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German Pages 153 Year 1970
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 124
Staatsleistungen an die Kirchen und ihre Ablösung Inhalt – Grenzen – Aktualität
Von
Hans-Jochen Brauns
Duncker & Humblot · Berlin
HANS-JOCHEN BRAUNS
Staateleietungen an die Kirchen und ihre Ablösung
Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 124
Recht
Staatsleistungen an die Kirchen und ihre Ablösung Inhalt — Grenzen — Aktualität
Von
Dr. Hans-Jochen Braune
DUNCKER
&
HUMBLOT
/
BERLIN
Alle Rechte vorbehalten (g) 1970 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1970 bei Alb. Sayffaerth, Berlin 61 Printed in Germany
Vorwort
Die Arbeit, deren Titel nicht dem paritätisch klingenden Wortgebrauch des Art. 1381 WRV entsprechen mag, dafür aber die bis heute zwischen Kirchen und anderen Religionsgesellschaften bestehenden Unterschiede bei der Gewährung von Staatsleistungen zutreffend wiedergibt, hat der Rechtswissenschaftlichen Abteilung der Ruhr-Universität Bochum im Sommer 1969 als Dissertation vorgelegen. Sie ist nur geringfügig überarbeitet und wurde für den Drude zum 1. Dezember 1969 abgeschlossen. Zu danken habe ich zunächst Herrn Professor Dr. H. Quaritsch für Anregimg und Zeit, die er mir als Assistent an seinem Lehrstuhl gewährte, sodann Herrn Ministerialrat a.D. Dr. Broermann, der die Abhandlung mit großem Entgegenkommen in diese Reihe aufgenommen hat, schließlich meinen Freunden Roland Schmidt und Dr. Dieter Suhr für klärende Diskussionen und Hilfe. Ich widme dieses Buch meiner Frau. 1 Berlin, im März 1970
H. J. Brauns
Inhaltsverzeichnis Einleitung Erster
9
Teil
Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts I. Staatsleistungen im staatskirchenrechtlichen
15
System des ALR
17
1. Kirchliche Tätigkeit und Staatsauigaben
17
2. Kirchendiener als Staatsbeamte
19
3. Staatsbeihilfen an die Geistlichkeit
22
II. Staatsleistungen im staatskirchenrechtlichen Verfassung von 1850
System der oktroyierten
1. Die funktioneUe Trennung von Staat und Kirche
24
26
2. Staatsleistungen und Parität
29
3. Staatsleistungen und kirchliche Unabhängigkeit a) Verhältnis von Kircheneinkommen und Staatszuschüssen b) Die Doppelabhängigkeit der Geistlichen
30 32 33
III. Politische Aspekte der Staatsleistungspraxis
vor 1919
1. Staatsleistungen und Sozialdemokratie
35 35
2. Stellung der Parteien und Kirchen vor 1919 zu Staatsleistungsfragen 36 3. Staatsleistungen und ihre politischen Voraussetzungen
38
Zweiter Teil Die Ablösungspflichtigkeit von positiven und negativen Staatsleistungen
41
I. Abgabenbefreiungen als Gegenstand der Ablösung
41
1. Die Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre
42
2. Kritik des negativen Staatsleistungsbegriffs a) Systemimmanente Kritik b) Grundsätzliche Kritik
44 44 46
4
Inhaltsverzeichnis
II. Der Begriff
der Staatsleistung in Art. 1381WRV
1. Der historische Staatsleistungsbegriff
50 51
2. Die Übernahme des historischen Staatsleistungsbegriffes in der Weimarer Reichsverfassung 53 a) Entstehungsgeschichte 53 b) Die Unvergleichbarkeit positiver und negativer Staatsleistungen 55 3. Zusammenfassung III. Inkorporation
58
und Staatsleistungsbegriff
Dritter
Teil
Die normative Aussage des Ablösungsgebotes I. Der Befehlscharakter
59
der Ablösungsvorschrift
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
64 64 65
1. Der unstreitige Mindestgehalt des Begriffs Ablösung
65
2. Der Streit um den Ablösungsmodus a) Der Streitstand aa) Die Lösungswege der herrschenden Lehre bb) Lösungswege der Gegenmeinung b) Kritik aa) Systemimmanente Kritik α) Widerspruch zwischen Sinn der Ablösungsvorschrift und Ergebnis in der herrschenden Lehre ß) Zu Webers Argumentation γ) Die Änderung der Normsituation δ) Die Inkonsequenz von Begriffsinhalt und Normaussage bb) Kritik der begrifflichen Prämissen 3. Der Begriff der Ablösung im juristischen Sprachgebrauch a) Der Ablösungsbegriff im BGB b) Die Ablösung im öffentlichen Recht aa) Der Begriff der Ablösung in der Gesetzgebung bb) Der Begriff der Ablösung in der Literatur
65 65 66 68 69 69 69 70 71 72 73 74 75 75 76 77
4. Das Ablösungsgebot und der Grundsatz der Parität im Staatskirchenrecht 79 5. Die Ablösung im Sprachgebrauch des Verfassunggebers von 1919 81 6. Zusammenfassung III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
82 82
1. Kräfteverteilung und Stellungnahme innerhalb der Nationalversammlung 84
Inhaltsverzeichnis 2. Ablösung als Institutsliquidation
δ 88
3. Der Inhalt der Ablösung im Sinnzusammenhang des Bundeskirchenrechts a) Ablösungszwang und Ablösung b) Staatsleistungen und kirchliche Unabhängigkeit c) Staatsleistungen und das Verbot des Staatskirchentums d) Die Bedeutung der staatskirchenrechtlichen Ablösung
91 91 93 95 100
4. Umfang und Grenzen des Verbotes
101
Exkurs: 5. Staatsleistungen und andere Formen staatlicher Unterstützung für Kirchen und religiöse Zwecke 104
Vierter
Teil
Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Art. 1381 WRV I. Die Sperrwirkung
114
der Grundsatzgesetzgebung des Bundes
114
IL Die Ablösungskompetenz des Reiches im System der Gesetzgebungszuständigkeiten der Weimarer Reichsverfassung 116 1. Ablösungsgrundsätze und die allgemeine Gesetzgebung
116
2. Die Grundsatzgesetzgebung als konkurrierende Gesetzgebung
118
3. Der Befehlscharakter des Art. 1381 S.2 WRV
122
4. Die Sperrklausel des Art. 173 WRV
127
III. Die Grundsatzkompetenz
des Art. 1381 S.2 im Grundgesetz
IV. Art 1381 S.2 als Fall der Rahmengesetzgebung
128 129
Der Ablösungsartikel im Kulturstaat der Gegenwart
131
Literaturverzeichnis
138
Abkürzungsverzeichnis a. Α. Abg. AbgH ABR AGO ALR AnL AO AÖR ArchkathKR bad bad Konk bad K V bay Bay BS bay Konk bay K V Bayr ObLG Bayr Veri GH Bayr VerwBl beri BGB BGBl BGH BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGJJ BW bw CDU DDP DJZ DNatVP DÖV DVP EKD EKU GewO GG
anderer Ansicht Abgeordneter Haus der Abgeordneten Archiv für bürgerliches Recht hrsg. von Kohler/Ring/ Oertmann Allgemeine Gerichtsordnimg Allgemeines Landrecht für die preußischen Staaten Anlagen Abgabenordnung Ardiiv des öffentlichen Redits Archiv für katholisches Kirchenrecht badisch Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Freistaate Baden vom 12. Oktober 1032 (GVB1 1933, S. 20) Vertrag zwischen dem Freistaat Baden und der Vereinigten Evangelisch-protestantischen Landeskirche Badens vom 14. Nov. 1932 (GVB1 1933, S. 31) bayerisch Bereinigte Sammlung des bayerischen Landesrechts Konkordat zwischen Seiner Heiligkeit Papst Pius XI. und dem Staate Bayern vom 29. März 1924 (Bay BS II, S. 639) Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Evangelisch-lutherischen Kirche redits des Rheins vom 15. Nov. 1924 (Bay BS Π , S.646) Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bayerische Verwaltungsblfitter berliner Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Baden-Württemberg baden-württembergisch Christlich-Demokratische Union Deutsche Demokratische Partei Deutsche Juristen-Zeitimg Deutschnationale Volkspartei Die öffentliche Verwaltung Deutsche Volkspartei Evangelische Kirche in Deutschland Evangelische Kirche der Union Gewerbeordnung Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 (BGBl S. 1)
Abkürzungsverzeichnis GS GVB1 HA hbg hess hess evgl K V hess kathKV HP JöR JuS JW JZ KG Konk KörpStG KV LAG lippKV LG m. w. N. NatVers nds ndsKonk ndsKV N.F. NJW NRW nrw nrwevglKV OLG OVG pfälzKV
PL preußKonk preußKV Prot ProtVerfA PrOVG PrVerfUrk PrVerwBl Rdnr. RFH
(Preußische) Gesetzsammlung Gesetz- und Verordnungsblatt Hauptausschuß des Parlamentarischen Rats hamburger hessisch Vertrag des Landes Hessen mit den Evangelischen Landeskirchen in Hessen vom 18. Februar I960 (GVB1 S. 54) Vertrag des Landes Hessen mit den Katholischen Bistümern in Hessen vom 9. März 1963 (GVB1 S. 102) Haushaltsplan Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kammergericht Konkordat Körperschaftsteuergesetz Kirchenvertrag Gesetz über den Lastenausgleich vom 14.8.1952 (BGBl I, S. 446) Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Lippischen Landeskirche vom 6. März 1958 (GVB1 S.205) Landgericht mit weiteren Nachweisen Verfassunggebende Deutsche Nationalversammlung niedersächsisch Konkordat zwischen dem Heüigen Stuhle und dem Lande Niedersachsen vom 28. Febr. 1965 (GVB1 S. 191) Vertrag des Landes Niedersachsen mit den Evangelischen Landeskirchen in Niedersachsen vom 19. März 1955 (GVB1 S. 159) neue Folge Neue Juristische Wochenschrift Nordrhein-Westfalen nordrhein-westfälisch Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche von Westfalen vom 9. Sept. 1957 (GVB1 S. 250) Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Vertrag zwischen dem Bayerischen Staate und der Vereinigten Protestentisch-evangelisch-christlichen Kirche der Pfalz (Pfälzische Landeskirche) vom 15. Nov. 1924 (GVB1 1925, S. 65) Plan Vertrag des Freistaates Preußen mit dem Heiligen Stuhle vom 14. Juni 1929 (GS S. 152) Vertrag des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen vom 1. Mai 1931 (GS S. 107) Protokolle Protokolle des Verfassungsausschusses der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung Preußisches Oberverwaltungsgericht Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat vom 31. Januar 1850 Preußisches Verwaltungs-Blatt Randnummer Reichsfinanzhof
Abkürzungeverzeichnis RGBl RGG RGZ Rh-Pf rhpf rhpfKV RiA RK RPrVerwBl RuhrbistumV saar schlh schlhKV Sp. SPD StenBer StenBerAbgH
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WRV
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Reichsgesetzblatt Religion in Geschichte und Gegenwart, 3. Aufl., Tübingen 1957—1962 Entscheidungen des Reichsgerichtes in Zivilsachen Rheinland-Pfalz rheinland-pfälzisch Vertrag der Evangelischen Landeskirchen in RheinlandPfalz mit dem Lande Rheinland-Pfalz vom 31. März 1962 (GVB1 S. 173) Recht im Amt Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhle und dem Deutschen Reich vom 20. Juli 1933 (RGBl II, S. 679) Reichsverwaltungsblatt und Preußisches Verwaltungsblatt Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem Heiligen Stuhle vom 19. Dez. 1956 (GVB1 1957, S. 20) saarländisch schleswig-holsteinisch Vertrag zwischen dem Land Schleswig-Holstein und den evangelischen Landeskirchen in Schleswig-Holstein vom 23. April 1957 (GVB1 S. 73) Spalte Sozialdemokratische Partei Deutsdilands Stenographische Berichte Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Hauses der Abgeordneten Stenographischer Berichte des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates Verhandlungen der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung. Stenographische Berichte Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich Thüringisches Oberverwaltungsgericht Titel Unabhängige Sozialdemokratische Partei Vertrag vide! Verfassungsausschuß der verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung Verfassungsgerichtshof Verwaltungsarchiv Verwaltungsrechtsprechung Verwaltungsgerichtshof Veröffentlichungen der Vereinigimg deutscher Staatsrechtslehrer Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919 Zentrum Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Kanonistische Abteilung
Einleitung 260 Millionen DM jährlich zahlen Bund 1 ' 2 und Länder 9 an Religionsgesellschaften. Unabhängig von seiner konfessionellen Zugehörigkeit unterstützt jeder Bundesbürger über Bund und Länder mit fast 4 DM ι Daß heute auch auf Bundesebene Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften erbracht werden, wird meist übersehen, da die zugrundeliegenden Vereinbarungen nicht veröffentlicht sind: Vgl. HP 1968, Plan VI, Kap. 02, Tit. 605 — 20 Mill. DM (Zuschuß an die evgl. und kath. Kirchen sowie an öffentlich-rechtliche Freikirchen für die Versorgung heimatvertriebener Seelsorger, Kirchenbeamten, Kirchenangestellten und deren Hinterbliebene aufgrund eines Abkommens). Tit. 606 — 820 000 DM (Dotation für die derzeitigen bischöflichen Verwaltungen der Ostdeutschen Diözesen jenseits von Oder-Neiße sowie für kirchenregimentliche Zwecke der EKU aufgrund der Verpflichtungen aus dem Preuß. (!) Kirchenvertrag und Konkordat). * Die Bitte, den Text des Abkommens zu T i t 605 sowie der Vereinbarungen zu Tit. 606 (erwähnt bei Hollerbach, Verträge, S. 28, 42 f.) mir zugänglich zu machen, lehnte der Bundesminister des Innern mit folgender Begründung ab: „Die . . . Vereinbarungen . . . sind in ihrem Text bisher nicht veröffentlicht; es besteht hierzu auch keine Veranlassung und keine Absicht. I d i sehe zu meinem Bedauern keine Möglichkeit, Ihnen die Texte zugänglich zu machen." Audi von der EKU wurde meine Bitte abgelehnt, während die EKD midi freundlicherweise darauf aufmerksam machte, daß das amtlich bisher unveröffentlichte sog. 131-er-Abkommen (zu Tit. 605) abgedruckt ist bei Merzyn, Redit, S. 181 ff. Dieses Abkommen ist allerdings nur mit der EKD und den Erzbistümern und Bistümern der katholischen Kirche im Bundesgebiet geschlossen. Ubereinstimmende Abkommen sollen allerdings später mit einigen öffentlich-rechtlichen Freikirchen getroffen worden sein. (Vgl. Höllerbach, a.a.O., S. 5 f.) » bw HP 1968, Pl. XIV, Kap. 04/09 51 226 700 bay HP 1968, Pl. V, Kap. 85/90 63 790 000 beri HP 1968, PI. 08, Kap. 95, T i t 380—385 8 605 730 hbg HP 1966, Pl. I, Kap. 10, Tit. 570 20 000 hess HP 1968, Pl. IV, Kap. 79, Tit. 600—610 19 852 600 nds HP 1968, PL VII, Kap. 70/74 18 207 600 nrw HP 1968, Pl. 05, Kap. 81/89 29 883100 rhpf HP 1968, Pl. IX, Kap. 50, Tit. 300—699 34 681300 saar HP 1968, Pl. 34, Kap. 00, Tit. 840—856 1 619100 schlh HP 1968, PL VII, Kap. 10, Tit. 300—950 5 547 200 Diese Beträge umfassen auch einmalige Leistungen und Ermessenszuschüsse, denen im Gegensatz zu den Art. 1381 unterfallenden Staatsleistungen keine rechtliche Verpflichtung des Staates zugrunde liegt. Sie machen aber nur einen geringen Anteil des Gesamtbetrages aus (ungefähr 7,5 Millionen DM). — Bemerkenswert ist, daß die HP der beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen keine oder nur unerhebliche Summen ausweisen (die in Hamburg ausgeworfenen 20 000 DM sind Ermessenszuschüsse bis auf eine Ephoralzulage für den Probst in Hamburg-Altona in Höhe von 500,— DM —; alle anderen Staatsleistungen wurden 1965 aufgrund eines Schriftwechsels
10
Einleitung
die Religionsgesellschaften, ohne sich dieser mittelbaren „Kultsteuer" 4 entziehen zu können. Neben dieser Unterstützung der Religionsgemeinschaften stehen zahlreiche bedeutsame, in ihrem Wert schwer abzuschätzende Steuer- und andere Abgabenbefreiungen, sog. negative Staatsleistungen. Die Staatsausgaben für organisierte religiöse Betätigung, heute zumeist in Kirchenverträgen 5 und Konkordaten· zu einer Geldrente zusammengefaßt, erhöhen sich von Jahr zu Jahr 7. Eine Vertragsklausel paßt sie laufend den Veränderungen der Beamtenbesoldung oder vergleidibaren Staatsausgaben an. Daneben sind in der Bundesrepublik vereinzelt neue Staatsleistungen durch Vertrag 8 begründet worden. Besitzen die neubegründeten Staatsleistungen heute audi kaum große wirtschaftliche Bedeutung, so ist dodi nicht auszuschließen, daß in Zukunft neue Staatsleistungen — und zwar in steigendem Maße — begründet werden: Sofern und sobald die in der Bundesrepublik zu beobachtende, vorerst nur durch religionssoziologische Untersuchungen bestätigte Entfremdung der Bundesbürger von Christentum und Kirche 9 zu einer Kirchenaustrittsbewegung größeren Ausmaßes führt und damit das Kirchensteuereinkommen notwendigerweise sinkt, wird möglicherweise auf kirchlicher Seite das Verlangen nach Staatszuschüssen wachsen. Unter den Staaten vom Typus einer pluralistischen Demokratie ohne Staatskirchentum ist damit die Bundesrepublik, die sich als konfessionell neutrales Gemeinwesen versteht 10, neben Belgien einer der wenigen Staaten, der organisierte religiöse Betätigung finanziell unterstützt. Während Art. 117 der belgischen Verfassung vom 7. Februar 1831 auszwischen Senat und den beteiligten Religionsgeeellschaften abgelöst — Auskunft der Staatskanzlei). 4 Ausdrude bei Scheven, JZ 1968, S. 182. « Art. IV bad K V ; Art. 15 bay K V ; A r t 9, 14—18 pfälz K V ; Art. 1—4 hess kathKV;Art.5 heesevgLKV; A r t 16,17 nde K V ; 57RuhrbistumV; g l nrw evgl. KV; Art. 5 lipp K V ; A r t 5 preuß K V ; Art. 6—θ rhpf KV; Art. 18—20 schlh KV. • Art. V I bad Konk; Art. 10 § 1 bay Konk; Art. 15, 16 nds Konk; Art. 4 preuß Konk. 7 ζ. B. erhöhte sich in Rheinland-Pfalz die durch den Kirdienvertrag von 1962 auf 10 716 000 DM festgesetzte Staatsleistung auf 13 322 900 DM im Jahre 1966, in Niedersachsen von 7 700 000 (1955) auf 10448300 (1963). » Vgl. die oben Anm. 1 zitierten Vereinbarungen des Bundes, $7 Ruhrbistum V und S I nrw evgl KV. » Vgl. dazu Hesse, ZevKR Bd. 11, 1964/65, S. 345 ff. m.w.N. = Quaritsch/ Weber, Sammelband, S. 340 ff. io Quaritsch, Staat I, 1962, S. 194 ff. = Quaritsch/Weber, Sammelband, S. 280 ff.; Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 127 ff. = Quaritsch/ Weber, a.a.O., S. 202 ff.; Fuß, DÖV 1961, S.735 = Quaritsch/Weber, a.a.O., S. 235 f.
Einleitung
drücklich dem Staat Besoldungen und Pensionen der Geistlichen auflastet und die Subventionierung der Religionsgesellschaften verfassungsrechtlich sanktioniert, fehlt eine ausdrückliche endgültige Sanktion der Staatsleistungen im deutschen Verfassungsrecht. Sedes materiae des finanziellen Verhältnisses von Staat und Kirchen in Deutschland ist Art. 138 WRV/140 GG. Nach dem Wortlaut des Art. 138111, der die Ablösung der Staatsleistungen fordert, begründet dieser keine Leistungspflichten, sondern eine Pflicht für die Länder, die bisherigen Leistungen aufzuheben. Dieser Pflicht haben die Länder dur di eine Ablösung, d.h. durch eine entschädigungspflichtige Aufhebung nachzukommen. Gegen andere Eingriffe in die Leistungsbeziehungen als durch die Ablösung sind die Religionsgesellschaften geschützt. Bis zu ihrer Aufhebung durch Ablösung sind infolgedessen die Staatsleistungen garantiert. Die schwierige wirtschaftliche Lage der Länder nach 1919 und der Widerstand der Kirchen gegen eine Aufhebung der Staatsleistungen, von der sie finanzielle Einbußen befürchteten, haben unter Herrschaft der Weimarer Verfassung eine Ablösung verhindert 12 . Die Sperrklausel des Art. 173 WRV 1S bewirkte ein übriges: Das Reich war durch Staatsleistungen nicht belastet und daher an einem Tätigwerden in der Ablösungsfrage nicht unmittelbar interessiert. Trotz der gegenwärtigen Finanzkrise sind die Länder heute sehr wohl in der Lage, die Staatsleistungen an die Kirchen 14 abzulösen. 11 Art. 138 I lautet: Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf. i* Das hatte schon Meurer (DJZ 1919, Sp. 388 f.) vorhergesehen. Vgl. auch Bredt, Kirchenrecht I I , S. 120. " „Bis zum Erlaß eines Reichsgesetzes gemäß Art. 138 bleiben die bisherigen auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften bestehen.*1 " Obwohl Art. 138 I WRV von Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften spricht, sind bis 1919 i n Preußen — und fast aUen anderen deutschen Ländern — im wesentlichen Staatsleistungen nur an die Kirchen gewährt worden (vgL Bredt, Kirchenrecht II, S. 147; zum Charakter der Staatsleistungen als ausschließlich landeskirchliches Vorrecht vgl. Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 281 f.). Staatsleistungen zugunsten anderer Religionsgesellschaften sind — soweit überschaubar — nicht neu gegründet worden, so daß trotz des paritätisch-neutralen Wortlautes der Ablösungsvorschrift sich das Problem auf eine finanzielle Auseinandersetzung zwischen Staat und Kirchen reduziert. Den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend wird im folgenden das finanzielle Verhältnis von Staat und Kirchen untersucht und unter Kirchen werden die Groß-Kirchen verstanden. Da das preußische staatskirchenrechtliche System und die Verhältnisse in Preußen als — wenn audi abschreckendes— Beispiel wesentlichen Einfluß auf das Zustandekommen des Reichskirchenrechts von 1919 gehabt haben, beschränkt sich die Untersuchimg auf die preußischen Verhältnisse, soweit Rüdegriffe auf die Zeit vor 1919 erforderlich sind.
12
Einleitung
In einigen Fällen ist es sogar zu einer endgültigen Ablösung gekommen15. Überdies sind die Kirchen bei einem geschätzten Kirchensteueraufkommen von 3 Milliarden DM 1 6 für ihre finanzielle Lebensfähigkeit nicht mehr auf Staatszuschüsse angewiesen wie etwa vor und auch noch nach 191917. Auch bestehen im Gegensatz zur Zeit vor 1933 heute kaum noch ernsthafte Meinungsverschiedenheiten zwischen Staat und Kirchen über die Auslegung des Art. 1381 WRV 18 , nachdem in fast allen Ländern die heterogensten positiven Staatsleistungen durch Staatskirchenverträge pauschalierend zu einer Geldrente zusammengefaßt und Reibungsflächen beseitigt sind19. Damit scheinen alle Schwierigkeiten behoben, die bisher die Ablösung der Staatsleistungen verhindert haben, so daß nach fast 50 Jahren der Verfassungsbefehl des Art. 1381 verwirklicht werden könnte. Allerdings haben weder Reich noch Bund entsprechend Art. 1381 S. 2 WRV Ablösungsgrundsätze aufgestellt, die nach fast einhelliger Ansicht auch heute noch notwendige Grundlage und daher Voraussetzung einer gesetzlichen Ablösung durch die Länder sind. Demnach wäre selbst ablösungsbereiten Ländern ein einseitiges Vorgehen verwehrt, solange der Bund nicht tätig geworden ist. Eine kritische Uberprüfimg dieser Ansicht würde sich jedoch erübrigen, sofern der Ablösungsvorschrift heute keine Bedeutung mehr zukommt. m
Wenn nämlich Ablösung Aufhebung der Staatsleistungen gegen Entschädigung, die audi durch Renten gewährt werden kann, bedeutet20, « Vereinbarung zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und der Lippischen Landeskirche vom 26. November 1959 (nrw GVB1.1960, S.46); Art. II, I I I hess kath K V ; Art. 6, 7 hess evgl KV; Art. 16 nds Konk; A r t 17 nds KV; Art. 7, 8 rhpf K V ; Art. 18, 19 schlh KV. Nach Auskunft der Senatskanzlei der Freien und Hansestadt Hamburg sind in Hamburg abgeeehen von einer Ephoralzulage für den Probst in Altona (500,— DM jährlich) alle Staatsleistungen im Jahre 1965 abgelöst worden. " Vgl. Böhlig, Diss., S. 224, 234; Spiegel 1964, Nr. 22, S. 38-61. Danach betrug im Jahre 1963 das Kirchensteueraufkommen rd. 2,5 Mrd DM. 17 Vgl. die vom Abg. Eickhoff zitierte Denkschrift, nach der in Preußen im Jahre 1905 Staatsleistungen i n Höhe von 37,5 Mio Mark ein Kirchensteueraufkommen von 43 Mio Mark gegenüberstand (StenBerAbgH 1908/09, Sp. 2121). 18 Reichsgericht und Staatsgerichtshof hatten häufig über Probleme des Art. 138 I WRV zu entscheiden: RGZ 111, 134; 113, 349; 117, 27; 125, 186; 129, 72; JW 1927, S. 1253; S.2852; 1928, S.64; Lammers/Simons, Rechtsprechung, Bd. IV, S. 306; STGH RGZ 118, Anh. S. 1; Anh. S. 16; Lammers/ Simons, Rechtsprechung, Bd. IV, S. 71; S. 243. Demgegenüber sind seit 1946 nur unbedeutende Staatsleistungen streitig geworden: Vgl. die von Hering/Lentz herausgegebene Entscheidungssammlung, Bd. 2, S. 121 (LG Paderborn); S.374; S.390 (OLG Hamm); Bd. 3, S.286 (bayr VGH); Bd. 4, S. 1 (BGH). Eine in ihrer Bedeutung verkannte Entscheidung zu Staatsleistungsfragen enthält der Beschluß des BVerfG JZ1965, S. 608 mit Anmerkimg Hollerbach ebenda, S. 612 ff. und dersAÖR Bd. 92, 1967, S. 124 = Quaritsch/Weber, Sammelband, S. 422. " Vgl. Quaritsch, Schack-Festschrift, S. 127 Anm. 23. w So die herrschende Lehre: W. Weber, Ablösung, S. 41 ff.; Mikat, Kirchen
Einleitung
dann beinhaltet die vertragliche Zusammenfassung zu Geldrenten praktisch die Ablösung, so daß die Ablösungsforderung in den meisten Ländern erfüllt und Art. 1381 WRV obsolet geworden wäre 21 . Das setzt jedoch zweierlei voraus: Die vertragliche Zusammenfassung muß Ablösung im Sinne von Art. 1381 WRV sein und diese Verträge müssen alle Staatsleistungen erfassen. Vom Standpunkt der herrschenden Lehre dürften gegen den Ablösungscharakter der betreffenden Artikel, die heterogenste Staatsleistungen zu einer einheitlichen Geldrente zusammenfassen, keine Bedenken bestehen, denn nach ihrem Verständnis ist Ablösung Aufhebung der Staatsleistungen gegen Entschädigung, und die Entschädigung kann durchaus in Form einer ewigen Geldrente gewährt werden 22. Dagegen dürften nach einhelliger Lehre, die negative den positiven Staatsleistungen gleichstellt, die Staatskirchenverträge nicht alle Staatsleistungen erfassen, weil von ihnen nur Staatszuschüsse, nicht aber Abgabenbefreiungen geregelt werden. Angesichts der geschichtlichen Entwicklung der Staatsleistungen und ihrer Problematik im staatskirchenrechtlichen System der Reichsverfassimg erscheint diese bisher unbestrittene Gleichstellung allerdings äußerst anfechtbar. Überdies ist zweifelhaft, ob durch die „Ablösung" nur eine Wertgarantie des vermögensrechtlichen status quo der Kirchen erreicht werden sollte oder ob nicht vielmehr dieser Begriff eine darüberhinausgehende, für das finanzielle Verhältnis von Staat und Kirche konstitutive Aussage von bleibender Bedeutung enthält. Mit dieser Fragestellung rücken die beiden Zentralbegriffe des Art. 1381 WRV in den Mittelpunkt einer gegenüber der herrschenden Lehre kritischen Interpretation der Ablösungsvorschrift. Daß der Verfassunggeber von 1919 sich der Staatsleistungen annahm, ihre Ablösung sogar zum Verfassungsbefehl erhob, deutet darauf hin, daß die finanzielle Unterstützung der Kirchen durch den Staat schon und Religionsgemeinschaften, S. 228; Kern, Staat und Kirche, S. 119; Geller/ Kleinrahm/Fleck/Lentz, A r t 21 NRW Anm. 5 (S. 187); Spreng/Birn/Feuchte, Art. 7 BW Anm. 3; Hof mann, ZevKR Bd. 10, 1963/64, S. 370 f. Ablehnend neuerdings Zündorf, Diss., S. 16 ff. 21 Nach dem Wortlaut der betreffenden Vertragsartikel heben diese allerdings die Rechtsgrundlagen bisheriger Staatsleistungen nicht auf, sondern fassen die Staatsleistungen zusammen, ohne die Rechtsgrundlagen zu verändern. Die Aufnahme dieser Klausel erklärt sich jedoch aus der engen Anlehnung der Nachkriegsverträge an die Vorbilder aus der Weimarer Zeit, in der i m Hinblick auf A r t 173 WRV die Zulässigkeit vertraglicher Ablösungen vor Erlaß von Reichsgrundsätzen umstritten war. Heute sind die Pauschalierungen trotz der Klausel von den Vertragspartnern wohl eher als endgültig, „als fest und bindend" gewollt. (So W. Weber, a.a.O., S. 77 f.; ähnlich v. Hanstein, ZevKR Bd. 6, 1958, S. 309.) Vgl. dazu S. 66 Anm. 10. M Vgl. dazu unten S. 41 ff.
14
Einleitung
vor 1919 problematisch war oder spätestens mit dem Inkrafttreten des neuen staatskirchenrechtlidien Systems der Reichsverfassung zum Problem wurde. Art. 1381 ist daher zunächst als Antwort des Verfassunggebers auf dieses Problem zu verstehen und die Kenntnisse dieser Problematik — unabhängig von der Frage, wie Art. 1381 WRV heute zu interpretieren ist — Sdilüssel und Voraussetzung für ein erstes Verständnis der Ablösungsvorschrift. Vor einer eingehenden Untersuchung der Begriffe „Staatsleistung" und „Ablösung" wird daher die Staatsleistungspraxis vor 1919 dargestellt.
Erster Teil
Entwicklung und Bedeutung der Staateleistungen bis zu Beginn des 20. Jahrhunderte Staatsleistungen empfingen die Kirchen schon seit Jahrhunderten 1. Insbesondere die Kosten für das Kirchenregiment trugen die evangelischen Landesherrn seit dem 16. Jahrhundert. Solange aber Staat und Kirche eine Einheit bildeten, solange Kirchenaufgaben den Staatsaufgaben gleich erachtet wurden, konnten Staatsleistungen nicht als Unterstützimg von außerhalb des Staates stehender Gemeinwesen oder nichtstaatlicher Aufgaben verstanden werden. Zwanglos stellten sich Staatsleistungen als Ausgaben für Staatsaufgaben dar 2. Erst die fortschreitende Distanzierung von Staat und Kirche im 19. Jahrhundert machte bewußt, daß hier eine nicht in den staatlichen Aufgabenbereich fallende Tätigkeit subventioniert wurde. Im gleichen Zeitraum entstand auch erst ein nennenswertes Bedürfnis der Kirchen nach staatlicher Hilfe. Die Säkularisationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatten die autonome materielle Basis kirchlicher Tätigkeit einschneidend verkleinert. Die Ergiebigkeit des veralteten, an den Grundbesitz anknüpfenden und fast ausschließlich auf diesem lastenden kirchlichen Abgabenwesens8 konnte nicht in dem Maße gesteigert werden, in dem die im Zusammenhang mit der Verstädterung andersartigen Ausgaben wuchsen, und andererseits konnten keine neuen Finanzquellen erschlossen werden 4. Audi die Entlastung der Kirchen von staatlichen Verwaltungsaufgaben 5 verringerte die kirchlichen Verwaltungsausgaben nur vorübergehend, weil sie von den steigenden Bedürfnissen auf anderem Gebiet wieder aufgefangen wurde 6. Ins* Für die evangelische Kirche vor 1900 vgl. Niedner, Ausgaben, S. 21—100. * Zwar waren kirchliche Angelegenheiten seit Jeher ein seinem Gegenstand nach spezifisch abgegrenzter Kreis, doch nicht im Sinne einer Unterscheidung von geistlichem und weltlichem Reich, sondern als Charakterisierung eines besonderen staatlichen Tätigkeitskreises ähnlich wie Militärsachen oder polizeiliche Angelegenheiten. Vgl. Niedner, a.a.O., S. 22. » Vgl. Giese, Kirdiensteuerrecht, S. 12 ff. * Giese, a.a.O., S. 15 ff. 5 Zu der mit der Säkularisierung einhergehenden Verlagerung von Verwaltungsfunktionen auf dem Gebiet des Unterrichts, der Wohlfahrt und Fürsorge, vgl. E. R. Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 404. « Giese, a.a.O., S. 16 f.
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1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
besondere war m i t der Aufgabe der einzigen ausschließlichen Staatskirche zugunsten einer paritätischen Behandlung der drei Hauptkonfessionen, i n Preußen offiziell durch das Religionsedikt von 17887 sanktioniert, die erhebliche Mehraufwendungen erfordernde Ausdehnung des jeweiligen räumlichen Wirkungskreises der Kirchen verbunden, der z.B. für die katholische Kirche bis dahin auf Teile des preußischen Territoriums beschränkt war. Art. 35 des Reichsdeputationshauptschlusses8, aus dem später eine allgemeine Rechtspflidit des Staates, den Kirchen Subsistenzmittel zu gewähren, herausgelesen wurde 9 , begründete lediglich einen Vorbehalt zugunsten der festen und bleibenden Ausstattung der Domkirchen 1 0 und der Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit. Zudem besaß Art. 35 praktische Bedeutung lediglich für die katholische Kirche. 7 Vom 9. Juli 1788 (abgedr. bei Lehmann, Preußen und die Katholische Kirche VI, S. 250 ff.). β „Alle Güter der fundierten Stifter, Abteyen und Klöster, . . . , werden der freien und voUen Disposition der respektiven Landesherren, sowohl zum Behufe des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Erleichterung ihrer Finanzen überlassen, unter dem bestimmten Vorbehalte der festen und bleibenden Ausstattung der Domkirchen, welche werden beibehalten werden, und der Pensionen für die aufgehobene Geistlichkeit, nach den . . . näheren Bestimmungen.*4 (abgedr. bei Huber, Dokumente I, S. Iff., 15). Zu dem Problem Reichsdeputationshauptschluß und Staatsleistungen vgl. neuestens Hürnig, Reichsdeputationshauptschluß, S. 105 ff. » Mit dem Anwachsen des kirchlichen Finanzbedarfs wurde umstritten, ob neben der Domausstattungspflicht eine allgemeine Verpflichtung des Staates bestand, die Bedürfnisse der Kirchen im wesentlichen zu befriedigen. Diese Pflicht wurde daraus abgeleitet, daß dem Landesherren die Dispositionsgüter „sowohl zum Behufe des Aufwandes für Gottesdienst, Unterrichts- und andere gemeinnützige Anstalten, als zur Erleichterung der Finanzen überlassen" worden sind (Sägmüller, Rechtsanspruch, S. 36 ff.; Erzberger, Klerus und Gehaltsfrage, S. 54 ff.; Ebers, Staat und Kirche, S. 231 ff.). Diese Ansicht beachtet zu wenig die Entstehungsgeschichte und Bedeutung dieser als bloße Zweckbestimmung zu verstehenden Klausel, (a. A. zu Recht Niedner, Ausgaben, S. 142 ff.; 153 ff.; Huber, Garantie, S. 70f.; Glade, Diss., S. 35 f.; J. Schmitt, Staat und Kirche, S. 37, 49, 53). Neuerdings interpretiert wieder Hömig (a.a.O., S. 144 ff.) A r t 35 RDH dahin, daß er die Pflicht des Staates, die Bedürfnisse der Kirchen im wesentlichen zu befriedigen, begründet habe, den Kirchen jedoch kein korrespondierendes subjektives Recht einräume. Er stützt dieses Ergebnis auf die Entstehungsgeschichte der Verwendungsklausel, deren (normativer) Sinn sich aus den Äußerungen zweier Delegierter (Württembergs und der Hoch- und Deutschmeister) bei den Beratungen des Reichsdeputationshauptschlusses entnehmen lasse. Unberücksichtigt bleibt bei dieser historischen Interpretation jedoch der insbesondere von Niedner, a.a.O., aufgezeigte Einfluß Frankreichs und Rußlands auf die inhaltliche Gestaltung des Reichsdeputationshauptschlusses und dessen Bedeutung für die Interpretation. io Die Domausstattungspflicht ist durch die staatlichen Verpflichtungen erloschen, die die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgeschlossenen Bullen enthalten. (Vgl. Huber, a.a.O., S. 70; J. Schmitt, a^.O., S. 54 — anders ders., Ablösung, S. 5, 125).
I. Staatsleistungen unter dem ALR
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Die Begründung einzelner Leistungsverpflichtungen ließ sich also nicht auf eine allgemeine Rechtspflicht des Staates zurückführen, für kirchliche Bedürfnisse zu sorgen; vielmehr stand sie im staatlichen Ermessen. Begründete der Staat Leistungspfiichten ausschließlich zugunsten der Kirchen, so schlug sich darin nicht nur das positive Verhältnis des Staates zu den Kirchen nieder, sondern regelmäßig verfolgte der Staat damit auch bestimmte politische oder kirchenpolitische Ziele, die sich häufig erst aus Umfang, Art und Weise der Leistungen oder anderen Umständen und nicht schon aus den — die wahren Motive oft verschleiernden — offiziellen Beratungsmaterialien rekonstruieren lassen11.
I. Staatsleistungen im staatskirchenrechtlichen System des ALR 1. Kirchliche Tätigkeit und Staatsaufgaben
Bedeutung erlangte die Subventionierimg der Kirchen zuerst in dem staatskirchenrechtlichen System des ALR. Der Staat, der nach eingehender Prüfung und Bewertung der Religionsgrundsätze einer Kirchengesellschaft 12 über das Ob und Wie der Zulassung entschied, ließ in der differenzierten Ausgestaltung der Zulassung die von ihm nach Nützlichkeitserwägungen vorgenommene Bewertung der Religionsgesellschaften 18 und ihrer Grundsätze erkennen. Versprachen die Religionsgrundsätze nicht, den Mitglieder einer Kirchengesellschaft „Ehrfurcht gegen die Gottheit, Gehorsam gegen 11 I m folgenden werden Bedeutung und (kirchen)politische Zielsetzung der Staatsleistungspraxis anhand der den personellen Ausgaben gewidmeten Staatszuschüsse herausgearbeitet, da der weitaus größte Teü staatlicher Beihilfen der Besoldung von Pfarrern und Kirchenbeamten und später auch der Unterstützung ihrer Hinterbliebenen diente (Der Haushaltsplan des Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung von 1918 wirft in den Kapiteln 110—118 knapp 40 Mill. Mark an Ausgaben für kirchliche Zwecke aus. Davon sind rd. 5. Mill, sächliche, der Rest personelle Ausgaben). ** Kirchengesellschaft im Sinne von § 11 I I 11 ALR waren Religionsgesellschaften, welche sich „zur öffentlichen Feier des Gottesdienstes verbunden haben", öffentlich in diesem Sinne setzte nicht das exercitium religionis publicum voraus, sondern stand im Gegensatz zu den besonderen Religionsübungen der geistlichen Gesellschaften in § 12. „öffentlich" bedeutet hier nur „in gemeinschaftlichen, in gewissen dazu bestimmten Gebäuden", im Gegensatz zu Hausandachten in Privatwohnungen. Vgl. Hinschius, in: Koch, ALR (5. Auflage), Anm. 17 a zu §11 I I 11; Fürstenau, Religionsfreiheit, S. 79 Anm. 3; HubHch, ABR Bd. 43, 1919, S. 21. " Durch Verleihung von Privilegien konnte der Staat die Stellung der Kirchengesellschaften beliebig untereinander abstufen (vgl. Waldecker, Korporationen, S. 61 ff.), denn nach §22, 26 I I 6 ALR galten die gesetzlichen Vorschriften des ALR nur subsidiär gegenüber Privilegien und anderen Vorschriften. 2
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1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
die Gesetze, Treue gegen den Staat und sittlich gute Gesinnung gegen ihre Mitbürger einzuflößen" 14, so konnte der Staat „dergleichen Grundsätze verwerfen . . . und deren Ausbreitung untersagen" 15. Andererseits: Entsprachen die Religionsgrundsätze diesen Maximen, so war dem Staat nicht nur die Zulassimg mit der vom ALR vorgezeichneten Differenzierung von geduldeten und öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften möglich. Er konnte die Stellung einer jeden Kirchengesellschaft durch die Gewährung von Privilegien individuell gestalten13 und in dieser Gestaltung seine Wertschätzung ausdrücken. Die Rechtsstellung einer Religionsgesellschaft spiegelte den Grad staatlicher Wertschätzung wider. Höchstprivilegiert waren die öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften, die drei Hauptkonfessionen, denen das Wöllnersche Religionsedikt1· in Preußen eine paritätische Behandlung gewährt hatte. Da der Staat im Christentum — wie es von den Hauptkonfessionen gelehrt wurde — die sicherste Grundlage der staatlichen Ordnung erblickte, bediente er sich der Kirche „als autoritative(n) Vermittlerin dieser sittlichen Prinzipien" 17 . Religion und Kirche waren für den Staat nicht Selbstzweck, sondern Mittel zu staatlichen Zwecken: Allein den Hauptkonfessionen verlieh das ALR die Rechte privilegierter Korporationen 18. Diese Qualifikation brachte „die enge Verbindung der durch Gesetz . . . geregelten Korporationszwecke mit den Zwecken des Staates zum Ausdruck", deren Erreichung dieser sicherstellte durch die mit dem Korporationsstatus verbundenen Eingliederung in den Staatsorganismus19. Den Grundtypus der Korporation hatte das ALR in den §§ 25 ff. I I 6 normiert. Diese — allerdings gegenüber Spezialgesetzen und Privilegien subsidiäre — Regelung hob jene Personenverbindung aus den übrigen Gesellschaften des ALR heraus, indem sie den Korporationen die Rechte einer moralischen Person zusprach; die Rechte einer moralischen Person waren allerdings mit eingehenden Aufsichts- und Eingriffsrechten belastet20, in denen einerseits das allgemeine Mißtrauen des Staates gegenüber jeglichen Personenverbindungen aufs " 9 13 I I 11 ALR. « S 14 I I 11 A L R ie öffentlich oder ausdrücklich aufgenommen waren ζ. Z. der Publikation des ALR die drei Reichskonfeesionen, die lutherische, reformierte und katholische Religion (vgl. §1 des Religionsediktes VOTI 9. Juli 1788, abgedr. bei Lehmann, Preußen und die Katholische Kirche VI, S. 250 ff.), π Ebers, Staat und Kirche, S. 9. « Vgl. β 17 I I 11 ALR. Vgl. Waldecker, Korporationen, S. 64, 66, 75 (von diesem auch das Zitat); Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 312 f. Vgl. dazu Waldecker, a.a.O., S. 64 f.
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höchste gesteigert war 21 , andererseits sich aber auch das staatliche Interesse an den Korporationszwecken zeigte22. Daß das ALR in den §§25 ff. 116 „sowohl bei der Gründimg wie bei den ferneren Grundschicksalen der fraglichen Verbände (erg. der Korporationen) in relativ weitem Umfange dem Staatswillen das Recht der positiven Mitentscheidung reserviert(e)" 23, ließ diese Korporationen als Schöpfungen des Staates und ihren Zweck vom Staat gesetzt erscheinen, über dessen Erfüllung dieser wachte und dessen Erreichung er sicherstellte 24. Die Ausgestaltung der rechtlichen Stellung der Korporationen machte deutlich, daß der Staat den „fortdauernden gemeinnützigen Zweck" 25 , der Grund und Voraussetzung für die Erlangung der Korporationsqualität war2®, dem staatlichen Aufgabenbereich zuzählte. Verlieh der Staat bestimmten Personenverbindungen die vom ALR ausgestaltete Korporationsqualität, so erklärte er damit die von diesen verfolgten Zwecke zu Staatsaufgaben 27. Durch die Erklärung der öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften zu privilegierten Korporationen gliederte der Staat sich diese nicht nur organschaftlich ein; er qualifizierte damit gleichzeitig Kirchenaufgaben als Staatsaufgaben 28. 2. Kirchendiener als Staatsbeamte
Wenn auch nach dem Verständnis des ALR jede Korporation publizistischen Charakter hatte 29 und diesem audi die Diktion des Gesetzes « Hubnch, ABR Bd. 33, 1909, S. 30 f. » Waldecker, a.a.O., S. 64, 77; Hubnch, a.a.O., S. 35. » Hubrich, a.a.O., S. 30; Waldecker, a.a.O., S. 64 f. " Waldecker, a.a.O., S. 64; Hubnch, a.a.O., S. 30 ff. Differenzierender ders., ABR Bd. 43, S. 64ff.: „Immerhin ist audi ihnen (erg. den Korporationen) ein Rest eigenen Willens, ursprünglicher aus der Gesellschaftsgründung hervorgehender Gesellschaftsgewalt verblieben" (S. 65 f.). Dodi audi Hubrich erkennt an, daß dies nur Reste ursprünglicher Herrschaftsgewalt waren (S. 66). Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung des Korporationsbegriffes Waldecker, a.a.O., S. 52 ff.; Conrad, Diss., S. 10 ff. *β S 25 I I 6. *· Das galt jedoch nur, soweit nicht die Korporationsqualität durch landesherrliches Privileg ausdrücklich verliehen wurde, denn diese Verleihung war nicht davon abhängig, daß der besondere Zweck vorlag; vgl. Waldecker, a.a.O., S. 60; Dalcke, in: Koch, ALR (5. Aufl.), Anm. 74 zu δ 25 I I 6. «7 vgl. Waldecker, a.a.O., S. 64, 77; Hubrich, ABR Bd. 33, 1909, S. 35; Hinschius, in: Koch, ALR (8. AufL), Anm. 53 zu δ 69 I I 10. *e Hinschius, Staat und Kirche, S.254; ders., in: Koch, ALR (S.AufL), Anm. 31 zu 919 I I 11; Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 312 f. m Hubridt, ABR Bd. 33, 1909, S. 30 ff.; ders., ABR Bd. 43, 1919, S. 19 ff.; Waldecker, a.a.O., S. 65, 80 ff., der jedoch im Gegensatz zu Hubrich eine Abstufung der Korporationen durch das ALR leugnet, aus der sich die spätere Differenzierung von Gesellschaften privaten Rechts und Korporationen öffentlichen Rechts ergeben hat. Mit überzeugenden Gründen gegen ihn Hubrich, ABR, Bd. 43, 1919, S. 71 ff. 2·
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entsprach, wenn es öffentliche Gesellschaft mit Korporation gleichsetzte80, so läßt sich doch nicht verkennen, daß eine Gruppe, auf die später der Begriff „öffentliche Körperschaft" angewendet wurde, auch schon vom ALR aus dem Grundtypus Korporation hervorgehoben und noch weiter in den Staat eingegliedert war durch ein Privileg, das dieser Gruppe gemeinsam war: Ihre Beamten waren als mittelbare Staatsbeamte den Beamten des Staates gleichgestellt. Nur die Beamten gewisser — nicht aller — Korporationen genossen die Rechte, und nur sie trafen die Pflichten von Staatsbeamten81. Welche Korporationen für ihre Beamten dies Privileg in Anspruch nehmen konnten, hatten das ALR oder spätere Gesetze selbst in der Ausgestaltung spezieller Korporationstypen festgelegt 82. Mit der Anerkennung der Staatsbeamtenqualität der Korporationsbeamten 88 bekundete der Staat über die Privilegierung des gemeinnützigen Zweckes hinaus, daß er die Aufgaben dieser Korporationen nicht nur als förderungswürdig ansah, sondern als mittelbar eigene Aufgabe betrachtete 84. „Insoweit die Korporation die Bestimmung hat, Zwecke des Staates zu erfüllen und Rechte der Staatsgewalt auszuüben", sanktionierte das ALR durch dieses Privileg die Tatsache, daß „Dienste für eine Korporation als mittelbar dem Staat geleistet . . . angesehen werden können" 86 . Nach § 19 I I 11 hatten die bei einer öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaft zur Feier des Gottesdienstes und zum Religionsunterricht bestellten Personen „mit anderen Beamten im Staat gleiche Redite", »ο Vgl. z. B. §§ 180, 192 I I 6. 81 Vgl. § 69 I I 10 ALR: Dergleichen Beamte (erg. alle Beamten des Staates, welche zum Militärstande nicht gehören) stehen entweder in immittelbaren Diensten des Staates, oder gewisser demselben untergeordneter Collégien, Corporationen und Gemeinen. 82 Vgl. §§ 19, 96 I I 11 für die zur Feier des Gottesdienstes oder zum öffentlichen Religionsunterricht bestellten Personen und Geistlichen der öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften. §73 I I 12 für ordentliche und außerordentliche Professoren, Lehrer und Offizianten auf der Universität. Auch städtische und landschaftliche Beamte wurden als mittelbare Staatsbeamte angesehen. Vgl. die Kabinettsordre vorn 14. Mai 1832 betreffend die Anwendung des Gesetzes . . . auf städtische, landschaftliche und andere nach der Bezeichnung des Landrechts § 69 Titel X, Pars II., als mittelbare Staatsdiener zu betrachtende Beamte (GS S. 145). Beamte der protestantischen Kirchenverwaltung, vom Landesherren in Ausübung seines landesherrlichen Kirchenregimentes wahrgenommen, standen bis 1919 in unmittelbarem Staatsdienst und waren bis dahin unmittelbare Staatsbeamte. Das war zwar umstritten, aber wohl herrschende Meinung. Vgl. Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 322 m. w. N. Hubrich, ABR Bd. 33, 1909, S. 35. Zur besonderen Anerkennung dieser Korporationen s.a. Waldecker, a.a.O., S. 76f.; Hinsdiius, in: Koch, ALR (5. Aufl.), Anm. 53 zu § 69 I I 10. " Preußisches Obertribunal am 23. Juni 1853, Bd. 26, S. 165. Vgl. auch hinten S. 99 Anm. 138.
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und §96 desselben Titels bezeichnete als Beamte des Staates Geistliche der öffentlich aufgenommenen Kirchengesellschaften, also diejenigen, „welche bey einer christlichen Kirchengemeinde zum Unterrichte i n der Religion, zur Besorgung des Gottesdienstes und zur Verwaltung der Sacramente bestellt sind" 8 6 . Zwar wurden später diese „landrechtlichen Bestimmungen . . . i n ihrer Gesamtheit nur dahin (aufgefaßt), daß sie den Geistlichen die besonderen Vorrechte der Staatsbeamten gewähren" 3 7 . Dagegen spricht nicht nur die berühmte Bemerkung Suarez' 38 , sondern auch die nach-landrechtliche Gesetzgebung, die Geistliche als mittelbare Staatsbeamte bezeichnete 89 . Geistliche waren also mittelbare Staatsdiener, und ihr Dienst gegenüber der Korporation erfüllte gleichzeitig staatliche Zwecke 40 . 36 § 59 desselben Titels. Nodi 1889 vertrat das Konsistorium zu Kassel die Ansicht, daß „Geistliche selbst in der seelsorgerischen Thätigkeit zu den Beamten gehörten". Vgl. PrOVG Bd. 19, S. 420, 435 (436). »7 So Hinschius, in: Koch, ALR (5. Aufl.), 919 I I 11 Anm. 5; anders ders., a.a.O., (8. Aufl.), Anm. 31 zu 919 I I 11. 98 „Sobald i d i mir einen protestantischen Geistlichen gedenke, denke ich mir allemal eine Gemeine, bei welcher er als Prediger, Lehrer oder Seelsorger bestellt ist. Qua talis gehört er zu den mittelbaren Beamten des Staates und hat als solcher gewisse Rechte und Pflichten." Zit. nach Hinschius, a.a.O., (5. Aufl.). »» Justizministerialreskript vom 26. April 1802 (abgedr. bei Hubrich, ABR Bd. 43, 1919, S. 70): Zu den öffentlichen Beamten gehören aber alle Geistlichen und Schulbedienten . . . Anhang 9161 zu I 24 9108 AGO (wörtlich übereinstimmend 9 2 der Verordnung vom 28. Februar 1806): Alle im ALR I I 10 9968 und 69 gedachten, mithin auch die städtischen, geistlichen und landschaftlichen Diener werden unter den hier genannten Civilbedienten verstanden. Deklaration vom 21. Januar 1829 (GS S. 9): . . . für einzelne Klassen der öffentlichen Beamten und Diener, beispielsweise für die Professoren an den Universitäten, für Geistliche und Schullehrer . . . Nach einer Verfügung vom 24. April 1815 enthielt die Eidesformel für die evangelischen Geistlichen den Passus „sowie es einem Diener der christlichen Kirche und des Staates geziemt" (zitiert nach PrOVG Bd. 8, S. 390,396). «ο Vgl. Hinschius, in: Koch, ALR (8. Aufl.), Anm. 53 zu 69 I I 10 und Anm. 31 zu 9 19 I I 11; Förster, Landeskirche I, S.36f.; Hubrich, ABR Bd. 33, 1909, S.3f. Für die Zeit vor Erlaß der Verfassungsurkunde vgl. PrOVG Bd. 8, S. 390 (393 f.); Bd. 19, S. 44 (S. 48 f.); 420 (4281), Vgl. dort audi die widersprüchlichen Ausführungen des Kommissars des Ministers für geistliche Angelegenheiten (S. 423 ff.): Der Grund für den Gesetzgeber (nämlich Geistliche als mittelbare Staatsbeamte zu betrachten) . . . liege in Preußen . . . nicht etwa in den theoretischen Anschauungen des 18. Jahrhunderts, welchen die Aufgaben der Kirchen als solcher als Staatsauf gaben erschienen seien; allerdings erklärten diese Auffassungen es, wie das Preußische Redit dazu gelangt sei, sich . . . der . . . Form und Bezeichnung „mittelbarer Staatsbeamter" zu bedienen (S. 424). Die Widersprüchlichkeit erklärt sich daraus, daß der Minister für geistliche Angelegenheiten, um den Prozeß zu gewinnen, nachweisen mußte, daß Geistliche zwar keine Staatsaufgaben mehr erfüllten, aber dennoch mittelbare Staatsbeamte geblieben waren (vgl. die Ausführung des PrOVG auf S. 428). Nicht erst aus der Beamten-, sondern schon aus der Korporationsqualität leiten dieses Ergebnis ab: Waldecker, a.a.O., S. 64; Ebers, Staat und Kirche, S. 9.
