Stahl - der Werkstoff: Ein Lern- und Übungsbuch 3658402547, 9783658402549, 9783658402556

Stahl hat als Basiswerkstoff eine ganz besondere Bedeutung in unserer modernen Industriegesellschaft. Inzwischen ist die

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Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Teil I Fragen
1 Der Werkstoff Stahl – Grundlagen
1.1 Was ist Stahl?
1.2 Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD)
1.3 Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle
2 Stahleigenschaften und Legierungselemente
2.1 Eigenschaften von Stahl
2.2 Grundlagen der Legierungstechnik
2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften
3 Ausgewählte Stähle
3.1 Qualitätsstähle
3.2 Nichtrostende Edelstähle
3.3 Werkzeugstähle
3.4 Edelbaustähle
3.5 Nickel- und Sonderwerkstoffe
3.6 Sonstige Stähle
4 Stahlherstellung
4.1 Aus der Geschichte des Stahls
4.2 Stahlerzeugung (Hochofen-Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung)
4.3 Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren)
4.4 Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)
5 Umformen
5.1 Grundlagen der Metallformung
5.2 Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen)
5.3 Fließpressen
5.4 Strangpressen
5.5 Walzen (Grundlagen, Walzverfahren)
5.6 Tiefziehen
5.7 Tiefziehen mit Wirkmedien
5.8 Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen)
5.9 Pulvermetallurgie
5.10 Additive Verfahren (3D-Druck)
6 Wärmebehandlung
6.1 Grundlagen und Anlagentechnik
6.2 Normalglühen
6.3 Weichglühen
6.4 Rekristallisationsglühen
6.5 Diffusionsglühen
6.6 Lösungsglühen
6.7 Spannungsarmglühen
6.8 Härten (Umwandlungshärten und Anlassen, Ausscheidungshärten, Kaltverfestigen, Presshärten)
6.9 Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl
7 Werkstoffprüfung
7.1 Grundlagen (Prüfen und Messen)
7.2 Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge (Zugversuch, Härteprüfung, Kerbschlagbiegeversuch, Metallografie)
7.3 Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse (Röntgen-Fluoreszenz-Analyse, Optische Emissions-Spektrometrie, Verbrennungsanalyse)
7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen (Ultraschall-, Wirbelstrom-, Sicht-, Farbeindring- und Magnetpulver-Prüfung, Rauheitsmessung)
8 Stahl in der Zukunft
Teil II Antworten
1 Der Werkstoff Stahl – Grundlagen
1.1 Was ist Stahl?
1.2 Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD)
1.3 Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle
2 Stahleigenschaften und Legierungselemente
2.1 Eigenschaften von Stahl
2.2 Grundlagen der Legierungstechnik
2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften
3 Ausgewählte Stähle
3.1 Qualitätsstähle
3.2 Nichtrostende Edelstähle
3.3 Werkzeugstähle
3.4 Edelbaustähle
3.5 Nickel- und Sonderwerkstoffe
3.6 Sonstige Stähle
4 Stahlherstellung
4.1 Aus der Geschichte des Stahls
4.2 Stahlerzeugung (Hochofen-Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung)
4.3 Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren)
4.4 Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)
5 Umformen
5.1 Grundlagen der Metallformung
5.2 Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen)
5.3 Fließpressen
5.4 Strangpressen
5.5 Walzen (Grundlagen, Walzverfahren)
5.6 Tiefziehen
5.7 Tiefziehen mit Wirkmedien
5.8 Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen)
5.9 Pulvermetallurgie
5.10 Additive Verfahren (3D-Druck)
6 Wärmebehandlung
6.1 Grundlagen und Anlagentechnik
6.2 Normalglühen
6.3 Weichglühen
6.4 Rekristallisationsglühen
6.5 Diffusionsglühen
6.6 Lösungsglühen
6.7 Spannungsarmglühen
6.8 Härten (Umwandlungshärten und Anlassen, Ausscheidungshärten, Kaltverfestigen, Presshärten)
6.9 Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl
7 Werkstoffprüfung
7.1 Grundlagen (Prüfen und Messen)
7.2 Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge (Zugversuch, Härteprüfung, Kerbschlagbiegeversuch, Metallografie)
7.3 Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse (Röntgen-Fluoreszenz-Analyse, Optische Emissions-Spektrometrie, Verbrennungsanalyse)
7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen (Ultraschall-, Wirbelstrom-, Sicht-, Farbeindring- und Magnetpulver-Prüfung, Rauheitsmessung)
8 Stahl in der Zukunft
Literatur
Stichwortverzeichnis
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Stahl - der Werkstoff: Ein Lern- und Übungsbuch
 3658402547, 9783658402549, 9783658402556

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Joachim Schlegel

Stahl – der Werkstoff Ein Lern- und Übungsbuch

Stahl – der Werkstoff

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Joachim Schlegel

Stahl – der Werkstoff Ein Lern- und Übungsbuch

Joachim Schlegel Hartmannsdorf, Deutschland

ISBN 978-3-658-40254-9    ISBN 978-3-658-40255-6 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Fotonachweis Umschlag: © stock.adobe.com_279817196 Planung/Lektorat: Frieder Kumm Springer Vieweg ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

Die schönste Freude ist die Freude des Verstehens. Leonardo da Vinci

Vorwort

Eine Edelstahlspüle in der modernen Küche ist uns allgegenwärtig; auch das Edelstahlbesteck und die oft verwendete Stahlwolle, um Töpfe zu reinigen. Auf Stahlkufen gleitet der Bob im Eiskanal dem Ziel entgegen. Nadeln für das Stricken, Weben, Filzen, Kämmen und Nähen, ob im Haushalt oder für den Einsatz in Textilmaschinen, werden aus Spezialstählen hergestellt. Und will man im eigenen Heim etwas bauen, freut man sich, wenn geeignete Werkzeuge aus haltbarem Werkzeugstahl, z. B. ein Spiralbohrer, eine Stichsäge, ein Meißel oder Hammer, zur Verfügung stehen. Stahlstempel prägen Münzen oder formen Medizin zu Pillen. Bowdenzüge am Fahrrad zur Betätigung der Bremsen bis hin zu Tragseilen für Schwebebahnen oder Hängebrücken sind aus hochfestem Stahldraht gefertigt. Auch wenn man ihn nicht sieht, steckt in modernen Betonbauten viel Stahl. Diese Aufzählung kann beliebig fortgesetzt werden und immer spielt dabei der Werkstoff Stahl eine wichtige, schützende, oft auch tragende Rolle. Einblicke in diese Welt des Stahls gewährt das Grundlagenbuch „Die Welt des Stahls“ (Schlegel, 2021) – nicht hochwissenschaftlich und allumfassend, aber informativ und spannend, strukturiert, vor allem verständlich und mit konkreten Beispielen aus der Praxis, teils auch mit historischen Bezügen. Auf dieses Buch bezieht sich das vorliegende Lern- und Übungsbuch „Stahl  – der Werkstoff“. Ebenfalls nicht hochwissenschaftlich ist es gedacht als eine leicht verständliche Lernhilfe zur Einführung in die Welt des Stahls für Einsteiger, Auszubildende, Studierende, Praktiker; also für diejenigen, die in der Stahlwelt ihre berufliche Zukunft sehen oder dort schon tätig sind und sich interessantes Hintergrundwissen zum Werkstoff Stahl aneignen oder ihr Wissen erweitern wollen. Der Fokus richtet sich inhaltlich auf Grundlagen zum Werkstoff Stahl, auf dessen Legierungselemente und die Stahleigenschaften, auf ausgewählte Stahlsorten, die Stahlherstellung, das Umformen und die Wärmebehandlung sowie auf die Werkstoffprüfung. Dieses Lern- und Übungsbuch enthält einen Frageteil mit einer kurzen Einführung als „roten Faden“ zu den gestellten Fragen sowie mit jeweils drei, selten auch mit vier möglichen Antworten zur Auswahl nach dem Lernprinzip Multiple Choice. Stets ist eine Antwort die richtige, in wenigen Ausnahmefällen können auch zwei Antworten richtig sein.

VII

VIII

Vorwort

Der zweite Teil zeigt die richtigen Antworten mit Zusatzinformationen bzw. Erläuterungen zum angefragten Begriff oder Sachverhalt. So kann der Lernende zielgerichtet die Richtigkeit der selbst gefundenen Antworten überprüfen sowie den Lerninhalt wiederholen und festigen. Um jedoch den Lernerfolg nicht zu gefährden, ist zu empfehlen, diesen Antwortteil nicht sofort anzuschauen, sondern erst dann, wenn schon eine eigene Lösung bzw. Auswahl der möglichen richtigen Antworten erfolgt ist. Als Bonus unterstützen die zugehörigen Flashcards den Lernerfolg. Sie enthalten die im Lern- und Übungsbuch vorzufindenden Fragen und Antworten und können je nach Bedarf in verschiedenen Lernmethoden wie Lernmodus, Prüfungsmodus, Langzeitgedächtnismodus oder Powermodus begleitend genutzt werden. Dies soll auch motivierend wirken, interaktiv in verständlicher Form praxis- und anwendungsorientiertes Wissen über Stahl zu generieren. Für die fachliche Unterstützung und methodischen Hinweise gilt mein Dank Herrn Prof. Dr.-Ing. Andreas Zilly, Professor für Werkstoffkunde an der Dualen Hochschule Baden-­Württemberg, Stuttgart. Mein Dank gilt ebenso den Gesellschaftern der BGH Edelstahl Gruppe, insbesondere den Herren Rüdiger und Sönke Winterhager, die die Entstehung dieses Buches gefördert haben. Die BGH Edelstahlwerke GmbH stellte freundlicherweise einige Fotos aus der Produktion zur Verfügung und genehmigte die Veröffentlichung von Fotos, die ich während meiner Tätigkeit in den Unternehmen der BGH-Gruppe für Schulungszwecke aufgenommen habe. Herrn Frieder Kumm, M. A., Senior Editor, Lektorat Bauwesen des Verlages Springer Vieweg und Frau Susanne Schemann, Editorial Assistant von Springer Nature, danke ich für ihre Motivation und Betreuung während der Entstehung dieses Buches. Meinem Bruder, Dr. Christian Schlegel, danke ich für seine Hilfe beim Korrekturlesen. Und auch meiner lieben Frau Birgit gilt mein Dank für das ständige Testen der Fragen und Antworten und für ihre kritischen Bemerkungen dazu. Hartmannsdorf, Deutschland März 2023

Joachim Schlegel

Inhaltsverzeichnis

Teil I  Fragen  1 Der Werkstoff Stahl – Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   3 1.1 Was ist Stahl?����������������������������������������������������������������������������������������������    3 1.2 Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD)��������������������������������������������������    5 1.3 Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle ����������������������������������������    7  2 Stahleigenschaften und Legierungselemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  11 2.1 Eigenschaften von Stahl������������������������������������������������������������������������������   11 2.2 Grundlagen der Legierungstechnik������������������������������������������������������������   14 2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften��������������������������������������������������������������������������������������   15  3 Ausgewählte Stähle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  21 3.1 Qualitätsstähle��������������������������������������������������������������������������������������������   21 3.2 Nichtrostende Edelstähle����������������������������������������������������������������������������   23 3.3 Werkzeugstähle ������������������������������������������������������������������������������������������   29 3.4 Edelbaustähle����������������������������������������������������������������������������������������������   34 3.5 Nickel- und Sonderwerkstoffe��������������������������������������������������������������������   36 3.6 Sonstige Stähle��������������������������������������������������������������������������������������������   40  4 Stahlherstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  45 4.1 Aus der Geschichte des Stahls��������������������������������������������������������������������   45 4.2 Stahlerzeugung (Hochofen-­Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung)������   49 4.3 Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren)��������������������������������������������������������������������������������   52 4.4 Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)������   56  5 Umformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  61 5.1 Grundlagen der Metallformung������������������������������������������������������������������   61 5.2 Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen)���   65 5.3 Fließpressen������������������������������������������������������������������������������������������������   70 5.4 Strangpressen����������������������������������������������������������������������������������������������   71 IX

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Inhaltsverzeichnis

5.5 Walzen (Grundlagen, Walzverfahren)��������������������������������������������������������   72 5.6 Tiefziehen����������������������������������������������������������������������������������������������������   80 5.7 Tiefziehen mit Wirkmedien������������������������������������������������������������������������   80 5.8 Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen)����������������������������������   81 5.9 Pulvermetallurgie����������������������������������������������������������������������������������������   88 5.10 Additive Verfahren (3D-Druck)������������������������������������������������������������������   90  6 Wärmebehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  93 6.1 Grundlagen und Anlagentechnik����������������������������������������������������������������   93 6.2 Normalglühen ��������������������������������������������������������������������������������������������   96 6.3 Weichglühen�����������������������������������������������������������������������������������������������   97 6.4 Rekristallisationsglühen������������������������������������������������������������������������������   98 6.5 Diffusionsglühen����������������������������������������������������������������������������������������   98 6.6 Lösungsglühen��������������������������������������������������������������������������������������������   99 6.7 Spannungsarmglühen����������������������������������������������������������������������������������   99 6.8 Härten (Umwandlungshärten und Anlassen, Ausscheidungshärten, Kaltverfestigen, Presshärten)����������������������������������������������������������������������  100 6.9 Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl ��������  103  7 Werkstoffprüfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 7.1 Grundlagen (Prüfen und Messen) ��������������������������������������������������������������  105 7.2 Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge (Zugversuch, Härteprüfung, Kerbschlagbiegeversuch, Metallografie) ������  108 7.3 Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse (Röntgen-­FluoreszenzAnalyse, Optische Emissions-Spektrometrie, Verbrennungsanalyse)��������  112 7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen (Ultraschall-, Wirbelstrom-, Sicht-, Farbeindring- und Magnetpulver-Prüfung, Rauheitsmessung)������������������  114  8 Stahl in der Zukunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Teil II  Antworten  1 Der Werkstoff Stahl – Grundlagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1.1 Was ist Stahl?����������������������������������������������������������������������������������������������  127 1.2 Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD)��������������������������������������������������  130 1.3 Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle ����������������������������������������  133  2 Stahleigenschaften und Legierungselemente. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2.1 Eigenschaften von Stahl������������������������������������������������������������������������������  139 2.2 Grundlagen der Legierungstechnik������������������������������������������������������������  145 2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften��������������������������������������������������������������������������������������  147

Inhaltsverzeichnis

XI

 3 Ausgewählte Stähle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3.1 Qualitätsstähle��������������������������������������������������������������������������������������������  155 3.2 Nichtrostende Edelstähle����������������������������������������������������������������������������  158 3.3 Werkzeugstähle ������������������������������������������������������������������������������������������  165 3.4 Edelbaustähle����������������������������������������������������������������������������������������������  170 3.5 Nickel- und Sonderwerkstoffe��������������������������������������������������������������������  173 3.6 Sonstige Stähle��������������������������������������������������������������������������������������������  175  4 Stahlherstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 4.1 Aus der Geschichte des Stahls��������������������������������������������������������������������  179 4.2 Stahlerzeugung (Hochofen-­Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung)������  182 4.3 Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren)��������������������������������������������������������������������������������  186 4.4 Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)������  193  5 Umformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 5.1 Grundlagen der Metallformung������������������������������������������������������������������  205 5.2 Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen)��������������������������������������������������������������������������������������������������������  209 5.3 Fließpressen������������������������������������������������������������������������������������������������  213 5.4 Strangpressen����������������������������������������������������������������������������������������������  213 5.5 Walzen (Grundlagen, Walzverfahren)��������������������������������������������������������  215 5.6 Tiefziehen����������������������������������������������������������������������������������������������������  228 5.7 Tiefziehen mit Wirkmedien������������������������������������������������������������������������  229 5.8 Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen)����������������������������������  230 5.9 Pulvermetallurgie����������������������������������������������������������������������������������������  238 5.10 Additive Verfahren (3D-Druck)������������������������������������������������������������������  241  6 Wärmebehandlung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6.1 Grundlagen und Anlagentechnik����������������������������������������������������������������  243 6.2 Normalglühen ��������������������������������������������������������������������������������������������  246 6.3 Weichglühen�����������������������������������������������������������������������������������������������  248 6.4 Rekristallisationsglühen������������������������������������������������������������������������������  251 6.5 Diffusionsglühen����������������������������������������������������������������������������������������  253 6.6 Lösungsglühen��������������������������������������������������������������������������������������������  253 6.7 Spannungsarmglühen����������������������������������������������������������������������������������  254 6.8 Härten (Umwandlungshärten und Anlassen, Ausscheidungshärten, Kaltverfestigen, Presshärten)����������������������������������������������������������������������  255 6.9 Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl ��������  261

XII

Inhaltsverzeichnis

 7 Werkstoffprüfung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 7.1 Grundlagen (Prüfen und Messen) ��������������������������������������������������������������  265 7.2 Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge (Zugversuch, Härteprüfung, Kerbschlagbiegeversuch, Metallografie) ������  266 7.3 Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse (Röntgen-­FluoreszenzAnalyse, Optische Emissions-Spektrometrie, Verbrennungsanalyse)��������  274 7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen (Ultraschall-, Wirbelstrom-, Sicht-, Farbeindring- und Magnetpulver-Prüfung, Rauheitsmessung)������������������  278  8 Stahl in der Zukunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 Stichwortverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Teil I  Fragen

1

Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

1.1 Was ist Stahl? Die Geschichte der Menschheit wurde geprägt durch die Entwicklung und Nutzung verschiedenster Werkstoffe. Für den Begriff „Werkstoff“ gibt es viele Interpretationen. Im engeren Sinne stellen Werkstoffe feste Materialien dar, die in einem Fertigungsprozess zu Bauteilen und Fertigprodukten für vorbestimmte Anwendungen verarbeitet werden (Czichos & Hennecke, 2021). Frage 1.1.1: Wonach werden heute die Werkstoffe eingeteilt? A: Nach deren Zusammensetzungen und Eigenschaften. B: Nach deren Aussehen. C: Nach deren Abmessungen. Zu den wichtigsten Werkstoffgruppen zählen heute die Metalle, Halbleiter, Kunststoffe, Gläser und Keramiken, Naturstoffe sowie die Verbundwerkstoffe.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_1

3

4

1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

Frage 1.1.2: Welche Eigenschaften sind charakteristisch für Metalle? A:  Sie sind generell sehr leicht, schlecht recyclebar, in flüssiger oder fester Form anwendbar. B: Sie weisen eine metallische Bindung auf, sind schmelz- und legierbar, vielkristallin, plastisch umformbar, elektrisch und wärmeleitfähig sowie recyclebar. C: Sie sind gut durchfärbbar, gummiartig, nur sehr gering temperaturbeständig, äußerst preiswert und in Massenproduktion herstellbar. Von der chemischen Bindungsart, die in Metallen und Legierungen vorliegt, werden deren speziellen Eigenschaften geprägt. Frage 1.1.3: Was ist eine metallische Bindung? A: Eine klassische Schweißverbindung zwischen verschiedenen Metallen. B: Eine leicht lösbare Bindung zwischen zwei Metallatomen in einer festen Matrix. C: Die Bindung von Metallionen mit frei beweglichen Elektronen in einem Metallgitter. Stahl mit seinen faszinierenden Eigenschaften wird der Hauptgruppe der metallischen Werkstoffe zugeordnet. Frage 1.1.4: Was ist Stahl? A: Ein schmiedbares Eisen mit weniger als 2,06 Masse-% Kohlenstoff. B: Eine Eisen-Kohlenstoff-Sauerstoff-Verbindung mit einem Kohlenstoffgehalt über 2,55 Masse-%. C: Ein mechanisch bearbeitetes Roheisen mit einem geringen Gehalt an Schlacke. Auch der Werkstoff Stahl weist eine typisch metallische Bindung auf, die vom Basiselement bestimmt wird. Frage 1.1.5: Welches ist das Basiselement im Stahl? A: Wasserstoff B: Eisen C: Sauerstoff Um die so vielfältigen und unterschiedlichen Stahleigenschaften erklären zu können, muss dessen Gefüge, also die innere Struktur bis in die kleinsten Bestandteile (Atome, Ionen) betrachtet werden. In diesem Zusammenhang wird bei Stahl wie bei allen technischen Metallen von einem kristallinen Zustand gesprochen. Frage 1.1.6: Was bedeutet ein kristalliner Zustand? A: Ein sehr spröder Zustand wie bei Kristallglas. B: Ein stabiler Gefügezustand mit einer regelmäßigen Anordnung der Atome im Kristallgitter.

1.2  Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD)

5

C: Ein labiler Zustand mit einer regellosen Ordnung der Atome in einem erstarrten Gefüge, bestehend aus verschiedenen chemischen Elementen. Ein kristalliner Zustand ist immer ein fester Zustand eines Werkstoffes. Wir kennen das kristalline Kochsalz, den Zucker, die Eiskristalle und erfreuen uns an den so unterschiedlich und schön geformten Mineralien. Die Natur hat uns verschiedene Kristallstrukturen beschert, die in der Kristallographie dreidimensional klassifiziert werden in triklin, monoklin, orthorhombisch, tetragonal, trigonal, hexagonal und kubisch (Burckhardt, 1988). Stahl mit dem Basiselement Eisen weist temperaturabhängig kubisch geformte Kristallgitter in zwei Modifikationen auf: Ferrit und Austenit (Bleck, 2010). Frage 1.1.7: Was wird als Ferrit bezeichnet? A: Ein würfelartiges Kristallgitter mit mehr als 11 Eisenatomen. B: Ein kubisch-flächenzentriertes Würfelgitter, auch γ-Eisen bzw. γ-Mischkristall genannt. C: Ein kubisch-raumzentriertes Würfelgitter, auch α-Eisen bzw. α-Mischkristall genannt. Frage 1.1.8: Was wird als Austenit bezeichnet? A: Ein würfelartiges Kristallgitter mit weniger als 11 Eisenatomen. B: Ein kubisch-flächenzentriertes Würfelgitter, auch γ-Eisen bzw. γ-Mischkristall genannt. C: Ein kubisch-raumzentriertes Würfelgitter, auch α-Eisen bzw. α-Mischkristall genannt.

1.2  Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD) Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm zeigt auf der Abszissenachse die Masse-Prozente des Kohlenstoffs und auf der Ordinatenachse die Temperatur in °C.  Für einen technischen Gebrauch dieses Diagramms bestehen Grenzen und es sind bestimmte Annahmen zu beachten. Frage 1.2.1: Welche Randbedingungen sind beim Gebrauch des Eisen-Kohlenstoff-­ Diagramms zu berücksichtigen? A: Dieses Diagramm gilt nur für hochlegierte Stähle und für einen stabilen Gefügezustand. B: Dieses Diagramm gilt für das reine Zweistoffsystem Eisen-Kohlenstoff im Bereich bis max. 6,67 Masse-% Kohlenstoff. C: Dieses Diagramm gilt nur für Stahl mit dem Phasenbereich Ferrit in einer weichen Matrix, bestehend aus γ-Mischkristallen. Im Stahl liegt der Kohlenstoff als Verbindung vor (Zementit – Fe3C). In Abhängigkeit von der kubisch-raumzentrierten oder kubisch-flächenzentrierten Kristallstruktur ist darin der Kohlenstoff unterschiedlich in begrenztem Umfang löslich.

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1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

Frage 1.2.2: Was beschreibt das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm? A: Den Einfluss des Zementits auf die Schmelztemperatur bei Kohlenstoffgehalten über 6,67 Masse-% im Eisen. B: Die Abhängigkeit des maximalen Kohlenstoffgehaltes im Stahl von der Schmelztemperatur. C: Die Änderung der Phasenzusammensetzung im Stahl in Abhängigkeit vom Kohlenstoffgehalt und von der Temperatur. Im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm sind wichtige Punkte, Linien und Gebiete markiert, die Umwandlungen und Phasengebiete anzeigen. Frage 1.2.3: Was geschieht am Temperaturpunkt 768 °C? A: Bis zu dieser Temperatur ist Eisen völlig unmagnetisch. B: Reines Eisen beginnt ab dieser Temperatur langsam zu erweichen. C: Diese Temperatur kennzeichnet den magnetischen Umwandlungspunkt für Eisen. Frage 1.2.4: Was bedeutet die Liquiduslinie ACD? A: Oberhalb dieser Linie liegt die flüssige Schmelze vor. B: Oberhalb dieser Linie beginnt die Erstarrung der Schmelze. C: Unterhalb dieser Linie bestehen nur feste Phasen im Gefüge. Frage 1.2.5: Was bedeutet die Soliduslinie AECF? A: Oberhalb dieser Linie bestehen nur feste Phasen im Gefüge. B: Unterhalb dieses Linienzuges ist die Eisenlegierung vollständig erstarrt. C: Unterhalb dieser Linie beginnt die Erstarrung der Restschmelze. Frage 1.2.6: Was bedeutet die Linie PSK? A: Unterhalb dieser Linie sind die Austenit-Mischkristalle vollständig zerfallen. B: Unterhalb dieser Linie existieren ferritische und austenitische Phasen nebeneinander. C: Oberhalb dieser Linie bilden sich reine ferritische Phasen. Frage 1.2.7: Was wird als Zementit bezeichnet? A: Ein zweiphasiges Gefüge aus Ferrit und Austenit. B: Eine Gefügephase aus Eisen und Kohlenstoff mit 6,67 Masse-% Kohlenstoff. C: Eine Sonderform des Gefüges im Stahl, die aus hochreinem Eisen besteht. Frage 1.2.8: Was versteht man unter den Bezeichnungen Perlit und Ledeburit? A:  Es sind die Bezeichnungen für sehr harte Ausscheidungen in einem austenitischen Gefüge. B: Sie betreffen bestimmte Gefügebereiche, die nur bei sehr rascher Abkühlung entstehen. C: Es sind besondere Phasengemische, die nur bei langsamer Abkühlung entstehen.

1.3  Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle

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In der Praxis können dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm Parameter für bestimmte Stahlbehandlungen entnommen und für technologische Vorgaben genutzt werden. Frage 1.2.9: Wofür kann das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm als wichtigste Grundlage genutzt werden? A: Für die Kaltumformung von Stahl. B: Für die Wärmebehandlung von Stahl. C: Für die Halbwarmumformung von Sonderwerkstoffen.

1.3  Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle So beeindruckend die Geschichte des Stahls ist, so interessant ist auch die Vielzahl der entwickelten Stähle. Um aus dieser Vielzahl auch den richtigen Stahl zu erkennen, zu bestellen und einzusetzen, müssen in der Stahlpraxis von Allen anerkannte Regeln zur sicheren Identifizierung der Stähle genutzt werden. Diese umfassen nach der DIN EN 10027-1 Regeln für die Bezeichnung mittels Kurznamen sowie nach der DIN EN 10027-2 Regeln für ein Nummernsystem. Frage 1.3.1: Was sind Stahlkurznamen? A: Die Abkürzungen von Markennamen verschiedener Stahlhersteller in Form von mehreren Großbuchstaben. B:  Die Kurzfassung der Beschreibung der Stahleigenschaften bestimmter, genormter Stähle. C: Die Stahlkennzeichnung mit Buchstaben für chemische Symbole und Zahlen für Gehalte der Legierungselemente. Die Angaben zu Buchstaben und Zahlen in den Stahlkurznamen unterscheiden sich bei unlegierten, niedrig- und hochlegierten Stählen sowie bei Schnellarbeitsstählen. Frage 1.3.2: Welche Angabe passt als Beispiel zu einem unlegierten Stahl? A: X5CrNi18-10 B: C15 C: HS6-5-2 D: 28Mn6 Frage 1.3.3: Welche Angabe passt als Beispiel zu einem niedriglegierten Stahl? A: X5CrNi18-10 B: C15 C: HS6-5-2 D: 28Mn6

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1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

Frage 1.3.4: Welche Angabe passt als Beispiel zu einem hochlegierten Stahl? A: X5CrNi18-10 B: C15 C: HS6-5-2 D: 28Mn6 Frage 1.3.5: Welche Angabe passt als Beispiel zu einem Schnellarbeitsstahl? A: X5CrNi18-10 B: C15 C: HS6-5-2 D: 28Mn6 Von dem Europäischen Stahlregister werden Werkstoffnummern vergeben. Frage 1.3.6: Wie ist das Werkstoffnummernsystem aufgebaut? A: Aus sechs Haupt- und Nebengruppennummern. B: Aus einer Werkstoff-Hauptgruppennummer, zwei Stahlgruppennummern und zwei Zählnummern. C: Aus insgesamt vier verschiedenen Stahlgruppennummern mit zusätzlicher Angabe von Stahlkurznamen. In der Hauptgruppe des Werkstoffnummernsystems werden Roheisen, Gusseisen, Stahl, Stahlguss, Schwermetalle, Leichtmetalle und nichtmetallische Werkstoffe unterschieden. Frage 1.3.7: Zu welcher Hauptgruppennummer gehört Stahl? A: 0 (Null) B: 1 (Eins) C: 2 (Zwei) Neben den Stahlkurznamen und den Werkstoffnummern werden in der Stahlpraxis Stähle auch nach gesetzlich geschützten Markennamen gehandelt. Und einige historisch entstandene Stahlnamen sind immer noch gebräuchlich. Frage 1.3.8: Welche Stahlbezeichnungen sind typische Beispiele für Markennamen und historische Namen? A: Crini-Stahl, Momic, A5V B: Metdi, Astor, Argentan-Stahl C: Nirosta, Cromargan, V2A In der Stahlwelt ist es üblich, die vielen Stähle, alle identifiziert und bezeichnet mit Kurznamen und Werkstoffnummern, nach verschiedenen Kriterien zu ordnen bzw. einzuteilen.

1.3  Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle

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Frage 1.3.9: Nach welchen Kriterien erfolgt die Einteilung der Stähle? A: Nach dem Aussehen, der Querschnittsform, den magnetischen und elektrischen Eigenschaften. B: Nach Hauptgüteklassen, der chemischen Zusammensetzung, dem Gefüge, den Eigenschaften und den Anwendungen. C: Nach der Oberflächenrauheit, der chemischen Beständigkeit, der Kernfestigkeit und nach dem optischen Aussehen. Interessant ist die Einteilung der Stähle nach Hauptgüteklassen. Frage 1.3.10: Welches sind die Hauptgüteklassen für Stähle? A: Unlegierte, mikrolegierte und legierte Stähle B: Ferritische, austenitische und martensitische Stähle C: Grundstähle, Qualitätsstähle, Edelstähle Stähle sind Eisen-Kohlenstoff-Verbindungen mit Zusätzen von chemischen Elementen, sind also sogenannte Legierungen mit unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung. Frage 1.3.11: Wie erfolgt die Einteilung der Stähle nach der chemischen Zusammensetzung? A: Unlegierte, legierte und hochlegierte Stähle B: Kohlenstoffstähle, Manganstähle, Chromstähle C: Unedle und sehr edle Stähle Eine Ordnung der Stähle kann auch nach dem Gefüge vorgenommen werden. Frage 1.3.12: Welche Stähle werden nach dem Gefüge unterschieden? A: Einphasige und zweiphasige Stähle B: Grob- und feinkörnige sowie ein- und mehrphasige Stähle C: Ferritische, austenitische, austenitisch-ferritische sowie martensitische Stähle Sehr gebräuchlich und gut verständlich in der Praxis ist schließlich auch die Bezeichnung der Stähle hinsichtlich ihrer Eigenschaften und ihrer Anwendungen. Frage 1.3.13: Welche Beispiele für Stahlbezeichnungen richten sich nach den Eigenschaften und Anwendungen? A: Silberstahl, Kohlenstoffstahl, Chromstahl, Duplex-Stahl B: Betonstahl, Federstahl, Ventilstahl, Wälzlagerstahl, Warmarbeitsstahl C: Massenstahl, Grundstahl, Maraging-Stahl, Qualitätsstahl, Gussstahl

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1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

Flashcard-App

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Stahleigenschaften und Legierungselemente

Fe

2.1

Eigenschaften von Stahl

Wie alle Werkstoffe haben auch Stähle sehr unterschiedliche Eigenschaften. Ob diese nun gut oder weniger gut sind, hängt stets vom Blickwinkel der Anwendung ab, also von den sich dabei zeigenden Aktionen wie Widerstand gegen Belastung, Reaktion auf das Einwirken anderer Stoffe oder Verhalten in der Umwelt. So kann weicher Stahl gut sein für ein plastisches Umformen, aber nicht so gut für das Tragen hoher Lasten. Und sehr harter Stahl bewährt sich bei hoher Verschleißbeanspruchung, kann aber gleichzeitig sehr spröde und somit rissanfällig sein. Die Eigenschaften sind immer komplex und bestimmen die Eignung der Stähle für bestimmte Verwendungszwecke. Frage 2.1.1: Wie werden die Stahleigenschaften unterteilt? A: In Hoch- und Tieftemperatureigenschaften. B: In physikalische, mechanisch-technische, fertigungstechnische, chemisch-technische und Umwelteigenschaften. C: In optische und metallkundliche, chemische und elektrische, elektronische und lasertechnische Eigenschaften. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_2

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2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Frage 2.1.2: Durch die Messung physikalischer Größen am Stahl sind welche Eigenschaften bzw. Kennwerte bestimmbar? A: Sprödigkeit, Duktilität, Schmiedbarkeit, Zerspanbarkeit B: Gießbarkeit, Schweißeignung, Brennbarkeit, Hochtemperaturverschleißfestigkeit, Abriebfestigkeit C: Dichte, Schmelztemperatur, Wärmeausdehnung, Wärmeleitfähigkeit, elektrische Leitfähigkeit In der Praxis wird als Dichte für unlegierte Stähle oft ein Richtwert angenommen. Frage 2.1.3: Welcher Wert gilt üblicherweise für die Dichte von unlegiertem Stahl? A: 7,85 g/cm3 B: 7,45 g/cm3 C: 8,15 g/cm3 Sowohl für die metallurgische Erzeugung als auch für die Weiterverarbeitung ist die Kenntnis der Schmelztemperatur des herzustellenden und zu verarbeitenden metallischen Werkstoffes entscheidend. Es ist diejenige Temperatur, bei der der Werkstoff schmilzt, d. h. vom festen in den flüssigen Aggregatzustand übergeht. Die Höhe der Schmelztemperatur gilt auch als Maß für die Stärke der chemischen Bindung in Werkstoffen. Frage 2.1.4: Wie hoch ist die Schmelztemperatur von reinem Eisen? A: 911 °C B: 1536 °C C: 1147 °C Umgangssprachlich nutzt man den Begriff „Dehnfaktor“ für das Phänomen, wie sich Werkstoffe bei einer Temperaturänderung verhalten. Bei Temperaturerhöhung dehnen sie sich aus und bei Herabsetzung der Temperatur ziehen sie sich zusammen. Der Grund hierfür ist atomar bedingt. Die Elektronen, die um den Atomkern kreisen, werden bei Erwärmung schneller (ihnen wird Energie zugeführt). So steigen auch deren Fliehkräfte und sie drängen zunehmend nach außen, d. h. das Volumen der Atomkernhülle vergrößert sich. So wird im Stahl (metallische Bindung) der Abstand der in regelmäßiger Gitteranordnung vorliegenden Atomkerne zueinander größer und der Stahl dehnt sich im Volumen aus. Umgekehrt zieht er sich bei Abkühlung zusammen. Diese geometrischen Änderungen sind sehr gering, oft kaum zu bemerken. Frage 2.1.5: Wie hoch ist der Wert des Längenausdehnungs-Koeffizienten bei 20 bis 100 °C für einen unlegierten Baustahl einzuschätzen? A: α = 20 [10−6K−1] B: α = 16 [10−6K−1] C: α = 12 [10−6K−1]

2.1  Eigenschaften von Stahl

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Im Alltag bemerken wir oft, dass bei gleicher Temperatur sich ein Gegenstand aus Stahl etwas kühler anfühlt als aus Holz. Dieses Phänomen hängt mit der Wärmeleitfähigkeit zusammen. Auch diese Fähigkeit, Wärme (Energie) innerhalb des Werkstoffes zu transportieren, ist eine wichtige Stoffeigenschaft, beschrieben mit dem Kennwert „Wärmeleitzahl“ oder „Wärmeleitkoeffizient“. Und Metalle leiten die Wärme viel besser als beispielsweise Holz. Frage 2.1.6: Wie schätzen Sie die bessere Wärmeleitfähigkeit von Stahl im Vergleich zu Holz ein? A: 10 bis 20 mal besser. B: 50 bis 100 mal besser. C: 100 bis 500 mal besser. Zu den physikalischen Eigenschaften von Stahl gehört auch der Kennwert für seine elek­ trische Leitfähigkeit. Dieser Wert gibt an, wie stark bzw. wie gut oder schlecht er den elektrischen Strom leiten kann. Frage 2.1.7: Wovon hängt die elektrische Leitfähigkeit ab? A: Von den geometrischen Abmessungen und der Härte. B: Von der Verfügbarkeit und Anzahl (Dichte) beweglicher Ladungsträger (Elektronen). C: Von der Temperatur, der Oberflächenrauheit sowie der optischen Reflexion, also der Oberflächenqualität. Bei einer Drehbearbeitung von Stahlwerkstücken sollten die Drehspäne möglichst schnell aus der Bearbeitungszone (Scherebene) entfernbar sein. Ist der Stahlwerkstoff magnetisch, bleiben die Späne haften und beinträchtigen den Spanvorgang. Andererseits erfordern bestimmte Anwendungen wie z.  B.  Magnetventile Stähle mit definierten magnetischen Eigenschaften. Frage 2.1.8: Wovon hängt es ab, ob ein Stahl magnetisch ist oder nicht? A: Von der Temperatur beim Messvorgang zur Ermittlung der Magnetfeldstärke, der Spulengröße und Stromstärke. B: Vom weichen oder harten Zustand des Stahlwerkstückes, das untersucht werden soll. C: Vom Gefügeaufbau (Gitterstruktur) und somit von der Legierungszusammensetzung des Stahls. Die Kategorie der mechanisch-technischen Eigenschaften umfasst das komplexe Verhalten des Stahls unter der Einwirkung mechanischer Kräfte (Burgert, 2016). Frage 2.1.9: Welches sind die drei wichtigsten mechanisch-technischen Eigenschaften von Stählen? A: Härte, Festigkeit, Zähigkeit

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2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

B: Brennbarkeit, Schweißeignung, Oberflächenrauheit C: Korrosionsbeständigkeit, Gießbarkeit, Trennbarkeit Neben den physikalischen und mechanisch-technischen Eigenschaften beschreiben die technologischen Eigenschaften die Eignung des Stahls für bestimmte Fertigungsverfahren und Bedingungen zu seiner Verarbeitung. Frage 2.1.10: Welche typischen technologischen Eigenschaften von Stählen sind gemeint? A: Länge, Dichte, Durchbiegung B: Kaltumformbarkeit, Gießbarkeit, Härtbarkeit, Zerspanbarkeit, Schweißeignung C: Brennbarkeit, Wärmebeständigkeit, Korrosionsbeständigkeit, Aufmagnetisierbarkeit Mögliche Veränderungen von bzw. an Stahlbauteilen durch die Einwirkung umgebender Stoffe sind bei den unterschiedlichsten Anwendungen zu berücksichtigen (Lebensdauer). Außerdem ist der Umweltschutz zu beachten. Hierfür sind die chemisch-­technischen Eigenschaften sowie die Umwelteigenschaften der Stähle von Bedeutung. Frage 2.1.11: Welche chemisch-technischen Eigenschaften von Stählen sind wichtig? A: Korrosionsbeständigkeit, Wärmebeständigkeit, Nachhaltigkeit B: Festigkeit, Temperaturbeständigkeit und magnetische Leitfähigkeit C: Sprödigkeit, Leitfähigkeit und Schmelzbarkeit

2.2  Grundlagen der Legierungstechnik Jedes Legierungselement verleiht dem Stahl spezifische Eigenschaften, die noch gesteigert werden können durch weitere, zulegierte Elemente. Und alle „Legierungspartner“ müssen vollständig miteinander mischbar bzw. vollständig ineinander lösbar sein, d. h. die Stahlschmelze muss homogen erzeugbar sein. Je nach Art der Legierungsbestandteile können nach der Erstarrung, somit im kristallinen Zustand, eine oder mehrere Phasen vorhanden sein. Frage 2.2.1: Was wird als Phase im kristallinen Gefüge bezeichnet? A: Ein runder, sehr kleiner Bereich von eindimensionalen Fehlstellen im Kristallgitter. B: Ein physikalisch und chemisch einheitlicher, homogener Bestandteil. C: Eine lokal begrenzte Ungänze, erzeugt durch einen herausgerissenen nichtmetallischen Einschluss. Stahl weist wie alle Metalle einen stabilen Gefügezustand mit einer Kristallgitterstruktur auf. Diese Gitterstruktur besteht aus räumlich nach einem bestimmten Plan regelmäßig angeordneten Kristallen, die wiederum Atome verschiedener Legierungselemente enthalten. Deshalb werden diese Kristalle, die sich in zwei Typen unterscheiden, auch Mischkristalle genannt.

2.3  Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften

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Frage 2.2.2: Was ist ein Einlagerungsmischkristall? A: Eine Mischung aus mehreren Kristallen, die sehr unterschiedliche Größen aufweisen und in einer Kohlenstoffmatrix eingelagert sind. B: Ein Kristall mit Atomen eines Legierungselementes, die in den Gitterlücken des anderen Legierungselementes eingelagert sind. C: Ein kubisches Eisengitter mit mehreren Atomen unterschiedlicher Elemente an den Eckpunkten. Frage 2.2.3: Was kennzeichnet einen Austauschmischkristall? A: Dieser Kristall ist leicht mit einem anderen Kristall eines anderen Legierungselements austauschbar. B: In diesem Kristall sind alle Atome des einen Legierungselements durch Atome eines anderen Legierungselements ausgetauscht. C: In einem solchen Kristall sind einige Atome des einen Legierungselementes durch Atome eines anderen Legierungselementes (Fremdatome) ausgetauscht. In realen Werkstoffen, also auch in Stahllegierungen, existieren Störungen des geometrischen Idealzustandes (Gitter- bzw. Kristallbaufehler). Diese führen zu Gitterspannungen und erhöhen die innere Energie des Werkstoffes. Diese Störungen sind einerseits real vorhanden, können andererseits durch eine Behandlung (Umformung, Wärmebehandlung) gezielt eingebracht und so zu einer Eigenschaftsverbesserung genutzt werden. Frage 2.2.4: Welche typischen Fehler im Kristallaufbau treten in der Realität auf? A: Leerstellen, Versetzungen, Stapelfehler, Phasengrenzen, Zwillingsgrenzen. B: Schiefe, unregelmäßige Kristallgitter C: Dreidimensionale, kugelförmige Gitter mit Poren

2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften Die chemischen Elemente im Stahl stellen neben Eisen und Kohlenstoff entweder Legierungselemente (Stahlveredler), Begleitelemente oder „stahlschädigende“ Elemente dar. Diese Wichtung hängt mit deren Wirkungen auf die Stahleigenschaften zusammen. Darüber hinaus kann der Zusatz bestimmter Elemente zur Stahlschmelze auch metallurgisch bedingt erfolgen, z. B. zur Desoxidation (Abbinden des beim Erkalten der Stahlschmelze frei werdenden Sauerstoffs). Frage 2.3.1: Welche chemischen Elemente kommen in der Praxis der Stahlherstellung als Desoxidationsmittel zur Anwendung? A: Kobalt, Blei, Schwefel, Bor B: Aluminium, Kalzium, Silizium, Mangan, Beryllium, Magnesium C: Stickstoff, Titan, Selen, Arsen

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2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Frage 2.3.2: Welche Arten von chemischen Elementen können als Stahlveredler in einer Stahllegierung enthalten sein? A: Nur flüssige Elemente B: Feste, nichtmetallische, oxidische Verbindungen sowie flüssige Halbmetalle C: Gasförmige Elemente sowie feste Nichtmetalle, Halbmetalle und Metalle Frage 2.3.3: Was sind Begleitelemente im Stahl? A: Chemische Elemente, die immer zusammen mit anderen Elementen zulegiert werden. B: Chemische Elemente, die bei der Stahlerzeugung ungewollt in den Stahl eingebracht werden und in Spuren keine Auswirkungen auf die Stahleigenschaften zeigen. C: Feste, körnige Elemente, die der fertigen Stahlschmelze mit hohem metallurgischen Aufwand zusätzlich „begleitend“ zugesetzt werden können, aber nicht müssen. Frage 2.3.4: Was ist ein Stahlschädling? A: Ein giftiger Anstrich auf der Oberfläche eines Stahlproduktes. B: Ein Werkzeug, das ein Stahlhalbzeug zum Brechen bringen kann. C: Ein chemisches Element, das die Stahleigenschaften stark verschlechtert. Die Stahleigenschaften werden hauptsächlich durch drei gasförmige Elemente beeinflusst. Frage 2.3.5: Welches sind die drei wichtigsten gasförmigen Elemente im Stahl? A: Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff B: Argon, Methan, Butan C: Ozon, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid Frage 2.3.6: Was bewirkt Wasserstoff (H) im Stahl? A: Wasserstoff führt zu einer erwünschten Erhöhung der Zähigkeit des Stahls. B: Im Stahl bewirkt Wasserstoff bei der Erstarrung die Bildung verschiedener Einlagerungen von festen Karbidteilchen. C: Wasserstoff ist ein Stahlschädling, der eine Versprödung hervorruft und die gefürchtete Flockenbildung verursacht. Frage 2.3.7: Wofür wird bewusst Stickstoff (N) dem Stahl zulegiert? A: Um den Stahl geschmeidiger, also zäher zu machen. B: Um den Stahl bei einer Wärmebehandlung blau einzufärben, was auf eine erfolgreiche Wärmebehandlung schließen lässt. C: Um den Zustand mit einem austenitischen Gefüge zu stabilisieren, die Festigkeit zu erhöhen und durch Nitridbildung eine hohe Oberflächenhärte zu erreichen. Frage 2.3.8: Wie verhält sich Sauerstoff (O) im Stahl? A: Sauerstoff führt zu einer Erhöhung der Schmiedbarkeit des Stahls. B: Sauerstoff wirkt meist schädlich auf viele Stahleigenschaften. C: Der Stahl wird durch einen bestimmten Gehalt an Sauerstoff korrosionsbeständiger.

2.3  Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften

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Die Wirkungen von festen Elementen im Stahl werden in der Reihenfolge Nichtmetalle, Halbmetalle und Metalle betrachtet, wobei eine Auswahl der wichtigsten Elemente vorgenommen wird. Frage 2.3.9: Welche Nichtmetalle sind im Stahl als feste Elemente wichtig? A: Kohlenstoff, Schwefel, Phosphor B: Fluor, Brom C: Xenon, Jod, Chlorid Frage 2.3.10: Was bewirkt der Kohlenstoff (C) im Stahl? A: Kohlenstoff bildet in einer harten Eisenmatrix weiche Einlagerungen. B: Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt steigt die Festigkeit und Härtbarkeit des Stahls. C: Kohlenstoff senkt die Festigkeit und verbessert die Schmiedbarkeit des Stahls. Frage 2.3.11: Was bewirkt die bewusste Zugabe von Schwefel (S) im Stahl? A: Eine Erhöhung der Festigkeit beim Ziehen. B:  Die Verbesserung der Zerspanbarkeit (kurze Späne) durch Bildung von Mangansulfiden. C: Ein vermindertes Seigerungsverhalten bei der Erstarrung und somit eine verbesserte Reinheit des Gussgefüges. Frage 2.3.12: Was bewirkt Phosphor (P) im Stahl? A: Phosphor begünstigt die Homogenität des erstarrten Stahls. B: Durch höhere Phosphorzugaben werden die Versprödungsneigung gesenkt und die Zähigkeit des Stahls verbessert. C: Phosphor führt zu starken Primär- und auch Sekundärseigerungen. Frage 2.3.13: Welche Halbmetalle als feste Elemente im Stahl sind wichtig? A: Germanium, Tellur B: Silizium, Bor C: Polonium, Arsen Frage 2.3.14: Warum wird Silizium (Si) der Stahlschmelze zugegeben? Zur Erzielung einer sehr dünnflüssigen Schmelze und somit einer sehr guten A:  Formfüllung. B: Zur Herabsetzung der Schmelz- und Gießtemperatur. C:  Neben verschiedenen Wirkungen auf die Stahleigenschaften vor allem zur Des­ oxidation. Frage 2.3.15: Was bewirkt Bor (B) in einer Stahllegierung? A: In austenitischen Stählen eine Erhöhung der Festigkeit und in Baustählen eine Verbesserung der Durchhärtung.

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2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

B: Bei bestimmten unlegierten Stahlsorten begünstigt Bor die Korrosionsbeständigkeit. C: Bor vermindert generell die Festigkeit durch Behinderung von Ausscheidungen. Nachfolgend sind die wichtigsten festen, metallischen Legierungselemente und ihre allgemeinen Wirkungen im Stahl von Interesse. Frage 2.3.16: Welche Metalle als feste Legierungselemente im Stahl sind besonders wichtig? A: Chrom, Kobalt, Mangan, Nickel, Titan, Aluminium B: Wolfram, Molybdän, Vanadium, Kobalt C: Zink, Zinn, Kupfer, Antimon, Silber, Gold, Lithium D: Tellur, Niob, Cer, Caesium, Osmium Karbide sind sehr stabil, hart und haben einen sehr hohen Schmelzpunkt (3000 bis 4000 °C). Deshalb finden sie als Hartstoffe Anwendung und dienen im Stahl zur Erhöhung der Verschleißfestigkeit. Karbide sind binäre Verbindungen des Kohlenstoffs mit einem Element, bei metallartigen Karbiden mit einem Metall. Frage 2.3.17: Welche Metalle werden als sogenannte Karbidbildner in Stahllegierungen zur Erhöhung der Verschleißfestigkeit eingesetzt? A: Aluminium, Kupfer, Silber B: Chrom, Vanadium, Molybdän, Wolfram C: Magnesium, Antimon, Beryllium Frage 2.3.18: Wie wirkt Chrom (Cr) als Stahllegierungselement? A: Chrom erhöht die Zähigkeit durch die Bildung verschiedener Arten von Karbiden. B: Chrom steigert als Karbidbildner die Festigkeit und bewirkt bei über 12 bis 13 Masse-% die Korrosionsbeständigkeit des Stahls. C: Chrom verschlechtert die Hitze- und Korrosionsbeständigkeit des Stahls. Gemeinsam mit Chrom gewann Nickel als Legierungselement ab 1912 mit dem V2A-­ Stahl von Eduard Maurer (1886–1969) eine ganz besondere Bedeutung. Frage 2.3.19: Welche Wirkungen zeigt Nickel (Ni) als Stahllegierungselement? A: Nickel erhöht die Zähigkeit und macht Stahl korrosionsbeständig. B: Nickel wirkt als Stahlschädling. C: Nickel erhöht die Temperaturausdehnung des Stahls. Frage 2.3.20: Wie wirkt Mangan (Mn) und welche Eigenschaft von Mangan als Stahllegierungselement ist mit der des Siliziums vergleichbar? A: Mangan wirkt als Ferritbildner und verschleißmindernd. B: Mangan begünstigt die Schmied- und Schweißbarkeit, erhöht unter bestimmten Bedingungen die Verschleißfestigkeit und wirkt desoxidierend. C: Mangan führt zu einer Herabsetzung der Festigkeit und verschlechtert die Härtbarkeit.

2.3  Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften

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Frage 2.3.21: Für welche Stahleigenschaften ist das Legierungselement Molybdän (Mo) nützlich? A: Herabsetzung der Festigkeit und Verbesserung der Schmiedbarkeit. B: Erhöhung der Zunderbeständigkeit und Senkung der Korrosionsbeständigkeit. C: Verbesserung der Schneidfestigkeit, der Härtbarkeit, der Korrosionsbeständigkeit und der Warmfestigkeit von Stählen. Frage 2.3.22: Aus welchem Grund wird Wolfram (W) als Einsatzstoff für Hartmetall und als Legierungselement für Werkzeugstähle eingesetzt? A: Wolfram bildet weiche Sulfide. B: Wolfram bildet sehr harte Karbide. C: Wolfram hat einen niedrigen Schmelzpunkt. Frage 2.3.23: Was bewirkt das seltene Schwermetall Vanadium (V) als Legierungselement im Stahl? A: Vanadium als starker Karbidbildner erhöht die Verschleißfestigkeit. B: Durch Vanadium wird Stahl zäher und rissempfindlicher. C: Vanadium begünstigt die Grobkornbildung im Gussgefüge. Frage 2.3.24: Welche Wirkungen zeigt Kobalt (Co) als Stahllegierungselement? A: Kobalt bildet viele sehr kleine Karbide. B: Durch Kobalt wird die Warmfestigkeit gesenkt. C: Kobalt verbessert die Anlass-, Verschleiß- und Warmfestigkeit. Ein weiteres interessantes Metall ist Titan (Ti), das im Alltag oft mit Zahnimplantaten oder Hüft- und Kniegelenkprothesen in Verbindung gebracht wird. Titan ist bei hoher Festigkeit äußerst beständig gegenüber vielen Medien. Frage 2.3.25: Welche Eigenschaften begründen den Einsatz von Titan (Ti) bei der Stahlerzeugung? A: Titan bildet keine Karbide und verstärkt die Korrosionsneigung und verhindert Seigerungen bei der Erstarrung der Stahlschmelze. B: Titan ist stark karbidbildend, wirkt schwefelbindend, desoxidierend, denitrierend und kornverfeinernd. C: Durch Zulegieren von Titan wird Stahl weicher und leicht umformbar. Das leichte Aluminium (Al) begegnet uns im Alltag als Fahrrad- und Autofelge, als Haushaltfolie, gelegentlich auch als Kochtopf und Besteck, vor allem im Leichtbau (Flugzeugund Fahrzeugbau), als Konstruktionswerkstoff und für Verpackungen. Es bildet sehr schnell eine dünne, für Luft und Wasser undurchlässige Passivschicht (Aluminiumoxid) und schützt sich so vor Korrosion. Die sehr hohe Affinität zu Sauerstoff nutzen die Stahlhersteller und setzen Aluminium als das stärkste Desoxidationsmittel ein.

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2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Frage 2.3.26: Welche weiteren Auswirkungen hat Aluminium (Al) als Legierungselement im Stahl? A: Aluminium führt im Gefüge zur Grobkornbildung und somit zu hoher Festigkeit. B: Aluminium senkt die Zunderbeständigkeit und die Festigkeit des Stahls. C: Aluminium wirkt denitrierend, bildet mit Stickstoff Nitride hoher Härte, unterstützt die Feinkornbildung und erhöht die Zunderbeständigkeit. Jedes der genannten Legierungselemente verleiht dem Stahl spezifische Eigenschaften, die in Kombination und im Zusammenwirken mit den anderen auch im Stahl vorliegenden Elementen geändert, gesteigert oder minimiert werden können. Darauf beruhen die Stahleigenschaften im Endprodukt, aber nicht allein darauf. Es sind weitere Bedingungen zu beachten. Frage 2.3.27: Was sind die wichtigsten Bedingungen für die Einstellung bestimmter Stahleigenschaften am Fertigprodukt? A: Sauberkeit und Temperatur im Stahlwerk, Größe und Anzahl der Stahlchargen. B: Chemische Zusammensetzung, Verarbeitung und Wärmebehandlung. C: Temperatur der Schlacke und die Abmessungen des Stahlhalbzeugs.

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Ausgewählte Stähle

Nach den Fragen zu einigen Grundlagen zum Verständnis des Werkstoffes Stahl, zur Einteilung bzw. Kennzeichnung der Stähle, zu Stahleigenschaften und zur Wirkung der Legierungselemente werden nachfolgend die wichtigsten Stahlgruppen behandelt. Dabei können im Rahmen dieses Lernbuches jeweils nur charakteristische Merkmale, Eigenschaften, Legierungs- und Anwendungsbeispiele nachgefragt werden. Weiterführende Informationen und Literaturangaben hierzu sind in den Essentials zu Stahlporträts beim Springer Vieweg Verlag zu finden.

3.1

Qualitätsstähle

Mit der Neufassung der DIN EN 10020 entfielen einige Begriffe für Stähle. Umgangssprachlich halten sich jedoch immer noch einige in der Stahlwelt, wie z. B. Grundstähle oder Massenstähle (Riehle & Simmchen, 2000). Obwohl diese Stähle nun offiziell den Qualitätsstählen zugeordnet sind, sollen auch diese mit erwähnt werden; dazu auch die Betonstähle mit ihrer interessanten Historie.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_3

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3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.1.1: Aus welchen Stählen werden die in den Baumärkten erhältlichen Eisenwaren gefertigt? A: Aus legierten Edelstählen B: Aus Grundstählen einfacher Art C: Aus ferritischen Baustählen Frage 3.1.2: Was kennzeichnet die Massenstähle? A: Es sind alle Stähle, die nur in sehr großen Stücken bzw. großen Abmessungen erzeugt werden. B: Hochlegierte Stähle, die in großen Massen eingesetzt werden. C: Unlegierte und legierte Stähle mit mäßigen Gebrauchseigenschaften, in großen Mengen produziert. Der größte Anteil der Massenstähle kann auch als Baustahl bezeichnet werden. Oft spricht man vom „Allgemeinen Baustahl“, nicht zu verwechseln mit dem Edelbaustahl. Frage 3.1.3: Welche Stahllegierungen sind Baustähle und wofür werden sie hauptsächlich eingesetzt? A: Hochkohlenstoffhaltige Chromstähle für Lager und Brückenbauteile B: Unlegierte oder niedrig legierte Stähle für Bauzwecke und Maschinenteile C: Nickellegierte, warmfeste Stähle für den Ofenbau Frage 3.1.4: Welches maßgebende Kriterium entscheidet über den Einsatz eines Baustahls? A: Zugfestigkeit und Streckgrenze B: Oberflächengüte und Geradheit C: Verschleißfestigkeit und Korrosionsbeständigkeit Frage 3.1.5: Welche Stahlbezeichnungen betreffen Beispiele für Baustähle? A: 16NiCr4, 16MnCr5, 11SMnPb30, X15Cr13 B: HS6-5-2, X12Cr13, 45NiCr6, 145Cr6 C: S185, S235JR, S355JR, S355J2 Für den Betonbau, ob für Eisenbahnschwellen, Betonrohre, Gebäude und Hallen oder Brücken, wird Betonstahl benötigt. Dieser dient zur Bewehrung (Verstärkung) der lastaufnehmenden Betonteile. Eine ältere, noch heute gültige Bezeichnung ist „Armierungsstahl“, oder auch „Moniereisen“, benannt nach dem Erfinder dieser bahnbrechenden Bauweise, dem Franzosen Joseph Monier (1823–1906). Frage 3.1.6: Was unterscheidet einen Schlaffstahl von einem Spannstahl? A: Es gibt keinen Unterschied, beides sind Bewehrungsstähle.

3.2  Nichtrostende Edelstähle

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B: Der Schlaffstahl wird als klassischer Bewehrungsstahl im Beton verarbeitet, während der Spannstahl eine durch äußere Spannkraft vorgespannte Stahleinlage darstellt. C: Im Vergleich zum Schlaffstahl weist der Spannstahl eine doppelt so hohe Zugfestigkeit auf und wird vor allem für Stahlbetonbrücken eingesetzt. Frage 3.1.7: Welcher Betonstahl kommt in Deutschland zum Einsatz? A: Viele Arten in unzähligen geometrischen Ausführungen und mit unterschiedlichen Festigkeiten, wobei die Zugfestigkeiten stets unterhalb von 450 N/mm2 liegen. B: Ein legierter Stahl mit einer hohen Festigkeit über 1000 N/mm2. C: Vorwiegend ein klassischer, unlegierter Stahl mit einer charakteristischen Streckgrenze von ca. 500 N/mm2. Die Qualitätsstähle werden nach der neuesten Definition in unlegierte und legierte Qualitätsstähle unterschieden. Frage 3.1.8: Welche Stahlsorten mit welchen Werkstoffnummern werden den unlegierten Qualitätsstählen zugeordnet? A: Unlegierte Qualitätsstähle werden den höchsten Ansprüchen hinsichtlich der Schweißbarkeit gerecht und gehören zum Werkstoffnummernbereich 1.30XX bis 1.33XX. B: Es sind Stähle, die bestimmte Anforderungen hinsichtlich Zähigkeit, Korngröße und Umformbarkeit erfüllen und zu den Werkstoffnummern 1.00XX bis 1.07XX sowie 1.90XX bis 1.97XX zählen. C: Es betrifft Stähle mit hohen Phosphor- und Schwefelgehalten, die keine weiteren Legierungselemente aufweisen und dem Werkstoffnummernbereich 1.50XX bis 1.55XX zugerechnet werden. Frage 3.1.9: Welche Stahlsorten mit welchen Werkstoffnummern werden den legierten Qualitätsstählen zugeordnet? A: Stahlsorten, die sehr geringen Ansprüchen hinsichtlich der Schweißbarkeit gerecht werden und zum Werkstoffnummernbereich 1.20XX bis 1.22XX gehören. B: Es sind Stähle, die nur sehr begrenzte Anforderungen hinsichtlich Zähigkeit, Korngröße und Umformbarkeit erfüllen und zu den Werkstoffnummern 1.00XX bis 1.07XX sowie 1.90XX bis 1.97XX zählen. C: Es betrifft Stähle, die im Vergleich zu den unlegierten Qualitätsstählen definierte, ­höhere Anforderungen hinsichtlich Mindeststreckgrenze, Kerbschlagzähigkeit, Korngröße, Schweißbarkeit und Umformbarkeit erfüllen und zu den Werkstoffnummern 1.08XX bis 1.09XX sowie 1.98XX bis 1.99XX zugerechnet werden.

3.2 

Nichtrostende Edelstähle

Die so unterschiedlichen Edelstähle besitzen außergewöhnliche Eigenschaften und deshalb ein großes Anwendungspotenzial.

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3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.2.1: Was zeichnet Edelstähle aus? A: Sie weisen einen hohen Reinheitsgrad auf. B: Sie besitzen stets eine glänzende Oberfläche. C: Edelstähle haben die Eigenschaft, generell nichtrostend zu sein. Vor allem die nichtrostenden Edelstähle, also Stähle, die eine hohe Korrosionsbeständigkeit gegenüber verschiedenen Medien aufweisen, stehen seit über 100 Jahren im Blickpunkt. Korrosion tritt durch chemische und elektrochemische Prozesse auf, verursacht von reduzierend oder oxidierend wirkenden Medien aus der Umwelt, wie z. B. Meerwasser, Säuren, Laugen, Salze, meist unter gleichzeitiger Einwirkung mechanischer Einflüsse. Korrosionsbeständigkeit ist der Widerstand eines Werkstoffes gegen derartige „Angriffe aus der Umwelt“ während dessen Anwendung (Kaesche, 1966). Frage 3.2.2: Wie werden die nichtrostenden Edelstähle eingeteilt? A: In hoch und niedrig korrosionsbeständige Stähle. B: In kalt- und warmumformbare Edelstähle. C: In ferritische, austenitische, martensitische und Duplex-Stähle. Die vier nach dem Gefüge unterschiedenen Hauptgruppen der nichtrostenden Edelstähle weisen unterschiedliche Merkmale und Eigenschaften auf. Frage 3.2.3: Was ist ein ferritischer nichtrostender Edelstahl? A: Ein Stahl, der eine stabile kubisch-raumzentrierte ferritische Struktur besitzt und bei erhöhten Temperaturen keine Umwandlung in eine austenitische Struktur zeigt. B: Ein Stahl, der bei Raumtemperatur eine sehr hohe Festigkeit hat, nur schwach korro­ sionsbeständig ist und ein mehrphasige Gefüge mit dem Hauptbestandteil Ferrit aufweist. C: Ein Stahl, der gezielt aus austenitischen Stählen bei tiefen Temperaturen erzeugt wird, um eine teils ferritische Gefügestruktur zu erreichen. Frage 3.2.4: Welche typischen Eigenschaften kennzeichnen die ferritischen Edelstähle? A: Ferritische Stähle besitzen eine sehr hohe Festigkeit und sind schwer umformbar. B: Ferritische Stähle weisen eine geringe Festigkeit bei hoher Duktilität auf und sind gut umformbar. C: Ferritische Stähle sind unmagnetisch und gut schweißbar. Ferritische Stähle besitzen folgende charakteristische Legierungszusammensetzungen in Massse-%: • Kohlenstoff C: bis 0,10 % • Chrom Cr: 11 bis 30 %

3.2  Nichtrostende Edelstähle

25

• Mangan Mn: 1,0 bis 1,5 % • Molybdän Mo: bis 4,5 % (Mo-leg. Stähle) • Nickel Ni: nur bei einigen Legierungen bis 1,5 % Man unterscheidet zwei Gruppen ferritischer Stähle: Mit ca. 11 bis 13 Masse-% Chrom und mit ca. 17 Masse-% Chrom (bessere Korrosionsbeständigkeit). Frage 3.2.5: Welche der genannten Stähle sind Beispiele für ferritische nichtrostende Edelstähle? A:  X6Cr17 (1.4016), X14CrMoS17 (1.4104), X6CrMoS17 (1.4105), X2CrTiNb18 (1.4509), X3CrTi17 (1.4510), X3CrNb17 (1.4511), X2CrTi12 (1.4512), X8CrAl14-4 (1.4725), X10CrAlSi18 (1.4742) und X8CrAl25-5 (1.4765) B: X2CrNiMo18-14-3 (1.4435), X2CrNiMo18-15-2 (1.4441), X1NiCrMoCuN25-20-7 (1.4529) und X1NiCrMoCu25-20-5 (1.4539) C:  X21Cr13 (1.2080), X40Cr14 (1.2083), 31CrV2 (1.2208), 115CrV3 (1.2210), 86CrMoV7 (1.2327) und X100CrMoV5 (1.2363) Bedingt durch ihre mechanisch-technologischen Eigenschaften und ihre Korrosionsbeständigkeit bedienen ferritische Edelstähle im Vergleich zu den anderen nichtrostenden Edelstählen einen eigenen Anwendungsbereich. Frage 3.2.6: Für welche Anwendungen sind ferritische nichtrostende Edelstähle besonders geeignet? A: Für hochfeste Wellen, Antriebe und Spindeln. B: Für Werkzeuge zur Kaltumformung von Nichteisenmetallen und -legierungen. C: Für Haushaltsgeräte, für Auspuffanlagen und für Anwendungen in der Nahrungsmittel­ industrie. Frage 3.2.7: Wodurch sind austenitische Edelstähle gekennzeichnet? A: Durch bestimmte Gehalte an Chrom und Nickel, eine kubisch-flächenzentrierte Gitterstruktur und durch die Eigenschaften, unmagnetisch und nicht umwandlungshärtbar zu sein. B: Durch ein austenitisches Gefüge, das nur bei sehr hohen Temperaturen entsteht und einen äußerst geringen Wärmeausdehnungskoeffizienten aufweist. C: Durch eine schlechte Warm- und Kaltumformbarkeit bei einem Gefüge, das austenitische Bereiche in einer ferritischen Matrix aufweist. Frage 3.2.8: Welche typischen mechanisch-technologischen Eigenschaften kennzeichnen die austenitischen Edelstähle? A: Austenitische Stähle besitzen eine sehr hohe Festigkeit und sind schwer umformbar.

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3  Ausgewählte Stähle

B: Austenitische Stähle haben eine niedrige Streckgrenze, Festigkeit und Härte, jedoch eine sehr hohe Zähigkeit und sind gut warm- und kaltumformbar. C: Austenitische Stähle sind magnetisch, nur schwer schweißbar und unter besonderen Bedingungen umformbar. Die Gehalte an Legierungselementen liegen bei den austenitischen Stählen in folgenden Bereichen (Angaben in Masse-%): • • • • • •

Kohlenstoff C: bis 0,10 % Chrom Cr: 16 bis 28 % Nickel Ni: 6 bis 26 % Silizium Si: bis 1,0 % Molybdän Mo: bis 4,0 % Mangan Mn: bis 2,0 % (Ausnahme: Mangan-legierte Stähle bis 18 % Mangan)

Austenitische Stähle können unterteilt werden in Massenaustenite, Sonderaustenite, hochwarmfeste und hitzebeständige Austenite. Frage 3.2.9: Welche der genannten Stähle sind Beispiele für austenitische nichtrostende Edelstähle? A:  X6Cr17 (1.4016), X14CrMoS17 (1.4104), X6CrMoS17 (1.4105), X2CrTiNb18 (1.4509), X3CrTi17 (1.4510), X3CrNb17 (1.4511) und X2CrTi12 (1.4512) B: X2CrNiMo18-14-3 (1.4435), X2CrNiMo18-15-2 (1.4441), X1NiCrMoCuN25-20-7 (1.4529) und X1NiCrMoCu25-20-5 (1.4539) C:  X5CrNi18-10 (1.4301), X8CrNiS18-9 (1.4305), X2CrNi19-11 (1.4306), X2CrNi18-9 (1.4307), X5CrNiMo17-12-2 (1.4401), X2CrNiMo18-14-3 (1.4435), X2CrNiMo18-15-2 (1.4441), X15CrNiSi20-12 (1.4828) und X5NiCrAlTi31-20 (1.4958) Austenitische Stähle finden eine sehr breite Anwendung als sogenannte „RSH-Stähle“. Frage 3.2.10: Was bedeutet in der Stahlpraxis der Begriff RSH? A: Reiner Stahl-Handel B: Rost-, säure- und hitzebeständig C: Roheisen- und Stahl-Halbzeug Frage 3.2.11: Für welche Anwendungen sind austenitische nichtrostende Edelstähle besonders geeignet? A: In der Chemieindustrie, im Tunnelbau, für hochbeanspruchte Teile im Fahrzeugbau, im Anlagenbau, auch in der Medizintechnik, in der Haushalt- und Sportindustrie B: Für Schneidwerkzeuge, glänzende Uhrengehäuse, Stabilisatoren in Fahrwerken von großen Lastkraftwagen und Bussen. C: Für Schmiede- und Presswerkzeuge sowie hochbeanspruchte Kurbelwellen.

3.2  Nichtrostende Edelstähle

27

Frage 3.2.12: Was ist ein martensitischer Stahl? A: Ein Sonderstahl mit einem Weichglühgefüge, das nach Adolf Martens (1850–1914) benannt ist. B: Es ist ein Stahl, der infolge einer Umwandlungshärtung ein martensitisches Härtegefüge aufweist. C: Es betrifft einen Stahl, der gelegentlich nach dem Weichglühen im Gefüge stellenweise nadelige Martensitstrukturen aufweisen kann. Wichtig ist zu wissen, dass nicht nur nichtrostende Edelstähle, sondern auch andere unlegierte und legierte Stahlsorten ein martensitisches Härtegefüge im Anwendungszustand aufweisen können. Diese betreffen die im Folgenden noch zu behandelnden Werkzeugstähle, Edelbaustähle, Wälzlagerstähle, Ventilstähle und auch die Maraging-Stähle. Frage 3.2.13: Welche typischen Eigenschaften kennzeichnen die martensitischen Stähle? A: Martensitische Stähle besitzen eine sehr hohe Festigkeit und Verschleißbeständigkeit, können warm-, hitze- und korrosionsbeständig sein. B: Martensitische Stähle weisen eine geringe Festigkeit bei hoher Duktilität auf, sind gut umformbar, trennbar und gut geeignet für Federelemente. C: Martensitische Stähle sind immer rostfrei und gut schweißbar. Martensitische Stähle haben üblicherweise folgende chemische Zusammensetzung (Angaben in Masse-%): • • • • • •

Kohlenstoff C: 0,1 bis 1,0 % Chrom Cr: 11,0 bis 18,0 % Mangan Mn: bis 1,5 % Silizium Si: bis 1,0 % Molybdän Mo: bis 3,0 % Nickel Ni: bis 2,0 %

Frage 3.2.14: Welche der genannten Stähle sind Beispiele für martensitische, nichtrostende, warmfeste und hitzebeständige Stähle? A:  X6Cr17 (1.4016), X14CrMoS17 (1.4104), X6CrMoS17 (1.4105), X2CrTiNb18 (1.4509), X3CrTi17 (1.4510), X3CrNb17 (1.4511) und X2CrTi12 (1.4512) B:  X12CrS13 (1.4005), X39Cr13 (1.4031), X65Cr13 (1.4037), X20Cr13 (1.4021), X4CrNiMo16-5-1 (1.4418), X45CrSi9-3 (1.4718), X21CrMoNiV12-1 (1.4923) und X12CrNiMoN2 (1.4939) C: X2CrNiMo18-14-3 (1.4435), X2CrNiMo18-15-2 (1.4441), X1NiCrMoCuN25-20-7 (1.4529) und X1NiCrMoCu25-20-5 (1.4539)

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3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.2.15: Für welche Anwendungen sind martensitische, nichtrostende Edelstähle besonders geeignet? A: Für Befestigungselemente im Meerwasser, für niedrigbeanspruchte Teile im Fahrzeugund Anlagenbau. B: Für Schneidwerkzeuge und glänzende Armaturen. C: Für Wellen, Antriebe, Spindeln, Messer, chirurgische Instrumente, Sensoren, Ventile in Turbinen und in Verbrennungsmotoren. An dieser Stelle eine Zwischenfrage: Frage 3.2.16: Welcher Stahl ist üblicherweise unmagnetisch? A: Ferritischer Stahl B: Martensitischer Stahl C: Austenitischer Stahl D: Hitzebeständiger Stahl Duplex stammt vom Lateinischen „doppelt“. Frage 3.2.17: Was sind Duplex-Stähle? A: Stähle, die zweimal umgeformt werden. B: Stähle, die aus Qualitätsgründen zweimal geschält werden müssen. C: Stähle mit einem Zweiphasengefüge aus Ferrit und Austenit. Frage 3.2.18: Welche typischen Eigenschaften kennzeichnen die Duplex-Stähle? A: Duplex-Stähle sind schwer umformbar und gut schweißbar. B: Duplex-Stähle sind hoch korrosionsbeständig, gut umform- und schweißbar bei hohen Festigkeiten. C: Bei Duplex-Stählen bestimmt die ferritische Matrix die geringe Festigkeit und Korro­ sionsbeständigkeit. In der Praxis werden Duplex-Stähle in Lean-, Standard-, Super- und Hyper-­Duplex-­Stähle unterschieden, je nach Legierungszusammensetzung und Korrosionsbeständigkeit. Die Korrosionsbeständigkeit gilt dabei auch als Richtwert für die Anwendungen. Frage 3.2.19: Welche Kennzahl als Kriterium für die Höhe der Korrosionsbeständigkeit von Duplex-Stählen wird in der Stahlpraxis genutzt? A: Die Summe der Gehalte aller Legierungselemente. B: Die halbe Summe der Gehalte an Kohlenstoff, Chrom, Nickel und Molybdän. C: Die Wirksumme PREN aus den Gehalten an Chrom, Molybdän und Stickstoff. Duplexstähle haben folgenden Legierungsaufbau (Angaben in Masse-%):

3.3 Werkzeugstähle

• • • • • • •

29

Kohlenstoff C: bis 0,03 % Chrom Cr: 21,0 bis 26,0 % Nickel Ni: 3,5 bis 8,0 % Mangan Mn: bis 2,0 % Silizium Si: bis 1,0 % Molybdän Mo: bis 4,0 % Stickstoff N: bis 0,3 %

Frage 3.2.20: Welche der genannten Stähle sind Beispiele für typische Duplex-Stähle? A:  X6Cr17 (1.4016), X14CrMoS17 (1.4104), X6CrMoS17 (1.4105), X2CrTiNb18 (1.4509), X3CrTi17 (1.4510), X3CrNb17 (1.4511) und X2CrTi12 (1.4512) B:  X2CrNiMoN25-7-4 (1.4410), X3CrNiMoN27-5-2 (1.4460), X2CrNiMoN22-5-3 (1.4462), X1CrNiMoCuWN25-7-4 (1.4501), X12CrNi26-5 (1.4820) und X15CrNiSi25-4 (1.4821) C:  X37CrMoV5-1 (1.2343), X40CrMoV5-1 (1.2344), 32CrMoV12-28 (1.2365), X38CrMoV5-3 (1.2367) und 55NiCrMoV7 (1.2714) Frage 3.2.21: Für welche Anwendungen sind Duplex-Stähle besonders geeignet? A: Für Anwendungen mit sehr hohen Korrosionsbeanspruchungen, z. B. in der Chemieund Offshore-Industrie, Wasserwirtschaft, Energiegewinnung, Papier- und Zellstoff­ erzeugung. B: Für Schneid- und Druckwerkzeuge sowie Kunststoff- und Glasformen. C: Für spezielle Antriebe, Spindeln, Messer und Bauteile in sehr sauberer, trockener Atmosphäre.

3.3  Werkzeugstähle Werkzeugstähle (WS) werden zur Herstellung von Werkzeugen und Formen eingesetzt, mit denen Werkstücke aus unterschiedlichsten Materialien bearbeitet werden können. Frage 3.3.1: In welche Hauptgruppen werden die Werkzeugstähle eingeteilt? A: Schnell und langsam schneidende Werkzeugstähle B: Kalt-, Warm- und Schnellarbeitsstähle C: Stähle für Gesenkschmiedewerkzeuge und Kunststoffformen Werkzeuge werden bei den zahlreichen Bearbeitungsverfahren sehr unterschiedlichen Beanspruchungsbedingungen unterworfen. An der Kontaktstelle mit dem zu bearbeitenden Werkstück treten extrem hohe Reibungskräfte auf. Deshalb wird von jedem Werkzeug ein hoher Verschleißwiderstand erwartet. Werkzeugstähle sind daher immer härtbare Stähle.

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3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.3.2: Wozu werden Kaltarbeitsstähle eingesetzt? A: Zur Kühlung von zu spanenden Werkstoffen. B: Für Bauarbeiten in der Kälte. C: Zur Bearbeitung anderer Werkstoffe bei Raumtemperatur. Frage 3.3.3: Welche Anforderungen stellt die Praxis der Metallbearbeitung an Kaltarbeitsstähle? A: Einfache, kostengünstige Herstellung ohne Wärmebehandlung B: Hoher Verschleißwiderstand, hohe Härte und Dauerfestigkeit, gute Druckfestigkeit bei ausreichender Zähigkeit, gute Maßbeständigkeit bei der Wärmebehandlung C: Gute Zähigkeit, geringer Reibungswiderstand und hohe Zunderbeständigkeit Kaltarbeitsstähle haben einen hohen Chromgehalt und besitzen üblicherweise 0,45 bis 2,0 Masse-% Kohlenstoff. Diese Stähle werden im weich geglühten oder auch normal geglühten Zustand geliefert, bearbeitet und dann einer Wärmebehandlung (Vergüten) unterzogen, um die geforderten Verschleißeigenschaften zu sichern. Folgende Untergruppen von Kalt­ arbeitsstählen werden unterschieden: • unlegierte Kaltarbeitsstähle (0,45 bis 1,5 Masse-% Kohlenstoff) • niedrig und hoch legierte Kaltarbeitsstähle (1 bis 2 Masse-% Kohlenstoff, bis 12 Masse-% Chrom, Wolfram, Molybdän, Vanadium) Frage 3.3.4: Welche der genannten Stähle sind typische Kaltarbeitsstähle? A:  X40Cr14 (1.2083), 115CrV3 (1.2210), X100CrMoV5 (1.2363), X153CrMoV12 (1.2379), 100MnCrW4 (1.25109), X50CrMoW9-1-1 (1.2631) und 60MnSiCr4 (1.2826) B:  X37CrMoV5-1 (1.2343), X40CrMoV5-1 (1.2344), 32CrMoV12-28 (1.2365), X38CrMoV5-­3 (1.2367) und 55NiCrMoV7 (1.2714) C:  HS18-0-1 (1.3355), HS18-1-2-5 (1.3255), HS12-1-4-5 (1.3202), HS10-4-3-10 (1.3207), HS6-5-2 (1.3339), HS6-5-3 (1.3344) und HS6-5-2-5 (1.3243) Frage 3.3.5: Wo liegen die Hauptanwendungsbereiche von Kaltarbeitsstählen? A: Verbindungselemente für Anwendungen in der Arktis. B: Warmschermesser, Pilgerdorne, Presswerkzeuge, hochfeste Seile. C: Herstellung von Scheren, Messerklingen, Handhämmer, Baumscheren, Beile, Äxte, Holzsägen, Lehren, Dorne, Maschinenmesser. Frage 3.3.6: Was ist ein Warmarbeitsstahl? A: Ein durch Warmumformung erzeugter unlegierter Stahl. B: Ein legierter Werkzeugstahl, der dauerhaft Oberflächentemperaturen von bis ca. 400 °C aushalten kann. C: Ein hochlegierter Stahl, der nur bei hohen Temperaturen oberhalb von 500 °C spanend bearbeitet werden kann.

