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German Pages 82 Year 1964
Schriften zum Öffentlichen Recht Band 14
Die verfassungskonforme Gesetzesauslegung Ihre dogmatische Berechtigung und ihre Grenzen im deutschen Recht
Von
Wolf-Dieter Eckardt
Duncker & Humblot · Berlin
WOLF-DIETER
ECKARDT
Die verfassungskonforme Gesetzesauslegung
Schriften
zum öffentlichen Band 14
Recht
Die verfassungskonforme Gesetzesauslegung I h r e dogmatische Berechtigung u n d ihre Grenzen i m deutschen Recht
Von
Dr. Wolf-Dieter Eckardt
DUNCKER
&
HUMBLOT/BERLIN
Alle Rechte vorbehalten © 1964 Duncker & Humblot, Berlin Gedruckt 1964 bei Broco-Druck, Berlin 44 Printed in Germany D
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Meinen
Eltern
Vorwort Unter den Methoden zur Interpretation eines Gesetzes gewinnt heute i n der Praxis der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung mehr und mehr an Bedeutung. Wer sich m i t einer theoretischen Durchleuchtung dieses Grundsatzes beschäftigt, findet daher ein reiches Anschauungsmaterial vor. Dagegen gab es zu Beginn der Ausarbeitung des vorliegenden Beitrages außer einigen kurzen Zeitschriftenaufsätzen keine Arbeit, die sich m i t der Theorie der verfassungskonformen Gesetzesauslegung beschäftigte. Inzwischen haben sich zwar mehrere Autoren einer Untersuchung dieses Themas angenommen, ohne daß jedoch damit die vielfältige Problematik ausgeschöpft wäre, die diese neue Auslegungsmethode i n sich birgt. Eine weitere Beschäftigung m i t i h r erscheint deshalb immer noch als lohnendes Vorhaben. Hierzu möchte die vorliegende Arbeit anregen. Für eilige Leser sei angemerkt, daß der zweite Hauptteil, i n dem das eigentliche Thema behandelt wird, auch ohne den ersten Hauptteil verständlich bleibt, der die Erläuterung der zugrundegelegten Auslegungstheorie enthält. Die Arbeit hat i m Dezember 1963 der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen als Dissertation vorgelegen. Anschließend wurde sie geringfügig ergänzt und erweitert, wobei neue Veröffentlichungen bis Februar 1964 wenigstens anmerkungsweise berücksichtigt wurden. Die Anregung zu dieser Untersuchung verdanke ich Herrn Professor Dr. Otto Bachof. Ich möchte i h m auch an dieser Stelle für sein wohlwollendes Interesse und seine fördernde Teilnahme an meiner Arbeit herzlich danken. Ebenso gilt mein Dank Herrn Ministerialrat a. D. Dr. Johannes Broermann für die freundliche Aufnahme dieser Arbeit i n sein Verlagsprogramm. Tübingen, i m März 1964 Wolf-Dieter
Eckardt
Inhalt Einleitung
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Die Problemstellung
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Der Gang der Untersuchung
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1. Hauptteil:
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Die Methode der Auslegung
1. K a p i t e l : Begriff u n d Gegenstand der Auslegung
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2. K a p i t e l : Das Ziel der Auslegung
18
I. Die subjektive u n d die objektive Methode I I . K r i t i k der subjektiven u n d der objektiven Auslegungsmethode . . . .
19 21
1. Positivrechtliche Begründungen
22
2. Argumente logischer oder empirischer A r t
23
3. Argumente aus den Ergebnissen beider Theorien
26
I I I . Die richtige Auslegungsmethode
29
3. K a p i t e l : Die Grenzen der Auslegung
33
2. Hauptteil:
37
Die verfassungskonforme Auslegung
1. K a p i t e l : Die genetische Sinnesermittlung I. Der Standpunkt der Rechtsprechung u n d des Schrifttums I I . Die K r i t i k 2. K a p i t e l : Gesetzesergänzung I. Der Standpunkt der Rechtsprechung und des Schrifttums I I . Die K r i t i k 3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung I. Der Standpunkt der Rechtsprechung I I . Der Standpunkt des Schrifttums I I I . Die K r i t i k
38 38 40 42 42 44 46 47 51 53
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Inhalt 1. Die Grenzen der verfassungskonformen Auslegung
53
2. Ist verfk A u s i ein Ersatz f ü r eine Teilnichtigerklärung?
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3. Die Beweggründe der Rechtsprechung
61
4. Die Grenzen einer Teilnichtigerklärung
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4. K a p i t e l : Verfassungskonforme Auslegung i m Normenkontrollverfahren
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Zusammenfassung
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Schrifttum
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Sachverzeichnis
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Einleitung D i e Problemstellung
„Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung . . gebunden" (Art. 20 Abs. 3 GG). Dieser Satz, der zu den i n A r t . 79 Abs. 3 GG für unabänderlich erklärten Fundamentalnormen des Grundgesetzes gehört, legt den Vorrang der Verfassung fest; er bedeutet, daß ein Gesetz nicht jeden beliebigen Inhalt haben darf, sondern daß die „Selbstherrlichkeit" 1 des Gesetzgebers an der Verfassung ihre Schranke findet. Ein Gesetz, das bewußt oder unbewußt diese Schranke mißachtet, entbehrt der Rechtswirksamkeit. Als folgerichtige Ergänzung der Verfassungsbindung des Gesetzgebers erkennt das Grundgesetz i n Art. 93 Abs. 1 Ziff. 2 und A r t . 100 das sogenannte richterliche Prüfungsrecht an, das zuvor auch schon unter der Weimarer Reichsverfassung von den Gerichten für sich i n Anspruch genommen worden war 2 . Nach der Regelung des Grundgesetzes ist jedes Gericht berechtigt und verpflichtet, die anzuwendenden Rechtsnormen auf ihre Gültigkeit zu überprüfen. Hält ein Gericht eine untergesetzliche Vorschrift oder ein vorkonstitutionelles Gesetz für unvereinbar m i t dem Grundgesetz, so stellt es inzident deren Nichtigkeit fest und läßt sie außer Anwendung. Die Feststellung der Nichtigkeit eines nachkonstitutionellen förmlichen Gesetzes ist nach A r t . 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht, bei Verstoß gegen eine Landesverfassung dem Verfassungsgericht des betreffenden Landes vorbehalten 3 . I m Gegensatz zu der sehr zurückhaltenden Handhabung des Prüfungsrechts durch die Gerichte zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung hat das Bundesverfassungsgericht schon verhältnismäßig oft gesetzliche Vorschriften wegen Widerspruchs zum Grundgesetz oder zu sonstigem Bundesrecht für nichtig erklärt 4 . Die Rolle des Bundesverfas1
Vgl. R G Z 118, 325 (327). Z.B. RGZ 111, 320 = D J Z 1925, 1805; R F H E 5, 333; Reichs Versorgungsgericht D J Z 1925, 99; B a y O b L G D J Z 1926, 903; Hambg. O V G JW 1927, 1288; vgl. Bachof, Grundgesetz u n d Richtermacht S. 12 f; v. Hippel, HdbDStR Bd. 2 S. 556 f ; v. Turegg-Kraus, Verw.Recht S. 343; Maurer, D Ö V 1963, 683. 3 Daß das Verwerfungsmonopol der Landesverfassungsgerichte ζ. T. auch auf vorkonstitutionelle Gesetze u n d (oder) auf untergesetzliche Vorschriften ausgedehnt ist, k a n n hier außer Betracht bleiben. Z u r Zulässigkeit solcher Regelungen vgl. BVerfGE 4, 179 (186 ff). 4 Vgl. Bachof, Grundgesetz u n d Richtermacht S. 16 f. 2
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Einleitung
sungsgerichts als „Hüter der Verfassung" 5 ist jedoch noch weit bedeutsamer, als man annehmen könnte, wenn man nur diejenigen Entscheidungen betrachtet, i n deren Tenor ein Gesetz für nichtig erklärt wurde. Eine sowohl grundsätzlich wie praktisch ebenso große Bedeutung für die Gewährleistung der Verfassungsmäßigkeit unserer Gesetze haben diejenigen Entscheidungen, die zwar i m Tenor die Gültigkeit eines Gesetzes bejahen, aus deren Begründung sich jedoch ergibt, daß die Norm nur deshalb aufrechterhalten werden konnte, w e i l i h r i m Gegensatz zur bisherigen Praxis eine neue Auslegung beigelegt wurde: w e i l sie, wie der terminus technicus lautet, „verfassungskonform" ausgelegt wurde. Der Grundsatz verfassungskonformer Gesetzesauslegung, der solchen Entscheidungen zugrunde liegt, w i r d heute von der deutschen Rechtsprechung unter Führung des Bundesverfassungsgerichts einhellig beachtet. Er ist weder auf besondere Gerichte (etwa die Verfassungsgerichte), noch auf besondere Verfahrensarten noch schließlich auf besondere Gesetze beschränkt. Nach Ansicht der Rechtsprechung muß i h n jeder Richter i n jedem Verfahren bei der Auslegung einer jeden Vorschrift berücksichtigen 6 . Auch i m Ausland ist er teilweise schon seit langer Zeit als Auslegungsprinzip anerkannt 7 . Er hat i n den einzelnen Entscheidungen verschiedene Formulierungen erhalten, die zum Teil wie eine Selbstverständlichkeit anmuten. So w i r d gesagt, „das Bundesverfassungsgericht (könne) die Verfassungsmäßigkeit einer Norm nicht auf der Grundlage einer unrichtigen Auslegung dieser Norm durch das vorlegende Gericht prüfen" 8 , denn „die Möglichkeit einer irrigen, grundrechtswidrigen Anwendung der Norm (könne) nicht dazu führen, daß die Norm selbst grundrechtswidrig ist" 9 . Dabei gilt als Auslegungsregel: 5 Vgl. BVerfGE 1, 184 (195); 2, 124 (131); Bachof, Verfassungswidrige Verfassungsnormen? S. 7; Maunz-Dürig, Grundgesetz A r t . 56 Randnr. 4; Hamann, Grundgesetz, 2. Aufl. A r t . 93 Anm. A3; Wintrich, Festschrift f ü r Nawiasky S. 200 f. 6 Vgl. die Entscheidung B a y V e r w G H V G H E 9 I 61, w o der Grundsatz verfassungskonformer Auslegung als einer unter zahlreichen Auslegungsgrundsätzen aufgezählt w i r d . Ebenso B a y V e r w G H V G H E 11 I 3 (4), ähnlich BSGE 15, 177 (182). 7 A u f eine rechtsvergleichende Übersicht soll hier verzichtet werden. Vgl. hierzu: F ü r die U S A : Kirchheimer, JöR N F Bd. 11 S. 93 ff. (99,102); für die Schweiz u n d U S A : Imboden, Festschrift für Hans Huber S. 138 ff; Ders. i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 514; für die Schweiz, Italien u n d Österreich: Haak, Normenkontrolle u n d verfassungskonforme Auslegung des Richters S. 12 ff; f ü r Österreich: Spanner Ö Z Ö R N F Bd. 6 (1955) S. 176 u n d ÖZÖR N F Bd. 7 (1956) S. 179; für Norwegen u n d Dänemark: Castberg i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 428 ff; f ü r Finnland: Kastari i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 217; f ü r die T ü r k e i : Balta i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 553; f ü r Zypern: Blümel i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 686 ff; f ü r Argentinien: Barberis i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 59. 8 BVerfGE 7, 45 (50) = A P § 18 BundVersAnstGfAngest. Nr. 2. 9 Β V e r f G E 3, 383 (406); vgl. auch BVerfGE 3,19, BVerfGE 10, 340 (345) und B a y V e r f G H V G H E 12 I I 131 (139).
Die Problemstellung
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„ S i n d . . . zwei verschiedene Deutungen einer Norm möglich, so verdient diejenige den Vorzug, die einer Wertentscheidung der Verfassung besser entspricht" 1 0 , das heißt, „wenn der Wortlaut einer Gesetzesbestimmung mehrere Auslegungen ermöglicht, so kann nur eine solche zulässig sein, bei der sich die Norm i n das allgemeine Rechtssystem einfügt, insbesondere m i t den Grundsätzen der Bundes- und Landesverfassung vereinbaren l ä ß t " 1 1 . A u f demselben Gedanken beruht der Satz i n der Entscheidung des BVerfG vom 7. 5. 53 12 , der i n den späteren Entscheidungen immer wieder zitiert w i r d : Es gelte der allgemeine Grundsatz, „daß ein Gesetz nicht für nichtig zu erklären ist, wenn es i m Einklang m i t der Verfassung ausgelegt werden kann; denn es (spreche) nicht nur eine Vermutung dafür, daß ein Gesetz m i t dem Grundgesetz vereinbar ist, sondern das i n dieser Vermutung zum Ausdruck kommende Prinzip (verlange) auch i m Zweifel eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes" 13 . Hier w i r d schon sichtbar, daß das Gericht die verfassungskonforme Auslegung (verfk Ausi) nicht nur zur Behebung von Unklarheiten eines Gesetzes verwenden w i l l , sondern sie als einen Grundsatz ansieht, m i t dessen Hilfe sich die andernfalls gebotene Nichtigerklärung einer Norm vermeiden läßt. Aus diesem Grunde verzichten andere Entscheidungen bei der Formulierung des Auslegungsprinzips auf die Einschränkung „ i m Zweifel". Der hessische Verwaltungsgerichtshof fordert: „Ein Gesetz ist, wenn es nur seinen Sinn behält, so auszulegen, daß es m i t der Verfassung i m Einklang steht" 1 4 . Der Bayerische Verfassungsgerichtshof 15 stellt schlicht fest, es sei „nur eine solche Auslegung gesetzlicher Bestimmungen zulässig, die m i t der Verfassung i n Einklang zu bringen ist, nicht aber eine solche, die i h r widerspricht" 1 6 . Auffallend ist, daß sich aus der Zeit vor dem Zusammenbruch keine Entscheidung finden läßt, i n der auf den Grundsatz verfk Ausi hingewiesen wird, obwohl doch auch damals schon Rechtsnormen auf ihre Vereinbarkeit m i t höherem Recht geprüft w u r den. Die erste Entscheidung, i n der dieser Auslegungsgrundsatz ange-
10
BVerfGE S, 210 (221) = M D R 1959, 20. B a y V e r f G H V G H E N F Bd. 5 I I 41 = Giese-Schunck-Winkler Nr. 13; vgl. auch B a y V e r f G H V G H E 7 I I 40 (46). 12 BVerfGE 2, 266 (282) = DVB1 1953, 501 = JZ 1953, 459 (Anm. Dürig) = N J W 1953,1057 = Giese-Schunck-Winkler Nr. 15. 13 Ebenso auch B a y V e r f G H V G H E 4 I I 30 (44) = VerwRspr 3, 651; B A G A P Nr. 1 zu § 18 BundVersAnstG f.Angest; Bad V e r w G H VerwRspr 5, 144 (152); B V e r w G E 6,119 (125). 14 VerwRspr 8, 889 (892) = E S V G H 4,131 = Giese-Schunck-Winkler Nr. 24. 15 B a y V G H E 5 I I 19 (29) = VerwRspr 4, 789 = D Ö V 1952, 373 (374) = GieseSchunck-Winkler Nr. 12. 16 Ä h n l i c h B V e r w G E 5, 148 (152): „Eine Gesetzesbestimmung i s t . . immer so auszulegen, daß sie m i t den Grundsätzen der Verfassung i m Einklang steht." 11
14
Einleitung
wandt wurde, ist das Urteil des Bad. StGH vom 23. 1. 1950 17 . Z u der Ursache der späten Entdeckung dieses Auslegungsprinzips i m deutschen Recht vgl. unten S. 58. Der Forderung nach verfk Ausi liegt ein allgemeines Interpretationsprinzip zugrunde 1 8 , das nicht nur auf das Verhältnis des einfachen Gesetzes zur Verfassung beschränkt ist. Es handelt sich ganz allgemein u m die Auslegung von Rechtsnormen i m Einklang m i t Normen höherer Ordnung 1 9 . Demzufolge hat die Rechtsprechung diesen Grundsatz i n gleicher Weise angewandt auf das Verhältnis untergesetzlicher Rechtsnormen zum Gesetz 20 , von Landesrecht zu Bundesrecht 21 , ja selbst i m Verhältnis einfacher Verfassungsnormen zu übergeordneten Verfassungsgrundsätzen 22 . (Die Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen i m Einklang m i t den Verfassungen der beteiligten Länder betrifft ein Sonderproblem, da es sich hier nicht u m ein Verhältnis direkter Uberund Unterordnung handelt 2 3 .) Wenn i m Folgenden immer nur von verfk Gesetzesausl die Rede ist, so geschieht das nur wegen der Kürze des Ausdrucks. Alles was zur verfk Gesetzesausl gesagt wird, gilt mutatis mutandis für jede Auslegung konform m i t übergeordneten Rechtsnormen. I n der Literatur finden sich nur wenige eingehende Untersuchungen, die sich m i t dem Problem der verfk Ausi, beschäftigen 24 . I m Grundsatz w i r d die Berechtigung dieses Auslegungsprinzips durchweg anerkannt 2 5 . VerwRspr 2, 385 (389 f). Vgl. Dürig JZ 1953,463. Ob es sich allerdings gerade u m ein teleologisches Interpretationsprinzip handelt, mag bezweifelt werden. I m Allgemeinen w i r d die verfk A u s i als systematische Auslegung zu bezeichnen sein, u n d zwar Auslegung aus dem System der Gesamtrechtsordnung. Vgl. Bachof/Jesch JÖR N F Bd. 6, 62. Die Frage hat ausschließlich theoretische Bedeutung, i m übrigen lassen sich systematische u n d teleologische Auslegung nicht begrifflich exakt trennen, vgl. Engisch, Einführung S. 79. 19 Imboden, Festschrift f. Hans Huber S. 142, ebenso Michel, JuS 1961, 275. 20 V G H Stuttgart E S V G H 3, 37 (40) = VerwRspr 6, 598 = D Ö V 1954, 58 = Giese-Schunck-Winkler Nr. 18. 21 B a y V e r w G H V G H E 9 I 29; BVerfGE 9, 268 (289). 22 BVerfGE 1,14. 23 Vgl. BVerfGE 4,157 (168) = N J W 1955, 865 = JZ 1955, 417 = M D R 1955, 401 (nur Leits.) = DVB1 1955, 426 = D Ö V 1957, 789 (nur Leits.) = VerwRspr 8, 133 = Giese-Schunck-Winkler Nr. 23; Friauf, A Ö R 85 (1960) S. 224. — Z u r völkerrechtskonformen Gesetzesauslegung Schröcker, DVB1 1958, 369. 24 Vgl. etwa die Aufsätze von Bender, M D R 1959, 441; Herzog, B a y V B l 1959, 276; Michel, JuS 1961,274; Schack, JuS 1961,269 u n d insbesondere die neue A b handlung von Haak, Normenkontrolle u n d verfassungskonforme Gesetzesauslegung des Richters, bei deren Erscheinen das Manuskript der vorliegenden Arbeit bereits abgeschlossen war, so daß eine tiefergehende Auseinandersetzung m i t den andersartigen theoretischen Grundlagen Haaks nicht mehr möglich war. Interessant ist, daß Haak von einer v ö l l i g verschiedenen Auslegungsmethode ausgehend i n wesentlichen Punkten zu denselben Ergebnissen gelangt w i e die vorliegende Untersuchung. A n den entsprechenden Stellen w i r d auf die Ergebnisse Haaks verwiesen. 25 Vgl. z. B. Bachof JZ 1962, 351; Wintrich, Festschrift f ü r Laforet S. 243/249; v. Mangoldt-Klein, Einl. I V Nr. 8, S. 11; Enneccerus-Nipper dey 15. Aufl. § 51 I I 4c; Dürig JZ 1953, 463. 18
Gang der Untersuchung
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Sämtliche Autoren sind sich darüber einig, daß die Problematik i n der Beachtung der notwendigen Grenzen liegt. Auch die Rechtsprechung hat sich i n mehreren Entscheidungen u m die Auffindung dieser Grenzen bemüht 2 6 . Einige höchstrichterliche Entscheidungen aus neuerer Z e i t 2 7 haben jedoch Anlaß gegeben, daß sich wiederholt Stimmen erhoben, die vor einer Uberforderung dieses Auslegungsprinzips warnten 2 8 . Einen Beitrag zur dogmatischen Begründung und zur Auffindung der Grenzen des Grundsatzes verfk Ausi zu leisten, soll das Ziel der vorliegenden Arbeit sein. D e r G a n g der Untersuchung
Eine Untersuchung der Zulässigkeit und der Grenzen verfk Ausi setzt zunächst voraus, daß über die anzuwendende Methode der Gesetzesinterpretation Klarheit besteht. I m ersten Hauptteil der Arbeit ist daher eine Auseinandersetzung m i t den verschiedenen Theorien der Rechtsfindung erforderlich, die i n der Literatur vertreten werden. Insbesondere soll auf den Streit zwischen den beiden Hauptrichtungen, der subjektiven und der objektiven Auslegungslehre und die Möglichkeit zur Uberwindung ihrer Gegensätze eingegangen werden. Dabei ist allerdings eine Beschränkung auf die Grundzüge beider Theorien durch das Thema dieser Arbeit geboten. Nicht behandelt werden insbesondere die einzelnen Hilfsmittel der Auslegung (Gesetzestext, amtl. Begründung, Parlamentsprotokolle, Rechtsvergleichung etc.), soweit sie nicht i n unmittelbarem Zusammenhang m i t dem Thema stehen; nicht behandelt werden die Methoden der Lückenschließung (Analogie, Umkehrschluß) und das Problem der Anwendung außerpositiver Rechtssätze. Unberücksichtigt müssen auch die Unterschiede der Gesetzesanwendung bleiben, die auf den einzelnen Rechtsgebieten (Zivilrecht, Strafrecht, öff. Recht usw.) bestehen 29 . — Bei der Darstellung und K r i t i k der verschiedenen Theorien werden nur die i n der Literatur vertretenen Ansichten berücksichtigt. A u f eine Behandlung der von der Rechtsprechung angewandten Auslegungsmethoden w i r d verzichtet. Zwar bemüht sich heute auch die Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, u m eine theoretische Herausarbeitung einer Interpretationsmethode, doch finden sich i n der Praxis so zahlreiche Entscheidungen, i n denen die soeben er26
Vgl. die Hinweise unten S. 49 ff. Insbes. BVerfGE 9, 194; B G H S t 13, 102 = JZ 1960, 164. Menger V e r w A r c h Bd. 50, 387 ff; Oers. JZ 1960, 168 f Oers. V e r w A r c h Bd. 52 S. 305 (312 ff); Oers. V e r w A r c h Bd. 53,176 (178 f); Baring JZ 1960, 171 f; Müller, JZ 1962, 471. 29 Vgl. dazu z.B. Walter Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung S. 157; TJle, A Ö R N F Bd. 21 (1932) S. 75; M . Rümelin, A c P N F Bd. 2 (1924) S. 268; Spitaler, B B 1956, 7; Hartz, Die Auslegung v o n Steuergesetzen S. 12; PawlowskL A c P N F Bd. 40 (1961) S. 209 (231). 27
28
16
Einleitung
arbeitete Methode alsbald wieder durchbrochen w i r d 3 0 , daß sich aus der Rechtsprechung jede Methode und damit letzten Endes gar keine begründen ließe 31 . I m anschließenden zweiten Hauptteil w i r d dann untersucht, inwiefern der Grundsatz verfk Ausi i m deutschen Recht 3 2 bei der Rechtsfindung anwendbar ist, und wo er seine Grenzen findet.
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Vgl. Bachof/Jesch JöR N F Bd. 6; 59 ff. Vgl. Sax, Analogieverbot S. 51; zur „Methodenpolygamie" der Rechtsprechung vgl. Bender JZ 1957, 593 f ; Jesch A Ö R N F Bd. 43 (1957) S. 184; Stern N J W 1958,697; Zimmermann, Goltd. Arch 1955,336; G. u. D. Reinicke N J W 1951, 681 f f ; Jescheck, Goltd. Arch. 1954, 324 f; Ders. Goltd. Arch. 1956, 98; Spitaler Steuerb. Jahrb. 1956/57 S. 119; Friedrich N J W 1952, 367 ff; Ders. N J W 1953, 728 ff; Ders. N J W 1954, 1388 ff; Ders. N J W 1955, 1617 ff; Ders. N J W 1957, 852 ff; Ders. N J W 1958, 1897 ff; Bachof JZ 1956, 272 A n m . 2. 32 Z u r Rechtsvergleichung vgl. insbes. Haak, Normenkontrolle S. 12 ff und die übrigen oben A n m . 2 angeführten Stellen. 31
Erster
Hauptteil
D i e M e t h o d e der A u s l e g u n g Erstes Kapitel
Begriff und Gegenstand der Auslegung Vorbemerkung: I n der Literatur zum Auslegungsproblem w i r d die Person dessen, welcher das Gesetz auslegt und anwendet, üblicherweise kurz als „der Richter" bezeichnet. Man ist sich dabei i m Klaren, daß nicht nur er, sondern daneben auch der Verwaltungsbeamte, der Anwalt, der rechtsunterworfene Bürger und der Wissenschaftler, ja selbst der Gesetzgeber zur Auslegung des Gesetzes berufen sind. Wenn i m Folgenden ebenfalls die Kurzbezeichnung „der Richter" oder „richterliche Auslegung bzw. Rechtsfindung" verwendet wird, so geschieht dies nur der sprachlichen Einfachheit halber, ohne damit das Problem speziell auf die richterliche Rechtsfindung zu beschränken. Der Begriff der Auslegung (Deutung, Interpretation) kommt i n verschiedenen Bedeutungen vor. Unter Auslegung i m weitesten Sinne versteht man „die Gesamtheit der Gedanken, durch die der Richter i n Anlehnung an das Gesetz die Entscheidung gewinnt" 1 . Dazu gehört auch eine etwaige Berichtigung, Ergänzung und Fortbildung des Gesetzes, die Schließung von Lücken i m Wege der Analogie und die Herausarbeitung allgemeiner Rechtsgedanken. I n diesem Sinne wurde der Begriff etwa verwendet, wenn Gesetzgeber verschiedener Zeiten die „Auslegung" des Gesetzes verboten 2 . I n einem engeren Sinne bedeutet Auslegung nur die Klarstellung oder Verdeutlichung des Gesetzestextes, die Ermittlung seines endgültigen Sinnes zwecks Anwendung auf einen Rechtsfall, wobei etwaige zulässige Korrekturen i m Wege der Gesetzesberichtigung und Gesetzesfortbildung bereits darin enthalten sind 3 , die Lückenschließung jedoch nicht mehr zur Auslegung gerechnet wird. Die Feststellung einer Lücke des Gesetzes ist dann das Ergebnis der Auslegung i n diesem Sinne 4 . Vielfach w i r d gesagt, klare und eindeutige Gesetze, oder Gesetze m i t eindeutigem Wortlaut bedürften keiner Auslegung. Dabei w i r d der 1
Heck, Begriffsbildung u n d Interessenjurisprudenz S. 107. Vgl. die Übersicht bei Meier-Hayoz, Der Richter als Gesetzgeber S. 27 Anm. 1. 3 Vgl. ζ. B. Sauer, Jur. Methodenlehre S. 293. 4 Vgl. Sax, Analogieverbot S. 42. 2
2
Eckardt
. Hauptteil: Die
18
e o e
Auslegung
Begriff i n einem noch engeren Sinne verstanden, nämlich als „diejenige geistige Tätigkeit, welche . . . die Unvollkommenheit eines . . Wortlauts beseitigt" 5 . Dazu gehört weder die grammatische Sinnermittlung des Wortlauts (sie muß der „Auslegung" vorangehen), noch die Rechtsvervollkommnung und die Lückenfüllung, die sich an die Auslegung anschließt. Endlich kann Auslegung noch i m engsten Sinn verstanden werden als die Ermittlung des wirklichen Willens des historischen Gesetzgebers ohne jegliche K r i t i k oder Korrektur desselben. I m Rahmen dieser Arbeit w i r d „Auslegung" als Sammelbegriff verwendet für die gesamte richterliche Rechtsfindung, soweit sie i n Anlehnung an das Gesetz erfolgt. Nicht zur Auslegung gehört diejenige Rechtsfindung, welche auf Normen außerhalb des Gesetzes zurückgreift, also die Anwendung von Gewohnheitsrecht, überpositiven Rechtssätzen und die sog. freie richterliche Rechtsfindung. Gegenstand der Auslegung, insbesondere der „verfassungskonformen Auslegung" ist nur der Wortlaut des geschriebenen Rechts. Der Auslegung unterliegt also jedes Gesetz i m materiellen Sinne, insbesondere bedarf auch das scheinbar klare und eindeutige Gesetz der Interpretation. Dagegen soll das ungeschriebene Recht aus der Betrachtung ausscheiden, weshalb die Frage auf sich beruhen kann, ob auch dieses, speziell das Gewohnheitsrecht, der Auslegung bedarf, oder ob hier die Auslegung m i t der Feststellung des Rechts zusammenfällt.
