Die Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht und ihre Grenzen [1 ed.] 9783428581139, 9783428181131

Das Urheberstrafrecht steht in einer inhaltlichen Abhängigkeit zu den zivilrechtlichen Vorgaben des Urheberrechtsgesetze

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German Pages 330 [331] Year 2020

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Die Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht und ihre Grenzen [1 ed.]
 9783428581139, 9783428181131

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Schriften zum Strafrecht Band 361

Die Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht und ihre Grenzen

Von

Sebastian Schulze-Bühler

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN SCHULZE-BÜHLER

Die Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht und ihre Grenzen

Schriften zum Strafrecht Band 361

Die Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht und ihre Grenzen

Von

Sebastian Schulze-Bühler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D21 Alle Rechte vorbehalten © 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18113-1 (Print) ISBN 978-3-428-58113-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 2020 von der Juristischen Fakul­ tät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Die Disputation fand am 22. Juni 2020 ebendort statt. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Frühjahr 2020 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Bernd Heinrich, an dessen Lehrstuhl ich während der Zeit meines Stu­ diums und meiner Promotion tätig gewesen bin. Seine Betreuung war von einer Individualität, Geduld und Fachkompetenz geprägt, die nur schwer zu übertreffen ist. Die von ihm aufgebrachte Zeit, sein immer offenes Ohr und unsere unzähligen Gespräche haben mir stets neue Kraft und Impulse gege­ ben. Gleichzeitig hat mir Herr Professor Dr. Heinrich einen überragenden Freiraum zur wissenschaftlichen und persönlichen Entfaltung gewährt. All dies hat wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen, wofür ihm mein aufrichtiger Dank gilt. Weiter danke ich herzlich Herrn Prof. Dr. Jörg Eisele für die ungemein zügige Erstellung des Zweitgutachtens und die ausgespro­ chen angenehme Zusammenarbeit. Mein größter Dank gilt jedoch meiner Familie. Zu nennen sind in erster Linie meine Eltern Sabine und Rainer Schulze-Bühler. Ihr immenses Ver­ trauen, ihr immer großes Verständnis und ihre grenzenlose Unterstützung haben es mir überhaupt erst ermöglicht, diese Arbeit mit Erfolg zu realisie­ ren. Mein besonderer Dank gilt weiter meinem Bruder Alexander SchulzeBühler. Er hat mich nicht nur zur Erstellung dieser Arbeit ermutigt, sondern stand mir auch währenddessen unermüdlich zur Seite. Der fachliche Aus­ tausch mit ihm war ein wesentlicher Bestandteil, dessen Ergebnisse sich in dieser Arbeit widerspiegeln. Schließlich gilt mein besonderer Dank meiner Freundin Jennifer Salzmann. Sie hat mich auch in den zähen Phasen dieser Zeit immer unterstützt und mir stets Rückhalt gewährt. Sie ist der Grund dafür, dass mir die Zeit meiner Promotion nicht nur wissenschaftlich, son­ dern auch privat große Freude bereitet hat. Euch allen ist diese Arbeit gewid­ met. Karlsruhe/Berlin, im August 2020

Sebastian Schulze-Bühler

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 

23

Kapitel 1

Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts 

26

§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 A. Überblick über die Vorschriften des Urheberstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . 27 B. Einordnung der §§ 106 ff. UrhG in die allgemeine Strafrechtsdogmatik . 28 I. Anwendbarkeit des deutschen Urheberstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . 28 II. Modalitäten der Tatbegehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Strafbarkeit des Versuchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 IV. Vorsatz und Irrtümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 V. Konkurrenzlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 C. Historische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Bedürfnis nach Schutz des geistigen Schaffens . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Gesetzliche Kodifizierung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 III. Entwicklung des Urheberstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 IV. Ursprünge der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 V. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 D. Die Vorschrift des § 106 Abs. 1 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 1. Tatobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 a) Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 aa) Einordnung in §§ 1, 2 Abs. 1 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . 38 bb) Subsumtion unter § 2 Abs. 2 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . 39 (1) Das Persönliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 (2) Die Schöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 (3) Der geistige Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 (4) Die Wahrnehmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 b) Bearbeitung und Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 aa) Bearbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 bb) Umgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Tathandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

10 Inhaltsverzeichnis

a) Vervielfältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 c) Öffentliche Wiedergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 3. Kein gesetzlich zugelassener Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 II. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 III. Rechtswidrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 IV. Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 E. Die weiteren Zentraltatbestände des Urheberstrafrechts . . . . . . . . . . . . . 54 I. Unzulässiges Anbringen der Urheberbezeichnung (§ 107 UrhG) . . 55 II. Unerlaubter Eingriff in verwandte Schutzrechte (§ 108 UrhG) . . . . 57 III. Unerlaubter Eingriff in technische Schutzmaßnahmen und zur Rechtewahrnehmung erforderliche Informationen (§ 108b UrhG) . 58 § 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht . . . . . . . . A. Bedeutung des Urheberstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Registrierte und abgeurteilte Straftaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verteilung der Schadenssummen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Funktionen des Urheberzivil- und des Urheberstrafrechts . . . . . . . . . . . . I. Funktionen des Urheberzivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionen des Urheberstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Das Urheberstrafrecht in der Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Faktische Durchsetzungshindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kenntniserlangung durch die Strafverfolgungsbehörden . . . . . . 2. Interesse des Urhebers an der Strafverfolgung . . . . . . . . . . . . . . II. Strafantragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bestimmung des öffentlichen Interesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung des besonderen öffentlichen Interesses . . . . . . . . . III. Einleitung außergerichtlicher Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Funktionalisierung des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einstellung aus Opportunitätsgründen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Möglichkeit der Einstellung nach § 153 StPO . . . . . . . . . . . . . . 2. Möglichkeit der Einstellung nach § 153a StPO . . . . . . . . . . . . . VI. Verweis auf den Privatklageweg (§ 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO) . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60 60 61 63 65 65 65 67 68 69 70 70 71 72 72 73 74 75 75 76 76 78 79

Kapitel 2

Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät 

80

§ 1 Herleitung und Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessorietät . . . . . . 80 A. Begrifflicher Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 B. Dogmatischer Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82

Inhaltsverzeichnis11

I. Gesetzgeberischer Wille . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Bedeutung der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 III. „Informationelles Übergewicht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 C. Funktionaler Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 I. Tatbestandliche Weite als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Ansatz des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Weitere Konkretisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Ansatz der größtmöglichen Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . 94 c) Quantitative Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 d) Schlussfolgerungen für den weiteren Verlauf der Arbeit . . . 95 3. Sonderfall: Bestimmtheit durch richterliche Rechtsfortbildung . 97 III. Strenge Zivilrechtsakzessorietät als Lösung des Gesetzgebers (verfassungskonformitätswahrende Funktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 IV. Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 1. Ausdrückliche Gesetzesverweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 2. Wiederholende Übernahme der zivilrechtlichen Vorgaben . . . . . 101 3. Strafrechtsautonome Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 § 2 Urheberzivilrechtsakzessorietät im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Akzessorietät des Zivilrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Zivilrechtsakzessorietät des Zivilrechts“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Strafrechtsakzessorietät des Zivilrechts“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Akzessorietät des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafrechtsakzessorietät des Allgemeinen Teils des StGB . . . . . . . . II. Zivilrechtsakzessorietät des Besonderen Teils des StGB . . . . . . . . . III. Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts . . . . . . . . . . . . . . . § 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät im Spannungsfeld der BlankettGesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Bedeutung der Thematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Bestimmung des Blankett-Begriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bindings Ansatz als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Weiter Begriffsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Enger Begriffsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung und Einordnung der urheberstrafrechtlichen ­Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Weitere begriffliche Ausdifferenzierungen   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wahrung des Gewaltenteilungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

102 102 103 104 104 104 105 106 108 109 110 110 113 114 115 116 118 119 120

12 Inhaltsverzeichnis

E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 § 4 Strafrecht zwischen allgemeiner Akzessorietät und Relativität der Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 A. Allgemeine Akzessorietät des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 B. Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Begriffliche Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 II. Funktionale Einheit der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 C. Fragmentarischer Charakter des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 D. Stellung des Strafrechts in der Mengenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Ansatz der Mengenlehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Mengenlehre als Grenze der Akzessorietät und Autonomie . . . . . . 135 E. Relativität der Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Inhalt und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Relevanz für die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts  . 138 F. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 Kapitel 3

Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen für alle Straftatbestände 

§ 1 Merkmale einer streng angewandten Urheberzivilrechtsakzessorietät . . A. Charakteristische Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Inhaltliche Anlehnung (Merkmal 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2) . . . . . . . . . . . . . III. Gleichlauf des Rechtsgüterschutzes (Merkmal 3) . . . . . . . . . . . . . . IV. Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Systematisierungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Lockerung der Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Durchbrechung des Prinzips der Akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erfordernis der Abwägung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßstäbe für die Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

140 140 141 141 142 143 143 144 145 145 146 146 147

§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät  . . . . . 148 A. Einwilligung vor Verwertung des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 I. Zivilrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Rechteeinräumung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 II. Strafrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 1. Dogmatische Einordnung der Einwilligung als Rechtferti­ gungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 2. Voraussetzungen der rechtfertigenden Einwilligung im Einzel­ nen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153

Inhaltsverzeichnis13

a) Disponibilität des Rechtsguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Einwilligungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 c) Erklärung der Einwilligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 d) Weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 3. Zivilrechtsakzessorische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 a) Inhaltliche Anlehnung (Merkmal 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 aa) Zivilrechtliche Wirksamkeit als zusätzliche ­Voraussetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 bb) Bewertung unter Berücksichtigung der Funktion der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2) . . . . . . . 163 c) Rechtsgüterschutz (Merkmal 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 d) Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 e) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 4. Merkmal „ohne Zustimmung des Rechtsinhabers“ (§ 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 B. Genehmigung nach Verwertung des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 I. Zivilrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 II. Strafrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 1. Meinungsstand zur nachträglichen Genehmigung im Strafrecht . 168 a) Beseitigung des staatlichen Strafanspruchs  . . . . . . . . . . . . . 168 b) Schwebende Unwirksamkeit bis zur Genehmigung . . . . . . . 170 2. Lösungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 a) Anerkennung der rechtfertigenden Wirkung . . . . . . . . . . . . . 172 b) Rückwirkende Abtretung der Verwertungsrechte . . . . . . . . . 173 c) Persönlicher Strafaufhebungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 d) Lösung über das Strafantragserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . 177 aa) Genehmigung vor Stellung des Strafantrags . . . . . . . . 177 bb) Genehmigung nach Stellung des Strafantrags . . . . . . . 178 cc) Strafverfolgung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 dd) Fälle der gewerbsmäßigen Begehung (§ 108a UrhG) . 181 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 4. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät . . 183 a) Inhaltliche Anlehnung (Merkmal 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2) . . . . . . . 185 c) Rechtsgüterschutz (Merkmal 3) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 d) Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

14 Inhaltsverzeichnis

§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Straf- und zivilrechtliche Bewertung der fahrlässigen Urheberrechts­ verletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Urheberstrafrechtlich relevante Irrtümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Irrtum über tatsächliche Umstände (Tatbestandsirrtum, § 16 StGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Irrtum über das Tatobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Irrtum über die Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Irrtum über gesetzlich zugelassene Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Irrtum über rechtliche Umstände (Verbotsirrtum, § 17 StGB) . . . . 1. Irrtum über das Tatobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Irrtum über die Tathandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Irrtum über gesetzlich zugelassene Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sonderfall: Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale . . . . . . . . IV. Weitere Irrtumskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Auswirkungen auf die Zivilrechtsakzessorietät  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Auseinanderfallen der straf- und zivilrechtlichen Bewertung . . . . . 1. Irrtümer über tatsächliche Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Irrtümer über rechtliche Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermeidbarer Verbotsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unvermeidbarer Verbotsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Irrtum zu Lasten des Täters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Irrtümer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen auf die einzelnen Merkmale der Zivilrechts­ akzessorietät  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche Anlehnung (Merkmal 1) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2) . . . . . . . . . . 3. Rechtsgüterschutz (Merkmal 3)  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Durchbrechung des Prinzips der Zivilrechtsakzessorietät? . . . . . . . 1. Tatbestandsirrtum zugunsten des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermeidbarer Erlaubnistatbestandsirrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Tatbestandsirrtum zu Lasten des Täters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