3.3 Werkzeugstähle

31

Frage 3.3.7: Welche Anforderungen werden an Warmarbeitsstähle gestellt? A:  Geringe Zunderbeständigkeit bei geringer Zähigkeit, hohe Klebeneigung sowie schlechte Beschichtbarkeit und geringe Wärmeleitfähigkeit. B: Geringer Rollwiderstand und hohe Korrosionsbeständigkeit. C: Gute Warmzähigkeit, hohe Warmfestigkeit, Anlassbeständigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit bei gleichzeitig guter Reparaturschweißbarkeit Zur Sicherung der Warmfestigkeit, aber auch der Temperaturwechselfestigkeit und Zähigkeit von Warmarbeitsstählen ist ein Gefüge aus Martensit mit Sekundärkarbidausscheidungen erforderlich. Deshalb weisen Warmarbeitsstähle üblicherweise Legierungsgehalte in folgenden Bereichen auf: • • • •

Kohlenstoff C: 0,20 bis 0,65 Masse-% Chrom Cr: 2,7 bis ca. 5,5 Masse-% Molybdän Mo: 1,1 bis 3,2 Masse-% Vanadium V: 0,3 bis 1,15 Masse-%

Auch Nickel mit ca. 1,5 bis 1,8 Masse-%, Wolfram mit bis zu 9 Masse-% und Kobalt mit ca. 4,0 bis 4,5 Masse-% können zulegiert werden. Frage 3.3.8: Welche der genannten Stähle sind typische Warmarbeitsstähle? A:  X40Cr14 (1.2083), 115CrV3 (1.2210), X100CrMoV5 (1.2363), X135CrMoV12 (1.2379), 100MnCrW4 (1.25109), X50CrMoW9-1-1 (1.2631) und 60MnSiCr4 (1.2826) B:  X37CrMoV5-1 (1.2343), X40CrMoV5-1 (1.2344), 32CrMoV12-28 (1.2365), X38CrMoV5-­3 (1.2367) und 55NiCrMoV7 (1.2714) C:  HS18-0-1 (1.3355), HS18-1-2-5 (1.3255), HS12-1-4-5 (1.3202), HS10-4-3-10 (1.3207), HS6-5-2 (1.3339), HS6-5-3 (1.3344) und HS6-5-2-5 (1.3243) Die Legierungselemente Chrom, Molybdän, Vanadium sowie Wolfram, Silizium, Nickel, Mangan und Kobalt sind so aufeinander abgestimmt, dass eine Vielzahl von Warmarbeitsstählen, dem jeweiligen Verwendungszweck angepasst, zur Auswahl stehen. Frage 3.3.9: Für welche Anwendungen sind Warmarbeitsstähle besonders geeignet? A: Werkzeuge für die Warmumformung und das Druckgießen B: Schneid- und Trennwerkzeuge C: Lager und hochbeanspruchte Maschinenbauteile Ingenieure, Chemiker und Metallurgen entwickelten aufwendig in Versuchsreihen Stähle mit besonderen Eigenschaften für Werkzeuge, mit denen wiederum auch Stähle und andere Werkstoffe umgeformt und spanend bearbeitet werden können. Diese für Werkzeuge geeigneten Stähle müssen schon sehr hart und verschleißfest sein.

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3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.3.10: Was ist typisch für einen Schnellarbeitsstahl? A: Er ist auf dem Markt besonders schnell verfügbar und somit für viele Arbeiten einsetzbar. B: Er hat eine sehr hohe Anlassbeständigkeit, behält bis nahezu 600 °C seine volle Schneidkraft und kann deshalb für Hochleistungsschneidwerkzeuge eingesetzt werden. C: Er wird immer dann für spezielle Zerspanungsaufgaben eingesetzt, wenn diese aus logistischen Gründen schnell erledigt werden müssen. Ausgangspunkt der Entwicklung der Schnellarbeitsstähle war der „Wunderdrehstahl“, ein gehärteter, hochlegierter Chrom-Wolfram-Stahl, den Frederick Winslow Taylor (1856–1915) 1900 auf der Weltausstellung in Paris vorstellte (Trent & Wright, 2000; Ernst, 2009). Heutige Schnellarbeitsstähle basieren legierungstechnisch auf einem Wolframstahl, der mit 4 Masse-% Chrom legiert wird. Die Kohlenstoffgehalte von mindestens 0,8 bis 0,9 Masse-% sichern durch die Bildung von Karbiden die Forderung nach einer Mindesthärte von 65 HRC (Rockwellhärte) und der Chromgehalt von 4 Masse-% führt zu einer ausreichenden Durchhärtung. Höhere bzw. höchste Warmhärten werden durch Zulegieren von Kobalt erreicht. Der hohe Anteil dieser Karbidbildner als Legierungselemente hat auch zu einer besonderen Regelung im Bezeichnungssystem für Schnellarbeitsstähle geführt. Frage 3.3.11: Wie werden Schnellarbeitsstähle mit Kurznamen bezeichnet? A: Mit XS beginnend, dann Angabe der Gehalte an Kohlenstoff, Chrom, Molybdän, Kobalt und Vanadium mit zunehmenden Gehalten in Masse-%. B: Mit HX beginnend, dann nur die Gehalte an Wolfram, Kobalt und Molybdän. C: Mit HS beginnend, dann die Masseanteile der Legierungselemente in der Reihenfolge: Wolfram – Molybdän – Vanadium – Kobalt. Die große Zahl der heute gebräuchlichen Legierungsarten von Schnellarbeitsstählen lässt sich auf vier Grundlegierungen zurückführen (Trent & Wright, 2000; König & Klocke, 2008): 1. Gruppe: 18 Masse-% Wolfram und fast kein Molybdän 2. Gruppe: 12 Masse-% Wolfram und bis zu 4 Masse-% Molybdän 3. Gruppe: 6 Masse-% Wolfram und 5 Masse-% Molybdän 4. Gruppe: Maximal 2 Masse-% Wolfram und 9 Masse-% Molybdän Die DIN EN 10027-2 führt alle Schnellarbeitsstähle in den Stahlgruppennummern 1.32XX (mit Kobalt) und 1.33XX (ohne Kobalt). Frage 3.3.12: Welche der genannten Stähle sind Schnellarbeitsstähle? A:  X40Cr14 (1.2083), 115CrV3 (1.2210), X100CrMoV5 (1.2363), X153CrMoV12 (1.2379), 100MnCrW4 (1.25109), X50CrMoW9-1-1 (1.2631) und 60MnSiCr4 (1.2826) B:  X37CrMoV5-1 (1.2343), X40CrMoV5-1 (1.2344), 32CrMoV12-28 (1.2365), X38CrMoV5-­3 (1.2367) und 55NiCrMoV7 (1.2714) C:  HS18-0-1 (1.3355), HS18-1-2-5 (1.3255), HS12-1-4-5 (1.3202), HS10-4-3-10 (1.3207), HS6-5-2 (1.3339), HS6-5-3 (1.3344) und HS6-5-2-5 (1.3243)

3.3 Werkzeugstähle

33

Die hohe Warm- und Verschleißfestigkeit bei hoher Anlassbeständigkeit, mittels spezieller Wärmebehandlung angepasst an den konkreten Einsatzzweck, und eine ausreichende Korrosionsbeständigkeit gegenüber Wasser und alkalischen Medien sichern den Schnellarbeitsstählen ein sehr breites Anwendungsgebiet. Frage 3.3.13: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Schnellarbeitsstählen? A: Hochleistungsschneidwerkzeuge, Werkzeuge zum Umformen und sonstige hochbeanspruchte Werkzeuge und Bauteile B: Warmschermesser, Pilgerdorne, Stanzwerkzeuge, hochfeste Seile, harte Drähte wie z. B. für Klaviersaiten. C: Konstruktionsteile für den Tunnelbau, Handhämmer, Verschleißteile für Baumaschinen Je nach Einsatzgebiet werden die genannten Werkzeugstähle mit bestimmten Eigenschaften (Härte, Zähigkeit, Schnitthaltigkeit, Warmfestigkeit, Anlassbeständigkeit u. a.) ausgewählt. Treten bei der Anwendung höhere Temperaturen auf, spielen die Warmfestigkeit und die Anlassbeständigkeit der eingesetzten Werkzeugstähle eine besondere Rolle. Diese beschreiben die Eigenschaft, wie mit zunehmender Temperatur sich Festigkeit bzw. Härte verhalten, also ab welcher Temperatur diese abfallen und dann der Werkzeugstahl zunehmend verschleißt. Die verschiedenen Werkzeugstahlgruppen verhalten sich hierbei unterschiedlich, erkennbar an deren Anlassschaubildern, wie in Abb. 3.1 gezeigt. Frage 3.3.14: Welche Anlasskurve aus Abb. 3.1 gehört zum Schnellarbeitsstahl? A: Kurve B B: Kurve C C: Kurve A

Abb. 3.1  Vergleich der Anlassschaubilder der drei Hauptgruppen von Werkzeugstählen

HRC

A

65 60

B

55 50 45 40

C

35 30

0

100 200 300 400 500 600 700 °C

34

3.4 

3  Ausgewählte Stähle

Edelbaustähle

Mit einem schon geringen Zusatz an Legierungselementen zum Basiselement Eisen, mit ausgeklügelter metallurgischer Herstellung und Verarbeitungstechnologie können Stähle gezielt mit Eigenschaften erzeugt werden, die höchsten Anforderungen bei unterschiedlichsten Anwendungen gerecht werden. So sind überall dort spezielle Edelbaustähle im Einsatz, wo Maschinen und deren Bauteile enorme statische und dynamische Belastungen verkraften müssen. Die Namen dieser Edelbaustähle – Vergütungs-, Einsatz- und Nitrierstähle – sagen es bereits: Sie sind besonders behandelt bzw. behandelbar. Frage 3.4.1: Was sind Vergütungsstähle? A: Stähle, die vom Kunden sofort bezahlt (vergütet) werden. B: Stähle, die durch Vergüten (Härten und Anlassen) behandelt wurden. C: Stähle, die in Härteöfen als Unterlage Verwendung finden. Man unterscheidet grundsätzlich Mangan-, Chrom-, Chrom-Molybdän- und Chrom-Nickel-Molybdän-Vergütungsstähle. Frage 3.4.2: Welche der genannten Stähle sind typische Vergütungsstähle? A: 50MnSi4 (1.5131), 41Cr4 (1.7035), 25CrMo4 (1.7218), 34CrMo4 (1.7220), 42CrMo4 (1.7225), 50CrMo4 (1.7228), 36CrNiMo4 (1.6511), 30CrNiMo8 (1.6580) und 34CrNiMo6 (1.6582) B: 17CrS3 (1.7014), 17Cr3 (1.7016), 16MnCr5 (1.7131), 20MnCr5 (1.7147), 15NiCr13 (1.5752), 15CrNi6 (1.5919), 18CrNi8 (1.5920), 20NiCrMo2-2 (1.6523) und 18CrNiMo7-6 (1.6587) C: 34CrAlMo5-10 (1.8507), 41CrAlMo7-10 (1.8509), 31CrMo12 (1.8515), 31CrMoV9 (1.8519) und 34CrAlNi7-10 (1.8550) Frage 3.4.3: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Vergütungsstählen? A: Bewehrungsteile für Stahlbeton B: Hoch beanspruchte Maschinenbau-, Fahrzeug- bzw. Motorenteile, wie z. B. Achsen, Wellen, Pleuel C: Niedrig beanspruchte Konstruktionsteile für Stahltreppen Frage 3.4.4: Worauf nimmt der Begriff „Einsatz“ bei „ Einsatzstähle“ Bezug? A: Es sind Stähle, die überall eingesetzt werden können. B: Es betrifft Sonderstähle, die speziellen Einsatzbedingungen im Meerwasser gerecht und für diese Einsätze gezielt vorbehandelt werden. C: Es sind Stähle, die durch eine spezielle Behandlung („Einsetzen“) an der Oberfläche aufgekohlt und somit dort härter werden.

3.4 Edelbaustähle

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Einsatzstähle, genormt in DIN EN 10084, sind Edelbaustähle mit unterschiedlichen Legierungsgehalten von Chrom, Mangan, Molybdän und Nickel. Sie weisen einen relativ niedrigen Kohlenstoffgehalt von 0,1 bis weniger als 0,3 Masse-% auf und werden unterteilt in unlegierte und legierte Einsatzstähle (Chrom- und Chrom-Mangan-, Chrom-­Nickel- und Chrom-Nickel-Molybdän-Einsatzstähle). Frage 3.4.5: Welche der genannten Stähle sind typische Einsatzstähle? A: 50MnSi4 (1.5131), 41Cr4 (1.7035), 25CrMo4 (1.7218), 34CrMo4 (1.7220), 42CrMo4 (1.7225), 50CrMo4 (1.7228), 36CrNiMo4 (1.6511), 30CrNiMo8 (1.6580) und 34CrNiMo6 (1.6582) B: 17CrS3 (1.7014), 17Cr3 (1.7016), 16MnCr5 (1.7131), 20MnCr5 (1.7147), 15NiCr13 (1.5752), 15CrNi6 (1.5919), 18CrNi8 (1.5920), 20NiCrMo2-2 (1.6523) und 18CrNiMo7-6 (1.6587) C: 34CrAlMo5-10 (1.8507), 41CrAlMo7-10 (1.8509), 31CrMo12 (1.8515), 31CrMoV9 (1.8519) und 34CrAlNi7-10 (1.8550) Die Kombination aus einem weichen, zähen Kern und aus harter, verschleißbeständiger Oberfläche von Bauteilen ist wichtig, um diese unempfindlich gegen Stoß- und Biegebeanspruchungen zu machen. Hierzu müssen die Einsatzbedingungen (Kohlungsmittel, Temperatur, Zeit) der Stahlsorte und den Anforderungen an das Werkstück (Größe, Geometrie) angepasst werden. Frage 3.4.6: Für welche Anwendungen sind Einsatzstähle besonders geeignet? A: Für Teile, die eine harte, verschleißfeste Randschicht und einen zähen Kern aufweisen müssen, z. B. Getriebe- und Steuerungsteile, Zahnräder, Büchsen. B: Für dehnbare Bewehrungselemente im Stahlbeton. C: Für spezielle Gewindeschneidbohrer, einsatzgehärtete Schermesser und Feilen. Frage 3.4.7: Was sind Nitrierstähle? A: Stähle, die stets unter Stickstoff lagern. B: Stähle bzw. Stahlbauteile, die durch eine aufwendige Wärmebehandlung so eingestellt wurden, dass sie eine weiche Oberfläche und einen harten Kern aufweisen. C: Stähle, bei denen durch Nitrieren ein Oberflächenaufhärten durch Eindringen von Stickstoff vorgenommen wird. Nitrierstähle werden wie Vergütungsstähle legiert und zusätzlich gezielt mit so genannten „Nitridbildnern“ versetzt, wie Aluminium und Chrom, teils auch mit Molybdän, Vanadium, Titan und Nickel. Der Kohlenstoffgehalt liegt üblicherweise zwischen 0,2 bis 0,65 Masse-%. Man unterscheidet wie bei den Vergütungsstählen: Mangan-, Chrom-, Chrom-Molybdänund Chrom-Nickel-Molybdän-Stähle.

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3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.4.8: Welche der genannten Stähle sind typische Nitrierstähle? A: 50MnSi4 (1.5131), 41Cr4 (1.7035), 25CrMo4 (1.7218), 34CrMo4 (1.7220), 42CrMo4 (1.7225), 50CrMo4 (1.7228), 36CrNiMo4 (1.6511), 30CrNiMo8 (1.6580) und 34CrNiMo6 (1.6582) B: 17CrS3 (1.7014), 17Cr3 (1.7016), 16MnCr5 (1.7131), 20MnCr5 (1.7147), 15NiCr13 (1.5752), 15CrNi6 (1.5919), 18CrNi8 (1.5920), 20NiCrMo2-2 (1.6523) und 18CrNiMo7-6 (1.6587) C: 34CrAlMo5-10 (1.8507), 41CrAlMo7-10 (1.8509), 31CrMo12 (1.8515), 31CrMoV9 (1.8519) und 34CrAlNi7-10 (1.8550) Wenn Maschinenbauteile höchstem Gleitverschleiß ausgesetzt sind und dazu auch noch Temperaturbelastungen bis etwa 500  °C auftreten, dann sind die Nitrierstähle gefragt. Diese Stähle können Oberflächenhärten bis 1200 HV (Vickershärte) aufweisen. Gleichzeitig macht eine Nitrierschicht den Stahl korrosionsträger. Frage 3.4.9: Für welche Anwendungen sind Nitrierstähle besonders geeignet? A: Wellen, Ventilspindeln, Kolbenstangen, Kurbelwellen, Armaturenteile, Teile für Hydraulik und Pneumatik. B: Für dehnbare Bewehrungselemente im Stahlbeton. C: Für spezielle Gewindeschneidbohrer, einsatzgehärtete Schermesser, Haumesser und Feilen.

3.5  Nickel- und Sonderwerkstoffe Gegliedert nach ihren Anwendungen werden folgende Nickel- und Sonderwerkstoffgruppen behandelt: • • • •

korrosionsbeständige Werkstoffe hitzebeständige und hochwarmfeste Werkstoffe Heizleiterwerkstoffe Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen

Frage 3.5.1: Was sind Nickel- und Sonderwerkstoffe? A: Seltene Stähle mit sehr geringen Festigkeiten. B: Legierungen mit außergewöhnlichen Eigenschaften, die den Bereich der Stähle verlassen und den Nichteisenmetallen und Superlegierungen zugeordnet werden. C: Besonders zähe und generell nichtmagnetische Legierungen mit geringen Nickelgehalten. Der Chromgehalt von korrosionsbeständigen Nickel- und Sonderwerkstoffen wird wegen der Sicherung der Korrosionsbeständigkeit auf über 12 Masse-% eingestellt. Der Kohlenstoff-­ Gehalt beträgt üblicherweise  32 Masse-%. Weitere mögliche Legierungselemente sind: Wolfram, Titan, Kupfer, Niob, Molybdän.

3.5  Nickel- und Sonderwerkstoffe

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Frage 3.5.2: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für korrosionsbeständige Nickel- und Sonderwerkstoffe? A: LC-Ni 99 – Alloy 201 (2.4068), NiCu30Fe – Alloy 400 (2.4360), NiCr21Mo16W – Alloy 686 (2.4606), NiCr20CuMo  – Alloy 20 (2.4660), NiCr19NbMo  – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe – Alloy 600 (2.4816), NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856) und X2CrNiMnMoNbN25-­18-­5-4 – Alloy 24 (2.4887) B: NiCr23Co12Mo – Alloy 617 (2.4663), NiCr15Fe – Alloy 600 (2.4816), NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856), NiCr15Fe – Alloy 800 (1.4876), NiCr19NbMo – Alloy 718 (2.4668), NiCr20TiAl – Alloy 80 A (2.4952) und X6NiCrMoVB25-15-2 – Alloy A-286 (1.4980) C: FeNi 36 (1.3912), FeNi 42 (1.3917), FeNi 48 (1.3922), NiCo 29 18 (1.3981), NiFe 45 (2.4472) und NiFe 47 (2.4478) Neben der sehr guten Korrosions- und Zunderbeständigkeit zeichnen korrosionsbeständige Nickel- und Sonderwerkstoffe auch andere Eigenschaften aus wie Schweißbarkeit, Verschleißwiderstand, chemische Beständigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit. Frage 3.5.3: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von korrosionsbeständigen Nickelund Sonderwerkstoffen? A: Fahrzeug- und Schiffbau, Motorenteile für stationäre Motoren B: Sicherungstechnik, Treppenbau, Architektur, Hochbau C: Chemie- und Nuklearanlagenbau, Marine- und Off-Shore-Anlagenbau, Lebensmittel­ industrie, Salzgewinnung, Wärmetauscher, Ölverarbeitung und Energiegewinnung Eine weitere Gruppe der Nickel- und Sonderwerkstoffe sind die hochwarmfesten und hitzebeständigen Werkstoffe. Zunächst ein Hinweis zu den in der Praxis üblichen Begriffen zur Charakterisierung der Temperaturbeständigkeit nach Temperaturbereichen: • warmfest: 300 bis 550 °C • hochwarmfest: 550 bis 850 °C • hitzebeständig: bis ca. 1100 °C Hochwarmfeste und hitzebeständige Werkstoffe besitzen einen hohen Legierungsanteil an Chrom, Nickel und Silizium, um unter oxidierenden Bedingungen eine dichte, haftfeste Chrom-Oxid-Schicht auf der Bauteiloberfläche zu bilden. Diese Oxidschicht schützt das darunterliegende Material vor weiterer Oxidation. Durch das Zulegieren von Nickel wird eine Erhöhung der Warmfestigkeit erreicht. Frage 3.5.4: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für hochwarmfeste Nickel- und Sonderwerkstoffe? A: LC-Ni 99 – Alloy 201 (2.4068), NiCu30Fe – Alloy 400 (2.4360), NiCr21Mo16W – Alloy 686 (2.4606), NiCr20CuMo  – Alloy 20 (2.4660), NiCr19NbMo  – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe – Alloy 600 (2.4816) und NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856)

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3  Ausgewählte Stähle

B:  NiCr19NbMo  – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe7TiAl  – Alloy X-750 (2.4669), NiCr20TiAl – Alloy 80 A (2.4952) und X6NiCrMoVB25-15-2 – Alloy A-286 (1.4980) C: FeNi 36 (1.3912), FeNi 42 (1.3917), FeNi 48 (1.3922), NiCo 29 18 (1.3981), NiFe 45 (2.4472) und NiFe 47 (2.4478) Frage 3.5.5: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für hitzebeständige Nickel- und Sonderwerkstoffe? A: LC-Ni 99 – Alloy 201 (2.4068), NiCu30Fe – Alloy 400 (2.4360), NiCr21Mo16W – Alloy 686 (2.4606), NiCr20CuMo  – Alloy 20 (2.4660), NiCr19NbMo  – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe – Alloy 600 (2.4816) und NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856) B:  NiCr19NbMo  – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe7TiAl  – Alloy X-750 (2.4669), NiCr20TiAl – Alloy 80 A (2.4952) und X6NiCrMoVB25-15-2 – Alloy A-286 (1.4980) C: NiCr23Co12Mo – Alloy 617 (2.4663), NiCr15Fe – Alloy 600 (2.4816), NiCr23Fe – Alloy 601 (2.4851), NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856), NiCr21Mo – Alloy 825 (2.4858) und NiCr15Fe – Alloy 800 (1.4876) Hochwarmfeste und hitzebeständige Nickel- und Sonderwerkstoffe weisen gute mechanische Eigenschaften auch bei einer Langzeitbeanspruchung unter höheren Temperaturen auf. Gleichzeitig halten sie aggressiven Medien stand. Frage 3.5.6: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von hochwarmfesten Nickel- und Sonderwerkstoffen? A: Industrieofenbau, Erzaufbereitungsanlagen, Röstöfen, Ofenanlagen der Zement- und Erdölindustrie sowie in petrochemischen Betrieben, Müllverbrennungsanlagen, Kraftwerksbau, Turbinenbau, Auslassventile bei Verbrennungsmotoren, Drahtgewebe und -gestricke für Filter und Abgassysteme B: Sicherungstechnik, Treppenbau und Hochbau in der Wüste C: Fahrzeug- und Schiffbau, Motorenteile für stationäre Motoren, Marine- und Off-­ShoreAnlagenbau Frage 3.5.7: Was ist ein Heizleiter? A: Eine beheizte Treppenleiter. B: Eine spezielle wärmetransportierende Vorrichtung, die in Vakuumöfen zur Behandlung von Spezialbauteilen genutzt wird. C: Eine Widerstandslegierung, die eine Energieumwandlung (Elektroenergie in Wärme) ermöglicht, d. h. sich bei Stromdurchgang erwärmt. Durch den Zusatz geeigneter Legierungselemente wird bei Heizleiterwerkstoffen der spezifische elektrische Widerstand gezielt sehr hoch eingestellt. Man unterscheidet die ferritischen Chrom-Aluminium-Legierungen mit bis 30 Masse-% Chrom sowie die austenitischen Nickel-Chrom-Legierungen, wobei der Gehalt der Legierungselemente bis zur

3.5  Nickel- und Sonderwerkstoffe

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völligen Eisenfreiheit gestaffelt sein kann. Der Schutz der Oberfläche gegen Verzunderung wird bei den Chrom-Aluminium-Legierungen durch das Aluminiumoxid und bei den Nickel-­Chrom-Legierungen durch das Chromoxid erreicht. Frage 3.5.8: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für Heizleiterwerkstoffe? A: CrAl 14 4 (1.4725), CrAl 25 5 (1.4765), CrAl 20 5 (1.4767), NiCr 30 20 (1.4860), NiCr 60 15 (2.4867) und NiCr 80 20 (2.4869) B:  NiCr19NbMo  – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe7TiAl  – Alloy X-750 (2.4669), NiCr20TiAl – Alloy 80 A (2.4952) und X6NiCrMoVB25-15-2 – Alloy A-286 (1.4980) C: FeNi 36 (1.3912), FeNi 42 (1.3917), FeNi 48 (1.3922), NiCo 29 18 (1.3981), NiFe 45 (2.4472) und NiFe 47 (2.4478) Frage 3.5.9: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Heizleiterwerkstoffen? A: Sicherungstechnik, Wärmetauscher, Treppenbau und Hochbau in der Wüste. B: Fahrzeug- und Schiffbau, Motorenteile für stationäre Motoren, Marine- und Off-­ShoreAnlagenbau. C: Zum Heizen in der Industrie (z. B. für Heizpatronen, Heizspiralen in Öfen), im Freizeitbereich (z. B. beheizte Sitze im PKW) sowie im Haushalt. Interessante Werkstoffe mit besonderen Eigenschaften sind die Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen. Frage 3.5.10: Was sind Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen? A: Stahllegierungen, die als Rohstoff der Schmelze zur Glaserzeugung zulegiert werden. B: Werkstoffe, die einen definierten Ausdehnungskoeffizienten aufweisen. C: Legierungen für Werkzeugformen, die z. B. Glasbläser zur Herstellung von Gläsern nutzen. Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen basieren auf Eisen-Nickel-, Eisen-­ Nickel-­ Chrom- und Eisen-Nickel-Kobalt-Legierungen mit Nickelgehalten von > 29 Masse-%. Frage 3.5.11: Welche der genannten Legierungen sind typische Einschmelzlegierungen? A: FeNi 36 (1.3912), FeNi 42 (1.3917) und FeNi 48 (1.39229) B: NiCo 29 18 (1.3981), NiFe 45 (2.4472) und NiFe 47 (2.4478) C:  NiCr19NbMo  – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe  – Alloy 600 (2.4816) und NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856) Frage 3.5.12: Welche der genannten Legierungen sind typische Ausdehnungslegierungen? A: FeNi 36 (1.3912), FeNi 42 (1.3917) und FeNi 48 (1.39229)

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3  Ausgewählte Stähle

B: NiCo 29 18 (1.3981), NiFe 45 (2.4472) und NiFe 47 (2.4478) C:  NiCr19NbMo  – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe  – Alloy 600 (2.4816) und NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856) Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen mit ihren charakteristischen Ausdehnungsverhalten sind gut kaltumformbar. Aufgrund ihrer Zähigkeit und Festigkeit verhalten sie sich bei spanabhebender Bearbeitung wie austenitische Stähle. Schweißen und Löten sind ohne besondere Schwierigkeiten durchführbar. Frage 3.5.13: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen? A: Wärmetauscher, Treppenbau und Hochbau, Hydraulik- und Pneumatikzylinder B: Apparate- und Werkzeugbau, „Bimetalle“ für Messinstrumente, Thermostate, Relais, Glas-/Keramik-Metallversiegelungen, Lichttechnik C: Zum Heizen in der Industrie, für Teile beim Wärmeofenbau, Sportgerätebau, Stahlbetonbau, für Fassadenverkleidungen und optische Elemente an Werbetafeln.

3.6 

Sonstige Stähle

In der Praxis spielen folgende Stähle, bezeichnet nach ihren Anwendungen, eine besondere Rolle: • • • • •

Automatenstähle Federstähle Wälzlagerstähle Ventilstähle Magnetventilstähle

sowie auch Maraging-Stähle. Frage 3.6.1: Was charakterisiert einen Automatenstahl? A: Er kann an vollautomatisch arbeitenden Biegemaschinen umgeformt werden. B: Er verursacht automatisch beim Bohren sehr lange Späne. C: Er führt zu einer Kurzbrüchigkeit der Späne bei der Zerspanung und garantiert eine quasi ununterbrochene Bearbeitung auf Automatendrehmaschinen. Automatenstähle weisen Schwefel-Gehalte von 0,08 bis 0,4 Masse-% auf und bilden mit ihren Mangangehalten verhältnismäßig weiche Einschlüsse (Mangansulfide). Diese sind erwünscht, da sie zum Spanbruch führen (kurze Späne). Kurze Späne können besser und schneller von der Bearbeitungszone entfernt werden als Langspäne oder Wirrspäne. Auch durch Bleizusatz entstehen Einschlüsse, an denen die Späne brechen. Zusätzlich wirken Blei und Sulfide an der Oberfläche schützend und schmierend beim Zerspanungsvorgang.

3.6  Sonstige Stähle

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Frage 3.6.2: Welche der genannten Legierungen sind typische Automatenstähle? A: 11SMn30 (1.0715), 11SMnPb30 (1.0718), 10SPb20 (1.0722), 11SMnPb37 (1.0737), 11SMnPbTe37 (1.0738), 60SPb22 (1.0758) und 70SPb20 (1.0759) B: C67E 7/C67S (1.1231), X10CrNi18-8 (1.4310), 38Si7 (1.5023), 67SiCr5 (1.7103), 61SiCr7 (1.7108) und 52CrMoV4 (1.7701) C:  X45CrSi9-3 (1.4718), X40CrSiMo10-2 (1.4731), X85CrMoV18-2 (1.4748), X33CrNiMnN23-­ 8 (1.4866), X53CrMnNiN21-9 (1.4871), X55CrMnNiN20-8 (1.4875), X50CrMnNiNbN21-­ 9 (1.4882), X45CrNiW18-9 (1.4873), NiCr20TiAl (2.4952) und Ni-Cr-Leg. 30/15 (9.4991) Frage 3.6.3: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Automatenstählen? A: Montagewerkzeuge, Automatikbürst- und Schleifanlagen für Hartmetalle B: Einzelfertigung großer Drehteile mit unkontrolliertem Spanabtrag C: Serienfertigung von Präzisionsdrehteilen auf Drehautomaten und ­Bearbeitungszentren Frage 3.6.4: Was ist typisch für einen Federstahl? A: Er ist sehr gut plastisch umformbar, hat eine geringe Festigkeit und ein optisch ansprechendes Aussehen. B: Seine herausragende Elastizität, wie sie für die Anwendung bei Federn erforderlich ist. C: Er besitzt ein sprödes Verhalten bei Zugbelastung. Wichtig für die gezielte Einstellung der Feder-Elastizität ist die „metallurgische Arbeit“, d. h. die Legierungstechnik (chemische Analyse) bei der Stahlerzeugung, insbesondere die Sicherung eines definierten Gehaltes an Silizium im Stahl sowie einer gleichmäßigen Verteilung des Kohlenstoffes im Gefüge. Frage 3.6.5: Welche der genannten Legierungen sind typische Federstähle? A: 11SMn30 (1.0715), 11SMnPb30 (1.0718), 10SPb20 (1.0722), 11SMnPb37 (1.0737), 11SMnPbTe37 (1.0738), 60SPb22 (1.0758) und 70SPb20 (1.0759) B: C67E 7/C67S (1.1231), X10CrNi18-8 (1.4310), 38Si7 (1.5023), 67SiCr5 (1.7103), 61SiCr7 (1.7108) und 52CrMoV4 (1.7701) C:  X45CrSi9-3 (1.4718), X40CrSiMo10-2 (1.4731), X85CrMoV18-2 (1.4748), X33CrNiMnN23-­ 8 (1.4866), X53CrMnNiN21-9 (1.4871), X55CrMnNiN20-8 (1.4875), X50CrMnNiNbN21-­ 9 (1.4882), X45CrNiW18-9 (1.4873), NiCr20TiAl (2.4952) und Ni-Cr-Leg. 30/15 (9.4991) Frage 3.6.6: Für welche Anwendungen sind Federstähle besonders geeignet? A: Federn unterschiedlichster Art zur Speicherung potenzieller Energie, z. B. Kupplungsfedern, Fahrwerksfedern, Rückstellfedern. B: Hochplastische Schwingungsdämpfer, Aufprallenergieabsorber für Fahrzeuge C: Leichtbauteile für schwingende Hängebrücken

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3  Ausgewählte Stähle

In Wälzlagern rotieren rollende Körper zwischen Innen- und Außenring (Rollreibung mit geringem Reibungswiderstand). So werden sich drehende Achsen und Wellen fixiert. Je nach Bauart ermöglichen diese Lager eine Rotation mit möglichst geringer Reibung und gleichzeitig auch die Übertragung axialer und/oder radialer Kräfte. Frage 3.6.7: Welche Eigenschaften haben Wälzlagerstähle? A: Eine gute Schmierwirkung durch Bleizusatz. B: Einen hohen Widerstand gegen Rotationsbeanspruchung. C: Einen sehr hohen Verschleißwiderstand durch im Gefüge eingeformte harte ChromKarbide. Wälzlager werden aus Chromstahl gefertigt. Dieser Stahl enthält durch den hohen Kohlenstoff- und Chromgehalt im Gefüge eingeformte Chrom-Karbide. Diese sichern den hohen Verschleißwiderstand. Frage 3.6.8: Welche der genannten Legierungen sind typische Wälzlagerstähle? A: 11SMn30 (1.0715), 11SMnPb30 (1.0718), 10SPb20 (1.0722), 11SMnPb37 (1.0737), 11SMnPbTe37 (1.0738), 60SPb22 (1.0758) und 70SPb20 (1.0759) B: C67E 7/C67S (1.1231), X10CrNi18-8 (1.4310), 38Si7 (1.5023), 67SiCr5 (1.7103), 61SiCr7 (1.7108) und 52CrMoV4 (1.7701) C: 100Cr6 (1.3505), 100CrMnSi6-4 (1.3520), 100CrMo7-3 (1.3536), X65Cr13 (1.4037) und X30CrMoN15-1 (1.4108) Frage 3.6.9: Für welche Anwendungen sind Wälzlagerstähle besonders geeignet? A: Für Verschleißteile an Baumaschinen, z. B. für Rüttelplatten. B: Zur Herstellung unterschiedlichster Typen von Wälzlagern, für deren Außen- und Innenringe sowie für die Wälzkörper. C: Für Schneidzähne in Rotationsmahlwerken, für Schlagbohrwerkzeuge, für Rundfeilen. Frage 3.6.10: Was sind Ventilstähle? A: Stähle, die als Baustähle für Thermostatventile eingesetzt werden. B: Stähle, die mit definierten magnetischen Eigenschaften in Einspritzventilen zur Anwendung kommen. C: Stähle, die als Ein- oder Auslassventile in Verbrennungsmotoren sehr komplexen, hohen Anforderungen gerecht werden. Folgende Gruppen von Ventilstählen werden unterschieden: • Martensitische Ventilstähle Diese Stähle werden als Standardlösung für monometallische Einlassventile und bei Bimetall-Ventilen ausschließlich als Werkstoff für die Schäfte eingesetzt.

3.6  Sonstige Stähle

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• Austenitische Ventilstähle Bewährt haben sich die austenitischen Chrom-Mangan-Stähle für Auslassventile. • Hochnickelhaltige Ventilwerkstoffe Bei sehr hohen thermischen Anforderungen und höchster Betriebssicherheit (Flugmotoren, Motoren für den Rennsport, hoch aufgeladene Dieselmotoren) sind die Nickel-­Basis-­ Legierungen gefragt. Frage 3.6.11: Welche der genannten Legierungen sind typische Ventilstähle? A:  X45CrSi9-3 (1.4718), X40CrSiMo10-2 (1.4731), X85CrMoV18-2 (1.4748), X33CrNiMnN23-­ 8 (1.4866), X53CrMnNiN21-9 (1.4871), X55CrMnNiN20-8 (1.4875), ­ X50CrMnNiNbN21-­ 9 (1.4882), X45CrNiW18-9 (1.4873), NiCr20TiAl (2.4952) und Ni-Cr-Leg. 30/15 (9.4991) B: C67E 7/C67S (1.1231), X10CrNi18-8 (1.4310), 38Si7 (1.5023), 67SiCr5 (1.7103), 61SiCr7 (1.7108) und 52CrMoV4 (1.7701) C: 100Cr6 (1.3505), 100CrMnSi6-4 (1.3520), 100CrMo7-3 (1.3536), X65Cr13 (1.4037) und X30CrMoN15-1 (1.4108) Frage 3.6.12: Für welche Anwendungen sind Ventilstähle besonders geeignet? A: Für Verschleißteile an Werkzeugmaschinen, CNC-Bearbeitungszentren und Bohrwerken. B: Für Hydraulikventile an Baumaschinen. C: Für Ventile unterschiedlichster Verbrennungsmotoren. Frage 3.6.13: Was kennzeichnet Magnetventilstähle? A: Sie sind völlig unmagnetisch und nicht magnetisierbar. B: Es sind Stähle, die zur sicheren Funktion von elektromagnetisch betriebenen Ventilen definierte magnetische Eigenschaften aufweisen. C: Diese Stähle werden für die Befestigung von Magnetventilen in Wasserleitungen eingesetzt, da sie eine angepasste Korrosionsbeständigkeit aufweisen. An Magnetventilstähle werden hohe Anforderungen gestellt hinsichtlich: • Einhaltung der vorgegebenen chemischen Analyse (wichtig u.  a.: Summenkennwert der Gehalte an Kohlenstoff + Stickstoff) • hoher Reinheitsgrad • Belastbarkeit (Festigkeit, Verschleißfestigkeit), Korrosionsbeständigkeit • definierte magnetische Eigenschaften

44

3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.6.14: Welche der genannten Legierungen sind Magnetventilstähle? A:  X45CrSi9-3 (1.4718), X40CrSiMo10-2 (1.4731), X85CrMoV18-2 (1.4748), X50CrMnNiNbN21-­9 (1.4882), X45CrNiW18-9 (1.4873), NiCr20TiAl (2.4952) und Ni-Cr-Leg. 30/15 (9.4991) B: X2CrNi12 (1.4003), X12CrS13 (1.4005), X6Cr17 (1.4016), X17CrNi16-2 (1.4057), X14CrMoS17 (1.4104), X6CrMoS17 (1.4105), X105CrMo17 (1.4125), X4CrNiMo16-5-1 (1.4418) und X3CrNb17 (1.4511) C: 100Cr6 (1.3505), 100CrMnSi6-4 (1.3520), 100CrMo7-3 (1.3536), X65Cr13 (1.4037) und X30CrMoN15-1 (1.4108) Frage 3.6.15: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Magnetventilstählen? A: Für Teile in elektromagnetisch betätigten Ventilen. B: Für handbetätigte Ventile an Gartenwasserleitungen. C: Für Ventile an Gasflaschen für Heißluftballons. Eine spezielle Gruppe von Stählen sind die Maraging-Stähle (von englisch martensite + aging = martensitaushärtbar). Frage 3.6.16: Was kennzeichnet Maraging-Stähle? A: Niedrige Festigkeit bei sehr hoher Zähigkeit. B: Hohe Festigkeit bei gleichzeitig guter Zähigkeit. C: Hohe Festigkeit und sehr hohe Sprödigkeit. Frage 3.6.17: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für Maraging-Stähle? X45CrSi9-3 (1.4718), X40CrSiMo10-2 (1.4731), X85CrMoV18-2 (1.4748), A:  NiCr20TiAl (2.4952) und Ni-Cr-Leg. 30/15 (9.4991) B: X3NiCoMoTi18-9-5 (1.2709), X2NiCoMo18-9-5 (1.6354) und X2NiCoMoTi18-12-4 (1.6356) C: 100Cr6 (1.3505), 100CrMnSi6-4 (1.3520), 100CrMo7-3 (1.3536), X65Cr13 (1.4037) und X30CrMoN15-1 (1.4108) Frage 3.6.18: Für welche Anwendungen kommen Maraging-Stähle in Betracht? A: Für Verschleißteile an Werkzeugmaschinen, CNC-Bearbeitungszentren und Bohrwerken. B: Für Industriemesser mit niedriger Beanspruchung, Schlagwerkzeuge, Heimwerkerbohrer. C: Für Druckguss- und Spritzgusswerkzeuge, für Gaszentrifugen, Messer und Klingen.

4

Stahlherstellung

4.1

Aus der Geschichte des Stahls

Nur die wichtigsten Ereignisse bzw. Eckpunkte der historischen Entwicklung der Eisenund Stahlerzeugung seit etwa 3000 Jahren vor der Zeitwende bis in die Gegenwart können im Rahmen dieses Lernbuches vorgestellt werden. Die Abb. 4.1 gibt hierzu einen Überblick des Weges vom Erz zum Eisen und Stahl, vom Erz zum Roheisen und Rohstahl, vom Schrott zum Rohstahl und schließlich vom Rohstahl zum fertigen Stahl. Wann die Menschen erstmals Eisen gezielt herstellten und nutzten, liegt noch im Nebel der Menschheitsgeschichte. Nur wenige Zeugnisse sind erhalten geblieben, die meisten frühen Gegenstände aus Eisen sind über die Jahrtausende unwiederbringlich verrostet. Frage 4.1.1: Seit wann kannten die Menschen Eisen und haben es bearbeitet? A: Erst kurz vor der Zeitwende (v. Chr.), als die Menschen schon metallurgische Kenntnisse hatten zur Gewinnung von Eisen aus Eisenerz.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_4

45

46

4 Stahlherstellung

4000 3000 2000 1000 Bronzezeit

0

500

1000

1500

1600

1700

1800

Eisenzeit in Europa

1900

2000

Jahr

Legierte Stähle

Entdeckung der Elemente: Ni, N, O, Mn, C, Mo, Wo, Ti, Cr, Nb, V, Ta, Ca, S, Si, B, Al, Mg

Zeitwende

Kupferzeit

Lichtbogenofen (LBO)

Elektrostahlerzeugung

Vom Schrott zum Rohstahl

Pfannenmetallurgie

(LF, RH, DH, VD, VOD, AOD)

Erdlochofen Erdgrubenofen

Rennofen Schachtofen

Stückofen

Rennverfahren: Vom Erz zum Eisen (Stahl)

Holzkohle-Hochofen Floßofen

Vom Erz zum Roheisen

Frischfeuer (Frischherd)

Holz/Holzkohle

Puddelofen Flammfrischofen

Windfrischen Bessemer-, Thomasbirne

Sauerstofffrischen LD-Verfahren (Aufblaskonverter) Wasserstoff

Steinkohle/Koks

Eisenerze

Eisenerze + Schrott

Mensch und Tier

4000 3000 2000 1000

HochofenKonverterRoute

Koks-Hochofen

Frischen: Vom Roheisen zum Stahl Meteoreisen

Grüner Stahl

Vom Rohstahl zum fertigen Stahl

Wasserrad

0

500

Dampfmaschine

1000

1500

1600

1700

1800

elektrischer Strom

1900

2000

Jahr

Abb. 4.1  Überblick zur Geschichte des Stahls

B: Bereits vor über 3000 Jahren v. Chr. war Meteoreisen bekannt und wurde durch Hämmern bearbeitet. C: Ab 100 n. Chr. mit dem Beginn der Eisenproduktion und -verarbeitung bei den Germanen. Bald erkannten die Menschen die Überlegenheit des Werkstoffes Eisen im Vergleich zu Kupfer und Bronze. Die wenigen, zufällig gefundenen Eisenmeteoriten waren eine Ausgangsbasis zur weiteren Nutzung des Eisens zum Beispiel für Speerspitzen, Messer und auch für Geräte zum Ackerbau. Wie die meisten Metalle auf der Erde kommt auch Eisen gebunden als Oxid in Erzen vor. Nach einer langen Zeit zufälliger Entdeckungen ­beherrschten die Menschen die metallurgische Verarbeitung von gefundenen Erzen, d. h. die Reduktion der Metalloxide zu Metallen. Frage 4.1.2: Wann und wie begann die gezielte metallurgische Herstellung von Eisen bzw. Stahl? A: Vermutlich schon vor über 2000 Jahren vor der Zeitwende unter Nutzung von Grundkenntnissen der Erzreduktion bei der Herstellung von Kupfer. B: Mit Beginn der Nutzung von Stücköfen ab 1000 nach der Zeitwende und dem Einsatz von Holzkohle zur Eisenerzreduktion. C: Ab Mitte des 14. Jahrhunderts mit den ersten Hochöfen.

4.1  Aus der Geschichte des Stahls

47

Die ersten für den Prozess der Eisenerzreduktion genutzten Öfen waren Erdlochöfen bzw. Erdmuldenöfen. Diese Schmelzöfen waren sehr einfach aufgebaut und meist an einem Hang in der freien Natur angelegt. Frage 4.1.3: Was für ein Eisen konnten die ersten genutzten Öfen zur Reduktion von Eisenerzen herstellen? A: Ein hochreines Eisen mit hohem Kohlenstoffgehalt. B: Ein mit Holzkohle und Schwefel durchsetztes, hochdichtes Eisen. C: Ein teigiges, mit viel Schlacke verunreinigtes Eisen („Luppe“). In den späteren, aus Lehm höher gebauten Rennöfen konnten durch den Kamineffekt schon Temperaturen über 1000 °C erreicht werden. Schichtweise wurde Holzkohle und Eisenerz oberhalb eines Holzstapels eingebracht. Durch seitliche Düsenöffnungen wurde Luft mit einem Blasebalg hineingeblasen. Auch hier erfolgte die Reduktion des Erzes zum Eisen im teigigen Zustand der Luppe und nur die Schlacke „rann“ nach dem Öffnen aus dem Ofen. Dies ist auch der Grund für die Bezeichnung „Rennofen“. Die erzeugten Eisenluppen mussten durch ein nachfolgendes Schmieden von Holzkohleresten und Schlacken befreit werden. Je nach Ofengröße und Prozessführung war ein schmiedbares Eisen mit ungleichmäßigem Kohlenstoffgehalt und maximal ca. 50 kg Gewicht herstellbar. Um die Luppen aus dem Ofen zu nehmen, musste der Ofen immer wieder abgetragen werden. Vor jedem neuen Beschickungs- und Reduktionsprozess wurde er dann mit Feldsteinen und Lehm neu aufgebaut und dann neu angeblasen. Deshalb auch der Begriff „Stückofen“. Ein kontinuierliches Schmelzen war noch nicht möglich. Frage 4.1.4: Welcher Ofentyp zur Eisenverhüttung in kontinuierlichem Betrieb war der eigentliche Vorläufer des Hochofens? A: Kokshochofen B: Floßofen C: Erdgrubenofen Frage 4.1.5: Welches Produkt entstand bei der kontinuierlichen Eisenerzverhüttung im Floßofen? A: Ein noch schlackehaltiges, kohlenstoffreiches, nicht schmiedbares Roheisen. B: Ein mit Holzkohle und Schwefel durchsetztes, hochdichtes, schmiedbares Eisen. C: Ein poröses, hochreines, gut schmiedbares Eisen mit hohem Kohlenstoffgehalt. Die Floßöfen bzw. Holzkohlehochöfen wurden ständig verbessert, vor allem mit stärkeren Gebläsen versehen. Immerhin lieferten diese Öfen schon bis zu einer Tonne flüssiges Roheisen pro Tag. Es war ein noch sehr sprödes Eisen mit viel Kohlenstoff, deshalb auch „Roheisen“ genannt. Nun kommt dem Frischen eine immer stärke Bedeutung zu.

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4 Stahlherstellung

Frage 4.1.6: Was versteht der Metallurge unter Frischen? A: Das schnelle Abkühlen der Eisenschmelze mit frischem Wasser. B: Das unter Frischluftzufuhr ablaufende „Verbrennen“ des überschüssigen Kohlenstoffs aus dem Roheisen. C: Das ständige Kühlen und Frischhalten des Roheisens im festen Zustand. Mit dem Frischen des Roheisens zu Stahl war der metallurgische Übergang zur Stahlproduktion bereitet. Der Bedarf an Stahlprodukten wuchs und die Stahlerzeugung stieg nun stetig an. Im Laufe der Zeit vom 14. bis ins 18. Jahrhundert wurden die frühen Holzkohlehochöfen, technisch noch nicht vergleichbar mit unseren heutigen Hochöfen, weiterentwickelt. Bald kam es zu einer Knappheit bei Holzkohle. Frage 4.1.7: Ab wann wurde zur Steigerung der Roheisenproduktion Koks anstelle von Holzkohle eingesetzt? A: Ab Mitte des 19. Jahrhunderts B: Ab Anfang des 15. Jahrhunderts C: Ab Anfang des 18. Jahrhunderts Mit der zunehmenden Nutzung von Koks und Steinkohle im Hochofen war auch der Weg gebahnt für das Frischen des Roheisens im sogenannten „Puddelofen“ (Flammfrischofen). An einem Tag konnte solch ein Puddelofen maximal 3 Tonnen Roheisen verarbeiten. Bis ins 19. Jahrhundert war das Puddelverfahren, welches billige Steinkohle nutzte, weit verbreitet. Bald konnte jedoch die Stahlerzeugung den zunehmenden Stahlhunger der Industrie nicht mehr befriedigen. Das Frischen des Roheisens war sehr aufwendig und noch nicht produktiv genug. Frage 4.1.8: Welches Verfahren zum Roheisenfrischen war das erste wirklich günstige Verfahren, das bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Stahlerzeugung maßgeblich geprägt hat? A: Das Frischfeuer mit doppelten Blasebälgen. B:  Das von Henry Bessemer (1813–1898) 1855 erfundene und nach ihm benannte Bessemer-Verfahren. C: Das Verfahren zur Elektrostahlerzeugung. Mit der Einführung des von den Metallurgen Sidney Thomas (1850–1885) und Percy Carlyle Gilchrist (1851–1935) erfundenen Thomas-Gilchrist-Verfahrens ab 1878 konnte nun in Deutschland auch phosphorreiches Roheisen gefrischt werden. Dieses Verfahren stellte nur eine geringe Änderung des Bessemer-Verfahrens dar. Die Auskleidung der ebenso birnenförmigen Thomas-Konverter wurde auf eine basisch wirkende Mischung umgestellt. Frage 4.1.9: Welche weiteren Verfahren bzw. Anlagen zum Behandeln von Roheisen wurden ab Mitte des 18. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert genutzt? A: Das Tiegelschmelzverfahren und der Siemens-Martin-Ofen

4.2  Stahlerzeugung (Hochofen-Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung)

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B: Die Pfannenbehandlung C: Das Vakuuminduktionsschmelzen von Rohstahl mit nachfolgender Pfannenbehanlung Parallel zur Entwicklung der Verfahren zum Roheisenfrischen erfuhr auch der Hochofen als typisch konischer Schachtofen zur Erzeugung von Roheisen eine gigantische technische Weiterentwicklung. Frage 4.1.10: Welche Höhe und Kapazität erreichen heute moderne Hochöfen? A: 20 m und ca. 1000 t Roheisen pro Tag. B: 15 m und 800 t pro Tag. C: Über 36 m und 10.000 t pro Tag. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde neben der primären Stahlherstellung aus Erz die sekundäre Erzeugung hauptsächlich von legierten Stählen in Elektrostahlwerken begonnen. Frage 4.1.11: Wann wurde das erste Elektrostahlwerk der Welt in Betrieb genommen? A: 1950 in Düsseldorf B: 1906 in Remscheid C: 1850 in Siegen Zu Zeiten des Frischens von Rohstahl in einer Bessemer- oder Thomasbirne war mit dem Frischprozess auch der metallurgische Prozess vor allem zur Einstellung des gewünschten Kohlenstoffgehalts beendet. Der Stahl wurde ohne weitere Behandlung zu Blöcken vergossen. Bald stiegen die Anforderungen an den Stahl. Neue, edle Legierungen wurden entwickelt und die Reinheit sowie eng begrenzte chemische Zusammensetzungen waren nun Anfang des 20. Jahrhunderts die Themen. Mit dem modernen Hochofen und dem Aufblaskonverter (Hochofen-Konverter-Route) sowie mit der Elektrostahlerzeugung sind wir nun im 21. Jahrhundert angekommen. Diese Verfahren und Anlagen werden im nächsten Kapitel behandelt. Der Vollständigkeit halber sind weitere spezielle Verfahren zu nennen, die Eisenerz direkt, d. h. ohne Kokseinsatz und ohne Hochofen, reduzieren. Davon ausgehend stammen die Begriffe Direktreduktion und auch Schmelzreduktion. Diese sind in (Schlegel, 2021) erwähnt und werden im Rahmen dieses Lernbuches nicht abgefragt.

4.2 Stahlerzeugung (Hochofen-­Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung) Der Blick in die Geschichte der Eisen- und Stahlmetallurgie hat gezeigt, wie langwierig und mühsam der Weg war und wie lange es dauerte, bis die Menschen den ablaufenden Prozess bei der Verhüttung (chemische Reaktion zum Abtrennen des Sauerstoffs vom Eisenoxid aus den Erzen, auch Reduktion von Eisenoxid zu Eisen genannt) verstanden haben und chemisch beschreiben konnten.

50

4 Stahlherstellung

Wie erwähnt, muss zunächst der Sauerstoff vom Eisen getrennt werden, um Roheisen zu erzeugen. Anschließend sorgt eine weitere Behandlung in einem Konverter zur Einstellung eines definierten, geringeren Kohlenstoffgehaltes, somit zur Erzeugung des gewünschten Rohstahls. Das ist der klassische Weg der Primärerzeugung von Stahl aus Erz, die sogenannte Hochofen-Konverter-Route. Mehr als 40  % der Weltstahlerzeugung geschieht auf dem zweiten Weg mittels der Elektrostahlerzeugung. Dieses Verfahren, auch als „Sekundärerzeugung von Stahl aus Schrott“ bezeichnet, stellt einen typischen Recyclingprozess dar. Beide Verfahrenswege erzeugen einen Rohstahl mit grober Analyse. Dieser Rohstahl muss durch eine anschließende Feinbehandlung die exakte Legierungs- und Reinheitsgradeinstellung erfahren. Frage 4.2.1: Was ist das Produkt der Primärmetallurgie bei der Stahlerzeugung? A: Flüssiges Gusseisen B: Roheisen C: Rohstahl mit einer groben Analyse, also mit einer noch nicht exakt der vorgegebener Zielanalyse angepassten chemischen Zusammensetzung. Frage 4.2.2: Welche Aufgaben hat die Sekundärmetallurgie? A: Pufferzone zwischen Stahl- und Walzwerk, Temperatureinstellung der Stahlschmelze. B: Frischen des Roheisens und Einstellung definierter Schwefelgehalte. C: Feinbehandlung des Rohstahls (Legieren, Entgasen, Entkohlen, Entschwefeln, Entphosphorung, Desoxidation, Temperatureinstellung). Ohne auf prozesstypische Details und alle chemischen Vorgänge des Hochofenprozesses einzugehen, läuft die Roheisenerzeugung im Hochofen vereinfacht wie folgt ab: Über die Öffnung am oberen Schachtende, „Gicht“ genannt, werden Eisenerz, Koks und Zuschlagstoffen zugegeben. Diese Füllung, auch „Beschickung“ genannt, wandert im konischen Schacht des Hochofens nach unten durch verschiedene thermische Reaktionszonen (Reduktions-, Kohlungs- und Schmelzzone). Im Gegenstrom wird von unten nach oben die notwendige heiße Luft (Sauerstoff) zur Verbrennung des Kokses ständig über Düsen eingeblasen. Die Abb. 4.2 zeigt schematisch den Aufbau eines Hochofens mit den Reaktionszonen. In genau festgelegten Zeitabständen werden die Schlacke und das Roheisen getrennt voneinander abgelassen (Abstich). So verläuft der Hochofenprozess kontinuierlich. Nur selten wird der Hochofen heruntergefahren und stillgelegt. wenn die innere Ausmauerung verschlissen ist und erneuert werden muss. Frage 4.2.3: Mit welchem Reduktionsmittel wird in einem klassischen Hochofen das Eisenoxid reduziert? A: Wasserstoff B: Koks (Kohlenstoff) C: Kohlenmonoxid (CO) D: Kalk

4.2  Stahlerzeugung (Hochofen-Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung) Abb. 4.2 Querschnitt (vereinfacht) durch einen modernen Hochofen mit den drei Reaktionszonen: Reduktions-, Kohlungs- und Schmelzzone

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Erz, Koks, Kalkstein Gichtgas

Gichtgas

Reduktionszone

400 °C

900 °C

Kohlungszone 1200 °C

Schmelzzone

Wind

1800 °C

2000 °C

Wind Schlacke

Roheisen

Frage 4.2.4: Welche Aufgabe haben die Zuschlagstoffe, z. B. Kalkstein, die zusammen mit dem Eisenerz und Koks (Beschickung) dem Hochofen zugeführt werden? A: Einstellung der notwendigen Reaktionstemperatur in der Kohlungszone. B: Bindung von Begleitstoffen im Erz und Bildung einer dünnflüssigen Schlacke. C: Sicherung der chemischen Analyse des Roheisens hinsichtlich der Kohlenstoff- und Sauerstoffgehalte. Das im Hochofen erzeugte Roheisen enthält mit ca.  3 bis 4 Masse-% noch sehr viel Kohlenstoff. Frage 4.2.5: Wie wird heute das im Hochofen erzeugte flüssige Roheisen zu Rohstahl umgewandelt? A: Durch einen Frischprozess mit Sauerstoff in einem Konverter. B: Durch ständiges Umrühren unter Vakuum in einer sehr großen Pfanne. C: Durch Zulegieren von Kohlenstoff und Kalzium unter Schutzgas.

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4 Stahlherstellung

Neben der Primärerzeugung aus Erz werden Stähle auch in Elektrostahlwerken produziert. Mit der Energie des Lichtbogens, des Plasmas, des Elektronenstrahls oder auch mittels induktiver Erwärmung erfolgt das Einschmelzen von Stahlschrott. Frage 4.2.6: Welche Vorteile bietet die Elektrostahlerzeugung? A: Mit ihr kann sehr schnell und kostengünstig einfacher Massenstahl hergestellt werden. B: Es kann neben Schrott auch Hochofenschlacke umweltgerecht aufbereitet und zu neuem Stahl geschmolzen werden. C:  Die Elektrostahlerzeugung ist ein Schrottrecycling mit Nachhaltigkeit und guter Umweltbilanz, wobei fast jede Stahlsorte herstellbar ist. Frage 4.2.7: Wie funktioniert ein Lichtbogenofen (LBO) zur Stahlerzeugung? A: Ein zwischen den stromführenden Graphitelektroden und dem Schrott gezündeter Lichtbogen schmilzt den Schrott durch die thermische Strahlung. B: Zwischen der Ofenwand und einer Elektrode wird ein Lichtbogen erzeugt und dazwischen der Schrott eingeschmolzen. C: In den zwischen zwei Elektroden erzeugten Lichtbogen wird sehr kleinteiliger Schrott portionsweise zugeführt und verflüssigt. Für die Erzeugung spezieller Stähle und Sonderlegierungen kommen sogenannte Vakuum-­ Induktions-Mehrkammeröfen (VIM) zum Einsatz. Frage 4.2.8: Wie ist die Arbeitsweise eines Vakuum-Induktions-Mehrkammerofens (VIM) zur Stahlerzeugung? A: Schrottstücke werden im direkten Stromdurchgang verflüssigt und anschließend unter Vakuum behandelt. B: Unter Vakuum wird durch induktiv erzeugte Wirbelströme in einem Schmelzgefäß Schrott erschmolzen, feinbehandelt und zu Blöcken abgegossen. C: Das Schmelzgefäß wird unter Vakuum induktiv so erwärmt, dass darin der zugeführte Schrott schmelzflüssig wird.

4.3 Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren) Der aus dem Konverter oder aus dem Elektrolichtbogenofen kommende flüssige Rohstahl muss abschließend feinbehandelt werden. In speziellen Aggregaten werden die gewünschten Legierungselemente eingebracht, wird die Schmelze homogenisiert, werden verbleibende Reste von Kohlenstoff, Schwefel oder andere Elemente entfernt bzw. reduziert. Und es wird die gewünschte Gießtemperatur eingestellt. Diese Behandlungen des Rohstahls zur Erzeugung der gewünschten Stahllegierung wird auch „Pfannenmetallurgie“, „Feinbehandlung“ oder „sekundärmetallurgische Behandlung“

4.3  Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren)

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genannt (Burghardt & Neuhof, 1982). Je nach Stahlgüte kommen verschiedene Verfahren und Anlagen zum Einsatz. Frage 4.3.1: Was ist eine Pfannenmetallurgische Anlage (PMA)? A: Eine Anlage zur Aufbereitung von Stahlwerkspfannen. B: Eine Einschmelzanlage von Schrott in Pfannen. C: Eine sekundärmetallurgische Anlage zur Feinbehandlung von Rohstahl in Pfannen. Frage 4.3.2: Wozu dient ein Pfannenofen? A: Der Rohstahl vom Konverter- oder Elektrostahlwerk wird in einer Pfanne auf Temperatur gehalten und legiert. B: Der Rohstahl wird flüssig in einem pfannenartig ausgeformten Gefäß unter ständigem Rühren gefrischt. C: In einem Pfannenofen werden leere Pfannen vorgewärmt zur Aufnahme von flüssigem Rohstahl. Frage 4.3.3: Wie funktioniert das Ruhrstahl-Heraeus-Verfahren (RH-Verfahren)? A: Flüssiger Rohstahl wird mit Argon durchflutet und gereinigt. B: Flüssiger Rohstahl wird mittels Vakuum-Umlauf-Verfahren entgast und entkohlt. C: Flüssiger Rohstahl wird in einem Vakuumgefäß legiert. Frage 4.3.4: Welchen Unterschied weist das Dortmund-Hörde-Verfahren (DH-­ Verfahren) im Vergleich zum RH-Verfahren auf? A: Kein Unterschied, nur anderer Name. B: Die Behandlung des Rohstahls erfolgt vergleichsweise ohne Vakuum, nur mit einer impulsartigen, zeitlich definierten Argonspülung. C: Das Behandlungsgefäß mit Vakuum taucht in Rohstahlschmelze ein und wird zyklisch gehoben und gesenkt (Vakuum-Heberverfahren). Frage 4.3.5: Wozu dient eine VD-Anlage (Vacuum-Degasing)? A: Zum Entgasen, Legieren, Reduzieren des Schwefelgehaltes und zur Verbesserung der Reinheit der Rohstahlschmelze. B: Zum Reinigen der Rohstahlschmelze von nichtmetallischen Bestandteilen unter Einsatz einer speziellen, einschwenkbaren Vakuum-Schmelzkammer. C: Zur Kühlung und als Zwischenpuffer vor dem Abguss der Rohstahlschmelze. Frage 4.3.6: Was bedeutet VOD im Zusammenhang mit der Feinbehandlung von Rohstahl? A: Vakuum-Ofen für Durchlaufverfahren B: Vacuum-Oxygen-Decarburization (Entkohlen unter Vakuum mit Sauerstoff) C: Zustand einer geöffneten Vakuumbehandlungsanlage: Vakuumanlage ohne Deckel

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4 Stahlherstellung

Frage 4.3.7: Was ist der Vorteil einer Vakuumbehandlung des Rohstahls? A: Die Pfanne mit dem flüssigen Rohstahl bleibt während der Behandlung dicht. B: Legierungselemente können schneller zulegiert werden. C: Es ist eine gesteuerte Entfernung von Gasen und von anderen flüchtigen Bestandteilen aus der Rohstahlschmelze möglich (Verbesserung des Reinheitsgrads). Frage 4.3.8: Warum ist es nicht sinnvoll, nach einer Vakuumbehandlung nochmals nachzulegieren? A: Es ist zu aufwendig und zu teuer. B: An Luft könnten wieder neue, unerwünschte Verunreinigungen in die schon unter Vakuum gereinigte Stahlschmelze gelangen. C: Es gefährdet die Einhaltung der Behandlungszeit einer Schmelzcharge. Frage 4.3.9: Was bedeutet bei der Feinbehandlung von Rohstahl AOD? A: Anlage zum Oxidieren im Durchlaufofen B: Argonbehandlung im offenen Drehherdofen C: Argon-Oxygen-Decarburization (Entkohlen mit Argon-Sauerstoff-Gemisch) Auch bei weiterer Verbesserung der konventionellen Stahlerzeugungsprozesse und der erwähnten sekundärmetallurgischen Verfahren können oft die gewünschten Stahlqualitäten insbesondere hinsichtlich der Reinheit und Gefügehomogenität nicht erreicht werden. Deshalb ist es zunehmend notwendig, den bereits erschmolzenen, sekundärmetallurgisch behandelten und abgegossenen Stahl einem weiteren Reinigungsprozess zu unterziehen. Nun ist es leider so, dass das, was im Gefüge eines gegossenen und eventuell schon umgeformten Stahlblocks vorzufinden ist und als Verunreinigung angesehen wird, nicht ohne weiteres entfernt werden kann. Zu den Verunreinigungen zählen z. B. nichtmetallische Einschlüsse (Oxide, Sulfide). Nur im flüssigen Zustand des Stahls kann eine Reinigung, also eine Entfernung und somit Reduzierung von Verunreinigungen vorgenommen werden. Dieser Reinigungsprozess umfasst deshalb ein erneutes Verflüssigen (Umschmelzen) des Stahls unter Vakuum, schützenden Gasen und mit definierten Schlacken (Burghardt & Neuhof, 1982). In den vergangenen 60 Jahren wurden verschiedene Umschmelzverfahren entwickelt: • Elektro-Schlacke-Umschmelzen (ESU bzw. ESR – Electro-Slag-Remelting) • Umschmelzen im Vakuum-Lichtbogenofen (VLBO, auch LBV – Lichtbogen-Vakuum-­ Verfahren genannt bzw. VAR – Vacuum-Arc-Remelting) • Elektronenstrahl-Umschmelzen • Plasma-Umschmelzen In der Praxis haben sich großtechnisch vor allem das Elektro-Schlacke-Umschmelzen sowie das Umschmelzen im Vakuumofen durchgesetzt. Diese Verfahren werden nachfolgend behandelt.

4.3  Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren)

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Frage 4.3.10: Was ist unter ESU von Stahl zu verstehen? A: Einschmelzen von Stahlschrott und Legieren. B: Elektro-Schlacke-Umschmelzen: Reinigungsprozess durch Schmelzen und Reinigen mit einer flüssigen Schlacke. C: Änderung der Blockgröße durch erneutes Aufschmelzen in einer speziellen Pfanne mit definierter Schlackezugabe. Frage 4.3.11: Welche Aufgabe hat die flüssige Schlacke beim ESU-Prozess? A: Die Schlacke wirkt als chemischer Filter und nimmt Verunreinigungen auf. B: Die Schlacke isoliert die Elektrode und kühlt den erstarrenden Block. C: Die nicht leitfähige Schlacke dient als Wärmeisolator beim Erstarren. In der Praxis werden zwei unterschiedlich aufgebaute ESU-Anlagentypen genutzt. Frage 4.3.12: Was ist bei einer ESU-Anlage ein Stand- oder ein Gleittiegel? A: Ein im Fundament fest verankerter oder ein horizontal verschiebbarer Tiegel zur Aufnahme der Schlacke. B: Ein stehender oder ein nach oben gleitender Kristallisator, auch Stand- oder Gleitkokille genannt, in denen die gereinigten Stahltropfen zu einem neuen Block kristallisieren. C: Ein feststehender oder ein schwenkbarer Tiegel zum Nachfüllen von Schlacke während des ESU-Betriebs. Frage 4.3.13: Was ist das Besondere an einer DESU-Anlage? A: Der Umschmelzprozess erfolgt in einem geschlossenen Druckbehälter unter einem Schutzgas und es können höhere Reinheitsgrade erzielt werden. B: Der Umschmelzvorgang wird durch hohen Umgebungsdruck beschleunigt. C: Die Schlacke wird unter Druck zugeführt und so deren Verbrauch minimiert. Zusammengefasst bewirken die ESU- als auch die DESU-Verfahren eine Qualitätsverbesserung: • durch die Verringerung der Gehalte an Sauerstoff und Schwefel, • durch eine Senkung des Gehalts an nichtmetallischen Einschlüssen, • durch Verbesserung der Primärstruktur (Block ist seigerungsarm und frei von Schwindungshohlräumen). Davon ausgehend werden diese Umschmelzverfahren insbesondere eingesetzt für hochstickstofflegierte Stähle, Nickelbasislegierungen, Werkzeugstähle mit homogener Karbidverteilung sowie für austenitische Stähle ohne Nickel. Noch bessere Ergebnisse können mittels Umschmelzen unter Vakuum erreicht werden.

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4 Stahlherstellung

Frage 4.3.14: Wie arbeitet ein Vakuum-Lichtbogenofen (VLBO) zum Umschmelzen? A: Arbeitsweise ist vergleichbar mit einem Standard-Lichtbogenofen, nur die flüssige Stahlschmelze wird in ein Vakuumgefäß abgegossen. B: Unter Vakuum führt ein Lichtbogen zum Abtropfen der Abschmelzelektrode, und diese Tropfen kristallisieren zu einem neuen Block in einer Standkokille. C: Das Umschmelzen erfolgt unter Vakuum in einer bewegliche Kokille mit Schutzgasspülung.

4.4 Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss) Der Ausgangspunkt für die Bearbeitung eines Stahls ist immer dessen erster fester Zustand: Eine aus der flüssigen Phase kristallisierte, feste Form, die heute im Gießbetrieb eines Stahlwerks erzeugt wird. Deshalb wird das Gießen auch als ein „Urformen“ betrachtet, wodurch fast alle Metalle eine definierte Gestalt erhalten. Diese wird vom Verwendungszweck des Gussstücks bestimmt. Man unterscheidet zwischen dem Formguss und dem Halbzeugguss. Formguss-Stücke, also „endabmessungs- und konturnah“ gegossene Formteile, können wenige Gramm (z. B. Feinguss-Präzisionsteile für die Medizintechnik und den Automobilbau), aber auch viele Tonnen wiegen (z. B. ein Schiffspropeller). Diese Formgussverfahren wie Sandformguss, Schleuderguss, Druckguss und Feinguss werden nachfolgend nicht behandelt. Der Schwerpunkt liegt vielmehr auf Gießverfahren zur Herstellung von Halbzeug aus Stahl, das anschließend durch Umformen weiterverarbeitet werden kann. Frage 4.4.1: Worin besteht das Grundprinzip des Gießens von Stahl? A: Der schmelzflüssige Stahl wird in eine Form gegossen, erstarrt darin durch die Kühlwirkung der Form und nimmt dabei die Gestalt dieser Form an. B: Der flüssige Stahl wird in der Pfanne stark abgekühlt und in Stücken daraus entnommen. C: Die Stahlschmelze wird in ein Sandbeet gegossen, darin abgekühlt und daraus in erstarrter, unregelmäßiger Form entnommen. Der Übergang vom schmelzflüssigen in den festen Zustand unter Freisetzung von Wärme (Unterkühlung) wird als Erstarrung bezeichnet. Die bei der Erstarrung ablaufenden Vorgänge beeinflussen entscheidend die Stahlqualität. Frage 4.4.2: Wie läuft die Erstarrung einer Stahlschmelze ab? A:  Die Erstarrung beginnt immer an der Schmelzbadoberfläche und ist nach unten gerichtet. B: Die Erstarrung beginnt an den kältesten Stellen in der Gießform mit Kristallisationskeimen, die zu vielen kleinen Kristallen mit unterschiedlichen Gitterrichtungen heranwachsen und schließlich ein festes, kristallisiertes Gefüge bilden.

4.4  Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)

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C: Die Erstarrung der Stahlschmelze beginnt im Inneren mit der Bildung einer globularen, grobkristallinen Kernzone und setzt sich horizontal nach außen hin fort in Form von rechteckig wachsenden Kristallformationen. Frage 4.4.3: Wodurch wird das Erstarrungsverhalten und somit die Gefügeausbildung beeinflusst? A: Querschnitt des Gießstrahls und Temperatur und Masse des zugefügten Gießpulvers. B: Viskosität der Stahlschmelze, Rauheit der Feuerfestausmauerung in den Gießgestellen sowie Größe der Gießcharge. C: Chemische Zusammensetzung und Reinheitsgrad der Stahlschmelze sowie Schmelz-, Gieß- und Abkühlbedingungen. Im Gießereibetrieb spielt oft der Einsatz von sogenannten Gießpulvern eine besondere Rolle für die Prozesssicherheit und Stahlqualität. Dabei muss jedoch zwischen Block-, Strang- und Formenguss unterschieden werden. Frage 4.4.4: Was sind Gießpulver und welche Anforderungen haben sie zu erfüllen? A: Gießpulver bestehen aus mineralischen Rohstoffen und dienen der Schmierung an der Gießformwand, zum Schutz vor Reoxidation und zur thermischen Isolierung der schmelzflüssigen Stahlbadoberfläche. B: Gießpulver besteht aus gemahlenen Schlacken und wird dem Gießstrahl zugemischt zur Verringerung der Viskosität. C: Gießpulver besteht aus Metallpulver gleicher chemischer Zusammensetzung wie der abzugießende Stahl und dient der Beschleunigung des Gießvorganges und zur Ausbildung eines sehr homogenen Gefüges. Ein weiterer Aspekt ist die Art des Gießens: „unberuhigt vergossen“ oder „beruhigt vergossen“. Frage 4.4.5: Was ist der Unterschied zwischen unberuhigt oder beruhigt vergossen? Die Stahlschmelze bildet einen unruhigen, pulsierenden oder einen sehr ruhigen A:  Gießstrahl. B: Die Stahlschmelze wird ohne Zusätze abgegossen, wobei Gasblasen im Stahlblock entstehen können, oder mit Zusätzen, die den Sauerstoff binden, so dass keine Lufteinschlüsse entstehen. C: Der Gießstrahl wird ohne Hilfsmittel unbeeinflusst in die Gießform geleitet oder es werden Prallbelche oder Schikanen vorgesehen, die einen sehr ruhigen Gießstrahl und somit eine gute Füllung der Gießform verursachen. Das Halbzeug-Gießen von Stahl erfolgt portionsweise in Dauerformen (Kokillen) zu Blöcken, oder auch kontinuierlich, quasi endlos zu einem Strang bzw. Band.

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4 Stahlherstellung

Frage 4.4.6: Wie erfolgt fallender Blockguss? A: Die flüssige Stahlschmelze wird direkt aus der Pfanne von oben in die Dauerform (Kokille) gegossen. B: Das Gießen erfolgt mit Bodenabstich an der Pfanne fallend durch ein Strahlrohr in einen Gießtrichter und dann in einzelne Blockkokillen. C: Das Vergießen des flüssigen Stahls erfolgt in der Reihenfolge abnehmender Blockgewichte. Frage 4.4.7: Was bedeutet steigender Blockguss? A: Das Abgießen einzelner Blöcke in der Reihenfolge zunehmender Blockgewichte. B: Das Gießen mit zunehmender Gießgeschwindigkeit. C: Das Vergießen des flüssigen Stahls von unten steigend in Kokillen. Frage 4.4.8: Welche möglichen Gussfehler sind beim Blockguss hauptsächlich zu beachten? A: Über- oder Unterfüllung der Kokillen B: Seigerungen, Schwindungshohlräume, Poren, Lunker, Einschlüsse C: Geometrische Abweichungen von den vorgegebenen Blockmaßen, Unterfüllung der Gießformen. Frage 4.4.9: Welche Bauarten von Stranggussanlagen werden heute genutzt? A: Vollautomatische oder manuell zu bedienende Mini-Stranggussanlagen B: Stranggussanlagen mit schräg oder geradeaus gerichteten, beweglichen Ovalkokillen C: Senkrecht-, Bogen- oder Horizontal-Stranggussanlagen Frage 4.4.10: Was sind sogenannte Randschlacken? A: Schlacken, die sich am Rand eines Schlackekübels befinden. B: Schlacketeilchen, die nach der Erstarrung in Randnähe eines Stranggussknüppels oder eines Gussblocks nachweisbar sind. C: Restschlacke aus dem Stranggussverteiler, die sich meist am Rand der Gießform absetzt. Frage 4.4.11: Was sind Seigerungen? A: Optisch interessante Gefügekristallisationen. B: Durch metallurgische Eingriffe gezielt örtlich erzeugte Verringerungen der Gehalte von Legierungselementen im erstarrten Gefüge. C: Entmischungen der Schmelze, die beim Erstarren entstehen und somit zu örtlich im Gussgefüge unterschiedlichen Gehalten an Legierungselementen führen.