Zweites Kapitel
Das Ziel der Auslegung I n der Rechtswissenschaft wurden die verschiedenen möglichen Hilfsmittel für die Interpretation eines Gesetzestextes schon frühzeitig erkannt, sie „gehören seit Savigny zum einigermaßen gesicherten Bestand der Auslegungslehre" 1 . Die übliche grobe Einteilung kennt die grammatische, die logische (systematische), die historische und die teleologische Auslegung. Der eigentliche Mangel der juristischen Auslegungslehre, w i r d oft gesagt, liege darin, daß es unter den verschiedenen Interpretationsmitteln keine gesicherte Rangfolge gebe2. Eine solche Rangfolge kann erst dann aufgestellt werden, wenn ein festes theoretisches Fundament der Auslegungslehre insgesamt errichtet ist 3 . Es gilt daher zunächst Klarheit zu gewinnen über das Ziel der Auslegung. Soll der Wille des historischen Gesetzgebers ermittelt werden (subjektive, 5 1 2 3
Keller, K r i t i k , K o r r e k t u r u. Interpretation S. 44. Siebert, Methode der Gesetzesauslegung S. 8. Siebert, Methode der Gesetzesauslegung S. 10 u n d die dortigen Hinweise. Erigiseli, Einführung S. 83.
2. K a p i t e l : Das Ziel der Auslegung
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historische Auslegung), geht es darum, den i m Gesetz selbst objektiv verkörperten Sinn, den „objektivierten Willen des Gesetzgebers" zu erforschen (objektive Auslegung), oder deckt sich das wahre Ziel der Gesetzesdeutung m i t keiner dieser beiden Grundauffassungen völlig? I . D i e subjektive und die objektive Methode
Die verschiedenen Theorien der Auslegung weichen i n Einzelheiten sehr stark voneinander ab. Man müßte daher exakt von den subjektiven und den objektiven Auslegungsmethoden sprechen, da beide Gruppen i n sich ganz unterschiedliche Auffassungen umschließen. Allen verschiedenen Richtungen innerhalb der einen Gruppe ist jedoch gemeinsam die Ablehnung der anderen Gruppe, so daß es trotz aller Unterschiede berechtigt erscheint, von der subjektiven und der objektiven Auslegung zu sprechen. Nach der Auffassung der extrem subjektiven Theorie ist das Gesetz eine reine Willensentscheidung, ein freier und unabhängiger Befehl des Gesetzgebers und nur dies 4 . Dementsprechend bedeutet Auslegung nach dieser Auffassung die Ermittlung derjenigen Gedanken, die nach dem Willen des Gesetzgebers i m Gesetz ihren Ausdruck finden sollten 5 . Der Richter hat sich bei der Interpretation auf das „Nachdenken eines Vorgedachten" (Radbruch) zu beschränken. Zur Ermittlung dieses „Vorgedachten" darf er sich aller erreichbaren M i t t e l bedienen, also außer dem Gesetzestext vor allem der amtlichen Begründung des Gesetzes und der parlamentarischen Beratungsprotokolle, der sog. Gesetzesmaterialien. Er hat sich „unter Beachtung aller erreichbaren Momente möglichst vollständig i n die Seele des Gesetzgebers hineinzudenken; je vollständiger i h m dies gelingt, m i t desto größerer Sicherheit w i r d er den Sinn der von dem Gesetzgeber gebrauchten Worte zu bestimmen i m Stande sein" 6 . Der Wille des Gesetzgebers steht über dem Wortlaut, Fehler des Ausdrucks können aus dem erkannten Gesetzgeberwillen berichtigt werden, da der Grundgedanke des § 133 BGB auch bei der Gesetzesauslegung gilt. Der Gesetzgeber kann eine Einzelperson sein, wie bei der Rechtssetzung durch einen absoluten Monarchen oder bei Rechtsverordnungen eines einzelnen Ministers, i n aller Regel ist der „Gesetzgeber" jedoch eine Personenmehrheit, evtl. können auch mehrere Personenmehrheiten i n ihrem Zusammenwirken darunter verstanden werden. A u f die Problematik, wessen Wille dann maßgeblich sei, soll später ein4 Imperative Rechtsauffassung, vgl. German, Methodische Grundfragen, S. 23 ff. 5 Vgl. Die ausführliche Darstellung bei Keller, K r i t i k , K o r r e k t u r u n d I n t e r pretation S. 88 if. 6 Windscheid, Pandektenrecht Bd. 1, S. 52.
2
20
. Hauptteil: Die
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Auslegung
gegangen werden. I m modernen parlamentarischen Staat kommt als Gesetzgeber hauptsächlich das Parlament i n Betracht. Diese extrem subjektive Theorie, die bei den einzelnen Autoren einige Abwandlungen i n Einzelheiten erfährt, war zu Beginn des modernen Kodifikationszeitalters absolut herrschend 7 . Heute w i r d sie i n dieser Form von niemand mehr vertreten. I m Gegensatz hierzu erblickt die objektive Theorie i m Gesetz nicht die Willenserklärung seines Urhebers, sondern betrachtet es als „Form gewordene ratio" 8 , als eine vorgegebene Ordnung, die i m Gesetz nur schriftlich festgehalten wird. Von dieser Auffassung her ist es nur konsequent, daß die objektive Theorie den Willen des Legislators für unmaßgeblich erklärt. Sie versteht die Gesetze nur als „ M i t t e l zur Verwirklichung der Gerechtigkeit und des Gemeinwohls" 9 , die aus sich selbst heraus nach den Grundsätzen der Vernunft und der Billigkeit zu interpretieren sind, ohne Rücksicht darauf, welche Bedeutung sie nach der Meinung ihres Verfassers haben sollten. Man erklärt dies damit, daß sich das Gesetz m i t der Veröffentlichung vom Willen seines Urhebers löse und von da an ein Eigenleben führe 1 0 . Das Gesetz kann auf diese Weise „einsichtiger sein, als der Gesetzgeber" (Thöl). Da die Tätigkeit des Gesetzgebers eine rein erkennende ist, lassen sich ihre Ergebnisse vom Ausleger nachprüfen und korrigieren. Falls also der Wortlaut und die sonstigen Interpretationsregeln mehrere Auslegungen ermöglichen, hat der Richter diejenige zu wählen, „bei welcher das Gesetz den vernünftigsten, heilsamsten Sinn hat und die wohltuendste Wirkung äußern w i r d " 1 1 , er hat dem „vernünftigeren Sinne den Vorzug zu geben vor dem gleichfalls möglichen weniger vernünftigen" 1 2 , er muß „die Gesetze so auslegen, wie es für die Interessen der Allgemeinheit am förderlichsten sei" 1 3 . U m diese sehr allgemeine Anweisung an den Richter etwas mehr zu präzisieren, w i r d dann häufig noch auf das teleologische Auslegungsmoment hingewiesen: Dasjenige Auslegungsergebnis sei allen anderen möglichen vorzuziehen, welches „vom Standpunkt teleologischer Geschichtsbetrachtung als das relativ beste erscheinen 7 Vgl. Thibaut , Theorie der logischen Auslegung S. 45 f ; Savigny, System d. röm. Rechts Bd. 1, S. 212 ff; v. Rönne, Staatsrecht d. Preuß. Monarchie 3. Aufl. S. 91 ff; Windscheid, Pandektenrecht 3. Aufl. S. 51 ff; Merkl, GrünhutsZ Bd. 42, 535 ff. 8 Kindt-Kiefer, Fundamentalstruktur d. Staates S. 404; Vgl. auch Scheuner, Recht, Staat, Wirtschaft Bd. 3, S. 138, Kretschmar, IheringsJahrb Bd. 67 (NF Bd. 31) S. 262. 9 Sauer, Jur. Elementarlehre S. 18. 10 Vgl. die klassischen Formulierungen bei Binding, Handbuch d. Strafrechts Bd. 1 S. 454; Thöl, Einleitung i n das dt. Privatrecht S. 150. 11 Kohler, Lehrb. d. bürgerl. Rechts Bd. 1 S. 126. 12 Wach, Handb. d. deutschen Zivilprozeßrechts Bd. 1 S. 275. 13 Baumgarten, Die Wissenschaft v. Recht S. 296.
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der Auslegung
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m u ß " 1 4 . „Eine Gesetzesbestimmung ist so auszulegen, daß sie sich als möglichst taugliches M i t t e l zur Erreichung des mit ihr verfolgten gesetzgeberischen Zweckes darstellt" 1 5 . Aber auch der Gesetzeszweck ist objektiv zu ermitteln, sind mehrere Zwecke als möglich zu denken, so ist der beste, gerechteste und heilsamste Zweck auszuwählen 16 . Radbruch sagt also nicht m i t Unrecht, die Auslegung sei „das Ergebnis — ihres Ergebnisses" 17 . U m den Richter nicht völlig auf seine subjektive Ansicht von der „besten und heilsamsten Wirkung" des Gesetzes zu verweisen, werden eine Reihe objektiver Maßstäbe aufgestellt, an denen sich die Interpretation orientieren soll. Man sagt, das Gesetz solle so gelten, „wie es der vernünftige Bürger versteht" 1 8 , wie es „die vernünftigen Männer (zur Zeit der Anwendung) auslegen" 19 , wie es „der vernünftig auslegende Volksgeist" versteht 2 0 . I m gleichen Sinne ist es gemeint, wenn Herbert Krüger heute fordert, die Verfassung müsse „aus dem Willen eines gegenwärtigen Verfassungsgebers" ausgelegt werden 2 1 . Man weist also dên Richter an, sich i n die Rolle einer gedachten Person, eines fingierten Normalmenschen zu versetzen, wenn er das Gesetz auslegt. Die Benutzung der Materialien w i r d dem Richter nicht gerade verboten, jedoch w i r d deren Bedeutung sehr stark herabgemindert, mitunter w i r d behauptet, sie hätten keinen höheren Rang, als irgendeine Privatarbeit, etwa ein Kommentar zum Gesetz 22 . Weitere Einzelheiten der subjektiven und der objektiven Theorie finden sich i n der sehr gründlichen Darstellung bei Keller 23. I I . K r i t i k der subjektiven u n d der objektiven Auslegungsmethode
Jedes Gesetz verdankt seine Entstehung der geistigen Arbeit natürlicher Menschen, deren Ziel es nicht ist, den Wortlaut als leere Formel aufzustellen, sondern ganz bestimmte Vorstellungen und Wünsche damit auszudrücken, die selbst das Ergebnis oft langer und sorgfältiger Überlegungen und Beratungen darstellen. Der Gesetzestext ist der Ausdruck ganz bestimmter Gedanken, die sich zu einer einheitlichen, zielstrebigen gesetzgeberischen Konzeption vereinigen. Gesetze werden kundgegeben „ m i t der zweifellosen Intention, von denen, an die sie sich richten, gerade 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23
Ole, AÖR N F Bd. 21 (1932) S. 72. Reichel, Gesetz u n d Richterspruch S. 67. Reichel, aaO S. 77 f. Radbruch, Einführung S. 161. Burkhardt, Lücken des Gesetzes S. 77. Danz, Einführung i n die Rechtsprechung S. 74. Binding, Handbuch des Strafrechts S. 456. Krüger, DVB1 1961, 685 ff. Binding , aaO S. 471 f. Keller, K r i t i k , K o r r e k t u r und Interpretation S. 88 ff.
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Auslegung
so aufgefaßt und beobachtet zu werden, wie sie von den Norm-setzenden Organen wirklich gedacht und gewollt sind" 2 4 . M i t Recht betont daher Hecfc 25, daß es eigentlich eine Selbstverständlichkeit sei, „daß die Rechtsgemeinschaft ein stärkstes Interesse hat, m i t dem Gesetz gerade denjenigen Erfolg zu erzielen, der von i h m erwartet wurde und nicht einen anderen, vielleicht entgegengesetzten." Es wäre verfehlt, wollte man von den Subjektivisten eine Begründung dafür verlangen, daß sie eine Gesetzesauslegung i m Sinne des Gesetzgebers fordern. Vielmehr bedarf es einer genauen Begründung, wenn man eine schriftliche Gedankenerklärung wie das Gesetz nicht i n dem Sinne soll verstehen dürfen, wie sie von ihrem Verfasser gemeint war. Von der objektiven Theorie werden denn auch eine ganze Reihe von Gründen für diese Behauptung vorgetragen. Aufgabe der Subjektivisten ist es, diese Gründe zu widerlegen. Man kann ihnen allenfalls den Vorwurf machen, diese Widerlegung sei ihnen nicht schlüssig gelungen, nicht aber, sie hätten ihre eigene Theorie nicht genügend fundiert, wie es Ule 26 tut. I m Folgenden sollen die Gründe geprüft werden, welche die Vertreter beider Theorien gegeneinander ins Feld führen. 1. Positivrechtliche
Begründungen
Häufig w i r d versucht, positivrechtliche Argumente für die eine oder die andere Rechtsfindungsmethode anzuführen. So w i r d namentlich in der älteren Literatur oft darauf hingewiesen, nur der verfassungsmäßig verkündete Gedanke sei Gesetz, was nicht i n Gesetzesform verkündet sei, könne auch nicht als verbindlich angesehen werden 2 7 . Schon Heck 28 hat dieses sogen. „Formargument" schlüssig widerlegt m i t dem Hinweis, die förmliche Verkündung sei nur die Voraussetzung für die Gültigkeit des Gesetzesbeschlusses, maßgeblich bleibe jedoch trotzdem der Wille des Parlaments, der nicht auf die Form reduziert werde 2 9 . Auch Keller 3Ü, der selbst eine objektive Theorie vertritt, gibt zu, daß dieses begriffsjuristische Argument keine Begründung der objektiven Auslegung geben kann. Unbegründet ist auch die Behauptung, es sei nur i n einem autoritären Staat angängig, den Willen des Gesetzgebers für die Gesetzesauslegung als maßgeblich anzusehen, i n einem demokratischen Staat bedeute dies 24
Bierling, Jur. Prinzipienlehre Bd. 4 S. 256. Gesetzesauslegung S. 59. 26 Ule, A Ö R N F Bd. 21 (1932) S. 63. 27 Wach, Handb. d. deutsch. Zivilprozeßrechts Bd. 1 S. 256; Kohler, G r ü n hutsZeitschr. Bd. 13 S. 20; Ders. Lehrb. d. bürgerl. Rechts Bd. 1 S. 124 f ; Burckhardt, Lücken des Gesetzes S. 66 f. 28 Gesetzesauslegung S. 77. 29 Vgl. auch Hildebrandt, Rechtsfindung S. 50 f. 30 K r i t i k , K o r r e k t u r u. Interpretation S. 249. 25
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der Auslegung
einen Anachronismus 31 . Einen „Willen des Gesetzgebers" gibt es auch i n einer Demokratie. „Denn es liegt i m Wesen des Zusammenwirkens einer Gesamtheit, daß der i n diesem Zusammenhang zur Herrschaft gelangte Willensinhalt als Wille der Gesamtheit aufgefaßt werden muß" 3 2 . Die staatsrechtlich-politischen Verhältnisse können daher keine bestimmte Auslegung als verbindlich vorschreiben 33 . Gegen die i m A n schluß daran erhobene Einwendung, der Wille der Gesamtheit sei der Wille des nur i m Gesetz redenden Staates 34 ist zu sagen, daß der Staat als juristische Person nur durch seine Organe handlungsfähig ist, und daß es daher letztlich doch wieder auf deren Willen ankommt. Weiter w i r d vorgebracht, „der Richter sei nicht einer vergangenen, sondern der gegenwärtigen Staatsgewalt unterworfen, deshalb seien die Gesetze der Vergangenheit auszulegen i m Sinne des gegenwärtigen Gesetzgebers" 35 . Der Gesetzgeber der Gegenwart verleihe einer Norm dadurch neue Kraft, daß er sie nicht abändere 36 . Konsequent gedacht könnte nach dieser Auffassung jedes Parlament Gesetze nur für seine eigene Legislaturperiode erlassen. I n Wirklichkeit hat jeder Gesetzgeber die Macht, zeitlich unbeschränkte Gesetze zu erlassen, die allerdings später aufgehoben werden können. Es ist eine abwegige Anschauung, die Gültigkeit der Gesetze nur m i t dem Schweigen des gegenwärtigen Gesetzgebers zu begründen. 2. Argumente
logischer oder empirischer
Art
Eine Reihe von Erörterungen gilt dem Willen des Gesetzgebers, bzw. des Gesetzes. Fehlsam ist die Begründung, das Gesetz selbst als „etwas Gewolltes" könne keinen eigenen Willen haben 37 , da die Bezeichnung „Wille des Gesetzes" selbstverständlich nur bildlich gemeint ist 3 8 . Unbegründet ist auch das sog. „Willensargument" (Heck): I m modernen Staat sei der Gesetzgeber keine Einzelperson, sondern eine Personenmehrheit. Hier noch von einem einheitlichen Willen zu sprechen, sei eine reine Fiktion, es gebe „kein historisch-psychologisch feststellbares Phänomen, 31 Zweigert, DVB1 1958, 738; ebenso Germann, Meth. Grundfragen S. 115 f; Reichel, Gesetz u. Richterspruch S. 69 f ; de Boor, Festschrift für Niedermeyer S. 35. 32 Enneccerus- Nipper dey 15. Aufl. § 54, I I I . 33 Ule, A Ö R N F Bd. 21 (1932) S. 61 f. 34 Radbruch, Einführung i n die Rechtswissenschaft S. 242 f; Oers. Rechtsphilosophie S. 111; ebenso Scheuner, Recht, Staat, Wirtschaft, Bd. 3 S. 138; Zweigert, Studium generale 1954, S. 381. 35 M. Rümelin, AcP N F Bd. 2 S. 276, Rümelin teilt allerdings diese A n sicht nicht. 36 Manigk, A r t . : Formalismus u. Freirechtsschule i m Handwörterbuch d. Rechtswiss. Bd. 2 S. 488; Staudinger-Brandl, 11. Aufl. Bd. 1 Einl. Randnr. 55; Meier-Hayoz, Richter als Gesetzgeber S. 47 f ; Mayer, Straf recht allg. Teil, S. 87. 37 Vgl. Stammler, Theorie S. 371. 38 Keller, K r i t i k , K o r r e k t u r u. Interpretation S. 158.
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Auslegung
das sich als , wirklicher Wille des Gesetzgebers' bezeichnen ließe" 3 9 . Auch i n einem mehrköpfigen Gremium gibt es einen einheitlichen Willen, eine volonté générale, der nicht erst i m Gesetz entsteht, sondern i n i h m lediglich kundgegeben wird. Ebenfalls unbegründet ist der Einwand, es sei noch nicht einmal eine einheitliche Personenmehrheit vorhanden, deren Gesamtwille ausschlaggebend sei, vielmehr entstehe ein Gesetz erst durch das Zusammenwirken mehrerer Gremien. Wirklich maßgeblich beim Erlaß eines Gesetzes ist nur das Parlament. Die Tätigkeit der übrigen Staatsorgane beschränkt sich auf ein Antrags- oder Kontrollrecht. Ein oft gehörter Einwand der objektiven Theorie ist der, ein gemeinsamer Wille des Parlaments sei praktisch nicht feststellbar, da man die Gedanken der Abgeordneten bei der Abstimmung nicht ermitteln könne 4 0 . Dieser Einwand beruht auf dem Fehler, daß der Wille des Parlaments als eine massenpsychologische Tatsache angesehen w i r d 4 1 . Da der Wille des Gesetzgebers von den Subjektivisten bisher etwas stiefmütterlich behandelt wurde 4 2 , sei ein kurzer Exkurs zu diesem Problem gestattet 43 . Theoretisch wäre ein Gesamtwille des Parlaments i m Sinne einer massenpsychologischen Tatsache denkbar. Alle Abgeordneten müßten dann spontan dasselbe wollen. Da dies i n der Gesetzgebung praktisch nicht möglich ist, muß vom Recht bestimmt werden, was als maßgeblicher Gesamtwille anzusehen ist 4 4 . Dies geschieht i n der Weise, daß ein System von Mehrheitsbeschlüssen eingeführt wird, denen regelmäßig eine Beratung und Abstimmung vorausgeht. Nur was von der Mehrheit beschlossen wurde, kann als „Wille des Parlaments" angesehen werden. Dabei sind die Anforderungen, die das positive Recht an den Parlamentswillen stellt, nicht immer die gleichen, i n der Regel genügt eine einfache Mehrheit der Stimmen, zuweilen w i r d eine qualifizierte Mehrheit verlangt. W i l l man bei der Gesetzesauslegung die Meinung des Rechtssetzers erforschen, so muß eine derartige Forschung von der Tatsache ausgehen, daß die zur Abstimmung vorgelegte Frage immer nur m i t JA oder NEIN 39 Eb. Schmidt, MDR. 1950, 625; vgl. auch Danz, Einf. i n die Rechtsprechung S. 69 f ; Reichel, Gesetz u n d Richterspruch S. 67 ff; Mezger, Einl. z. Leipz. Komm. 7. Aufl. Bd. 1 S. 1; A l f Ross, Theorie S. 337; Bülow, Gesetz u. Richteramt S. 35 f. 40 Vgl. E. Kaufmann, V V D S t R L . 9,13; Radbruch, Einf. i n die Rechtswissenschaft S. 242; E. Schmidt, M D R 1950, 625; A l f Ross, Theorie S. 337; Zweigert, DVB1 1958, 738; Baumgarten, Wissensch, v. Recht S. 297; v. Hippel, Einf. i. d. Rechtstheorie S. 86 f; Larenz, Methodenlehre S. 248; Burckhardt, Methode S. 277 A n m . 21. 41 Vgl. z. B. A l f Ross, Theorie S. 337: „Parlamentarischer Durchschnittsw i l l e " ; E .Schmidt, M D R 1950 S. 625: „Historisch-psychologisch feststellbares Phänomen", „Schweigen k a n n psychologisch auch andere Gründe haben"; Radbruch, Einführung S. 242: „Jeder Abgeordnete hat etwas anderes gedacht." 42 Vgl. Schreier, Interpretation, S. 63. 43 Vgl. zu diesem Thema: Kelsen, Staatsrechtslehre S. 162 ff; G. Jellinek, Gesetz u n d Verordnung S. 312 ff; Schindler, Bildung des Staatswillens, passim. 44 Vgl. Schindler, Staatswille S. 30.