205 205 206 206 207 207 207 208 209 209

§ 4 Das strafrechtliche Analogieverbot als nur scheinbares Problem der Zivilrechtsakzessorietät? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ausgangslage im Zivil- und Strafrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zivilrechtliche Zulässigkeit analoger Anwendungen . . . . . . . . . . . . 1. Bestehen einer Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Planwidrigkeit der Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleichbarkeit der Interessenlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

210 210 211 211 212 213

186 186 188 189 190 191 191 192 193 193 194 194 196 198 199 199 199 200 200 202 202 203

Inhaltsverzeichnis15

II. Strafrechtliches Analogieverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 B. Auswirkungen auf die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts  . 215 I. Auswirkungen auf die einzelnen Merkmale der Zivilrechts­ akzessorietät  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 II. Praktische Relevanz analoger Anwendung im Urheberstrafrecht . . 216 1. Konzeption der weiten Tatbestandsfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2. Offenheit der urheberrechtlichen Tatbestände . . . . . . . . . . . . . . . 219 3. Verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . 220 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Kapitel 4

Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen in den einzelnen Straftatbeständen 

§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG . . . . . . . A. Allgemeine Ausprägungen der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . . . . . . . . . . B. Der strafrechtliche Werkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Werke mit sitten- oder gesetzeswidrigem Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. „Gesetzlich zugelassene Fälle“ – Erkennbarkeit der Zivilrechts­ akzessorietät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriffsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Urheberzivilrechtsakzessorische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Dogmatische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zivilrechtliche Ausgangsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bedürfnis nach einer urheberzivilrechtsakzessorischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine übergeordneten Erwägungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. „Gesetzlich zugelassene Fälle“ – Einschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Privatkopieausnahme (§ 53 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Einzelne Vervielfältigungen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Schrankenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Auslegungsbedürftige Mengenbezeichnungen . . . . . . . . . . . b) Konkrete Prozentangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . 1. Lösung über eine strafrechtsautonome Auslegung . . . . . . . . . . .

222 222 222 224 224 226 228 228 229 229 230 231 231 231 232 232 232 233 234 234 236 238 238 239 240 240 241

16 Inhaltsverzeichnis

2. Lösung über die strafrechtliche Irrtumslehre . . . . . . . . . . . . . . . a) Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Merkmalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Deskriptive Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Normative Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einordnung der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ . . . . . b) Lehre vom Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale . . c) Bewertung der Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strafprozessuale Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erste Ebene: Strafantrag des Urhebers . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweite Ebene: Strafverfolgungsbehörden . . . . . . . . . . . . . . . c) Dritte Ebene: Gerichtliche Einstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

243 244 244 245 247 248 250 253 253 254 255 255 256 257

§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG . . . . . . . A. Struktur des § 107 Abs. 1 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tatbestandsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Allgemeine Ausprägungen der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . . . . . . B. Besonderheiten in der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung . . . . . . . I. Direkter Verweis auf § 10 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Merkmal „Urheberbezeichnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Merkmal „anbringt“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einwilligung des Urhebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einwilligungsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einwilligung als Tatbestandsausschließungsgrund . . . . . . . . . . . C. Beschränkter strafrechtlicher Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts . I. Recht auf Anerkennung der Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anbringen einer falschen Bezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anbringen ohne Hervorrufen des Anscheins eines Originals . . . 3. Anbringen der Urheberbezeichnung auf anderen Werkarten . . . 4. Leugnung der Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät . . II. Veröffentlichungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutz vor Entstellung des Werkes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Weitere Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung und perspektivische Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . I. Streichung der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verstoß gegen Art. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

258 258 258 260 261 261 261 262 263 263 264 265 266 267 268 268 269 271 272 273 274 275 276 277

§ 3 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108 UrhG . . . . . . . 278 § 4 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108a UrhG . . . . . . 279

Inhaltsverzeichnis17

§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG . . . . . . A. Art der Verweisung in § 108b Abs. 1 und Abs. 2 UrhG . . . . . . . . . . . . . . B. Subjektive Anforderungen bei Umgehung technischer Schutz­ maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Absicht der Zugangsermöglichung in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG . . II. Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis in § 95a Abs. 1 UrhG . . . . . III. Auseinanderfallen von Straf- und Zivilrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fallbeispiel: „Der gutgläubige Helfer“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösung zum Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fallbeispiel: „Der sich selbst überschätzende Techniker“ . . . . . 4. Lösung zum Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . 1. Interpretationsansatz des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Änderungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Strafrechtliche Privilegierung des privaten Gebrauchs . . . . . . . . . . . . . . . I. Fehlende Privilegierung in §§ 95a, 95c UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Privilegierung bei mit dem Täter persönlich verbundenen ­Personen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zu § 53 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auslegung des Merkmals der persönlichen Verbundenheit . . . . a) Verengung auf das höchst-persönliche Umfeld . . . . . . . . . . b) Auswirkungen auf die Zivilrechtsakzessorietät . . . . . . . . . . D. Begriff des Verbreitens in § 108b Abs. 2 UrhG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät . . . . . II. Verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

Zusammenfassung 

280 281 284 285 285 286 287 288 289 290 291 292 294 295 295 297 298 298 299 301 302 303 304 306 308

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere Ansicht

Abs. Absatz a. F.

alte Fassung

Alt. Alternative Art. Artikel AT

Allgemeiner Teil

Aufl. Auflage BGB

Bürgerliches Gesetzbuch

BGBl Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Strafsachen, zit. nach Band

BGHZ

Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen, zit. nach Band

BR Bundesrat BR-Drucks. Bundesrats-Drucksache bspw. beispielsweise BT

Besonderer Teil/Bundestag

BT-Drucks. Bundestags-Drucksache BtMG Betäubungsmittelgesetz BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Entscheidungssammlung des Bundesverfassungsgerichts, zit. nach Band

BW Baden-Württemberg bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. circa CR

Computer und Recht, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

ders. derselbe DesignG Designgesetz d. h.

das heißt

dies. dieselbe/n Drs. Drucksache

Abkürzungsverzeichnis19

EG Europäische Gemeinschaft EGStGB Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch EGStPO Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung EGZPO Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung Einl. Einleitung EuGH Europäischer Gerichtshof f. folgende ff. folgende FG Festgabe Fn. Fußnote franz. französisch FS Festschrift GA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht, zit. nach Jahrgang GebrMG Gebrauchsmustergesetz gem. gemäß GeschGehG Geschäftsgeheimnisgesetz GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GRUR Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang GRUR Int Zeitschrift für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht In­ ternationaler Teil, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang GS Gedächtnisschrift GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen HalblSchG Halbleiterschutzgesetz HK Heidelberger Kommentar h. M. herrschende/n Meinung Hrsg. Herausgeber HWiStR Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts i. d. R. in der Regel i. E. im Ergebnis InfoSocRL Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheber­ rechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsge­ sellschaft insbes. insbesondere i. R.d. im Rahmen des/-der i. S. im Sinne i. S. d. im Sinne des/-der i. V. m. in Verbindung mit

20 Abkürzungsverzeichnis

JR

Juristische Rundschau, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

JURA

Juristische Ausbildung, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

JuS

Juristische Schulung, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

JZ

Juristenzeitung, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

KG Kammergericht KK

Karlsruher Kommentar

KMR Kleinknecht-Müller-Reitberger KUG Kunst-Urheber-Gesetz KWG Kreditwesengesetz LBO Landesbauordnung Lfg. Lieferung LFGB

Lebensmittel- und Futtermittelgesetz

LK

Leipziger Kommentar

LMRR

Lebensmittelrecht Rechtsprechung, Zeitschrift, zit. nach Jahr­ gang

LUG

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst

MarkenG Markengesetz mbH

mit beschränkter Haftung

m. E.

meines Erachtens

MMR

Multimedia und Recht, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

MüKo

Münchener Kommentar

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n. Chr.

nach Christus

NJW

Neue Juristische Wochenschrift, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungsreport, Zeit­ schrift, zit. nach Jahrgang

NK Nomos-Kommentar Nr. Nummer NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungsreport, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

NZWiSt

Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmens­ strafrecht, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang

o. ä.

oder ähnliches

OLG Oberlandesgericht OWiG

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

PatG Patentgesetz PKS

Polizeiliche Kriminalstatistik, zit. nach Jahrgang

Abkürzungsverzeichnis21

RL Richtlinie Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung S. Satz/Seite sog. sogenannte/-r/-n SortG Sortenschutzgesetz StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung st. Rspr. ständige/r Rechtsprechung u. a. unter anderem UFITA Archiv für Urheber- und Medienrecht, zit. nach Band und Jahr­ gang UrhG Urheberrechtsgesetz URL Uniform Resource Locator UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. von v. a. vor allem Var. Variante vgl. vergleiche Vorbem. Vorbemerkungen VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz WpHG Wertpapierhandelsgesetz z. B. zum Beispiel ZIS Zeitung für Internationale Strafrechtsdogmatik, Onlinezeit­ schrift, zit. nach Jahrgang, abrufbar unter: http://www.zis-online. com/ zit. zitiert ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium, Onlinezeitschrift, zit. nach Jahrgang, abrufbar unter: http://www.zjs-online.com/ ZPO Zivilprozessordnung ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft, Zeitschrift, zit. nach Band und Jahrgang ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht, Zeitschrift, zit. nach Jahrgang ZVG Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwal­ tung

Einleitung Das Urheberrecht befindet sich im Zuge der Digitalisierung und des tech­ nischen Fortschritts zunehmend im Wandel. Die Bedeutung urheberrecht­ licher Verwertungsbefugnisse nimmt durch neue Verbreitungsformen ebenso zu wie die Durchsetzung von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen sowie die Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften. Das Aus­ maß der weiteren Entwicklungen ist im Hinblick auf Veränderungen bei­ spielsweise durch Künstliche Intelligenz kaum abzuschätzen. Der Schutz des Urhebers wird im Urheberrechtsgesetz gegenwärtig sowohl zivilrechtlich (insbesondere durch die §§ 97 ff. UrhG) als auch strafrechtlich (durch die §§ 106 ff. UrhG) gewährt. Im Urheberstrafrecht gilt dabei das „Primat des Zivilrechts“.1 Die urheberzivilrechtlichen Vorschriften haben in der öffentlichen Wahrnehmung gegenüber den urheberstrafrechtlichen Vor­ schriften die weitaus größere Bedeutung. Jedenfalls werden aktuelle Debatten zu Upload-Filtern, Filesharing-Betreibern und den Auswirkungen der EUUrheberrechtsreform2 primär aus zivilrechtlicher Perspektive geführt. Das „Primat des Zivilrechts“ beeinflusst aber auch das materiell-rechtliche Verhältnis der strafrechtlichen zu den zivilrechtlichen Vorschriften. Vor die­ sem Hintergrund könnte man die Notwendigkeit einer Befassung mit dem Urheberstrafrecht bezweifeln, insoweit läge es möglicherweise sogar näher, sich den relevanten Fragen aus zivilrechtlicher Perspektive zu widmen. Es ist aber gerade dieses materiell-rechtliche Verhältnis zwischen dem Straf- und dem Zivilrecht, aus dem sich weitreichende dogmatische Probleme ergeben, denen – um es vorwegzunehmen – durch die gegenwärtige Ausgestaltung des Urheberstrafrechts nicht immer lückenlos und widerspruchsfrei begegnet werden kann. Das Urheberrechtsgesetz beantwortet die Frage nach dem ma­ teriell-rechtlichen Verhältnis übergeordnet durch eine inhaltliche Abhängig­ keit der strafrechtlichen Vorschriften von den zivilrechtlichen. Insoweit liegt dem Urheberstrafrecht das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät zugrunde.

1  Vgl. Heinrich, S. 176; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., Vorbem. UrhG Rn. 29; Wandtke/Ohst-Heinrich, Kapitel 6 Rn. 314. 2  Besonders relevant ist in diesem Zusammenhang die RL (EU) 2019/790 des Eu­ ropäischen Parlaments und des Rates vom 17. April 2019 über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte im digitalen Binnenmarkt und zur Änderung der Richt­ linien 96/9/EG und 2001/29/EG.