4.4  Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)

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Frage 4.4.12: Welche Unterschiede beim Block- und Strangguss beeinflussen die Gussqualität? A: Abkühlleistung, Erstarrungsverhalten, Sumpfvolumen, Ausbildung von Lunkern, Seigerungen, Randschlacken. B: Oberflächenbeschaffenheit der Kokillen und Konstruktion der Gießstrahlschutzanlage. C: Länge der Kokillen, Durchmesser des Gießstrahls und Schmelzchargengröße. Frage 4.4.13: Wie wird das Verfahren des Bandgießens durchgeführt? A: Durch fließbandartiges Gießen von vielen Formteilen hintereinander. B: Erzeugung eines dünnen Vorbandes durch Gießen des flüssigen Stahls zwischen zwei Rollen oder auf ein rotierendes, gekühltes Gießband. C: Durch Gießen des flüssigen Stahls zwischen zwei Bändern mit anschließendem Auswalzen zu einem Verbundband. Nachfolgend einige Fragen aus dem Alltag eines Stahlwerks mit Gießbetrieb. Frage 4.4.14: Welches Nebenprodukt fällt im Stahlwerk mengenmäßig am meisten an? A: Zunder B: Schlacke C: Filterstaub Frage 4.4.15: Was wird in einem Elektrostahlwerk als Rücklaufschrott bezeichnet? A: Aus dem Lichtbogenofen (LBO) auslaufender, flüssiger Schrott mit hohen Anteilen an Schlacken. B: Angelieferter und aufbereiteter Schrott vom Schrotthändler, der diesen Schrott zuvor vom gleichen Stahlwerk eingekauft hat. C: Sortenrein gesammeltes Schrottaufkommen aus der eigenen Fertigung, das sofort im Stahlwerk wieder eingesetzt werden kann. Frage 4.4.16: Was verträgt sich nicht im Stahlwerk? A: Schlacke und flüssiger Stahl B: Flüssiger Stahl und Wasser C: Rohstahl und Kohlenstoff Frage 4.4.17: Was ist eine Spülcharge? A: Diese Schmelzcharge dient zur Neutralisation der Feuerfestausmauerung in einem Lichtbogen-Ofen, um Legierungsanstiege (z. B. von Chrom) bei nachfolgenden Chargen zu vermeiden. B: Die Spülcharge dient zum Ausspülen von Resten flüssiger Schlacke aus den Pfannen vorheriger Schmelzen. C: Es ist eine besonders dünnflüssige Stahlschmelze mit ausgewählten Zusätzen.

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4 Stahlherstellung

Frage 4.4.18: Was ist eine Aufbauschmelze? A: Eine Stahlschmelze, die in Schichten erschmolzen wird. B: Eine Stahlschmelze, die bei Einsatz eines unlegierten Schrotts als Eisenträger durch Zulegieren analytisch auf die Zielanalyse „aufgebaut“ wird. C: Eine Stahlschmelze, deren Temperatur vor dem Abguss erhöht werden muss. Frage 4.4.19: Wozu ist ein Gießstrahlschutz beim Block- und Strangguss wichtig? A: Ein Gießstrahlschutz ist wegen des Arbeitsschutzes notwendig und wird vor jedem Abguss kontrolliert und gegebenenfalls erneuert. B: Der Gießstrahlschutz schützt die Pfanne beim Abgießen vor einem unnötigen Verschleiß an der Abstichöffnung. C: Ein Gießstrahlschutz verhindert den Luftzutritt zum Gießstrahl beim Gießen und vermeidet dadurch die Bildung von unzulässigen Einschlüssen (Stahlqualität!).

5

Umformen

5.1

Grundlagen der Metallformung

Ein Blick auf den Schreibtisch und wir sehen Büroklammern, Druckkugelschreiber mit kleinen Federn, einen Locher mit zwei scharf angeschliffenen Stempeln zum Papierlochen – Stahl in winziger Drahtform oder als Rundstab. Mit einem kleinen, sehr dünnen Spezialstahl als Klinge gelingt eine schonende Trockenrasur. Unser Auto hat im Winter meist Stahlfelgen. Der Motor überträgt das Drehmoment über Getriebe, Gelenkwellen und Flansche an die Räder. Und die Karosserie besteht aus geformtem Tiefziehblech. Edelstahl, korrosionsbeständig und schön geformt, begegnet uns als Handlauf im Treppenaufgang, in der Küche als Besteck zum Essen oder als Schlagwerk zum Mixen. Straßen- und Eisenbahnen rollen leise auf Stahlschienen. Überall Stahl in unterschiedlichsten Formen und Abmessungen, die nur durch einen Umformprozess mit anschließender Weiterverarbeitung herstellbar sind. So wird Stahl, wie auch fast alle Metalle und deren Legierungen, im Laufe der Herstellung immer auch umformend bearbeitet.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_5

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5

Umformen

Frage 5.1.1: Was bedeutet das Umformen von Metallen, so auch von Stahl? A: Die ungewollt eintretende Änderung der Form eines Stahlprodukts bei Bruch des Zerspanungswerkzeuges während der mechanischen Bearbeitung. B: Das Verformen von Stahlkonstruktionen zur Verbesserung deren Stabilität. C: Die bewusst vorgenommene, bleibende geometrische Änderung einer Roh- bzw. Werkstückform in eine neue Form. Grundsätzlich haben alle Metalle und Legierungen die Fähigkeit, unter Einwirkung äußerer Kräfte sich vorübergehend elastisch zu verhalten. Nach Aufheben der äußeren Belastung wird wieder die ursprüngliche Form angenommen. Um dies zu verstehen, zeigt die Abb. 5.1 einen Blick ins Innere bis hin zum atomaren Gitteraufbau. Die äußere Kraft bedrängt die Atome, ihre Position aufzugeben. Dabei wird das Gitternetz verzerrt. Die Atome behalten aber gerade noch ihre Positionen zueinander. Fällt diese einwirkende Kraft nun wieder weg, dann wird auch die Gitterverzerrung aufgehoben. Der ursprüngliche Gitterzustand stellt sich wieder ein. Das ist das typische Verhalten z. B. von Federn. Hier bleibt die Belastung im elastischen Bereich und dieser Vorgang (Belastung und Gitterverzerrung – Entlastung und Gitterentzerrung) kann quasi unendlich viele Male erfolgen. Der Prozess des Umformens verläuft dagegen anders. Frage 5.1.2: Was kennzeichnet das Umformen von Metallen? A: Das beim Umformen erzeugte elastische Verhalten. B: Der durch die einwirkende Kraft als „Plastizität“ bezeichnete Effekt des irreversiblen Verschiebens (Gleitens) von Kristallebenen und somit die bleibende Formänderung. C: Eine unkontrolliert eintretende, örtlich begrenzte Gitterverzerrung, die zu einer bleibenden Maßänderung des umzuformenden Bauteils führt.

Ausgangszustand

Krafteinwirkung

Endzustand

F F

Elastisches Verhalten Abb. 5.1 Elastisches Verhalten, vereinfacht dargestellt als Gitterverzerrung und dessen Entzerrung

5.1  Grundlagen der Metallformung

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Frage 5.1.3: Was stellt eine Gleitebene beim Umformen von Stahl dar? A: Eine schiefe, sehr glatte Werkstückoberfläche. B: Eine mit Schmiermittel versehene, unregelmäßig raue Fläche an einem Formgebungswerkzeug. C: Eine für das Fließen (Umformen, Abgleiten) bevorzugte Ebene in einem Kristallgitter. Da der reale Werkstoff Stahl im Gefüge auch Fehlstellen, z. B. Versetzungen, aufweist (siehe Kapitel 3.2: Grundlagen der Legierungstechnik), beginnen auch diese mitzuwandern; die plastische Formänderung setzt ein. Mit zunehmender Umformung wird dieser Vorgang behindert, also immer schwieriger. Die Gleitung wird erschwert. Dies ist besonders bei einer Umformung bei Raumtemperatur der Fall. Frage 5.1.4: Welcher Werkstoffparameter kennzeichnet die Behinderung der plastischen Umformung? A: Der Formänderungswiderstand bzw. der Umformwiderstand B: Die Plastizitätskonstante C: Der Elastizitätsmodul Frage 5.1.5: Was stellt eine Verfestigung des Stahls dar? A: Eine stabile Verankerung eines Stahlprodukts. B: Eine Veränderung der physikalischen und technologischen Eigenschaften (Erhöhung der Festigkeit) beim Umformen. C: Eine äußerst feste, unlösbare Verbindung von Stahlteilen mit unterschiedlichen chemischen Zusammensetzungen. Ein umgeformter, verfestigter Stahl versucht, wieder in einen geordneten Zustand der Kristalle zu gelangen. Dies ist jedoch ohne Energiezufuhr nicht möglich. Jetzt kommen die Vorgänge „Erholung“ und „Rekristallisation“ ins Spiel. Frage 5.1.6: Was wird als Erholung im Zusammenhang mit verfestigtem Stahl bezeichnet? A: Eine durch Weichglühen erzeugte, vollständige Gefügeänderung im Stahl. B: Eine leichte Verfestigung mit Spannungsabbau im Gefüge, die durch eine gezielte Wärmebehandlung entstehen kann. C: Die Beseitigung der Folgen einer plastischen Umformung (Verfestigung) ohne Gefügeänderung. Frage 5.1.7: Was versteht man unter dem Vorgang Rekristallisation? A:  Die unregelmäßige Anordnung und Verschiebung von Kristallen zur Festigkeitserhöhung. B: Die Gefügeänderung im Stahl bei Zugabe eines bestimmten Legierungselementes. C: Die Rückordnung der Kristallite in den ursprünglichen, unverzerrten, gut umformbaren, weichen Zustand (Neubildung des Gefüges).

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5 Umformen

Durch folgende Einflussgrößen kann ein Umformprozess beschrieben und gesteuert werden: • Werkstoff (Formänderungswiderstand, Formänderungsfestigkeit  – Formänderungsvermögen) • Verfahren (Druck-, Zug/Druck-, Zug-, Biege- oder Schubumformung) • Umformtemperatur • Umformgeschwindigkeit • Umformgrad (Querschnittsabnahme) • Reibungsbedingungen (Oberflächenzustand, Schmiermittel) Eine wichtige Größe stellt der Parameter Umformgrad dar, für die in der Praxis je nach betrachtetem Profil des Umformgutes und des Umformverfahrens oft unterschiedliche Bezeichnungen und auch Berechnungen benutzt werden, u. a. Umformgrad, Abnahme, Querschnittsabnahme, Querschnittsänderung, Längenänderung, Streckung, Streckgrad, Stauchung, Stauchgrad, Breitung, Breitgrad, Walzgrad. Frage 5.1.8: Was ist bei der Berechnung des Umformgrades zu beachten? A: Die Ausgangsgeometrie und der Materialverlust beim Umformen. B: Das Gesetz der Volumenkonstanz. C: Die Umformgeschwindigkeit und die Reibungsverluste. Von Interesse ist vor allem die maximale Kraft, um ein Halbzeug oder ein Werkstück überhaupt umformen zu können. Dabei ist zu unterscheiden, wie diese Kraft in die Umformzone eingeleitet wird. Frage 5.1.9: Welche zwei Umformverfahren werden nach der Krafteinleitung unterschieden? A: Schlag- und Druckumformen B: Zug- und Streckumformen C: Umformen mit direkter und indirekter Krafteinleitung Eine weitere Unterscheidung erfolgt nach der Umformtemperatur: • Kaltumformung • Halbwarmumformung • Warmumformung Frage 5.1.10: Was ist charakteristisch für eine Kaltumformung? A: Ein Stahlprodukt wird mit Eis in der Umformzone gekühlt. B: Das Umformwerkzeug wird ständig mit Wasser innen und außen in einem kalten Zustand gehalten. C: Das Umformen erfolgt ohne Vorwärmen des Umformgutes bei Raumtemperatur und es tritt eine Kaltverfestigung ein.

5.2  Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen)

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Frage 5.1.11: Was ist charakteristisch für eine Warmumformung? A: Ein Stahlprodukt wird in einer warmen Halle umgeformt. B: Das Umformen erfolgt nach Vorwärmen des Umformgutes auf eine Temperatur oberhalb der Rekristallisationstemperatur, so dass keine Verfestigung auftritt. C: Beim Umformen wird vorgewärmtes, heißes Schmiermittel eingesetzt, um die Reibung zwischen dem Umformwerkzeug und dem Umformgut zu verbessern. Um die Vorteile der Kalt- und Warmumformung zu nutzen, kommt die Halbwarmumformung insbesondere für schwer umformbare Stähle zur Anwendung. Übliche Umformtemperaturen liegen dabei zwischen 250 bis 850 °C. Die industrielle Anwendung der Halbwarmumformung ist auf ein enges Sortiment (Edelstähle, Titan u. a.) vorwiegend für den Einsatz in der Luft- und Raumfahrt sowie in der Fahrzeugindustrie begrenzt. Innovativ in der Anwendung sind auch die sogenannten thermomechanischen Umform-­ prozesse. Hier werden das Umformen und das Härten des Stahls in einem einzigen Umform-­ schritt mit einem definierten Prozessfenster für die Umformtemperatur, die Querschnittsabnahme und die Abkühlbedingungen kombiniert. Das „Presshärten“ z. B. bei der Herstellung von Karosserieteilen für PKW oder die thermomechanische Behandlung aus der Walzhitze sind Beispiele hierfür. Nachfolgend werden die Verfahren Schmieden, Fließpressen, Strangpressen, Walzen, Tiefziehen, interessante Verfahren wie Hydroforming, Innen-Hochdruck- und Hochenergie-­ Umformen, Ziehen sowie pulvermetallurgische und additive Verfahren und Anlagen behandelt.

5.2 Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen) Die Produktionstechnik des Schmiedens änderte sich über Jahrtausende kaum. Hammer und Amboss waren und sind die wichtigsten Werkzeuge. Frage 5.2.1: Das Schmieden ist nach der Art der Krafteinwirkung … A:… ein Zug-Umformverfahren B:… ein klassisches Biegeverfahren C:… ein Druck-Umformverfahren Frage 5.2.2: Woher stammt die Bezeichnung Freiformschmieden? A: Vom Umstand, dass der Schmied selbst frei entscheiden kann, welche Form bzw. Geometrie am Schmiedegut er gerade schmiedet. B: Vom Schmieden zwischen zwei flachen oder V-förmigen Sätteln mit viel Freiheiten hinsichtlich Stauchverhältnisse, Presskräfte, Blockgrößen, Temperaturen usw. (Gegenteil zu Gesenkschmieden).

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5 Umformen

C: Von der Form des geschmiedeten Werkstücks, die unabhängig von der Schmiedetemperatur, der Form der Schmiedesättel und frei wählbar durch den Schmied entstehen kann. Beim manuellen (handwerklichen) Schmieden erarbeitet der Schmied die Form seines Werkstückes, z. B. eines Hufeisens, frei mit dem Handhammer auf dem Amboss oder mit einem Lufthammer (Freiformschmieden). Das industrielle Schmieden stellt Bauteile für den Maschinen- und Anlagenbau sowie den Fahrzeug-, Flugzeug- und Schiffbau her. Stückgewichte bis 250 t sind möglich. Nach der Art der Krafteinwirkung und der Form der Schmiedewerkzeuge unterscheidet man folgende Schmiedeverfahren: • Freiformschmieden • Langschmieden • Gesenkschmieden Die Abb. 5.2 zeigt diese drei Schmiedeverfahren in einer Gegenüberstellung. In der Praxis wird der Begriff Schmieden für das Umformen mit Hand- oder Maschinenhämmern, Pressen oder Schmiedemaschinen benutzt. Frage 5.2.3: Worin besteht der Unterschied beim Umformen mit Hämmern oder Pressen? A: In der Anlagengröße: Lufthämmer sind meist größer als Pressen. B: In der Form der eingesetzten Umformwerkzeuge (Sättel). C: In der Umformgeschwindigkeit: Das Hämmern erfolgt mit höherer Umformgeschwindigkeit (höhere Schlagzahl) als das Pressen. Die heute beim industriellen Schmieden eingesetzten Verfahren unterscheiden sich nach der Arbeitstemperatur wie folgt:

Freiformschmieden

Langschmieden

Gesenkschmieden

Abb. 5.2  Darstellung der Schmiedeverfahren Freiformschmieden, Langschmieden und Gesenkschmieden

5.2  Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen)

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• Kaltschmieden Das Umformen erfolgt bei Raumtemperatur, dadurch tritt keine Verzunderung auf. Es sind sehr enge Maßtoleranzen erreichbar und es tritt eine Verfestigung des Stahls ein. • Halbwarmschmieden Das Schmieden erfolgt bei Vorwärmtemperaturen des Schmiedegutes zwischen 750 bis 950 °C. In diesem Temperaturbereich hat der Stahl eine eingeschränkte Umformbarkeit. Es sind höhere Umformkräfte erforderlich als beim klassischen Warmschmieden. Bei der Vorwärmung und beim Halbwarmschmieden tritt keine bzw. nur eine geringe ­Verzunderung (Oxidation) der Stahloberfläche auf. Es können Schmiedeteile mit engeren Maßtoleranzen als beim Warmschmieden hergestellt werden. • Warmschmieden Die Arbeitstemperatur (Schmiedetemperatur, auf die das Schmiedegut vorgewärmt werden muss) liegt beim klassischen Warmschmieden je nach Stahlgüte bei 950 bis 1250 °C. Dadurch ist bei relativ geringen Umformkräften eine gute Umformbarkeit gegeben. Es tritt keine Verfestigung des Stahls ein. Die Oxidation an der Stahloberfläche (Verzunderung) bei der Vorwärmung ist zu berücksichtigen. Für ein gutes Schmiedeergebnis sind die eingesetzten Schmiedeverfahren und -anlagen wichtig; ebenso gefragt sind die Erfahrungen der Schmiede. Frage 5.2.4: Was sind die wichtigsten Einflussparameter beim Schmieden? A:  Werkstoff des Schmiedeguts, Umformgrad, Schmiedetemperatur und Umformgeschwindigkeit B: Größe des Ambosses, die Temperatur in der Schmiedehalle sowie die Arbeitsgeschwindigkeit des Schmiedemanipulators. C: Die Drehgeschwindigkeit und Lastaufnahme des Schmiedemanipulators. Der wichtige Parameter Umformgrad wird in der Praxis des Schmiedens hauptsächlich als Verschmiedungs- und Stauchgrad verwendet. Frage 5.2.5: Wie wird der Verschmiedungsgrad berechnet? A: Als die geometrische Änderung der Höhenabnahme. B: Als Umformung, bezogen auf die Ausgangs- und Endquerschnittsfläche. C: Als die Maßänderung (Zunahme) der Breite. Frage 5.2.6: Wie wird der Stauchgrad berechnet? A: Als die Umformung, bezogen auf die Höhenabnahme. B: Als Umformung, bezogen auf die Ausgangs- und Endquerschnittsfläche. C: Als die Maßänderung (Zunahme) der Breite.

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5 Umformen

Beim Schmieden wird die notwendige Umformkraft, abhängig vom umzuformenden Werkstoff, direkt über die Werkzeugflächen (Schmiedesättel) in die Umformzone eingeleitet. Daher gilt für diese unmittelbare, direkte Krafteinleitung und ohne Berücksichtigung der Reibung für die ideelle, notwendige Umformkraft:

Fid = A × k f

Der Faktor kf ist die Fließspannung, die zur plastischen Formänderung des betreffenden Stahls nötig ist. Sie wird stets auf die tatsächlich vorhandene Querschnittsfläche, somit auf die wahre Formänderung (Umformgrad φ) bezogen:

k f = F/A

Hierin bedeuten: F: die aktuell gemessene Umformkraft A: die aktuelle Querschnittsfläche der Probe

j = ln h 0 /h1

Hierin bedeuten: ho: die Höhe der Probe vor der Umformung h1: die Höhe der Probe nach der Umformung In der Praxis der Umformtechnik haben sich Fließkurven bewährt. Frage 5.2.7: Was versteht man beim Umformen unter der sogenannten Fließkurve? A: Die sich beim Umformen ergebende, kurvige Ausbauchung des Schmiedegutes. B: Den Zusammenhang zwischen Fließspannung und Umformgrad unter Berücksichtigung der Temperatur und Umformgeschwindigkeit. C: Den Beginn des Fließens des Schmiedegutes in das Formwerkzeug beim Gesenkschmieden unter Berücksichtigung der Schmiedeguttemperatur. Interessant ist die Entwicklung der Antriebstechnik mittels Wasserrad, Dampf oder Druckluft bis hin zu den heutigen hydraulisch betriebenen Schmiede- und Pressenanlagen. Die heute im Einsatz befindlichen Hammer- und Schmiedeanlagen unterscheiden sich nach der Antriebsart bzw. Kraftübertragung (arbeits-, kraft- oder weggebunden). Frage 5.2.8: Welche Typen von Schmiedehämmern sind heute im Einsatz? A:  Gelenkhämmer, Schräghämmer, Breitungshämmer, Vertikalhämmer, Rundhämmer, Profilhämmer, Gasdruckhämmer, Öldruckhämmer B: Horizontalhämmer, Vertikalhämmer, Stanzhämmer, Biegehämmer C: Handhämmer, Bohrhämmer, Lufthämmer, Federhämmer, Fallhämmer, Gegenschlaghämmer, Langschmiedemaschinen

5.2  Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen)

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Frage 5.2.9: Was ist ein Gegenschlaghammer? A: Das Schmiedegut wird nach einem Hammerschlag stets um 180 °C gedreht, damit der nächste Hammerschlag immer entgegen des vorherigen Hammerschlags erfolgen kann. B: Der Hammer besitzt einen beweglichen Amboss bzw. unteren Bär, der sich beim Hammerschlag gleichzeitig nach oben bewegt, sodass das Schmiedegut von oben und von unten geschmiedet wird. C: Die Hammeranlage besitzt einen oberen Bär, der nach jedem Schlag nochmals auf das Schmiedegut fällt und so einen Gegenschlag erzeugt. Frage 5.2.10: Was ist ein Fallhammer? A: Eine spezielle Hammertechnik, wobei man den Handhammer einfach aus der Hand auf das Schmiedegut fallen lässt, um so definierte, lokal begrenzte Umformungen am Schmiedegut zu erzeugen. B: Eine Hammeranlage mit schräg abfallendem Amboss. C: Ein Hammer, bei dem nur der freie Fall des Bärgewichts aus einer definierten Fallhöhe den Schlag auf das Umformgut und somit dessen Umformung bewirkt. Frage 5.2.11: Was ist eine Langschmiedemaschine? A: Eine Schmiedeanlage mit paarweise gegeneinander arbeitenden Hämmern zum Umformen von langem Rundhalbzeug. B: Ein Schmiedehammer, der sich entlang des zu schmiedenden, sehr langen Schmiedeguts bewegt und dabei die Hammerschläge ausführt. C: Es ist eine Maschine mit vielen, hintereinander angeordneten Hämmern, durch das lange Schmiedegut geführt und so nacheinander mit vielen Hammerschlägen geschmiedet wird. Frage 5.2.12: Welche Typen von Schmiedepressen sind heute im Einsatz? A:  Spindelpressen, Kurbelpressen, Kniehebelpressen, Exzenterpressen, hydraulische Über- oder Unterflurpressen B: Horizontalpressen, Vertikalpressen, Handpressen, Ziehpressen, Druckpressen, Biegepressen, Stauchpressen C: Strangpressen, Profilpressen, Maschinenpressen Frage 5.2.13: Was ist eine Unterflurpresse? A: Die Pressenanlage steht komplett unterhalb des Hüttenflurs. B: Eine hydraulische Presse, dessen Arbeitskolben unterhalb des Hüttenflurs (Arbeits­ ebene in Stahl-, Walz- und Schmiedebetreiben) angeordnet ist. C: Eine Presse, der das Schmiedegut unter Flur, d. h. unterirdisch, quasi im Keller mit einer speziellen Transporteinrichtung zugeführt wird. Das Gesenkschmieden (Gesenkformen) spielt in der Metallverarbeitung eine sehr große Rolle; erfüllen doch Gesenkschmiedeteile sehr hohe Anforderungen hinsichtlich Festigkeit und dynamischer Beanspruchung. Die Formgebung erfolgt mit profilierten Werkzeugen

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5 Umformen

(Formgesenken). Hierzu zählt auch das Präzisionsschmieden von einbaufertigen Teilen. Typische Produkte, die durch Gesenkschmieden hergestellt werden, sind für den Automobilbau Pleuel, Fahrwerksteile, Radflansche, Kurbelwellen, Nockenwellen, Kolben und Bolzen. Baustähle kommen für Bolzen, Ringe, Flansche, Hebel zum Einsatz. Radnaben, Nockenwellen, Kurbelwelle, Achsen und Laufräder werden aus Vergütungsstählen hergestellt. Und Einsatzstähle werden für Hebel, Zahnräder und sonstige Getriebeteile verwendet. Frage 5.2.14: Welche zwei Verfahren kommen beim Gesenkschmieden zur Anwendung? A: Gesenkschmieden bei Raumtemperatur oder bei tiefen Temperaturen. B: Gesenkschmieden mit oder ohne Grat. C: Gesenkschmieden mit ein- oder zweiteiligen Formwerkzeugen. Der Prozess des Gesenkschmiedens, meist für Stahl bei erhöhten Temperaturen durchgeführt, umfasst die Einzelschritte: • • • • • • •

Abtrennen des Rohlings vom Halbzeug Erwärmen auf Schmiedetemperatur Vorformen (z. B. Masseverteilung mittels Reckwalzen) Vorschmieden Fertigschmieden Abgraten und Lochen Abkühlen, Wärmebehandlung

Mit modernster Technik werden heute alle Grundverfahren zur Formgebung von Stahl angewandt, wie z. B. Strecken, Formrecken, Anstauchen, Stauchen, Setzen, Breiten, Durchsetzen, Lochen, Absetzen, Biegen, Gesenkrichten, Prägen und Gesenkdrücken. All diese Schmiedevarianten vorzustellen, würde den Rahmen dieses Lernbuches sprengen. Nur ein Verfahren soll noch erwähnt werden: das Prägen. Begleiten uns doch tagtäglich die interessantesten Prägeergebnisse in unseren Geldbörsen. Frage 5.2.15: Was kennzeichnet das Prägen als Fertigungsverfahren? A: Die aus Blechen gestanzten, komplizierten Konturen. B: Die auf glatten Schmiedesättel ausgeformten, flachen Formstücke. C: Die spanlos mittels konturierter Stempel mit hoher Oberflächengüte, Gleichmäßigkeit und Formgenauigkeit in ein Werkstück eingebrachten Konturen.

5.3 

Fließpressen

Neben dem Freiformen (Schmieden, Hämmern, Pressen) und dem Gesenkumformen (Gesenkschmieden, Prägen) sollen nachfolgend bei der Betrachtung der Druckumform-­ Verfahren auch das Fließpressen und das Strangpressen behandelt werden. Die Bezeichnung Fließpressen bringt schon das Wirkprinzip zum Ausdruck.

5.4 Strangpressen

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Frage 5.3.1: Wie funktioniert das Massivumformverfahren Fließpressen? A: Das Schmieden von Werkstücken erfolgt fließend in mehreren Umformstufen mit einer automatisierten Pressenanlage. B: Das Umformgut wird in einem fließfähigen Zustand mit hohem Druck durch eine Ma­ trize zu einer neuen Form ausgepresst. C: Das Umformgut wird in einer Kammer erwärmt und so unter Druck gesetzt, dass es leicht flüssig aus einer Öffnung ausfließen kann. Frage 5.3.2: Welche Hauptverfahren des Fließpressens sind bekannt? A: Das ein- oder zweistufige Fließpressen. B: Das Pressen des Umformguts in einem flüssigen, teigigen oder festen Zustand. C: Das Vorwärts-, Rückwärts- oder Querfließpressen. Ausgehend von der erforderlichen guten Umformbarkeit des zu verarbeitenden Werkstoffs werden Fließpressverfahren bevorzugt für Nichteisenwerkstoffe wie Aluminium und Kupfer bzw. deren Legierungen eingesetzt, aber auch zunehmend für die Formgebung von Stählen. Typische Anwendungsbeispiele für Stahl-Fließpressteile, vorwiegend warm umgeformt, sind z. B. Hydraulikkomponenten, Teile für Getriebe (z. B. Hohlwellen), Lenkung, Antrieb, Fahrwerk, Motoren, Teile für den Maschinenbau, Flugzeugbau, Chemieanlagenbau und Dampfturbinenbau.

5.4 

Strangpressen

Nach dem gleichen Prinzip des Fließpressens arbeitet das Strangpressverfahren. Frage 5.4.1: Worin besteht der Unterschied zwischen Fließ- und Strangpressen? A: Beim Fließpressen fließt der Werkstoff nahezu flüssig durch eine Formmatrize, während beim Strangpressen ein hoher Pressdruck zum Umformen erforderlich ist. B: Mit dem Fließpressen werden Formteile, mit dem Strangpressen Stränge, also sehr lang ausgeformte Langprodukte (Halbzeug) erzeugt. C: Es gibt keine Unterschiede. Frage 5.4.2: Welche Varianten werden beim Strangpressverfahren unterschieden? A: Das direkte und das indirekte Strangpressen. B: Das Vorwärts- und das Rückwärtsstrangpressen. C: Das Horizontal- und das Vertikalstrangpressen. Ein Sonderverfahren stellt das sogenannte hydrostatische Strangpressen dar. Frage 5.4.3: Worin liegt die Besonderheit des hydrostatischen Strangpressens? A: Es kann nur sehr begrenzt für wenige Kupferlegierungen genutzt werden.

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5 Umformen

B: Im flüssigen Wirkmedium, das die Presskraft auf den Block in Form eines hydrostatischen Drucks überträgt und zum Auspressen mit geringster Reibung führt. C: In einer sehr einfachen und kleinen Bauart der Strangpressanlage, die mit einer spezielle Öldruckpumpe ausgestattet ist. Die genannten Strangpressverfahren werden vor allem für gut umformbare Werkstoffe, sogenannte Knetlegierungen wie z.  B.  Aluminium, Kupfer und deren Legierungen, zur Kaltumformung eingesetzt. Es kann in einem Umformschritt ein hoher Umformgrad bei relativ günstigen Werkzeugkosten erreicht werden. Bekannt sind besonders die Aluminiumprofile für die Herstellung von Fenstern, Türen und Fassaden. Das Strangpressen ist natürlich unter bestimmten Umständen (Warmumformung) auch für Stahl geeignet. So werden beispielsweise nahtlose Rohre, Träger- und U-Profile aus Edelstahl erzeugt. Nur bei besonderen Anforderungen an derartige Profile hinsichtlich Festigkeit, Hitze- und Korrosionsbeständigkeit und bei geringeren Mengen kann ein Strangpressen von Stahl sinnvoll sein.

5.5  Walzen (Grundlagen, Walzverfahren) Produkte, wie z. B. Stahlplatten, Stahlträger, Rohre, Schienenprofile, Radreifen, Stahlbänder und Bleche, Bewehrungsstähle und Stahldrähte, werden durch unterschiedliche Walzverfahren hergestellt. Die Abb. 5.3 zeigt das Prinzip des Umformens durch Walzen. Frage 5.5.1: Das Walzen ist nach der Art der Krafteinwirkung … A: … ein Zug-Umformverfahren. B: … ein klassisches Biegeverfahren. C: … ein Druck-Umformverfahren. Abb. 5.3  Prinzip des Umformens durch Walzen

Walzen

5.5  Walzen (Grundlagen, Walzverfahren)

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Frage 5.5.2: Welche wichtigen Parameter beeinflussen den Walzvorgang? A: Der Werkstoff der Walzen, die Lagerung der Walzen und die Form der Walzenzapfen. B: Der Werkstoff des Umformguts, die Querschnittsabnahme, die Walztemperatur, die Drehzahl der Walzen, die Geometrie der Walzen, die Schmierung u. a. C: Die Antriebsart der Walzen, der Zustand der Zu- und Abführrollen und die Temperatur der Führungsschienen am Walzgerüst. Viele weitere Basisparameter, geometrische Größen und Kennwerte sind zu beachten, zu berechnen und einzustellen, wenn man einen sicheren und qualitätsgerechten sowie werkstoffbezogenen Walzvorgang erreichen will: Walzspalt, Höhenabnahme, Breitung, Streckung, Kontinuitätsgesetz, Fließscheide, Voreil- und Rückstauzone, gedrückte Länge, Greifbedingung, Einzugswinkel, Druckspannung, Reibungskraft, Normalkraft. Die Abb. 5.4 zeigt hierzu die Geometrie des Walzspalts beim Umformen mit einem Zweiwalzen-­Walzwerk. Frage 5.5.3: Was wird mit dem Begriff Walzspalt definiert? A: Der Abstand der Achsmittelpunkte zweier Flachwalzen zueinander. B: Der Spalt zwischen zwei Walzen, der beim Walzvorgang durch das Lagerspiel entsteht. C: Die Formänderungszone zwischen zwei Walzen, die durch die Ausgangsgeometrie des Walzgutes und den Walzendurchmessern bestimmt wird. Frage 5.5.4: Was besagt die Greifbedingung beim Walzen? A: Dass profilierte Walzen das Walzgut immer greifen und durchwalzen. B: Dass zum sicheren Einziehen des Walzgutes in den Walzspalt die einziehende Reibungskraftkomponente in Walzrichtung größer sein muss als die rückstoßende Normalkraftkomponente. C: Dass sich die Walzen schnell drehen müssen, um das Walzgut in den Walzspalt einzuziehen. Abb. 5.4 Schematische Darstellung des Walzspaltes beim Umformen mit zwei Walzen

Einzugswinkel α

h0

h1 Walzspalt (Formänderungszone)

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5 Umformen

Frage 5.5.5: Welche Hauptwalzverfahren werden unterschieden? A: Längswalzen, Querwalzen, Schrägwalzen und Reckwalzen B: Gewindewalzen, Trennwalzen, Formwalzen C: Schlichtwalzen, Kalibierwalzen, Kalt- und Warmwalzen Frage 5.5.6: Wodurch ist das Längswalzverfahren gekennzeichnet? A: Langprodukte werden einzeln entlang der Walzgerüste quer zu den einzelnen Walzenpaaren ausgewalzt. B: Die Achsen der Walzen sind quer zur Walzrichtung angeordnet und es werden in Längsrichtung Langprodukte ausgewalzt. C: Das Walzen von Langprodukten erfolgt parallel zu den Achsen der Walzen. Nach dem Längswalzverfahren arbeiten Walzwerke mit flachen oder profilierten Walzen, wie Blockwalzwerke, Profilwalzstraßen (offene Walzstraßen), kontinuierliche Walzstraßen, Warm- und Kaltbandwalzwerke, Reckwalzen und auch Pilgerschritt-Walzwerke. Frage 5.5.7: Was ist ein Reversier-Duo-Walzgerüst? A: Ein Gerüst mit zwei Walzen, deren Drehrichtungen veränderbar sind (reversierendes, also ein Vor- und Zurückwalzen ist möglich). B: Ein Walzgerüst, mit dem zwei Walzadern gleichzeitig nebeneinander gewalzt werden können. C: Ein Walzgerüst, das in einer kontinuierlichen Walzstraße je nach Bedarf ein- und ausgebaut werden kann. Frage 5.5.8: Was wird mit dem Begriff einer offenen Walzstraße bezeichnet? A: Ein Walzwerk, das „offen“ für jedermann, also immer zugänglich ist und genutzt werden kann. B: Ein Duo-Reversier-Walzwerk mit offenen Kastenkaliberwalzen. C: Eine Walzstraße, bei der die Einzelgerüste nebeneinander angeordnet und miteinander antriebsseitig verbunden sind. Frage 5.5.9: Wie arbeiten kontinuierliche Walzstraßen? A: Nacheinander werden Gussblöcke gleicher Abmessung auf einem Blockwalzwerk gewalzt, so dass ein kontinuierlicher Betrieb möglich ist. B: Mit in Linie hintereinander zu einer Walzstraße angeordneten Horizontal- und Vertikal-­ Duowalzgerüsten werden kontinuierlich Stäbe und Draht gewalzt. C: Mehrere Walzgerüste werden kontinuierlich nebeneinander betrieben. Frage 5.5.10: Wie sind als Bestandteil der kontinuierlichen Walzstraßen die sogenannten Walzblöcke aufgebaut? A: Die Walzblöcke bestehen aus mehreren Duo-Walzgerüsten, die zusammen in einem Gerüstblock montiert sind.

5.5  Walzen (Grundlagen, Walzverfahren)

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B: Die Walzblöcke sind die ersten Duowalzgerüste an kontinuierlichen Walzstraßen zum „Startwalzen“ von Gussblöcken und deshalb sehr stabil ausgeführt. C: Die Walzblöcke bestehen aus mehreren hintereinander zu einem Block geschalteten Walzeinheiten mit zwei, drei oder auch vier Walzscheiben. Die im Rahmen des Längswalzens beschriebenen Blockwalzwerke und Profilwalzstraßen arbeiten mit Walzen, die profilierte, sogenannte kalibrierte Walzbahnen aufweisen. Die in den Walzballen eingeschnittenen Formen ergeben mit der Form der Gegenwalze unter Beachtung des Walzenabstandes das erzielbare Walzprofil. Bei jedem einzelnen Walzdurchgang wird das Walzgut schrittweise der Endgeometrie durch die Einzelquerschnitts­ änderungen nähergebracht. Diese Abfolge einzelner Umformschritte nennt man Kaliberfolge. Die Festlegung der Geometrien der einzelnen Walzschritte (Einzelumformgrade) in Abhängigkeit von der Stahlgüte (Formänderungsfestigkeit) wird Kalibrierung genannt. Diese erfolgt mit modernen Berechnungsverfahren. Auf diese Kalibrierung („Eine Wissenschaft für sich!“) soll an dieser Stelle kurz hingewiesen werden, ohne jedoch auf Details zu den Berechnungsgrundlagen einzugehen. Frage 5.5.11: Was ist ein geschlossenes Kastenkaliber? A: Eine spezielle Kaliberform, die nur in einem geschlossenen, kastenförmigen Behälter am Walzgerüst zum Einsatz kommt. B: Die Ober- und Unterwalzen bilden eine vollständig umschlossene, kastenförmige Form, die eine allseitige Umformung des Walzgutes ermöglicht. C: Der Bereich an der Oberfläche einer Blockwalze, der die ersten beiden Formkaliber umfasst. Die Abb. 5.5 zeigt weitere Kaliberformen, die z. B. in kontinuierlichen Stab- und Drahtwalzwerken zum Walzen von Rundhalbzeug eingesetzt werden: Rautenkaliber, Quadratkaliber, Ovalkaliber und Rundkaliber. Zusätzlich wird ein Beispiel für eine mögliche Kaliberfolge zum Walzen eines Winkeleisens gezeigt. Frage 5.5.12: Was ist mit Kaliberfüllung gemeint? Das beim Warmwalzvorgang langsam eintretende Ausfüllen der Kaliberformen A:  mit Zunder. B: Der in Abhängigkeit von der Walzgeschwindigkeit entstehende Grad der Füllung der Kaliberformen mit Kühlwasser. C: Der Grad der beim Walzen materialabhängig eintretenden Füllung der einzelnen Kaliberformen mit Walzgut. Neben den Profilwalzwerken kommen zum Walzen von Breit-Flach-Halbzeug, also von Brammen, Blechen und Bändern, hauptsächlich Duo-, Quarto- und Vielwalzen-Reversiergerüste als Einzelaggregate sowie Walzstraßen mit mehreren hintereinander angeordneten Duo- und Quarto-Walzgerüsten zum Einsatz. Deren Walzen sind nicht profiliert, weisen also eine ebene Walzbahn auf (Flachwalzen).

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5 Umformen

Abb. 5.5 Schematische Darstellung von Kaliberformen, links v. o. n. u.: Rautenkaliber, Quadratkaliber, Ovalkaliber, Rundkaliber, rechts v. o. n. u.: Beispiel für eine Kaliberfolge für ein Winkeleisen

Kaliberfolgen

Frage 5.5.13: Wie kann die Durchbiegung der meist kleinen Arbeitswalzen im Kontakt mit dem Flachwalzgut Blech oder Band anlagentechnisch verringert bzw. verhindert werden? A: Durch eine gezielte Vorspannung der Arbeitswalzen, den Einsatz von Stützwalzen, durch einen besonderen Walzenschliff (Bombierung) sowie mittels einer lokalen Walzenkühlung. B: Durch ein sehr langsames Auswalzen der Bleche und Bänder. C: Durch das Walzen mit sehr geringen Höhenabnahmen unter Einsatz von speziellen Schmiermitteln. Die genannten Walzgerüste als Einzelaggregate sowie Walzstraßen mit mehreren hintereinander angeordneten Duo- und Quarto-Walzgerüsten kommen in unterschiedlichen Ausführungen zum Warmband- und Kaltbandwalzen zum Einsatz. Warmband ist das Vorprodukt zum Kaltwalzen von Band und Blechen. Frage 5.5.14: Mit welchen Dicken können heute Warmbänder gewalzt werden? A: 25 bis 35 mm B: 0,8 bis 25 mm C: 25 bis 50 mm Kaltwalzwerke verarbeiten heute warm vorgewalztes Stahlband zu noch dünnerem Kaltband mit Dicken unter 1 mm, wobei gleichzeitig bestimmte Eigenschaften eingestellt werden. Zum Einsatz kommen Einzel-Reversiergerüste oder sogenannte Tandemwalzstraßen.

5.5  Walzen (Grundlagen, Walzverfahren)

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Frage 5.5.15: Was ist unter einer Tandem-Walzstraße zu verstehen? A: Zwei Walzgerüste arbeiten als Einzel-Reversiergerüste abwechselnd hintereinander. B: Mehrere Duo-Walzgerüste sind parallel zueinander angeordnet und können abwechselnd genutzt werden, um einen Produktionsstillstand bei Walzenwechsel zu vermeiden. C: Tandemwalzstraßen bestehen aus 4 bis 6 hintereinander in Linie gereihten Quarto-­ Walzgerüsten, sodass in einem Walzdurchgang 4 bis 6 Stichabnahmen möglich sind. Eine besondere Variante des Längswalzens ist das Reckwalzverfahren. Frage 5.5.16: Wie erfolgt die Umformung des Walzguts beim Reckwalzen? A: Die Änderung des Querschnitts am Walzgut erfolgt durch zwei gegenläufige Walzen, die über den Walzenumfang eine spezielle Profilierung aufweisen. B: Die Umformung erfolgt durch das Auswalzen des Walzgutes mit mehreren, hintereinander angeordneten Duo-Walzgerüsten, die nacheinander reversierend betrieben werden. C: Eine Profilierung des Walzguts wird in einem Dreiwalzengerüst mit mehreren Walzdurchgängen (Hin- und Herwalzen bzw. Vor- und Zurückwalzen) erreicht. Ein spezielles Walzverfahren ist benannt nach der Schrittfolge einer luxemburgischen Pilgerprozession: „Zwei Schritte vor, einer zurück“. Frage 5.5.17: Wie arbeitet das Pilgerschritt-Walzverfahren und wofür wird es eingesetzt? A: Nach zwei Walzdurchgängen in einem Quarto-Reversiergerüst wird das Walzgut zurück transportiert und nochmals in einem Walzdurchgang zu einem asymmetrischen Vollprofil fertiggewalzt. B: Durch zwei sich gegenläufig drehenden, speziell profilierten Walzen wird ständig hinund zurück gewalzt, um bei Rohren die Wandstärke zu reduzieren. C: Wie beim Reckwalzen werden Vollprofile durch mehrere Walzgerüste vor- und zurück gewalzt und so profiliert. Um eine Massenverteilung als Vorform zu erhalten, die für nachfolgende Umformschritte benötigt wird, z. B. beim Gesenkschmieden von Pleuel, kommt das Querwalzen zum Einsatz. Auch kann durch das Querwalzen eine endformnahe Bauteilkontur erzielt werden, die ohne weitere Umformschritte mechanisch bearbeitet werden kann. Dies trifft u. a. bei der Herstellung von Getriebe- und Antriebswellen zu (Kolbe, 1995). Frage 5.5.18: Wie erfolgt das Umformen beim Rund-Querwalzen? A: Das Walzgut wird quer zur Achsrichtung eines Walzenpaars rund profiliert. B: Um ein asymmetrisches Profil am Walzgut zu erhalten, erfolgt das Auswalzen auf einem Walzgerüst mit Walzen, die unterschiedliche Durchmesser aufweisen. C: Das Walzen des Walzguts erfolgt achsparallel zwischen zwei sich gegenläufig drehenden Walzen, die eine keilförmige Profilierung aufweisen.

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5 Umformen

Frage 5.5.19: Wie erfolgt das Umformen beim Flachbacken-Querwalzen? A: Das Walzgut (Rundstab) wird zwischen zwei sich gegeneinander bewegenden Platten mit keilförmigen Profilierungen gewalzt (profiliert). B: Um ein asymmetrisches Profil am Walzgut zu erhalten, erfolgt das Auswalzen auf einem Walzgerüst mit Walzen, die unterschiedliche Durchmesser aufweisen, wobei das Walzgut zusätzlich zwischen zwei Platten geführt wird. C: Das Walzgut wird durch zwei profilierte Platten hindurchgezogen und danach mit keilförmigen Walzen profiliert. Nach den Längs- und Querwalzverfahren wird nun das Schrägwalzen behandelt. Frage 5.5.20: Welche Besonderheit weisen Schrägwalzwerke im Vergleich zu Längsund Querwalzanlagen auf? A: Das Walzgut bzw. die Walzgutader wird schräg zu den Walzenachsen eines Duo-­ Reversierwalzgerüsts hindurchgewalzt. B: Die Walzen sind nicht achsparallel zur Achse des sich drehenden Walzguts, sondern schräg dazu angeordnet. C: Als ein Schrägwalzwerk wird innerhalb einer kontinuierlichen Walzstraße ein schräg geneigtes Duowalzgerüst bezeichnet. Eine besondere Bauart für das Schrägwalzen von Rundmaterial stellen die Planeten-­ Schrägwalzwerke dar. Frage 5.5.21: Wie funktionieren Planeten-Schrägwalzwerke? A: Wie die Planeten um die Erde kreisen drei schräg zur Walzgutachse angeordnete, kegelförmige Walzscheiben um das einlaufende Rundmaterial und reduzieren dadurch den Durchmesser des Walzguts. B: Dieses sehr spezielle Walzgerüst besitzt eine Rollenzuführung, die das Walzgut parallel um eine Rundwalze herum führt und gleichzeitig anpresst, wodurch die Umformung bewirkt wird. C: Im Gerüst des Planeten-Schrägwalzwerks sind mehrere, zylindrische Einzelwalzen ringförmig wie in einem Kugellager angeordnet und zur Profilierung des Walzguts schräg zueinander verstellbar. Ohne auf alle technischen Details einzugehen und auch ohne eine Wertung des industriellen Einsatzes vorzunehmen, soll nachfolgend auf weitere, heute im Einsatz befindliche Walzverfahren hingewiesen werden. Frage 5.5.22: Wie ist der Aufbau eines Ringwalzwerkes und wozu wird es genutzt? A: Ein Ringwalzwerk besteht aus drei ringförmigen Walzen zur Profilierung von Stabmaterial.

5.5  Walzen (Grundlagen, Walzverfahren)

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B: Ein Walzwerk zum Ringwalzen besteht aus einer angetriebenen Hauptwalze und einer Dornwalze, zwischen denen die Reduzierung der Wanddicke von Ringen erfolgt, wobei mittels zweier Axial-Kegelwalzen die Ringbreite bestimmt wird. C: Ringwalzwerke weisen Walzen auf, die aus je einem zylinderförmigen Kern und einem ringförmigen Mantel bestehen, sodass bei Walzenverschleiß nur der Mantel ausgetauscht werden muss. Frage 5.5.23: Wie funktioniert das Gewindewalzen? A: Ein vorgegebenes Gewinde wird durch Einsatz eines Gewindeschneiders erzeugt und danach durch einen Walzvorgang mit glatten Walzen im Außendurchmesser kalibriert. B: Auf ein rotationssymmetrisches Rohteil wird mit zwei achsparallel angeordneten, sich drehenden und profilierten Walzen das Gewindeprofil eingeprägt. C: An einem Rundstab wird mittels einer spitz zulaufenden Einstechwalze bzw. -scheibe wie beim Drehen das Gewindeprofil eingestochen und dann in Längsrichtung unter Beachtung der Vorschubgeschwindigkeit (Gewindesteigung) ausgewalzt. Um Stahlprofile aus Blech bzw. Band zu formen, werden sogenannte Profilieranlagen eingesetzt. Frage 5.5.24: Wie erfolgt das Umformen auf Profilieranlagen? A: Durch den Einsatz eines an das zu erzielende Fertigprofil angepasst vorprofilierten Duowalzenpaares, deren beide Walzen achsparallel zur Walzgutachse angeordnet und zueinander verstellbar sind. B: Mit einer Dreiwalzenanordnung (Trio-Gerüst), wobei nur die beiden äußeren Walzen horizontal verstellbar sind und dadurch den Walzspalt während des Walzvorgangs ständig ändern können. C: Mit mehreren, paarweise hintereinander angeordneten Profilierrollen, die ein kontinuierliches Biegeumformen des durchlaufenden flachen Walzguts (Blech oder Band) zu einem definierten Profil ermöglichen. Interessant ist, dass die uralte Technik des Töpferns auch mit Stahl bzw. mit allen „knetbaren“ Metallen und Metalllegierungen funktioniert. Frage 5.5.25: Wie funktioniert das Drückwalzen und wofür kann es eingesetzt werden? A: Mittels einer rotierenden Drückwalze wird die Vorform, z. B. eine Blechronde, über einen rotierenden konischen oder zylindrischen Dorn „abgestreckt“ und endkonturnah zu einem zylindrischen und kegelförmigen Präzisionshohlteil geformt. B: Wie beim kontinuierlichen Walzen wird nacheinander mit mehreren, unterschiedlich profilierten Walzenpaaren auf ein längliches Umformgut eingewalzt und so ein in Längsrichtung profilierter, mit unterschiedlichen Durchmessern versehener Rundstab erzeugt.

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5 Umformen

C: Mit einem Drückwalzenpaar, bestehend aus glatten und zueinander verstellbaren Walzen, die beim Walzvorgang ständig den Walzspaltes ändern können, wird das Walzgut in Längsrichtung unterschiedlich stark umgeformt. Verbundwerkstoffe gewinnen zunehmend an Bedeutung. Diese Werkstoffe bestehen aus zwei oder mehreren unterschiedlichen Werkstoffen, vereinen somit die günstigen Eigenschaften der zu verbindenden Materialien und bieten zugleich Kostenvorteile. Eine Möglichkeit zur Herstellung von Verbundwerkstoffen besteht im Einsatz des Walzplattierens. Frage 5.5.26: Was geschieht mit dem Walzgut beim Walzplattieren? A: Die auf ein Trägermaterial aufzubringende Schicht wird durch mehrfaches Auswalzen bei hohen Temperaturen nahezu verflüssigt und dann auf das Trägermaterial aufgelegt. B: Mittels Druck zwischen zwei sich drehenden Walzen und Temperatur wird eine unlösbare Verbindung zwischen einem Trägerwerkstoff und der aufzubringenden Metallauflage hergestellt. C: Die durch Schmieden (Feuerschweißen) erzeugte Verbundvorform wird mit einem Reversier-Duowalzwerk nachgewalzt und geometrisch in Form gebracht.

5.6  Tiefziehen Jeden Tag haben wir mit meist schön geformten Blechbauteilen zu tun, geformt unter Einsatz des wohl bedeutendsten Blechumformverfahrens, des Tiefziehens. Frage 5.6.1: Das Tiefziehen ist nach der Art der Krafteinwirkung … A:… ein Zug-Umformverfahren. B:… ein klassisches Biegeverfahren. C:… ein Zug-Druck-Umformverfahren. Das Tiefziehen mittels hydraulischer Pressen in Formwerkzeugen ist auch ein bewährtes Verfahren zur Blechumformung von nicht rotationssymmetrischen Teilen. Frage 5.6.2: Für welche nicht rotationssymmetrischen Produkte wird das Tiefziehverfahren hauptsächlich großtechnisch eingesetzt? A: Für Motorradschwingen B: Für Fahrradteile C: Für Karosserien (PKW, LKW, Schienenfahrzeuge u. a.)

5.7  Tiefziehen mit Wirkmedien Neben dem klassischen Tiefziehverfahren werden zur Herstellung spezieller Formteile die Verfahren des Tiefziehens mit Wirkmedien (Gase, Flüssigkeiten) und mit Wirkenergie

5.8  Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen)

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(z. B. mit der Druckwelle einer Explosion, einer elektrischen Entladung oder durch ein Magnetfeld) angewandt. Insbesondere auf die speziellen Tiefziehverfahren mit Wirkmedien soll kurz hingewiesen werden. Frage 5.7.1: Welchen Vorteil hat das Hydroforming-Verfahren im Vergleich zum klassischen Tiefziehen? A: Das Umformen kann in zwei senkrecht zueinander ablaufenden Umformrichtungen erfolgen, während der Ziehstempel beim Tiefziehen nur in eine Richtung bewegt werden kann. B: Das Umformen erfolgt mittels einer Druckflüssigkeit in alle Richtungen in die Innenkontur eines Formwerkzeugs, während der Ziehstempel beim Tiefziehen nur in eine Richtung bewegt werden kann und nur in dieser einen Richtung die Umformung stattfindet. C: Das Umformen wird mit hohem Flüssigkeitsdruck schnell und kontinuierlich an Profil-Langprodukten durchgeführt, während das Tiefziehen nur zur Blechumformung eingesetzt werden kann. Nach einem ähnlichen Prinzip wie beim Hydroforming-Prozess arbeitet das Innen-­ Hochdruck-­Umformen. Frage 5.7.2: Was geschieht beim Innen-Hochdruck-Umformen (IHU) und für welche Produkte wird dieses Spezialverfahren angewandt? A: Das Umformen von Hohlkörpern erfolgt in einem geschlossenen Formwerkzeug mittels eines Flüssigkeits-Innendrucks. B: Mit einem geringen Flüssigkeitsdruck werden Blechteile in Längsrichtung profiliert. C: Asymmetrische Profile werden durch Umformen von Rundmaterial mit hydraulisch bewegten Formwerkzeugen hergestellt.

5.8  Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen) Sind beim Tiefziehen geformte Teile das Ergebnis, so betrifft das Ziehen allgemein sehr lange Produkte (Halbzeug), also Draht, Stäbe, Rohre und Profile. Frage 5.8.1: Das Ziehen ist nach der Art der Krafteinwirkung … A:… ein Zug-Umformverfahren. B:… ein klassisches Biegeverfahren. C:… ein Zug-Druck-Umformverfahren. Das Ziehverfahren ist technisch sicher kein Hexenwerk, technologisch jedoch mit viel Aufwand und know how verbunden. Von den Ziehwerkzeugen über die Vorbehandlung des Ziehguts bis zum Ziehprozess und den eingesetzten Ziehanlagen soll nachfolgend ein Überblick gegeben werden.

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5 Umformen

Frage 5.8.2: Welche Haupteinflussgrößen sind beim Umformen durch Ziehen zu beachten? A:  Werkstoff (Formänderungsvermögen), Vorbehandlung (Reinigung, Beschichtung), Ziehparameter (Temperatur, Schmiermittel, Querschnittsabnahme, Ziehgeschwindigkeit) sowie das Ziehwerkzeug (Ziehholgeometrie, Werkstoffe der Ziehsteine bzw. der Ziehmatrizen und Dorne). B:  Antriebstechnik der Ziehanlage, Druck des aufzubringenden Schmiermittels, Arbeitstemperatur in der Ziehhalle. C: Temperatur und Druck an der Ziehzange zum Aufbringen der Ziehkraft, Kühlmittel (Art und anlagentechnische Beaufschlagung auf das Ziehgut) sowie Restschmierfilm auf dem Fertigprodukt. Üblicherweise wird ohne Vorwärmung des Ziehguts, also bei Raumtemperatur gezogen. Der Ziehprozess kann dabei mehrfach wiederholt werden (Ziehfolgen), bis der Enddurchmesser bzw. das Fertigprofil erreicht oder die Umformbarkeit des Werkstoffes durch die entstehende Kaltverfestigung erschöpft ist. Die Abb. 5.6 zeigt hierzu schematisch die Gefügeänderung (Gitterverzerrung) beim Ziehen durch ein konisches Ziehwerkzeug (Ziehstein). Wegen dieser Kaltverfestigung muss ein Zwischenglühen zum Entfestigen (Weichglühen) durchgeführt werden, um anschließend den Ziehvorgang fortsetzen zu können. Gezogene Stahldrähte werden heute in einem großen Abmessungsbereich hergestellt. Frage 5.8.3: Wie werden gezogene Drähte in der Praxis nach den Durchmessern eingeteilt? A: Normaler Draht mit Durchmesser 4 bis 25  mm und dünner Draht mit Durchmesser kleiner als 4 mm. B: Draht aus dem Grobzug im Durchmesserbereich 20 bis ca. 5 mm, aus dem Mittelzug im Durchmesserbereich 5 bis ca. 1,5 mm, aus dem Feinzug im Durchmesserbereich 1,5 bis ca. 0,8 mm sowie Feinst- bzw. Mikrodrähte mit Durchmessern kleiner als 0,4 mm.

Abb. 5.6  Gefügeänderung (Gitterverzerrung) beim Ziehen

5.8  Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen)

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C: Dicker Draht im Durchmesserbereich 10 bis 30 mm, Standarddraht im Durchmesserbereich 3 bis 10 mm und dünner Draht mit Durchmessern kleiner als 3 mm. Als Ziehwerkzeug diente lange Zeit das Zieheisen, bis ab 1928 Hartmetallziehsteine zum Einsatz kamen. Für dünne und ultradünne Drähte (Fein-, Feinst- und Mikrodrähte) sowie als Endziehstein für hochwertige Drahtoberflächen werden heute Ziehsteine aus natürlichen Einkristall-Diamanten oder aus synthetisch hergestellten, ein- oder polykristallinen Diamanten eingesetzt. Frage 5.8.4: Wie sind sowohl Hartmetall- als auch Diamantziehsteine aufgebaut? A: Die Ziehsteine bestehen aus einer speziellen Stahlfassung, in die die Hartmetallkerne oder die Diamanten mit eingearbeiteten Ziehkanälen eingebettet sind. B: Die Ziehsteine mit eckigen Außenmaßen werden in den Ziehsteinaufnahmevorrichtungen an den Ziehmaschinen eingeführt und mit einer Vorspannung fixiert. C: Die Ziehsteine bestehen je aus einem Hartmetall- und Diamantkern, die zusammengepresst mit einem zylindrischen Kanal versehen und dann an den Ziehmaschinen eingebaut werden, wobei sie ständig mit Öl gekühlt und geschmiert werden. Wichtig für einen Ziehvorgang ohne Drahtriss sind die Reibungsbedingungen im Ziehkanal des Ziehwerkzeugs. Frage 5.8.5: Weshalb wird für das Ziehverfahren auch der Begriff Gleitziehen genutzt? A: Das meist sehr lange Ziehgut gleitet auf Zuführ- und Abführrollen an der Ziehmaschinen. B: Die Ziehzange zum Aufbringen der Ziehkraft gleitet auf einer geraden Ziehbank (Stabziehen) oder um eine Ziehtrommel (Drahtziehen). C: Die Geometrie des Ziehkanals sowie ein gut funktionierendes Schmiersystem sichern beste Reibungsbedingungen (Gleiten des Werkstoffs) im Ziehkanal, verringern den Verschleiß der Ziehwerkzeuge und verhindern Riefenbildung an der Ziehgutoberfläche. Für das Drahtziehen muss der zu ziehende Vordraht (Walzdraht oder schon vorgezogener und weichgeglühter Draht einen zum Ziehen geeigneten Zustand aufweisen, der durch eine spezielle Vorbehandlung erzeugt wird). Frage 5.8.6: Welche Bearbeitungsschritte umfasst die Vorbehandlung von zu ziehendem Draht? A: Prüfen auf Geradheit, Rauhigkeit sowie Oberflächenrisstiefe. B: Je nach Drahtwerkstoff und Oberflächengüte: Reinigen und Konditionieren (Beizen, Strahlen, Schälen) sowie Beschichten mit Schmiermittelträger. C: Richten, Anspitzen und Einstellen einer konstanten Ziehtemperatur von 20 °C.

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5 Umformen

Säure

Fe2O3 - Hämatit H+

Fe3O4 - Magnetit

Zunderschicht auf Eisen

FeO - Wüstit

Fe - Grundmetall

Abb. 5.7  Beizmechanismus beim Säureangriff an der Stahloberfläche mit Zunderschichten

Als ein Draht-Vorbehandlungsverfahren wird das Beizen genutzt. Es ist ein chemischer Prozess, bei dem oxidische Verbindungen (Rost, Zunder) von der Stahldrahtoberfläche mittels flüssiger Medien (Laugen, Mineralsäuren, Fluorwasserstoff und Zusätzen) abgetragen werden. Das Ziel ist eine optimale Beizwirkung bei minimalem Angriff des Grundmaterials. Vereinfacht läuft dieser Beizvorgang wie folgt ab: Die Säure dringt durch Risse und Poren in der Zunderschicht bis zum Grundmetall vor und löst die unteren Zunderschichten auf. Bei einer Reaktion mit dem Grundmetall entsteht Wasserstoff, der die ­Ablösung der Zunderschicht begünstigt. Der Zunder wird „abgesprengt“ (Dumrau, 2014). Die Abb. 5.7 zeigt vereinfacht diesen Beizmechanismus. Frage 5.8.7: Wie wird in der Praxis das flüssige Beizmedium auf den zu behandelnden Draht beaufschlagt? A: Der Draht wird in einer Beregnungsanlage hin- und herbewegt. B: Der Draht wird kontinuierlich in einem Durchlaufofen vorgewärmt und dann mehrfach in eine Wanne mit flüssigem Beizmedium eingetaucht und hin- und hergeschwenkt. C: Im Tauchbad, durch Fluten des Drahtes oder durch Aufspritzen mit Beizmedium. Das Strahlen ist ein mechanisches Verfahren zur Oberflächenreinigung, umgangssprachlich bekannt als „Sandstrahlen“. Technisch gesehen erfolgt das Strahlen mit Hilfe von Strahlmitteln, z. B. Sand, Korund, Kunststoff, Glasperlen, metallisches Pulver, Schlacke aus dem Hüttenprozess oder Trockeneis. Die mit hoher Energie beschleunigten, kornförmigen Strahlmittelteilchen treffen auf die Drahtoberfläche und bewirken ein mechanisches Abtragen, somit Reinigen der Oberflächenschichten von Zunder und Verunreinigungen, und auch ein Aufrauen der Oberfläche. Frage 5.8.8: Welche Verfahrensvarianten zum Strahlen von Draht werden heute eingesetzt? A: Das Strahlmittel wird mit einem Trägermittel (Druckluft, Druckwasser) aufgestrahlt oder mittels Zentrifugalkraft (Schleuderrad) auf die zu bestrahlende Stahloberfläche geschleudert.

5.8  Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen)

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B: Das in einem Behälter eingefüllte Strahlmittel wird beim Eintauchen des Drahts aufgebracht. C: Das Strahlmittel wird mittels Öldruck auf den Draht gesprüht. Werden höchste Anforderungen an die Oberflächenqualität eines gezogenen Drahtes als Vorstufe für die Blankstahlfertigung (Stab) oder als Vormaterial für die Herstellung von Präzisionsdrehteilen gestellt, so kann bzw. muss der Walzdraht unter Umständen durch Schälen vorbehandelt werden. Das Schälen ist ein Verfahren zum mechanischen Abtragen von Oberflächenschichten mit einem größeren Materialabtrag als es mit einem Beizen möglich ist. Frage 5.8.9: Welche Verfahrensvarianten zum Schälen von Vordraht werden eingesetzt? A: Das diskontinuierliche oder das kontinuierliche Schälen mittels Drehmeißel. B: Das kontinuierliche Drehschälen oder das kontinuierliche Ziehschälen. C: Das stufenweise durchzuführende Abdrehen mittels Abstechmeißel und abschließende Behandeln mit einem Schälmesser. Nach dem Reinigen durch Beizen, Strahlen oder Schälen erfolgt immer eine Beschichtung des zu ziehenden Drahtes mit einem Schmiermittelträger (Phosphat, Kalk, Borax). Dieser sichert in Verbindung mit dem beim Ziehprozess eingesetzten Schmiermittel (Trockenziehseife oder Nassziehmittel) die gewünschte Schmierwirkung im Ziehwerkzeug. Gleichzeitig wird die frisch behandelte Drahtoberfläche „passiviert“. Alle nicht korrosionsbeständigen Stähle sind nach einer Oberflächenvorbehandlung durch Beizen, Strahlen oder Schälen sehr empfindlich und oxidieren schnell. Dies verhindert nun eine geeignete Schmiermittelträgerschicht. In Abhängigkeit vom verwendeten Schmier-Ziehmittel werden das Trocken- und das Nassziehen unterschieden. Das Trockenziehverfahren wird für Stahldraht im Durchmesserbereich von ca. 1,0 bis 20 mm eingesetzt. Für kleinere Abmessungen, meist unterhalb eines Durchmessers von 2 mm, kommt das Nassziehverfahren zur Anwendung. Frage 5.8.10: Wodurch unterscheiden sich die Verfahren Trocken- und Nassziehen? A: Das Trockenziehen erfolgt unter Einsatz eines pulverförmigen Trockenziehmittels (Trockenziehseife), während beim Nassziehen flüssige Ziehmittel (Seifenemulsionen, Mineralöle) verwendet werden. B: Das Trockenziehen erfolgt nach dem Vortrocknen des zu ziehenden Drahts in einem Durchlaufofen, während beim Nassziehen der Draht vor dem Ziehprozess ein Durchlaufbad mit einem flüssigen Kühlmittel durchläuft. C: Das Trockenziehen erfolgt mit vorgetrockneten Draht unter Einsatz eines festen, pulverförmigen Kühlmittels, während das Nassziehen ständig in einem langen, mit Wasser gefüllten Tauchbad ausgeführt wird.

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5 Umformen

Wichtig für den Ziehvorgang ist der Einlaufwinkel im Ziehstein. Dieser bestimmt beim Trockenziehen maßgeblich mit, wieviel Schmiermittel durch die Drahtbewegung in den Ziehkanal gelangt. Neben der Optimierung dieser Geometrie des Ziehkanals wurden verschiedene Ziehsteinsysteme entwickelt, um mit höheren Drücken Trockenziehmittel auf die Drahtoberfläche zu pressen und dadurch die Reibung zu verringern, somit höhere Standzeiten und auch höhere Ziehgeschwindigkeiten zu erreichen. Frage 5.8.11: Welche Ziehsteinsysteme werden heute vorwiegend eingesetzt, um höhere Drücke und somit verbesserte Reibungsbedingungen im Ziehkanal beim Trockenziehen zu erreichen? A: Im Vergleich zu einem Einzelziehstein als Ziehwerkzeug wird ebenso ein Einzelziehstein verwendet, jedoch mit hydraulischer Druckbeaufschlagung im geschlossenen Ziehkasten mit dem Trockenziehmittel. B: Hauptsächlich werden sogenannte Druckziehsteine bzw. Doppelziehsteine verwendet, bestehend aus zwei in einer speziellen Fassung hintereinander angeordneten Ziehsteinen und einer dazwischen ausgebildeten Druckkammer. C: Drei oder mehrere Ziehsteine werden in Reihe angeordnet und ständig beim Ziehvorgang mittels Druckluft mit Trockenziehseife beaufschlagt. Ausgehend von den vielen technologischen Varianten sind heute anlagentechnisch unterschiedliche Einzel- und Mehrfach-Ziehmaschinen für Drahtprodukte im Einsatz, sowohl für den Trocken- als auch für den Nasszug, für den Grob-, Mittel- und Feinzug und hierbei für die Herstellung von Rund- als auch von Profildrähten. Frage 5.8.12: Was unterscheidet eine Einzel- und eine Mehrfach-Ziehmaschine für Draht? A: Eine Einzel-Ziehmaschine steht als einzige Ziehmaschine in der Ziehhalle und wird nacheinander für mehrere Umformschritte (Ziehstufen) immer wieder neu eingerichtet und genutzt, während eine Mehrfach-Ziehmaschine mehrere Einzel-Ziehanlagen umfasst, die nacheinander zum Drahtziehen genutzt werden. B: Eine Einzel-Ziehmaschine, ob aus einem Zug oder mehreren Zügen bestehend, wird nur für einen Werkstoff und eine Drahtabmessung genutzt, währen eine Mehrfach-­ Ziehmaschine mit einem Einzelzug für mehrere Drahtwerkstoffe und Abmessungen eingesetzt werden kann. C: Eine Einzel-Ziehmaschine mit nur einem Ziehstein und einer Ziehtrommel ermöglicht nur eine einzige Umformstufe, während eine Mehrfach-Ziehmaschine anlagentechnisch mit einer unterschiedlichen Anzahl von hintereinander angeordneten Einzelzügen in Linie bei einem Durchgang mehrere Umformstufen ausführen kann. Frage 5.8.13: Was ist eine Ziehfolge? A: Die nacheinander folgenden Ziehstufen (Umformschritte), bei denen der Draht durch einzelne Ziehwerkzeuge mit kleiner werdenden Öffnungen gezogen wird.

5.8  Ziehen (Draht-, Stab- und Rohrziehen, Walzziehen)

87

B: Eine Abfolge unterschiedlichster Fertigungsschritte, wie Vorziehen, Glühen, Beizen und Beschichten. C: Die nach dem Walzdraht-Vorbehandeln folgenden Fertigungsschritte Ziehen und Glühen. Drahtprodukte sind heute überall zu finden als: • • • • • • • •

Draht für die Massivumformung (Kaltstauchen von Schrauben, Nieten, usw.) Draht für Achsen und Wellen Biege-, Webe- und Flechtdraht (Gitter, Siebe, Metallgewebe), Bürsten- und Seildraht Draht für die Medizintechnik (Dentaldrähte, Nadeln) Federdraht, Textilnadeldraht Feindraht für Lichttechnik (z. B. für Glühbirnen, Leuchtstofflampen) Heizleiterdraht (z. B. für Heizwendeln in Hausgeräten) u. v.a. m.

Das beschriebene Ziehverfahren für Draht wird auch bei größeren Abmessungen für Rund- und Profilstäbe eingesetzt. Auch dieses Stabziehen soll vorgestellt werden. Frage 5.8.14: Was unterscheidet das Stabziehen vom Drahtziehen? A: Das Stabziehen ist im Prinzip mit dem Drahtziehen vergleichbar. B: Beim Stabziehen wird nicht kontinuierlich mittels einer Ziehtrommel oder einer Ziehscheibe ringförmig gezogen, sondern es erfolgt Stab für Stab ein Geradeauszug über die Stablänge. C: Beim Stabziehen werden vertikale Ziehanlagen genutzt, die mittels Eigengewicht des Stabmaterials die erforderlichen Zugkräfte aufbringen. Auch beim Stabziehen muss eine Vorbehandlung des zu ziehenden Materials, die Auswahl des Ziehmittels und des Ziehwerkzeuges (Einfluss der Ziehwinkel) entsprechend der Stahlgüte erfolgen. Das Ergebnis ist ein Blankstahl, rund oder profiliert, mit hoher Maßgenauigkeit und Oberflächengüte. Bei rundem Blankstahl wird meist noch ein zusätzlicher Schleifprozess durchgeführt. Die gezogenen Profile sind für ein breites Anwendungsgebiet gefragt (Normprofile wie Vierkant, Flach und Sonderprofile nach Kundenwunsch), z. B.: • Linearführungsschienen für Werkzeugmaschinen • Spannelemente z.  B. für Industrieschraubstöcke, Werkzeughalterungen in CNC-­ Maschinen, T-Nutensteine für Aufspannungen • in der Medizintechnik: Klemmschienen für Krankenhausbetten, Schienen für Fixatoren bei Knochenbrüchen, Führungselemente in medizinischen Apparaten • Andruckleisten für Druckmaschinen • Zahnradprofile, z. B. für Antriebsritzel • Keilwellen, z. B. für Landmaschinen

88

5 Umformen

An dieser Stelle können die Anwendungsbeispiele auch auf rohrförmig gezogene Profile erweitert werden, da das Rohrziehen im Prinzip mit dem Stabziehen vergleichbar ist, z. B. nahtlose Präzisionsrohre für die Medizintechnik, für Hochdruckanwendungen sowie für die Luft- und Raumfahrt. Auch Steuer- und Messrohre, Hydraulik- und Wärmetauscher-­ Rohre sind wichtige Anwendungen gezogener Rohre. Frage 5.8.15: Wie erfolgt das Rohrziehen, auch Gleitziehen von Hohlkörpern genannt? A: Durch Ziehen eines Vollprofils, in das anschließend mittels Langlochbohren eine Bohrung eingebracht wird. B: Eine hohlförmige Vorform wird mit einem flüssigen Medium gefüllt und mit einer Ziehbank stabförmig zu einem Rohr gezogen. C: Eine hohlförmige Ausgangsform wird ohne oder mit Dorn, der feststehend, fliegend oder als Dornstange mitlaufend eingesetzt wird, durch das Ziehwerkzeug auf einer Ziehbank gezogen. Ein spezielles Ziehverfahren stellt das Walzziehen dar. Frage 5.8.16: Wodurch ist das Umformverfahren Walzziehen gekennzeichnet? A: Das Walzziehen ist grundsätzlich als Zug-Druck-Umformverfahren mit dem Ziehen vergleichbar, jedoch werden anstelle feststehender Werkzeuge (Ziehsteine) bewegliche, nicht angetriebene Formwalzen genutzt. B: Das Ziehen des Umformguts durch den Ziehstein erfolgt mittels angetriebener und auf das Umformgut angepresster Walzen. C: Das Ziehverfahren Walzziehen nutzt Formwalzen zur Zuführung des Umformguts zum feststehenden Ziehwerkzeug und Andrückwalzen zum Aufbringen der Ziehkraft.

5.9 

Pulvermetallurgie

Die Formgebung von Metallen, insbesondere von Stahl, kann auf verschiedenen Wegen erfolgen, z. B. durch Walzen, Schmieden, Prägen und Ziehen. Dieses Umformen, also die plastische Formgebung ohne Materialverlust, wird auch als bildsame Formgebung bezeichnet. Darüber hinaus gibt es spezielle Formgebungsverfahren für die Herstellung von Halbzeug oder von fertigen Formteilen, die der Pulvermetallurgie zuzuordnen sind. Auf diese Verfahren soll nachfolgend eingegangen werden, insbesondere auch im Zusammenhang mit den modernen additiven Verfahren (3D-Druck von Metallen). Frage 5.9.1: Wodurch unterscheidet sich die pulvermetallurgische von der schmelzmetallurgischen Fertigung? A: Die pulvermetallurgische Fertigung nutzt Metallpulver für gleitfähige Beschichtungen, um das Umformen zu verbessern und höhere Umformgrade zu erzielen.

5.9 Pulvermetallurgie

89

B: Pulvermetallurgisch können Bauteile sowie Halbzeug mit hoher Formgenauigkeit, in einem Dichtebereich von hochdicht bis porös, sehr homogen, seigerungsfrei sowie als Legierung hergestellt werden, die schmelzmetallurgisch nicht bzw. nur sehr schwer erzeugbar wären. C: Im Vergleich zur schmelzmetallurgischen Fertigung kommen bei pulvermetallurgischen Verfahren poröse Umformwerkzeuge zum Einsatz, die aus Metallpulver durch Pressen und Sintern erzeugt und mit Schmiermittel zur Verbesserung der Gleiteigenschaften getränkt werden. Zu günstigen Kosten können pulvermetallurgisch auch endformnahe Rohbauteile gefertigt werden. Außerdem bietet eine Fertigung auf Basis von Metallpulvern die Möglichkeit, Werkstoffverbunde herzustellen. Entsprechend vielfältig sind die pulvermetallurgischen Fertigungstechniken und auch die Anwendungsmöglichkeiten. Frage 5.9.2: Welche drei Hauptschritte umfasst eine pulvermetallurgische Fertigung? A: Die Herstellung der Metallpulver, die Formgebung (das Verdichten) der Pulver und die Wärmebehandlung (das Sintern). B: Das Glühen der Metallpulver, das Umformen durch Walzen und die mechanische Bearbeitung des Produkts. C: Das Sieben der Pulver, das Umformen durch Strangpressen sowie die Endprüfung auf Dichtheit. Für die Verarbeitung, die Enddichte und Eigenschaften des Halbzeugs oder Formteiles sind die Pulvereigenschaften, wie die Teilchenform und -größe (meist kleiner als 0,6 mm, z. B. für Pulverpressen 10 bis 60 μm, für Laserschmelzen 10 bis 45 μm), die Teilchengrößenverteilung, die Struktur und das Gefüge sowie die Oberflächenbeschaffenheit maßgebend. Deshalb kommt den Verfahren zur Pulverherstellung eine besondere Bedeutung zu. Frage 5.9.3: Welche Verfahren zur Pulverherstellung kommen heute hauptsächlich zum Einsatz? A: Elektrolytische und Hochdruckverfahren B: Mechanische und chemische Verfahren C: Hoch- und Tieftemperaturverfahren Frage 5.9.4: Welche Verfahren zur Formgebung der Metallpulver kommen heute hauptsächlich zum Einsatz? A: Pressen der Metallpulver in Formmatrizen, Verdichten mit Vibration, mit Zusätzen von Bindemitteln, unter isostatischem Druck (kalt- oder heißisostatisches Pressen), Pulverschmieden. B: Dichtbandwalzen, Formgebung mittels Schmiedemaschinen und Tiefziehpressen. C: Hochtemperaturprägen, Hydro-Impuls-Verdichten, Magnetumformen.

90

5 Umformen

Frage 5.9.5: Wozu dient das Verfahren des Sinterns von vorverdichteten Formteilen? A: Das Sinterverfahren sichert die Formgenauigkeit der Formteile und verhindert Verzug bei einer mechanischen Bearbeitung. B: Als Wärmebehandlungsverfahren dient das Sintern dazu, dass die einzelnen Pulverteilchen an ihren Berührungsflächen zusammensintern, d. h. durch Diffusion der Atome eine feste Bindung bilden. C: Als Zwischenbehandlungsstufe vor dem Pressen und Verdichten der Pulver dient das Sintern der Erzeugung kugelförmiger Pulverteilchen. Frage 5.9.6: Welche Besonderheiten weist das Verfahren heißisostatisches Pressen (HIP) auf? A: Es ist anlagentechnisch sehr aufwendig, kostenintensiv und wird nur selten für Sonderwerkstoffe eingesetzt. B: Es stellt ein Sonderverfahren zum Sintern hochkomplizierter Formteile mit hoher Porosität dar. C: Das heißisostatische Pressen (HIP) vereint das Pulververdichten und Sintern in einem einzigen Prozessschritt, erzeugt Blöcke als Halbzeug bzw. Bauteile mit extrem hoher Dichte und isotropen Eigenschaften sowie auch Werkstoffverbunde. In den letzten Jahren wurden viele neue pulvermetallurgisch hergestellte Teile für verschiedene Anwendungen entwickelt, so für den Automobilbau, die Luft- und Raumfahrt, den Maschinenbau, die Elektroindustrie und Medizintechnik. Sinterformteile sind besonders geeignet bei kleineren, leichten Formteilen mit komplexen Geometrien und bei einer Massenherstellung. Typische Produkte sind z. B. Lagerschalen, Motoren- und Getriebeteile, Siebe, Filter und verschiedene Werkzeuge. Zu nennen sind auch Formteile, die durch Metallpulver-Spritzgießen erzeugt werden. Frage 5.9.7: Wie wird das Metallpulver-Spritzgießen durchgeführt? A: Metallpulver wird mit einer Spritzpistole gezielt auf eine Grundplatte aufgetragen und mit einem Prägestempel in Form gebracht. B: Feines Metallpulver wird mit einem organischen Bindemittel versehen und mittels einer Spritzgussmaschine zu einem Formteil ausgeformt, aus dem das Bindemittel wieder entfernt wird. Abschließend erfolgt das Sintern des Formteils in einem Ofen. C: Metallpulver wird auf einen als Kernmaterial dienenden Formkörper aufgespritzt und durch Hochtemperatursintern mit dem Kern verschweißt.