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1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
Das gilt nicht nur für diejenigen der von den Kirchen wahrgenommenen Aufgaben, die später vom Staat in eigene Hand genommen wurden, weil sie von einem modernen Gemeinwesen mit konfessionell desintegriertem Volke zur Wahrung der staatlichen Einheit selbst wahrgenommen werden mußten: ζ. B. die geistliche Schulaufsicht und das Personenstandswesen41»42. Weil und solange man in den von den Kirchen verkündeten Glaubenssätzen und in der christlichen Sittenlehre die sicherste Grundlage staatlichen Zusammenlebens sah48, weil und solange diese dem Staat verpflichtet waren „zur Pflege guter Bürgergesinnung, ohne die der Staat zerfallen müßte" 44 , waren daher audi christlicher Gottesdienst, Sakramentsverwaltung und Religionsunterricht 46 — wenigstens mittelbar — staatliche Aufgaben. Und dies bestätigten letztlich die §§ 19, 96 I I 11 ALR nur, wenn sie die Geistlichen als mittelbare Staatsbeamte bezeichnen. 3. Staatsbeihilfen an die Geistlichkeit
Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Kirchenvermögen nicht mehr zur Deckung kirchlicher Ausgaben ausreichte4·, wuchs mit dem Wiedererstarken des Staates das Bewußtsein, „daß das Gemeinwesen auf allen Gebieten helfend eintreten müsse, wo die Kräfte der Einzelnen nicht ausreichten" 47. 4i Diese Gebiete zog der Preußische Staat durch das Schulaufsichtsgesetz vom 11.3.1872 (GS S. 183) und das Personenstandsgesetz verni 9.3.1874 (GS S. 95) an sich. I n keinem inneren Zusammenhang mit kirchlichen Aufgaben standen weitere Tätigkeiten der Geistlichen, wie die Publikation landesfürstlicher Verordnungen und die Belehrung der zu erwartenden ewigen Strafen bei Übertretung dergleichen Verordnungen. Daneben waren Geistliche verpflichtet, das Volk „mit nützlichen Dingen bekannt zu machen" (Hinschius, Staat und Kirche, S.208). v. Mohl (Württ. Staatsrecht, Bd. I I S. 444 ff.) erwähnt Berichte über Epidemien, Aufsicht und Belehrung wegen der Krätze und der Kuhpockenimpfung, halbjährliche Belehrung über giftige Pflanzen, Verteilung nützlicher landwirtschaftlicher Schriften, Belehrung über den Nutzen der Allodiflkation der Fall-Lehen. 43 Vgl. Ebers, Staat und Kirche, S. 9. 44 Förster, Landeskirche I, S. 24; ähnlich Rosin, öffentliche Genossenschaft, S. 36 f.; Waldecker, Korporationen, S. 63 ff.; Ebers, a.a.O., S. 4 ff. 4β So noch das Konsistorium zu Kassel im Jahre 1889 in PrOVG Bd. 19, 420 (436), daß „Geistliche selbst i n der seelsorgerisdien Thätigkeit zu den Beamten gehörten". Für die Zeit vor Erlaß der preuß. Verfassungsurkunde vgl. Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 300, S. 320 ff.; Hinschius, in: Koch, ALR (8. Aufl.), Anm. 31 zu 919 I I 10, ders., Staat und Kirche, S. 254; Niedner, Ausgaben, S. 117 ff., 121 ff.; Waldecker, a.a.O., S. 77; Hubrich, ABR Bd. 33, 1909, S. 35. 43 Zu den Gründen vgl. oben S. 15 f. 47 Vgl. Niedner, a.a.O., S. 178; Schoen, VerwA Bd. 6, 1898, S. 184; für Baden vgl. Liermann, Staat, S. 74; Friedrich, Kirchenrecht, S. 146.
I. Staatsleistungen unter dem ALR
Vorschläge für einen nach §1631111 ALR 4 8 möglichen Ausgleich zwischen armen und reichen Gemeinden sowie die Erhöhung der Stolgebührentaxe 49 lehnte der preußische König ab 50 . Mehrfach versprach dieser, die Religion, „das Heiligste, was dem Menschen angehört" 51 , zu ehren und zu schützen, und er stellte dazu in Aussicht, daß „zu einer standesgemäßen Dotierimg ihrer (erg. der katholisdien Religion) Diener gewürkt werden" solle51. So wurden in der Folgezeit die den größten Teil kirchlicher Unterstützung auszumachenden Fonds zugunsten von Geistlichen und deren Hinterbliebenen begründet 52, obwohl nach § 164 I I 11 ALR die Kirchengesellschaften grundsätzlich für den Unterhalt ihrer Beamten selbst zu sorgen hatten. Gerade durch eine Aufbesserung der äußeren Lage der Geistlichen die Kirchen zu unterstützen, „damit sie (erg. die Geistlichen) die Würde ihres Amtes behaupten"58, lag nahe und war auch geboten, weil die Besoldung der Geistlichen, deren Wirken letztlich entscheidend war für die Verwirklichung der staatlich erwünschten Ziele, den Hauptanteil kirchlicher Dauerausgaben ausmachten. Da es zudem keinen kirchlichen Gesamtverband gab, dem der Staat Zuschüsse zur Weiterverteilung zuweisen konnte, aus der Sicht des Staates handlungsfähige Vermögenssubjekte allein die einzelnen Kirchengemeinden waren 54 , hatte dieser praktisch nur die Wahl, Zuschüsse an die Kirchen48 Nach § 163 hat der Staat dafür zu sorgen, „daß nützliche Anstalten aus Mangel des Vermögens nicht zugrunde gehen". Diese Vorschrift verpflichtet den Staat nicht zu subsidiärem Einspringen, sondern berechtigt ihn, Uberschüsse einer Kirchengemeinde einer anderen zuzuweisen. Vgl. Niedner, a.a.O., S. 125 ff. « Erlaß vom 27. Mai 1816 (abgedr. bei Niedner, a.a.O., S. 179). Als Stolgebühren bezeichnete man Gebühren, die an den Pfarrer für die Verrichtung von Amtshandlungen zu entrichten waren und Teil seines Einkommens bildeten; vgl. Karg, Finanzwesen, kirchliches, Sp. 522. eo Auch eine andere in einem Gutachten des Oberkonsistoriums vom 2.4. 1802 (abgedruckt bei Niedner, a.a.O., S. 128) vorgeschlagene Einziehung und Zusammenlegung schlechter Stellen wurde abgelehnt, obwohl infolge der durch diese Maßnahme möglichen Einsparungen staatliche Hilfe überflüssig gewesen wäre. 3i Proklamation an die Einwohner des Großherzogtums Posen vom 15. Mai 1815 (GS S. 47). » Vgl. zur Entwicklung der Staatsleistungen, Niedner, a.a.O., S. 178 ff. Zur Aufteilung der Staatsleistungen vgl. Breitfeld, Auseinandersetzung, S. 60 ff. 33 Proklamation an die Einwohner der mit der preußischen Monarchie vereinigten Rheinländer vom 5. April 1815 (GS S. 25). m Kirchengesellschaft nach dem ALR ist die Einzelgemeinde, nicht die kirchliche Gesamtorganisation. Sie allein war rechtsfähig (Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 199 m.w.N.; Niedner, a.a.O., S. 108). Die protestantische Kirche i n Preußen wurde erst durch das Gesetz betreffend die evangelische Kirchenverfassung in den acht älteren Provinzen der Monarchie vom 3. Juni 1876 (GS S. 125) als rechtsfähiger Gesamtverband anerkannt.
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1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
gemeinden oder den Geistlichen direkt zu gewähren: Er entschied sich, die Geistlichen als mittelbare Staatsbeamten direkt zu unterstützen. War letztlich für die Bewilligung von Unterstützungen die Überlegung maßgebend, daß nach Ansicht des Staates die Kirchen staatliche Aufgaben erfüllten, so läßt sich nicht verkennen, daß durch eine direkte — teilweise — Besoldung der Geistlichen durch den Staat ihrer funktionellen Staatsbeamtenqualität die finanzielle Sanktion erteilt wurde. Nach dem Verständnis des ALR war Dienst an der Kirche gleichzeitig Dienst am Staat. Ausgaben für kirchliche Aufgaben stellten die Erfüllung staatlicher Aufgaben sicher 55 ' 5β . I I . Staatsleistungen im staatskirchenrechtlichen System der oktroyierten Verfassung von 1850
Staatliche Leistungen für kirchliche Zwecke wurden eigentlich dort problematisch, wo Staat und Kirchen — wenigstens — funktionell voneinander getrennt und die Eigenständigkeit innerkirchlicher Aufgaben anerkannt waren. Die Entwicklung einer solchen Distanzierung von Staat und Kirchen setzte schon bald nach Publikation der ALR ein: Sie wurde insbesondere durch die Säkularisation im Jahre 1803 gefördert. Ebensowenig wie das staatlich-kirchliche Zusammenwirken durch die tiefgreifenden politischen Reformen zu Beginn des 19. Jahrhunderts berührt worden war 57 , hatte zunächst die Säkularisation 58 das Grundverhältnis von « Aus der Beibehaltung der Staatsleistungen wurde auch späterhin gefolgert, daß die unterstützten kirchlichen Zwecke auch staatliche Aufgaben seien. Vgl. z.B. Rothenbücher, JöR Bd.3, 1909, S.355; PrOVG, AöR Bd.7, 1892, S. 427 ff. (438 f.). Von einer Ausdehnung der Staatstätigkeit auf Gebiete, die nicht zu den eigentlichen Aufgaben des Staates gehören, sprachen bei den Beratungen über die Pfarrbesoldungsgesetze 1898 Finanzminister Miquel (StenBer AbgH 1898, S. 2451) und der Abg. Sattler (a.a.O., S. 1985). m Daß der Staat bis ins 19. Jahrhundert kirchliche und staattiche Aufgaben für gleich erachtete, läßt sich aus der Behandlung von Schutz und Pflege sakraler Kultur als zentraler Staatsaufgabe entnehmen. Dazu und zu der im 19. Jahrhundert sich herausbildenden differenzierten Behandlung auch dieses Gebietes vgl. ausführlich M. Hechel, Staat-Kirche-Kunst, S. 18 ff. « Vgl. E. Meier, Kirche, S. 137: „Bei den landrechtlichen Grundsätzen blieb dann der preußische Staat über ein halbes Jahrhundert hindurch stehen..."; Huber, a.a.O., S. 395; Lipgens, Graf Spiegel, S. 232; Kahl, Lehrsystem I, S. 192. Gerade weil Reformer und Reformgegner zu Beginn des 19. Jahrhunderts — wenn auch aus verschiedensten Motiven — auf dem Prinzip der Staatskirchenhoheit beharrten, das sie im ALR gewahrt sahen, schützten sie die Kirche vor Desintegration durch Sektenbildung und förderten ihren Zusammenhalt durch vielfältige Schutzmaßnahmen (vgl. v.Mohl, Staatsrecht II,
II. Staatsleistungen unter der oktroyierten Verfassung
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Staat und Kirchen geändert; sie wurde allerdings entscheidender Anstoß für das Uberdenken der Beziehungen von Staat und Kirchen 59 . Die Verweltlichung des Kirchengutes entlastete die Kirchen von weltlichen Herrschaftsfunktionen; die daraus resultierende Entweltlichung der Kirchen bewirkte eine Verinnerlichung, eine Besinnung auf ihre eigentlichen Aufgaben 60, deren Eigenständigkeit die Kirchen immer selbstbewußter und konsequenter gegen Übergriffe des Staates verteidigten. Mit Hilfe der Forderung nach Religionsfreiheit — vom Liberalismus, „der der Macht der Kirche noch weit mehr als der Macht des Staates" mißtraute 61, gefordert, um auch kirchliche Ubergriffe in den außerstaatlichen „persönlichen Binnenraum" 62 zu verhindern — versuchten sie, die Autonomie kirchlicher Aufgaben gegenüber dem Staat durchzusetzen und diesen Tätigkeitsbereich gegen staatliche Übergriffe zu sichern 68. Die funktionelle Trennung von Staat und Kirchen und die Anerkennung eines eigenständigen kirchlichen Aufgabenbereiches beabsichtigten die Frankfurter Grundrechte 64. Kirchlicher und staatlicher Funktionenkreis sollten sich nicht mehr decken. Die Zuerkennung eines außerstaatlichen, von staatlicher Bewertung und staatlichem Zugriff freien Aufgabenbereichs, dessen Zielsetzung bestimmte Personenverbindungen zu Religionsgesellschaften qualifizierte, machte dem Staat alle Religionsgesellschaften gleich, ließ keine Differenzierung, gestützt auf eine Bewertung der Religionsgrundsätze mehr zu. Konsequenterweise beseitigten daher die Frankfurter Grundrechte Vorrechte zugunsten der Kirchen 65. S.207): „Die wenigen institutionellen Kirchen waren besser zu kontrollieren." (Lipgens, a.a.O., S. 232). ββ Zum Reichsdeputationshauptschluß vgl. E. R. Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 55, 57 f.; zu den die Kirchen schützenden und bei der Säkularisation zu beachtenden Vorschriften vgl. Ebers, Staat und Kirche, S.23ff. Zu den Motiven der Säkularisation vgl. E. R, Huber, a.a.O., S. 42 ff.; E. Piassmann, Staatskirchenrechtliche Grundgedanken, S. 39 ff.; zu den Folgen insbesondere für die katholische Kirche: E.R. Huber, a.a.O., S. 401 ff. m Darauf weist insbes. Huber, a.a.O., S. 404, hin. Die Säkularisation war aber nur einer von vielen Gründen für eine Kirchenerneuerung. Vgl. Huber, a.a.O., S. 395. «ο Vgl. Huber, a.a.O., S. 404; Franz, Kulturkampf, S. 18. ei Huber, a.a.O., S.389. 33 Koselleck, Reform und Revolution, S. 27; vgl. dazu auch Huber, a.a.O., S. 392. 33 Huber, a.a.O., S. 395. 34 §1471: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig, bleibt aber den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen." Zur Entstehungsgeschichte und Bedeutimg der Frankfurter Grundrechte vgl. Woltersdorf, Staatsgrundgesetz, S. 213—294. 33 Den Inhalt der Frankfurter Grundrechte von zeitgenössischer Warte
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1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen 1. Die funktionelle Trennung von Staat und Kirche
Auch die preußische Verfassungs-Urkunde erkannte mit dem Selbstverwaltungsrecht in eigenen Angelegenheiten die Eigenständigkeit kirchlicher Aufgaben an ee . Kirchen waren nicht mehr „als Staatsanstalten zu behandeln, die ihre Aufgaben nur in seinem (erg. des Staates) Namen und Auftrag und nach seiner Weisung ausübten"·7. Formal-funktionell waren Staats- und Kirdienaufgaben voneinander zu unterscheiden und unterschieden68. Für die Stellung der Geistlichen war man sofort bereit, die Konsequenzen zu ziehen69. Kirchlicher Dienst war nicht mehr mittelbarer Dienst am Staat, Geistliche daher nicht mehr mittelbare Staatsbeamte. Weder die Qualität der von den Kirchen wahrgenommenen Aufgaben noch die Stellung ihrer Geistlichen rechtfertigte von nun an die Fortdauer staatlicher Unterstützungen zugunsten der Kirchen. Der funktionellen Auseinandersetzung hätte eine finanzielle folgen müssen70. Daß man sich dieses Problems bewußt war, beweist nicht nur die ausdrückliche Garantie der Staatsleistungen in Art. 15 der preuß. Verfassungs-Urkunde 71. Auch die Beratungen zeigen deutlich, daß man „Fehlinterpretationen" in dieser Beziehung fürchtete und vorbeugen wollte. Bezeichnenderweise begründete man die ausdrückliche Garantie interpretiert Herrmann, Religionsgemeinschaften, S. 60 ff. Zum Verbot der Staatskirche und der Aufhebung aUer Vorrechte vgL ebenda, S. 74 ff. In der Paulskirche hatte der Abg. Deiters als Berichterstatter des Verfassungsausschusses darauf hingewiesen, daß mit der Annahme des Artikels, der die Vorrechte zugunsten der Kirchen verbot, auch die Staatszuschüsse als Vorrechte wegfallen müßten (vgl. StenBer Bd.V, S. 3875 f.) und daher für die Ablehnung des Artikels plädiert. Mit großer Mehrheit nahm die Nationalversammlung dennoch diesen Artikel an (Bd. VI, S.4129). M Vgl. Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 307 f.; Schoen, Kirchenrecht I, S. 158 f.; Kahl, Lehrsystem I, S. 280 ff.; Meier, Kirche, S.147f.; Ebers, Staat und Kirche, S. 60ff.; Schlief, Diss., S. 30f.; Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 395f. •7 Ebers, a.a.O., S. 65. «β Hinschius, in: Koch, ALR (8. Aufl.), Anm. 31 zu §19 I I 11; Anschütz, a.a.O., S. 3001, 312 f. •»Vgl. PrOVG Bd.8, S.390 (395ff.); Bd. 19, S.420 (430f.); Bd.20, S.451 (4551); Hinschius, in: Koch, ALR (5.AufL) 919 I I 11 Anm. 25; Anschütz, a.a.O., S.3201 Anders wurde dagegen die Stellung der evangelischen Kirchenbeamten beurteilt: Vgl. dazu Schoen, Kirchenrecht I, S. 3231; Bierling, A5R Bd. 7, 1892, S.2191; v. Schulze-Gaevernitz, Staatsrecht I, S. 3051 70 vgl. Niedner, Ausgaben, S. 239 ff.; v.Mohl, Staatsrecht II, S.215. Das PrOVG (AöR Bd. 7, 1892, S. 427, 4381) spricht davon, daß die finanzielle Auseinandersetzung der Zukunft vorbehalten sei A r t 15 garantierte den Kirchen „Besitz und Genuß der für ihre . . . Zwecke bestimmten . . . Fonds". Fonds waren nach damaligem Sprachgebrauch auch Einkünfte aus Staatsmitteln: Vgl. Niedner, a.a.O., S.236 m. w. N.
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mit Rechtsverpflichtungen, „die der Staat... nur durch einen Wort- und Treubrudi hätte auflösen können, dessen Folgen auf ihn selbst zurückgefallen sein würden" 78 , ein Grund, auf den sich bei der Aufnahme von finanziellen Leistungsbeziehungen bisher niemand beruf en hatte und der für den überwiegenden Teil der Staatsleistungen auch nicht zutraf 78 . Die Berufung auf die bestehenden Rechtsverpflichtungen konnte daher kaum darüber hinwegtäuschen, daß das fortdauernde „tiefe Interesse ..., welches sich für den Staat an das Bestehen der Religionsgesellschaften knüpft" 74 , eigentlicher Beweggrund für die Aufrechterhaltung der Staatsleistungen war: Der paritätische Begriff „Religionsgesellschaften" verschleiert die Imparität der Leistungsbeziehungen — Nur die Kirchen erhielten Staatsleistungen. Der Staat, der „sich von den Religionsgesellschaften scheidet"75, die religiöse Vereinigungsfreiheit gewährleistet und die Parität der Individuen 78 endlich garantiert, hatte dennoch die Bibel in der Verfassung hineingeschrieben77. Art. 15 hob die protestantische und katholische Kirche unter den übrigen Religionsgesellschaften hervor; Art. 14 legte die christliche Religion bei den Einrichtungen des Staates zugrunde, welche mit der Religionsausübung im Zusammenhang standen. Preußen verstand sich weiterhin als christlicher Staat, und manchen ging selbst dieses staatliche Bekenntnis nicht weit genug: Sie versuchten, die Garantie der individuellen Religionsfreiheit zu streichen 78. 72 So die amtlichen, vom Kultusminister von Ladenberg herausgegebenen „Erläuterungen, die Bestimmungen der Verfassungsurkunde vom 5. Dezember 1848 über Religion, Religionsgesellschaften und Unterrichtswesen betreffend" (Berlin 1848), abgedruckt bei Woltersdorf, Staatsgrundgesetz, S. 334 ff., S. 339. 73 Als Motiv der Aufnahme von Leistungsbeziehungen war berufen worden entweder das Bedürfnis, (so ζ. B. die Kabinettsordre vom 28. Februar 1855 — Niedner, a.a.O., S. 185 — und vom 28. März 1855 — Niedner, a.a.O., S. 183) oder die Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichkeit (so z.B. Erlaß vom 27. Mai 1816 — Niedner, a.a.O., S. 179 — Kabinettsordre vom 5. Juli 1823 — Niedner, a.a.O., S. 180 f. — und vom 8. Oktober 1841 — Niedner, a.a.O., S. 182). I n allen Fällen stand hinter den Bewilligungen wohl „die allgemeine Fürsorge des Staates für nützliche Einrichtungen" (Niedner, a.a.O., S. 180). ?4 Amtliche Erläuterungen, Woltersdorf, Staatsgrundgesetz, S. 339. 7« ebenda, S.339f. 73 Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S.212. 77 So der Abg. von Ammon (StenBer I. Kammer 1849, S. 997) zu Art. 14 PrVerfUrk. 78 So der Abg. Wagener, Ani. AbgH 1855, Drucks. Nr. 40, S. 101; StenBer AbgH 1855/56, S. 621—629; Der Minister des Innern trat diesen Bestrebungen entgegen, da kein Bedürfnis für eine Änderung bestehe, denn bisher habe die Regierung „eine zu weitgreifende, den christlichen Charakter des Staates verletzende Anwendimg des fraglichen Satzes des A r t 12 nicht Platz greifen lassen, namentlich nicht eine solche, welche die Zulassung von Nichtchristen oder von Anhängern irreligiöser Sekten zu richterlichen, obrigkeitlichen oder solchen Amtern, welche mit der christlichen Endbestimmung des Staates in wesentlicher Beziehung stehen, statuieren würde". Vgl. zum Ganzen Fürstenau, a.a.O., S. 215 ff.
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1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
Das Interesse des Staates am Bestand der großen Kirchen bewog ihn, die Staatsleistungen nicht einzustellen, obwohl mit der funktionellen Auseinandersetzung von Staat und Kirchen die Rechtfertigung für die finanzielle Unterstützung entfallen war. An einer Einstellung der Staatsleistungen, die die Lebensfähigkeit der Kirchen bedroht hätte, konnte der Staat deshalb kein Interesse haben, weil die Kirchen ihm nützliche Einrichtungen waren 79 : Auf die religiöse Homogenität als wichtigen Integrationsfaktor für den staatlichen Bereich glaubte man nicht verzichten zu dürfen 80. Seit Preußen allerdings große Territorien anderer Konfession sich inkorporiert hatte, konnte nicht mehr das Festhalten an einer konfessionellen Homogenität, sondern allenfalls das den zunächst drei, später zwei großen Konfessionsgruppen Gemeinsame die staatliche Integration fördern. Religiöse Homogenität war nicht als konfessionelle Homogenität zu verstehen: Das verbindende Element war das Christentum geworden, wie es von den Kirchen gelehrt wurde 81 . Christliche Religion und das Bestehen der Kirchen als „große(r) einheitlich geleitete(r) Verwaltungskörper ..., die über das Staatsgebiet nach dem Bedürfnis religiöser Betätigung gleichmäßig verteilt sind, und mit denen . . . einheitliche Grundsätze über das Verhältnis des staatlichen zum religiösen Leben beobachtet werden können"82, waren Vorbedingungen für die staatliche Homogenität: Mit der Freigabe der Bildung religiöser Vereine konnte der Staat die Kirchen in dieser Hinsicht nicht schützen. Wohl aber konnte er einer religiösen Auflösung durch konsequente Förderung und Privilegierung der Kirchen vorbeugen und damit gleichzeitig einen ihm genehmen Nebeneffekt bewirken, nämlich die Kirchen an sich zu binden83.
7® Vgl. Niedner, a.a.O., S. 241 f. ao Zur Bedeutimg preußischer Kirchenpolitik für den staatlichen Zusammenhalt Preußens vgl. v. Sdiulze-Gaevernitz, Staatsrecht Π , S. 526 f t ; andeutungsweise audi bei ν . Mohl, Staatsrecht II, S. 207: „Er (der Staat) w ü l . . . eine unnöthige und dann mannigfache nachtheilige Vervielfältigung von ReligionsgeseUschaften nicht fördern." Vgl. audi Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 398. ei Die Bedeutung, die dem Christentum als Integrationsfaktor bei den Beratungen der preußischen Verfassung beigelegt wurde, verdeutlicht die Entstehungsgeschichte des A r t 14 PrVerfUrk und der Kampf um den „Christlichen Staat11. Zur Entstehungsgeschichte vgl. Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 260 ff.; Zum „Christlichen Staat" vgl. die Schrift gleichen Titels von F. J. Stahl (Berlin 1847, 2. Aufl. 1858); k r i t zum Gedanken des christlichen Staates Kahl, Lehrsystem, S. 272 ff., 301 ff.; Hinschius, Staat und Kirche, S. 230 ff. β« Niedner, a.a.O., S. 318. Vgl. die Bemerkung Niedners (a.a.O., S. 251), daß eine finanzieUe Auseinandersetzung unterblieben sei, weil der Staat Bedenken hatte, „die Kirchen so schnell in einen Zustand völliger Loslösimg vom Staat hinüberzuführen".
II. Staatsleistungen unter der oktroyierten Verfassung
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2. Staatsleistungen und Parität
Erhielt der preußische Staat die Leistungen an die Kirchen aufrecht, so mußte er einer weiteren „Fehlinterpretation" der Forderung nach Trennung von Staat und Kirchen vorbeugen. Auch hier berief er sich auf die Rechtspflicht des Staates zur Leistung. Die Nationalversammlung in Frankfurt und — ihr folgend — die preußische Nationalversammlung vor ihrer gewaltsamen Auflösung wollten die Trennung von Staat und Kirche verwirklichen 84 . Sie betrachteten den Staat als religionslos, der notwendigerweise allen Religionsgemeinschaften gegenüber völlig gleich sich verhalten müsse85. Sofern der Staat die Kirchen mit Geldmitteln unterstützte, ohne daß eine auf einem speziellen Rechtstitel beruhende Rechtspflicht vorlag, mußten dieser Konzeption nach diese Leistungen entweder aufgehoben werden oder allen Religionsgesellschaften zugute kommen88. Die historisch gewachsene Rechtsstellung der beiden Großkirchen einzuebnen, insbesondere die Staatsleistungen auf andere Religionsgesellschaften auszudehnen, erschien dagegen den sich mit der Auflösung der preußischen Nationalversammlung durchsetzenden politischen Kräften 87 unmöglich88. Indem man behauptete, daß die finanzielle Unterstützung der Kirchen auf besonderen Rechtstiteln beruhte, schützte man diese vor Konsequenzen, die sich aus dem neuen umgestalteten staatskirchenrechtlichen System ergeben konnten. Aufrechterhaltung kirchlicher Privilegien einerseits, sparsame Handhabung der Vergabe von Vorzugsrechten an andere Religionsgesellschaften andererseits sicherten den Kirchen die gegenüber den übrigen Religionsgesellschaften hervorgehobene Stellung und bewahrten sie vor religionsgesellschaftlicher Einebnung. Die Förderung der Kirchen 8* Vgl. die bei Woltersdorf, Staatsgrundgesetz, S. 307 ff., S. 316 ff., abgedruckten Protokolle der preußischen Nationalversammlung. 85 Niedner, a.a.O., S. 239 f. 8· v. Mohl, Staatsrecht II, S.215; Niedner, a.a.O., S.240; Denkschrift der Rheinischen Provinzialsynode betreffend die Dotation der evangelischen Kirche seitens des Staates, S.29: „Hat das Staatskirchenthum aufgehört und ist dagegen die absolute Bekenntnisfreiheit proklamiert, so fordert die Konsequenz, daß der Staat, wenn er einer Kirchengemeinschaft pekuniäre Sublevationen gewährt, sie in gleicher Weise allen gewähren und wenn er sie nur Einer nicht gewährt gleicher Weise sie auch keiner Einzigen gewähren dürfe." 87 Vgl. dazu Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S.44ff. Zu diesen Kräften zählten vor allem die Konservativen, insbesondere der Kreis um den („Kartätschen") Prinzen Heinrich, sowie Militärs, aber schließlich auch die sich mit diesen reaktionären Kräften solidarisierenden bürgerlichen Liberalen, die die Konsequenzen der radikal-demokratischen Forderungen fürchteten und ablehnten. Vgl. Anschütz, a.a.O., S.44ff.; E.R. Huber, Verfassungsgeschichte II, S. 724 ff., insbesondere S. 732 ff., 751 ff.
ββ Niedner, a.a.O., S. 241.
1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
unter gleichzeitiger Diskriminierung der Religionsgesellschaften beinhalteten in besonderem Maße die Staatsleistungen89. Man war auch nicht bei der Aufrechterhaltung alter Staatsleistungen stehengeblieben, sondern hatte erhebliche Mehrleistungen neubegründet, die verschiedensten kirchlichen Bedürfnissen zugute kamen90. Ebenso wie die aufrechterhaltenen wurden auch die neubegründeten Staatsleistungen ausschließlich den Kirchen gewährt. Die Staatsleistungen wurden zwar erheblich erhöht und ausgebaut, doch ihr Charakter als ausschließliches landeskirchliches Vorrecht blieb bis 1919 erhalten. Gerade wegen ihrer Qualität als landeskirchliches Vorrecht verweigerte der preußische Staat anderen — auch christlichen — Religionsgesellschaften finanzielle Unterstützung 91. Staatsleistungen waren daher typisches Beispiel für die imparitätische Behandlung von Kirchen und Religionsgesellschaften im Staatskirchenrecht vor 1919. 3. Staatsleistungen und kirchliche Unabhängigkeit
Um die Jahrhundertwende ging der preußische Staat kraft Gesetzes umfangreiche Verpflichtungen zugunsten der Kirchen ein 98 » 9S . Die Motive, die zur Begründimg dieser Staatsleistungen führten, und die Ausgestaltung dieser Unterstützimg erlauben einige Rückschlüsse auf eine leichte Akzentverschiebung in der (kirchen-)politischen Bedeutung finanzieller Unterstützung. 88 w
Schoen, Kirchenrecht I, S. 173; Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 281f. Der weitaus größte Teil kam der Verbesserung der Pfarrbesoldung zugute. Weiterhin wurden die Ausgaben für die Hinterbliebenen aufgestockt und einige kleinere Etatposten für verschiedene Zwecke bereitgestellt. Vgl. Breitfeld, Auseinandersetzung, S. 282 ff., 291 ff. ·* Noch 1903 nennt Schoen (a.a.O., S. 173) an erster Stelle der „spezifisch landeskirchlichen Privilegien" die Dotation der Kirche durch den Staat. Die bei den Beratungen der Pfarrbesoldungsgesetze von 1909 angeschnittene Frage, ob nicht auch anderen Religionsgemeinschaften als den Landeskirchen Staatsbeihilfen gewährt werden sollten, wurde damit abgelehnt, daß diese ein Vorrecht der Landeskirchen seien, das den anderen Religionsgesellschaften — auch den christlichen — nicht eingeräumt werden dürfe: StenBer AbgH 1909, S. 2119 ff., 2124 ff., 2131; Drucks. Nr. 69, S.23ff. Vgl. Anschütz, Verfassunigs-Urkunde, S. 281 f. to Gesetz betreffend das Diensteinkommen der evangelischen Pfarrer vom 2. Juli 1898 — evgl DEK — (GS S. 155) und das entsprechende Gesetz für die katholischen Pfarrer vom selben Tage — kath DEG — (GS S. 260). Gesetz betreffend die Pfarrbesoldung, das Ruhegehaltswesen und die Hinterbliebenenfürsorge für die Geistlichen der evangelischen Landeskirchen vom 26. Mai 1909 — MantelG — (GS S. 113) und das Gesetz betreffend das Diensteinkommen der katholischen Pfarrer (GS S. 343). w Interessanterweise wurde die Pfarrbesoldung im Rahmen einer allgemeinen, die staatlichen Beamten betreffenden Besoldungsneuordnung vorgenommen; vgl. Gesetz betreffend die Bereitstellung von Mitteln zu Diensteinkommensverbesserungen vom 26. Mai 1909 i. Verb. m. der Besoldungsordnimg (GS S. 85, 352). Auch dieser Zusammenhang läßt vermuten, daß auch die Besoldung der Pfarrer — oder zumindest die Gewährleistung einer ausreichenden Versorgung — als staatliche Aufgabe angesehen wurde.
II. Staatsleistungen unter der oktroyierten Verfassung
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Gesetze des Staates setzten das Diensteinkommen der Pfarrer fest 94 und regelten das System der Alterszulagen 95. Zur Unterstützung leistungsunfähiger Gemeinden, die Grundgehalt und Alterszulagen nicht aufbringen konnten, versprach der Staat widerrufliche Beihilfen 96 . Entgegen den Wünschen der evangelischen und audi der katholischen Kirche überwies der Staat ihnen diese Summe nicht als bleibende und feste Dotation, über die die Kirchen hätten frei verfügen können97. Er war auch nicht bereit, den landeskirchlichen Verbänden die Summe zur Verteilung zu überweisen. Vielmehr bestimmte er die Anteile der einzelnen Landeskirchen durch Gesetz; die Verteilungsmatrikel, nach denen die Beträge auf die Konsistorialbezirke bzw. die Diözesen verteilt wurden, setzten der Finanz- und der Kultusminister fest 98. Bis zur Ausschüttung an die einzelnen Empfangsberechtigten, die aber keinen Anspruch auf die Zuschüsse hatten, blieben die Summen Staatsgelder 99. Die Fortgewährung dieser Unterstützimg war in das Ermessen des Staates gestellt, wenn auch nicht zu verkennen ist, daß durch gesetzliche Regelung und Festsetzung der Gesamtsumme die Ungewißheit der jährlichen Bewilligung im Haushalt beseitigt war, eine gewisse Kontinuität erreicht und daher die kirchliche Situation verbessert wurde. ·* § 2 Pfarrbesoldungsgesetz (GS S. 1909, S. 117), S 20 Alterszulagenkassensatzung (GS S. 123) setzten ein Gehalt von 2 400 — 6 000 Mark für die evangelischen Geistlichen fest Art. 5 des kath. DEG 1909 (GS S. 343) bestimmte für die katholischen Geistlichen ein Grundgehalt von 2 000 — 4000 Mark. « Das Alterszulagensystem war verschieden geregelt Der katholischen Kirche, d.h. den Diözesen, wurde ein Betrag von 6 218400 Mark bewilligt, ohne daß zwischen Zuschuß für Alterszulagen und Grundgehalt unterschieden wurde (vgl. Art. 1 kath DEG 1909). Dagegen waren für die evangelischen Landeskirchen eine Alterszulage-, eine Ruhegehaltskasse und ein Pfarr-, Witwen- und Waisenfonds als selbständige Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit begründet worden (Art 2 MantelG). Diesen Fonds überwies der Staat dauernde Renten in Höhe von 8 050 000, 1600 000, 1924 739 Mark. Bei diesen Fonds, an die audi die Landeskirchen und Kirchengemeinden Beiträge zu leisten hatten, waren die Pfarrstellen bzw. deren Inhaber und dessen Angehörige versichert (§1 Satzung der Alterszulagenkasse, GS 1909, S. 123, Satzung der Ruhegehaltskasse, GS S. 250, Satzung des Pfarr-, Witwen- und Waisenfonds, GS S. 284). Vgl. zum Ganzen Meurer, Gehaltsrecht, S.lOff., 17 ff., 27 ff., 56 ff., 74 ff. M A r t 7, 8 MantelG, Art. 1, 9 kath DEG. Der Zuschuß für die evangelischen Kirchen war gegenüber 1898 kaum erhöht worden (7118 903 gegen 7 458 903), weil jetzt eine feste Rente von 8 050000 Mark an die Alterszulagenkasse gewährt wurde, so daß i n Wahrheit der Zuschuß sich auf 15508903 Mark erhöht hatte. 97 Niedner, Ausgaben, S. 251 ff. m. w. N. w A r t 7 MantelG; Art. 3 II—VI evgl DEG 1898; A r t 5, 7 kath DEG 1909. Dabei hatten sich der Finanz- und Kultusminister mit dem evangelischen Oberkirchenrath (Art. 3 II) bzw. den bischöflichen Behörden (Art 7 V) ins Benehmen zu setzen. Vgl. zum Ganzen Niedner, a.a.O., S.297; Meurer, Gehaltsrecht, S. 17 ff., 74 ff. * Niedner, a.a.O., S. 302 ff. m.w.N.; v. Hippel, PrVerwBl 21, 1899/1900, S. 414 ff., 425 ff.
1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen a) Verhältnis
von Kircheneinkommen
und Staatszuschüssen
Drückt sich die Abhängigkeit der Kirche auf diesem Gebiet schon darin aus, daß der Staat die wichtigsten Entscheidungen über Ob und Wie staatlicher Unterstützungen sich vorbehielt: das Ausmaß kirchlicher Abhängigkeit vom Staat und die dadurch bedrohte Selbständigkeit offenbart sich in der Höhe staatlicher Subventionierung und in ihrem Verhältnis zum kirchlichen Steueraufkommen. Im Jahre 1898 bewilligte der Staat den evangelischen Landeskirchen 7 118 903 Mark 100 , der katholischen Kirche 3 638 400 Mark 101 . Im Jahre 1909 wurden diese Beträge auf 15 508 903 Mark 1 0 2 bzw. 6 218 400 Mark 1 0 5 erhöht. Zusammen mit den anderen Ausgaben für kirchliche Zwecke gab der Staat im Jahre 1905 37,5 Millionen Mark aus 104 . Dem standen im gleichen Jahr 43 Millionen Mark Kirchensteuereinkommen gegenüber 105. Die staatliche Unterstützung machte also fast die Hälfte kirchlicher Einnahmen aus. Die Kirchen waren damit finanziell vollkommen abhängig vom Staat und infolgedessen an ihn gebunden. Das Einspringen des Staates verzögerte die dringend notwendige Reform des kirchlichen Abgabenwesens, das allein den Kirchen ausreichende Finanzquellen und damit echte finanzielle Unabhängigkeit hätte bieten können 100 . Andererseits wurden durch das Aufschieben der Abgabenreform immer höhere Leistungen des Staates erforderlich, so daß schließlich die staatlichen Subventionen einen so großen Anteil des kirchlichen Haushaltes ausmachten, daß eine plötzliche Entziehung der Unterstützung einer loo Art. 3, 5 evgl DEG. ιοί Art. 1, 9 kath DEG. io« A r t 3 l i t t a, 7, 8 MantelG; über diese Summen hinaus gewährte der Staat eine dauernde Rente an die Ruhegehaltskasse (1600 000 Mark) und den Pfarr-, Witwen- und Waisenfonds (1924 739 Mark) — Art. 3 litt, b, c. los Art. 1, 9 I, IV kath DEG. io« Im Jahre 1914 gab der preußische Staat 39,5 Millionen Mark für kirchliche Zwecke aus (HP 1914, Etat des Kultusministeriums Kapitel 111—116 a). Im gleichen Jahr betrugen die staatlichen Ausgaben für die 10 preußischen Universitäten (Königsberg, Berlin, Greifswald, Breslau, Halle, Kiel, Göttingen, Marburg, Bonn, Münster) und die Akademie Braunsberg 15 480 936 Mark (die Gesamtsumme der Einnahmen dieser Universitäten aus eigenen Einnahmen und den Staatszuschüssen betrug 21561506,23 Mark); vgl. Beilage Nr. 3 zum Etat des Kultusministeriums, S. 166 f. Die Ausgaben für das höhere Schulwesen betrugen im selben Jahre insgesamt 93,5 Millionen Mark. Der Staat gewährte hier Zuschüsse aus Staatsfonds in Höhe von fast 20 Millionen Mark (vgl. Beilage Nr. 8 zum Etat des Kultusministeriums, S. 219 ff., 252 f.). io« Nach einer vom Abg. Eickhoff zitierten, für den Reichsrat bestimmten Denkschrift (StenBer AbgH, Π. Session, 1908/1909, Sp.2121) aus dem Jahre 1905. 103 Giese, Kirchensteuerrecht, S.15ff., 583 f., 585; Rothenbücher, JöR Bd. 3, 1909, S. 355, 358.
II. Staatsleistungen unter der oktroyierten V e r f a s s g wirtschaftlichen wäre 1 0 7 .
Existenzvernichtung
b) Die Doppelabhängigkeit
der
Kirchen
gleichgekommen
der Geistlichen
Wie schon früher begründete Staatsleistungen wurde der Betrag für die Pfarrbesoldung nicht den kirchlichen Gesamtverbänden, also den Landeskirchen oder Diözesen zur Verfügung gestellt, sondern der Staat gewährte diese Beihilfen leistungsunfähigen Gemeinden 108 . Ausgezahlt wurden diese Beträge jedoch nicht an diese, sondern direkt an die Geistlichen. Hegelmäßig machten die Beträge einen recht erheblichen Teil des Pfarrergehaltes aus, so daß praktisch der einzelne Geistliche ein Viertel oder sogar mehr seines Gehaltes direkt vom Staat empfing 1 0 9 . Waren die Geistlichen funktionell keine Staatsbeamte mehr, standen sie kraft ihrer Besoldung diesen doch recht nahe 1 1 0 . ι®* Vgl. auch die Warnung des Abg. Porsch (ArchkathKR Bd. 78, 1898, S. 727 f.), daß man dafür sorgen müsse, daß Erhöhimg der Subventionen nicht eine größere Abhängigkeit der Kirchen vom Staat zur Folge habe. Das Bewußtsein der kirchlichen Abhängigkeit läßt sich mittelbar auch daraus entnehmen, daß die Bedeutung der kirchlichen Steuergesetzgebung 1906 für die kirchliche Selbständigkeit stark betont wird. Vgl. Giese, a.a.O., S. 583 ff.; Rothenbücher, JöR Bd. 3, 1909, S.355. los Die Beihilfen wurden nach Art. 7 MantelG und kath DEG 1909 leistungsfähigen Gemeinden gewährt. Die Beihilfen für evangelische Gemeinden flössen in einen von den Konsistorien zu verwaltenden Zuschußfonds, der aber nicht rechtsfähig war, so daß die Gelder Staatsgelder blieben und als solche direkt an die Gemeinden gelangten (Niedner, Ausgaben, S. 304). Die Beihilfen für katholische Gemeinden wurden direkt an die Geistlichen ausgezahlt (vgl. Art. 8 I I kath DEG; Porsch, ArchkathKR Bd. 78, 1898, S. 782). io» Am 1. Oktober 1896 gab es 4 719 katholische Pfarrer in Preußen, deren Stelleneinkommen insges. 12 290 497 Mark betrug. Da fast 1200 Gemeinden ihren Pfarrern ein über 3 200 Mark liegendes Gehalt gewähren konnten, schieden diese aus dem Kreis der leistungsunfähigen, also zu unterstützenden Gemeinden aus. Vgl. A r t 5, 7 kath DEG 1909. Die Gesamtgehaltssumme der Pfarrer in diesen fast 1200 Gemeinden muß daher von dem gesamten Stelleneinkommen abgezogen werden, um das Verhältnis zwischen beihilfefähigen Stelleneinkommen und Staatszuschuß zu ermitteln. Der 1898 gewährte Zuschuß von fast 3,5 Mio Mark erhöhte daher das Stelleneinkommen der beihüfefähigen Gemeinden um 50 °/o auf 10,5 Mio Mark. Ca. 3 500 Pfarrer erhielten durchschnittlich ein Drittel ihres Gehaltes vom Staat direkt ausgezahlt. (Zu den Zahlen vgl. Porsch, ArchkathKR Bd. 78, 1898, S. 711 f.) Der Anteil des Staatszuschusses für evangelische Geistliche konnte nicht ermittelt werden, da genaue Zahlen fehlen. Da Preußen den Kirchen gegenübertrat mit der Maxime „Die evangelische Kirche ist mit Liebe, die katholische mit Gerechtigkeit zu behandeln", wird das Verhältnis kaum schlechter gewesen sein. no Die Frage, ob die Besoldung Rückschlüsse auf die Staatsbeamtenqualität zulasse, wird mehrfach bei den Kirchenregimentsbeamten angesprochen, vgl. Bierling, AöR Bd. 7, 1892, S.222; PrOVG AöR Bd. 7, 1892, S. 427 ff. (4381). Die Besoldung der Kirchenregimentsbeamten, die nach herrschender, aber umstrittener Lehre auch Staatsbeamte waren (vgl. Anschütz, VerfassungsUrkunde, S. 322 ff. m.w.N. einerseits, Schoen, Kirchenrecht I, S. 232 ff. andererseits), brachte der Staat allein auf. Die Kosten der katholischen t
Braun·
1. T e l : Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
Auf dem Hintergrund der Gesetzgebung im Kulturkampf 111 , insbes. des „Brotkorbgesetzes" 112 betrachtet erscheint die Zweckbindung dieser Mittel für den kirchlichen Personalbedarf und die Auszahlung unter Umgehimg der kirchlichen Gesamtverbände nicht von ungefähr gewählt zu sein. Das Sperrgesetz von 1875 hatte die Wiederaufnahme der Staatsleistungen davon abhängig gemacht, daß entweder die Bischöfe Loyalitätserklärungen 113 abgaben oder aber einzelne Empfangsberechtigte — in der Regel also Pfarrer — Gesetzesgehorsam und Wohlverhalten zeigten114. Zwar scheiterte die Anwendung des §6 an der Solidarität des katholischen Klerus, doch zeigt sich deutlich in ihm seine Intention: Die staatliche Pfarrerbesoldung bedrohte die Einheit und Selbständigkeit der Kirchen, solange diese Temporaliensperre für zulässig erachtet wurde 115 . § 6 hätte — falls ein Teil der katholischen Geistlichen sich der Temporaliensperre gebeugt hätte — zu einer Spaltung der katholischen Kirche in „staatstreue" Geistliche und „staatsfeindliches" Episkopat geführt, die geistliche Autorität der Bischöfe aufs schwerste erschüttert und letztlich zu einer Vergrößerung staatlichen Einflusses in der katholischen Kirche geführt 11·. Die Aufnahme des § 6 zeigt daher, daß mit Gewährung von Staatsleistungen in Form von Zuschüssen zu Pfarrergehältern der Staat die Geistlichen finanziell an sich zu binden suchte. Durch die Doppelabhängigkeit der Pfarrer — in geistlichen Sachen von den Bischöfen, in finanziellen Dingen vom Staat — wurde die kirchliche Unabhängigkeit relativiert und ihre Aufrechterhaltung und Durchsetzung stark eingeschränkt 117. Kirchenverwaltung trug der Staat teilweise bis zu über 90 ·/· (vgl. die Zahlen bei Schioarz/Strutz, Staatshaushalt Π, 1. Lief., Ani. S. 26 ff. mit detaUUerten Angaben für die einzelnen Erzbistümer und Bistümer). " 1 Vgl. dazu jetzt ausführlich Huber, Verfassungsgeschichte IV, S. 672 ff. u t Gesetz betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bisthümer und Geistlichen. Vom 22. April 1875 (GS S. 194). Zu diesem Gesetz und dessen Vorgeschichte vgl. Huber, a.a.O., S. 697 ff., 734 ff. 113 Vgl. §2: „Die eingestellten Leistungen werden für den Umfang des Sprengeis wieder aufgenommen, sobald der jetzt im Amt befindliche Bischof . . . der Staatsregierung gegenüber durch schriftliche Erklärung sich verpflichtet, die Gesetze des Staates zu befolgen.« 114 Vgl. ( 6 1: „Die Wiederaufnahme der eingestellten Leistungen an einzelne Empfangsberechtigte erfolgt außer in den Fällen der J§ 2 bis 4, wenn der Empfangsberechtigte der Staatsregierung gegenüber in der in §2 bezeichneten Weise sich verpflichtet, die Gesetze des Staates zu befolgen." 115 Oberwiegend wurde sie für zulässig gehalten: Vgl. Kahl, Lehrsystem I, S. 377; Hinschius, Staat und Kirche, S. 332 f.; Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 397; IV, S. 697 ff. 11· Zu den Auswirkungen des Brotkorbgesetzes und zum Verhalten des katholischen Klerus vgl. Kißling, Kulturkampf III, S.34ff., 46 ff.; Franz, Kulturkampf, S.238f. Nach Huber a.a.O. IV, S.736 Anm. 24 gaben von 4 000 katholischen Geistlichen lediglich 24 die staatlich geforderte Gehorsamserklärung ab. 117 Ein anderer Effekt war, daß staatlich subventionierte Pfarrer unab-
III. Die Staatsleistungen vor 1019
86
Infolge ihrer Höhe besaß der Staat in den Staatsleistungen ein geeignetes und für die Kirchen gefährliches Druckmittel, um seine Ansichten gegenüber kirchlichem Widerspruch durchzusetzen. Zudem begründete er unter Berufimg auf die Staatsleistungen gesetzliche Aufsichts- und Eingriffsrechte 118, denen gegenüber die verfassungsrechtliche Garantie kirchlicher Unabhängigkeit weitgehend wirkungslos blieb. Schließlich verschaffte er sich weiterhin die kirchliche Unabhängigkeit relativierenden Einfluß über den Verteilungs- und Auszahlungsmodus der Staatsleistungen. Insgesamt erscheinen daher die Staatsleistungen als eine — mindestens potentielle — Bedrohung kirchlicher Selbständigkeit und Unabhängigkeit.
H L Politische Aspekte der Staatsleistungspraxis vor 1919 1. Staatsleistungen und Sozialdemokratie
Obwohl man bei der Neubegründung von Staatsleistungen weiterhin von der Fortgeltung des § 164 I I 11 ALR 1 1 9 ausging120, also die Gemeinden grundsätzlich für die Besoldung des Pfarrers aufzukommen hatten, wurde ausdrücklich versichert, daß der Staatszuschuß die Ausschöpfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einer Gemeinde nicht voraussetze: neue Umlagen sollten nicht ausgeschrieben werden, denn „der Staatszuschuß (war) gerade so bemessen, daß behufs Durchführung des neuen Pfarrbesoldungssystems keine neuen Umlagen auf die Eingepfarrten ausgeschrieben zu werden brauchten" 181. Das Bedürfnis knüpfte also nicht an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einer Gemeinde an, sondern bemaß sich nach dem Verhältnis zwischen bisherigem tatsächlichen Leistungsaufkommen und den durch die Diensteinkommensgesetze vorgeschriebenen Besoldungsausgaben. Weniger die wirtschaftliche als „kirchliche Lage" war für das Vorliegen der Leistungsfähigkeit ausschlaggebend: Es gebe „Fälle, wo die Erhöhung der Kirchensteuern nur um 1 Prozent durch die kirchliche Lage der Gemeinde, ihre hängig von und gegenüber ihrer Kirchengemeinde waren. Meist wurde dieses im positiven Sinne betont, indem man die Unabhängigkeit des Pfarrers von den reichen Gemeindemitgliedern (im Gegensatz zu den Verhältnissen in den USA) hervorhob (vgl. Neundörfer, Trennung, S. 66 f.). lie Diese reichten von der Verwendungskontrolle bis zu Vorschriften über die Vorbildung und AnsteUung der Geistlichen: vgl. die Erklärung des Regierungskommissars von Chappius (StenBer AbgH, II. Session 1808/09, Sp. 2125, Drucks. Nr. 69, Sp. 23 ff.); Hinschius, Staat und Kirche, S. 356; ν . Rönne, Staatsrecht I, S. 640; v. Schulze-Gaevernitz, Staatsrecht I I , S. 561. u» „Für den Unterhalt der bey einer Kirchengesellschaft angesetzten Beamten muß die Gesellschaft selbst sorgen.*4 120 Erklärung des Finanzministers, StenBer AbgH 1898, Sp. 1896; Porsch, ArchkathKR Bd. 78, 1898, S.769. u i Abg. v. Mizerski, StenBer AbgH 1898, Sp. 2479. 8*
36
1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
Bedrohung durch Sekten, durch Sozialdemokratie unmöglich gemacht werde" 1 ". Neben die Förderung religiöser Homogenität als Mittel staatlicher Integration trat jetzt auch die Förderimg kirchlicher Geschlossenheit zur Bekämpfung sozialdemokratischer Strömungen. Wenn immer das nobile officium des christlichen Staates betont wurde, die Kirchen materiell zu unterstützen 123, dann verband sich christlich mit konservativ, und man meinte das Bündnis von Thron und Altar 1 2 4 . Der Hinweis auf den Zusammenhang zwischen schwindender Religiosität und anwachsendem sozialdemokratischen Einfluß verlieh kirchlichen Forderungen nach vermehrter Unterstützung Aktualität und gleichzeitig größere Erfolgsaussichten. Das bei der Begründung neuer Staatsleistungen mitschwingende Motiv, durch Staatsleistungen — mittelbar zumindest — die Sozialdemokratie zu bekämpfen, bewies, daß diese Hinweise von den staatstragenden Parteien nicht unbeachtet geblieben waren. Allen, die den Kampf gegen die Sozialdemokratie nicht als Aufgabe der Kirchen betrachteten 125, mußten Staatsleistungen als politische „Treueprämie" erscheinen, in denen sich die konservative Grundhaltung der Kirche niederschlug und durch die sie aufrechterhalten und gefördert wurde 124 . 2. Stellung der Parteien und Kirchen vor 1919 zu Staatsleistungsfragen
a) Die an Zweckbindung und Umfang ablesbare kirchenpolitische Bedeutung der Staatsleistungen machte sie schon vor 1919 zum Ziel von Angriffen aus politischen oder kirchenpolitischen Motiven. i « So der Kommissar des Kultusministers, zitiert nach dem Abg. Winckler, AbgH Drucks. 1898, Nr. 178, 9; vgl. auch das Zitat bei Erzberger, Klerus und Gehaltsfrage, S.67: „Oder ist die Arbeit der Pfarrer der katholischen Konfession, welche z.B. unter dem Gesichtspunkte der Statistik der Ausbreitungsverhältnisse der Sozialdemokratie sicher nicht ungünstig dasteht, weniger des Lohnes wert als jene der protestantischen Pfarrer." Vgl. auch die eingehende Untersuchung Wackers (Historisch-politische Blätter, Bd. 123, 1899, S. 68 ff.) über den Stimmenzuwachs der Sozialdemokraten bei den Reichstagswahlen i n katholischen und „akatholischen" Gegenden (3,91 Vt zu 22,41 %). im s.a. Abg. v.Heydebrand, StenBer AbgH 1897, Sp. 1671; Porsch, StenBer AbgH 1908, S. 326 f.; Kardinal Kopp, StenBer Herrenhaus 1909, S. 24. Zur „Diskreditierung" der Kirche durch Anlehnung an die führenden konservativen Kreise Preußens vgl. Seeberg, Konservative Monatsschrift, 76. Jahrg., 1919, S.218f.; Wendland, Die Grenzboten, 78. Jahrg., 1919, S.205, 207 f. Insbes. auch im Heer wurde gegen Ende des 19. Jahrhunderts die christliche Religion gezielt zum Kampf gegen die Sozialdemokratie genutzt. Vgl. dazu mit vielen Hinweisen Höhn, Armee als Erziehungsschule. S. 188 ff., 219 ff.
III. Die Staatsleistungen vor 1919
37
Die seit jeher atheistisch eingestellte Sozialdemokratie forderte bereits aus ihrer grundsätzlich kirchenfeindlichen Haltung heraus 1891 „die Abschaffung aller Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zu kirchlichen und religiösen Zwecken"12·. Da der preußische Staat die christliche Religion als Kampfmittel gegen die Sozialdemokratie gebrauchte, die Kirchen daher finanziell kräftig förderte, mußten — wie bereits angedeutet — der Sozialdemokratie überdies die Staatsleistungen als Gegenleistung und Belohnimg für wirksame antisozialistische Wahlpropaganda erscheinen127. Zugleich waren die staatlichen Zuwendungen aber die kirchliche Achillesferse, denn infolge der kirchlichen Abhängigkeit von Staatszuschüssen hätte die Verwirklichung dieser Forderung der Sozialdemokratie die Vernichtung der Kirchenorganisation und eine Minimalisierung kirchlichen Einflusses bedeutet. Nicht Entchristlichung der Gesellschaft, sondern Entkirchlichung des Staates war dagegen Ziel des „Linksliberalismus" (Demokratische Vereinigung 128 , Fortschrittliche Volkspartei12®), dessen Programm sich allerdings in wesentlichen Punkten mit dem der SPD deckte130. Aufgabe des Staates sollte Schutz und Gewährleistung voller Gewissens- und Religionsfreiheit sein, damit unvereinbar sei Schutz und Förderung christlichen Glaubens. Privilegierung und Unterstützung der Kirchen sei keine Staatsaufgabe und dem Staat untersagt. Religionsneutralität, religionsgesellschaftliche Parität und konsequenterweise Entkirchlichung des Staates und Entstaatlichung der Kirche strebten diese Parteien an. im Vgl. das in dieser Hinsicht interessante Urteü des PrOVG Bd. 36, 1900, S. 190ff.: Eine Provinzialsynode hatte eine Umlage zugunsten eines unter dem Namen „evangelisch-sozialer Zentralausschuß" bestehenden Vereins beschlossen, der laut Satzung die Organe der evangelischen Kirche im Kampf gegen die Sozialdemokratie unterstützen sollte. Obwohl Umlagen nur für kirchliche Aufgaben beschlossen werden durften, hielt das PrOVG die Umlage für zulässig: Der Kampf gegen die Sozialdemokratie, die notorisch nicht nur „grundsätzlich die Grundlagen der bestehenden Rechts- und Staatsordnung" bekämpfe, sondern die Vernichtung der religiös-sittlichen Grundlagen zum Endziel habe, sei auch eine kirchliche Aufgabe. IM Punkt 6 des Erfurter Programmes von 1891, vgl. K. Mahler, Programme, S. 53. Trotz ihrer grundsätzlich aufrechterhaltenen scharf antikirchlichen Haltung nahm die SPD später in der Weimarer Nationalversammlung in der Frage der Ablösung eine eher vermittelnde SteUung ein. Vgl. S. 84 ff., S. 85 ff. M Vgl. Bousset, Revolution und Kirche, S. 62: „Vor allem aber wurden von ihr (der Sozialdemokratie) die Kirchen als Hauptstützen und Machtmittel des preußisch-deutschen Obrigkeitsstaates einfach zum alten Eisen geworfen." im Programm von 1908: „Trennimg von Staat und Kirche"; vgl. Mahler, a.a.O., S. 49. "β Programm von 1910: „Gleichberechtigung aller religiösen Bekenntnisse und Religionsgesellschaften. Beseitigung der vom Staat den Kirchen gewährten Vorrechte"; vgl. Mahler a.a.O., S. 45 f. 130 Vgl. Neundörfer, Trennung, S.77ff.