24 Einleitung

Dieses Prinzip steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit. Dabei bewegt sich die Thematik nicht ausschließlich im reinen materiellen Urheberrecht. Hier werden spezifisch strafrechtliche Aspekte ebenso relevant wie allge­ meine zivilrechtliche Prinzipien. Es stellen sich auch grundsätzliche Fragen zum Verhältnis des Nebenstrafrechts zu dem jeweiligen „Hauptrecht“. Vor allem aber weisen diese Aspekte meist Bezüge zum Verfassungsrecht auf. Dies hängt in erster Linie damit zusammen, dass das Strafrecht hinsichtlich der Ausgestaltung seiner Tatbestände erhöhten verfassungsrechtlichen Anfor­ derungen ausgesetzt ist. Insoweit erfolgt bei der Bearbeitung dieses Themas in mehreren Hinsichten eine „Schnittstellenarbeit“. In diesem Zusammen­ hang werden immer wieder auch allgemeinere und insoweit als „klassisch“ zu bezeichnende Fragen des Urheberrechts, des Strafrechts und des Verfas­ sungsrechts relevant – diese werden sodann aber stets vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät bewertet. Im ersten Kapitel widmet sich die Arbeit allgemeiner der Einordnung des Urheberstrafrechts. Hier geht es um die Rolle der strafrechtlichen Vorschrif­ ten im Urheberrechtsgesetz und vor allem um das allgemeine Verhältnis zum Urheberzivilrecht, insbesondere aus der Perspektive der Rechtsdurchsetzung. Im zweiten Kapitel wird das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät als solches betrachtet. Ein Schwerpunkt liegt hier auf der Beantwortung der Frage, warum das Urheberstrafrecht überhaupt zivilrechtsakzessorisch ausge­ staltet ist. Dabei geht es aber auch um Fragen der Wirkungsweise und vor allem die für den weiteren Verlauf besonders bedeutsame verfassungsrecht­ liche Verankerung der Urheberzivilrechtsakzessorietät. Hier werden zudem allgemeinere Fragen zum Prinzip der Akzessorietät und zur Rolle des Straf­ rechts im Verfassungsgefüge behandelt. Diese haben jedoch stets Bezüge zur Urheberzivilrechtsakzessorietät. In den beiden weiteren Kapiteln steht die konkret materiell-rechtliche An­ wendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät im Mittelpunkt der Betrach­ tung. Hier geht es vor allem um ihre Schwächen und Grenzen, also um die­ jenigen Fälle, in denen sich die Akzessorietät gerade nicht streng anwenden lässt. Dabei werden im dritten Kapitel zunächst die allgemeinen Grenzen erörtert, die alle urheberstrafrechtlichen Tatbestände gleichermaßen betreffen. Im vierten Kapitel geht es dann um die speziellen Grenzen in den einzelnen urheberstrafrechtlichen Zentraltatbeständen. All diese Konstellationen wer­ den anhand eines Systematisierungsansatzes eingeordnet, der aus den Er­ kenntnissen der ersten beiden Kapitel entwickelt wird. Dabei erfolgt die Darstellung in mehreren Hinsichten vom Allgemeinen zum Speziellen: Nach der Darstellung zur Rolle des Urheberstrafrechts und des Verhältnisses zum Urheberzivilrecht (Kapitel 1) geht es um die Antwort des Gesetzgebers auf dieses Verhältnis, das in dem Prinzip der Urheberzivil­

Einleitung25

rechtsakzessorietät zu sehen ist (Kapitel 2). Sodann folgt die Anwendung dieses Prinzips, wobei wiederum zunächst vom Allgemeinen (Kapitel 3) auf das Spezielle (Kapitel 4) geschlossen wird. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt aber auf den Grenzen der Urheber­ zivilrechtsakzessorietät. Gemeint sind damit diejenigen Konstellationen, in denen sich die Urheberzivilrechtsakzessorietät gerade nicht konsequent an­ wenden lässt. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob diese Konstellationen hinnehmbar sind, ob sie (lediglich) Wertungswidersprüche nach sich ziehen oder ob sie gar den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit begründen. Bereits an dieser Stelle können in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Aspekte hervorgehoben werden: Zum einen besteht eine verfassungsrechtliche Not­ wendigkeit für die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des Urheberstraf­ rechts. Zum anderen beruhen diejenigen Konstellationen, in denen sich die Akzessorietät trotz dieser Notwendigkeit nicht konsequent anwenden lässt, stets auf (vermeintlich) übergeordneten Erwägungen. Insoweit hat man es in den hier relevanten Konstellationen immer mit widerstreitenden Interessen und Erwägungen zu tun. Ob und inwieweit diese Erwägungen letztlich tatsächlich als übergeordnet einzustufen sind, ob die einzelnen Grenzen sodann noch hinnehmbar sind oder ob es gar einer Auflösung der Akzessorietät bedarf, wird zu erörtern sein. Der letztgenannte Aspekt liegt der gesamten Arbeit dabei übergeordnet zugrunde und lässt sich auf die Ausgangsfrage zuspitzen, ob im Ergebnis trotz zwingend gebotener Abweichungen am Grundsatz der Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht festgehalten werden kann. Die Beantwortung dieser Frage ist das Ziel dieser Arbeit. Vor dem Hinter­ grund, dass das Urheberstrafrecht gegenwärtig bereits zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist, könnte man sich fragen, was das eigentlich Neue an der Be­ schäftigung mit dieser Thematik ist. Zwar haben sich gerade in den letzten Jahrzehnten vermehrt Autoren mit dem Urheberstrafrecht befasst.3 Fragen der Zivilrechtsakzessorietät wurden dabei jedoch stets zur Beantwortung an­ derer, spezieller Fragestellungen und insoweit als „Mittel zum Zweck“ the­ matisiert. Die Berechtigung und Notwendigkeit der Urheberzivilrechtsakzes­ sorietät selbst wurde bislang erkennbar aber noch nicht separat erörtert. Dies ist das Anliegen dieser Arbeit.

3  Zu nennen sind die Werke von Heinrich, passim; Hildebrandt, passim; Wissmann, passim; sowie die Habilitationsschrift von Weber, passim.

Kapitel 1

Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts Die strafrechtlichen Vorschriften des Urheberrechts zählen nicht zur Kern­ materie des deutschen Strafrechts. Dies zeigt sich auch an ihrer Verortung außerhalb des StGB. Der Gesetzgeber hat sich dazu entschieden, das gesamte deutsche Urheberrecht in einem gemeinsamen Gesetz, dem Urheberrechts­ gesetz, zu regeln, das zivilrechtliche Vorgaben ebenso enthält wie strafrecht­ liche und verfahrensrechtliche.1 Es ist gerade diese Auslagerung der strafrechtlichen Vorschriften in ein Gesetz, das vorrangig den zivilrechtlichen Schutz des Urhebers vor Augen hat,2 die eine Beschäftigung mit der Thematik dieser Arbeit rechtfertigt. Mit der Verortung der urheberstrafrechtlichen Tatbestände außerhalb des StGB geht insbesondere die Frage nach ihrem Verhältnis zu den zivilrechtlichen Vorschriften des Urheberrechts einher. Die übergeordnete Antwort des Ge­ setzgebers hierauf ist in der Zivilrechtsakzessorietät zu sehen, die, wie noch ausführlich zu zeigen sein wird, eine inhaltliche Abhängigkeit des Urheber­ strafrechts von den zivilrechtlichen Vorschriften des Urheberrechts bewirkt.3 Dies einleitend, soll zunächst allgemein auf die urheberstrafrechtlichen Vor­ schriften (§ 1) und das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivil­ recht eingegangen werden (§ 2).

§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts Die folgenden Ausführungen dienen dazu, einige Grundlagen für den wei­ teren Verlauf der Darstellung zu legen, auf die später immer wieder zurück­ gegriffen wird. Dafür soll zunächst ein allgemeiner Überblick über die Vor­ schriften des Urheberstrafrechts gegeben werden (A.), bevor eine Einordnung dieser Vorschriften in die allgemeine Strafrechtsdogmatik erfolgt (B.). Nach einer kurzen Betrachtung der historischen Entwicklung (C.) erfolgt eine Auf­ 1  Sich differenzierend mit der Frage einer Übernahme der urheberstrafrechtlichen Vorschriften ins StGB befassend Heinrich, FS Wandtke 2013, S. 413 ff., 428. 2  Selbst bei Einberechnung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes (§ 111a UrhG) sind lediglich neun Paragraphen im weitesten Sinn dem Straf- bzw. Strafverfahrens­ recht zuzuordnen. 3  Vgl. hierzu die Darstellungen ab Kapitel 2.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts27

bereitung der zentralen urheberrechtlichen Straftatbestände, insbesondere des § 106 UrhG (D.) und sodann der §§ 107, 108 und 108b UrhG (E.).

A. Überblick über die Vorschriften des Urheberstrafrechts § 106 UrhG stellt den wichtigsten Tatbestand des Urheberstrafrechts dar. Dieser normiert eine Strafbarkeit bei unerlaubter Verwertung urheberrecht­ lich geschützter Werke. Als Pendant hierzu ist § 108 UrhG anzusehen, der eine Strafbarkeit bei unerlaubten Eingriffen in verwandte Schutzrechte zum Gegenstand hat. Beide Tatbestände dienen dem strafrechtlichen Schutz der Verwertungsrechte des Urhebers (§ 106 UrhG) sowie des Schutzrechtsinha­ bers (§ 108 UrhG).4 § 107 UrhG sanktioniert hingegen das unzulässige An­ bringen der Urheberbezeichnungen auf Werken der bildenden Kunst. Hier­ durch erfährt das Urheberpersönlichkeitsrecht – wenn auch in sehr engen Grenzen – strafrechtlichen Schutz.5 §§ 106, 107 und 108 UrhG sind im Falle gewerbsmäßigen Handelns durch § 108a UrhG qualifiziert. § 108b Abs. 1 und Abs. 2 UrhG erfassen unerlaubte Eingriffe in technische Schutzmaßnah­ men und in zur Rechtewahrnehmung erforderliche Informationen, die im Falle gewerbsmäßigen Handelns über § 108b Abs. 3 UrhG qualifiziert sind. §§ 106, 107, 108 und 108b UrhG gelten dabei als die Zentraltatbestände des Urheberstrafrechts.6 Auf diese wird im weiteren Verlauf der Darstellung im Zusammenhang mit der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Urhe­ berstrafrechts intensiv eingegangen.7 Mit § 111a UrhG existiert zudem ein Ordnungswidrigkeitentatbestand, der einige Rechtsverstöße bußgeldrechtlich erfasst.8 § 109 UrhG normiert ein Strafantragserfordernis, wonach die strafrechtliche Verfolgung des Täters nur auf Antrag des Verletzten oder bei Feststellung eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden er­

4  Dreier/Schulze-Dreier,

§ 106 Rn. 1; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108 Rn. 2. § 107 Rn. 1. 6  So etwa MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 1; Schricker/Loewen­ heim-Kudlich, § 106 Rn. 1; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 1; vgl. hinge­ gen die Bezeichnung des § 106 UrhG als „Grundtatbestand des Urheberstrafrechts“ bei Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 3; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, Vor §§ 106 ff. Rn. 3, wodurch jedoch die unpassende Assoziation einer Gegenüber­ stellung von Grundtatbestand und Qualifikation hervorgerufen wird. 7  Vgl. zunächst im Überblick Kapitel 1, § 1, D. und E. und sodann im Zusam­ menhang mit den Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in den einzelnen Straftatbe­ ständen Kapitel 4. 8  Wobei § 111a UrhG keine Strafvorschrift im eigentlichen Sinn, sondern eine bußgeldrechtliche Vorschrift darstellt. 5  Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen,

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

folgt.9 Mit § 110 UrhG (Einziehungsregelung), § 111 UrhG (Regelung zur Bekanntgabe der strafrechtlichen Verurteilung) sowie §§ 111b und 111c UrhG (Verfahrensregelungen) existieren einige weitere verfahrens- und prozess­ rechtliche Vorschriften.