5.10 

Additive Verfahren (3D-Druck)

Additive Fertigungsverfahren, auch generative Fertigung oder üblicherweise als 3D-Druck bezeichnet, werden zunehmend attraktiv zur Erzeugung von Prototypen und Bauteilen mit sehr komplizierten Geometrien.

5.10  Additive Verfahren (3D-Druck)

91

Frage 5.10.1: Welche Besonderheiten zeichnen die additiven Verfahren aus? A: Bauteile mit komplizierten Formen und inneren filigranen Strukturen werden ohne Werkzeuge bzw. ohne Formen, nur auf der Basis einer am Computer erstellten 3D-Datei erzeugt. B: Kugelförmige Bauteile werden schichtweise aus kreisförmigen, dünnen Ronden aufgebaut, gepresst und nachkalibriert. C: Vor allem Prototypen mit komplizierter Außengeometrie werden aus mehreren Einzelteilen zusammengesetzt und mittels Laser verschweißt. Längst bekannt ist der 3D-Druck von Kunststoffteilen, wobei auch schon der 3D-Druck von Fahrzeugen oder von Beton für Häuser(-teile), neuerdings auch von Schokolade und anderen Süßigkeiten erprobt wird. Auch Formteile aus Metall werden Schicht für Schicht aufgebaut. Frage 5.10.2: Welche additiven Verfahren kommen vorwiegend für Metalle zum Einsatz? A:  Laserschmelzen (selektives Laserschmelzen) und Elektronenstrahlschmelzen von ­Metallpulver. B: Lichtbogenschweißen mit Metalldraht. C: Schichtweises Aufsprühen von Metallpulver mit anschließendem Formpressen. In den letzten Jahren haben sich die Anwendungsgebiete der additiven Fertigungsverfahren erweitert. Neben dem Einsatz von speziellen Metallpulvern kann mit einem Laser-­ Bearbeitungskopf auch Metalldraht eingesetzt und bei nahezu vollständiger Materialausnutzung zu Bauteilen mit hoher Geometriefreiheit verarbeitet werden. Was für eine Innovation vom in den 70er-Jahren noch extrem teuren Farb-Tintenstrahldrucker zum heutigen 3D-Metalldruck: Ein künstliches Hüftgelenk, metallischer Zahnersatz, Knochenersatz aus Titan, Turbinenschaufeln aus Nickel-Basis-Legierungen, Werkzeuge, Formteile für den Automobilbau, die Luft- und Raumfahrt aus rost-, säure- und hitzebeständigen Stählen sowie aus Werkzeug- und Federstählen sind als Prototypen und in Kleinserienfertigung „druckbar“.

6 Wärmebehandlung

6.1

Grundlagen und Anlagentechnik

Wissend um die Wirkung der Legierungselemente ist ein Stahl primär aus Erz über die Hochofen-Konverter-Route oder sekundär aus Schrott im Elektrostahlwerk erzeugt, zu einem Block oder Strang abgegossen und zu einem Halbzeug oder Formteil umgeformt worden. Grundlagen, Verfahren, Anlagen sowie Anwendungsbeispiele hierfür bilden die Inhalte der ersten fünf Kapitel. Um ein einbaufertiges Bauteil zu erhalten, sind weitere technologische Schritte notwendig: die Wärmebehandlung und die Werkstoffprüfung. Frage 6.1.1: Was wird bei der Stahlverarbeitung unter Wärmebehandlung verstanden? A: Die Wärmebeaufschlagung auf ein Stahlprodukt zwischen einzelnen Verarbeitungsschritten. B: Ein Vorgang, bei dem der Stahl absichtlich einer Temperatur-Zeit-Folge unterzogen wird, um eine Eigenschaftsänderung zu erreichen. C: Das Anwärmen vor den Umformverfahren Schmieden und Pressen zur Verbesserung der Umformbarkeit. © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_6

93

94

6 Wärmebehandlung

Frage 6.1.2: Wann wird eine Wärmebehandlung innerhalb der Fertigungskette zur Herstellung von Stahlhalbzeug durchgeführt? A: Generell als letzter Behandlungsschritt. B: Als Zwischenwärmebehandlung zwischen Umformschritten sowie als Schlusswärmebehandlung am fertigen Halbzeug. C: Nur bei Bedarf am Anfang einer Fertigungskette zur Sicherung der Produktqualität und Minimierung der Bearbeitungskosten. Frage 6.1.3: Nach welchen unterschiedlichen Wirkungen werden Wärmebehandlungsarten unterschieden? A: Vollständige Gefügeumwandlung, keine Veränderung des Gefüges oder Veränderungen nur an der Oberfläche. B: Nur teilweise und lokal begrenzte Gefügeänderung oder innerer Spannungsaufbau. C: Chemische Veränderungen im Glühgut, keine Veränderungen an der Oberfläche oder Oxidation an der Oberfläche. Frage 6.1.4: Welches sind die Haupteinflussgrößen bei einer Wärmebehandlung von Stahl? A: Länge und Oberflächenzustand des Glühguts. B: Größe und Beheizungsart der Wärmebehandlungsanlage. C: Zeit, Temperatur, Abkühlung und Ofenatmosphäre.

Temperatur

Die wichtigsten Wärmebehandlungsverfahren können als Zeit-Temperatur-Kurven dargestellt werden, wie in Abb. 6.1 gezeigt.

Temperaturbereich für die Umwandlung (Ferrit in Austenit bei Erwärmung, Austenit in Ferrit bei Abkühlung)

Diffusionsglühen

Weichglühen

Spannungsarmglühen

Härten

Anlassen

Zeit

Abb. 6.1  Zeit-Temperatur-Kurven für verschiedene Wärmebehandlungsverfahren

6.1  Grundlagen und Anlagentechnik

Diffusionsglühen

Temperatur in °C

1200

Austenit

1000

Austenit + Zementit

Normalglühen

G 800

95

Weichglühen Austenit + Ferrit

S

P 600

400

Ferrit + Perlit

0,0

0,4

Perlit

200

0

Spannungsarmglühen

Rekristallisationsglühen

0,8

Perlit + Zementit

1,2

Kohlenstoffgehalt in %

1,6

2,0

Abb. 6.2  Temperaturbereiche der wichtigsten Wärmebehandlungsarten, eingetragen im vereinfachten Eisen-Kohlenstoff-Diagramm

Die Temperaturbereiche verschiedener Wärmebehandlungsarten, bezogen auf das vereinfachte Eisen-Kohlenstoff-Diagramm, zeigt nun die Abb. 6.2. In Abhängigkeit vom Kohlenstoffgehalt des Stahls, der behandelt werden soll, kann eine erste Abschätzung für den Temperaturbereich des jeweiligen Wärmebehandlungsverfahrens vorgenommen werden. In der Praxis haben sich die sogenannten ZTU-Diagramme bewährt. Frage 6.1.5: Was sind ZTU-Diagramme im Zusammenhang mit der Wärmebehandlung von Stahl und welche Informationen liefern sie? A: ZTU-Diagramme enthalten zentrale Temperatur- und Umformdaten als Praxisempfeh­ lung für das Spannungsarmglühen.

96

6 Wärmebehandlung

B: Es sind Zeit-Temperatur-Umwandlungsschaubilder (ZTU), die die Gefügeänderungen bei unterschiedlichen Zeit-Temperaturverläufen für jeweils eine Stahllegierung darstellen. C: ZTU-Diagramme enthalten Zielkennwerte für Temperaturen zum Vorwärmen und für Umformparameter ausgewählter Stahllegierungen im Vergleich. In Abhängigkeit vom zu behandelnden Format des Glühgutes (Block, Halbzeug, Stab oder Draht, Formteil), von der Wärmebehandlungsart, der notwendigen Abkühlung und Steuerung des Verfahrensablaufes, von der notwendigen Atmosphäre und Beheizung werden heute unterschiedliche Wärmebehandlungsanlagen eingesetzt. Frage 6.1.6: Welche Wärmebehandlungsanlagen werden hauptsächlich großtechnisch genutzt? A: Mikrowellenöfen, Sinteröfen, Schmelzöfen, Druckkammeröfen. B: Induktionskammeröfen, Plasmaöfen, Vakuumlichtbogenöfen, Widerstandsöfen, Tieftemperaturöfen. C: Mit Gas oder elektrisch beheizte Kammeröfen, Haubenöfen, Topföfen, Vakuumöfen, Schutzgasöfen, Herdwagenöfen, Durchlauföfen, Durchziehöfen sowie Spezialöfen.

6.2 

Normalglühen

Die klassischen Wärmebehandlungsarten für Stahl, wie Normalglühen, Weichglühen, Rekristallisations-, Diffusions-, Lösungs- und Spannungsarm-Glühen, Härten (Umwandlungshärten und Anlassen, Ausscheidungshärten, Kaltverfestigen und Presshärten), werden nachfolgend hinsichtlich Zweck, Verfahren und Anwendung behandelt. Frage 6.2.1: Zu welchem Zweck wird das Normalglühen durchgeführt? A: Zur Reduzierung der inneren Spannungen und Einstellung eines verzugsarmen Zustandes des Glühguts. B: Zur Erzielung eines gleichmäßigen, feinkörnigen Gefüges mit hoher Zähigkeit und gu­ ten Zerspanungseigenschaften. C: Es dient zur lokalen Veränderung des Gefüges und somit zur Erhöhung der Festigkeit. Frage 6.2.2: Für den Zweck des Normalglühens wird im Glühgut bewirkt? A:… eine vollständige Gefügeumwandlung. B:… eine teilweise Gefügeänderung nur im Kern. C:… keine Gefügeumwandlung. Frage 6.2.3: Für welche Stähle und Produkte wird das Normalglühen angewandt? A: Für Präzisionsrohre aus „umwandlungsfreien“ ferritischen und austenitischen Stählen. B: Für Walzdraht aus hitze- und zunderbeständigen Stählen. C: Für Walz- und Schmiedestücke aus niedrig legierten Baustählen und ­Vergütungsstählen.

6.3 Weichglühen

97

6.3  Weichglühen Frage 6.3.1: Zu welchem Zweck wird das Weichglühen durchgeführt? A: Zur Reduzierung der inneren Spannungen und Einstellung eines verzugsarmen Zustandes des Glühguts. B: Zur Erzielung eines grobkörnigen Gefüges mit weichen, lokalen Gefügebestandteilen. C: Es soll weiches, nach einer Kaltverfestigung wieder gut umformbares Gefüge erreicht werden; also ein Entfestigen eines gehärteten oder kaltverfestigten Stahls. Frage 6.3.2: Für den Zweck des Weichglühens wird im Glühgut bewirkt? A:… eine vollständige Gefügeumwandlung. B:… eine teilweise Gefügeänderung nur im Kern. C:… keine Gefügeumwandlung. Frage 6.3.3: Für welche Stähle und Produkte wird das Weichglühen angewendet? A: Für Präzisionspressteile aus hochlegierten „umwandlungsfreien“ ferritischen und austenitischen Stählen. B: Für Drahtprodukte aus hitze- und zunderbeständigen Stählen. C: Für Werkzeugstähle, Schnellarbeitsstähle, Messerstähle, Kaltstauch- und Kaltfließpressstähle sowie Wälzlagerstähle und daraus gefertigte Werkzeuge und Bauteile. Frage 6.3.4: Was bedeutet GKZ-Glühen? A: Ein Glühverfahren mit geringem Kosten- und Zeitaufwand. B: Das Glühen auf ein Gefüge mit kugeligem Zementit. C: Ein Glühen, das kontinuierlich innerhalb einer Ziehfolge durchgeführt wird. Frage 6.3.5: Für welche Stähle wird das GKZ-Glühen angewendet? A: Für Stähle mit einem Kohlenstoffgehalt > 0,8 Masse-%. B: Für hitzebeständige Stähle mit niedrigem Kohlenstoffgehalt. C: Für Massenstähle und Sonderwerkstoffe. Frage 6.3.6: Was bedeutet BF-Glühen? A: Eine Wärmebehandlung für besonders feste Stähle. B: Ein Glühen zum Erreichen der Basisfestigkeit eines Betonstahls. C: Das Glühen auf bestimmte Festigkeit (heute: + TH). Frage 6.3.7: Was bedeutet BG-Glühen? A: Ein bestmögliches Glühen von Edelstahl. B: Ein Glühen zum Erreichen bester Werte für Gesenkumformbarkeit. C: Das Glühen zur Erzielung eines bestimmten Gefüges (Ferrit-Perlit).

98

6.4 

6 Wärmebehandlung

Rekristallisationsglühen

Frage 6.4.1: Zu welchem Zweck wird das Rekristallisationsglühen durchgeführt? A: Zur Reduzierung der inneren Spannungen und Einstellung eines verzugsarmen Zustandes des Glühguts. B: Zur Verbesserung der Schweiß- und Lötbarkeit. C: Zur Entfestigung von durch Kaltumformen verfestigtem Stahl, der wieder zäh und gut umformbar sein soll. Frage 6.4.2: Was wird durch ein Rekristallisationsglühen im Glühgut bewirkt? A: Eine Kornneubildung ohne Phasenänderung im Gefüge. B: Eine Umwandlung des Gefüges und Ausscheidung von Karbiden. C: Ein grobkörniges Gefüge mit weichen, lokal begrenzten Gefügebestandteilen. Frage 6.4.3: Für welche Stähle und Produkte findet das Rekristallisationsglühen Anwendung? A: Für Tiefziehteile aus warmumgeformten, weichen Stählen mit guten Zähigkeitseigenschaften. B: Für kaltumgeformte, verfestigte Stähle für Bauteile im Maschinenbau, in der Automobilindustrie, in der Chemieindustrie, Medizintechnik, pharmazeutischen Industrie und Lebensmittelindustrie. C: Für gehärtete, martensitische Stähle mit besonderen Festigkeitseigenschaften zur Herstellung von Gesenkformwerkzeugen.

6.5 

Diffusionsglühen

Frage 6.5.1: Zu welchem Zweck wird das Diffusionsglühen durchgeführt? A: Zur Reduzierung der inneren Spannungen und Einstellung eines verzugsarmen Zustandes des Glühguts. B: Zur Verbesserung der Schweiß- und Kaltumformbarkeit. C: Zur Verminderung von Gefügeinhomogenitäten (lokale, durch Seigerungen entstandene Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung von Stählen). Frage 6.5.2: Wann wird ein Diffusionsglühen eingesetzt? A: Stets vor dem Kaltumformen von austenitischen Stählen. B: Vorwiegend nur bei Edelbaustählen, Werkzeugstählen, Nickel-Basis-Legierungen und Wälzlagerstählen, wenn beim Blockguss Seigerungen im Gefüge abgebaut werden sollen. C: Als Schlusswärmebehandlung zur Festigkeitssteigerung.

6.7 Spannungsarmglühen

99

Frage 6.5.3: Für welchen Temperaturbereich müssen Wärmebehandlungsöfen ausgelegt sein, um ein Diffusionsglühen durchführen zu können? A: bis 780 °C B: bis 950 °C C: über 1100 °C

6.6 

Lösungsglühen

Frage 6.6.1: Zu welchem Zweck wird das Lösungsglühen durchgeführt? A: Um im Gefüge vorhandene Ausscheidungen aus vorgelagerten Produktionsschritten wieder aufzulösen. B: Um die Gleichmäßigkeit der Verteilung von im Gefüge gelösten Karbidteilchen zu verbessern. C: Zur Entfestigung von durch Kaltumformen verfestigtem Stahl, der wieder zäh und gut umformbar sein soll, mittels des Auflösens von Ungänzen im Gefüge. Frage 6.6.2: Für welche Stähle findet das Lösungsglühen Anwendung? A: Für härtbare Kohlenstoff-Stähle. B: Für Kalt- und Warmarbeitsstähle. C: Für austenitische Stähle, Nickellegierungen und Stähle mit Mischgefüge (Duplex-­Stähle.)

6.7 

Spannungsarmglühen

Frage 6.7.1: Was passiert beim Spannungsarmglühen? A: Der Stahl wird wärmebehandelt, um mit wenig Aufwand einen speziellen Spannungszustand einzustellen. B: Der Stahl wird ohne Änderung seiner Eigenschaften einer gezielten Wärmebehandlung unterzogen, um möglichst alle Eigenspannungen abzubauen. C: Es wird eine sehr einfache und kostengünstige Wärmebehandlung durchgeführt, um innere Spannungen aufzubauen und somit die Festigkeit zu erhöhen. Frage 6.7.2: Wann wird ein Spannungsarmglühen durchgeführt? A: Meistens nach dem Härten. B: Stets vor dem Kaltumformen durch Pressen und Ziehen. C: Nach einer Weichglühbehandlung.

100

6 Wärmebehandlung

6.8 Härten (Umwandlungshärten und Anlassen, Ausscheidungshärten, Kaltverfestigen, Presshärten) Heute ist Stahl mit höchstem Widerstand gegen Verformung und Verschleiß in vielen Bereichen der Technik unverzichtbar geworden. Frage 6.8.1: Welchem Zweck dient das Wärmebehandlungsverfahren Härten? A: Das Härten dient der Erhöhung der Härte und Sprödigkeit von Bauteilen mit Sollbruchstellen. B: Das Härten führt zu einer Erhöhung der mechanischen Widerstandsfähigkeit (Härte, Festigkeit) des Stahls durch eine gezielte Änderung des Gefügezustandes. C: Das Wärmebehandeln Härten dient dem Ausgleich von unterschiedlich harten Bestandteilen im Stahlgefüge. Frage 6.8.2: Welche Härteverfahren werden unterschieden? A: Härten mit und ohne Härtemittel wie Wasser und Öl. B: Einzelhärten von Stückgut oder kontinuierliches Härten von Halbzeug. C: Umwandlungshärten, Ausscheidungshärten oder Härten durch Kaltverfestigung. Frage 6.8.3: Wie funktioniert das Umwandlungshärten? A: Es erfolgt eine Umwandlung der im Gefüge eingebetteten Karbide. B: Die Eigenschaft des zu härtenden Stahls, bei Erwärmung und Abkühlung eine Gefügeumwandlung Ferrit in Austenit bzw. Austenit in Ferrit zu zeigen, wird ausgenutzt und ein Härtegefüge ausgebildet. C: Der Stahl erfährt eine Umwandlung seines weichen Gefüges in ein kaltverfestigtes, sprödes Gefüge. Frage 6.8.4: Was ist Martensit? A: Eine Eisenerzmodifikation. B: Ein Gefügebestandteil im Stahl nach dem Weichglühen und Ausscheidungshärten. C: Der klassische spröde Gefügezustand des Stahls nach dem Umwandlungshärten. Frage 6.8.5: Was besagt eine kritische Abkühlgeschwindigkeit? A: Es ist die an die Legierungszusammensetzung des Stahls angepasste Abkühlgeschwindigkeit, welche mindestens zur Martensitbildung notwendig ist. B: Es kennzeichnet die hohe, für manche Stähle grenzwertige Abschreckwirkung von Wasser. C: Es ist ein Parameter der Härteanlage, um ein optimales Maß an Mengendurchsatz beim Abkühlen zu gewährleisten. Frage 6.8.6: Für welche Anwendungen wird das Härten eingesetzt? A: Zur Härtesteigerung von ferritischen und austenitischen Sonderstählen.

6.8  Härten …

101

B: Zum Härten von Halbzeug sowie von fertigen Bauteilen aus umwandlungshärtbaren Stählen (Vergütungsstähle, Werkzeugstähle und martensitische, korrosionsbeständige Stähle). C: Für die Hartbearbeitung von hochfesten Nickel-Basis- und Ausdehnungslegierungen. Frage 6.8.7: Was versteht man unter Härtbarkeit des Stahls? A: Die Eigenschaft des Stahls, beim Kaltumformen eine Härtesteigerung zu erfahren. B: Die Fähigkeit, beim Härten oberflächlich oder durchgreifend bis zum Kern eine erhöhte Härte durch Bildung des Härtegefüges Martensit anzunehmen, wobei die Höchst­härte und der Härteverlauf bis zum Kern wichtig sind. C: Die besondere Eigenschaft von Stahl, bei der mechanischen Bearbeitung eine Härtesteigerung an der Oberfläche auszubilden. Frage 6.8.8: Was stellt die Ansprunghärte dar? A: Einen Begriff aus der Praxis der Härter, der die beim Härten erreichte Härte betrifft, also die höchste Härte, die durch nachfolgendes Anlassen verringert wird, um die Zähigkeit des Stahls individuell anzupassen. B: Die Härte des Stahls, die notwendig ist als Ausgangshärte, um überhaupt einen Härteprozess einleiten zu können. C: Ein willkürlich für einzelne Stahlgüten festgelegter Härtewert, um diese Stähle untereinander unterscheiden zu können. Unmittelbar nach dem Härten erfolgt üblicherweise eine Wärmebehandlung durch Anlassen. Frage 6.8.9: Welchem Zweck dient das Anlassen? A: Einer weiteren Härtesteigerung und Verringerung der Zähigkeit. B: Zur Verringerung der Härte des spröden Martensitgefüges und somit Einstellung einer etwas höheren Zähigkeit bei gleichzeitigem Abbau von Härtespannungen. C: Zur Verhinderung von Ausscheidungen und Zunahme von Gefügeinhomogenitäten. Frage 6.8.10: Für welche Stähle wird das Anlassen angewendet? A: Für alle austenitischen und ferritischen Stähle. B: Im Falle spezieller Kundenanforderungen hinsichtlich der Endhärte von Halbzeug aus kalt umgeformtem Duplex-Stahl. C: Für alle umwandlungsgehärteten Stähle. Frage 6.8.11: Was bedeutet Vergüten des Stahls? A: Eine Wärmebehandlung durch Härten. B: Ein zweistufiges Wärmebehandeln aus Härten und nachfolgendem Anlassen. C: Das Bezahlen des gelieferten, schon gehärteten Stahlprodukts.

102

6 Wärmebehandlung

Frage 6.8.12: Worauf beruht das Ausscheidungshärten? A: Eine Erhöhung der Festigkeit des Stahls wird mittels gezielt eingestellter, vieler kleiner Ausscheidungen im Gefüge erreicht. B: Eine Härtesteigerung wird durch definiert zugegebene chemische Elemente im Stahlgefüge während einer Glühbehandlung erzielt, da diese zu lokal groben Ausscheidungen führen. C: Das Härten von ausgewählten Stahlprodukten erfolgt unter einer Atmosphäre, die im Gefüge vereinzelte Ausscheidungen hervorruft. Frage 6.8.13: Wie wird ein Ausscheidungshärten durchgeführt? A: Mit einem Hochtemperaturerwärmen und langsamen Abkühlen. B: Mit den drei Einzelschritten Lösungsglühen, Abschrecken und Auslagern. C: Mit Hilfe einer Schnellerwärmung auf Temperaturen um ca. 550 °C und anschließendem Tieftemperaturabkühlen, um Ausscheidungen einzufrieren. Frage 6.8.14: Für welche Stähle findet das Ausscheidungshärten Anwendung? A: Nur für Stähle, die die Voraussetzungen zum Aushärten aufweisen, z. B. für spezielle Edelstähle. B: Für alle hochreinen, ESU-umgeschmolzenen Stähle. C: Für alle martensitischen Stähle mit grobkörnigem Gefüge. Frage 6.8.15: Welchem Zweck dient das Kaltverfestigen? A: Keinem Zweck, da eine Kaltverfestigung immer beim Kaltumformen eintritt und durch Weichglühen beseitigt werden muss. B: Zur gezielten Erhöhung der Werkstofffestigkeit mittels einer bewusst vorgenommenen Kaltumformung. C: Dem Einbringen von Versetzungen im Stahlgefüge, damit beim nachfolgendem Weichglühen ein sehr feinkörniges Gefüge ausgebildet werden kann. Frage 6.8.16: Wie wird ein Kaltverfestigen erreicht? A: Das zu behandelnde Stahlprodukt wird bei tiefen Temperaturen schockbehandelt. B: Durch ein schnelles Abschrecken nach einem Weichglühvorgang. C: Mittels Kaltumformen wird eine definierte Umformung (Umformgrad) aufgebracht, die die gewünschte Festigkeitssteigerung bestimmt. Frage 6.8.17: Bei welchen Stählen wird ein Kaltverfestigen vorgenommen? A: Bei allen martensitischen Stählen. B: Grundsätzlich bei allen Stählen, jedoch hauptsächlich bei nicht umwandlungshärtbaren Stählen. C: Bei allen hochfesten, durch Ausscheidungen gehärteten Stählen. Mit dem Ziel, kostengünstig, ressourcenschonend und somit umweltfreundlich zu produzieren, wurden in den letzten Jahren neue, innovative Härtungsverfahren entwickelt. Es betrifft z. B. das Verfahren Presshärten.

6.9  Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl

103

Frage 6.8.18: Wie wird das Presshärten ausgeführt? A: Eine bereits gehärtete Vorform wird durch Pressen mehrfach umgeformt. B: Eine vorgewärmte Vorform wird gleichzeitig bei der Warmumformung direkt beim Pressen (Formen) im gekühlten Presswerkzeug kontrolliert gehärtet. C: Ein Rundhalbzeug wird mehrfach kalt geschmiedet, bis eine Erwärmung durch dieses Umformen eintritt, und anschließend abgeschreckt. Frage 6.8.19: Wofür wird das Presshärten eingesetzt? A: Zur Erzeugung von Blechformteilen mit solchen Festigkeiten, die beim konventionellen Kaltumformen (Tiefziehen) nicht erreichbar wären. B: Zur Festigkeitssteigerung von komplizierten Gesenkschmiedeteilen. C: Zum Härten von durch Schmiedepressen erzeugten Freiformschmiedeteilen.

6.9 Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl In der Prozesskette der Herstellung von Stahlprodukten stellt die Wärmebehandlung einen entscheidenden Faktor dar zur Einstellung der gewünschten mechanisch-technologischen Eigenschaften mit einem bestimmten Verhältnis Festigkeit zu Zähigkeit und mit einer definierten Gefügeausbildung. Frage 6.9.1: Drei Bedingungen sind für die Einstellung der Stahleigenschaften wichtig. Chemische Zusammensetzung (Metallurgie), Wärmebehandlung und? A: Werkstoffprüfung B: Adjustage C: Umformung/Verarbeitung Frage 6.9.2: Welche Besonderheit von Stahl wird bei einigen Wärmebehandlungen ausgenutzt? A: Die sehr gute Abschreckbarkeit. B: Die Gitterumwandlung (Phasenumwandlung α − γ bzw. γ − α). C: Die sehr gute Wärmeleitfähigkeit. Frage 6.9.3: Was ist mit Einformen des Gefüges bei einer Wärmebehandlung gemeint? A: Das Gefüge des Stahls wird beim Warmumformen der Form des Umformwerkzeuges angepasst. B: Lamellenförmige Karbide werden beim Glühen im Gefüge kugelig eingeformt. C: Der Stahl wird bei der Wärmebehandlung gleichzeitig umgeformt. Frage 6.9.4: Die Abb. 6.3 zeigt Schliffbilder v. l. n. r. für welche Gefügezustände? A: Gehärtet, lösungsgeglüht, weichgeglüht B: Weichgeglüht, gehärtet, rekristallisiert C: Rekristallisiert, weichgeglüht, gehärtet

104

6 Wärmebehandlung

Abb. 6.3  Gefügeaufnahmen von verschiedenen Wärmebehandlungszuständen (Schliffbilder: BGH Edelstahl Lugau GmbH)

Frage 6.9.5: Welches Glühverfahren wird eingesetzt, um Gefügeinhomogenitäten, wie z. B. Seigerungen, zu vermindern? A: Spannungsarmglühen und Anlassen B: Härten und Auslagern C: Diffusionsglühen (Homogenisieren) Frage 6.9.6: Was bewirken die Wärmebehandlungsverfahren Glühen und Härten? A: Eine vollständige Gefügeumwandlung im Gefüge des Stahls. B: Eine teilweise Gefügeumwandlung nur im Kern des Glühguts. C: Eine ungewollte Gefügeveränderung an der Oberfläche des Glühguts. Frage 6.9.7: Bei welchem Prozessschritt wird nach dem Motto gehandelt: „So schnell wie nötig und so langsam wie möglich!“? A: Bei jedem einzelnen Prozess im Stahl- und Walzwerk. B: Bei der Auswahl der Wirkung des Abschreckmediums beim Härten. C: Beim Langzeitglühen zum Abbau von Spannungen. In der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl begegnet man gelegentlich dem Begriff Patentieren. Frage 6.9.8: Was bedeutet Patentieren von Stählen? A: Das patentrechtliche Schützen einer besonderen Wärmebehandlungstechnologie für Stahlhalbzeug. B: Ein Sonderverfahren der Wärmebehandlung von Stahl zur Einstellung eines günstigen Gefüges für ein nachfolgendes Kaltumformen. C: Eine spezielle Abkühlvariante beim Weichglühen von Schmiedestücken bis auf Temperaturen unterhalb von Raumtemperatur zur Einstellung eines durchgehend harten, martensitischen Gefüges.

7 Werkstoffprüfung

7.1

Grundlagen (Prüfen und Messen)

Stahl, umformbar, fest, hoch beanspruchbar, aber auch mit Fehlern, inneren Ungänzen, kleinsten Rissen, muss eingehend geprüft werden, bevor eine Entscheidung zu seinem Einsatz für ein Bauteil mit einem bestimmten Anforderungsprofil gefällt werden kann. Manchmal sind es auch fast unsichtbare Dinge in der Mikrostruktur des Stahls, die ungeahnte Auswirkungen haben können, z. B. ein Mikroriss in einer Turbinenschaufel. So ist Prüfen angesagt, um Schadensfälle zu begrenzen bzw. auszuschließen. In der Praxis der Stahlherstellung und der Stahlverarbeitung zu Umform- oder Drehteilen sind insbesondere Aussagen zu Rundlauf, Verzug, Ebenheit/Geradheit, Ovalität/ Rundheit und Abmessungen (Durchmesser, Länge, Breite, Winkel) gefragt. Hierzu wird an verschiedenen Stellen der Fertigungsprozesse geprüft und gemessen. Dabei sollte man die Verfahren Prüfen und Messen auch richtig bewerten und unterscheiden.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_7

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106

7 Werkstoffprüfung

Frage 7.1.1: Was bedeutet Prüfen? A: Das Ermitteln bestimmter optischer Kennwerte zur Überprüfung der Oberflächenqualität eines Produkts. B: Das Vergleichen des Prüfgegenstandes mit einer Lehre bzw. einem Muster mit der Aussage gut oder schlecht bzw. i. O. oder n. i. O. C: Das Abtasten eines geometrischen Maßes von einem Prüfling mit Hilfe eines Messgeräts zur Ermittlung eines konkreten Messwerts. Frage 7.1.2: Was bedeutet Messen? A: Das Ermitteln bestimmter optischer Kennwerte zur Überprüfung der Oberflächenqualität eines Produkts. B: Das Vergleichen des Prüfgegenstandes mit einer Lehre bzw. einem Muster mit der Aussage gut oder schlecht bzw. i. O. oder n. i. O. C:Das Abtasten eines geometrischen Maßes von einem Prüfling mit Hilfe eines Messgeräts zur Ermittlung eines konkreten Messwerts. Die Abb. 7.1 zeigt verschiedene Praxisbeispiele. Frage 7.1.3: Die Fotos in Abb. 7.1. zeigen links und rechts? A: Messen und Prüfen B: Prüfen und Messen C: Prüfen und Prüfen Die Werkstoffprüfung stellt heute verlässliche Daten zum Zustand und zu den Eigenschaften der Werkstoffe bereit: chemische Zusammensetzung, Reinheit, Gefüge, Festigkeit, Zähigkeit, Härte, Korrosionsbeständigkeit, Oberflächenzustand, Bearbeitbarkeit u.  v.  a. Diese Daten bzw. Kennwerte werden unter mechanischen, chemischen und/oder thermischen Beanspruchungen an genormten Proben, an Halbzeug oder an fertigen Bauteilen ermittelt. Sie

Abb. 7.1  Vergleich Prüfen und Messen. (Fotos: Schlegel, J.)

7.1 Grundlagen (Prüfen und Messen)

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sind unverzichtbar für die Werkstoffauswahl und für die konstruktive Auslegung z. B. von Bauteilen, Maschinen, Fahrzeugen, Bauwerken, für die Qualitätsüberwachung bei der laufenden Fertigung, für die Ursachenermittlung bei Schadensfällen und auch für eine gezielte Verbesserung bzw. Weiterentwicklung der Werkstoffe selbst. Die Vielfalt der Stähle und die verschiedenen, steigenden Anforderungen an die Belastbarkeit bei der Anwendung führten bis heute auch zur Entwicklung und Anwendung einer Vielzahl von Prüfverfahren, die definierte, praxisnahe Beanspruchungen simulieren. Da die Art und Weise der Durchführung auch die Ergebnisse beeinflussen, sind die Prüfverfahren, die Prüfanlagen und die Auswertemethoden größtenteils genormt. Nur so ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse, z.  B. zwischen einem Stahllieferanten und dem Verarbeiter, gegeben. Frage 7.1.4: Welche Hauptgruppen von Werkstoffprüfverfahren gibt es? A: Technisch einfache oder anspruchsvolle Prüfungen. B: Zerstörende oder zerstörungsfreie Prüfungen. C: Gefügeuntersuchungen, physikalische Kennwertermittlungen oder Qualitätsprüfungen. Die Abb. 7.2 zeigt eine Gliederung zu den gängigen Prüfverfahren (Blumenauer, 1994), die nachfolgendend behandelt werden.

Zerstörende Prüfverfahren ■ Mechanische Prüfverfahren:

- Prüfen auf Festigkeit, Härte - mechanisch-technologische Untersuchungen

■ Physikalische Prüfverfahren:

- Bestimmung elektrischer und magnetischer Eigenschaften - Prüfung der Leitfähigkeit (Wärme, Elektrizität)

■ Metallografische Prüfverfahren: - Gefügeuntersuchung (Reinheit, Korngröße) - thermische Analyse - Elektronenmikroskopie - Mikrobereichsanalyse ■ Chemische Prüfverfahren:

- chemische Zusammensetzung - Korrosionsverhalten

Zerstörungsfreie Prüfverfahren Feststellung von Oberflächen- und Kernfehlern mittels: - Röntgenstrahlen - γ-Strahlen - Ultraschall - Wirbelstrom - magnetischem Streufluss Weitere zerstörungsfreie Prüfungen: - Dichtheitsprüfung - Lecksuche - induktiv angeregter Thermographie - Verwechslungsprüfung - Farbeindringprüfung

Abb. 7.2  Gliederung der wichtigsten Werkstoffprüfverfahren

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7 Werkstoffprüfung

7.2 Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge (Zugversuch, Härteprüfung, Kerbschlagbiegeversuch, Metallografie) Die Festigkeits- und Zähigkeitsuntersuchungen nehmen eine zentrale Stellung in der zerstörenden Werkstoffprüfung ein. Frage 7.2.1: Welche Verfahren zählen zu den mechanischen Prüfverfahren? A: Zug-, Druck-, Biege-, Verdreh-Versuche, Härteprüfungen, Kerbschlagbiegeversuche, Zeitstandversuche, Falt-, Hin- und Herbiege und Tiefungsversuche sowie Zerspanbarkeitsprüfungen. B: Ultraschall- und Wirbelstromprüfungen auf Risse. C: Eingangskontrollen, Entnahme von Proben durch mechanisches Abtrennen und Untersuchung der chemischen Zusammensetzung. Frage 7.2.2: Welcher Unterschied besteht zwischen Festigkeit und Härte? A: Es besteht kein Unterschied, da die Werte für Festigkeit und Härte eines Stahls vergleichbar sind. B: Der Unterschied besteht nur in den unterschiedlichen Prüfverfahren für Festigkeit und Härte, die je nach Größe und Form des zu untersuchenden Stahlprodukts eingesetzt werden. C: Festigkeit ist der Widerstand gegenüber einer äußeren Belastung (z. B. Zugkraft bezogen auf einen bestimmten Querschnitt) und Härte ist der Widerstand gegen das Eindringen eines anderen Körpers. Frage 7.2.3: Was haben Leonardo da Vinci und Sand mit einem Zugversuch zu tun? A: Nichts, denn es gibt keinen Zusammenhang. B: Leonardo da Vinci (1452–1519) beschrieb um 1500 erstmalig ein Experiment zur Ermittlung der Zugfestigkeit von Draht mittels Sand. C:  Leonardo da Vinci (1452–1519) entwickelte eine automatische Prüfmaschine zur Festigkeitsprüfung von Sand. Zur Ermittlung der Zugfestigkeit mittels Zugversuch werden die einwirkenden Kräfte in Zugrichtung aufgebracht. Frage 7.2.4: Welche Kennwerte können dem beim Zugversuch aufgezeichneten Spannungs-Dehnungs-Diagramm entnommen werden? A: Die maximale Härte und die Druckkraft genau zum Zeitpunkt des Bruchs der Probe. B: Die an der Probe unter Zugbelastung aufgetretene plastische Verformung als Breitenund Dickenzunahme. C: Die Streckgrenze, die Zugfestigkeit, die Bruchdehnung und der Elastizitätsmodul.

7.2  Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge …

109

Frage 7.2.5: Welcher Festigkeitskennwert ist für den Konstrukteur wichtig? A: Die Zugfestigkeit als die höchstmögliche, von einem Bauteil zu tragende Last. B: Die Streckgrenze als das Ende des elastischen Zustandes (Belastung darüber hinaus bewirkt eine bleibende Verformung (bei einem Tragwerk z. B. unerwünscht!)). C: Die Einschnürung als die Querschnittsverminderung an der Sollbruchstelle. Bei einer Härteprüfung wird ein genormter, sehr harter Körper unter festgelegten Bedingungen mit einer definierten Prüfkraft in den Prüfling gedrückt. Frage 7.2.6: Für welches Prüfverfahren gilt: Je kleiner der runde, bleibende Eindruck, desto höher die Härte? A: Vickers-Härteprüfung B: Pendelhammer C: Brinell-Härteprüfung Frage 7.2.7: Welche zwei Verfahrensvarianten der Härteprüfung werden unterschieden? A: Statisch oder dynamisch wirkende Härteprüfverfahren. B: Langsam oder schnell durchführbare Härteprüfverfahren. C: Nur in einem Prüflabor oder nur in einer Werkhalle durchführbare Härteprüfungen. Frage 7.2.8: Welcher Unterschied besteht zwischen einem Baumann-Hammer und einem Poldihammer? A: Außer den Bezeichnungen nach den Namen der Erfinder besteht technisch im Wirkprinzip kein Unterschied. B: Beim Baumann-Hammer drückt schlagartig eine Feder die Prüfkugel in die Oberfläche der Probe, während der Poldihammer zur Härtemessung neben der Prüfkugel einen Vergleichskörper mit bekannter Härte nutzt. C:Der Baumann-Hammer kann mittels Handkraft eingesetzt werden, während der Poldihammer stets mit einer definierten, kraftmessenden Vorrichtung bedient werden muss. Die behandelten Verfahren hinterlassen an der Prüfoberfläche einen bleibenden Eindruck, d.  h. es wird die plastische Verformung des Werkstoffes als Maß für die Härte herangezogen. Dabei kann eine Probenahme aus dem zu prüfenden Werkstoff (z. B. ein Stahlhalbzeug) nötig sein oder es wird die Härteprüfung mobil direkt am zu prüfenden Halbzeug oder Bauteil durchgeführt. Im Unterschied dazu kann auch dynamisch das elastische Verhalten des zu prüfenden Werkstoffes zur Beurteilung der Härte dienen.

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7 Werkstoffprüfung

Frage 7.2.9: Wie funktioniert ein Rückprallhärteprüfer? A:Mit einem speziellen Hammer mit 1 kg Masse wird auf den Prüfkörper eingeschlagen und dabei die Strecke des zurückschlagenden Hammers gemessen. B: Man lässt den Prüfkörper mit genormten Abmessungen auf eine Prallplatte aus 2 Metern Höhe fallen und ermittelt die Rückprallhöhe. C: Man lässt eine harte Stahlkugel auf die Prüfkörperoberfläche fallen und aus der Rücksprunghöhe kann auf die Härte geschlossen werden. Neben der Festigkeit und Härte sind Stähle durch sehr unterschiedliche Zähigkeitswerte bzw. Sprödigkeit gekennzeichnet. Diese Eigenschaften sind jedoch nicht allein vom Werkstoff bzw. der Stahlgüte abhängig, sondern auch von den Beanspruchungsbedingungen bei der Anwendung, wie Spannungszustände, Verformungsgeschwindigkeiten und Temperaturen (Hornbogen & Warlimont, 1991). Davon ausgehend müssen die Stähle zur Beurteilung ihrer Verwendbarkeit auch zusätzlich unter diesen Bedingungen, die der technischen Praxis entsprechen (mehrachsige und/oder schlagartige Beanspruchung) h­ insichtlich ihrer Zähigkeitseigenschaften untersucht werden. Der Kerbschlagbiegeversuch ist hierzu ein Standardverfahren in den Prüflabors der Stahlindustrie. Frage 7.2.10: Wie funktioniert ein Kerbschlagbiegeversuch? A: Eine gekerbte Stahlprobe wird von einem herabfallenden Pendelhammer zerschlagen und dabei die Fähigkeit des Stahls ermittelt, Schlagenergie zu absorbieren. B: Ein eingekerbter, flacher Probekörper wird mittels Hammerschlägen langsam verbogen und kurz vor dem Bruch der Biegewinkel ermittelt, der ein Maß für die Zähigkeit darstellt. C: Mit einem Federhammer wird auf eine gekerbte Probe so lange geschlagen, bis diese an der Kerbe erste Risse zeigt. Aus der Anzahl der definierten Hammerschläge kann auf die Zähigkeit geschlossen werden. Zusammenfassend zeigt die Abb.  7.3 eine Übersicht zu den beschriebenen wichtigsten mechanischen Prüfverfahren mit Kurzdefinitionen und den prüfbaren Kennwerten.

Zugversuch ● Streckgrenze

Symbol

Einheit

Rp0,2

N/mm2 = MPa

● Zugfestigkeit ● Bruchdehnung ● Einschnürung Härtetest ● Brinellhärte

Rm A Z

● Vickershärte

HV

N/mm2 = MPa % %

HB

● Rockwellhärte

HRC HRB Kerbschlagbiegeversuch (Charpy-Test) K

J (Joule)

Kurzdefinition Zugfestigkeit: Mechanischer Widerstand gegen äußere Zugbelastung technisches Ende des elastischen Zustandes höchste getragene Last mittlere bleibende Dehnung nach dem Bruch Querschnitssverminderung an der Bruchstelle Härte: Mechanischer Widerstand gegen Eindringen eines anderen Körpers Prüfkörper ist eine Hartmetallkugel, Härte HB wird aus Durchmesser des runden Eindruckes ermittelt Prüfkörper ist eine gleichseitige Diamantpyramide, Härte HV wird aus den Eindruckdiagonalen ermittelt Eindringtiefe eines Diamantkegels ( cone) ist Maß der Härte HRC Eindringtiefe einer Diamantkugel ( ball) ist Maß der Härte HRB Zähigkeit: Fähigkeit des Stahls, Schlagenergie zu absorbieren Maß für Kerbschlagarbeit

Abb. 7.3  Übersicht zu den wichtigsten mechanisch-technologischen Prüfverfahren

7.2  Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge …

111

Auch die Metallografie ist Teil der zerstörenden Prüfverfahren. Frage 7.2.11: Was ist unter dem Begriff Metallografie zu verstehen? A: Metallografie ist der Überbegriff für alle Schadensfalluntersuchungen in der Stahlindustrie, die zur analytischen Untersuchung der Legierungselemente auch deren Mikroanalyse mittels Schliffpräparation umfasst. B: Metallografie ist die Lehre vom Gefügeaufbau mit der Aufgabe, komplexe räumliche Strukturen des Stahls abzubilden sowie qualitativ und quantitativ die Gefüge zu beschreiben. C: Metallografie bedeutet, alle Möglichkeiten und Hilfsmittel zu nutzen, um Kernfehler in Stahlhalbzeug ausfindig zu machen. Um das Gefüge einer Stahlprobe sichtbar machen zu können, muss diese Probe präpariert werden. Dazu wird ein Schnitt längs oder quer durch die Probe gelegt und ein repräsentativer, randscharfer Schliff erzeugt. Bei dieser Probenpräparation darf das Gefüge keine Veränderungen durch Verformungen, Temperatureinflüsse, Verschmierungen, Ausbrüche oder Kratzer erfahren. Frage 7.2.12: Wozu wird bei der Schliffpräparation in der Metallografie geätzt? A: Um die Schliffprobenoberfläche aufzurauhen. B: Um unerwünschte Einschlüsse zu entfernen. C: Um das Gefüge einer Schliffprobe (Korngrenzen, Phasen) sichtbar zu machen. Metallografische Untersuchungen erfolgen üblicherweise mittels der Makroskopie und der Mikroskopie. Frage 7.2.13: Was bedeutet Makroskopie und wofür wird diese eingesetzt? A: Makroskopie bedeutet die Untersuchung von groben Gefügebestandteilen wie z. B. von größeren Lunker, Poren und Kernrisse. B:  Makroskopie bedeutet die Betrachtung mit bloßem Auge oder mittels Auflicht-­ Stereomikroskop bei Vergrößerungen bis 50fach zur Beurteilung von Oberflächen und Bruchflächen zu Übersichtszwecken. C: Makroskopie dient der Sichtbarmachung von Makroseigerungen in randnahen Bereichen eines Schliffes. Frage 7.2.14: Was bedeutet Mikroskopie und wofür wird diese eingesetzt? A: Mikroskopie bedeutet das Betrachten winziger Objekte bei sehr starker Vergrößerung, z. B. Gefügeuntersuchungen mittels Lichtmikroskopie bei Vergrößerungen bis 1000fach oder mittels Elektronen- sowie Rastersondenmikroskopie zur Sichtbarmachung von Phasenanteilen, der Kornausbildung, von Korngrenzen und -größen, von Verunreinigungen, Lunkern, Poren, Rissen u. a. Fehlern sowie zur Beurteilung des Wärmebehandlungszustandes und des Reinheitsgrades.

112

7 Werkstoffprüfung

B: Mikroskopie bedeutet die Betrachtung mittels Mikroskop bei Vergrößerungen bis max. 50fach zur Beurteilung von Oberflächenrauheit und -anrissen. C: Mikroskopie dient zur Betrachtung und Sichtbarmachung von Mikroseigerungen in Gussblöcken, vor allem im Bereich des Blockkopfes.

7.3 Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse (Röntgen-­Fluoreszenz-Analyse, Optische Emissions-Spektrometrie, Verbrennungsanalyse) Insbesondere die chemische Analyse des Stahls ist die wichtigste Methode zur Prozesssteuerung im Stahlwerk sowie in Verbindung mit der Metallografie zur Klärung des Materialverhaltens und zur Ursachenermittlung bei Schadensfällen. Frage 7.3.1: Wie kann die chemische Zusammensetzung eines Stahls ermittelt werden? A: Durch Verdampfen der schmelzflüssig gewonnenen Probe. B: Durch Zerfeilen eines Probestücks und Auswiegen der Feilspäne mit einer Mikrowaage. C: Mittels nasschemischer Analyse oder mit physikalischen Messprinzipien. In der Praxis der Stahlerzeugung unterscheidet man zwischen der Schmelzanalyse und der Stückanalyse. Frage 7.3.2: Worin liegt der Unterschied zwischen einer Schmelzanalyse und einer Stückanalyse? A: Es gibt keinen Unterscheid. Eine Probe wird schmelzflüssig entnommen und in fester Form als Stück analysiert. B: In der Art der Probenahme: Schmelzflüssig direkt aus der flüssigen Stahlschmelze oder fest als Stück aus einem Gussblock oder Halbzeug. C: Der Unterschied besteht in der Analysenmethode: Die Probe wird im Analysengerät schmelzflüssig gemacht und dann analysiert oder gleich als festes Stück analysiert. Frage 7.3.3: Wie funktioniert die Röntgen-Fluoreszenz-Analyse (RFA)? A: Eine primäre Röntgenstrahlung trifft auf die zu analysierende Probe, die nunmehr eine sekundäre Röntgenstrahlung aussendet, die in einzelnen Komponenten charakteristisch ist für deren chemische Zusammensetzung. B: Die zu analysierende Probe wird mit einer Röntgenstrahlung durchstrahlt und die ermittelte, nicht von der Probe aufgenommene Reststrahlung gibt Hinweise zu deren che­ mischen Zusammensetzung. C: Die zu analysierende Probe wird verflüssigt, mit Röntgenstrahlung beaufschlagt und nach einer bestimmten Zeit die Strahlungsaktivität der noch flüssigen Probe gemessen.

7.3  Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse …

113

Frage 7.3.4: Wofür wird die Röntgen-Fluoreszenz-Analyse (RFA) eingesetzt? A: Vor allem zur Bestimmung leichter und auch gasförmiger Legierungselemente in Stahlschmelzen. B: Für die Bestimmung von Legierungselementen mit höheren Atomgewichten oberhalb der Ordnungszahl 5. C: Nur für Spezialuntersuchungen hinsichtlich nichtmetallischer Legierungselemente. Frage 7.3.5: Wie funktioniert die Optische Emissions-Spektrometrie (OES)? A: Eine primäre Röntgenstrahlung trifft auf die zu analysierende Probe, die nunmehr eine sekundäre Röntgenstrahlung aussendet, die in einzelnen Komponenten charakteristisch ist für deren chemische Zusammensetzung. B: Die zu analysierende Probe wird mit einer Röntgenstrahlung durchstrahlt und das danach von der Probe ausgesendete Licht wird analysiert. C: Mittels Energiezufuhr werden in der zu untersuchenden Probe die Elektronen angeregt, ihre Bahnen zu ändern. Bei deren Rückkehr zu ihren ursprünglichen Bahnen wird Energie in Form von Licht abgegeben. Frage 7.3.6: Wofür wird die Optische Emissions-Spektrometrie (OES) eingesetzt? A: Vor allem zur Bestimmung von speziellen Legierungselementen mit hohen Atomgewichten. B:  Für die hochgenaue Bestimmung von Legierungselementen mit geringen Atomgewichten. C: Nur für Spezialuntersuchungen hinsichtlich nichtmetallischer Legierungselemente. Zur routinemäßigen Produktionskontrolle in den Stahlwerken und weiterverarbeitenden Betrieben sowie in der industriellen Forschung kommen weitere Analysenmethoden, ergänzend zu den RFA- und OES-Verfahren zum Einsatz. Es sind zum Beispiel die standardisierten Methoden der Verbrennungsanalyse sowie die Trägerheißgasextraktion. Frage 7.3.7: Was versteht man unter einer Verbrennungsanalyse? A: Die zu untersuchende feste Probe wird unter Sauerstoff oder einem Trägergas aufgeschmolzen und die dabei entstehenden Verbrennungsprodukte werden im Gasstrom analysiert. B: Die schon schmelzflüssig eingesetzte Probe wird weiter erhitzt, bis eine kleine Restmenge übrig bleibt, die dann analysiert wird. C: Eine feste Probe wird in einem druckdichten Behälter unter Gas, das aus der Verbrennung von Koks stammt, untersucht. Man unterscheidet die Verbrennungsanalyse für die Bestimmung der nichtmetallischen Elemente Kohlenstoff und Schwefel sowie die Verbrennungsanalyse mit einem Trägergas (Trägergasheißextraktion) für die Messung der Gehalte an den gasförmigen Elementen Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.

114

7 Werkstoffprüfung

Frage 7.3.8: Wie funktioniert die Kohlenstoff-Schwefel-Verbrennungsanalyse? A: Wie bei jeder Verbrennungsanalyse erfolgt die Untersuchung der festen Probe unter Gas, das aus der Verbrennung von schwefelhaltigem Koks gewonnen wird. B: Die auf Kohlenstoff (C) und Schwefel (S) zu untersuchende Probe wird unter einem Sauerstoffstrom verbrannt und die sich bildenden Gase CO2 und SO2 werden analysiert. C: Die zu untersuchende feste Probe wird unter einem Trägergas, meist Helium, aufgeschmolzen und die dabei entstehenden festen Verbrennungsprodukte werden analysiert. Wie der Name es schon ausdrückt, werden Kohlenstoff-Schwefel-Verbrennungsanalysatoren ausschließlich zur Analysenschnellbestimmung von Kohlenstoff und Schwefel in Stahllegierungen genutzt. Ergänzend dazu kommen Geräte zur Bestimmung der Gehalte an den gasförmigen Elementen Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff nach der Methode der Trägergasheißextraktion zum Einsatz. Frage 7.3.9: Wie funktioniert die Trägergasheißextraktion? A: Wie bei jeder Verbrennungsanalyse erfolgt die Untersuchung der festen Probe unter einem Trägergas, meist Helium. B: Die schon schmelzflüssig eingesetzte Probe wird unter einer Gasatmosphäre weiter erhitzt, bis eine kleine Restmenge übrig bleibt, die dann analysiert wird. C:Unter einem Trägergas, meist Helium, wird die zu untersuchende Probe aufgeschmolzen und das sich dabei bildende Gas hinsichtlich der Elemente Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff analysiert.

7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen (Ultraschall-, Wirbelstrom-, Sicht-, Farbeindring- und Magnetpulver-Prüfung, Rauheitsmessung) Frage 7.4.1: Was wird üblicherweise mit ZfP bezeichnet? A: Zentrum für Prüftechnik in einem Stahlwerk B: Zentrale für Prüfverfahren in der Stahlindustrie C: Das Verfahren Zerstörungsfreie Prüfung (ohne Beschädigung des Prüflings) Die zerstörungsfreie Prüfung (ZfP) bietet den Vorteil, Halbzeug oder Bauteile im fertigen Zustand und ohne Beschädigung, meist auch automatisiert untersuchen zu können. Es ist nicht notwendig, Proben herauszutrennen und diese dann während der Prüfung bis zum Bruch zu belasten und dabei zu zerstören.

7.4  Zerstörungsfreie Prüfungen …

115

Frage 7.4.2: Was sind die wichtigsten zwei Fehlerarten, die mittels ZfP erfasst werden können? A: Falsche Umformtemperaturen und Formabweichungen B: Innere Fehler (Kern- und randnahe Fehler) und Oberflächenfehler C: Zu hoher Schwefelgehalt und Zähigkeitsabweichungen Erst in den letzten neun Jahrzehnten wurden Verfahren zur zerstörungsfreien Prüfung entwickelt. Sie dienen der Feststellung von Oberflächen- und Kernfehlern unter Einsatz von Röntgenstrahlen, radioaktiven Strahlen, Ultraschall oder mittels magnetischer Durchflutung. Daneben gewinnen unter Beachtung der unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten auch optische Prüfverfahren, teils mit digitaler Bildverarbeitung, an Bedeutung. Hauptsächlich die für die Werkstoffprüfung von Stahlprodukten genutzten Verfahren der Ultraschall- und Wirbelstromprüfung sowie die Farbeindringprüfung werden nachfolgend behandelt. Frage 7.4.3: Wie funktioniert eine Ultraschallprüfung? A: Wie in der Medizin können mit Ultraschall auch Stahlprodukte an der Oberfläche hinsichtlich Risse und Ungänzen untersucht werden. B: Von einem Sender wird Ultraschall gerichtet in die zu untersuchende Probe ausgesendet und dessen Reflexion sowie Schwächung an Grenzflächen im Innern zur Fehlererkennung genutzt. C: Mit Ultraschallwellen werden die zu untersuchenden Stahlprodukte angestrahlt und auf Formgenauigkeit untersucht. Frage 7.4.4: Welche beiden Verfahrensvarianten der Ultraschallprüfung werden unterschieden? A: Durchschallung oder Impuls-Echo-Verfahren B: Direkte oder indirekte Ultraschallprüfung C: Ultraschallprüfung mit oder ohne Koppelmittel Frage 7.4.5: Welcher Unterschied besteht beim Ultraschallprüfen nach den Varianten Durchschallung oder Impuls-Echo-Verfahren? A: Kein Unterschied besteht im Verfahrensprinzip, nur im Aufbau der Ultraschallsender und der Auslegung der Auswerteeinheit. B: Bei einer Durchschallung werden am Prüfling ein Sender und ein gegenüberliegender Empfänger eingesetzt, während beim Impuls-Echo-Verfahren ein Prüfkopf gleichzeitig als Sender und Empfänger arbeitet. C: Eine Durchschallung kann technisch bedingt nur an quadratischem Vollmaterial erfolgen, während das Impuls-Echo-Verfahren auch an runden Hohlprofilen mit Außendurchmessern unterhalb von 6 mm eingesetzt werden kann.

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7 Werkstoffprüfung

Frage 7.4.6: Wie werden Ultraschallprüfungen in der Stahlpraxis durchgeführt? A: Stets manuell in Form von Einzelprüfungen und -auswertungen. B:  Ultraschallprüfungen können manuell als Einzelprüfungen, automatisiert dis­ kontinuierlich oder automatisiert kontinuierlich im Durchlauf durchgeführt werden. C: Nur Durchschallung mittels automatisiert arbeitenden Prüfsonden. Frage 7.4.7: Was bedeutet Ultraschallprüfen mittels Phased-Array-Technik? A: Es wird ein einziger Prüfkopf verwendet, der um runde Prüfkörper (Stäbe, Draht) mechanisch angetrieben rotiert oder ebene Prüfkörper (Flachprodukte) zickzackförmig abtastet und elektronisch geregelt, zeitlich unterbrochene Ultraschallimpulse aus­ sendet. B: Mehrere Sender und Empfänger rotieren mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten um runde Prüfkörper oder tasten ebene Prüfkörper nach Vorgabe ab, wobei im ersten Durchlauf eine Senkrechteinschallung und beim wiederholten zweiten Durchlauf eine Schrägeinschallung erfolgt. C:Viele Prüfköpfe sind in einer Durchlaufprüfanlage ringförmig um den runden Prüfkörper (Stäbe) fest angeordnet und werden elektronisch einzeln so angeregt, dass ein radialer Ultraschall-Scan entsteht. Auch für flache Prüfkörper (Flachprodukte) kommen Phased-­Array-Prüfköpfe zum Einsatz, die elektronisch gesteuert getaktete Ultraschallimpulse mit verschiedenen Einschallwinkeln erzeugen. Frage 7.4.8: Wofür wird die Ultraschallprüftechnik eingesetzt? A: Zum Aufdecken von Kernfehlern, randnahen nichtmetallischen Einschlüssen, Poren und verschweißten Rissen, also von inneren Ungänzen. B: Zum Prüfen auf Oberflächenfehler wie z.  B.  Risse, Aufreißungen, Überwalzungen, Ziehriefen und Kratzer. C: Zur vergleichenden Maßprüfung an mechanisch bearbeiteten Teilen und auch an Halbzeug mit unterschiedlichen Formen und Abmessungen. Frage 7.4.9: Was bedeutet KSR beim Ultraschallprüfen von Stäben? A: Das Ultraschallprüfen nach einem kontrollierten Schleif- und Richtprozess der Stäbe. B: Die Kontrolle der schlechten Reflexion an dünnen Stäben. C: Kreisscheibenreflektor (definierte Fehlerbohrung) zum Kalibrieren der Ultraschall-­ Prüfanlage. Frage 7.4.10: Wovon hängt in der Praxis des Ultraschallprüfens von Stahlprodukten die kleinste nachweisbare Fehlergröße ab? A: Hallentemperatur, Temperatur des Koppelmittels, Länge des Prüfkörpers B: Werkstoff, Wärmebehandlungszustand und Gefüge, Umformgrad, Oberflächenzustand (Rauheit), Stabdurchmesser, Koppelmittel C: Profil des Prüfkörpers, Temperatur des Kalibrierkörpers, know how des Anlagenbedieners.

7.4  Zerstörungsfreie Prüfungen …

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Frage 7.4.11: Mit welchen Verfahren können Oberflächenfehler ermittelt werden? A: Rauheitsmessungen mit einem Perthometer, manuelles Abtasten B: Ultraschallprüfen, Abtasten mit Elektronenstrahlen C: Prüfen der Oberfläche mittels Wirbelstrom, Sichtprüfen, Eindringprüfen oder magnetisches Rissprüfen Frage 7.4.12: Wie funktioniert eine Wirbelstromprüfung auf Oberflächenfehler? A: Mittels eines wechselnden Magnetfelds wird berührungslos im Prüfkörper ein ringförmiger Stromfluss (Wirbelstrom) induziert, dessen Dichte durch einen Fehler (Riss) gestört wird. Diese Störung erfasst eine zweite Spule und detektiert den Fehler. B: Mit mehreren, längs zum Prüfkörper angeordneten Spulen wird der Prüfkörper aufmagnetisiert und anschließend in einer zweiten Prüfanlage der Restmagnetismus geprüft. C: Der Prüfkörper wird durch eine sehr lange, rohrförmige Spule rotierend bewegt, danach durch ein Tauchbad mit Eisenfeilspänen gezogen und die anhaftenden Späne zur Fehlerdetektierung genutzt. Frage 7.4.13: Welche zwei Prüfvarianten des Wirbelstromrissprüfens werden unterschieden? A: Das kontinuierliche und das diskontinuierliche Prüfen. B: Das Wirbelstromprüfen auf Querrisse und auf Längsrisse. C: Das Wirbelstromprüfen von Formteilen oder von Langprodukten (Halbzeug) Das Prüfen mit Wirbelstrom (engl. „Eddy current method“) ist prinzipiell für alle elek­ trisch leitenden Werkstoffe einsetzbar zur Oberflächenriss- und Verwechslungsprüfung, zur Prüfung des Wärmebehandlungszustandes und für Schichtdickenmessungen. Frage 7.4.14: Wovon hängt bei der Oberflächenrissprüfung mit Wirbelstrom die Fehlererkennbarkeit ab? A: Vom Oberflächenzustand des Prüflings, von der Lage und Tiefe (Rissverlauf) der zur Oberfläche hin offenen Risse, und von der Geradheit des Prüflings. B: Vom Wärmebehandlungszustand und der Temperatur des Prüflings. C:  Von der Anzahl der Prüfspulen, der Größe und Wirksamkeit der Entmagneti­ sierungsspule. Frage 7.4.15: Welche kleinsten Risstiefen sind als Nachweisgrenzen mit Wirbelstrom in Abhängigkeit von den Oberflächenzuständen der zu prüfenden Langprodukte (runde Stäbe) detektierbar? A: Risstiefen von  0,1 mm für Stäbe gezogen, gerichtet, poliert, Stäbe geschält, poliert, Stäbe geschliffen sowie Risstiefen > 0,2 mm für Stäbe gezogen, gerichtet. C: Risstiefen > 0,5 mm für Langprodukte, geschält und geschliffen.

118

7 Werkstoffprüfung

Neben dem Wirbelstromprüfverfahren gibt es folgende weitere Verfahren zur Anzeige von Rissen, Falten, Poren, auch von Beschädigungen und sonstigen Ungänzen, also von zur Oberfläche hin offenen Fehlern: • optische Verfahren • Farbeindringverfahren • Magnetpulververfahren. Frage 7.4.16: Was ist unter einer Sichtprüfung zu verstehen? A: Das Anschauen von Stahlprodukten, um rechtzeitig im Fertigungsprozess Maßabweichungen zu erkennen. B: Das mikroskopische Betrachten von Querschliffen hinsichtlich Kernrisse. C: Das optische Betrachten eines zu prüfenden Halbzeugs oder Bauteils mit der Maßgabe, Fehler an der Oberfläche zu entdecken. Frage 7.4.17: Nach welchen Varianten unterteilt die DIN EN 13018 (Allgemeine Grundlagen der Sichtprüfung) die Sichtprüfung als zerstörungsfreies Prüfverfahren? A: In eine Sichtprüfung mit bloßem Auge oder mit einem Mikroskop. B: In die direkte Sichtprüfung ohne und mit Hilfsmittel sowie in die direkte und indirekte Sichtprüfung. C: In eine Sichtprüfung ohne oder mit automatisierter Auswertung. Typische Fehler, die mit einer Sichtkontrolle erkannt werden können, sind: mechanische Beschädigungen (Kratzer, Risse, Riefen, Kerben), Schmutzablagerungen, Montagefehler, Gratbildung, auch Farbänderungen (z.  B.  Anlauffarben) und Oberflächenrauheiten. Um insbesondere Oberflächenrisse und Poren sichtbar zu machen, wird die Farbeindringprüfung durchgeführt, oft auch zur Nachkontrolle von Rissanzeigen an automatisierten Durchlauf-Prüfanlagen. Frage 7.4.18: Wie funktioniert eine Farbeindringprüfung? A: Der Kapillareffekt, also das Phänomen, dass in sehr engen Röhren, Spalten, Poren und sonstigen Hohlräumen Flüssigkeiten nach oben steigen, wird genutzt, um Oberflächenrisse und Poren sichtbar zu machen. B: Mit einer speziellen, sehr zähen Farbe wird die Prüfkörperoberfläche eingestrichen und die lokale Haftung ermittelt, die auf Oberflächenrisse hindeutet. C:.Der Prüfkörper wird statisch aufgeladen, in einem Tauchbad mit roter Farbe beschichtet und danach der Glanzgrad der Farbe ermittelt, der von Oberflächenrissen und sonstigen Ungänzen beeinflusst wird. Frage 7.4.19: Wo wird eine Farbeindringprüfung durchgeführt? A: Innerhalb einer automatisiert arbeitenden Wirbelstrom-Durchlaufprüfanlage für Stahlhalbzeug Rund.

7.4  Zerstörungsfreie Prüfungen …

119

B: Anlagentechnisch bedingt nach einer Ultraschallprüfung mit senkrechter Einschallung und vor der folgenden Ultraschallprüfung mit Winkeleinschallung. C: Meist manuell vor Ort direkt an allen Stahlprodukten, deren Oberflächen frei von Zunder und Rost sind. Ein weiteres Verfahren zum Nachweis von Rissen oder Poren an und nahe der Oberfläche von Stahlprodukten ist die magnetische Rissprüfung. Frage 7.4.20: Wie funktioniert ein magnetisches Rissprüfen? A: Der Prüfkörper wird rotierend in einem definierten Magnetfeld aufgeladen und danach dessen Restmagnetismus ermittelt, der an Störungen im Prüfkörper geringer ausfällt. B: Basierend auf dem Prinzip der magnetischen Durchflutung werden durch Einsatz sich im Magnetfeld ausrichtender Prüfmedien (Eisenpulver) quer zur Stromrichtung liegende Risse und oberflächennahe Fehlstellen durch Magnetfeldstörungen angezeigt. C: Im Prüfkörper wird mittels einer Magnetspule ein Magnetfeld erzeugt, dass mit mehreren Prüfsonden hinsichtlich der Magnetfeldstärke untersucht wird. Frage 7.4.21: Wodurch unterscheiden sich die verschiedenen Varianten der Magnetpulverprüfung? A: Anlagentechnisch in der Größe der prüfbaren Stahlprodukte. B: Verfahrens- und anlagentechnisch in der Prüfgeschwindigkeit und Anordnung der Prüfspulen. C: In der Art der Magnetisierung der zu prüfenden Werkstücke mittels Jochmagnetisierung, Stromdurchflutung oder Felddurchflutung. Rauheit, auch Rauigkeit (früher Rauhigkeit) kann je nach Zustand des Produkts nach dem Gießen, dem Umformen, der mechanischen Bearbeitung oder nach einer zusätzlichen Oberflächenveredlung sehr unterschiedlich sein. Sie wird vor allem durch Verfahren wie Polieren, Rollieren, Schleifen, Läppen, Honen, Beizen, Strahlen, Ätzen, Bedampfen und Beschichten sowie durch Korrosion beeinflusst. Technisch gesehen ist deshalb Rauheit ein Begriff zur Charakterisierung einer Oberflächengüte und wird als die vorhandene und messbare Oberflächenunebenheit betrachtet. Frage 7.4.22: Wie kann die Oberflächengüte Rauheit gemessen werden? A: Mittels optischer Prüfung der Reflexionen von schräg auf die Oberfläche einfallenden Lichtstrahlen. B: Durch berührende und berührungslose Aufnahme eines zwei- oder dreidimensionalen Profils von der zu beurteilenden Prüfkörperoberfläche und Auswertung der aufgezeichneten Höhen und Tiefen. C: Durch Anfertigung eines lokal begrenzten Negativabdruckes von der Prüfkörperoberfläche und Vergleich mit einem Sollabdruck.

120

7 Werkstoffprüfung

Mit Tastsystemen wird oft eine kombinierte Rauheits- und Konturenmessung durchgeführt. Aus dem abgetasteten Oberflächenprofil mit dem aufgezeichneten Höhen- und Tiefen werden nach standardisierten Berechnungsverfahren verschiedene Kennwerte berechnet. In der einschlägigen Fachliteratur sind hierzu die Berechnungsgrundlagen zu finden. Frage 7.4.23: Welche drei Kennwerte werden üblicherweise in der Praxis zur Charakterisierung der Rauheit herangezogen? A: Rautiefe, Mittenrauwert und maximale Rautiefe. B: Breite der höchsten Spitzen, Länge der kleinsten Tiefe und Abstand zwischen den einzelnen Tiefen. C: Mittelwert aller Breiten der gemessenen höchsten Spitzen, durchschnittlicher Abstand aller Höhen und Summe der Anzahl aller Tiefen. Die Durchführung der Rauheitsprüfung ist genormt und die technisch erreichbaren Rauheitswerte finden sich in unterschiedlichsten Nachschlagewerken. Frage 7.4.24: Welche Größen und Spannen der Mittenrauheit Ra sind in der Praxis je nach Fertigungsverfahren bzw. Oberflächenzustand erreichbar? A: Geschruppt 50 bis 150 μm, geschlichtet 16 bis 50 μm und fein bzw. feinst geschlichtet 10 bis 20 μm. B: Geschruppt 3,2 bis 25 μm, geschlichtet 1,6 bis 32 μm und fein bzw. feinst geschlichtet 0,2 bis 0,8 μm. C: Geschruppt 25 bis 50 μm, gWeschlichtet 10 bis 25 μm und fein bzw. feinst geschlichtet 5 bis 8 μm. Die Vorstellung wichtiger Mess- und Prüfverfahren in der Stahlindustrie konnte nicht vollständig erfolgen. Es gibt so viele faszinierende Entwicklungen und Anwendungen, dass doch noch einige wenige Beispiele erwähnt werden sollen, wie das berührungslose Messen von Maßen, Eigenspannungs- und Lebensdaueruntersuchungen. Frage 7.4.25: Wie kann man sich ein berührungsloses Messen vorstellen? A: Ohne den Prüfkörper zu berühren, wird dieser mittels Magnetfeldern abgetastet und so die geometrische Abmessung bestimmt. B: Mit Hilfe von Röntgenstrahlen werden die Prüfkörper durchleuchtet und Maßabweichungen im Vergleich zu einem Sollkörper erfasst. C: Mit Inline-Lasermessgeräten werden die Prüfkörper z.  B. zur Dicken- und Durchmesserbestimmung automatisiert gemessen. Bei einer Wärmebehandlung (Härten) von Bauteilen kann unter Umständen ein Verzug eintreten. Ursache hierfür sind die durch vorausgegangene Fertigungsschritte verursachten mechanischen Eigenspannungen. Diese müssen z. B. durch ein Spannungsarmglühen mi-

7.4  Zerstörungsfreie Prüfungen …

121

nimiert werden. Ob dies nun erfolgreich war, kann nur schwer und nicht klassisch überprüft werden, denn Eigenspannungen im Stahlhalbzeug oder in Bauteilen sind innerlich, also von innen herkommend und nicht sichtbar. Frage 7.4.26: Wie kann man Eigenspannungen in Stahlprodukten feststellen und messen? A: Durch ein spezielles Biegeverfahren, wobei die Höhe der Rückfederung als Maß für innere Spannungen ermittelt wird. B: Zerstörend mittels Sägeschnitt-, Bohrloch- oder Ringkernmethode oder zerstörungsfrei mit röntgenografischen Systemen oder durch Untersuchung der Elektronenrückstreubeugung unter Einsatz von Rasterelektronen- oder Transmissionselektronenmikro­ skopen. C: Unter Nutzung spezieller Lichtquellen und Messung der unterschiedlichen Reflexionen an gegenüberliegenden Oberflächen. Bei der dauerhaft dynamischen Beanspruchung von Bauteilen bei bestimmten Temperaturen kann ein Abfall der Festigkeit (Kriechen) möglicherweise zu einem späteren Bauteilversagen führen. Deshalb sind Kurz- und Langzeitversuche zur Ermittlung der Zeitstandfestigkeit (Betriebsfestigkeit), also Lebensdaueruntersuchungen von sicherheitsrelevanter Bedeutung. Fazit Qualität muss produziert werden. Das Ziel ist dabei, Fehler im Vorhinein zu verhindern. Erst, wenn eine fehlerfreie Produktion auch mit größtem Aufwand nicht erzielt werden kann, ist es vorteilhaft und notwendig, die Restfehler durch genaueste Kontrollmechanismen und Prüfungen möglichst früh in der Produktionskette zu erkennen und sofort zu beheben. Prüfungen verhindern nicht das Auftreten von Fehlern, sondern führen mit modernsten Verfahren und Geräten zu einer immer besseren Fehlererkennbarkeit.

8

Stahl in der Zukunft

Stahl hat eine imposante, über dreitausendjährige Geschichte geschrieben und sich als ein besonderer Werkstoff für die Industrie, Architektur, Medizin, Militärtechnik, Haushaltund Freizeitindustrie, für den Umweltschutz, die Energietechnik und auch für die Kunst bewährt. Und wenn Produkte aus einem anderen Werkstoff zur Anwendung kommen (z.  B. aus Kunststoff, Holz, Keramik, Leichtmetall), so sind diese bei Ihrer Erzeugung meist mit Stahlwerkzeugen bearbeitet worden. Viele Beispiele belegen diese Präsenz des Stahls in unserem Leben. Stahl ist der Werkstoff Nummer 1 und dies war zu Beginn der Eisenzeit vor über 3000 Jahren noch nicht absehbar. Frage 8.1: Wird Stahl auch in der Zukunft noch eine so wichtige Rolle spielen? A: Nein, denn nach so einer langen, ereignisreichen Zeit der Stahlerzeugung und -anwendung ist der Werkstoff Stahl hinsichtlich Zusammensetzung und Eigenschaften gut erforscht und nunmehr ausgereizt und dessen Anwendungsmöglichkeiten werden sich zunehmend verringern. B: Der Werkstoff Stahl ist noch nicht ausgereizt, ist heute und in der Zukunft gefragt und im Wettkampf aller Werkstoffe wächst sogar die Nachfrage und die Legierungs- sowie Eigenschaftsvielfalt der Stähle werden zunehmen.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_8

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124

8  Stahl in der Zukunft

C: Stahl als Werkstoff Nummer 1 wird in Zukunft diese Position an neuartige Spezialwerkstoffe für bekannte und neuartige Anwendungen verlieren. Frage 8.2: Welche langfristig orientierten Stahlentwicklungen sichern die Zukunft von Stahl? A: Innovative Legierungskonzepte, wie gewichtsreduzierte Stähle, ultrahochfeste Stähle, hochfeste und gleichzeitig superduktile Stähle, hochtemperaturbeständige, ultrafeinkörnige Stähle, druckwasserstoffbeständige Stähle, auch Stähle mit knochenähnlichen Eigenschaften, Stähle für Offshore-Technologien, glasartige Stähle, superplastische Stähle, Formgedächtnisstähle, sogenannte „oberflächenfunktionalisierte“ Stähle, Multifunktionsstähle, nanointelligente Strukturlegierungen, selbstheilende Stähle, Stähle für das 3D-­Druckverfahren u. v. a. m. B: Kostenreduzierte Stähle, Stähle mit speziellen Druckeigenschaften, hochdichte Stähle, Stähle für Anwendungen in Atomkraftwerken und für Gasdruckspeicher in tiefen Gewässern. C: Konzepte für Stahllegierungen mit zunehmendem Einsatz von Legierungselementen wie Tantal, Titan, Bor, Kupfer und Wasserstoff unter Nutzung einer Stahlerzeugung im Hochofen ohne sekundärmetallurgischer Behandlung. Nachhaltigkeit und somit der Umwelt- bzw. Klimaschutz sind heute unverzichtbare He­ rausforderungen auch für den Werkstoff Stahl (Neugebauer et al., 2013). Und gerade Stahl besitzt hierbei eine herausragende Position mit seinem ewigen Kreislauf: aus Schrott wird Stahl, beliebig oft und vor allem ohne Qualitätsverlust. Frage 8.3: Was ist grüner Stahl? A:  Die Bezeichnung grüner Stahl bezieht sich auf die sehr gute Recyclingfähigkeit des Stahls. B: Grüner Stahl wird metallurgisch mit Wasserstoff statt mit Kohlenstoff hergestellt und erzeugt so keinen CO2-Fußabdruck. C: Als grüner Stahl wird Stahl dann bezeichnet, wenn er mindestens einmal durch Recycling in einem Elektrostahlwerk erzeugt wurde. Die vergangenen Jahrhunderte waren geprägt von einem Wandel in der Werkstoffnutzung. Neue Materialien kamen hinzu, andere verloren an Bedeutung. Diese Entwicklung wird sicher in der Zukunft ähnlich verlaufen und auch für die zahlreichen Stahllegierungen zutreffen. Und der Stahl in der Zukunft ist kein Auslaufwerkstoff, sondern wird nach wie vor eine sehr gewichtige Rolle spielen und sich ständig neue Anwendungen erschließen. Vieles ist über die Welt des Stahles gesagt, alles bei weitem nicht. Stahl bietet noch viel unentdecktes Potenzial und die Zukunft mit Stahl wird sicher noch interessanter werden als es die Gegenwart schon ist.