1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
Beseitigung der vom Staat den Kirchen gewährten Vorrechte beinhaltete audi Abschaffung der Staatsleistungen, die als spezifisch landeskirchliche Privilegien fortbestanden und auch als solche verstanden wurden. Zentrum, Konservative und Nationalliberale Partei lehnten die Trennimg von Staat und Kirche ab 181 . Das Zusammenwirken von Staat und Kirche „als von Gott verordneter Einrichtungen" galt als „Bürgschaft gegen die zunehmende Verwilderung der Massen und die fortschreitende Auflösung aller gesellschaftlichen Verbände" 131. b) Grundsätzlich ablehnend stand der Trennung von Staat und Kirche die katholische Kirche gegenüber 133, während die Meinungen innerhalb des deutschen Protestantismus gespalten waren 134 . Jedoch neigte auch dieser eher einer Anlehnung an den Staat zu 135 . 3. Staatsleistungen und ihre politischen Voraussetzungen
Solange das kirchliche Streben, die bestehenden Verbindungen zum Staat aufrechtzuerhalten, eingebettet war in eine grundsätzliche kirchenfreundliche, auf Erhalt und Förderung der Kirchen bedachte Atmosphäre, sahen die Kirchen in der existenziellen finanziellen Abhängigkeit vom Staat — noch — keine Gefahr und auch die weitreichenden staatlichen Möglichkeiten des Hineinregierens in die Kirche wurden von dieser letztlich als — noch — unproblematisch empfunden13·. Diese Sicherheit und das Vertrauen in die Fortdauer ungestörter Wenn auch aus verschiedenen Gründen: Das Zentrum lehnte aus prinzipiellen religiösen Gründen eine Trennung ab (infolge der Ablehnung durch die katholische Kirche: Syllabus Pius' IX. von 1864, Enzyklika Immortale Dei Leos X I I I . vom 1. November 1885 und die Enzyklika Vehementer nos Pius' X. vom 11. Februar 1906 — dazu eingehend Sägmüller, Trennung, S. 10 ff.), während bei den konservativen Parteien eher politisches Kalkül, aber wohl auch gesellschaftliche Konzeption dahinterstand (vgl. Neundörfer, a.a.O., S. 82 ff.). ist Tivoliprogramm der Deutsch-konservativen Partei von 1892; vgl. Mahler, a.a.O., S.7. ι * 3 Sägmüller, a.a.O., S. 10 ff., vgl. auch Anm. 131. 134 Vgl. dazu eingehend Neundörfer, Trennung, S. 59 ff. i « Neundörfer, a.a.O., S. 63, 69. Vgl. dort die Zitate S. 60: Viele „erblicken in der etwa kommenden Neugestaltung, die man mit dem Ausdruck Trennung von Staat und Kirche bezeichnet, etwas so Vernichtendes für die Kirche, daß sie meinen, Je weniger davon die Hede sei, desto besser . . . Es ist keine geringe Sorge für die Freunde der Kirche, daß die Staatsunterstützung . . . 25 Mio . . . aufhören könne". (Kreuzzeitung vom 1.8.1912, Nr. 356, Morgenausgabe.) IM i n der evangelischen Kirche gewannen die Bestrebungen, die die Verbindung von Staat und Kirche als Gefahr für den Glauben und als für die Kirche schädlich ansahen, um die Jahrhundertwende immer mehr an Einfluß (vgl. Neundörfer, a.a.O., S.61ff., 65 ff.). VgL auch die Bemerkung«!
III. Die Staatsleistungen vor 191
staatlich-kirchlicher Harmonie vermittelte staatlicherseits die durch Dreiklassenwahlrecht und Wahlkreiseinteilung gesicherte Vorherrschaft und Kontinuität insbesondere der konservativen (und sonstigen bürgerlichen) Parteien 137. Die Hervorhebung der Großkirchen in Art. 15 PrVerfUrk und die Privilegierung der (kirchlich-)christlichen Religion in Art. 14 schützte die Stellung der römisch-katholischen und protestantischen Kirchen kraft Verfassimg vor einer Einebnung auf einen religionsgesellschaftlidi-paritätisdien Status. Die Revolution von 1918 beseitigte nicht nur die Monarchie und mit ihr die Träger des landesherrlichen Kirchenregiments 138, sondern es traten an die Stelle grundsätzlich kirchenfreundlich gesonnener politischer Gruppen die Parteien, deren antikirchliche oder gar antireligiösen Ziele bekannt waren. Überdies begannen sie auch sofort, diese zu verwirklichen 189 . Ihr erstes Streben war, die kirchliche Subventionierung zu beseitigen und damit die materielle Existenzgrundlage der Kirchen anzugreifen 140. Wenn es audi den kirchenfeindlichen Parteien nicht gelang, ihre kirchenpolitischen Ziele im ersten Anlauf zu verwirklichen, wenn im Gegenteil sie vielmehr eine kirchenfreundliche Reaktion provozierten 141, deren Ergebnisse sich in den Art. 137— Peters (Die Grenzboten, 78, 1919, S. 38): „Für die Staatskirche wird es immer schwerhalten . . . , das Gewissen für den Staat zu sein, wenn sie von ihm abhängt" Wendland, ebendort, S.205, 207, spricht von der Diskreditierung der Kirche durch die Verbindung mit dem Staat; ähnlich Seeberg, Konservative Monatsschrift, 76. Jahrg., 1919, S.218Î. I n diesem Sinne A. Stoecker schon 1874 (zitiert nach Neundörfer, a.a.O., S.62): „ . . . für unsere Kirche (gibt es) keine Wahl mehr . . . , als in der Loslösung vom Staat . . . Ist die Kirche frei, dann kann sie den Glauben schützen . . . und sich von der Windrose parlamentarischer Meinungen freihalten." Den Grund für diese erste kritische Distanzierung des Oberhofpredigers vom Staat wird man allerdings nicht lediglich in der Unzufriedenheit mit den damaligen, weitreichenden staatlichen Einflußrechten sehen dürfen. Sicherlich schwingen in dieser Bemerkung A Stoeckers dessen antiparlamentarische Affekte mit. Zur Persönlichkeit und zum Einfluß A Stoeckers vgl. jetzt Huber, Verfassungsgeschichte IV, S.40ff. Vgl. auch Scheuner, ZevKR Bd. 7, 1959/60, S. 237 ff. = Quaritsch/Weber, Sammelband, S. 167 ff.; Smend, ZevKR Bd. 1, 1951, S. 5 f. = Quaritsch/Weber, a.a.O., S. 34 ff. Ebenso schon Neundörfer, a.a.O., S. 15 f. w Vgl. dazu Härtung, Verfassungsgeschichte, S. 297 ff.; Apelt, Geschichte, S. 17 ff. im so Abg. Kahl (DVP) im Verfassungsausschuß, Prot. Bd. 336, S. 190; Niedner, Revolution und Kirche, S. 164 ff. Zu der preußischen Eigentümlichkeit, die durch staatsgesetzliche Uberleitung des Kirchenregiments auf die als „die drei heiligen Könige" apostrophierten Staatsminister entstanden war und deren Zulässigkeit, vgl. Giese, AöR N.F. Bd. 7, 1924, S. 24 ff. w In Preußen durch den Kultusminister A Hoffmann (USPD), in Sachsen durch den Kultusminister Buck, in Bayern durch den Kultusminister J. Hoffmann und in Württemberg durch den Kultusminister Heymann. Vgl. dazu Zimmermann, Stimmen der Zeit Bd. 96, 1919, S. 345 f. 140 So insbes. in Preußen und Sachsen, i « Kahl, DJZ 1919, Sp. 123.
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1. Teil: Entwicklung und Bedeutung der Staatsleistungen
141 WRV teilweise niederschlagen sollten, so w a r den Kirchen doch deutlich geworden, welche Gefahren das materielle Angewiesensein auf Staatszuschüsse i n sich barg. Stand früher nur ihre innerkirchliche Selbständigkeit auf dem Spiel, so ging es 1918/19 u m ihre Existenz 1 4 8 . Ein plötzlicher, entschädigungsloser völliger Entzug staatlicher Subsistenzmittel hätte zu einem völligen Zusammenbruch kirchlichen Finanzwesens und kirchlicher Organisation geführt.
I n einem Hirtenschreiben vom Dezember 1918 (abgedr. im ArchkathKR Bd. 99, 1919, S. 124 ff.) reagierten die katholischen Bischöfe Preußens äußerst heftig auf die von Kultusminister Hoffmann begonnene Trennung und insbes. auf die Einstellung der Staatsleistungen. Anlaß — die angedrohte Einstellung der Staatsleistungen — und Schwerpunkt des Protestes — gegen die Beraubimg der Kirchen — zeigte jedoch, daß weniger die grundsätzliche Ablehnung der Trennungsidee als vielmehr die als Unrecht empfundene Einebnung kirchlicher Vorrechte und die Bedrohung der finanziellen Lebensfähigkeit Motiv des Protestes war. Vgl. audi den das gesamte Schreiben durchlaufenden Protest gegen die „Beraubung" der Kirche.
Zweiter
Teil
Die Ablöeungepflichtigkeit von positiven und negativen Staateleistungen I. Abgabenbefreiungen als Gegenstand der Ablösung
Die Ablösungsforderung wie auch die von ihr gebrauchten Begriffe „Staatsleistung" und „Ablösung" waren für das Staatskirchenrecht verfassungsrechtliche Novitäten. Wenn jedoch in der Nationalversammlung und nach Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassimg in der Literatur der von Art. 1381 WRV gebrauchte Begriff „Staatsleistung" kaum Beachtung fand, so deshalb, weil er als unproblematisch empfunden wurde. Wie selbstverständlich ging die Literatur davon aus, daß Staatsleistungen Aufwendungen aus staatlichen Mitteln — also sog. positive Staatsleistungen — seien1. Negative Staatsleistungen, wie Abgabenbefreiungen später bezeichnet wurden, fanden keine Erwähnung. In der Nationalversammlung hatte der Abgeordnete Naumann sie nur am Rande und nicht im Zusammenhang mit Art. 1381 WRV zur Sprache gebracht2. Erst als einige Länder daran gingen, bei der Neuregelung der Grundsteuergesetze kirchliche Steuerbefreiungen zu beseitigen und die Kirchen sich unter Berufung auf Art. 1381, 173 WRV zur Wehr setzten5, wurde die bisher unerörterte Frage aufgeworfen, ob Abgabeni Vgl. die Ausführung von J. Schmitt, Ablösung, S.93ff. und C. Israel, Reich-Staat-Kirche, S.24ff. Auch Anschütz, Reichsverfassung (l.Aufl.), Art. 138 Anm. 1, erwähnt im Gegensatz zu späteren Auflagen negative Staatsleistungen noch nicht. 1 Naumann hatte die Beseitigung der Steuerprivilegien gefordert: „Soweit es sich um Grundbesitzsteuern und ähnliches handelt . . . , so gibt es grundsätzlich keine Vorrechte für die Kirche" (StenBer NatVers Bd. 328, S. 1652 D) und „ . . . auch ihr (erg. der Kirchen) Eigentum allen Beschwernissen und Beschränkungen unterliegt, die das private Eigentum an sich hat, . . . " (a.a.O., S. 1654 D). Diese Äußerungen stehen in keinem Zusammenhang mit der Ablösungsfrage; sie sind bei der Erörterung der besonderen Gewährleistung des Kirchengutes und des Gesetzesvorbehaltes bei A r t 137 I I I WRV sowie dessen Konsequenzen gefallen. 8 So im Prozeß gegen Braunschweig (RGZ 111, S. 134), gegen SchaumburgLippe (Lammers/Simons, Rechtsprechimg Bd.I, S. 358), Mecklenburg (Lammers/Simons, Rechtsprechung Bd. IV, S. 306) und gegen Thüringen dessen Oberverwaltungsgericht (ThürOVG, RPrVerwBl 54, 1033, S.853).
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
befreiungen Staatsleistungen im Sinne von Art. 1381 WRV und damit vorläufig garantiert seien. 1. Die Entwicklung in Rechtsprechung und Lehre
Das Reichsgericht — als erstes mit der Frage konfrontiert 4 — geht zunächst davon aus, daß Staatsleistungen im buchstäblichen Sinne nur Beiträge des Staates an die Kirchen seien. Man könne auch nicht unter Berufung auf § 241 BGB, der ein Unterlassen der Leistung gleichstellt, Steuerprivilegien den Staatsleistungen gleichstellen, da die Anwendimg des §241 BGB ein Schuldnerverhältnis voraussetze. Eine Steuerbefreiung begründe keinen Anspruch auf Unterlassen der Steuererhebung, sondern sei eine auf Grundlage der Immunität der Kirchen entstandene Ausnahmebestimmung (Exemtion), kraft deren die Kirche von gewissen öffentlichen Lasten befreit werde, die den übrigen Staatsgenossen obliegen. Jedoch werde die wörtliche Auslegung des Begriffs „Staatsleistung" dem Sinne des Art. 1381 WRV, der — wie die Entstehungsgeschichte zeige — in der Sicherung der auf dem bisherigen Zusammenhang von Staat und Kirche beruhenden vermögensrechtlichen Stellung der Kirche liege, nicht gerecht. Daher stehe einer ausdehnenden Auslegung des Begriffes Staatsleistung nichts im Wege. Hierbei sei auch der allgemeine Rechtsgedanke des § 241 BGB zu berücksichtigen, nach dem eine Leistung auch ein Unterlassen beinhalten könne. Die Befreiung von der staatlichen Grundsteuer sei ihrem Wesen nach einer Staatsleistung gleichzustellen, da sie einen organischen Bestandteil der bisherigen zwischen Staat und Kirche bestehenden vermögensrechtlichen Beziehungen bilde6. Die Argumentation des Reichsgerichtes läßt deutlich werden, daß sich das Gericht der Problematik der zur Entscheidimg gestellten Frage bewußt war. Den tragenden Grund für die Ausdehnung des Art. 1381 WRV auf Abgabenbefreiungen sah es in der ratio der Ablösungsvorschrift. Mit dieser Begründung verbindet das Gericht allerdings einen zweiten Gesichtspunkt, den es — obwohl von der ersten Begründung völlig unabhängig — nicht scharf davon trennt. Es legt dem Art. 1381 WRV den allgemeinen Leistungsbegriff des BGB zugrunde, der die Zuwendung jeden Vermögenswerten Vorteils — auch durch Unterlassen — umfaßt·. Da die Abgabenbefreiung ein Unterlassen der Ab« Vgl. zum folgenden den Beschluß des Reichsgerichts vom 25. Juni 1925, RGZ 111, 134 (137 ff.). « Der Grund für die GleichsteUung von positiver und negativer Staatsleistung enthält gleichzeitig die Beschränkung: Nur wenn die Abgabenbefreiung organisatorischer Bestandteil der bisherigen zwischen Staat und Kirche bestehenden vermögensrechtlichen Beziehungen ist, garantiert Art. 1381 WRV diese vorläufig. Vgl. ζ. B. W. Weber, Ablösung, S. 53. • Diese Überhöhung einer kodlflkationetechnlschen Definition — „wenn es
I. Abgabenbefreiungen als Gegenstand der Ablösung
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gabenerhebung sei und dadurch den Kirchen ein vermögenswerter Vorteil zugewendet werde, müßte nach Ansicht des Reichsgeridits sogar begrifflich Abgabenbefreiung Staatsleistung i m Sinne von A r t . 138 I WRV sein und nicht nur dieser gleichgestellt werden 7 . Die Lehre übernahm die vom Reichsgericht entwickelten Ergebnisse, stützte sie jedoch i m Gegensatz zu diesem vorwiegend auf den allgemeinen Leistungsbegriff des BGB 8 . Den bisher als Einheit verstandenen Begriff „Staatsleistung" zergliedert sie i n seine Elemente „Leistung" und „Staat" und definiert „Leistung" als Gewährung irgendeines Vermögenswerten Vorteils. Der Leistungsbegriff w i r d auf alle Abgabenbefreiungen ausgedehnt 9 , und die Beschränkung auf solche Befreiungen, die organischer Bestandteil des herkömmlichen Verhältnisses von Staat und Kirche sind, w i r d aufgegeben 10 . Umstritten ist nur, w o r i n eigentlich die Gewährung des Vermögenswerten Vorteils bei der Abgabenbefreiung besteht. Während ein Teil der Lehre daran festhält, daß Staatsleistung das Unterlassen der Abgabenerhebung auf Grund der gesetzlichen Abgabenbefreiung ist 1 1 , sehen andere die Staatsleistung i n der Begründimg bzw. i m Fortgewähren der Abgabenbefreiung 12 . irgendwo im BGB Leistung heisst, kann auch ein Unterlassen damit gemeint sein" — zu einem „allgemeinen Rechtsgedanken" liegt in der Linie der von Esser, Grundsatz und Norm, insbesondere S. 1 und passim, beobachteten rechtstheoretischen Unklarheit über Wesen und Funktion allgemeiner Rechtsgedanken, Prinzipien etc.. 7 Ohne den allgemeinen Leistungsbegriff für A r t 138 I WRV aufzugeben, korrigiert das Reichsgericht seine Ansicht später dahin, daß der Staat bei einer Abgabenbefreiung nicht durch Unterlassen der Abgabenerhebung, sondern schon durch Begründung der Abgabenbefreiung selbst leiste: RG Lammers/Simons, Rechtsprechung Bd. IV, S. 306 (321); so auch ThürOVG, RPrVerwBl 54, 1933, S. 853. » Tatarin-Tarnheyden, JW 1928, S. 64; Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S. 84; Duske, Dotationspflicht, S. 11; Glade, Diss., S. 45; Heckel, ZRGKanAbt. Bd. 50, 1930, S. 863; J. Schmitt, ArchkathKR Bd. 115, 1935, S.43; Anschütz, Reichsverfassung, Art. 138 Anm. 2; Schnitze, Reichsgerichtspraxis, S. 294 f.; Ebers, Staat und Kirche, S. 245; Koellreutter, AöR N.F. Bd. 15, 1928, S. 17. Heute: Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S.227; Friedrich, Kirchenrecht, S. 492; Geller/Kleinrahm/Fleck/Lentz, A r t 21 NRW, Anm. 3 b (S. 164 f.); Hesse, JöR N.F. Bd. 10, 1961, S.61; Kern, Staat und Kirche, S.117; W. Weber, „Staatsleistungen", Sp. 316; ders., Ablösung, S. 51 ff.; Hollerbach, JZ 1965, S. 6141; Süsterhenn/Schäfer, A r t 45 RhPf, Anm. 2 c; Spreng/Birn/Feuchte, Art. 7 BW, Anm. 2; Zündorf, Diss., S. 47 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 140 GG, Anm. 9; Ridder, AöR Bd. 80, 1955/56, S. 126. • W. Weber, Ablösung, S.50ff.; Höllerbach, JZ 1965, S.614; Zündorf, Diss., S. 47 ff. 10 So von Zündorf, a.a.O., S. 49. 11 So im Anschluß an RGZ 111, 134 (138): Tatarin-Tarnheyden, Berner, Duske, Glade, Schultze, Friedrich, Lentz, Ridder, alle a.a.O. (Anm. 8). 18 So im Anschluß an RG, Lammers/Simons, Rechtsprechung Bd. IV, S. 306 (321): W. Weber, Ablösung, S.51ff.; Zündorf, Diss., S. 48 f.
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen 2. Kritik des negativen Staatsleistungsbegriffs
a) Systemimmanente Kritik Die Aufteilung der Abgabenbefreiung in die gesetzliche Exemtion als Rechtstitel im Sinne von Art. 1381 WRV und das Unterlassen der Abgabenerhebung als Staatsleistung18 entspricht zwar den Voraussetzungen, die Art. 1381 WRV an eine ablösungspflichtige Staatsleistung stellt. Sie ist jedoch unrichtig: Die Kirchen erlangen den Vermögenswerten Vorteil nicht erst durch die unterlassene Abgabenerhebung 14, sondern schon durch die Statuierung der Abgabenbefreiung selbst, die sie aus dem Kreis der Steuerpflichtigen unmittelbar ausscheidet — Denn Steuerpflichten können nur durch Gesetz begründet, Steuern nur auf Grund eines Gesetzes erhoben werden. Wird durch eine Abgabenbefreiung die zu weit gefaßte gesetzliche Grundlage einer Steuer eingeschränkt, so entsteht für die durch die Steuerbefreiung Begünstigten überhaupt keine Steuerpflicht. Der Staat darf mangels einer gesetzlichen Grundlage keine Steuer erheben, unterläßt daher keine Handlung, zu der er an sich berechtigt wäre 15 . Demnach kann die Staatsleistung nur in dem Aufstellen und Fortgewähren des gesetzlichen Abgabenprivilegs bestehen14. Die Leistung des Staates ist das gesetzgeberische Handeln selbst. Es liegt also eine sog. positive Dauerleistung vor. Damit genügen Abgabenprivilegien den von der herrschenden Lehre für den Staatsleistungsbegriff entwickelten Kriterien — Gewährimg eines dauernden Vermögenswerten Vorteils durch den Staat1·. Für diejenigen, die vom allgemeinen Leistungsbegriff des BGB ausgehen und Leistung als Gewährung jedes Vermögenswerten Vorteils definieren, müßte jede Abgabenbefreiung schon begrifflich Staatsleistung im Sinne von Art. 1381 WRV sein, denn Abgabenbefreiungen sind dann Staatsleistungen und nicht diesen nur gleichzustellen. Trotzdem wird vielfach an der vom Reichsgericht gemachten Einschränkung m So die in Anm. 11 zitierten Autoren. Abweichend davon, aber zu Unrecht bezeichnet Lentz (a.a.O.) auch bestimmte Sachleistungen, z. B. die Bereitstellung von Gebäuden, als negative Staatsleistungen. " Darauf weisen mit Recht W. Weber (Ablösung, S. 51 ff.) und Zündorf (Diss., S. 48) hin. « Bühler/Strickrodt, Steuerrecht I S. 213 f., Tipke/Kruse, AO δ 1 Anm. 13, § 2 Anm. 14. « Vgl. Anm. 8. Zwar erfordert A r t 1381 WRV für die Ablösungspflichtigkeit der Staatsleistungen zweierlei: gesetzHche Grundlage und Leistung, doch wäre es formalistisch, die Ablösungspflicht für Abgabenbefreiungen allein deshalb zu verneinen, weil bei ihnen gesetzliche Grundlage und Leistung zusammenfallen (vgl. das ähnliche Problem bei der Enteignung gemäß Art. 153 I I S. 1 WRV; Ansdiütz, Reichsverfassung, Art. 153 Anm. 7, 8, 10 [S. 709 ff., 714 ff.]).
I. Abgabenbefreiungen als Gegenstand der Ablösung festgehalten, ablösungspflichtig seien nur die Abgabenbefreiungen, die einen organischen Bestandteil der bisherigen vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirche bildeten 1 7 , obwohl das Reichsgericht diese Einschränkung nur deshalb entwickelt hatte, w e i l es Abgabenbefreiungen den positiven Staatsleistungen wegen der ratio des A r t . 1381 WRV gleichstellen zu müssen glaubte. Der tragende Grund für diese Einschränkung w a r allerdings m i t dem vom Reichsgericht abweichenden Ansatzpunkt entfallen 1 8 . Eine weitere Inkonsequenz der herrschenden Lehre liegt auch i n der unterschiedlichen Behandlung negativer und positiver Staatsleistungen i m Hinblick auf die Ausdehnung negativer Staatsleistungen auf andere öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften. Positive Staatsleistungen sind nicht Teil der nach A r t . 137 V WRV aufrechtzuerhaltenden Körperschaftsrechte, sondern — wie sich aus A r t . 1381 S. 1 WRV ergibt — eine abzuschaffende Einrichtung 1 9 . Daher steht den öffentlichrechtlichen Religionsgesellschaften kein Anspruch auf Gewährung finanzieller Unterstützung zu unter Berufung auf A r t . 137 V W R V 1 9 . Dagegen sollen Abgabenbefreiungen Teil der Körperschaftsrechte nach A r t . 137 V WRV sein 20 und somit den öffentlich-rechtlichen π so Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S.84; Schnitze, Reichsgerichtspraxis, S.2941; Tatarln-Tarnheyden, JW 1928, S.64; W.Weber, Ablösung, S.53; Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S.227 Anm. 511; Duske (Dotationspflicht, S. 11) beschränkt die Ablösungspflicht auf solche negativen Staatsleistungen, die anstelle positiver Staatsleistungen begründet wurden. Ebenso Hermanns, Diss., S. 6. 18 Vom Standpunkt eines allgemeinen Leistungsbegriffes konsequent aUein Zündorf, Diss., S. 49. ι» So Schoen, VerwA Bd. 29, 1922, S. 14, 17; Israel, Reich-Staat-Kirche, S.211; K G JW 1925, S. 24891; Hollerb ach, JZ 1965, S.614; Geller/Kleinrahm/ Fleck/Lentz, Art. 21 NRW, Anm. 7 (S. 168 f.). Anders zu Unrecht Kahl, Recht und Staat, S. 382, im Anschluß an die von ihm im Verfassungsausschuß (Prot. Bd. 336, S. 195) vertretene Meinimg. 20 So insbes. Höllerbach und Lentz, a.a.O. Unklar H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 1251, 1301; a. A. neuestens Schnapp, ZevKR Bd. 14, 1968/69, S. 361 ff. unter jedoch nur unvollständiger Auswertung des Schrifttums. Als Ausfluß der Körperschaftsrechte, nicht aber als Staatsleistung betrachten Abgabenbefreiungen Giese (AöR N.F. Bd. 7, 1924, S.501) und Schoen (Verfassungsrecht, S. 32). Nach BVerfG, JZ 1965, S. 608 ff. (611) sind Gerichtskostenbefreiungen keine Staatsleistungen im Sinne des Art. 1381 WRV (so auch Hesse, JöR N.F. Bd. 10, 1961, S.52), weil sie im Gegensatz zu Steuerbefreiungen, die schon im 16. und 17. Jahrhundert entstanden seien, erst im 19. Jahrhundert begründet worden seien und daher nicht einen organischen Bestandteil des vermögensrechtlichen Verhältnisses von Staat und Kirchen bildeten. Ein Vergleich mit den positiven Staatsleistungen hätte allerdings dem Bundesverfassungsgericht, das sich ausdrücklich zur Rechtsprechung des Reichsgerichts bekennt, gezeigt, daß nicht der Entstehungszeitpunkt entscheidendes Kriterium für das Vorliegen einer Staatsleistung sein kann: Die Mehrzahl der positiven Staatsleistungen wurde erst im 19. Jahrhundert begründet (vgl. Niedner, Ausgaben, S. 101 ff. und Sägmüller, Rechtsanspruch, S. 23 f l ) .
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
Religionsgesellschaften ein Anspruch auf Ausdehnung der Abgabenbefreiung zustehen21·22 b) Grundsätzliche Kritik Die Bedeutung des Art. 1381 WRV in der Verfassungswirklichkeit des Jahres 1925 offenbart das Reichsgericht — und die ihm folgende herrschende Lehre —, wenn es Sinn der Ablösungsvorschrift von der vermögensrechtlichen status-quo-Garantie zu erfassen sucht und von dorther den Staatsleistungsbegriff — im buchstäblichen Sinne nur positive Staatsleistungen22 — korrigiert. Wenn Staatsleistungen im buchstäblichen Sinne nur positive Staatsleistungen, Staatsbeiträge, sind, also der Begriff Staatsleistung an sich eindeutig ist und der Verfassunggeber von 1919 den Begriff Staatsleistung mit diesem eindeutigen Inhalt in dem Bewußtsein gebraucht hatte, Abgabenbefreiungen damit von der Ablösung auszuschließen, hätte in diesem Falle eine klare politische Entscheidung des Verfassunggebers vorgelegen, die Ablösung auf solche Staatsleistungen zu beschränken. Über eine solche Entscheidung hätte sich auch das Reichsgericht nicht hinwegsetzen können und dürfen, denn die „Prärogative des Gesetz- und Verfassunggebers (ist) ein Grundsatz, der noch überall anerkannt war, wo immer es Gesetz- und Verfassunggeber gegeben hat und den festzuhalten audi heute unausweichliche Voraussetzung jeder Ordnung überhaupt ist" 24 . Sollte aber der Verfassunggeber von 1919 keine eindeutige Entscheidung in dieser Hinsicht getroffen haben und der Begriff Staatsleistung zunächst mehrdeutig gewesen sein, so mußte dessen normativer Aussagegehalt auf anderem Wege ermittelt werden. Daß auch Abgabenbefreiungen Staatsleistungen im Sinne von Art. 1381 WRV sind, könnte sich in diesem Falle aus der vom Reichsgericht zur Korrektur des ursprünglichen Staatsleistungsbegriffes herangezogenen ratio der « GeUer/Kleinrahm/Fleck/Lentz, Art. 22 NRW, Anm. 5 (S. 1791); Höllerbach, JZ 1965, S.614; H.Weber, Religionsgemeinschaften, S. 1251, 1301 ** I m Gegensatz zu positiven Staatsleistungen werden negative Staatsleistungen in den Kirchenverträgen regelmäßig nicht erwähnt. Lediglich Gebührenbefreiungen gewährleisten Art. 22 hessevglKV, 8 16 Anlage ndsKonk, A r t 15 ndsKV, A r t 26 rhpfKV, Art. 17 schlhKV. Die uneingeschränkte Gewährleistung erscheint angesichts der Ablösungspflicht des Art. 1381 WRV bedenklich, weil auch Gebührenbefreiungen nadi herrschender Lehre Staatsleistungen sind (a. A. jetzt BVerfG, a.a.O.). « RGZ 111, 134 (137) ausdrücklich: „ . . . im buchstäblichen Sinne . . . bedeutet er (erg. der Staatsleistungsbegriff) lediglich die Beiträge des Staates zu den sächlichen und persönlichen Kultuskosten der Religionsgesellschaften . . . " m Kriele, Rechtsgewinnung, S. 160; grundsätzlich zum Verhältnis Rechtsetzungsprärogative und Präjudizien, vgl. S. 60 f l
I. Abgabenbefreiungen als Gegenstand der Ablösung
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Ablösungsvorschrift ergeben. Diese sieht das Reichsgericht in der Sicherung der auf dem bisherigen Zusammenhang von Staat und Kirche beruhenden vermögensrechtlichen Stellung der Kirche. Allerdings garantiert Art. 1381 WRV nicht alle Staatsleistungen, sondern nur diejenigen, die auf Rechtspilichten des Staates beruhen. Die Verfassung hat also die bisherige vermögensrechtliche Stellung der Kirchen nur unter Einschränkungen aufrecht erhalten. Die weitergehende Beschränkung der vorläufigen Garantie auf Staatsleistungen im buchstäblichen Sinne ist daher denkbar und vom Verfassunggeber evtl. sogar gewollt. Angesichts der nur beschränkten Gewährleistung der bisherigen finanziellen Stellung der Kirchen durch Art. 1381, 173 WRV läuft die Argumentation des Reichsgerichts auf eine petitio principii hinaus: Weil Sinn des Art. 1381 WRV die Sicherung der bisherigen vermögensrechtlichen Stellung der Kirchen sei, garantiere er vorläufig audi die negativen Staatsleistungen. Diesen Sinn erlangt Art. 1381 WRV aber nur dann, wenn er auch die Abgabenbefreiungen in seine vorläufige Garantie einbezieht. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob der Sinn des Art. 1381 WRV, der Auslegungsmaßstab für das Reichsgericht war, in der Sicherung der auf dem bisherigen Zusammenhang von Staat und Kirche beruhenden vermögensrechtlichen Stellung der Kirche liegt. War audi ein entscheidender Anstoß für die Grundsatznormierung des Art. 1381 WRV gewesen, die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kirchen gegen starke und aktive kirchenfeindliche Tendenzen in den Ländern zu schützen26, so kann dodi nur die Ablösungsvorschrift selbst Aufschluß darüber geben, in welchem Umfang und auf welche Weise die Verfassung die Kirchen schützen will. Art. 1381 S. 1 WRV schützt zwar die finanzielle Leistimgsfähigkeit der Kirchen, zunächst allerdings nur vor entschädigungsloser Aufhebung der positiven Staatsleistungen2·. Jedenfalls nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte ist Beseitigung der Staatsleistungen Hauptziel ** Vgl. dazu Israel, Reichskirchenrecht, S. 11 f. mit Nachweisen aus der Nationalversammlung. Giese, AÖR N.F. Bd. 7, 1924, S.23ff., weist auf die Bedeutung der Vorgänge insbes. in Preußen für die Haltung der Nationalversammlung hin. *· Vgl. Zündorf, Diss., S. 80. Gegen eine nicht dem Wert der Staatsleistungen voU entsprechende Entschädigung waren die Kirchen durch Art. 1381 S. 1 geschützt Eine dem vollen Wert entsprechende Entschädigimg konnte aber infolge der damals instabilen Geldverhältnisse wertlos werden. Angesichts der kirchenfeindlichen Kräfte in einigen Ländern war eine solche Ablösung in sich entwertendem Kapital nicht auszuschließen (vgl. auch den Hinweis des Abg. Spahn [Z] auf den unsicheren Geldwert, ProtVerfA, Bd. 336, S. 205; ebenso Abg. Meerfeld [SPD], a.a.O., S. 206). Davor schützte Art. 173 WRV.
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
der Ablösungsvorschrift 27, wie auch der normierte Zwang zur Aufhebung der Staatsleistungen beweist. Die Ablösungsvorschrift fordert die Beseitigimg der durch Staatsleistungen vermittelten vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirchen. Sind Staatsleistungen im buchstäblichen Sinne nur Unterstützimg aus Staatsmitteln, so beschränkt sich die Ablösungspflicht auf diese Staatsleistungen. Die vorläufige durch die Sperre der Art. 1381 S.2, 173 WRV bewirkte Bestandsgarantie ebenso wie die mit der Ablösung verbundene Wertgarantie der Staatsleistungen kann daher zunächst nicht weiter reichen als die Ablösungspflicht, an die diese Garantien anknüpfen. Der Umfang der in Art. 1381 WRV enthaltenen Garantien ist daher abhängig von dem Umfang der Ablösungspflicht. Nicht von der Garantiefunktion, sondern von der Ablösungspflicht her muß die Frage formuliert werden, welche Staatsleistungen notwendigerweise abzulösen sind und ob das Ablösungsgebot eine erweiternde Korrektur des Staatsleistungsbegriffes unausweichlich fordert. Nur wenn die von der Ablösungsvorschrift gewollte Aufhebung der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirchen sinnvollerweise unter Beschränkung auf positive Staatsleistungen nicht durchführbar ist, muß der Staatsleistungsbegriff erweiternd ausgelegt werden. Diesen Nachweis konnte das Reichsgericht und die ihm folgende herrschende Lehre allerdings schon deswegen nicht erbringen, weil sie Sinn und Auslegung der Ablösungsvorschrift vorwiegend an der Garantiefunktion orientierten. Während das Reichsgericht die Ausdehnung des Geltungsbereiches von Art. 1381 WRV mit dessen ratio zu rechtfertigen sucht, geht die Lehre begriffsjuristisch vor 28 . Sie legt als selbstverständlich dem Art. 1381 WRV den allgemeinen Leistungsbegriff des BGB zugrunde, ohne zu fragen, ob der Begriff Staatsleistung mit diesem Inhalt überhaupt Eingang in die Verfassung gefunden hatte 29 : Leistung für sie ist die Gewährung jedes vermögens27
Zur Meinung und Stimmenverteilung in der Nationalversammlung vgl. Israel, Reichskirchenrecht, S. 33 ff., 47 f., 55. 28 Das begriffsjuristische Vorgehen der herrschenden Lehre steht regelmäßig im krassen Gegensatz zu der vorwiegend historischen Argumentation, der sie sich z.B. bei der Auslegung der Begriffe „Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln" bedient. Ob und in welchem Sinne der Begriff Staatsleistung früher gebraucht und üblich war, wird nicht untersucht: Vgl. ζ. B. die Ausführungen von Ebers (Staat und Kirche, S. 218 ff., 245), W. Weber (Ablösung, S. 51 ff., 64 ff.) und J. Heckel (ZRG KanAbt Bd. 19, 1930, S.8611, 862 ff.). 29 VgL oben Anm. 8. Ablehnend gegenüber der herrschenden Lehre Breitfeld, Auseinandersetzung, S. 38 ff. und Huber, AöR N.F. Bd. 18, 1930, S. 150, der jiedoch — obwohl er (Garantie, S. 62) den aUgemeinen Leistungsbegriff vertritt — Abgabenbefreiungen nidit durch Art. 1381 WRV vorläufig, sondern durch Abs. I I endgültig garantieren wül, sofern ein Anspruch auf die
I. Abgabenbefreiungen als Gegenstand der Ablösung werten Vorteils, und einen Vermögenswerten Vorteil gewährt Staat auch durch die Befreiung von Abgaben.
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A u d i die herrschende Lehre, deren Ansichten sich m i t denen des Reichsgerichtes i m Ergebnis völlig, i n der Begründung weitgehend, decken, legt A r t . 1381 WRV vorwiegend als Garantie zugunsten der Kirchen aus. Jedenfalls rückt sie die Vermögenspositionen der Kirchen i n den Mittelpunkt der Erörterung, wenn und w e i l sie die Funktion der Ablösungsvorschrift i m Schutz kirchlicher Vermögenswerte gegen staatliche Eingriffe sieht. Sie betrachtet A r t . 1381 WRV als Schutzvorschrift zugunsten der Kirchen und interpretiert folglich die Norm und ihre Begriffe aus der Sicht des Geschützten. I m Mittelpunkt ihres Interesses stehen notwendigerweise die vom Staat geschaffenen Vermögenspositionen der Kirchen. Kirchliche Sicht bestimmt die Auslegung des Staatsleistungsbegriffes; das Vorliegen eines Vermögenswerten Vorteils für die Kirchen w i r d zum entscheidenden K r i t e r i u m für den Staatsleistungsbegriff des A r t . 1381 W R V 3 0 . Befreiung besteht. Andere Darstellungen zu Staatsleistungsfragen beschränken den Staatsleistungsbegriff auf positive Staatsleistungen, ohne sich mit der herrschenden Lehre auseinanderzusetzen: Karpf hammer, Diss., S. 5; Schoen, Verfassungsrecht, S. 23, 271, 32; Hofmann, ZevKR Bd. 10, 1963/64, S. 369 f.; ders., „Staatsleistungen", Sp. 21911; Dickel , „Staatsleistungen", Sp. 1125. 80 Die garantieorientierte Sicht der herrschenden Lehre zeigt sich auch daran, daß die durch die Ablösungspflichtigkeit von Abgabenbefreiungen entstehenden und im Vergleich zu den positiven Staatsleistungen andersartigen Probleme, die bei einer evtl. Ablösung zu berücksichtigen sind, meist unerörtert bleiben; infolge der Verlagerung wichtiger Teile der Steuerhoheit von den Ländern auf das Reich bzw. den Bund unterliegen vielfach die durch Länder begründeten Abgabenbefreiungen dem Zugriff des Reiches bzw. des Bundes. Das wirft einige Fragen auf: Ist das Reich bzw. der Bund an Art. 1381 WRV gebunden, wenn es im Zuge einer Neuregelung von Steuerrechtsmaterien, für die bisher die Steuerhoheit der Länder bestanden hatte, Steuerprivilegien beseitigte wie z.B. durch das Grundsteuergesetz von 1936 (RGBl I, S.986), und wer war entschädigungspflichtig? Wenn die Aufhebung von Steuerbefreiungen durch den Bundesstaat Ablösung im Sinne von Art. 138 WRV wäre, so bleibt offen, ob der Bund dieses Privileg übernehmen muß, solange er keine Ablösungsgrundsätze erlassen hat oder ob er dieses wenigstens gegen Entschädigung aufheben d a r l Art. 1381 WRV geht offensichtlich nur von Staatsleistungen der Länder aus. Die wichtigsten Steuerbefreiungen gewährt jedoch das Reichs- bzw. Bundessteuerrecht, so daß fraglich ist, ob diese überhaupt von Art. 1381 WRV erfaßt werden (ablehnend für positive Staatsleistungen des Bundes Hollerbach, JZ 1965, S. 615). Ist dies nicht der Fall, so werden bedeutende Vermögenswerte Positionen der Kirchen durch Art. 1381 WRV gerade nicht geschützt, so daß der vom RG als Auslegungsmaßstab gebrauchte Sinn des Artikels noch fragwürdiger erscheint. Kommunalsteuern und -Steuerbefreiungen sind meist in staatlichen Gesetzen geregelt. Ungeklärt bleibt hier, ob es sich bei diesen Befreiungen um Leistungen des Staates oder der Gemeinde handelt (auf den Gesetzgeber und nicht den Steuergläubiger stellen ab: ThürOVG RPrVerwBl 54, 1933, S. 853; RFH JW 1928, S. 2579, 2580 f.; Zündorf, Diss., S. 50). 4 Braan·
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
Die zwingend vorgeschriebene Ablösung der Staatsleistungen hat jedoch auch die — wenn auch beschränkte — Trennung 81 oder wenigstens Entflechtung und Distanzierung 92 von Staat und Kardien zum Ziel. Sie liegt also nicht einseitig im Interesse der Kirchen, sondern auch des Staates: Durch die Ablösung würde er von den bisherigen finanziellen Lasten befreit werden 23 und gleichzeitig seine weltanschauliche Neutralität bekunden, auf die ihn die Verfassimg festlegt. Aus dieser Sicht besteht zwischen positiven Staatsleistungen, die der Staat aus seiner Kasse zu leisten hat und die ihn belasten, und Abgabenbefreiungen, die zwar erhebliche finanzielle Vorteile für die Begünstigten darstellen können, aber die Staatsausgaben nicht erhöhen, ein wesentlicher Unterschied, dem die herrschende Lehre keine Rechnung trägt. Außerdem können an die Gewährung von Leistungen aus Staatsmitteln Auflagen und Bedingungen geknüpft werden; bei Abgabenbefreiungen ist dies regelmäßig nicht üblich und auch nur unter Schwierigkeiten möglich.
Π . Der Begriff der Staatsleistung in Art. 1381 WRV
Diese Unterschiede zwischen Staatsbeihilfe und Abgabenbefreiung, die vorherrschende Interpretation des Art. 1381 WRV von der Garantiefunktion her und die in sich widersprüchlichen Aussagen von Reichsgericht und herrschender Lehre rechtfertigen die Untersuchung, ob Art. 1381 WRV auch Abgabenbefreiungen der Ablösung unterwirft. Da gerade im Reichskirchenrecht der Wortgebrauch der Verfassung vielfach vorgeprägt ist, einige Vorschriften sogar im wesentlichen mit früheren Verfassungstexten übereinstimmen 84, überdies die Fassung der Art. 137 ff. WRV in besonderem Maße von den mit den kirchenpolitischen Problemen vertrauten Kirchenjuristen in der Nationalst I m Sinne einer umfassenden Trennung von Staat und Kirchen: Israel, Reich-Staat-Kirche, S. 20 ff.; Hilling, ArchkathKR Bd. 107,1927, S. 401; Schoen, Verfassungsrecht, S.27; Fischer, Trennung, S.209. Eine nur beschränkte finanzielle Lösung sehen durch Art. 1381 WRV verwirklicht E.K Huber, Garantie, S.97; Bredt, Kirchenrecht II, S. 119; Giese, Kommentar, Art. 138 WRV Anm. 2; Glade, Diss., S. 2; Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 224, 227; Friedrich, Kirchenrecht, S.490. w So insbes. W. Weber, Ablösung, S. 42, im Anschluß an Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S. 88. as Darauf wies der Abg. Kahl (DVP) im Verfassungsausschuß hin (Prot Bd. 336, S. 190 f.). " Art. 1371 WRV entspricht 8147 Π S. 2 Frankfurter Grundrechte, A r t 137 I I I dem 81471 Frankfurter Grundrechte und Art. 15 PrVerfUrk, dem auch Art. 138 I I WRV entspricht.
II. Der Begriff der Staatsleistung in Art. 1381 WRV
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Versammlung geprägt ist 35 , liegt es nahe, daß der Verfassimggeber mit dem Begriff Staatsleistung auf einen im juristischen Sprachgebrauch vorhandenen und mit eindeutigem Inhalt versehenen Begriff zurückgegriffen und diesen sich zu eigen gemacht hat. 1. Der historische Staatsleistungsbegriff
Während Art. 138 I I sich in Wortlaut und Bedeutung weitgehend mit seinen verfassungsrechtlichen Vorläufern deckt", ist Art. 1381 WRV eine verfassungsrechtliches Novum im Staatskirchenrecht. Die Ablösung von Staatsleistungen hatte bisher noch keine Verfassimg dem Staat zur Pflicht gemacht37. War auch die Ablösungsforderung neu im Staatskirchenrecht und der Begriff Staatsleistung bisher von keiner Verfassung verwendet, die Unterstützung der Kirchen aus Staatsmitteln war den konstitutionellen Verfassungen nicht imbekannt und wurde von ihnen garantiert: Art. 15 PrVerfUrk gewährleistete den Kirchen Besitz und Genuß der für ihre Zwecke gewidmeten Fonds. Fonds waren nicht nur das für kirchliche Zwecke bestimmte Kapital, sondern nach damaliger Anschauung auch die Einkünfte der Kirchen aus dem Staatsetat, sofern die Etatpositionen für kirchliche Zwecke dauernd angesetzt waren 38 . Wenn Art. 15 PrVerfUrk den Kirchen ihre Fonds garantierte, waren in diese Garantie audi die dauernden Einkünfte der Kirchen aus dem Staatsetat einbezogen39. Da der Staat sich zu diesen Leistungen rechtlich verpflichtet hielt 40 , garantierte Art. 15 PrVerfUrk die Verpflichtungen des Staates zu Geldleistungen. Das gilt auch für Art. 1381 WRV, der begrifflich, wenn auch nicht in Wortlaut und Bedeutung, mit dem Antrag Nr. 91 der Abg. Gröber (Z) und Kahl (DVP) übereinstimmt (ProtVerfA Bd. 336, S.175). Mitglieder des Verfassungsausschusses waren auch die Abgeordneten Beyerle, Mausbach und Kaas, die Kirchenjuristen des Zentrums. m Art. 15 2. Halbs. PrVerfUrk lautete: „Die evangelische und die römischkatholische Kirche, sowie jede andere Religionsgesellschaft . . . bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Kultus-, Unterrichts-14und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds. 87 Es war unklar, ob § 147 I I S. 1 der Frankfurter Grundrechte (Keine Religionsgesellschaft genießt vor anderen Vorrechte durch den Staat) die Aufhebung der Staatsleistungen notwendig machte. Vgl. Niedner, Ausgaben, S. 240 ff.; Israel, Reich-Staat-Kirchen, S. 35 f. Vgl. aUerdings vorn S.25 Anm. 65. 98 Zur Entwicklung und zum Inhalt des Begriffs „Fonds M vgL v. Heckel, Budget, S. 197 ff.; Niedner, Ausgaben, S.2351 89 Vgl. Niedner, Ausgaben, S. 228 f t , 236; Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 336 ff. 40 So die bei Niedner, a.a.O., S. 231, zitierten Motive vom 15.12.1848: „Weiter aber verbürgt die Verfassung den Religionsgemeinschaften auch die Fortdauer derjenigen Leistungen, welche bisher zu ihren Gunsten von dem Staat erfolgt sind. I n diesem Bezüge erfüllt sie nur eine Forderung der 4·
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
Nicht garantiert durch diesen Verfassungsartikel waren dagegen andere Leistungen aus Staatsmitteln: Die Bereitstellung von Dienstgebäuden, Naturalleistungen i n Getreide und Holz und die Erledigung der Kirchenverwaltung durch Staatsbeamte — falls man die vom Staat bezahlten und auf i h n vereidigten 4 1 Kirchenregimentsbeamten als Staatsbeamte ansah 42 . Diese Leistungen wurden als Leistungen aus Staatsmitteln oder einfach auch als Staatsleistungen bezeichnet 48 . A u d i i n der Gesetzgebung wurden Leistungen aus Staatsmitteln und Steuerbefreiungen nicht gleich behandelt: Das sog. Brotkorbgesetz vom 22. A p r i l 187544 verhängte vorübergehend die Einstellung nur aller Leistungen aus Staatsmitteln für die katholische Kirche. Bewußt war hier statt Fonds Leistungen aus Staatsmitteln gebraucht, da nicht nur Geld-, sondern auch Natural- und Arbeitsleistungen eingestellt werden sollten 46 . Gesetzgebung und Literatur verwandten den Begriff Staatsleistungen gleichbedeutend. I m juristischen Sprachgebrauch waren StaatsleistunGerechtigkeit, weil jene Leistungen theils auf einer speziellen, theils auf einer allgemeinen Verpflichtung beruhen, welcher der Staat sich nicht entziehen kann . . . " Übereinstimmend der bei Niedner, a.a.O., S.2331, zitierte Kommissionsbericht. Zu den Gründen, die zur Anerkennimg einer Rechtspflicht des Staates führten vgl. Niedner, a.a.O., S. 238 ff.; Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 3361 Vgl. auch vorn S. 26 f l , 29 f. Vgl. die bei Niedner, a.a.O., S. 246, zitierte Äußerung der Regierung aus dem Jahre 1877. Die Staatsbeamtenqualität der Kirchenregimentsbeamten war aUerdings umstritten. Vgl. dazu Schoen, Kirchenrecht I, S. 232 ff.; Niedner, Ausgaben, S. 263 f l ; Anschütz, a.a.O., S. 320 ff. Vgl. dazu vorn S.33 Anm. 110. Sah man in den Kirchenregimentsbeamten keine Staatsbeamten, so lag eine Geldleistung an die Beamten und damit mittelbar an die Kirchen vor. « So z.B. Niedner, a.a.O., passim, S.311, 313ff.; Hinschius, Staat und Kirche, S. 253 ff.; ders., in: Koch, ALR (5. Aufl.) Bd. IV, S.518; Riditer/Dove/ Kahl, Kirchenrecht, S. 1333; Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S.336; Sägmüller, Rechtsanspruch, S. I f f . ; Kahl, Lehrsystem I, S.3841; Schoen, Kirchenrecht I, S.173; v. Hippel, PrVerw B121, 1899/1900, S. 414 ff., 425 ff. Staatsleistung wird im allgemeinen als Kurzformel für Leistungen aus Staatsmitteln gebraucht. Daß man mit dem Begriff Staatsleistungen in keinem FaU Steuerprivilegien meinte, ergibt sich aus der in den betreffenden Abhandlungen vorgenommenen Trennung zwischen Leistungen aus Staatsmitteln und Steuerprivilegien. Während Steuerprivilegien auf der früheren kirchlichen Immunität beruhten, gewährte der Staat den Kirchen Unterstützungen, weil er durch sie Staatsaufgaben erfüllt sah (so wenigstens im 18. und frühen 19. Jahrhundert) oder weil er Interesse an der Erfüllung christlich-religiöser Ziele hatte. Besonders deutlich werden diese Grundverschiedenheiten bei Richter/Dove/Kahl, a.a.O., S.322 einerseits, S.5491, 1293 ff. andererseits; Kahl, a.a.O., S. 385; Sdioen, a.a.O., S. 169 Anm. 1, 173. 44 Gesetz, betreffend die Einstellung der Leistungen aus Staatsmitteln für die römisch-katholischen Bistümer und Geistlichen (GS S. 194). 4® Vgl. Hinschius, in: Koch, ALR (5. Aufl.), S. 519 Anm. 95: „Durch die Worte .Leistungen aus Staatsmitteln' hatte jeder Zweifel darüber abgeschnitten werden sollen, daß dieser Einstellung nicht nur baare Besoldungen und Zuschüsse, sondern audi aUe sonstigen materiellen Beihilfen unterliegen .. . a
II. Der Begriff der Staatsleistung in A r t 1381 WRV
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gen nicht Leistungen des Staates, sondern lediglich Leistungen aus Staatsmitteln. Leistungen axis Staatsmitteln konnten nur positive Leistungen, nicht Abgabenbefreiungen sein. 2. Die Übernahme des historischen Staatsleistungsbegriffes in die Weimarer Reichsverfassung
a) Entstehungsgeschichte So hatte der Begriff „Staatsleistung" einen festumrissenen Inhalt, und auch in der Nationalversammlung war allen dieser Begriff so eindeutig, daß man darüber kein Wort verlor 46 . Er wurde von den Abgeordneten Gröber (Z) und Kahl (DVP) durch den Antrag Nr. 91 in den Verfassungsausschuß eingeführt 47. Wenn diese neben der Gewährleistung kirchlicher Fonds auch die der Staatsleistungen forderten, so beruht die Forderung nach einer besonderen Garantie der Staatsleistungen auf den Erfahrungen des Zentrums im Kulturkampf. Mit den Staatsleistungen sollten eben nicht wie durch die Fonds nur die Geldleistungen des Staates gewährleistet werden, sondern die Temporaliensperre in dem Umfang, wie sie durch das Brotkorbgesetz gebraucht worden war, ausgeschlossen werden. „Staatsleistung" wird hier wie im Brotkorbgesetz gebraucht: Es sind Leistungen aus Staatsmitteln und keine Abgabenbefreiungen. Auch der Abgeordnete Naumann (DDP), der kirchliche Steuerbefreiungen durch die Reichsverfassung beseitigt sah und ihre Wiedereinführung für verboten hielt, ordnete diese Frage nicht dem späteren Art. 1381 WRV und dem Begriff „Staatsleistung" zu, sondern folgerte die Aufhebung daraus, daß jetzt auch auf die Kirchen das für alle geltende Gesetz Anwendimg finde und ihr Eigentum, das durch Art. 138 I I WRV geschützt wird, keine Vorzugsbehandlung gegenüber privatem 4 « Aus den Äußerungen der Abgeordneten, denen eine nicht vorhandene Zweideutigkeit unterschoben wird, und deren Beispielen ergibt sich, daß man nur an die Ablösung positiver Staatsleistungen dachte und nur sie wollte: „Die im preußischen Staatshaushalt in Betracht kommenden T i t e l . . (Kahl, DVP, Prot. VerfA Bd.336, S.190); „ . . . keine Mittel mehr für die Kirchen aufzuwenden hat." (Naumann, DDP, ebenda Bd. 336, S. 191); „ . . . Leistungen, die er (der Staat) als Rente hingibt . . ( B a y r . Gesandter v. Preger, ebenda Bd.336, S.205); „Staatsleistungen belaufen sich . . . auf bedeutende Beträge" (Spahn, Z, ebenda Bd. 336, S. 205); „für die Kirche keine öffentlichen Mittel mehr auf gewendet werden . . . " (Meerfeld, SPD, ebenda Bd. 336, S. 18); „ . . . Zahlungen an die Kirchen, die im Staatshaushaltsplan enthalten waren" (Naumann, DDP, StenBer NatVers Bd. 328, S. 1655 D); „ . . . Abschaffung aUer Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln . . . " (Kunert, USPD, ebenda Bd. 328, S. 1660 B). Vgl. auch Breitfeld, Auseinandersetzung, S. 38 ff. 47 Prot. Bd. 337, S. 175: „Die Religionsgeseüschaften bleiben im Besitz und Genuß der . . . Fonds. Dasselbe gilt für die . . . Staatsleistungen, sofern nicht eine . . . Ablösung erfolgt."