B. Einordnung der §§ 106 ff. UrhG in die allgemeine Strafrechtsdogmatik Trotz Verortung der §§ 106 ff. UrhG außerhalb des StGB stellt das Ur­ heberstrafrecht keine vom übrigen Strafrecht losgelöste Materie dar. Die §§ 106 ff. UrhG sind vielmehr als Bestandteil des Nebenstrafrechts dem materiellen Strafrecht zuzuordnen.10 Deshalb finden gem. Art. 1 Abs. 1 EGStGB auch alle Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB (§§ 1–79b StGB) auf die §§ 106 ff. UrhG Anwendung. Dies gilt über den Wortlaut des Art. 1 Abs. 1 EGStGB hinaus im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung in den ein­ zelnen Bereichen des Strafrechts auch für sämtliche ungeschriebenen Grund­ sätze der allgemeinen Strafrechtsdogmatik.11 Im Folgenden soll auf einige dieser Anwendungsbereiche des Allgemeinen Teils des StGB im Zusammen­ hang mit dem Urheberstrafrecht eingegangen werden. I. Anwendbarkeit des deutschen Urheberstrafrechts Relevanz erfährt die Geltung der Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB zunächst im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des deutschen Urheberstrafrechts. Die Frage des anwendbaren Rechts ist vor dem Hinter­ grund der sich gerade im Bereich des Urheberrechts zunehmend ins Internet verlagernden Cyberkriminalität von besonderer Bedeutung.12 Wegen Art. 1 Abs. 1 EGStGB gelten dabei an sich die allgemeinen Vorschriften der §§ 3–9 StGB, sodass die Anwendbarkeit des deutschen Urheberstrafrechts grund­ sätzlich an den Ort der Handlung und den Ort des Erfolgseintritts anknüpft. Die Rechtsprechung hat in diesem Zusammenhang die Geltung des Territo­ rialitätsprinzips und auch des Schutzlandprinzips speziell für das Urheber­ 9  Vom Strafantragserfordernis ausgenommen ist jedoch die Vorschrift des § 108a UrhG, die als Offizialdelikt ausgestaltet ist; vgl. hierzu Fromm/Nordemann-Ruttke/ Scharringhausen, Vor §§ 106 ff. Rn. 4; vgl. zum Antragserfordernis ferner Kapitel 1, § 2, C., II. 10  Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, §  106 Rn.  3; Fromm/NordemannRuttke/Scharringhausen, Vor §§ 106 ff. Rn. 5. 11  So etwa die Grundsätze zur Kausalität und zur objektiven Zurechnung; vgl. hierzu Schricker/Loewenheim-Kudlich, Vor §§ 106 ff. Rn. 20. 12  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 1, C., II.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts29

strafrecht ausdrücklich bestätigt.13 Zu beachten ist jedoch, dass mit den §§ 120 ff. UrhG spezielle Vorschriften existieren, die die Vorgaben des Allge­ meinen Teils des StGB im Bereich des Urheberstrafrechts nicht unwesentlich modifizieren.14 II. Modalitäten der Tatbegehung Von Bedeutung ist die Anwendung der Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB auch für die Modalitäten der konkreten Tatbegehung. Eine strafbe­ wehrte Urheberrechtsverletzung kann sowohl durch aktives Tun als auch in Form eines Unterlassens begangen werden, sofern der Täter eine Garanten­ pflicht hat und die weiteren Voraussetzungen des § 13 StGB vorliegen. Auch insoweit gelten die allgemeinen Grundsätze.15 Die Tathandlung kann der Täter dadurch vornehmen, dass er alle Tatbe­ standsmerkmale selbst verwirklicht (unmittelbare Täterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 1 StGB) oder die Urheberrechtsverletzung durch einen anderen begeht (mittelbarere Täterschaft, § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB). Möglich ist ferner eine gemeinschaftliche Tatbegehung (Mittäterschaft, § 25 Abs. 2 StGB) sowie im Falle einer vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Urheberrechtsverletzung durch einen anderen eine Strafbarkeit wegen Anstiftung (§ 26 StGB) oder Beihilfe (§ 27 StGB).16 III. Strafbarkeit des Versuchs Sofern der Taterfolg trotz Tatentschlusses und unmittelbaren Ansetzens ausgeblieben ist, kann sich der Täter wegen Versuchs strafbar machen. Dies ergibt sich aus der ausdrücklichen Anordnung der Versuchsstrafbarkeit in §§ 106 Abs. 2, 107 Abs. 2, 108 Abs. 2 und 108a Abs. 2 UrhG. Die Existenz und Notwendigkeit dieser Vorschriften resultieren daraus, dass § 23 Abs. 1 StGB wegen Art. 1 Abs. 1 EGStGB auch für das Urheberstrafrecht gilt. Demnach kommt eine Strafbarkeit des Versuchs im Falle eines Vergehens nur dann in Betracht, wenn die Strafbarkeit gesetzlich angeordnet ist.

13  BGHSt 49, 93 (97 f.) = BGH GRUR 2004, 421 (422 f.) = BGH NJW 2004, 1674 (1674 f.) – Tonträgerpiraterie durch CD-Export; vgl. hierzu auch Weber, FS Stree/ Wessels 1993, S. 618 ff. 14  Vgl. etwa § 120 Abs. 1 UrhG, wonach der uneingeschränkte urheberstrafrecht­ liche Schutz lediglich deutschen Staatsangehörigen zukommt. 15  Vgl. Art. 1 Abs. 1 EGStGB. 16  Vgl. hierzu die Ausführungen bei Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 39 ff.; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 127 ff.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Die ausdrückliche Anordnung der Versuchsstrafbarkeiten ist hier notwen­ dig, da die Strafandrohungen der §§ 106 ff. UrhG im Mindestmaß keine Freiheitsstrafe von einem Jahr vorsehen, es sich bei den Straftatbeständen des Urheberrechts also um Vergehen handelt (§ 12 Abs. 1 StGB). Für die Modalitäten der Tatbegehung der Versuchsstrafbarkeit finden über Art. 1 Abs. 1 EGStGB die Vorgaben der §§ 22 ff. StGB Anwendung.17 IV. Vorsatz und Irrtümer Besondere Relevanz erfährt auch die Anwendung von § 15 StGB, wonach nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, eine fahrlässige Tatbegehung ist dies hingegen nur dann, wenn sie ausdrücklich mit Strafe bedroht ist. Da das Urheberstrafrecht eine solche Fahrlässigkeitsstrafbarkeit aber gerade nicht vorsieht, kann hier lediglich vorsätzliches Handeln zu einer Strafbarkeit füh­ ren. Entsprechend hoch ist auch die Bedeutung der Irrtumslehre im Urheber­ strafrecht. Diesbezüglich ist wegen Art. 1 Abs. 1 EGStGB auf die §§ 16, 17 StGB abzustellen. Irrt der Täter über tatsächliche Umstände des Tatbestan­ des, führt dies über § 16 StGB zum Entfallen des Vorsatzes und er bleibt straflos. Betrifft der Irrtum hingegen eine rechtliche Wertung, führt dies über einen Verbotsirrtum nur dann zur Straffreiheit, wenn der Irrtum unvermeid­ bar war (§ 17 S. 1 StGB). Sofern der Täter über tatsächliche Umstände eines Rechtfertigungsgrundes irrt, kann dies über einen Erlaubnistatbestandsirrtum in analoger Anwendung des § 16 StGB zum Entfall der Vorsatzschuld füh­ ren.18 Auf all diese Aspekte wird später noch ausführlich eingegangen.19 V. Konkurrenzlehre Wegen Art. 1 Abs. 1 EGStGB finden auch die Vorschriften der strafrechtlichen Konkurrenzlehre Anwendung (§§ 52–55 StGB). Dies ist deshalb be­ deutsam, weil mit der Verwirklichung der §§ 106 ff. UrhG häufig auch die Verwirklichung anderer Straftaten aus dem Kernstrafrecht einhergehen. Zu 17  Vgl. hierzu MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 1; Schricker/Loe­ wenheim-Kudlich, Vor §§  106 ff. Rn.  37 ff. 18  So in st. Rspr. BGHSt 3, 105 (106 f.) = BGH NJW 1952, 1023 – Züchtigungs­ befugnis; BGHSt 17, 87 (91) = BGH NJW 1962, 971 – Tatbestandsirrtum; BGHSt 31, 264 (286 f.) = BGH NJW 1983, 2509 (2514) – Fall Poulain; dem zustimmend etwa Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 14 Rn. 77; Heinrich, Strafrecht AT, Rn.  1132 f.; Roxin, Strafrecht AT I, § 14 Rn. 62 ff.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, § 16 Rn. 18. 19  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 1, D., II. und insbes. Kapitel 3, § 3, B.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts31

denken ist etwa an die Konstellation, in der der Täter zur Erlangung des urheberrechtlich geschützten Werkes einen Diebstahl (§ 242 StGB), eine ­ Unterschlagung (§ 246 StGB) oder einen Haufriedensbruch (§ 123 StGB) begeht oder er den Straftatbestand des Betrugs (§ 263 StGB), der Untreue (§ 266 StGB) oder der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) verwirklicht. Zu denken wäre ferner an die Straftatbestände der Beleidigung (§ 185 StGB) und der Sachbeschädigung (§ 303 StGB). In all diesen Fällen bestimmt sich das Konkurrenzverhältnis wegen der Geltung der §§ 52–55 StGB nach den Grundsätzen der Ideal- und Realkonkurrenz. VI. Zwischenergebnis Das Urheberstrafrecht stellt trotz seiner Verortung in einem Spezialgesetz keine vom übrigen materiellen Strafrecht losgelöste Materie dar, sondern ist diesem vielmehr zugehörig. Gerade deshalb finden auch die Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB auf die §§ 106 ff. UrhG im Grundsatz genauso Anwendung wie auf jeden Straftatbestand des Kernstrafrechts. Auf Einzel­ heiten zu den vorgenannten Aspekten wird im weiteren Verlauf der Darstel­ lung eingegangen, sofern dies für die Einordnung der Zivilrechtsakzessorietät von Bedeutung ist.

C. Historische Einordnung Zum besseren Verständnis der im weiteren Verlauf darzustellenden Zusam­ menhänge wird hier eine kurze historische Einordnung vorgenommen. Dabei wird sowohl auf die Entwicklung des Verständnisses für die Schutzbedürftig­ keit geistigen Schaffens (I.) als auch der sich daraus ergebenden gesetzlichen Kodifizierung des Urheberrechts eingegangen (II.), um anschließend die Ur­ sprünge des Urheberstrafrechts (III.) sowie der Zivilrechtsakzessorietät dar­ zustellen (IV.). I. Bedürfnis nach Schutz des geistigen Schaffens Dem Umstand, dass heute ein grundsätzliches Verständnis für eine imma­ terielle „Herrschaft über das Werk“20 fast schon selbstverständlich ist, ging ein langer Kampf um Anerkennung und gesetzliche Verankerung voraus. Prägnant formuliert Ulmer: „Altertum und Mittelalter haben kein Urheber­ recht gekannt.“21 Auch der überlieferte Ausspruch des Stadthalters von Rom, Begriff prägend Ulmer, § 9 I. § 9 I; in diese Richtung gehend auch Rehbinder/Peukert, § 4 Rn. 126; Wandtke, S. 5. 20  Den