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beantwortet werden kann, der Inhalt des Beschlusses also immer nur Ja oder Nein lautet. Der Beschluß ist dadurch insofern relativ, als er stets nur i n Verbindung m i t dem zur Abstimmung gestellten Antrag verständlich ist. Streng genommen darf nur dieser Antrag zusammen mit dem Ergebnis der Abstimmung als Beschluß des Parlaments und damit als Wille des Gesetzgebers angesehen werden. Allerdings bedarf ein solcher Antrag selbst wieder der Auslegung, und insoweit als andere Äußerungen die Auslegung beeinflussen können, dürfen auch sie berücksichtigt werden, jedoch m i t aller „Vorsicht, Umsicht, Besonnenheit und G r ü n d l i c h k e i t . . . echter historischer Forschung" 45 . Meinungen, die einzelne Abgeordnete hatten, ohne sie zu äußern, können die Auslegung des Antrags nicht berühren, sie sind völlig unerheblich. Wenn eine von der Regierung eingebrachte Gesetzesvorlage ohne Beratung unverändert angenommen wurde, dann gilt das Gesetz i m Sinne des gestellten Antrags, also i m Sinne des Wortlauts und insbesondere der amtlichen Gesetzesbegründung, da andere M i t t e l zur Auslegung des Antrags nicht vorhanden sind. W i r kommen also zu demselben Ergebnis wie die sog. Paktentheorie, die heute noch ζ. B. von Engisch 46 und Siebert 47 vertreten wird. Ein weiteres Argument soll gleichsam der objektiven Theorie eine subjektive Begründung geben: Man sagt, der Wille des Gesetzgebers beziehe sich selbst darauf, „eine Norm auch für die Zukunft zu schaffen", der Gesetzgeber wolle die Norm entsprechend den nicht überschaubaren Bedürfnissen der Zukunft angewandt wissen 48 . Bei dieser Auffassung ist jedoch nur der Wunsch Vater des Gedankens, sie bedeutet eine reine Fiktion und ist daher „wissenschaftlich nicht haltbar" 4 9 . Ebensowenig vermag die subjektive Auslegung widerlegt werden durch die immer wiederkehrende Wendung, m i t der Publikation reiße sich das Gesetz von seinem Urheber los und führe ein eigenes Leben. Wie Schreier 50 m i t Recht ausführt, bedeutet dies für sich allein genommen nichts, als daß m i t der Publikation die Tätigkeit des Gesetzgebers abgeschlossen ist und daß sich von da an andere Leute mit dem Gesetz beschäftigen. 45
Spitaler, Steuerberater-Jahrb. 1956/57 S. 127. Einführung S. 95. Methode S. 41. 48 Manigk, A r t i k e l : Auslegung i m HdW. d. Rechtswiss. S. 432; I m Anschluß an i h n : Schönke, Einführung S. 24; Ders. Komm. StGB § 2 IV, 1; Stein-JonasSchönke, K o m m . ZPO, Einl. lit.F I I I ; Staudinger - Brandl Bd. 1, Einl. V I I , Randnr. 55; de Boor, Festschr. f. Niedermeyer, S. 35; vorher auch schon Binding, Handbuch, d. Strafr. Bd. 1, S. 455. 49 Nawiasky, Allg. Rechtslehre S. 128; gleichfalls ablehnend Heck, Gesetzesauslegung S. 216 f. 50 Interpretation der Gesetze S. 64. 46
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3. Argumente
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Auslegung
aus den Ergebnissen beider Theorien
Konnten weder positivrechtliche noch logisch-empirische Erwägungen ausschlaggebende Argumente für eine der beiden Theorien liefern, so soll nun geprüft werden, ob sich aus den jeweiligen Ergebnissen der subjektiven bzw. der objektiven Auslegungstheorie Gesichtspunkte ergeben, welche die Entscheidung zugunsten einer Methode herbeiführen können. Gegen die Behauptung, bei der subjektiven Methode bestehe die Gefahr einer Ausdehnung der Willensermittlung ins Uferlose, die objektive Auslegung sei einfacher, praktikabler 5 1 , ist einzuwenden, daß zur Findung des richtigen Rechts keine Mühe zu groß sein darf. Außerdem w i r d diese Mühe leicht überschätzt. Der Praktiker bedient sich bei der Rechtsfindung ohnehin nicht nur des Gesetzestextes, sondern auch der Kommentare und Erläuterungswerke. I n diesen ist die Entstehungsgeschichte des Gesetzes regelmäßig verwertet. Eines der häufigsten Argumente gegen eine subjektive Auslegung ist das von Heck so benannte „Vertrauensargument". Man sagt, die Rechtssicherheit i m Sinne der Öffentlichkeit des objektiven Rechts verlange, daß das Gesetz nur nach seinem Wortlaut ausgelegt werden dürfe, der so verstanden werden müsse, wie ihn „jedermann verstehen müsse" 52 . Dem Laien sei nur der Gesetzeswortlaut zugänglich, sein Vertrauen i n den Wortlaut müsse geschützt werden. I n diesem Argument klingt noch das alte positivistische Ideal an, das Recht müsse allein aus dem Gesetzestext entnommen werden können, ohne besondere Vorkenntnisse und ohne weitere Mühe 5 3 . Inzwischen hat man erkannt, daß dieses Ideal leider unerreichbar ist. Der Laie schöpft heute seine Rechtskenntnisse i n der Regel aus sekundären Quellen, nicht aus dem Gesetzestext, den er meist gar nicht verstehen kann. Und an den Fachmann ist es kein unzumutbares Ansinnen, die Benutzung der Entstehungsgeschichte eines Gesetzes zu verlangen 5 4 . Der schwerwiegendste Grund gegen die streng subjektive Theorie und wohl der einzige wahre Grund für die Entstehung der objektiven Theorie ist, daß eine rein subjektive Auslegung den Richter zu fest an 51
Schreier, Interpretation S. 62; Burckhardt, Methode S. 277 f. Kraus, Gesetzesinterpretation, GrünhutsZ Bd. 32 S. 621; Keller, K r i t i k , K o r r e k t u r und Interpretation S. 263; Baumann M D R 1958, 395; Burckhardt, Lücken S. 75 f ; Hartz, SteuerJahrb. 1958/59, 79. 53 Vgl. v. Globig-Huster, Abhandlungen S. 32: Vorkenntnisse sind überflüssig, „ w e i l selbst die sogenannte Rechtsgelahrtheit, w e n n alle Gesetze i n einem Buche bekannt gemacht sind, u n d keiner Auslegung bedürfen, aufhören wird, eine Wissenschaft zu sein. Glückliche Zeiten! Da der Einfältigste m i t leichter Mühe seine Schuldigkeiten gegen den Staat u n d seine Mitbürger erfahren, da er selbst sein eigener Advokat sein k a n n . . . " 54 Vgl. die ausführliche Begründung bei Heck, Gesetzesauslegung S. 81 ff; ferner: Hildebrandt, Rechtsfindung S. 51 f f ; Bierling, Prinzipienlehre Bd. 4 S. 276 ff; G. u. D. Reinicke, JR 1951, 162; Bender, JZ 1957, 596. 52
. Kapitel: D i e
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den Willen des Gesetzgebers kettet. Sie zwingt ihn, auch festgestellte Fehler des Gesetzgebers mitzumachen, der ja nicht frei von menschlichen Fehlern und Unzulänglichkeiten ist. Außerdem hindert sie den Richter, bei seiner Entscheidung schwerwiegende Veränderungen der tatsächlichen Verhältnisse seit der Entstehung des Gesetzes zu berücksichtigen, sie steht also einer Rechtsfortbildung i m Wege 55 . Richterliche Rechtsfortbildung ist nicht nur positiv gesetzlich vorgesehen 56 , sie ist auch, mindestens zum Teil, durch das Rechtsverweigerungsverbot zwingend geboten 5 7 . Darum gibt es heute niemand mehr, der die Rechtsfindung auf die Ermittlung des Gesetzgeberwillens beschränken w i l l . Ob diese Erkenntnis jedoch dazu führen muß, diesen Willen für gänzlich unmaßgeblich zu halten, bedarf einer weiteren genauen Untersuchung. Z u diesem Zweck muß die objektive Theorie einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Daß sie die Rechtssicherheit i m Sinne der Bestimmtheit des Rechts nicht i n dem Maß verwirklichen kann, wie eine subjektive Auslegung 5 8 , w i r d kaum bestritten. Keller 59 behauptet zwar, auch die subjektive Theorie garantiere keine Rechtsbestimmtheit, da bei dem unbegrenzten Auslegungsmaterial das Ergebnis vom Fleiß, der Geschicklichkeit und der Zeit des Richters abhänge. Er kann jedoch nicht die Tatsache bestreiten, daß der historische Wille des Gesetzgebers eine feste Größe ist, die keinerlei Veränderungen unterworfen ist. Diese verminderte Rechtssicherheit wäre kein entscheidender Fehler der objektiven Theorie, da ihre Vertreter demgegenüber darauf verweisen könnten, das Minus werde ausgeglichen durch eine bessere Möglichkeit, den individuellen Merkmalen des Einzelfalls und den veränderten Zeitumständen gerecht zu werden. Ein viel wesentlicherer Fehler offenbart sich, wenn man bei der objektiven Methode nach den Grenzen der Auslegung fragt. Da diese Methode den Willen des Gesetzgebers als Auslegungsziel aufgegeben und durch den „vernünftigen Gesetzessinn" ersetzt hatte, war sie der Gefahr ausgesetzt, sich bei der Interpretation ins Grenzenlose zu verlieren. A n Stelle des historischen 55 Vgl. ζ. Β. E. Kaufmann, V V d S t R L 9, 12 f ; Zweigert, Stud.generale 1954, 381 ff; Krüger DVB1 1961, 685; Reichel, Gesetz u. Richterspruch S. 70 ff; Sauer, Jur. Elementarlehre S. 18; Kohler, Grünh. Zeitschr. Bd. 13, S. 58 ff; Reinhardt i n Reinhardt-König, Richter u. Rechtsfindg, S. 12 f ; M. Rümelin, AcP N F Bd. 2, S.275; de Boor, Festschr. f. Niedermeyer S. 35 ff; Hartz, Auslegung S. 14; Hildebrandt, Rechtsfindung S. 54; Meier-Hay oz, Richter als Gesetzgeber S. 44 ff; Heck, Gesetzesauslegung S. 87 f. 56 Vgl. Bender JZ 1957, 593 A n m . 1. 57 Vgl. den schlüssigen Nachweis bei Radbruch, Arch. f. Sozialwissenschaft Bd. 22 (1906) S. 355 ff. 58 Vgl. G. u. D. Reinicke, JR 1951, 162; Bender JZ 1957, 597; Hildebrandt, Rechtsfindung S. 55; Meier -Hay oz, Richter als Gesetzgeber S. 44 ff; M. Rümelin, Erlebte Wandlungen S. 14 A n m . 2; auch Jescheck, der selbst eine objektive Theorie vertritt, leugnet dies nicht (Jescheck, Stud.generale 1959, 107 ff.). 59 K r i t i k , K o r r e k t u r u. Interpretation S. 258.
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Auslegung
Gesetzgeberwillens mußte sie sich nach einem neuen festen Halt umsehen. Als solcher blieb nur noch der Gesetzeswortlaut übrig. Und so erklärte man, eine Auslegung sei dann nicht mehr zulässig, wenn sie mit dem Gesetzeswortlaut nicht mehr vereinbar sei, umgekehrt sei aber jede Interpretation möglich, die sich noch in den Grenzen des Wortlauts halte. Auch die Formulierung, das Auslegungsergebnis müsse noch m i t dem Gesetzeszweck vereinbar sein, bedeutet keinen Unterschied i n der Sache. Denn m i t diesem Zweck ist nicht das vom historischen Gesetzgeber verfolgte Ziel gemeint, sondern derjenige Sinn, welcher dem Gesetz nach seinem Wortlaut innerhalb der Rechtsordnung zukommt. — So zeigt sich das eigenartige Bild, daß gerade die ausschließlich rationale, vernunftbetonte objektive Theorie bei ihrer Grenzziehung auf ein Element angewiesen ist, das noch nicht einmal auf an sich schon mängelbehafteten menschlichen Überlegungen beruht, sondern auf dem blinden Zufall: Der unabsichtlich engen oder weiten Fassung des Gesetzeswortlauts. Die objektive Auslegung erweist sich somit als „eine Methode, die i n der Grenzsituation versagt" 6 0 . Der Forschung nach dem „objektiven Gesetzessinn" ist ferner vorzuwerfen, daß sie i n Wahrheit häufig gerade nicht zu objektiven Ergebnissen führt. Wenn nämlich eine allgemeine Wertüberzeugung fehlt, dann muß der Richter nach seinen persönlichen Vorstellungen entscheiden, welche Auslegung sachlich am vernünftigsten ist. Diese Interpretationsmethode ist daher i m eigentlichen Sinne „subjektiv". Nicht umsonst hat man i h r häufig vorgeworfen, sie gefährde die Gewaltenteilung bzw. die Bindung des Richters an das Gesetz 61 . Ein sehr wesentlicher Gesichtspunkt, der gegen die objektive Interpretationstheorie spricht, ist endlich der, daß sie dem Laien das Gefühl der Rechtssicherheit und damit das Vertrauen i n die Objektivität der Rechtsprechung nimmt. Er w i r d es nie verstehen, wenn man den wahren Willen des Gesetzgebers völlig ignoriert 6 2 und erklärt, was dieser mit einer Norm gemeint habe, sei unmaßgeblich, der Richter bestimme, was eine Norm „wollen soll" 6 3 . 60 Sax, Analogieverbot S. 81 ; vgl. auch die scharfsinnigen Ausführungen bei Spies , DRiZ. 1956, 168 ff; ferner Zimmermann, N J W 1956, 1263 f; Liver , W i l l e des Gesetzes S. 22 f; Reinicke, N J W 1954, 1217; Schreier, Interpretation S. 64 f; Reinhardt, in: Reinhardt-König, Richter u. Rechtsfindung S. 16; Bierling, P r i n zipienlehre Bd. 4 S. 272. 61 Vgl. Leisner, DÖV 1961,642; Wieacker, Privatrechtsgeschichte S. 342; Nawiasky, Allg. RechtslehreS. 128; Bender JZ 1957,597; Reinhardt i n : ReinhardtKönig, Richter und Rechtsfindung S. 16; Zimmermann, N J W 1954, 1629 f; Larenz, Methodenlehre S. 239. 62 Vgl. auch Liver, W i l l e des Gesetzes S. 25. 63 Sauer, Methodenlehre S. 294: „Nicht was eine tatsächliche Rechtsquelle gewollt hat, sondern was die tatsächlichen Normen zu wollen haben, was sie wollen sollen . . i s t der Schwerpunkt auch des Auslegungsproblems ".
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der Auslegung
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I I I . D i e richtige Auslegungsmethode
Wer zu einer brauchbaren Auslegungsmethode kommen will, muß sich bemühen, die richtigen Erkenntnisse beider Theorien zu verwerten, ohne zugleich ihre jeweiligen Fehler mitzumachen. Schon bei der Darstellung der Grundzüge beider Auslegungstheorien wurde angedeutet, daß dieselben sich nicht nur durch eine verschiedenartige Methode unterscheiden, sondern daß ihnen ein tiefergehender Unterschied i n ihrer theoretischen Auffassung vom Wesen des positiven Rechts zugrunde liegt. Die Vertreter der objektiven Theorie betrachten die Rechtssetzung, vielleicht ohne sich dessen immer recht bewußt zu sein, vorwiegend als die Erkenntnis 6 4 einer vorgegebenen Ordnung 6 5 . Für sie ist das Gesetz „ratio scripta und nur dies . . . , n i c h t . . . das ,prästhafte' Produkt prästhafter Menschen" 66 . Und es ist für sie gleichzeitig „objektiver Geist", der sich i n der Geschichte weiterentwickelt 6 7 . Demgegenüber sieht die subjektive Theorie i n der Gesetzgebung ausschließlich einen politischen A k t 6 8 . Sie betrachtet das Gesetz als „Ausdruck des Willens derer, die die Setzung vorgenommen haben 69 . I n Wirklichkeit enthalten beide Auffassungen einen richtigen Gedanken, keine von ihnen darf jedoch verabsolutiert werden. Das Gesetz ist „Form gewordene ratio und voluntas des Gesetzgebers" 70 . Es ist „seinem Wesen nach weder nur ein Willensakt oder Befehl, noch zeitlose, objektive Vernunft, sondern bis zu einem gewissen Grade beides" 71 . Liver 72 macht sogar den Versuch, innerhalb eines Gesetzes zu unterscheiden zwischen Normen, die auf einer Rechtserkenntnis des Gesetzgebers beruhen (sog. Grundsatznormen) und solchen, die ein Produkt seiner Willensentscheidung darstellen (sog. Zweckvorschriften und singuläre Normen) 7 3 . 64
Liver , W i l l e des Gesetzes S. 6 f. Buse, JR 1949, 362: „Zuerst ist die Rechtsidee vorhanden, die dann erst ihre sichtbare Form i m positiven Gesetz findet". Ä h n l i c h Banz, Einführung S. 70. 66 Kindt-Kiefer, Fundamentalstruktur S. 404; Vgl. auch Kohler, Lehrbuch Bd. 1 S. 123 f. 67 Larenz, Methodenlehre S. 240; ebenso Radbruch, Einführung S. 242 f; Betti, Festschrift f. Rabel, Bd. 2 S. 122 f. 68 Hartz, Auslegung von Steuergesetzen S. 15; Forsthoff, Res publica Bd. 7 S. 37, 39 f. 69 Nawiasky, A l l g . Rechtslehre S. 129; Engisch, Einführung S. 95 f; Zimmer mann, Goltd. Arch. 1955, Ml;Manigk, A r t i k e l : Auslegung i m Handw. d. Rechtswiss. S. 432; Zimmermann, N J W 1954,1629. 70 Kindt-Kiefer, Fundamentalstruktur S. 404. 71 Larenz, Methodenlehre S. 240; Vgl. auch Büchert, JR 1951, 102 ff; Schreier, Interpretation S. 67 f. 72 W i l l e des Gesetzes S. 6 ff. 73 Diese Unterscheidung taucht i n der L i t e r a t u r i m m e r wieder auf. Vgl. Jung, „Positives" Recht S. 26 f ; Regelsberger, IheringsJahrbücher Bd. 58 (1911) S. 149 spricht von starren u n d ausbaufähigen Normen; ähnlich Boehmer, Grundlagen Bd. 112, S. 76 f; Bachof, Verfassungswidrige Verf.-Normen? S. 38. 65
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. Hauptteil: Die
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Auslegung
Die überwiegende Meinung i n der Literatur geht heute dahin, daß weder die subjektive noch die objektive Auslegungslehre, i n denen nach Schänke 74 der Gegensatz zwischen Positivismus und Rationalismus hervortritt, rein durchgeführt werden kann. Beide enthalten nur eine Teilwahrheit, und eine richtige Methode muß daher Elemente beider Theorien enthalten 7 5 . Sie muß den Willen des Gesetzgebers beachten, soweit er Beachtung verdient, darf sich aber nicht m i t der Feststellung dieses Willens begnügen, wenn besondere Umstände vorliegen, die eine Rechtsfortbildung verlangen. A m besten werden diese Anforderungen erfüllt durch die Auslegungsmethode der Inter essen jurisprudenz, die von Heck 76 begründet und nach dem Kriege insbesondere von Zimmermann, G. u. D. Reinicke und Bender als sogenannte „mehrstufige Rechtsfindung" oder „progressive Rechtsfindung" fortentwickelt w u r d e 7 7 Nach dieser Methode 7 8 ist auf einer ersten Stufe der Interpretation der subjektive Wille des historischen Gesetzgebers festzustellen. I m Anschluß daran werden auf der zweiten Stufe etwaige von Anfang an bestehende (primäre) Gesetzeslücken geschlossen und anfängliche Anschauungs-, Denk- oder Bewertungsfehler des Gesetzgebers berichtigt (primäre Gesetzesergänzung und primäre Gesetzesberichtigung). A u f einer weiteren, dritten Stufe w i r d dann der Gesetzesinhalt evtl. einem seit der Entstehung des Gesetzes eingetretenen Wandel der Normsituation angepaßt, wobei diese Anpassung wiederum i n einer (sekundären) Gesetzesergänzung oder einer (sekundären) Gesetzesberichtigung bestehen kann. Auch diese Methode haftet letztlich nicht am subjektiven Willen des Gesetzgebers, sie unterscheidet sich aber von der objektiven Theorie dadurch, daß bei ihr die verschiedenen Stufen der Interpretation streng unterschieden werden, und daß keine dieser Stufen übersprungen werden darf. Dadurch gewinnt die Auslegung wieder ihre Klarheit, welche sie bei dem „einaktigen Kurz74
Einführung S. 24. Vgl. Larenz, Methodenlehre S. 238 f; Staudinger-Brändl, Komm. Β GB Bd. 1, Einl. V I I Randnr. 55; Schänke, Einführung S. 24; Oers. Komm.StGB §2 I V , 1; Stein-Jonas-Schänke, K o m m ZPO Einl.lit. F U I ; Bender, JZ 1957, 593 ff; Zimmermann N J W 1954,1628 f. 76 Gesetzesauslegung u n d Interessenjurisprudenz. 77 Zimmermann, N J W 1951,948; JR 1951,131; N J W 1952,959; JB1 1952,451; N J W 1953, 484; N J W 1954,1628; N J W 1954, 624; N J W 1955, 1088; GoltArch 1955, 336 N J W 1956, 1262; G. u. D. Reinicke JR 1951, 161; N J W 1951, 681; M D R 1952, 141; N J W 1952, 1153; N J W 1954, 1217; N J W 1955, 1380; N J W 1955, 1662; M D R 1957, 193; zustimmend: Siebert, Methode S. 45; Leisner, DÖV 1961, 642; Liver , W i l l e des Gesetzes S. 28f; E r i k Wolf AÖR N F Bd. 41 (1955/56) S. 489; D. Reinicke, N J W 1953, 681. — Die beste Gesamtdarstellung findet sich bei Bender JZ 1957, 593 ff, an i h n lehnt sich auch die folgende Darstellung an. 78 V o n einer anderen Auslegungsmethode geht Haak, Normenkontrolle S. 231 ff. aus, der seinen Untersuchungen eine an der Wiener Schule orientierte objektive Theorie zugrundelegt. Er macht jedoch i n einem wesentlichen P u n k t eine Ausnahme hiervon, so daß er i m Ergebnis m i t der hier geschilderten Methode wieder übereinstimmt. Vgl. unten S. 53, Anm. 38. 75
. Kapitel: D i e
der Auslegung
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schluß" 7 9 der objektiven Theorie verloren hatte. Nur soweit es zur Erläuterung der Methode notwendig ist, sollen i m Folgenden ganz kurz die einzelnen Auslegungsstufen beleuchtet werden; ein Eingehen auf Einzelheiten ist i m Rahmen dieser Arbeit nicht erforderlich. I m ersten Stadium der Auslegung w i r d der wirkliche Wille des Gesetzgebers ermittelt 8 0 , die Tätigkeit des Richters beschränkt sich auf das „Nachdenken eines Vorgedachten" (Radbruch). Wie bereits früher gesagt, ist dabei selbstverständlich ein normativer Wille, kein psychologischer Gesamtwille des Parlaments gemeint. Zur Ermittlung des Gesetzgeberwillens dient i n erster Linie der geschriebene Text des Gesetzes (grammatische und systematische Auslegung). Dem Textsinn kommt jedoch entgegen einer weitverbreiteten Ansicht keine eigenständige Bedeutung zu. Gleichberechtigt neben der Textdeutung steht die historische Interpretation, d. h. die Sinnermittlung aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes und den historischen Zeitumständen beim Gesetzeserlaß 81. Meist w i r d eine gesetzgeberische Anordnung erst dann verständlich, wenn man ihren Zweck kennt. Die historische Forschung muß sich daher auf die Ermittlung dieses Zweckes und der Wertungen erstrecken, die der Zwecksetzung zugrundeliegen. Ein wichtiges Hilfsmittel zur Ergründung des historischen Gesetzessinnes ist ferner die „Vermutung von der Weisheit des Gesetzgebers". Man hat davon auszugehen, daß der Gesetzgeber i m Zweifel eher eine vernünftige, gerechte, zweckmäßige und praktikable Regelung treffen wollte, als eine unsinnige Anordnung. Der Wert des Auslegungsergebnisses ist daher stets ein gewichtiges Argument schon bei der subjektiven Auslegung 82 . A n den so festgestellten historischen Willen des Gesetzgebers ist der Richter zunächst gebunden, und zwar auch dann, wenn er ihn persönlich für unzweckmäßig oder ungerecht hält. A n diese genetische Sinndeutung, die subjektive Seite der Auslegung schließt sich der zweite A k t der Rechtsfindung an, die sog. „Gesetzesvervollkommnung", bestehend aus der „primären Gesetzesergänzung" und der „primären Gesetzesberichtigung". Die Ermittlung des historischen Gesetzgeberwillens kann ergeben, daß das Gesetz von Anfang an Lücken enthielt, d. h. daß i n der Praxis Fälle auftauchen, für die i m 79
Zimmermann, N J W 1956,1264. Daß dieser nicht v ö l l i g unmaßgeblich ist, sondern daß das Gesetz zunächst einmal aus i h m seine Verbindlichkeit bezieht, w i r d heute i n der L i t e ratur überwiegend anerkannt. Vgl. Larenz, Methodenlehre S. 240 f, Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre S. 130; Betti , Festschrift f ü r E. Rabel, Bd. 2 S. 123; Liver, W i l l e des Gesetzes, S. 28; E. Wolf AÖR N F Bd. 41 (1955/56) S. 489. 81 Hinweise über Einzelheiten zur Verwertung der Entstehungsgeschichte finden sich bei G. u. D. Reinicke, N J W 1955, 1380 ff; Nawiasky, Allgemeine Rechtslehre S. 134 ff; Walter Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung S. 163 ff. 82 Das w u r d e schon i m m e r anerkannt, auch von den Subjektivisten, vgl. Windscheid, Pandektenrecht Bd. 1 S. 52; Savigny, System B d . l , S.225; M. Rümelin, Schweiz. Z G B S. 31 ff (Präsumtion des vernünftigen Gesetzgebers); Reinicke, N J W 1952, 1037 m i t Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung. 80
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. Hauptteil: Die
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Auslegung
Gesetz keine Lösung vorgeschrieben ist 8 3 . Diese — beabsichtigten oder unbeabsichtigten — Lücken hat der Richter nach bewährter Methode (Gesetzes-, Rechtsanalogie, freie Rechtsfindung) zu schließen. Er ist dabei an die Wertungen und Zwecksetzungen des Gesetzgebers gebunden. Sind passende Wertungen nicht vorhanden oder nicht feststellbar, so muß er sich auf „die i n der Rechtsgemeinschaft herrschenden Wertanschauungen" 8 4 stützen, und wenn sich auch solche nicht finden lassen, darf er nach seinen eigenen, persönlichen Wertungen urteilen 8 5 . Zu den „Lücken", die der Richter auf diese Weise auszufüllen hat, gehören auch die gesetzlichen Generalklauseln und die sog. unbestimmten Gesetzesbegriffe. Denn auch i n diesen Fällen kann der Richter die Entscheidung nicht unmittelbar dem positiven Recht entnehmen, sondern muß sie praeter legem finden. Der Gesetzgeber hat hier seine Entscheidungsgewalt auf den Richter delegiert 86 . Die historische Willensermittlung kann nicht nur Lücken, sie kann auch Fehler des Gesetzes offenbaren, die auf Anschauungs- oder Denkfehlern des Gesetzgebers beruhen, weil dieser den zu regelnden Sachverhalt unrichtig oder unvollständig gesehen oder bei der Gebotsbildung gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen hat. Solche offenbaren Fehler des Gesetzgebers hat der Richter bei der Rechtsfindung zu korrigieren. Auch bei dieser Korrektur ist er i n gleicher Weise wie bei der Gesetzesergänzung an die Wertungen des Gesetzgebers gebunden. Wie dort hat er sich bei Fehlen solcher Wertungen auf die allgemein herrschenden Wertanschauungen zu stützen und darf nur hilfsweise nach seinen persönlichen Wertungen urteilen („subsidiäre Eigenwertung"). Von höchster politischer Bedeutung ist die Frage, ob eine Gesetzesberichtigung auch dann stattfinden darf, wenn das Gesetz keine Anschauungs- oder Denkfehler enthält, sondern sog. „Wertungsfehler", d. h., wenn es gegen die geltende Kulturordnung oder höchste überpositive Wertungen verstößt. Diese Frage betrifft die Grenzen des positiven Rechts. Sie interessiert hier nicht unmittelbar. Nach heute überwiegender Meinung ist auch hier eine Berichtigung zulässig, allerdings
83 Da Bender auf dem Standpunkt der „Ignorierungstheorie" steht, sind diese Fälle für i h n ziemlich häufig. Nach dieser Theorie enthält das Gesetz keine Regelung für alle diejenigen Fälle, die der Gesetzgeber nicht vor Augen hatte, die er „nicht angeschaut hat" (Anschauungslücken). Ebenso Reinicke, N J W 1951, 682 u n d N J W 1954,1217. Die entgegengesetzte sog. „Abweichungstheorie" vertreten ζ. B. Heck, Gesetzesauslegung S. 218 ff u n d Hildebrandt, Rechtsfindung S. 65. 84 Bender JZ 1957, 599 85 Vgl. auch Reinicke N J W 1955, 1380, N J W 1955, 1662 f, M D R 1957, 193; Boehmer, Grundlagen Bd. I I 1, S. 189. 86 Vgl. Reinicke N J W 1952,1153, N J W 1955,1662 f; Less, Wesen u. Wert d. Richterrechts S. 25 ff; M. Rümelin, Schweiz.ZGB S. 29.