Teil II  Antworten

1

Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

1.1 Was ist Stahl? Frage 1.1.1: Wonach werden heute die Werkstoffe eingeteilt? Richtig ist Antwort A: Nach deren Zusammensetzung und Eigenschaften. Je nach Anforderungen für einen künftigen Verwendungszweck erfolgt die Auswahl der Werkstoffe nach deren Eigenschaften, z. B. nach: • • • •

dem Zustand des Werkstoffes, den Reaktionen bei der Einwirkung anderer Stoffe, dem Verhalten unter mechanischer Beanspruchung, dem Verhalten bei der Fertigung, z. B. beim Umformen, mechanischen Bearbeiten und Beschichten, • dem Verhalten unter Umwelteinflüssen. Diese Eigenschaften werden durch die Zusammensetzung der Werkstoffe bestimmt, also durch den „stofflichen, chemischen Aufbau“. Davon ausgehend unterscheidet man heute die Hauptgruppen metallische Systeme, Halbleiter und nichtmetallische Systeme, siehe Abb. 1.1. Frage 1.1.2: Welche Eigenschaften sind charakteristisch für Metalle? Richtig ist Antwort B: Sie weisen eine metallische Bindung auf, sind schmelz- und legierbar, vielkristallin, plastisch umformbar, elektrisch und wärmeleitfähig sowie recyclebar. Über 75 % der chemischen Elemente sind Metalle bzw. weisen metallische Eigenschaften auf. Die charakteristischen metallischen Stoffeigenschaften, für verschiedene Metalle unterschiedlich ausgeprägt, sind folgende:

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_9

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128

1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

Werkstoffe

Metallische Systeme

Stahl

Stahlguss

Nichteisenmetalle und -legierungen (Al-, Cu-, Zn-, SnLegierungen u. a.)

Halbleiter

Metallische Sonderwerkstoffe (Reinstmetalle, Nickel-Basis-Leg., Edelmetalle u. a.)

Elemente anorganische und organische Verbindungen

Nichtmetallische Systeme

Naturstoffe (z. B. Holz, Quarz, Zellulose) Keramische Werkstoffe Plaste, Elaste Gläser

Abb. 1.1  Einteilung der Werkstoffe in Hauptgruppen

• • • •

hohe elektrische Leitfähigkeit, mit steigender Temperatur abnehmend, hohe Wärmeleitfähigkeit (Metalle fühlen sich dadurch immer etwas kühl an!), Umformbarkeit (Duktilität), also mehr oder weniger gut plastisch umformbar zu sein, metallischer Glanz.

Nach der Dichte werden die Metalle unterschieden in Schwer- und Leichtmetalle, und nach deren chemischen Reaktionen in Edelmetalle und unedle Metalle. Frage 1.1.3: Was ist eine metallische Bindung? Richtig ist Antwort C: Die Bindung von Metallionen mit frei beweglichen Elektronen in einem Metallgitter. Diese spezielle Anordnung der Elementarteilchen der Metalle und Legierungen ist dadurch gekennzeichnet, dass frei bewegliche Elektronen im Metallgitter vorliegen. Diese stammen von den in dichtester Kugelpackung vorliegenden Metallkationen. Diese Metallkationen (positiv geladene Atomrümpfe) bilden die verschiedensten, meist kubischen Gittertypen der Metalle (Latscha & Klein, 2013). Frage 1.1.4: Was ist Stahl? Richtig ist Antwort A: Ein schmiedbares Eisen mit weniger als 2,06 Masse-% Kohlenstoff. Bei Gehalten an Kohlenstoff über 2,06 Masse-% spricht man von Gusseisen. Stahl ist also eine Eisen-Kohlenstoff-Verbindung, legiert mit anderen metallischen und nichtmetallischen Legierungselementen (Berns & Helmreich, 1980). • Dichte von Stahl: ca. 7,85 bis 7,87 g/cm3 • Schmelzpunkt (Eisen/Stahl): je nach Legierungszusammensetzung von bis zu 1536 °C

1.1  Was ist Stahl?

129

Frage 1.1.5: Welches ist das Basiselement im Stahl? Richtig ist Antwort B: Eisen Stahl besteht überwiegend aus Eisen, daher auch der frühere Name „Schmiedeeisen“ oder der Begriff „Roheisen“. Und Eisen bestimmt somit auch die Gitterstruktur und in Verbindung mit den verschiedensten Legierungselementen die unterschiedlichsten Stahleigenschaften. Frage 1.1.6: Was bedeutet ein kristalliner Zustand? Richtig ist Antwort B: Ein stabiler Gefügezustand mit einer regelmäßigen Anordnung der Atome in Kristallgittern. In einem kristallinen Gefügezustand liegt eine regelmäßige, strukturierte Anordnung der Bausteine (Atome) vor und es ist ein stabiler Zustand. Anders sieht es bei amorphen Festkörpern aus, z. B. bei Glas. Hier befinden sich die Atome in einer völlig regellosen Anordnung. Bei der Erstarrung mit einem Phasenübergang (definierter Schmelzpunkt) entstehen im festen Zustand Polykristalle (Vielkristalle), die sich wiederum aus Atomen in unterschiedlichen räumlichen Anordnungen (Gitter) zusammensetzen. Diese Vielkristalle nennt man auch Körner und deren Verband Gefüge. Im Gegensatz dazu müssen Einkristalle mit  einem durchgehend einheitlichen, homogenen Kristallgitter „gezüchtet“ werden (z. B. Silizium-­Einkristalle) oder sind in der Natur schon so entstanden, wie z. B. die fast perfekten monokristallinen Diamanten. Frage 1.1.7: Was wird als Ferrit bezeichnet? Richtig ist Antwort C: Ein kubisch-raumzentriertes Würfelgitter, auch α-Eisen bzw. α-Mischkristall genannt. Bei diesem Gittertyp sitzen je ein Eisenatom an den acht Würfelecken und ein neuntes Eisenatom genau in der Würfelraummitte. In einem derartigen α-Eisen, das bei Temperaturen bis 911 °C existiert, können sich maximal 0,018 Masse-% Kohlenstoff lösen. Dieser nun aus Eisen- und Kohlenstoffatomen, also aus verschiedenen Atomen bestehende Kristall wird Mischkristall genannt. Da das Eisen in diesem Fall als kubisch-raumzentriertes Gitter vorliegt (α-Eisen), erhält dieser Mischkristall die Bezeichnung α-Mischkristall und wird auch als Ferrit bezeichnet (lat. „Ferrum“, das „Eisen“) (Abb. 1.2). Abb. 1.2  Das kubisch-­ raumzentrierte Würfelgitter (krz)

Kubisch-raumzentriertes Würfelgitter (krz) α-Eisen

Eisenatom

130 Abb. 1.3  Das kubisch-­ flächenzentrierte Würfelgitter (kfz)

1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen Kubisch-flächenzentriertes Würfelgitter (kfz) γ-Eisen

Eisenatom

Frage 1.1.8: Was wird als Austenit bezeichnet? Richtig ist Antwort B: Ein kubisch-flächenzentriertes Würfelgitter, auch γ-Eisen bzw. γ-Mischkristall genannt. Wiederum sitzen an den acht Ecken des Würfelgitters Eisenatome. Die Würfelraummitte bleibt jedoch frei. Weitere Eisenatome sind jeweils in der Mitte der sechs Würfelflächen angeordnet. In diesem γ-Eisen, das nur im Temperaturbereich von 911 bis 1398 °C auftritt, lösen sich max. 2,1 Masse-% Kohlenstoff. Dieser γ-Mischkristall wird Austenit genannt (Abb. 1.3). Vorschlag für eine „Eselsbrücke“ Um sich leichter zu merken, dass Ferrit (α-Eisen) aus einem kubisch-raumzentrierten Würfelgitter besteht, kann man das „r“ heranziehen: Ferrit hat (zwei) r und raumzentriert hat (drei) r, während Austenit kein „r“ aufweist.

1.2  Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD) Frage 1.2.1: Welche Randbedingungen sind beim Gebrauch des Eisen-KohlenstoffDiagramms zu berücksichtigen? Richtig ist Antwort B: Dieses Diagramm gilt für das reine Zweistoffsystem Eisen-­ Kohlenstoff im Bereich bis max. 6,67 Masse-% Kohlenstoff. Für den technischen Gebrauch wird das reine Zweistoffsystem Eisen-Kohlenstoff nur im Bereich bis max. 6,67 Masse-% Kohlenstoff (Zementit – Fe3C) und bei Normaldruck betrachtet. Dabei wird von einer sehr langsamen Abkühlung mit vollständig ablaufenden Umwandlungsvorgängen ausgegangen. Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm liefert somit nur Aussagen über Gleichgewichtsverhältnisse. Frage 1.2.2: Was beschreibt das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm? Richtig ist Antwort C: Die Änderung der Phasenzusammensetzung im Stahl in Abhängigkeit vom Kohlenstoffgehalt und von der Temperatur.

1.2  Das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD)

131

Eisen-Kohlenstoff-Diagramm A Schmelze (flüssiges Eisen mit gelöstem Kohlenstoff)

D Schmelze + Austenitkristalle

1200

E

Austenit

1100 1000 911

900

+ Ferrit

800 Ferrit

1147 °C

Austenit + Zementit + Ledeburit

G Austenit

768

P

700

Ferrit + Perlit

600

Q

0

Austenit + Zementit

S

0,8

Stahl

Ledeburit + Zementit

Perlit + Zementit + Ledeburit

2 2,06

F

K

723 °C

Perlit + Zementit

1

Schmelze Schmelze ++ Zementit Zementit

C

Zementit Fe3C

1300

Perlit

Temperatur in °C

1400

Ledeburit

1536

1500

3

Ledeburit + Zementit

4

5

Kohlenstoffgehalt in %

6

6,67

Gusseisen

Abb. 1.4  Vereinfachte Darstellung des Eisen-Kohlenstoff-Diagramms

Mit dem bekannten Eisen-Kohlenstoff-Diagramm (EKD), wie in Abb. 1.4 dargestellt, wird die Phasenzusammensetzung von Stahl in Abhängigkeit vom Kohlenstoff-Gehalt beschrieben. Unten auf der Abszissenachse sind die Masse-Prozente des Kohlenstoffgehaltes aufgetragen, auf der Ordinatenachse nach oben die Temperatur in °C. Frage 1.2.3: Was bedeutet der Temperaturpunkt 768 °C? Richtig ist Antwort C: Diese Temperatur kennzeichnet den magnetischen Umwandlungspunkt für Eisen. Diese Temperatur ist die materialspezifische Curie-Temperatur TC, benannt nach dem französischen Physiker Pierre Curie (1859–1906). Bis zu dieser Temperatur ist Eisen ferromagnetisch, oberhalb dieser Temperatur paramagnetisch (unmagnetisch). Frage 1.2.4: Was bedeutet die Liquiduslinie ACD? Richtig ist Antwort A: Oberhalb dieser Linie liegt die flüssige Schmelze vor. Wird die Liquiduslinie (von lat. liquidus – das Flüssige) bei der Erwärmung überschritten, liegt die Eisen-Kohlenstoff-Legierung vollständig verflüssigt vor. Bei einer Abkühlung beginnt unterhalb dieser Linie die Erstarrung (Primärkristallisation) der Schmelze.

132

1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

Frage 1.2.5: Was bedeutet die Soliduslinie AECF? Richtig ist Antwort B: Unterhalb dieses Linienzuges ist die Legierung vollständig erstarrt. Die Soliduslinie (von lat. solidus – das Feste) trennt den Bereich von nur festen Phasen (unterhalb dieser Linie) vom Bereich fester und flüssiger Phasen (oberhalb dieser Linie). Dies bedeutet, dass bei langsamer Erwärmung beim Überschreiten dieser Linie die Legierung zu schmelzen beginnt. Frage 1.2.6: Was bedeutet die Linie PSK? Richtig ist Antwort A: Unterhalb dieser Linie sind die Austenit-Mischkristalle vollständig zerfallen. Die Linie PSK, auch Eutektoide genannt, kennzeichnet die konstante Temperatur von 723 °C, unterhalb dieser die Austenit-Mischkristalle vollständig zerfallen sind. Frage 1.2.7: Was wird als Zementit bezeichnet? Richtig ist Antwort B: Eine Gefügephase aus Eisen und Kohlenstoff mit 6,67 Masse-% Kohlenstoff. Zementit ist die Fe3C-Verbindung, die chemisch als Gefügephase 6,67 Masse-% Kohlenstoff aufweist und in drei unterschiedlichen Formen bei gleicher Zusammensetzung auftreten kann: • Primärzementit: primäre Kristallisation aus der Schmelze, Linie CD • Sekundärzementit: Ausscheidung aus dem Austenit, Linie ES • Tertiärzementit: Ausscheidung aus dem Ferrit, Linie PQ Frage 1.2.8: Was bedeuten die Namen Perlit und Ledeburit? Richtig ist Antwort C: Es sind besondere Phasengemische, die nur bei langsamer Abkühlung entstehen. Perlit und Ledeburit entstehen im Gefüge bei bestimmten Kohlenstoffgehalten nur bei langsamer Abkühlung. Erfolgt eine rasche Abkühlung, z. B. durch Abschrecken in Wasser, wird aus dem Austenit ein hartes und sprödes Gefüge, Martensit genannt. Frage 1.2.9: Wofür kann das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm als wichtigste Grundlage genutzt werden? Richtig ist Antwort B: Für die Wärmebehandlung von Stahl. Aus dem Eisen-Kohlenstoff-Diagramm ist der zu erwartende Zustand eines unlegierten Stahls mit einem bestimmten Kohlenstoffgehalt bei einer konkreten Temperatur ­bestimmbar. Auch die bei Temperaturänderungen ablaufenden Gefügeänderungen können vorhergesagt werden (Klemm, 1973). Deshalb bildet das Eisen-Kohlenstoff-Diagramm auch die wichtigste Grundlage für die Wärmebehandlung von Stahl.

1.3  Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle

133

1.3  Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle Frage 1.3.1: Was sind Stahlkurznamen? Richtig ist Antwort C: Die Stahlkennzeichnung mit Buchstaben für chemische Symbole und Zahlen für Gehalte der Legierungselemente. Stahlkurznamen bestehen aus Haupt- und Zusatzsymbolen, die jeweils Buchstaben (z. B. chemische Symbole) oder Zahlen (für Gehalte der Legierungselemente) sein können. Diese Angaben unterscheiden sich bei unlegierten, niedrig- und hochlegierten Stählen sowie bei Schnellarbeitsstählen (Langehenke, 2007). Frage 1.3.2: Welche Angabe passt als Beispiel zu einem unlegierten Stahl? Richtig ist Antwort B: C15 Unlegierte Stähle werden mit dem Buchstaben C für Kohlenstoff gekennzeichnet, gefolgt vom Kohlenstoffgehalt. Die hierbei angegebene Zahl für den Kohlenstoffgehalt ist immer mit 100 multipliziert. D. h., um den realen Gehalt zu erkennen, muss diese Zahl durch 100 geteilt werden. Beispiel: C15 – ein unlegierter Stahl mit 15/100 = 0,15 Masse-% Kohlenstoff Frage 1.3.3: Welche Angabe passt als Beispiel zu einem niedriglegierten Stahl? Richtig ist Antwort D: 28Mn6 Bei niedriglegierten Stählen wird an erster Stelle der Kohlenstoffgehalt, ebenfalls multipliziert mit dem Faktor 100 angegeben. Und dies im Gegensatz zu den unlegierten Stählen immer ohne den Buchstaben C. Darauf folgen die chemischen Kurzzeichen für die Legierungselemente und die zugehörigen Massegehalte dieser Legierungselemente. Zu beachten ist dabei, dass diese Massegehalte stets mit unterschiedlichen Faktoren multipliziert wurden. Diese Multiplikatoren für die einzelnen Legierungselemente sind folgende: • Faktor 4: Chrom (Cr), Kobalt (Co), Mangan (Mn), Nickel (Ni), Silizium (Si), Wolfram (W) • Faktor 10: Aluminium (Al), Beryllium (Be), Kupfer (Cu), Molybdän (Mo), Niob (Nb), Blei (Pb), Tantal (Ta), Titan (Ti), Vanadium (V), Zirkonium (Zr) • Faktor 100: Cer (Ce), Stickstoff (N), Phosphor (P), Schwefel (S), Kohlenstoff (C) • Faktor 1000: Bor (B) Also müssen wiederum zum Erkennen der realen Legierungsgehalte die angegebenen Zahlen im Stahlkurznamen durch die zugehörigen Multiplikatoren geteilt werden. Beispiel: 28Mn6  – ein legierter Stahl mit 28/100  =  0,28 Masse-% Kohlenstoff und 6/4 = 1,5 Masse-% Mangan

134

1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

Frage 1.3.4: Welche Angabe passt als Beispiel zu einem legierten und hochlegierten Stahl? Richtig ist Antwort A: X5CrNi18-10 Legierte und hochlegierte Stähle werden mit einem X am Anfang des Kurznamens gekennzeichnet, sofern der mittlere Gehalt mindestens eines Legierungselementes ≥ 5 Masse-% ist (DIN EN 10027-1:2017-01). Danach folgen der Kohlenstoffgehalt, wieder grundsätzlich multipliziert mit dem Faktor 100, und die weiteren Legierungselemente mit ihren chemischen Kurzzeichen. Dabei erfolgt die Angabe der Legierungselemente in der Reihenfolge beginnend mit dem höchsten Gehalt. Daran schließen sich die jeweils zu den Legierungselementen zugehörigen Masseanteile an. Diese werden jedoch nicht mit einem Faktor multipliziert (typisch für hochlegierte Stähle!). Beispiel: X5CrNi18-10 – ein hochlegierter Stahl mit 0,05 Masse-% Kohlenstoff, ca. 18 Masse-% Chrom und 10 Masse-% Nickel. Frage 1.3.5: Welche Angabe passt als Beispiel zu einem Schnellarbeitsstahl? Richtig ist Antwort C: HS6-5-2 Für Schnellarbeitsstähle gilt ein besonderes Bezeichnungssystem. An erster Stelle steht die Kennzeichnung HS, gefolgt von den Masseanteilen der Legierungselemente in der festgeschriebenen Reihenfolge Wolfram – Molybdän – Vanadium – Kobalt. Die Masseanteile der einzelnen Legierungselemente werden hierbei in ganzen, gerundeten Zahlen angegeben. Beispiel: HS6-5-2 – ein Schnellarbeitsstahl mit 6 Masse-% Wolfram, 5 Masse-% Molyb­ dän und 2 Masse-% Vanadium Frage 1.3.6: Wie ist das Werkstoffnummernsystem aufgebaut? Richtig ist Antwort B: Aus einer Werkstoff-Hauptgruppennummer, zwei Stahlgruppennummern und zwei Zählnummern. Das Werkstoffnummernsystem setzt sich zusammen aus der Werkstoff-­Hauptgrup­pen­ nummer (erste Zahl mit Punkt), den Stahlgruppennummern (auch Sortenklasse genannt: zweite und dritte Zahl) sowie den Zählnummern (vierte und fünfte Zahl). Zusätzlich können mit zwei Anhängezahlen XX das Stahlgewinnungsverfahren und der Behandlungszustand charakterisiert werden. Die Abb. 1.5 zeigt dieses Nummernsystem am Beispiel des Einsatzstahles 1.5920 (18CrNi8). Die Anhängezahlen XX im Werkstoffnummernsystem geben Hinweise auf das Stahlgewinnungsverfahren und die Behandlungsart: Stelle 6: Stahlgewinnungsverfahren 0 – unbestimmt oder ohne Bedeutung 1 – unberuhigter Thomasstahl 2 – beruhigter Thomasstahl 3 – sonstige Erschmelzungsart, unberuhigt

1.3  Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle

135

1.5920.XX Hauptgruppe 0 1

Roheisen Ferrolegierungen Gusseisen Stahl, Stahlguss

2

Schwermetalle

3

Leichtmetalle

4 bis 8 nichtmetallische Werkstoffe

Stahlgruppe

Zählnummern

Beispiele für 1 - Stahl: 01.. – 09.. 15.. – 29.. 32.. – 33.. 35.. 40.. – 45.. 47.. – 48.. 50.. – 85..

Qualitätsstähle Werkzeugstähle Schnellarbeitsstähle Wälzlagerstähle nichtrostende Stähle hitzebeständige Stähle Edelbaustähle

Abb. 1.5  Werkstoffnummernsystem am Beispiel des Einsatzstahles 1.5920 – 18CrNi8

4 – sonstige Erschmelzungsart, beruhigt 5 – unberuhigter Siemens-Martin-Stahl 6 – beruhigter Siemens-Martin-Stahl 7 – unberuhigter Sauerstoffaufblas-Stahl 8 – beruhigter Sauerstoffaufblas-Stahl 9 – Elektrostahl Stelle 7: Behandlungsart 0 – keine oder beliebige Behandlung 1 – normalgeglüht 2 – weichgeglüht 3 – wärmebehandelt auf gute Zerspanbarkeit 4 – zähvergütet 5 – vergütet 6 – hartvergütet 7 – kaltverfestigt 8 – federhart kaltverfestigt 9 – behandelt nach besonderen Angaben Ausführlich wird das Bezeichnungssystem für Stahl zum Beispiel im Stahlschlüssel-­ Taschenbuch (Wegst & Wegst, 2019) beschrieben. Frage 1.3.7: Zu welcher Hauptgruppennummer gehört Stahl? Richtig ist Antwort B: 1 (Eins) Die Klassifizierung der Hauptgruppe ist auch der Abb. 1.5 zu entnehmen.

136

1  Der Werkstoff Stahl – Grundlagen

Frage 1.3.8: Welche Stahlbezeichnungen sind Beispiele für Markennamen und historische Namen? Richtig ist Antwort C: Nirosta, Cromargan, V2A Frage 1.3.9: Nach welchen Kriterien erfolgt die Einteilung der Stähle? Richtig ist Antwort B: Nach Hauptgüteklassen, der chemischen Zusammensetzung, dem Gefüge, den Eigenschaften und den Anwendungen. Frage 1.3.10: Welches sind die Hauptgüteklassen für Stähle? Richtig ist Antwort C: Grundstähle, Qualitätsstähle, Edelstähle Frage 1.3.11: Wie erfolgt die Einteilung der Stähle nach der chemischen Zusammensetzung? Richtig ist Antwort A: Unlegierte, legierte und hochlegierte Stähle Mit Blick auf die chemische Zusammensetzung werden Stähle gemäß DIN EN 10020 in unlegierte, legierte und hochlegierte Stähle unterteilt. Hierbei sind die legierten und hochlegierten Stähle in der Reihenfolge zunehmender Legierungsbestandteile wie folgt zu unterscheiden: • mikrolegierte Stähle: Stähle mit nur 0,01 bis 0,1 Masse-% an Aluminium, Niob, Vanadium und/oder Titan, • niedriglegierte Stähle: Es sind Stähle, bei denen die Legierungselemente in Summe einen mittleren Gehalt von 5 Masse-% nicht überschreiten. • legierte Stähle und hochlegierte Stähle: Diese Stähle weisen mindestens ein Legierungselement mit einem mittleren Gehalt von über 5 Masse-% auf. Frage 1.3.12: Welche Stähle werden nach dem Gefüge unterschieden? Richtig ist Antwort C: Ferritische, austenitische, austenitisch-ferritische sowie martensitische Stähle Frage 1.3.13: Welche Beispiele für Stahlbezeichnungen richten sich nach den Eigenschaften und Anwendungen? Richtig ist Antwort C: Betonstahl, Federstahl, Ventilstahl, Wälzlagerstahl, Warmarbeitsstahl Weitere Beispiele hierfür sind: • • • • • •

normalfeste, hoch und höchstfeste Baustähle kaltzähe Stähle verschleißbeständige Stähle, z. B. Manganhartstahl Einsatz- und Vergütungsstähle warmfeste und hochwarmfeste Stähle Stähle für tiefe Temperaturen

1.3  Bezeichnungssystem und Einteilung der Stähle

• • • •

137

Rost- und säure-, hitze- und zunderbeständige Stähle Stähle mit besonderen elektrischen und magnetischen Eigenschaften Werkzeugstähle: Kaltarbeitsstähle, Schnellarbeitsstähle Stähle für Schrauben und Muttern

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2

Stahleigenschaften und Legierungselemente

2.1

Eigenschaften von Stahl

Frage 2.1.1: Wie werden die Stahleigenschaften unterteilt? Richtig ist Antwort B: In physikalische, mechanisch-technische, fertigungstechnische, chemisch-technische und Umwelteigenschaften. Frage 2.1.2: Durch die Messung physikalischer Größen am Stahl sind welche Eigenschaften bzw. Kennwerte bestimmbar? Richtig ist Antwort C: Dichte, Schmelztemperatur, Wärmeausdehnung, Wärmeleitfähigkeit, elektrische Leitfähigkeit Frage 2.1.3: Welcher Wert gilt üblicherweise für die Dichte von unlegiertem Stahl? Richtig ist Antwort A: 7,85 g/cm3 Die Dichte ist gekennzeichnet als die Masse eines Werkstoffes pro Volumeneinheit:

(

ρ = m / V g/cm 3

)

Für einen unlegierten Stahl gilt als Richtwert: ρ = 7,85 g/cm3 (Eisen ρ = 7,874 g/cm3) Vergleich: • Leitmetalle: Aluminium ρ = 2,70 g/cm3 und Magnesium ρ = 1,74 g/cm3 • Schwermetalle: Blei ρ = 11,34 g/cm3 und Wolfram ρ = 19,25 g/cm3 Frage 2.1.4: Wie hoch ist die Schmelztemperatur von reinem Eisen? Richtig ist Antwort B: 1536 °C Vergleich: Schmelzpunkte von Gold: 1064 °C, Aluminium: 660 °C und Wolfram: 3422 °C © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_10

139

140

2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Die Schmelztemperatur, bei der ein Werkstoff schmilzt, hängt vom Werkstoff selbst (Zusammensetzung) und geringfügig auch vom Druck ab. Davon ausgehend werden Schmelztemperatur und Druck als Schmelzpunkt bezeichnet. Dies spiegelt sich zum Beispiel für eine Eisen-Kohlenstoff-Legierung im Eisen-Kohlenstoff-Diagramm wieder als Liquiduslinie (Schmelzkurve), siehe Abb. 1.4. Bei Stahl ist zu beachten, dass die Schmelztemperatur durch Kohlenstoff und Legierungselemente erniedrigt wird. Zur Orientierung können für unlegierte und legierte Stähle folgende Schmelzpunkte bei Normaldruck angesetzt werden: • Unlegierter Kohlenstoffstahl: 1425 bis 1540 °C • Legierter Stahl, Edelstahl: 1415 bis 1510 °C Frage 2.1.5: Wie hoch ist der Wert des Längenausdehnungs-Koeffizienten bei 20 bis 100 °C für einen unlegierten Baustahl einzuschätzen? Richtig ist Antwort C: α = 12,0 [10−6K−1] Der Kennwert für die Wärmeausdehnung ist der Wärmeausdehnungskoeffizient, der sich auf die Länge, Fläche oder das Volumen beziehen kann. In der Stahlpraxis wird vorwiegend mit dem Längenausdehnungskoeffizient α (Längenänderung LT eines 1 m langen Stabes bei 1 °K Temperaturänderung) gerechnet:

L T  L o  1   T  in 10 6 K 1 

Für erste Abschätzungen kann für Baustahl α ~ 12,0 [10−6K−1] angenommen werden. Vergleich: • • • •

Edelstahl α ~ 16,5 [10−6K−1] Beton α ~ 12 [10−6K−1] Holz α ~ 8 [10−6K−1] Porzellan α ~ 3 [10−6K−1]

Das Ausdehnungsverhalten von Stahl bedeutet zum Beispiel, dass eine 100 m lange Stahlkonstruktion bei einer Wärmedifferenz von 100 °C sich um ca. 120 mm in der Länge verändert. Das muss dann schon bei Stahlbauten wie Brücken berücksichtigt werden. Deshalb kennen wir auch auf Autobahnen die eingebauten Dehnungsfugen an den Übergängen von der Betonfahrbahn zur Stahlbrücke. Die Abb.  2.1 zeigt eine Übersicht zu Wärmeausdehnungskoeffizienten ausgewählter Stähle. Frage 2.1.6: Wie hoch schätzen Sie die bessere Wärmeleitfähigkeit von Stahl im Vergleich zu Holz ein? Richtig ist Antwort C: 100 bis 500 mal besser.

2.1 Eigenschaften von Stahl

141

Längenausdehnungs-Koeffizienten α [10-6K-1] für Stähle und Nickel-Basislegierungen (Sonderwerkstoffe) Stahl S235JR

Werkstoff-Nr. 20…100 °C 20…200 °C 20…300 °C 20…400 °C 20…500 °C 20…600 °C 20…700 °C 20…800 °C 20…900 °C unlegierter Baustahl 1.0037 11,1 12,1 12,9 Einsatzstähle

17CrNi6-6 18CrNi8 16MnCr5

1.5918 1.5920 1.7131

11,5 11,5 11,5

12,5 12,5 12,5

31CrMoV9 34CrAlNi7

1.8519 1.8550

11,5 11,1

C35E C45E 30CrNiMo8 42CrMo4 51Crv4

1.1181 1.1191 1.6580 1.7225 1.8159

11,5 11,1 11,5 11,1 11,5

X6Cr17 X5CrNi18-10 X10CrNi18-8 X2CrNiMo17-12-2 X6CrNiMoTi17-12-2

1.4016 1.4301 1.4310 1.4404 1.4571

10,0 16,0 16,4 16,5 16,5

X15CrNiSi20-12 X8CrNi25-21 13CrMo4-5

14828 1.4845 1.7335

11,1

13,3 13,9 13,3 13,9 13,5 13,9 Nitrierstähle 12,5 13,3 13,9 12,1 12,9 13,5 Vergütungsstähle 12,5 13,3 13,9 12,1 12,9 13,5 12,5 13,3 13,9 12,1 12,9 13,5 12,5 13,3 13,9 Edelstähle 10,0 10,5 11,0 17,0 17,0 18,0 18,0 16,9 17,4 17,8 18,2 17,5 17,5 18,5 18,5 17,5 18,5 18,5 19,0 warmfeste und hitzebeständige Stähle 16,5 17,5 15,5 17,0 12,1 12,9 13,5 13,9

X135CrMoV12 60WCrV8 45NiCrMo16 90MnCrV8

1.2379 1.2550 1.2767 1.2842

10,5 11,8 11,3 12,2

11,5 12,7 11,9 13,2

X35CrMoV5-1 X40CrMoV5-1 X38CrMoV5-3 X45MoCrV5-3-1

1.2340 1.2344 1.2367 1.2999

11,8 10,9 11,9 11,3

12,4 11,9 12,5 11,9

X40Cr1 21MnCr5 40CrMnNiMo8-6-4 15NiCuAl12-10-10

1.2083 1.2162 1.2738 1.2796

11,1 12,2 11,1 12,6

11,6 12,9 12,9 13,0

NiCu30Fe NiCr15Fe NiMo16Cr15W NiCr20TiAl

2.4360 2.4816 2.4819 2.4952

13,8 13,7 12,4 12,7

14,5 14,1 12,8 13,3

18,0 17,5 14,1

18,5 18,5

Kaltarbeitsstähle 11,9 12,2 13,1 13,5 12,5 12,0 13,8 14,3 Warmarbeitsstähle 12,6 12,7 12,3 12,7 12,6 12,8 12,2 12,6 Kunststoffformenstähle 12,0 12,4 13,5 13,9 13,4 13,8 13,5 13,9 Nickel-Basislegierungen 15,2 14,9 14,4 14,8 13,1 13,4 13,7 14,1

14,0 12,4 14,7

14,3

14,5

15,0

15,3

12,8 13,0 13,1 13,0

12,9 13,3 13,3 13,3

12,9 13,5 13,5 13,5

12,6 14,2 14,2 14,2

14,5 14,6

14,8 14,9

15,6 15,1 13,4 14,4

16,0 15,4 13,5 15,0

16,4 15,8 14,0 15,5

16,8 16,1 14,6 16,2

17,3 16,4 15,1 17,1

Abb. 2.1  Wärmeausdehnungskoeffizienten ausgewählter Stähle. (Quelle: (Schweizer, 2021))

Der Kennwert der spezifischen Wärmeleitfähigkeit λW [Wm−1K−1] bezieht sich auf die pro Zeiteinheit transportierte Wärmemenge durch den Querschnitt eines Werkstoffes in Abhängigkeit vom Temperaturgradienten. Je nach Gefügeaufbau und Zusammensetzung gibt es „gute“ und „schlechte“ Leiter. Alle Metalle sind gute Leiter, denn sie weisen die schon erwähnte metallische Bindung auf. Die Atomkationen sind regelmäßig in einem Kristallgitter angeordnet. Dazwischen schwirren frei die Elektronen. So funktioniert auch ein Wärmeenergietransport recht gut. Dagegen kann in einem unregelmäßig aufgebauten und oft dazu noch porösen Werkstoff Wärme nur sehr schlecht weiter transportiert werden. Dies ist bei Holz und Dämmstoffen (z. B. Schaumstoff, Styropor) der Fall. Eine hohe Wärmeleitfähigkeit muss beispielsweise der Lötkolben besitzen. Er besteht deshalb aus Kupfer. Nachfolgend zum Vergleich einige Angaben zur Wärmeleitfähigkeit ausgewählter Werkstoffe:

142

2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Wärmeleitfähigkeit λW [Wm−1K−1]: • • • • • • • •

Eisen: 80,2 Stahl allgemein: 43 bis 50 Nichtrostender, legierter Stahl: 15 Kupfer: 240 bis 385 Holz: 0,09 bis 0,19 Beton: 2,1 Glas: 0,76 Mineralwolle: 0,032 bis 0,050

Frage 2.1.7: Wovon hängt die elektrische Leitfähigkeit ab? Richtig ist Antwort B: Von der Verfügbarkeit und Anzahl (Dichte) beweglicher Ladungsträger (Elektronen). Jeder Werkstoff besitzt eine bestimmte Leitfähigkeit sowohl für Strom als auch für Wärme. Dabei ist die Leitfähigkeit für Strom der Transport von Elektronen als „bewegliche Ladungsträger“ im Werkstoff, ohne dass sich dabei dieser Werkstoff verändert. Und vom Vorhandensein und von der Dichte dieser Ladungsträger wird die elektrische Leitfähigkeit bestimmt (Frohne, 2013). Man unterscheidet folgende Typen von elektrischen Leitern: • Supraleiter: Viele Metalle und Legierungen weisen unterhalb deren materialspezifischen Sprungtemperaturen einen elektrischen Widerstand von nahe Null auf. Dadurch wird die Leitfähigkeit unendlich groß. Bei metallischen Legierungen kann diese kritische Temperatur bis zu 40 K betragen (Finkelnburg, 1956). • Leiter: Typische Leiter sind alle Metalle, wobei reine Metalle den Strom besser leiten als Legierungen. Unterschiedliche Gitterstrukturen, Kaltverformungen und Gefügeänderungen bei Erwärmungen beinträchtigen die Leitfähigkeit (Rau, 2004). • Halbleiter: Beispiele hierfür sind Silizium und Germanium. Deren Leitfähigkeit, abhängig vom Reinheitsgrad, Temperatur und Druck, liegt zwischen der von Leitern und Nichtleitern. • Nichtleiter: Es betrifft die meisten Nichtmetalle, Kohlenwasserstoffe und organische Verbindungen. Diese elektrischen „Isolierstoffe“ verhindern fast vollständig einen Stromfluss (Reth et al., 2013). Zur Charakterisierung der Stromleitung in einem Werkstoff wird der spezifische elektrische Widerstand ρel in Ωm herangezogen. Er ist eine temperaturabhängige Materialkon­ stante und ist definiert als der Ohmsche Widerstand R eines Leiters von 1 m Länge und 1 Quadratmillimeter Querschnitt bei 20 °C. Ein kleiner spezifischer elektrischer Widerstand bedeutet, dass der Werkstoff einen guten Stromdurchfluss ermöglicht. Der Kehrwert dieses spezifischen Widerstandes ist die elektrische Leitfähigkeit mit dem Formelzeichen σ (sigma), gemessen in Siemens pro Meter (S/m).

2.1 Eigenschaften von Stahl

143

Beispiele: • Kupfer σ = 5,8 ⋅ 107 S/m und ρel = 0,0175 ⋅ 10−6 Ωm • Eisen σ = 1,0 ⋅ 107 S/m und ρel = 0,1000 ⋅ 10−6 Ωm • Edelstahl σ = 0,14 ⋅ 107 S/m und ρel = 1,0000 ⋅ 10−6 Ωm Frage 2.1.8: Wovon hängt es ab, ob ein Stahl magnetisch ist oder nicht? Richtig ist Antwort C: Vom Gefügeaufbau (Gitterstruktur) und somit von der Legierungszusammensetzung des Stahls. Das Basiselement Eisen im Stahl ist bis zur Curie-Temperatur 768 °C (magnetischer Umwandlungspunkt) magnetisch und oberhalb 768 °C unmagnetisch. Diese magnetischen Eigenschaften des Eisens können sich im Stahl auswirken. Das hängt jedoch entscheidend mit der vorhandenen Gitterstruktur zusammen, die wiederum von den Legierungselementen bestimmt wird. So sind eine ferritische (kubisch-raumzentrierte) und eine martensitische Struktur (Härtegefüge) magnetisch. Die austenitischen Stähle mit einer kubisch-flächenzentrierten Gitterstruktur sind in der Regel nicht bzw. nur äußerst schwach magnetisch. Stähle können auch mehrere Gefügestrukturen aufweisen, wie z. B. die ferritisch-austenitischen Duplex-Stähle oder martensitische Stähle mit Restaustenit. Auch dadurch werden die magnetischen Eigenschaften beeinflusst. Deshalb ist auch die Verarbeitung (Umformung, Wärmebehandlung) wichtig für die Einstellung gewünschter magnetischer Eigenschaften. Diese werden in der Praxis hauptsächlich mit dem Ferromagnetismus in Verbindung gebracht. Ob ein Stahl magnetisch (im Sinne von ferromagnetisch) ist, lässt sich leicht mit einem Dauermagneten prüfen. Er bleibt haften und man spürt eine Anziehungskraft. Beim unmagnetischen, austenitischen Edelstahlbesteck im Haushalt bleibt ein Ma­ g­net nicht haften. Unterscheiden muss man neben der Eigenschaft „magnetisch zu sein“ den Zustand „magnetisiert“. So kann beispielsweise bei Werkzeugen wie Schraubendrehern eine Aufmagnetisierung gewollt sein, um das Eindrehen kleiner Eisenschrauben zu erleichtern. So wird dieser Schraubendreher selbst zu einem Dauermagneten. Zur Bewertung der magnetischen Eigenschaften gibt es eine Vielzahl von Kenngrößen, ermittelt durch das Messen von Magnetisierungs- und Entmagnetisierungskurven (bekannt als Hysteresekurven), wie z. B. Remanenz, Koerzitivfeldstärke, Permeabilität, ma­ gnetische Flussdichte und Feldstärke. Frage 2.1.9: Welches sind die drei wichtigsten mechanisch-technischen Eigenschaften von Stählen? Richtig ist Antwort A: Härte, Festigkeit, Zähigkeit Die Härte beschreibt den Widerstand gegen das Eindringen eines anderen, härteren Körpers, die Festigkeit den Widerstand gegenüber plastischer Umformung und die Zähigkeit die Widerstandsfähigkeit bei plastischer Umformung gegen die Entstehung von Rissen bzw. Bruch. Weitere Details hierzu werden im Kap. 7: Werkstoffprüfung behandelt.

144

2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Frage 2.1.10: Welche typischen technologischen Eigenschaften von Stählen sind gemeint? Richtig ist Antwort B: Warm- und Kaltumformbarkeit, Gießbarkeit, Härtbarkeit, ­Zerspanbarkeit, Schweißeignung Diese technologischen Eigenschaften begünstigen oder erschweren die durchzuführenden Verarbeitungsverfahren für Stahl. Wie der Name es ausdrückt, betreffen die Warmund Kaltumformbarkeit die wichtigen Eigenschaften des Stahls, sich durch Krafteinwirkung bei erhöhten Temperaturen oder bei Raumtemperatur plastisch umformen zu lassen (auch als Formänderungsvermögen bezeichnet). Die Gießbarkeit der Stahlschmelze ist die Voraussetzung zur Herstellung von Gussstücken (Block-, Brammen-, Strang- und Formenguss). Alle Stähle mit mehr als 0,2 Masse-% Kohlenstoff sind grundsätzlich härtbar, also durch ein gezieltes Abschrecken der glühenden Bauteile eine Härtesteigerung zu erfahren. Die Zerspanbarkeit ist eine wichtige Eigenschaft, da fast alle Werkstücke und viele Bauteile im Laufe ihrer Fertigung durch ein spangebendes Verfahren, z. B. durch Bohren, Fräsen, Drehen, Sägen, Schälen, Schleifen, bearbeitet werden bzw. durch eine derartige spanende Bearbeitung erst herstellbar sind. Und die Schweißeignung des Stahls ermöglicht ein stoffschlüssiges Fügen von Einzelteilen zu einem Gesamtbauteil mittels verschiedener Schweißverfahren. Frage 2.1.11: Welche chemisch-technischen Eigenschaften von Stählen sind wichtig? Richtig ist Antwort A: Korrosionsbeständigkeit, Wärmebeständigkeit, Nachhaltigkeit Korrosion (lat. corrodere – „zersetzen“) ist die Reaktion eines Werkstoffs mit seiner Umgebung, wobei es meist zu einer von der Oberfläche ausgehenden Zerstörung durch chemische oder elektrochemische Reaktionen kommt (Kaesche, 1966). Diese können zu einer Beeinträchtigung der Funktion oder sogar zum Ausfall eines Bauteils führen. So sind beispielsweise unlegierte Stähle nicht korrosionsbeständig, sie rosten und müssen gegen Korrosion geschützt werden durch Anstriche, Verzinken, Verchromen u.  a. Beschichtungen. Hochlegierte Chrom-Nickel-Stähle sind dagegen korrosionsbeständig, also nichtrostend. Die Wärmebeständigkeit ist wichtig bei Bauteilen, die erhöhten Temperaturen ausgesetzt sind, z.  B. bei Motorventilen, Turboladerteilen, Auspuffanlagen, Ofenbauteilen, Heizleiter, Werkzeugen für die Warmumformung (Schmieden, Walzen). Für diese Anwendungen sind besonders verzunderungs- und hochwarmfeste Stähle und Sonderlegierungen entwickelt worden. Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz, Recycling und Umweltbilanz sind heute bei der Produktion von Werkstoffen unverzichtbare Herausforderungen. Metallische Werkstoffe und ganz besonders die Stähle sind alle sehr gut recycelbar, während Kunststoffe nur begrenzt recycelfähig sind. Und die allermeisten Stähle sind während ihrer Nutzung überhaupt nicht gesundheitsschädigend.

2.2  Grundlagen der Legierungstechnik

145

2.2  Grundlagen der Legierungstechnik Frage 2.2.1: Was wird als Phase im kristallinen Gefüge bezeichnet? Richtig ist Antwort B: Ein physikalisch einheitlicher, homogener Bestandteil Eine Phase im Gefüge eines Werkstoffes umfasst alle physikalisch einheitlichen Bestandteile, die in sich homogen sind. Sie haben die gleiche chemische Zusammensetzung und auch gleiche physikalische Eigenschaften. Phasen sind von anderen Phasen durch Phasengrenzflächen getrennt (Bleck, 2010). Beispiele sind Ferrit, Austenit und Zementit. Frage 2.2.2: Was ist ein Einlagerungsmischkristall? Richtig ist Antwort B: Ein Kristall mit Atomen eines Legierungselementes, die in den Gitterlücken des anderen Legierungselementes eingelagert sind. In diesem Kristalltyp sind die Atome eines Legierungselementes in den Gitterlücken, den sogenannten Zwischengitterplätzen, zwischen den anderen Legierungselementen eingelagert. Die Abb. 2.2 zeigt hierzu schematisch einen solchen Einlagerungsmischkristall. Diese Einlagerung geschieht in der Regel dann, wenn die eingelagerten Fremdatome deutlich kleiner sind als die Wirtsgitteratome. Die Löslichkeit dieser in den Gitterlücken eingelagerten Fremdatome ist begrenzt. Frage 2.2.3: Was kennzeichnet einen Austauschmischkristall? Richtig ist Antwort C: In einem solchen Kristall sind einige Atome des einen Legierungselementes durch Atome eines anderen Legierungselementes (Fremdatome) ausgetauscht. Die Atome der beiden Legierungselemente sind meist nahezu gleich groß und in der Regel statistisch auf regulären Gitterplätzen verteilt. Die Abb. 2.3 zeigt hierzu schematisch den Aufbau eines Austauschmischkristalls, auch Substitutionsmischkristall genannt. Wenn ein Gitteratom durch ein sehr großes Atom substituiert wird, dann kommt es zu einer Gitterverzerrung (Aufweitung), wie in Abb. 2.4 dargestellt. Bei kleineren Atomen zieht sich das Gitter um dieses Fremdatom zusammen.

Abb. 2.2 Schematische Darstellung eines Einlagerungsmischkristalls

Atom A Atom B

146

2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Abb. 2.3 Austauschmischkristall, bestehend aus den Atomen A und B

Atom A Atom B

Abb. 2.4 Austauschmischkristall, schematisch dargestellt mit einer Gitterverzerrung wegen eines großen Austauschatoms

Atom A Atom B

Frage 2.2.4: Welche typischen Fehler im Kristallaufbau treten in der Realität auf? Richtig ist Antwort A: Leerstellen, Versetzungen, Stapelfehler, Phasengrenzen, Zwillingsgrenzen Die auftretenden Kristallbaufehler werden in null-, ein-, zwei- und dreidimensionale Fehler unterschieden. Nulldimensionale Baufehler betreffen sogenannte Punktfehler. Sie umfassen die Leerstellen und Fremdatome (Austausch- und Einlagerungsatome). Eindimensionale Baufehler sind die Linienfehler, die beim Kristallwachstum und bei der Kalt­ umformung entstehen können und sich unter der Einwirkung äußerer Kräfte bzw. Spannungen vermehren. Dieser Fehlertyp wird durch die Versetzungen charakterisiert. Zwei- und dreidimensionale Baufehler stellen die Flächen- und Volumenfehler dar. Hierzu zählen die Stapelfehler, Korngrenzen, Zwillingsgrenzen und Phasengrenzen. Die Abb. 2.5 zeigt Beispiele für diese Fehlerarten, wie sie in einem realen Stahlgefüge zu finden sind: Poren, Mikrolunker, Ausscheidungen innerhalb der Körner oder an den Korngrenzen sowie Fremdphasen.

2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften Abb. 2.5 Schematische Darstellung des mikroskopischen Gefügeaufbaus mit typischen Fehlerarten

Ausscheidungen im Korn

147

Fremdphase

Korngrenze Kristallit (Korn)

Ausscheidungen an den Korngrenzen

2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften Frage 2.3.1: Welche chemischen Elemente kommen in der Praxis der Stahlherstellung als Desoxidationsmittel zur Anwendung? Richtig ist Antwort B: Aluminium, Kalzium, Silizium, Mangan, Beryllium, Magnesium Frage 2.3.2: Welche Arten von chemischen Elementen als Stahlveredler können in einer Stahllegierung enthalten sein? Richtig ist Antwort C: Gasförmige Elemente sowie feste Nichtmetalle, Halbmetalle und Metalle Diese Bestandteile einer Stahllegierung (außer Verunreinigungen) werden als Legierungselemente bzw. Stahlveredler bezeichnet, da sie bewusst zulegiert werden. Das Mischungsverhältnis dieser Legierungselemente ist die Konzentration in Masse-%, also die chemische Analyse. Frage 2.3.3: Was sind Begleitelemente im Stahl? Richtig ist Antwort B: Chemische Elemente, die bei der Stahlerzeugung ungewollt in den Stahl eingebracht werden und in Spuren keine Auswirkungen auf die Stahleigenschaften zeigen. Bei der Stahlerzeugung, insbesondere bei der Elektrostahlherstellung aus Schrott, können ungewollt Begleit- bzw. Spurenelemente in den Stahl eingebracht werden. Um auszuschließen, dass diese Elemente in geringen Mengen keinen Nachteil hinsichtlich der Stahleigenschaften darstellen, also nicht schädlich wirken, muss der Stahlhersteller den Anteil dieser Elemente möglichst gering halten. Dies bedeutet oft einen hohen metallurgischen Aufwand im Stahlwerk.

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2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Frage 2.3.4: Was ist ein Stahlschädling? Richtig ist Antwort C: Ein chemisches Element, das die Stahleigenschaften stark verschlechtert. Als „stahlschädlich“ werden üblicherweise betrachtet: Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Phosphor, Arsen, Antimon und oft auch Kupfer. Je nach Art und Zusammensetzung der Sauerstoffverbindungen sowie deren Form und Verteilung im Stahl werden die technologischen Eigenschaften, insbesondere die Kerbschlagzähigkeit, durch Sauerstoff verschlechtert. Auch Wasserstoff im Stahl wirkt schädlich, da er eine Versprödung durch Minderung der Dehnung und Einschnürung ohne Erhöhung der Festigkeit hervorruft. Außerdem verursacht Wasserstoff die gefürchtete Flockenbildung, eine unerwünschte Materialtrennung durch Ausscheiden von Wasserstoff. Und auch Stickstoff ist in der Regel im Stahl schädlich, da Ausscheidungsvorgänge begünstigt werden, die zur Verminderung der Zähigkeit führen. Andererseits wird Stickstoff bewusst dem Stahl zugegeben, um den Zustand mit einem austenitischen Gefüge zu stabilisieren. In austenitischen Stählen erhöht Stickstoff zudem die Festigkeit und vor allem die Streckgrenze sowie die mechanischen Eigenschaften bei erhöhten Temperaturen. Mit Stickstoff wird durch eine Nitridbildung beim Nitrieren von Stählen eine hohe Oberflächenhärte erzielbar. Nitride sind chemische Verbindungen des Stickstoffs, z. B. metallische, sehr harte Nitride wie Titannitrid TiN und Chromnitrid CrN. Frage 2.3.5: Welches sind die drei wichtigsten gasförmigen Elemente im Stahl? Richtig ist Antwort A: Wasserstoff, Stickstoff, Sauerstoff Frage 2.3.6: Was bewirkt Wasserstoff (H) im Stahl? Richtig ist Antwort C: Wasserstoff ist ein Stahlschädling, der eine Versprödung hervorruft und die gefürchtete Flockenbildung verursacht. Frage 2.3.7: Wofür wird bewusst Stickstoff (N) dem Stahl zulegiert? Richtig ist Antwort C: Um den Zustand mit einem austenitischen Gefüge zu stabilisieren, die Festigkeit zu erhöhen und durch Nitridbildung eine hohe Oberflächenhärte zu erreichen. Frage 2.3.8: Wie verhält sich Sauerstoff (O) im Stahl? Richtig ist Antwort B: Sauerstoff wirkt meist schädlich auf viele Stahleigenschaften. Frage 2.3.9: Welche Nichtmetalle als feste Elemente im Stahl sind wichtig? Richtig ist Antwort A: Kohlenstoff, Schwefel, Phosphor Frage 2.3.10: Was bewirkt der Kohlenstoff (C) im Stahl? Richtig ist Antwort B: Mit zunehmendem Kohlenstoffgehalt steigt die Festigkeit und Härtbarkeit des Stahls.

2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften

149

Das Element Kohlenstoff ist das wichtigste Legierungselement im Stahl. Mit höherem Kohlenstoffgehalt steigen Festigkeit und Härtbarkeit des Stahls, die Dehnung, Schmiedbarkeit, Schweißbarkeit und die Bearbeitbarkeit sinken. Der Stahl wird spröder. Je nach Kohlenstoffgehalt werden im Stahl unterschiedliche Phasen gebildet. Und mit Chrom, Wolfram, Molybdän und Vanadium kommt es zur Bildung von harten Karbiden. Frage 2.3.11: Was bewirkt die bewusste Zugabe von Schwefel (S) im Stahl? Richtig ist Antwort B: Die Verbesserung der Zerspanbarkeit (kurze Späne) durch Bildung von Mangansulfiden. Die Wirkungen von Schwefel im Stahl sind vielfältig. Schwefel neigt bei der Erstarrung der Stahlschmelze zu starker Seigerung, die unter Umständen zum nicht gewünschten Rot- bzw. Heißbruch führen kann. Schwefel hat zu Mangan eine besonders große Affinität. So entstehen bei entsprechenden Mangangehalten im Stahl sehr stabile Mangansulfide. Diese bedingen eine Verminderung des Reinheitsgrades des Stahls. Absichtlich wird Schwefel z. B. demjenigen Stahl zugegeben (bis ca. 0,4 Masse-%), der für die Automatenbearbeitung vorgesehen ist. Die durch den hohen Schwefelgehalt im Gefüge des Stahls vorliegenden Mangansulfide verbessern nämlich die Zerspanbarkeit (Schmierwirkung an der Werkzeugschneide – höhere Werkzeugstandzeiten, kurze Späne). Frage 2.3.12: Was bewirkt Phosphor (P) im Stahl? Richtig ist Antwort C: Phosphor wird meist als Stahlschädling betrachtet. Phosphor führt zu starken Primär- und auch Sekundärseigerungen. Eine homogene Verteilung von Phosphor im Stahl ist kaum möglich. Deshalb sind bei hochwertigen Stählen die Phosphorgehalte auf max. 0,03 bis 0,05 Masse-% begrenzt. In austenitischen Stählen bewirken Phosphorzusätze eine Erhöhung der Streckgrenze und auch Ausscheidungseffekte. Phosphor erhöht schon in geringsten Mengen im Stahl die Empfindlichkeit gegenüber einer Anlassversprödung. Diese Versprödung tritt meist in Form einer Kaltbrüchigkeit und Empfindlichkeit gegenüber Schlagbeanspruchung auf (Sprödbruchneigung). Demgegenüber erhöht Phosphor in niedriglegierten Baustählen mit Kohlenstoffgehalten von ca. 0,1 Masse-% die Festigkeit und Korrosionsbeständigkeit gegenüber atmosphärischen Einflüssen (rostträge Stähle). Frage 2.3.13: Welche Halbmetalle als feste Elemente im Stahl sind wichtig? Richtig ist Antwort B: Silizium, Bor Frage 2.3.14: Warum wird Silizium (Si) der Stahlschmelze zugegeben? Richtig ist Antwort C: Neben verschiedenen Wirkungen auf die Stahleigenschaften vor allem zur Desoxidation. Silizium wird in Form der Eisenvorlegierung Ferro-Silizium der Stahlschmelze zugegeben zur Desoxidation (Abbinden des beim Erkalten der Schmelze frei werdenden Sauerstoffs). Silizium ist in nichtrostenden Stählen, ähnlich wie Mangan, als Begleitelement vorhanden und wirkt als Ferritbildner. Es steigert die Festigkeit und Verschleißbeständig-

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2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

keit z. B. bei Silizium-­Mangan-­Vergütungsstählen. Auch erhöht Silizium die Elastizitätsgrenze bei Federstählen und verbessert die Zunderbeständigkeit bei hitzebeständigen Stählen. Bei bestimmten Beanspruchungen erhöht Silizium die Korrosionsbeständigkeit gegenüber wässrigen Medien. Und da Silizium zu einer starken Herabsetzung der elektrischen Eigenschaften wie elektrische Leitfähigkeit, Koerzitivfeldstärke und Wattverluste führt, wird Silizium gezielt in Stählen für Elektrobleche verwendet. Frage 2.3.15: Was bewirkt Bor (B) in einer Stahllegierung? Richtig ist Antwort A: In austenitischen Stählen eine Erhöhung der Festigkeit und in Baustählen eine Verbesserung der Durchhärtung. Die Wirkung von Bor als Legierungselement in Stählen ist verschiedenartig. Austenitische Chrom-Nickel-Stähle können mit Bor über Ausscheidungshärtung auf eine höhere Festigkeit gebracht werden. Die Korrosionsbeständigkeit wird dabei jedoch gemindert. Diese durch Bor verursachten Ausscheidungen verbessern z. B. die Festigkeitseigenschaften hochwarmfester, austenitischer Stähle bei erhöhten Temperaturen. In Baustählen verbessert Bor die Durchhärtung, dadurch wird z. B. die Kernfestigkeit bei Einsatzstählen erhöht. Ein weiteres Anwendungsbeispiel sind Mangan-Bor-Vergütungsstähle, u.  a. der Stahl 1.5528 – 22MnB5, eingesetzt für das Presshärten von Blechformteilen wie z. B. für die B-Säule für PKW. Frage 2.3.16: Welche Metalle als feste Legierungselemente im Stahl sind besonders wichtig? Richtig sind die Antwort A: Chrom, Kobalt, Mangan, Nickel, Titan, Aluminium sowie auch die Antwort B: Wolfram, Molybdän, Vanadium, Kobalt. Diese aufgeführten Metalle sind alle wichtig, z. B. die unter Antwort A genannten für legierte und hochlegierte Stähle (Baustähle, Werkzeugstähle, nichtrostende austenitische Stähle u. a.) und die unter Antwort B genannten für Schnellarbeitsstähle. Frage 2.3.17: Welche Metalle werden als sogenannte Karbidbildner in Stahllegierungen zur Erhöhung der Verschleißfestigkeit eingesetzt? Richtig ist Antwort B: Chrom, Vanadium, Molybdän, Wolfram Frage 2.3.18: Wie wirkt Chrom (Cr) als Stahllegierungselement? Richtig ist Antwort B: Chrom steigert als Karbidbildner die Festigkeit und bewirkt bei über 12 bis 13 Masse-% die Korrosionsbeständigkeit des Stahls. Insbesondere die Schneidhaltigkeit und Verschleißfestigkeit des Stahls werden durch Chromkarbide erhöht. Außerdem wird mit Chrom legierter Stahl öl- und lufthärtbar und dessen mechanischen Eigenschaften, die Warmfestigkeit sowie die Hitze- und Korrosionsbeständigkeit werden verbessert. Mit steigendem Chromgehalt sinkt die Kerbschlagzähigkeit und die Schweißbarkeit reiner Chromstähle.

2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften

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Frage 2.3.19: Welche Wirkungen zeigt Nickel (Ni) als Stahllegierungselement? Richtig ist Antwort A: Nickel erhöht die Zähigkeit und macht Stahl korrosionsbeständig. In Gehalten von mehr als 7 Masse-% stabilisiert Nickel das austenitische Gitter in hochchromhaltigen Stählen, die Ursache für deren hohe Zähigkeit. Nickel allein macht Stahl nur rostträge, in austenitischen Stählen in Verbindung mit Chrom wird die Beständigkeit auch gegenüber oxidierenden Substanzen erreicht. Hohe, definierte Nickelgehalte führen in Stählen zu bestimmten physikalischen Eigenschaften, z.  B. zu sehr geringer Temperaturausdehnung. Frage 2.3.20: Wie wirkt Mangan (Mn) und welche Eigenschaft von Mangan als Stahllegierungselement ist mit der des Siliziums vergleichbar? Richtig ist Antwort B: Mangan begünstigt die Schmied- und Schweißbarkeit, erhöht unter bestimmten Bedingungen die Verschleißfestigkeit und wirkt desoxidierend. Wie das Silizium wirkt auch Mangan desoxidierend, d. h. es entzieht dem Stahl Sauerstoff. Gleichzeitig bindet Mangan Schwefel und es entstehen bei entsprechenden Mangangehalten im Stahl sehr stabile Mangansulfide. Diese wirken sich positiv auf die Zerspanung aus. Weiterhin verbessert Mangan die Durchhärtung des Stahls und begünstigt die Schmiedund Schweißbarkeit. Stähle mit mehr als 12 Masse-% Mangan sind bei hohem Kohlenstoffgehalt austenitisch und bei Schlageinwirkung hochverschleißfest (siehe Manganhartstähle). Frage 2.3.21: Für welche Stahleigenschaften ist das Legierungselement Molybdän (Mo) nützlich? Richtig ist Antwort C: Verbesserung der Schneidfestigkeit, der Härtbarkeit, der Korro­ sionsbeständigkeit und der Warmfestigkeit von Stählen. Molybdän ist ein starker Karbidbildner, wodurch die Schneideigenschaften bei Schnell­ arbeitsstählen verbessert werden. Bei Chrom-Nickel- und Manganstählen verbessert Molybdän die Härtbarkeit und verringert die Anlasssprödigkeit. Es fördert die Feinkornbildung und begünstigt die Schweißbarkeit, erhöht die Festigkeit und die Streckgrenze. Die Schmiedbarkeit wird erschwert. Bei hoch legierten Chrom- und austenitischen Chrom-Nickel-Stählen erhöht Molybdän die Korrosionsbeständigkeit und die Warmfestigkeit. Die Zunderbeständigkeit wird vermindert. Frage 2.3.22: Aus welchem Grund wird Wolfram (W) als Einsatzstoff für Hartmetall und als Legierungselement für Werkzeugstähle eingesetzt? Richtig ist Antwort B: Wolfram bildet sehr harte Karbide. Wie Molybdän bildet auch Wolfram sehr harte Karbide und macht dadurch den Stahl widerstandsfähiger durch die Erhöhung der Härte und Festigkeit. Gleichzeitig verbessert Wolfram die Warmfestigkeit, die Anlassbeständigkeit sowie die Verschleißfestigkeit bei hohen Temperaturen. Ein weiteres Einsatzgebiet sind Wolframelektroden für das Widerstandsschweißen. Auch beim WIG-(Wolfram-Inert-Gas)-Schweißen werden Elektroden aus Wolfram bzw. Wolfram-Legierungen eingesetzt. Wegen des hohen Schmelzpunkts kommen Wolfram-Molybdän-Legierungen für Turbinenschaufeln zum Einsatz.

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2  Stahleigenschaften und Legierungselemente

Frage 2.3.23: Was bewirkt das seltene Schwermetall Vanadium (V) als Legierungselement im Stahl? Richtig ist Antwort A: Vanadium als starker Karbidbildner erhöht die Verschleißfestigkeit. Auch Vanadium ist wie Molybdän und Wolfram ein starker Karbidbildner. Dadurch werden der Verschleißwiderstand, die Schneidhaltigkeit und die Warmfestigkeit in Schnell­ arbeits-, und Warmarbeitsstählen sowie in warmfesten Stählen erhöht. Die Karbidbildung führt auch zur Erhöhung der Beständigkeit gegenüber Wasserstoff. Vanadium verfeinert das Primärkorn und damit die Gussstruktur. Es erhöht die Warmfestigkeit und Anlassbeständigkeit und vermindert die Überhitzungsempfindlichkeit von Stählen. Außerdem wird die Schweißbarkeit von Vergütungsstählen durch Zulegieren von Vanadium begünstigt. Frage 2.3.24: Welche Wirkungen zeigt Kobalt (Co) als Stahllegierungselement? Richtig ist Antwort C: Kobalt verbessert die Anlass-, Verschleiß- und Warmfestigkeit. Im Stahl bildet Kobalt keine Karbide, hemmt jedoch das Kornwachstum, verbessert die Anlassbeständigkeit, die Verschleiß- und Warmfestigkeit in hoch legierten, äußerst temperaturbeständigen Stählen und in Superlegierungen. Kobalt wird auch zur Herstellung von Dauermagnetstählen eingesetzt. Frage 2.3.25: Welche Eigenschaften begründen den Einsatz von Titan (Ti) bei der Stahlerzeugung? Richtig ist Antwort B: Titan ist stark karbidbildend, wirkt schwefelbindend, desoxidierend, denitrierend und kornverfeinernd. Titan als leichtes, festes und korrosionsbeständiges Übergangsmetall zeigt viele Wirkungen im Stahl. Es bildet Karbide und bindet Schwefel, Sauerstoff und Stickstoff aus der Stahlschmelze. Titan verleiht bereits als Mikrolegierungsbestandteil mit 0,01 bis 0,1 Masse-% dem Stahl eine hohe Zähigkeit und Festigkeit. In korrosionsbeständigen Stählen verhindert Titan die interkristalline Korrosion. Es besitzt auch kornverfeinernde Eigenschaften. Durch die Bildung von Titan-Sondernitriden wird die Zeitstandfestigkeit gesteigert. Die Neigung des Titans zur Seigerung und Zeilenbildung im Stahl ist zu beachten. Frage 2.3.26: Welche weiteren Auswirkungen hat Aluminium (Al) als Legierungselement im Stahl? Richtig ist Antwort C: Aluminium wirkt denitrierend, bildet mit Stickstoff Nitride hoher Härte, unterstützt die Feinkornbildung und erhöht die Zunderbeständigkeit. Aluminium ist wegen seiner sehr starken chemischen Anziehung von Sauerstoff das stärkste und sehr häufig in der Stahlherstellung eingesetzte Desoxidationsmittel. Außerdem wirkt Aluminium als Denitrierungsmittel, d. h. es bindet den Stickstoff und begünstigt dadurch die Alterungsunempfindlichkeit von Stahl. Da Aluminium mit Stickstoff Nitride hoher Härte bildet, wird es als Legierungsmittel in Nitrierstählen eingesetzt. In sehr geringen Mengen im Stahl (Mikrolegierung) unterstützt Aluminium die Feinkornbildung. Weiterhin erhöht Aluminium im Stahl dessen Zunderbeständigkeit und wird deshalb in ausgewählten ferritischen, hitzebeständigen Stählen zulegiert. Auch bei unlegierten

2.3 Chemische Elemente im Stahl und deren Wirkung auf die Stahleigenschaften

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Kohlenstoffstählen führt das E ­ inbringen von Aluminium in die Oberfläche (Alitieren) zu einer Erhöhung der Zunderbeständigkeit. Generell ist zu beachten, dass größere Mengen von Aluminium im Stahl zu einer Verschlechterung der Schweißbarkeit führen. Aluminium erhöht stark die Koerzitivkraft und ist deshalb ein wichtiges Legierungselement in Eisen-­Nickel-­Kobalt-­Aluminium-­Dauermagnetlegierungen. Frage 2.3.27: Was sind die wichtigsten Bedingungen für die Einstellung bestimmter Stahleigenschaften? Richtig ist Antwort B: Chemische Zusammensetzung, Verarbeitung und Wärmebehandlung. Diese drei Bedingungen sind für die Einstellung und Wirksamkeit der Stahleigenschaften am Fertigprodukt wichtig (Liedtke, 2005). Die chemischen Elemente im Stahl, die Gefügestruktur, Phasen und Phasenänderungen, Homogenität, Einschlüsse, Verunreinigungen, Ausscheidungen, Korngrößen, innere Spannungen u. v. a. beeinflussen die Eigenschaften. Und diese Einflüsse stammen aus der Prozesskette der Herstellung von Stahlprodukten mit der metallurgischen Erzeugung (chemische Zusammensetzung der Stähle – Stahlsorten) mit der Verarbeitung (Umformen) und der Wärmebehandlung.

3

Ausgewählte Stähle

3.1

Qualitätsstähle

Frage 3.1.1: Aus welchen Stählen werden die in den Baumärkten erhältlichen Eisenwaren gefertigt? Richtig ist Antwort B: Aus Grundstählen einfacher Art. Grundstähle müssen keinen besonderen Qualitätsmerkmalen entsprechen, außer in bestimmten Fällen Mindestwerte für eine mechanische Beanspruchung, vorwiegend eine Mindestzugfestigkeit aufweisen. Davon ausgehend werden diese Stähle nur für untergeordnete Anwendungen eingesetzt, z. B. als Stäbe und Flacherzeugnisse (in den Baumärkten auch als sogenannte „Eisenwaren“ geführt), für Geländer, Handläufe, Tür- und Torbeschläge sowie für Kunstschmiedearbeiten. Diese Gruppe umfasst nur wenige Stähle sehr einfacher Art (Gruppe 00 der Werkstoffnummern). Außer für ein Spannungsarmglühen, Weich- oder Normalglühen sind diese nicht für eine Wärmebehandlung (z. B. Härtung) vorgesehen bzw. geeignet. Grundstähle weisen außer Silizium und Mangan keine weiteren Legierungsbestandteile auf. Typische Beispiele für Grundstähle sind: 1.0035 – S185, 1.0037 – S235, 1.0044 – S275JR, 1.0060 – E335, 1.0070 – E360 Frage 3.1.2: Was kennzeichnet die Massenstähle? Richtig ist Antwort C: Unlegierte und legierte Stähle mit mäßigen Gebrauchseigenschaften, in großen Mengen produziert. Massenstahl als Begriff bezieht sich auf einen großen Mengenanteil von unlegierten und auch legierten Stahlsorten, die ebenfalls wie Grundstähle nur geringe Anforderungen hinsichtlich der Eigenschaften beim Gebrauch erfüllen müssen. Sie grenzen sich dadurch deutlich von den Edelstählen ab, die viel höhere Reinheitsgrade aufweisen. Die heute

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_11

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3  Ausgewählte Stähle

veraltete Stahlbezeichnung „Massenstahl“ umfasste auch Grundstähle und betraf vor allem Stähle mit mäßigen, für den Einsatzzweck jedoch ausreichenden Gebrauchseigenschaften und günstigen Preisen. Frage 3.1.3: Welche Stahllegierungen sind Baustähle und wofür werden sie hauptsächlich eingesetzt? Richtig ist Antwort B: Unlegierte oder niedrig legierte Stähle für Bauzwecke und Maschinenteile Sowohl für Bauzwecke (Hoch- und Tiefbau, Brückenbau, Wasserbau) als auch für den Maschinen- und Anlagen- sowie Fahrzeugbau kommen Baustähle zum Einsatz. Es sind unlegierte oder niedrig legierte Stähle, die vorwiegend mittels Schweißen verarbeitet und oft auch spannungsarm geglüht werden. Nach den neuen EN-Normen sind Baustähle generell solche kohlenstoffarme Stähle, die nicht unmittelbar als Werkzeugstahl Verwendung finden. Frage 3.1.4: Welches maßgebende Kriterium entscheidet über den Einsatz eines Baustahls? Richtig ist Antwort A: Zugfestigkeit und Streckgrenze Für die verschiedenen Anwendungen ist vor allem die Zugfestigkeit bzw. die Streckgrenze der Baustähle ein maßgebendes Kriterium. Früher, nach der alten Norm DIN 17100 wurden sie in Deutschland mit ST x bezeichnet, wobei x für ein Zehntel des Richtwertes für die Zugfestigkeit in N/mm2 stand, bzw. in kp/mm2, wie es damals gebräuchlich war. Heute gilt für Baustähle die EN 10025. Danach erhalten sie als Vorzeichen ein S für „structural steel“. Die nachfolgende Zahl bezieht sich auf die Streckgrenze in N/mm2. Dann folgen Buchstaben für die Kerbschlagzähigkeit (Gütegruppe) sowie für weitere mechanische Eigenschaften bzw. Einsatzzwecke: K – kaltverformt A – angelassen N – normalgeglüht V – vergütet Zusätzlich kann auch der Sauerstoffgehalt des Baustahls kenntlich gemacht werden mit: FU – unberuhigt vergossen (viel Restsauerstoff) FN – einfach beruhigt vergossen (weniger Restsauerstoff) FF – doppelt beruhigt, bzw. vollberuhigt vergossen (Sauerstoff ist verschlackt worden) Frage 3.1.5: Welche Stahlbezeichnungen betreffen Beispiele für Baustähle? Richtig ist Antwort C: S185, S235JR, S355JR, S355J2 Die zugehörigen Werkstoffnummern lauten

3.1 Qualitätsstähle

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S185 – 1.0035 S235JR – 1.0038 S355JR – 1.0045 S355J2 – 1.0577 Erläuterung zu einem Beispiel: S235JR (entspricht der Werkstoffnummer 1.0038): Baustahl warmgewalzt, Gütegruppe JR (JR kennzeichnet einen Stahl geringer Güte mit 27 J Kerbschlagarbeit bei Raumtemperatur.), zum Schweißen geeignet. Dieser Stahl entspricht dem St 37-2, also einem unlegierter Baustahl mit einer Zugfestigkeit im Bereich von 340 bis 510 N/mm2 (je nach Dicke des Stabstahls oder Stahlblechs). Diese Kurzbezeichnung ist heute noch weit verbreitet, aber ungültig und sollte so nicht mehr genutzt werden. Außerdem ist heute infolge des technischen Fortschritts eine Unterscheidung zwischen Baustählen und Qualitätsstählen nicht mehr angebracht. Frage 3.1.6: Was unterscheidet einen Schlaffstahl von einem Spannstahl? Richtig ist Antwort B: Der Schlaffstahl wird als klassischer Bewehrungsstahl im Beton verarbeitet, während der Spannstahl eine durch äußere Spannkraft vorgespannte Stahleinlage darstellt. Frage 3.1.7: Welcher Betonstahl kommt in Deutschland zum Einsatz? Richtig ist Antwort C: Vorwiegend nur ein klassischer, unlegierter Stahl mit einer charakteristischen Streckgrenze von ca. 500 N/mm2. Die Eigenschaften dieses in Deutschland verwendeten Betonstahls sind z.  B. in den Normen DIN 488 oder in EN 10080 festgelegt. Frage 3.1.8: Welche Stahlsorten mit welchen Werkstoffnummern werden den unlegierten Qualitätsstählen zugeordnet? Richtig ist Antwort B: Es sind Stähle, die bestimmte Anforderungen hinsichtlich Zähigkeit, Korngröße und Umformbarkeit erfüllen und zu den Werkstoffnummern 1.00XX bis 1.07XX sowie 1.90XX bis 1.97XX zählen. Unlegierte Qualitätsstähle sind Stahlsorten, für die im Allgemeinen bestimmte Anforderungen wie z. B. an die Zähigkeit, Korngröße und/oder Umformbarkeit bestehen, und die nicht mit unlegierten Edelstählen vergleichbar sind. Sie sind auch nicht für eine gezielte Wärmebehandlung geeignet (z. B. Härten). Unlegierte Qualitätsstähle haben meist einen geringeren, begrenzten Gehalt an Phosphor und Schwefel (max. 0,045 Masse-%) im Vergleich zu den Gehalten allgemeiner Massenstähle. Der Kohlenstoffgehalt beträgt 0,2 bis 0,65 Masse-% und wird wie folgt angegeben: Bezeichnung: CX mit X = Kohlenstoffgehalt in Masse-%, multipliziert mit 100.

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3  Ausgewählte Stähle

Beispiel: C60 – ein unlegierter Qualitätsstahl mit 60/100 = 0,60 Masse-% Kohlenstoff (entspricht dem 1.0601). Breite Anwendung finden unlegierte Qualitätsstähle im Apparatebau, Schiffbau sowie im Maschinen- und Stahlbau als Konstruktionswerkstoffe, aber auch zur Massenherstellung von Schrauben, Muttern, Nieten und Ketten aller Art, zur Erzeugung von Blechen und Bändern, unbeschichtet oder oberflächenbeschichtet z. B. für Verpackungsbleche und Bleche für Haushaltsgeräte. Frage 3.1.9: Welche Stahlsorten mit welchen Werkstoffnummern werden den legierten Qualitätsstählen zugeordnet? Richtig ist Antwort C: Es betrifft Stähle, die im Vergleich zu den unlegierten Qualitätsstählen definierte, höhere Anforderungen hinsichtlich Mindeststreckgrenze, Kerbschlagzähigkeit, Korngröße, Schweißbarkeit und Umformbarkeit erfüllen und zu den Werkstoffnummern 1.08XX bis 1.09XX sowie 1.98XX bis 1.99XX zugerechnet werden. Für legierte Qualitätsstähle gibt es im Vergleich zu unlegierten Qualitätsstählen definierte, höhere Anforderungen. Die hierfür notwendigen Eigenschaften werden durch Zulegieren von bestimmten Elementen erzielt, wobei zur Abgrenzung zu den Edelstählen Grenzgehalte nicht überschritten werden. Die legierten Qualitätsstähle umfassen die Werkstoffnummern 1.08XX bis 1.09XX sowie 1.98XX bis 1.99XX. Beispiele für legierte Qualitätsstähle sind Druckbehälterstahl, Grubenausbaustahl, Stahl für warm- und kaltgewalzte Flacherzeugnisse, Stahl für Rohre, Spundbolzen und Schienen.

3.2 

Nichtrostende Edelstähle

Frage 3.2.1: Was zeichnet Edelstähle aus? Richtig ist Antwort A: Sie weisen einen hohen Reinheitsgrad auf. Als Edelstähle werden unlegierte und legierte Stähle bezeichnet, die nur unter besonderen Bedingungen und mit hohen Aufwendungen schmelzmetallurgisch mit einer sehr hohen Reinheit hergestellt werden. So darf nach DIN EN 10020:2000-07 (Begriffsbestimmung für die Einteilung der Stähle) der Schwefel- und Phosphorgehalt von 0,025 Masse-% nicht überschritten werden. Beispiele: Stähle u. a. für den Kraftwerks-, Maschinen- und Anlagenbau, für die Fahrzeugindustrie, für Werkzeuge, für Hydraulik und Pneumatik, für Chemieanlagen und für die Medizintechnik. Frage 3.2.2: Wie werden die nichtrostenden Edelstähle eingeteilt? Richtig ist Antwort C: In ferritische, austenitische, martensitische Stähle und Duplex-­ Stähle. Der erste um 1912 vorgestellte nichtrostende Stahl war der berühmte austenitische V2A-Stahl von Eduard Maurer (1886–1969), benannt nach der „Versuchsschmelze 2 Aus-

3.2  Nichtrostende Edelstähle

159

tenit“. Damals dachte wohl niemand an die Vielzahl künftiger Anwendungsmöglichkeiten in allen Bereichen der Technik und auch des privaten Lebens. Schnell wurden gezielt durch bestimmte Legierungszusätze und Produktionsverfahren nichtrostende Edelstähle mit verschiedenen Gefügen, angepasst an die hohen Forderungen der Korrosionsbeständigkeit entwickelt, also neben den austenitischen auch ferritische, martensitische und ferritisch-­austenitische Edelstähle (Duplex-Stähle). Sie alle liegen im Werkstoff-­ Nummernbereich 1.40XX bis 1.45XX. Frage 3.2.3: Was ist ein ferritischer nichtrostender Stahl? Richtig ist Antwort A: Ein Stahl, der eine stabile kubisch-raumzentrierte ferritische Struktur besitzt und bei erhöhten Temperaturen keine Umwandlung in eine austenitische Struktur zeigt. Ferritische Stähle behalten ihre stabile ferritische, kubisch-raumzentrierte Struktur (siehe Abb. 3.1) auch bei erhöhten Temperaturen bis hin zum Schmelzpunkt. Deshalb ist zur Härtesteigerung keine Martensitumwandlung beim Abkühlen möglich. Somit können die ferritischen Stähle nicht durch eine Wärmebehandlung gehärtet werden. Frage 3.2.4: Welche typischen Eigenschaften kennzeichnen die ferritischen Stähle? Richtig ist Antwort B: Ferritische Stähle weisen eine geringe Festigkeit bei hoher Duktilität auf und sind gut umformbar. Mit ihrer geringen Festigkeit und hohen Duktilität sind ferritische Stähle sowohl gut warm- als auch kaltumformbar. Sie sind ferromagnetisch, nur bedingt schweißbar und besitzen eine hohe Beständigkeit gegenüber chlorinduzierter Spannungsrisskorrosion. Diese Korrosionserscheinung tritt auf, wenn Chlor-Ionen aus der Umgebung bei gleichzeitiger Einwirkung von Zugspannungen auf nichtrostende Stähle einwirken. Derartige Zugspannungen entstehen u. a. als Eigenspannungen bei der Erzeugung, z. B. durch Kalt­ umformung oder bei der Verarbeitung, z. B. durch Schleifen. Kubisch raumzentriertes Gitter (krz)

Gefüge eines ferritischen Stahls

Abb. 3.1  Ein typisches Gefügebild eines ferritischen Stahls mit kubisch-raumzentrierter Gitterstruktur. (Schliffbild: BGH Edelstahl Freital GmbH)

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3

Ausgewählte Stähle

Frage 3.2.5: Welche der genannten Stähle sind Beispiele für ferritische nichtrostende Stähle? Richtig ist Antwort A: X6Cr17 (1.4016), X14CrMoS17 (1.4104), X6CrMoS17 (1.4105), X2CrTiNb18 (1.4509), X3CrTi17 (1.4510), X3CrNb17 (1.4511), X2CrTi12 (1.4512), X8CrAl14-4 (1.4725), X10CrAlSi18 (1.4742) und X8CrAl25-5 (1.4765) Frage 3.2.6: Für welche Anwendungen sind ferritische nichtrostende Edelstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort C: Für Haushaltsgeräte, für Auspuffanlagen und für Anwendungen in der Nahrungsmittelindustrie Frage 3.2.7: Wodurch sind austenitische Edelstähle gekennzeichnet? Richtig ist Antwort A: Durch bestimmte Gehalte an Chrom und Nickel, eine kubischflächenzentrierte Gitterstruktur und durch die Eigenschaften, unmagnetisch und nicht umwandlungshärtbar zu sein. Die austenitischen Chrom-Nickel-Stähle weisen eine stabile austenitische, kubischflächenzentrierte Gitterstruktur auf. Diese wird in Abb. 3.2 gezeigt mit einem typischen Schliffbild. Da in reinem Eisen die austenitische Gefügemodifikation nur oberhalb 911 °C beständig ist, muss durch Zulegieren von Chrom, Nickel, Mangan, Molybdän, Kobalt und Stickstoff das Austenit-Gebiet so erweitert werden, dass auch bis weit unter der Raumtemperatur und bis zur Schmelztemperatur dieses kubisch-flächenzentrierte Gitter stabil erhalten bleibt. Rein austenitische Stähle haben deshalb keine Ferrit-Austenit-Umwandlung, sind also nicht umwandlungshärtbar. Durch eine Kaltumformung ist jedoch eine Härtesteigerung (Kaltverfestigung) möglich. Austenitische Stähle sind bei Raumtemperatur unmagnetisch, können jedoch in Abhängigkeit von der chemischen Zusammensetzung durch eine Kaltumformung magnetisch werden.