21  Ulmer,

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Quintus Aurelius Symmachus, wonach eine freie Rede eine freie Sache sei („oratio publicata res libera est“), offenbart, dass zur Zeit um 400 n. Chr. keinerlei Verständnis für die Schutzbedürftigkeit geistigen Schaffens be­ stand.22 Der Gedanke, den immateriellen Geistesgehalt von dem verkörperten Sachgegenstand zu trennen, war dem Verständnis dieser Zeit fremd.23 Ein grundsätzliches Verständnis für und ein Bedürfnis nach Schutz von geistigen Leistungen war lediglich unter den Werkschaffenden selbst vorhan­ den. Überliefert ist etwa die Metapher des römischen Dichters Marcus Valerius Martialis’, in der er ein von ihm veröffentlichtes Gedicht mit einem freigelassenen Sklaven und denjenigen, der das Gedicht als sein eigenes ausgab, mit einem Menschenräuber (plagiarius) verglich.24 Auch wenn die Werkschaffenden und ausübenden Künstler ein solches Bedürfnis nach Aner­ kennung ihrer geistigen Leistungen mit zunehmender Zeit auch öffentlich artikulierten, war ein solches Verständnis bis weit in die Neuzeit hinein je­ denfalls nicht mehrheitsfähig und spiegelte sich vor allem nicht in eigenen Rechten und Ansprüchen des Werkschaffenden wider.25 Das öffentliche An­ sehen des Werkschaffenden war vielmehr vom Bild einer freien, selbstständi­ gen und vor allem unentgeltlichen Tätigkeit geprägt. Konnte sich der Werk­ schaffende dabei, wie meist, jedoch nicht selbstständig finanzieren, war er auf die Unterstützung von Mäzenen oder Zünften angewiesen.26 Dies bedeu­ tete jedoch nicht nur die Aufgabe seiner Unabhängigkeit, auch die Entschei­ dung über eine Veröffentlichung und Verbreitung seiner Werke lag sodann beim Mäzen oder bei der Zunft.27 Es waren schließlich die Kunst des Kupferstichs und der Buchdruck, die mit den zunehmenden Möglichkeiten des Nachdrucks und der Vervielfältigung im Laufe des 15. Jahrhunderts das Verständnis für die Schutzbedürftig­ keit geistigen Schaffens in das Bewusstsein auch der breiten Bevölkerung rückten.28 Dies nahm im Laufe der Entwicklungen im Zuge der Industriali­ sierung stetig zu.29 Neben diesen verändernden technischen Umständen Frosio, S.  34 ff. § 4 Rn. 126. 24  Vgl. Rehbinder/Peukert, § 4 Rn. 126; Schricker/Loewenheim-Ulmer, Einleitung Rn. 108; Ulmer, § 9 I; Waiblinger, S. 21 f., wonach Martialis auch die Wortschöpfung des heutigen Begriffs „Plagiat“ zuzuschreiben sei. 25  So Ulmer, § 9 I. 26  Vgl. hierzu die Darstellungen bei Rehbinder/Peukert, § 4 Rn. 127; Seifert, S.  25 ff. 27  Rehbinder/Peukert, § 4 Rn. 126. 28  Lettl, § 1 Rn. 45; Rehbinder/Peukert, § 4 Rn. 129 ff.; Schricker/LoewenheimUlmer, Einleitung Rn. 110 ff.; Seifert, S.  73 ff. 29  Vgl. insgesamt zu den Entwicklungen zu dieser Zeit die Darstellungen bei Seifert, S.  106 ff.; Wandtke, S.  8 f.; Weber, S.  13 f. 22  Vgl.

23  Rehbinder/Peukert,



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts33

spielte dabei aber auch das sich wandelnde Ansehen des Individuums in der Zeit der Renaissance und des Humanismus eine entscheidende Rolle, in der zunehmend der einzelne Mensch im Zentrum des Geschehens stand.30 Das geistige Werkschaffen wurde zum Sinnbild individueller Leistungskraft, die es anzuerkennen und zu fördern galt. Mit fortschreitender Etablierung dieses Ansehens entwickelte sich auch das Verständnis, dass dieser geistigen Leis­ tungskraft des Menschen (rechtlicher) Schutz zukommen müsse. II. Gesetzliche Kodifizierung des Urheberrechts Ab dem 15. Jahrhundert und vor allem im Laufe des 16. Jahrhunderts wurde der rechtliche Schutz des Werkschaffenden auch gesetzlich verankert. In Form von Privilegien wurden einzelnen Künstlern für bestimmte Werk­ arten auf gewisse Zeit ausschließliche Verwertungsrechte eingeräumt.31 Bei der Verleihung eines solchen Privilegs handelte es sich jedoch stets um ein­ zelne hoheitliche Verleihungsakte und damit immer auch um für jedes Werk im Einzelfall zu treffende „Ermessensentscheidungen“32. Es existierten also mitnichten einheitliche Vorgaben zur Erlangung urheberrechtlichen Schut­ zes, dieser hing vielmehr vom Gutdünken des Stadthalters, Landesfürsten oder Königs ab.33 Das Privilegienwesen war insbesondere aufgrund der da­ maligen territorialen Zersplitterung des Deutschen Reiches noch weit davon entfernt, ein einheitlich kodifiziertes Recht des Werkschaffenden zu ermög­ lichen. Im Laufe der Zeit entstanden in den einzelnen Kleinstaaten jedoch ver­ mehrt Nachdruckverbote und schließlich auch erste Vorläufer einer allge­ meingültigen gesetzlichen Kodifizierung von Urheberrechten, die aber eben lediglich auf den jeweiligen territorialen Raum begrenzt waren. Hervorzuhe­ ben ist dabei das Königlich Preußische Gesetz aus dem Jahr 1837.34 Dieses galt schließlich auch als Vorbild des ersten Urheberrechtsgesetzes des Nord­ deutschen Bundes, das 1870 verabschiedet und 1871 für das gesamte Deut­ sche Reich übernommen wurde; 1901 folgte das Gesetz betreffend das Urhe­ berrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst (LUG) und 1907 das

30  Vgl. hierzu die Ausführungen bei Dittrich, S.  9 ff.; Gieseke, S. 69 ff.; Schricker/ Loewenheim-Ulmer, Einleitung Rn. 110 ff.; Ulmer, § 9 II. 31  Vgl. zum Privilegienwesen Dittrich, S.  119 ff.; Flechsig, Ediktalische Privilegie­ nerteilung im 16. Jahrhundert, S. 85 ff.; Gieseke, S. 23 ff.; Schricker/Loewenheim-Ulmer, Einleitung Rn. 110 ff. 32  So prägnant formuliert von Ulmer, § 9 II. 33  Rehbinder/Peukert, § 4 Rn. 126. 34  Vgl. hierzu Dittrich, S.  55 ff.; Gieseke, S.  69 ff.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (auch als Kunst-Urheber-Gesetz bekannt).35 Diese Gesetze lassen sich als Vorläufer des 1965 erlassenen Urheberrechtsgesetzes ansehen, das die einzelnen gesetzlichen Kodifizierungen zu­ sammenfasste und nach mehreren Reformen noch bis heute in Kraft ist.36 Das Kunst-Urheber-Gesetz wurde damit jedoch nicht vollständig abgelöst, es enthält nach wie vor einige Vorschriften zum Bildnisschutz, die der Konzep­ tion des Urheberrechts allerdings fremd sind und somit nicht ins Urheber­ rechtsgesetz übernommen werden konnten. III. Entwicklung des Urheberstrafrechts Der zumindest geschichtlich verbriefte Ursprung des Urheberstrafrechts lässt sich auf das Jahr 1470 und den Gesellen Heinrich Eggestein zurückfüh­ ren: Dieser arbeitete für seinen Meister Johannes Mentelin, dem bis heute zugeschrieben wird, die erste vorlutherische Bibel verlegt zu haben (sog. Mentelin-Bibel). Obwohl es Mentelin im Rahmen seines ihm erteilten Privi­ legs vorbehalten war, über die Veröffentlichung und Vervielfältigung der Bi­ bel zu entscheiden, war es sein Geselle Eggestein, der diese Bibel eigenhän­ dig und ohne Erlaubnis Mentelins herausbrachte und mehrere Nachdrucke herstellte.37 Nach damaligem Verständnis stellte dies jedoch keine Urheber­ rechtsverletzung dar, sondern einen Verstoß gegen das Druckprivileg Mentelins.38 Auch wenn dies ein anderes Schutzgut betraf und sich das Verständ­ nis von einer Verletzung des Privilegs hin zur Verletzung des Urheberrechts, wie soeben dargestellt, erst im Laufe der Zeit wandelte, wurde das Verhalten Eggesteins als sanktionswürdiges Unrecht bewertet. Dabei enthielten die einzelnen Privilegien durchaus erste Ansätze dessen, was man heute als Straftatbestände qualifizieren würde. Interessant ist in diesem Zusammenhang etwa die Verordnung zum Schutze der Autorenrechte des Jakob Spiegels vom 14. September 1535. Diese sah vor, dass der Verlet­ zer eines Privilegs eine Strafe von zehn Mark reinen Goldes zu zahlen hatte, die zu gleichen Teilen an den kaiserlichen Fiskus und den Verletzten zu ent­ richten war.39 Dabei galt die Zahlung an den Fiskus als die eigentliche Sank­ 35  Vgl. zu den Gesetzen und ihrer Relevanz für die spätere Schaffung des Urheber­ rechtsgesetzes Dittrich, S.  117 ff.; Maracke, S. 292 ff.; Schricker/Loewenheim-Ulmer, Einleitung Rn.  127 ff.; Ulmer, § 9 III. 36  Vgl. zur Einführung des Urheberrechtsgesetzes den ursprünglichen Regierungs­ entwurf von 1962 in BT-Drs. IV/270; vgl. ferner die Darstellungen bei Delp, S.  151 ff. 37  Vgl. hierzu Flechsig in: Rechtspolitische Überlegungen, S. 9. 38  Flechsig in: Rechtspolitische Überlegungen, S. 9. 39  Vgl. hierzu Flechsig, Ediktalische Privilegienerteilung im 16.  Jahrhundert, S.  93 ff.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts35

tion, die Zahlung an den Verletzten hingegen als Kompensation eines ent­ standenen Schadens, womit sich das damalige Verständnis noch erheblich von der heutigen Trennung zwischen Strafe und zivilrechtlichem Schadens­ ausgleich unterschied.40 Es erfolgte insoweit eine Vermengung der Sankti­ onselemente auf der einen und der Kompensationselemente auf der anderen Seite. Eine einheitliche Rechtsgrundlage zur strafrechtlichen Sanktionierung von Urheberrechtsverletzungen entstand in Form von Straftatbeständen erst mit der gesetzlichen Kodifizierung des Urheberrechts. Sowohl die §§ 38 ff. LUG als auch die §§ 32 ff. KUG sahen entsprechende Straftatbestände vor, die 1965 im Wesentlichen ins Urheberrechtsgesetz übernommen wurden.41 Be­ züglich des Strafrahmens waren die Vorschriften des UrhG jedoch strenger als diejenigen des LUG und KUG und enthielten erstmals auch die Andro­ hung freiheitsentziehender Maßnahmen, während die Vorschriften des LUG und KUG lediglich Geldstrafen vorsahen. Inhaltlich wurden einige unbedeutendere Strafvorschriften nicht ins Urhe­ berrechtsgesetz übernommen. Dies betrifft etwa die in § 44 LUG und § 40 KUG explizit normierten Straftatbestände der Wiedergabe des Werkes ohne Angabe der Quelle. Restriktiver fiel auch der strafrechtliche Schutz im Hin­ blick auf das Urheberpersönlichkeitsrecht aus, da lediglich der Straftatbe­ stand des unzulässigen Anbringens der Urheberbezeichnung (§ 107 UrhG) übernommen wurde. Auch die in § 38 Abs. 2 LUG und § 32 Abs. 2 KUG verorteten Straftatbestände der unerlaubten Veränderung des Werkes, des Werktitels oder der Bezeichnung des Urhebers wurden nicht ins UrhG über­ nommen. Gleiches gilt für § 39 LUG, der eine Strafbarkeit bei unberechtigter öffentlicher Mitteilung des wesentlichen Inhalts des Werkes vorsah. Eine in­ haltliche Erweiterung erfolgte hingegen durch die Einführung der Strafbar­ keit bei Eingriffen in verwandte Schutzrechte.42 Insbesondere in neuerer Zeit waren die strafrechtlichen Vorschriften häufig Gegenstand urheberrechtlicher Reformbestrebungen.43 Die Einführung des Qualifikationstatbestandes bei gewerbsmäßiger Begehung (§ 108a UrhG) aus 40  Interessant ist dabei die Verpflichtung zur Rückgabe der nachgedruckten Exem­ plare, wobei ein Verstoß gegen diese Rückgabepflicht gem. Ziffer 32 der Verordnung einer Strafdrohung unterstellt war; vgl. in diesem Zusammenhang ferner Flechsig, Ediktalische Privilegienerteilung im 16. Jahrhundert, S. 99, der bei Verletzung eines Privilegs von einem „Offizialdelikt“ spricht. 41  Wobei die Strafvorschriften im Regierungsentwurf zum UrhG von 1962 noch in den §§ 116 ff. UrhG verortet waren; vgl. BT-Drs. IV/270. 42  Siehe hierzu die Vorschrift des heutigen § 108 UrhG. 43  Vgl. zur zunehmende Bedeutung des Urheberstrafrechts durch die Produktpira­ terie Rehbinder, ZUM 1990, 462 (464).