3. K a p i t e l : Die Grenzen der Auslegung
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nur i n ganz extremen Fällen, wenn das Gesetz zu völlig unerträglichen Ergebnissen führen würde 8 7 . Nach der historischen Sinnermittlung und der primären Gesetzesergänzung und -berichtigung kann auf einer dritten Stufe der Auslegung eine Anpassung des Gesetzes an die veränderten Zeitumstände notwendig werden. Das Gesetz kann nämlich durch einen seit seiner Entstehung eingetretenen Wandel der tatsächlichen oder auch rechtlichen 88 Verhältnisse nachträglich lückenhaft oder fehlerhaft geworden sein. Ebenso wie die ursprünglichen Mängel können auch solche später eingetretenen Unvollkommenheiten des Gesetzes berichtigt werden durch sog. sekundäre Gesetzesergänzung und -berichtigung. Auch bei dieser ist der Richter i n gleicher Weise wie auf der zweiten Stufe der Rechtsfindung an die Wertung und Zwecksetzung des Gesetzgebers gebunden. Wie dort darf er sich nur hilfsweise auf die allgemein herrschenden Anschauungen und schließlich auf seine Eigenwertung stützen. Auch hier können geänderte Wertvorstellungen nur i n ganz extremen Fällen zur Vermeidung völlig unerträglicher Ergebnisse zu einer Berichtigung der gesetzgeberischen Wertungen selbst führen. Die „progressive Rechtsfindungsmethode" vereinigt die Vorzüge der subjektiven und der objektiven Theorie. Sie gewährleistet die notwendige Beachtung der gesetzgeberischen Erfolgsinteressen, indem sie den Willen des Gesetzgebers zunächst für maßgeblich erklärt. Gleichzeitig vermeidet sie es jedoch, Fehler des Gesetzgebers mitzumachen und das Gesetz bei Änderung der Zeitverhältnisse veralten zu lassen, was zu einer Erstarrung des Rechts führen würde. Damit w i r d sie gleichermaßen den Stabilitätsinteressen wie den Rechtsfortbildungsinteressen gerecht, sie erfüllt also die beiden Grundforderungen des Rechts nach Rechtssicherheit und nach Gerechtigkeit.
Drittes
Kapitel
Die Grenzen der Auslegung Bei dem notwendigen Bemühen u m die Auffindung der Grenzen für die Interpretation sind die Vertreter objektiver Theorien gezwungen, sich auf das formale Element des Gesetzeswortlauts zu stützen. Zulässig ist jede Auslegung, die noch vom Wortlaut gedeckt wird, unzulässig ist eine Deutung, die nicht mehr vom „möglichen Wortsinn" umfaßt wird. 87 Vgl. die Hinweise bei Boehmer, Grundlagen Bd. I I 1, S. 178 f ; ferner Zimmermann, JR 1951,132; N J W 1952, 960; N J W 1953, 486; Reinicke, N J W 1952, 1156 f m i t Hinweis auf BGH-Rspr. ; Oers. N J W 1955, 1666; Coing, Rechtsphilosophie S. 255 ff; Larenz, Methodenlehre S. 319 f; A . M . Keller, K r i t i k , K o r r e k t u r S. 287 ff. 88 Vgl. Reinicke N J W 1952,1155.
3
Eckardt
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. Hauptteil: Die
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Auslegung
Schon früher wurde gezeigt, daß diese Abgrenzung nur ein Notbehelf ist, der die Gesetzesauslegung zu einem Produkt des Zufalls macht 1 . A u f der Grundlage der progressiven Rechtsfindungsmethode ist man nicht gezwungen, sich auf diesen Notbehelf zurückzuziehen. Durch die klare Unterscheidung zwischen dem ursprünglichen subjektiven Gesetzgeberwillen einerseits und dem Ergebnis der Gesetzesvervollkommnung und -anpassung andererseits ist es hier möglich, aus dem Umfang der Abweichung vom Willen des Gesetzgebers ein K r i t e r i u m für die Grenzziehung zu gewinnen. Die Schranken richterlicher Gesetzesinterpretation ergeben sich aus dem Prinzip der Gewaltenteilung 2 und der daraus folgenden Bindung des Richters an das Gesetz. Die Zuteilung der Gesetzgebungskompetenz an das höchste Staatsorgan hat u. a. den Sinn, die grundlegenden Entscheidungen bei der Rechtssetzung i n einer Hand, und zwar i n der Hand der Volksvertretung zu konzentrieren, u m dadurch eine Einheit des Rechts zu garantieren. Bestünde die Rechtssetzung nur i n Erkenntnissen einer vorgegebenen Ordnung, so könnte sie ebensogut den einzelnen Richtern überlassen werden, die so gut wie das Parlament i n der Lage wären, ein Ergebnis aufzufinden, das m i t den Prädikaten richtig oder falsch beurteilt werden könnte. Da Rechtssetzung jedoch großenteils m rechtspolitischen Willensentscheidungen besteht, würde eine Kompetenz jedes einzelnen Richters notwendig zu einer unendlichen Rechtszersplitterung führen. U m dies zu verhindern, hat man diese rechtspolitischen Entscheidungen einem einheitlichen Staatsorgan vorbehalten; da es sich dabei u m fundamentale Wertungen und Zwecksetzungen handelt, wählte man das vom Volk gewählte und i h m verantwortliche Parlament hierfür aus. Der Sinn der Gewaltenteilung besteht — neben anderen Vorteilen — darin, die bei der Rechtssetzung notwendigen Willensentscheidungen, also die Wertungen und Zwecksetzungen zu vereinheitlichen. Der Durchsetzung der Entscheidungen i n der Praxis dient die Bindung der zweiten und dritten Gewalt an das Gesetz. Zur Erreichung dieses Zweckes wäre es an sich ausreichend, wenn das Parlament i m Gesetz nur die von i h m getroffenen Wertungen und die angestrebten Zwecke verkünden würde. U m jedoch das Gesetz klarer, bestimmter und verständlicher zu machen, begnügt man sich damit nicht. Das Gesetz w i r d i n Einzelgebote ausgeformt, die dann i n der Regel zu einer systematischen, Lückenlosigkeit anstrebenden Gesamtkonzeption vereint werden. Hierbei 3 übt der Gesetzgeber nicht mehr freie Willensentscheidungen aus, sondern ist an die Gesetze der Logik, an Erfahrungssätze, 1
Vgl. den Nachweis von Spies D R i Z 1956,168 f f u n d die Hinweise oben A n m . 60. S. 28. 2 Vgl. Spitaler B B 1956, 8. 3 Wie auch schon i n Ausnahmen bei der Zwecksetzung selbst.
3. K a p i t e l : Die Grenzen der Auslegung
35
sowie zum Teil auch an übergeordnete Rechtsgesetze gebunden. Bei diesem zweiten A k t der Gesetzgebung sind darum auch echte Fehler, Anschauungs- und Denkfehler möglich. Es wäre sinnlos, wollte man den Richter auch an diese Fehler binden und es i h m verwehren, sie bei der Rechtsanwendung zu berichtigen. Aus dem Prinzip der Gewaltenteilung folgt daher eine ganz strenge Bindung des Richters an die gesetzlichen Wertungen und Zwecksetzungen. Dagegen ist der Richter nicht i n diesem Umfang an die konkreten Einzelgebote gebunden. Er darf gleichermaßen primäre Lücken dieser Gebote schließen, primäre Anschauungs- und Denkfehler des Gesetzgebers berichtigen, wie er auf der nächsten Stufe der Rechtsfindung nachträglich entstandene (sekundäre) Lücken und Fehler beseitigen darf. Die Bindung des Richters an das Gesetz ist demnach streng genommen nur eine Bindung an die Wertungen und Zweckvorstellungen des Gesetzgebers. Sie sind die Elemente, die den möglichen Interpretationsversuchen eine Schranke setzen. Daß ihnen bei der Auslegung eine besondere Bedeutung zukommt, hat man schon lange erkannt. Man hat deshalb stets der teleologischen Auslegung gegenüber einer bloßen „Wortinterpretation" besonderes Gewicht zugemessen4. Heute werden statt der Zwecke mehr die gesetzgeberischen Wertungen betont, die hinter diesen stehen 5 . Da sie die primäre Willensentscheidung des Gesetzgebers darstellen, ist dies auch richtig. Allerdings werden sich die Wertungen nicht immer so leicht feststellen lassen, wie i m Zivilrecht, wo hauptsächlich auf sie verwiesen wird. Besonders i m öffentlichen Recht lassen sie sich häufig von den Zwecken nicht klar scheiden. Dann genügt es, wenn der Richter die Zwecke ermittelt; er ist an sie i n gleicher Weise gebunden, wie an die eigentlichen zugrundeliegenden Interessenbewertungen. Der Unterschied ist weitgehend nur ein solcher des Ausdrucks. Solange der Richter seine Entscheidungsnorm bei der (primären oder sekundären) Ergänzung und Berichtigung des Gesetzes aus den Zwecken oder Wertungen des Gesetzgebers entnimmt, bewegt er sich innerhalb des positiven Rechts. Seine Erforschung des Gesetzes kann jedoch auch ergeben, daß für seinen zu entscheidenden Einzelfall nicht nur keine konkrete Entscheidungsnorm, sondern auch keine passende gesetzgebe4 Vgl. Engisch, Einführung S. 83; Schreier, Interpretation S. 28 f; Larenz, Methodenlehre S. 239; M. Rümelin schrieb schon 1924: „ D e n letzten u n d obersten Maßstab bilden also die Zwecksetzungen, die auf dem Weg historischer Forschung zu ermitteln sind." (AcP N F Bd. 2, S. 273) 5 Vgl. Westermann, Wesen u n d Grenzen S. 25: „ B i n d u n g des Richters an das Gesetz bedeutet B i n d u n g an die Wertung des Gesetzes"; Coing, Rechtsphilosophie S. 250 f : „Der Richter ist an die Wertungen gebunden, auf denen das Gesetz b e r u h t " ; ebenso Reinicke N J W 1952,1155; N J W 1955,1380; N J W 1955, 1662 ff; M D R 1957,193; Bender JZ 1957,596; Boehmer, Grundlagen Bd. I I 1, S. 188; Germann, Method. Grundfragen S. 114.
3 ·
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. Hauptteil: Die
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Auslegung
rische Wertung besteht. Hier endet das positive Recht. Die Entscheidung muß aus anderen als positivrechtlichen Wertungen gewonnen werden, zunächst aus den allgemein i m Volke herrschenden Wertanschauungen und, wenn auch solche fehlen, aus der subjektiven Überzeugung des Richters. Nur i n diesen Fällen darf der Richter eigene Willensentscheidungen treffen, während er bei der Rechtsfindung secundum legem auf reine Erkenntnistätigkeit beschränkt ist 6 . Ein derartiges Richterrecht ist i n der Praxis gar nicht selten 7 . Die Bindung an das Gesetz verlangt also nicht, daß der Richter seine Entscheidung i m positivistischen Sinne nur aus dem Gesetz entnimmt. Wo das Gesetz spricht, ist der Richter streng daran gebunden 8 , wobei die Bindung „weit über den Gesetzeswortlaut hinaus" reicht 9 . Wo es jedoch schweigt, ist er nicht verpflichtet, durch Auslegungskunstgriffe eine Begründung aus dem Gesetz vorzutäuschen.
6 Vgl. Bachof, V V d S t R L Heft 12 (1954) S. 53 f ; Westermann, Wesen u. Grenzen S. 32. 7 Vgl. dazu Esser, Grundsatz u n d Norm, passim; Less, Wesen u n d Wert des Richterrechts, passim; Esser, Stud.generale 1959 S. 97; Ders. JZ 1953, S. 521 ff; Ders. Stud.generale 1954, 372. 8 Vgl. Bachof, Grundgesetz u n d Richtermacht S. 43; Ders. Festschrift für Hans Huber, S. 46; Radbruch, Einführg. S. 161. 9 Reinicke, JR. 1951,163.
Zweiter
Hauptteil
Die verfassungskonforme Auslegung
I m folgenden Teil der Arbeit soll auf der Grundlage der progressiven Rechtsfindungsmethode untersucht werden, ob und wieweit das Gebot, Gesetze seien „verfassungskonform" auszulegen, auf den verschiedenen Stufen dieser Auslegungsmethode eine Berechtigung hat. Der Untersuchung soll das Prinzip der verfk Ausi i n der Form zugrundegelegt werden, die es i n der Rechtsprechung erhalten hat, also ein Auslegungsgrundsatz allgemeinster A r t , der von jedem Richter i n jedem Verfahren bei der Auslegung jeder Rechtsvorschrift zu beachten ist. Die Berechtigung dieses Grundsatzes kann für die beiden letzten Auslegungsstufen, die Gesetzesvervollkommnung und die Gesetzesanpassung gemeinsam geprüft werden. Der Unterschied zwischen beiden besteht von der verfk Ausi her gesehen darin, daß die Gesetzesvervollkommnung (Behebung ursprünglicher Mängel des Gesetzes) vorwiegend bei nachkonstitutionellem Recht i n Betracht kommt, während die Gesetzesanpassung (Anpassung an die veränderten Zeitumstände) hauptsächlich das vorkonstitutionelle Recht betrifft. Abgesehen von der gerichtlichen Prüfungszuständigkeit unterscheiden sich aber vor- und nachkonstitutionelle Gesetze bei einer Auslegung i m Hinblick auf die Verfassung nicht: I n beiden Fällen genießt die Verfassung den Vorrang, einmal als lex superior und das andere M a l noch zusätzlich als lex posterior. Hingegen besteht, wie sich zeigen wird, ein Unterschied zwischen der Gesetzesergänzung und der Gesetzesberichtigung, die beide sowohl auf der zweiten, als auch auf der dritten Stufe der Auslegung auftreten können. Daraus ergibt sich der Aufbau des folgenden Hauptteils: I n einem ersten Kapitel ist zu prüfen, ob das Prinzip verfk Ausi auf der ersten Auslegungsstufe, der genetischen Sinndeutung, eine zulässige Interpretationshilfe darstellt. I m zweiten Kapitel w i r d die Berechtigung dieses Prinzips bei der Gesetzesergänzung und i m dritten Kapitel bei der Gesetzesberichtigung untersucht.
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
Erstes Kapitel
Die genetische Sinnesermittliing I . D e r Standpunkt der Rechtsprechung und des Schrifttums
Die Verfassungsrechtsprechung steht bei der Gesetzesauslegung auf einem objektivistischen Standpunkt, sie hält nur den „objektivierten Willen des Gesetzgebers" für maßgeblich 1 . Trotz dieser häufig wiederholten Deklamation 2 erforschen die Gerichte immer wieder die Entstehungsgeschichte eines Gesetzes und messen i h r (mit Recht) i n weit größerem Umfang Bedeutung bei, als nur zur Behebung von Zweifeln oder zur Bestätigung der Richtigkeit einer bereits gefundenen Auslegung 3 . Bei dieser Ermittlung des subjektiven Gesetzgeberwillens haben die Gerichte häufig den Grundsatz verfk Ausi als Hilfsmittel benützt. Als Beispiel sei die Entscheidung des BVerfG vom 7. 5. 53 4 genannt. Es ging dort u m die Auslegung von § 1 Abs. 2 des Notaufnahmegesetzes. I m ersten Absatz dieser Vorschrift war bestimmt, daß Sowjetzonenflüchtlinge für den ständigen Aufenthalt i n der Bundesrepublik einer besonderen Erlaubnis bedürfen. Abs. 2 lautete: „Die besondere Erlaubnis darf Personen nicht verweigert werden, die wegen einer drohenden Gefahr für Leib und Leben, für die persönliche Freiheit oder aus sonstigen zwingenden Gründen die i n Absatz 1 genannten Gebiete verlassen mußten." Der Senat zog zur Erforschung des Gesetzgeberwillens zunächst den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte heran. Ersterer sprach wegen der Generalklausel „oder aus sonstigen zwingenden Gründen" dafür, i n Abs. 2 eine erschöpf ende Auf zählung der aufzunehmenden Personen zu sehen. Aus der Entstehungsgeschichte ergab sich jedoch eher das Gegenteil: Der Text war i m Vermittlungsausschuß geändert worden, aus der ursprünglichen Formulierung „die besondere Erlaubnis darf nur erteilt werden" hatte man gemacht „. . . darf nicht verweigert werden". Jetzt stellte der Senat fest, daß die Vorschrift bei der nach dem reinen Wortlaut naheliegenden Auslegung gegen A r t . 11 Abs. 2 GG verstoßen würde, während das bei der zweiten Interpretation nicht der Fall wäre. Dies gab den Ausschlag. Man war der Ansicht, daß i m Rechtsstaat der Gesetzgeber eher eine verfassungsmäßige als eine verfassungswidrige Norm erlassen werde. „Es spricht nicht nur eine Vermutung dafür, 1
Vgl. BVerfGE 1, 299 (312) Vgl. V G H Stuttg. E S V G H 4, 161; O V G Münster OVGE 9, 92; BVerfGE 8, 274 (307); O V G Koblenz A S RhPf 3, 345 (351); O V G Münster, OVGE 8,290 (293); 11,129 (133); 12,81 (85); 13,130 (137,146 f); BayVerwGH, V G H E 815(7); 13 I 71 (72); B F H E 64,127 (131). 3 Vgl. Bachof/Jesch, JÖR N F Bd. 6 (1957) S . 5 9 f f ; Bachof, JZ 1962, 351; Müller, JZ 1962, 471 ff; Bachof, JZ 1956, 272 Anm. 2. 4 BVerfGE 2, 266 = JZ 1953, 459 = N J W 1953, 1057 = DVB1 1953, 501. 2
1. K a p i t e l : Die genetische Sinnesermittlung
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daß ein Gesetz m i t dem GG vereinbar ist, sondern das i n dieser Vermutung zum Ausdruck kommende Prinzip verlangt auch i m Zweifel eine verfassungskonforme Auslegung des Gesetzes." Deshalb entspreche die zweite Deutung dem wahren Willen des Gesetzgebers. Als zweites Beispiel sei auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 23. 12. 1957 hingewiesen 5 , die sich m i t der Auslegung von A r t 75 Bay.GemO befaßt. Dort war bestimmt, daß die Gemeinde „wirtschaftliche Unternehmen" nur subsidiär betreiben dürfe, also nur, wenn die betreffende Aufgabe nicht ebensogut von einem Privatunternehmen erfüllt werden könne. Zweifelhaft war, ob unter den Begriff „wirtschaftliche Unternehmen" auch die öffentlichen Versorgungsbetriebe und die örtlichen Verkehrsunternehmungen fallen. Der Senat kam zu dem Ergebnis (S. 124), es liege zwar an sich nahe, die Worte „wirtschaftliche Unternehmungen" i n einem umfassenden Sinn auszulegen. Es sei aber auch möglich, hierunter nur solche Unternehmen zu verstehen, deren Zweck i n erster Linie darauf gerichtet ist, an dem vom Wettbewerb beherrschten Wirtschaftsleben teilzunehmen und dabei Gewinn zu erzielen. Aus der Entstehungsgeschichte lasse sich keine völlige Klarheit gewinnen, und auch das Schrifttum sei noch zu keiner einheitlichen Meinung gelangt. Die verfassungsrechtliche Prüfung ergab, daß eine weite Auslegung gegen die Art. 11, 83 der BayVerf verstoßen würde, da eine nur subsidiäre Zulassung gemeindlicher Verkehrsund Versorgungsbetriebe den Wesenskern des gemeindlichen Selbstverwaltungsrechts beeinträchtigen würde. Daraus ergab sich für das Gericht die Richtigkeit einer engeren Auslegung und damit die Verfassungsmäßigkeit der Gemeindeordnung. Denn „der Verfassungsgerichtshof hat . . eine Norm nicht als verfassungswidrig und nichtig zu erklären, solange sie noch eine Auslegung zuläßt, i n der sie m i t der Verfassung vereinbar erscheint." I n der Rechtsprechung lassen sich zahlreiche weitere Entscheidungen nachweisen, i n denen der Wille des Gesetzgebers aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und den sonstigen Hilfsmitteln nicht zweifelsfrei zu erkennen war, i n denen aber das Prinzip verfk Ausi half, letzte Zweifel zu beseitigen 6 . I m Schrifttum haben diese Entscheidungen keinen Widerspruch gefunden. Ihnen haben nicht nur die Autoren zugestimmt, die sich i n 5
B a y V G H E N F Bd. 10 I I 113 = B a y V B l 1958,13 ff = DVB1 1958, 216. BVerfGE 3, 383; BVerfGE 7, 45 (50 ff) = A P Nr. 2 zu § 18 BundVersAnst GfAngest. ; BVerfGE 7,120 (126); BVerfGE 7, 267 (272 f); BVerfGE 9, 268 (289); BVerfGE 10, 20 (55); BVerfGE 10, 340 (345 ff, insbes. 351); B V e r w G E 9, 288 (292 f); B A G A P Nr. 1 zu § 18 B u n d Vers AnstGf Angest; S t G H Bremen, JR 1950, 539; B a y V e r f G H V G H E N F Bd. 7 I I 40 (46); BayVerfGH V G H E N F Bd. 5 I I 41 (53); BVerfGE 14, 56 (72 f). 6
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
vollem Umfang m i t der Rechtsprechung zur verfk Ausi identifizieren 7 , sondern auch diejenigen, welche ihr i n anderen Punkten kritisch gegenüberstehen 8 . II. Die Kritik
Diese einhellige Meinung ist begründet. Für den rechtsstaatlichen Gesetzgeber besteht die Pflicht, bei der Rechtssetzung zu prüfen, ob das beabsichtigte Gesetz sich i m Rahmen der von der Verfassung gesetzten Schranken hält. Er darf keine Norm setzen, die gegen die Verfassung verstößt. Daraus läßt sich für alle nachkonstitutionellen Gesetze die Vermutung ableiten, daß sie m i t dem Grundgesetz vereinbar sind 9 (Vermutung von der Weisheit des Gesetzgebers 10). Wenn Haak sich gegen die Annahme einer solchen Vermutung wendet 1 1 , indem er sie als bloße „Mutmaßung", als „Fiktion" bezeichnet, so bedeutet dies, i m Zweifelsfall sei ein verfassungswidriger Wille des Gesetzgebers ebenso naheliegend wie ein verfassungsmäßiger. Dies anzunehmen, hieße aber, dem rechtsstaatlichen Gesetzgeber ein schlechtes Zeugnis ausstellen zu wollen! Auch für vorkonstitutionelle Gesetze besteht eine solche Vermutung 1 2 . Imboden 13 begründet sie m i t der „Hierarchie der Wertsetzung". Das Grundgesetz sei nicht nur der formale Geltungsgrund des tieferstufigen Rechts, sondern auch dessen inhaltliches Grundmaß 1 4 . Diese Begründung fußt auf der sog. Reinen Rechtslehre der Wiener Schule 15 . Diese rein formale Lehre ist jedoch nicht i n der Lage, die Forderung zu begründen, Gesetze seien so auszulegen, daß sie auch inhaltlich der Verfassung entsprechen 16 . Der wirkliche Grund für die genannte Vermutung ist wohl 7 Vgl. Nipperdey i n Neumann - Nipperdey - Scheuner Bd. 2 S. 16 f, S. 24; Ders. i n Enneccerus-Nipperdey § 51 I I 4c; Wintrich Festschrift für Nawiasky S. 209; Ders. Festschrift f ü r Laforet S. 249; v. Wallis i n Hübschmann-HeppSpitaler § 1 StAnpGes A n m . 10; Friauf A Ö R Bd. 85 (1960) S. 229. 8 Vgl. Bachof JZ 1962, 351; Peter Schneider i n : Hundert Jahre deutsches Rechtsleben Bd. 2 S.286; Bender M D R 1959, 441 ff ; Reinicke, N J W 1955,1665; Stern, N J W 1958, 1435; Strickrodt, D B 1959,103; Müller, JZ 1962, 474 f. 9 Vgl. Bender M D R 1959, 446 f ; Reinicke, N J W 1955,1665; Drath, V V D S t R L 9, 92; P.Schneider i n : Hundert Jahre deutsches Rechtsleben Bd. 2, S.286; H. J. Wolff Verw.Recht Bd. 1 S. 109; Strickrodt, D B 1959, 103; Friauf A Ö R 85,230. — A . M . Ule, Verwaltungsprozeßrecht S. 213. 10 Die Vermutung bezieht sich darauf, daß die N o r m v o m Gesetzgeber i n dem verfassungsgemäßen Sinne verstanden wurde, also auf eine reine T a t sache. Daher geht der E i n w a n d von Michel (JuS 1961, 274) fehl, eine Vermut u n g könne sich immer n u r auf Tatsachen, niemals auf Rechtsfragen beziehen. 11 Normenkontrolle S. 203, 269. 12 A. M. Bender M D R 1959, 442; Michel, JuS 1961, 275. 13 Festschrift für Hans Huber S. 138 ff. 14 Ebenso Engisch, Einheit der Rechtsordnung S. 10 f: „Normen höherer Stufe sind nicht n u r Geltungsgrund, sondern auch Motivationsgrund, Bestimmungsgrund der Normen niederer Stufe." Vgl. auch Michel, JuS 1961, 276. 15 Vgl. Kelsen, Reine Rechtslehre S. 90 ff. 16 Vgl. Mertens, JuS 1962, 263.