Kubisch flächenzentriertes Gitter (kfz)

Gefüge eine austenitischen Stahls

Abb. 3.2 Ein typisches Gefügebild eines austenitischen Stahls (1.4404 – X2CrNiMo17-12-2) mit kubisch-flächenzentrierter Gitterstruktur. (Schliffbild: BGH Edelstahl Freital GmbH)

3.2  Nichtrostende Edelstähle

161

Austenitische Stähle besitzen eine niedrige Streckgrenze, Festigkeit und Härte, jedoch eine sehr hohe Zähigkeit. Deshalb sind sie auch gut warm- und kaltumformbar. Weiterhin sind austenitische Stähle gut schweißbar. Sie besitzen einen hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten und eine niedrige Wärmeleitfähigkeit. Frage 3.2.8: Welche typischen mechanisch-technologischen Eigenschaften kennzeichnen die austenitischen Edelstähle? Richtig ist Antwort B: Austenitische Stähle haben eine niedrige Streckgrenze, Festigkeit und Härte, jedoch eine sehr hohe Zähigkeit und sind gut warm- und kaltumformbar. Weiterhin sind austenitische Stähle gut schweißbar. Sie besitzen einen hohen Wärmeausdehnungskoeffizienten und eine niedrige Wärmeleitfähigkeit. Und vor allem sind die austenitischen Chrom-Nickel-Stähle sehr gut korrosionsbeständig. Frage 3.2.9: Welche der genannten Stähle sind Beispiele für austenitische nichtrostende Edelstähle? Richtig ist Antwort C: X5CrNi18-10 (1.4301), X8CrNiS18-9 (1.4305), X2CrNi19-11 (1.4306), X2CrNi18-9 (1.4307), X5CrNiMo17-12-2 (1.4401), X2CrNiMo18-14-3 (1.4435), X2CrNiMo18-15-2 (1.4441), X15CrNiSi20-12 (1.4828) und X5NiCrAlTi31-20 (1.4958) Frage 3.2.10: Was bedeutet in der Stahlpraxis der Begriff RSH? Richtig ist Antwort B: Rost-, säure- und hitzebeständig Frage 3.2.11: Für welche Anwendungen sind austenitische nichtrostende Edelstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort A: In der Chemieindustrie, im Tunnelbau, für hochbeanspruchte Teile im Fahrzeugbau, im Anlagenbau, auch in der Medizintechnik, in der Haushalts- und Sport­ industrie Frage 3.2.12: Was ist ein martensitischer Stahl? Richtig ist Antwort B: Es ist ein Stahl, der infolge einer Umwandlungshärtung ein martensitisches Härtegefüge aufweist. Martensitische Stähle entstehen durch eine Umwandlungshärtung: Beim schroffen Abschrecken von erhitztem Stahl, z. B. beim Eintauchen in ein Wasserbad, besteht für das üblicherweise Umklappen der flächenzentrierten in die raumzentrierte Würfelgitterstruktur keine Zeit für einen geordneten Platzwechsel der Kohlenstoffatome. Die Würfelraummitte machen sich nunmehr sowohl ein Eisenatom als auch ein Kohlenstoffatom streitig. Dies kann man als einen „Zwangszustand des Gitters“ annehmen: Ein Ferrit mit zu viel Kohlenstoff in einer stark gestörten Gitterstruktur führt zu hoher Härte, ungünstigerweise aber auch zu einem spröden Zustand. Adolf Martens (1850–1914) entdeckte zuerst derartige Strukturen im Stahl die fortan als „martensitisch“ bezeichnet werden. Die Abb.  3.3 zeigt anhand eines Schliffbildes ein derartiges Martensitgefüge des Stahls 1.4006 – X12Cr13.

162

3  Ausgewählte Stähle

Abb. 3.3  Typisches martensitisches Gefüge, Stahl 1.4006 – X12Cr13. (Schliffbild: BGH Edelstahl Freital GmbH)

Frage 3.2.13: Welche typischen Eigenschaften kennzeichnen die martensitischen Stähle? Richtig ist Antwort A: Martensitische Stähle besitzen eine sehr hohe Festigkeit und Verschleißbeständigkeit, können warm-, hitze- und korrosionsbeständig sein. Martensitische Stähle werden immer in einem vergüteten, also in einem gehärteten und in einem zweiten Glühprozess (650 bis 750 °C) angelassenen Zustand eingesetzt. Dadurch vereinen sie die hohe Härte und Verschleißbeständigkeit mit einer ausreichend guten Zähigkeit. Diese Eigenschaften martensitischer Stähle werden entscheidend vom Kohlenstoffgehalt und der bei der Wärmebehandlung erzielten Vergütungsfestigkeit bestimmt. Allgemein gilt: Je höher die Härte (Festigkeit), desto niedriger die Zähigkeit. Das Kriterium der Zuordnung von Edelstählen zu Martensiten ist die gegebene Härtbarkeit über die Martensitbildung. Es ist deshalb auch ein Lieferzustand „geglüht ohne Martensitgefüge“ für martensitische Stähle möglich. Weiterhin können die martensitischen Stähle warm-, hitze- und dabei auch korrosionsbeständig sein. Sie sind mit ihrem Martensitgefüge wie die austenitischen Stähle eher unmagnetisch. Frage 3.2.14: Welche der genannten Stähle sind Beispiele für martensitische, nichtrostende, warmfeste und hitzebeständige Stähle? Richtig ist Antwort B: X12CrS13 (1.4005), X39Cr13 (1.4031), X65Cr13 (1.4037), X20Cr13 (1.4021), X4CrNiMo16-5-1 (1.4418), X45CrSi9-3 (1.4718), X21CrMoNiV12-1 (1.4923) und X12CrNiMoN12 (1.4939)

3.2  Nichtrostende Edelstähle

163

Frage 3.2.15: Für welche Anwendungen sind martensitische, nichtrostende Edelstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort C: Für Wellen, Antriebe, Spindeln, Messer, chirurgische Instrumente, Sensoren, Ventile in Turbinen und in Verbrennungsmotoren Frage 3.2.16: Welcher Stahl ist üblicherweise unmagnetisch? Richtig ist Antwort C: Austenitischer Stahl sowie auch Antwort B: Martensitischer Stahl Grundsätzlich gelten ferritische Stähle als magnetisch, austenitische und auch martensitische Stähle eher als unmagnetisch. Die magnetischen Eigenschaften hängen vom Gefüge und der Verarbeitung ab (siehe Frage 2.1.8). Frage 3.2.17: Was sind Duplex-Stähle? Richtig ist Antwort C: Stähle mit einem Zweiphasengefüge aus Ferrit und Austenit. Die Duplex-Stähle zählen zur Gruppe der rost- und säurebeständigen Stähle (DIN EN 10088 T1 bis T3). Deren Zweiphasengefüge bestehen aus einer ferritischen Matrix (α-­Eisen mit kubisch-raumzentriertem Würfelgitter), in der austenitische Inseln (γ-Eisen mit kubisch-flächenzentriertem Gitter) eingelagert sind. Deshalb werden diese Stähle auch als ferritisch-austenitische Stähle, Duplex-Edelstähle oder nichtrostende Duplex-Stähle (Duplex Stainless Steels) bezeichnet. Die Abb.  3.4 zeigt ein typisches Zweiphasengefüge.

Abb. 3.4  Typisches Zweiphasengefüge, hell: Austenit, dunkel: Ferrit, Superduplex 1.4501 – X2CrNiMoCuWN25-7-4. (Schliffbild: BGH Edelstahl Freital GmbH)

164

3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.2.18: Welche typischen Eigenschaften kennzeichnen die Duplex-Stähle? Richtig ist Antwort B: Duplex-Stähle sind hoch korrosionsbeständig, gut umform- und schweißbar bei hohen Festigkeiten. Aufgrund seines typischen zweiphasigen Gefüges kann man den Duplex-Stahl auch als einen Verbundwerkstoff mit einer Eigenschaftskombination der beiden Phasen betrachten. So bringt die ferritische Phase eine hohe Beständigkeit gegenüber Spannungsrisskorrosion und eine höhere Festigkeit bei Raumtemperatur ein, und die austenitische Phase eine gute Umformbarkeit bei sehr hoher Korrosionsbeständigkeit. Primäre Kriterien für den Einsatz von Duplex-Stählen sind zwar dessen hohe Korrosionsbeständigkeit und gute Schweißbarkeit, aber für viele Anwendungen spielt auch die Festigkeit eine Rolle, um korrosionsbeanspruchte Konstruktionen leichter und kostengünstiger gestalten zu können. Frage 3.2.19: Welche Kennzahl als Kriterium für die Höhe der Korrosionsbeständigkeit von Duplex-Stählen wird in der Stahlpraxis genutzt? Richtig ist Antwort C: Die Wirksumme PREN aus den Gehalten an Chrom, Molybdän und Stickstoff. Die Gehalte der Legierungselemente Chrom, Molybdän und Stickstoff in Duplex-­ Stählen beeinflussen maßgebend das Korrosionsverhalten. Davon ausgehend wird zur Bewertung der unterschiedlichen hohen Korrosionsbeständigkeiten als gängige Kennzahl die Wirksumme PREN (Pitting Resistance Equivalent Number) genutzt (Steelinox, 2014; ISSF-Publication, 2013): PREN = Cr + 3,3 Mo + 16 N Hierin: Angabe der Gehalte an Chrom (Cr), Molybdän (Mo) und Stickstoff (N) in Masse-%. Da Wolfram ähnlich wie Molybdän günstig auf die Lochkorrosionsbeständigkeit wirkt, wird dies für wolframlegierte Duplexstähle auch in der Formel zum PREN-Wert berücksichtigt. Anstelle von 3,3 Mo erfolgt die Berechnung mit 3,3 (Mo + 0,5 W):

PREN w =+ Cr 3, 3 ( Mo + 0, 5 W ) + 16 N

Je höher ein PREN-Wert, desto korrosionsbeständiger ist auch der Duplex-Stahl. PREN-­ Werte oberhalb von 23 gelten für meerwasserbeständige Duplex-Stähle. Frage 3.2.20: Welche der genannten Stähle sind Beispiele für typische Duplex-Stähle? Richtig ist Antwort B: X2CrNiMoN25-7-4 (1.4410), X3CrNiMoN27-5-2 (1.4460), X2CrNiMoN22-­5-­3 (1.4462), X1CrNiMoCuWN25-7-4 (1.4501), X12CrNi26-5 (1.4820) und X15CrNiSi25-4 (1.4821) Frage 3.2.21: Für welche Anwendungen sind Duplex-Stähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort A: Für Anwendungen mit sehr hohen Korrosionsbeanspruchungen, z.  B. in der Chemie- und Offshore-Industrie, Wasserwirtschaft, Energiegewinnung, Papier- und Zellstofferzeugung.

3.3 Werkzeugstähle

165

Duplex-Stähle sind rost- und säurebeständig, weisen höhere Festigkeiten auf als austenitische Chrom-Nickel-Stähle, zeigen ein besseres Umformverhalten als ferritische Chromstähle und sind bei Temperaturen von −40  °C bis ca.  280  °C einsetzbar (ISSF-­ Publikation, 2013). Deshalb fühlen sie sich besonders wohl – nachhaltig und langlebig – an salzhaltiger Luft und im Meerwasser, in Kontakt mit aggressiven Medien bei erhöhten Temperaturen und auch Drücken, unter Zug-, Druck- und dynamischer Belastung bei gleichzeitig hoher Korrosionsbeanspruchung. Beispiele für typische Anwendungen sind zu finden in der Öl- und Gasindustrie, in chemischen Anlagen, bei der Energiegewinnung und -versorgung, der Papier- und Zellstofferzeugung, der Wasserwirtschaft, beim Küstenschutz sowie Brücken- und Tunnelbau, im Transportwesen, in der Lebensmittelindustrie, bei der Erzeugung von Biokraftstoffen, im Maschinen- und Fahrzeugbau sowie in der Architektur und Kunst (Schlegel, 2022a).

3.3  Werkzeugstähle Frage 3.3.1: In welche Hauptgruppen werden die Werkzeugstähle eingeteilt? Richtig ist Antwort B: Kalt-, Warm- und Schnellarbeitsstähle Neben den Kalt- und Warmarbeitsstählen werden die Schnellarbeitsstähle vorzugsweise als Schneidstoffe für die Zerspanung verwendet. In der Praxis wird manchmal die Gruppe der Schnellarbeitsstähle auch als eine spezielle Untergruppe der Warmarbeitsstähle angesehen. Auch die Gruppe der Kunststoffformenstähle kann man den Werkzeugstählen zuordnen. Die Abb. 3.5 zeigt eine Übersicht zu den Gruppen von Werkzeugstählen mit Blick auf ihre Anwendungsmöglichkeiten. Die DIN EN 10027-2 unterteilt die Werkstoff-Hauptgruppe 1 nach Stahlgruppennummern in: • unlegierte Werkzeugstähle: 1.15XX - 1.18XX • legierte Werkzeugstähle: 1.20XX - 1.28XX • Schnellarbeitsstähle: 1.32XX - 1.33XX Werkzeugstähle Kaltarbeitsstähle

Spanen

Kaltumformen

KunststoffVerarbeitung

Schneiden Trennen

Warmarbeitsstähle

Schmieden

Warmfließpressen

Druckgießen

Schnellarbeitsstähle

Walzen

Strangpressen

Abb. 3.5  Übersicht zur Einteilung der Werkzeugstähle

Kaltumformen

Spanen

Schneiden Trennen

166

3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.3.2: Wozu werden Kaltarbeitsstähle eingesetzt? Richtig ist Antwort C: Zur Bearbeitung anderer Werkstoffe bei Raumtemperatur. Es treten hierbei keine höheren Temperaturen als 200 °C auf. Ansonsten verliert der Kaltarbeitsstahl seine hohe Härte und Verschleißfestigkeit. Daher auch der Name „Kaltarbeitsstahl“, geeignet zur spanenden, trennenden Bearbeitung von kalten, nicht vorgewärmten Werkstücken. Frage 3.3.3: Welche Anforderungen stellt die Praxis der Metallbearbeitung an Kaltarbeitsstähle? Richtig ist Antwort B: Hoher Verschleißwiderstand, hohe Härte und Dauerfestigkeit, gute Druckfestigkeit bei ausreichender Zähigkeit, gute Maßbeständigkeit bei der Wärmebehandlung Die hohe Härte und der erforderliche Verschleißwiderstand der Kaltarbeitsstähle beruhen auf das durch ein abschließendes Härten und Anlassen bei niedrigen Temperaturen erzeugte martensitische Gefüge, teils auch mit eingelagerten Karbiden. Frage 3.3.4: Welche der genannten Stähle sind typische Kaltarbeitsstähle? Richtig ist Antwort A: X40Cr14 (1.2083), 115CrV3 (1.2210), X100CrMoV5 (1.2363), X153CrMov12 (1.2379), 100MnCrW4 (1.2510), X50CrMoW9-1-1 (1.2631) und 60MnSiCr4 (1.2826) Frage 3.3.5: Wo liegen die Hauptanwendungsbereiche von Kaltarbeitsstählen? Richtig ist Antwort C: Herstellung von Scheren, Messerklingen, Handhämmer, Baumscheren, Beile, Äxte, Holzsägen, Lehren, Dorne, Maschinenmesser. Zum Beispiel für Lehren, Dorne sowie Holzbearbeitungswerkzeuge werden niedrig legierte Kaltarbeitsstähle verwendet, für hoch beanspruchte Maschinenmesser hoch legierte Kaltarbeitsstähle. Für alle weiteren Anwendungen kommen üblicherweise die unlegierten Kaltarbeitsstähle zum Einsatz. Frage 3.3.6: Was ist ein Warmarbeitsstahl? Richtig ist Antwort B: Ein legierter Werkzeugstahl, der dauerhaft Oberflächentemperaturen von bis ca. 400 °C aushalten kann. Ein Warmarbeitsstahl ist ein legierter Werkzeugstahl, der, wie der Name es schon ausdrückt, für ein „warmes Arbeiten“ geeignet ist. Solch ein Stahl wird oberhalb des für Kaltarbeitsstähle auf 200 °C begrenzten Temperaturbereiches eingesetzt. Dabei widersteht er den dabei auftretenden mechanischen und abrasiven sowie auch thermischen Beanspruchungen. Nur wenn die Einsatztemperaturen bei über 400  °C liegen, in der Praxis bis ca. 600 °C, und eine noch höhere Temperaturbeständigkeit von Werkzeugen gefragt ist, werden Schnellarbeitsstähle verwendet.

3.3 Werkzeugstähle

167

Frage 3.3.7: Welche Anforderungen werden an Warmarbeitsstähle gestellt? Richtig ist Antwort C: Gute Warmzähigkeit, hohe Warmfestigkeit, Anlassbeständigkeit und Temperaturwechselbeständigkeit bei gleichzeitig guter Reparaturschweißbarkeit Frage 3.3.8: Welche der genannten Stähle sind typische Warmarbeitsstähle? Richtig ist Antwort B: X37CrMoV5-1 (1.2343), X40CrMoV5-1 (1.2344), 32CrMoV12-28 (1.2365), X38CrMoV5-3 (1.2367) und 55NiCrMoV7 (1.2714) Warmarbeitsstähle haben einen Kohlenstoffgehalt von 0,2 bis 0,65 Masse-%. Die Legierungselemente Chrom, Molybdän und Vanadium (bis 5 %) sowie Wolfram, Silizium, Nickel, Mangan und Kobalt sind so aufeinander abgestimmt, dass eine Vielzahl von Warmarbeitsstählen, dem jeweiligen Verwendungszweck angepasst, zur Auswahl stehen. Frage 3.3.9: Für welche Anwendungen sind Warmarbeitsstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort A: Werkzeuge für die Warmumformung und das Druckgießen Beispiele für typische Anwendungen von Warmarbeitsstählen sind Schmiede- und Presswerkzeuge, Strangpressmatrizen, Warmscherenmesser, Pilgerdorne sowie Spritzund Druckgussformen, z. B. Auswerferstifte. Weiterführende Informationen zu chemischen Zusammensetzungen, zu Verfahren der Herstellung und Bearbeitung sowie zu Eigenschaften bzw. Werkstoffdaten von Warmarbeitsstählen sind im Essential „Warmarbeitsstahl – Ein Stahlporträt“ zu finden (Schlegel & Schneiders, 2022). Frage 3.3.10: Was ist typisch für einen Schnellarbeitsstahl? Richtig ist Antwort B: Er behält bis nahezu 600 °C seine volle Schneidkraft und kann deshalb für Hochleistungsschneidwerkzeuge mit hohen Schnittgeschwindigkeiten eingesetzt werden. Schnellarbeitsstähle sind hochlegierte Werkzeugstähle, die, wie der Name es schon ausdrückt, „schnell arbeiten“; also eine sehr hohe Schnittgeschwindigkeit bei der spanenden Bearbeitung von Stählen ermöglichen. Darauf beziehen sich auch die weiteren, in der Praxis üblichen Bezeichnungen: high-speed steel bzw. high-speed tool steel, Schnellstahl, Schnelldrehstahl, Schnellschnittstahl, Hochgeschwindigkeitsstahl, Hochgeschwindigkeits-­ Werkzeugstahl, Hochleistungs-Schnellstahl, Hochleistungs-Schnellarbeitsstahl oder Hochleis­ tungs-Schnellschnittstahl. Das hervorstechende Merkmal des Schnellarbeitsstahls ist seine außergewöhnlich hohe Anlassbeständigkeit. Ein gehärteter Kohlenstoffstahl wird schon bei etwa 250  °C weich. Er verliert seine Härte und somit Schneidfestigkeit. Dagegen behält ein Schnellarbeitsstahl nach einer optimalen Wärmebehandlung noch bis über 600  °C seine volle Schneidkraft. Die Wirkung des Schnellarbeitsstahles als Zerspanungswerkzeug beruht auf den im Gefüge eingelagerten Karbiden, gebildet durch die Legierungsgehalte an Wolfram, Molyb­

168

3  Ausgewählte Stähle

dän und Vanadium bei einem angepassten hohen Kohlenstoffgehalt. Die Abb. 3.6 zeigt hierzu eine Gefügeaufnahme eines Walzdrahtes aus dem Schnellarbeitsstahl 1.3343 (HS6-5-2C). Deutlich erkennbar sind die vielen, sehr kleinen und hellen Karbide. Frage 3.3.11: Wie werden Schnellarbeitsstähle mit Kurznamen bezeichnet? Richtig ist Antwort C: Mit HS beginnend, dann die Masseanteile der Legierungselemente in der Reihenfolge: Wolfram – Molybdän – Vanadium – Kobalt. An erster Stelle steht die Kennzeichnung HS, gefolgt von den Masseanteilen der Legierungselemente in der festgeschriebenen Reihenfolge Wolfram – Molybdän – Vanadium – Kobalt. Die Masseanteile der einzelnen Legierungselemente werden hierbei in ganzen, gerundeten Zahlen angegeben. Die Masseanteile für Kohlenstoff und Chrom werden nicht genannt (Wegst & Wegst, 2019). Beispiel: HS6-5-2-5 (1.3243) – ein kobaltlegierter Standardschnellarbeitsstahl mit 6 Masse-% Wolfram, 5 Masse-% Molybdän, 2 Masse-% Vanadium und 5 Masse-% Kobalt bei ca. 4 Masse-% Chrom und ca. 0,9 Masse-% Kohlenstoff. Manchmal erscheint am Ende der Kurzbezeichnung ein C, wie z.  B. bei HS6-5-2C (1.3342). Dieses C verweist auf einen höheren Kohlenstoffgehalt im Vergleich zum HS6-5-2 (1.3339).

Abb. 3.6  Gefüge eines Schnellarbeitsstahls 1.3343  – HS6-5-2C, schmelzmetallurgisch erzeugt. (Schliffbild: BGH Edelstahl Freital GmbH)

3.3 Werkzeugstähle

169

Weiterhin kann auch ein S am Ende der Kurzbezeichnung angegeben sein, wie z. B. bei HS6-5-2-5S (1.3245). Für diesen Fall gilt ein definierter Schwefelgehalt von 0,06 bis 0,15 Masse-% als vereinbart. Üblicherweise liegen die Schwefelgehalte der Schnellarbeitsstähle bei ≤ 0,030 Masse-%. Auch beide Buchstaben C und S können am Ende einer Kurzbezeichnung stehen. Dann sind für diesen Schnellarbeitsstahl sowohl der Kohlenstoffgehalt als auch der Schwefelgehalt erhöht im Vergleich zu anderen, nahezu ähnlichen HSS-Stählen. Frage 3.3.12: Welche der genannten Stähle sind Schnellarbeitsstähle? Richtig ist Antwort C: HS18-0-1 (1.3355), HS18-1-2-5 (1.3255), HS12-1-4-5 (1.3202), HS10-4-3-10 (1.3207), HS6-5-2 (1.3339), HS6-5-3 (1.3344) und HS6-5-2-5 (1.3243) Frage 3.3.13: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Schnellarbeitsstählen? Richtig ist Antwort A: Hochleistungsschneidwerkzeuge, Werkzeuge zum Umformen und sonstige hochbeanspruchte Werkzeuge und Bauteile Schnellarbeitsstahl ist besonders gut geeignet für Werkzeuge, wenn bei der Zerspanung mit hohen Schnittgeschwindigkeiten hohe Temperaturen entstehen, also für Hochleistungsschneidwerkzeuge zum Drehen, Bohren, Fräsen, Senken, Räumen, Reiben oder Sägen. Und wegen der besseren Zähigkeit übertreffen Schnellarbeitsstähle bei vielen Anwendungen die Konkurrenzwerkstoffe Hartmetall und Oxidkeramik, obwohl diese etwas bessere Schnittleistungen aufweisen. In der Praxis werden auch Umformwerkzeuge aus Schnellarbeitsstahl gefertigt, z.  B.  Matrizen, Extrusionswerkzeuge, Kaltfließpressstempel, Tiefziehwerkzeuge, Walzen, Rollen, Schmiedewerkzeuge und Werkzeuge zur Pulververdichtung (z. B. Pulverpressstempel). Beispiele für weitere Anwendungen sind Werkzeuge für Kunststoffspritzguss, Werkzeuge zum Stanzen, Schneidstempel, Messer, Profilmesser, Schneidräder, Schermaschinenstempel, schlagfeste Werkzeuge, Brecheisen, Maschinenkomponenten sowie Drehteile für Komponenten und Bauteile für PKW-Kraftstoff­ einspritzsysteme. Weiterführende Informationen zu Schnellarbeitsstählen, auch zu Verfahren der schmelz- und pulvermetallurgischen Herstellung, zu Wärme- und Oberflächenbehandlungen sowie zu Werkstoffdaten sind dem essential „Schnellarbeitsstahl – Ein Stahlporträt“ zu entnehmen (Schlegel, 2022b). Frage 3.3.14: Welche Anlasskurve aus Abb. 3.1 gehört zum Schnellarbeitsstahl? Richtig ist Antwort C: Kurve A Aus den Anlasskurven sind die möglichen Einsatztemperaturen der verschiedenen Werkzeugstähle entnehmbar, wie in Abb. 3.7 dargestellt.

170

3  Ausgewählte Stähle Schnellarbeitsstähle Warmarbeitsstähle Kaltarbeitsstähle

HRC

A: Schnellarbeitsstahl 1.3343

65 60

B: Warmarbeitsstahl 1.2343

55 50 45 40

C: Kaltarbeitsstahl 1.2210

35 30

0

100

200

300

400

500

600

700

°C

Abb. 3.7  Vergleich der Anlasskurven an Beispielen für je einen Schnellarbeitsstahl, Warmarbeitsstahl und Kaltarbeitsstahl

3.4 

Edelbaustähle

Frage 3.4.1: Was sind Vergütungsstähle? Richtig ist Antwort B: Stähle, die durch Vergüten (Härten und Anlassen) behandelt wurden. Das Vergüten der Stähle umfasst die Kombination aus dem Wärmebehandlungsschritt Härten und dem nachfolgenden Anlassen. Mittels dieser Wärmebehandlungen wird der Stahl mit einer hohen Festigkeit bei gleichzeitig guter Zähigkeit versehen (siehe hierzu auch Abschn. 6.8: Härten). Die Vergütungsstähle, genormt in der DIN EN 10083, unterscheiden sich von den Baustählen durch die chemische Zusammensetzung. Es wird hauptsächlich mit Mangan, Chrom, Molybdän und Nickel legiert. Dabei sind die Kohlenstoff-, Mangan- und Silizium-Gehalte enger toleriert. Der Kohlenstoffgehalt liegt zwischen 0,2 bis 0,7 Masse-%. Dadurch sind diese Stähle vergütbar, also härtbar. Frage 3.4.2: Welche der genannten Stähle sind typische Vergütungsstähle? Richtig ist Antwort A: 50MnSi4 (1.5131), 41Cr4 (1.7035), 25CrMo4 (1.7218), 34CrMo4 (1.7220), 42CrMo4 (1.7225), 50CrMo4 (1.7228), 36CrNiMo4 (1.6511), 30CrNiMo8 (1.6580) und 34CrNiMo6 (1.6582)

3.4 Edelbaustähle

171

Frage 3.4.3: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Vergütungsstählen? Richtig ist Antwort B: Hoch beanspruchte Maschinenbau-, Fahrzeug- bzw. Motorenteile, wie z. B. Achsen, Wellen, Pleuel Verwendung finden Vergütungsstähle u. a. auch für Zuganker, Schrauben, Bolzen, Kurbelwellen, auch als Teile für Diesel- und Benzin-Motoreinspritzsysteme. Frage 3.4.4: Worauf nimmt der Begriff „Einsatz“ bei Einsatzstählen Bezug? Richtig ist Antwort C: Es sind Stähle, die durch eine spezielle Behandlung („Einsetzen“) an der Oberfläche aufgekohlt und somit dort härter werden. Das „Einsetzen der Stähle“ ist ein Verfahren, um Stähle, die mit einem niedrigen Kohlenstoffgehalt von 0,10 bis 0,25 Masse-% nur wenig bzw. gar nicht härtbar sind, an der Oberfläche mit Kohlenstoff auf bis ca. 1,2 Masse-% anzureichern. Das Hauptverfahren ist die Gasaufkohlung. Man packt beispielsweise die bereits bearbeiteten Bauteile bzw. Werkstücke zusammen mit Aufkohlungsmitteln, den sogenannten Zementationsmitteln wie z. B. Lederkohle, Knochenkohle oder Bariumkarbonat, in geeignete Kästen (Einsätze) und erhitzt das Ganze auf Temperaturen zwischen 880 und 980 °C. Dabei wird von den Zementationsmitteln Kohlenstoff abgegeben. Dieser dringt in die freie Oberfläche der Bauteile ein (Diffusion). Soll an bestimmten Stellen kein Kohlenstoff eindringen, werden diese Oberflächenbereiche abgedeckt (z. B. mittels Härteschutzpasten). Je höher die Temperatur und die Verweilzeit, desto dicker wird die aufgekohlte Randschicht. Übliche Einsatzhärtetiefen liegen bei 0,1 bis max. 2,5 mm. In der Abb. 3.8 ist deutlich die helle auf-

Abb. 3.8  Beispiel einer aufgekohlten Randschicht an einer Nocke von einer Motorrad-­Nockenwelle aus dem Einsatzstahl 1.7131 – 16MnCr5. (Schliffbild: Zilly, A., DHBW Stuttgart)

172

3  Ausgewählte Stähle

gekohlte Randschicht nach dem Härten erkennbar. Grundsätzlich wird heute zwischen der Pulver-, Salzbad- und Gasaufkohlung unterschieden. Nach Abschluss einer derartigen Einsatzbehandlung bestehen die Teile aus dem Kern mit zäher Beschaffenheit und aus den aufgekohlten Randzonen mit ca. 1 % Kohlenstoff. Nach solch einer Aufkohlung an der Oberfläche werden die Bauteile einer Härtung unterzogen. Dabei bleibt der Kern zäh und an der aufgekohlten Oberfläche entsteht die sogenannte „Glashärte“. Schließlich wird das Bauteil bei ca. 200 °C angelassen, um entstandene innere Spannungen zu mindern und die geforderte Gebrauchsfestigkeit zu erreichen. Unter Einsatzhärten versteht man also ein Verfahren, das ein Randschicht-Aufkohlen sowie ein Härten und Anlassen eines Werkstücks beinhaltet. Frage 3.4.5: Welche der genannten Stähle sind typische Einsatzstähle? Richtig ist Antwort B: 17CrS3 (1.7014), 17Cr3 (1.7016), 16MnCr5 (1.7131), 20MnCr5 (1.7147), 15NiCr13 (1.5752), 15CrNi6 (1.5919), 18CrNi8 (1.5920), 20NiCrMo2-2 (1.6523) und 18CrNiMo7-6 (1.6587) Frage 3.4.6: Für welche Anwendungen sind Einsatzstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort A: Für Teile, die eine harte, verschleißfeste Randschicht und einen zähen Kern aufweisen müssen, z. B. Getriebe- und Steuerungsteile, Zahnräder, Büchsen. Weitere Anwendungsbeispiele sind Kolbenbolzen, Bohrspindeln und Zahnräder. So wird beispielsweise der Einsatzstahl 18CrNiMo7-6 (1.6587) in Form von Zahnrädern für die Getriebe von Windkraftanlagen verwendet. Frage 3.4.7: Was sind Nitrierstähle? Richtig ist Antwort C: Stähle, bei denen durch Nitrieren ein Oberflächenaufhärten durch Eindringen von Stickstoff vorgenommen wird. Das Nitrieren bzw. die Nitrierung von Stählen ist ein spezielles Verfahren zum Oberflächenhärten von Stahl. Etwas exakter, vor allem chemisch korrekt formuliert, handelt es sich hierbei eigentlich um ein Nitridieren, also um eine Anreicherung von Stickstoff an der Bauteiloberfläche, vergleichbar etwa mit der Randschicht-Aufkohlung beim Einsatzhärten der Stähle. Bei solch einer Nitrierbehandlung, z. B. in stickstoffhaltigen Gasen (Gas- oder Plasmanitrieren) oder in Salzbädern, dringt der Stickstoff durch Diffusion in die Bauteil­ oberfläche ein. Dadurch werden extrem harte und verschleißbeständige, nitridhaltige Schichten gebildet, die je nach Behandlung 0,2 bis 0,5 Millimeter dick werden können. Auch hier bleibt der Kernbereich des zu behandelnden Bauteils ausreichend zäh. Das Verfahren findet bei Temperaturen von 500 bis 590 °C statt, wobei Behandlungszeiten zwischen einer Stunde und bis zu 100 h erforderlich sein können. Der Vorteil beim Nitrieren besteht darin, dass bei dieser Behandlung des Stahls keine Gefügeumwandlungen auftreten. Frage 3.4.8: Welche der genannten Stähle sind typische Nitrierstähle? Richtig ist Antwort C: 34CrAlMo5-10 (1.8507), 41CrAlMo7-10 (1.8509), 31CrMo12 (1.8515), 31CrMoV9 (1.8519) und 34CrAlNi7-10 (1.8550)

3.5  Nickel- und Sonderwerkstoffe

173

Frage 3.4.9: Für welche Anwendungen sind Nitrierstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort A: Wellen, Ventilspindeln, Kolbenstangen, Kurbelwellen, Armaturenteile, Teile für Hydraulik und Pneumatik Verwendung finden Nitrierstähle vor allem im Motoren- und Maschinenbau, in der Hydraulik und Pneumatik, und hier insbesondere für Baumaschinen (Kleinbagger, Radlader, Vibrationswalzen), Mobilkrane, Industriestapler, für Ernte- und Mähmaschinen, Traktoren, Kehrmaschinen, Pistenraupen usw. Es wird eine hohe Dauerfestigkeit gefordert, die durch eine Nitrierbehandlung positiv beeinflusst wird. Beispielsweise besitzt eine typische Pistenraupe ein Hydraulikantriebssystem. Dieses wird von einer Axialkolbenpumpe bedient, dessen Hauptantriebswelle aus dem Nitrierstahl 31CrMoV9 (1.8519) gefertigt ist.

3.5  Nickel- und Sonderwerkstoffe Frage 3.5.1: Was sind Nickel- und Sonderwerkstoffe? Richtig ist Antwort B: Legierungen mit außergewöhnlichen Eigenschaften, die den Bereich der Stähle verlassen und den Nichteisenmetallen und Superlegierungen zugeordnet werden. Die Nickel- und Sonderwerkstoffe sind spezielle Legierungen, die außer den Chrom-Aluminium-Legierungen alle das Legierungselement Nickel (Nickel-Eisen- und Nickel-­ Chrom-Legierungen) enthalten und sogenannte Nickel-Basis-Legierungen darstellen. Frage 3.5.2: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für korrosionsbeständige Nickel- und Sonderwerkstoffe? Richtig ist Antwort A: LC-Ni 99 – Alloy 201 (2.4068), NiCu30Fe – Alloy 400 (2.4360), NiCr21Mo16W – Alloy 686 (2.4606), NiCr20CuMo – Alloy 20 (2.4660), NiCr19NbMo – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe – Alloy 600 (2.4816), NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856) und X2CrNiMnMoNbN25-18-5-4 – Alloy 24 (2.4887) Frage 3.5.3: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von korrosionsbeständigen Nickelund Sonderwerkstoffen? Richtig ist Antwort C: Chemie- und Nuklearanlagenbau, Marine- und Off-Shore-­ Anlagenbau, Lebensmittelindustrie, Salzgewinnung, Wärmetauscher, Ölverarbeitung und Energiegewinnung Ein Beispiel im Off-Shore-Anlagenbau ist der Einsatz von NiCr22Mo9Nb – Alloy 625 (2.4856) als Schweißdraht. Der Sonderwerkstoff NiCr19NbMo – Alloy 718 (2.4668), eine korrosionsbeständige, aushärtbare Nickel-Chrom-Eisen-Molybdän-Legierung, wird beispielsweise für hochfeste Verbindungselemente im Nuklearanlagenbau verwendet. Frage 3.5.4: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für hochwarmfeste Nickel- und Sonderwerkstoffe? Richtig ist Antwort B: NiCr19NbMo – Alloy 718 (2.4668), NiCr15Fe7TiAl – Alloy X-750 (2.4669), NiCr20TiAl – Alloy 80 A (2.4952) und X6NiCrMoVB25-15-2 – Alloy A-286 (1.4980)

174

3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.5.5: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für hitzebeständige Nickel- und Sonderwerkstoffe? Richtig ist Antwort C: NiCr23Co12Mo  – Alloy 617 (2.4663), NiCr15Fe  – Alloy 600 (2.4816), NiCr23Fe  – Alloy 601 (2.4851), NiCr22Mo9Nb  – Alloy 625 (2.4856), NiCr21Mo – Alloy 825 (2.4858) und NiCr15Fe – Alloy 800 (1.4876) Frage 3.5.6: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von hochwarmfesten Nickel- und Sonderwerkstoffen? Richtig ist Antwort A: Industrieofenbau, Erzaufbereitungsanlagen, Röstöfen, Ofenanlagen der Zement- und Erdölindustrie sowie in petrochemischen Betrieben, Müllverbrennungsanlagen, Kraftwerksbau, Turbinenbau, Auslassventile bei Verbrennungsmotoren, Drahtgewebe und -gestricke für Filter und Abgassysteme. Frage 3.5.7: Was ist ein Heizleiter? Richtig ist Antwort C: Eine Widerstandslegierung, die eine Energieumwandlung (Elektro­ energie in Wärme) ermöglicht, d. h. sich bei Stromdurchgang erwärmt. Heizleiter besitzen einen so hohen spezifischen elektrischen Widerstand, dass im Falle eines Stromdurchflusses eine Energieumwandlung von elektrischer Energie in Wärmeener­ gie wirkungsvoll möglich wird. Zudem sind Heizleiterwerkstoffe im Einsatz bei hohen Temperaturen auch zunderbeständig. Die Lebensdauer hängt dabei entscheidend von den eng tolerierten Legierungsgehalten, vom Reinheitsgrad und einer sehr geringen Korngröße ab. Frage 3.5.8: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für Heizleiterwerkstoffe? Richtig ist Antwort A: CrAl 14 4 (1.4725), CrAl 25 5 (1.4765), CrAl 20 5 (1.4767), NiCr 30 20 (1.4860), NiCr 60 15 (2.4867) und NiCr 80 20 (2.4869) Frage 3.5.9: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Heizleiterwerkstoffen? Richtig ist Antwort C: Zum Heizen in der Industrie (z. B. für Heizpatronen, Heizspiralen in Öfen), im Freizeitbereich (z. B. beheizte Sitze im PKW) sowie im Haushalt Die Klassiker im Haushalt sind die Heizspirale im Haarfön oder im Cerankochfeld der Küche. Frage 3.5.10: Was sind Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen? Richtig ist Antwort C: Werkstoffe, die einen definierten Ausdehnungskoeffizienten aufweisen. Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen sind Werkstoffe, die eine kontrollierte Wärmeausdehnung mit linearen Ausdehnungskoeffizienten von nahe Null bis ca. 12 x 10−6/K innerhalb eines bestimmten Temperaturbereiches aufweisen. Dadurch wird zum Beispiel eine stabile und auch vakuumdichte Glas- bzw. Keramik/Metall-Verbindung gewährleistet. Die einzelnen Komponenten Metall-Glas bzw. Metall-Keramik verfügen dabei über

3.6  Sonstige Stähle

175

eine nahezu übereinstimmende thermische Ausdehnungscharakteristik und gleichzeitig über ein Minimum an inneren Spannungen. Frage 3.5.11: Welche der genannten Legierungen sind typische Einschmelzlegierungen? Richtig ist Antwort A: FeNi 36 (1.3912), FeNi 42 (1.3917) und FeNi 48 (1.39229) Frage 3.5.12: Welche der genannten Legierungen sind typische Ausdehnungslegierungen? Richtig ist Antwort B: NiCo 29 18 (1.3981), NiFe 45 (2.4472) und NiFe 47 (2.4478) Frage 3.5.13: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen? Richtig ist Antwort B: Apparate- und Werkzeugbau, „Bimetalle“ für Messinstrumente, Thermostate, Relais, Glas-/Keramik-Metallversiegelungen, Lichttechnik Die Einschmelz- und Ausdehnungslegierungen haben ein breites Einsatzgebiet als Stanz-, Ätz- und Tiefziehteile für Apparate- und Werkzeugbau, als „Bimetalle“, Laserbauteile, für Ausrüstungen für Flüssiggashandlings, in Röntgenröhren, für Transistorensockel, in der Lichttechnik als Anschlussdrähte für Stromdurchführungen (Beispiel: Halogen- und LED-Leuchtmittel), in der Optoelektronik, als Gas-Durchflusssensoren, als Zünderdurchführungen für KFZ-Airbags, Teile für Diesel-Injektoren, Isolatoren, Ausdehnungsregler u. v. a. m.

3.6 

Sonstige Stähle

Frage 3.6.1: Was charakterisiert einen Automatenstahl? Richtig ist Antwort C: Er führt zu einer Kurzbrüchigkeit der Späne bei der Zerspanung und garantiert eine quasi ununterbrochene Bearbeitung auf Automatendrehmaschinen. Automatenstähle sind mit definierten Phosphor- oder Schwefelgehalten optimiert für die automatisierte spanende Fertigung mit ununterbrochenem Schnitt. Frage 3.6.2: Welche der genannten Legierungen sind typische Automatenstähle? Richtig ist Antwort A: 11SMn30 (1.0715), 11SMnPb30 (1.0718), 10SPb20 (1.0722), 11SMnPb37 (1.0737), 11SMnPbTe37 (1.0738), 60SPb22 (1.0758) und 70SPb20 (1.0759) Bei der Stahlherstellung von bleilegierten Stählen entstehen toxische Dämpfe. Deshalb werden immer weniger Automatenstähle mit Bleizusatz erzeugt. Frage 3.6.3: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Automatenstählen? Richtig ist Antwort C: Serienfertigung von Präzisionsdrehteilen auf Drehautomaten und Bearbeitungszentren

176

3  Ausgewählte Stähle

Viele Präzisionsdrehteile, wie z. B. Achsen und Wellen für Kleinstmotoren, werden aus Automatenstahl auf CNC-gesteuerten Drehautomaten präzise und schnell in Serie gefertigt. Frage 3.6.4: Was ist typisch für einen Federstahl? Richtig ist Antwort B: Seine herausragende Elastizität, wie sie für die Anwendung bei Federn erforderlich ist. Bis zur Elastizitätsgrenze kann ein Bauteil beansprucht werden, um danach wieder ohne bleibende Verformung elastisch in den Ausgangszustand zurückzukehren. Und dies wiederholt sich bei Federn unzählige Male. Im Vergleich zu anderen Stählen besitzen Federstähle neben ihrer Elastizität eine höhere Festigkeit und ein Streckgrenzen-Verhältnis (Streckgrenze zu Zugfestigkeit) von üblicherweise > 85 %. Zur Sicherung der gewünschten Federeigenschaften muss auf die Einhaltung sehr gleichmäßiger mechanischer Kennwerte des Vormaterials (z. B. des Drahtes für die Federnherstellung) geachtet werden. Frage 3.6.5: Welche der genannten Legierungen sind typische Federstähle? Richtig ist Antwort B: C67E 7/C67S (1.1231), X10CrNi18-8 (1.4310), 38Si7 (1.5023), 67SiCr5 (1.7103), 61SiCr7 (1.7108) und 52CrMoV4 (1.7701) Frage 3.6.6: Für welche Anwendungen sind Federstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort A: Federn unterschiedlichster Art zur Speicherung potenzieller Energie, z. B. Kupplungsfedern, Fahrwerksfedern, Rückstellfedern. Weitere Anwendungsbeispiele sind Federn für Uhrwerke, Federwaagen, Federn für Drehmomenten-Schlüssel, Sprungfeder-Matratzen, Kugelschreiberfedern. Frage 3.6.7: Welche Eigenschaften haben Wälzlagerstähle? Richtig ist Antwort C: Einen sehr hohen Verschleißwiderstand durch im Gefüge eingeformte harte Chrom-Karbide. Frage 3.6.8: Welche der genannten Legierungen sind typische Wälzlagerstähle Richtig ist Antwort C: 100Cr6 (1.3505), 100CrMnSi6-4 (1.3520), 100CrMo7-3 (1.3536), X65Cr13 (1.4037) und X30CrMoN15-1 (1.4108) Der Klassiker der Wälzlagerstähle ist der 100Cr6 (1.3505) mit einem Gehalt von ca. 1 Masse-% Kohlenstoff und 1,5 Masse-% Chrom. Weitere Wälzlagerstähle sind z.  B. 100CrMnSi6-4 (1.3520) und 100CrMo7-3 (1.3536). Bei diesen Stählen dienen Mangan und Molybdän der besseren Durchhärtbarkeit. Für Anwendungen in korrosiver Umgebung werden Wälzlager aus hochlegierten Stählen gefertigt, z.  B. aus X65Cr13 (1.4037) und X30CrMoN15-1 (1.4108). Frage 3.6.9: Für welche Anwendungen sind Wälzlagerstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort B: Zur Herstellung unterschiedlichster Typen von Wälzlagern, für deren Außen- und Innenringe sowie für die Wälzkörper.

3.6  Sonstige Stähle

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Wälzlagerstahl wird für alle Grundformen von Radial- und Axiallagern eingesetzt: Kugel-, Zylinderrollen-, Nadel-, Kegelrollen-, Tonnen- und Toroidal-Rollen-Lager. Weitere Anwendungen sind Präzisionsteile wie z. B. für Diesel-Einspritzanlagen in Motoren. Frage 3.6.10: Was sind Ventilstähle? Richtig ist Antwort C: Stähle, die als Ein- oder Auslassventile in Verbrennungsmotoren sehr komplexen, hohen Anforderungen gerecht werden. Ventile als Ein- oder Auslassventile in Verbrennungsmotoren sind sehr hohen und komplexen Beanspruchungen (Temperatur, Reibung, Korrosion) ausgesetzt. Deshalb müssen Ventilstähle auch sehr hohen Anforderungen an Festigkeit, Härtbarkeit, Verschleißwiderstand, Zunderbeständigkeit und auch Umformbarkeit genügen. Ventile werden ausgehend vom Vormaterial (blanke Stäbe oder Draht) durch Elektrostauchen oder Fließpressen hergestellt. Frage 3.6.11: Welche der genannten Legierungen sind typische Ventilstähle? Richtig ist Antwort A: X45CrSi9-3 (1.4718), X40CrSiMo10-2 (1.4731), X85CrMoV18-2 (1.4748), X33CrNiMnN23-8 (1.4866), X53CrMnNiN21-9 (1.4871), X55CrMnNiN20-8 (1.4875), X50CrMnNiNbN21-9 (1.4882), X45CrNiW18-9 (1.4873), NiCr20TiAl (2.4952) und Ni-Cr-Leg. 30/15 (9.4991) Frage 3.6.12: Für welche Anwendungen sind Ventilstähle besonders geeignet? Richtig ist Antwort C: Für Ventile unterschiedlichster Verbrennungsmotoren Wie der Name es ausdrückt, dienen Ventilstähle zur Herstellung unterschiedlichster Ventile für Verbrennungsmotoren (Einlass- und Auslassventile, Mono- und Bimetall-­ Ventile) sowie für Ventilsitzringe für Flug-, PKW-, LKW- und Schiffs-Dieselmotoren. Frage 3.6.13: Was kennzeichnet Magnetventilstähle? Richtig ist Antwort B: Es sind Stähle, die zur sicheren Funktion von elektromagnetisch betriebenen Ventilen definierte magnetische Eigenschaften aufweisen. Ein Magnetventil wird mit sehr kurzen Schaltzeiten elektromagnetisch betätigt. Zur sicheren Funktion sind definierte magnetische Eigenschaften der eingesetzten Bauteilwerkstoffe einzuhalten. Aus fertigungstechnischen Gründen sind magnetische Eigenschaften zu unterscheiden, die mit einer konventionellen Fertigungsroute (Stahlerzeu­ gung und Verarbeitungstechnologie) einstellbar sind, oder die nur durch eine spezielle Schlusswärmebehandlung erreicht werden können. Frage 3.6.14: Welche der genannten Legierungen sind Magnetventilstähle? Richtig ist Antwort B: X2CrNi12 (1.4003), X12CrS13 (1.4005), X6Cr17 (1.4016), X17CrNi16-2 (1.4057), X14CrMoS17 (1.4104), X6CrMoS17 (1.4105), X105CrMo17 (1.4125), X4CrNiMo16-5-1 (1.4418) und X3CrNb17 (1.4511)

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3  Ausgewählte Stähle

Frage 3.6.15: Wo liegen die Haupteinsatzgebiete von Magnetventilstählen? Richtig ist Antwort A: Für Teile in elektromagnetisch betätigten Ventilen Magnetventilstähle finden sich überall dort, wo Flüssigkeiten strömen und gemessen, gesteuert und geregelt werden müssen (Füllstand, Druck, Durchfluss, Temperatur); also in elektromagnetisch betätigten Ventilen. Ein Beispiel hierfür ist das Elektromagnetventil einer Benzin-Direkteinspritzanlage für PKW-Motoren. Frage 3.6.16: Was kennzeichnet Maraging-Stähle? Richtig ist Antwort B: Hohe Festigkeit bei gleichzeitig guter Zähigkeit. Maraging-Stähle besitzen hohe Festigkeiten (Zugfestigkeiten  > 1850 bis 2400  MPa) und gleichzeitig gute Zähigkeitswerte, auch günstige Verarbeitungs- und Schweißeigenschaften. Frage 3.6.17: Welche der genannten Legierungen sind Beispiele für Maraging-Stähle. Richtig ist Antwort B: X3NiCoMoTi18-9-5 (1.2709), X2NiCoMo18-9-5 (1.6354) und X2NiCoMoTi18-12-4 (1.6356) Frage 3.6.18: Für welche Anwendungen kommen Maraging-Stähle in Betracht? Richtig ist Antwort C: Für Druckguss- und Spritzgusswerkzeuge, für Gaszentrifugen, Messer und Klingen Maraging-Stähle werden vorwiegend als Warmarbeitsstähle z. B. für Druckguss- und Spritzgusswerkzeuge, für Gaszentrifugen, für die Herstellung von Messern, auch Klingen für das Sportfechten sowie für Teile der Uhrenindustrie eingesetzt.

4

Stahlherstellung

4.1

Aus der Geschichte des Stahls

Frage 4.1.1: Seit wann kannten die Menschen Eisen und haben es bearbeitet? Richtig ist Antwort B: Bereits vor über 3000 Jahren vor der Zeitwende war Meteoreisen bekannt und wurde durch Hämmern bearbeitet. Die Nutzung von Meteoreisen ist vielfach belegt: Die grönländischen Eskimos fertigten daraus ihre Messer, die Mayas von Yukatan sowie die Indios von Peru bearbeiteten Meteoreisen mit Hämmern aus Feuerstein. Aus der Zeit um 3100 v. Chr. stammt ein Dolchstück, das in Ur in Mesopotamien (dem heutigen Irak) gefunden wurde. Es gehört zu den ältesten bis jetzt gefundenen Gegenständen aus Meteoreisen (Lietzmann et  al., 1984). Also kannten die Menschen schon Eisen in einer Zeit, als sie noch nicht gelernt hatten, gezielt aus Eisenerz Eisen zu erzeugen, und auch noch nicht die dazu nötigen hohen Schmelztemperaturen beherrschten. Frage 4.1.2: Wann und wie begann die gezielte metallurgische Herstellung von Eisen bzw. Stahl? Richtig ist Antwort A: Vermutlich schon vor über 2000 Jahren vor der Zeitwende unter Nutzung von Grundkenntnissen der Erzreduktion bei der Herstellung von Kupfer. Es wird heute angenommen, dass dort die frühen Zentren der metallurgischen Gewinnung von Eisen aus gesammelten, später bergmännisch gewonnenen Erzen entstanden, wo man schon früheste Kupfergegenstände gefunden hat: in Kleinasien. Denn in den Öfen, in denen dort Kupfermetall erschmolzen wurde, könnte auch Eisenerz zu Eisen reduziert worden sein. So war um 1800 vor der Zeitwende Eisenschmuck und -werkzeug in Phönizien (heute Israel, Libanon und Syrien) bekannt, später auch auf Zypern. Zwischen 1600 und 1200 vor der Zeitwende wurde Eisen verstärkt genutzt. So kam es zum Übergang von

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_12

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180

4 Stahlherstellung

der Bronze- zur Eisenzeit. Das Wissen zur Verarbeitung von Eisenerz (Reduktion mit Holzkohle) gelang nach Europa und so begann auch hier etwa ab 750 bis 700 vor der Zeitwende die Eisenzeit, beispielsweise nach 500 vor der Zeitwende die Eisenverhüttung im Siegerland. Frage 4.1.3: Was für ein Eisen konnten die ersten genutzten Öfen zur Reduktion von Eisenerzen herstellen? Richtig ist Antwort C: Ein teigiges, mit viel Schlacke verunreinigtes Eisen („Luppe“). Bei Temperaturen von zunächst nur ca. 700 bis 900 °C entstand ein nur teigiges, mit viel Schlacke verunreinigtes Eisen, das „Luppe“ oder „Eisenschwamm“ genannt wurde (Ledebur, 1892). Diese Luppen wiesen nach Entfernen der Schlacke einen geringen Kohlenstoffgehalt auf, waren schmiedbar und kamen dem heutigen Stahl schon nahe. Frage 4.1.4: Welcher Ofentyp zur Eisenverhüttung in kontinuierlichem Betrieb war der eigentliche Vorläufer des Hochofens? Richtig ist Antwort B: Floßofen Mit einem Floßofen war schon wie beim späteren Hochofen ein kontinuierliches Schmelzen unter laufender Zugabe von Eisenerz und Brennstoff möglich. Im Unterschied zum Rennofen entstand infolge der höheren Schmelztemperaturen flüssiges Roheisen, das zusammen mit der Schlacke ausfloss. Daher stammt auch der Name „Floßofen“. Dieser Ofentyp war höher gebaut (z. B. bis 8 m hoch) als frühere Stücköfen und aus Natursteinen aufgemauert. Betrieben wurden diese „Hohen Öfen“ bis ins 18. Jahrhundert mit Holzkohle, deshalb auch als „Holzkohle-Hochöfen“ bezeichnet. Frage 4.1.5: Welches Produkt entstand bei der kontinuierlichen Eisenerzverhüttung im Floßofen? Richtig ist Antwort A: Ein noch schlackehaltiges, kohlenstoffreiches, nicht schmiedbares Roheisen. Die Schlacke musste nach dem Erkalten entfernt und der hohe Kohlenstoffgehalt gesenkt werden. Auch ein Reinigen des Roheisens von unerwünschten chemischen Elementen war erforderlich, um gut schmiedbares Eisen, also Stahl, zu erhalten. Frage 4.1.6: Was versteht der Metallurge unter Frischen? Richtig ist Antwort B: Das unter Frischluftzufuhr ablaufende „Verbrennen“ des überschüssigen Kohlenstoffs aus dem Roheisen. Die Technologie „Frischen“ erfand man Mitte des 14. Jahrhunderts: Das erzeugte Roheisen wurde in einem Holzkohlefeuer („Frischfeuer“) bei ständiger Frischluftzufuhr behandelt. Dabei verbrannte der überschüssige Kohlenstoff, d. h. chemisch verband sich der Sauerstoff aus der Luft mit dem Kohlenstoff aus dem flüssigen Roheisen und entwich gasförmig. Auch unerwünschte Eisenbegleiter im Eisen wurden beim Frischprozess oxidiert und setzten sich an der Schmelzbadoberfläche als leichtere Schlacke ab. Ein recht sauberes Schmiedeeisen war das Ergebnis.

4.1  Aus der Geschichte des Stahls

181

Frage 4.1.7: Ab wann wurde zur Steigerung der Roheisenproduktion Koks anstelle von Holzkohle eingesetzt? Richtig ist Antwort C: Ab Anfang des 18. Jahrhunderts Es war Abraham Darby (1676–1717), ein englischer Eisenfabrikant, der ab 1709 anstelle von Holzkohle im Hochofen Koks einsetzte. Im Jahre 1796 erfolgte die Inbetriebnahme des ersten Kokshochofens Deutschlands im Königlichen Hüttenwerk in Gleiwitz. Frage 4.1.8: Welches Verfahren zum Roheisenfrischen war das erste wirklich günstige Verfahren, das bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Stahlerzeugung maßgeblich geprägt hat? Richtig ist Antwort B: Das von Henry Bessemer (1813–1898) 1855 erfundene und nach ihm benannte Bessemer-Verfahren. In einem birnenförmigen, kippbar gelagerten Ofen („Bessemer-Birne“) wurde von unten in das flüssige Roheisen Druckluft hineingepresst. Dadurch verbrannten die Eisenbegleiter Kohlenstoff, Silizium, Mangan und andere. Die Ofenausmauerung dieses Konverters bestand aus einem kieselsäurehaltigem Quarzsand („saure Auskleidung“). Es konnten bei einer 20-minütigen Behandlungszeit ca.  3  t eines nahezu kohlenstofffreien Stahls erzeugt werden. Der Nachteil war jedoch, dass Phosphor als Stahlschädling nicht beseitigt werden konnte, also nur phosphorarmes Roheisen zu Stahl „frischbar“ war. Frage 4.1.9: Welche weiteren Verfahren bzw. Anlagen zum Behandeln von Roheisen wurden ab Mitte des 18. Jahrhunderts bis ins 20. Jahrhundert genutzt? Richtig ist Antwort A: Das Tiegelschmelzverfahren und der Siemens-Martin-Ofen In der Mitte des 18. Jahrhunderts erfand Benjamin Huntsman (1704–1776) das Tiegelschmelzverfahren für spezielle Anwendungen (z. B. für Uhrenfeder- und Werkzeugstahl). Er behandelte das bereits durch Puddeln oder Frischen hergestellte schmiedbare Eisen erneut in einem von außen beheizten Tiegel. Dabei wurde durch Zusatz von Eisenoxid das Roheisen weiter entkohlt und es entstand erstmals ein Stahl mit weniger als 2,1 Masse-% Kohlenstoff. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das Verfahren von Krupp in Essen verbessert und für größere Mengen eingeführt. Diese aufwendige, sehr spezielle Methode fand jedoch nie eine größere Bedeutung für die Stahlerzeugung. Mit der Weiterentwicklung des Tiegelofens erlangte ab 1864 das Verfahren zur Reinigung von Roheisen, als „Siemens-Martin-Verfahren“ bekannt, großtechnische Anwendung bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein. Dieses Verfahren wurde von den Ingenieuren Friedrich Siemens (1826–1904), Wilhelm Siemens (1823–1883), Pierre-Émile Martin (1824–1915) und seinem Vater Émile Martin (1794–1871) erfunden. Der Unterschied zum Tiegelofen von Huntsman besteht darin, dass die Temperatur im Siemens-­Martin-­Ofen durch eine spezielle Regenerativfeuerung in Kammern unter dem Ofen bis auf 1800 °C erhöht werden konnte. Mit der Weiterentwicklung des Sauerstoff-­Blasverfahrens wurde das Siemens-Martin-Verfahren verdrängt. Der letzte deutsche Siemens-­Martin-Ofen kam übrigens 1993 in Brandenburg/Havel zum Stillstand. Auch die „Bodenblasverfahren“ nach Bessemer und Thomas-Gilchrist haben heute keine Bedeutung mehr.

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4 Stahlherstellung

Seit den 1950er-Jahren hat sich das Sauerstoff-Aufblasverfahren nach Linz-Donawitz durchgesetzt (benannt nach den Standorten der österreichischen Stahlwerke Linz und Donawitz). Dieses LD-Verfahren ist eine Weiterentwicklung des Thomasverfahrens. Frage 4.1.10: Welche Höhe und Kapazität erreichen heute moderne Hochöfen? Richtig ist Antwort C: Über 36 m und 10.000 t pro Tag. Frage: 4.1.11: Wann wurde das erste Elektrostahlwerk der Welt in Betrieb genommen? Richtig ist Antwort B: 1906 in Remscheid Im damaligen Stahlwerk Richard Lindenberg AG wurde 1906 der weltweit erste industriell genutzte Elektrostahlofen in Betrieb genommen. Es war ein Lichtbogenofen, wie ihn heute fast alle Elektrostahlwerke nutzen.

4.2 Stahlerzeugung (Hochofen-­Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung) Frage 4.2.1: Was ist das Produkt der Primärmetallurgie bei der Stahlerzeugung? Richtig ist Antwort C: Rohstahl mit einer groben Analyse, also mit einer noch nicht exakt der vorgegebener Zielanalyse angepassten chemischen Zusammensetzung. Frage 4.2.2: Welche Aufgaben hat die Sekundärmetallurgie? Richtig ist Antwort C: Feinbehandlung des Rohstahls (Legieren, Entgasen, Entkohlen, Entschwefeln, Entphosphorung, Desoxidation, Temperatureinstellung) Die Sekundärmetallurgie (Feinbehandlung von Rohstahl) ist nicht mit der Sekundärerzeugung von Stahl im Elektrostahlwerk zu verwechseln. Frage 4.2.3: Mit welchem Reduktionsmittel wird in einem klassischen Hochofen das Eisenoxid reduziert? Richtig ist Antwort B: Koks (Kohlenstoff) und richtig ist auch Antwort C: Kohlenmonoxid (CO) Der Koks wirkt als Reduktionsmittel, bildet mit der Luft Kohlenmonoxid, welches das im Erz befindliche Eisenoxid reduziert. Das dabei entstehende Eisen sammelt sich im unteren Teil des Hochofens als flüssiges Roheisen. Dieses Roheisen enthält ca.  3 bis 4 Masse-% Kohlenstoff, ist spröde und nicht schmiedbar. Frage 4.2.4: Welche Aufgabe haben die Zuschlagstoffe, z. B. Kalkstein, die zusammen mit dem Eisenerz und Koks (Beschickung) dem Hochofen zugeführt werden? Richtig ist Antwort B: Bindung von Begleitstoffen im Erz und Bildung einer dünnflüssigen Schlacke.

4.2  Stahlerzeugung (Hochofen-Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung)

183

Die Begleitstoffe im Erz werden durch die Zuschläge (z. B. Kalkstein) in eine dünnflüssige Schlacke umgewandelt. Diese Schlacke sammelt sich unten im Gestell auf der Oberfläche des flüssigen Roheisens, da es eine geringere Dichte hat als das Roheisen. Frage 4.2.5: Wie wird heute das im Hochofen erzeugte flüssige Roheisen zu Rohstahl umgewandelt? Richtig ist Antwort A: Durch einen Frischprozess mit Sauerstoff in einem Konverter Mittels Sauerstoff wird der Kohlenstoffgehalt des flüssigen Roheisens aus dem Hochofen in einem weiteren Prozessschritt auf unter 2 Masse-% verringert. Dies geschieht heute in einem Blaskonverter. Über eine Lanze wird Sauerstoff auf und in das flüssige Roheisen geblasen. Dadurch wird der Kohlenstoff „herausoxidiert“. Diesen Vorgang nennt man „Frischen“. Durch die Zugabe eines Anteils von ca. 20 % an Stahlschrott wird vermieden, dass sich die Schmelze überhitzt. Die unerwünschten Eisenbegleiter oxidieren gasförmig oder werden unter Zugabe von Kalk verschlackt. Nach dem Frischprozess wird der Konverter gekippt und der fertige Rohstahl fließt durch das Abstichloch in eine Pfanne. Der flüssige Rohstahl muss abschließend noch feinbehandelt werden. Frage 4.2.6: Welche Vorteile bietet die Elektrostahlerzeugung? Richtig ist Antwort C: Die Elektrostahlerzeugung ist ein Schrottrecycling mit Nachhaltigkeit und guter Umweltbilanz, wobei fast jede Stahlsorte herstellbar ist. Ohne Schrott kein neuer Stahl – ökonomisch und ökologisch gibt es heute zum Schrottrecycling keine Alternative, denn Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz, Recycling und Umweltbilanz sind bei der Produktion von Werkstoffen und Erzeugnissen, mit deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, unverzichtbare Herausforderungen mit gesellschaftlich-­sozialen Aspekten. Und Stahl, der weltweit am häufigsten und universell verwendete Werkstoff, besitzt hierbei eine herausragende Position. In einem ewigen Kreislauf entsteht aus Schrott Stahl, beliebig oft und vor allem ohne Qualitätsverlust. Dabei ist der recycelte Stahl dem ursprünglich aus Erz erzeugten Stahl (Hochofen-­Konverter-­Route) absolut gleichwertig. Dieses Multirecycling kann unter Einbeziehung der Primärherstellung von Stahl aus Erz vereinfacht auch so formuliert werden: Erz – Roheisen – Stahl – Stahlprodukt  – Nutzung  – Schrott  – Elektrostahl  – Stahlprodukt  – Nutzung  – Schrott  – Elektrostahl – Stahlprodukt – Nutzung – Schrott – usw. Die Abb. 4.1 zeigt hierzu etwas vereinfacht diesen ewigen Kreislauf von Stahl. Frage 4.2.7: Wie funktioniert ein Lichtbogenofen (LBO) zur Stahlerzeugung? Richtig ist Antwort A: Ein zwischen den stromführenden Graphitelektroden und dem Schrott gezündeter Lichtbogen schmilzt den Schrott durch die thermische Strahlung. Die wesentlichen Bauteile eines Lichtbogenofens sind der Schnittdarstellung in Abb. 4.2 zu entnehmen. Mittels Körben wird der Schrott über den Ofen gefahren und chargiert. Nach dem Chargieren wird der Deckel geschlossen. Die Elektroden fahren herunter und  zünden einen Lichtbogen. Dadurch wird der eingesetzte Schrott bei Temperaturen bis 1800  °C

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4 Stahlherstellung

Kreislauf Stahl

Eisenerz

Hochofen-Konverter-Route

Stahl Verarbeitung

Elektrostahlerzeugung Nutzung

Schrott Aufbereitung Verwertung

Deponie

Abb. 4.1  Der ewige Kreislauf von Stahl. (vereinfachte Darstellung)

Elektroden Filter

Deckel

Erker mit Bodenabstich

Schlacke

Rohstahlabguss

Ofengefäß, kippbar

Pfanne

Drehstrom-Elektro-Lichtbogen-Ofen Abb. 4.2  Drehstrom-Elektrolichtbogenofen. (Schnittzeichnung)

4.2  Stahlerzeugung (Hochofen-Konverter-Route, Elektrostahlerzeugung)

185

verflüssigt. Danach erfolgt der Abguss der Schmelzcharge (Rohstahl) in eine vorgewärmte Pfanne bei ca.  1700  °C.  Ursprünglich nur für die Edelstahlerzeugung genutzt, werden Lichtbogenöfen zunehmend auch für das Schmelzen von Baustählen eingesetzt. Heute dienen sie in Verbindung mit den sekundärmetallurgischen Verfahren größtenteils nur zum Verflüssigen des Schrotts. Frage 4.2.8: Wie ist die Arbeitsweise eines Vakuum-Induktions-Mehrkammerofens (VIM) zur Stahlerzeugung? Richtig ist Antwort B: Unter Vakuum wird durch induktiv erzeugte Wirbelströme in einem Schmelzgefäß Schrott erschmolzen, feinbehandelt und zu Blöcken abgegossen. Es ist das älteste, seit 1928 industriell genutzte Vakuumschmelzverfahren. Sowohl das Chargieren des Schrottes, das Erschmelzen und die Schmelzbehandlung (Entgasen, Desoxidieren, Legieren) sowie das Gießen zu Blöcken erfolgen in Kammern unter Vakuum. Die Abb. 4.3 zeigt hierzu eine Schnittzeichnung durch einen Vakuum-Induktions-­ Mehrkammerofen mit Chargier-, Schmelz- und Gießkammern. Zur Erzielung einer hohen Reinheit und Homogenität im erzeugten Stahl muss sehr sauberer Schrott (keine

Chargierkammer

Schmelzkammer

Gießkammer

Abb. 4.3  Schnitt (vereinfacht) durch einen Vakuum-Induktions-Mehrkammerofen

186

4 Stahlherstellung

Späne, Schleifstäube oder Schlacken) chargiert werden. Vakuum-­Induktionsöfen werden insbesondere zur Erzeugung hochreiner Werkstoffe (hochlegierte Stähle, Sonderlegierungen, Nickel-Basis-Legierungen) eingesetzt, z.  B. für die Medizintechnik (Implantat-­Werkstoffe), für spezielle Anwendungen in der Automobilindustrie und in Kernkraftanlagen.

4.3 Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren) Frage 4.3.1: Was ist eine Pfannenmetallurgische Anlage (PMA)? Richtig ist Antwort C: Eine sekundärmetallurgische Anlage zur Feinbehandlung von Rohstahl in Pfannen Frage 4.3.2: Wozu dient ein Pfannenofen? Richtig ist Antwort A: Der Rohstahl vom Konverter- oder Elektrostahlwerk wird in einer Pfanne auf Temperatur gehalten und legiert. Nach dem Abgießen des Rohstahls im Konverter-Stahlwerk oder im Elektrostahlwerk in eine Pfanne wird der Rohstahl in dieser Pfanne auf einem sogenannten Pfannenstand (Pfannenofen) einer Nachbehandlung unterzogen. Dabei werden folgende Aufgaben erfüllt: • Halten der Schmelze auf Temperatur (mit Lichtbogen über 3 Elektroden im Deckel) • Legieren, u. a. Einstellen der Kohlenstoff- und Phosphorgehalte Ein Pfannenofen dient gleichzeitig auch als Pufferaggregat vor dem Gießen. Er ist das Hauptaggregat zur sekundärmetallurgischen Behandlung von Massenstählen und ausgewählten Edelstählen. Die Abb.  4.4 zeigt als Beispiel einen Pfannenofen in einem Elektrostahlwerk für die Erzeugung von Edelstahl. Frage 4.3.3: Wie funktioniert das Ruhrstahl-Heraeus-Verfahren (RH-Verfahren)? Richtig ist Antwort B: Flüssiger Rohstahl wird mittels Vakuum-Umlauf-Verfahren entgast und entkohlt. Die Abb. 4.5 zeigt schematisch die Arbeitsweise bei diesem Ende der 1950er-Jahre von Ruhrstahl und Heraeus entwickelten RH-Verfahren. Aus der Pfanne wird eine Teilmenge des flüssigen Rohstahls in ein von oben auf die Schmelzbadoberfläche eintauchendes Gefäß unter Vakuum angesaugt. Dieses Gefäß besitzt an der Unterseite zwei Tauchrohre, die in die flüssige Stahlschmelze eintauchen. Über diese Rohre steigt ein Teil der Schmelze nach oben in das Gefäß. Dabei wird in das äußere Rohr Argon (oder auch Stickstoff) eingeblasen. Dies bewirkt das Aufsteigen der Schmelze in das Gefäß, wo die Schmelze unter Vakuum und Sauerstoffzufuhr entkohlt und entgast wird. Infolge der entstehenden Zirkulation einer Teilmenge der Stahlschmelze spricht man

4.3  Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren)

187

Legieren

Abb. 4.4  Pfannenofen in einem Elektrostahlwerk mit Schnittdarstellung. (Foto: Schlegel, J., BGH Edelstahl Siegen GmbH)

SauerstoffLanze Vakuumpumpe Entstauber

Zirkulation Argon

Pfanne

Rohstahlschmelze

Abb. 4.5  Schema des Ruhrstahl-Heraeus-Verfahrens zur Vakuumbehandlung von Stahl

188

4 Stahlherstellung

auch von einem Vakuum-Umlauf-Verfahren. Mit diesem Verfahren kann ein Stahl mit größerer Reinheit erzeugt werden. Insbesondere auch wegen der möglichen Entfernung von Wasserstoff kann die Wasserstoffsprödigkeit des Stahls herabgesetzt werden. Der Einsatz dieses RH-Verfahrens erfolgt hauptsächlich in Konverter-Stahlwerken. Frage 4.3.4: Welchen Unterschied weist das Dortmund-Hörde-Verfahren (DH-­Verfahren) im Vergleich zum RH-Verfahren auf? Richtig ist Antwort C: Das Behandlungsgefäß mit Vakuum taucht in Rohstahlschmelze ein und wird zyklisch gehoben und gesenkt (Vakuum-Heberverfahren). Auch das DH-Verfahren dient der Behandlung von Rohstahlschmelzen unter Vakuum zum Entkohlen sowie zum Entgasen. Die Anlage hierfür ist wie beim RH-Verfahren eine Teilmengen-Entgasungsanlage und wird nur in begrenztem Umfang eingesetzt. Technisch gesehen ist es eine Abwandlung des RH-Verfahrens, da ein ähnliches Gefäß in die Stahlschmelze eintaucht, das aber zyklisch gehoben und gesenkt wird. Davon ausgehend stammt auch die Bezeichnung Vakuum-Heberverfahren. Während der Behandlung und der Bewegungen des Gefäßes wird die Schmelze intensiv mit Argon in der Pfanne gespült und so ständig in Bewegung gehalten. Frage 4.3.5: Wozu dient eine VD-Anlage (Vacuum-Degasing)? Richtig ist Antwort A: Zum Entgasen, Legieren, Reduzieren des Schwefelgehaltes und zur Verbesserung der Reinheit der Rohstahlschmelze. Im Vakuumgefäß einer VD-Anlage erfährt die flüssige Rohstahlschmelze folgende Behandlungen: • • • •

Entgasen (Entfernen von Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff) Legieren Reduzierung des Schwefelgehalts Verbesserung der Reinheit durch intensives Argon-Spülen unter Vakuum

Derartige VD-Anlagen werden für hochwertige Stähle und spezielle Edelstähle eingesetzt. Frage 4.3.6: Was bedeutet VOD im Zusammenhang mit der Feinbehandlung von Rohstahl? Richtig ist Antwort B: Vacuum-Oxygen-Decarburization (Entkohlen unter Vakuum mit Sauerstoff) Dieses Sauerstofffrischen unter Vakuum wurde insbesondere für hochchromhaltige Edelstähle mit sehr niedrigen Kohlenstoffgehalten entwickelt. Auch hier wird die Pfanne mit dem flüssigen Rohstahl in ein Vakuumgefäß gestellt. Im Vergleich zur VD-Anlage kann für den „Frischprozess“ zusätzlich Sauerstoff eingeblasen werden. Die Rohstahlschmelze wird wie folgt behandelt: • Entgasen • Oxidation des Kohlenstoffs (somit Senkung des C-Gehalts im Stahl)

4.3  Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren) Abb. 4.6  Schema einer VOD-Anlage. (Vacuum-­ Oxygen-­Decarburization)

189

Sauerstoff

• Entschwefeln • chemische Reduktion von Legierungselementen Die Abb. 4.6 zeigt den schematischen Aufbau einer derartigen VOD-Anlage. Frage 4.3.7: Was ist der Vorteil einer Vakuumbehandlung des Rohstahls? Richtig ist Antwort C: Es ist eine gesteuerte Entfernung von Gasen und von anderen flüchtigen Bestandteilen aus der Rohstahlschmelze möglich (Verbesserung des Reinheitsgrads). Frage 4.3.8: Warum ist es nicht sinnvoll, nach einer Vakuumbehandlung nochmals nachzulegieren? Richtig ist Antwort B: An Luft könnten wieder neue, unerwünschte Verunreinigungen in die schon unter Vakuum gereinigte Stahlschmelze gelangen. Frage 4.3.9: Was bedeutet bei der Feinbehandlung von Rohstahl AOD? Richtig ist Antwort C: Argon-Oxygen-Decarburization (Entkohlen mit Argon-­ Sauerstoff-­Gemisch) Dieses Verfahren des Sauerstofffrischens mit einem Argon- (oder Stickstoff-)Sauerstoff-­ Gemisch in einem Konverter wurde 1954 entwickelt. Das Einblasen erfolgt über Düsen im Boden des Konverters, wie in Abb.  4.7 gezeigt. Man spricht in der Stahlpraxis vom AOD-Konverter, der aber nicht mit dem Blaskonverter zum Frischen von flüssigem Roheisen aus dem Hochofen zu verwechseln ist. AOD-Anlagen dienen:

190

4 Stahlherstellung

Abb. 4.7  Schema eines AOD-Konverters und Blick in eine geöffnete AOD-Konverteranlage. (Foto: BGH Edelstahlwerk Freital GmbH)

• • • •

dem Entgasen, der Oxidation des Kohlenstoffs (Entkohlen), dem Legieren, dem Entschwefeln und der Aufstickung des Stahls.