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
Eigentum mehr erfahren dürfe 46. Er sah also diese Frage nicht im Zusammenhang mit dem Ablösungsgebot des Art. 1381 WRV 49 . Zudem war Art. 1381 WRV in der gegenwärtigen Form auf Betreiben der Sozialisten und Demokraten angenommen worden, die die Beseitigung der Staatsleistungen verlangten 50. In seiner Programmrede hatte der Abgeordnete Meerfeld (SPD) sogar gefordert, daß künftighin keine öffentlichen Mittel mehr für die Kirchen aufgewendet werden dürften 51 . Voll entsprochen hätten dieser Forderung allein die sofortige und entschädigungslose Aufhebung der Staatsleistungen. Es wäre erstaunlich, wenn die Maximalforderung der Linken, der zunächst nur die sofortige und entschädigungslose Aufhebung der positiven Staatsleistungen entsprochen hätte, die aber später lediglich durch die Entschädigungspflicht (Art. 1381) und die aufgeschobene Ablösung (Art. 173) eingeschränkt wurde, von den kirchenfreundlichen Parteien in ihrem Umfange noch auf die negativen Staatsleistungen erweitert worden wäre. Daß die Ablösungsvorschrift in der Praxis zu einer dauernden und endgültigen Garantie der Staatsleistungen führen würde, war 1919 nicht voraussehbar. Die Linke wollte mindestens die positiven Staatsleistungen aufheben, aber auch nur sie und keinesfalls aber die Abgabenprivilegien 5* der Entschädigungspflicht unterwerfen. Dagegen wollten die kirchenfreundlichen Parteien mindestens für die positiven Staatsleistungen entschädigt werden, aber auch nur diese der Ablösungspflicht unterwerfen; über die Forderimg der Linken hinausgehen wollten sie kaum 53 . Überdies hat dieselbe Nationalversammlung, die Staatsleistungen dem Ablösungszwang unterwarf, kurz nach Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung eine stattliche Zahl bedeutsamer Steuerbefreiungen für Religionsgesellschaften begründet 54, ohne daß auch nur ein Vertreter 48 StenBer NatVers Bd. 328, S.1652D, 1654 D, 1655 A 4» Das lassen außer acht Zündorf (Diss., S. 47 Anm. 3) und Glade (Diss., S. 45 f.). Sie können infolgedessen nicht auf das Schweigen der Nationalversammlung sich berufen, daß die Ansicht Naumanns abgelehnt wurde und daher auch Steuerbefreiungen nach Art. 1381 WRV garantiert werden sollten. Damit greift ihre Polemik gegen Breitfeld (a.a.O.) nicht durch. Art. 1381 WRV beruht auf dem Antrag der Abg. Meerfeld (SPD) und Naumann (DDP). Prot VerfA Bd. 336, S. 188. ** Das bedeutet nicht, daß man sie aufrechterhalten woUte. Nur unterlagen sie weder Art. 1381 noch Art. 138 I I oder 1531 WRV (so aber Huber, AöR N.F. Bd. 18, 1930, S. 150). 53 Selbst der Abg. Kunert (USPD) forderte nur die Beseitigimg der positiven Staatsleistungen. Vgl. StenBer NatVers Bd. 328, S. 1660 A, B. M V g l ζ. B. das Körperschaftsteuergesetz vom 30.3.1920 (RGBl S. 393), das in 8 6 Ziff. 2 bestimmte Einkünfte der Kirchen und Religionsgesellschaf-
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Der Begriff der Staatsleistung in Art. 1381 WRV
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der radikalen Linken Bedenken gegen die Zulässigkeit neuer Steuerprivilegien für die Religionsgesellschaften wegen der zu erwartenden Ablösung oder wegen der Unvereinbarkeit mit Art. 1381 WRV erhob 55. Derselbe Reichsrat, der die Einrichtung eines Reichskultusfonds zugunsten der Religionsgesellschaften unter anderem deswegen abgelehnt hatte, weil eine Neubegründung von Staatsleistungen unvereinbar mit Art. 1381 WRV sei56, erhob keine Bedenken, als er neuen Abgabenbefreiungen für dieselben Gruppen zustimmen sollte. b) Die Unvergleichbarkeit
positiver und negativer Staatsleistungen
Während für eine Ablösimg der Leistungen aus Staatsmitteln sachliche Gründe sprechen, fehlen solche für die sogenannten negativen Staatsleistungen. Motiv für die Begründung einer positiven Staatsleistung ist regelmäßig, bestimmte religiöse Tätigkeiten zu unterstützen 57. Dies kann audi Anlaß für die Begründung einer Abgabenbefreiung sein, muß es aber nicht: Abgabenbefreiungen werden häufig deshalb begründet, weil der Steuerzweck des betreffenden Gesetzes auf die jeweils Begünstigten nicht zutrifft. Steuerzweck ist beim Körperschaftsteuergesetz die Abschöpfung von Gewinnen, die nach kaufmännisdi-wirtsdiaftlidien Gesichtspunkten erarbeitet werden und privaten oder wirtschaftlichen Zwecken zufließen. Die Kirche ist nach ihrem Selbstverständnis wie audi nach Verständnis der Verfassung kein nach wirtschaftlichem Gewinn strebendes Unternehmen, ebensowenig wie ihre Veranstaltungen Vergnügen im Sinne der Vergnügungssteuergesetze sind 58 . Zudem ten des öffentlichen Rechts von der Steuerpflicht befreite. Weitere Steuerbefreiungen enthalten S 21 I I I Ziff. 2 Grunderwerbsteuergesetz vom 12.9.1919 (RGBl S. 1617) und S 51 Ziff. 3 Reichsnotopfergesetz vom 31. Dezember 1919 (RGBl S. 2189). w Angegriffen wurde die Privilegierung der Kirchen durch §6 Ziff. 2 KörpStG allein deswegen, weil es das Einkommen der Todten Hand nicht genügend besteuere (Abg. Gruner, USPD, StenBer NatVers Bd. 332, S. 4857 D, 4858 A). M Vgl. dazu J.Heckel, AöR N.F. Bd. 12, 1927, S.420ff. Der Reichsrat begründete seine Ablehnung mit der fehlenden staatskirchenrechtlichen Kompetenz des Reiches (Art. 10 Ziff. 1 beschränke das Reich auf Grundsätze) und mit dem Grundgedanken des Art. 1381 WRV, dem die finanzielle Trennung von Staat und Kirche zugrunde liege und der deshalb die Verwendung neuer Staatsmittel für kirchliche Zwecke ausschließe. RTDrucks. Bd. 407, Nr. 2092. Gegen SteuerprivUegien, wie ζ. B. in S 21ΙΠ Ziff. 2 Grunderwerbsteuergesetz in der Fassung vom 11.3.1927 (RGBl I, S.72) oder §§2 Ziff.3d, 9 Ziff.7, S 15 KörpStG vom 10.8.1925 (RGBl I, S.208), hat der Reichsrat keinen Einspruch erhoben. 87 Das war auch zunächst Grund für die finanzielle Unterstützung der Kirchen gewesen; vgl. oben S. 17 ff. 58 Dennoch werden Befreiungen von der Vergnügungssteuer allgemein als Staatsleistungen betrachtet. Vgl. Hesse, JöR N.F. Bd. 10, 1961, S.61 Anm. 15; Lehmann, Religionsgesellschaften, S. 106 Anm. 287.
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
sind es häufig Zufälligkeiten oder Zweckmäßigkeitserwägungen, die zu einer solchen Umschreibimg des Kreises der Steuerpflichtigen führen, daß eine gesetzliche Steuerbefreiung notwendig wird. Der Tatbestand kann auch so eng gefaßt werden, daß eine gesetzliche Steuerbefreiung nicht notwendig ist. In vielen Fällen sind die Motive, die für eine Steuerbefreiung maßgebend werden, nicht identisch oder unvergleichbar mit denen, die bei der Begründung positiver Leistungspflichten maßgeblich sind. Erstere werden meist aus steuerpolitischen, nicht aber kirchenpolitischen Gründen geschaffen. In den Abgabenbefreiungen spiegelt sich nicht immer eine bestimmte kirchenpolitische Ansicht wider 59 . Die Kirchen waren auf Leistungen aus Staatsmitteln für die Erfüllung ihrer Aufgaben angewiesen — und daher waren sie abhängig von ihnen und vom Staat — eo . Ihre Abhängigkeit wurde verstärkt durch die mit der Gewährung finanzieller Unterstützung verbundene Staatskontrolle· 1, deren ultima ratio die im Kulturkampf angewendete Temporaliensperre war 62 . Darüber hinaus waren die Rechtsgrundlagen vieler Staatsleistungen unsicher, und oft hatte der Staat sich nur widerruflich zu bestimmten Leistungen verpflichtet. In finanziellen Notlagen oder nach einem politischen Umschwung konnte der Staat die Unterstützung zugunsten der Kirchen einstellen, ohne daß diese dagegen gesichert waren 63 . Zwar gewährten auch Abgabenprivilegien den Kirchen finanzielle Vorteile, und oft waren sie an Stelle positiver Leistungen begründet worden 64, doch war mit ihnen keine Staatsaufsicht verbunden. Außerw Außerdem würde nach der Ablösung die paradoxe Lage entstehen, daß Kirchen im Gegensatz zu anderen gemeinnützigen oder wohltätigen Vereinen plötzlich Vergnügungs- oder Körperschaftsteuer zahlen müßten. •o Vgl. dazu oben S. 30 ff. Darauf weist auch Abg. Naumann (DDP), StenBer NatVers Bd. 328, S. 1655 D, 1656 A, hin. 61 Vgl. v. Schulze-Gaevernltz, Staatsrecht II, S.551; v. Rönne, Staatsrecht I (1. Aufl.), S. 640; Abg. Kahl (DVP), StenBer NatVers Bd. 328, S.1647D; Schoen, VerwA Bd. 29, 1922, S. 21. «* Zu diesem „etwas grobschlächtigen Disziplinarmittel gegenüber Kirchendienern' 4 siehe Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 397; Anschütz, VerfassungsUrkunde, S. 3391; Kahl, Lehrsystem I, S.384. 69 Diese finanzielle Abhängigkeit gefährdete die den Religionsgesellschaften garantierte Selbstverwaltung in eigenen Angelegenheiten. Vgl. dazu S. 30, 33 ff. Das betont insbes. Naumann, a.a.O. w So ausdrücklich § 2 Kurhess.VO v. 27. Dezember 1814 (zit. nach PrOVG Bd.57, S. 145, 147): „Geistliche (sollten sich) . . . an der Immunität von . . . Steuern . . . um so mehr zu erfreuen haben, als die Benutzung von Grundstücken . . . den Geistlichen . . . statt eines Besoldungsteils angewiesen sei." Vgl. auch § 124 Kurhess. Verfassungsurkunde vom 30. Mai 1860 (GS S.42); S 3 Hann.Gesetz vom 5. Juli 1856 betreffend die Befreiung der Dienstgrundstücke von der Grundsteuer (Hann.GS 1856 1. A b t S. 193). Für Preußen vgl. Kabinettsordre v. 30.1.1817 (zit. bei PrOVG 57, 176, 179 ff.); 8 10 Gesetz v.
II. Der Begriff der Staatsleistung in Art. 1381 WRV
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dem bestand eine Reihe bedeutsamer Abgabenprivilegien auf kommunaler Ebene, und gerade diese Privilegien waren eindeutig nicht geschützt, wie der Wortlaut des Art. 1381 WRV zeigt. Leistungen aus Staatsmitteln erhielten vor 1919 nur die Kirchen· 5; Abgabenprivilegien standen regelmäßig allen Religionsgesellschaften mit Korporationsrechten zu 66 . Sollte Art. 1381 WRV finanzielle Verbindungen zwischen Staat und Kirchen lösen, so waren die finanziellen Aufwendungen des Staates zugunsten der Kirchen gemeint, die deren ausschließliches Vorrecht geblieben waren. Auch konnte der Staat nur daran ein Interesse haben67: Abgabenprivilegien belasteten den Staatshaushalt nicht auf der Ausgabenseite, und sicherlich hätten die Länder sich gegen eine Verpflichtung zur Ablösung auch der Abgabenbefreiungen durch eine Kapitalzahlung heftig gewehrt 68. Wesentlicher Gesichtspunkt für die Ablösung der Staatsleistungen für den Staat war die befürchtete und voraussehbare wachsende Belastung durch die Zunahme des kirchlichen Bedürfnisses. Schon vor 1919 hatten die Kirchen auf die Notwendigkeit erhöhter Staatszuschüsse hingewiesen und vom Staat mehrfach deren Erhöhung gefordert 89. Durch den Krieg hatte sich audi die finanzielle Lage der Kirche verschlechtert. Da viele Leistungsverpflichtungen des Staates sich nach den jeweiligen kirchlichen Bedürfnissen richteten, mußte der Staat mit erhöhten Zuschüssen helfen. 11. Juli 1822 betreffend die Heranziehung der Staatsdiener zu den Gemeindelasten (GS S. 184); § 241 l i t t k preuß. Kommunalabgabenges. v. 1893. Art. 8 I I evgl. DEG 1898 erhält ausdrücklich alle bisherigen, als Teil der Pfarrbesoldung begründeten Steuerbefreiungen aufrecht. « Vgl. die Aufzählung der Empfänger von Staatsleistungen in Preußen bei Bredt, Kirchenrecht II, S. 147; so auch Niedner, Ausgaben, S.317; Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S. 2811, der den Charakter der Staatsleistungen als ausschließliches Vorrecht der Landeskirchen betont. Vgl. dazu S. 29 ff. ·« Alle gegen Ende des 19. Jahrhunderts erlassenen Steuergesetze bezogen in die Steuerbefreiungen auch die Religionsgesellschaften mit Korporationsrechten ein: §51 Ziff.c Preuß. Stempelsteuergesetz vom 31. Juli 1895 (GS S. 413) und vom 23.6.1909 (GS S.533); §24 lit. g Preuß. Kommunalabgabengesetz vom 14. Juli 1893 (GS S. 152); g 1 Preuß. Erbschaftssteuergesetz in der Fassung vom 24. Mai 1891 (GS S.78) in Verbindung mit §2 I I l i t i des Tarifes (GS S.93). Dagegen blieb die Gerichtskostenbefreiung auf Kirchen beschränkt: § 8 1 Ziff.4 Preuß. Gerichtskostengesetz vom 25. Juni 1895 in der Fassung vom 25. Juli 1910 (GS S. 183). «7 Vgl. Abg. Kahl (DVP), Prot. VerfA Bd. 336, S. 1901 •β Der bayer. Gesandte v. Preger hatte sich schon gegen die Ablösung der „Renten", also der positiven Staatsleistungen, durch Kapital gewandt, vgl. Prot. VerfA Bd. 336, S. 205. β® Vgl. die bei Niedner, Ausgaben, S. 256 Anm. 1, zitierten Anträge an die Generalsynode und mehrere ebenfalls von Niedner zitierte Denkschriften (a.a.O., S. 259 Anm. 2, 309 Anm. 1). Vgl. ebenfalls die Schriften von v. Gerlach, Dotationsansprüche und der Notstand der evangelischen Kirche, passim, und Sägmüller, Rechtsanspruch, S. 1 ff. m. w. N.
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
Eine weitere finanzielle Belastung hätte sich für den Staat aus dem Grundsatz der Parität ergeben, wie ihn die Reichsverfassung durchgeführt hat, wenn Art. 1381 WRV nicht die Abschaffung der Staatsleistungen vorgeschrieben und damit klargestellt hätte, daß Staatsleistungen nicht Körperschaftsrechte im Sinne von Art. 137 V 2 WRV sind. Vor 1919 waren nur die vollprivilegierten Religionsgesellschaften, zu denen vor allem die Großkirchen gehörten 70, Körperschaften des öffentlichen Rechts71, und denkbar war eine entsprechend weite Interpretation der Körperschaftsrechte im Sinne von Art. 137 V 2 WRV, der auch die positiven Staatsleistungen unterfallen wären 72 . Die durch die Reichsverfassung allen Religionsgemeinschaften eröffnete Möglichkeit, Körperschaft des öffentlichen Rechts zu werden und die Anwendbarkeit des Paritätsgrundsatzes auf alle diese Körperschaften hätten diesen eventuell einen Anspruch auf Staatsleistungen eingeräumt 71. Neue Belastungen für den Staat wären daher zu befürchten gewesen, hätte Art. 1381 WRV dieser Interpretation nicht vorgebeugt. Dagegen konnten Abgabenprivilegien ohne Schwierigkeiten und ohne große finanzielle Belastung des Staates auf andere Religionsgesellschaften ausgedehnt werden, und sie sind unter Berufung auf die Parität auf andere Religionsgesellschaften mit Korporationsqualität ausgedehnt worden 74 3. Zusammenfassung
Die vorwiegend begrifflich argumentierende herrschende Lehre, die Leistungen aus Staatsmitteln und Abgabenbefreiungen als Staatsleistungen im Sinne von Art. 1381 WRV begreift, läßt diese wesentlichen Unterschiede außer acht, die zwischen negativen und positiven 70 Die Körperschaftsqualität der Kirchen vor 1919 war bestritten (vgl. Schoen, VerwA Bd. 6, 1898, S.2061; Kahl, Lehrsystem I, S. 339 ff. und Meyer!Anschütz, Staatsrecht, S. 1003 Anm. 25 m. w. N.), die Reichsverfassimg setzte sie in A r t 137 V voraus (vgl. dieselben Autoren nach Inkrafttreten der Weimarer Reichs Verfassung: Kahl, Recht und Staat, S.3741; Anschütz, Reichsverfassung, Art. 137 Anm. 8, S. 644 ff.). Dazu zählten z.B. die Altkatholiken, nicht aber die Altlutheraner. Zur Ausdehnung des zunächst an den und für die Kirchen entwickelten Begriffes „Körperschaft des öffentlichen Rechts44 auch auf andere Religionsgesellschaften vgl. H.Weber, Religionsgemeinschaften, S.51ff., 54 Anm. 18 m. w. N. 7« I n diesem Sinne der Abg. Kahl (DVP), Prot. VerfA Bd. 336, S.195, und nach 1919 ders., Recht und Staat, S. 382. 73 Dieser Konsequenz des Paritätsgedankens woUte Art. 15 PrVerfUrk vorbeugen, wenn er die beiden Großkirchen hervorhob. Außerdem hatte man in den Beratungen zu Art. 15 PrVerfUrk immer wieder die Rechtspflicht des Staates zu Staatsleistungen an die Kirchen betont, die gegenüber den übrigen Religionsgesellschaften nicht bestand (Niedner, Ausgaben, S. 241 ft). 74 So die Gerichtskostenbefreiung gemäß § 8 Abs. I Ziff. 4 Preuß. Gerichtskostengesetz vom 28.10.1922 (GS S. 363) durch Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (NJW 1965, S. 1427 ff.). Anders noch KGJW 1925, S. 2489.
III. Inkorporation und Staatsleistungsbegriff
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Staatsleistungen bestehen. Da sie die Ablösungsvorschrift vorwiegend als Garantie des bisherigen Vermögenswerten status quo der Kirchen interpretiert und damit einen zwar gewollten, aber nach Entstehungsgeschichte und Wortlaut nicht zum Hauptinhalt gewordenen Nebeneffekt der Ablösungsvorschrift zu deren eigentlichem Zweck stilisiert, kann für sie wesentliches Kriterium für das Vorliegen einer Staatsleistung nur die Zuwendimg eines Vermögenswerten Vorteils sein. Außerdem ist der von ihr entwickelte Staatsleistungsbegriff unhistorisch, und sie berücksichtigt nicht, daß der Verfassunggeber von 1919 diesen historischen Staatsleistungsbegriff mit seinem überkommenen Inhalt gebraucht hat. Die Gleichstellung von Abgabenbefreiungen und Leistungen aus Staatsmitteln wird auch nicht geboten durch den Zweck des Art. 1381 WRV, den Staat von wachsenden finanziellen Belastungen und die Kirche von finanzieller Abhängigkeit zu befreien. Vielmehr verbieten die im Hinblick auf das neue staatskirchenrechtliche System der Reichsverfassung bedeutsamen Unterschiede zwischen Staatsbeihilfen und Abgabenbefreiungen, die Entstehungsgeschichte und der juristische Sprachgebrauch eine solche Gleichstellung. Der Verfassunggeber hat eine eindeutige politische Entscheidung getroffen, über die sich weder Rechtsprechung nodi Lehre hätten hinwegsetzen dürfen 75.
I I I . Inkorporation und Staatsleistungsbegriff
Für die Auslegung des Art. 1381 WRV vor 1933 ist daher festzuhalten: Der Verfassunggeber von 1919 hatte durchaus bewußt Leistungen aus Staatsmitteln und Abgabenbefreiungen ungleich behandelt und den Kirchen den Wert — allerdings nicht den Bestand — lediglich der positiven Staatsleistungen garantiert. Diese für den Interpreten der Weimarer Verfassimg auch nodi 1933 verbindliche Entscheidung ist nicht nur aus der Entstehungsgeschichte nachweisbar. Der Verfassunggeber hat sie in Art. 138 I WRV positiviert, indem er zur Kennzeichung des Ablösungsobjektes den Begriff „Staatsleistung" wählte, der im 75 Aus den Äußerungen Naumanns (StenBer NatVers Bd. 328, S. 1652 D, 1654 D, 1655 A) ergibt sich zudem, daß die Nationalversammlung das Problem der Garantie oder Abschaffung von Steuerbefreiungen gesehen hatte. Abgelöst werden sollten aber nur die Leistungen aus Staatsmitteln. An dieser Entscheidung des Verfassunggebers konnte das Reichsgericht nicht ohne weiteres vorübergehen, denn als Gericht war es an die verfassungsrechtliche Norm gebunden. Die Prärogative des Verfassunggebers ist ein Grundsatz, der auch für das Verhältnis von Verfassunggeber von 1919 — Reichsgericht galt (vgl. grundsätzlich zu dem Verhältnis Rechtsetzungsprärogative — Präjudizien die neueste Untersuchung von Kriele, Rechtsgewinnung, S. 60 ff., S. 160).
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
juristischen Sprachgebraudi — und audi für die Nationalversammlung — lediglich Kurzformel für Leistungen aus Staatsmitteln war und als solche Eingang in die Verfassung fand. Schließlich bestätigen dies auch die gewichtigen Unterschiede, die zwischen beiden Leistungsformen bestehen. Angesichts dieser verfassungsrechtlichen Entscheidung konnte die regelmäßig begriffsjuristisch vorgehende, ihre Auslegung nicht selten am Ergebnis orientierende Lehre keine Verbindlichkeit für die Auslegung der Weimarer Verfassung beanspruchen — Verbindlichkeit für den Interpreten des GG könnte diese Lehre allerdings durch die Inkorporation des Reichskirchenrechts in Art. 140 GG erlangt haben — nämlich dann, wenn die Kirchenartikel mit dem Inhalt, der ihnen bis 1933 von Lehre, Rechtsprechung und Praxis beigelegt wurde, Verfassungsrecht geworden wären. Deutlich wird zunächst eines durch die Inkorporation: Als Ganzes hat der Grundgesetzgeber die aus einer spezifischen politischen Situation erwachsenen, nicht beziehungslos in der verfassungsrechtlichen Gesamtentscheidung stehenden Normen des Reichskirchenrechts zum Inhalt seiner eigenen, auf dem Hintergrund einer völlig veränderten und unvergleichbaren politischen Lage getroffenen Entscheidung gemacht. Obwohl sich das tatsächliche Verhältnis zwischen Staat und Kirchen infolge von Kirchenkampf und Krieg grundlegend geändert hatte, hielt der Parlamentarische Rat das Weimarer staatskirchenrechtliche Regime der rechtlichen Grundordnung von Staat und Kirchen in der Bundesrepublik für angemessen und machte es zum Inhalt seiner Grundentscheidung76. Die Einbettimg des Reichskirchenrechts in das grundgesetzliche System mag daher geringfügige Anpassungen erfordern, darf aber nicht zu einer Revision der in dieser Hinsicht eindeutigen Entscheidung des Grundgesetzgebers führen. Ebensowenig ist es legitim, unter Berufung auf einen Bedeutungswandel oder „die fließende Geltungsfortbildung des gesetzten Verfassungsrechtes" 77 einem staatskirchenrechtlichen System zur Geltung zu verhelfen, das mit ™ H.Krüger, DÖV 1961, S.727 = Quaritsch/Weber, Sammelband, S.230ff.; E.W.Fuß, DÖV 1961, S.735 = Quaritsch/Weber, a.a.O., S.236; Quaritsdi, Staat I, 1962, S.1941 = Quaritsch/Weber, a.a.O., S.280ft; H.Weber, Religionsgemeinschaften, S. 291; ders., JuS 1967, S.438; abweichend in der Begründung, nicht aber im Ergebnis Schlief, Diss.. S. 129 ff. 77 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 137 f. = Staatsrechtliche Abhandlungen, S. 242, und ihm folgend Hesse, Rechtsschutz, S. 28 ff. Im übrigen dürfte wegen der Änderungen der wirtschaftlichen und kirchenpolitischen Lage zugunsten einer Ablösung die Anerkennung einer solchen Geltungsfortbildung gerade zu einer Aktualisierung des eigentlichen normativen Aussagegehaltes der Ablösungsvorschrift führen, sofern dieser in der Forderung nach endgültiger völliger finanzieUer Trennung von Staat und Kirchen liegen sollte.
III. Inkorporation und Staatsleistungsbegriff
klarer Mehrheit im Parlamentarischen Rat abgelehnt worden ist 78 . Die Beratungen des Jahres 1949 sind insofern deutlich, als mit einem entsprechenden CDU-Antrag das System des rechtlichen Koordinationszwanges für den Staat abgelehnt worden ist 79 . Im übrigen wird für Art. 1381 WRV ein Bedeutungswandel oder gar die fließende Geltungsfortbildung der Ablösungsvorschrift gerade nicht behauptet: Im Ergebnis deckt sich die Auslegung des Art. 1381 unter Herrschaft der Weimarer Verfassung weitgehend mit der unter Herrschaft des Grundgesetzes. Nur in wenigen Fällen wird ein Bedeutungswandel beschworen — offensichtlich, um in der Weimarer Zeit als fragwürdig empfundene, aber heute genehme Interpretationsergebnisse verfassungsrechtlich abzusichern80. Die Materialien zum GG schweigen allerdings darüber, ob das Reichskirchenrecht in seiner Ausgestaltung durch Lehre, Rechtsprechung und Praxis bis zum Jahre 1933 oder aber ob unabhängig von der jeweiligen Auslegung der bloße Text, der dann allerdings einer im Hinblick auf die bisherige Interpretation unbefangenen Auslegung nach Wortlaut, systematischem Zusammenhang, Sinn und letztlich auch Entstehungsgeschichte der Vorschriften zugänglich wäre, geltendes Verfassungsrecht werden sollte. Dafür, daß Art. 140 GG einer bestimmten vor 1933 herrschenden oder sogar einhelligen Lehre oder Auslegung zu normativer Wirkung verhelfen sollte, gibt weder Fassung nodi Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift einen Anhaltspunkt. Im Gegenteil: Während Art. 33 V GG auf die „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" verweist und so dem Gesetzgeber über das lediglich positive Recht hinaus die Auslegung in Lehre und Rechtsprechung zur Berücksichtigung anempfiehlt 81, erklärt Art. 140 GG die Art. 136—139, 141 WRV zum „Bestandteil dieses Grundgesetzes". Der Artikel macht also nur deren Text und die in diesem enthaltenen „Zwecke und die grundlegenden rechtspolitischen Entscheidungen, die durch das Gesetz verwirklicht werden sollen"82, nicht aber alle Einzelheiten der Interpretation zum Inhalt seiner Entscheidung83. Überdies hat der Grundgesetzgeber Art. 136—139, 141 WRV nicht im vollen Wortlaut als Artikel des Grundgesetzes übernommen und sie auch nicht systematisch in den Text integriert. Art. 140 GG erklärt w Vgl. dazu ν. Doemming/Füßlein/Matz, JöR N.F. Bd. 1, 1951, S. 899 f t 7 ® ν. Doemming/Füßlein/Matz, a.a.O., S. 899 f. so So z. B. Ridder, AÖR Bd. 80, 1955/56, S. 152, für den Ablösungsbegriff; ebenfalls Hesse, JöR N.F. Bd. 10, 1961, S. 52. 81 Maunz/Dürig, Art. 33 GG Rdnr. 54. w Larenz, Methodenlehre, S. 248. 8» So auch H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 29.
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2. Teil: Staatsleistungen und Abgabenbefreiungen
die Kirchenartikel als Artikel der Weimarer Reichsverfassung zum Bestandteil des Grundgesetzes und reiht sie unter die Übergangs- und Schlußbestimmungen ein. Sie sind damit zwar vollgültiges Verfassungsrecht geworden 84, aber an der systematischen Stellung des Art. 140 GG und an der Aufnahme des außerhalb des formellen Verfassungstextes bleibenden Normenkomplexes, der durch Verweis zu geltendem Recht wird, ist die aufgeschobene eigene Entscheidung ablesbar. Der Verfassunggeber von 1949 hat die Normen nicht mit eigenem Gehalt gefüllt. Er hat die Entscheidung von 1919 aufrechterhalten und diese voll zum Inhalt seiner souveränen Entscheidung gemacht. Daß dieses audi vom Verfassunggeber gewollt war, belegen außerdem die Vorgänge bei der Entstehung des Art. 140 GG. Das staatskirdienreditliche System als Ganzes sollte übernommen werden, weil man nicht übersah, welche Konsequenzen die Nicht-Übernahme einzelner Vorschriften für das Gesamtsystem haben würde8®. Aus Zweifel an der Fortgeltung der Reichsverfassung wurden die Weimarer Kirchenartikel zum „Bestandteil" des Grundgesetzes erklärt. Gewollt war, die Art. 136—139, 141 WRV — und damit inhaltlich die Entscheidung von 1919 — aufrechtzuerhalten 86. Die Weimarer Kirchenartikel sind daher aus sich selbst heraus, allerdings auch als Teil des Grundgesetzes auszulegen87. Einer evtl. erforderlichen kritischen Neuinterpretation einiger Artikel steht deren Inkorporation ebensowenig im Wege wie sie es verbietet, zur Sinnermittlung anderer Artikel auf die Weimarer Lehre zurückzugreifen. Bei der Interpretation des Reichskirchenrechts ist allerdings zu beachten, daß sein wirklicher Sinn nicht immer und überall identisch ist mit der Auslegung, die es von der „stark von traditionellen Vorstellungen geprägte(n) Staatsrechtslehre der Weimarer Zeit" überwiegend empfangen hat 88 . Diese Auslegungsgrundsätze gelten auch für Art. 1381 WRV. Dieser Artikel, der im Schatten der heftigen Kontroverse um die Grundordnung von Staat und Kirchen, um den Inhalt des Selbstbestimmungsrechts und um die Bedeutung des Korporationsstatus stand — imd heute nodi steht — und deshalb seit jeher nur vergleichsweise geringe literarische Beachtung gefunden hat, wird von der heute einhelligen Lehre im Anschluß an seine Auslegung unter Herrschaft der Weimarer Verfassung vorwiegend als Wert-, ja sogar als Bestandsgarantie8· m BVerfGE 19, 206 (219). w Abg. Bergsträßer (SPD), StenBer HA, S. 489 f. Μ v. Doemmingr/Füßlein/Matz, JÖR N.F. Bd. 1, 1951, S. 902 ff. »7 BVerfGE 19, 226 (236). «e H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 31. β» J. Heckel, Smend-Festschrift, S. 104 f. und Anm. 10 = Quaritsch/Weber, Sammelband, S.45; Hesse, JöR N.F. Bd. 10, 1961, S.27 = Quaritsch/Weber, a.a.O., S. 227.
III. Inkorporation und Staatsleistungsbegriff
6
verstanden. Entgegen der herrschenden Lehre, die die Vermögensschutzfunktion der Ablösungsvorschrift i n den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen stellt und von dorther auch Abgabenbefreiungen diesen Schutz zukommen läßt, ist an der ursprünglichen Bedeutung dieser auf Änderung der bisherigen Verhältnisse, wenn nicht gar finanzielle Trennung von Staat und Kirche gerichteten Vorschrift festzuhalten. Wortlaut und Entstehungsgeschichte, insbesondere aber die heute unverändert bestehenden Unterschiede zwischen Abgabenbefreiungen und Leistungen aus Staatsmitteln fordern eine Beschränkung der A b lösungspflicht auf die sog. positiven Staatsleistungen: N u r Leistungen aus Staatsmitteln sind ablösungspflichtig und in ihrem Wert den Kirchen garantiert. Abgabenbefreiungen sind keine Staatsleistungen i m Sinne von A r t . 1381 WRV und unterliegen daher der freien Verfügung des Gesetzgebers 90 ' 91 .
Zum Ineinandergreifen der Garantien der Art 137, 1381, Π , 173 WRV und ihrer Bedeutung vgl. auch C. Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 155 ff. Nach Schmitt enthält der an Art. 1381 S.2 WRV anknüpfende A r t 173 eine Status-quo-Garantie, die den Charakter eines Sperrgesetzes hat. Art. 138 I WRV sehe die Auseinandersetzung von Staat und Kirche vor; die Rechtsgrundlagen der Ablösung gewährleiste aUerdings die „konnexe oder komplementäre (Status-quo-)Garantie u des A r t 138 II, die zu der institutionellen Garantie des Art. 137 WRV hinzutrete und somit auch die Bedeutung einer institutionellen Garantie gewinne. Wenn aUerdings C. Schmitt (a.a.O., S. 157) im Anschluß an E. R. Huber (Garantie, S. 106) und O. Koellreutter (AöR N.F. Bd. 15, 1928, S. 26) davon spricht, infolge des Ausbleibens des für die Ablösung erforderlichen Reichsgesetzes sei „ein Bedeutungswandel, sogar eine gänzliche Umkehrung des ursprünglichen Sinnes (erg. von Art. 1381 WRV) eingetreten", ist damit wohl weniger ein normativ erheblicher Bedeutungswandel im Sinne von Verfassungswandel als vielmehr zunächst das Auseinandertreten von intendierter Wirkung und praktischer Bedeutimg des Ablösungsartikels gemeint: Das Ausbleiben des Reichsgesetzes hemmte die Ablösung, so daß die Bestandsgarantie des Art. 173 WRV weiterhin ihre Wirkung entfalten konnte. Dadurch konnte aber Art. 1381 WRV nicht in eine Bestandsgarantie umgeformt werden. Allenfalls von einer Bedeutungsverlagerung könnte man sprechen: Art. 1381 trat hinter Art. 173 vorläufig zurück. Heute hat sich die Lage dadurch verändert, daß A r t 173 WRV nicht Bestandteil des Grundgesetzes geworden ist und damit das Ablösungsgebot anscheinend aufgewertet wurde. Zum Inhalt des A r t 173 WRV und dem Verhältnis von Bundesgrundsätzen zur Landesablösung s. unten S. 114 ff. Nach H. Weber (Religionsgemeinschaften, S. 126) gehören negative Staatsleistungen zwar zu dem mit der Korporationsqualität verbundenen „Privilegienbündel", nicht jedoch zu dem durch Art. 137 V WRV verfassungsrechtlich abgesicherten Kernbereich von Körperschaftsrechten, sondern „unterliegen . . . freier ReguUerung durch den zuständigen Gesetzgeber" (a.a.O., S.1301). f l Bei der weiteren Untersuchung findet die Inkorporationsproblematik nur dann noch Erwähnung, sofern infolge der Inkorporation heute eine andere Auslegung der Ablösungsvorschrift als unter Herrschaft der Weimarer Verfassung erforderlich erscheint.
Dritter
Teil
Die normative Aussage des Ablösungsgebotes I. Der Befehlscharakter der Ablösungsvorschrift
Art. 138 I WRV verteilt die Kompetenzen zur Ablösungsgesetzgebung zwischen dem Reich bzw. Bund und den Ländern. Er ermächtigt die Länder, Staatsleistungen durch Gesetz, also einseitig aufzuheben. Jedoch ist Art. 138 I WRV mehr als Kompetenzverteilungs- und Ermächtigungsnorm: In knappem Präsens wendet sich die Verfassung an den einfachen Landesgesetzgeber und befiehlt ihm abzulösen. Den Befehlscharakter belegt neben der Formulierung auch das Zustandekommen der Ablösungsvorschrift: Anstelle der von den kirchenfreundlichen Parteien gewünschten und beantragten 1 fakultativen Ablösung nahm die Nationalversammlung den Antrag Meerfeld/Naumann an8, der den Ländern die Ablösung zwingend vorschrieb 8. Angesichts der Eindeutigkeit von Entstehungsgeschichte und Wortlaut ist denn auch bis heute nicht bestritten worden, daß Art. 13811 WRV einen an den Landesgesetzgeber adressierten Verfassungsbefehl enthält4.
ι Antrag Gröber/Kahl Nr. 91, ProtVerfA Bd. 336, S. 175. * ProtVerfA Bd. 336, S. 199. 8 VgL bayr. Gesandter v. Preger, ProtVerfA Bd. 336, S. 205; Abg. Spahn (Z), ProtVerfA Bd.336, S.205; s.a. Israel, Reichskirchenrecht, S.34Î. * Poetzsch-Heffter, Kommentar, A r t 138 Anm. 1; Israel, Reich-StaatKirche, S. 28; Zündorf, Diss., S. 75 ff.; H. Weber, Jus 1967, S.439; Schweda, Diss., S. 34, 54, 58, 67, 90; Ritter, Diss., S. 88 ff., 94. Nach J. Schmitt, (ArchkathKR Bd. 115, 1935, S. 20) soU der Befehlscharakter des Art. 138 I 1 WRV durch Axt. 18 Reichskonkordat beseitigt worden sein. Schmitts Ansicht, die — sofern die Verfassung überhaupt noch zu diesem Zeitpunkt galt — für das 1934 in einen nationalsozialistischen Einheitsstaat umgeformte Deutsche Reich ihre Richtigkeit besitzen mag, trifft heute jedenfalls nicht mehr zu. A r t 18 bindet den Bund, nicht die Länder, an die der Verfassungsbefehl gerichtet ist. Er beschränkt allenfalls den Bund bei der Ablösungsgrundsatzgesetzgebung.
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
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I I . Die Ablösung bestehender Staatsleistungen 1. Der unstreitige Mindestgehalt des Begriffs Ablösung Ablösung ist Aufhebung der Staatsleistungen — genauer: ihrer Rechtsgrundlagen 5 — gegen Entschädigung®. Sachlich gleichbedeutend w i r d sie häufig auch als „Leistung an Erfüllungsstatt" 7 umschrieben. Der Verfassunggeber wollte die Staatsleistungen nur gegen Entschädigung aufgehoben wissen und schrieb deshalb die Ablösung vor, so daß der Begriff zumindest mit diesem Inhalt Eingang i n die Verfassung gefunden hat. Begriff und Entstehungsgeschichte sind zu eindeutig, als daß dieses ernsthaft bestritten werden könnte. 2. Der Streit um den Ablösungsmodus a) Der Streitstand Einigkeit herrscht also über die Entschädigungspflicht des Staates. Demgegenüber ist bis heute streitig, welcher Entschädigungsmodus der von Art. 1381 WRV geforderten Ablösung entspricht. Die schon unter Herrschaft der WRV herrschende und heute fast einhellige Lehre läßt eine Entschädigung auch i n Form einer ewigen Rente zu 8 , während nach einer Mindermeinung nur eine einmalige oder i n mehreren Raten δ Huber, Garantie, S.95, da nicht die einzelnen wiederkehrenden Staatsleistungen, sondern nur die Rechtspflicht dazu abgelöst werden könne. β So die einhellige Meinimg: vgl. Anschütz, Reichsverfassung, Art. 138 Anm. 3 (S. 651); W. Weber, Ablösung, S.37 m.w.N.; für die heutige Lehre Zündorf, Diss., S. 13 ff. Anm. 1, 4 m. w. N. 7 So im Anschluß an Huber, (Garantie, S.60) die herrschende Meinung: W. Weber, a.a.O., S. 38; Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S.228; Geller/Kleinrahm/Fleck/Lentz, Art. 21 NRW Anm. 5. Diese Definition entwickelte Huber, um die Notwendigkeit vollen Ersatzes zu begründen und diesen gleichzeitig zum Begriffsmerkmal der Ablösung zu machen. Damit war eine gesetzliche — nach Art. 153 I I 2 WRV für die Enteignung zulässige (vgl. Anschütz, Reichsverfassung Art. 153 Anm. 12, S. 717) — Entziehung oder Versagung der Entschädigung für den Ablösungsbereich unmöglich gemacht. β Vgl. W. Weber, a.a.O., S.41ff.; Mikat, a.a.O., S.228; Kern, Staat und Kirche, S. 119; Ridder, AöR Bd. 80, 1955/56, S. 152; Lentz, a.a.O., Anm. 5 (S. 167); Spreng/Birn/Feuchte, Art. 7 BW Anm. 3; Hof mann, ZevKR Bd. 10, 1963/64, S. 370 f.; Inzident Hesse, JöR N.F. Bd. 10, 1961, S.59, wenn er die wenigen in der Weimarer Zeit getroffenen Vereinbarungen, in denen Staatsleistungen durch Renten „abgelöst" wurden, für zulässig hält. Ebenso für die Weimarer Zeit: Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S. 88; Bredt, Kirchenrecht II, S. 120 unter Hinweis auf die Finanznot der Länder; Duske, Dotationspflicht, S. 74 f., 77; Mausbach, Kulturfragen, S.75; §4 Abs. I I des 1924 im Innenministerium ausgearbeiteten Referentenentwurfs eines Reichsablösungsgesetzes und die fünf bei W. Weber (Ablösung, S. 5 ff.) zitierten Ablösungsvereinbarungen. 5
Brami·
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
abzutragende, jedenfalls von vornherein quantitativ festgelegte Ausgleichsleistung der Ablösungsforderung genügt·. Der Ausgang des Streites entscheidet darüber, wie der Staat den Verfassungsbefehl erfüllen kann und wann er i h n erfüllt hat 1 0 . aa) Die Lösimg der herrschenden Lehre α) Vorwiegend w i r d „Ablösung" lediglich als Aufhebung bisheriger Staatsleistungen gegen Entschädigung interpretiert 1 1 : Ablösung bedeute sinngemäß Umwandlung und diese schreibe kein bestimmtes Entschädigungsmittel vor. Daher erfülle auch die Umwandlung der Staatsleistungen i n eine ewige Rente das Ablösungsgebot 1 *. • Israel Reich-Staat-Kirche, S.28; Schoen, VerwA Bd. 29, 1922, S. 13 f.; ders., Verfassungsrecht, S.27; Hermann, Staat, S.64; Koellreutter, AöR N.F. 15, 1928, S. 25; Huber, Garantie, S. 69, 60; J. Schmitt, Ablösung, S. 119; ders., ArchkathKR Bd. 115, 1935, S . l l f . ; Glade, Diss., S. 61. Heute nur nodi Friedrich, Kirchenrecht, S.490; Fischer, Trennung, S.209; Hermanns, Diss., S. 223 f.; Zündorf, Diss., S. 16 ff. Entspräche auch eine ewige Rente der Ablösungsforderung, so 1st abgesehen von den negativen Staatsleistungen, die hier nicht geregelt werden, die Ablösungsforderung für die herrschende Lehre praktisch erfüllt durch die Kirchenverträge und Konkordate der Länder, in denen die heterogensten, bisher auf verstreuten Rechtsgrundlagen beruhenden Staatsleistungen zu einer einheitlichen Geldrente zusammengefaßt sind oder gar einzelne Staatsleistungen durch eine einmalige Ausgleichsleistung abgelöst werden (Art. V I badKonk; Art. I V badKV; A r t 10 81 bayKonk; A r t 15, 16, 21—25 bayKV; Art. 9, 10, 14—18 pfälzKV; Art. 4 preußKonk; Art. 5 preußKV; Art. 15—17 ndsKV; Art. 15,16 ndsKonk; Art. 17—21 schlhKV; Art. 5, 6 lippKV, Art.5—7 hessevglKV; A r t i — T V hesskathKV; §7 RuhrbistumV; Art.6—8 rhpfKV). Zwar wird regelmäßig für den Fall der Ablösung auf die alten Rechtsgrundlagen verwiesen (außer Art. 10 S1 bayKonk und Art. 5 I I I lippKV alle Verträge) und somit sind die alten Rechtsgrundlagen nicht „aufgehoben", doch trotz dieses Vorbehaltes sind die Pauschalierungen von den Vertragspartnern wohl eher als endgültig, „als fest und bindend" gewollt (so W. Weber, Ablösung, S.771; ähnlich v. Hanstein, ZevKR Bd. 6, 1958, S.309). Die Aufnahme des Vorbehaltes — in der Weimarer Zeit wegen der schweren Bedenken gegen die Zulässigkeit endgültiger Ablösungsvereinbarungen vor Erlaß der Reichsgrundsätze formuliert (vgl. Huber, Garantie, S. 90) — erklärt sich heute aus der Anpassung der nach 1949 geschlossenen Staatskirchenverträge an den Wortlaut früherer Verträge. Das geringe Interesse in Praxis und Lehre an der Ablösungsvorschrift resultiert wahrscheinlich u.a. daher, daß man mit der vertraglichen Regelung das Ablösungsgebot erfüllt zu haben glaubt " Vgl. Duske, Dotationspflicht, S.74f., 77; Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S.228: Kern, Staat und Kirche, S. 119; Geller/Kleinrahm/ Fleck/Lente, Art. 21 NRW Anm. 5 (S. 167); Spreng/Birn/Feuchte, Art. 7 BW Anm. 3 (S.55); Hof mann, ZevKR Bd. 10, 1963/64, S. 370. it Duske, a.a.O., S.77: „ . . . Dotierung (gleichviel, ob i n Kapital oder in Rente) . . . " ; Mikat, a.a.O., S. 228: „Eine bestimmte Form schreibt die WeimRV selbst nicht vor, sie läßt daher . . . auch . . . Zahlung einer Rente zu." Kern, a.a.O., S. 119: „Ablösung kann durch eine einmalige Leistung . . . , aber auch durch Zahlung einer Pauschalrente erfolgen." Lente, a.a.O.: „Sie kann durch einmalige Leistung . . . oder durch Zahlung einer Rente erfolgen.** Feuchte, a.a.O.: „Rentengewährungen (sind zulässig)." Hofmann, a.a.O., S.370f.:
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
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ß) Dagegen geht W. Weber 13 anscheinend nicht von einem eindeutigen Ablösungsbegriff aus. Nicht der Begriff Ablösung selbst — so ergibt sich aus seinen Ausführungen 14 — ist in dem Sinne eindeutig, daß auch eine Rentenentschädigung ihm entspreche, denn seinen — doch wieder für Weber eindeutigen — normativen Aussagegehalt empfange die Norm erst aus der Tatsache, daß „Art. 138 WRV Bestandteil eines Komplexes staatskirchenrechtlicher Grundsätze (sei), die zwar ein wesentlich distanzierteres Verhältnis zwischen Staat und Kirche schaffen, keineswegs aber deren völlige Lösimg herbeiführen wollten" 15 . Daß sich Weber auf die Einordnung des Ablösungsgebotes in das reichskirchenrechtliche System beruft, um den normativen Gehalt des Ablösungsgebotes zu ermitteln, ist nur verständlidi, wenn für ihn der Begriff selbst mehrdeutig ist. Seine Argumentation wäre jedenfalls überflüssig, wenn es nicht auch einen — im juristischen oder allgemeinen Sprachgebrauch üblichen — Wortsinn der Ablösimg gäbe, der nur eine einmalige Ausgleichsleistung zuließe und damit Staat und Kirche, soweit sie durch Staatsleistungen verbunden waren, endgültig trennte. Nach Webers Verständnis muß also Ablösimg deutungsfähig sein als Umwandlung wie auch als endgültige Trennung 16. Die systematische Interpretation dient dann dazu, sich auf eine der mehreren möglichen Bedeutungen festzulegen. γ) Daß die Verfassung Ablösung an sich im Sinne einer Trennung gebrauche, daß Ablösung „begrifflich nur geschehen könne durch Zahlung einer einmaligen Kapitalabfindung" 17 , behauptet schließlich eine dritte Variante der herrschenden Lehre 18 . Schöpferisch von der Normsituation her interpretierend, die sich seit 1919 wesentlich geändert habe, sind die Autoren der Ansicht, daß „ . . . Ausgleichsleistung keine einmalige zu sein braucht, sondern auch in Form von Rentenzahlungen .. " Ablösung, S. 37 f. " a.a.O., S. 41 ff. i« a.a.O., S. 42. Seine Ansicht bestätigt sieht Weber (a.a.O., S. 41 ff.) durch die Staatspraxis (vgl. die fünf bei ihm, a.a.O., S. 5 ff., zitierten Ablösungsvereinbarungen aus der Weimarer Zeit, die Staatsleistungen gegen Rentenentschädigung aufhoben), durch fi 4 des 1924 i m Reichsinnenministeriums ausgearbeiteten Referentenentwurfes eines Reichsablösungsgesetzes, durch das Schrifttum (insbesondere Berner) und auch die 1928 vom Deutschen Evangelischen Kirchenbund herausgegebene Denkschrift. 16 Eine Norm, die lediglich Umwandlung gebietet, schließt das Mehr einer einmaligen Ausgleichsleistung nicht aus. Der ablösende Gesetzgeber hätte also die Wahl zwischen beiden Entschädigungsformen. Dagegen ließe die Ablösung i. S. einer endgültigen Trennung dem Gesetzgeber keine Wahl: Er muß durch eine einmalige Ausgleichsleistung ablösen. 17 Bredt, Kirchenrecht II, S. 120. is Bredt, a.a.O.; ders., JW 1929, S.1U6; Ridder, AöR Bd. 80, 1955/56. S.152; Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S. 88. 5·
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
inzwischen auch eine Aufhebung der Staatsleistungen gegen Rentenentschädigung das Ablösungsgebot erfülle: Die wirtschaftliche Notlage der Länder schließe eine trennende Ablösung aus, denn das für eine einmalige Abfindung erforderliche Kapital zu beschaffen, sei den Ländern unmöglich. Also müsse auch die Möglichkeit der Rentenzahlung dem Staate offenbleiben 19. bb) Lösungswege der Gegenmeinung Wenn audi diejenigen, die das Ergebnis der herrschenden Lehre ablehnen, Ablösung als Aufhebung gegen Entschädigung definieren, so genügt doch nach ihrer Ansicht nur eine einmalige Ausgleichsleistung dem Ablösungsgebot. Ebenso wie in der herrschenden Lehre gibt es in der Begründung mehrere Varianten. α) Überwiegend gehen Vertreter dieser Ansicht von einem eindeutigen Ablösungsbegriff aus — eindeutig insofern, als ihm nur eine Trennung entspreche. Damit decke sich auch der vom Verfassunggeber gewollte und dem Ablösungsgebot eigene normative Aussagegehalt20. Ablösung sei die „Aufhebung wiederkehrender Redite gegen eine einmalige Ausgleichsleistung, die das wegfallende Redit voll ersetzt" 21. ß) Demgegenüber halten einige Autoren den Begriff Ablösung übereinstimmend mit einigen Vertretern der herrschenden Lehre für eindeutig in dem Sinne, daß mit Ablösung lediglich Umwandlung gemeint sei22. „Ablösung heißt: Eine Leistung beseitigen und an ihre Stelle eine andere setzen"25, denn „aus dem Begriff der Ablösung folgt nicht ι · so insbes. Bredt, a.a.O.: „begrifflich nur . . . einmalige Kapitalabfindung. Woher aber w i l l der Staat solche Summen nehmen? Für die Ablösung bliebe . . . nur die Möglichkeit der Rentenzahlung offen." Berner, a.a.O., „Zweifelhaft ist geworden (Hervorhebung vom Verfasser), ob die Entschädigung nur in einer einmaligen Leistung . . . oder auch in einer Rente . . . bestehen kann. Die Möglichkeit einer Rente kann nicht ausgeschlossen sein . . . Zur Rente muß man aber bei der allgemeinen Wirtschaftsnot des Staates . . . greifen." Ridder, a.a.O.: „Es wäre dem Staat . . . gar nicht . . . möglich gewesen, das zu einer »Ablösung* durch einmalige Abfindung erforderliche Kapital aufzubringen . . R i d d e r schließt aus der Ablösungspraxis der Weimarer Zeit, die in fünf Fällen „ganz zwanglos, unbefangen und wie selbstverständlich als ,Ablösung* jährlich wiederkehrende Renten vereinbart" hatte, eine „staatskirchenreditlidie Wandlung44. Schoen, Verfassungsrecht, S.23, 27; ders., VerwA Bd. 29, 1922, S. 13 f.; Huber, Garantie, S. 591; J. Schmitt, Ablösung, S. 119; ders., ArchkathKR Bd. 115, 1935, S . I i i . ; Liermann, Staat, S.64; Koellreutter, AöR N.F. Bd. 15, 1928, S. 25; wohl auch Kahl, Redit und Staat, S.386; Heute: Friedrich, Kirchenrecht, S.490; Fischer, Trennung, S.209. i i Friedrich, a.a.O. ** Israel, Reich-Staat-Kirche, S.28; Glade, Diss., S. 61 f.; Zündorf, Diss., S. 11 ff. » Glade, a.a.O., S. 61.
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
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ohne weiteres, daß an die Stelle der wiederkehrenden stets eine einmalige Leistung treten müsse"*4. Dennoch soll der normative Aussagegehalt der Ablösungsbestimmung eine Rentenentschädigung als Ablösungsentschädigung ausschließen, denn „in unserem Fall ist eben nur an eine Entschädigung durch eine einmalige Leistung des Staates gedacht"24. Das Wiedererscheinen von Leistungen im Etat wünsche „man" 25 vermieden zu sehen. Der Wille des Verfassunggebers sei auf Trennimg von Staat und Kirche gerichtet gewesen und diese zu verwirklichen, sei Ziel des Art. 1381 WRV2·. Ebenfalls vom Begriff Ablösung im Sinne von Umwandlung geht Zündorf aus27. Jedoch leitet er die dem Begriff widersprechende Normaussage des Ablösungsgebotes aus dem System und den Grundprinzipien des Staatskirchenrechtes her: Religionsfreiheit, Verbot des Staatskirchentums und Paritätsgrundsatz lassen seiner Ansicht nach nur eine abschließende Ablösung zu. Ohne diese Aussage wäre die Verfassungsvorschrift zudem Selbstzweck, da sich letztlich nichts geändert habe. „Ratio des Art. 1381 und Wesen der Ablösungsvorschrift" 28 erforderten daher eine einmalige Ablösungsleistung28. Die Inkongruenz von Begriffsinhalt und Normaussage, die nur auf einer Gedankenlosigkeit des Verfassunggebers oder auf dessen sprachlichem Unvermögen, seinen Willen klar zu formulieren, beruhen kann, wird hier mit Hilfe der aus dem subjektiven Willen des Verfassunggebers oder staatskirchenrechtlichen System gewonnenen, nach dieser Ansicht eindeutigen Normaussage behoben. b) Kritik
aa) Systemimmanente Kritik α) Widerspruch zwischen Sinn der Ablösungsvorschrift und Ergebnis in der herrschenden Lehre Sinn der Ablösungsvorschrift ist nach herrschender Lehre, „die durch die historischen Leistungsbeziehungen vermittelte gegenseitige Abhängigkeit von Staat und Kirche" 29 zu lockern und möglichst weit" Israel, a.a.O., S. 28. 25 Israel, a.a.O.: Wer sich hinter „man" verbirgt, bleibt unklar. Da Israel jedoch das Ablösumgsgebot vorwiegend mit Hilfe der Entstehungsgeschichte interpretiert, ist mit „man" sicherlich der Verfassunggeber von Weimar gemeint. *e Glade, a.a.O., S. 62. *7 Diss., S. 17 ff. «8 a.a.O., S. 19 f. Dabei ist „Ratio des Art. 138 I und Wesen der Ablösungsbestimmung" ein nichtssagender Pleonasmus. « W. Weber, Ablösung, S. 37.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
gehend aufzulösen. Jedoch nicht völlige Beseitigung der finanziellen Leistimgsbeziehungen, sondern nur Entflechtung beider Vermögenssphären sei ihr Ziel 80 . Daher sei audi die Rentenablösung eine dem Sinn und Wortlaut des Art. 138 entsprechende Ablösung. Jedenfalls werde auch durch die Umwandlung der Staatsleistungen in eine Geldrente das staatliche Kultusbudget abgeschafft 81. Die Argumentation ist jedoch in sich widersprüchlich. Zwar bewirkt audi eine Rentenablösung eine — wenn audi begrenzte — Entflechtung: Uber die festen Geldrenten könnten die Kirchen frei verfügen und die bis 1919 mit den Staatsleistungen verbundene und mit ihrem Bestehen begründete Staatsaufsicht entfiele". Der Staat hätte nur eine feste und bleibende Rente zu zahlen; die in ihrem Ausmaß schwankenden Bedürfnisleistungen wären entfallen. Gleichzeitig hätte eine solche Umwandlung die während der Weimarer Zeit häufigen Streitigkeiten um Bestehen und Umfang der Staatsleistungen behoben88 und die Verwaltungskosten gesenkt. Das staatliche Kultusbudget, dessen Abschaffung Ziel des Art. 1381 WRV sein soll, entfällt jedoch gerade nicht, wenn die Staatsleistungen in jährlich in den Etat aufzunehmende Geldrenten umgewandelt werden. Unklar bleibt auch, inwiefern „die durch die historische Leistungsbeziehung vermittelte gegenseitige Abhängigkeit von Staat und Kirchen" 84 , die für den Staat doch im wesentlichen in seiner finanziellen Gebundenheit durch wiederkehrende Leistungen besteht, durch eine solche Ablösung gelockert wird. ß) Zu Webers Argumentation Da W.Weber unausgesprochen davon ausgeht, daß im allgemeinen oder juristischen Sprachgebrauch der Begriff Ablösung mehrdeutig ist, versucht er, eine eindeutige Normaussage aus dem reichskirchen" Vgl. Berner, RPrVerw B1 51, 1930, S.88; Weber, a.a.O., S.37ff.; Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 228; Kern, Staat und Kirche, S. 119; Hesse, JÖR N.F. Bd. 10, 1961, S. 59; Ridder, AöR Bd. 80, 1955/56, S. 152; Geller/ Kleinrahm/ FleckjLentz, A r t 21 NRW Anm. 5 (S. 167); Spreng/Bim/Feuchte, Art. 7 BW Anm. 3 (S. 55). « Berner, RPrVerw B1 51, 1930, S.88. — Dagegen besteht nach Ansicht von Κα/il (Recht und Staat, S. 386) und Schoen (Verfassungsrecht, S.27; VerwA Bd. 29, 1922, S. 14) das staatliche Kultusbudget so lange, als jährliche Leistungen nach Maßgabe des Etats an die Kirchen erbracht werden. « Vgl. dazu vor 1919 v. Rönne, Staatsrecht I (1. Aufl.), S. 640; v. SchulzeGaevernitz, Staatsrecht I I (2. Aufl.), S. 561. Siehe auch die Ausführungen des Abg. Kahl (DVP), StenBer NatVers Bd. 328, S. 1647 D; ders., Recht und Staat, S. 386; Schoen, VerwA Bd. 29, 1922, S. 21. « Vgl. vorn S. 12 Anm. 18.