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

dem Jahr 1985 und die Einführung der Versuchsstrafbarkeiten (§§ 106 Abs. 2, 107 Abs. 2, 108 Abs. 2 UrhG) aus dem Jahr 1990 sind nur zwei Beispiele hierfür. Hinzu kommen Anpassungen aufgrund verschiedener unionsrecht­ licher Vorgaben, auf die hier jedoch nicht näher eingegangen werden soll.44 IV. Ursprünge der Zivilrechtsakzessorietät Interessant ist dabei, dass zumindest die ersten einheitlichen strafgesetz­ lichen Kodifizierungen, also die Strafvorschriften des LUG und KUG, inhalt­ lich an die zivilrechtlichen Ausgangsvorschriften anknüpften und somit von einem Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät geprägt waren. Dieses wurde freilich noch nicht als solches bezeichnet, was sich auch damit erklären lässt, dass die Differenzierung zwischen Zivil- und Strafrecht zu dieser Zeit noch nicht allzu streng durchgehalten wurde; dies zeigt sich bereits an der erwähn­ ten Vermischung des Charakters der zivilrechtlichen Schadensersatzansprü­ che und des strafrechtlichen Sanktionsregimes.45 Dass die Strafvorschriften aber eine inhaltliche Anlehnung an die allge­ meinen Vorgaben der Gesetze voraussetzten, zeigt sich etwa an bereits ange­ sprochenem § 44 LUG. Hiernach machte sich strafbar, „wer [es] den Vor­ schriften des § 18 Abs. 1 oder des § 25 zuwider unterläßt, die benutzte Quelle anzugeben“, wobei die in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 18 Abs. 1 und 25 LUG vergleichbar mit der heutigen Bestimmung des § 63 UrhG wa­ ren.46 Die inhaltliche Anlehnung an die allgemeinen Vorschriften ergab sich damit also vorrangig aus ausdrücklichen Bezugnahmen und Gesetzesverweisen.47 Darüber hinaus ergab sich die Anlehnung auch daraus, dass den zentralen Merkmalen der Strafvorschriften stets dieselben Begriffe zugrunde lagen wie denjenigen Vorschriften, die in Bezug genommen wurden und die nach heu­ tigem Verständnis zivilrechtliche Vorgaben enthielten. Dies lässt sich etwa an der zentralen strafrechtlichen Vorschrift des § 38 KUG48 bezüglich der Tatbe­ standsmerkmale des „Werkes“ und der „Vervielfältigung“ feststellen. Wie 44  Vgl. zu europarechtlichen Auswirkungen auf das deutsche Urheberrecht durch Richtlinien M. Walter, S.  111 ff. 45  Vgl. hierzu soeben Fn. 43. 46  Gleiches gilt für § 40 KUG a. F., der bezüglich der unterlassenen Quellenangabe auf die zivilrechtliche Bestimmung des § 19 Abs. 2 KUG a. F. verwies. 47  Darüber hinaus sah auch die Systematik des KUG und LUG vor, dass die allge­ meingültigen Vorgaben, auf die die Strafvorschriften Bezug nahmen, zu Beginn des Gesetzes verortet waren. 48  Das gleiche gilt grundsätzlich auch für § 32 KUG a. F.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts37

noch zu zeigen sein wird,49 erfolgte die inhaltliche Anlehnung der strafrecht­ lichen Vorschriften an die übrigen Vorgaben der Gesetze damit in gleicher Weise, wie dies auch in der gegenwärtigen Ausgestaltung der §§ 106 ff. UrhG der Fall ist, nämlich in erster Linie durch die Verwendung derselben Begriff­ lichkeiten und durch ausdrückliche Gesetzesverweise. V. Zwischenergebnis Das Urheberrecht erscheint vor dem Hintergrund der Digitalisierung und neuer Verbreitungsmöglichkeiten als eine klassische Rechtsmaterie der Mo­ derne. Das grundsätzliche Bedürfnis nach einem Schutz des geistigen Schaf­ fens geht jedoch deutlich weiter zurück. Eine rechtliche Kodifizierung er­ folgte ebenso wie eine strafrechtliche Absicherung dieser Rechte allerdings erst später. In der heutigen Zeit ist das Urheberrecht hingegen einer neuen Dynamik durch kulturelle, technische und digitale Veränderungen ausgesetzt. Insoweit müssen sich das Urheberrechtsgesetz und der Gesetzgeber flexibel und anpassungsfähig zeigen, was auch Auswirkungen auf das Zusammen­ spiel der zivil- und strafrechtlichen Vorschriften haben kann.

D. Die Vorschrift des § 106 Abs. 1 UrhG Im Folgenden soll näher auf die Voraussetzungen des § 106 Abs. 1 UrhG eingegangen werden. Dies bezweckt zweierlei: Zum einen sollen damit der Aufbau und die Strukturen dieser zentralen Vorschrift des Urheberstrafrechts verdeutlicht werden, zum anderen dient dies aber auch dazu, im weiteren Verlauf der Arbeit auf diese Ausführungen zur Einordnung der Zivilrechtsak­ zessorietät zurückgreifen zu können. Dabei wird sich zeigen, dass die einzel­ nen Voraussetzungen des § 106 UrhG allesamt zivilrechtsakzessorisch ausge­ staltet sind. § 106 UrhG sanktioniert ausweislich seiner amtlichen Überschrift die un­ erlaubte Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke. § 106 Abs. 2 UrhG enthält eine Versuchsstrafbarkeit. Im Folgenden wird auf die Voraussetzun­ gen des § 106 Abs. 1 UrhG im Hinblick auf den objektiven (I.) und subjek­ tiven Tatbestand (II.), die Rechtswidrigkeit (III.) und Schuld (IV.) eingegan­ gen.

49  Vgl.

Kapitel 2, § 1, B., I. und II.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

I. Objektiver Tatbestand Zu unterteilen ist der objektive Tatbestand des § 106 Abs. 1 UrhG in die Tatobjekte (1.), die Tathandlungen (2.) und das Erfordernis, dass kein gesetz­ lich zugelassener Fall vorliegt (3.). 1. Tatobjekte

Als geschützte Tatobjekte nennt § 106 Abs. 1 UrhG zum einen das Werk (a)) und zum anderen die Bearbeitung und Umgestaltung eines solchen Wer­ kes (b)). a) Werk Zentrales Tatobjekt des § 106 Abs. 1 UrhG ist das Werk.50 Dieses wird vom Urheberstrafrecht selbst nicht definiert, stattdessen ergibt sich sein In­ halt aus einem Rückgriff auf §§ 1, 2 UrhG. Damit zeigt sich die Zivilrechts­ akzessorietät hier in einer ihrer wichtigsten Ausprägungen, da mit Werk i. S. d. § 106 Abs. 1 UrhG ein urheberrechtlich geschütztes Werk i. S. d. § 2 UrhG gemeint ist.51 Interessant ist dabei die Systematik des Gesetzes. Während § 1 UrhG den Schutzbereich in Form einer Präambel eröffnet,52 listet § 2 Abs. 1 UrhG ex­ emplarisch geschützte Werkarten auf. Die eigentlich relevante Einordnung ist jedoch die, ob das Werk ein im Sinne des Gesetzes urheberrechtlich geschütztes Werk gem. § 2 Abs. 2 UrhG darstellt. Das Gesetz gibt hierfür eine zweistufige Prüfung vor: Zunächst erfolgt eine Einordnung in eine der Kate­ gorien der §§ 1, 2 Abs. 1 UrhG (aa)) und sodann eine Subsumtion unter die Definition des § 2 Abs. 2 UrhG (bb)). aa) Einordnung in §§ 1, 2 Abs. 1 UrhG Das Werk muss sich somit zunächst in eine der drei Kategorien des § 1 UrhG einordnen lassen, es muss sich also um ein Werk der Literatur, Wissenschaft oder Kunst handeln. Diese Einordnung ist jedoch gerade wegen des 50  MüKo-StGB-Heinrich,

3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 3. § 106 Rn. 3; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 11; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 2; Wandtke/Bullin­ ger-Reinbacher, § 106 Rn. 7, 9; Wandtke/Ohst-Heinrich, Kapitel 6 Rn. 316; vgl. fer­ ner den diesbezüglichen Willen des Gesetzgebers in BT-Drs. IV/270, S. 108. 52  Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Dreyer, § 1 Rn. 1; Wandtke/Bullinger-Wandtke, § 1 Rn. 1. 51  Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen,



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts39

Charakters des § 1 UrhG als Präambel nicht zu überschätzen, sie dient inso­ weit lediglich einer ersten Orientierung. Andererseits grenzt sie aber auch den Anwendungsbereich des Urheberrechts zu Gattungen außerhalb der Lite­ ratur, Wissenschaft und Kunst ab, die nicht dem Urheberrecht unterfallen. Zu denken ist etwa an technische Erfindungen, die dem Urheberrecht fremd und stattdessen dem Patentrecht zuzuordnen sind.53 Zu denken ist ferner an Fälle, die an sich kreativ-schöpferische Leistungen darstellen, für die jedoch etwa mit dem Markenrecht speziellere Schutzrechte bestehen. Die Zuordnung in eine der drei Kategorien wird von § 2 Abs. 1 UrhG durch eine nicht abschließende Aufzählung verschiedener Werkarten konkre­ tisiert. Dabei hat die Vorschrift jedoch lediglich deklaratorischen Charakter,54 sodass jedenfalls eine eindeutige Zuordnung eines Werkes zu einer der dort gelisteten Werkarten nicht zwingend erforderlich ist.55 Auf Einzelheiten zu den Werkarten soll somit hier auch nicht näher eingegangen werden. Hinzu­ weisen ist jedoch bereits an dieser Stelle auf die dahinterstehende Gesetzge­ bungstechnik, auf die später noch genauer eingegangen wird:56 Am Beispiel der Sprachwerke, die gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG sowohl ge­ sprochene als auch geschriebene Werke erfassen, zeigt sich, dass die gelisteten Werkarten tatbestandlich sehr weit gefasst sind.57 Mit der nicht abschließen­ den Aufzählung in § 2 Abs. 1 UrhG sowie mit der offenen Formulierung des sogleich noch näher darzustellenden Werkbegriffs in § 2 Abs. 2 UrhG erreicht das Gesetz eine Subsumtion vieler Sachverhalte unter diese Tatbestände. Ob und inwieweit der Gesetzgeber sich damit aber auch dem Vorwurf strafrecht­ lich unzulässiger Analogie aussetzt, wird an späterer Stelle erörtert.58 bb) Subsumtion unter § 2 Abs. 2 UrhG Das Werk muss sodann eine persönliche geistige Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG darstellen. Die Subsumtion unter diesen Tatbestand stellt die grundlegende Voraussetzung für die Gewährung urheberzivil- und urheber­ strafrechtlichen Schutzes dar.59 Die Konkretisierung dieser einzelnen Ele­ 53  Vgl.

§ 1 Abs. 1 PatG.