AOD-Konverter werden vor allem für ausgewählte, hochwertige Edelstähle, d. h. für hochlegierte ferritische, austenitische, säure- und hitzebeständige Stähle mit niedrigem Kohlenstoffgehalt, eingesetzt. Frage 4.3.10: Was ist unter ESU von Stahl zu verstehen? Richtig ist Antwort B: Elektro-Schlacke-Umschmelzen: Reinigungsprozess durch Schmelzen und Reinigen mit einer flüssigen Schlacke. Das Elektro-Schlacke-Umschmelzen kann unter atmosphärischen Bedingungen (ESU), unter inerter Schutzgasatmosphäre (PESU) oder unter erhöhtem Druck in einer Druckkammer (DESU) durchgeführt werden. Der umzuschmelzende Stahlblock wird in der ESU-Anlage als Elektrode eingesetzt. Die Prozesswärme zum Verflüssigen dieses Stahlblocks entsteht beim Einschalten der Spannung durch den direkten Stromdurchgang. Eine elektrisch leitfähige, flüssige Schlacke bildet den elektrischen Widerstand. Dabei wird die Temperatur soweit erhöht, dass schließlich die Elektrode, also der umzuschmelzende Block, an der in die erhitzte flüssige Schlacke hineinreichenden Stirnfläche aufschmilzt und abtropft. In einem wassergekühlten Kristallisator kristallisieren die einzelnen gereinigten Stahltropfen und bilden einen neuen Block mit verbesserter Reinheit und auch mit verbesserter Gussstruktur (Burghardt & Neuhof, 1982; DEW-Mitteilung, 2011).

4.3  Nachbehandlung von Rohstahl (Pfannenmetallurgie, Umschmelzverfahren)

191

Frage 4.3.11: Welche Aufgabe hat die flüssige Schlacke beim ESU-Prozess? Richtig ist Antwort A: Die Schlacke wirkt als chemischer Filter und nimmt Verunreinigungen auf. Die flüssige Schlacke nimmt aus den vielen, durch die Schlacke sinkenden flüssigen Stahltropfen Verunreinigungen auf (z.  B. nichtmetallische, oxidische Einschlüsse, auch Schwefel). Sie wirkt somit wie ein chemischer Filter. Diese Schlacke besteht aus einer Mischung aus Flussspat, Kalk und Tonerde und wird jeweils der chemischen Zusammensetzung des umzuschmelzenden Stahls angepasst. Frage 4.3.12: Was ist bei einer ESU-Anlage ein Stand- oder ein Gleittiegel? Richtig ist Antwort B: Ein stehender oder ein nach oben gleitender Kristallisator, auch Standkokille oder Gleitkokille genannt, in denen die gereinigten Stahltropfen zu einem neuen Block kristallisieren. Die ESU-Kristallisatoren können in Form von Stand- oder Gleitkokillen ausgeführt sein. Den Vergleich dieser beiden Bauarten von ESU-Anlagen zeigt die Abb. 4.8. Frage 4.3.13: Was ist das Besondere an einer DESU-Anlage? Richtig ist Antwort A: Der Umschmelzprozess erfolgt in einem geschlossenen Druckbehälter unter einem Schutzgas und es können höhere Reinheitsgrade erzielt werden. Eine DESU-Anlage (Druck-Elektro-Schlacke-Umschmelz-Anlage) ermöglicht im Vergleich zu einer Standard-ESU-Anlage höhere Reinheitsgrade. Auch ist ein Zulegieren

Standkokille

Gleitkokille

Abb. 4.8  Vergleich des Aufbaus von ESU-Anlagen mit Stand- oder Gleitkokille

192 Abb. 4.9 Schematischer Aufbau einer DESU-Anlage mit Druckkammer

4 Stahlherstellung

Druckbehälter Ar, N2

möglich, z.  B. ein Anheben des Wasserstoffgehaltes (DEW-Mitteilung, 2011). Die Abb. 4.9 zeigt im Vergleich zu den klassischen ESU-Anlagen den Aufbau einer der­artigen DESU-Anlage mit Druckkammer. Frage 4.3.14: Wie arbeitet ein Vakuum-Lichtbogenofen (VLBO) zum Umschmelzen? Richtig ist Antwort B: Unter Vakuum führt ein Lichtbogen zum Abtropfen der Abschmelzelektrode, und diese Tropfen kristallisieren zu einem neuen Block in einer Standkokille. In der metallurgischen Praxis spricht man meist vom VAR-Verfahren, abgeleitet vom englischen Vacuum-Arc-Remelting. Unter Vakuum wird zwischen der ­Abschmelzelektrode (Kathode = eingesetzter Stahlblock, der umgeschmolzen werden soll) und dem Schmelzsumpf (Anode) im Tiegel ein Hochspannungs-Gleichstrom-Lichtbogen gezündet. Dieser führt zu einer so starken Erwärmung der Elektrodenspitze, dass sich kleine Metalltropfen ablösen und in der wassergekühlten Standkokille wieder aufgefangen werden. Dort kristallisieren sie zu einem neuen Block. In der Abb. 4.10 ist der schematische Aufbau einer derartigen VLBO-Anlage ersichtlich. Die metallurgischen Verbesserungen sind auf das Vakuum und die Erstarrungsbedingungen zurückzuführen. Im Vergleich zu den ESU- und DESU-Verfahren können noch bessere Ergebnisse erzielt werden: • • • •

höchstmöglicher Reinheitsgrad, kaum störende Spurenelemente und gelöste Gase, bessere Blockstruktur sowie isotrope Eigenschaften.

4.4  Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss) Abb. 4.10 Schematischer Aufbau einer VLBO (VAR)-Anlage

193

Vakuumkammer Abschmelzelektrode

Lichtbogen

Standkokille

Davon ausgehend wird das VAR-Verfahren für ausgewählte höchstreine Stähle und Nickel-­ Basis-­Legierungen eingesetzt (DEW-Mitteilung, 2011). Die Hauptaufgabe der Reinigung des Stahls kann umso besser gelöst werden, je mehr Aufwand (Kosten) zum Umschmelzen getrieben wird, um den Reinheitsgrad bis nahe des metallurgisch möglichen Bestwerts zu treiben. Der Einsatz umgeschmolzener, höchstreiner Stähle wird wegen der damit verbundenen Möglichkeit einer Werkstoff- und Bauteiloptimierung generell weiter zunehmen für Massivumformteile mit Anforderungen an höchste statische und dynamische Festigkeit, für Spezialstähle sowie für druck- und hitzebeständige, formtreue Präzisionsdrehteile.

4.4 Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss) Frage 4.4.1: Worin besteht das Grundprinzip des Gießens von Stahl? Richtig ist Antwort A: Der schmelzflüssige Stahl wird in eine Form gegossen, erstarrt darin durch die Kühlwirkung der Form und nimmt dabei die Gestalt dieser Form an. Seit den Anfängen der Gießereitechnik haben sich der Verwendungszweck, die Gebrauchseigenschaften, die Gestalt der Gussstücke und die Gießereianlagen ständig weiterentwickelt. Das erwähnte Grundprinzip des Gießens ist jedoch geblieben.

194

4 Stahlherstellung

Frage 4.4.2: Wie läuft die Erstarrung einer Stahlschmelze ab? Richtig ist Antwort B: Die Erstarrung beginnt an den kältesten Stellen in der Gießform mit Kristallisationskeimen, die zu vielen kleinen Kristallen mit unterschiedlichen Gitterrichtungen heranwachsen und schließlich ein festes, kristallisiertes Gefüge bilden. Sobald der schmelzflüssige Stahl in eine kalte Form gegossen wird, beginnt die Erstarrung an den kältesten Stellen, d. h. an den Formwänden. Da die Unterkühlung dort sehr groß ist, bilden sich rasch zahlreiche Kristallkeime (Gruppen von Atomen in der Anordnung des Kristallgitters), die zu vielen kleinen Kristallen heranwachsen. Schließlich berühren sie sich und bilden das feste, kristallisierte Gefüge. Die entstandenen Grenzen zwischen den Kristalliten (Körner) bilden die Korngrenzen. Die Größe der entstandenen Körner ist abhängig von der Anzahl der Keime und der Kristallisationsgeschwindigkeit. Die Abb. 4.11 zeigt hierzu schematisch den Ablauf der Erstarrung mit dem Kristallisationsbeginn an Keimen. Das Gefüge eines gegossenen Stahlblocks oder -strangs kann in drei grundsätzlich verschiedene Gefügezonen unterteilt werden: • feinkristalline, globulare Randzone • Stengelkristallzone (dendritische Zone mit Kristallen, die eine tannenbaumartige Struktur aufweisen) • grobkristalline, globulare Kernzone Diese Gefügezonen zeigt die Abb.  4.12 anhand eines Querschnitts durch einen Stahl-Gussblock, schematisch vereinfacht dargestellt mit realer Beizscheibe, geschliffen und mit einer Säure chemisch behandelt zur Sichtbarmachung der Gefügestruktur. Frage 4.4.3: Wodurch wird das Erstarrungsverhalten und somit die Gefügeausbildung beeinflusst? Richtig ist Antwort C: Chemische Zusammensetzung und Reinheitsgrad der Stahlschmelze sowie Schmelz-, Gieß- und Abkühlbedingungen

Schmelze

Kristallisationskeime

Kristallite wachsen in unterschiedlichen Gitterrichtungen

Abb. 4.11  Ablauf der Erstarrung. (vereinfacht)

Korngrenzen

4.4  Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)

Feinkristalline Randzone

Kernzone mit: Seigerungen, Poren und Verunreinigungen

195

Stengelkristallzone Gießpulver

Kokillenwand

Reales Gussgefüge (Beizscheibe)

Blockmitte

Abb. 4.12  Gefügestruktur eines Gussblocks. (Schliffbild: BGH Edelstahl Freital GmbH)

Von besonderer Bedeutung sind die Gießtemperatur und die Beschaffenheit der Form, beim Kokillenguss z. B. Größe, Wanddicke, Querschnitt und Temperatur der Kokille. Wird zum Beispiel eine Stahlschmelze weit über deren Erstarrungstemperatur überhitzt, so verringert sich die Anzahl der Keime. Eben diese Keime sind jedoch die Voraussetzung für den Beginn der Erstarrung. Deshalb wird die Erstarrung dieser Schmelze erst verspätet einsetzen. Werden für den Blockguss noch warme Kokillen verwendet, so verlangsamt sich die Kristallisation. Das Temperaturgefälle zwischen Schmelze und Kokille ist geringer. Die Unterkühlung der Schmelze nimmt ab und die Kristalle beginnen zu wachsen. Diese beiden Beispiele sollen zeigen, wie schon bei der Erstarrung des flüssigen Stahls Einfluss auf die zukünftigen Werkstoffeigenschaften genommen werden kann. Frage 4.4.4: Was sind Gießpulver und welche Anforderungen haben sie zu erfüllen? Richtig ist Antwort A: Gießpulver bestehen aus mineralischen Rohstoffen und dienen der Schmierung an der Gießformwand, zum Schutz vor Reoxidation und zur thermischen Isolierung der schmelzflüssigen Stahlbadoberfläche.

196

4 Stahlherstellung

Generell haben Gießpulver folgende Anforderungen zu erfüllen: • • • • •

Schmierung, um ein Anhaften des Stahls an der Kokillenwand zu vermeiden, Einstellung eines gleichmäßigen Wärmeüberganges zwischen Stahl und Kokille, Schutz des Stahls vor Reoxidation, Aufnahme von nichtmetallischen Einschlüssen aus dem Stahl, thermische Isolierung der schmelzflüssigen Stahlbadoberfläche.

Gießpulver bestehen aus mineralischen Rohstoffen wie z. B. Calcit, Feldspat, Flussspat sowie aus Soda und technischen Silikaten. Die Zusammensetzung richtet sich stets nach den zu vergießenden Stählen und Gießparametern. Frage 4.4.5: Was ist der Unterschied zwischen unberuhigt oder beruhigt vergossen? Richtig ist Antwort B: Die Stahlschmelze wird ohne Zusätze abgegossen, wobei Gasblasen im Stahlblock entstehen können, oder mit Zusätzen. die den Sauerstoff binden, so dass keine Lufteinschlüsse entstehen. Ein unberuhigt vergossener Stahl ist dann gegeben, wenn keinerlei Zusätze zur Schmelze erfolgt sind. Im Stahl ist meist noch ein geringer Anteil an Sauerstoff enthalten. Beim Erkalten der Stahlschmelze wird Kohlenstoff frei, der nun mit diesem Sauerstoff reagiert. Es entsteht Kohlenmonoxid, das aufsteigt und sich beim Erstarren als Gasblasen im Stahlblock wiederfindet. Diese Stahlsorte wird heute kaum noch produziert. Beim beruhigt vergossenen Stahl werden dem Stahl Reaktionspartner für Sauerstoff zugesetzt, z. B. Aluminium oder Silizium. Diese binden den Sauerstoff und es kommt zur Verschlackung. So entsteht kein Kohlenmonoxid, sondern flüssige Schlacke. Dadurch hat der beruhigt vergossene Stahl weniger bzw. keine Lufteinschlüsse, eine geringere ­Entmischung in der Seigerungszone und somit bessere mechanische Eigenschaften und auch eine verbesserte Schweißbarkeit. Frage 4.4.6: Wie erfolgt fallender Blockguss? Richtig ist Antwort A: Die flüssige Stahlschmelze wird direkt aus der Pfanne von oben in die Dauerform (Kokille) gegossen. Frage 4.4.7: Was bedeutet steigender Blockguss? Richtig ist Antwort C: Das Vergießen des flüssigen Stahls von unten steigend in Kokillen. Das Abgießen des flüssigen Stahls zu Blöcken erfolgt heute hauptsächlich für große Schmiedestücke, schwierig zu vergießende Legierungen (Edelstahl) sowie bei hohen Anforderungen hinsichtlich Homogenität und Reinheit. Die Stahlschmelze wird in stehende Dauerformen (Kokillen) gegossen und erstarrt zu geometrisch einfachen Blöcken von quadratischem, rechteckigem, rundem, ovalem oder vieleckigem Querschnitt. Dies kann in der Gießart „fallender Guss“ erfolgen, auch „Vergießen im Oberguss“ genannt. Oder das Vergießen der flüssigen Stahlschmelze erfolgt aus der Gießpfanne in einen Trichter. Dieser steht auf einer Bodenplatte und ist über ein Kanalsystem aus Schamottesteinen mit

4.4  Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)

197

Flüssiger Stahl Pfanne

Trichter Kokille

Bodenplatte mit Kanalsystem

„Fallender“ Guss

„Steigender“ Guss

Abb. 4.13  Prinzipdarstellung der Gießarten „fallender“ und „steigender“ Blockguss

mehreren Kokillen verbunden. Wird nun von oben in den Trichter flüssiger Stahl gegossen, so verteilt er sich gleichmäßig durch das Kanalsystem (Prinzip der kommunizierenden Röhren) von unten in die vier Kokillen. Die Kokillen füllen sich nun steigend mit dem flüssigen Stahl, der dann darin zu erstarren beginnt. Nach dem Abkühlen erfolgt das „Strippen“ der Kokillen, d.  h. die leicht konischen Kokillen werden von den erstarrten Stahlblöcken abgezogen. Die Abb. 4.13 zeigt schematisch den Vergleich der Gießarten „fallender“ und „steigender“ Blockguss. Frage 4.4.8: Welche möglichen Gussfehler sind beim Blockguss hauptsächlich zu beachten? Richtig ist Antwort B: Seigerungen, Schwindungshohlräume (Poren, Lunker), Einschlüsse In der Gießpraxis wird durch technische Maßnahmen und Einstellungen angepasster Gießparameter die Entstehung von Gussfehlern minimiert. So sollte beim Blockguss der Blockkopf z. B. mittels Wärmedämmung oben auf den Kokillen möglichst lange flüssig bleiben. Dadurch können dorthin Verunreinigungen und Poren „aufsteigen“, sich also im Bereich des Blockkopfes ansammeln. Durch an die Stahllegierung und Blockgröße angepasste Gießparameter können die Bildung von Poren, Lunkern, Mikrolunkern und Seigerungen sowie die Entstehung weiterer Gussfehler verhindert bzw. minimiert werden. Lunker sind Schwindungshohlräume, die sich beim Erstarren der Schmelze bilden können. Poren oder Mikrolunker entstehen an der Oberfläche bzw. im Inneren durch eingeschlossene Gasblasen. Seigerungen sind Entmischungen der Schmelze; somit lokale Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung. Die Abb.  4.14 zeigt

198

4 Stahlherstellung

Primärlunker

Sekundärlunker

Blockkopf

Porosität

Randporen

Mittellunker

Sumpf

Kühlwirkung der Kokille

Einschlüsse

Blockfuß

Gussfehler nach dem Erstarren

Abb. 4.14  Vereinfachte Darstellung der Kühlwirkung der Kokille beim steigenden Guss und der eventuell entstehenden Gussfehler nach dem Erstarren des Gussblockes (Längsschnitt)

hierzu schematisch einen Querschnitt durch einen Block mit vereinfachter Darstellung der Kühlwirkung der Kokille und der eventuell entstehenden Gussfehler nach dem Erstarren. Gussblöcke werden durch Warmwalzen oder Schmieden umgeformt (siehe Kap.  5: Umformen). Dabei ist zu beachten, dass die Bereiche des Blockkopfes und des Blockfußes am gewalzten oder geschmiedeten Halbzeug abgetrennt („geschopft“) werden müssen. Frage 4.4.9: Welche Bauarten von Stranggussanlagen werden heute genutzt? Richtig ist Antwort C: Senkrecht-, Bogen- und Horizontal-Stranggussanlagen Mit der stark zunehmenden industriellen Produktion in Europa ab Mitte des 20. Jahrhunderts setzte sich das Strangguss-Verfahren durch. Heute wird über 90  % des hergestellten Stahls über Strangguss erzeugt. In Abhängigkeit vom Gießquerschnitt und somit hinsichtlich des Produktes sind die drei Bauarten Senkrecht-, Bogen- und Horizontal-Strangguss in Betrieb. Diese Bauarten zeigt die Abb. 4.15 im Vergleich. Beim Senkrecht-Strangguss bestimmt die Bauhöhe der Anlage die Länge des gießbaren Stranges. Es können Rund-, Vierkant- und Rechteckquerschnitte gegossen werden. Beim kontinuierlichen Bogen-Strangguss wird der Strangabschnitt nach ausreichender Abkühlung zu einem Bogen umgelenkt. In horizontaler Lage kann der Strang abgeführt und auf Länge geteilt werden. Man unterscheidet Knüppel- und Vorblock-Strangguss für runde und annähernd quadratische Querschnitte sowie den Brammen-Strangguss für

4.4  Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)

199

Abb. 4.15  Vereinfachte Darstellung der Senkrecht-, Bogen- und Horizontal-Stranggussverfahren

rechteckige Querschnitte. Heute können rechteckige Stränge mit Breiten über 2,6 m und Dicken von 40 bis 600 mm erzeugt werden. Diese Dünnbrammen dienen zur Stahlblechbzw. Stahlbandherstellung. Eine Sonderbauart des Stranggusses ist der kontinuierliche Horizontal-Strangguss. Der flüssige Stahl gelangt aus der Gießpfanne über einen Verteiler in eine gekühlte Kokille. Die Form dieser Kokille bestimmt die Form des Stranges (Rund, Rechteck oder Quadrat). Am horizontalen Kokillenaustritt weist der Strang bereits eine dicke, erstarrte Randschale auf. Der Strang wird in kurzen Einzelschritten mit Stillständen dazwischen mittels sogenannter Ausziehapparate von der Kokille abgezogen. Beim Strangaustritt aus der Kokille erfolgt eine starke, intensive Kühlung mit Spritzwasser. Diese Kühlung ist maßgebend für die Ausbildung eines gleichmäßigen Erstarrungsgefüges mit guten technologischen ­Eigenschaften. Fragen 4.4.10: Was sind sogenannte Randschlacken? Richtig ist Antwort B: Schlacketeilchen, die nach der Erstarrung in Randnähe eines Stranggussknüppels oder eines Gussblocks nachweisbar sind. Frage 4.4.11: Was sind Seigerungen? Richtig ist Antwort C: Entmischungen der Schmelze beim Erstarren, somit örtlich im Gussgefüge unterschiedliche Gehalte an Legierungselementen. Frage 4.4.12: Welche Unterschiede beim Block- und Strangguss beeinflussen die Gussqualität? Richtig ist Antwort A: Abkühlleistung, Erstarrungsverhalten, Sumpfvolumen, Ausbildung von Lunkern, Seigerungen, Randschlacken Bei beiden Gussarten erfolgt die Erstarrung in Querrichtung des Stranges oder des Blockes. Die hohe Erstarrungsgeschwindigkeit beim Strangguss und das dadurch abmessungsmäßig kleinere Sumpfvolumen (noch schmelzflüssiger Bereich im Inneren) bedingen Makro-Seigerungen im Randbereich. Außerdem ist Strangguss anfälliger für

200

4 Stahlherstellung

Randschlacken. Diese können zu höheren Kosten in der nachfolgenden Fertigung führen, z. B. durch höheren Walzaufwand und höheres Schälmaß. Beim Blockguss liegt eine hohe Kokillenfüllgeschwindigkeit bei geringer Abkühlleistung vor, somit ein tiefer, großvolumiger Sumpf im Innern. Dieser kann zu Lunkern und Makroseigerungen führen, wobei diese im Vergleich zum Strangguss geringer ausfallen. Beim Blockguss werden wegen der unzureichenden metallurgischen Reinheit der Blockkopf und -fuß verschrottet, nur das mittlere „Filetstück“ weiterverarbeitet. Dadurch liegt das Ausbringen bei ca. 80 %. Beim kontinuierlichen Strangguss ist das Ausbringen viel höher. Somit ist dieser auch kostengünstiger. Deshalb wird heute zunehmend auf Strangguss orientiert, wenn die Stahlgüte stranggussfähig ist, also nicht zu stark zu Seigerungen neigt. Frage 4.4.13: Wie wird das Verfahren des Bandgießens durchgeführt? Richtig ist Antwort B: Erzeugung eines dünnen Vorbandes durch Gießen des flüssigen Stahls zwischen zwei Rollen oder auf ein rotierendes, gekühltes Gießband. Eine Reduzierung der nachfolgenden Umformprozesse wird durch das Bandgießen möglich, da ein Vorband mit nur wenigen Millimetern Dicke herstellbar ist. Technisch sind zwei unterschiedliche Verfahren des Bandgießens zu unterscheiden: • das Zwei-Rollen-Bandgießen • das Bandgießen mittels Gießmaschine (Gießen des flüssigen Stahls auf ein rotierendes, gekühltes Gießband). Die Abb. 4.16 zeigt schematisch das Prinzip einer heutigen Zwei-Rollen-­Bandgießanlage, wie sie ab 1990 industriell insbesondere für spezielle korrosionsbeständige Stähle und für Elektrostähle eingesetzt wird. Der flüssige Stahl gelangt über ein Zuführsystem von oben zwischen zwei sich gegenläufig drehenden, gekühlten Gießwalzen. Im Walzspalt beginnt die Erstarrung zu einem Band mit maximal 6 mm Dicke. Dieses Band wird dann nach unten abgeführt und über Rollen horizontal einem Walzwerk zugeführt. Mit nur einem Walzstich kann bereits eine Banddicke von ca. einem Millimeter erreicht werden. Nach einer intensiven Wasserkühlung erfolgt das Aufwickeln zum Bund (Coil). Bei dem zweiten Verfahren, dem Gießen mittels eines Gießbandes, wird der flüssige Stahl über ein Zuführsystem auf ein umlaufendes, von unten wassergekühltes Gießband gegossen. Darauf erstarrt der Stahl zu einem etwa 10  mm dicken Band. Dieses Band durchläuft eine Kühlzone und wird anschließend sofort in ein In-line-Warmwalzwerk eingeführt und auf eine Dicke von ca. einem Millimeter gewalzt. Nach einer weiteren Kühlung erfolgt das Aufwickeln des Bandes zum Coil. Die Abb. 4.17 zeigt schematisch dieses Gießverfahren mit Gießband. Frage 4.4.14: Welches Nebenprodukt fällt im Stahlwerk mengenmäßig am meisten an? Richtig ist Antwort B: Schlacke

4.4  Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)

201

Pfanne

Stahlschmelze Verteiler

Gießwalzen

Walzwerk Kühlung

Wickelwerk

Abb. 4.16  Prinzipdarstellung einer Zwei-Rollen-Bandgießanlage Pfanne Stahlschmelze Verteiler Kühlung

Kühlung

Walzwerk

Wickelwerk Kühlung

Bandgießmaschine

Abb. 4.17  Prinzipdarstellung des Gießens mittels eines Gießbandes

Schlacken (als Oberbegriff auch Eisenhüttenschlacken genannt) entstehen als Rückstände immer bei Hochtemperaturprozessen mit flüssigem Roheisen, Rohstahl oder Stahl. Sie bestehen aus amorph (glasartig) oder kristallin erstarrten nichtmetallischen Stoffgemischen, die sich aus basischen und sauren Oxiden zusammensetzen (Hasse & Brunhuber, 2001). Schlacken übernehmen bei metallurgischen Prozessen wichtige Aufgaben wie das Abbinden der nichtmetallischen Bestandteile aus der Schmelze in Verbindung mit den Zuschlagstoffen, das Abdecken der schmelzflüssigen Badoberflächen, dadurch Schutz bzw. Verhinderung einer Reoxidation der Stahlschmelzen. Davon ausgehend wird die Bildung möglichst dünnflüssiger Schlacken durch gezielte Zugabe von Zuschlagstoffen

202

4 Stahlherstellung

Hochofen-Konverter-Route:

Frischen

Roheisen

Rohstahl

Stahlwerks-Schlacke

Hochofen-Schlacke HochofenStückschlacke

Sekundärmetallurgische Behandlung

LD-Schlacke* Hüttensand

Stahl (Gießen, Umformen)

Elektrostahlerzeugung: Rohstahl

Stahlwerks-Schlacke Elektroofen-Schlacke

Sekundärmetallurgische Schlacke

*LD: Konverterprozess nach dem Linz-Donawitz-Verfahren

Abb. 4.18  Übersicht zu den Arten metallurgischer Schlacken bei der Stahlerzeugung

bewusst eingeleitet. Je nach Erzeugungsroute entstehen die Hochofenschlacke, die Stahlwerksschlacke, die Elektroofenschlacke und die sekundärmetallurgische Schlacke. Die Abb. 4.18 zeigt hierzu eine Übersicht der Schlackearten. Frage 4.4.15: Was wird in einem Elektrostahlwerk als Rücklaufschrott bezeichnet? Richtig ist Antwort C: Sortenrein gesammeltes Schrottaufkommen aus der eigenen Fertigung, das sofort im Stahlwerk wieder eingesetzt werden kann. Heute vor dem Hintergrund der zunehmenden Knappheit metallischer Rohstoffe, der erzielbaren Produktqualität und Verfahrenseffizienz ist Schrott ein überaus wertvoller Sekundärrohstoff geworden und hauptsächlich das Ausgangsmaterial für die Elektrostahlwerke zur Erzeugung von hochwertigen Stahlprodukten. Deshalb ist das Sammeln des eigenen Schrottaufkommens ökologisch und ökonomisch äußerst sinnvoll. Frage 4.4.16: Was verträgt sich nicht im Stahlwerk? Richtig ist Antwort B: Flüssiger Stahl und Wasser Dies ist eine sehr gefährliche Kombination, da Wasser bzw. Feuchtigkeit bei Kontakt mit flüssigem Stahl, z. B. wenn die Stahlschmelze in eine noch feuchte Pfanne abgegossen wird, explosionsartig verdampft. Frage 4.4.17: Was ist eine Spülcharge? Richtig ist Antwort A: Diese Schmelzcharge dient zur Neutralisation der Feuerfestausmauerung in einem Lichtbogen-Ofen, um Legierungsanstiege (z. B. von Chrom) bei nachfolgenden Chargen zu vermeiden.

4.4  Urformen/Gießen (Grundlagen des Gießens, Blockguss, Strangguss)

203

Frage 4.4.18: Was ist eine Aufbauschmelze? Richtig ist Antwort B: Eine Stahlschmelze, die bei Einsatz eines unlegierten Schrotts als Eisenträger durch Zulegieren analytisch auf die Zielanalyse „aufgebaut“ wird. Frage 4.4.19: Wozu ist ein Gießstrahlschutz beim Block- und Strangguss wichtig? Richtig ist Antwort C: Ein Gießstrahlschutz verhindert den Luftzutritt zum Gießstrahl beim Gießen und vermeidet dadurch die Bildung von unzulässigen Einschlüssen ­(Stahlqualität!).

5

Umformen

5.1

Grundlagen der Metallformung

Frage 5.1.1: Was bedeutet das Umformen von Metallen, so auch von Stahl? Richtig ist Antwort C: Die bewusst vorgenommene, bleibende geometrische Änderung einer Roh- bzw. Werkstückform in eine neue Form. Je nach Verfahren verursachen dabei unterschiedlich wirkende Kräfte bleibende Gestaltänderungen, ohne dabei den Werkstoffzusammenhalt aufzulösen. Das Volumen vor und nach dem Umformen bleibt immer gleich (Gesetz der Volumenkonstanz). In der Praxis wird oft das „Umformen“, also die gezielt vorgenommene „bildsame Formgebung“ mit einem „Verformen“ gleichgesetzt. Jedoch bedeutet das Verformen eine nicht gezielte, also ungewollte plastische Formänderung, wie sie zum Beispiel beim Crash eines Fahrzeuges entsteht. Frage 5.1.2: Was kennzeichnet das Umformen von Metallen? Richtig ist Antwort B: Der durch die einwirkende Kraft als „Plastizität“ bezeichnete Effekt des irreversiblen Verschiebens von Kristallebenen und somit die bleibende Formänderung. Die einwirkenden äußeren Kräfte sind hierbei so hoch, dass das für die Umformung typische irreversible Verschieben (Gleiten) von Kristallebenen eingeleitet wird. Dieses Gleiten zeigt vereinfacht die Abb. 5.1. Frage 5.1.3: Was stellt eine Gleitebene beim Umformen von Stahl dar? Richtig ist Antwort C: Eine für das Fließen (Umformen, Abgleiten) bevorzugte Ebene in einem Kristallgitter.

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_13

205

206

5 Umformen Ausgangszustand

Krafteinwirkung

F

Endzustand

F Gleitebene

Plastisches Umformen

Abb. 5.1  Plastisches Verhalten, vereinfacht dargestellt als Gleiten von Kristallebenen

Frage 5.1.4: Welcher Werkstoffparameter kennzeichnet die Behinderung der plastischen Umformung? Richtig ist Antwort A: Der Formänderungswiderstand bzw. der Umformwiderstand. Der Stahl widersetzt sich der plastischen Umformung. Dieses Werkstoffverhalten findet Ausdruck im Werkstoffparameter „Formänderungswiderstand kw“ bzw. „Umformwiderstand“. Dieser Formänderungswiderstand kw ist das Verhältnis der zur Umformung notwenigen Kraft F und der dabei beanspruchten Fläche A am Umformgut. Wenn also für einen bestimmten Stahl der Formänderungswiderstand bekannt ist, lässt sich die an der Umformanlage aufzubringende Kraft ermitteln, die notwendig ist, um eine plastische Umformung zu erreichen. Frage 5.1.5: Was stellt eine Verfestigung des Stahls dar? Richtig ist Antwort B: Eine Veränderung der physikalischen und technologischen Eigenschaften (Erhöhung der Festigkeit) beim Umformen. Die bei der Umformung auftretenden Veränderungen der Eigenschaften des Stahls werden als „Verfestigung“ bezeichnet. Diese Veränderungen, hauptsächlich in Form der Erhöhung der Festigkeit, sind besonders bei einer Umformung bei Raumtemperatur wahrzunehmen. Frage 5.1.6: Was wird als Erholung im Zusammenhang mit verfestigtem Stahl bezeichnet? Richtig ist Antwort C: Die Beseitigung der Folgen einer plastischen Umformung (Verfestigung) ohne Gefügeänderung. Der Vorgang der Erholung als Vorstufe zur Rekristallisation bewirkt den Abbau von Versetzungen, wobei Kornform und -größe des verfestigten Gefüges unverändert bleiben. Dies ist mit einem Abbau von inneren Spannungen verbunden. Notwendig sind bei Stahl Temperaturen ab ca. 300 °C, wobei eine sogenannte „dynamische Erholung“ auch schon während des Umformens beginnen kann („Statische Erholung“: außerhalb bzw. nach einem Umformvorgang).

5.1

Grundlagen der Metallformung

207

Frage 5.1.7: Was versteht man unter dem Vorgang Rekristallisation? Richtig ist Antwort C: Die Rückordnung der Kristallite in den ursprünglichen, unverzerrten, gut umformbaren, weichen Zustand (Neubildung des Gefüges). Dieser Vorgang geschieht bei einer nach dem Umformen anschließenden Erwärmung (Weichglühung bzw. Rekristallisationsglühung). Der Stahl wird wieder weich, also gut umformbar. Diese Prozedur: Kaltverfestigen beim Umformen und Weichglühen kann mehrfach wiederholt werden. Interessant ist, dass bei hohen Umformtemperaturen die Rekristallisation des Gefüges schon während der Umformung beginnt („dynamische Rekristallisation“). Eine Verfestigung tritt dann praktisch nicht auf. Die Abb. 5.2 zeigt den Vergleich der beschriebenen Vorgänge Erholung und Rekristallisation. Frage 5.1.8: Was ist bei der Berechnung des Umformgrades zu beachten? Richtig ist Antwort B: Das Gesetz der Volumenkonstanz. Grundsätzlich gilt beim Umformen das „Gesetz der Volumenkonstanz“: V = l 0 × b0 × h 0 = l1 × b1 × h1 = konstant Davon ausgehend werden keinerlei Materialverluste eingerechnet, sondern nur die Abmessungsänderungen, z. B. in Längsrichtung (x-Richtung) als logarithmisches Verhältnis der erzielten Abmessung x1 nach der Umformung bezogen zur Anfangsabmessung x0. Bei einer stufenweisen Umformung wird der „Gesamtumformgrad“ aus der Summe der Einzelumformgrade der jeweiligen Stufen errechnet. Ausgehend vom zu erzielenden höchsten Umformgrad kann mit bekannten Formeln recht schnell und einfach die notwendige Umformarbeit bzw. Umformkraft berechnet werden (Hensel & Spittel, 1978). Frage 5.1.9: Welche zwei Umformverfahren werden nach der Krafteinleitung unterscheiden? Richtig ist Antwort C: Umformen mit direkter und indirekter Krafteinleitung.

Erholung

Rekristallisation

Abbau von Versetzungen

Neubildung des Gefüges

Beseitigung der Folgen des Umformens ohne Gefügeänderung

Neubildung des Gefüges (Keimbildung und Kornwachstum)

Abbau von inneren Spannungen

Festigkeitsabnahme

Abb. 5.2 Vorgänge im Gefüge: Vergleich Erholung und Rekristallisation

208

5 Umformen

Direkt, also unmittelbar in der Umformzone entsteht die Kraft beim Walzen und Schmieden. Dagegen wird beim Ziehen und Tiefziehen die Umformkraft nicht direkt, sondern mittelbar durch das Werkstück selbst in die Umformzone geleitet. Davon ausgehend werden heute die vielen Umformverfahren unterteilt nach der Art der Krafteinwirkung Druck-Umformen: • Walzen (Längs-, Quer-, Schrägwalzen) • Freiformen (Schmieden, Hämmern, Kneten, Stauchen) • Gesenkumformen (Gesenkschmieden, Prägen) • Fließpressen, Strangpressen Zug-Druck-Umformen: • Ziehen (Stab-, Drahtziehen) • Tiefziehen • Drücken • Innenhochdruck-Umformen Zug-Umformen: • Längen (Streckziehen) • Weiten • Tiefen Biege-Umformen: • freies Biegen • Gesenkbiegen • Rollbiegen • Walzbiegen Schub-Umformen: • Verdrehen • Verschieben (Absetzen) Frage 5.1.10: Was ist charakteristisch für eine Kaltumformung? Richtig ist Antwort C: Das Umformen erfolgt ohne Vorwärmen des Umformgutes bei Raumtemperatur und es tritt eine Kaltverfestigung ein. Diese Kaltverfestigung des Stahls tritt in Abhängigkeit vom Umformgrad ein. Beim Kaltumformen sind sehr genaue Maßtoleranzen erzielbar. Auch ist die Oberflächengüte der kaltumgeformten Produkte hochwertiger als bei den warmumgeformten, da keine Verzunderung auftritt. Zur Entfestigung ist ein Weichglühen erforderlich. Frage 5.1.11: Was ist charakteristisch für eine Warmumformung? Richtig ist Antwort B: Das Umformen erfolgt nach Vorwärmen des Umformgutes auf eine Temperatur oberhalb der Rekristallisationstemperatur, so dass keine Verfestigung auftritt.

5.2 Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen)

209

Da das Umformen bei erhöhten Temperaturen des Umformgutes stattfindet, sind geringere Umformkräfte erforderlich im Vergleich zum Kaltumformen und es können höhere Querschnittsabnahmen erreicht werden. Durch die Vorwärmung besteht die Gefahr einer Randentkohlung und Verzunderung an der Oberfläche des Umformgutes. Generell sind beim Warmumformen schlechtere bzw. nur begrenzte Maßtoleranzen erreichbar.

5.2 Schmieden (Grundlagen, Freiformschmieden, Gesenkschmieden, Prägen) Frage 5.2.1: Das Schmieden ist nach der Art der Krafteinwirkung … Richtig ist Antwort C:… ein Druck-Umformverfahren. Zwischen den Schmiedewerkzeugen (Hammer und Amboss oder Gesenk) wird direkt ein so hoher Druck auf das Umformgut erzeugt, dass eine plastische Formänderung eintritt. Im Vergleich zum Walzen mit den im Walzspalt erzeugten Druckkräften kann beim Schmieden eine bessere bzw. größere Tiefenwirkung (Durchschmiedung) erreicht werden. Grundsätzlich werden das manuelle (handwerkliche) und das industrielle Schmieden unterschieden. Frage 5.2.2: Woher stammt die Bezeichnung Freiformschmieden? Richtig ist Antwort B: Das Schmieden zwischen zwei flachen oder V-förmigen Sätteln mit viel Freiheiten hinsichtlich Stauchverhältnisse, Presskräfte, Blockgrößen, Temperaturen usw. (Gegenteil zu Gesenkschmieden). Frage 5.2.3: Worin besteht der Unterschied beim Umformen mit Hämmern oder Pressen? Richtig ist Antwort C: In der Umformgeschwindigkeit: Das Hämmern erfolgt mit höherer Umformgeschwindigkeit (höhere Schlagzahl) als das Pressen. Wie der Name des Hammerschmiedens oder Hämmerns es ausdrückt: Es wird gehämmert, also mit einer hohen Umformgeschwindigkeit pro Hammerschlag auf das Schmiedegut eingewirkt. Auf den Schmiedepressen, meist hydraulisch angetrieben, wird mit einer geringen Umformgeschwindigkeit das Schmiedegut umgeformt. Frage 5.2.4: Was sind die wichtigsten Einflussparameter beim Schmieden? Richtig ist Antwort A: Werkstoff des Schmiedeguts, Umformgrad, Schmiedetemperatur und Umformgeschwindigkeit Frage 5.2.5: Wie wird der Verschmiedungsgrad berechnet? Richtig ist Antwort B: Umformung, bezogen auf die Ausgangs- und Endquerschnittsfläche.

Verschmiedungsgrad : l = A0 ¸ A1

210

5 Umformen

Hierin für Beispiel Rund: A0 – Beginn der Umformung (Fläche beim unverformten Ausgangszustand):

A0 = p ¸ 4 ´ d 0 2

A1 – Ende der Umformung (Fläche im Endzustand, geschmiedet):

A1 = p ¸ 4 ´ d 1 2

Beispiele aus der Praxis für übliche Verschmiedungsgrade sind: λ > 3,5 für austenitische Stähle λ > 3,0 für Baustähle Frage 5.2.6: Wie wird der Stauchgrad berechnet? Richtig ist Antwort A: Als die Umformung, bezogen auf die Höhenabnahme. Wie der Name es schon ausdrückt, das Schmiedegut wird gestaucht, also dessen Höhe verringert. Stauchgrad: λs = h0 ÷ h1 Um ein Abknicken des Umformgutes zu vermeiden, sollte das Höhen-/Durchmesserverhältnis am Schmiedegut mit h0  0,8 Masse-%. Diese Stähle besitzen genügend Kohlenstoff, um im Gefüge den harten Bestandteil Zementit (Fe3C) zu bilden. Dieser wird beim GKZ-Glühen rund eingeformt. Ein klassisches Beispiel hierfür sind die Wälzlagerstähle. Die Abb. 6.5 zeigt das Gefüge des Wälzlagerstahles 1.3505 – 100Cr6 nach solch einer Wärmebehandlung. Deutlich heben sich die kugelig eingeformten Karbide aus der ferritischen Matrix ab. Frage 6.3.6: Was bedeutet BF-Glühen? Richtig ist Antwort C: Das Glühen auf bestimmte Festigkeit. Auch diese Wärmebehandlung von Stahlprodukten zur Erzielung einer bestimmten Festigkeit ist eine Variante des Weichglühens. Heute wird für diese ältere Bezeichnung die Kennung + TH bei Stahlbezeichnungen verwendet (Glühen auf eine bestimmte Härtespanne). Dazu wird auf 850 bis 950 °C erwärmt, abgekühlt und erneut erwärmt (angelassen) auf ca. 500 bis 550 °C. Frage 6.3.7: Was bedeutet BG-Glühen? Richtig ist Antwort C: Das Glühen zur Erzielung eines bestimmten Gefüges (Ferrit-­Perlit). Dieses Glühen von Stahlprodukten zur Erzielung eines bestimmten Gefüges, insbesondere zur Verbesserung der Zerspanbarkeit von Einsatzstählen, umfasst ein Wärmebehandeln (Austenitisieren) bei 900 bis 1000 °C und Halten auf diesem Temperaturbereich der

Abb. 6.5  Wälzlagerstahl: 1.3505 – 100Cr6, GKZ-geglüht mit kugeligen Karbiden. (rasterelektronenmikroskopische Aufnahme)

6.4 Rekristallisationsglühen

251

Perlit-Umwandlung mit anschließendem schnellen und geregelten Abkühlen. So entsteht ein Ferrit-Perlit-Gefüge. Daher auch für das BG-Glühen die Bezeichnung + FP = behandelt auf Ferrit-Perlit-Gefüge.

6.4

Rekristallisationsglühen

Frage 6.4.1: Zu welchem Zweck wird das Rekristallisationsglühen durchgeführt? Richtig ist Antwort C: Zur Entfestigung von durch Kaltumformen verfestigtem Stahl, der wieder zäh und gut umformbar sein soll. Deshalb wird das Rekristallisationsglühen zwischen einzelnen Kaltumformschritten und auch danach durchgeführt. Hierbei verliert der Stahl an Sprödigkeit und wird wieder zäh und gut umformbar.

Eigenschaften

Frage 6.4.2: Was wird durch ein Rekristallisationsglühen im Glühgut bewirkt? Richtig ist Antwort A: Eine Kornneubildung ohne Phasenänderung im Gefüge. Schon die Bezeichnung Rekristallisationsglühen verweist auf ein Glühen bei einem Temperaturbereich, wo eine Rekristallisation stattfindet. Diese erfolgt bei Stahl in der Regel zwischen 550 bis 700 °C. Und Rekristallisation bedeutet Kornneubildung, somit die Entfestigung von kalt durch Walzen, Ziehen oder Pressen umgeformten und stark verfestigten Stählen. Der Gefügezustand vor einer Kaltumformung wird wieder hergestellt, wobei keine Gefügeumwandlung erfolgt. Die Abb. 6.6 zeigt hierzu schematisch den Verlauf der Kornneubildung mit fortschreitender Rekristallisationsdauer und die dadurch bewirkten Änderungen der Umformbarkeit, Härte und Festigkeit.

Festigkeit Umformbarkeit Härte

kaltverfestigt

Rekristallisation (neue Körner)

Kornwachstum

Rekristallisationsdauer

Abb. 6.6 Gefügeänderung mit fortschreitender Rekristallisationsdauer und Auswirkung auf die Umformbarkeit, Härte und Festigkeit

252

6

Wärmebehandlung

Rekristallisationsglühen

1.4303 Draht, gezogen, verfestigt

1.4303 rekristallisationsgeglüht

Abb. 6.7 1.4303 – X4CrNi18-12, Draht im Zustand gezogen und nach dem Rekristallisationsglühen. (Schliffbilder: BGH Edelstahl Lugau GmbH)

Für das Rekristallisationsglühen wird das Glühgut auf 500 bis 700 °C bei ferritischen Stählen und auf über 1000 °C bei austenitischen Stählen in Kombination mit Lösungsglühen erwärmt. Lange Haltezeiten und ein langsames Abkühlen folgen. Dies ist der klassische Weg für das Rekristallisationsglühen. Bei einer Schnellerwärmung werden große Aufheizgeschwindigkeiten, höhere Glühtemperaturen, kurze Haltezeiten (teils nur ca. 60 Sekunden) und ein langsames Abkühlen realisiert. Die Abb. 6.7 zeigt am Beispiel des austenitischen, nichtrostenden Stahls 1.4303 – X4CrNi18-12, eingesetzt für Kaltstauchund Kaltfließpressteile, die Gefügeänderung beim Rekristallisationsglühen. Als Draht gezogen, somit kaltverfestigt, zeigt der Ausgangszustand gestreckte Körner mit Umformmartensit. Das Gefüge im rekristallisierten Zustand weist neu gebildete Körner auf und ist somit wieder gut umformbar. Frage 6.4.3:Für welche Stähle und Produkte findet das Rekristallisationsglühen Anwendung? Richtig ist Antwort B: Für kaltumgeformte, verfestigte Stähle für Bauteile im Maschinenbau, in der Automobilindustrie, in der Chemieindustrie, Medizintechnik, pharmazeutischen Industrie und Lebensmittelindustrie. Beispiele hierfür sind: 1.4104 – X14CrMoS17 (Chromstahl mit verbesserter Spanbarkeit zur Herstellung von Muttern, Schrauben, Zapfen, Wellen u. a.), 1.4105 – X6CrMoS17 (ein Chromstahl mit ebenso durch den Schwefelgehalt verbesserter Spanbarkeit, eingesetzt hauptsächlich für Bauteile in der Automobilindustrie), 1.4112 – X90CrMoV18 (korrosionsbeständiger martensitischer Chromstahl mit hoher Härte und Verschleißfestigkeit, für Kunststoffformen, chirurgische Instrumente, Messerklingen, Führungsleisten, Pumpenwellen, Bauteile der Automobilindustrie), 1.4301 – X5CrNi18-10 (bekannt als V2AStahl, relativ weicher nichtmagnetischer austenitischer, korrosionsbeständiger Stahl, breites Anwendungsgebiet), 1.4303  – X4CrNi18-12 (austenitischer Cr-Ni-Stahl, mit guter

6.6 Lösungsglühen

253

Korrosionsbeständigkeit, Schweißbarkeit und sehr guter Schmiedbarkeit, für Teile in der Automobilindustrie, Maschinen- und Anlagenbau, Chemieindustrie, Architektur u.  a.), 1.4310  – X10CrNi18-8 (austenitischer, korrosionsbeständiger Edelstahl, gute mechanische Eigenschaften, gut polierbar, für Federn, Stanz- und Biegeteile sowie sonstige Teile in der Automobilindustrie, Lebensmittelindustrie, Maschinenbau, Antriebstechnik).

6.5 

Diffusionsglühen

Frage 6.5.1: Zu welchem Zweck wird das Diffusionsglühen durchgeführt? Richtig ist Antwort C: Zur Verminderung von Gefügeinhomogenitäten (lokale, durch Seigerungen entstandene Unterschiede in der chemischen Zusammensetzung von Stählen). Daher stammt auch die gebräuchliche Bezeichnung Ausgleichsglühen. Dieses Ausgleichen im Gefüge erfolgt durch Diffusionsprozesse. Diese verlaufen stark temperatur- und zeitabhängig, so dass ein Erwärmen auf sehr hohe Temperaturen (bei Stahl zwischen 1100 und 1300 °C) erforderlich ist. Dazu kommen sehr lange Haltezeiten, unter Umständen bis zu 50 Stunden. Die Abkühlung hat langsam zu erfolgen, oder es ist sofort ein Umformschritt anzuschließen. Frage 6.5.2: Wann wird ein Diffusionsglühen eingesetzt? Richtig ist Antwort B: Vorwiegend nur bei Edelbaustählen, Werkzeugstählen, Nickel-­ Basis-­Legierungen und Wälzlagerstählen, wenn beim Blockguss Seigerungen im Gefüge abgebaut werden sollen. Ein Diffusionsglühen ist wegen der hohen Temperaturen und den langen Glühzeiten sehr aufwendig und kostenintensiv. Es wird vorwiegend nur eingesetzt, wenn Gefügeinhomogenitäten in der Fertigungskette nicht anders vermieden bzw. beseitigt werden können. Dies betrifft Edelbaustähle (z. B. 1.7228 – 50CrMo4, ein Vergütungsstahl für geschmiedete, gewalzte Ringe, Scheiben, Wellen und sonstige Formschmiedeteile), Nickel-­Basis-­ Legierungen, Werkzeugstähle und Wälzlagerstähle (z.  B. 1.3505  – 100Cr6, den klassischen Wälzlagerstahl). Frage 6.5.3: Für welchen Temperaturbereich müssen Wärmebehandlungsöfen ausgelegt sein, um ein Diffusionsglühen durchführen zu können? Richtig ist Antwort C: über 1100 °C

6.6 

Lösungsglühen

Frage 6.6.1: Zu welchem Zweck wird das Lösungsglühen durchgeführt? Richtig ist Antwort A: Um im Gefüge vorhandene Ausscheidungen aus vorgelagerten Produktionsschritten wieder aufzulösen.

254

6 Wärmebehandlung

Deshalb wird dieses Glühverfahren auch Homogenisieren genannt. Das Auflösen von Ausscheidungen im Gefüge führt auch zu einer gleichmäßigeren Verteilung der Legierungselemente, somit z. B. bei nichtrostenden Edelstählen zu einer Erhöhung der Korro­ sionsbeständigkeit. Wie beim Diffusionsglühen sind auch beim Lösungsglühen hohe Glühtemperaturen im Bereich von ca. 1000 bis 1100 °C erforderlich. Nach Haltezeiten von 30 Minuten bis zu einigen Stunden erfolgt das Abschrecken in Wasser. Dieses schnelle Abkühlen verhindert erneute Ausscheidungen. Frage 6.6.2: Für welche Stähle findet das Lösungsglühen Anwendung? Richtig ist Antwort C: Für austenitische Stähle, Nickellegierungen und Stähle mit Mischgefüge (Duplex-Stähle). Beispiele hierfür sind: Austenitische Stähle, z. B. 1.4301 – X5CrNi18-10 (bekannt als V2A-Stahl), 1.4307 – X2CrNi18-9, 1.4401 – X5CrNiMo17-12-2 (gute Korrosionsbeständigkeit gegenüber Säuren und chlorhaltigen Medien, in der Lebensmittel- und Chemieindustrie eingesetzt), 1.4441  – X2CrNiMo18-15-3 (Sonderedelstahl für medizinische Implantate und medizinische Instrumente), 1.4871  – X53CrMnNiN21-9 (Ventilstahl), 1.4882  – X50CrMnNiNbN21-9 (Ventilstahl), Duplexstähle, z.  B. 1.4410  – X2CrNiMoN25-­7-­4 (ein Super-Duplex-Stahl für den Einsatz in Seewasser), 1.4462  – X2CrNiMoN22-­5-3 (Duplexstahl für die Offshore-Industrie), 1.4501  – X2CrNiMoCuWN25-7-­ 4 (Duplexstahl mit ausgezeichneter Meerwasserbeständigkeit für die Offshore-Industrie), Nickellegierungen, z.  B. 2.4856  – NiCr22Mo9Nb (Nickel-Basislegierung für meerestechnische Anlagen, Schiffbau, Rauchgasreinigungssysteme, Chemie-, Erdöl- und Erdgasindustrie).

6.7 

Spannungsarmglühen

Frage 6.7.1: Was passiert beim Spannungsarmglühen? Richtig ist Antwort B: Der Stahl wird ohne Änderung seiner Eigenschaften einer gezielten Wärmebehandlung unterzogen, um möglichst alle Eigenspannungen abzubauen. Innere Spannungen, die infolge ungleichmäßiger Abkühlung nach dem Vergüten oder beim Richten bzw. bei der mechanischen Bearbeitung verursacht wurden, werden ­verringert bzw. abgebaut. Sonstige Eigenschaften des Stahls und dessen Gefügezustand werden dabei nicht beeinflusst. Ohne ein Spannungsarmglühen würden sich vor, spätestens bei der Weiterverarbeitung die inneren Spannungen lösen und zu geometrischen Abweichungen (Verzug) bzw. unter Umständen auch zu Rissen führen. Das Spannungsarmglühen erfolgt bei Temperaturen meist zwischen 450 bis 650 °C, auf jeden Fall ca. 30 bis 50  °C unterhalb der Anlasstemperatur des Stahls. Geglüht wird mit angepassten Haltezeiten. Ein langsames Abkühlen sichert einen spannungsarmen Zustand.

6.8  Härten …

255

Frage 6.7.2: Wann wird ein Spannungsarmglühen durchgeführt? Richtig ist Antwort A: Meistens nach dem Härten. Spannungen im Stahlhalbzeug oder Formteil sind nicht sichtbar; in Abhängigkeit von der Vorgeschichte der Herstellung aber meist vorhanden. Um eine verzugsarme Weiterverarbeitung zu gewährleisten und das Auftreten eventueller Härterisse zu vermeiden, wird deshalb bei fast allen Werkstoffen bzw. Stählen ein Spannungsarmglühen, oft nach dem Härten, vorgenommen.

6.8 Härten (Umwandlungshärten und Anlassen, Ausscheidungshärten, Kaltverfestigen, Presshärten) Frage 6.8.1: Welchem Zweck dient das Wärmebehandlungsverfahren Härten? Richtig ist Antwort B: Das Härten führt zu einer Erhöhung der mechanischen Widerstandsfähigkeit (Härte, Festigkeit) des Stahls durch eine gezielte Änderung des Gefügezustandes. Frage 6.8.2: Welche Härteverfahren werden unterschieden? Richtig ist Antwort C: Umwandlungshärten, Ausscheidungshärten oder Härten durch Kaltverfestigung. Frage 6.8.3: Wie funktioniert das Umwandlungshärten? Richtig ist Antwort B: Die Eigenschaft des zu härtenden Stahls, bei Erwärmung und Abkühlung eine Gefügeumwandlung Ferrit in Austenit bzw. Austenit in Ferrit zu zeigen, wird ausgenutzt und ein Härtegefüge ausgebildet. Stähle, die keine derartige Gefügeumwandlung aufweisen, können nicht durch Umwandlungshärten behandelt werden. Für das Umwandlungshärten werden die Stähle auf Temperaturen oberhalb des oberen Umwandlungspunktes erwärmt. Eine angepasste Haltezeit führt zu einer vollständigen Umwandlung von Ferrit in Austenit. Deshalb wird in der Praxis die hierzu notwendige Temperatur auch Austenitisierungstemperatur genannt. Ein schnelles Abschrecken mit den Abkühlmedien Wasser, Öl, Polymer oder Luft bewirkt die Bildung des spröden Härtegefüges Martensit. Frage 6.8.4: Was ist Martensit? Richtig ist Antwort C: Der klassische spröde Gefügezustand des Stahls nach dem Umwandlungshärten. Weil die rasche Abkühlung keine Zeit für eine geordnete Rückumwandlung von Austenit in Ferrit zulässt, bildet sich das spröde Härtegefüge Martensit. Je größer die Unterkühlung bzw. je stärker die Abschreckwirkung, desto mehr Martensit wird gebildet. Charakteristisch sind die nadelförmigen Strukturen des Martensitgefüges, wie sie in der Abb. 6.8 erkennbar sind.

256

6 Wärmebehandlung

Abb. 6.8  Querschliff eines Warmarbeitsstahls 1.2343 (X37CrMoV5-1): Stäbe, warmgewalzt und vergütet, 500-fach. (Schliffbild: BGH Edelstahl Lugau GmbH)

Frage 6.8.5: Was besagt eine kritische Abkühlgeschwindigkeit? Richtig ist Antwort A: Es ist die an die Legierungszusammensetzung des Stahls angepasste Abkühlgeschwindigkeit, welche mindestens zur Martensitbildung notwendig ist. Die Martensitbildung wird aber nur dann erreicht, wenn die rasche Abkühlung mit einer an die Legierungszusammensetzung angepassten Abkühlgeschwindigkeit vorgenommen wird. In der Praxis wird diese als kritische Abkühlgeschwindigkeit bezeichnet. Diese Werkstoffkonstante ist für Stähle den zugehörigen Zeit-Temperatur-Umwandlungs-­ Diagrammen (ZTU-Diagrammen) zu entnehmen und zeigt an, welche Abkühlgeschwindigkeit mindestens zur Martensitbildung notwendig ist. Davon ausgehend kann dann nach ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten das Abschreckmedium Luft, Öl, Polymer oder Wasser (in dieser Reihenfolge mit steigender Abschreckwirkung) so ausgewählt werden, dass möglichst kein Verzug und keine Rissbildung im Härtegut entstehen. Dabei sollte für die Wahl der Abschreckgeschwindigkeit gelten: „So schnell wie nötig und so langsam wie möglich!“. Frage 6.8.6: Für welche Anwendungen wird das Härten eingesetzt? Richtig ist Antwort B: Zum Härten von Halbzeug sowie von fertigen Bauteilen aus umwandlungshärtbaren Stählen (Vergütungsstähle, Werkzeugstähle und martensitische, korrosionsbeständige Stähle).

6.8  Härten …

257

Die beim Umwandlungshärten erzielbare Härte ist abhängig vom Kohlenstoffgehalt des Stahls. Dieser muss mindestens 0,2 Masse-% betragen (Kutz, 2013). Allgemein gilt: Je höher der Kohlenstoffgehalt, desto höher auch die mögliche Härte. Und natürlich muss der Stahl auch umwandlungshärtbar sein. Beispiele hierfür: 1.7225 – 42CrMo4, ein klassischer Vergütungsstahl für (hochbeanspruchte Bauteile im Fahrzeugbau), 1.8519 – 31CrMoV9 (Nitrierstahl für Verschleißteile im Maschinen- und Fahrzeugbau), 1.3343  – HS6-5-2C (Schnellarbeitsstahl für Zerspanungs- und Umformwerkzeuge), 1.2344 – X40CrMoV5-1 (Warmarbeitsstahl für Strangpresswerkzeuge, Schmiedegesenke, Warmscheren u.  a.), 1.4313 – X3CrNiMo13-4 (nichtrostender weichmartensitischer Stahl mit guter Zähigkeit für Erdölindustrie, Pumpenbau, Turbinen in Wasserkraftwerken, Werkzeuge für Druckguss), 1.4901 – X10CrWMoVNb9-2 (hochwarmfester Stahl für Kraftwerksbau). Frage 6.8.7: Was versteht man unter Härtbarkeit des Stahls? Richtig ist Antwort B: Die Fähigkeit, beim Härten oberflächlich oder durchgreifend bis zum Kern eine erhöhte Härte durch Bildung des Härtegefüges Martensit anzunehmen, wobei die Höchsthärte und der Härteverlauf bis zum Kern wichtig sind. Zur Prüfung der Härtbarkeit eines Stahls dient der klassische Stirnabschreckversuch nach Jominy. Eine zylindrische Probe (100 mm lang und 25 mm Durchmesser) wird nach Erwärmen auf Härtetemperatur ausschließlich von unten an der Stirnfläche mit Wasser abgeschreckt. Nun wird ausgehend vom Rand auf der plangeschliffenen Zylindermantelfläche schrittweise in Abständen von 1,5 – 3 – 5 – 7 – 9 – 11 – 13 mm usw. die Härte nach Rockwell (HRC) oder nach Vickers (HV) ermittelt. Die Maximalhärte (Aufhärtbarkeit) und der Härteverlauf in die Tiefe (Einhärtbarkeit) charakterisieren die Härtbarkeit. Frage 6.8.8: Was stellt die Ansprunghärte dar? Richtig ist Antwort A: Einen Begriff aus der Praxis der Härter, der die beim Härten erreichte Härte betrifft, also die höchste Härte, die durch nachfolgendes Anlassen verringert wird, um die Zähigkeit des Stahls individuell anzupassen. Frage 6.8.9: Welchem Zweck dient das Anlassen? Richtig ist Antwort B: Zur Verringerung der Härte des spröden Martensitgefüges und somit Einstellung einer etwas höheren Zähigkeit bei gleichzeitigem Abbau von Härtespannungen. Das Anlassen erfolgt in der Regel unter normaler Atmosphäre, wobei sich durch Oxidation an der Oberfläche die charakteristischen Anlasssfarben bilden. Es kann aber auch in Schutzgas- oder Vakuumanlagen, in Salzbädern oder in Induktionsanlagen ein Anlassen des gehärteten Stahls durchgeführt werden. Gegebenenfalls wird das Anlassen auch mehrmals wiederholt. Die Wiedererwärmung des Stahls beim Anlassen erfolgt auf ein Temperaturniveau unterhalb des Umwandlungspunktes (je nach Stahlsorte und Verwendungszweck bei Temperaturen zwischen 200 und 700 °C). Die Abkühlung geschieht an Luft. Die Anlasstemperatur und -haltedauer bestimmen den Grad des Härteabfalls. Der Stahl wird dabei umso weicher und zäher, je höher er erwärmt wurde. Für jeden Stahl gibt es

258

6 Wärmebehandlung HRC

Härte

70 Härte

65

60

55

50

Zähigkeit

100

200

300 400 °C Anlasstemperatur

Abb. 6.9  Typisches Anlass-Schaubild für einen Vergütungsstahl

hierzu sogenannte Anlass-Schaubilder, die den Verlauf des Härteabfalls mit zunehmender Anlasstemperatur aufzeigen. In der Abb. 6.9 ist ein derartiges Anlass-Schaubild vereinfacht dargestellt. Aus diesen Schaubildern kann entsprechend der gewünschten Härte (Festigkeit) die Anlasstemperatur ausgewählt werden. Frage 6.8.10: Für welche Stähle wird das Anlassen angewendet? Richtig ist Antwort C: Für alle umwandlungsgehärteten Stähle. Frage 6.8.11: Was bedeutet Vergüten des Stahls? Richtig ist Antwort B: Ein zweistufiges Wärmebehandeln aus Härten und nachfolgendem Anlassen. Die Kombination der Verfahren Härten und Anlassen wird als Vergüten bezeichnet. In der Praxis meint man oft mit Härten eigentlich das Vergüten. Die Abb. 6.10 zeigt vereinfacht diese Wärmebehandlungskombination des Vergütens. Frage 6.8.12: Worauf beruht das Ausscheidungshärten? Richtig ist Antwort A: Eine Erhöhung der Festigkeit des Stahls wird mittels gezielt eingestellter, vieler kleiner Ausscheidungen im Gefüge erreicht. Das Ausscheidungshärten wird auch als Aushärten bezeichnet. Das Ausscheiden von vielen kleinen, homogenen Teilchen beruht auf der Tatsache, dass die Löslichkeit für Legierungselemente im Eisengitter mit sinkender Temperatur abnimmt. Daher kommt es bei bestimmten Legierungszusammensetzungen zum Ausscheiden solcher Teilchen. Diese stellen dann im Gefüge Hindernisse für Versetzungsbewegungen dar und das Gleiten auf Gitterebenen wird erschwert. Und dies bedeutet beim Stahl nichts anderes als dass er nun infolge der ausgeschiedenen Teilchen im Gefüge eine höhere Festigkeit aufweist.

259

Temperatur

6.8  Härten …

Abschrecken

Härten

Anlassen Zeit

Abb. 6.10  Temperaturverlauf beim Vergüten. (Kombination aus Härten und Anlassen)

Frage 6.8.13: Wie wird ein Ausscheidungshärten durchgeführt? Richtig ist Antwort B: Mit den drei Einzelschritten Lösungsglühen, Abschrecken und Auslagern. Der Stahl wird erwärmt und so lange auf Lösungsglühtemperatur gehalten, bis alle zur Ausscheidung nötigen Legierungselemente in Lösung gegangen sind. Danach wird abgeschreckt, somit Diffusion und die Bildung von Ausscheidungen verhindert. Es liegt nun ein übersättigter Gefügezustand vor. Erst durch ein abschließendes Auslagern bei Temperaturen um ca. 150 bis 190 °C (450 bis 550 °C bei Maraging-Stählen) wird wieder die Diffusion angeregt und es kommt zu einer gezielten Bildung der gewünschten Ausscheidungen. Um dabei für die Festigkeitssteigerung eine optimale Größe und gleichmäßig fein verteilte Teilchen zu erhalten, müssen Auslagerungszeit und Temperatur, abhängig vom Stahl, genau eingestellt werden (Kutz, 2013). Frage 6.8.14: Für welche Stähle findet das Ausscheidungshärten Anwendung? Richtig ist Antwort A: Nur für Stähle, die die Voraussetzungen zum Aushärten aufweisen, z. B. für spezielle Edelstähle. Diese Festigkeitssteigerung durch eine Wärmebehandlung, die gezielt Ausscheidungen im Gefüge erzeugt, ist vor allem bei Aluminium-Legierungen üblich. Nicht alle Stähle können ausscheidungsgehärtet werden. Sie müssen die Voraussetzungen zum Aushärten mitbringen, wie abnehmende Löslichkeit für ein oder mehrere Legierungselemente bei sinkender Temperatur, Mischkristallbildung bei erhöhter Temperatur und Ausbildung fein verteilter Ausscheidungen im Gefüge. Dies betrifft spezielle, korrosionsbeständige Edelstähle (z.  B. den Maraging-Stahl 1.4542  – X5CrNiCuNb16-4, 17-4PH, eingesetzt für höchstfeste Bauteile der Luft- und Raumfahrt) sowie einige Nickel-Basis-Legierungen (Volk, 1970).

260

6 Wärmebehandlung

Frage 6.8.15: Welchem Zweck dient das Kaltverfestigen? Richtig ist Antwort B: Zur gezielten Erhöhung der Werkstofffestigkeit mittels einer bewusst vorgenommenen Kaltumformung, insbesondere bei nicht umwandlungshärtbaren Stählen. Eine bewusst durch Kaltumformung (Hämmern, Pressen, Walzen, Ziehen, Tiefziehen, Kugelstrahlen u. a.) erzeugte Verfestigung steigert die Werkstofffestigkeit. Dabei entstehen Versetzungen im Gitter, die die Gleitvorgänge behindern. Deshalb wird dieser Vorgang auch Kaltverfestigung genannt. Frage 6.8.16: Wie wird ein Kaltverfestigen erreicht? Richtig ist Antwort C: Mittels Kaltumformen wird eine definierte Umformung (Umformgrad) aufgebracht, die die gewünschte Festigkeitssteigerung bestimmt. Das Umformen bei Raumtemperatur zur Festigkeitssteigerung kann theoretisch bis zu einer umformtechnisch bedingten Grenze (Ende der Umformbarkeit) erfolgen. Die Abb.  6.11 zeigt den typischen Verlauf der Kaltverfestigung von Stahl in Abhängigkeit vom Umformgrad. Frage 6.8.17: Bei welchen Stählen wird ein Kaltverfestigen vorgenommen? Richtig ist Antwort B: Grundsätzlich bei allen Stählen, jedoch hauptsächlich bei nicht umwandlungshärtbaren Stählen.

Kaltverfestigung

Streckgrenze

Dehnung

Festigkeit

Zugfestigkeit

Bruchdehnung

Umformgrad

Abb. 6.11  Typischer Verlauf der Kaltverfestigung von Stahl in Abhängigkeit vom Umformgrad

6.9  Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl Coil

Zuschnitt

Vorwärmen

261 Pressen und Abschrecken

Abb. 6.12  Prinzip des Presshärtens von Blechformteilen

Unter Umständen sind beim Kaltumformen auch Veränderungen der elektrischen und magnetischen Eigenschaften zu erwarten. Bewusst wird das Kaltumformen bei solchen Stählen angewandt, die auf Grund ihrer chemischen Zusammensetzung bei Erwärmung und Abkühlung keine Umwandlung zeigen. Dies betrifft hauptsächlich die ferritischen und austenitischen, korrosionsbeständigen Stähle. Sollen nun Endprodukte aus derartigen Stählen mit hohen Festigkeiten hergestellt werden, bleibt nur der Einsatz einer Schlussbehandlung durch Kaltumformen mit definiertem Umformgrad. Frage 6.8.18: Wie wird das Presshärten ausgeführt? Richtig ist Antwort B: Eine vorgewärmte Vorform wird gleichzeitig bei der Warmumformung direkt beim Pressen (Formen) im gekühlten Presswerkzeug kontrolliert gehärtet. Dieses kontrollierte Härten in einer gekühlten Form wird auch Formhärten genannt. Die Abb.  6.12 zeigt vereinfacht das Prinzip des Press- bzw. Formhärtens von Blechformteilen. Frage 6.8.19: Wofür wird das Presshärten eingesetzt? Richtig ist Antwort A: Zur Erzeugung von Blechformteilen mit solchen Festigkeiten, die beim konventionellen Kaltumformen (Tiefziehen) nicht erreichbar wären. Neben vorwiegend Blechformteilen ist auch ein Formhärten von Hohlprofilen möglich. Die hohen Anforderungen an Strukturbauteilen moderner Automobilkarosserien (Gewicht  – Leichtbau, Crashverhalten, Kosten) sind dabei nicht nur die Triebkraft für die Entwicklung und den Einsatz innovativer Formhärteverfahren, sondern auch für spezielle, an diese Härteverfahren angepasste Stahllegierungen, z. B. Mangan-Bor-legierte Vergütungsstähle (IWU, 2012).

6.9 Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl Frage 6.9.1: Drei Bedingungen sind für die Einstellung der Stahleigenschaften wichtig. Chemische Zusammensetzung (Metallurgie), Wärmebehandlung und? Richtig ist Antwort C: Umformung/Verarbeitung.

262

6 Wärmebehandlung

Frage 6.9.2: Welche Besonderheit von Stahl wird bei einigen Wärmebehandlungen ausgenutzt? Richtig ist Antwort B: Die Gitterumwandlung (Phasenumwandlung α − γ bzw. γ − α). Stahl ist eine Eisen-Kohlenstoff-Verbindung, legiert mit weiteren Legierungselementen. Und Kohlenstoff bringt seine Gitterumwandlung mit ein. Beim Erwärmen und langsamen Abkühlen wandern die Eisenatome und es erfolgt eine Phasenumwandlung Ferrit in Austenit (beim Erwärmen) bzw. Austenit in Ferrit (beim Abkühlen). Dieser Vorgang wird bei der Wärmebehandlung ausgenutzt, um bestimmte Gefügestrukturen und somit entsprechende Eigenschaften der Stähle zu erzeugen. Es gibt aber auch Stähle, die keine derartige Umwandlung zeigen (ferritische und austenitische Stähle). Frage 6.9.3: Was ist mit Einformen des Gefüges bei einer Wärmebehandlung gemeint? Richtig ist Antwort B: Lamellenförmige Karbide werden beim Glühen im Gefüge kugelig eingeformt. Dies erfolgt beim GKZ-Glühen (Glühen auf ein Gefüge mit kugeligem Zementit). Die im Gefüge eingelagerten Karbide werden rundlich ausgebildet, was in der Praxis als Einformen bezeichnet wird. Frage 6.9.4: Die Abb. 6.3 zeigt Schliffbilder v. l. n. r. für welche Gefügezustände? Richtig ist Antwort C: Rekristallisiert, weichgeglüht, gehärtet. Frage 6.9.5: Welches Glühverfahren wird eingesetzt, um Gefügeinhomogenitäten, wie z. B. Seigerungen, zu vermindern? Richtig ist Antwort C: Diffusionsglühen (Homogenisieren). Frage 6.9.6: Was bewirken die Wärmebehandlungsverfahren Glühen und Härten? Richtig ist Antwort A: Eine vollständige Gefügeumwandlung im Gefüge des Stahls. Frage 6.9.7: Bei welchem Prozessschritt wird nach dem Motto gehandelt: „So schnell wie nötig und so langsam wie möglich!“? Richtig ist Antwort B: Bei der Auswahl der Wirkung des Abschreckmediums beim Härten. Frage 6.9.8: Was bedeutet Patentieren von Stählen? Richtig ist Antwort B: Ein Sonderverfahren der Wärmebehandlung von Stahl zur Einstellung eines günstigen Gefüges für ein nachfolgendes Kaltumformen. Bei diesem Verfahren, Patentieren genannt, wird das Stahlprodukt nach erfolgter Austenitisierung (Erwärmen auf eine Temperatur, bei der der Stahl vollständig in Austenitgefüge umgewandelt vorliegt) auf eine Temperatur abgekühlt, die kurz über der Martensitstarttemperatur liegt. Bei bzw. unterhalb dieser Temperatur setzt üblicherweise die Martensitumwandlung ein. Die Abkühlung beim Patentieren kann mittels Salzbad oder an

6.9  Allgemeine Fragen aus der Praxis der Wärmebehandlung von Stahl

263

Luft erfolgen Es entsteht hierbei kein hochfestes martensitisches Gefüge, sondern ein für die nachfolgende Kaltumformung günstiges Gefüge aus streifigem Perlit (auch Sorbit genannt, ein Gemisch aus Teilchen von Ferrit und Zementit). Seit über einem Jahrhundert wird dieses Patentierverfahren praktiziert, um z. B. Stahldraht mit hoher Kaltumformung zu ziehen. Zugfestigkeiten über 3000 N/mm2 können erreicht werden z. B. bei Federdrähten oder hochfesten Seildrähten.

7 Werkstoffprüfung

7.1

Grundlagen (Prüfen und Messen)

Frage 7.1.1. Was bedeutet Prüfen? Richtig ist Antwort B: Das Vergleichen des Prüfgegenstandes mit einer Lehre bzw. einem Muster mit der Aussage gut oder schlecht bzw. i. O. oder n. i. O. Prüfen bedeutet immer ein Vergleichen, z. B. das Prüfen eines Wellendurchmessers mit einer Grenzlehre oder das Eichen von Stab-Prüfanlagen mit einem Musterstab. Das Ergebnis ist eine eindeutige Aussage: gut oder schlecht bzw. i. O. oder n. i. O., also kein konkreter Messwert. Frage 7.1.2. Was bedeutet Messen? Richtig ist Antwort C: Das Abtasten eines geometrischen Maßes von einem Prüfling mit Hilfe eines Messgeräts zur Ermittlung eines konkreten Messwerts. Oft wird bei der Ermittlung konkreter Maße, z. B. von Längen, Dicken, Breiten und Durchmessern, von Maßprüfung gesprochen. Jedoch handelt es sich hierbei um ein Messen mit verschiedenen Messmitteln, wie den Handmessgeräten Messschieber, Bügelmessschraube, Lineal, Zollstock und Messuhr. Die Ausführung des Messens kann direkt oder indirekt erfolgen. Beim direkten Messen wird der konkrete Messwert direkt am Messobjekt, meist mit Berührung desselben mit dem Messgerät (Messuhr, Taster mit Skalen- oder Ziffernanzeige) ermittelt. Oft gibt es keine Möglichkeit, direkt am Messobjekt zu messen. Dann wird ein anderes Mittel (z. B. ein Taster) zwischengeschaltet, um das gewünschte Maß zu ermitteln. Mit diesen wird das Maß abgenommen (abgetastet) und dann mittels einer Messeinrichtung das Maß ermittelt (abgelesen).

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_15

265

266

7 Werkstoffprüfung

Frage 7.1.3: Die Fotos in Abb. 7.1. zeigen links und rechts? Richtig ist Antwort B: Prüfen und Messen Frage 7.1.4: Welche zwei Hauptgruppen von Werkstoffprüfverfahren gibt es? Richtig ist Antwort B: Zerstörende oder zerstörungsfreie Prüfungen. Mechanische, technologische sowie auch chemische Kurz- und Langzeitprüfverfahren erfordern eine Probenentnahme und eine meist aufwendige, normkonforme Herstellung der Prüfkörper aus dieser Probenentnahme durch mechanische Bearbeitung. Zur Prüfung werden charakteristische, in der Praxis beim Gebrauch auftretende Beanspruchungen meist idealisiert nachgeahmt. Diese führen schließlich zur Beschädigung bzw. Zerstörung des Prüfkörpers. Daher auch der Begriff zerstörende Prüfung. Die zerstörungsfreie Prüfung (ZfP) bietet den Vorteil, Halbzeug oder Bauteile im fertigen Zustand und ohne Beschädigung, meist auch automatisiert untersuchen zu können. Es ist nicht notwendig, Proben herauszutrennen und diese dann während der Prüfung bis zum Bruch zu belasten und dabei zu zerstören. Diese Verfahren zur zerstörungsfreien Prüfung dienen der Feststellung von Oberflächen- und Kernfehlern unter Einsatz von Röntgenstrahlen, radioaktiven Strahlen, Ultraschall oder mittels magnetischer Durchflutung. Daneben gewinnen unter Beachtung der unterschiedlichen Oberflächenbeschaffenheiten auch optische Prüfverfahren, teils mit digitaler Bildverarbeitung, an Bedeutung.

7.2 Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge (Zugversuch, Härteprüfung, Kerbschlagbiegeversuch, Metallografie) Frage 7.2.1: Welche Verfahren zählen zu den mechanischen Prüfverfahren? Richtig ist Antwort A: Zug-, Druck-, Biege-, Verdreh-Versuche, Härteprüfungen, Kerbschlagbiegeversuche, Zeitstandversuche, Falt-, Hin- und Herbiege- und Tiefungsversuche sowie Zerspanbarkeitsprüfungen. Diese mechanischen Prüfverfahren werden in statische oder dynamische Verfahren (Prüflast wird langsam oder zügig, oft sogar schlagartig oder auch mit wechselnder Größe und Richtung aufgebracht) unterteilt. Frage 7.2.2: Welcher Unterschied besteht zwischen Festigkeit und Härte? Richtig ist Antwort C: Festigkeit ist der Widerstand gegenüber einer äußeren Belastung und Härte ist der Widerstand gegen das Eindringen eines anderen Körpers. Unter Festigkeit versteht man eine Spannung (Kraft bezogen auf einen bestimmten Querschnitt), die der Werkstoff ertragen kann, bevor er sich dauerhaft plastisch verformt oder zerreißt. Erfolgt die einwirkende Kraft in Zugrichtung, so spricht man von Zugkräften. Dagegen ist Härte der mechanische Widerstand, den der Werkstoff dem Eindringen eines anderen Körpers entgegensetzt. Härteprüfungen basieren deshalb

7.2  Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge …

267

meistens auf statisch wirkende Eindringverfahren. Da bei metallischen Werkstoffen wie Stahl eine feste Beziehung zwischen Zugfestigkeit, Härte und Dehnung besteht, können aus den Härtewerten Rückschlüsse auf die Festigkeit gezogen werden (Eisenkolb, 1958). Frage 7.2.3: Was haben Leonardo da Vinci und Sand mit einem Zugversuch zu tun? Richtig ist Antwort B: Leonardo da Vinci (1452–1519) beschrieb um 1500 erstmalig ein Experiment zur Ermittlung der Zugfestigkeit von Draht mittels Sand. Die Abb. 7.1 zeigt diese älteste Zeichnung von Leonardo da Vinci zu einem Zugversuch: einen Behälter mit Sand sowie einen Korb, der an einem Draht befestigt ist. Dieser Draht ist die Zugprobe. Langsam rieselt nun Sand in den Korb, und zwar solange, bis der Draht reißt. Die Sandzufuhr wird gestoppt. Die sich aus dem Gewicht des nun mit einer bestimmten Sandmenge gefüllten Korbes ergebende Zugkraft bezogen auf die Querschnittsfläche der Drahtprobe ergeben dessen Zugfestigkeit. Nicht anders funktionieren auch moderne Zugprüfanlagen. Die Zugkraft wird jedoch elektrisch bzw. servohydraulisch aufgebracht, der Prüfvorgang läuft automatisiert ab und es wird ein Spannungs-­ Dehnungs-­Diagramm aufgezeichnet.