« W. Weber, a.a.O., S. 37.
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
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rechtlidien System herzuleiten. Art. 138 WRV sei Bestandteil des Reichskirchenrechts, das insgesamt auf Distanzierimg, nicht aber auf völlige Trennung von Staat und Kirche gerichtet sei. Daher könne auch Ablösung nicht im Sinne einer endgültigen Trennung verstanden werden. Allerdings trennt das Reichskirchenrecht Staat und Kirche nicht völlig und w i l l audi beide nicht trennen. Doch diese unvollkommene Trennung liegt nicht als Grundsatz jeder Norm zugrunde, so daß für die Auslegung staatskirchenrechtlidier Normen der Satz gelten könnte: in dubio contra separationem. Vielmehr heben einige Normen bisherige Verbindungen von Staat und Kirchen grundsätzlich und endgültig auf (Art. 1371, 137 I I I S. 2 WRV), während andere bisherige Verbindungen aufrecht erhalten werden (Art. 137 V WRV). Daß Staat und Kirche durch das Reichskirchenrecht nicht völlig getrennt sind, ist daher als Beschreibung des geltenden Rechtszustandes zutreffend, als normschöpfendes Prinzip oder Auslegungsmaxime staatskirchenreditlicher Normen in dieser Allgemeinheit jedoch unbrauchbar. γ) Die Änderung der Normsituation Für eine — ζ. T. vorgenommene — normschöpferische Interpretation von der Änderung der Normsituation her, deren grundsätzliche Problematik hier nicht untersucht werden kann 88 , bietet die Ablösungsvorschrift keine Gelegenheit, weil die Geltungsbedingungen des Art. 138 I WRV, die für und bei der Normaussage vorausgesetzt wurden, zumindest während der Weimarer Zeit sich nicht wesentlich geändert hatten. Schon 1919 war die Wirtschaftslage der Länder schwierig, und dies wurde auch in der Nationalversammlung angesprochen88. Doch selbst wenn die bei Erlaß des Art. 1381 WRV vorausgesetzte Situation sich geändert hätte, so bestand kein Anlaß, das Normgebot der Ablösungsvorschrift zu korrigieren 87 : Wenn auch die Ablösung nicht in das Ermessen der Länder gestellt war, so konnten sie doch deren Zeitpunkt wählen. Für die Zeit ihrer Finanzknappheit konnten sie mit der Erfüllung des Ablösungsgebotes warten, bis sie über das nötige Kapital verfügten 88. Die Finanznot hemmte die Erfüllung des Ablösungsgebotes, machte es aber nicht dauernd unmöglich. Überdies ist mit dem Ablösungsgebot, das nach dieser Ansicht an sich auf völlige finanzielle Trennung abzielte, auch vereinbar eine ratenweise Zahlung der Entschädigungssumme, wenn nur die Summe selbst feststand. Die Alternative lautete also nicht: „ewige Rente" oder w Vgl. dazu Larenz, Methodenlehre, S. 264 f t m. w. Ν. * Vgl. Abg. Spahn (Ζ), ProtVerfA Bd. 336, S. 205. So aber Bredt, Kirchenrecht II, S. 120; Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S. 88; Ridder, AöR Bd. 80, 1955/56, S. 152. se So mit Recht Kahl, Recht und Staat, S. 386.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
„einmalige Kapitalabfindung", sondern evtl. ewige oder befristete Rente. Ö) Die Inkongruenz von Begriffsinhalt und Normaussage Zumindest bemerkenswert ist die Ansicht, die Ablösung als Umwandlung versteht, aber aus Entstehungsgeschichte und System die vom Verfassunggeber eigentlich gewollte Normaussage rekonstruiert, die sich mit dem Begriffsinhalt nicht deckt: Sagt doch der Verfassimggeber regelmäßig, was er will. Wollte der Verfassunggeber von 1919 die endgültige Trennung von Staat und Kirche auf vermögensrechtlichem Gebiet verwirklichen, so ist zunächst davon auszugehen, daß er dies auch mit dem Begriff Ablösung ausdrücken wollte. Selbst wenn also Ablösung im allgemeinen Sprachgebraudi Umwandlung bedeutet und grundsätzlich Rente und Kapitalabfindung als Ablösungsentschädigung zugelassen sind, so hätte trotzdem der Verfassunggeber für sich den allgemeinen Sprachgebrauch einschränken und die Ablösung der Staatsleistungen durch Umwandlung in eine einmalige Kapitalabfindung vorschreiben können. Darüber hinaus bleibt hierbei offen, warum der Verfassunggeber zu dem im Staatskirchenrecht neuen und ungewöhnlichen Ausdruck „Ablösung" greift, wenn einerseits dieser Begriff lediglich Umwandlung bedeutet und daher auch eine Entschädigung in Renten zuläßt, andererseits durch die Ablösungsvorschrift die endgültige Trennung von Staat und Kirche zum Verfassungsbefehl erhoben werden soll, der nur eine einmalige Kapitalabfindung entspreche59. Die Berufung auf ein dem Art. 1381 zugrundeliegendes Trennungsgebot ist zumindest solange unberechtigt, als nicht die prinzipielle Trennung von Staat und Kirchen im Staatskirchenrecht allgemein oder auf finanziellem Gebiet insbesondere nachgewiesen wird. Seinem Wortlaut nach erfaßt Art. 1381 WRV nur die „auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstitel beruhenden Staatsleistungen". Andere denkbare Leistungsbeziehungen, vermittelt z.B. durch Ermessenszuschüsse, mittelbare Zuwendung von Vermögensvorteilen 40, sind *· Vgl. Israel, Reich-Staat-Kirche, S.28; Glade, Diss., S. 62; Zündorf, Diss., S. 19f.; Schoen, Verfassungsrecht, S.23, 27; ders., VerwA Bd. 29, 1922, S. 13f.; in diesem Sinne wohl audi Kahl, Redit und Staat, S. 386, denn „Staat und Kirche (sind) nicht getrennt, solange Kultusbudgets bestehen". Audi Huber, Garantie, S. 60, stützt seine Definition der Ablösung neben der (unbewiesenen) Entwicklung aus dem Begriff auf die ratio des A r t 138 I WRV. Nicht verboten von A r t 1381 WRV ist nach heute einhelliger Meinung audi die Neubegründung von Staatsleistungen: C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 34; Huber, Garantie, S.5f.; Geller/Kleinrahm/Fleck/Lente, Art. 21 NRW Anm. 6 (S.168); Hesse, JöR N.F. Bd. 10, 1961, S.59f, Umstritten ist nur ob neubegründete Staatsleistungen der Ablösungspflicht unterliegen (so z.B. Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S.85), ob sie nach
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
nicht erwähnt. Art. 1381 WRV ist zunächst also nur Teilregelung auf finanziellem Gebiet. Für den finanziellen Bereich ist ausdrücklich eine Pflicht zur Auflösung des bisherigen vermögensrechtlichen Zusammenhaltes nicht ausgesprochen. Ob sie überhaupt vorgeschrieben ist, läßt sich nur durch Auslegung des Art. 1381 WRV, evtl. auch durch Rückgriff auf ein prinzipielles Trennungsgebot für Staat und Kirchen ermitteln. Dodi weder das Reichskirchenrecht nodi das Grundgesetz haben Staat und Kirche grundsätzlich voneinander getrennt. Der Rückgriff auf die nur modifizierte Trennung ist daher als Auslegungshilfe für Art. 1381 WRV ungeeignet; in Zweifelsfällen — wie diesem — ist gerade zu klären, ob die betreffende Norm dem Trennungsprinzip zuzuordnen oder trennungsneutral ist. Solange nicht also nachgewiesen ist, daß eine Trennung auf finanziellem Gebiet von der Verfassung gefordert ist, bleibt die Berufung auf ein finanzielles Trennungsgebot, um die Notwendigkeit einer einmaligen Ausgleichsleistung nachzuweisen, petitio principii: Die Rentenablösung ist unzulässig, weil Art. 1381 WRV die grundsätzliche finanzielle Trennung von Staat und Kirchen zugrunde legt. Diese grundsätzliche Lösung von Staat und Kirchen bringt Art. 1381 WRV aber nur dann zum Ausdruck, wenn die Ablösungsvorschrift eine einmalige Kapitalabfindung vorschreibt und die Rentenentschädigung ausschließt. bb) Kritik der begrifflichen Prämissen Einigkeit über die verfassungsrechtliche Eindeutigkeit des Begriffes Ablösung besteht mit Ausnahme von W.Weber, heftiger Streit allerdings darüber, mit welchem Inhalt der Begriff eindeutig ist. Vorwiegend wird Ablösung als Umwandlung verstanden. Nur einer allerdings in der Minderheit befindlichen Meinung bedeutet Ablösung Trennung. Schon der Streit um den Begriffsinhalt legt nahe, daß der Begriff Ablösung an sich — d. h. vor aller Positivierung in der Verfassung — durchaus nicht eindeutig ist. So wird denn auch im allgemeinen Sprachgebrauch Ablösung mit verschiedenen Bedeutungen gebraucht. Art. 138 II, 153 WRV (heute Art. 14 GG) gewährleistet sind (so z. B. Huber, Garantie, S. 98f.; Glade, Diss., S. 61) oder nur als jederzeit widerrufliche Leistungen begründet werden können (so Koellreutter, AöR N.F. Bd. 15,1928, S. 31 f.). Grundsätzlich gegen die Neubegründung von Staatsleistungen nur Israel, Reich-Staat-Kirche, S.20ff., der jedoch das Verbot nur als Programmsatz betrachtet (S.22); so auch Meißner, Staatsrecht, S.304 (ohne Begründung) und Schoen, VerwA Bd. 29, 1922, S. 30. Vgl. zu dieser Frage insgesamt unten unter III.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
Ablösung kann heißen „lösend trennen", „lösend aufhören machen" oder aber „eine Stelle ersetzen" 41. Im allgemeinen Sprachgebrauch kann Ablösung daher sowohl Umwandlung wie audi Trennung bedeuten. Im ersteren Sinne versteht die herrschende Lehre Ablösung; im letzteren die Mindermeinung. Beide Auslegungen werden durch den — in dieser Hinsicht interessanten — mehrdeutigen Sprachgebrauch gedeckt. Die sprachliche Doppeldeutigkeit des Begriffes Ablösung, die von niemandem außer von W. Weber erkannt wird und auf die audi Weber nicht ausdrücklich hinweist, könnte jedoch unerheblich sein. Auf die sprachliche Mehrdeutigkeit käme es jedenfalls dann nicht an, wenn Ablösung im juristischen Sprachgebrauch einen eindeutigen Inhalt besitzt und der Begriff Ablösung mit diesem Inhalt Eingang in die Verfassung gefunden hat. In diesem Falle könnte auch die Richtigkeit der Weberschen Argumentation, der als einziger Inzident von der oben aufgezeigten Mehrdeutigkeit des Begriffes Ablösung ausgeht, dahingestellt bleiben. Alles weitere hängt daher zunächst davon ab, ob es einen einheitlichen juristischen Sprachgebrauch gibt, der auch dem Verfassunggeber bekannt war. 3. Der Begriff der Ablösung im juristischen Sprachgebrauch
Im Jahre 1919, als der Verfassunggeber den Begriff Ablösung wählte, um die entschädigungspflichtige Aufhebung von Staatsleistungen zu umschreiben, war der Begriff der Ablösung der deutschen Rechtssprache schon bekannt: § 1199 I I BGB sieht die Ablösung von Rentenschulden vor 42 . Auch das Gewerbe- 48 und Agrarrecht 44, Teilgebiete des « Vgl. Heyne, Wörterbuch, v. „Ablösen44. « §1199 I I BGB: „Bei der Bestellung der Rentenschuld muß der Betrag bestimmt werden, durch dessen Zahlung die Rentenschuld abgelöst44werden kann. Die Ablösungssumme muß im Grundbuch angegeben werden. Auch ein modernes Gesetz gebraucht übrigens den Begriff Ablösung: S199 I LAG: „Der Abgabenschuldner kann noch nicht fällige Leistungen auf die Vermögensabgabe, die Hypothekengewinnabgabe und die Kreditgewinnabgabe jederzeit ganz oder in Teilen ablösen.44 « 8β I GewO: „Vom gleichen Zeitpunkt (97) ab unterliegen . . . der Ablösung 1. diejenigen Zwangs- und Bannrechte . . . 2. das Recht .. ** I m Agrarrecht wurden die Reallasten der Ablösung unterworfen. Für Preußen führten zu einer Lösung der seit Anfang des 19. Jahrhunderts heftig diskutierten Ablösungsprobleme das Ablösungsgesetz vom 2.3.1850 (GS S. 112). Den Umfang und die Bedeutung der Landeskulturgesetzgebung, als deren wichtigstes Problem 1850 die Ablösung der Reallasten verblieb, läßt die 3-bändige, 2 809 Seiten umfassende kommentierte Gesetzessamm-
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
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öffentlichen Redits, regelten die Ablösung bestimmter Leistungsbeziehungen, und gerade auf diesem Gebiet hatte das Institut der Ablösung besondere Bedeutung bis ins 20. Jahrhundert erlangt und erhalten. a) Der Ablösungsbegriff
im BGB
Nach § 1199 I I BGB muß bei der Bestellung der Rentenschuld der Betrag angegeben werden, durch dessen Zahlung die Rentenschuld abgelöst werden kann. Die Rentenschuld verpflichtet den Eigentümer eines Grundstückes, eine Geldrente an wiederkehrenden Terminen aus dem Grundstück an den Rentensdiuldgläubiger zu zahlen. Zwischen Eigentümer und Gläubiger besteht ein auf Dauer angelegtes Rechtsverhältnis. Dieses Rechtsverhältnis kann der Eigentümer jederzeit durch die Zahlung der feststehenden Ablösungssumme aufheben. Die Ablösung, d.h. Zahlung der Ablösungssumme, beendet dieses Rechtsverhältnis, wenn auch die Rentenschuld als Eigentümer-Rentenschuld fortbesteht. Ablösung ist Aufhebung einer ewigen Leistungsverpflichtung durch eine einmalige Ausgleichsleistung. b) Die Ablösung im öffentlichen
Recht
Daß die Ablösung von Rentenschulden nur durch eine einmalige Ausgleichsleistung, die vorher vereinbarte Ablösungssumme, vorgenommen werden kann und die durch die Rentenschuld vermittelte Abhängigkeit vollständig beseitigt wird, folgt schon aus dem Gesetzeswortlaut und erscheint angesichts des Inhaltes der Verpflichtung, eine bestimmte Geldsumme an regelmäßig wiederkehrenden Terminen zu leisten, als einzig sinnvoll. Hier kann Ablösung nur heißen, daß durch Kapitalisierung der Geldrente das Leistungsverhältnis zum Erlöschen gebracht wird. Staatsleistungen sind jedoch nicht nur feste regelmäßige wiederkehrende Geldschulden. Neben ungemessenen Geldschulden, deren Inhalt meist durch das kirchliche Bedürfnis festgelegt wird, stehen Naturallung von v. Lette und Rönne ermessen. (Die Landes-Kultur-Gesetzgebung des Preußischen Staates, Berlin 1853/54.) Nachdem während der Restauration in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Ablösung der Reallasten fast zum Stillstand gekommen war, hatten die von Reformern und Liberalen geforderte Ablösung die Frankfurter Grundrechte wieder aufgegriffen: S188: „Alle auf Grund und Boden haftenden Abgaben und Leistungen sind ablösbar. Es soll fortan kein Grundstück mit einer unablösbaren Abgabe oder Leistung belastet werden." Im Anschluß daran bestimmte A r t 4 2 I S.2 PrVerfUrk: „Die Teilbarkeit des Grundeigentums und die Ablösbarkeit der Grundlasten wird gewährleistet." Diese Garantie erledigte sich durch die oben zitierten Gesetze. Zur Notwendigkeit der Ablösung vgl. unten S. 90 Anm. 105.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
leistungen, wie ζ. B. die Erfüllung der Baupflicht und die Bereitstellung von Dienstgebäuden45. Hier wäre auch die Festsetzung einer festen Geldrente sinnvoll, und damit ist diese von der Sachlage her als eine der Ablösung adäquate Entschädigungsform nicht ausgeschlossen. Ablösung braucht hier nicht zu einer endgültigen Lösung der durch Leistungsbeziehungen miteinander verknüpften Rechtssphären führen. aa) Begriff der Ablösung in der Gesetzgebung Einen vergleichbaren Sachverhalt unterwarfen die Ablösungsgesetze des 19. Jahrhunderts und die Gewerbeordnung der Ablösung. Audi hier sollte eine Vielzahl von Leistungsbeziehungen heterogensten Inhalts „abgelöst" werden 46. Die Ablösung der Reallasten wurde — von wenigen Ausnahmen abgesehen — in dem Ablösungsgesetz vom 2.3.1850 und in dem Rentenbankgesetz desselben Tages endgültig und abschließend geregelt 47. § 6 Ablösungsgesetz erklärte die Reallasten für ablösbar. Was Ablösung war, ergab sich aus den §§64 ff. Ablösungsgesetz und §2 Rentenbankgesetz. Nach §641 konnte der nach anderen Paragraphen „festgestellte Geldbetrag (erg. der abzulösenden Reallasten) . . . durch Baarzahlung des achtzehnfachen Betrages an den Berechtigten abgelöst werden". Falls der Verpflichtete eine solche Kapitalzahlung nicht vornehmen konnte oder wollte, verwies § 64 I I I auf das Rentenbankgesetz. Dessen §2 bestimmte, daß „die Ablösung durch die Rentenbanken erfolgt(e), sobald die Reallasten in feste Geldrenten verwandelt worden sind, dadurch, daß die Bank den Berechtigten gegen Überlassung der Geldrente für das zu deren Ablösung erforderliche Kapital . . . durch Schuldverschreibungen abfindet". Das Gesetz unterschied zwei 45 In den neueren Kirchenverträgen und Konkordaten ist letztere Verpflichtung in einigen Ländern abgelöst worden durch eine einmalige Ausgleichsleistung : Art. 17 ndsKV; Art. 16 ndsKonk; Art. 6, 7 hessevglKV; Art. 2,3 hesskathKV; Art. 19, 20 schlhKV; A r t 7, 8 rhpfKV; Vereinbarung zwischen dem Lande NRW und der lipp. Landeskirche vom 26. November 1959 (abgedruckt bei W. Weber, Konkordate und Kirchenverträge, S. 278 f.). Hinweis auf weitere unveröffentlichte Ablösungsvereinbarungen bei A. Hollerbach, Verträge, S. 34 Nr. 2, 37 Nr. 3. 46 Der Ablösung unterlagen z.B. „gemessene", „ungemessene" und „walzende" Abgaben i n Geld oder Naturalien, Dienste, Naturalfruchtzehnte, Besitzveränderungsabgaben („Laudemien", „Lehnwaaren", „Antrittsgelder", „Gewinngelder") und andere Abgaben und Leistungen. Vgl. § 9 ff. Ablösungsgesetz. Diese Gesetze hatten zahlreiche Vorläufer, die aber infolge des starken Widerstandes insbes. der Großgrundbesitzer nie eine umfassende Ablösung zuwege brachten. Sog. Oktoberedikt vom 9.10.1807 (GS S. 170); Regulierungsedikt vom 14.9.1811 (GS S.281); Ablösungsordnung vom 7.6.1821 (GS S. 77); Ablösungsordnung vom 13.7.1829 (GS S.65).
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
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Akte: Die Feststellung des Geldwertes der Reallasten und die eigentliche Ablösung (durch den Verpflichteten oder durch die Rentenbank). Nach § 2 Rentenbankgesetz war die „Feststellung" nicht deklaratorisch, sondern Fixierung des Geldwertes der Reallasten und deren Umwandlung in feste Geldrenten durch konstitutiven Hoheitsakt48. Dies bebewirkte der Ablösungsrezeß, ein auf Antrag eines Beteiligten in einem gerichtsförmigen Verfahren erlassener Verwaltungsakt 49. Durch die Ablösung im engeren Sinne wurden die in Geldrentenschulden umgewandelten Rechtsbeziehungen aufgehoben, indem der Verpflichtete die Ablösungssumme, d.h. die kapitalisierte Geldrente, an den Berechtigten zahlte. Die Ablösung beseitigte das zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem bestehende Rechtsverhältnis endgültig und vollständig. Sie konnte begrifflich und sinnvollerweise nur durch eine einmalige Ausgleichsleistung geschehen. bb) Der Begriff der Ablösung in der Literatur Entgegen der gesetzlichen Systematik unterschied die zu diesen Gesetzen entstandene Literatur 80 nicht scharf zwischen der Ablösung im engeren Sinne und dem Verwaltungsakt, der die Reallasten in Geldrenten verwandelte. Sie verstand unter Ablösimg den Gesamtvorgang der Aufhebung vermögenswerter Leistungen51 und sah die Aufhebung dieser Leistungen gegen Entschädigung in dem Hoheitsakt selbst schon verwirklicht 52 . Die falsche Etikettierung war erklärlich: Das Gesetz selbst und der betreffende Abschnitt war mit „Ablösung der Reallasten" überschrieben. Ablösung wurde hier nicht im Sinne der gesetzestechnischen Durchführung als letzter Schritt auf dem Wege zur endgültigen Abschaffung bisheriger Leistungsbeziehungen, also als Kapitalisierung der durch 48 Die bayr. Gesetze differenzierten genauer zwischen Fixierung, Umwandlung und Ablösung; vgl. Seydel, Staatsrecht Bd. V, 2, S. 573 f. 49 I n der Verwaltungsrechtslehre war umstritten, ob der Ablösungsrezeß Verwaltungsakt oder privatrechtlicher Vertrag war: vgl. MeyerjDochow, Verwaltungsrecht (3. Aufl.), S. 384; v. Stengel, Verwaltungsrecht, S. 355 einerseits; anders Holzapfel, VerwA Bd. 16, 1908, S . I f f . m.w.N. Muster eines Ablösungsrezesses bei Dessin, Regulierungs- und Separationsrezesse, S. 101 bis 108. 50 Mit der Ablösung beschäftigen sich die Verwaltungsrechtslehrbücher von Meyer/Dochow (3. Aufl., S. 380 ff.); Roesler (Bd. 1,1. Abt., S. 375); v. Stengel (S.350ff.); Loening (S.349ff.); F.F. Mayer (S.412ff.); Layer, Enteignungsrecht, S. 29 ff. Vgl. auch die Artikel „Ablösung" von v. Rotteck (S. 26 ff.); Loening (S. 10 f.); GlatzeljPeltzer (S. 26ff.); Peltzer (S. 5 ff.); Bruder (Sp. 40 ff.). 61 So Bruder, a.a.O., Sp.40: „Befreiung von Verpflichtungen irgendwelcher Art gegen Entschädigung kraft öffentlichen Rechts"; MeyerjDochow, Verwaltungsrecht (4. Aufl.) S. 238: „Aufhebung der Lasten gegen Entschädigung, hat demnach den Charakter einer Enteignung." M Meyer/Dochow, a.a.O. (3. Aufl.), S.380; Roesler, a.a.O., S.375, 377; Loening, a.a.O., S. 354; ders., „Ablösung", S. 10; Bruder, „Ablösung", Sp. 40 f.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
Hoheitsakt festgestellten Geldrente verstanden, sondern in einem weiteren Sinne als Bezeichnung des Gesamtvorganges gebraucht. Zudem interessierte die Juristen an dem zweistufigen Ablösungsvorgang allein der Hoheitsakt, der in die bisherigen Rechtsverhältnisse eingriff und sie umgestaltete53. Er allein war rechtlich und tatsächlich problematisch. Seine Rechtsnatur war umstritten 54 ; es war äußerst schwierig, die Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten festzustellen und den Gegenwert von Reallasten verschiedensten Inhalts und Umfangs zu ermitteln. Waren die Rechtsverhältnisse festgestellt, ihr Geldwert ermittelt und durch den Hoheitsakt fixiert, stand kraft der gesetzlichen Multiplikatoren 55 die Ablösungssumme fest. In der Praxis wurde sie daher auch der Einfachheit halber in den Ablösungsrezeß selbst aufgenommen 58. Die eigentliche Rechtswirkung des Ablösungsrezesses, nämlich die Umwandlung der Reallasten in feste Geldrenten trat in der Wirklichkeit zurück. Da die Ablösungssumme in den Rezeß aufgenommen wurde, sie als Entschädigung für die — angeblich schon aufgehobenen, in Wirklichkeit erst umgewandelten — Reallasten erschien, definierte man Ablösimg als Aufhebung gegen Entschädigung57. Aus dem zweistufigen Vorgang — Umwandlung durch Hoheitsakt und Ablösung i. e. S. — wurde die Ablösung, aus der kapitalisierten Geldrente die Entschädigung. Entschädigung war jedoch immer nur die Ablösungssumme, also eine einmalige Ausgleichsleistung. Auch im öffentlichen Recht war also Ablösung Aufhebung vermögenswerter Leistungen gegen eine einmalige Ausgleichsleistung. Sie war Trennung der rechtlichen Beziehungen zwischen zumindest zwei durch Dauerleistungen verbundene Rechtssubjekten58.
88 So ausdrücklich Roesler, a.a.O., S. 368. m Vgl. Anm. 40. M Bei Barzahlung durch den Verpflichteten das Achtzehnfache, bei Ablösung durch die Bank das Zwanzigfache (9 64 Abs. 1 ,4 Ablösungsgesetz). M Vgl. das Muster bei Dessin, Regulierungs- und Separationsrezesse, S. 101 ff. 87 Vgl. auch Anm. 51 und die Legaldeflnition in § 1 der Ordnung wegen Ablösung der Reallasten . . . vom 13.7.1829 (GS S. 65): „Die Ablösung dieser Reallasten, d. h. die Aufhebung derselben gegen Entschädigung .. M Vgl. auch die genaue Differenzierung zwischen Umwandlung und Ablösung im Gesetz betreffend die Ablösung der Geistlichen und Schul-Instituten . . . zustehenden Realberechtigungen vom 27. April 1872 (GS S.417). 9 3„Alle Realberechtigungen sind . . . auf Antrag . . . i n eine Roggenrente zu verwandeln.*4 9 444„Die nach 9 3 ermittelten . . . Renten können auf Antrag . . . abgelöst werden. 9 10 „Die Provokation (d. h. der Antrag) auf Umwandlung (93) oder Ablösung (94) .
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
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4. Das Ablösungsgebot and der Grundsats der Parität Im Staatddrchenredit
Mit einem so verstandenen Ablösungsbegriff ist die Entschädigung in Form einer ewigen Rente unvereinbar. Zur Begründung ihrer Aussicht kann die herrschende Lehre daher nicht auf den Ablösungsbegriff im juristischen Sprachgebrauch sich berufen. Darüber hinaus spricht gegen die herrschende Lehre auch der im Staatskirchenrecht geltende Grundsatz der Parität 59 . Dieser Grundsatz, positiviert schon in Art. 137 V WRV und heute verstärkt insbesondere durch Art. 3 ΠΙ, 33 I I I GG, will die Gleichbehandlung aller öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften sicherstellen und die Imparität zwischen Kirchen und Religionsgesellschaften, wie sie vor 1919 allgemein rechtens und üblich war, endgültig abschaffen. Diese unparitätische Behandlung ließ sich in hervorragendem Maße an der Verteilung der Staatsleistungen ablesen. Infolge der Nichterfüllung des Ablösungsgebotes besteht auch heute noch die Imparität auf diesem Gebiet60. Heute steht allen Religionsgesellschaften ein Rechtsanspruch auf Verleihung des Korporationsstatus zu 61 . Diese „neurechtlichen" Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts haben Anspruch auf paritätische Behandlung, und ihnen sind daher alle mit diesem Status verbundenen Rechte zugänglich, sofern sie auf der Körperschaftsqualität beruhen". Die vor 1919 wohl herrschende Privilegientheorie· 3 sah den Inhalt des Körperschaftsbegriffes in der Summe der Vorrechte, die bisher allein den Kirchen als einzigen Körperschaften des öffentlichen Rechts zugekommen waren. Regelmäßig an erster Stelle wurden hier die Staatsleistungen genannt64. In konsequenter Durchführung des Paritäts59 Ausführlich zum Grundsatz der Parität neuestens M. Heckel, Staat — Kirche —Kunst, S. 210 ff. m.w.N. w Vgl. oben S. 11 Anm. 14, S. 29f. Allein die sog. 131-er-Abkommen wurden auch mit einigen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften abgeschlossen (Hollerbach, Verträge, S.5; vgl. vorn S.9 Anm. 2). Vgl. aUerdings auch die hinten Anm. 70 zitierte Erläuterung zum bayer. Haushaltsplan. el Art. 137V S.2 WRV: „Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten." ** Vgl. dazu ausführlich H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 92 ff., 108 ff. m. w. N. ·« Zorn, Kirchenrecht, S. 220 f.; Kahl, Lehrsystem I, S.3401; Anschütz, Verfassungs-Urkunde, S.300f.; Schoen, VerwA Bd. 6, 1898, S. 122 ff.; ders., Kirchenrecht I, S. 172 ff. Diese Autoren lehnen zwar die Anwendung des Körperschaftsbegriffes auf die Kirchen ab, dies aber deshalb, weil sie einen materiellen Körperschaftsbegriff entwickelt haben, der auf die Kirchen nicht paßt. Die hervorgehobene Stellung der Kirchen fassen sie unter dem Begriff Landeskirche (Zorn, Schoen) oder qualifizierte Korporation (Kahl) zusammen " Zorn, a.a.O., S. 221 f.; Schoen, VerwA Bd. 6, 1898, S. 183 f.; ders., Kirchenrecht I, S. 173.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
gedankens hätten daher — zumindest nach damaliger Anschauung — die Staatsleistungen auf alle fortan entstehenden Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts ausgedehnt werden müssen®5. Auf dem Gebiet der Staatsleistungen hat die Verfassung jedoch den Paritätsgrundsatz in anderer Form durchgeführt: Sie hat die Staatsleistungen besonders in Art. 1381 WRV geregelt und damit klargestellt, daß Staatsleistungen keine Körperschaftsrechte im Sinne von Art. 137 V 2 WRV sein sollen". Im Gegensatz zu den von Art. 137 V WRV erfaßten Körperschaftsrechten war der Verfassimggeber nicht gewillt, über die bisher gewährten Staatsleistungen hinaus diese auf alle anderen Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts auszudehnen67. Andererseits sollten diese Religionsgesellschaften paritätisch behandelt werden. Die Parität ließ sich nur herstellen, indem die Staatsleistungen zugunsten der Religionsgesellschaften aufgehoben wurden 68 . Art. 1381 WRV, der die Staatsleistungen von der Körperschaftsgarantie ausnimmt, soll erreichen, daß durch und nach der Ablösung der Staatsleistungen die Kirchen, die bisher als einzige finanzielle Unterstützung in dieser Form erhielten, den anderen Religionsgesellschaften gleichgestellt sind68. Die Gleichstellung ist erst dann erreicht, wenn die Kirchen überhaupt keine Staatsleistungen — in bisheriger Form oder in Renten — erhalten 69»70. Mit Art. 1381 WRV als Ausdruck w So audi der Abg. Kahl (DVP), ProtVerfA Bd. 336, S.1901; vgl. aber audi hinten S. 99f. «β So Hollerbach, JZ 1965, S. 614, für die positiven Staatsleistungen, wenn er nur negative Staatsleistungen zu den gleichen Rechten zählt (S. 613). Audi H. Weber (Religionsgemeinschaften, S. 126) rechnet nur negative Staatsleistungen zu den gleichen Rechten. So der Abg. Kahl, a.a.O. 68 So auch Schoen, VerwA Bd. 29, 1922, S. 13 f.; Ebers, Staat und Kirche, S. 123; Geller/Kleinrahm/ Fleck/Lentz, A r t 21 NRW Anm. 7 (S.168f.); Zündorf, Diss., S. 6 ff. m. w. Ν. 69 Widersprüchlich Lentz, a.a.O.: „ . . . (es) ist aber das Ziel des Art.21 — ebenso wie des Art. 138 I WRV —, eine Gleichbehandlung (erg. von Kirchen und Religionsgemeinschaften) dadurch herbeizuführen, daß die Staatsleistungen abgelöst werden und damit für die Zukunft entfallen." — „Ablösung einer Staatsleistung bedeutet »Hingabe einer Leistung an Erfüllung Statt' . . . sie kann durch einmalige Leistung des Staates oder durch Zahlung einer Rente erfolgen." (Hervorhebungen vom Verfasser). Eine Rente verewigt jedoch die Ungleichbehandlung und führt gerade nicht zu einer Gleichbehandlung. 70 Anders allerdings die Erläuterung zu Kapitel 0587 (Zuschüsse an sonstige Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften) im Haushaltsplan des Bayr. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus für das Jahr 1969 (S. 589): „Aus Paritätsgründen behalten die altkatholische Kirche, das israelitische Bekenntnis und die freireligiöse Landesgemeinde in Bayern den Staatszuschuß von 3,07 DM je Bekenntnisangehörigen, wie diese an die katholische und evangelisch-lutherische Kirche in Bayern gewährt wird."
II. Die Ablösung bestehender Staatsleistungen
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des Paritätsgedankens ist nur eine einmalige Ausgleichsleistung vereinbar, nach der Kirchen und andere Religionsgemeinschaften öffentlichen Rechts gleichgestellt sind. Der Sinnzusammenhang, i n dem Normaussage des A r t . 1381 WRV steht, schließt daher eine Deutung des Begriffes Ablösung als U m wandlung aus. Dem juristischen Sprachgebrauch entsprechend verwendet die Verfassung den Begriff Ablösung i m Sinne einer Trennung. 5. Ablösung im Sprachgebrauch des Verfassunggebers von 1919 Daß auch der Reichsverfassunggeber von dem einheitlichen juristischen Ablösungsbegriff nicht abweichen wollte, belegt die Entstehungsgeschichte. Man interpretierte die Ablösungsforderung als „Forderung der Trennimg" 7 1 , berief sich auf die Trennung von Staat und Kirchen, wenn von der Ablösung die Rede w a r 7 2 ' 7 3 , und forderte höhere M u l t i plikatoren für die „Ablösungssumme" 74 . Die Länder wehrten sich heftig dagegen, daß der Staat „die Leistungen, die er als Rente hingibt, nun in Kapital ablösen muß" 7 6 . Darüber hinaus hat die Nationalversammlung selbst eine quasiauthentische Interpretation dessen, was sie unter Ablösung versteht in §6 Ziff. 2 Körperschaftsteuergesetz 76 gegeben 77 : Von der Körper7i Kahl (ProtVerfA Bd. 336, S. 190 f.): „Was . . . das Verhältnis der Religionsgemeinschaften zum Staat anbelangt, so kann der Staat bei der Forderung der Trennung nur ein praktisches Interesse haben, nämlich das finanzielle . . . Was die Staatsleistungen anbetrifft, . . . könnte (ihre Ablösung) nur mit Entschädigung infrage kommen." 7* So Abg. Naumann, DDP (ebendort, S. 200 t ) : „Bei der Trennung von Staat und Kirche kann der augenblickliche Stand unserer Valuta keine Rolle spielen." Von Art. 1381 als „Folgerung des Trennungsgedankens", wenn „auch in seiner gemäßigten, relativen Form", spricht auch der Abg. Mausbach (Z) als Berichterstatter des Verfassungsausschusses im Plenum (StenBer NatVers Bd. 328, S. 1645). 7» Denjenigen, die die Aufwendung öffentlicher Mittel für die Kirchen überhaupt verbieten wollten, war die Endgültigkeit der Ablösung selbstverständlich — so Abg. Meerfeld (SPD), ProtVerfA Bd. 336, S. 188; Abg. Kunert (USPD), StenBer NatVers Bd. 328, S. 1660 A, B. 74 So Abg. Spahn (Z), ProtVerfA Bd. 336, S. 205. 7» So der Bayr. Gesandte v. Preger, ProtVerfA Bd. 336, S. 205. 7β KörpStG vom 30.3.1920 (RGBl S. 393). 77 Zwar qualitativ und funktionell unvergleichbar, aber personell identisch war die Nationalversammlung beim Erlaß des Körperschaftsteuergesetzes einerseits und der Beratung und Beschließung über die Reichsverfassung andererseits, so daß die Bestimmung des §6 Ziff. 2 KörpStG Aufschluß darüber gibt, was die Mitglieder der Nationalversammlung unter Ablösung im Sinne von Art. 1381 WRV verstanden. Durch die weitere Fassung der Befreiungsvorschrift in 8 91 Ziff. 7 KörpStG vom 10. August 1925 (RG Bl. I, S. 208) wurde diese ausdrückliche Erwähnung der Ablösungsleistung überflüssig und geriet in Vergessenheit 6
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
schaftsteuer befreit sind . . . „die einmaligen Vermögensanfälle gelegentlich der Auseinandersetzung zwischen Ländern und Religionsgesellschaften" 78. 6. Zusammenfassung
Art. 1381 WRV gebraucht den Begriff „Ablösung" gleichbedeutend mit Trennung. Daß die staatskirchenrechtliche Ablösimg inhaltlich übereinstimmt mit der Ablösung des juristischen Spradigebraudis, beweist Entstehungsgeschichte und Sinnzusammenhang. Der staatskirchenrechtlichen Ablösungsforderung genügt daher allein eine abschließende einmalige Ausgleichsleistung, weil Ablösung im Sinne von Art. 1381 WRV die Aufhebung von Vermögenswerten, dauernden
Leistungsbeziehungen gegen eine einmalige Ausgleichsleistung bedeutet.
Ι Π . Die Neubegründung von Staatsleistungen
Unvereinbar mit einem so verstandenen Ablösungsgebot erscheint auf den ersten Bück eine Neubegründung von Staatsleistungen: Ist Ablösung Trennung und Sinn des Ablösungsgebotes Auflösung der finanziellen Verbindungen von Staat und Kirchen, so ist es zumindest sinnwidrig, die Aufnahme der eben beseitigten Verbindungen jederzeit wieder zuzulassen. Im Anschluß an die Untersuchung E. R. Hubers, nach dessen Ansicht die Aufnahme eines ausdrücklichen Verbotes durch das taktisch kluge Verhalten der Rechten und des Zentrums verhindert wurde 7·, läßt heute die fast einhellige Lehre dennoch die Neubegründung von Staatsleistungen uneingeschränkt zu 80 . 78 Hervorhebungen vom Verfasser; daraus, daß das Körperschaftsteuergesetz die einmaligen Vermögensfälle von der Steuerpflicht befreit, läßt sich entnehmen, daß man bei der Ablösungsentschädigung an eine einmalige Ausgleichsleistung gedacht hatte. Bestätigt wird dies durch die Befreiung der Kirchen von der Grunderwerbsteuer gemäß δ 21Π Grunderwerbsteuergesetz vom 12.9.1019 (RGBl S. 1617): „Die Steuer wird nicht erhoben bei dem Übergange von Eigentum . . . gelegentlich der Auseinandersetzung zwischen Ländern und Kirchen" (Aufrechterhalten in der Neufassung des Gesetzes vom 11.3.1927 — RGBl I S. 72). Diese Steuerbefreiung zeigt, daß man in der Nationalversammlung bei der Ablösung an eine Entschädigung in Grundeigentum dachte, die notwendigerweise einmaliger Art war. Auch verdeutlicht die hier gebrauchte Umschreibung der Ablösung V „Auseinandersetzung zwischen Ländern und Kirchen" —, daß Ablösung als endgültige Auflösung einer finanziellen Gemeinschaft verstanden wurde. τ* Garantie, S.5f. 80 i m Anschluß an Huber heute: Ridder, AÖR Bd. 80, 1956/96, S. 151; Hesse, JÖR N.F. Bd. 10, 1961, S.591; Zündorf, Diss., S. 1151; Süsterhenn/Schäfer, A r t 4 2 RhPf Anm.2d; GeUer/Kleinrahm/Fleck/Lentz, A r t 2 1 NRW Anm.6
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen Unter Herrschaft der Weimarer Reichsverfassung w a r diese Frage allerdings noch umstritten: Von einer vollständigen und endgültigen finanziellen Trennung von Staat und Kirchen ging C.Israel aus 81 . Vorwiegend aus der Entstehungsgeschichte, aber auch aus Sinn der Ablösungsbestimmung und den staatskirchenrechtlichen Grundsätzen des A r t . 1371 und 137 I I I WRV entwickelte er das Verbot, künftighin öffentliche M i t t e l für religiöse M i t t e l aufzuwenden. Einmalige und dauernde Leistungen, Ermessenszuschüsse und Pflichtleistungen wären demnach verboten. M i t dieser Ansicht ist Israel allein geblieben — jedoch nur i m Hinblick auf den Umfang des Verbotes. I n der praktischen Konsequenz folgte i h m weitgehend eine dritte Ansicht, die zwar Ermessenszuschüsse und einmalige Leistungen für zulässig, Staatsleistungen dagegen als Leistungen, die auf den Staat bindenden Rechtstiteln beruhen, für alle Zukunft für unzulässig hielt 8 2 . Nach dieser Ansicht hätte sich die Forderung von SDP und DDP, keine öffentlichen M i t t e l mehr für religiöse Zwecke aufzuwenden, weitgehend durchgesetzt 83 . (S. 168), der allerdings einerseits anderen Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts einen Anspruch auf Staatsleistungen abspricht, weil es „Ziel des A r t 2 1 . . . (sei), eine Gleichbehandlung dadurch herbeizuführen, daß die Staatsleistungen abgelöst werden und damit für alle Zukunft entfallen" (a.a.O., Anm. 7, S. 168), andererseits diesem Ziel widersprechend die Neubegründung von Staatsleistungen zugunsten von Kirchen zuläßt Gegen eine Neubegründung von Staatsleistungen (ohne Begründung) Schmidt-BleibtreufKlein, Art. 140 GG, Anm. 9. I n der Praxis ist es vereinzelt zur Neubegründung von Staatsleistungen gekommen; vgl. die oben S. 9 Anm. 1 zitierten Ablösungsabkommen des Bundes, § 7 Ruhrbistum und S1 nrwevglKV. Für die Weimarer Zeit vgl. C.Schmitt, Verfassungslehre, S.331; Ebers, Staat und Kirche, S.245; J. Heckel, AÖR N.F. Bd. 12, 1927, S.435; Hermann, Staat, S. 63; Glade, Diss., S. 60 f. ei Reich-Staat-Kirche, S. 18 ff. « Schoen, VerwA Bd. 29, 1922, S.30; Koellreutter, AÖR N.F. Bd. 15, 1927, S. 31 f.; Meißner, Staatsrecht, S.304; Hilling, ArchkathKR Bd. 107, 1927, S.401; heute nur Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 140 GG, Anm. 9. Bis zur Ablösung halten die Neubegründimg von Staatsleistungen für zulässig: Schoen, Verfassungsrecht, S.28; Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S.89; Fittges, Diss., S. 70. m Vgl. Punkt 6 des Erfurter Programmes der SPD von 1891 (abgedruckt bei Mahler, Programme, S. 49 ff., 53): „Abschaffung aller Aufwendungen aus öffentlichen Mitteln zu kirchlichen oder religiösen Zwecken." Das Programm der DDP enthält der Antrag des Abg. Naumann in der Nationalversammlung (ProtVerfA Bd. 336, S. 172): „ I m Deutschen Reiche besteht Gewissens-, Glaubens-, Kirchen- und Freidenkerfreiheit Freie Kirche im freien Staat! Alle Religionsgesellschaften verwalten unter Aufsicht des Staates ihre Angelegenheiten selbständig. Kirchenbesitz wird geachtet wie Privatbesitz. Die Religionsgesellschaften haben das Recht, ihre Mitglieder zu besteuern." Vgl. auch den Aufsatz Naumanns (Die Hilfe 1918, S. 628 f t ) , der unter dem Titel „Freier Staat und freie Kirche" i m wesentlich» Naumanns kirchenpolitisches Programm enthält Dazu auch unten Anm. 94. β·
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
Diese Ansicht begründet allerdings nicht, woraus sich genau ein solches Verbot ergibt: ob aus dem staatskirchenrechtlichen System, dem Sinn des Art. 1381 WRV oder aus dem Wortlaut der Ablösungsvorschrift selbst. Ebensowenig wie die herrschende Lehre vermag daher audi diese Ansicht genau zu erklären, warum die Mehrheitsparteien der von Art. 1381 WRV geforderten Ablösung vorbehaltlos zustimmten, wenn „Ablösung" nur die Aufhebung bisheriger Staatsleistungen gegen einmalige Entschädigung gebot, nicht aber das von den Mehrheitsparteien geforderte Verbot enthielt, künftighin öffentliche Mittel für religiöse Zwecke auf zuwenden. SPD und DDP stimmten Art. 138 I WRV und der Ablösung doch wohl deshalb zu, weil der Artikel ihren Forderungen gerecht wurde. Wenn also die Neubegründung von Staatsleistungen verboten sein sollte, so liegt es nahe, daß audi diese Aussage durch die Wahl des Begriffs „Ablösung" normativiert werden sollte. Es fragt sich daher zunächst, ob der Verfassunggeber mit der Ablösung mehr aussagen wollte, als bloß Aufhebung dauernder Leistungspflichten gegen einmalige Entschädigung und ob eine darüberhinausgehende, subjektiv gewollte Aussage auch von dem Wortlaut des Art. 1381 WRV gedeckt wird. 1. Kräfteverteilung und Stellungnahmen Innerhalb der Nationalversammlung
Schutz gegen die entschädigungslose Entziehung der Staatsleistungen, die die Kirchen angesichts der kirchenfeindlichen Tendenzen in einigen Ländern befürchten mußten, versprachen allein reichsrechtliche Garantien 84 . Schutz versprach das Reich deshalb, weil die Stimmenverhältnisse in der Nationalversammlung 86 kirchenfeindliche Alleingänge der Linken unmöglich machte. Zentrum und Rechtsparteien, darauf bedacht, die Sonderstellung der Kirchen und die Verbindung von Staat und Kirchen im wesentlichen beizubehalten, regten eine endgültige Garantie der Staatsleistungen mit fakultativer Ablösungsmöglichkeit an 88 . Demgegenüber verlangten die Sozialdemokraten, die Aufwendung öffentlicher Mittel für religiöse m So selbst der Abg. Meerfeld (SPD), ProtVerfA Bd. 336, S. 188; Kahl (DVP), ebenda, S. 189. ω SPD (mit USPD) 188; DDP (Demokraten) 77; Zentrum 88; DVP (Deutsche Volkspartei) 23; DNatVP (Deutschnationale) 34; Parteilose 11. M Antrag Gröber/Kahl Nr. 91, ProtVerfA Bd. 336, S. 175: „Dasselbe (nämlich die endgültige Garantie des heutigen A r t 138 Π WRV) gilt für die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen, sofern nicht eine im Gesetz vorgesehene oder frei vereinbarte Ablösung erfolgt"
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
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Zwecke zu verbieten 87. Die Forderung beinhaltete zweierlei: Bisher begründete Staatsleistungen sollten sofort und entschädigungslos eingestellt werden; in Zukunft durften keine neuen Mittel bereitgestellt werden. Da für eine endgültige Garantie der Staatsleistungen in der Nationalversammlung keine Mehrheit zu finden war, mußten die kirchenfreundlichen Parteien den sozialdemokratischen Forderungen entgegenkommen, aber eine Regelung finden, die den Kirchen mindestens den Wert der für sie so wesentlichen bisherigen Staatsleistungen erhielt. Notwendigerweise mußten sie die in der sozialdemokratischen Forderung mitenthaltene Möglichkeit, bisherige Staatsleistungen entschädigungslos einzustellen, auszuschließen versuchen. Verglichen mit der finanziellen Bedeutung dieser Frage für die Kirchen besaß das darüber hinaus in der sozialdemokratischen Forderimg enthaltene Verbot, neue Mittel für religiöse Zwecke aufzuwenden, nur geringe und untergeordnete Bedeutung für die Kirchen 88 und damit auch für das Zentrum und die bürgerlichen Parteien 89. Die Sozialdemokratie war bereit, den Wünschen der kirchenfreundlichen Parteien entgegenzukommen9^; jedoch bezog sich die Kompromißbereitschaft nur auf das Wie, nicht aber auf das Ob der Verwirklichung ihrer Forderungen 91. Sie erkannte die Notwendigkeit an, die Kirchen 87 Abg. Meerfeld, ProtVerfA Bd. 336, S. 188. 88 So protestierten in ihrem Hirtenschreiben im Jahre 1918 die preußischen Bischöfe weniger gegen die finanzielle Trennung als gegen die „Beraubung" der Kirche, wie Anlaß (Versuche des preuß. Kultusministers A. Hoffmann, die Staatsleistungen entschädigungslos einzustellen) und Wortlaut des (im ArchkathKR Bd. 99, 1919, S. 124 ff. abgedruckten) Hirtenschreibens zeigen. es Für das Zentrum erklärte der Abg. Koos, daß die grundsätzliche Gegnerschaft gegen die Trennung seine Partei nicht hindern werde, „bei einer Umformung des status quo positiv mitzuarbeiten, schon um einer radikalen Lösung nach Kräften entgegenzuwirken" (ProtVerfA Bd. 336, S. 195). Abg. Meerfeld (SPD) im Verfassungsausschuß, Prot. Bd. 336, S. 188. Meerfeld betonte auch den Willen der SPD, keine gewaltsame Trennung, sondern eine schiedlich-friedliche Einigung zu erreichen. Die SPD anerkenne „die Bedeutung und Macht der Religion auch für die Gegenwart". Sie war bereit, „diesem Zustande Rechnung zu tragen" und zeigte Entgegenkommen. Zur Entwicklung des zunächst atheistischen zu diesem vermittelnden Verhalten der SPD vgl. Naumann, ebendort, S. 191. 91 Die von Meerfeld angedeutete Kompromißbereitschaft der SPD, über die Fragen der Trennung von Staat und Kirchen zu verhandeln, bezieht sich nicht auf den Inhalt, sondern nur auf die Form der Trennung (so Abg. Meerfeld, a.a.O.). Für die finanzielle Trennung von Staat und Kirche bedeutet das, daß die Linke die Forderung nach der Abschaffung der kirchlichen Subventionierung grundsätzlich aufrechterhalten hatte, jedoch durchaus bereit war, für die Aufhebung bisheriger Staatsleistungen Entschädigung zuzugestehen. Ebenso Abg. Naumann (ProtVerfA Bd. 336, S. 191): „Nun zur Finanzfrage . . . Das wichtigste bei der Frage der Trennung von Staat und Kirche ist die Methode, sie kann nicht plötzlich und unvermittelt eintreten."
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
für die aufzuhebenden Staatsleistungen zu entschädigen, da sonst die Lebensfähigkeit der Kirchen gefährdet worden wäre. Aus dieser Kompromißbereitschaft entsprang der Antrag Meerfeld/ Naumann92, der aus der Mitte der SPD und der DDP kam und dessen Wortlaut Art. 1381 WRV zugrundeliegt. Diesem Antrag stimmten sowohl Zentrum wie audi SPD, aber audi Deutschnationale und DDP zu. Alle Parteien sahen in der Formulierung ihre Forderung gewahrt. Es wäre nun allerdings erstaunlich, wenn die SPD einem Antrag, der sogar von einem ihrer in dieser Frage führenden Mitglieder mitformuliert war, zugestimmt hätte, ohne daß dieser ihrer grundsätzlich nicht aufgegebene Forderung — keine Aufwendung öffentlicher Mittel für religiöse Zwecke — genügt hätte, dagegen aber den Ansprüchen ihrer politischen Gegner in dieser Frage im wesentlichen entsprach. Dann hätten in der Tat Zentrum und Redite in taktisch kluger Weise die Aufnahme eines solchen Verbotes in die Verfassung umgangen·3. Nun hatte allerdings audi die SPD nicht die ausschlaggebende Mehrheit in der Nationalversammlung, so daß sie gezwungen gewesen sein könnte, ihre Forderung nicht nur in den Bedingungen der Durchführung, sondern audi im Grundsätzlichen zu modifizieren. Entscheidend war die Stellung der DDP unter Führung Naumanns zu dieser Frage. Doch auch deren Ziel war, Staat und Kirche für die Dauer finanziell zu trennen· 4; diese Trennung durfte nur nicht der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kirchen schaden: Die bisherigen Staatsleistungen sollten nur gegen Entschädigung aufhebbar sein". Jedenfalls für die Forderung nach einer grundsätzlichen Trennung von Staat und Kirche auf finanziellem Gebiet, die eine Wiedereinführt ProtVerfA Bd. 336, S. 199. ·* So Huber, Garantie, S.5, und in der Konsequenz ebenso die heute einhellige Lehre, wenn sie die Neubegründung von Leistungen für verfasssungsrechtlich unbedenklich hält m Vgl. den Antrag des Abg. Naumann (ProtVerfA Bd. 336, S. 171), der u.a. forderte „Freie Kirche im freien StaateI44. Welche Folgerungen aus dieser Forderung für die finanziellen Verbindungen zwischen Staat und Kirche zu ziehen waren, hatte Naumann schon 1918 in einem Aufsatz unter dem Titel „Freier Staat und freie Kirche 44 (Die Hilfe 1918, S. 628 ff.) näher ausgeführt: „Ein revolutionärer Kultusminister erklärt, daß der künftige demokratische Staat der Kirche keine Vorrechte und keine Zuschüsse mehr gewähren wolle. Er tut das . . . aus Glaubensfeindschaft, aber ist schon deshalb der ganze Gedanke falsch? Wollt ihr wirklich in eurer Glaubensgemeinschaft vom Mehrheitsstaate abhängig sein? Das könnte u.U. dem wahren Glauben noch schlechter bekommen, als frühere Abhängigkeit von den Königen.44 Vgl. auch die damit inhaltlich übereinstimmenden Äußerungen Naumanns im Verfassungsausschuß (Prot Bd. 336, S. 191, 2051) und in der Nationalversammlung (StenBer Bd. 328, S. 1655 D, 1656 A). •β Naumann, ProtVerfA Bd. 336, S. 191.