1. K a p i t e l : Die genetische Sinnesermittlung
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entgegen Imboden 17 der favor-legis-Gedanke 18 . Würde das Gesetz inhaltlich gegen die Verfassung verstoßen, so wäre es ungültig. Die Rechtssicherheit verlangt jedoch, daß es nach Möglichkeit aufrechterhalten w i r d 1 9 . Daher besteht auch für vorkonstitutionelle Gesetze die Vermutung, daß sie verfassungsmäßig sind. Es ist richtig, worauf Bachof 20 hinweist, daß es sich dabei nicht u m eine Vermutung i m Sinne einer Beweislastnorm handelt, denn bei der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes kann man nicht von Beweislast i m eigentlichen Sinn sprechen. Trotzdem enthält die Vermutung auch wieder mehr als eine „hohe Wahrscheinlichkeit", einen bloßen Erfahrungssatz, einen „Beweis des ersten Anscheins". Der Richter darf eine Norm nur dann als ungültig ansehen, wenn er völlig davon überzeugt ist, daß sie verfassungswidrig ist. Er muß also sehr gewichtige Argumente dafür haben, bei bloßem Zweifel ist er nicht dazu berechtigt. Wie Bachof 21 m i t Recht hervorhebt, ist die Vermutung, Gesetze seien m i t der Verfassung vereinbar, noch nicht identisch m i t dem Gebot der verfk Gesetzesausl. Das „dieser Vermutung zugrundeliegende Prinzip" verlangt als solches allein noch keine verfk Gesetzesausl, wie das Bundesverfassungsgericht 22 behauptet. Theoretisch könnte es ebensogut eine Forderung nach „gesetzeskonformer Verfassungsauslegung" begründen 2 3 , auch sie würde eine Übereinstimmung zwischen Gesetz und Verfassung herbeiführen. Diese Folgerung darf man jedoch deshalb nicht ziehen, w e i l sie voraussetzen würde, daß der einfache Gesetzgeber befugt wäre, die Verfassung authentisch auszulegen. Solange er diese Befugnis nicht hat 2 4 , ist der Richter bei der Verfassungsauslegung unabhängig vom Inhalt des einfachen Gesetzes. Ohne diese unabhängige Stellung könnte die Normenkontrolle ihren Zweck als „Kontrolle" des Gesetzgebers nicht erfüllen. Z u dem Gebot, Gesetze seien i m Zweifel verfassungskonform auszulegen, gelangt man nur unter der Annahme, der Gesetzgeber habe die Verfassung i m gleichen Sinne interpretiert wie der Richter. Diese Annahme erscheint i m Rechtsstaat allerdings berechtigt. Zumindest muß der favor-legis-Gedanke daran hindern, daß man dem 17
aaO S. 142 f. Schack, JuS 1961, 270 spricht v o m „konservierenden Prinzip" bei der Auslegung, v. Mangoldt-Klein v o m „Grundsatz der normerhaltenden Verfassungsanwendung" (v. Mangoldt-Klein Einl. IV, 8 S. 11.) 19 Schätzler, N J W 1957,122 weist richtigerweise darauf hin, daß dieser Forderung derselbe Gedanke zugrundeliegt, wie dem Satz, daß auch ein V e r w a l tungsakt i m Zweifel als gültig anzusehen ist. Die A u t o r i t ä t des Staates verlangt zunächst einmal Beachtung des staatlichen Befehls. 20 AÖR Bd. 87,18. 21 JZ 1962, 351. 22 BVerfGE 2, 266 (282). 23 Vgl. hierzu die Entscheidung B V e r w G E 8,98 (103); Bachof/Jesch JÖR 6, 65 f ; Haak, Normenkontrolle S. 191 ff. 24 Vgl. BVerfGE 12, 53. 18
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
Gesetzgeber i m Zweifel unterstellt, er habe die Verfassung anders als der Richter — das heißt aber von dessen Standpunkt aus: unrichtig — ausgelegt 25 . Nach all dem ist das Prinzip der verfk Interpretation auf der ersten Stufe der Rechtsfindung ein legitimer Auslegungsbehelf. Wenn sich nicht zweifelsfrei ermitteln läßt, ob der Gesetzgeber eine Norm i n dem einen oder anderen Sinn verstanden hat, ist der Richter befugt, ja verpflichtet, diejenige Auslegung vorzuziehen, bei der das Gesetz nicht gegen die Verfassung verstößt.
Zweites
Kapitel
Gesetzesergänzung I . D e r Standpunkt der Rechtsprechung u n d des Schrifttums
Die Forschung nach dem Willen des Gesetzgebers kann ergeben, daß dieser Wille sich zwar zweifelsfrei feststellen läßt, daß er aber keine Entscheidung der gerade anstehenden Frage enthält. Entweder, weil die Frage i m Gesetz überhaupt nicht geregelt ist, also eine Lücke i m engeren Sinne besteht, oder weil der Gesetzgeber eine Generalklausel oder einen unbestimmten Begriff verwendet hat, die Entscheidung des Einzelfalles also dem Richter überlassen, sie auf i h n delegiert hat. Von der Rechtsprechung wurde das Gesetz i n beiden Fällen häufig unter dem Gesichtspunkt verfk Auslegung ergänzt. Ein Beispiel bietet die Entscheidung des BVerfG v. 5. 3. 19581, die sich u. a. m i t der Auslegung des § 17 Gesetz zu A r t . 131 GG befaßt. I n § 17 w i r d den Ländern und anderen öffentlich-rechtlichen Dienstherren eine Buße auferlegt, für den Fall, daß sie den Vorschriften der §§ 15 u. 16 G 131 nicht nachkommen. Aus dem Gesetzeswortlaut geht nirgends hervor, ob die Verhängung dieser Buße ein Verschulden des betreffenden Dienstherrn voraussetzt oder nicht. Das BVerfG entnimmt jedoch den allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien, daß die Buße nach § 17 G 131 nur bei schuldhaften Zuwiderhandlungen v e r w i r k t sei. Abschließend stellt der Senat fest: „Geht man von dieser verfassungskonformen Deutung aus, bestehen gegen die Gültigkeit von § 17 G131 keine Bedenken." Ebenfalls mittels verfassungsrechtlicher Erwägungen schloß der Bad. Verwaltungsgerichtshof i n seiner Entscheidung vom 4. 4. 52 2 eine bewußt vom Gesetzgeber offen gelassene Lücke i m Bad.Irrenfürsorge25 Deshalb geht der Hinweis Haaks (S. 196) fehl, n u r zweifelsfreie Verfassungsnormen könnten den Grundsatz der verfk Ausi rechtfertigen. 1 BVerfGE 7, 305 (319). 2 VerwRspr 5,144.
. Kapitel: G e s e t z e s e r g n g
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gesetz. Dieses (vorkonstitutionelle) Gesetz hatte bestimmt, daß die Einweisung i n eine Irrenanstalt durch Verwaltungsakt erfolgte, gegen den seit jeher die Anfechtungsklage statthaft war. U m den Erfordernissen des A r t . 104 Abs. 2 GG nachzukommen, wurde folgender Zusatz ins Gesetz eingefügt: „Statthafterklärung und Unterbringungsanordnung bedürfen richterlicher Bestätigung." Nach der Begründung des Entwurfs sollte die Klärung der Frage, ob „durch die nun ex officio vorzunehmende gerichtliche Entscheidung über die Einweisungsverfügung das Verwaltungsstreitverfahren . . entfällt", der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte überlassen werden. Der Bad.VerwGH kam bei der Prüfung dieser Frage zum Ergebnis, daß es gegen Art. 19 Abs. 2 GG verstieße, wenn man neben der richterlichen Entscheidung noch einen selbständigen Verwaltungsakt aufrechterhalten wollte, w e i l damit eine Aushöhlung des Rechtsschutzes verbunden wäre. Eine verfk Ausi verlange daher, daß dieser selbständige Verwaltungsakt wegfalle 3 . Die Schließung einer Gesetzeslücke i m weiteren Sinne i n Form einer Generalklausel behandelt die Entscheidung des BVerwG v. 28. 6. 19574. Dort wurde festgestellt, daß es gegen Art. 6 GG verstoßen würde, wollte man die Begriffe „soziale Dringlichkeit" und „volkswirtschaftliche Förderungswürdigkeit" i n § 257 L A G so auslegen, daß sie niemals eine getrennte Darlehensgewährung an beide Partner einer Ehe rechtfertigen würden. Dieselbe Methode w i r d i n der Entscheidung des Bad. StGH vom 23. 1. 19505 bei der Auslegung des Begriffs „tunlichst" i n § 34 Abs. 1 BadSchulGes angewandt. Der Kernsatz lautet: „Denn die Anwendung eines Gesetzes i n einer die Verfassung verletzenden Weise kann nie ,tunlich' sein" 6 . 3
Weitere Entscheidungen dieser A r t : BVerfGE 7, 95: Die i n der ZPO nicht geregelte Pflicht, vor dem Erlaß eines Beschlusses den Gegner anzuhören, folgt unmittelbar aus A r t . 103 Abs. 1 GG. Ebenso BVerfGE 8, 253 (255); B V e r w G E 1, 159: Der i m Gesetz nicht bestimmte Anspruch auf Fürsorgeleistung folgt aus dem GG (ebenso B V e r w G E 3,288 (289), ähnl. B V e r w G E 1,321 (326 f) u. B V e r w G E 9, 78 [80]); BayVerfGH, V G H E 5, 19 (28 f) = DÖV 1952, 373 = VerwRspr 4, 789: Die Frage, ob eine Gesetzeslücke durch Analogie- oder U m kehrschluß zu beseitigen ist, w i r d aus verfassungsrechtl. Gesichtspunkten entschieden. Vgl. ferner L S G Bremen, B B 1957, 543; BayVerwGH, V G H E 6 I 17 (19); B a y V e r f G H V G H E 4 I I 150 (167) = VerwRspr 4,261; B a y V e r f G H V G H E 10 I I 101 (110 ff); S t G H BadWürtt, B a W ü V e r w B l 1956, 153 (154) = E S V G H 11 113 = GesBlf. B a W ü 1956,148 = StAnz v. 6.10. 56: Die i m Gesetz nicht enthaltene Begrenzung einer Ermächtigung zur Erhöhung der Vergnügungssteuer w i r d aus der Verfassung entnommen; B V e r w G E 4,191 (193). BVerfG, JZ 1963, 750; BVerfG, JZ 1963, 751; B G H JZ 1964, 31 (33). 4 B V e r w G E 5,148. 5 VerwRspr 2, 385. 6 Vgl. auch die Entscheidungen B G H Z 24, 72 und BVerfGE 7,198 (204 f) = N J W 1958,257 = JZ 1958, 119 = M D R 1958, 146 = D Ö V 1958,153 = DVB1 1958, 425 = GRUR 1958, 254, welche die verfk Ausi bürgerlichrechtlicher Generalklauseln betreffen. Ferner: BVerfGE 6,32 (42 f); BVerfGE 9,223 (229); B V e r w G D Ö V 1961, 24 = JZ 1960, 738 = FarnRZ 1960, 484; Hess VGH, E S V G H 4,131 (133) - VerwRspr 8, 889; O V G Hamburg DVB1 1950, 614 = M D R 1950, 569.
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
I n der Literatur findet sich kein Widerstand gegen die Heranziehung des Prinzips verfk Ausi zur Schließung von Gesetzeslücken i.w.S. Da die verfk Ausi als ein zumindest vorwiegend objektivistisches Interpretationsmittel angesehen w i r d 7 , sieht man sogar häufig diesen objektiven Bereich der Rechtsfindung als die eigentliche Heimat des genannten Prinzips an, w e i l hier besonders augenfällig die oft gehörte Voraussetzung, es müßten mehrere Auslegungen möglich sein 8 , vorliegt 9 . Ausdrücklich bejaht w i r d die Zulässigkeit verfk Ausi bei der Lückenfüllung von Bender 10 und Reinicke 11. I I . Die Kritik
Diese Methode der Schließung von Gesetzeslücken ist nicht zu beanstanden. Ihre Rechtfertigung liegt i n der so oft zur alleinigen Begründung der verfk Ausi herangezogenen Einheit der Rechtsordnung 12 . Der favor-legis-Gedanke spielt bei der Gesetzesergänzung keine Rolle, denn das Bestehen einer bloßen Lücke i m Gesetz führt i n aller Regel nicht zu einer Verfassungswidrigkeit desselben. Daß der favor-legis-Gedanke der verfk Ausi i n diesem lückenausfüllenden Gebiet nicht zugrundeliegt, zeigt sich schon daran, daß hier auch bloße Programmsätze der Verfassung, ja sogar die Präambel zur Gesetzesauslegung herangezogen werden dürfen 1 3 , die ja nie zur Nichtigkeit des Gesetzes hätten führen können. Hier beruht die Auslegung auf dem Prinzip der Einheit der Rechtsordnung. Auch wenn das Gesetz keine konkrete Entscheidungsnorm enthält, sondern eine Lücke i m oben geschilderten Sinn aufweist, ist der Richter nicht völlig frei i n seiner Entscheidung. Er ist vielmehr an die Wertungen des Gesetzgebers gebunden 14 , und zwar, weil das staatliche Rechtssystem eine Einheit darstellt, auch an die ferner liegenden 1 5 , insbesondere an die Wertungen des Grundgesetzes. Nur wenn 7
Vgl. Enneccerus-Nipperdey § 54 Anm. 5; Müller, JZ 1962,4741 Vgl. z. B. Bachof JZ 1962, 351; Friauf AÖR Bd. 85 (1960) S. 229; Heinemann, N J W 1961, 355. 9 Vgl. auch die oben S. 40, Anm. 7 u . 8 angeführten Stellen. 10 M D R 1959, 446. 11 N J W 1955, 1665; vgl. auch Bachof, JZ 1951, 740; Martens, JuS 1962,250; Mertens, JuS 1962,263; Friauf, JuS 1962,425 (Auslegung eines unbestimmten Begriffs). 12 Vgl. BayVerfGH, V G H E 5 I I 19 (29); auch Mertens, JuS 1962, 263 legt das entscheidende Gewicht auf den Gedanken d. Einheit d. Rechtsordnung. Ebenso Haak, Normenkontrolle S. 304: „Die verfassungskonforme Gesetzesauslegung beruht auf der Einheit, d. h. Widerspruchslosigkeit, der Rechtsordnung." Sie „erscheint als ein Ineinandergreifen von Verfassungs- u n d Gesetzesbindung, wobei keine der beiden Bindungen auf Kosten der anderen vernachlässigt w i r d " (aaO S. 112). — I m Gegensatz dazu w i r d hier die Begründung aus der Einheit der Rechtsordnung n u r als eine Seite der verfk A u s i angesehen, die insgesamt einen komplexen, vielschichtigen Begriff darstellt. 13 Vgl. BVerwG, D Ö V 1961, 24 = JZ 1960, 738 = FamRZ 1960, 484. 14 Vgl. oben S. 32: Esser, JZ 1953, 521 ff. 15 Vgl. Reinicke, N J W 1955,1663. 8
. Kapitel: G e s e t z e s e r g n g
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sich auch solche fernliegenden Wertungen nicht auffinden lassen, darf der Richter das Recht völlig frei, extra legem finden. Sind verfassungsrechtliche Wertungen vorhanden, muß er sie bei der Lückenschließung beachten, muß er also das Gesetz „verfassungskonform auslegen." 16 Auch bei der Gesetzesergänzung ist daher das Prinzip verfassungskonformer Interpretation ein zulässiges und gebotenes Hilfsmittel des Richters. Da auch Generalklauseln und unbestimmte Begriffe als Lücken i.w.S. i m Wege der Gesetzesergänzung zu schließen sind, gehört hierher auch die Auslegung bürgerlich-rechtlicher Normen unter Beachtung der i n der Verfassung enthaltenen Wertentscheidungen 17 . Dieses Vorgehen stellt nichts anderes dar, als einen besonderen Anwendungsfall des Prinzips der verfk A u s i 1 8 . Anhangsweise sei noch auf einige Entscheidungen eingegangen, i n denen ebenfalls Gesetzesergänzungen unter dem Titel „verfassungskonforme Auslegung" vorgenommen wurden, die jedoch etwas anders gelagert sind als die bisher angeführten. Das BVerfG hatte sich i n seiner Entscheidung vom 12. 11. 1958 19 m i t § 2 des Preisgesetzes 20 zu befassen, der eine Ermächtigung zum Erlaß von Rechtsverordnungen enthielt, ohne eine ausdrückliche Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung zu treffen. Da A r t . 80 Abs. 1 S. 2 GG eine solche Bestimmung verlangt, bemühte sich das Gericht, dieselbe aus dem Wortlaut der Ermächtigungsnorm, dem Sinnzusammenhang und aus der Entstehungsgeschichte zu ermitteln, was i h m auch angeblich gelang. Aus diesem Grunde, hieß es, sei § 2 PreisG „bei einer verfk Ausi" m i t dem GG vereinbar 2 1 . — Ein ganz ähnliches methodisches Vorgehen, wenn auch auf einem völlig anderen Rechtsgebiet, weist die Entscheidung des BVerwG vom 24. 1. 195722 auf. I n dieser Entscheidung w a r die Gültigkeit von § 2 Abs. 1 Heilpraktikergesetz zu untersuchen, der bestimmte, daß Personen, welche die Heilkunde berufsmäßig noch nicht ausgeübt hatten, „ n u r i n besonders begründeten Ausnahmefällen" als Heilpraktiker zugelassen werden konnten. Die Zulassung war i n das Ermessen der Verwaltung gestellt, was m i t A r t . 12 GG nicht vereinbar war. Nach A r t . 12 GG kann zwar ein Verbot m i t Erlaubnisvorbehalt eingeführt werden, jedoch müssen dann die Zulassungsvoraussetzungen positivrechtlich geregelt und bei 16 Die verfk A u s i ist daher keine frei schöpferische Rechtsfortbildung, sondern Rechtsfindung secundum legem. Ebenso Haak, Normenkontrolle S. 304. 17 Vgl. BVerfGE 7,198 (204) = N J W 1958, 257 = JZ 1958, 119 = M D R 1958, 146 = DÖV 1958, 153 = DVB1 1958, 425 = GRUR 1958, 254; B G H Z 13, 334 (388); B G H Z 24, 72; B G H Z 35, 363. 18 Vgl. hierzu auch Mertens, JuS 1962, 263 f. 19 BVerfGE 8, 274. 20 Ges. v. 10. 4. 1948. 21 Vgl. auch die ähnl. Entsch. BVerfGE 4, 7 (22). 22 B V e r w G E 4, 250 (255 f).
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
deren Vorliegen ein Anspruch auf Zulassung begründet sein. Obwohl dies bei § 2 HPG nicht der Fall war, behandelte i h n das BVerwG als gültig, da bei einer verfk Ausi schon jetzt ein Anspruch auf Zulassung bestehe 23 . Beiden angeführten Entscheidungen ist eines gemeinsam: Das Gesetz enthielt i n beiden Fällen eine Lücke, obwohl nach dem GG keine solche bestehen durfte. Das Grundgesetz schrieb zwar inhaltlich keine bestimmte Regelung vor, es verlangte aber, daß irgend eine positive Norm vorhanden sein müsse, i m ersten Fall über Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung, i m zweiten über die Voraussetzungen der Erteilung bzw Versagung einer Berufszulassung. Ob durch Art. 12 GG bzw Art. 80 GG eine ausdrückliche detaillierte Regelung vorgeschrieben ist oder ob es genügt, daß durch Auslegung irgendwie eine Begrenzung aus dem betreffenden Gesetz entnommen werden kann, betrifft eine Auslegung dieser Verfassungsartikel und gehört nicht i n den Rahmen dieser A r b e i t 2 4 . Ob die angeführten Entscheidungen i m Ergebnis richtig oder falsch sind, mag daher auf sich beruhen. Eines muß jedoch festgestellt werden: U m eine verfk Ausi der einfachen Gesetze handelte es sich hier nicht, der Hinweis der Gerichte auf die verfk Ausi hätte hier unterbleiben müssen. Aus der Verfassung waren keinerlei Gesichtspunkte zur Schließung der Gesetzeslücken zu entnehmen, höchstens die Vorschrift, daß keine Lücke bestehen durfte. Die Gesetze wurden allein aus sich selbst heraus interpretiert, und wie das Ergebnis der Auslegung lautete, war von der Verfassung her gesehen gleichgültig. Die Entscheidungen enthielten i n Wirklichkeit eine gesetzesfreundliche Auslegung der Verfassung, keine verfassungskonforme Gesetzesauslegung.
Drittes
Kapitel
Die Gesetzesberichtigung I n den bisher behandelten Fällen diente die verfk Ausi stets dazu, Zweifel zu beseitigen, die bei der Deutung einer Norm auftraten, weil sich entweder der Wille des Gesetzgebers nicht zuverlässig ermitteln ließ oder w e i l er Lücken enthielt. Bei dieser Verwendung ist die verfk Ausi nur „ein Auslegungsbehelf unter anderen" 1 . Sie kann auftreten, wo immer es darum geht, eine Gesetzesvorschrift zu interpretieren; sie ist weder auf ein förmliches Normenkontrollverfahren beschränkt, noch auf die Fälle, bei denen i n einem anderen Verfahren inzident die Verfassungsgemäßheit einer Norm geprüft wird. I m Folgenden sind die23 24 1
Vgl. die ähnliche Entscheidung B V e r w G E 2, 295 (299). Vgl. zu A r t 80 GG Jesch, Gesetz u n d V e r w a l t u n g S. 215 A n m . 176. Menger, V e r w A r c h 52, 313.
3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung
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jenigen Fälle zu betrachten, i n denen sich der Wille des Gesetzgebers klar ermitteln läßt, und sich dabei zeigt, daß dieser Wille entweder von Anfang an gegen die Verfassung verstoßen hat oder (insbesondere bei vorkonstitutionellen Gesetzen) später verfassungswidrig geworden ist. Hier handelt es sich der Sache nach immer u m Normenkontrolle, ganz gleich, ob sie als Inzidentfrage auftritt oder als Hauptfrage des Prozesses. Wo der Wille des Gesetzgebers verfassungswidrig ist, drängt sich stets die Frage nach der Gültigkeit oder Nichtigkeit der betreffenden Vorschrift auf. Von den Gerichten w i r d häufig die verfk Ausi als ein Prinzip angesehen, m i t dessen Hilfe sich i n solchen Fällen für das Bundesverfassungsgericht eine Nichtigerklärung der Norm, für die übrigen Gerichte, soweit sie nicht selbst zur Nichtigerklärung befugt sind, eine Vorlegung an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG vermeiden läßt. Es soll nun untersucht werden, ob ein solches Vorgehen erlaubt ist, ob also der Grundsatz verfk Ausi auch zu einer echten Gesetzesberichtigung führen kann. I . D e r Standpunkt der Rechtsprechung
I n der Rechtsprechung lassen sich zahlreiche Entscheidungen nachweisen, i n denen ein Gesetz i m Wege verfk Ausi berichtigt wurde, wenn es, i m Sinne seines Urhebers ausgelegt, gegen höherrangiges Recht verstoßen hätte. Vorweg sei auf einige Entscheidungen hingewiesen, i n deren Begründung zwar von einer „verfassungskonformen Auslegung" die Rede ist, die jedoch i n Wirklichkeit nicht auf dieses Auslegungsprinzip gestützt sind. Das Bundessozialgericht mußte sich i n seiner Entscheidung vom 23. 7. 19592 damit befassen, ob ein uneheliches Kind, dessen Vater unbekannt war, beim Tode seiner Mutter Vollwaisenrente beziehen konnte. Die Gewährung dieser Rente setzt nach der RVO die Feststellung voraus, daß beide Eltern des Kindes tot sind. Das Gericht meinte jedoch, aus dem System des Gesetzes und aus der Entstehungsgeschichte ergebe sich, daß der Gesetzgeber den Fall übersehen habe, i n dem der Tod des unehelichen Vaters deshalb nicht nachweisbar ist, w e i l dessen Person unbekannt ist. Aus dem Zweck des Gesetzes, das Vollwaisen besser stellen wolle als Halbwaisen, ergebe sich, daß das uneheliche K i n d hier die Vollwaisenrente erhalten müsse. Dann stellte das Gericht fest 3 , daß eine andere Auslegung der RVO auch m i t A r t . 6 Abs. 5 GG i n Widerspruch stünde und deshalb unzulässig wäre. — Ganz ähnlich liegt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. 10. 19584 zu § 46 Hess.AufbauGes. Nach dieser Vorschrift kann ein Grundstücks2
BSGE 10,189. 3 g 193 4 B V e r w G E 7, 297.
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
eigentümer verpflichtet werden, begonnene Bauten fertigzustellen, um sie für Wohn- oder gewerbliche Zwecke nutzbar zu machen. Das BVerwG war der Ansicht, § 46 Hess.AufbG stelle i m Regelfall wegen der geringen Schwere und Tragweite des Eingriffs eine zulässige Eigentumsbindung dar, es könne aber ausnahmsweise der Fall eintreten, daß das Baugebot zu wirtschaftlich unzumutbaren (und daher verfassungsrechtlich unzulässigen) Belastungen des Grundeigentümers führe, etwa wenn die durch den Ausbau erzielten Mehreinnahmen nicht einmal die Bewirtschaftungskosten des Gebäudes decken würden. Aus dem Grundgedanken der Baupflicht und deren gesetzlicher Ausgestaltung i m hessischen Aufbaugesetz ergebe sich jedoch, daß der Gesetzgeber an diese ungewöhnlichen Fälle nicht gedacht habe und aus diesem Grunde keine Baupflicht bestehe. Schließlich meint das Gericht (S. 300): „Zumindest erfordert der Gedanke der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen eine solche Deutung des § 46 Abs. 1 Nr. 6 des hessischen Aufbaugesetzes." Das Gesetz enthielt i n beiden Fällen 5 eine Vorschrift, die bei subjektiver Deutung gegen das Grundgesetz verstoßen hätte. Da jedoch jedesmal eine Anschauungslücke des Gesetzgebers vorlag, war aus dem Gesetz selbst heraus eine zweckgetreue Gesetzesberichtigung geboten. Das so gefundene Auslegungsergebnis widersprach dann auch nicht mehr der Verfassung. Die Gesetzesberichtigung erfolgte i n beiden Fällen nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, sondern wegen eines nachweisbaren Anschauungsfehlers des Gesetzgebers. Die verfk Ausi fällt hier gleichsam als „Nebenprodukt" einer „normalen" Interpretation an. I m Gegensatz dazu benützte das BVerfG häufig den Grundsatz verfk Ausi selbst zur Berichtigung des gesetzgeberischen Willens. So z. B. i n der Entscheidung vom 8. 6. I960 6 : I n § 9 Abs. 1 PersBefGes war die Erteilung der Genehmigung eines Droschkenunternehmens verboten, wenn das Unternehmen den Interessen des öffentlichen Verkehrs zuwiderlaufen würde. Das BVerfG führte aus, daß eine solche objektive Zulassungsvoraussetzung nach A r t . 12 GG nur erlaubt sei, wenn sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes notwendig wäre. Da an dem Vorhandensein eines funktionierenden Droschkenverkehrs ein Interesse der Allgemeinheit bestehe, sei es prinzipiell möglich, daß die Zulassung eines neuen Unternehmens den Interessen des öffentlichen Verkehrs zuwiderlaufe. Die Notwendigkeit verfk Ausi führe jedoch dazu, daß ein „Zuwiderlaufen" hier nur angenommen werden dürfe, wenn durch die Zulassung eine akute Gefährdung eines wichtigen Gemeinschaftsgutes eintrete, der anders nicht begegnet werden könne. 5 Vgl. auch die gleichgelagerten Entscheidungen BVerfGE 8, 210 = M D R 1959, 20 u n d BVerfGE 11,139 (148 f). 6 DVB1 1960, 596.