Abb. 7.1  Zugversuch mit Sand – Versuchsanordnung von Leonardo da Vinci, Nachzeichnung der Originalskizze aus (Krankenhagen & Laube, 1983)

268

7

Werkstoffprüfung

Frage 7.2.4: Welche Kennwerte können dem beim Zugversuch aufgezeichneten Spannungs-Dehnungs-Diagramm entnommen werden? Richtig ist Antwort C: Die Streckgrenze, die Zugfestigkeit, die Bruchdehnung und Einschnürung sowie der Elastizitätsmodul. Zugversuche erfolgen mit länglichen, rotationssymmetrischen oder flachen Proben mit einer definierten Geometrie. Diese Proben werden senkrecht eingespannt und mit steigender Zugkraft belastet. Dabei dehnt sich die Probe bis zum Bruch. Die elastischen Verformungen und Dehnungen gehen nach Wegnahme der Zugbeanspruchung zurück. Es bleibt die plastische Verformung sowohl als Längenänderung (Dehnung) wie auch als Querschnittsverringerung (Einschnürung). Die Verlängerung der Probe und die sich verändernde Zugkraft werden registriert und als Spannungs-Dehnungs-Diagramm ausgegeben. Die Abb. 7.2 zeigt ein derartiges Spannungs-Dehnungs-Diagramm als Beispiel für einen duktilen Stahl. Aus den Spannungs-Dehnungs-Diagrammen werden die folgenden technisch relevanten Kennwerte für die untersuchten Stahlproben ermittelt: • Streckgrenze Re (N/mm2 = MPa): Es ist das technische Ende des elastischen Zustandes. Eine Belastung darüber hinaus bewirkt eine bleibende, plastische Umformung. Deshalb ist die Streckgrenze auch die wichtigste Kenngröße für den Konstrukteur zur Auslegung von Baugruppen. In der Praxis weisen Stahllegierungen nicht immer eine deutlich erkennbare Streckgrenze auf. Für diese Fälle erfolgt eine Bestimmung der Dehngrenze Rp zum Beispiel als 0,2 %-Dehngrenze Rp0,2 für eine angenommene Dehnung von 0,2 %. Spannung (N/mm2) Zugfestigkeit

Streckgrenze

Beginn der Einschnürung Z

Rm Re

Bruch

Steigung E = Elastizitätsmodul

Bruchdehnung A

Dehnung (%)

Abb. 7.2 Typisches Spannungs-Dehnungs-Diagramm für einen duktilen Stahl mit ausgeprägter Streckgrenze, rechts: zugehörige Zugprobe vor und nach dem Zugversuch (Foto: Schlegel, J.)

7.2  Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge …

269

• Zugfestigkeit Rm (N/mm2 = MPa): Es ist die höchste, gerade noch von der Probe ausgehaltene Zugkraft bezogen auf den Probenquerschnitt. Nach Überschreitung der Zugfestigkeit beginnt die Einschnürung und es kommt zum Bruch. Mit der beginnenden Einschnürung wird die tragende Querschnittsfläche immer kleiner, somit auch die aushaltbare Zugspannung geringer. • Bruchdehnung A (%): Sie beziffert die bleibende Dehnung nach dem Bruch. • Einschnürung Z (%): Diese kennzeichnet die erwähnte Querschnittsverminderung an der Bruchstelle und ist vor allem bei duktilen Stählen zu erwarten. Spröde Stähle zeigen kein plastisches Verhalten, also auch keine Einschnürung. Sie brechen sofort bei Erreichen der Zugfestigkeit, siehe Abb. 7.3. • Elastizitätsmodul E (N/mm2  =  MPa): Dieser Proportionalitätsfaktor (Steigung) aus Spannung und Dehnung ist das Maß für den Widerstand, den der zu prüfende Stahl der elastischen Umformung entgegensetzt.

Frage 7.2.5: Welcher Festigkeitskennwert ist für den Konstrukteur wichtig? Richtig ist Antwort B: Die Streckgrenze als das Ende des elastischen Zustandes (Belastung darüber hinaus bewirkt eine bleibende Verformung (bei einem Tragwerk z. B. ­unerwünscht!)). Spannung (N/mm2) Zugfestigkeit

Rm

Spröder Stahl Bruch

Duktiler Stahl

Dehnung (%)

Abb. 7.3  Typische Spannungs-Dehnungs-Diagramme für einen spröden und einen duktilen Stahl

270

7 Werkstoffprüfung

Frage 7.2.6: Für welches Prüfverfahren gilt: Je kleiner der runde, bleibende Eindruck, desto höher die Härte? Richtig ist Antwort C: Brinell-Härteprüfung In der Praxis kommen unterschiedliche Härteprüfverfahren zum Einsatz: • Brinell-Härteprüfung HB (vorzugsweise für weiche bis mittelharte Stähle): Zur Erzeugung eines Eindruckes in die Stahloberfläche dient eine Hartmetallkugel mit dem Durchmesser D.  Der ausgemessene Durchmesser d1 des runden Eindrucks ist das Maß für die Härte HB. • Vickers-Härteprüfung HV (für harte, auch oberflächengehärtete Stähle sowie für die Mikrohärteprüfung): Ein bleibender Eindruck wird mittels einer gleichseitigen Diamantpyramide erzeugt. Aus den Diagonalen d1 und d2 des viereckig erhaltenen Eindrucks wird die Härte HV ermittelt. • Rockwell-Härteprüfung HRB oder HRC (einfache und schnelle Härteprüfung, nicht geeignet bei elastisch federnden Prüfproben): Nicht die Größe der bleibenden Eindrücke wird ausgemessen, sondern die Eindringtiefe eines Diamantkegels zur Beurteilung der Härte eines Werkstoffs. Mit steigender Härte des Werkstoffs nimmt die Eindringtiefe ab. Je nach Prüfkraft und Form des Eindringkörpers werden unterschieden: das Rockwell-B-Verfahren  – HRB (Kugel, engl. ball) oder das Rockwell-C-Verfahren – HRC (Kegel, engl. cone). Die Abb. 7.4 zeigt im Vergleich die Härteprüfverfahren nach Brinell und Vickers. Frage 7.2.7: Welche zwei Verfahrensvarianten der Härteprüfung werden unterschieden? Richtig ist Antwort A: Statisch oder dynamisch wirkende Härteprüfverfahren. Für die statisch wirkenden Härteprüfverfahren ist kennzeichnend, dass an der Prüfstelle statisch, d. h. stoßfrei ein bleibender Eindruck hinterlassen wird. Dessen Erzeugung ist genormt und soll in der Praxis leicht und rasch durchführbar sein. Davon ausgehend sind heute stationäre, in Prüflabors aufgestellte Härteprüfmaschinen im Einsatz. Neben den rein statisch wirkenden Härteprüfanlagen nach Brinell, Vickers oder Rockwell werden in der Praxis auch Geräte genutzt, bei denen das Eindringen des Prüfkörpers schlagartig, also dynamisch plastisch wirkend erfolgt. Dabei wird meist vor Ort direkt an der zu prüfenden Probe (z. B. an einem Wellenzapfen, an einer Walze oder an sonstigen Formteilen) die Härteprüfung mit einem kleinen Hammer vorgenommen. Derartige klassische Schlaghärteprüfer sind der Baumann-Hammer und der Poldihammer. Alle diese beschriebenen Verfahren hinterlassen an der Prüfoberfläche einen bleibenden Eindruck, d.  h. es wird die

7.2 Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge …

271

Prüfkraft

Probe

Eindruck

HB

d1

Abb. 7.4 Prinzip der Härteprüfung nach Brinell (HB) und Vickers (HV)

plastische Verformung des Werkstoffes als Maß für die Härte herangezogen. Im Unterschied dazu kann auch dynamisch das elastische Verhalten des zu prüfenden Werkstoffes zur Beurteilung der Härte dienen. Praktisch lässt man hierzu einfach eine harte Stahlkugel auf die Oberfläche fallen. Diese wird nun zurückspringen. Aus der sich ergebenden Rücksprunghöhe kann auf die Härte geschlossen werden. Als Geräte für diese Prüfverfahren kommen zum Einsatz: die Shore-Härteprüfer mit Fallhammerprinzip oder die Rückprallhärteprüfer nach Leeb, die mit Federkraft den Schlagkörper auf die Probenoberfläche katapultieren. Frage 7.2.8: Welcher Unterschied besteht zwischen einem Baumann-Hammer und einem Poldihammer. Richtig ist Antwort B: Beim Baumann-Hammer drückt schlagartig eine Feder die Prüfkugel in die Oberfläche der Probe, während der Poldihammer zur Härtemessung neben der Prüfkugel einen Vergleichskörper mit bekannter Härte nutzt. Im handlichen Baumann-Hammer wird durch Federkraft eine Vorspannung erzeugt. Nach senkrechtem Aufsetzen des Gerätes auf die Prüfoberfläche wird die Vorspannung gelöst und die Feder drückt schlagartig die Prüfkugel in die Oberfläche der Probe. Der bleibende Eindruck wird wie bei der Brinell-Härteprüfung ausgemessen. Der Poldihammer nutzt zur Härtemessung zusätzlich einen rechteckigen Vergleichsstab mit bekannter Härte. Dieser wird in eine Öffnung des Poldihammers zwischen Prüfkugel

272

7

Werkstoffprüfung

und Schlagstempel eingeschoben. Wiederum wird auch dieses Gerät senkrecht auf die Prüfoberfläche gesetzt und mit einem Hammer auf den Stempel eingeschlagen. Die Prüfkugel drückt sich dabei sowohl in die Oberfläche des Vergleichsstabes als auch des Prüflings ein. Da die Härte des Prüfstabes bekannt ist, kann aus der Durchmesserdifferenz der Eindrücke mittels einer Tabelle die Härte des zu prüfenden Werkstoffes ermittelt werden (Eisenkolb, 1958). Frage 7.2.9: Wie funktioniert ein Rückprallhärteprüfer? Richtig ist Antwort C: Man lässt eine harte Stahlkugel auf die Prüfkörperoberfläche fallen und aus der Rücksprunghöhe kann auf die Härte geschlossen werden. Als Geräte für dieses Prüfverfahren kommen zum Einsatz: die Shore-Härteprüfer mit Fallhammerprinzip oder die Rückprallhärteprüfer nach Leeb, die mit Federkraft den Schlagkörper auf die Probenoberfläche katapultieren. Frage 7.2.10: Wie funktioniert ein Kerbschlagbiegeversuch? Richtig ist Antwort A: Eine gekerbte Stahlprobe wird von einem herabfallenden Pendelhammer zerschlagen und dabei die Fähigkeit des Stahls ermittelt, Schlagenergie zu absorbieren. Diesen Kerbschlagbiegeversuch hat 1905 Augustin Georges Albert Charpy (1865–1945) entwickelt, deshalb auch der Name Charpy-Test. Die Abb. 7.5 zeigt hierzu das Prinzip des

Kerbschlagarbeit K = Ep – Eü = F (h1 – h2) Ep = potenzielles Arbeitsvermögen Eü = überschüssige Arbeit h1 - Fallhöhe Pendelhammer h2 - Ausschwinghöhe

Höhe h1

Höhe h2

Prüfkörper

Widerlager

Schlagrichtung (Pendelhammer)

Abb. 7.5 Prinzip des Kerbschlagbiegeversuches sowie Foto eines Pendelschlagwerkes in einem Werkstoffprüflabor. (Foto: Schlegel, J., BGH Edelstahlwerke GmbH)

7.2  Zerstörende Prüfungen – mechanische Eigenschaften und Gefüge …

273

Kerbschlagbiegeversuches sowie das Foto eines Pendelschlagwerkes in einem ­Werkstoffprüflabor. Fällt der Pendelhammer aus einer definierten Höhe h1 mit einer bestimmten kinetischen Energie Ep (potenzielles Arbeitsvermögen des Pendelhammers) kreisförmig auf diese Probe im tiefsten Punkt seines Falls, wird diese Probe zerschlagen oder verformt durch das Widerlager gezogen. Im Moment des Auftreffens des Hammers auf die gekerbte Probe wird ein Teil der kinetischen Energie des Hammers durch Verformungsprozesse in der Probe aufgebraucht. Mit der Restenergie (überschüssige Arbeit Eü) schwingt der Hammer bis auf eine Höhe h2 (Ausschwinghöhe) weiter, die natürlich geringer ist als die ursprüngliche Fallhöhe h1. Der Betrag der durch die Probe absorbierten Fallenergie wird aus dem Vergleich der ursprünglichen Fallhöhe mit der Durchschwinghöhe des Hammers errechnet. Dieser Wert K ist das Maß für die Kerbschlagarbeit in J (Joule) des untersuchten Stahls bei einer bestimmten Temperatur. Einfach ausgedrückt: Schwingt der Hammer sehr weit nach, so hat die Probe nur wenig Energie absorbiert, sie ist somit unter den gegebenen Prüfbedingungen sehr spröde und hat keine bzw. nur sehr wenig Energie für die Umformarbeit aufgebraucht. Zu beachten ist, dass die ermittelten Werte für die Kerbschlagarbeit eines Stahls nur vergleichbar sind, wenn diese an Proben mit gleicher Geometrie ermittelt wurden. Diese Geometrien mit verschiedenen Querschnitten sowie runden oder spitzen Kerben sind genormt. Frage 7.2.11: Was ist unter dem Begriff Metallografie zu verstehen? Richtig ist Antwort B: Metallografie ist die Lehre vom Gefügeaufbau mit der Aufgabe, komplexe räumliche Strukturen des Stahls abzubilden sowie qualitativ und quantitativ die Gefüge zu beschreiben. Hierzu sind natürlich Hilfsmittel wie Mikroskope nötig. Heute sind zur qualitativen und quantitativen Beurteilung der Stahlgefüge Auflichtmikroskope sowie Elektronenmi­ kroskope, z. B. Raster- und Transmissionselektronenmikroskope, im Einsatz. Frage 7.2.12: Wozu wird bei der Schliffpräparation in der Metallografie geätzt? Richtig ist Antwort C: Um das Gefüge einer Schliffprobe (Korngrenzen, Phasen) sichtbar zu machen. Die Schliffproben zeigen nach dem Schleifen und Polieren in der Grundmasse des Stahls bereits dunkel abzeichnend nichtmetallische Einschlüsse, Schlacken, Poren, Gasblasen, Mikrolunker, Materialtrennungen und Risse. Zur Sichtbarmachung der Korngrenzen und Phasen wird die Schliffprobe geätzt. Je nach Stahlgüte und Prüfaufgabe kommen unterschiedliche Medien (Säuren, Laugen, neutrale Lösungen, Salzschmelzen u. a.) zur Anwendung. Man unterscheidet hierbei die Korngrenzen- und die Kornflächenätzung. Die Abb. 7.6 zeigt einen Vergleich der Gefügepräparationen ungeätzt und geätzt. Im ungeätzten Zustand sind Sulfidzeilen gut sichtbar. Im geätzten Längsschliff werden dagegen die Korngrenzen hervorgehoben.

274

1.4305 – X8CrNiS18-9, Längsschliff ungeätzt

7

Werkstoffprüfung

1.4301 – X5CrNi18-10, Längsschliff geätzt

Abb. 7.6 Längsschliffe austenitischer Stähle, links: ungeätzt, rechts: geätzt. (Schliffbilder: BGH Edelstahl Lugau GmbH)

Frage 7.2.13: Was bedeutet Makroskopie und wofür wird diese eingesetzt? Richtig ist Antwort B: Makroskopie bedeutet die Betrachtung mit bloßem Auge oder mittels Auflicht-Stereomikroskop bei Vergrößerungen bis 50-fach und dient der Beurteilung von Oberflächen und Bruchflächen zu Übersichtszwecken. Frage 7.2.14: Was bedeutet Mikroskopie und wofür wird diese eingesetzt? Richtig ist Antwort A: Mikroskopie bedeutet das Betrachten winziger Objekte bei sehr starker Vergrößerung, z. B. Gefügeuntersuchungen mittels Lichtmikroskopie bei Vergrößerungen bis 1000-fach oder mittels Elektronen- sowie Rastersondenmikroskopie zur Sichtbarmachung von Phasenanteilen, der Kornausbildung, von Korngrenzen und -größen, von Verunreinigungen, Lunkern, Poren, Rissen u. a. Fehlern sowie zur Beurteilung des Wärmebehandlungszustandes und des Reinheitsgrades. Auch für Rückschlüsse zum Herstellprozess und zu Fehlerursachen wird die Mikroskopie eingesetzt. Zum Einsatz kommen heute meist moderne Auflichtmikroskope mit computergestützter Bildanalyse. Neuartige Digitalmikroskope kombinieren die Vorteile der Stereo- und Auflichtmikroskope und können mit digitaler Nachbearbeitung viele Messaufgaben lösen. Fast unglaublich, aber wahr: Eine rasante technische Weiterentwicklung garantiert Blicke in die Mikro- und Nanostruktur von Stählen, und dies auch in 3D. Zum Einsatz kommen hierzu z. B. hochauflösende Feldemissions-Elektronenmikroskope und 3D-Atomsondenmikroskope.

7.3 Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse (RöntgenFluoreszenz-Analyse, Optische Emissions-Spektrometrie, Verbrennungsanalyse) Frage 7.3.1: Wie kann die chemische Zusammensetzung eines Stahls ermittelt werden? Richtig ist Antwort C: Mittels nasschemischer Analyse oder mit physikalischen Messprinzipien.

7.3  Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse …

275

Bis 1950 dominierte die zeit- und materialaufwendige nasschemische Analyse. Danach kamen vielfältige und heute fast unüberschaubare Methoden der instrumentellen chemischen Analytik auf, basierend auf physikalischen Messprinzipien, wie z. B. die Röntgen-­ Fluoreszenz-­Analyse (RFA), die optische Emissions-Spektrometrie (OES) sowie die Verbrennungsanalyse. Frage 7.3.2: Worin liegt der Unterschied zwischen einer Schmelzanalyse und einer Stückanalyse? Richtig ist Antwort B: In der Art der Probenahme: Schmelzflüssig direkt aus der flüssigen Stahlschmelze oder fest als Stück aus einem Gussblock oder Halbzeug. Die Probenahme schmelzflüssig erfolgt direkt aus der flüssigen Schmelze im Tiegel vor dem Abguss (mit einem Löffel oder einem Tauchrohr). Oder eine Stahlprobe wird einem schon abgegossenen, meist auch schon umgeformten festen Stück, z. B. Gussblock oder Halbzeug, entnommen. Die Analysenergebnisse können etwas voneinander abweichen. Deshalb wird auch die jeweilige Art der Probenahme dokumentiert. Frage 7.3.3: Wie funktioniert die Röntgen-Fluoreszenz-Analyse (RFA)? Richtig ist Antwort A: Eine primäre Röntgenstrahlung trifft auf die zu analysierende Probe, die nunmehr eine sekundäre Röntgenstrahlung aussendet, die in einzelnen Komponenten charakteristisch ist für deren chemische Zusammensetzung. Die Röntgen-Fluoreszenz-Analyse (RFA) basiert auf der physikalischen Gesetzmäßigkeit des Atomaufbaus. Ein chemisches Element wird charakterisiert durch ein Atom mit dem Atomkern, der eine entsprechende Anzahl von Protonen und Neutronen aufweist, und durch die umgebende Hülle mit identischer Anzahl von Elektronen. Die Hülle wird in verschiedenen Schalen bzw. Energieniveaus unterteilt, die von innen nach außen mit K, L, M usw. gekennzeichnet werden. Dabei weist K als die kernnächste Schale die geringste Energie auf (Demtröder, 2005). Trifft nun eine Röntgenstrahlung auf ein Atom eines Elementes, so wird ein Elektron von einer kernnahen Schale entfernt (ausgestoßen). Ein anderes Elektron von einer höheren Energieschale geht nun auf die tiefer liegende Schale über und füllt die entstandene Leerstelle aus. Die dabei entstehende Energiedifferenz führt zur Abstrahlung einer für das chemische Element charakteristischen sekundären Röntgenstrahlung, als Röntgen-­ Fluoreszenz bezeichnet. Die Wellenlängen und die Intensitäten dieser Röntgenstrahlung werden mit einem PC-gesteuerten Analysator erfasst und ausgewertet. Am Bildschirm des RFA-Gerätes können dann sofort die ermittelten Legierungselemente und deren Mengenanteile in Prozent abgelesen werden. Die Abb. 7.7 zeigt in einer schematischen Darstellung diese beschriebenen Vorgänge bei der Röntgen-Fluoreszenz-Analyse. Frage 7.3.4: Wofür wird die Röntgen-Fluoreszenz-Analyse (RFA) eingesetzt? Richtig ist Antwort B: Für die Bestimmung von Legierungselementen mit hohen Atomgewichten.

276

7 Werkstoffprüfung

Anzeige

Zentralprozessor

Speicher

Röntgenquelle

Analysator sekundäre Röntgenstrahlung („Röntgenfluoreszenz“)

Röntgenstrahl ausgestoßenes Elektron

äußeres Elektron füllt Leerstelle

K

L

M

Atom der Stahlprobe

Abb. 7.7  Schematische Darstellung der Vorgänge bei der Röntgen-Fluoreszenz-Analyse. (Grafik nach: analyticon instruments gmbh, Rosbach v. d. Höhe)

Die RFA-Analyse ist deshalb vor allem für die Bestimmung von Legierungselementen mit hohen Atomgewichten geeignet, da leichtere Elemente die Röntgenstrahlung zu stark absorbieren (Hahn-Weinheimer et al., 2000). Davon ausgehend wird in der Stahlindustrie die RFA-Methode für hochlegierte Stähle und Sonderlegierungen wie Titan-, Cobalt- und Nickelbasislegierungen angewendet, um hohe Genauigkeiten der chemischen Analyse zu gewährleisten (Erhardt, 1988). Zum Einsatz kommen in den Stahlwerkslaboren vollautomatisch arbeitende RFA-Geräte. Mobile, handgeführte RFA-Geräte werden zur schnellen Analyse von Stahlproben, auch von Schrott genutzt. Frage 7.3.5: Wie funktioniert die Optische Emissions-Spektrometrie (OES)? Richtig ist Antwort C: Mittels Energiezufuhr werden in der zu untersuchenden Probe die Elektronen angeregt, ihre Bahnen zu ändern. Bei deren Rückkehr zu ihren ursprünglichen Bahnen wird Energie in Form von Licht abgegeben.

7.3  Zerstörende Prüfungen – chemische Analyse …

277

Die Grundlage der optischen Emissions-Spektrometrie (OES), auch Atom-­Emissions-­ Spektrometrie (AES) oder Flammen-Spektroskopie genannt, ist folgendes physikalisches Phänomen: Wenn einem Atom Energie zugeführt wird, ändern einige Elektronen dieses Atoms ihre Bahn. Die Energiezufuhr kann mit einem Lichtbogen (Funken-Spektrometer), mit einer Flamme (Flammen-Photometer), oder mit einem Plasma erfolgen. Wenn die angeregten Elektronen zu ihrer ursprünglichen Bahn zurückkehren, wird eine definierte Energie in Form von Licht einer bestimmten Wellenlänge abgegeben. Eine Probe, in der mehrere verschiedene Elemente enthalten sind, erzeugt daher Licht, das auch aus den Wellenlängen jedes dieser Elemente besteht. Durch die Trennung dieser Wellenlängen mit Hilfe eines Beugungssystems kann bestimmt werden, welche Elemente vorhanden sind. Dabei ist die Intensität jeder Wellenlänge eine Funktion der Konzentration jedes Elementes. Diese Lichtintensitäten werden gemessen und ein Rechner verarbeitet diese Informationen über hinterlegte Kalibrierkurven. Am Bildschirm kann dann direkt der Gehalt der in der Probe enthaltenen Legierungselemente in Prozent abgelesen werden. Frage 7.3.6: Wofür wird die Optische Emissions-Spektrometrie (OES) eingesetzt? Richtig ist Antwort B: Für die hochgenaue Bestimmung von Legierungselementen mit geringen Atomgewichten. Diese Anwendung ergibt sich bei der OES verfahrensbedingt. Sie ist wie auch die RFA-Analyse für niedrig- und hochlegierte Stähle eine schnelle und zuverlässige Analysenmethode. Leistungsfähige, meist vollautomatisch arbeitende OES-­Funkenspektrometer oder Flammenphotometer sind in den Werkstoffprüflaboren der Stahlindustrie im Einsatz. Robuste, mobile OES-Funkenspektrometer dienen meist vor Ort in der Produktion, in der Adjustage und im Versand zur Verwechslungsprüfung sowie im Labor zur Schnellanalyse. Frage 7.3.7: Was versteht man unter einer Verbrennungsanalyse? Richtig ist Antwort A: Die zu untersuchende feste Probe wird unter Sauerstoff oder einem Trägergas aufgeschmolzen und die dabei entstehenden Verbrennungsprodukte werden im Gasstrom analysiert. Frage 7.3.8: Wie funktioniert die Kohlenstoff-Schwefel-Verbrennungsanalyse? Richtig ist Antwort B: Die auf Kohlenstoff (C) und Schwefel (S) zu untersuchende Probe wird unter einem Sauerstoffstrom verbrannt und die sich bildenden Gase CO2 und SO2 werden analysiert. Die Bestimmung der nichtmetallischen Elemente Kohlenstoff und Schwefel im Stahl erfolgt durch Verbrennung von Stahlspänen in einem Induktionsofen unter Sauerstoffstrom. Die Einwaage der Probenmengen bis ca. 1000 mg unter eventueller Zugabe von Zuschlägen erfolgt in Keramiktiegeln. Bei der Verbrennung bilden sich CO2 und SO2, aus denen durch Infrarotabsorption schon geringste Mengen an Kohlenstoff und Schwefel ermittelt werden können. Die Verbrennung, die Analyse des Gasstromes und die Ausgabe der Ergebnisse erfolgt automatisch.

278

7 Werkstoffprüfung

Frage 7.3.9: Wie funktioniert die Trägergasheißextraktion? Richtig ist Antwort C: Unter einem Trägergas, meist Helium, wird die zu untersuchende Probe aufgeschmolzen und das sich dabei bildende Gas hinsichtlich der Elemente Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff analysiert. Bei der Trägergasheißextraktion (TGHE) arbeiten die Analysatoren mit einem Trägergas, meist Helium. In einem Graphittiegel erfolgt die Einwaage der Proben bis ca. 5 g in Form von Spänen, Pulver oder Kompaktstückchen. Diese werden dann induktiv auf sehr hohe Temperaturen bis 2700 °C erhitzt und aufgeschmolzen. Dabei bilden sich entsprechend der Gasgehalte der Proben Gasströme, deren Zusammensetzungen hinsichtlich der Elemente Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff analysiert werden. Auch für dieses Verfahren sind die Probenvorbereitung und die Messung genormt.

7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen (Ultraschall-, Wirbelstrom-, Sicht-, Farbeindring- und Magnetpulver-Prüfung, Rauheitsmessung) Frage 7.4.1: Was wird üblicherweise mit ZfP bezeichnet? Richtig ist Antwort C: Das Verfahren Zerstörungsfreie Prüfung (ohne Beschädigung des Prüflings). Frage 7.4.2: Was sind die wichtigsten zwei Fehlerarten, die mittels ZfP erfasst werden können? Richtig ist Antwort B: Innere Fehler (Kern- und randnahe Fehler) und Oberflächenfehler. Frage 7.4.3: Wie funktioniert eine Ultraschallprüfung? Richtig ist Antwort B: Von einem Sender wird Ultraschall gerichtet in die zu untersuchende Probe ausgesendet und dessen Reflexion sowie Schwächung an Grenzflächen im Innern zur Fehlererkennung genutzt. Wie in der Medizin (Sonographie) können auch bei Stahlprodukten innere Fehler bzw. Unregelmäßigkeiten untersucht werden. Diese inneren Fehler bzw. Kernfehler und auch randnahen Fehler (geschlossene Fehler unter der Oberfläche) sind metallurgisch bedingt bei der Stahlerzeugung, den Umformprozessen und bei Abkühlvorgängen entstanden. Es betrifft nichtmetallische Einschlüsse (Schlacketeilchen), Desoxidationsprodukte, Risse, Kernauflockerungen, sonstige Hohlräume u. ä. Ungänzen. Als Ultraschall werden Schallwellen mit Frequenzen ab 16  kHz bezeichnet, also Schallwellen oberhalb des Hörbereiches des Menschen. Der Ultraschall breitet sich gerichtet wie das Licht aus. Die Reflexion von Schallwellen an Grenzflächen sowie die Schwächung („Abschattung durch einen Fehler“) werden zur Fehlererkennung genutzt. Die geschieht wie folgt: Die Oberfläche des metallischen Prüfkörpers wird mit einem Koppelmittel (z. B. Gel, Wasser oder Öl) benetzt und mit einem Prüfkopf abgefahren, der Ultraschall aussendet. Grenzflächen im Inneren reflektieren den Schallimpuls anders als fehlerfreies Material.

7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen …

279

Nach vorangegangener Justierung kann aus dem Echo die Lage und Größe des Fehlers abgeschätzt werden. Frage 7.4.4: Welche beiden Verfahrensvarianten der Ultraschallprüfung werden unterschieden? Richtig ist Antwort A: Durchschallung oder Impuls-Echo-Verfahren. Frage 7.4.5: Welcher Unterschied besteht beim Ultraschallprüfen nach den Varianten Durchschallung oder Impuls-Echo-Verfahren? Richtig ist Antwort B: Bei einer Durchschallung werden am Prüfling ein Sender und ein gegenüberliegender Empfänger eingesetzt, während beim Impuls-Echo-Verfahren ein Prüfkopf gleichzeitig als Sender und Empfänger arbeitet. Die Abb. 7.8 zeigt hierzu diese Ultraschallvarianten im Vergleich. Frage 7.4.6: Wie werden Ultraschallprüfungen in der Stahlpraxis durchgeführt? Richtig ist Antwort B: Beide Prüfvarianten können manuell als Einzelprüfungen, automatisiert diskontinuierlich oder automatisiert kontinuierlich im Durchlauf durchgeführt werden. Manuell geprüft werden einzelne Produkte (Teile), auch gewalztes oder geschmiedetes Halbzeug, automatisiert diskontinuierlich z. B. größere geschmiedete und bearbeitete, geschälte oder gedrehte Rundteile sowie automatisiert kontinuierlich im Durchlauf Langprodukte (z. B. Stäbe, geschmiedet, gewalzt, rund, roh, gestrahlt, geschält oder geschliffen, poliert). Auch für andere Produktgruppen, wie Vierkantknüppel, Bleche, Platten, Bänder, Rohre, Voll- und Hohlwellen sind US-Prüfanlagen im Einsatz. Die Prüfeinrichtungen hierfür nutzen oft Robotersysteme und verschiedene Lineartechniken zum schrittweisen Abtasten der Prüfkörpervolumen. Die Prüfbedingungen wie Prüfumfang, AbtastPrüfkörper

US-Sender

Empfänger

Durchschallung Abb. 7.8 Prinzip der Ultraschallprüfvarianten Durchschallung und Impuls-Echo-Verfahren

280

7

Werkstoffprüfung

geschwindigkeit, Abtastrichtung, Anforderungen an den Prüfkörper, Geometrie der Vergleichskörper, Anpassung der Prüfköpfe, Einschallwinkel, Empfindlichkeitseinstellung, Bestimmung des Schallweges u. a. sind genormt. Frage 7.4.7: Was bedeutet Ultraschallprüfen mittels Phased-Array-Technik? Richtig ist Antwort C: Viele Prüfköpfe sind in einer Durchlaufprüfanlage ringförmig um den runden Prüfkörper (Stäbe) fest angeordnet und werden elektronisch einzeln so angeregt, dass ein radialer Ultraschall-Scan entsteht. Auch für flache Prüfkörper (Flachprodukte) kommen Phased-Array-Prüfköpfe zum Einsatz, die elektronisch gesteuert getaktete Ultraschallimpulse mit verschiedenen Einschallwinkeln erzeugen. Insbesondere automatisierte Stab-Durchlauf-Prüfanlagen sind mit Prüfköpfen ausgerüstet, die nach der Phased-Array-Technik arbeiten. Dies bedeutet, dass nicht ein einziger Prüfkopf als Sender und Empfänger um den stabförmigen Prüfkörper rotiert, sondern es sind viele Prüfköpfe in der Durchlaufprüfanlage ringförmig um den zu prüfenden Stab fest angeordnet. Diese Prüfköpfe werden elektronisch einzeln so angeregt, dass durch dieses gruppenweise Weiterschalten ein radialer Ultraschall-Scan entsteht. Dabei ist eine Senkrecht- und Winkeleinschallung gleichzeitig möglich. Bei dieser elektronisch verursachten Rotation des Schallstrahls entfällt eine mechanische Rotation der Prüfköpfe. Somit gibt es auch im Vergleich zu konventionellen Ultraschall-Prüfanlagen keinen Verschleiß von mechanisch bewegten Teilen. Die Abb. 7.9 zeigt zum Verständnis eine vereinfachte Prinzipdarstellung der Phased-Array-Technik, des sogenannten „getakteten Ultraschalls“. Diese US-Prüftechnik wurde übrigens aus der medizinischen Diagnostik abgeleitet und vor ca.  30 Jahren erstmalig in der Stahlindustrie bei der Rohrprüfung eingesetzt. Auch zur Prüfung von Flachprodukten kommen Phased-Array-Prüfköpfe zum Einsatz, z.  B. zur Schweißnahtprüfung an Blechen.

Abb. 7.9 Prinzip der Phased-Array-Technik zum Ultraschallprüfen von Stäben

elektronisch getaktete Rotation

US -Prüfköpfe

Winkeleinschallung

Senkrechteinschallung

7.4  Zerstörungsfreie Prüfungen …

281

Prüfkopf

Stab

kein Fehler (nur Rückwandecho)

Längsfehler gut auffindbar

Fehler bedingt auffindbar (kein Rückwandecho)

Querfehler nicht auffindbar! (nur Rückwandecho)

randnaher Fehler (überlagert von Rückwandecho)

Abb. 7.10  Typische Fehlerlagen in einem Stab und deren Erkennbarkeit beim Ultraschallprüfen

Frage 7.4.8: Wofür wird die Ultraschallprüftechnik eingesetzt? Richtig ist Antwort A: Zum Aufdecken von Kernfehlern, randnahen nichtmetallischen Einschlüssen, Poren und verschweißten Rissen, also von inneren Ungänzen. Entscheidend für die Anwendung geeigneter US-Prüftechnik ist die Fragestellung, welche Fehler erkannt werden können und wo die Nachweisgrenzen liegen. Es können grundsätzlich mittels Ultraschall Kernfehler, randnahe nichtmetallische Einschlüsse, Poren und verschweißte Risse detektiert werden, also innere Ungänzen, die zur Oberfläche hin nicht offen sein müssen, aber können. Dabei sind die Fehlerlage und die Schallrichtung maßgebend für eine sichere Erkennung eines Fehlers. Die Abb. 7.10 zeigt hierzu schematisch typische Fehlerlagen zum Beispiel in einem Stab. Frage 7.4.9: Was bedeutet KSR beim Ultraschallprüfen von Stäben? Richtig ist Antwort C: Kreisscheibenreflektor (definierte Fehlerbohrung) zum Kalibrieren der Ultraschall-Prüfanlage. Die US-Prüfung ist eine vergleichende Prüfung. Deshalb muss die Prüfempfindlichkeit der Anlagen mit sogenannten Kalibrier- bzw. Vergleichskörpern eingestellt werden. Diese besitzen ähnliche akustische Eigenschaften und Abmessungen wie das zu prüfende Material. Und sie weisen definierte, künstlich erzeugte Fehler auf in Form von kleinen Bohrungen, Querbohrungen, Flachbodenbohrungen oder Nuten. Deren Geometrie wie Durchmesser, Tiefe und Lage dienen zur Justierung der Empfindlichkeit. Die Abb. 7.11 zeigt als Beispiel einen Kalibrierstab mit einer Flachbodenbohrung vom Durchmesser 0,7  mm. Diese Flachbodenbohrung wird als Kreisscheibenreflektor KSR (im Beispiel: KSR 0,7) bezeichnet und kennzeichnet die Fehlergröße bzw. Sortierschwelle der nun geeichten US-Prüfanlage.

282 Abb. 7.11  Kalibrierstab mit einem künstlichen Fehler als Flachbodenbohrung mit 0,7 mm Durchmesser, geeignet für die Justierung von Ultraschall-­ Stabdurchlaufprüfanlagen

7 Werkstoffprüfung

Flachbodenbohrung Kalibrierstab

Ø 0,7 mm

Einschallung

Frage 7.4.10: Wovon hängt in der Praxis des Ultraschallprüfens von Stahlprodukten die kleinste nachweisbare Fehlergröße ab? Richtig ist Antwort B: Werkstoff, Wärmebehandlungszustand und Gefüge, Umformgrad, Oberflächenzustand (Rauheit), Stabdurchmesser, Koppelmittel. Bei „schwarzem“, oxidiertem Halbzeug, roh und gewalzt, also mit einer rauheren Oberflächenstruktur im Vergleich zu geschälten oder geschliffenen Oberflächen, ist eine schlechtere Ankopplung des Ultraschalls zu erwarten. Es können dadurch Reflexionen bzw. höhere Schallverluste auftreten, so dass mit einer schlechteren Erkennbarkeit der Kernfehler zu rechnen ist. Zu beachten ist auch, dass verfahrensbedingt die Stabenden nicht prüfbar sind. Aktuell können Stäbe mit einem kleinsten Durchmesser von ca. 8 bis 10  mm geprüft werden. Entwicklungen hinsichtlich der Prüfgenauigkeit bei kleineren Stabdurchmessern in Abhängigkeit von der Oberflächengüte (geschält, geschliffen) laufen in verschiedenen Blankstahl herstellenden Unternehmen. Ausgehend vom aktuellen technischen Stand der US-Prüfanlagen können zum Beispiel folgende minimale detektierbare Fehlergrößen bei idealen Prüfbedingungen für Stäbe genannt werden: • • • •

Stab Ø 10 bis 30 mm: KSR 0,7 Stab Ø 30 bis 150 mm: KSR 1,0 Stab Ø 150 bis 400 mm: KSR 2,0 Stab Ø 400 bis 1000 mm: KSR 3,0

Frage 7.4.11: Mit welchen Verfahren können Oberflächenfehler ermittelt werden? Richtig ist Antwort C: Prüfen der Oberfläche mittels Wirbelstrom, Sichtprüfen, Eindringprüfen oder magnetisches Rissprüfen. Oberflächenfehler sind stets randnah, zur Oberfläche hin offen und stammen vom Vormaterial oder sind während des Umformens, bei der Lagerung, beim Transport und bei der mechanischen Bearbeitung entstanden, wie z. B. lokale riss- und lochartige Fehler, Aufreißungen, Überwalzungen, Ziehriefen, Schleifriefen sowie sonstige Beschädigungen.

7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen …

283

Frage 7.4.12: Wie funktioniert eine Wirbelstromprüfung auf Oberflächenfehler? Richtig ist Antwort A: Mittels eines wechselnden Magnetfelds wird berührungslos im Prüfkörper ein ringförmiger Stromfluss (Wirbelstrom) induziert, dessen Dichte durch einen Fehler (Riss) gestört wird. Diese Störung erfasst eine zweite Spule und detektiert den Fehler. Die Wirbelstromprüfung ist ein klassisches elektrisches Verfahren zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung. Es funktioniert bei allen elektrisch leitenden Werkstoffen. Diese Prüfmethodik der Wirbelstrom-Rissprüfung kann auch für eine Verwechslungsprüfung genutzt werden. Anlagentechnisch erfolgt sie als Sortierprüfung von Teilen oder oft gleichzeitig neben der Wirbelstrom-Rissprüfung in automatisiert arbeitenden Durchlaufprüfanlagen für Langprodukte. Der Prüfkörper wird für eine Verwechslungsprüfung aufmagnetisiert. Im Abgleich zu einer Vergleichsprobe werden elektrische und magnetische Kennwerte, die von der Härte, vom Gefüge und von den Legierungsbestandteilen des Prüfkörpers abhängen, ermittelt. Stimmen diese Werte mit denen der Vergleichsprobe überein, so liegt keine Materialverwechslung vor. Und auch zur Schichtdickenmessung zum Beispiel von Lack auf Blechen und Bändern wird diese magnetinduktive Prüfmethode genutzt. Frage 7.4.13: Welche zwei Prüfvarianten des Wirbelstromrissprüfens werden unterschieden? Richtig ist Antwort B: Das Wirbelstromprüfen auf Querrisse und auf Längsrisse. Die Wirbelstromprüfung auf Querrisse erfolgt mittels einer feststehenden, den Prüfkörper umfassenden Durchlaufspule, bestehend aus der Erreger- und der Empfängerspule. Und das Wirbelstromprüfen auf Längsrisse wird mittels einer rotierenden Spule, die ebenso aus Erreger- und Empfängerspule besteht, vorgenommen. Wichtig ist, dass in der Praxis stets beide Prüfmethoden in einer Prüfanlage kombiniert eingesetzt werden, da beide Rissarten auftreten können und auch erfasst werden sollten. Die Abb. 7.12 zeigt schematisch diese beiden Prüfanordnungen im Vergleich.

Abb. 7.12 Wirbelstromprüfen auf Längsrisse mittels rotierender Spule und auf Querrisse mittels feststehender Spule

284

7

Werkstoffprüfung

Frage 7.4.14: Wovon hängt bei der Oberflächenrissprüfung mit Wirbelstrom die Fehlererkennbarkeit ab? Richtig ist Antwort A: Vom Oberflächenzustand des Prüflings, von der Lage und Tiefe (Rissverlauf) der zur Oberfläche hin offenen Risse und von der Geradheit des Prüflings. Der Oberflächenzustand des Prüflings hat einen entscheidenden Einfluss auf die Fehlererkennbarkeit. Viele kleine Fehler werden unter Umständen als ein Fehler erkannt. Deshalb hat die Oberflächenrauheit (bei Stäben z. B. geschält, geschliffen, poliert) einen großen Einfluss. Die Abb. 7.13 zeigt hierzu vereinfacht die Fehlererkennbarkeit bei der Wirbelstromprüfung von Rundhalbzeug im Durchlauf. Senkrecht zur Oberfläche hin offene Fehler, die nicht bzw. fast nicht parallel zur Oberfläche verlaufen, werden erkannt. Geschlossene Fehler unter der Oberfläche werden nicht erkannt. Der Abb. 7.13 sind Beispiele für zwei extreme Rissverläufe zu entnehmen, die die Risserkennbarkeit verdeutlichen. Der linke nahezu senkrecht verlaufende Riss mit einer Tiefe von > 0,1 mm ist sehr gut detektierbar. Wegen des sehr geringen Einlaufwinkels ist der rechts gezeigte Riss nicht bzw. nur schwer erkennbar. Frage 7.4.15: Welche kleinsten Risstiefen sind als Nachweisgrenzen mit Wirbelstrom in Abhängigkeit von den Oberflächenzuständen der zu prüfenden Langprodukte (runde Stäbe) detektierbar? Richtig ist Antwort B: Risstiefen > 0,1 mm für Stäbe gezogen, gerichtet, poliert, Stäbe geschält, poliert, Stäbe geschliffen sowie Risstiefen > 0,2 mm für Stäbe gezogen, gerichtet. Diese Risstiefen könne heute verfahrensbedingt als Grenzwerte angenommen werden. Zu beachten ist dabei die Geradheit der in den Durchlaufprüfanlagen zu prüfenden Stäbe. Diese sollte üblicherweise ≤ 1  mm/m betragen. Außerdem sind auch bei der Wirbelstromprüfung die Stabenden auf einer Länge von bis zu 30  mm nicht prüfbar. Rissverläufe

Erkennbarkeit steigt!

Stabquerschnitt

Abb. 7.13 Fehlererkennbarkeit bei der Wirbelstromrissprüfung von Stäben. (Schliffbilder: BGH Edelstahl Lugau GmbH)

7.4  Zerstörungsfreie Prüfungen …

285

Frage 7.4.16: Was ist unter einer Sichtprüfung zu verstehen? Richtig ist Antwort A: Das optische Betrachten eines zu prüfenden Halbzeugs oder Bauteils mit der Maßgabe, Fehler an der Oberfläche zu entdecken. Die Sichtprüfung bzw. Sichtkontrolle (engl. VT = visual testing) erfolgt meistens am Ende eines Fertigungsprozesses als Qualitätskontrollmaßnahme. Auch an sich bereits in der Anwendung befindlichen Bauteilen werden bei Erfordernis Sichtprüfungen durchgeführt. Frage 7.4.17: Nach welchen Varianten unterteilt die DIN EN 13018 (Allgemeine Grundlagen der Sichtprüfung) die Sichtprüfung als zerstörungsfreies Prüfverfahren? Richtig ist Antwort B: In die direkte Sichtprüfung ohne und mit Hilfsmittel sowie in die direkte und indirekte Sichtprüfung. Mit der direkten Sichtprüfung ohne Hilfsmittel ist das Betrachten des Prüflings mit dem bloßen Auge gemeint. Bei der direkten Sichtprüfung mit Hilfsmittel werden optische Geräte wie Lupen, Endoskope, Mikroskope oder auch Spiegel genutzt. Weiterhin definiert die DIN EN 13018 die direkte und die indirekte Sichtprüfung wie folgt: Die direkte Sichtprüfung erfolgt ohne Unterbrechung des Strahlenganges zwischen der Prüffläche und dem Auge des Betrachters. Bei der indirekten Sichtprüfung wird der Strahlengang unterbrochen. Es wird eine Umwandlung des Lichtstrahles in eine andere Energieform, z. B. in eine elektrische Information (Kamera) vorgenommen. Sonderformen der Sichtkontrolle sind u. a. die automatische optische Inspektion von Bauteilen. Dabei werden die zu prüfenden Bauteile computergestützt photographisch erfasst und mit einem Sollbauteil verglichen. So können sehr schnell Fehler, auch Maß- und Formabweichungen, erfasst werden. Frage 7.4.18: Wie funktioniert eine Farbeindringprüfung? Richtig ist Antwort A: Der Kapillareffekt, also das Phänomen, dass in sehr engen Röhren, Spalten, Poren und sonstigen Hohlräumen Flüssigkeiten nach oben steigen, wird genutzt, um Oberflächenrisse und Poren sichtbar zu machen. Man unterscheidet die Farbeindringprüfung bei Tageslicht mit Farbkontrastmitteln und die fluoreszierende Eindringprüfung unter UV-Licht mit fluoreszierenden Eindringmitteln. Am Beispiel der Untersuchung einer Schweißnaht mittels Farbeindringprüfung werden die einzelnen Verfahrensschritte deutlich, siehe hierzu Abb. 7.14. Die Prüfkörperoberfläche wird gereinigt (1) und mit einem Eindringmittel (2) versehen. Dieses dringt in kleinste, zur Oberfläche hin offene Materialtrennungen (Risse, Poren u.  ä.) ein. Nach erneuter Reinigung wird ein Entwickler (3) aufgetragen. Durch den „Löschblatteffekt“ (Die feinen Kapillaren des Löschpapiers saugen schnell Flüssigkeiten auf) dringt das in den Rissen verbliebene Farbeindringmittel wieder nach oben und wird vom Entwickler aufgesaugt (lokal absorbiert). Der dabei entstehende Kontrast, gut erkennbar unter Tages- oder UV-Licht (Ultra-Violett-Licht), markiert die Fehlstellen, siehe (3) und (4).

286

1 – Ausgangsprobe mit Schweißnaht

7 Werkstoffprüfung

2 – Probe mit rotem Kontrastmittel

3 – Probe gereinigt, mit weißen Entwickler

4 – Probe unter UV-Licht

Abb. 7.14  Verfahrensschritte bei der Farbeindringprüfung einer Schweißnahtprobe. (Fotos: Kurdewan, T., DHBW Stuttgart)

Frage 7.4.19: Wo wird eine Farbeindringprüfung durchgeführt? Richtig ist Antwort C: Meist manuell vor Ort direkt an allen Stahlprodukten, deren Oberflächen frei von Zunder und Rost sind. Die Eindringprüfung wird zum Beispiel an gewalztem oder geschmiedetem Halbzeug, an Gesenkschmiedeteilen oder an mechanisch bearbeiteten Bauteilen durchgeführt, und zwar mit Reinigungsmitteln, Kontrastmitteln und Entwicklern aus Spraydosen. Nur Materialtrennungen, die zur Prüfkörperoberfläche hin offen sind und in die wegen der Kapillarwirkung das Farbmittel eindringen kann, werden dabei kenntlich gemacht. Diese sind zum Beispiel Risse, Poren und sonstige Materialtrennungen mit ab einem tausendstel Millimeter Breite. Die exakte Risstiefe ist jedoch nicht nachweis- bzw. ermittelbar. Frage 7.4.20: Wie funktioniert ein magnetisches Rissprüfen? Richtig ist Antwort B: Basierend auf dem Prinzip der magnetischen Durchflutung werden durch Einsatz sich im Magnetfeld ausrichtender Prüfmedien (Eisenpulver) quer zur Stromrichtung liegende Risse und oberflächennahe Fehlstellen durch Magnetfeldstörungen angezeigt. Dieses Rissprüfverfahren zum Nachweis von Rissen oder Poren an und nahe der Oberfläche wird auch Magnetpulverprüfung bzw. Magnetpulverrissprüfung genannt, in der Praxis auch als Fluxprüfen oder einfach Fluxen bekannt. Es funktioniert bei ferromagnetischen Werkstoffen. Die Prüfkörperoberfläche wird gereinigt und dann in Teilbereichen oder die gesamte Oberfläche magnetisiert. Anschließend wird der magnetisierte Bereich mit einer Trägerflüssigkeit, welche kleinste Eisenteilchen enthält, benetzt. An Fehlerstellen an oder dicht unter der Oberfläche bildet sich ein Streufluss (Feldverlauf gestört). Hier setzen sich dann die Eisenteilchen ab und machen die Fehlstelle sichtbar. Fluoreszierende Prüfmittel unter UV-Licht verbessern dabei die Fehlererkennbarkeit. Die geprüften Bauteile müssen nach dem Prüfvorgang wieder entmagnetisiert werden. Im Bauteil verbliebene Magnetfelder können zu Einschränkungen bei der Weiterbearbeitung führen, zum Beispiel durch Spananhaftungen bei der mechanischen Bearbeitung. Die Abb. 7.15 zeigt das Prinzip der Magnetpulverprüfung. Frage 7.4.21: Wodurch unterscheiden sich die verschiedenen Varianten der Magnetpulverprüfung? Richtig ist Antwort C: In der Art der Magnetisierung der zu prüfenden Werkstücke mittels Jochmagnetisierung, Stromdurchflutung oder Felddurchflutung.

7.4 Zerstörungsfreie Prüfungen …

Eisenpartikel

Prüfkörper

287

Feldverlauf gestört

Ansammlung von Eisenpartikeln

Magnetfeldlinien

Oberflächenriss

Fehler unterhalb der Oberfläche

Abb. 7.15 Prinzip der Magnetpulverprüfung

Alle Magnetisierungsvarianten beruhen darauf, dass fließender elektrischer Strom ein Magnetfeld erzeugt. Unter Nutzung von Wechselstrom (Plus- und Minus-Pole wechseln mit einer hohen Frequenz) wird die Oberfläche des Bauteils nur bis wenige zehntel Millimeter Tiefe magnetisiert. Bei einer Magnetisierung mit Gleichstrom (Strom fließt zwischen einem konstanten Plus- und Minus-Pol) geht das Magnetfeld auch ins Volumen des Bauteils. Fehlstellen im Volumen oder an der Oberfläche erzeugen einen Streufluss, welcher durch das Prüfmittel zur Anzeige kommt. Wie bei der Eindringprüfung kann die optische Anzeige der mittels der Eisenteilchen markierten Risse bei Tageslicht oder im Dunkeln fluoreszierend bei UV- oder Blaulicht erfolgen. Die Abb. 7.16 zeigt das Prinzip der Jochmagnetisierung. Das auswertbare Magnetfeld verläuft zwischen zwei Polen. Es können Fehlstellen erkannt werden, welche quer zum Magnetfeld liegen. Zum Nachweis von Längs- und Querfehlern muss die Jochmagnetisierung um 90° versetzt erneut durchgeführt werden. Der Abb. 7.17 ist das Wirkprinzip der Magnetisierung mittels Stromdurchflutung zu entnehmen. An jedem Ende des zu prüfenden Werkstücks wird ein Pol angebracht und Strom zwischen den beiden Polen geleitet. Dadurch bildet sich ein umlaufendes Magnetfeld quer zur Stromrichtung. Es können nur Längsfehler nachgewiesen werden, welche mit der Stromrichtung verlaufen. Zur Felddurchflutung werden Spulen- oder Kabelwicklungen eingesetzt, siehe Abb. 7.18. Die Feldlinien im Inneren einer Spule oder einer Kabelwicklung verlaufen gradlinig und parallel zur Spulenachse. Es können nur Querfehler, also quer zur Spulenachse verlaufende Fehler nachgewiesen werden. Frage 7.4.22: Wie kann die Oberflächengüte Rauheit gemessen werden? Richtig ist Antwort B: Durch berührende und berührungslose Aufnahme eines zwei- oder dreidimensionalen Profils von der zu beurteilenden Prüfkörperoberfläche und Auswertung der aufgezeichneten Höhen und Tiefen. Hierzu stehen heute verschiedene Technologien und Messgeräte zur Verfügung wie Handmessgeräte mit Gleitkufentaster, stationäre Tastschnittgeräte und optische Messverfahren. Bei den profilbasierten Methoden kommen Messgeräte mit Tastern zum Einsatz

288

Abb. 7.16  Prinzip der Jochmagnetisierung

Abb. 7.17  Prinzip der Stromdurchflutung

7 Werkstoffprüfung

7.4  Zerstörungsfreie Prüfungen …

289

Abb. 7.18  Prinzip der Felddurchflutung

(Profilometer). Diese Taster gleiten mit ihrer Spitze (Abtastnadel) entlang eines definierten Weges auf der Oberfläche des Prüflings (Tastschnittverfahren). Dabei wird ein elektrisches Signal erzeugt, das der angeschlossene Computer auswertet. Das Prinzip dieses Tastschnittverfahrens zur Rauheitsmessung zeigt die Abb. 7.19. Die hierzu genutzten Geräte sind unter dem Namen Perthometer bekannt. Frage 7.4.23: Welche drei Kennwerte werden üblicherweise in der Praxis zur Charakterisierung der Rauheit herangezogen? Richtig ist Antwort A: Rautiefe, Mittenrauwert und maximale Rautiefe. Die Abb. 7.20 zeigt hierzu diese drei Kennwerte und deren Berechnungsverfahren. Die Größenangaben der Kennwerte erfolgt stets in μm. Die Rautiefe Rz ist der Mittelwert aus fünf Extremwerten von Einzelrautiefen, erfasst in fünf aufeinanderfolgenden Einzelmessstrecken des Rauheitsprofils. Die Mittenrauheit Ra (auch Mittenrauwert genannt) ist der arithmetische Mittelwert aller Abweichungen des Rauheitsprofils von der Mittellinie. Somit stellt dieser Kennwert Ra die mittlere Erhebung gegenüber der idealen Fläche (Null-Linie) dar. Die Berechnung erfolgt aus der Summe aller Flächeninhalte, geteilt durch die Messlänge, siehe Grafik in der Mitte der Abb. 7.20.

290

7 Werkstoffprüfung

Tastspitze

Abtastrichtung

Prüfkörper (Stab)

Prüfkörper (Stab)

Abb. 7.19  Prinzip des Tastschnittverfahrens zur Rauheitsmessung am Beispiel eines Perthometers vom Prüflabor eines Blankstahlherstellers. (Foto: Schlegel, J., BGH Edelstahl Lugau GmbH)

Die maximale Rautiefe Rt/Rmax ist die vertikale, maximale Differenz des tiefsten und des höchsten Profilausschlags innerhalb der Messlänge. Die Durchführung der Rauheitsprüfung ist genormt und die technisch erreichbaren Rauheitswerte finden sich in unterschiedlichsten Nachschlagewerken. Frage 7.4.24: Welche Größen und Spannen der Mittenrauheit Ra sind in der Praxis je nach Fertigungsverfahren bzw. Oberflächenzustand erreichbar? Richtig ist Antwort B: Geschruppt 3,2 bis 25 μm, geschlichtet 1,6 bis 3,2 μm und fein bzw. feinst geschlichtet 0,2 bis 0,8 μm. Bei einer geschruppten Oberfläche sind die Riefen deutlich fühlbar und auch mit dem Auge sichtbar. Die Riefen von geschlichteten Oberflächen sind mit dem bloßen Auge gerade noch sichtbar, von fein bzw. feinst geschlichteten Oberflächen jedoch nicht mehr. Frage 7.4.25: Wie kann man sich ein berührungsloses Messen vorstellen? Richtig ist Antwort C: Mit Inline-Lasermessgeräten werden die Prüfkörper z. B. zur Dicken- und Durchmesserbestimmung automatisiert gemessen. An Stranggussanlagen, Warm- und Kaltwalzwerken, Beschichtungsanlagen, in der Stahlrohrproduktion und in sonstigen Bereichen der stahlverarbeitenden Industrie kommen zur berührungslosen Längen- und Geschwindigkeitsmessung hochpräzise optische Lasersensoren zum Einsatz. Beispielsweise beim Kaltwalzen werden Banddickenmessgeräte eingesetzt, die zur Inline-Steuerung der Walzenanstellung beitragen und so Dickento-

7.4  Zerstörungsfreie Prüfungen …

291

Rz = 1/5 x (Rz1 + Rz2 + Rz3 + Rz4 + Rz5) Rz1

Rz2

Rz3

Rz4

Rz5 Mittelwert Dm

Rauheitsprofil Messlänge

Rautiefe Rz

Ra Mittelwert Dm

Rauheitsprofil Messlänge

Mittenrauwert Ra

Rt bzw. Rmax Mittelwert Dm

Rauheitsprofil

Maximale Rautiefe Rt bzw. Rmax

Messlänge

Abb. 7.20  Kennwerte der Rauheitsmessung: Rautiefe, Mittenrauwert und maximale Rautiefe

leranzen im Mikrometerbereich ermöglichen. Engste Durchmessertoleranzen von blanken Stäben sichern beim spitzenlosen Schleifen Inline-Laser-Durchmessermessgeräte. Diese sind gekoppelt mit der Zustellung der Schleifscheiben und garantieren so die prozesssichere Einhaltung der gewünschten Toleranzbereiche für die Solldurchmesser. Eine Steuerung und Überwachung von Fertigungsprozessen ist auch mit optischen Mikrofonen möglich. Diese detektieren Ultraschall direkt in der Luft. Ein Kopplungsmittel zwischen Detektor und Prüfkörper wie beim konventionellen Ultraschallprüfen kann ent-

292

7 Werkstoffprüfung

fallen. Derartige optische Mikrofone können auch zur kontaktlosen Ultraschall-­ Materialprüfung von Punktschweißverbindungen, Verbundwerkstoffen und Klebeverbindungen eingesetzt werden (Weinzierl, 2019). Frage 7.4.26: Wie kann man Eigenspannungen in Stahlprodukten feststellen und messen? Richtig ist Antwort B: Zerstörend mittels Sägeschnitt-, Bohrloch- oder Ringkernmethode oder zerstörungsfrei mit röntgenografischen Systemen oder durch Untersuchung der Elektronenrückstreubeugung unter Einsatz von Rasterelektronen- oder Transmissionselektronenmikroskopen. Bei den zerstörenden Prüfungen wird das eigenspannungsbehaftete Material spanend abgetragen. Die dadurch freigesetzten Eigenspannungen verformen das umliegende Material. Der Grad dieser Verformung kann zur Abschätzung der Höhe der Eigenspannungen dienen. Exakter sind die zerstörungsfreien Methoden mit röntgenografischen Systemen sowie mit Elektronenrückstreubeugung unter Einsatz von Rasterelektronenmikroskopen oder Transmissionselektronenmikroskopen.

8

Stahl in der Zukunft

Frage 8.1: Wird Stahl auch in der Zukunft noch eine so wichtige Rolle spielen? Richtig ist Antwort B: Der Werkstoff Stahl ist noch nicht ausgereizt, ist heute und in der Zukunft gefragt und im Wettkampf aller Werkstoffe wächst sogar die Nachfrage und die Legierungs- sowie Eigenschaftsvielfalt der Stähle werden zunehmen. Immer wenn es darum geht, leistungsfähigere, auch leichtere, länger und sicher haltbare Bauteile und Systeme ohne höhere Kosten, nachhaltig und auch noch energetisch günstiger herzustellen, ist heute und auch in der Zukunft Stahl gefragt. Der Werkstoff Stahl ist noch lange nicht ausgereizt. Jedes Jahr werden ca.  200 Stähle nach Kundenanforderungen verbessert und rund 50 neue erfunden (Köthe, 2011). Frage 8.2: Welche langfristig orientierten Stahlentwicklungen sichern die Zukunft von Stahl? Richtig ist Antwort A: Innovative Legierungskonzepte, wie gewichtsreduzierte Stähle, ultrahochfeste Stähle, hochfeste und gleichzeitig superduktile Stähle, hochtemperaturbeständige, ultrafeinkörnige Stähle, druckwasserstoffbeständige Stähle, auch Stähle mit knochenähnlichen Eigenschaften, Stähle für Offshore-Technologien, glasartige Stähle, superplastische Stähle, Formgedächtnisstähle, sogenannte „oberflächenfunktionalisierte“ Stähle, Multifunktionsstähle, nanointelligente Strukturlegierungen, selbstheilende Stähle, Stähle für das 3D-Druckverfahren u. v. a. m. Dabei erfolgt das „Legierungsdesign“, also die Erzeugung eines maßgeschneiderten Legierungsmodells, zunächst am Computer. Auch Phasenumwandlungen können heute am Computer simuliert werden. Das spart Zeit und kostspielige Laborversuche. Unter Nutzung der Quantenmechanik sind sogar die Eigenschaften solcher modellierter, noch nicht erzeugter Stähle abschätzbar. Basis hierfür sind die heute schon möglichen tiefen Einblicke in die atomistischen Kristallstrukturen des Stahls mittels Mikrosonden (Raabe, 2011).

© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6_16

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8  Stahl in der Zukunft

Frage 8.3: Was ist grüner Stahl? Richtig ist Antwort B: Grüner Stahl wird metallurgisch mit Wasserstoff statt mit Kohlenstoff hergestellt und erzeugt so keinen CO2-Fußabdruck. Derzeit entsteht bei der Stahlerzeugung nach der Hochofen-Konverter-Route klimaschädliches Kohlendioxid (CO2). Noch gibt es keine Hochöfen ohne Koks, um grünen Stahl CO2-neutral aus Erz herstellen zu können. Technisch ist dies denkbar. Neue Technologien sind hierzu in der Entwicklung und auch schon in Erprobung. Aber es wird noch einige Jahre dauern, bis mögliche Alternativen (Dekarbonisierung) die bisher d­ ominierende Roheisenerzeugung durch Erzreduktion im Hochofen revolutionieren werden. Möglich sind die Direktreduktion mit Wasserstoff und Erdgas sowie die Schmelzreduktion mit Wasserstoff, z. B. die Wasserstoffplasmaschmelzreduktion, wobei der Wasserstoff mit erneuerbaren Energien produziert werden muss (Schenk & Lüngen, 2016). So erfolgt in der Stahlindustrie ständig eine Optimierung der Technologien und der Stahlerzeugungsanlagen und gleichzeitig schrittweise die Transformation in eine klimaneutrale, grüne Stahlproduktion (Schulz, 2019).

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Stichwortverzeichnis

A Atom-Emissions-Spektrometrie 277 Additive Verfahren  90, 241 AES 277 Aluminium  20, 152 Amboss 209 Anlassen  101, 257 Ansprunghärte  101, 257 AOD 54 Arbeitswalzen  76, 219 Argon-Oxygen-Decarburization 54 Armierungsstahl 22 Aufbauschmelze  60, 203 Ausbeulversuch 210 Ausdehnungslegierungen  39, 175 Ausscheidungshärten  102, 258 Austauschmischkristall  15, 145 Austenit 5 austenitische Edelstähle  25, 160 Austenitische Stähle  161 Automatenstähle  40, 175 Axial-Kegelwalzen 224 B Bainit 245 Bandgießen 200 Baumann-Hammer  109, 270 Baustähle  22, 156 Begleitelemente  16, 147 Beizen  84, 232 beruhigt vergossen  57, 196 berührungsloses Messen  120, 290 Bessemer-Verfahren  48, 181 Betonstahl  23, 157

BF-Glühen  97, 250 BG-Glühen  97, 250 bildsame Formgebung  88, 205 bleibende Formänderung  62 Bogen-Strangguss 198 Biege-Umformen 208 Bor  17, 150 Breitung  73, 215 Brinell-Härteprüfung  109, 270 Bruchdehnung 268 Bulgeversuch 210 Bund 200 C Chrom 18 Coil 200 Curie-Temperatur 143 D 3D-Druck  90, 242 Dehnfaktor 12 Dekarbonisierung 294 Denitrierungsmittel 152 Desoxidation 15 Desoxidationsmittel  19, 147 DESU  55, 191 DH-Verfahren 53 Dichte  12, 139 Diffusionsglühen  98, 253 Direktreduktion 294 Dorn  214, 237 Dornwalze 224 Dortmund-Hörde-Verfahren 53

© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 J. Schlegel, Stahl – der Werkstoff, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40255-6

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300 Drahtziehen 83 Druck-Umformen 208 Druckverdüsen 238 Drückwalzen  79, 226 Druckziehsteine  86, 235 Duplex-Stähle  28, 163 Durchschallung  115, 279 Durchschmiedung 209 dynamische Rekristallisation  207 E Eddy current method  117 Edelbaustähle 34 Edelstähle  24, 158 Eigenspannungen  121, 292 Einlagerungsmischkristall  15, 145 Einsatzstähle  34, 172 Einschlüsse 197 Einschmelzlegierungen  39, 175 Einschnürung 268 Einzel-Ziehmaschine  86, 234, 236 Einzugswinkel  73, 216 Eisen  4, 129 α-Eisen  5, 129 γ-Eisen  5, 130 Eisen-Kohlenstoff-Diagramm  5, 130, 131 Eisenwaren  22, 155 Elastizitätsmodul 268 elektrische Leitfähigkeit  13, 142 Elektro-Schlacke-Umschmelzen 54 Elektrostahlerzeugung  50, 183 Elektrostahlwerk  49, 182 Entmischungen  58, 197 Erholung  63, 206 Erstarrung  56, 194 ESU  54, 190 Extrusion 214 F fallender Blockguss  58, 196 Fallhammer 69 Farbeindringprüfung  118, 285 Federstähle  41, 176 Fehlererkennbarkeit 284 Feinbehandlung 52 Feinzug  82, 231 Felddurchflutung 287

Stichwortverzeichnis Ferrit 5 Ferritische Stähle  24, 159 Festigkeit  108, 266 Flachbacken-Querwalzen  78, 221 Flammen-Photometer 277 Flammen-Spektroskopie 277 Fließgrenze 213 Fließkurve  68, 210 Fließpressen  70, 213 Fließscheide 73 Fließspannung  68, 211 Floßofen  47, 180 flow forming  227 Fluxen 286 Fluxprüfen 286 Formänderung 68 Formänderungswiderstand  63, 206 Formguss 56 Freiformschmieden  65, 209 Frischen  48, 180 Funken-Spektrometer 277 G Gefüge  4, 9, 129, 136 Gefügeumwandlung  94, 244 Gegenschlaghammer  69, 211 Gesamtumformgrad 207 Gesenk 209 Gesenkformen 69 Gesenkschmieden 212 Gesetz der Volumenkonstanz  207 Gewindewalzen  79, 225 Gießband  59, 200 Gießen 56 Gießpulver  57, 195 Gießstrahlschutz  60, 203 Gießwalzen 200 Gitterverzerrung 82 GKZ-Glühen  97, 249 Gleitebene  63, 205 Gleiten 205 Gleitkokille 191 Gleitkufentaster 287 Gleitwalzen 237 Gleitziehen  83, 232 Glühen  104, 262 Greifbedingung  73, 216 Grobzug  82, 231

Stichwortverzeichnis Grundstähle 21 grüner Stahl  124, 294 Gussfehler  58, 197 H Halbwarmschmieden 67 Halbzeugguss 56 Hämmern  66, 209 Härtbarkeit  101, 257 Härte  108, 266 Härten  100, 255 Hauptgruppennummer 8 Hauptgüteklassen  9, 136 HB 270 heißisostatisches Pressen  90 Heizleiter  38, 174 HIP  90, 240 Hochofen 49 Hochofen-Konverter-Route 49 Hochofenprozess 50 Horizontal-Strangguss 199 HRB 270 HRC 270 HV 270 Hydroforming-Verfahren  81, 229 hydrostatisches Strangpressen  71, 214 I IHU  81, 229 Impuls-Echo-Verfahren  115, 279 Innen-Hochdruck-Umformen  81, 229 J Jochmagnetisierung 287 K Kaliberformen  75, 217 Kaliberfüllung  75, 218 Kalibrierung 75 Kaltarbeitsstähle  30, 166 Kaltband  76, 220 Kaltbandwalzen 219 Kaltschmieden 67 Kaltumformung  64, 208 Kaltverfestigen  102, 260

301 Kaltverfestigung 82 Karbidbildner  18, 150 Karbide 18 Kastenkaliber  75, 217 Kerbschlagbiegeversuch  110, 272 Kobalt  19, 152 Kohlenstoff  4, 17, 128, 148 Kohlenstoff-Schwefel-­ Verbrennungsanalyse 114 Kokille  57, 195 kontinuierliche Walzstraßen  74, 217 Körner 194 Kreisscheibenreflektor  116, 281 Kristallbaufehler 146 Kristallisator  55, 191 Kristallite 194 KSR  116, 281 Kurznamen 7 L Langschmiedemaschine  69, 211 Langschmieden 66 Längswalzen  74, 216 Längswalzverfahren  74, 216 LBO  52, 183 Lebensdaueruntersuchungen 121 Ledeburit  6, 132 Lichtbogenofen  52, 183 Lösungsglühen  99, 253 Lunker 197 Luppe  180, 221 M Metal Injection Moulding  241 magnetisches Rissprüfen  119, 286 Magnetpulverprüfung  119, 286 Magnetpulverrissprüfung 286 Magnetventilstähle  43, 177 Makroseigerungen 200 Makroskopie  111, 274 Mangan  18, 151 Maraging-Stähle  44, 178 Markennamen 8 Martensit  100, 132, 255 Martensitische Stähle  27, 161 Massenstahl  22, 155, 156 Matrize  71, 213, 215

302

Stichwortverzeichnis

maximale Rautiefe  290 mechanische Prüfverfahren  108, 266 Mehrfach-Nass-Ziehmaschine 235 Mehrfach-Ziehmaschine  86, 236 Messen  106, 265 Metalle  4, 127 Metallformung 61 Metallgitter  4, 128 Metallografie  111, 273 Metallpulver 88 Metallpulver-Spritzgießen  90, 241 Mikroskopie  111, 274 MIM 241 α-Mischkristall  5, 129 γ-Mischkristall  5, 130 Mittelzug  82, 231 Mittenrauheit 289 Molybdän 151 Moniereisen 22

Planeten-Schrägwalzwerke  78, 224 plastische Formänderung  63, 205 PMA  53, 186 Poldihammer  109, 270 Poren 197 Prägen  70, 212 PREN 164 Pressen  66, 209 Presshärten  65, 103, 261 Primärmetallurgie  50, 182 Profilieranlagen  79, 226 Profilierrollen 79 Profilometer 289 Prüfen  106, 265 Puddelofen 48 Pulverherstellung 89 Pulvermetallurgie 88 Pulverschmieden  89, 240 Pulververdichten  90, 241

N Nassziehen  85, 234 nichtrostende Edelstähle  24 Nickel  18, 151 Nickel- und Sonderwerkstoffe  36, 173 Nitrierstähle  35, 172 Normalglühen  96, 246 Normalkraft 73 Nummernsystem 7

Q Qualitätsstähle 21 Quarto-Reversiergerüst 219 Querwalzen 77

O Oberflächenfehler  117, 282 Oberflächengüte  119, 287 OES  113, 277 offene Walzstraße  74, 217 Optische Emissions-Spektrometrie  113, 276 P Perlit  6, 132 Perthometer 289 Pfannenmetallurgie 52 Pfannenmetallurgische Anlage  53, 186 Pfannenofen  53, 186 Phase 145 Phased-Array-Technik  116, 280 Phosphor  17, 149 Pilgerschritt-Walzverfahren  77, 220

R Randschlacken  58, 199 Rauheit  119, 287 Rautiefe 289 Reckwalzen  77, 220 Reduktionsmittel  50, 182 Reibungskraft 73 Rekristallisation  63, 207 Rekristallisationsglühen  98, 251 Rennofe  47, 180 Reversier-Duo-Walzgerüst  74, 216 Rezipienten 215 RFA  112, 275 RH-Verfahren  53, 186 Ringwalzen  79, 224 Risstiefe  117, 284 Rockwell-Härteprüfung 270 Roheisen  47, 50 Rohr 222 Rohrluppe 221 Rohrziehen  88, 237 Rohstahl 54 Röntgen-Fluoreszenz-Analyse  112, 275

Stichwortverzeichnis RSH  26, 161 Rücklaufschrott  59, 202 Rückprallhärteprüfer  110, 272 Rückwärts-Strangpressen 214 Ruhrstahl-Heraeus-Verfahren  53, 186 Rund-Querwalzen  77, 221 S Sauerstoff 148 Schälen  85, 233 Schlacke  55, 59, 191, 200 Schlaffstahl  22, 157 Schmelzanalyse  112, 275 Schmelzreduktion 294 Schmelztemperatur  12, 139 Schmieden  65, 209 Schmiedepressen  69, 212 Schnellarbeitsstähle  32, 167 Schrägwalzen 78 Schräg-Walzverfahren 222 Schrägwalzwerke 222 Schwefel  17, 149 Schwindungshohlräume 197 Seigerungen  58, 197 Sekundärmetallurgie  50, 182 sekundärmetallurgische Behandlung  52 selektives Laserschmelzen  91, 242 Senkrecht-Strangguss 198 Sichtprüfung  118, 285 Siemens-Martin-Ofen  48, 181 Silizium  17, 149 Sintern  89, 238 Spannstahl  22, 157 Spannungsarmglühen  99, 254 Spannungs-Dehnungs-Diagramm  108, 267 Spülcharge  59, 202 Stabziehen  87, 236 Stahl  4, 128 Stahlentwicklungen  124, 293 Stahlkurznamen  7, 133 Stahlschädling  16, 148 Stahlveredler  16, 147 Standkokille 191 Stauchgrad  67, 210 steigender Blockguss  58, 196 Stickstoff  16, 148 Strahlen  84, 232 Strangguss  59, 198 Strangpressen 71

303 Streckgrenze  109, 268 Streckung  73, 215 Stromdurchflutung 287 Stückanalyse  112, 275 T Tandem-Walzstraße  77, 220 Tastschnittverfahren 289 TGHE 278 Thomas-Konverter 48 Tiefziehen  80, 228 Tiegel 55 Tiegelschmelzverfahren  48, 181 Titan  19, 152 Trägergasheißextraktion  114, 278 Trockenziehen  85, 234 U Ultraschallprüfung  115, 278 Umformen  62, 205 Umformgeschwindigkeit  209, 215 Umformgrad  64, 68, 207, 209 Umformkraft 68 Umformwiderstand  63, 206 Umformzone 68 Umschmelzen 54 Umwandlungshärten  100, 255 unberuhigt vergossen  57, 196 Unterflurpresse  69, 212 Urformen 56 V Vacuum-Arc-Remelting 192 Vacuum-Oxygen-Decarburization 53 Vakuum-Induktions-Mehrkammeröfen 52 Vakuum-Heberverfahren 53 Vakuum-Induktions-Mehrkammerofen 185 Vakuum-Lichtbogenofen  56, 192 Vanadium  19, 152 VAR 192 VD-Anlage 53 Ventilstähle  42, 177 Verbrennungsanalyse  113, 277 Verfestigung  63, 206 Verformen 205 Vergüten  101, 258 Vergütungsstähle  34, 170

304 Verschmiedungsgrad  67, 209 Vickers-Härteprüfung  109, 270 Vielwalzengerüst 219 VIM  52, 185 VLBO  56, 192 VOD 53 Voll-Fließpressen 213 Vorwärtsstrangpressen 214 W Walzblöcke  74, 217 Walzen  72, 215 Wälzlager 42 Wälzlagerstähle  42, 176 Walzplattieren  80, 227 Walzspalt  73, 216 Walzziehen  88, 237 Warmarbeitsstähle  31, 167 Warmband  76, 219 Wärmeausdehnung 140 Wärmebehandlung  93, 243 Wärmeleitfähigkeit  13, 140 Warmschmieden 67 Warmumformung  65, 208 Wasserstoff  16, 148 Weichglühen  82, 97, 248 Werkstoff  3, 127 Werkstoffnummern 8 Werkstoffnummernsystem 134

Stichwortverzeichnis Werkzeugstähle  29, 165 Wirbelstromprüfung  117, 283 Wolfram  19, 151 Z Zählnummern 134 Zeit-Temperatur-Kurve  94, 244 Zeit-Temperatur-­ Umwandlungsschaubilder  96, 245 Zementit  5, 132 zerstörende Prüfung  108, 112, 266 zerstörungsfreie Prüfung  114 ZfP  114, 278 Ziehbank 236 Ziehen  81, 230 Ziehfolge  86, 236 Ziehkanal  83, 232 Ziehmaschine 86 Ziehsteine  83, 231 Ziehstufen 86 Ziehwerkzeug 83 ZTU  96, 245 ZTU-Diagramme  95, 245 Zug-Druck-Umformen 208 Zug-Umformen 208 Zugfestigkeit  109, 268 Zugversuch  108, 267 Zuschlagstoffe 182 Zwischenwärmebehandlung 243