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
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rung neuer Staatsleistungen verbot, bestand durchaus eine Mehrheit in der Nationalversammlung. Wenn die beiden Parteien, die für alle Zukunft die Aufwendung öffentlicher Mittel für religiöse Ziele unterbinden wollten, im Besitze der Mehrheit in der Nationalversammlung der Formulierung des Art. 1381 WRV zustimmten, so wird ihr Verhalten nur dann verständlich, wenn Ablösung im Sinne des Art. 1381 WRV endgültige Trennung bedeutet: Nur in diesem Verständnis entspräche der Inhalt des Art. 1381 WRV auch ihren Forderungen. Daß dem Ablösungsbegriff in Art. 1381 WRV, dessen subjektiv gewollter Inhalt bisher nur mittelbar durch einen Rückschluß aus mehrheitlich verfolgten Zielen festgestellt werden konnte, wirklich nach Willen des Verfassunggebers diese Bedeutimg zukommen sollte, läßt sich auch unmittelbar den Äußerungen von Abgeordneten verschiedenster Parteien entnehmen: Weil der Staat „bei der Forderung der Trennung (erg. von Staat und Kirche) nur ein praktisches Interesse haben (kann), nämlich das finanzielle"**, wird die Ablösung empfohlen. „Diese Konsequenz . . . ist die, daß der Staat in Zukunft, nachdem einmal Inventur gemacht und die Ablösung erfolgt ist, keine Mittel mehr für die Kirchen aufzuwenden hat·7." Auch der Zentrumsabgeordnete Mausbach als Berichterstatter des Verfassungsausschusses sah Art. 1381 WRV „als Folgerung des Trennungsgedankens in seiner gemäßigten relativen Form" 98 . Polemisch formulierte der Abgeordnete H Abg. Kahl, ProtVerfA Bd. 336, S. 190. ·* Naumann, a.a.O., S. 191: Er entnimmt dieses schon dem Antrag Gröber/ Kahl, der nur eine fakultative Ablösung vorsah. Diese Äußerung wäre in diesem Zusammenhang vollkommen unverständlich, wenn Ablösung nicht mehr als Umwandlung bedeutete oder eine Neubegründung von Staatsleistungen nicht ausschlösse. Nur wenn Naumann hier Ablösung im Sinne von endgültiger Trennung gebraucht, ist seine Äußerung in sich widerspruchslos. w StenBer NatVers Bd. 328, S. 1645 C, D. Die Schilderung der Entstehungsgeschichte des Art. 1381 WRV durch Mausbach (Kulturfragen, S.74) ist aufschlußreich und widerlegt die Hypothese Hubers, daß die Aufnahme eines Verbotes in taktisch kluger Weise vom Zentrum und den Rechtsparteien verhindert sei: „Hier (nämlich im Antrag Gröber/Kahl) war grundsätzlich die Trennungsidee abgelehnt, aber für den Fall, daß sie doch durchdrang, auf den Weg friedlicher Verständigung mit der Kirche hingewiesen. Andererseits war es für die Sozialdemokratie fast selbstverständlich, daß die geforderte Trennung mindestens das Aufhören der bisherigen staatlichen Gehälter und Zuschüsse an Kirchenbeamte bringen müsse. Auch bei den bürgerlichen Demokraten trat sogleich die Forderung hervor, daß ,der Staat in Zukunft, nachdem einmal Inventur gemacht und Ablösung erfolgt ist, keine Mittel mehr für die Kirchen aufzuwenden hat1. Dieser Gedanke lag besonders nahe, nachdem man die formelle Gleichstellung a l l e r Religionsgesellschaften als Grundsatz aufgestellt hatte; war es doch ausgeschlossen, auch allen modernen und nichtchristlichen Gesellschaften solche Mittel zu bewilligen: I n derselben Linie moderner Staatsauffassung lag der für die Linke selbstverständliche Gedanke, daß das neue P r i n z i p von der souveränen Nationalversammlung auszusprechen und nicht erst von Verhand-
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
Naumann das Ziel des Art. 1381 WRV": „Die Kirche muß sagen können ,Wir wollen uns unsere Konsistorialräte selbst bezahlen'." In den übereinstimmenden Äußerungen verschiedener Abgeordneter, den in dieser Frage klaren Mehrheitsverhältnissen, der Kompromißbereitsdiaft der SPD, den Kirchen trotz der finanziellen Trennung die Leistungsfähigkeit zu erhalten, wie des Zentrums, Prinzipien für die Erhaltung der Kirchen zu opfern, offenbart sich die klare politische Entscheidung des Verfassunggebers zugunsten einer völligen und endgültigen Abschaffung der Staatsleistungen. Offen ist allerdings, ob sich dieser aus der Entstehungsgeschichte nachweisbare Wille auch in der Verfassimg verobjektiviert, ob „Ablösung" diese endgültige Abschaffung der Staatsleistungen beinhaltet. 2. Ablösung als Institutsliquidation
Im bürgerlichen Redit hindert nichts den Eigentümer eines Grundstückes, jederzeit neue Rentenschulden zu begründen. Der Ablösungsvorbehalt des § 1199 BGB gibt diesem das Recht, die — regelmäßig — ewige Rentenschuld durch eine einzige Leistung zum Erlöschen zu bringen, untersagt jedoch nicht die Neubegründung von Rentenschulden. Ablösung ist hier Leistung an Erfüllungsstatt 100 . Gesetzlicher Ablösungsvorbehalt und die Ablösung einzelner Rentenschulden stellen die Rechtskategorie „Rentenschuld" grundsätzlich nicht in Frage, setzen ihre Existenz vielmehr weiterhin voraus. Dagegen ist im öffentlichen Recht Ablösung anderes als bloß „Leistung an Erfüllungsstatt". Ablösbar ist hier nicht nur die konkrete individuelle Rechtsposition wie im bürgerlichen Recht. Vielmehr werden die Reallasten, die Zwangs- und Bannrechte, bisher unablösbare, ewige Redite, ablösbar gemacht: Die Gesetze unterwerfen ganze Kategorien von Rechtsinstitutionen dem Gesamtvorgang Ablösung10*. hingen mit den Kirchen abhängig zu machen sei. So wurde der Antrag des Zentrums abgelehnt" Auf dem Hintergrund dieser Äußerung wird verständlich, warum Mausbach in der Nationalversammlung davon spricht, daß Art. 1381 WRV die finanzieUe Trennung in gemäßigter relativer Form durchführt. Die Trennung war deshalb gemäßigt und relativ, weil die konsequente Durchführung des Trennungsgedankens die entschädigungslose, sofortige Aufhebung der Staatsleistungen gefordert hätte. w StenBer NatVers Bd. 328, S. 1654. loo Diese zivilrechtliche Ablösimg hatte wohl E. R. Huber (Garantie, S. 60) vor Augen, wenn er Ablösung im Sinne von Art. 1381 WRV als „Leistung an Erfüüungsstatt" definierte. ιοί Die Ablösungsgesetze hoben die jeweils betroffenen Rechtsverhältnisse nicht auf, sondern wandelten „ewige", bisher — jedenfalls für den Verpflichteten — unablösbare Leistungsbeziehungen i n jederzeit ablösbare Rechtsverhältnisse um. Die Aufhebung des einzelnen Rechtsverhältnisses
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
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Ablösbare Rechtsverhältnisse dürfen nicht wieder neubegründet werden: § 10 GewO verbietet die Neubegründung der für ablösbar erklärten Zwangs- und Bannrechte, § 91 I I Ablösungsgesetz die der ablösbaren Reallasten102. Darüber hinaus erstreckt sich der Ablösungsakt immer auf alle Reallasten, die zugunsten oder zu Lasten des jeweiligen Antragstellers bestanden. Die Gesetze bringen also deutlich zum Ausdruck, daß sie die abzulösenden Rechte — Reallasten und Zwangs- und Bannrechte — ein für alle Mal abschaffen wollen: Bisher unablösbare Rechte sind kraft Gesetzes ablösbar und sollen aufgehoben werden, neue dürfen nicht begründet werden. Erst die Verbindung von Ablösbarkeit kraft Gesetzes, dem konkreten Ablösungsakt (Ablösimg im engeren Sinne) und das gesetzliche Verbot, ablösbare Rechtsverhältnisse neu zu begründen, offenbart die Bedeutung des Gesamtvorganges Ablösung und den eigentlichen Inhalt der Ablösung (im weiteren Sinne), wie er durch die gesetzlichen Vorschriften konkretisiert wird. Ablösbarkeit einerseits, Verbot andererseits führen notwendigerweise zu einem allmählichen „Aussterben" der ablösbaren Rechtsverhältnisse. Ablösung wird damit „Abolition ganzer Kategorien bestehender Rechte"108. Das Tempo der Ablösung (im weiteren Sinne) kann der Staat allerdings beliebig steuern: Er kann die Ablösung selbst kraft Gesetzes vornehmen — Ablösung im engeren Sinne und im weiteren Sinne sind hier identisch. Er kann weiter die Ablösung im engeren Sinne zwingend vorschreiben, Ausschlußfristen festsetzen und nach deren Ablauf die Rechte automatisch erlöschen lassen oder durch niedrige Kapitalisierungsfaktoren oder/und günstige Finanzierungsmöglichkeiten für den Verpflichteten einen Anreiz zur Ablösung im engeren Sinne schaffen 104. oblag in der Regel den Beteiligten unter Mitwirkung der Verwaltungsbehörde. Der Gesamtvorgang der Ablösung (im weiteren Sinne) ergibt sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung. Wesentlich ist die Ablösbarkeit ganzer Rechtskategorien und das Verbot ihrer Neubegründung. io« Ausgenommen von diesem Verbot waren nur feste Geldrenten, die aber jederzeit ablösbar waren (§ 92 Ablösungsgesetz), los Layer, Enteignungsrecht, S. 31. 104 Dabei wird das jeweils gewählte „Steuerungsmittel" meist auf die Reformbedürftigkeit der abzulösenden Rechte hinweisen. Mehrere dieser Möglichkeiten verband man bei der Ablösung der Reallasten: §56 Rentenbankgesetz: „Einer besonderen gesetzlichen Bestimmung bleibt es vorbehalten, künftig eine Frist zu bestimmen, nach deren Ablauf Ablösungen durch die Rentenbanken nicht weiter stattfinden dürfen." Ein Gesetz vom 26. April 1856 (GS S. 273) ermächtigte den Finanz- und den Landwirtschaftsminister, die Termine zu bestimmen, an denen die Rentenbanken die Vermittlung bei Ablösungen einstellen werden (§ 1). § 3 erhöhte
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
Ebenso wie die Enteignimg ist die Ablösung zwar individuelle Wertgarantie des gegenwärtigen Besitzstandes; aber i m Gegensatz zu jener, die Rechtsstellungen einzelner betrifft, das Eigentum als Institution jedoch unberührt läßt, ja es geradezu voraussetzt, ist Ablösimg, die notwendig einmaliger A k t ist, vollständige und endgültige Abschaffung einer Rechtsinstitution. Sie ist reformierender (gesetzlicher) Eingriff i n Redite, deren Fortbestand der — aus politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen oder aus sonstigen Gründen dringend erforderlichen oder wenigstens als notwendig empfundenen 106 — Modernisierung eines Rechtsgebietes i m Wege steht 1 0 8 . Weil Ablösung diese Rechte vollständig und endgültig abschafft, ist sie — i m Gegensatz zur Institutsgarantie des A r t . 14 GG — Instituts liquidation. den Kapitalisierungsfaktor von 18 auf 25, gewährte aber gleichzeitig nur den Verpflichteten ein Kündigungsrecht. Damit wurden praktisch die Verpflichteten gezwungen, die Reallasten innerhalb der zu bestimmenden Fristen abzulösen, sofern sie nicht die VorteUe des Rentenbankgesetzes verlleren wollten. Die Berechtigten selbst konnten eine Ablösung nur innerhalb der Fristen beantragen, da danach ein Kündigungsrecht nur den Verpflichteten zustand, dessen Ausübung aber durch den hohen Kapitalisierungsfaktor fast ausgeschlossen war. los Die Ablösung der Reaüasten — das Gebiet, auf dem die Ablösungsfrage die größte RoUe gespielt hatte — war aus verschiedensten Gründen erforderlich: Die verschiedenen, an die Gutsobrigkeit zu erbringenden Abgaben führten mit der Einführung der Besteuerung aller Einwohner zu einer Doppelbelastung der Landbevölkerung. Mit der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht fiel audi der tragende Gesichtspunkt für die Beibehaltung des gutsherrlichen Schutzverbandes — die Schutzpflicht des Gutsherrn nach außen — fort. Mit der sich langsam durchsetzenden Forderung nach Gleichheit und Freiheit aller Einwohner war die mit den unablösbaren Reallasten verbundene, den jeweiligen Besitzer des Grundes belastende und daher verdinglichte persönliche Abhängigkeit der Landbevölkerung unvereinbar. Vgl. zum Ganzen Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 188 f l Zum Zusammenhang von Steuerreform und Agrarstruktur siehe Koselleck, Reform und Revolution^ S. 314 unter Berufung auf Hardenberg; Engels, Ablösungen, S. 21. Zur Wehrpflicht und gutsherrlichem Schutzverband vgl. Huber, a.a.O., S. 1881; Dessin, Regulierungs- und Separationsrezesse, S.21ff. Zur Ablösungsfrage und der Forderung nach Freiheit und Gleichheit vgl. v. Rotteck, Vernunftrecht IV, S. 1361; v.Stein, Verwaltungslehre VII, S. 93 ff. Zum aügemeinen sozialgeschichtlichen Hintergrund der Ablösungsfrage siehe Koselleck, a.a.O., S. 134—143, 487—560; interessant aus damaliger Perspektive die Artikel von v. Rotteck (über Ablösung) und von Lette (über Agrargesetzgebung) im Staatslexikon (Bd. I, 53 ff., 323 ff.). io« So nodi Fleiner, Institutionen, S. 52: „Der Gesetzgeber hat es jedoch in der Hand, solche alten Rechtsamen (erg. als Privatrechte begründete, individuelle Befugnisse) in öffentliche Rechtsverhältnisse, aber mit unverändertem Inhalt umzuwandeln, falls diese mit dem neuen Gesetz vereinbar ist Widerspricht aber eine alte Rechtsame dem neuen öffentlichen Recht, so ist sie — gemäß den Grundsätzen über öffentliche Entschädigung — abzulösen." Fleiner (a.a.O., S. 59, Anm. 19) weist auf den übereinstimmenden juristischen Sprachgebrauch in der Schweiz hin. Übereinstimmend GlatzellPeltzer, „Ablösung", S.261; Bruder, „Ablösung 41, Sp. 41 f. ; Layer, Enteignungsrecht, S. 301,33,34; v. Stengel, Verwaltungsrecht,
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
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3. Der Inhalt der Ablösung Im Sinnsusammenhang des Bundeskirchenrechte
Eine Interpretation der Ablösung in Art. 1381 WRV als Institutsliquidation wird zwar gestützt durch die Entstehungsgeschichte und den vom Verfassunggeber gewählten Begriff Ablösung, der möglicherweise die von diesem gewünschte Liquidation der Staatsleistungen bezeichnen sollte. Daß nur diese vom Sprachgebraudi gedeckte Bedeutung der Ablösimg in Art. 1381 WRV gemeint sein kann, zeigen neben der Entstehungsgeschichte auch noch andere bei der Auslegung der Ablösungsvorschrift zu berücksichtigende Gesichtspunkte. a) Ablösungszwang und Ablösung Es erschien schon sinnwidrig, einerseits die bisherigen Staatsleistungen gegen eine einmalige Entschädigung aufheben zu müssen, andererseits aber jederzeit Staatsleistungen wieder neu begründen zu dürfen — wie es einhellige Lehre ist. Jedenfalls ist nach dieser Lehre das Ablösungsgebot nur Folge und Ausdrude des Paritätsgedankens. Zweifel daran, daß der Artikel lediglich die paritätische Behandlung aller Religionsgesellschaften öffentlichen Rechts herbeiführen soll, erweckt allerdings der Ablösungszwang, den Art. 1381 WRV statuiert. Parität zwischen den bisher finanziell unterstützten Kirchen und den bisher leer ausgehenden anderen Religionsgesellschaften ließ sich grundsätzlich auf zwei Wegen durchführen : entweder durch Abschaffung der bisherigen Staatsleistungen mit dem Gebot, neue Staatsleistungen nur paritätisch zu begründen oder aber unter Beibehaltung der bisherigen Staatsleistungen anderen Religionsgesellschaften einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung unter Paritätsgesichtspunkten einzuräumen. Wollte der Reichsverfassunggeber nur eine Gleichbehandlung aller öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften auf dem vermögensrechtlichen Gebiete erreichen, so konnte er es grundsätzlich offenlassen, auf welchem Wege die Länder diese Gleichbehandlung herstellten, ob durch Aufhebung der bisherigen Staatsleistungen oder durch Begründung von Ansprüchen anderer öffentlich-rechtlicher Religionsgesellschaften auf finanzielle Unterstützung. Jedenfalls bestand aus diesem Gesichtspunkt kein Grund, den Ländern die Aufhebung bisheriger Staatsleistungen bindend vorzuschreiben. Dafür sprachen auch nicht finanzielle Beweggründe, denn das Reich war finanziell nicht belastet. S. 350 ff.; Roesler, Verwaltungsrecht, S.3681; v.Roenne, Staatsrecht I (1. Aufl.), S. 345. Vorwiegend als politische Forderung versteht in diesem Sinne Ablösung: v. Rotteck, Vernunftsrecht IV, S. 143 f.; ders., „Ablösung 14, S.54f. Auf die Unvereinbarkeit mit der staatsbürgerlichen Gesellschaft stellt ab v.Stein, Verwaltungslehre VII, S. 78 ff., 164 ff.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
Diese Erwägungen gehörten ausschließlich in den Entscheidungsbereich der zu Staatsleistungen verpflichteten Länder. Auch das bei der Normierung des Art. 1381 WRV mitspielende Moment, die Kirchen vor einseitiger entschädigungsloser Aufhebung der Staatsleistungen zu schützen, erforderte keinen Ablösungszwang. Eine ins Ermessen der Länder gestellte Aufhebung der Staatsleistungen gegen Entschädigimg, also durch Ablösung, hätte vollauf dem Schutzbedürfnis der Kirchen genügt. Allein wenn Art. 1381 WRV die Lösung der finanziellen, durch Staatsleistungen vermittelten Verflechtung von Staat und Kirche sicherstellen will, ist der verfassungsrechtliche Ablösungszwang erklärlich und verständlich. Ist dieses aber Ziel des Art. 1381 — und dieses ergibt sich aus dem Ablösungszwang —, so kann die staatskirchenrechtliche Ablösung nur Institutsliquidation in dem oben beschriebenen Sinne sein. Dem scheint die Formulierung des Art. 1381 WRV zu widersprechen, wenn er nicht die Staatsleistungen, also alle auf einer dauernden Rechtsverpflichtung beruhenden Leistungen des Staates an die Kirchen, der Ablösung unterwirft, sondern die Ablösungspflicht der Länder auf die auf Gesetz, Vertrag oder besonderem Rechtstitel beruhenden Staatsleistungen beschränkt. Doch nur scheinbar ist dies eine Einschränkung der Ablösungspflicht. Mit der Formel „Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln" fällt die Verfassung in den Sprachgebrauch des Absolutismus zurück 107 . Sie bedeutet nichts anderes als allgemeiner oder besonderer Rechtstitel, wobei der Vertrag hier als wichtigster besonderer Rechtstitel hervorgehoben worden ist. Da aber jeder Rechtserwerbstitel entweder allgemeiner oder besonderer Natur ist, umfaßt mithin die Aufzählung in Art. 1381 WRV alle denkbaren Rechtserwerbstitel, die dauernde Rechtspflichten erzeugen können. Gemäß Art. 1381 WRV sind daher die ewigen auf Rechtspflichten beruhenden Staatsleistungen abzulösen108. Die leicht als Einschränkung der Ablösungspflicht mißzuverstehende Formel „Gesetz, Vertrag oder besonderer Rechtstitel" kann nicht als Argument dagegen gebraucht werden, daß die staatskirchenrechtliche Ablösung Institutsliquidation ist und die Ablösungsvorschrift daher den finanziellen Verflechtungen von Staat und Kirche, soweit sie durch Staatsleistungen vermittelt wird, auflösen will 1 0 9 . Daß Ablösung im 107 J.Heckei, ZRGKanAbt Bd. 19, 1930, S.8611; ders., VerwA Bd.37, 1932, S. 295 f. los Da die finanziellen Leistungen des Staates vor 1919 zu über 90 ·/§ auf Rechtspflichten beruhten, hebt eine Ablösung die finanzielle Verflechtung von Staat und Kirche fast völlig auf. Zu den Zahlen vgl. Schwarz/Strutz, Staatshaushalt I, 1. Lieferung, S. 88. loo Sinnentsprechend ist die Ablösung auf Staatsleistungen, also auf ständige Leistungen, die auf dauernden Rechtspflichten beruhen, beschränkt.
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
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Sinne von Art. 1381 WRV nur Institutsliquidation sein kann, ergibt sich also auch aus dem sonst überflüssigen Ablösungszwang. b) Staatsleistungen und kirchliche
Unabhängigkeit
Die finanzielle Abhängigkeit der Kirchen vom Staat und die dem Staat offenstehende Möglichkeit, die kirchliche Selbständigkeit einzuschränken, war ungefährlich, solange Staat und Kirchen sich gegenseitig achteten und miteinander harmonierten und dieses kirchenpolitische Klima politisch stabilisiert war. Diese Vorbedingungen beseitigte die Revolution: Das neue demokratische Gemeinwesen stand allen politischen — und kirchenpolitischen — Strömungen offen 110 . Errangen kirchenfeindliche Parteien — wie in Preußen durch die Revolution — die Mehrheit, so war die finanzielle Unselbständigkeit der Kirchen ein äußerst effektives Mittel des Kirchenkampfes. Wenn daher die Reichsverfassung den Kirchen das Recht der Selbstverwaltung in eigenen Angelegenheiten garantierte und sie gegen staatliche Eingriffe schützte, so wäre der Schutz ohne die Gewährleistung finanzieller Unabhängigkeit unvollkommen und wirkungslos gewesen. Da eine endgültige Garantie bisheriger Staatsleistungen politisch nicht durchsetzbar war, mußte die finanzielle Abhängigkeit der Kirchen abgebaut werden: Dieses Ziel w i l l Art. 1381 WRV verwirklichen. Dem Abbau der Staatsleistungen korrespondiert auch die Abschaffung der „Gegenleistungen" der Kirchen für die bisherigen Staatsleistungen. Vor 1919 wurde die Einflußnahme des Staates auf Vorbildung und Anstellung von Geistlichen — durch gesetzliche Regelung oder Mitwirkung im Einzelfall — damit motiviert und gerechtfertigt, daß der Staat gerade für diese Zwecke den Kirchen erhebliche Mittel gewähre 111. Verpflichtungen zu einmaligen oder befristeten Leistungen werden erfüllt und erlöschen, führen also zu keiner Verflechtung von Staat und Kirche. Dasselbe gilt von den auf dem jährlichen Etatansatz beruhenden, jederzeit widerruflichen Ermessenszuschüssen, die jederzeit entzogen werden dürfen. Ablösung ist nur dort erforderlich und sinnvoll, wo durch eine dauerhafte Leistungsbeziehung Verflechtungseffekte auftreten. 110 Vgl. die schon in anderem Zusammenhang zitierte Bemerkung A. Stoeckers aus dem Jahre 1874 (zitiert nach Neundörfer, Trennimg, S. 62): „ . . . für unsere Kirche (gibt es) keine Wahl mehr, als in der Loslösung vom Staat . . . Ist die Kirche frei, dann kann sie den Glauben schützen . . . und sich von der Windrose parlamentarischer Meinungen freihalten." « ι Regierungskommissar v. Chappius, StenBerAbgH Π. Session 1908/09, Sp. 2125; Abg. Winkler, ebendort, Sp.2128; Abg. Vieredc, ebendort, Sp.2137f.; ebenso v. Rönne, Staatsrecht I (1. Aufl.), S. 640; v. Schulze-Gaevernitz, Staatsrecht II, S. 561; Abg. Kahl, StenBer NatVers Bd. 328, S.1647D; Schoen, VerwA Bd. 29, 1922, S.21.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
Art. 137III S.2 WRV konkretisiert das Selbstverwaltungsrecht der Kirchen dahin, daß diese ohne Mitwirkimg des Staates kirchliche Ämter besetzen dürfen 118 . Er verbietet daher diese Einflußrechte. Könnten die Kirchen auf diesen Schutz verzichten, so könnte der Staat die durch Art. 137 I I I S. 2 WRV aufgehobenen Mitwirkungsrechte jederzeit durch Vereinbarung mit der Kirche wieder neubegründen1l l . Insbesondere könnte er sie jederzeit „zurückkaufen" — eine Konsequenz, die zumindest bedenklich angesichts der Entscheidung der Verfassung für einen konfessionell neutralen Rechtsstaat erscheint und unvereinbar ist mit der Entscheidung der Verfassung für eine selbständige Kirche 114 . Wenn es aber den Kirchen versagt ist, auf wesentliche Teilbereiche ihrer verfassungsrechtlich garantierten Selbständigkeit gegenüber dem Staat zu verzichten, dann hat die Verfassung die Entscheidung für eine unabhängige und selbständige Kirche noch verstärkt. Ohne die entsprechende finanzielle Unabhängigkeit wäre allerdings die Selbständigkeit auf anderen Gebieten nur unvollkommen gewährleistet, denn über diesen Umweg — auch wenn keine unmittelbaren Einflußrechte mit den Staatsleistungen verknüpft sind — könnte der Staat jederzeit den von der Verfassung gerade nicht gewünschten staatlichen Einfluß zurückgewinnen. So wird in Art. 1381 und Art. 137 III, insbesondere S. 2, die Entscheidung des Verfassunggebers für eine materiell unabhängige und selbständige Kirche 116 und für einen gegenüber den Kirchen finanziell ungebundenen Staat deutlich. Nach der herrschenden Lehre der Weimarer Zeit, die in A r t 137 I I I S.2 WRV nur einen Programmsatz sah, hob dieser Artikel nicht auf die staatlichen Einspruchsrechte und die gesetzlichen Bestimmungen über die Qualifikationsvoraussetzungen für kirchliche Ämter (so Anschütz, Reichsverfassung, Art. 137 Anm. 6, S. 641 f. m. w. N. Dagegen zu Recht Ebers, Staat und Kirche, S. 264 ff.). Die Qualifikationsvoraussetzungen für kirchliche Ämter wurden später vertraglich geregelt, und zwar ausdrücklich „angesichts der . . . zugesicherten Dotation". Vgl. Art. 8 preußKV; Art. 9 preußKonk; A r t 13 §1 bayrKonk; A r t 26, 30 bayrKV; Art. 19, 23 pfälzKV; Art. V I I badKonk; A r t . V badKV. Diese ausdrückliche Verknüpfung zwischen Staatsleistungen und Qualifikationsvoraussetzungen haben die heutigen Kirchenverträge fallengelassen, nicht aber die Qualifikationsvoraussetzungen selbst. Regelmäßig sind diese wie früher anschließend an die Gewährung der Staatsleistungen geregelt, so daß zumindest ein systematischer Zusammenhang noch besteht. S.a. Quaritsch, Studium Generale 21, 1968, S. 743. 118 So Anschütz, Reichsverfassung, A r t 137 Anm. 6 a (S. 644); Ebers, Staat und Kirche, S. 268 ff. i " Bedenken gegen die uneingeschränkte Anerkennung des Grundsatzes „volenti non fit injuria" schon bei E.R. Huber, Verträge, S. 174, 191; vgL auch A. Hollerbach, Verträge, S. 135 f., S. 2591; Albrecht, Koordination, S. 145 ff. Unvereinbar mit der konfessionellen Neutralität des Staates ist der Rückkauf von Ingerenzrechten auch nach Ansicht von M. Hechel, StaatKirche-Kunst, S. 210. «« Vgl. Hesse, Kirche und Staat, S. 1361
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
Dieses „Kirchenbild" der Verfassung wird bestätigt und abgerundet durch die Garantie des Kirchengutes und insbes. des Besteuerungsrechts. Die ausdrückliche Hervorhebung des Besteuerungsrechtes — angesichts der Gewährleistung des Korporationsstatus an sich überflüssig 11· — unterstreicht die Bedeutung, die die Verfassung der materiellen Unabhängigkeit der Kirchen beimißt und verdeutlicht ihren Willen, den Kirchen eine eigene materielle Basis zu verschaffen und sie auch finanziell zu verselbständigen 117. Besteuerungsrecht, Selbstverwaltungsrecht in eigenen Angelegenheiten und die Ablösung der Staatsleistungen beweisen, daß die Religionsgemeinschaften nach der Reichsverfassung auch finanziell staatsunabhängig118 sein sollen: Die Wiederaufnahme dauernder Leistungsbeziehungen, die evtl. wieder zu den Einflußrechten des Staates und der Abhängigkeit der Kirchen, wie sie vor 1919 bestanden, erscheint damit schlechthin unvereinbar. c) Staatsleistungen und das Verbot des Staatskirchentums Art. 1371 WRV verbietet das Staatskirchentum. Die Bedeutimg dieses Verbotes, auf Antrag des Demokraten Ablaß und des Sozialisten Katzenstein aufgenommen 110, scheint zunächst unklar. Das Staatskirchentum bestand 1919 nicht mehr, denn die Stellung der Kirchen als Teil des Staatsorganismus war seit langem abgeschafft. So interpretierte die herrschende Lehre diese Vorschrift als Verbot des landesherrlichen Kirchenregimentes 1'0 und entnahm diesem das Verbot einer institutionellen Verbindimg von Staat und Kirche 121 . Doch war das Summepiskopat schon mit seinem von der Revolution abgeu · So schon der Abg. Groeber (Z), StenBer NatVers Bd. 328, S. 1655. ι " V g l Naumann, Die Hilfe 1918, S. 629; Abg. Düringer (DNatVP) ProtVerfA Bd. 336, S. 194; Naumann, StenBer NatVers Bd. 328, S.1655A,B. ne I m Ergebnis stimmt damit wohl überein die Interpretation des Art. 138 I WRV durch C.Schmitt (Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 155ff.): A r t 138 I I WRV, der endgültig die Rechtsgrundlagen einer eventuellen Ablösung garantiere, enthalte ebenso wie A r t 173 eine konnexe, bzw. komplementäre Status-quo-Garantie, die zur institutionellen Garantie des Art. 137 WRV hinzutrete. Damit allerdings tritt Art. 1381 WRV auch in Beziehung zum Selbstverwaltungsrecht des Art. 137 I I I WRV, das die Institution „Religionsgesellschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts" mitformt. ne Antrag Nr. 105, ProtVerfA Bd. 336, S. 205. ito so insbes. Anschütz, Reichsverfassung, A r t 137 Anm. 1 (S.631); Mausbach, Kulturfragen, S. 611 121 Anschütz, a.a.O., unter Berufung auf Forsthoff, Körperschaft, S. 112. Forsthoff geht aber davon aus, daß Art. 1371 WRV sich gegen die bisherigen Landeskirchen richtet, wobei unter Landeskirchen hier nicht die protestantische Territorialkirche, sondern die „vom Staat mit besonderen Rechten ausgestattete und meistens auch finanziell unterstützte Kirche" (Bredt, Kirchenrecht II, S. 139) verstanden wird.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
setzten Träger, dem Monarchen, entfallen 128 , und eine Wiedereinführung wäre auch mit dem Selbstverwaltungsrecht unvereinbar gewesen. Mit diesem Inhalt wäre das Verbot des Staatskirchentums letztlich überflüssig. Die Beschränkung des Verbotes auf das Summepiskopat ist Resultat der Ratlosigkeit über die sinnvolle Interpretation dieser Bestimmung. Sahen die Interpreten in Art. 1371 WRV das Landeskirchentum verboten, ein Begriff, mit dem die Lehre vor 1919 weithin die Stellung der beiden Großkirchen umschrieb 123, so gerieten sie in unlösbaren Konflikt mit Art. 137 V WRV, der nach ihrer Ansicht mit dem Ausdruck der öffentlichen Körperschaft eben dasselbe aufrechterhalten wollte 124 . Ausweg aus diesem Widerspruch zwischen Art. 1371 und Art. 137 V WRV bot sich nur, wenn man entweder durch Art. 1371 allein die über das allgemeine Landeskirchentum hinausgehende Stellung der evangelischen Kirche, also das Summepiskopat, verboten sah 125 oder einer der beiden Vorschriften ihre unmittelbare juristische Bedeutung nahm und sie zum Programmsatz erklärte 126 . Die Beschränkung des Art. 1371 WRV auf das Verbot des Summepiskopates scheint allerdings auch von der Entstehungsgeschichte gestützt zu werden: Im Verfassungsausschuß wurde der Antrag Ablaß/Katzenstein ohne Diskussion angenommen. Im Plenum erst nahmen einzelne Parteivertreter zum Verbot des Staatskirchentums Stellung. Der Zentrumsabgeordnete Mausbach gab das Stichwort: Seiner Ansicht nach spricht Art. 1371 WRV „das Trennungsprinzip scharf aus gegenüber einer bestimmten engen Verbindung zwischen Staat und Kirche, wie sie bei der evangelischen Kirche bisher vorhanden war" 1 2 7 . Als Berichterstatter des Verfassungsausschusses, in dem über Art. 1371 WRV nicht diskutiert worden war, beschränkte er von vornherein die Bedeutung des Satzes auf die evangelischen Kirchen und nahm ihm damit jede praktische Bedeutung128. Dieses Verständnis des Art. 1371 WRV, i « Vgl. Giese, AöR N.F. Bd. 7, 1924, S.24ff., 37; Abg. Kahl, ProtVerfA Bd. 336, S. 190; a. A. Anschütz, Reichsverfassung, Art. 137 Anm. 1 (S.632). Zum Inhalt des Landeskirchentums vgl. Sdhoen, VerwA Bd. 6, 1898, S. 101 ff.; Zorn, DJZ 1898, S.273 ff. 124 Darauf weisen Anschütz (Reichsverfassung, Art. 137 Anm. 1, S. 650 f.), Giese (AöR N.F. Bd. 7, 1924, S.34) und Forsthoff (Körperschaft, S. 1121) hin. i*5 So Anschütz, a.a.O. IM so erklärte man Art. 1371 zum Programmsatz: So Giese, a.a.O., S.361; Schoen, Verfassungsrecht, S.22; Anschütz, Reichsverfassung, Art. 137 Anm. 1 (S. 632). 1« StenBer NatVers Bd. 328, S. 1644. 128 Das Bestreben von Zentrum und Rechtsparteien, die die bisherige Stellung der Kirchen in die Republik herüberretten wollten, mußte sein, die Bedeutung reformierender Vorschriften wie A r t 1371 herabzuspielen. Zweifel an der Interpretation von Mansbach schon bei Bredt, Reichsverfassung, S. 284 Anm. 1.
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
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das dessen Bedeutung für das Staatskirchenrecht minimalisierte, setzte sich in der Lehre durch, obwohl im Gegensatz zu der Ansicht von Mausbach Äußerungen anderer Abgeordneter zwar die Bedeutimg des Art. 137 I für die protestantische Kirche unterstrichen, die katholische Kirche jedoch ausdrücklich in den Hegelungsbereich des Artikels einbezogen129. Mit der Staatskirche sollte jede „Glaubensform" verboten werden, „die sozusagen die offizielle ist" 180 . Sieht man mit der heute herrschenden Lehre im Gegensatz zu der insbesondere von Anschütz131 vertretenen Ansicht in Art. 137 V WRV das bisherige System der Kirchenhoheit auch nicht im wesentlichen beibehalten und auch nicht die bisherige Stellung der Landeskirchen aufrechterhalten, so ist der Weg frei für eine Interpretation des Art. 137 I WRV, die seiner historisch-politischen Bedeutung182 und seiner hervorgehobenen Stellung am Anfang des Staatskirchenrechts allein gerecht wird. Daß Art. 137 V WRV durch die Garantie des Körperschaftsstatus das System der Staatskirchenhoheit, welches durch Korrelativität von Rechten und Pflichten gekennzeichnet war, nicht aufrechterhält, ist heute allgemein anerkannt 188. Der Korporationsstatus einer Religionsgesellschaft hat insbesondere nicht automatisch eine besondere, detaillierte Staatsaufsicht zur Folge. Seine Bedeutung liegt darin, daß den Kirchen ein Kernbereich öffentlich-rechtlicher Befugnisse garantiert werden soll 134 und diese Befugnisse für alle Religionsgesellschaften unter i » So Abg. Naumann, StenBer NatVers Bd. 328, S.1651A, 1653 C; Abg. Ende (DDP), ebendort, S. 1660 f. 180 Abg. Naumann, a.a.O., S. 1653 C. « ι Reichsverfassung, Art. 137 Anm. 8, 5 (S. 644, 636 f.) m. w. N. Wenn Anschütz davon spricht (S.646), daß Art. 137 V S. 1 nicht gewährleisten könne und wolle, was mit Abs. I im Widerspruch stehe, so ist das nur als Programm zu verstehen: Art. 1371 ist Programmsatz und kann als solcher keine unmittelbare Rechtsgeltung gegenüber dem unmittelbare Rechtsgeltung entfaltenden Art. 137 V gewinnen (S. 632). Das gelte auch für Art. 137 I I I S. 2 (S. 639 f.). 182 In den Frankfurter Grundrechten (§ 147 Abs. 2) stand das Verbot des Staatskirchentums neben dem Satz, daß keine Religionsgesellschaft vor anderen Vorrechte genieße. Man war sich einig, daß beide Sätze dasselbe sagten. Vgl. Herrmann, Religionsgemeinschaften, S. 76 ff.; Kalle, Diss., S. 151 Mit dem Verbot des Staatskirchentums verband sich die Vorstellung der nicht (mehr) privilegierten Kirche. I n diesem Sinne verstand Abg. Naumann (StenBer NatVers Bd. 328, S. 1651 A, 1653 C) das Verbot des Staatskirchentums. Meist wurde Art. 1371 als — wenn auch programmatisches — Verbot der Landeskirchen, also der vollprivilegierten Kirchen verstanden: Vgl. Giese, AÖR N.F. Bd. 7, 1924, S.34ff.; ders., Kommentar, Art. 137 Anm. 1; Bredt, Reichsverfassung, S. 284f.; ders., Kirchenrecht II, S. 1311; Forsthoff, Körperschaft, S. 112; Schoen, Verfassungsrecht, S.221 iss vgl, H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 55 f. m. w. N., zweifelnd nur Quaritsch, NJW 1967, S.764Î1; ders., Studium Generale 1968, S.740 mit Anm. 16. IM Vgl. dazu H.Weber, a.a.O., S.91ff. Zum Problem, ob Art. 137V S.1 „Anerkennung und Gewährleistung ihres (erg. der Kirchen) öffentlichen 7
Braune
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
bestimmten Voraussetzungen zugänglich gemacht werden. Aus dieser Sicht ergibt sich kein Widerspruch zwischen der Garantie des Korporationsstatus und einem Staatskirchenverbot, das sich gegen das Landeskirchentum richtet. Das Verbot des Staatskirchentums, als politisches Schlagwort der deutschen Verfassungsgeschichte seit der Paulskirche bekannt, hebt die Verfassung in seiner Bedeutimg dadurch hervor, daß sie es an den Anfang des Reichskirchenrechtes rückt. Das Verbot besitzt also allgemeine Bedeutung für das gesamte Staatskirchenrecht. Seine Beschränkung auf ein Verbot des Summepiskopats würde dieser Bedeutung nicht gerecht werden, wendete es sich doch mit diesem Inhalt nur an die protestantische Kirche. Art. 1371 WRV verbietet infolgedessen nicht nur das Summepiskopat, sondern richtet sich gegen das Landeskirchentum überhaupt13®. Gegen die Landeskirchen gerichtet, verbietet Art. 1371 WRV die Kirche(n) des Landes, die Bevorrechtung einiger weniger Kirchen, durch die der Staat die positive Beurteilung von deren Glaubenslehren ausdrückte und in der sich die enge Verbindung von Staat und Kirchen niederschlug. Art. 1371 WRV richtet sich „prinzipiell gegen jede enge Bindung der Kirchen an den Staat, gleichgültig in welchen Formen diese Verflechtung auch auftritt" 13 ·. Art. 137 V WRV, der mit der Garantie des Korporationsstatus den Kirchen bestimmte bisher innegehabte Vorrechte bewahrt, beraubt diese doch ihres Charakters als Vorrechte, indem er sie egalitär allen öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften zugänglich macht. Der Staat des Grundgesetzes ist zwar nicht religiös indifferent, denn er beläßt — oder eröffnet — den Religionsgesellschaften den hervorgehobenen öffentlich-rechtlichen Status. Doch er ist weltanschaulich neutral 137 , weil er diese Stellung allen Religionsgemeinschaften nach Gesamtstatus" (ζ. B. Hesse, Rechtsschutz, S. 67) bedeutet, braucht hier nicht Stellung genommen zu werden, da die Entscheidung dieser Frage an der Auslegung des Art. 1371 WRV nichts ändert. IM Vgl. Anm. 132. «· Mikat, Kirchen und Religionsgemeinschaften, S. 126. Zum Inhalt des Art. 1371 WRV und seiner Bedeutung heute s. auch M. Hedkel, Staat-KircheKunst, S. 194 ff. Demnach ist die Bedeutung des Art. 1371 WRV, der sich durch „inhaltliche Bestimmtheit wie durch . . . weltanschauliche Askese auszeichnet", heute vor allem darin zu sehen, daß er einerseits „die Absage an die Eingliederung der Kirche in den Staat und an ihre umfassende Staatsunterworfenheit" enthält, andererseits die konfessionelle Neutralität des Staates gewährleistet (a.a.O., S. 199 ff.). Allerdings dürfe das Trennungsprinzip nicht als „totale Bereichs-Scheidung in zwei äußerlich getrennte Bereiche jeweils verschiedener Personen und Objekte" mißverstanden werden (a.a.O., S. 202 ff.). Vielmehr überlagerten sich staatliche und kirchliche Ordnung häufig. 187 Weltanschaulich und konfessionell neutral wird hier und im folgenden
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
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nicht an religiöse Kriterien anknüpfenden Maßstäben gewährt. Die Korporationsqualität ist kein Vorrecht mehr; sie vermittelt keine enge Bindung der Kirchen an den Staat 1 8 8 . Eine solche enge Bindung vermittelten nun allerdings die Staatsleistungen, wie sie als ausschließliches landeskirchliches Vorrecht vor 1919 nur den Landeskirchen gewährt wurden 1 8 9 . Sicherlich wäre auch die Ausdehnung der Staatsleistungen auf alle übrigen öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften nach 1919 gefordert worden, wenn Art. 1381 WRV die Staatsleistungen nicht ausdrücklich von den m i t der Körperschaftsqualität garantierten Rechten des A r t . 1371 WRV ausgenommen hätte 1 4 0 . Doch unabhängig von A r t . 1381 WRV und entgegen der Ansicht Kahls, die Gewährleistung des öffentlichen Körperschaftsstatus garantiere auch die Dotation 1 4 1 , ist festzuhalten, daß Staatsleistungen keine Körperschaftsrechte i m Sinne von A r t . 137 V WRV sind. M i t der Körperschaftsqualität w i l l die Verfassung den Religionsgesellschaften diejenigen Rechtsstellungen und Befugnisse gémit gleichem Inhalt und ohne Unterschied gebraucht. A r t 137 V I I WRV stellt den Religionsgesellschaften die Vereinigungen gleich, „die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen44. Insofern ist konfessionelle Neutralität des Staates auch als weltanschauliche Neutralität zu verstehen. iss Gleichzeitig anerkennt Art. 1371 WRV die funktionale Trennung von Staat und Kirche. Abgesehen von wenigen ausdrücklichen Ausnahmen (z.B. Religionsunterricht, konfessionelle Lehrerbildung, theologische Fakultäten und nach herrschender Ansicht auch die Militär- und Anstaltsseelsorge) sind dem weltanschaulich neutralen Staat Kirchenaufgaben nicht zugleich Staatsaufgaben — im Gegensatz zu der im 19. Jh. vorherrschenden Ansicht (vgl. oben S. 17 ff.). Demzufolge soll A r t 1381 WRV die finanziellen Sanktionen dieses staatskirchenrechtlichen Systems abschaffen. Bedenklich ist daher das einem erst kürzlich ergangenen Urteil des Bundesverwaltungsgerichitszugrunde liegende Verständnis von Staatsleistungen (ZevKR Bd. 14, 1968/69, S. 365, 367), wenn es auch im Ergebnis zu billigen ist. Zu entscheiden war, ob die beamtete Ehefrau eines im Dienst der evangelischen Kirche Brandenburgs stehenden Katecheten gemäß § 17 Berliner Landesbesoldungsgesetz den vollen Ortszuschlag beanspruchen kann. Den Sinn der Vorschrift, nach der der Beamte keinen Ortszuschlag erhält, sofern der Ehegatte als Bediensteter einer Körperschaft des öffentlichen Rechts diesen schon empfängt, sieht das Gericht darin, daß derselbe Tatbestand nicht zweimal aus öffentlichen Mitteln, diese als Ganzes betrachtet, honoriert werden soll. „Als Ganzes sind öffentliche Mittel dann zu betrachten, wenn sie zumindest teilweise einer einheitlichen Finanz- und Wirtschaftshoheit unterliegen, so daß ein Austausch der Mittel . . . möglich ist.44 Durch Zuschüsse an die Kirchen trage das Land jedenfalls mittelbar zur Entlohnung der Bediensteten der Kirche bei. Auch daß dem Land keine Verwendungskontrolle über die Mittel zustehe, widerspreche nicht dem Bestehen einer wirtschaftlichen Beziehung. Mit dieser Ansicht gerät das Bundesverwaltungsgericht in bedenkliche Nähe des oben S. 20 Anm. 35 zitierten Urteils des preuß. Obertribunals vom 23. Juni 1853 (Bd. 26, S. 165). i » Schoen, Kirchenrecht I, S. 173. 140 vgl. dazu oben S. 80 f. 141 ProtVerfA Bd. 336, S. 195. 7·
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
währleisten, die normalerweise den Trägern staatlicher Aufgaben vorbehalten sind 142 und deren Innehabung die öffentlich-reditliche Körperschaftsqualität nach Auffassung des Verfassunggebers von 1919 voraussetzte143. Dazu zählen neben dem ausdrücklich hervorgehobenen Besteuerungsrecht insbesondere die Dienstherrenfähigkeit, die Disziplinargewalt und die Behandlung des religiösen Kultus- und Verwaltungsvermögens als öffentliche Sachen sowie das Parochialrecht. Weder ist finanzielle Unterstützimg durch den Staat normalerweise den Trägern staatlicher Aufgaben vorbehalten noch setzt die Subventionierung etwa die öffentlich-rechtliche Korporationsqualität voraus. Staatsleistungen sind daher keine Körperschaftsrechte im Sinne von Art. 137 V WRV. Sie sind ein Vorrecht, das den Kirchen als Landeskirchen gewährt wurde, und sie führten zu einer besonders engen Verbindung von Staat und Kirchen auf finanziellem Gebiet. Diese enge Verbindung ist mit dem Verbot des Landeskirchentums unvereinbar. Daher wären Staatsleistungen schon nach dem Grundsatz des Art. 1371 WRV verboten und aufzuheben gewesen, wenn nicht Art. 1381 WRV sich ihrer speziell angenommen hätte 144 » 14δ . d) Die Bedeutung der staatskirchenrechtlichen
Ablösung
Die wirtschaftliche Freiheit der Kirchen vom Staat, wie sie schon in Art. 137 III, V I grundsätzlich festgelegt ist, unterstreicht Art. 1381 WRV nur noch, wenn er einerseits die Staatsleistungen abzuschaffen verspricht, andererseits in Anbetracht der erheblichen Werte, um die es sich handelt, den Kirchen Entschädigung zusichert. Das Verbot des Staatskirchentums, notwendige Konsequenz für das fortan weltanschau142
Vgl. Quaritsch, NJW 1967, S. 765. Vgl. dazu ausführlich H. Weber, Religionsgemeinschaften, S. 93. So audi Η. Weber, a.a.O., S. 93, wonach Art. 137 V „den Kernbereich vom Landeskirchentum ablösbarer Befugnisse beibehalten . w o l l t e , und S. 44 (durch Art. 1371 „sind die früher vorhandenen Vorrechte der Landeskirchen aufgehoben"). Daneben verbiete Art. 1371 Jegliche institutionelle Verbindung von Staat und Kirche (a.a.O., S. 32 f. m. w. N.). 145 Die Abschaffung der Staatsleistungen, deren Notwendigkeit sich an sich schon aus A r t 137 entnehmen läßt, mußte insbesondere wegen der Entsdiädigungspfiidit ausdrücklich geregelt werden, da die Länder in den nach Art. 137 V I I I WRV erforderlichen Durchführungsgesetzen zu den Grundsätzen des Art. 137 die Staatsleistungen auch hätten entschädigunglos einstellen können. Diese für die Kirchen mit katastrophalen Folgen verbundene Möglichkeit, die Staatsleistungen einseitig entschädigungslos einzustellen, wiU Art. 1381 WRV ausschließen. Vgl. audi Abg. Naumann, ProtVerfA Bd. 336, S. 190. Damit wird die reditstechnische Bedeutung des Art. 138 I WRV deutlich: Er ist eine — abweichend von der Vorschrift des Art. 137 V I I I — vom Verfassunggeber selbst erlassene Ausführungsbestimmung zu Art. 137 und soU die Trennung von Staat und Kirchen auf vermögensrechtlichem Gebiet unter Wahrung des Besitzstandes der Kirchen verwirklichen. 143
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
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lidi neutrale Gemeinwesen, soll den Staat von den Bindungen an die Kirchen befreien, in denen sich sein positives Interesse an der Erfüllung religiöser Aufgaben manifestierte. Beiden Grundsätzen entspricht nur die Ablösung, die die Staatsleistungen endgültig und durch Staatsleistungen vermittelte Verbindungen zwischen Staat und Kirchen für die Zukunft verbietet. Die staatskirchenrechtliche Ablösung ist Institutsliquidation. 4. Umfang und Grenzen des Verbotes
Die Ablösimg als Institutsliquidation verbietet die Neubegründung von auf dauernden Rechtspflichten beruhenden Staatsleistungen, läßt aber die Zulässigkeit anderer Beihilfen, z.B. wie Ermessenszuschüsse oder einmalige Leistungen unberührt. Die Beschränkung des Verbotes auf solche Leistungen scheint auf den ersten Blick der von den Sozialisten und Demokraten aufgestellten und aufrechterhaltenen Forderung zu widersprechen, keine öffentlichen Mittel für religiöse Zwecke mehr auf zuwenden. Doch beinhaltet die Formulierung des Art. 1381 WRV nur eine unwesentliche Einschränkung dieser Forderung. Die Unterstützung der Kirchen durch den Staat beruhte vor 1919 zu über 94% auf Rechtspflichten des Staates146. Wenn der Verfassunggeber die Subventionierung der Kirchen abschaffen wollte, so hatte er diese Form der Subventionierung vor Augen. Da Art. 1381 WRV die, also alle auf den aufgezählten Rechtsgrundlagen beruhenden Staatsleistungen der Ablösung unterwirft, so werden damit praktisch alle auf ständigen Rechtspflichten beruhenden Leistungen ablösungspflichtig und verboten: Wie J. Heckel147 nachgewiesen hat, beinhaltet die Aufzählung von Gesetz, Vertrag und besonderem Rechtstitel nichts anderes als die in absolutistischer Zeit übliche Scheidung der Rechtserwerbstitel in allgemeine und besondere Titel und erfaßt alle für eine Leistungspflicht in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen. Abgelöst werden sollen also sämtliche auf Rechtspflichten beruhenden Staatsleistungen — und damit verschwindet die bisherige staatliche Subventionierung der Kirchen fast völlig, weil fast ausschließlich in dieser Form die Kirchen unterstützt wurden. Die Beschränkung des Verbotes nur auf solche Staatsleistungen, die auf ständigen Rechtspflichten des Staates beruhen, entspricht auch Sinn und Zweck der finanziellen Trennung. Sie soll den Staat von langfristigen finanziellen Belastungen freihalten und die materielle Selbständigkeit der Kirchen gewährleisten. Beide Ziele können ernsthaft Vgl. Schwarz/Strutz, Staatshaushalt II, 1. Lieferung, S. 88. 147 ZRGKanAbt Bd. 19, 1930, S.86H.; ders., VerwA Bd. 37, 1932, S.2951 ί: : Vgl. auch oben S. 92. ·
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
nur gefährdet werden durch solche Unterstützungen, zu denen der Staat sich dauernd verpflichtet, die also nicht allein auf dem jährlichen Etatansatz beruhen 148. Eine nur auf dem Etat beruhende Unterstützung kann jederzeit beseitigt werden und in einem demokratisch-pluralistischen Gemeinwesen müssen die Kirchen jederzeit damit rechnen, daß kirchenneutrale oder gar kirchenfeindliche Kräfte an die Macht gelangen könnten. Diese Tatsache würde regulierend auf die Höhe der freiwilligen Zuschüsse des Staates wirken: Sie werden kaum den Anteil am kirchlichen Haushalt gewinnen, der ihre plötzliche Einstellung zu einer Gefährdimg der Kirchen werden läßt. Sie werden den Staat daher auch nicht wesentlich belasten; überdies kann er sie jederzeit aufheben. Dagegen kann der Staat sich nicht ohne weiteres den auf dauernden Rechtspflichten des Staates beruhenden Staatszuschüssen entziehen. Die Verselbständigung von Staatsbeihilfen außerhalb des Etats in Gesetzen oder vertraglichen Abreden entzieht diese der jährlich wiederkehrenden Diskussion um den Etat und befreit sie von der notwendigen jährlichen Zustimmung. Dadurch wird das Vertrauen auf ihre Beständigkeit verstärkt, die Ungewißheit ihrer Wiederbewilligung sinkt und die Tendenz auf kirchlicher Seite, diese Leistungspflichten in ihrem Umfange zunehmen zu lassen, wächst. Damit eröffnet sich aber die Möglichkeit, daß wieder die Verhältnisse entstehen, wie sie gerade durch Art. 1381 abgeschafft werden sollten. Entgegen der herrschenden Lehre ist daher davon auszugehen, daß Art. 1381 WRV die Neubegründung dauernder, auf Rechtspflichten beruhender Staatsleistungen verbietet. Mit dieser Einschränkung ist die Forderung der Sozialdemokraten und Demokraten, öffentliche Aufwendungen für religiöse Ziele zu verbieten, Verfassungsrecht geworden14·. Ermessenszuschüsse, deren Grundlage sich im Etat findet und zu deren Gewährung also die Regierung durch das Parlament ermächtigt, aber nicht verpflichtet wird, sind durch Art. 1381 WRV ebensowenig verboten wie einmalige oder zeitlich begrenzte Leistungsverpflichtungen, weil der Ablösung nur auf Dauer angelegte Leistungen unterliegen 150. 148 vgl. auch Hammer, ZevKR Bd. 14, 1968/69, S. 93. Von einem im Umfang weiteren Verbot geht allein aus Israel, ReichStaat-Kirche, S. 18 ff. I m Ergebnis hiermit übereinstimmend Koellreutter, AÖR N.F. Bd. 15, 1928, S.311; Hilling, ArchkathKR Bd. 107, 1927, S.401; Schmidt-Bleibtreu/Kleln, A r t 140 GG Anm. 9. Ebenso wohl die Autoren zur Weimarer Reichsverfassung, die eine Begründung neuer Leistungsverpflichtungen bis zur Ablösung für zulässig, danach dann doch wohl aber für unzulässig halten (diese Folge wird jedoch nirgends ausdrücklich ausgesprochen) : Anschütz, Reichsverfassung, Art. 138 Anm. 3 (S.652); Schoen, Verfassungsrecht, S. 28; Berner, RPrVerwBl 51, 1930, S. 89; Fittges, Diss., S. 70; unklar Ebers, Staat und Kirche, S.245. IM So schon Koellreutter, AÖR N.F. Bd. 15, 1928, S.31f. Eine differen141
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
Eine weitere Begrenzung des Verbotes ergibt sich aus dem Zweck des Art. 1381 WRV. Die Ablösungsvorschrift soll Staat und Kirche von einander lösen. Auch in seinen finanziellen Beziehungen zu den Religionsgesellschaften soll der Staat weltanschaulich neutral handeln. Die weltanschauliche Neutralität ist sicherlich nicht dort tangiert, wo der Staat einer Religionsgesellschaft ein Grundstück abkauft gegen die Begründimg einer Rentenschuld oder der Kirche gemäß öffentlichem Entschädigungsrecht Leistungen erbringen muß. Hier werden nicht an die Religionsgesellschaften als solche, sondern als Subjekte des allgemeinen Rechtsverkehrs Leistungen erbracht. Die Religionsgesellschaften als solche werden nur dann unterstützt, wenn der Staat Aufgaben fördert, die er nicht als eigene betrachtet, sondern die ausschließlich im religionsgesellschaftlichen Bereich angesiedelt sind. Nicht der Empfänger, sondern die geförderte Aufgabe qualifiziert eine Leistung an die Religionsgesellschaften zur ablösungspflichtigen Staatsleistung161. Damit scheidet aus dem Geltungsbereich des Art. 1381 WRV ein weiterer Komplex von Leistungsbeziehungen aus, weil hier aus der Sicht des Staates nicht spezifisch religionsgesellschaftliche Aufgaben gefördert werden. Dies ist immer dort der Fall, wo Staat und Kirchen nebeneinander tatsächlich tätig werden und tätig werden dürfen: Wohlfahrtspflege und Unterricht sind hier zu nennen162. Die Unterstützung dieser Tätigkeit dient der Förderung staatlicher Aufgaben, wenn auch die Religionsgesellschaften damit gleichzeitig religionsgesellschaftliche Ziele verfolgen. Daneben hat die Verfassung einige spezifisch religionsgesellschaftliche Aufgaben zu staatlichen Aufgaben erklärt: So den Religionsunterricht, die Ausbildung und Besoldung von Religionslehrern und die Unterhaltung theologischer Fakultäten zierende Behandlung von Staatsleistungen und Ermessenszuschüssen nimmt auch vor Geller/Kleinrahm/Fleck/Lentz, Art. 21 NRW, Anm. β, 7 (S. 1691). An der Gewährung von Ermessenszuschüssen ist der Staat nicht gehindert und dabei nur an den Grundsatz der Parität gebunden; dagegen haben öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften unter Berufung auf die Parität keinen Anspruch auf Staatsleistungen. IM Israel, Reich-Staat-Kirche, S.28; W.Weber, Ablösung, S.56; Friedrich, Kirchenrecht, S.492; Geller/Kleinrahm/Fleck/Lentz, Art. 21 NRW, Anm. 3 c; ausführlich dazu Zündorf, Diss., S. 56 ff. m. w. Ν. ι«* Hierzu dürfte auch die Pflege und Förderung kirchlicher Kulturdenkmäler und Kunstwerke zählen. Der Staat darf also die ReligionsgeseUschaften hier unterstützen, weil die Religionsgesellschaften in ihrer Eigenschaft als Kulturträger und nicht als Träger religiöser Verkündigung und Versorgung handeln (Zu dieser Differenzierung religionsgesellschaftlicher Tätigkeit vgl. BVerfG NJW 1966, S. 147, 149; M.Heckel, Staat-Kirche-Kunst, S. 18 f l , 125 ff.; ders., W d S t R L Heft 26, 1968, S.30, 361; s. auch unten S. 136 Anm. 15). Mit A r t 1381 WRV vereinbar wären daher auch Leistungen des Staates zur Erhaltung sakraler Kunstwerke, wenn und soweit sie kulturellen und nicht ausschließlich religiösen Wert besitzen.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
an den Universitäten. Deren Unterstützung ist keine Staatsleistung i m Sinne von A r t . 1381 W K V und daher nicht ablösungspflichtig, ihre Neubegründung aber auch nicht verboten. Die Ablösung bisheriger Staatsleistungen erfordert weitere gesetzgeberische Tätigkeit, nicht so das Verbot: Ablösung ist Institutsliquidation. Diesem Ablösungsbegriff und dem Sinn der Ablösungsvorschrift, die finanziellen Verbindungerl von Staat und Kirchen endgültig abzubauen, widerspräche es, zwischenzeitlich die Begründung neuer Staatsleistungen zuzulassen. Das Verbot bedarf zu seiner Durchführung keiner weiteren gesetzgeberischen Tätigkeit, es ist self-executing und unmittelbar geltendes Recht 1 5 8 » 1 5 4 . Exkurs: 5. Staatsleistungen und andere Formen staatlicher Unterstützung für Kirchen und religiöse Zwecke Heute gewähren Bund und Länder den Kardien nicht nur Staatsleistungen i m Sinne von A r t . 1381 WRV. Neben diese sind staatliche Leistungen getreten, die den ersteren an Bedeutung und Höhe gleichkommen, ja sie sogar übertreffen, so daß möglicherweise die Staatsleistungen daneben vergleichsweise imbedeutend und unproblematisch erscheinen und daher der Erfüllung des Ablösungsgebotes heute keine grundsätzlichen Hindernisse mehr entgegenstehen 155 . Schließlich unterstützt der Staat die Kirchen auch dadurch, daß er einige Gebiete IM Anders Israel, Reich-Staat-Kirche, S. 29 und — abgesehen von Koellreutter — das oben S. 102 Anm. 149 angegebene Schrifttum. 154 Unvereinbar mit Art. 1381 WRV/140 GG und daher verfassungsrechtlich unzulässig sind daher die oben S. 9 Anm. 1 zitierten Vereinbarungen des Bundes, §7 RuhrbistumsV und § 1 1 nrwevglKV. Äußerst bedenklich sind die regelmäßig in den Verträgen enthaltenen Gleitklauseln, sofern und soweit sie Leistungspflichten materiell erweitern. Das sog. 131er Abkommen, das die Bundesrepublik mit der EKD und den Erzbistümern und Bistümern der katholischen Kirche in Deutschland abgeschlossen hat, erscheint nicht nur im Hinblick auf Art. 1381 WRV bedenklich. Es betrifft ein Gebiet der Leistungsverwaltung, das der Gesetzgeber in den 131er Gesetzen ausführlich geregelt hat. Wenn er überdies dieses Gebiet abschließend regeln wollte, so ist die Bundesregierung nicht befugt, auf dem gesetzlich geregelten Gebiet tätig zu werden, weil ihr insoweit die Kompetenz dazu fehlt. iss Die Haushaltspläne weisen nicht alle Ausgaben zugunsten von Kirchen bzw. kirchlichen Verbänden sowie zur Förderung kirchlicher Aufgaben nach. Meine Bitte, mir Zweck und Höhe solcher Ausgaben bekanntzugeben, wurde — wenn überhaupt — beantwortet mit dem Hinweis darauf, daß die Feststellung dieser Beträge mit zu großem Verwaltungsaufwand verbunden sei. Nur die betroffenen Senatsverwaltungen bzw. Ministerien Berlins, Bremens, Hamburgs, Nordrhein-Westfalens und Rheinland-Pfalz* sowie die Arbeits- und Sozialministerien Bayerns, Hessens, des Saarlandes und das Kultusministerium Schleswig-Holsteins stellten Zahlen bzw. Unterlagen zur Verfügung. Die Angaben — wenn auch nicht immer der Verallgemeinerung fähig — erlauben doch einige interessante Vergleiche.