3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung
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— Ein weiteres Beispiel für dieses Vorgehen ist die Entscheidung des BVerfG v. 21. 2. 19617, wo das Gericht die §§ 29 Abs. 1 u. 38 L A G auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen hatte. I n § 38 L A G war bestimmt, daß Ehegatten zur Lastenausgleichsabgabe zusammen veranlagt werden, was u. a. dazu führte, daß sie den nach § 29 Abs. 1 L A G gewährten Freibetrag nur einmal erhielten und deshalb eine höhere Abgabe bezahlen mußten als unverheiratete Miteigentümer eines Grundstücks. Diese Benachteiligung war m i t Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren. Das BVerfG kam jedoch zu dem Schluß, nach dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes sei auch eine Auslegung möglich, nach der die Ehegatten bei der Gewährung des Freibetrags nicht als Einheit behandelt würden und daher getrennte Freibeträge erhalten müßten. Da bei dieser Auslegung eine Schlechterstellung gegenüber Unverheirateten entfalle, könne nur sie zulässig und richtig sein 8 . Die Gerichte halten dieses Vorgehen für erlaubt, obwohl sie sich darüber i m Klaren sind, daß eine verfk Ausi ihre Grenzen haben muß, und m i t ihrer Hilfe nicht jedes Gesetz „gerettet" werden kann, das nach den Intentionen seines Urhebers gegen die Verfassung verstößt. U m die Auffindung dieser Grenzen haben sich vor allem das BVerfG u. der BayVerfGH bemüht. Ihre Ergebnisse wurden von den anderen Gerichten weitgehend anerkannt und übernommen. Man steht i n der Rechtsprechung allgemein auf dem Standpunkt, daß sich die Grenzen der verfk Ausi decken mit denjenigen, welche für die richterliche Gesetzesinterpretation generell gelten. Diese Grenzen findet man i n A r t . 20 Abs. 2 GG: Der Gewaltenteilungsgrundsatz schreibt nach Ansicht der Rechtsprechung vor, wie weit mittels einer verfk Ausi ein Gesetz der Verfassung angepaßt werden kann und wann es für nichtig erklärt werden muß. Der BayVerfGH bringt dies i n der Entscheidung vom 28. 7. 19509 folgendermaßen zum Ausdruck: „Eine Gesetzesbestimmung kann nur so, wie sie lautet auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin geprüft werden. Erweist sie sich so, wie sie lautet, als verfassungswidrig, so muß der VerfGH das feststellen . . . Der Verfassungsgerichtshof kann sowenig, wie irgend ein anderes Gericht das könnte, an die Stelle einer solchen gesetzlichen Vorschrift eine inhaltlich andere Vorschrift setzen und diese als verfassungsmäßig erklären. Er würde damit einen Akt der Rechtssetzung vornehmen, der nur dem Gesetzgeber 7
BVerfGE 12,151. Es finden sich zahlreiche weitere Entscheidungen dieser A r t , vgl. BVerfGE 12, 45; BVerfGE 12, 311; BVerfGE 2, 336 = N J W 1953,1097 = JZ 1953, 477; B V e r w G E 7,349 (351); B V e r w G E 6,119 (125); B F H JZ 1951, 596 = B S t B l 1951 111,107; BSGE 12,237 = SGb 1960,270 = V e r w A r c h Bd. 52, 312; W ü r t t . Bad. V G H VerwRspr 6, 598; V G H Stgt. E S V G H 3, 37 = D Ö V 1954, 58 = GieseSchunck-Winkler Nr. 17; O V G Hamburg VerwRspr 3,225; V G F r a n k f u r t / M DVB1 1960, 445 (446). BVerfGE 14, 263 (287 f). 9 VerwRspr 3,146 (151). 8
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Eckardt
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
zukommt. 10" Auch das BVerfG ist der Ansicht, es dürfe nicht „den normativen Gehalt (des Gesetzes) grundlegend neu bestimmen", vielmehr müsse „dem Gesetzgeber die Entscheidung vorbehalten bleiben. 1 1 " Die Rechtsprechung steht also auf dem Standpunkt, daß der Richter bei der Auslegung, insbesondere bei der verfk.Ausl, auf eine bloße Erkenntnis des Gesetzesinhalts beschränkt ist und von einer eigenen Rechtssetzung abzusehen hat. Hiervon macht auch die Entscheidung des BVerfG v. 17. 6. 1953 12 nur scheinbar eine Ausnahme, wo das Gericht ausführt, i m allgemeinen sei es dem Richter verwehrt, eine vom Gesetzgeber unterlassene Regelung nachzuholen, hier sei jedoch vom Boden des geltenden Rechts aus nur noch eine Regelung denkbar, die dem Gleichheitssatz entspreche, sie könne daher i m Wege der Auslegung an die Stelle der bisherigen Auslegung gesetzt werden. Auch hier hat das Gericht den normativen Gehalt des Gesetzes nicht selbst bestimmt, es hat ihn vielmehr dem GG entnommen. Worin besteht nun die vom Gewaltenteilungsprinzip geforderte Bindung nach Ansicht der Rechtsprechung? Da die Gerichte i m Anschluß an das BVerfG grundsätzlich eine objektive Auslegungsmethode vertreten 1 3 , ist nach ihrer Ansicht eine Abweichung vom Willen des Gesetzgebers bei der Interpretation nicht verboten. So meint beispielsweise das BVerfG i n der Entscheidung vom 20. 12 I960 1 4 : „Da bei dieser Interpretation . . ein Widerspruch zu Art. 4 Abs. 3 GG nicht mehr festgestellt werden kann, ist von ihr auszugehen, ohne daß es darauf ankommt, ob dem subjektiven Willen des Gesetzgebers die . . . verfassungswidrige Auslegung eher entsprochen hätte 1 5 ." Auch der BGH, der sonst einen subjektiven Standpunkt bei der Auslegung vertritt, ist bei der verfk Ausi dieser Ansicht 1 6 . Bei nachkonstitutionellen Gesetzen fühlt er sich allerdings mehr an den Willen des Gesetzgebers gebunden 1 7 . Statt auf den historischen Gesetzgeberwillen hebt die Rechtsprechung, der objektiven Theorie folgend, auf den „klaren Wortlaut" des Gesetzes ab. I n i h m findet sie auch die Grenze für eine verfk Ausi 1 8 . I n seiner bekannten Konzession an die subjektive Lehre verweist allerdings das BVerfG außer auf den Wortlaut auch noch auf den 10
Hervorhebungen v o m Verf. BVerfGE 8,71 (77 f); ebenso BVerfGE 9,83 (87) = N J W 1959, 523: Das Gericht darf nidht „den normativen Gehalt der VO selbst erst bestimmen". Vgl. auch BVerfGE 15, 121 (125). 12 BVerfGE 2, 336 = N J W 1953, 1097 = JZ 1953, 477. 13 Vgl. die Hinweise bei Krüger, DVB1 1961, 685. 14 BVerfGE 12,45 (61). 15 Ebenso BVerfGE 2,266 (282); B V e r w G E 7,349 (351); BayVerfGH, V G H E 4 I I 30 (44) = VerwRspr 3, 651; BayVerwGH, V G H E 9 I 29 (36). 16 B G H S t 13,102 (117) = JZ 1960,164 (167). 17 Vgl. B G H N J W 1961,1315. 18 Vgl. BVerfGE 11,77 (83 f); W ü r t t B a d V G H VerwRspr 6,598 (601). 11
3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung
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„klaren Sinn" des Gesetzes, den es u. a. auch aus der Entstehungsgeschichte erforscht 19 , ferner auf den Zweck des Gesetzes und das gesetzgeberische Ziel, das nicht „ i n einem wesentlichen Punkte verfehlt oder verfälscht" werden dürfe 2 0 . Nach dieser Auffassung der Rechtsprechung ist demnach eine verfk Ausi immer dann möglich, wenn sie m i t dem Wortlaut vereinbar ist, das Gesetz dabei sinnvoll bleibt, und die Auslegung nicht dem Zweck des Gesetzes widerspricht oder das gesetzgeberische Ziel i n einem wesentlichen Punkt verfehlt oder verfälscht. Die Auslegung muß allerdings auf einer Rechts-Erkenntnis des Richters beruhen, dieser darf nicht selbst den normativen Gehalt der Vorschrift bestimmen. Ein Widerspruch zum wirklichen Willen des Gesetzgebers steht dagegen einer verfk Ausi nicht i m Wege. I I . D e r Standpunkt des Schrifttums
I n der Literatur ist man sich prinzipiell einig darüber, daß eine verfk Ausi nicht zu einer verdeckten Gesetzesänderung führen darf. I m A n schluß an einige sehr weit gehende Entscheidungen 21 erhoben sich auch immer wieder Stimmen, die vor einer Überdehnung dieses Rechtsinstituts warnten. Stern 22 schreibt: „Die Freiheit zu verfassungskonformer Auslegung berechtigt nicht auch zu verfassungskonformer Rechtsfortbildung." M enger 23 weist darauf hin, „daß der Richter zwar befugt ist, ein Gesetz zu interpretieren, nicht aber, es zu revidieren." Ähnlich betont Peter Schneider 24, es sei „ganz selbstverständlich, daß es dem Gericht verwehrt sein muß, dem Gesetz einen Sinn zu unterschieben, m i t anderen Worten, das Werk des Gesetzgebers zu korrigieren." Eine genauere Angabe, wann die Auslegung zu einer Gesetzesrevision wird, findet man jedoch nur selten. Die wenigen Versuche einer allgemeinen Bestimmung der Grenzen verfk A u s i 2 5 weichen zudem sowohl i m Ergebnis, als auch i n der Begründung teilweise nicht unerheblich voneinander ab. Schon i n der grundsätzlichen Frage, ob sich die Schranken einer verfk Ausi aus der Gewaltenteilung oder aus anderen Rechtsprinzipien ergeben, bestehen unterschiedliche Auffassungen. Der überwiegende 19
Vgl. BVerfGE 2, 380 (405/398). BVerfGE 8, 28 (34) = N J W 1958, 1227 = M D R 1958, 575 = DÖV 1958, 134 = B a y V B l 1958,373 = Giese-Schunck-Winkler Nr. 29; ebenso BayVerwGH, B a y V B l 1959, 224; vgl. ferner BVerfGE 9,194 (200) --= JZ 1960,170 = N J W 1959, 1123; BVerfGE 12, 151 (172); BSGE 11, 209 (211); BayVerfGH, N J W 1959, 1267. 21 Insbesondere BVerfGE 9,194 u n d B G H S t 13,102 = JZ 1960,164. 22 N J W 1958,1435. 23 JZ 1960,169. 24 I n : Hundert Jahre deutsches Rechtsleben Bd. 2 S. 286 f. 25 Vgl. Insbesondere Haak, Normenkontrolle S. 259 ff, ferner Bender, M D R 1959,441; Herzog, B a y V B l 1959,276; Reinicke, N J W 1955,1665; Schack, JuS 1961, 269; Michel, JuS 1961, 274. 20
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
Teil der Literatur steht, der Rechtsprechung folgend, auf dem Standpunkt, der Gewaltenteilungsgrundsatz setze die Grenzen für eine verfk Interpretation 2 6 . Der Richter müsse bei ihr darauf bedacht sein, „die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers nach Möglichkeit zu wahren." 2 7 Auch die neuere Untersuchung von Michel 28 kommt zum Ergebnis, eine übermäßige Ausweitung des Prinzips der verfk Ausi stelle einen „unzulässigen Eingriff i n das gesetzgeberische Ermessen und i n die Kompetenz des Gesetzgebers" dar 2 9 . Demgegenüber w i r d die Ansicht vertreten, für die Schranken der verfk Ausi sei das Prinzip der Gewaltenteilung nicht 3 0 oder nicht allein 3 1 maßgeblich. U m die Gewaltenteilung kümmere sich die Lehre von der Rechtsfortbildung wenig 3 2 . „Der Aspekt der Gewaltenverteilung zwischen gesetzgebender und rechtsprechender Gewalt (trete) zurück" gegenüber der Gefahr der Aushöhlung der Normenkontrollkompetenz des Verfassungsgerichts 33 . Entscheidend sei, daß die verfk Ausi nicht „ i n die Funktion der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes hinübergleitet." 3 4 Ein Gericht dürfe nicht unter dem Vorwand einer verfk Ausi i n Wirklichkeit die Verfassungsmäßigkeit der Norm verneinen 3 5 . Dies sei der Fall, wenn durch die „Auslegung" eine Norm „bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt" werde 3 6 . Eine solche Entscheidung über die Verfassungmäßigkeit stehe (bei nachkonstitutionellen Gesetzen) nur dem Bundesverfassungsgericht zu,
26 Vgl. Menger, JZ 1960, 170: Der Richter würde sich bei einer Überschreit u n g der Grenzen dem V o r w u r f aussetzen, i n die Befugnisse des Gesetzgebers einzugreifen; Heinemann, N J W 1961, 355: Eine zu weitgehende verfk Ausi muß wegen der Gewaltenteilung Besorgnis auslösen; ferner Reinicke, N J W 1955, 1665. 27 Stern, N J W 1958,1435. 28 JuS 1961, 278. 29 Michel ist jedoch insofern inkonsequent, als er den Schutz des gesetzgeberischen Ermessens auf nachkonstitutionelle Gesetze beschränkt, während er bei vorkonstitutionellen Gesetzen eine Revision i m Wege verfk A u s i für zulässig hält. M i t dem gesetzgeberischen Ermessen ist doch das Ermessen desjenigen Gesetzgebers gemeint, der das Gesetz verbessern soll, das ist aber bei vorkonstitutionellen w i e bei nachkonstitutionellen Gesetzen immer der gegenwärtige Gesetzgeber. Die Begründung Michels, dem Gesetzgeber sei es nicht möglich, m i t einem Schlage das gesamte vorkonstitutionelle Recht zu überprüfen u n d zu revidieren, ist nicht stichhaltig: Diese Überprüfung k a n n von den Gerichten ebensogut durch eine Nichtigerklärung w i e durch eine verfk A u s i erfolgen. 30 Schack, JuS 1961, 274. 31 Menger, V e r w A r c h Bd. 52, 313 f. 32 Schack, JuS 1961, 274 A n m . 30. 33 Haak, Normenkontrolle S. 259 f. 34 Schack aaO S. 274. 35 Menger, V e r w A r c h Bd. 52, S. 313 f ; vgl. auch Hennig, SGb 1960, 322. 30 Menger, aaO S. 313.
3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung
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ein anderes Gericht dürfe sie nicht unter dem Deckmantel verfk Ausi vornehmen. Ebenso wie bei den Grundlagen der Grenzziehung bestehen unterschiedliche Meinungen hinsichtlich deren Durchführung i m Einzelnen. Vielfach w i r d i n Anlehnung an die Rechtsprechung die Grenze der Zulässigkeit verfk Ausi dort gesehen, wo das Gesetz nach seinem Wortlaut bzw. seinem Sinn und Zweck eindeutig gegen die Verfassung verstößt 37 . Andere Autoren, die eine subjektive Auslegungstheorie vertreten, heben dagegen auf den historischen Willen des Gesetzgebers ab: Wo er gegen die Verfassung verstoße, sei eine verfk Ausi nicht mehr möglich 3 8 . Eine interessante Zwischenmeinung w i r d von Bender 39 und Michel 40 vertreten. Danach ist der Richter bei nachkonstitutionellen Gesetzen i m Rahmen einer verfk Ausi streng an den Willen des Gesetzgebers gebunden, während er vorkonstitutionelle i m Rahmen des möglichen Wortsinnes verfassungskonform berichtigen darf. A u f diese Ansicht w i r d später noch einmal zurückzukommen sein. I I I . Die Kritik
1. Die Grenzen der verfassungskonformen
Auslegung
Wie lassen sich nun die Grenzen für eine verfk Ausi bestimmen? Bei der Erörterung dieser Frage ist zunächst eines klarzustellen: Wenn ein Widerspruch besteht zwischen einem einfachen Gesetz und einer Verfassungvorschrift, dann gibt es bei keiner Auslegungsmethode einen Zweifel darüber, daß dieser Widerspruch vom Richter i m Wege der Auslegung beseitigt werden muß. Nach keiner Theorie ist der Richter gezwungen, Normwidersprüche hinzunehmen. I m Gegenteil, die Regeln, nach welchen solche Widersprüche aufzulösen sind, gehören zu den ältesten Regeln, die i n der juristischen Hermeneutik herausgearbeitet wurden: lex posterior derogat legi priori, lex specialis derogat legi 37 Vgl. Schack, JuS 1961, 273 f ; Enneccerus-Nipperdey, § 51 I I , 4c; Nipperdey i n Neumann-Nipper dey -Scheuner Bd. 2 S. 24; v. Wallis i n : Hübschmann-HeppSpitaler § 1 S t A n p G A n m . 10; Bogs, SGb 1961, 35; Ders. SGb 1961, 354; Bachof, JZ 1962, 351 (Vergewaltigung von T e x t u n d Sinn). 38 Reinicke, N J W 1955,1665; Stern, N J W 1958,1435; Strickrodt, D B 1959,103; P. Schneider i n : Hundert Jahre deutsches Rechtsleben Bd. 2, S. 287 (Verfk Ausi n u r i m Rahmen des durch die herkömmlichen Auslegungsmethoden zu e r m i t telnden Sinnes); Müller, JZ 1962, 474 f; Menger, V e r w A r c h Bd. 50, 389; Ders. JZ 1960,169 f ; auch Haak macht hier eine Ausnahme von seinem grundsätzlich objektiven Ausgangspunkt bei der Interpretation. Auch f ü r i h n ist der subjektiv-historische Gesetzeszweck die Grenze für eine verfk Ausi (Normenkontrolle S. 264 ff). Er schreibt (aaO S. 269): „Die verfassungskonforme Auslegung ist also objektiv konstruiert, findet aber an dem subjektiv (historisch) eindeutig festgestellten Gesetzesinhalt ihre Grenze " — Insofern deckt sich Haak i m Ergebnis m i t der hier vertretenen Auffassung. 39 M D R 1959, 446 f. 40 JuS 1961, 274 (280 f).
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
generali und endlich: lex superior derogat legi inferiori 4 1 . Kommt also die Auslegung zu dem Ergebnis, daß ein Gesetz der Verfassung widerspricht, dann hat nach diesen Regeln die Verfassung den Vorrang. Das einfache Gesetz muß außer Anwendung bleiben, muß für nichtig erklärt werden. Auch diese Nichtigerklärung ist noch Auslegung i.w.S. 4 2 und widerspricht nicht dem Gewaltenteilungsprinzip. Die hier interessierende Frage ist die, ob sich eine Nichtigerklärung evtl. vermeiden läßt, indem das Gesetz „verfassungskonform ausgelegt" wird. Eine Abgrenzung der verfk Ausi von der einfachen Nichtigerklärung des Gesetzes kann nicht aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung gewonnen werden. Denn dieser Grundsatz, der nur die richterliche Gesetzesauslegung generell begrenzt, sagt nichts darüber aus, wann der Richter ein Gesetz für nichtig erklären muß, und wann er es verfk auslegen darf. Beides ist nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz prinzipiell erlaubt. Die Schranken der verfk Ausi decken sich nicht m i t jenen, die für die Gesetzesinterpretation schlechthin gelten, wie Bogs43 meint. Nicht alles, was nach dem Gewaltenteilungsgrundsatz noch erlaubt ist, ist auch i m Wege verfk Ausi möglich. W i r kommen hier also ebenfalls zu dem Ergebnis, daß für die Grenzen der verfk Ausi nicht der Gewaltenteilungsgrundsatz maßgeblich ist 4 4 . Die Grenze ergibt sich aus A r t . 100 GG/§ 78 BVerfGG: Diese Normen gebieten es, daß i m Rahmen des geltenden Rechts streng zu unterscheiden ist zwischen der Nichtigerklärung eines Gesetzes und einer verfk Ausi desselben. Ein Gesetz, das gegen höherrangiges Recht verstößt, muß nach § 78 BVerfGG vom BVerfG für nichtig erklärt werden. Soweit für die übrigen Gerichte Normenkontrollverfahren vorgesehen sind, gelten für sie entsprechende Vorschriften 45 . Der Feststellung, ob eine Norm gegen übergeordnetes Recht verstößt, muß die Auslegung der Norm (= Tatbestandsermittlung i m Rahmen der Normenkontrolle) und die Auslegung des übergeordneten Rechts (= bei der Normenkontrolle: Ermittlung des anzuwendenden Rechts) vorausgehen. Zur Auslegung der geprüften Norm gehört auch eine eventuelle Berichtigung oder Anpassung derselben an veränderte Umstände, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, also ein Anschauungs- oder Denkfehler
41 Vgl. Somlo, Jur. Grundlehre S. 382 f; Savigny, System S. 264 ff; Engisch, Einführung S. 158 f. 42 Vgl. Heck, Gesetzesauslegung S. 179 f. 43 SGb 1961 35 44 Vgl. Schack, JuS 1961, 269 ff (274); Menger, VerwArch Bd. 52, 313 f; Hennig SGb 1960, 322; Haak, Normenkontrolle S. 259 f. 45 Vgl. § 47 V w G O (Entscheidung über die Gültigkeit); § 50 BadWürtt StGHG; § 54 Abs. 4 BayVerfGHG; § 4 7 V e r f G H G NordrWestf; § 26 VerfGHG RhldPfalz; §43 SaarlVerfGHG.
3. Kapitel: Die Gesetzesberichtigung
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des Gesetzgebers v o r l i e g t 4 6 . Eine besondere A r t von Fehlern des Gesetzgebers darf allerdings nicht berichtigt werden: Der Verstoß gegen höherrangige Rechtsnormen. Denn die Feststellung eines solchen Fehlers gehört i m Normenkontrollverfahren zur Subsumtion, darf also nicht schon bei der Tatbestandsermittlung vorweggenommen werden. Seine Berichtigung ist das Ziel u n d der Zweck der Normenkontrolle. Die A r t der Berichtigung ist positivrechtlich vorgeschrieben: Das betreffende Gesetz ist von dem dafür zuständigen Gericht f ü r nichtig zu erklären. Eine Gesetzesberichtigung i m Wege verfk A u s i ist daher nicht möglich. Das ausdrückliche Gebot, verfassungswidrige 4 7 Gesetze für nichtig zu erklären, gilt allerdings n u r i m Rahmen der speziellen Normenkontrollverfahren. Soweit jeder Richter zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes u n d zur selbständigen Verneinung derselben befugt ist, also insbesondere bei vorkonstitutionellen Gesetzen, fehlt eine ausdrückliche Vorschrift. Es besteht jedoch kein Grund, weshalb hier etwas anderes zu gelten hätte. Vielmehr läßt sich aus den oben angeführten Gesetzesstellen (Anm. 45) das allgemeine Rechtsprinzip ableiten, daß jedes verfassungswidrige Gesetz für nichtig zu erklären ist. Entsprechend dem Verbot, die verfk A u s i zur primären Berichtigung eines Gesetzes zu benutzen, ist es daher auch verboten, eiiie Gesetzesanpassung (sekundäre Gesetzesberichtigung) i m Wege verfk A u s i vorzunehmen. Weder bei vorkonstitutionellen noch bei nachkonstitutionellen Gesetzen ist also eine K o r r e k t u r i n Form einer verfk A u s i erlaubt. I m Gegensatz zu der hier vertretenen Auffassung hält Bender 48 eine Gesetzesanpassung, insbesondere bei vorkonstitutionellen Gesetzen, i m Wege einer verfk A u s i f ü r zulässig, während er eine verfk Ausi, die zu einer Gesetzesberichtigung (nachkonstitutioneller Normen) führen würde, ebenfalls ablehnt. Z u dieser Unterscheidung gelangt er w o h l durch die verschiedene Gerichtszuständigkeit: N u r bei vorkonstitutionellen Gesetzen ist jeder Richter befugt, selbständig deren Verfassungsw i d r i g k e i t festzustellen, bei nachkonstitutionellen Gesetzen besteht ein Verwerfungsmonopol des BVerfG. Da einerseits die verfk A u s i allgemein als ein Prinzip angesehen w i r d , das von jedem Richter bei der Gesetzesdeutung zu berücksichtigen ist, und da andererseits die Verfassungsmäßigkeit n u r bei vorkonstitutionellen Gesetzen von jedem Richter verneint werden darf, ist Bender der Ansicht, bei vorkonsti46 Eine derartige Berichtigung wurde i n den oben S. 47 Anm. 2 und 4, S. 48 Anm. 5 zitierten Entscheidungen vorgenommen, i n denen dadurch eine verfk Ausi als „Nebenprodukt" der Interpretation anfiel. 47 Der Ausdruck dient hier als Kurzbezeichnung für alle Normen, die gegen übergeordnetes Recht verstoßen. 48 MDR 1959, 446 f.
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
tutionellen Gesetzen, aber auch nur bei diesen dürfe die verfk Ausi zu einer Gesetzeskorrektur führen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Bestimmung, wer zur Prüfung einer Norm zuständig ist, noch nichts darüber aussagt, i n welcher Form diese Norm berichtigt werden muß, wenn sie gegen die Verfassung verstößt. N u r hinsichtlich der Zuständigkeit besteht ein Unterschied zwischen vor- und nachkonstitutionellen Gesetzen, dagegen gilt bei der Berichtigung i m Falle eines Verfassungsverstoßes für beide das Gleiche: Sowohl das BVerfG als auch die übrigen Gerichte haben jeweis i m Rahmen ihrer Kompetenz ein Gesetz, das gegen die Verfassung verstößt, für nichtig zu erklären. Eine Gesetzesberichtigung i m Wege verfk Ausi ist i n jedem F a l l unzulässig. N u n sind allerdings die Meinungen darüber, wann eine Gesetzesberichtigung vorliegt, verschieden. Die einen sehen eine solche nur dann als gegeben an, wenn vom klaren Wortlaut und Zweck des Gesetzes, also vom „objektiven Gesetzessinn" abgewichen w i r d 4 9 . Die anderen betrachten es schon dann als Gesetzesberichtigung, wenn vom historischen, subjektiven W i l l e n des Gesetzgebers abgewichen w i r d 5 0 . V o m Standpunkt der hier vertretenen progressiven Rechtsfindungsmethode ist eine Gesetzesberichtigung (bzw. Gesetzesanpassung) dann gegeben, wenn vom historisch festgestellten W i l l e n des Gesetzgebers abgewichen w i r d . — Aber nicht nur aus dieser Rechtsfindungsmethode heraus gelangt man zum subjektiven Gesetzgeberwillen als Grenze für eine verfk Ausi. Zumindest für nachkonstitutionelles Recht ergibt sich dies auch aus dem Zweck des A r t . 100 GG und der Monopolisierung des richterlichen Prüfungsrechts beim BVerfG. Diese Konzentration hat nämlich nicht n u r den Zweck, einer Rechtszersplitterung entgegenzuwirken, sondern dient auch und vor allem dazu, die Würde des Gesetzgebers zu schützen. Sie w i l l verhindern, „daß jedes einzelne Gericht sich über den W i l l e n des Bundes- oder Landesgesetzgebers hinwegsetze, indem es die von i h m beschlossenen Gesetze nicht anwendet." 5 1 Das GG selbst sieht also den W i l l e n des Gesetzgebers mindestens als so bedeutsam an, daß sich ein einfaches Gericht nicht über i h n hinwegsetzen darf. Nicht die Würde des Gesetzes, sondern des Gesetzgebers soll geschützt werden. Daraus ergibt sich, daß auch i m Wege einer verfk A u s i (die ja jedem Gericht erlaubt ist) nicht vom Willen des Gesetzgebers abgewichen werden darf. Die Gesetzesberichtigung beginnt also dort, wo vom historischen W i l l e n des Gesetzgebers abgewichen w i r d . F ü r vorkonstitutionelle Gesetze gilt zwar das Argument aus A r t . 100 GG nicht, indessen besteht kein Grund, weshalb man bei ihnen 49 Vgl. Larenz, Methodenlehre S. 243 f und die oben S. 53 Anm. 37 angeführten Stellen. 50 Vgl. oben S. 53 A n m . 38. 51 BVerfGE 1,197; BVerfGE 2,124 (129 f), Hervorhebung v o m Gericht.
