
Straßburg
28 95
26
Preußen siehe
Kurbrandenburg
[Bad] Pyrmont 14,
231
Radolfshausen 35, 290
Stuttgart
Rastatt 199
Ratzeburg 20, 22, 24, 29, Rehburg 22
Stolzenau 22 St. Petersburg 28
199 f.
Renshausen 287 Reihen 22 Rheinfels 199
Süddeutschland 73, 230 Trier
(Erzbistum) siehe Kurtrier
Uelzen 22, 38
Ungarn
17
USA 6
Rijswijck 18, 43 Roringen 288
Uslar 22, 134, 175, 194, 286
Rosdorf 147, 309 Rostock 95
Venedig
Rotenburg
Vogtland
14, 17 Verden 22, 24
22
Rußland 2, 28
293
Sachsen siehe Kursachsen Sachsen-Gotha 55
Waldeck 14, 55, 96 Walsrode 22 Wiebrechtshausen 186
Sachsen-Meiningen
Wiegershausen
96
287
Scharzfels 27 Schiedenhausen 95 Schlesien 288
Wien 26 Wildeshausen 22 Winsen/Luhe 22
Schönhagen
Wittenberg/Gladebusch Wittingen 22 Wöpkendorf 95
286
Schwaben 98
Schwarzburg-Rudolstadt 96 Schwarzburg-Sondershausen 55, 96 f. Schweden 14, 55 Sennikerode 186 Sondershausen 285
22
Worms 7
Würzburg (Bistum) 55, Wunstorf 22 Wustrow 22
103
Beiträge zur Militärgeschichte Herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt Band 41 Gero von Gersdorff Adenauers Außenpolitik gegenüber den Siegermächten 1954 Westdeutsche Bewaffnung und internationale Politik 1994. 404 Seiten ISBN 3-486-55980-X Band 42
Holger Afflerbach Falkenhayn
Politisches Denken und Handeln im Kaiserreich 1994. XIV, 586 Seiten ISBN 3-486-55972-9 Band 43 Die Wehrpflicht
Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung Im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegeben von Roland G. Foerster 1994. XVI, 262 Seiten ISBN 3-486-56042-5
Band 44 Roland Peter
Rüstungspolitik in Baden Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz in einer Grenzregion im Zweiten Weltkrieg 1995. XIV, 410 Seiten ISBN 3-486-56057-3
Band 45 Berthold Seewald Karl Wilhelm v. Heideck Ein bayerischer General im befreiten Griechenland (1826-1835) 1994. XVI, 316 Seiten und 12 Seiten
Abbildungen
ISBN 3-486-56058-1
Oldenbourg