54  Dreier/Schulze-Schulze, § 2 Rn. 3; Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 11. 55  Vgl.

auch den Wortlaut „insbesondere“ in § 2 Abs. 1 UrhG. Kapitel 2, § 1, C., I. 57  Von Relevanz sind darüber hinaus vor allem die Kategorien der Musikwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG), der Kunstwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), der Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG) und der Filmwerke (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG). 58  Vgl. hierzu später ausführlich Kapitel 3, § 4. 59  In eine ähnliche Richtung gehend Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 1, der vom „Tor zum Urheberrecht“ spricht. 56  Vgl.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

mente hat der Gesetzgeber jedoch selbst nicht näher vorgenommen, sondern weitestgehend der Rechtsprechung und Literatur im Wege der Rechtsfortbil­ dung überlassen. Dabei stellt sowohl diese Konkretisierung als auch die Subsumtion eines Sachverhalts unter die einzelnen Voraussetzungen den Normanwender vor erhebliche Probleme. Dies gilt umso mehr, als die Voraussetzungen für jede Werkart gemeinhin unterschiedlich und mit Rücksicht auf die jeweiligen Ei­ genarten bewertet werden.60 Für den weiteren Verlauf der Darstellung genügt jedoch zunächst eine allgemeinere Annäherung, indem die in § 2 Abs. 2 UrhG normierten Voraussetzungen in vier Elemente61 gegliedert werden, die im Grundsatz für jede Werkart brauchbare Ansätze liefern. Diese vier Ele­ mente sind das Persönliche ((1)), die Schöpfung ((2)), der geistige Gehalt ((3)) und die Wahrnehmbarkeit ((4)). Dabei lassen sich diese vier Elemente jeweils nicht nur positiv beschreiben, ihnen sind auch Ausschlusskriterien zu entnehmen, wann ein urheberrechtlich geschütztes Werk gerade nicht vor­ liegt. (1) Das Persönliche Das Merkmal des Persönlichen stellt das anschaulichste der vier Elemente dar. Dieses besagt, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werkschaffen grundsätzlich nur bei einem menschlichen Handeln vorliegen kann.62 Dies schließt etwa noch so künstlerisch anmutende Werke von Tieren63 oder von selbstständig arbeitenden Computerprogrammen und Maschinen64 aus. Von letzterem streng zu unterscheiden ist jedoch die Konstellation, in der sich ein Mensch lediglich eines Computerprogramms oder einer Maschine 60  MüKo-StGB-Heinrich,

3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 9. Unterteilung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG existieren in der Literatur verschiedene Vorschläge, die die einzelnen Elemente unterschiedlich ord­ nen, wobei sich diese Vorschläge meist nur in Nuancen voneinander unterscheiden; hierauf wird im Folgenden nur insoweit eingegangen, wie sich aus ihrer Herleitung interessante Unterschiede zum hier gewählten Ansatz ergeben. 62  Büscher/Dittmer/Schiwy-Obergfell, §  2 Rn.  3; Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 21; Lettl, § 2 Rn. 11; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 Rn. 38; Wandtke/Bullinger-Bullinger, § 2 Rn. 15. 63  Vgl. zur Diskussion um das berühmte „Affen-Selfie“ Fromm/Nordemann­A. Nordemann, § 2 Rn. 21; König/Beck, ZUM 2016, 34 ff. 64  Ein urheberrechtlich geschütztes Werk kann hingegen durchaus vorliegen, wenn ein vollautomatisch arbeitendes Computerprogramm oder eine Maschine geschaffen wird; vgl. speziell zum Schutz von Computerprogrammen die §§ 69a ff. UrhG i. V. m. § 2 Abs. 2, 1 Nr. 2 UrhG. 61  Zur



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts41

als Hilfsmittel für seine ansonsten eigenhändige Leistung bedient.65 In die­ sem Fall kann durchaus ein menschliches und somit persönliches Werkschaf­ fen vorliegen. Als Ausschlusskriterium lässt sich diesem Merkmal auch ent­ nehmen, dass ein urheberrechtlich geschütztes Werk jedenfalls nicht von ei­ ner juristischen Person geschaffen werden kann, etwa wenn Arbeitnehmer auf Weisung ihres Arbeitgebers für die juristische Person ein grundsätzlich urheberrechtsfähiges Computerprogramm entwickeln.66 Relevant wird dies bei der Festlegung der Person des Urhebers.67 (2) Die Schöpfung Das Merkmal der Schöpfung wird gemeinhin umschrieben als gestalteri­ sche Tätigkeit, die zur Erschaffung von etwas Neuem führt.68 Es muss also aus eigener Leistungskraft ein individueller Schaffensvorgang resultieren, durch den etwas bis dahin noch nicht Vorhandenes hervorgebracht wird.69 Man könnte auch dieses Merkmal negativ dahingehend umschreiben, dass eben in denjenigen Fällen kein urheberrechtsfähiges Werk vorliegt, in denen lediglich etwas Naturgegebenes oder etwas bereits Vorhandenes dargestellt bzw. „präsentiert“ wird.70 Gerade an dieser negativen Umschreibung lässt sich das viel diskutierte Kriterium der Schöpfungshöhe71 verorten. Dieses ist in seinen Einzelheiten, seiner Berechtigung und auch seinem Prüfungsstandort sehr umstritten, wo­ 65  Büscher/Dittmer/Schiwy-Obergfell, §  2 Rn.  3; Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 21; Lettl, § 2 Rn. 11; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 Rn. 40; Wandtke/Bullinger-Bullinger, § 2 Rn. 16. 66  Vgl. zur Schaffung eines urheberrechtlich geschützten Werkes durch einen Ar­ beitnehmer für eine juristische Person Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Dreyer, § 7 Rn. 8; Wandtke/Bullinger-Thum, § 7 Rn. 16 f. 67  Vgl. hierzu §§ 7 ff. UrhG. 68  Lettl, § 2 Rn. 21; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 10. 69  Vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. IV/270, S. 38, wonach eine persönliche geistige Schöpfung nur bei Erzeugnissen vorliegen soll, „die durch ihren Inhalt oder durch ihre Form oder durch die Verbindung von Inhalt und Form etwas Neues und Eigentümliches darstellen“. 70  Verwendet wird teilweise auch der recht anschauliche Begriff des „objet trouvé“ etwa von Büscher/Dittmer/Schiwy-Obergfell, § 2 Rn. 4; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 Rn. 38. 71  Verbreitet ist diesbezüglich auch der in der Rspr. verwendete Begriff der Gestaltungshöhe; so etwa BGH GRUR 1983, 377 (378 f.) – Brombeer-Muster; BGHZ 199, 52 (59 ff.) = BGH GRUR 2014, 175 = BGH NJW 2014, 469 – Geburtstagszug; so auch Dreier/Schulze-Schulze, § 2 Rn. 16; Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 30; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 15; Rehbinder/Peukert, § 7 Rn. 199; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 Rn. 51.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

bei die Positionen von Befürwortern eines eigenständigen Elements innerhalb des § 2 Abs. 2 UrhG,72 bis hin zu Kritikern und zunehmend auch der Recht­ sprechung reichen, die das Kriterium als überholt ansehen.73 Das Kriterium der Schöpfungshöhe kann jedenfalls insoweit als überholt angesehen werden, als sein Aussagegehalt vollständig in den bereits beschriebenen Elementen aufgeht. Die Schöpfungshöhe soll nämlich verlangen, dass ein gewisser Grad an Qualität und Andersartigkeit vorliegt, die eine Individualität gegenüber dem bereits Vorhandenen zum Ausdruck bringt.74 Damit wird aber letztlich nichts Anderes beschrieben als das Erfordernis eines gewissen schöpferischen Eigentümlichkeitsgrades, der über das Maß des Durchschnittlichen hinaus­ geht und sich vom Alltäglichen abhebt.75 Wenn dabei ein gewisser Grad an Qualität verlangt wird, setzt dies jedoch keineswegs eine besonders ästhetische oder hervorragende Leistung voraus. Man spricht vielmehr davon, dass auch die „kleine Münze“ urheberrechtliche Werkqualität erlangen kann.76 Während dieser Begriff kaum einen Mehrwert für die hier relevante Einordnung bietet, ist die im englischsprachigen Raum gebrauchte Bezeichnung „low creativity requirement“ zielführender.77 Diese bringt jedenfalls bereits begrifflich zum Ausdruck, dass auch bei „geringeren kreativen Anforderungen“ urheberrechtlicher Schutz bestehen kann, sofern die Leistung über das hinausgeht, was bei jedem anderen Schaffensvorgang auch zu erwarten wäre.78 (3) Der geistige Gehalt Das Element des geistigen Gehalts verlangt, dass das Werk einen gewissen Gedanken- oder Gefühlsinhalt widerspiegelt, der auf den Betrachter eine 72  So

etwa Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Dreyer, § 2 Rn. 64. BGHZ 199, 52 (59 ff.) = BGH GRUR 2014, 175 = BGH NJW 2014, 469 – Geburtstagszug; vgl. ferner Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 Rn. 52. 74  Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 24; Lettl, § 2 Rn. 21; Wandtke/ Bullinger-Bullinger, § 2 Rn. 21 f.; in diesem Zusammenhang auf den Gesamteindruck eines Durchschnittsbetrachters des jeweils betroffenen Verkehrskreises abstellend Lettl, § 2 Rn. 27. 75  Vgl. BGH GRUR 1988, 533 (535) = BGH NJW-RR 1988, 1204 (1205) – Vor­ entwurf II; Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 24; Lettl, § 2 Rn. 22; MüKoStGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 15. 76  Vgl. hierzu Elster, S. 40, auf den der Begriff der „kleinen Münze“ wohl zurück­ zuführen ist und der davon spricht, es sei „gleichgültig, ob es große oder kleine Münze ist, was da geschaffen ist“. 77  Rehbinder/Peukert, § 7 Rn. 201. 78  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 38; ferner Rehbinder/Peukert, § 7 Rn. 201; Schack, Rn. 293. 73  Vgl.



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anregende Wirkung entfalten kann.79 Die Schöpfung muss also stets Aus­ druck des individuellen Geistes des Werkschaffenden sein.80 Bei dieser rein positiven Umschreibung könnte man durchaus an einem über das Element der Schöpfung hinausgehenden Aussagegehalt zweifeln. Das Erfordernis des geistigen Gehalts lässt sich aber auch negativ beschrei­ ben, indem jedenfalls bei Ergebnissen rein logischer, mathematischer oder handwerklicher Leistungen kein kommunikativer Gehalt vermittelt wird.81 Für solche „mechanischen Schöpfungen“ ist das Urheberrecht als Recht des geistig Werkschaffenden nicht das passende Rechtsgebiet.82 Somit vermag das Element des geistigen Gehalts das Urheberrecht zumindest von anderen Rechtsgebieten des Immaterialgüterrechts abzugrenzen. Ein anschauliches Beispiel bietet hierfür die Entscheidung des BGH zur Urheberrechtsfähig­ keit eines Suppenrezepts.83 Auch wenn ein solches Rezept einem persön­ lichen Schaffensvorgang entstammen und einen individuellen, schöpferi­ schen Gestaltungsgrad aufweisen kann, spiegeln sich hierin jedoch zumin­ dest nicht vordergründig Gefühlsinhalte wider, dieses stellt vielmehr das ­Ergebnis technischer Erkenntnisse dar.84 Hierfür ist jedoch das Patentrecht einschlägig.85 (4) Die Wahrnehmbarkeit Das Element der Wahrnehmbarkeit ist in § 2 Abs. 2 UrhG nicht ausdrück­ lich normiert und lässt sich seinem Wortlaut auch nicht ohne weiteres ent­ nehmen. Es ist jedoch – wenn auch in unterschiedlicher Terminologie86 – allgemein anerkannt.87 Das Element der Wahrnehmbarkeit verlangt, dass der persönlich geistige Gehalt in irgendeiner Weise Ausdruck in einem Werkstück 79  Büscher/Dittmer/Schiwy-Obergfell, §  2 Rn.  5; Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 25; Lettl, § 2 Rn. 16; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 Rn. 45. 80  Schack, Rn. 185; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 Rn. 45. 81  Vgl. hierzu die Ausführungen bei Lettl, § 2 Rn. 15 f.; Schricker/LoewenheimLoewenheim, § 2 Rn. 45. 82  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 12. 83  BGH GRUR 1966, 249 (250) – Suppenrezept. 84  Vgl. BGH GRUR 1966, 249 (250) – Suppenrezept. 85  Vgl. § 1 PatG. 86  Büscher/Dittmer/Schiwy-Obergfell, §  2 Rn.  6; Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 23 sprechen von der „wahrnehmbaren Form“; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 20; Schack, Rn. 187 von „Formgebung“; Schricker/Loewen­ heim-Loewenheim, § 2 Rn. 47 spricht von der „wahrnehmbaren Formgestaltung“. 87  Vgl. etwa Dreier/Schulze-Schulze, § 2 Rn. 13; Lettl, § 2 Rn. 17; Möhring/Nico­ lini-Ahlberg, § 2 Rn. 58; Wandtke/Bullinger-Bullinger, § 2 Rn. 19; Ulmer, § 21 II.