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religiöser Verkündigung und Beligionspflege zur eigenen Aufgabe erklärt hat. Dazu zählen vor allem der Religionsunterricht und die Ausbildung von Religionslehrern, die Unterhaltung theologischer Fakultäten, die Anstalts- und Militärseelsorge 156 . Diese positive Religionspflege des Staates erfordert Ausgaben und erspart den Kirchen eigene Aufwendungen für diese Zwecke. Sie entlastet daher den kirchlichen Haushalt und beinhaltet materiell eine Leistung des Staates an die Kirchen. Die Höhe dieser Ausgaben läßt sich allerdings nur schwer feststellen, weil sie abgesehen von den Ausgaben für die Militärseelsorge in den Haushaltsplänen nicht gesondert nachgewiesen sind. Die Kosten für die Unterhaltung theologischer Fakultäten waren nicht zu ermitteln, und auch Anhaltspunkte für eine ungefähre Schätzung fehlten 1 6 7 . IM Die Erteilung von Religionsunterricht und die Unterhaltung theologischer Fakultäten sind verfassungsrechtlich legitimiert (für den Religionsunterricht vgl. Art. 7 I I I GG sowie Art. 18 bwVerf, Art. 13β I I bayVerf, Art. 57, 58 hessVerf, Art. 14 nrwVerf, Art. 34, 35 rhpfVerf, Art. 29 saarVerf ; für die Unterhaltung theologischer Fakultäten fehlt im Grundgesetz eine dem Art. 149 Abs. I I I WRV entsprechende Vorschrift; jedoch treffen regelmäßig die Länderverfassungen Vorsorge: Art. 150II bayVerf, Art.8 bwVerf i.V.m. Art. I X badKonk und Art. V I I badKV; Art. 60 I I hessVerf, Art. 23 nrwVerf i. V. m. A r t 12 preußKonk und Art. 11 preußKV, Art. 391 rhpfVerf). Dagegen fehlt für die Einrichtung einer staatlich organisierten Anstalts- und Militärseelsorge eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Sanktion. Art. 140 GG/ 141 WRV räumt den Kirchen lediglich ein dem individuellen Bedürfnis der Anstaltsinsassen nach Seelsorge korrespondierendes Recht auf Zulassung ein. Ob diese Vorschrift auch den Staat legitimiert, Anstalts- und Militärseelsorge staatlich zu organisieren, erscheint fraglich. Jedenfalls genügt nicht der Hinweis auf das traditionelle Institut der staatlich organisierten Anstalts- und Militärseelsorge (so im Anschluß an Ansdiütz, Reichsverfassung, Art. 141, Anm. 2, S. 657 die h. L.), mußte doch dieses Institut gerade vor den neuen staatskirchenrechtlichen Grundsätzen der Weimarer Verfassung Bestand haben. Lediglich die Schulbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg konnte genaue Zahlen für die evangelisch-theologische Fakultät an der Universität Hamburg nennen: die anteiligen Baukosten für den „Philosophenturm" betrugen ungefähr 2,7 Millionen DM, für Lehre, Forschung, Sammlungen und sonstige wissenschaftliche Zwecke stehen jährlich 74 750 DM zur Verfügung. Darin dürften aUerdings nicht die Personalkosten für die Fakultät enthalten sein. Der Stellenplan für die theologischen Fakultäten der Johannes-GutenbergUniversität in Mainz (rhpf HP 1969 Plan 09 Anlage 3, S. 246 ff.) weist 23 SteUen für ordentliche Professoren, 1 Stelle für einen Oberassistenten, 22 Stellen für Wiss. Assistenten, 10 Stellen der Gruppe V I I / V I I I und eine Stelle der Gruppe IXa/b aus. Als Richtwerte für die Besoldung (Grundgehalt, verheiratet, ein Kind) im Jahre 1970 werden vom Senator für Wissenschaft und Kunst in Berlin veranschlagt: 31800 DM für einen ordentlichen Professor, 26120 DM für die Besoldungsgruppe A 14, 23 840 für A 13, 13 360 bzw. 15 000 für V I I I / V I I und 12 680 für I X a. Demzufolge dürften sich die Personalkosten für die theologischen Fakultäten der Universität Mainz auf ca. 1 428 280 DM belaufen. Lt. Statistischem Jahrbuch 1968 wendet Bayern für die philosophisch-theologischen Hochschulen 5 MiU. DM auf.
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Allein für die Militärseelsorge wendete der Bund im Jahre 1968 16 494 000 DM auf 166 . Dagegen lassen sich die Kosten für die Anstaltsseelsorge nur ungefähr ermitteln. Die Stellenpläne der Justizvollzugsämter von acht Ländern (ausschließlich Bremen, Hamburg und Hessen) weisen 93 Planstellen für Pfarrer und Oberpfarrer in den Vollzugsanstalten nach. Legt man den im Berliner Haushaltsplan von 1969"· angegebenen Zusdiuß zum Gehalt eines Geistlichen von DM 15 614,00 zugrunde 180, so ergibt sich eine Gesamtsumme von ungefähr 2,25 Millionen DM, zu der nodi der in Hessen pauschal an die Kirchen gezahlte Betrag von 180 000 DM hinzuzurechnen ist 161 . Audi die Kosten des Religionsunterrichts lassen sich nur ungefähr abschätzen. Als einziges Land weist Berlin sie gesondert im Haushaltsplan nach182. Im Jahre 1968 betrugen die Ausgaben für den Religionsunterricht 7 612 840 DM 1 8 8 . Im gleichen Jahre nahmen an diesem Unterricht ungefähr 176 268 Schüler teil 184 . Mit DM 43,20 pro Schüler im Jahr trägt das Land Berlin zu den Kosten des Religionsunterrichts bei. Da es jedoch höchstens bis zu 75 % der Kosten übernimmt, dürften die wahren Kosten ungefähr DM 60,00 pro Schüler im Jahr betragen. In den übrigen Ländern der Bundesrepublik dürften allerdings die Kosten des Religionsunterrichts pro Schüler im Jahr eher höher liegen: In Berlin wird der Religionsunterricht überwiegend von kirchlichen Kräften erteilt, deren Gehalt in der Regel unter dem staatlich angestellter oder beamteter Religionslehrer liegt 186 . Im Gegensatz zu den IM HP 1968 Plan 14, Kap. 06. IM HP 1969 Plan 08, Kap. 95, Titel 380. IM I m Gegensatz zu den übrigen Bundesländern sind in Berlin die Anstaltsgeistlichen keine Staatsbeamten, sondern Kirchenbedienstete, für deren Gehalt das Land einen Zusdiuß in Höhe von 2/3 des Gehalts gewährt. iei HP 1969 Plan 05, Kap. 05, Titel 67272/056. Auf Grund von Verträgen, die mit den einzelnen Landeskirchen bzw. Diözesen geschlossen wurden, erstattet das Land Hessen diesen die Dienstbezüge für vier evangelische und zwei katholische Pfarrer im Justizvollzugsdienst. IM Zur besonderen Ausgestaltung des Religionsunterrichts in Berlin, die eine besondere Ausweisung der Kosten im Haushaltsplan ermöglichte und erforderte, vgl. v.Drygalski, Religionsunterricht, S. 105 ff. I n SchleswigHolstein werden den Kirchen für die bei Gymnasien und Berufsschulen eingesetzten kirchlichen Kräfte 390 000 DM erstattet. IM HP 1968 Plan 08 Kap. 95 Titel 386. Zu den dort ausgewiesenen 7162 840,00 DM müssen noch 450 000 DM aus den Bezirkshaushaltsplänen addiert werden (vgl. Erläuterung Nr. 9). Diese Ausgaben decken bis zu 75 ·/· der Personal- und Lernmittel für den Religionsunterricht an öffentlichen und privaten Schulen ausschließlich der Verwaltungs- und Ausbildungskosten. Nach Auskunft des Senators für Wissenschaft und Kunst liegen sie effektiv bei ca. 72 °/o. Sie werden laufend den entsprechenden Gehältern der Angestellten im öffentlichen Dienst angepaßt IM Vgl. Erläuterung Nr. 9 zu Titel 386. IM Auskunft des Senators für Wissenschaft und Kunst.
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übrigen Bundesländern trägt das Land Berlin weder die Kosten der Vorbildung nodi die nach dem Ausscheiden der Religionslehrer aus dem aktiven Dienst notwendigen Aufwendungen für Ruhegehalt, Pensionen bzw. Hinterbliebenenfürsorge. Schließlich werden in Berlin nur zwei Wochenstunden Religionsunterricht erteilt, im übrigen Bundesgebiet überwiegend zwei bis vier Wochenstunden1®8. In der Bundesrepublik Deutschland besuchten 7 537 925 Schüler im Jahre 1968 allgemeinbildende Schulen187. Bei einer Teilnahme von unter 75% — eine Zahl, die eher zu niedrig als zu hoch angesetzt sein dürfte — hätten ungefähr 5 500 000 Schüler am Religionsunterricht teilgenommen. Nach einer sehr vorsichtigen Schätzung betragen die Kosten für den Religionsunterricht in der Bundesrepublik mindestens 330 Millionen DM pro Jahr. Positive Religionspflege — soweit der Staat diese heute noch wahrnehmen darf und wahrnimmt — belasten diesen mit Ausgaben in Höhe von mindestens 350 Millionen DM jährlich. Allein diese Ausgaben liegen schon weit höher als die Summe der Staatsleistungen i. S. von Art. 1381 WRV. Doch erspart der Staat den Kirchen nicht nur eigene Aufwendungen für religiöse Zwecke, wenn er positive Religionspflege betreibt. In immer größerem Umfange gewährt er den Kirchen und kirchlichen Verbänden finanzielle Unterstützung dort, wo Staat und Kirche konkurrierend tätig werden dürfen und kirchliche Tätigkeit dem Staat eigene Aufwendungen erspart 188. Zu diesen Aufgabengebieten zählen vor allem das Schulwesen, das Gesundheitswesen, die Jugend-, Wohlfahrts- und Denkmalspflege 189. Für anerkannte konfessionelle Privat- und Fachschulen gewährte das Land Berlin im Jahre 1968 6 168 090 DM als Zuschuß170. Im Jahre im Gemäß S 15 Berliner Schulgesetz vom 26.6.1948 in der Fassung vom 15.6.1961 (GVBL S. 1101). Zu den Wochenstundenzahlen in den übrigen Bundesländern vgl. v. Drygalski, Religionsunterricht, S. 116 (Baden-Württemberg: 2—3 Stunden), S. 132 (Niedersachsen: 2—4 Stunden), S. 148 (Hessen: 2—4 Stunden), S. 162 (Nordrhein-Westfalen: 2—4 Stunden), S. 175 (Bayern: 2—4 Stunden), S. 190 (Rheinland-Pfalz: 2—4 Stunden), S. 199 (Saarland: 2—4 Stunden). Lediglich in Hamburg (S. 130: 1—2 Stunden) und SchleswigHolstein (S. 144: 1—2 Stunden) liegt die Wochenstundenzahl etwas niedriger, statistisches Jahrbuch für die Bundesrepublik Deutschland 1968, S. 76. i«8 Diesen Gesichtspunkt hat insbesondere das Bundesverwaltungsgericht zur Begründung einer Subventionierungspflicht zugunsten von Privatschulen herangezogen (NJW 1966, S. 1236 f.; NJW 1968, S. 6131; kritisch dazu H. Weber, NJW 1966, S. 1798 ff.). IM Ausgaben zugunsten kirchlicher Denkmalspflege ließen sich nur im nordrhein-westfälischen und rheinland-pfälzischen Haushaltsplan feststellen (nrw HP 1968 Plan 05 Kapitel 74 Titel 600: 2 Millionen DM; rhpf HP 1968 Plan 09 Kapitel 40 Titel 600: 450 000 DM), no HP 1968 Plan 07 Kapitel 00 Erläuterung 52 (S. 264 f.).
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1965 unterstützte die Freie und Hansestadt Hamburg 22 Konfessionsschulen mit einem Zuschuß von 7 583 000 DM 1 7 1 . Der Haushaltsplan des Landes Rheinland-Pfalz weist in verschiedenen Kapiteln Zuschüsse zu konfessionellen Privatschulen nach172. Deren Höhe dürfte sich insgesamt auf 12.5 Millionen DM belaufen. Das Land Bremen trägt für Privatschulen 50% des Besoldungsaufwandes, der an einer vergleichbaren öffentlichen Bremischen Schule entsteht173. Im Jahre 1969 betrug der Zusdiuß rund 990 000 DM. Im gleichen Jahre erhielten in Hamburg konfessionelle Krankenhäuser einen Zusdiuß von 2 803 000 DM 1 7 1 . Hessen gewährte innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren konfessionellen Trägern von Krankenhäusern Investitionszuschüsse in Höhe von ca. 75 Millionen DM 1 7 4 . Für Jugendpflege 175, die von konfessionellen Verbänden getragen wurde, wendete das Land Berlin im Jahre 1969 ungefähr 7 Millionen DM auf 17·, die Freie und Hansestadt Hamburg im Jahre 1965 2 910 000 DM 1 7 1 und das Land Hessen im Lauf von 10 Jahren 46 Millionen DM 174 . Auf dem Gebiet der Wohlfahrtspflege erhielten kirchliche Verbände in Berlin für das Jahr 1968 ca. 8 Millionen DM 1 7 7 . In Hamburg betrugen die Aufwendungen für diese Zwecke im Jahre 1965 336 000 DM 1 7 1 , Auskunft der Senatskanzlei-Staatsamt. π* HP 1969 Plan 09 Kap. 22 Tit. 605 2 300 000 (für private Reallschulen — alle werden von konfessionellen Verbänden getragen, vgl. HP 1969 Plan 09, S. XVI) Kap. 23 Tit. 601 11218600 (für private höhere Schulen — von 26 haben 23 Schulen konfessionelle Träger, vgl. a.a.O., S. X I I I f.) Kap. 24 Tit. 603 1 317 300 (für private Berufs-, Berufsfach- und Fachhochschulen — jeweils 14 von 16, 30 von 68 und 4 von 20, a.a.O., S. XIX). "3 Auskunft des Senators für das Bildungswesen. Zahlen für das Land Nordrhein-Westfalen waren zur Zeit meiner Anfrage noch nicht vorhanden, werden aber ermittelt (Auskunft des Kultusministers des Landes NordrheinWestfalen). Vgl. jetzt unten Anm. 194. 174 Auskunft des hessischen Ministers für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen. 175 Darunter fallen die Einrichtung und Unterhaltung von Kindertagesstätten, Kinderspielplätzen, örtlichen und überörtlichen Jugendheimen, Erholungseinrichtungen, Heimen für Kinder und Jugendliche, Jugendwohnheimen, Studenten- und Freizeitheimen, Aufwendungen für Jugendgemeinschaften, Schulungsmaßnahmen, Begegnungen, von Spiel und Sport, Zuschüsse an Organe und Einrichtungen der Jugendhüfe, für Jugendgruppenfahrten etc. ΐ7β Auskunft des Senators für Familie, Jugend und Sport. 177 HP 1968 Plan 09 Kapitel 00 Titel 381, Kapitel 01 Titel 870. Nicht berücksichtigt sind in dieser Summe die ebenfalls in diesen Titeln ausgeworfenen Zuschüsse in Höhe von 245 410 bzw. 5 290 000 DM an den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband, dem auch die Kirchen bzw. die kirchlichen Verbände angehören.
I I . Die
ubend
Staatsleistungen
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im Jahre 1969 489 720 DM 1 7 8 . In Nordrhein-Westfalen erhielt im Jahre 1960 die Arbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege, der neben Caritas und Innerer Mission allerdings auch die Arbeiterwohlfahrt, das Deutsche Rote Kreuz, der Paritätische Wohlfahrtsverband und die jüdischen Kultusgemeinden angehören, Zuwendungen in Höhe von 6 652 000 DM 179 . Im Saarland wurden im gleichen Jahre nichtstaatliche Wohlfahrtseinrichtungen mit 1 250 000 DM gefördert. Davon erhielten Kirchen und Kirchenordensgemeinschaften als Träger derartiger Wohlfahrtseinrichtungen Zuwendungen in Höhe von DM 784 000180. In Hessen beliefen sich die Zuschüsse für Investitionen in den letzten 10 Jahren auf 68,5 Millionen DM, während für laufende Maßnahmen in den Jahren 1965—1968 das Diakonische Werk und die Caritas-Verbände in Hessen 1 857 000 DM erhielten 181 . In Rheinland-Pfalz wurden für das Haushaltsjahr 1969 DM 25 841 700 als Zuwendungen an die caritativen Verbände und deren Einrichtungen im Haushaltsplan des Sozialministeriums veranschlagt 182. Allerdings sind diese Aufwendungen nicht nach dem Empfängerkreis aufgeschlüsselt 188. Mindestens 50% dieser Zuwendungen dürften auf die großen caritativen Verbände der Kirchen entfallen. In Baden-Württemberg sind die vier Regierungspräsidien (Nordwürttemberg, Nordbaden, Südbaden, Südwürttemberg-Hohenzollern) für die Förderimg von Einrichtungen der Wohlfahrtspflege und Jugendhilfe aus Mitteln des Haushaltsplanes zuständig. Lediglich das Regierungspräsidium Südbaden und Südwürttemberg-Hohenzollern konnte die Höhe der Zuwendungen mitteilen. In Südbaden erhalten allein die Kirchen (ausschließlich der den Kirchen nahestehenden Verbänden der Freien Wohlfahrtspflege wie Caritas und Diakonisches Werk) DM 1 678 100184. In Südwürttemberg-Hohenzollern erhalten die den evangelischen und katholischen Landesverbänden angeschlossenen Einrichtungen DM 12 512 500185. 178 Auskunft der Arbeits- und Sozialbehörde. Unberücksichtigt blieb dabei der Zuschuß an den Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband in Höhe von 174 610 D M "9 HP 1969 Plan 06 Kapitel 61 Titel 600. 180 Auskunft des Ministers für Arbeit, Sozialordnung und Gesundheitswesen. 181 Auskunft des Hessischen Ministers für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen. Allerdings sind nach dieser Auskunft in diesen Zahlen nicht enthalten die Kosten für die Ausbildung von Altenpflegekräften, von Kindergärtnerinnen, von Maßnahmen zur Eingliederung Behinderter durch Zuwendungen aus staatlichen Haushaltsmitteln, weil diese nicht besonders im Haushalt nachgewiesen werden. i » HP 1969, Plan 06 Kap. 02 Anlage 1 (S. 28). les Das Ministerium sah sich leider auch zu einer Aufschlüsselung wegen der damit verbundenen Arbeit nicht in der Lage. 184 Auskunft des Regierungspräsidiums Südbaden. 18e Auskunft des Regierungspräsidiums Südwürttemberg-Hohenzollern.
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3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
Trotz dieser sehr unvollständigen Zahlen lassen sich einige — wenn auch sehr vorsichtige — Schätzungen über die Höhe von Zuwendungen des Staates an die Kirchen bzw. die kirchlichen Verbände anstellen: Die Zuwendungen des Landes Hessen an das Diakonische Werk, die Innere Mission und das Hilfswerk in Hessen und Nassau sowie an den Landesverband der Inneren Mission und das Hilfswerk in Kurhessen-Waldeck e.V. und an sonstige evangelische Träger wie Kirchengemeinden, Stiftungen, evangelisch reformierte Kirchengemeinden, Missionsgesellschaften und Vereine, an die Caritas-Verbände für die Diözesen Fulda, Limburg und Mainz sowie an sonstige katholische Träger wie Kirchengemeinden, Stiftungen, katholische Schwesternvereinigungen und Fürsorgevereine beliefen sich in den letzten 10 Jahren auf knapp 200 Millionen DM 18 ·, und diese Leistungen allein übertreffen schon die in diesem Zeitraum an die Kirchen gezahlten Staatsleistungen187. Das Land Berlin gewährte den Kirchen im Jahre 1969 Staatsleistungen in Höhe von DM 7 411 370,—188. Diesen Staatsleistungen standen andere Zuschüsse in Höhe von DM 29 929 514,— gegenüber18·. IM Nach Auskunft des Hessischen Ministers für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen. Der genaue Betrag lautet DM 199 710 721. 187 8 792 600 HP 1958 Plan 4 Kap. 3 Kap. 4 3 555 200 Kap. 5 210 300 5141000 Kap. 9 8 792 600 HP 1959 Plan 4 Kap. 3 3 555 200 Kap. 4 210 300 Kap. 5 656 700 Kap. 9 HP I960 Plan 4 Kap. 69/ 12 884 600 HP 1961 Plan 4 Kap. 69/ 13 693 900 HP 1962 Plan 4 Kap. 69/ 14 860100 HP 1963 Plan 4 Kap. 79/ 27 549 500 HP 1964 Plan 4 Kap. 79/ 15 865 700 HP 1965 Plan 4 Kap. 79/ 16 231 700 HP 1966 Plan 4 Kap. 79/ 17 982 600 HP 1967 Plan 4 Kap. 79/ 19 850 400 HP 1968 Plan 4 Kap. 79/ 19 850 400 189 682 800 Die in den Haushaltsplänen 1958 und 1959 in Kap. 9 ausgewiesenen Beträge von 5141000 bzw. 656 700 DM waren zur Baulastablösung auf Grund von Verträgen mit insbesondere den evangelischen Landeskirchen vorgesehen. Die Erhöhung des Betrages für das Jahr 1963 auf 27,5 Millionen erklärt sich dadurch, daß im Titel 950 zur Ablösimg von Baulastverpflichtungen des Landes gegenüber den katholischen Diözesen 11752 200 DM nachgewiesen waren. Diese Beträge als einmalige Ausgaben wären von den laufenden Staatsleistungen abzuziehen. Die Gesamtsumme der Staatsleistungen in diesen Jahren beträgt also 172,5 Millionen DM. IM HP 1968 Plan 8 Kap. 95 Titel 380/381. i8t Diese Zahl schlüsselt sich wie folgt auf:
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
111
I n Hamburg standen i m Jahre 1965 einer Staatsleistung i n Höhe von D M 500,— Zuwendungen an Kirchen und kirchliche Verbände i n Höhe von D M 14 456 000 D M gegenüber 190 . Die Ausgaben des Bundes und der Länder für positive Religionspflege 191 betragen ungefähr 350 Millionen D M i m Jahr. Zuschüsse an Kirchen und kirchliche Verbände auf dem Gebiete des Schulwesens, des Gesundheitswesens, der Jugend- und Wohlfahrtspflege dürften mindestens das Doppelte der eigentlichen Staatsleistungen erreichen 192 , Religionsunterricht HP 1969, PL 8, Kap. 95, Tit. 386 evgl. 6 538 230 kath. 1049 030 dazu aus den Bezirkshaushaltsplänen (vgl. Erl. 9) 450 000 Anstaltsseelsorge 171750 Tit. 380 evgl. 62 530 Tit. 381 kath. Zuschuß zur Seelsorge in Flüchtlingslagern 30 000 Tit. 380 evgl. Tit. 381 10 000 kath. Tit. 385 Zuschuß für kirchlich-kulturelle Betreuung 220 000 evgl. 80 000 kath. 510 000 Tit. 385 Zuschuß für die kirchliche Hochschule 60 000 Zuschuß für die evangel. Akademie Kap. 00f Tit. 392 Zuschuß an konfessionelle Privat- und Fachschulen HP 1968, PI. 07, Kap. 00, ErL 52 6 168 090 Zuschuß zu Jugendbegegnungen 111000 HP 1969, PL 10, Kap. 00, Tit. 379 Zuschuß an Organisationen und andere zur Durch388 000 Tit. 384 führung von Erholungsreisen Zuschüsse an die in der Jugendhilfe tätigen Organisationen (Platzgeld für nichtstädtische Kindergärten) Tit. 382 5 817 454 wie oben (allgemeine Zuschüsse an Träger der 128 000 Tit. 385 Jugendpflege) 225 000 Zuschüsse zu Jugendgruppenfahrten Zuschüsse an Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege für Sozialarbeit (jüdische Gemeinden, Diakonisches Werk, Caritas) HP 1968, PL 09, Kap. 00, Tit. 381 1381360 Zuwendungen an andere für Baumaßnahmen (Investitionsaufwand, jährlich wiederkehrend für wechselnde Projekte) Kap. 01, Tit. 870 Caritas 989 500 Diakonisches Werk 5 602 800 Darüber hinaus enthalten auch die im Einzelplan 9 Kap. 1 Titel 380 (Senatsverwaltung für Gesundheit) sowie Kap. 00 Titel 312 (Zuschüsse für Erholungsreisen — 1940 000 DM), Titel 381 (Zuschüsse an Organe und Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege — 113 600 DM), Titel 870 (Zuwendungen an Einrichtungen, die den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege in Berlin angehören — 1000 000 DM) nachgewiesenen Ausgaben audi Zuwendungen an Kirchen und kirchliche Verbände, deren Höhe allerdings nicht festgestellt werden konnte. 190 Ausschließlich der Kosten für die evangelisch-theologische Fakultät und den Religionsunterricht. Auskunft der Senatskanzlei — Staatsamt. Religionsunterricht, Ausbildung von Religionslehrern, Militär- und Anstaltsseelsorge, Unterhaltung theologischer Fakultäten. 191 I n Berlin erreichen sie das Dreifache. I n Hessen übertrifft allein der
112
3. Teil: Die normative Aussage des Ablösungsgebotes
so daß diese Leistungen ungefähr 500 bis 600 Millionen DM jährlich betragen dürften 198 . Staatsleistungen in Höhe von 250 Millionen DM stehen jährlich andere Ausgaben des Staates für religiöse Zwecke in Höhe von ungefähr 1 Milliarde DM gegenüber. Im Gegensatz zu den Staatsleistungen sind diese Leistungen den Kirchen weder dem Bestände noch dem Werte nach garantiert; ihre Existenz hängt also ähnlich der der Staatsleistungen vor 1919 grundsätzlich vom kirchenpolitischen Klima in der Bundesrepublik einerseits und andererseits der Leistungsfähigkeit des Bundes und der Länder ab. Gerade diese Leistungen, die vor allem dem Schul- und Gesundheitswesen sowie der Jugend- und Wohlfahrtspflege zufließen, müssen für das öffentliche Wirken der Kirchen diesen nicht nur wegen ihres Umfanges wesentlicher erscheinen als die Staatsleistungen: der Entzug dieser Leistungen würde insbesondere die karitative Tätigkeit den Kirchen unmöglich machen, während eine werterhaltende Ablösung weder die finanzielle Lage noch das kirchliche Betätigungsfeld einschränkte. Zwangsläufig wendet sich daher das Interesse der Kirchen diesen für sie so wichtigen, rechtlich ungesicherten und folglich problematischen Leistungen zu; dagegen sind Staatsleistungen und selbst ihre Ablösung kaum noch ein grundsätzliches politisches Problem. Da zudem diese neben den Staatsleistungen stehenden Subventionen einer genauen Zweckbindung und Verwendungskontrolle unterliegen, bergen sie für das staatlich-kirchliche Verhältnis Konfliktmöglichkeiten, die allerdings so lange nicht zum Tragen kommen, als sich das kirchenpolitische Klima in der Bundesrepublik nicht ändert oder aber die finanzielle Leistungsfähigkeit der insbesondere betroffenen Länder nicht staatliche Investitionsaufwand für konfessionelles Gesundheitswesen sowie die Jugend- und Wohlfahrtspflege die Staatsleistungen. iss Eine interessante, hier allerdings nicht zu behandelnde Frage angesichts der Höhe dieser Zuschüsse wäre, diesen die Eigenaufwendungen der Kirchen und kirchlichen Verbände aus Spenden und Kirchensteuermitteln gegenüberzustellen. Bei den Privatschulen trägt das Land Berlin z.B. effektiv über 60% des Besoldungsaufwandes (6,1 Millionen von 9,9 Millionen DM). Als eigene Einnahme der Schulen sind 1 Million ausgewiesen, wobei aber nicht zu erkennen ist, ob es sich dabei um Schulgeld oder Zuschüsse der konfessionellen Träger handelt. Auch in der Jugend- und Wohlfahrtspflege in Berlin wird der Haushalt der kirchlichen Verbände zu weit über 50·/ο durch Zuschüsse des Staates gedeckt, während der Anteil der Kirchensteuermittel in der Regel 20% nicht überschreitet. Damit wird fragwürdig die häufig zur Rechtfertigung der Kirchensteuer kirchlicherseits angeführte Begründung, daß deren Wegfall den Kirchen die karitative Tätigkeit unmöglich mache. I m Gegensatz zu Staatsleistungen unterliegen diese Leistungen allerdings der Zweckbindung und Verwendungskontrolle durch den Staat. Vgl. dazu z.B. die (Berliner) Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung vom 20. Dezember 1966 Ziff. 7 zu §32, Ziff. 1—10 zu §60 (Dienstblatt des Senats von Berlin 1966 Teil I, S.449, 467, 479 f.,.
III. Die Neubegründung von Staatsleistungen
113
erschöpft ist. Die Form der Zuwendungen und ihre Höhe machen deutlich, daß heute die A r t dieser Unterstützung, ihre Höhe und ihre Bedeutung für das kirchlich-karitative Wirken die eigentlichen Probleme i m finanziellen Verhältnis von Staat und Kirche bergen. Der Ablösung der Staatsleistungen, die demgegenüber i n ihrer Höhe und vom Konfliktsstoff her vergleichsweise unproblematisch erscheinen, stehen dann allerdings kaum noch ernst zu nehmende Hindernisse entgegen. Das Ablösungsgebot des A r t . 1381 WRV könnte damit wieder aktuell werden 1 9 4 .
194 Die oben in Anm. 173 erwähnte, während der Drucklegung abgeschlossene Ermittlung im Land Nordrhein-Westfalen ergab, daß im Jahre 1968 kirchliche Privatschulen (Ersatzschulen) insgesamt Zuschüsse in Höhe von DM 127 304 447,70 auf Grund des Ersatzschulgesetzes erhielten. Diese Zahl schlüsselt sich wie folgt auf: 1. Zuschüsse an Schulen, die von Bistümern und Landeskirchen einschl. der Kirchengemeinden, kirchenrechtlichen Verbände und sonstigen Körperschaften der verfaßten Kirche (ζ. B. Domkapitel) getragen werden evgl 13 840 588,36 kath 14 799 837,55 2. Zuschüsse an Schulen, die von Orden, Kongregationen, Diakonissenanstalten und anderen Genossenschaften getragen werden evgl 1447 000,00 kath 59109149,74 3. Zuschüsse an Schulen, die von privaten kirchlichen Vereinen, Werken oder sonstigen der Kirche zugeordneten Einrichtungen getragen werden evgl 4 861147,39 kath 33 346 724,66 8
Brami·
Vierter
Teil
Die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in Art. 138 I W R V I. Die Sperrwirkung der Grundsatzgesetzgebung des Bundes
Gemäß Art. 1381 S. 1 WRV werden die Staatsleistungen durch die Landesgesetzgebung abgelöst. „Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf" bestimmt anschließend Satz 2. Für die Weimarer Verfassung stellte Art. 173 klar, daß die Länder mit einer Ablösung bis zum Erlaß der Reichsgrundsätze zu warten hatten1. Die Inkorporationsvorschrift des Art. 140 GG erklärt Art. 136—139, 141 WRV zu Bestandteilen des Grundgesetzes. Weder die Grundsatzkompetenz des Reiches für das staatskirchenrechtliche Gebiet2 noch die für das hier interessierende Ablösungsproblem spezielle Sperrvorschrift des Art. 173 WRV ist zum Bestandteil des Grundgesetzes erklärt worden. Während das Fehlen einer staatskirchenrechtlichen Bundeskompetenz jeglicher Art als ein Charakteristikum wiedererstarkter Länderstaatlichkeit — allein durchbrochen durch die verfassungsrechtliche Grundsatznormierung des Art. 140 GG/137—139, 141 WRV — gewertet wird 3 , mißt man dem Wegfall des Art. 173 keine Bedeutung zu4. Die von Art. 173 WRV ausdrücklich ausgesprochene Sperre ergebe sich schon aus Art. 1381 S. 2 WRV, der die Vorrangigkeit der Bundesgrundsätze zum Ausdruck bringe. Art. 173 WRV sei schon in der Weimarer Reichsverfassimg überflüssig gewesen6 und seine Nichtinkorporation für das . 1 Art. 173: „Bis zum Erlaß eines Reichsgesetzes gemäß Art. 138 bleiben die bisherigen auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Stäatsleistungen an die Religionsgesellschaften bestehen." « Gemäß § 10 Ziff. 1 WRV konnte das Reich „im Wege der Gesetzgebung Grundsätze aufstellen für: 1. die Rechte und Pflichten der Religionsgesellschaften .. Λ » BVerfGE 6, 309 (343 f.); Hesse, JöR N.F. Bd. 10, 1961, S. 19. * So ausdrücklich Friedrich, Kirchenrecht, S. 491 f.; Hesse, a.a.O., S.59; im Ergebnis ebenso Zündorf, Diss., S. 95 ff., der aber darüber hinaus auch vertragliche Ablösung für unzulässig hält (S.79ff.); offen bei BVerfG NJW 1965, S. 1427 (1429f.). * Vgl. dazu Anschütz, Reichsverfassung, Art. 173 Anm. 1; Berner, RPrVerwB1 51, 1930, S. 89; StGH RGZ 128, Anh. S. 16 (36).
I. Die Sperrwirkung der Grundsatzgesetzgebimg des Bundes
115
Verhältnis von landesgesetzlicher Ablösungskompetenz und Bundesgrundsätzen daher unbeachtlich. Warum die Bundesgrundsätze Voraussetzung für eine landesgesetzliche Ablösung sind, wird regelmäßig nicht begründet. Daß es so ist, wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Allein Zündorf begründet die zeitlich-logische Vorrangigkeit der Bundesgrundsätze mit dem Hinweis darauf, daß sonst bei der Besonderheit der Materie — Ablösung ist notwendig ein einmaliger Akt — die Bundesgrundsätze ins Leere stoßen würden 6. Die Richtigkeit dieser Prämisse erweist sich seiner Ansicht nach an dem Charakter der Grundsatzgesetzgebungskompetenz als ausschließlicher, gegenständlich beschränkter Bundeskompetenz7: Die Grundsatzgesetzgebung der Reichsverfassung, zu der auch Art. 1381 S. 2 WRV gehört habe, sei nicht begriffsnotwendig konkurrierende Gesetzgebung gewesen8. Das ergebe sich aus Art. 12 WRV, der sonst überflüssig gewesen sei. Wesentlich für den Begriff der „Grundsatzkompetenz" sei allein die sachliche Beschränkung auf „Grundsätze". Auf den Gegensatz Vollkompetenz — gegenständlich beschränkte Kompetenz, nicht aber konkurrierende — ausschließliche Kompetenz sei abzustellen9. Ob diese Kompetenz ausschließlich oder konkurrierend sei, ergebe sich nicht schon aus dem Begriff der Grundsatz· bzw. heute der Rahmenkompetenz, sondern erst aus der besonderen verfassungsrechtlichen Ausgestaltung einzelner Zuständigkeitsbereiche des Bundes. Die NichtÜbernahme des Art. 12 WRV, der erst die Grundsatzgesetzgebung der Reichsverfassung zur konkurrierenden Gesetzgebung gemacht habe einerseits, die für den Charakter der Rahmenkompetenz als konkurrierender Gesetzgebungszuständigkeit konstitutive Verweisung des Art. 75 GG auf Art. 72 GG andererseits hätten Art. 1381 S. 2 WRV als ausschließlich beschränkte Bundeskompetenz bestehen lassen10. Außerdem ergebe sich aus dem ausdrücklichen Hinweis auf eine beschränkte Kompetenz, daß die Regel die Vollkompetenz sei. Dagegen gelte ein solches Regel-Ausnahmeprinzip nicht für das Verhältnis ausschließlicher-konkurrierender Kompetenz, und es lasse sich auch nicht aus Art. 70 I I GG entnehmen. Da Art. 1381 S. 2 WRV die Grundsatzgesetzgebung nicht ausdrücklich als konkurrierende Gesetzgebung bezeichne, dieser Spezialfall auch schon unter Herrschaft der Weimarer Reichsverfassung ausschließliche Reichskompetenz ge• Zündorf, Diss., S. 81 f. a.a.O., S. 83 ff. 8 a.a.O., S. 90, wenn er aus der NichtÜbernahme des Art. 121 WRV den Schluß zieht, daß die Grundsatzgesetzgebung heute keine konkurrierende Gesetzgebung sei. • a.a.O., S. 93 f. 10 Zum folgenden vgl. a.a.O., S. 90 ff. 7
8*
lie
4. Teil: Die Kompetenzverteilung in Art. 1381 WRV
wesen sei11, bestehe Art. 1381 S. 2 WRV als einziger Fall der ausschließlichen beschränkten Kompetenz des Bundes fort. Demgegenüber haben neuerdings W. Weber 12 und Fischer 13 die Ansicht vertreten, daß mit Wegfall des Art. 173 WRV auch die Sperre für die Landesgesetzgebung entfallen sei. Die Identität von Grundsatz und Rahmen unterwerfe Art. 1381 S. 2 als Fall der Rahmengesetzgebungskompetenz auch den Voraussetzungen des Art. 7514. Der Bund könne daher nicht mehr nach seinem Ermessen Grundsätze erlassen, sondern sei über Art. 75 an die Voraussetzungen des Art. 72 GG gebunden. Letztere Ansicht läßt sich nur dann vertreten, wenn Identität von Grundsatz- und Rahmengesetzgebung nachgewiesen wird. Außerdem dürfte die Aufzählung des Art. 75 nicht abschließend sein, und Art. 1381 S. 2 WRV müßte ein Unterfall, kein Spezialfall der Rahmengesetzgebungskompetenz sein, da nur dann die Voraussetzungen des Art. 72 GG gelten würden. Die Richtigkeit dieser Ansicht, aber auch die Richtigkeit der herrschenden Lehre — in beiden Varianten — läßt sich nicht ohne Rücksicht auf das Verhältnis der Gesetzgebungskompetenz des Art. 1381 S. 2 WRV zu den allgemeinen Gesetzgebungskompetenzen klären. Zur Klärung dieser Frage ist ein Rückgriff auf die Regelung in der Weimarer Reichsverfassung notwendig, um den Standort des Art. 1381 S. 2 WRV in diesem System zunächst zu finden.
II· Die Ablösungskompetenz des Reiches im System der Gesetzgebungszuständigkeiten der Weimarer Reichsverfassung 1. Ablösungsgrundsätze und die allgemeine Gesetzgebung
Grundsätze im Sinne von Art. 10, 11 WRV waren „allgemeine, leitende Rechtssätze, Richtlinien, welche der näheren Ausführung, der Ausgestaltung im einzelnen, insbesondere unter dem Gesichtspunkte ihrer Anpassung an die besonderen Verhältnisse der einzelnen Länder, " Das sagt Zündorf nicht ausdrücklich, jedoch ergibt sich dieses daraus, daß seiner Ansicht nach Art. 173 für den Fall der Grundsatzkompetenz des A r t 138 WRV ebenso wie Art. 12 für die allgemeine Grundsatzgesetzgebung konstitutive Wirkung gehabt habe. Aus der Tatsache, daß bei vorzeitiger Länderablösung die Bundesgrundsätze ins Leere gehen würden, folgert Zündorf, daß einziger Zweck der Kompetenzverteilung des Art. 1381 S. 2 sei, eine einheitliche Ablösungskonzeption zu gewährleisten (a.a.O., S. 82, 65). Daher seien die Bundesgrundsätze zeitlich vorrangig (a.a.O., S. 82 f.). « DÖV 1965, S. 46; ders., RGG VI, Sp.317. i* Trennung, S. 210 f. " So insbes. Weber, DÖV 1965, S. 46.
II. Die Ablösungskompetenz des Reiches
117
ebenso fähig wie bedürftig sind" 16 . Diese Definition fand allgemein Anerkennung 16. Umstritten war lediglich, ob diese Richtlinien sich nur an die Landesgesetzgeber adressieren durften und der Transformation in unmittelbar geltendes Recht durch diese bedurften oder ob das Reich selbst unmittelbar geltende Rechtssätze im Wege der Grundsatzgesetzgebung aufstellen konnte17. Daß der in Art. 1381 S. 2 WRV gebrauchte Begriff Grundsatz einen anderen Inhalt haben sollte als der der allgemeinen Grundsatzkompetenz nach Art. 10, 11 WRV, wird nirgends angenommen. Stillschweigend geht man von dem gleichen Inhalt aus. Aus der Nebeneinanderstellung von Ablösungsbefehl an die Länder und Begründung einer speziellen Grundsatzkompetenz für das Reich in Art. 1381 ergibt sich, daß hier das für die Grundsatzgesetzgebung typische Ineinandergreifen von Reichs- und Länderhandeln vorliegt. Art. 1381 S.2 WRV war zudem auch ein Fall der Gesetzgebungskompetenz. Art. 173 WRV bestätigt das, wenn es von einem Reidisgesetz spricht 18. Die Ausführung der Reichsgrundsätze war den Ländern überlassen. Das Gebiet der Staatsleistungen — schon im einzel-staatlichen Bereich unübersichtlich — gehörte als Teil des Staatskirchenrechtes bisher zur ausschließlichen Kompetenz der Länder. Die Vielfalt und Unübersichtlichkeit der Rechtsgrundlagen der Staatsgrundlagen hätte eine „Reichsablösung" erschwert und ungeheure Vorarbeiten erfordert, für die das Reich in jedem Falle der Hilfe der Kirchen und der Kultusministerien bedurft hätte. So war es sachlich gerechtfertigt und auch vernünftig, die Regelung der Ablösung im einzelnen den Ländern zu überlassen, die Tätigkeit des Reiches dagegen auf allgemeine Richtlinien zu beschränken, die der Ausgestaltung und Ausformung durch die mit dieser schwierigen Materie vertrauten Länder bedurften. Dabei waren diese an die Grundsätze gebunden. Die Grundsätze waren auch hier Richtlinien, welche der näheren Ausführung (durch die Länder) ebenso fähig wie bedürftig waren. Gestützt wird das Ergebnis durch die Tatsache, daß das Reich in Art. 10 Ziff. 1 WRV die Grundsatzkompetenz über die Rechte und Pflichten der Religionsgesellschaften erhalten hatte. Nur einen Ausschnitt aus dieser umfassenden staatskirchenrechtlichen Grundsatzkompetenz stellt Art. 1381 S. 2 WRV dar. Die Wiederholung dieser an sich schon aus Art. 10 Ziff. 1 WRV sich ergebenden Kompetenz war jedoch notwendig, um durch die ineinandergreifenden Vorschriften der ** So Anschütz, Reichsverfassung, Art. 10, 11 Anm. 1 (S. 88). ι · Lassar, Handbuch I, S. 306; Poetzsch-Heffter, Kommentar, S. 101; Giese, Kommentar, Art. 10, Anm. 1 (S. 58). 17 Siehe dazu Lassar, a.a.O., S. 306 Anm. 32. « Vgl. Huber, Verträge, S. 155.
4. Teil: Die Kompetenzverteilung in Art. 1381 WRV
Art. 1381 S. 2 und Art. 173 eine gesetzliche Ablösung vorerst zu verhindern. Art. 1381 S. 2 reiht sich damit zwanglos in den Kompetenzkatalog der Art. 6—11 WRV ein. Bei den Beratungen zum Art. 30 c (später Art. 138) wurde geäußert, daß allein die Grundsatzgesetzgebung des Reiches schon als Sperre wirke und daß Art. 173 nur der Klarstellung halber beigefügt werden müsse19. Aus dieser Äußerung ist jedoch nichts gegen die Identität der Grundsatzgesetzgebung in Art. 10, 11 WRV und in Art. 1381 S. 2 herzuleiten: Die Vorrangigkeit der Reichsgrundsätze ergab sich wohl weniger aus dem evtl. von Art. 10, 11 WRV verschiedenen Begriffsinhalt in Art. 1381 S. 2 als vielmehr aus dem knappen, befehlenden Präsens und aus dem Gedankengang, daß bei der Einmaligkeit des Ablösungsvorganges die Grundsätze des Reiches ins Leere stoßen würden, sofern die Länder schon vorher abzulösen berechtigt waren 80 . Dagegen war der bayr. Gesandte v. Preger 21 der Ansicht, daß aus Satz 2 des damaligen Art. 30 c sich kein Verbot für einzelstaatliches Vorgehen vor Erlaß der Reichsgrundsätze entnehmen lasse. Im Hinblick auf diese Ausführungen bleibt unklar, woraus sich die Sperrwirkung des Art. 1381 S. 2 ergeben soll. Die mit der Diskussion parallel laufende Erörterung darüber, ob die Art. 30 c—30 e (später 137—141) als staatskirchenrechtliche Grundsätze der Reichsverfassung die Grundsatzkompetenz des späteren Art. 10 Ziff. 1 WRV erschöpft hätten und ob dieser daher zu streichen sei, zeigt gerade die enge Verknüpfung von allgemeiner Grundsatzkompetenz mit den Regelungen der Art. 137—141 WRV. Deshalb und weil die Aufstellung von Grundsätzen für die Ablösung dem Reich immöglich sei, wurde die Streichung des Art. 1381 S. 2 gefordert. Man sah also Art. 1381 S. 2 durchaus als Fall der Grundsatzkompetenz an". 2. Die Grundsatzgesetzgebung als konkurrierende Gesetzgebung
Art. 6—11 WRV wiesen dem Reich enumerativ Gesetzgebungszuständigkeiten zu. Nach dem Katalog der ausschließlichen Kompetenzen in Art. 6 folgten die von Art. 12 der konkurrierenden Gesetzgebung zugerechneten Kompetenznormen der Art. 7—11 in ihren Varianten der vollkonkurrierenden, der bedingt konkurrierenden und der gegenständlich beschränkt konkurrierenden Gesetzgebung. Grundsatz- und « So"Abg. Heinze (DNatVP), ProtVerfA Bd. 336, S.520. So Heinze, a.a.O., und der württ. Kultusminister Heymann, ebendort M Ebendort. ti Übereinstimmend auch Huber, Verträge, S. 155; Berner, RPrVerwBl 51, 1030, S. 89 ohne nähere Begründung; ebenso Israel, Reich-Staat-Kirche, S. 30.
II. Die Ablösungskompetenz des Reiches
119
Bedürfnisgesetzgebung waren nach herrschender Lehre nur Unterfälle der konkurrierenden Gesetzgebimg, einmal abhängig von dem Vorliegen eines Bedürfnisses, das andere Mal in ihrem Umfang gegenständlich beschränkt auf den Erlaß von Grundsätzen 88. Gegenüber dieser für die Weimarer Reichsverfassung fast einhelligen Meinung hat neuerdings Zündorf behauptet, daß maßgebliches Kriterium der Grundsatzgesetzgebung die umfängliche Beschränkung sei; begrifflich sei die Grundsatzgesetzgebung keinesfalls — wenn audi in beschränktem Umfange — notwendig konkurrierende Gesetzgebung*4. Erst Art. 12 — der wohl seiner Meinung nach konstitutiv wirkt — habe kraft positiver Normierung die in Art. 7—11 WRV näher umschriebenen Gesetzgebungszuständigkeiten, also audi die Grundsatzgesetzgebungskompetenz, zur konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz erklärt. Daß begrifflich die Grundsatzkompetenz nicht zur konkurrierenden Gesetzgebung gehöre, ergebe sich aus den beiden Fällen der ausschließlichen Grundsatzkompetenz in Art. 1381 S. 1/173 und Art. 146 I I S. 3/174 WRV 25 . Das deutsche Redit kenne audi keine Vermutung zugunsten oder zuungunsten einer konkurrierenden Kompetenz28. Nur kraft positiver Vorschrift würden die verschiedenen Gesetzgebungskataloge der einen oder anderen Gesetzgebungsart zugewiesen. Wäre dies richtig, so wäre in der Tat der Art. 12 konstitutiv für die Zuordnung der Grundsatzgesetzgebung zur konkurrierenden Kompetenz. Zweifel an dem konstitutiven Charakter des Art. 12 weckt allerdings die Feststellung von Anschütz, daß Art. 121 „einen allgemein anerkannten Grundsatz alten Rechts" wiedergebe 27. Das stark föderalistisch geprägte Deutsche Reich von 1871 besaß nur wenige, dem Reich ausdrücklich zugewiesene ausschließliche Kompetenzen. Die alte Reichsverfassung — eher „diplomatisches Aktenstück" w Preuß, Reich und Länder, S. 127; Anschütz, Reichsverfassung, Art. 7 Anm. 1, 2; Wittmayer, Reichsverfassung, S. 179; Lassar, Handbuch I, S. 306; a.A. nur Hatscheck, Staatsrecht, S. 87; Stier-Somlo, Staatsrecht I, S.387, mit der unzutreffenden Begründung, die Grundsatzgesetzgebung setze immer ein Uber-Unterordnungsverhältnis zwischen Reich und Ländern voraus. Ein Land könne daher überhaupt nicht auf dem Gebiet der Grundsatzkompetenz konkurrieren. 14 Das ergibt sich indirekt aus seiner Argumentation (Diss., S. 90 f.) zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Art. 721 GG für Art. 1381 S. 2 gelte. ** a.a.O., S. 91 Anm. 2. *· a.a.O., S. 97 ff. 87 Reichsverfassung, Art. 12 Anm. 1 (S. 96). Siehe auch Art. 7 Anm. 5 (S. 75): „Die Ausschließlichkeit kann sich also, soweit sie nicht schon aus den letzterwähnten Vorschriften (erg. Art. 48 V, 79, 110—112, 165 VI) oder aus der Natur der Sache oder aus der Tatsache der Kodifikation folgt, nur auf Artikel 6 stützen."
4. Teil: Die Kompetenzverteilung in Art. 1381 WRV
als „volkstümliche Urkunde" 20 — hatte in Art. 4 die „der Beaufsichtigung seitens des Reiches und der Gesetzgebung desselben unterliegenden Angelegenheiten" enumeriert. Art. 4 der alten Reichsverfassung selbst bestimmte nichts Genaueres darüber, ob es sich jeweils um eine konkurrierende oder ausschließliche Kompetenz des Reiches handelte. Einige Kompetenzen (Ziff. 2, 8, 10, 14) wurden durch andere Artikel (Art. 35, 48, 52 II, 61) ausschließlich dem Reich zugewiesen. Andere Kompetenzen waren nach ihrem Inhalte notwendigerweise ausschließliche Kompetenzen29. Sofern die Kompetenzen also nicht ausdrücklich oder kraft Natur der Sache der ausschließlichen Gesetzgebung zuzuordnen waren 50, gehörten sie zur konkurrierenden Kompetenz81. Die Entstehimg des Deutschen Reiches — herbeigeführt aufgrund der Novemberverträge von 1870 — ließ den bündischen Charakter des deutschen Gesamtstaates hervortreten. Diese bündische Struktur blieb nicht ohne Auswirkung auf die Auslegung der als Verfassungsvertrag verstandenen Verfassung des Reiches. Die Kompetenzen des Bundesstaates „werden durch specialisierte Klauseln über die dem centralen Gemeinwesen zugeschriebenen einzelnen Staatsaufgaben und seine Regierungsrechte inhaltlich bestimmt und begrenzt" 52. Daraus ergibt sich, daß grundsätzlich die Kompetenz der Einzelstaaten vorgeht, sofern nicht die Verfassung (materiell oder formell) Reichskompetenzen begründet hat und daß, soweit diese nicht ausdrücklich oder kraft Natur der Sache ausschließliche Kompetenzen sind, Reich und Länder konkurrierend tätig werden konnten. Dieser für die alte Reichsverfassung geltende Grundsatz mußte aber nicht imbedingt für die Weimarer Reichsverfassung gelten. Diese war nicht durch Verträge zwischen den Einzelstaaten geschaffen worden; das in der Nationalversammlung repräsentierte Deutsche Volk hatte sich selbst eine Verfassung gegeben. Infolge der stark unitarischen Smend, Abhandlungen, S.40. *· Vgl. die Aufzählung bei Laband, Staatsrecht II, S. 121: Anordnungen über die Verfassung des Reiches, die Organisation, die Amtsbefugnisse und Pflichten seiner Behörden, die rechtliche Stellung seiner Beamten, die Büdung des Reichstages und die Rechte und Pflichten der Abgeordneten, die Finanzwirtschaft des Reiches, die Verwaltung der Reichsanstalten, die Schutz gebiete und das Verhältnis der einzelnen Bundesglieder zum Reich. to Vgl. Haenel, Staatsrecht I, S. 259. si Laband, a.a.O., S. 120f.: „Solange eine Rechtsmaterie reichsgesetzlich nicht geregelt ist, unterliegt dieselbe im allgemeinen der Autonomie der Einzelstaaten. Von diesem Prinzip gibt es aber eine doppelte Ausnahme . . . " ; Haenel, a.a.O., S.253: „Die Reichsgesetzgebung als Ermächtigung"; S.259: „Von dem Grundsatze, daß die gesetzgeberische Kompetenz des Reiches an sich und unmittelbar das Recht der Einzelstaaten zur Gesetzgebung nicht berührt, bildet eine außerordentliche und in ihrem Umfange beschränkte Abweichung die Ausschließlichkeit der Reichsgesetzgebung." to Haenel, a.a.O., S. 219.