3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung
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den Begriff Gesetzesberichtigung (bzw. Gesetzesanpassung) anders verstehen sollte, als bei nachkonstitutionellen Gesetzen, zumal diese Begriffsbestimmung auch durch die hier zugrundegelegte Rechtsfindungsmethode geboten ist. 2. Ist verfk
Ausi ein Ersatz für eine Τ eilnichtig erklärung?
Betrachtet man unter diesem Gesichtspunkt die beiden oben Seite 48 Anm. β und Seite 49 Anm. 7 berichteten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, so zeigt sich, daß das Gericht dort, wie auch i n den übrigen oben Seite 49 Anm. 8 zitierten Entscheidungen die Grenzen zulässiger verfk Ausi überschritten hat. Der Wille des Gesetzgebers war dort einwandfrei zu ermitteln, und es stand fest, daß er gegen das Grundgesetz verstieß. Das BVerfG hat das Gesetz i n beiden Fällen nur aus der Erwägung berichtigt, daß eine Auslegung i m ursprünglichen Sinne zu einer Nichtigkeit hätte führen müssen. Es hat also die verfk Ausi zu einer echten Gesetzesberichtigung verwendet, was nach dem oben Gesagten unzulässig ist. Das bedeutet jedoch nicht, daß die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts i m Ergebnis falsch seien. Das Bundesverfassungsgericht ist nicht nur zur verfk Ausi, sondern auch zur Nichtigerklärung eines Gesetzes befugt. I n der Literatur wurde schon vorgeschlagen, ein Gesetz teilweise für nichtig zu erklären, wenn es i m Wege verfk Ausi nicht i n vollem Umfang aufrechterhalten werden könne 5 2 . Ja es wurde schon die Vermutung geäußert, eine einschränkende Auslegung aus verfassungsrechtlichen Gründen, die als solche für zulässig gehalten wurde 5 3 , stelle i n W i r k lichkeit eine partielle Nichtigerklärung dar 5 4 . Eine solche Vermutung ist naheliegend, wenn das Bundesverfassungsgericht davon spricht, es habe bei seiner Auslegung von der Absicht des Gesetzgebers „das Maximum des Zulässigen" aufrecht erhalten 5 5 . Vergleicht man die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts m i t älteren Gerichtsentscheidungen, i n denen ein Gesetz teilweise für nichtig erklärt wurde, so findet man i n der Tat diese Vermutung bestätigt. Die Kongruenz der Methode ist deutlich erkennbar: Das Kammergericht hatte sich i n einer Entscheidung vom 24. 9. 1900 56 mit der Gültigkeit des § 13 der damaligen „Casseler Regierungs-Polizeiverordnung" zu befassen, der bestimmte: „Die Ausübung der Jagd an Sonn- und Feiertagen ist verboten." Das Kammergericht war der Ansicht, daß das generelle Verbot 52
Strickrodt, D B 1959, 104. Wintrich, Festschrift f ü r Laforet S. 243. Bachof, D V B l 1951, 15; Boehmer, Grundlagen Bd. I I 1, S. 185; Hennig, SGb 1961, 354; auch bei Menger, Verw.Arch 52, 313 f k l i n g t dieser Gedanke an. 55 BVerfGE 8, 28 (34). 56 K G - J a h r b . Bd. 20 C 116. 53
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
der Jagd nicht mehr durch die der Regierung erteilte Ermächtigung zum Erlaß von Polizeiverordnungen gedeckt sei. Die Regierung hätte durch Verordnung die Jagd nur insoweit verbieten dürfen, als durch sie die äußere Heilighaltung des Sonntags gefährdet sei. Durch Interpretation könne die VO nicht 57 auf diesen Umfang eingeschränkt werden, w e i l bei der bestimmten Fassung des § 13 anerkannt werden müsse, daß es sich nicht nur u m einen Fehler i m Ausdruck, sondern um einen fehlerhaften Gedanken gehandelt habe. Dagegen brauche die Vorschrift auch nicht i n vollem Umfang für nichtig erklärt zu werden. Sie könne vielmehr insofern aufrechterhalten werden, als sie eine die äußere Heilighaltung des Sonntags verletzende Jagd verbiete 5 8 . — Ganz entsprechend ist die Methode, die das Reichsgericht i n seiner Entscheidung vom 10. 7. 1931 59 angewandt hat. I n Frage stand hier der § 33 des oldenburgischen Besoldungsgesetzes, der dem künftigen Gesetzgeber die Befugnis gab, durch einfaches Landesgesetz eine Änderung der gewährten Beamtenbezüge vorzunehmen. Das Gericht führte aus, insofern, als § 33 eine Herabsetzung der Bezüge in unbeschränktem Maße zulasse, sei er nicht m i t A r t . 129 W V vereinbar, der dem Beamten ein gewisses M i n i m u m an Bezügen garantiere. Deshalb sei jedoch § 33 nicht i n vollem Umfang nichtig. Soweit er sich i n den m i t der Verfassung vereinbaren Grenzen halte, sei er gültig, trotz der Schwierigkeiten der Grenzziehung 6 0 . Die zitierten Entscheidungen zeigen i n der Sache eine auffallende Ähnlichkeit m i t den Entscheidungen des BVerfG, i n denen dieses eine Gesetzesberichtigung i m Wege verfk Ausi vornahm. Es besteht kein Zweifel, daß das Vorgehen dieser älteren Urteile heute mit dem Prinzip verfk Ausi bzw. gesetzeskonformer Auslegung begründet worden wäre. Dies ist auch die Erklärung dafür, weshalb sich aus der Zeit vor 1945 keine Entscheidung finden läßt, i n der ausdrücklich darauf hingewiesen wird, Gesetze seien verfassungskonform oder Verordnungen seien gesetzeskonform auszulegen. Soweit es sich u m einfache subjektive Auslegung oder um eine Gesetzesergänzung handelte, sprach man damals nur von systematischer Auslegung. Wo eine Gesetzesberichtigung vorgenommen wurde, geschah dies i n Form einer teilweisen Nichtigerklärung des Gesetzes, insofern, als es gegen übergeordnetes Recht verstieß.
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Hervorhebung v o m Verf. Das K G ist i n seiner späteren Entscheidung K G - J a h r b . Bd. 28 C 24 von dieser Auffassung abgewichen. Das ist jedoch für das methodische Vorgehen, welches hier gezeigt werden soll, ohne Bedeutung. 59 DJZ 1931, 1560. 60 Weitere Beispiele für eine solche Teilnichtigerklärung: PreußOVG, P r V e r w B l Bd. 33, 702; P r V e r w B l Bd. 25, 131; RG J W 1908, 83 Nr. 20; B G H Z 16, 192 = VerwRspr 8, 43 = N J W 1955, 710. 58
3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung
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Dieses Vorgehen war klarer als das heutige und traf das Wesen der Gesetzesberichtigung genauer als der Hinweis auf eine verfk Ausi. Auch das BVerfG übte bei seinen erwähnten Entscheidungen eine Teilnichtigerklärung unter der Bezeichnung verfk Ausi aus. I n der Entscheidung vom 8. 6. I960 6 1 erklärte es i n Wirklichkeit den § 9 Abs. 1 PersBefGes insoweit für nichtig, als er die Verweigerung der Zulassung über den nach Art. 12 GG erlaubten Umfang hinaus vorschrieb. Ebenso war es i n der Entscheidung vom 21. 2. 196162. Das Gericht sah den § 38 L A G insofern als gültig an, als die Zusammenveranlagung der Ehegatten nur einer verwaltungstechnischen Erleichterung diente. Es betrachtete ihn jedoch i n dem Umfang als nichtig, i n dem er auch die Gewährung nur eines einfachen Freibetrages zur Folge hatte und daher die Verheirateten benachteiligte. Bei der ersteren Entscheidung wurde die Norm auf der Tatbestandsseite teilweise für nichtig erklärt, während i m letzteren Fall die Rechtsfolgenseite des § 38 L A G teilweise nichtig war. Es sind nicht nur diese beiden Entscheidungen des BVerfG, i n denen sich eine derartige Methode feststellen läßt. Man findet zahlreiche weitere Fälle, i n denen — auch von anderen Gerichten — unter der Bezeichnung verfk Ausi ein Gesetz teilweise für nichtig erklärt wurde. Einen solchen Fall stellt z. B. die Entscheidung des BVerwG vom 17. 1. 19 5 8 6 3 dar, i n der die Gültigkeit einer alten Preisauszeichnungsverordnung überprüft wurde. § 1 dieser VO schrieb eine Preisauszeichnungspflicht für alle Waren vor. Nach § 11 konnte der Reichskommissar für Preisbildung 6 4 Ausnahmen bewilligen. § 11 war ursprünglich als Ermächtigung sowohl zur Erteilung von Einzelausnahmen, als auch zum Erlaß von Verordnungen gedacht. Diese letztere Ermächtigung ist mit Art. 80 GG nicht vereinbar. Das BVerwG war jedoch der Ansicht, § 11 könne als Ermächtigung für Einzelausnahmen aufrechterhalten werden, nach der Entscheidung des BVerfG i n Bd. 2, S. 266 sei ein Gesetz nicht verfassungswidrig, wenn es eine m i t der Verfassung vereinbare Auslegung zulasse. Statt des Hinweises auf die verfk Ausi hätte das Gericht bekennen sollen, daß es die Verordnung insoweit für ungültig betrachtete, als sie zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigte. Auch die Entscheidung des BVerfG vom 17. 6. 195365 stellt ein Beispiel dieser Reihe dar, obwohl hier dem ersten Anschein nach das Gesetz ausdehnend interpretiert wurde, also scheinbar das Gegenteil einer Teilnichtigerklärung vorliegt. I m Klageerzwingungsverfahren bestand nach der 61 62 63 64 65
DVB1 1960, 596; vgl. oben S. 48. BVerfGE 12, 151; vgl. oben S. 49. B V e r w G E 6, 119. Später die Preisbildungsstellen. BVerfGE 2, 336 = N J W 1953, 1097 - JZ 1953, 477.
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
StPO Anwaltszwang, ohne daß die Bewilligung des Armenrechts und die Beiordnung eines Armenanwalts vorgesehen war. Da an anderen Stellen der StPO ausdrücklich das Armenrecht vorgesehen war, konnte man aus dem Schweigen des Gesetzgebers per argumentum e contrario schließen, daß i m Klageerzwingungsverfahren der Gesetzgeber kein Armenrecht gewähren wollte. Das BVerfG stellte jedoch fest, daß die Verweigerung des Armenrechts gegen Art. 3 GG verstoße. Es sei allerdings möglich, i m Wege verfk Ausi die Unterlassung des Gesetzgebers nachzuholen. I n Wirklichkeit wurde hier die negative Entscheidung des Gesetzgebers für nichtig erklärt, die i n dem Schweigen zur Frage des Armenrechts lag. Eine verfassungswidrige Anordnung kann nämlich nicht nur i n einem ausdrücklichen Gesetzeswort enthalten sein, sondern ebensogut i m Schweigen des Gesetzes, wenn dieses Schweigen nach dem Willen des Gesetzgebers einen Umkehrschluß begründen sollte. Formell w i r d i n diesen Fällen der Gesetzesinhalt erweitert, materiell liegt jedoch eine Beschränkung des Gesetzes vor. Ein klassisches Beispiel dafür ist das früher bei der Zulassung der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage übliche Enumerationsprinzip, das die stillschweigende Anordnung enthielt, i n den nicht zugelassenen Fällen sollte keine Klage statthaft sein. Die berühmte Entscheidung des B F H hierzu 6 6 stellt daher ebenfalls ein Beispiel für eine Teilnichtigerklärung dar 6 7 . I n diesen Entscheidungen wurde der Sache nach stets das Gesetz wegen Widerspruchs zur Verfassung teilweise für nichtig erklärt 6 8 . Wollte man dieses Vorgehen noch als verfk Ausi bezeichnen, wie es die Gerichte unter Führung des Bundesverfassungsgerichts tun, so wäre dies nur dann richtig, wenn man die verfk Ausi als einen Oberbegriff verstünde, der sowohl die Auslegung i m engeren Sinne, als auch die Nichtigerklärung des Gesetzes umfaßte. Eine solche Begriffsbestimmung erscheint aber wenig sinnvoll, da man doch eben die verfk Ausi i n Gegensatz setzen w i l l zur Nichtigerklärung eines Gesetzes. Eine klare Grenzlinie kann man m. E. nur gewinnen, wenn man unterscheidet zwischen verfk Ausi einerseits, die allen Gerichten zusteht, aber nur i m Bereich der ersten Rechtsfindungsstufe und bei der Gesetzesergänzung zulässig ist, und zwischen einer teilweisen oder völligen Nichtig66
Entscheidung v o m 17. 4. 51, JZ 1951, 596 = B S t B l 1951 I I I , 107. Weitere Beispiele für Teilnichtigerklärung: OVG Hamburg, VerwRspr 3, 225; V G H Stuttgart, E S V G H 3, 37 ff (40) = DÖV 1954, 58 = VerwRspr 6, 598. = Giese-Schunck-Winkler Nr. 17. 68 Auch heute finden sich noch Entscheidungen, die auf eine A n f ü h r u n g des Prinzips verfk A u s i verzichten und statt dessen nur von einer teilweisen Nichtigerklärung des Gesetzes sprechen. Vgl. z. B. Nieders. S t G H Entsch. O V G Münster u. Lüneburg Bd. 12, 470, wo die Versuchung einer verfk A u s i nahegelegen hätte. 67
3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung
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erklärung andererseits, die nur dem Gericht zusteht, das i m Einzelfall zur Ausübung des richterlichen Prüfungsrechts befugt ist 6 9 . 3. Die Beweggründe der Rechtsprechung Fragt man sich nach den Gründen für das dogmatisch bedenkliche Vorgehen der Rechtsprechung, insbesondere des Bundesverfassungsgerichts, so zeigt sich, daß diese offenbar politischer Natur sind. Die Überbeanspruchung des Prinzips der verfk Ausi beruht sicherlich nicht auf einer Verkennung des grundsätzlichen Unterschieds zwischen dieser Auslegungsmethode und einer teilweisen Ungültigkeitserklärung verfassungswidriger Vorschriften. Wie sich aus Äußerungen von Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts entnehmen läßt, ist man sich dort dieses Unterschieds sehr w o h l bewußt 7 0 . Daß er dennoch i m konkreten Fall häufig nicht beachtet wird, hat andere Gründe: Die verstärkte Stellung, die das Grundgesetz der Verfassungsgerichtsbarkeit eingeräumt hat, brachte die Gefahr m i t sich, sie werde zu einer Politik i n justizförmiger Gestalt, zu einer „Politisierung der Justiz" bzw. einer „Juridifizierung der Politik" führen. Es war fast unumgänglich, daß diese Stellung des Bundesverfassungsgerichts zu heftigen Angriffen der politischen Instanzen führte 7 1 . Heute w i r d i m allgemeinen anerkannt, daß das Bundesverfassungsgericht i n seiner bisherigen Tätigkeit der Gefahr eines Ubergriffs i n politische Bereiche nicht erlegen ist 7 2 . Dies war jedoch nur möglich, w e i l das Gericht ständig bemüht war und noch weiter bemüht ist, sich eine weitgehende Selbstbeschränkung aufzuerlegen, Zurückhaltung zu üben und die Entscheidungen der politischen Organe nach Möglichkeit anzuerkennen 73 . Z u diesem „ self-restraint" des Gerichts gehört, wie von Verfassungsrichtern bestätigt w i r d 7 4 , auch das Bestreben, Gesetze verfassungskonform auszulegen und dadurch ihre Nichtigerklärung zu vermeiden. Dabei ist dann das Bundesverfassungsgericht manchmal soweit gegangen, daß es auch eine notwendige teilweise Ungültigerklärung noch als verfk Ausi bezeichnete, nur um das schockierende Wort „Nichtigerklärung" zu vermeiden. Interessant 69 Auch hierin stimmt das Ergebnis m i t der von Haak (Normenkontrolle S. 295 ff) vertretenen Auffassung überein. Auch Haak unterscheidet k l a r z w i schen der verfk A u s i einerseits u n d der teilweisen Nichterklärung andererseits. 70 Vgl. z. B. Friesenhahn, Die Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Bundesrepublik Deutschland S. 60, der selbst erklärt, das BVerfG gehe bei der verfk A u s i vielfach „bis an die äußersten Grenzen des Möglichen, so daß sich manchm a l die Frage (erhebe), ob nicht eine Teilnichtigerklärung die richtigere Lösung gewesen wäre". 71 Vgl. die Hinweise bei Roellecke, P o l i t i k u n d Verfassungsgerichtsbarkeit S. 19 A n m . 3 u. 4. 72 Vgl. Maunz, Deutsches Staatsrecht 12. AufL S. 242. 73 Vgl. Friesenhahn i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 860. 74 Vgl. Friesenhahn aaO S. 860; Heck i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 873 f.; vgl. auch Hans Heinrich Rupp, JuS 1963, 473.
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
ist, daß auch der amerikanische Supreme Court, der sich i n einer ähnlichen Lage wie das Bundesverfassungsgericht sieht, es bevorzugt, „als sozial wünschenswert angesehene Resultate lieber auf dem Weg der verfassungskonformen Auslegung als über den steinigen Pfad der Verfassungswidrigkeitserklärung zu erreichen." 75 Wenn die Gerichte aber den Begriff der verfk Ausi i n einem solchen weiten, die Teilnichtigerklärung m i t umfassenden Sinne verwenden, dann müssen sie sich darüber i m Klaren sein, daß dies nur eine Frage der Bezeichnung sein kann und daß gegebenenfalls der Sache nach trotzdem eine teilweise Aufhebung des Gesetzes vorliegt. Solange dabei dem betreffenden Gericht auch die Kompetenz zur Nichtigerklärung des Gesetzes zusteht, handelt es sich um nichts weiter, als u m einen dogmatischen „Schönheitsfehler". Wenn das jedoch nicht der Fall ist, z.B. w e i l ein Verwerfungsmonopol des Bundes- oder Landesverfassungsgerichts besteht, dann w i r d aus der falschen Bezeichnung ein sachlicher Fehler, nämlich ein Eingriff i n die Zuständigkeit des Verfassungsgerichts 76 . 4. Die Grenzen einer Τ eilnichtig erklärung Nicht i n jedem Fall, i n dem eine Norm gegen das GG verstößt, besteht die Möglichkeit einer teilweisen Ungültigerklärung. Auch der Teilnichtigerklärung sind Grenzen gesetzt, auf die hier wegen des engen Zusammenhangs m i t dem Thema der verfk Ausi kurz eingegangen werden soll. Erste Voraussetzung für die Möglichkeit, eine einzelne Norm inhaltlich i n einen gültigen und einen ungültigen Teil aufzuspalten 1 , ist, daß sie nicht i n vollem Umfang gegen die Verfassung verstößt. Das Bundesverfassungsgericht drückt dies meist so aus, eine einschränkende (verfk) Interpretation — womit es i n diesem Zusammenhang, wie oben gezeigt, eine Teilnichtigerklärung meint — sei nicht möglich, wenn Wortlaut und Sinn des Gesetzes „eindeutig" seien2. Ist die Norm nur zum Teil verfassungswidrig, so gilt nach bewährter Lehre 3 der Grundsatz des § 139BGB, allerdings i m umgekehrten Sinn: Während i m bürgerlichen Recht für ein Rechtsgeschäft die Vermutung der völligen Nichtigkeit gilt, ist ein Gesetz i m Zweifel als gültig anzusehen, wenn nicht anzunehmen ist, der Gesetzgeber hätte es nicht ohne den nichtigen Teil erlassen. „Denn wer das Ganze w i l l , w i l l wahrschein75 Kirchheimer, JöR N F Bd. 11 S. 99; Ders. i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 862. 76 Vgl. die Entscheidungen unten A n m . 12,15 u. 16. 1 Vgl. Eckfelder, Das fehlerhafte Gesetz S. 125. 2 Vgl. BVerfGE 2, 380 (405); BVerfGE 4, 331 (351); BVerfGE 11, 77 (83 f) ebenso BSGE 11, 209 (211). 3 Vgl. W. Jellinek, Verw.Recht S. 258 f; Brandis, DJZ 1931, 1543; Eckfelder, Das fehlerhafte Gesetz S. 123; H. J. Wolff , Verw.Recht Bd. 1 § 28 I, 7c; Müller, DVB1 1964, 104 (105).
3. K a p i t e l : Die Gesetzesberichtigung
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lieh lieber einen Teil des Ganzen, als gar nichts" 4 . Die ganze oder teilweise Nichtigerklärung ist Auslegung i m weiteren Sinne. Der Richter ist daher an die allgemeinen Grenzen der Auslegung gebunden, wie sie durch den Gewaltenteilungsgrundsatz vorgeschrieben sind. Er muß die gesetzgeberischen Wertungen und Zwecksetzungen beachten, soweit sie nicht i m Widerspruch zum Grundgesetz stehen 5 . Der gültige Rest des Gesetzes muß noch einen vernünftigen Sinn haben, doch muß dieser Sinn den Intentionen des Gesetzgebers entsprechen, es genügt nicht, daß das Gesetz noch unter irgend einem Gesichtspunkt „sinnvoll bleibt". Das gesetzgeberische Ziel darf nicht verfehlt oder verfälscht werden 6 . Es ist dem Richter verwehrt, eigene Willensentscheidungen zu treffen, eigene Zwecke aufzustellen. Denn solche Entscheidungen stehen i h m nur bei der Rechtsfindung praeter legem zu, während er bei der teilweisen Nichtigerklärung, wie bei der verfk Ausi, wo es nur darum geht, ein Gesetz am Maßstab der geschriebenen Verfassung zu messen, den Bereich des positiven Rechts nicht verläßt. Eine teilweise Ungültigerklärung ist ferner nicht erlaubt, wenn durch sie die Gesamtkonzeption des Gesetzes verändert würde 7 , das Gesetz durch sie einen neuen, völlig anderen Sinn bekäme 8 . Weiter ist eine nur teilweise Vernichtung eines Gesetzes nicht möglich, wenn der gültige Teil sich nicht klar vom ungültigen abgrenzen läßt, weil beide eine untrennbare Einheit darstellen 9 . I n diesen Fällen müßte der Richter „den normativen Gehalt der Norm grundlegend neu bestimmen", was i h m bei der Auslegung verwehrt ist 1 0 . Eine wichtige Grenze ergibt sich endlich noch aus Art. 100 GG: Ein Gericht darf eine Norm nur dann teilweise vernichten, wenn i h m auch die Kompetenz zusteht, das betreffende Gesetz völlig für nichtig zu erklären. Wo also ein negatives Entscheidungsmonopol des Bundesverfassungsgerichts besteht, darf ein anderes Gericht ein Gesetz auch nicht teilweise für ungültig erklären, und zwar auch dann nicht, wenn es die Entscheidung als eine verfk Gesetzesausl bezeichnet. Das Bundesverfassungsgericht, wie auch die übrigen Gerichte haben diese oben umschriebenen Grenzen i n der weitaus größten Zahl aller Entscheidungen, auch jener, die m i t der Begründung verfk Ausi arbeiten, eingehalten. Die Entscheidungen sind daher i m Ergebnis nicht 4
W. Jellinek, Gesetz, Gesetzesanwendung S. 216. Vgl. BVerfGE 8, 28 (34); BayVerfGH, N J W 1959,1267. BVerfGE 8, 28 (34); ebenso Haak, Normenkontrolle S. 303. 7 Vgl. Brandis, D J Z 1931,1543; ferner BVerfGE 1,264 (272); BVerfG, JZ 1959, 355 (Leits. 3). 8 Das ist m. E. bei den Entscheidungen BVerfGE 9, 194 u n d BGHSt 13, 102 = JZ 1960, 164 der Fall. 9 BVerfG, JZ 1959, 355 (Leits. 3). 10 Vgl. BVerfGE 8, 71 (77 f); BVerfGE 9, 83 (87) = N J W 1959, 523; W ü r t t B a d V G H VerwRspr 4, 440 (447); BayVerfGH, VerwRspr 3, 146 (151); O V G Lünebg Entsch. O V G Münster u. Lünebg 9, 378 (388). 5 6
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unrichtig. Unrichtig ist nur die Behauptung, es handle sich i n diesen Fällen noch u m eine verfk Ausi, wo i n Wahrheit das Gesetz teilweise für verfassungswidrig erklärt wurde. Dieser Fehler hat allerdings nicht nur theoretische Bedeutung. Er hat dazu geführt, daß aridere Gerichte, denen die Entscheidung über die Gültigkeit eines Gesetzes nicht zustand, ihre Grenzen verkannten und unter der Bezeichnung verfk Ausi i n die Kompetenz des Bundesverfassungsgerichts eingriffen. Ein Beispiel ist die von Hennig 11 kritisierte Entscheidung des BSG vom 30. 6. I960 1 2 . I h r Inhalt ist kurz folgender: § 12 Abs. 4 SGG bestimmt, daß als Sozialrichter (ehrenamtliche Beisitzer) Personen ausgewählt werden sollten, die „ m i t der Kriegsopferversorgung vertraut sind." Aus den Parlamentsverhandlungen ergab sich, daß man dabei insbesondere an die Bediensteten der Versorgungsverwaltung gedacht hatte 1 3 . Das BSG stellte fest, daß die Heranziehung aktiver Versorgungsbeamter als Beisitzer gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoßen würde. Es war jedoch der Ansicht, § 12 Abs. 4 SGG sei deshalb nicht ungültig. Denn es gebe ja außer den aktiven Beamten auch noch andere Personen, die m i t der K O V vertraut seien. § 12 Abs. 4 müsse nur dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, daß aktive Beamte nicht herangezogen werden dürften. M i t diesem Inhalt verstoße er nicht gegen das GG. I n Wahrheit hat das BSG die Vorschrift insofern für ungültig erklärt, als sie die Heranziehung von Versorgungsbeamten vorsah. Diese Entscheidung hätte es aber dem Bundesverfassungsgericht überlassen müssen! Die Grenze einer zulässigen verfk Ausi ist nicht erst dann überschritten, wenn durch sie die Norm „bis zur Bedeutungslosigkeit ausgehöhlt" wird, wie Menger 14 meint, also wenn sie praktisch völlig aufgehoben wird, sondern auch schon dann, wenn sie der Sache nach nur teilweise für nichtig erklärt wird. Der BGH hat diese i h m gezogene Grenze richtig gespürt: Während er die vorkonstitutionelle Bestimmung des § 450 AO einer verfk Auslegung für zugänglich hielt 1 5 , lehnte er eine solche für die nachkonstitutionelle Vorschrift des § 129 StGB i n der Entscheidung vom 5. 5. 196116 ab. Dort ging es um die Frage, ob sich § 129 StGB bei politischen Parteien auch auf andere Personengruppen erstrecke, als auf die Gründer, zur Gründung auffordernde Personen und für den Parteikurs verantwortliche Funktio11
SGB 1961, 353 f. BSGE 12, 237 = SGb 1960, 270 = V e r w A r c h 52, 312. 13 Vgl. Bundestagsdrucks. Nr. 4225 v o m 25. 3. 53 Begründg. zu §§ 16—18 des Entwurfs. 14 V e r w A r c h Bd. 52, 313. 15 B H G S t 13,102 = JZ 1960, 164. Der B G H weist interessanterweise i n dieser Entscheidung darauf hin, daß er befugt wäre, die Vorschrift f ü r nichtig zu erklären (S. 115), obwohl dies doch nach seiner Meinung gar nicht von Bedeut u n g gewesen wäre, da er sie verfk auslegte. 16 N J W 1961, 1315. 12
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näre, was nach Ansicht des Senats m i t Art. 21 GG unvereinbar wäre. Aus der Entstehungsgeschichte ergab sich, daß die Vorschrift einen derartigen weiten Umfang hatte. Es wäre nun für das Gericht naheliegend gewesen, den § 129 StGB i m Wege verfk Ausi insoweit als ungültig zu betrachten. Der B G H lehnte dies jedoch mit der Begründung ab: „Eine solche Auslegung liefe in Wirklichkeit auf eine einschränkende Gesetzesänderung gegen den erklärten Willen des Gesetzgebers hinaus, die den ordentlichen Gerichten nicht zusteht 1 7 ." Ebenso wie Bender 18 und Michel 19 ist auch der B G H der Ansicht, daß bei der verfk Ausi ein Unterschied besteht zwischen vor- und nachkonstitutionellem Recht. Durch diese Unterscheidung gelang es dem BGH, zu vermeiden, daß aus dem Fehler i n der Bezeichnung ein sachlicher Fehler wurde. Wenn er schon unter dem Titel verfk Ausi ein Gesetz teilweise aufhob, so hielt er sich doch wenigstens an die Grenzen, die i h m bei der Ausübung des richterlichen Prüfungsrechts gesetzt sind. Wo i h m eine teilweise Nichtigerklärung nicht zustand (insbesondere bei nachkonstitutionellem Recht), hat er es i n dankenswerter Weise abgelehnt, sie unter dem Deckmantel einer verfk Ausi vorzunehmen. U m diese Versuchung von vornherein zu vermeiden und jedem Gericht die Grenze seiner Befugnisse deutlich vor Augen zu führen, ist es notwendig, scharf zwischen einer verfk Ausi einerseits und einer teilweisen oder vollständigen Nichtigerklärung andererseits zu unterscheiden. Ein Richter darf nur diejenigen Gesetze teilweise für nichtig erklären, die zu seiner Disposition stehen, dagegen ist er zu einer verfk Ausi bei jedem Gesetz berechtigt und verpflichtet. Er muß allerdings die Grenzen dieses Rechtsinstituts beachten und es vermeiden, die verfk Ausi zu einer Gesetzesberichtigung zu verwenden. Widerspricht ein Gesetz i n einzelnen seiner Normen der Verfassung, so hat es der Richter, Kompetenz hierzu vorausgesetzt, insoweit für nichtig zu erklären. Eine Umdeutung der nichtigen Norm i n eine verfassungsmäßige entsprechend dem Rechtsgedanken des § 140 BGB ist i h m i n aller Regel nicht gestattet 20 . Der Grund dafür liegt darin, daß der Richter bei der Rechtsfindung i m Rahmen des positiven Rechts auf bloße Erkenntnisse beschränkt ist, daß er hier die rechtspolitischen Entscheidungen dem Gesetzgeber überlassen muß und von eigenen Willensentscheidungen abzusehen hat. Hieraus ergibt sich, daß von dem Verbot der Konversion nichtiger Rechtsnormen eine Ausnahme besteht: Soweit diese Normen keine konkreten Rechtsfolgeanordnungen treffen, 17
Hervorhebung v o m Verf. M D R 1959, 446 f. JuS 1961, 274 (280 f). 20 Das ist w o h l auch i n BVerfGE 8, 28 (34) gemeint, w o darauf hingewiesen w i r d , das gesetzgeberische Ziel dürfe nicht i n einem wesentlichen Punkte verfehlt oder verfälscht werden. 18
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sondern nur Aussagen wissenschaftlich-theoretischer A r t enthalten, beruhen sie nicht auf rechtspolitischen Willensakten des Gesetzgebers, sondern auf bloßen Erkenntnissen. Stellt der Richter fest, daß eine solche Erkenntnis fehlerhaft war, daß die wissenschaftliche Aussage des Gesetzgebers unhaltbar ist, so ist er berechtigt, diesen Fehler i m Wege der Konversion der betr. Rechtsnorm zu berichtigen. Diese Berichtigung muß er immer vornehmen, gleichgültig, ob sie zur Folge hat, daß das Gesetz durch sie erst an die Verfassung angepaßt wird, oder ob die Verfassungsmäßigkeit desselben durch die Konversion überhaupt nicht berührt wird. Ist das erstere der Fall, so w i r d die Konversion i n der Rechtsprechung ebenfalls als verfk Ausi bezeichnet. Zwei Beispiele seien zur Verdeutlichung angeführt: Nach der bayerischen Rechtsanwaltsordnung von 1946 gab es ein Ehrengericht für Entscheidungen i n erster Instanz. I n i h m waren M i t glieder tätig, die i n der gleichen Sache schon i m vorausgehenden Verfahren beteiligt waren, was gegen den Verfassungsgrundsatz richterlicher Unabhängigkeit verstieß. Gegen den Spruch dieses Gerichts war die Berufung zum sog. Ehrengerichtshof zulässig, einem unabhängigen, staatlichen Gericht, das i n zweiter Instanz entschied. Der Bayer. V e r f G H 2 1 entschied, die RAO habe zwar die Absicht gehabt, das erstinstanzliche Ehrengericht als ein Gericht einzurichten. Es erscheine jedoch nicht als ausgeschlossen, das dafür vorgesehene Verfahren als ein Verwaltungsverfahren m i t besonderer Gestaltung anzusehen, ähnlich dem verwaltungsgerichtlichen Vorschaltverfahren. Die vorgesehene „Berufung" zum Ehrengerichtshof sei dann als Anfechtungsklage zu werten. Bei dieser Auslegung verstoße die RAO nicht gegen die Verfassung, sie sei daher nicht für nichtig zu erklären. Der BayVerfGH stellte also zunächst fest, daß das Ehrengericht seinem Wesen nach eine Verwaltungsstelle sei, die Vorschriften der RAO insoweit umzudeuten seien. I n dieser dem Wesen des Rechtsinstituts entsprechenden Deutung legte der Senat die RAO der verfassungsrechtlichen Prüfung zugrunde, wobei sich ihre Gültigkeit ergab. Der BayVerwGH hatte sich i n einer Entscheidung vom 23. 2. 1956 22 m i t § 4 des bayer. Gemeideabgabengesetzes zu beschäftigen, der gewisse Gemeinden ermächtigte, eine Kurabgabe zu erheben. Diese Abgabe, die ihrem Wesen nach ein Beitrag ist, wurde vom GAG fälschlicherweise unter die örtlichen Steuern eingereiht. Das Gesetz hätte deshalb insofern gegen § 1 RAbgO verstoßen können, als diese Vorschrift den Steuerbegriff festlegt und Beiträge davon ausdrücklich ausnimmt. Der Verwaltungsgerichtshof behandelte jedoch die Kurab21 22
B a y V G H E 4 I I 30 (44). B a y V G H E 9 I 29.
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gäbe i m Wege der Gesetzesumdeutung als Beitrag und kam zum Ergebnis, daß § 4 GAG nicht gegen Bundesrecht verstoße. Denn „wenn eine Norm nach dem Inhalt, den i h r der Gesetzgeber geben wollte, wegen Widerspruchs m i t höherrangigem Recht ungültig wäre, die Norm aber eine damit i m Einklang stehende Auslegung zuläßt, so ist sie mit diesem Rechtsgehalt gültig und anwendbar 2 3 ." — Beide Gerichte begründen ihre Entscheidungen m i t dem Prinzip der verfk Ausi. Eine Notwendigkeit hierzu hätte nicht bestanden, da i n beiden Fällen eine Gesetzesumdeutung vorliegt, die, wie gezeigt, dem Richter hier ausnahmsweise erlaubt ist. Es wäre daher i m Interesse der Begriffsklarheit besser gewesen, hier auf eine Anführung des Grundsatzes verfk Ausi zu verzichten. Es gilt dafür das Gleiche, was oben zu der Teilnichtigerklärung gesagt wurde. Handelte es sich bisher stets nur darum, daß eine inhaltlich richtige Entscheidung fälschlicherweise m i t dem Prinzip der verfk Ausi begründet wurde, so gibt es doch endlich auch noch Entscheidungen, i n denen die Gerichte m. E. die Grenzen überschritten haben, die dem Richter bei der Gesetzesauslegung gesetzt sind. Der bekannteste Fall ist der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 17. 3. 1959 24 , der die Auslegung von § 18 Abs. 3 des VGG Rheinland-Pfalz betraf. Nach dieser Vorschrift war gegen einen bestimmten Verwaltungsakt wahlweise die Verwaltungsbeschwerde oder die Klage i m Verwaltungsstreitverfahren zulässig. Der letzte Satz lautete: „Der eine Rechtsbehelf schließt den andern aus." Das bedeutete nach allgemeiner Ansicht, daß gegen die Beschwerdeentscheidung der Verwaltung keine Klage mehr zulässig war, eine Regelung, die dem A r t . 19 Abs. 4 GG widersprach. Das BVerfG war jedoch der Auffassung, diese Deutung sei nicht zwingend. Das Gesetz ermögliche auch die Auslegung, daß die Beschwerdeentscheidung weiterhin m i t der verwaltungsgerichtlichen Klage angefochten werden könne; nur die gleichzeitige Einlegung beider Rechtsmittel sei ausgeschlossen. Diese Interpretation des § 18 Abs. 3 VGG Rhld-Pfalz sei die einzig zulässige, sie sei durch das Prinzip der verfk Ausi geboten. — Eine sowohl sachlich als auch methodisch fast genau gleichliegende Entscheidung fällte der B G H i n der Frage der Auslegung des § 450 AO, der i m Steuerstrafverfahren eine ähnliche Wahlklage vorsah 2 5 . Beide Entscheidungen werden m i t Recht i n der Literatur stark kritisiert 2 6 . I n ihnen wurde der Grundsatz nicht beach23
B a y V e r w G H V G H E 9 I 36. BVerfGE 9,194 = JZ 1960,170 = N J W 1959, 1123. 25 B G H S t 13,102 = JZ 1960, 164. 26 Vgl. Menger, V e r w A r c h 50, 389; Ders. JZ 1960, 169; Baring , JZ 1960, 171; Bachof, JZ 1962, 351; Rupp, JuS 1963,473; Haak, Normenkontrolle S. 9 f; Maunz-Dürig, Grundgesetz A r t . 20 Randnr. 67. 24
5 *
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
tet, daß durch die Auslegung das gesetzgeberische Ziel nicht verfehlt oder verfälscht werden darf 2 7 . Die ausgelegten Normen behalten zwar auch bei der Interpretation des BVerfG bzw. des B G H einen mehr oder weniger vernünftigen, jedenfalls rechtspolitisch vertretbaren Sinn. Aber dieser Sinn beruht nicht auf einem Entschluß des Gesetzgebers, er kann nicht mehr dem Gesetz entnommen werden, sondern er wurzelt einzig und allein i n dem Entschluß des Gerichts, dem Gesetz eben diesen Sinn geben zu wollen. Menger 28 ist daher mit Recht der Auffassung, daß hier das Gesetz nicht mehr interpretiert sondern revidiert wurde. Die einzige mögliche Begründung für die Zulässigkeit dieser Auslegung ist, daß der neue Sinn nach der Meinung des Gerichts m i t demselben Wortlaut ausgedrückt werden könnte, m i t dem der Gesetzgeber seinen Willen zum Ausdruck gebracht hatte. Dieser rein formalen, m i t dem zufälligen Moment des möglichen Wortsinns arbeitenden Begründung kann jedoch keine Bedeutung beigemessen werden.
Viertes
Kapitel
Verfassungskonforme Auslegung i m Normenkontrollverfahren Ganz kurz soll noch auf die These Haaks 1 eingegangen werden, i m Rahmen der Normenkontrolle sei eine verfk Ausi nicht zulässig. Haak ist der Ansicht, das Bundesverfassungsgericht müsse eine Vorlage nach A r t . 100 Abs 1 GG als unzulässig zurückweisen, wenn die i h m vorgelegte Frage der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes i n Wirklichkeit eine Frage der verfk Ausi sei. I n solchen Fällen hänge die Entscheidung des zur Gesetzesanwendung berufenen Richters nicht von der Gültigkeit, sondern von der Auslegung bzw. Handhabung des einzelnen Gesetzes ab. Hierbei w i r d jedoch nicht scharf genug unterschieden zwischen der Frage der Zulässigkeit einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG und der Frage, wie das Bundesverfassungsgericht sachlich zu entscheiden hat. Für die Beurteilung der Zulässigkeit ist vom Rechtsstandpunkt des vorlegenden Gerichts auszugehen2. Ob die Auslegung der zu prüfenden Norm durch das vorlegende Gericht zutreffend ist, spielt bei der Frage der Zulässigkeit einer Vorlage keine Rolle, solange die Auslegung nicht offensichtlich unrichtig ist 3 . Wenn der vorlegende Richter die verfassungswidrige Auslegung für zwingend hält, so hängt 27
BVerfGE 8, 28 (34). JZ 1960, 169. 1 Normenkontrolle S. 274 f. 2 Vgl. BVerfGE 7,171 (175) m i t weiteren Hinweisen; ebenso BVerfGE 13, 31 (35 f); Lechner, B V e r f G G § 13 Ziff. 11 Anm. 4. 3 BVerfGE 7, 49. 28
4. K a p i t e l : Verfassungskonforme Auslegung i m Normenkontrollverfahrei 69
seine Entscheidung auch dann von der Gültigkeit des betreffenden Gesetzes ab, wenn objektiv eine verfassungskonforme Auslegung möglich wäre. Unabhängig von der Frage der Zulässigkeit der Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG ist Haak der Meinung, wenn eine verfk Ausi eines Gesetzes möglich sei, dürfe sie i m Normenkontrollverfahren vom Verfassungsgericht nicht vorgenommen werden. Die verfk Ausi sei i n diesem Zusammenhang ein logischer Fehler, da man bei i h r zunächst „von der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auf seinen Inhalt und sodann von dem so ermittelten Inhalt auf die — schon vorausgesetzte — Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes" schließe4. Wenn ein Gesetz mehrere Auslegungsmöglichkeiten (d. h. eine verfassungsmäßige und eine verfassungswidrige) zulasse, dann müsse sich die verfassungsrechtliche Prüfung auf den eindeutigen Kern des — objektiv mehrdeutigen — Gesetzes beschränken 5 . Die Beseitigung der Mehrdeutigkeit i m Wege der Interpretation sei Sache des gesetzesanwendenden Richters, nicht des Verfassungsgerichts. Wenn der eindeutige Normkern nicht verfassungswidrig sei, müsse daher das Gesetz vom Verfassungsgericht uneingeschränkt für gültig erklärt werden. I n Wirklichkeit schließt jedoch das Verfassungsgericht, wenn es verfassungskonform auslegt, nicht von der vorausgesetzten Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes auf seinen Inhalt, u m dann dessen Verfassungsmäßigkeit zu bejahen. Vielmehr prüft es, ob neben der (verfassungswidrigen) Auslegung des Gesetzes durch den vorlegenden Richter auch noch eine Interpretation möglich und denkbar sei, bei der das Gesetz nicht gegen die Verfassung verstieße. Kommt es zum Ergebnis, daß auch eine solche — verfassungskonforme — Auslegung möglich sei, dann hat es theoretisch drei Möglichkeiten: Zunächst könnte es das Gesetz wegen der Möglichkeit einer verfassungswidrigen Auslegung für nichtig erklären. Eine solche Entscheidung kommt praktisch nicht i n Frage, w e i l sie evident gegen den favor-legis-Gedanken verstieße. Sodann könnte das Verfassungsgericht, entsprechend der von Haak vorgeschlagenen Lösung, das Gesetz uneingeschränkt für gültig erklären, weil sein unzweifelhafter Kern nicht verfassungswidrig ist. Diese Lösung hat jedoch einen Nachteil: Auch nach dem Spruch des Verfassungsgerichts wäre kein Richter daran gehindert, das für gültig erklärte Gesetz weiterhin i n einem verfassungswidrigen Sinne anzuwenden. Man kann sich nicht damit trösten, der Betroffene habe ja dann die Möglichkeit, Verfassungsbeschwerde einzulegen 6 . Denn nicht i n jedem 4
Haak Normenkontrolle S. 198, 237 Haak, aaO S. 258, 271 f ; denselben Gedanken erwägt Friesenhahn, kussionsbeitrag i n : Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Gegenwart S. 866. 6 So Haak, aaO S. 275; Friesenhahn, aaO (Anm. 5) S. 866. 5
Dis-
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2. Hauptteil: Die verfassungskonforme Auslegung
Fall steht dieser Ausweg offen. Er ist versperrt, wenn die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes (bei entsprechender Auslegung) nicht auf einem Verstoß gegen ein Grundrecht oder ein i n § 90 BVerfGG gleichgestelltes Recht beruht. Beiden aufgezeigten Möglichkeiten ist daher eine dritte vorzuziehen: Wenn ein Gesetz sowohl i n verfassungsmäßigem als auch i n verfassungswidrigem Sinn ausgelegt werden kann, ist es i m Normenkontrollverfahren für gültig zu erklären. Gleichzeitig ist aber auszusprechen, daß es nur bei verfassungskonformer Auslegung gültig ist 7 . Ob dieser zusätzliche Ausspruch m i t i n die Urteilsformel aufgenommen wird, wie es der Praxis des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes entspricht 8 , oder ob er n u r i n den Gründen erscheint, aber an der Bindungswirkung des Urteilsausspruchs teilnimmt 9 , ist m. E. eine Frage von sekundärer Bedeutung.
7
Der Sache nach bedeutet diese Lösung eine doppia pronuncia i n dem von Haak, aaO S. 256 ff geschilderten Sinne. 8 Vgl. z. B. BayVerfGH, V G H E N F Bd. 7 I I 40;. Bd. 10 I I 113. 9 Vgl. Friesenhahn, Verfassungsgerichtsbarkeit i n der Bundesrepublik Deutschland S. 60.
Zusammenfassung Abschließend seien die Ergebnisse kurz zusammengefaßt: 1. A u f der ersten Stufe der Gesetzesinterpretation, der Erforschung des Gesetzgeberwillens, ist das Prinzip der verfk Ausi ein zulässiger Auslegungsbehelf. Läßt sich der Wille des Gesetzgebers nicht mit Sicherheit feststellen, dann ist sowohl bei vorkonstitutionellen als auch bei nachkonstitutionellen Gesetzen eine der Verfassung entsprechende Auslegung einer Deutung vorzuziehen, bei der das Gesetz verfassungsw i d r i g wäre. Diese Forderung beruht sowohl auf dem favor-legis-Gedanken, als auch auf der Pflicht des Gesetzgebers, vor Erlaß eines Gesetzes dessen Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. 2. A u f den folgenden Stufen der Rechtsfindung ist eine verfk Ausi zulässig und geboten, wo es u m eine Gesetzesergänzung, also die Ausfüllung von Gesetzeslücken geht; dabei ist der Begriff „Lücken" i n einem weiten Sinne zu verstehen, er umfaßt also auch gesetzliche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe. Hier beruht das Gebot verfk Ausi auf dem Gedanken der Einheit der Rechtsordnung, zu der auch die Verfassung gehört. 3. Eine Geseizesberichtigung i m Wege einer verfk Ausi ist dagegen nicht erlaubt. Wo das Gesetz, i m Sinne seiner Urheber ausgelegt, gegen höherrangiges Recht verstößt, kann es durch eine Auslegung i. e. S. nicht berichtigt werden. Das Gesetz muß entweder ganz oder teilweise für nichtig erklärt werden. Ausnahmsweise kann auch einmal eine Umdeutung (Konversion) erfolgen, jedoch nur, wenn durch sie keine konkreten Rechtsfolgeanordnungen des Gesetzgebers verändert werden. U m eine Verdunkelung der i n Art. 100 GG getroffenen Zuständigkeitsverteilung zu vermeiden, sollte man die Teilnichtigkeitserklärung wie die Konversion nicht mehr unter den Begriff einer verfk Ausi bringen, sondern klar unterscheiden zwischen verfk Ausi und Nichtigerklärung eines Gesetzes. Daß die Rechtsprechung z. T. anders verfährt und bisweilen auch die Teilnichtigerklärung als verfk Ausi bezeichnet, beruht auf der Scheu unserer Gerichte vor einer zu häufigen Ungültigerklärung von Gesetzen, die ihrer Meinung nach den falschen Anschein erwecken könnte, sie wollten sich politische Machtbefugnisse anmaßen.
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Zusammenfassung
4. Auch i m Normenkontrollverfahren ist eine verfk Ausi zulässig. Kommt das Verfassungsgericht zum Ergebnis, die zu prüfende Norm könne verfassungskonform ausgelegt werden, dann hat es auszusprechen, das Gesetz sei bei verfassungskonformer Auslegung gültig.
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Sachverzeichnis Auslegung, authentische A. 41; Begriff u n d Gegenstand der A . 17 f ; einaktiger Kurzschluß bei o b j e k t i ver A . 30 f; Gegenstand der A. 18; genetische Sinnesermittlung bei der A . 38 if; Grenzen der A . 27, 33 ff; H i l f s m i t t e l der A . 18; Methoden der A . 15, 18 f; objektive Theorie 20; Präambel als H i l f s m i t t e l der A . 44; subjektive u n d objektive A. 19 ff; Überschreitung der Grenzen der A . 67 f ; Ziel der A . 18. Auslegungsmethoden der Rechtsprechung 15 f. Aushöhlung einer N o r m durch verfk A u s i 52, 64. Bürgerlich-rechtliche Normen, verfk A u s i v o n B. 45. Bundesverfassungsgericht, Eingriff i n die Kompetenz des B. 64; H ü t e r der Verfassung 11; politische Stellung des B. 61; Selbstbeschränkung des B. 61; Verwerfungsmonopol des B. 63. Droschkenunternehmen 48, 59. Ehrengericht f ü r Rechtsanwälte 66. Eigentumsbindung 48. Einheit der Rechtsordnung 44, 71. Ermächtigung zum Erlaß einer Verordnung 45, 59. favor legis 41, 44, 69, 71. Fehler des Gesetzgebers 32, 35. Gemeindebetriebe 39. Generalklausel 32, 42, 43, 71. Gesamtkonzeption des Gesetzes 63. Gesetzesänderung durch den Richter 65; verdeckte G. durch verfk A u s i 51. Gesetzesanpassung 33. Gesetzesberichtigung 17, 27, 46 ff, 71; Begriff der G. 56; G. durch verfk A u s i bei vorkonstitutionellen N o r men 55 f.
Gesetzesergänzung 30, 42 ff, 71. Gesetzesfortbildung 27. Gesetzeskonforme Verfassungsauslegung 41. Gesetzesmaterialien 19, 21. Gesetzes Vervollkommnung 31. Gesetzeswortlaut als Grenze der Auslegung 28. Gesetzeszweck 21, 28. Gesetzgeber, Anschauungslücken des G. 32, 48; Erkenntnisse des G. 66; Fehler des G. 66; Wertungen des G. 44; W i l l e des G 22 ff; Wille des G. als Auslegungsgrenze 50; W i l l e des G. als Grenze der verfk Ausi 53. Gesetzgeberwille, Erforschung des G. 38, 71; normativer G. 24 f, 31; psychologischer G. 24, 31. Gesetzgebung als Erkenntnis oder als politischer A k t 29. Gewaltenteilung 28; G. als Auslegungsschranke 34; G. als Grenze der verfk A u s i 49, 52, 54. Heilpraktiker 45. Historische Interpretation 31. Interessenjurisprudenz, Auslegung der I. 30. Irrenfürsorgegesetz, badisches 42 f. Kern, Prüfung des eindeutigen K . einer N o r m 69. Klageerzwingungsverfahren, A r m e n recht i m K . 59 f. Konversion nichtiger Normen 65 f. Kriegsopferversorgung 64. Kurabgabe 66. Laienverständnis 26. Lastenausgleichsabgabe 49, 59. Lücken des Gesetzes 32, 42, 46, 71. Nichtigerklärung, Vermeidung einer N. durch verfk Ausi 13, 47, 54. Normenkontrolle 47; N. und verfk A u s i 68 ff, 72.
Sachverzeichnis Notaufnahmegesetz 38. Politische Gründe f ü r die verfk Ausi 61. Politisierung der Justiz 61. Preisauszeichnungsverordnung 59. Prüfungsrecht, richterliches 11. Rechtsfindung, mehrstufige oder progressive 30 ff. Rechtsfortbildung 27. Rechtssetzung durch den Richter 49 Rechtssicherheit 27. Reine Rechtslehre 40. Richterrecht 36. Schweigen des Gesetzes als Verfassungsverstoß 60. Selbstverwaltungsrecht, gemeindliches 39. Supreme Court der U S A 62. Teilnichtigerklärung, Grenzen der Τ 62 ff; T. i n der F o r m verfk A u s i 59: inhaltliche Aufspaltung einer Norm durch T. 62; verfk A u s i als Ersatz einer T. 57 ff; T. vor 1945, Vergleich m i t verfk A u s i 57 f ; Anwendung des § 139 B G B bei der T. 62. Umdeutung nichtiger Normen 65 f, 71 Unbestimmte Gesetzesbegriffe 32. Verfassungsbeschwerde 69. Verfassungskonforme Auslegung, allgemeines Interpretationsprinzip als Grundlage der V. 14; V. als Oberbegriff 60; Begriff der V. 12; B i n dung an V. 70; Grenzen der V. 15.
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53 ff; Grenzen der V. nach der Rechtsprechung 49 ff; V. i m Ausland 12; politische Gründe für die V. 61; V. vor 1945 13 f, 58. Vermutung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen 13, 38, 40; V. von der Weisheit des Gesetzgebers 31, 40. Verschulden als Voraussetzung der Verhängung einer Buße 42. Vertrauen i n die Rechtsprechung 28 Vertrauensargument 26. Verwerfungsmonopol der Verfassungsgerichte 11, 62. Verwerfungszuständigkeit nach Art. 100 GG 56. volonté générale 24. Vorlage nach A r t . 100 GG, Zulässigkeit 68. Vorrang der Verfassung 11, 37, 54. Wahlklage nach V G G Rhld.-Pfalz u n d nach der RAbgO 67. Wertentscheidung der Verfassung 13, Wertsetzung, Hierarchie der W. 40, Wertüberzeugung, allgemeine 28. Wertungen, Bindung des Richters an die W. des Gesetzes 35; W. des Gesetzgebers 32, 63. Widerspruch zwischen gesetzlichen Vorschriften 53. W i l l e des Gesetzgebers 19. Willensentscheidungen des Richters 63. Y/ortlaut des Gesetzes 21, 68; W. als Auslegungsgrenze 50, 53. Zweck des Gesetzes 31; Z. als Auslegungsgrenze 51; B i n d u n g des Richters an den Z. 35. Zwecksetzungen des Gesetzgebers 32.