II. Die Ablösungskompetenz des Reiches
121
Züge der Verfassung 33 war streitig, ob die Weimarer Republik noch ein Bundesstaat war 34 . Weithin wurde den Ländern die Eigenstaatlichkeit abgestritten 36. Doch hatte die Reichsverfassung in Art. 1 I I und Art. 5 ausdrücklich die Eigenstaatlichkeit der Länder anerkannt. Sie besaßen ursprüngliche, unabgeleitete Hoheitsgewalt, deren Träger das Landesvolk war und die von Landesorganen ausgeübt wurde 3·. Angesichts dieses klaren Bekenntnisses der Verfassung und angesichts des Fortbestehens der historisch gewordenen und durchaus ihre Eigenstaatlichkeit wahrenden Länder ist daher daran festzuhalten, daß die Weimarer Republik Bundesstaat, daß die Länder Staaten geblieben waren. Entsprechend der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Zentralstaat und Einzelstaaten und entsprechend den dem deutschen Realtypus „Bundesstaat" entsprechenden Grundsätzen enumerierten Art. 6—11 WRV die Kompetenzen des Reiches. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder — und damit wird die Eigenstaatlichkeit der Länder stillschweigend anerkannt — wird nicht erwähnt. Als selbstverständlich geht die Verfassung davon aus, daß die Länder ausschließlich zuständig sind, soweit die Reichsverfassung nicht Reichskompetenzen begründet hat 37 . Auch von dem Grundsatz, daß trotz der Reichskompetenz die Landesgesetzgebung weiterhin zuständig bleibt, soweit sich nichts anderes aus der Verfassung oder der Sachnatur der Kompetenz ergibt, geht die Reichsverfassung aus, wenn sie in Art. 6—11 zunächst die ausschließliche Kompetenz des Reiches in Art. 6 regelt, um dieser die konkurrierenden Kompetenzen in Art. 7—11 gegenüberzustellen. Es ist nur einzelstaatliche Vorsicht, wenn Art. 12 diesen Grundsatz noch einmal ausdrücklich hervorhebt. Die Länder befürchteten, daß dieser Grundsatz im Hinblick auf die gegenüber der alten Reichsverfassung erheblich erweiterten Kompetenzen des Reiches vergessen zu werden drohte. Die Dichotomie der Reichskompetenzen in ausschließliche und konkurrierende ist also von der Reichsverfassung ebenso beibehalten m Vgl. dazu Poetzsch-Heffter, JöR Bd. 17, 1929, S. 12. " Thoma, Handbuch I, S. 169 ff. » Wittmayer, Reichsverfassimg, S. 102 ff., 160 ff.; Poetzsch-Heffter, Kommentar, S. 771 3« Anschütz, Reichsverfassung, Art. 1 Anm. 3, 4 (S.38ft), Art. 5 (S.711); Thoma, a.a.O., S. 177 ff.; Fleischmann, ebendort, S. 212; Wenzel, ebendort, S. 605; StGH, Lammers-Simons, Rechtsprechung I, S. 185, 211. " Anschütz, a.a.O., Art. 12 Anm. 1 (S. 961); Thoma, a.a.O., S. 180; Giese, Kommentar, Art. 12 Anm. 1 (S. 61), der diesen Artikel als deklaratorisch bezeichnet, siehe ebenso Art. 6 Anm. 1 (S.60); StGH RGZ 116, Anh. S. 29; anderer Ansicht Lassar, Handbuch I, S. 309 f., der die Eigenstaatlichkeit der Länder ablehnt und „Ländergewalt als regional dezentralisierte Zuständigkeit führt" (S. 310).
4. Teil: Die Kompetenzverteilung in Art. 1381 WRV
worden wie der Grundsatz, daß — soweit nicht die Kompetenz ausdrücklich oder wegen des Sachgebietes eine ausschließliche ist — sie der konkurrierenden Gesetzgebung angehört. Die Bedürfnis- und Grundsatzkompetenz sind nur Unterfälle der allgemeinen konkurrierenden Gesetzgebung38. Die Bedürfnisgesetzgebung erfordert für das Tätigwerden des Reiches ein Bedürfnis für die reichsgesetzliche Regelung, während ein Tätigwerden auf dem Gebiet der allgemeinen konkurrierenden Gesetzgebimg im Ermessen des Reiches steht. Audi lediglich im Ermessen des Reiches steht sein Tätigwerden auf dem Gebiet der Grundsatzkompetenz, doch ist hier sein Handeln gegenständlich beschränkt auf die Normierung von Grundsätzen. Auch hier das für die konkurrierende Gesetzgebung typische Nebeneinander von Reidisund Landeskompetenz: Solange das Reich nicht handelt, können die Länder das Gebiet regeln — unter Beachtung der von ihnen selbst, wenn auch nicht ausdrücklich aufgestellten Grundsätze. Sobald das Reich handelt, erlischt die Kompetenz der Länder, durch Gesamtnormierung eines Gebietes eigene Grundsätze aufstellen zu dürfen. Sie sind auf die Ausführung der Reichsgrundsätze beschränkt. Eine der Prämissen von Zündorf, nämlich Art. 12 sei konstitutiv für den Konkurrenzcharakter der in Art. 10, 11 enumerierten Materien der Grundsatzgesetzgebung, diese sei also begrifflich keine konkurrierende Gesetzgebung, ist daher unrichtig. Ebenso unrichtig ist es — zumindest für die Weimarer Reichsverfassung —, daß keine Vermutung zugunsten der konkurrierenden Kompetenz bestehe. Die NichtÜbernahme des Art. 12 in das Grundgesetz ist folglich für die Auslegung des Art. 1381 S. 2 WRV ohne Bedeutung. 3. Der Befehlscharakter des Art. 1381 S.2 WRV
Daß Art. 1381 S. 2 WRV ein Fall echter Grundsatzkompetenz ist, stellt zunächst klar, daß diese Kompetenz grundsätzlich keine Sperrwirkung für die Länder entfaltet. Als konkurrierende Gesetzgebungs'8 So die herrschende Lehre: Anschütz, Reichsverfassung, Art. 7 Anm. 1, 2 (S.78f.); Art. 10, 11 Anm. 1 (S.88); Wittmayer, Reichsverfassung, S. 122ft; Lassar, Handbuch I, S. 3061; Giese, Kommentar, Art. 10 Anm. 1 (S.58), A r t 7 Anm. 1 (S.53); Preuß, Reich und Länder, S. 127; a . A Hatschek, Staatsrecht, S. 87; Stier-Somlo, Staatsrecht I, S.387 mit der Begründung, daß die Grundsatzgesetzgebung des Reiches ein Uber-Unterordnungsverhältnis voraussetze, in dem das Reich Grundsätze für die Länder aufsteUen könne. Dabei wird verkannt, daß durch Normierung eines Gesamtgebietes das Land auch „Grundsätze" aufsteUt: Hier treten die Grundsätze nicht mehr in Erscheinung als konkretisierungsbedürftige Richtlinien, sondern sind schon konkretisiert und werden als allgemeine Richtlinien erst nach einer Analyse des Gesetzes deutlich. Wenn z.B. ein Landesgesetz Staatsleistungen, deren Rentenwert 1000, 1500 und 2 000 DM beträgt, durch ein Kapital von 20 000, 30 000 und 40 000 DM „ablöst", so wird durch diese Regelung der Grundsatz konkretisiert, mit dem Kapitalisierungsfaktor 20 abzulösen.
II. Die Ablösungskompetenz des Reiches
Zuständigkeit läßt sie ausdrücklich gesetzgeberische Tätigkeit der Länder vorher zu. Nur sobald und soweit das Reich die Grundsätze aufstellt, sind die Länder daran gebunden und verlieren diese Kompetenz89. Allein aus der Grundsatzkompetenz des Reiches läßt sich keine Sperre für Länderhandeln ableiten. Soweit man daraus Konsequenzen ziehen wollte, verwechselte man den Rechtsbegriff „Grundsatz" mit dem Begriff „Grundsatz" in dem Sinne, daß der Grundsatz notwendige Voraussetzimg für weitere Tätigkeit ist 40 . Im Gegenteil, wenn Grundsatzkompetenz begrifflich eine gegenständlich beschränkte konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit des Reiches ist und die Verfassung den Begriff mit diesem Inhalt in Art. 1381 S. 2 gebraucht, so ist zunächst einmal davon auszugehen, daß Reich und Länder auch hier nebeneinander handeln dürfen. Die gegenteilige Meinung würde dem Verfassunggeber im Ergebnis vorwerfen, daß er sich unrichtiger Ausdrucksmittel zur Vermittlung seines Willens bedient habe und sich in einem Satze, nämlich in Art. 1381 S. 2 WRV, selbst widerspreche. Nur wenn sich aus anderen Gründen zwingend ergibt, daß die Ablösungsgrundsätze des Reiches für Länderhandeln vorrangig sein müssen, damit die Ablösungsvorschrift ihren Sinn erfüllen kann, ist eine andere Auslegung des Art. 1381 S. 2 möglich und erforderlich. Eine solche Notwendigkeit könnte sich allerdings aus einer Besonderheit der Ablösungsgesetzgebung ergeben: Sie erschöpft sich in einem einmaligen Akt. Die Ablösung eines oder mehrerer Länder vor Erlaß der Reichsgrundsätze bzw. der Bundesgrundsätze ließe diese ins Leere stoßen. Auf diesem Hintergrund ist die Äußerung Heinzes zu verstehen, daß vorzeitige Landesablösungen „die Feststellung der Grundsätze durch das Reich illusorisch machen werden" 41 . Heinze — und ihm folgend die ganze Weimarer Lehre — geht daher nicht nur davon aus, daß Art. 1381 S. 2 WRV eine Ermächtigung des Reiches zur Aufstellung von Grundsätzen normiert, sondern daß dieser Kompetenz des Art. 138 I S. 2 auch eine Pflicht der Länder korrespondiert, diese Kompetenz dem Reich ungeschmälert zu erhalten 42. ** Die Fortgeltung schon bestehenden Landesrechts hängt davon ab, ob die Grundsätze unmittelbar geltendes Recht enthalten oder sich nur an den Landesgesetzgeber wenden, der zu weiterem Handeln im Sinne der Grundsätze verpflichtet ist. Beispielhaft ist das Beamtenrechts-Rahmengesetz: es wendet sich sowohl an den Gesetzgeber, wie es auch unmittelbar geltende Rechtssätze enthält, ζ. B. über die Frage des Rechtsweges. 40 Das verkennt ζ. B. Müller, DÖV 1964, S. 334 f. « ProtVerfA Bd. 336, S. 520. « Warum sich eine Sperre für Länderhandeln schon aus Art. 1381 S. 2 WRV ergebe, wird allerdings nicht begründet: So Israel, Reich-Staat-Kirche, S. 30; Ebers, Staat und Kirche, S. 249 f. (unter fälschlicher Berufung auf Giese, Kommentar, Art. 138 Anm. 1 — vgl. S. 250 Anm. 1); Anschütz, Reichs-
4. Teil: Die Kompetenzverteilung in Art. 1381 WRV
Da die Grundsatzgesetzgebung das rechtliche Können der Länder, voraussetzt und diesem Können regelmäßig audi ein Dürfen entspricht, andererseits aus dem rechtlichen Können des Reiches sich keineswegs logisch und notwendig eine Pflicht der Länder ergibt, die Wahrnehmung der ihnen zustehenden Kompetenzen zu unterlassen, müssen sich Gründe für eine solche Wartepflicht aus anderen Gesichtspunkten ergeben. Eine solche Wartepflicht könnte sich nun allerdings daraus ergeben, daß die Verfassung mit Art. 1381 S.2 WRV eine einheitliche Ablösungskonzeption erreichen wollte. Doch fragt sich auch hier, welchen Sinn die einheitliche Ablösung haben soll. Huber 43 entnimmt sie dem Reichsinteresse an der Ablösung, das Art. 138 dadurch zum Ausdrude bringe, daß er die an sich in einem Konkordat zu regelnde Ablösungsmaterie zum Verfassungsprogramm erhebe. Dodi sagt diese Begründung nur etwas aus für Reichsinteresse an der Ablösung — daß das Reich ein Interesse an einer einheitlichen Ablösung hat, ist damit nicht bewiesen. Auch aus der Grundsatzkompetenz, die den Zweck verfolgt, durch Aufstellung von Grundsätzen der Rechtsvereinheitlichung zu dienen, ergibt sich gerade bei Art. 1381 S. 2 nichts, da dieser Gesichtspunkt zugeschnitten ist auf die auf Dauer angelegten Rechtsmaterien. Ob dieser Grundsatz für Art. 138 I S. 2 im Gegensatz und Widerspruch zur allgemeinen Bedeutung der Grundsatzgesetzgebung so zu deuten ist, daß der Vereinheitlichungstendenz der allgemeinen Grundsatzgesetzgebung die Einheitlichkeit der Ablösung entspricht, ist gerade fraglich. Außerdem ist durch die Notwendigkeit einer „Ablösung", also einer Aufhebung der Staatsleistungen durch vollen Wertausgleich, ein Ablösungsminimum und damit eine einheitliche Untergrenze statuiert. Schwankungen nach oben lassen sich dagegen kaum unterbinden, auch durch einheitliche Bewertungsgrundsätze des Reiches bzw. des Bundes nicht, da die abzulösenden Rechtsgrundlagen aufgrund ihrer — meist gegebenen — inhaltlichen Unklarheit, ihres schwer zu taxierenden Wertes und ihres kaum zu ermittelnden Umfanges den Ländern bei der Feststellung der Ausgleichsleistung immer nodi einen weiten Spielraum lassen. Die Wirkung einer Bindung der Länder Verfassung, Art. 173 Anm. 1 (S.755), Art. 138 Anm. 4 (S. 6521); Sdioen, Verfassungsrecht, S. 28; Rieder, Staat und Kirche, S. 152; dagegen stützt Rieder, a.a.O., S. 146, die Sperre offenbar allein auf Art. 173: „Bis zur erfolgten Ablösung bleiben die bisherigen Staatsleistungen weiter bestehen (Art. 173)." « Garantie, S.991 Mit diesem Ziel war jegliche Ablösungstätigkeit der Länder vor Erlaß der Reichsgrundsätze unvereinbar. Hub er hielt daher audi im Gegensatz zur ganz herrschenden Lehre Ablösungen durch Vereinbarungen für unzulässig. Ihm folgten Koellreutter, AöR N.F. Bd. 15, 1928, S. 26, 30; Anschütz, Reidisverfassung, Art. 138 Anm. 3 (S. 652) ; Giese, Kommentar, A r t 138 Anm. 2 (S. 295). Zweifel an der herrschenden Lehre audi bei Lier mann, Staat, S. 63 Anm. 1 ; heute nur Zündorf, Diss., S. 65, 82.
II. Die Ablösungskompetenz des Reiches
125
bei der Ablösimg an einheitliche Grundsätze hätte nur begrenzt eine einheitliche Ablösung zur Folge. Sinnvoller als Ausgangspunkt für die Ermittlung der ratio des Art. 1381 S. 2 WRV ist Hubers Feststellung, daß Art. 138 I das Reichsinteresse an der Ablösung zum Ausdruck bringe 44. Dieses Interesse zeigt sich nicht nur in der Positivierung der Ablösung in Art. 1381. Auch der Zwangscharakter der Ablösung bringt das Interesse des Verfassunggebers an der Ablösung deutlich zum Ausdruck: Der Verfassunggeber wollte die Ablösung nicht dem Belieben von Reich und Ländern überlassen; er verpflichtet sie gemeinsam, die Ablösung zu fördern und sie herbeizuführen. Unterstrichen und betont wird dieses Interesse zudem dadurch, daß die Ablösungsforderung an den Anfang des Art. 138 gerückt ist, also des Artikels, der die vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Staat und Kirchen regelt. Der Schwerpunkt des Reichsinteresses liegt also auf der Ablösung. Der Ablösungsbefehl ist aber nicht an das Reich, sondern an die Landesgesetzgeber gerichtet. Wie oben erwähnt war die Wahl des Adressaten durchaus sachgerecht: Die mit der Materie vertrauten Kultusministerien der Länder waren zur besseren und schnelleren Ausarbeitung von Ablösungsgesetzen aufgrund der Sachkenntnis eher in der Lage als Organe des Reiches; eine Reichsablösung hätte auch größere und umfangreichere Vorarbeiten erfordert als die Beschränkung auf den Erlaß von Reichsgrundsätzen. Andererseits verblieb mit der Adressierung des Ablösungsbefehls an die Länder diese Materie in ihrem Kompetenzbereich. Zwar hätte das Reich gegen Verletzungen des Art. 1381 WRV, ζ. B. der in der Ablösung enthaltenen Wertgarantie durch die Länder, im Wege der Reichsaufsicht einschreiten können46, aber auch die Nichtausführung des unbefristeten Verfassungsbefehls, nach damaliger Lehre lex imperfecta, konnte als Verletzung des Verfassungsgebotes im Wege der Reichsaufsicht gerügt werden 46. Allerdings galt für die Reichsaufsicht das Opportunitätsprinzip. Dem Reich stand es also weitgehend frei, die Länder im Wege der Reichsaufsicht zum Handeln zu zwingen. Hier greift nun Art. 1381 S. 2 ein. Durch die Aufstellung von Grundsätzen für die Ablösung kann das Reich die Ablösungspflicht der Länder näher konkretisieren. Diese Kompetenz wäre an sich überflüssig, denn sie ergab sich schon aus " a.a.O., S. 99 f. « Die selbständige Reichsaufsicht bestand auf allen Gebieten, auf denen das Reich die Gesetzgebungsbefugnisse innehatte — also auch auf dem Gebiet der Grundsatzgesetzgebung: so Anschütz, Handbuch I, S.367; Giese, Kommentar, Art. 15 Anm. 3 (S. 68); Israel, Reich-Staat-Kirche, S.lOf. Trìepel, Reichsaufsicht, S. 481 ff.; Anschütz t Handbuch I, S.371; ders., Reichsverfassung, A r t 15 Anm. 1 d (S. 115).
4. Teil: Die Kompetenzverteilung in Art. 1381 WRV
Art. 10 Ziff. 1 WRV. Der Sinn der Wiederholung und Spezialisierung dieser allgemeinen Kompetenz in Art. 1381 S. 2 WRV erweist sich an einem Unterschied, der zwischen Art. 1381 S. 2 und Art. 10 Ziff. 1 besteht: Nach Art. 10 Ziff. 1 kann das Reich Grundsätze erlassen über Rechte und Pflichten der Religionsgesellschaften. Gemäß Art. 1381 S.2 stellt das Reich Grundsätze auf. Im ersten Fall steht die Wahrnehmung der Kompetenz im Ermessen des Reiches. Im zweiten Falle spricht dagegen der Präsenz, der sich eindeutig abhebt von der „Kann"Vorschrift des Art. 10 Ziff. 1, dafür, daß die Verfassung audi das Reich zum Handeln anhalten will. Es wäre audi widersprüchlich von der Verfassung gewesen, einerseits den Ländern die Ablösung bindend vorzuschreiben, also an diese einen Verfassungsbefehl zu richten, andererseits aber die Ausführung dieses Verfassungbefehls von dem Erlaß von Reichsgrundsätzen abhängig zu machen, deren Erlaß dem freien Ermessen des Reiches überlassen bleibt. Auch Art. 1381 S. 2 ist daher ein Verfassungsbefehl, gerichtet an die Adresse des Reiches, das neben den Ländern audi für die Erfüllung des Ablösungsgebotes zu sorgen hat. Vorrangig ist das Interesse des Verfassunggebers an der Ablösung. Um die Durchführung der Ablösung sicherzustellen, verpflichtet sie Reich und Länder, zu diesem Ziele tätig zu werden. Grundsätzlich wendet sich die Vorschrift an die Länder, in deren Kompetenz die staatskirchenrechtlichen Gebiete bisher ausschließlich gefallen waren, und solange und soweit sie der Aufforderung zur Ablösung nachkamen, erfüllten sie den Befehl und befriedigten das Reichsinteresse. Falls sie aber durch Untätigbleiben der verfassungsrechtlichen Pflicht zur Ablösung nicht nachkamen, hatte das Reich nicht nur das Recht, sondern — in konsequenter Ausführung des Interesses der Verfassung an der Ablösung — die Pflicht, die Länder durch Aufstellen von Grundsätzen zur Aufhebung der Staatsleistungen zu zwingen. Art. 1381 S. 2 ist also auch Verfassungsbefehl — adressiert an das Reich47. Aus Art. 1381 S. 2 ergibt sich nicht die Pflicht der Länder, Reichsgrundsätze abzuwarten. Dem vorrangigen Interesse an der Ablösung überhaupt entsprechend verpflichtet die Verfassung Reich und Länder gemeinsam auf die Aufhebung der Staatsleistungen hinzuwirken. Art. 1381 S. 2 enthält keine Sperre für die Ländertätigkeit, läßt diesen vielmehr Raum für eigenes Handeln. Art. 1381 S. 2 ist keine Schutznorm zugunsten der Kirchen. Diese waren vielmehr schon durch Art. 1381 S. 1 ausreichend geschützt: Bis zur Ablösung, die ihnen den Wert der Staatsleistungen erhält, sind nicht nur die Rechtsgrundlagen der Staatsleistungen aufrechtzuerhalten, sondern audi So audi Zündorf,
Diss., S. 75 f.
II. Die Ablösungskompetenz des Reiches
127
die Einstellung der Staatsleistungen selbst unter grundsätzlicher Anerkennung der Rechtspflichten dazu ist verboten 48. Art. 1381 S. 2 ist Verfassungsbefehl an das Reich. 4. Die Sperrklausel des Art 173 WRV
Sieht man in Art. 1381 WRV nicht nur eine Gewährleistung der Rechtsgrundlagen, sondern auch der tatsächlich zu erbringenden Staatsleistungen, sieht man sowohl in Satz 1 als audi Satz 2 einen Verfassungsbefehl, so erhält Art. 173 eine besondere Bedeutung: Allein er enthält die Sperre für Länderhandeln 4·. Andererseits ist die Befristung der Sperre bis zum Erlaß der Reichsgrundsätze vernünftig und richtig aus der Sicht des Verfassunggebers von 1919. Art. 173 sagt nicht, daß die Staatsleistungen nur bis zum Erlaß des Reichsgesetzes bestehen bleiben60, sondern er erlaubt den Ländern erst nach Erlaß der Grundsätze abzulösen: Er garantiert ihre Aufrechterhaltung bis zum Erlaß der Reichsgrundsätze. Diese Vorschrift scheint dem großen Interesse an der Ablösung zu widersprechen. Doch zu Unrecht: Der Art. 1381 will die finanzielle Trennung von Staat und Kirche unter Wahrung des Vermögensstandes der Kirche herbeiführen. Dem Verfassunggeber von 1919 schien es damals angesichts der ungewissen Zukunft Deutschlands nicht sicher, ob eine von einigen Ländern sofort zu erwartende Ablösung, die im Zeitpunkt der Ablösung zwar den vollen Wertausgleich gewährte, infolge der instabilen Währungsverhältnisse und ihres schnellen Verfalls den Vermögensstand der Kirche von 1919 wirklich wahrte 51 . Einer sofortigen Ablösung durch die Länder hätte nichts im Wege gestanden, doch hätte bei einer Kapitalabfindung die Entwertung des Geldes zu einer verschleierten Säkularisation führen 48 a. A. Huber, Garantie, S. 94 ff., der durch A r t 1381 nur die Rechtsgrundlagen, nicht aber die tatsächliche Gewährung der Staateleistungen gewährleistet sieht; diese werde erst durch A r t 173 garantiert. Ebenso Lang, Leistungen, S.45; Glade , Diss., S. 52; Koellreutter, AÖR N.F. Bd. 15, 1928, S. 16 f. Doch da die Ablösung gleichzeitig die finanzielle Lage der Kirche nicht verschlechtern soll, hat Art. 1381 WRV zugleich die Funktion einer Wertgarantie. Bis zur Verwirklichung der Ablösung garantiert Art. 1381 nicht nur die Rechtsgrundlagen, sondern auch die tatsächlich zu erbringenden Staatsleistungen. Die Differenzierung Hubers scheint angesichts des identischen Wortgebrauchs von Staatsleistungen in A r t 138 I und A r t 173 willkürlich. Ablehnend auch W. Weber, Ablösung, S. 17 f. m.w.N.; siehe auch Zündorf, Diss., S. 110 ff. *» Damit gewinnt A r t 173 die Bedeutung einer — wenn auch nur vorläufigen — Status-quo-Garantie; vgL C. Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, S. 155. «o So aber Israel, Reich-Staat-Kirche, S. 30, der Art. 173 nicht nur für überflüssig, sondern auch für falsch hält. » VgL Abg. Spahn (Z), ProtVerfA Bd. 336, S. 205; Abg. Mumm (DNatVP), ProtVerfA Bd.336, S.520; ebenso J.Schmitt, Ablösung, S.3.
4. Teil: Die Kompetenzverteilung in Art. 1381 WRV
können. Einige der mit den Staatsleistungen immittelbar belasteten Länder hätten sich sicher nicht gescheut, diesen Weg zu gehen®2. Dem schob Art. 173 WRV einen Riegel vor, indem er die Länderablösung bis zum Erlaß der Reichsgrundsätze, zu deren Erlaß das Reich verpflichtet war, verbot. Von dem mit Staatsleistungen nicht belasteten und daher unbeteiligten Reich wurde erwartet, daß es seine Pflicht nicht zuungunsten der Kirchen mißbrauchen und eine verkappte Säkularisation durch Abfindung in entwertetem Geld nicht zulassen würde. Art. 173 war also konstitutiv für die Sperre und nicht überflüssig Gleichzeitig war Art. 173 Schutznorm zugunsten der Kirchen, die eine vertragliche Ablösung nicht verbietet.
I I I · Die Grundsatzkompetenz des Art. 1381 S. 2 im Grundgesetz
Nach der heute herrschenden Meinung ergibt sich aus Art. 1381 S. 2 der Zwang für die Länder, mit der Ablösung bis zum Erlaß der Bundesgrundsätze zu warten 68 . Die heute herrschende Lehre stützt sich dabei ausschließlich auf das unter Weimar erschienene Schrifttum, ohne neue Argumente vorzutragen. Die Weimarer Lehre interpretierte jedoch Art. 1381 S. 2 allzusehr aus der Sicht des Art. 173 heraus. Für sie bestand nicht die Notwendigkeit, Art. 173 und Art. 1381 S. 2 genau voneinander abzugrenzen. Ein Verbot ergab sich in jedem Falle schon aus Art. 173 WRV. Die Nichtinkorporation des Art. 173 hätte eine genaue Untersuchung des Verhältnisses von Art. 1381 S. 2 und 173 erfordert. Da man jedoch davon ausging, daß Art. 173 als deklaratorische Vorschrift überflüssig sei. maß man dem Fehlen des Art. 173 in Art. 140 GG keine Bedeutung bei. Doch ergibt sich weder aus grammatischen, logischen oder systematischen Gründen das Verbot schon aus Art. 1381 S. 2. Art. 173 war konstitutiv für die Sperre und damit wird seine NichtÜbernahme bedeutsam. Aus Art. 1381 S. 2/140 GG läßt sich kein Verbot für gesetzliche Länderablösungen entnehmen. Eine Änderung des Art. 1381 S. 2 durch Verfassungsgewohnheitsrecht oder Verfassungswandel für die Weimarer Zeit, die durch Art. 140 GG rezipiert worden wäre, kann & Schon vor Erlaß der Reichsverfassung hatte der Kultusminister A. Hoff mann in Preußen versucht, die Staatsleistungen radikal einzustellen. Vgl. dazu Giese, AÖR N.F. Bd. 7, 1924, S. 23f. M Friedrich, Kirchenrecht, S.4911; Hesse, JÖR N.F. Bd. 10, 1961, S.69; Zündorf, Diss., S. 95 ff.; offen bei BVerfG NJW 1965, S.1427 (1429 f.); a . A Weber, DÖV 1965, S. 46; ders., RGG VI, Sp. 317; Fischer, Trennung, S. 2101
IV. Art. 1381 S. 2 WRV als Fall der Rahmengesetzgebung
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wegen des Bestehens von A r t . 173 und der damit einhergehenden geringen Beachtimg und Bedeutung der Frage nicht angenommen werden. Dagegen spricht auch, daß der Fortfall des A r t . 173 sachlich durchaus gerechtfertigt ist, da nach der Durchführung der Währungsreform 1948 ein wirtschaftlicher Aufschwung einsetzte und für den Verfassunggeber von 1949 die Währungsverhältnisse für die Zukunft stabil erschienen. Der die Sperre tragende Grund war entfallen. Die Übernahme der Sperrklausel war daher nicht mehr notwendig. A r t . 140 G G / 1 3 8 I W R V verbietet weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Ablösung durch Länderhandeln vor Erlaß von Bundesgrundsätzen.
I V . Art. 1381 S. 2 WRV als Fall der Rahmengesetzgebung Die Qualifizierung der Grundsatzgesetzgebung des A r t . 1381 S. 2 trotz des anderen Begriffes als Fall der Rahmenkompetenz nach A r t . 75 GG hat nur dann Sinn, wenn diese Frage rechtliche Konsequenzen hätte. Diese Konsequenzen können, da Grundsatzgesetzgebung unter die Weimarer Reichsverfassung und Rahmengesetzgebungskompetenz i m Grundgesetz i n dem Maße der zu treffenden Regelung und als Fälle der konkurrierenden Gesetzgebung 54 identisch sind 5 5 , nur die Bedeutung Ob Art. 75 Fall der konkurrierenden Gesetzgebung ist oder ob er erst durch den Verweis auf Art. 72 der konkurrierenden Gesetzgebung gleichgestellt wird, soll und braucht hier nicht entschieden zu werden. Gegen den Fall einer konkurrierenden Gesetzgebung: Matinz/Dürig, Art. 74 Rdnr. 1, Art. 125 Rdnr. 5 m. w. N. Die Frage ist wegen Art. 125 GG heftig umstritten. Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob man mit begrifflichen, formalistischen Argumenten diese Frage lösen kann und soll. Vgl. auch BVerwGE 3, 355 (339 ff.). m Vgl. Heeger, Diss., S.20ff.; Wilhelm, Diss., S. 19, 24, 2 6 t ; W.Weber, DÖV 1954, S. 419; Gre we, Bundesrecht, S. 38; Schröder, RiA 1955, S.231; ausdrücklich für Art. 1381 S. 2 W. Weber, DÖV 1965, S. 45. Dagegen unterscheidet Maunz (BayrVerwBl 1955, S. 3; Maunz/Dürig, Art. 70 Rdnr. 22, Art. 74 Rdnr. 4, 6, 18, 23) scharf zwischen Grundsatz- und Rahmengesetzgebung (ähnlich wohl auch Schmidt-Bleibtreu/Klein, Vorb. zu Art. 70 Rdnr. 1, Art. 75 Rdnr. 1, 2; v. Mangoldt/Klein, Anm. I V 1 b vor Art. 70, S. 1366), weü Rahmengesetze unmittelbare Rechtswirkungen entfalten sollen, während Grundsätze nur an die Länder adressierte ausführungsbedürftige Richtlinien seien. Er schließt sich damit der von der herrschenden Lehre in Weimar abgelehnten sog. „bayr. Meinung" an (vgl. BayrObLG DJZ 1932, S. 391), ohne sich jedoch mit jener auseinanderzusetzen. Für Art. 1381 S. 2 beruft er sich außerdem auf das Wort „hierfür", welches sich auf die Landesgesetzgebung im Satz 1 beziehe und daher schon die unmittelbare Geltung der Ablösungsgrundsätze ausschließe (BayrVerwBl 1955, S.3; zustimmend Zündorf, Diss., S. 65). Wäre dies richtig, so ergäbe sich dieser Unterschied jedoch nicht aus dem unterschiedlichen Gehalt der Begriffe Rahmen und Grundsatz, sondern allein aus dem Wort „hierfür". Außerdem scheint es bedenklich, das Wort „hierfür" auf die Landesgesetzgebung allein in dem Sinne zu beziehen, daß die Richtlinien nur sie binden. „Hierfür" kann ebenso die zu regelnde Materie umschreiben wollen, die vom Landesgesetzgeber zu konkretisieren ist. Daher wäre es sicher zulässig, wenn der Bund im 9
Braun·
4. Teil: Die Kompetenzverteilung in A r t 1381 WRV
haben, daß auch die Grundsatzkompetenz den Voraussetzungen des Art. 72 unterläge. Art. 72 I I GG knüpft die Zulässigkeit konkurrierender Gesetzgebungstätigkeit des Bundes an das Vorliegen eines Bedürfnisses, das er in den drei Fällen der Ziff. 1—3 als gegeben ansieht. Hauptanliegen des Art. 1381 WRV ist die Beseitigung der Staatsleistungen. Kraft positiver Verfassungsnorm sind zur Herbeiführung dieses Erfolges zwar zunächst die Länder verpflichtet, an die sich der Verfassungsbefehl direkt wendet. Sobald die Länder abgelöst haben, sind sie ihrer verfassungsrechtlichen Pflicht nachgekommen. Jedoch im Interesse einer baldigen Ausführung des Verfassungsbefehls und als eine Art Überwachungsmittel über die Ausführung hat der Verfassunggeber dem Bund die Pflicht auferlegt, durch Erlaß von Grundsätzen gegebenenfalls auf eine landesgesetzliche Ablösung hinzuwirken. Dem Charakter des Art. 1381 S. 2 als eines an den Bund adressierten Verfassungsbefehls würde es widersprechen, wenn die Wahrnehmung der Grundsatzkompetenz von den Voraussetzungen des Art. 721 Ziff. 1—3 GG abhinge. Die Grundsatzkompetenz deckt sich zwar in Inhalt und Umfang mit der Rahmenkompetenz, deren Vorläufer sie war. Ihre Ausübimg ist jedoch nicht an die Voraussetzungen des Art. 72 geknüpft.
Wege der Grundsatzgesetzgebung für die komplizierte Ablösungsfrage eine besondere Rechtswegzuständigkeit begründete, um die Erfahrung eines Gerichtes zu nutzen.
Der Ablösungsartikel im Kulturetaat der Gegenwart Als die Weimarer Nationalversammlung 1919 die Ablösung der Staatsleistungen beschloß, stand sie vor einer ganz bestimmten Situation, die dem neuen staatskirchenrechtlichen System angepaßt werden mußte: Die Kirchen, damals die einzigen durch Staatsleistungen unterstützten Religionsgemeinschaften, waren finanziell auf die staatlichen Beihilfen angewiesen. Diese finanzielle Abhängigkeit der Kirchen nutzte der Staat aus, indem er die sachgemäße Verwendung dieser Mittel einer scharfen Kontrolle unterwarf, gleichzeitig als Korrelat dieser finanziellen Begünstigimg weitgehende Einfluß- und Aufsichtsrechte begründete und so die den Kirchen gewährleistete Selbständigkeit aushöhlte. Die Ablösung sollte zunächst die imparitätische Besserstellung der Kirchen gegenüber den übrigen Religionsgesellschaften abschaffen. Sodann sollte sie die finanzielle Abhängigkeit der Kirchen vom Staat beseitigen und damit die Selbständigkeit der Kirchen nach der materiellen Seite hin absichern. Wenn zudem der Ablösungsartikel ein Staatsleistungsverbot enthielt, so erschien dies aus damaliger Sicht deshalb notwendig, um die Wiedereinführung der vor 1919 üblichen Staatsleistungspraxis mit allen ihren Gefahren zu verhindern. Daß Ablösungsgebot und Staatsleistungsverbot überhaupt Verfassungsrecht wurden, beruhte auf den Mehrheitsverhältnissen in der Weimarer Nationalversammlung. Obwohl der Ablösungsartikel infolge der Entschädigungspflicht die starken kirchenfeindlichen Kräfte in den Ländern an der Ausführung ihrer Pläne hinderte, empfand man Art. 1381 WRV auf selten der Kirchen als Grundlage für unrechtmäßige, von antikirchlichen oder gar antireligiösen Motiven getragene Eingriffe in wohlerworbene Rechte. Andererseits mußte den Parteien, die die Aufnahme eines Ablösungsgebotes und Staatsleistungsverbotes in die Reidisverfassung durchgesetzt hatten, Art. 1381 WRV als Verwirklichung ihrer jeweiligen Ideen und Konzeptionen erscheinen. Die DDP, die liberalen Traditionen entsprechend Staat und Gesellschaft polemisch entgegensetzte und auch staatlichen und religiösen Bereich scharf auseinandergehalten wissen wollte, mußte diesen Artikel als — zumindest teilweise — Verwirklichung dieser Bereichsscheidung auf vermögensrechtlichem Gebiet betrachten; nach Ansicht von SPD und β·
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Der Ablösungsartikel im Kulturstaat der Gegenwart
USPD lag die wesentliche Bedeutung des Ablösungsartikels in dem partiellen Religionsförderungsverbot, das er enthalten sollte. In jedem Falle forderte Art. 1381 WRV die Abschaffung einer in einer bestimmten Form gewährten Unterstützung des religiösen Bereichs. In der Weimarer Republik verhinderte zunächst die schlechte wirtschaftliche Lage der Länder die Ablösung der Staatsleistungen. Wirtschaftlich durchführbar wurde eine Ablösung erst nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. Inzwischen hatte sich allerdings nicht nur das kirchenpolitische Klima grundlegend geändert, und ebensowenig wie schon die Weimarer Republik ist der Staat des Grundgesetzes religionsfeindlich konzipiert; auch eine grundsätzliche Trennung von Staat und Kirche ist in ihm nicht vollzogen worden. Die günstige Entwicklung des Kirchensteuereinkommens hat inzwischen die Religionsgesellschaften von staatlichen Zuschüssen unabhängig gemacht. Die Wiedereinführung weitreichender Einfluß- und Aufsichtsrechte — auch als Korrelat zu finanziellen Vergünstigungen — verbietet Art. 137 I I I WRV. Die gegenwärtige Finanzkraft der Länder würde diesen auch erlauben, die Parität dadurch herzustellen, daß den bisher nicht unterstützten Religionsgesellschaften Staatsleistungen gewährt werden. In der Praxis hat man die infolge der unterbliebenen Ablösung fortbestehende Imparität auf vermögensrechtlichem Gebiet dadurch abgemildert, daß den bisher nicht unterstützten Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts Ermessenszuschüsse zu ihren Verwaltungsausgaben gewährt werden 1. Diese Zuschüsse sind nicht die einzigen geblieben: In immer größerem Umfange subventioniert der Staat auch den religiösen Bereich; neben der Unterstützimg konfessioneller Wohlfahrtspflege und Erziehung leistet der Staat Zuschüsse zu Kirchentagen, unterstützt die Unterhaltung kirchlicher Kulturdenkmäler, um nur einige Beispiele zu nennen. „In das Bild des Leistungsstaates der Gegenwart, dessen fördernde Tätigkeit immer weiter ausgreift" 8 und audi den religiösen Bereich erfaßt, scheinen Ablösungsgebot und Staatsleistungsverbot kaum noch zu passen. Denn welchen Sinn sollte Art. 1381 WRV heute noch haben, nachdem sein ursprüngliches Anliegen inzwischen anderweitig verwirklicht ist und die ihm zugrundeliegenden Vorstellungen eines Religionsförderungsverbotes bzw. einer finanziellen Bereichsscheidung heute durch die staatliche Kulturförderung völlig überholt sind? Handelt es sich bei den Staatsleistungen lediglich um eine besondere Form der Subventionierung des Kulturbereichs durch den 1 Vgl. die oben S. 80 Anm. 70 zitierte Erläuterung zu Kapitel 0587 des Haushaltsplanes für das Bay. Staatsministerium für Unterricht und Kultus. Hier wird aus Paritätsgründen die Gewährung von Zuschüssen für notwendig erachtet. * H. Quaritsch, Studium Generale 1968, S. 744.
Der Ablösungsartikel im Kulturstaat der Gegenwart Staat, deren Verbot aufgrund der damaligen kirchenpolitischen Vorstellungen erforderlich, gleichzeitig aber auch i m Interesse kirchlicher Unabhängigkeit und Selbständigkeit erlassen wurde, so könnte allerdings der Anwendung des A r t . 1381 WRV die Grundlage entzogen sein durch diese 1919 nicht vorhersehbare Entwicklung. Allerdings t r i t t eine Norm nicht schon dann außer Kraft, wenn die vorausgesetzte Normsituation entfallen ist, sondern erst dann, wenn ihre „Anwendung unter den jetzt gegebenen Verhältnissen zu Ergebnissen führen würde, die, gemessen an jedem vernünftigen Zweck, als völlig zweck- und sinnwidrig oder als m i t fundamentalen Rechtsgrundsätzen . . . unvereinbar bezeichnet werden müßten" 8 . Der Kulturstaat 4 der Gegenwart, dessen Daseinsvorsorge sich auch auf „die kulturelle Sicherheit des Bürgers" 5 erstreckt, gewährt, wenn er finanziell fördernd tätig wird, Kultursubventionen i n Form von Ermessenszuschüssen 6. A u f vermögensrechtlichem Gebiet besteht zwischen einem Ermessenszuschuß an Religionsgesellschaften und einer Staatsleistung an diese kein Unterschied: Jedesmal steht der Entreicherung des Staates die Bereicherung der Religionsgesellschaft * Larenz, Methodenlehre, S. 265; vgl. audi Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 141; BVerwG VerwRspr. Bd. 19, 1968, S.675 (678); BayVerfGHE N.F. Bd. 8, S. 25 (28); OVG Münster, OVGE 14, 276. * Zu Begriff und Bedeutimg des Kulturstaats: E.R. Huber, Zur Problematik des Kulturstaats, 1958; ders., Verfassungsgeschichte IV, S. 637—644; H. Krüger, Allg. Staatslehre, S. 806 ff.; Th. Maunz, Apelt-Festschrift, S. 113 ff.; W.Knies, Kunstfreiheit, S.205ff. β Maunz, a.a.O., S. 113. * Den Problemen staatlicher Kunstförderung ist die Dissertation F. Schäubles (Rechtsprobleme der staatlichen Kunstförderung, Diss. jur. Freiburg 1965) gewidmet. I m übrigen aber fehlen Spezialuntersuchungen staatlicher Kulturpflege und -förderung fast völlig im Gegensatz zu Erörterungen der Staatsfreiheit der Kunst (kritisch gegenüber dieser Einseitigkeit W.Knies, a.a.O., S. 205 ff.) einerseits und der Daseinsvorsorge auf wirtschaftlichem Gebiete (dazu neuestens W. Rüfner, Formen öffentlicher Verwaltung, S. 125 ff.) andererseits. Bei letzterem wird entweder die kulturelle Daseinsvorsorge von vornherein ausgeklammert (z.B. Rüfner, a.a.O.; Ipsen, Subventionierung Privater, S. 8) oder aber undifferenziert Zulässigkeit und Grenzen staatlicher Daseinsvorsorge für den Wirtschafts- und Kulturbereich einheitlich bestimmt (z.B. M.Zuleeg, Rechtsform der Subventionen, S. 13ff.; Eppe, Subventionen, S. 84 f.). Während die Zulässigkeit von staatlicher Kulturpflege und -förderung, wie sie schon im 19. Jahrhundert üblich war (vgl. Knies, a.a.O., S. 205 f.; Huber, Verfassungsgeschichte I, S. 260 ff.; ausführlich dazu neuestens Huber, a.a.O., S. 637—970: Kulturstaat, Kulturkampf und Kulturverfassung.), grundsätzlich nicht in Frage gesteUt wird, bestehen über ihre Grenzen noch weitgehend Unklarheiten (vgl. BVerwG NJW 1966, S.1286 [1288]; OVG Berlin, NJW 1966, S. 2328 ff.). M. Hechel (Staat-Kirche-Kunst, S.30 Anm. 74) überschätzt die Bedeutung der Denkmalspflege, wenn er sie als „Bahnbrecher des Subventionsrechts" bezeichnet, denn der Staat des 19. Jahrhunderts trat nicht nur auf diesem Gebiet fördernd hervor (vgl. Knies, a.a.O., S. 205 ff.).
Der Ablösungsartikel im Kulturstaat der Gegenwart
gegenüber. Erhebliche Unterschiede zwischen beiden Leistungsformen ergeben sich allerdings von einem anderen Standpunkt. Offenbar ist zunächst die unterschiedliche Bindung des Staates. Ermessenszuschüsse beruhen regelmäßig allein auf einer haushaltsrechtlichen Ermächtigung. Der Gesetzgeber kann also nicht nur bestimmen, welche Beträge er zur Durchführung kulturfördernder Maßnahmen im Haushaltsplan insgesamt bereitstellen will, er ist auch weitgehend frei in der Entscheidimg darüber, wie er sie einsetzen und verteilen will 7 . Bei der Verteilung ist der Staat allein an den Gleichheitssatz gebunden, der ihm lediglich eine willkürliche, unsachgemäße Abgrenzung des Kreises der von der Subvention Begünstigten verbietet 8, also eine differenzierende Behandlung nicht ausschließt, wenn vernünftige Gründe dafür bestehen·. Andererseits kann der Staat die sachgemäße Verwendung der Mittel entsprechend ihrer Zweckbindung jederzeit überprüfen und durch Auflagen gewährleisten 10. Anders dagegen die Staatsleistung. Sie findet ihre Grundlage außerhalb des Haushalts. Ihr liegt eine ewige Verpflichtimg des Staates zu wiederkehrenden Leistungen an eine, mehrere oder alle Religionsgesellschaften zugrunde. Empfänger sind immer die Religionsgemeinschaften als solche, d. h. in ihrer Eigenschaft als Verbindungen zur gemeinsamen Religionsausübung, religiöser Verkündigung und Versorgung ihrer Mitglieder. Frei ist der Staat hier allein darin, in eine solche Verpflichtung einzugehen. Geht er allerdings gegenüber einer Religionsgesellschaft in eine solche ewige Bindung ein, so ist er über den Grundsatz der Parität verpflichtet, allen übrigen Religionsgesellschaften desselben Status die gleichen Vergünstigungen zu gewähren. Der konfessionell neutrale Staat, dem eine positive oder negative Bewertung der Religionsgrundsätze einer oder mehrerer Religionsgesellschaften verwehrt ist, kann hier nur den Zweck verfolgen, Religion in Gestalt organisierter Religionsausübung zu fördern. Sofern also die Religionsgesellschaften als solche unterstützt werden, kann 7 OVG Berlin, NJW 1966, S. 2329. 8 BVerfGE 12, 364 (367); 17, 210 (216); 18, 121 (124); OVG Berlin, NJW 1966, S. 2329. • BVerfGE 12, 354. Vgl. ζ. B. die detaillierten Ausführungsvorschriften zur Landeshaushaltsordnung des Senators für Finanzen des Landes Berlin vom 20. Dezember 1966 (Dienstblatt 1966 Teil I, S.449), insbesondere Ziff. 7 zu S 32 LHO (Anmeldungen für Zuwendungen an andere, S.467) und die Ausführungsvorschriften zu S 60 LHO (Zuwendungen an andere, S. 479 f.). Danach unterliegen Zuwendungen dem Grundsatz der wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung öffentlicher Mittel (8 42 Satz 2 LHO) in besonderem Maße. Der Empfänger ist verpflichtet dafür zu sorgen, daß Zuwendungen ordnungsgemäß verwendet werden und ein ausreichender Nachweis über die Verwendung erbracht wird. Diese Ausführungsvorschriften gelten auch für die Leistungen an die Kirchen.
Der Ablösungsartikel im Kulturstaat der Gegenwart
der Staat sachgerecht nicht mehr differenzieren zwischen den Religionsgesellschaften desselben Status. Vergünstigungen zugunsten einer oder mehrerer Religionsgesellschaften wären willkürlich und daher unzulässig. Mit Staatsleistungen darf der Staat also entweder keine Religionsgesellschaft unterstützen oder er muß allen diese Förderung zuteil werden lassen. Zudem werden Staatsleistungen den Religionsgesellschaften zur freien Verfügung überwiesen; sie unterliegen keiner Verwendungskontrolle. Das ergibt sich nicht erst aus der vertraglich abgesicherten Befreiung der Kirchen von einem nach §64 a RHO 11 erforderlichen Verwendungsnachweis12. Staatsleistungen erhalten die Religionsgesellschaften zur Bestreitung der ihnen aus ihrem Auftrag erwachsenen Ausgaben. Mit Staatsleistungen können also Pfarrer besoldet und Kirchen gebaut werden, also Aufgaben erfüllt werden, die „in erster Linie nicht als allgemeine Kulturaufgabe aufgefaßt werden können", sondern „— auch nach Verständnis der Religionsgesellschaften selbst — vor allem der kirchlichen Verkündigung und der religiösen Versorgung der Kirchenglieder" dienen13. Den Finanzbedarf, der den Religionsgesellschaften aus der Wahrnehmung spezifisch religiöser bzw. religionsgesellschaftlicher Aufgaben entsteht, sollen sie decken helfen. In diesem Bereich kann der Staat allerdings eine sachgemäße Verwendung nicht nachprüfen, weil ihm als konfessionell neutralem Staat die Maßstäbe dazu fehlen und außerdem ihm das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften ein Eindringen in diesen Bereich verbietet 14. Als Mittel staatlicher Religions- bzw. Kirchenpolitik sind Staatsleistungen heute ungeeignet. Selbstbestimmungsrecht der Religionsgesellschaften in eigenen Angelegenheiten und Parität verbieten dem Staat einen solchen Gebrauch von Staatsleistungen. Heute könnten Staatsleistungen nur noch der Staatsfinanzierung von Religionsgesell« „Werden Reichsmittel einer außerhalb der Reichsverwaltung stehenden Stelle zur Erfüllung bestimmter Zwecke zur Verfügung gestellt, so hat außer in den Fällen von geringerer Bedeutimg der zuständige Reichsminister nach Benehmen mit dem Rechnungshof hinsichtlich des Nachweises über die Verwendung dieser Mittel Bestimmung zu treffen. Das gleiche gilt, wenn Reichsmittel von außerhalb des Reiches stehenden Stellen verwaltet werden." " A r t . I Abs.4 S.2 hesskathKV; Art.5 IV S.2 hessevglKV; §9 I S.2 Anlage ndsKonk; Art. 16 I S. 3 ndsKV; Abs. 2 der Bestimmung des Schlußprotokolls zu Art. 6 Abs. 1 rhpfKV; Art. 18 I S. 3 schlhKV. « BVerfG NJW 1966, 147 (149). 14 Daher verbietet es sich von selbst, angesichts dieser Zuwendungspraxis davon zu sprechen, daß diese öffentlichen Mittel als Ganzes zu betrachten sind, weil sie „zumindest teilweise einer einheitlichen Finanz- und Wirtschaftshoheit unterliegen" (so aber BVerwG ZevKR Bd. 14, 1968/69, S.367). Diese angeblich einheitliche Finanz- und Wirtschaftshoheit ist lediglich eine Fiktion, die nicht den Tatsachen entspricht.
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Der Ablösungsartikel im Kulturstaat der Gegenwart
schaften dienen, wenn A r t . 1381 WRV eine solche Staatsfinanzierung nicht ausschlösse. M i t diesem Inhalt ist der Ablösungsartikel heute keinesfalls sinnoder zweckwidrig: eine Staatsfinanzierung würde zwar die unterstützten Religionsgesellschaften nicht dem staatsorganschaftlichen Bereich einfügen, aber sie würde doch staatlichen und religiösen Bereich für immer aufs engste verquicken und die Religionsgesellschaften letztlich wieder staatlicher Vorsorge überantworten. Staatsleistungen beinhalten nicht n u r eine dauerhafte Bevorzugung organisierter Religionsausübung gegenüber dem individuellen Bekenntnis. Die m i t ihnen einhergehende Verschränkung staatlicher und religiöser Interessen ist auch der konfessionellen Neutralität des Staates und der Glaubwürdigkeit der Religion abträglich. Beides rechtfertigt heute noch die Fortgeltung des A r t . 1381 WRV, mögen auch die ursprünglichen Intentionen entfallen, die ursprünglich verfolgten Ziele erfüllt sein 15 . « Mit diesem Inhalt und diesem Zweck hat Art. 1381 WRV Bestand im kulturfördernden Leistungsstaat der Gegenwart. Offen kann damit bleiben, ob Ablösungsgebot und Staatsleistungsverbot kulturfördernde Maßnahmen des Staates lediglich zu einem bestimmten Zweck und in einer bestimmten Form verbieten, ihn also in einer an sich zulässigen Kulturförderung beschränken. Das würde allerdings voraussetzen, daß Religion in jeder ihrer Betätigungsformen Bestandteü der allgemeinen Kulturordnung ist, und daß die Religionsgesellschaften, audi wenn sie spezifisch und ausschließlich religiöse Ziele verfolgen, zur Verwirklichung der allgemeinen Kulturordnung beitragen. Religion und Kultur wären gleichzusetzen, die Förderung religiöser Ziele und Aufgaben gleichzeitig immer Kulturförderung. Aus dieser Sicht bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit audi einer allgemeinen Religionsförderung (so z.B. A. Hollerbach, W d S t R L Heft 26, 1968, S.90; ähnlich wohl audi Quarltsch, Studium Generale 1968, S. 744). Dagegen würde Art. 1381 WRV staatliche Kulturförderung überhaupt nicht berühren, wenn Religion und Kultur als zwei sich nur teilweise deckende Kreise verstanden werden und fördernde Staatstätigkeit auf dem religiösen Bereich, der nicht gleichzeitig Kultur ist, unzulässig ist: Dort also, wo Aufgaben erfüllt werden, die „in erster Linie nicht als allgemeine Kulturaufgabe aufgefaßt werden können", sondern „— audi nach Verständnis der Religionsgesellschaften selbst — vor allem der kirchlichen Verkündigung und der religiösen Versorgung der Kirchenglieder dienen" (BVerfG NJW 1966, S. 147, 149; ähnlich M. Heckel, W d S t R L Heft 26, 1968, S.30, 36), ist staatliches Handeln ausgeschlossen, Religionsförderung verboten. Dazu würde audi der von Art. 1381 WRV erfaßte Bereich staatlicher Förderung zählen. Nur als Träger von Kulturfunktionen dürften demnach Kirchen und andere Religionsgesellschaften Empfänger von Kultursubventionen sein, weil nur „in diesen Zonen . . . die umfassende staatliche Kultur- und Sozialverantwortung nicht ausgeschlossen ist" (M. Heckel, a.a.O., S.36f.). Religionsförderung kann nicht mit Kulturförderung gleichgesetzt werden; Kulturförderung darf immer nur mittelbar, sekundär religionsfördernd wirken. Als Kulturträger werden die Kirchen ζ. B. tätig in der Wohlfahrtspflege, bei der Erziehung, aber auch bei der Erhaltung kirchlicher Kulturdenkmäler (vgl. dazu ausführlich M. Heckel, Staat-Kirche-Kunst, S. 125 ff.). Ebensowenig beschränkt sich die Bedeutung von Kirchentagen aUein auf den religiösen Bereich, so daß auch hier Zuschüsse erlaubt sein dürften. Dagegen
Der Ablösungsartikel im Kulturstaat der Gegenwart
Die Änderung der Verhältnisse seit 1919 hat Art. 1381 WRV nicht außer Kraft setzen können. Von Ausnahmen abgesehen ist das Staatsleistungsverbot bis heute vom Staat auch eingehalten worden; die Ablösung bisher begründeter Staatsleistungen ist allerdings unterblieben, insbesondere auch deshalb, weil die Kirchen, seit durch die günstige Entwicklung des Kirchensteueraufkommens Staatsleistungen nicht mehr finanzielle Abhängigkeit vermitteln, sondern größere finanzielle Bewegungsfreiheit erlauben, kein Interesse an einer Ablösung mehr zeigen. Solange zudem das Ablösungsgebot als Relikt überholten kirchenpolitischen Gedankenguts verstanden wird, wird Art. 1381 WRV unausgeführt bleiben. Die Kirchen wären jedoch gut beraten, nicht an veralteten Verbindungen zum Staat und Vergünstigungen durch ihn festzuhalten, die die Glaubwürdigkeit ihres Auftrages gefährden. Aber auch der Staat — heute die Heimstatt aller Bürger unabhängig von ihrer jeweiligen religiösen Überzeugung — sollte den Abbau heute nur noch historisch zu rechtfertigender Sonderrechte zugunsten der Kirchen nicht länger mehr hinauszögern — nicht zuletzt im Interesse der ihm auferlegten konfessionellen Neutralität 1·.
fließen die Ermessenszuschüsse zu den allgemeinen Verwaltungsausgaben der Religionsgesellschaften diesen als solchen zu, wären nach dieser Ansicht also nicht erst als Umgehung des Staatsleistungsverbots unzulässig. *· I n Verbindung mit der seit kurzem in der Öffentlichkeit heftig umstrittenen Kirchensteuerreform gerät anscheinend auch die in Vergessenheit geratene Ablösungsfrage wieder in Bewegung. Interessant in diesem Zusammenhang ist die i n „Die Zeit" (Nr. 46 vom 14. Nov. 1969, S.37) mitgeteüte, angeblich von Ministerpräsident Heinz Kühn in einem „Geheimgespräch" mit den Bischöfen geäußerte Bemerkung: „Noch bekommen die Kirchen Geld auf Grund uralter Gesetze und historischer Verträge. Eine Flurbereinigung der finanziellen Verhältnisse der Kirche zum Staat ist unbedingt notwendig."
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