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gefunden haben muss.88 Nur dann verdient es der Werkschaffende, in den Genuss des urheberrechtlichen Schutzes zu gelangen. Dies bedeutet nicht, dass das Werk dauerhaft eine unmittelbare Verkörpe­ rung erfahren muss.89 Ausreichend ist vielmehr auch eine nur einmalige oder flüchtige Mitteilung des Werkinhalts, selbst wenn dieser – insbesondere bei spontanen Äußerungen oder Vorführungen – im Anschluss daran nicht mehr wahrnehmbar sein sollte.90 Es genügt hingegen nicht, wenn der Werkinhalt nie nach außen kundgetan wurde.91 cc) Zwischenergebnis Die inhaltliche Auslegung des strafrechtlichen Tatobjekts „Werk“ ergibt sich aus der Definition des § 2 Abs. 2 UrhG. Auch wenn zu den einzelnen Elementen des § 2 Abs. 2 UrhG mittlerweile einige handhabbare Kriterien existieren, die diese positiv sowie negativ beschreiben können und somit eine gewisse Konkretisierung ermöglichen, ist die Definition sehr weit ge­ fasst. Gleiches zeigt sich an der nicht abschließenden Auflistung der Werk­ arten in § 2 Abs. 1 UrhG. Hierdurch wird der Werkbegriff auch für Neuerungen insbesondere durch technische und kulturelle Entwicklungen offen gehalten.92 Dies hat den Vor­ teil, dass sich auch solche Erscheinungsformen und Werkarten unter den Tatbestand subsumieren lassen, an die der Gesetzgeber bei Verabschiedung des Gesetzes ursprünglich nicht gedacht hatte. Damit wird zwar der Gesetz­ geber entlastet, der nicht auf jede technische Neuerung mit einer Gesetzes­ anpassung reagieren muss. Dies ist jedoch auch an verfassungsrechtlichen Maßstäben zu messen, insbesondere im Hinblick auf das strafrechtliche Analogieverbot und die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Be­ reits an dieser Stelle kann erwähnt werden, dass jedenfalls die isolierte Nor­ mierung des strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals „Werk“ in § 106 Abs. 1 UrhG ohne Rückgriff auf § 2 UrhG den Anforderungen des Bestimmtheits­ grundsatzes kaum entsprechen könnte. Wie später noch ausführlich gezeigt 88  Dreier/Schulze-Schulze, § 2 Rn. 13; Lettl, § 2 Rn. 17; Schricker/LoewenheimLoewenheim, § 2 Rn. 47. 89  Fromm/Nordemann-A. Nordemann, §  2 Rn.  23; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 2 Rn. 47. 90  Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 23; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 20. 91  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 20 f.; Schricker/LoewenheimLoewenheim, § 2 Rn. 47. 92  Schack, Rn. 180.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts45

wird,93 ist gerade dies der Grund dafür, dass das Urheberstrafrecht streng akzessorisch ausgestaltet ist. b) Bearbeitung und Umgestaltung Als weitere Tatobjekte nennt § 106 Abs. 1 UrhG die Bearbeitung und die Umgestaltung eines Werkes. Auch diesbezüglich ist auf die zivilrechtlichen Vorgaben zurückzugreifen.94 aa) Bearbeitung Die zivilrechtliche Schutzfähigkeit der Bearbeitung ist in § 3 UrhG gere­ gelt. Hiernach genießt auch derjenige urheberrechtlichen Schutz, der eine persönliche geistige Schöpfung derart bearbeitet, dass diese Bearbeitung selbst Werkqualität erreicht. § 3 S. 1 UrhG stellt dafür drei Voraussetzungen auf: Es muss ein urheberrechtsfähiges95 Ausgangswerk vorliegen, von dem eine Bearbeitung angefertigt wird, die ihrerseits derart individuell ist, dass sie selbst die Anforderungen der §§ 1, 2 UrhG erfüllt. Bezüglich dieser Indi­ vidualität gilt der Grundsatz, dass die Annahme hinreichender Individualität umso ferner liegt, je höher der Grad an Individualität des bearbeiteten Wer­ kes ausfällt – oder anders formuliert: Je höher die Individualität des Aus­ gangswerkes ist, desto höher sind die Anforderungen an die Individualität der Bearbeitung.96 Eine Abgrenzung ist dabei insbesondere zur freien Benutzung vorzuneh­ men. Bei dieser fungiert das Ausgangswerk lediglich als Anregung für die Schaffung eines selbstständigen Werkes, dessen Individualitätsgrad sich aber derart von dem des Ausgangswerkes entfernt, dass es als von diesem losge­ löst anzusehen ist.97 In einem solchen Fall kann die freie Benutzung selbst jedoch unter den Voraussetzungen der §§ 1, 2 UrhG ein eigenständiges Werk 93  Vgl.

Kapitel 2, § 1, C., III.

94  Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 4; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 106 Rn. 3.

95  Beachte diesbezüglich die interessante aber hier nicht weiter relevante Unter­ scheidung bei Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 3 Rn. 8, wonach das Ausgangs­ werk lediglich urheberrechtsfähig, nicht aber zwingend noch urheberrechtlich geschützt sein müsse, womit auf den Ablauf der Schutzfrist abgestellt wird. 96  Vgl. BGH GRUR 1958, 402 (404) – Lili Marleen; BGH GRUR 1958, 500 (502) = BGH NJW 1958, 1587 (1588) – Mecki-Igel; BGH GRUR 1972, 143 (144) – Biografie: ‚Ein Spiel‘; BGH GRUR 1981, 267 (269) – Dirlada; BGH GRUR 1991, 533 (534) = BGH NJW-RR 1991, 812 (813) – Brown Girl II; Dreier/Schulze-Schulze, § 3 Rn. 11; Lettl, § 2 Rn. 102, Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 3 Rn. 14. 97  Vgl. Dreier/Schulze-Schulze, § 3 Rn. 4; Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 3 Rn. 9; Wandtke, S. 79.

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darstellen. Sind die Anforderungen des § 3 S. 1 UrhG erfüllt, liegt also eine Bearbeitung vor, erfährt diese jedenfalls wie ein selbstständiges Werk urheber­rechtlichen Schutz.98 bb) Umgestaltung Eine Annäherung an das Tatobjekt der Umgestaltung ermöglicht § 23 S. 1 UrhG, der eine Regelung zur Verwertung von Bearbeitungen und anderen Umgestaltungen des Werkes zum Gegenstand hat. Das Gesetz ordnet die Bearbeitung damit als Unterform der Umgestaltung ein. Es gelten im Grund­ satz auch für das Tatobjekt der Umgestaltung obige Ausführungen zur Be­ arbeitung, insbesondere muss auch die Umgestaltung in § 106 Abs. 1 UrhG eine persönliche geistige Schöpfung darstellen.99 Für die Abgrenzung der Umgestaltung von der Bearbeitung wird gemein­ hin darauf abgestellt, dass die Bearbeitung eine dem Werk dienende Funktion hat.100 Ein Beispiel hierfür ist die Übersetzung, die von § 3 S. 1 UrhG als Unterform der Bearbeitung eingeordnet wird und gemeinhin die Funktion hat, das übersetzte Werk in seiner Identität unberührt zu lassen und lediglich einem bestimmten Zweck entsprechend anzupassen, nämlich dem Transfer in eine andere Sprache.101 Der Umgestaltung fehlt es eben an einer solch die­ nenden Funktion, sie zielt vielmehr darauf ab, den geistigen Gehalt des Werkes abzuändern.102 Der Gesetzgeber hatte diesbezüglich vor allem das Plagiat sowie den erfolglosen Versuch vor Augen, ein fremdes Werk zu einer neuen selbstständigen Schöpfung in freier Benutzung zu verwenden.103

98  Vor diesem Hintergrund ist die Notwendigkeit der Aufnahme der Bearbeitung in den Tatbestand des § 106 Abs. 1 UrhG zu bezweifeln, da sich diese Fälle aufgrund der Rechtsfolge des § 3 S. 1 UrhG auch unter den Werkbegriff subsumieren ließen; dem Merkmal der Bearbeitung deshalb lediglich eine klarstellende Funktion zuschrei­ bend MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 40; Schricker/LoewenheimKudlich, § 106 Rn. 3; Weber, S. 187. 99  So BGH GRUR 2014, 65 (70) = BGH NJW 2013, 3789 (3791) – Beuys-Ak­ tion; so auch Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 11; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 43; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 106 Rn. 3; Weber S. 77; a. A. hingegen Achenbach/Ransiek/Rönnau-A. Nordemann, Abschnitt 11 Rn. 56; Fromm/ Nordemann-A. Nordemann, § 24 Rn. 10; Wandtke/Bullinger-Bullinger, § 23 Rn. 4. 100  Dreier/Schulze-Schulze, § 3 Rn. 8; Lettl, § 4 Rn. 87; Möhring/Nicolini-Ahlberg, § 3 Rn. 6; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 3 Rn. 5; Weber, S. 77. 101  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 51; vgl. ferner MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 41; Weber, S. 77. 102  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 51; vgl. ferner Lettl, § 4 Rn. 88. 103  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 50.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts47

Im Zusammenhang mit der Einordnung einer Umgestaltung als taugliches Tatobjekt des § 106 Abs. 1 UrhG ist lediglich entscheidend, ob und wann diese urheberrechtlichen Schutz genießt. Es geht dabei also um die Frage, ob die Umgestaltung ihrerseits vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiederge­ geben werden darf. Davon zu unterscheiden ist die hier jedoch zunächst nicht weiter relevante Frage, ob und inwieweit die Herstellung einer solchen Umgestaltung104 rechtlich überhaupt zulässig war, ob der Vorgang der Her­ stellung dieser Umgestaltung selbst also eine Urheberrechtsverletzung am Ausgangswerk darstellt.105 2. Tathandlungen

Als taugliche Tathandlungen nennt § 106 Abs. 1 UrhG das Vervielfältigen (a)), Verbreiten (b)) und öffentliche Wiedergeben (c)). Auch hier zeigt sich die Zivilrechtsakzessorietät, da zur inhaltlichen Bestimmung der drei Tat­ handlungen jeweils auf die einschlägigen zivilrechtlichen Ausschließlich­ keitsrechte der §§ 15 ff. UrhG zurückzugreifen ist.106 a) Vervielfältigung Das Recht des Urhebers zur Vervielfältigung ist in §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG geregelt. Unter einer Vervielfältigung wird die körperliche Festlegung eines Werkes verstanden, die geeignet ist, das Werk107 den menschlichen Sinnen mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen.108 Unerheblich sind sowohl die Dauer als auch die Art und Weise der Festlegung und auch der Umstand, ob das Werk als Ganzes oder in Teilen vervielfältigt wird und ob durch die Vervielfältigung eine vollständige oder teilweise Identität zum Ausgangswerk entsteht.109

104  Wobei

gleiches auch für die Bearbeitung gilt. zur Zulässigkeit der Herstellung § 23 S. 1 UrhG und zur Zulässigkeit der Veröffentlichung und Verwertung § 23 S. 1 UrhG. 106  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 45; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 11; Weber, S. 187. 107  Wobei sich die Ausführungen hier, wie auch im Folgenden, stets auch auf die unerlaubte Verwertung einer Bearbeitung oder Umgestaltung beziehen, sodass die Nennung des Tatobjekts Werk pars pro toto zu verstehen ist. 108  In st. Rspr. etwa BGHZ 17, 266 (270) = BGH GRUR 1955, 492 (494) = BGH NJW 1955, 1276 – Magnettonband; BGHZ 144, 232 (235) = BGH GRUR 2001, 51 (52) = BGH NJW 2000, 3783 (3784) – Parfumflakon; vgl. zur Intention des Gesetz­ gebers auch BT-Drs. IV/270, S. 47. 109  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 47 f.; Rupp, GRUR 1986, 147. 105  Vgl.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Insoweit kann von einem weiten Vervielfältigungsbegriff gesprochen wer­ den. Dies ergibt sich auch aus der Klarstellung des § 16 Abs. 2 UrhG, wo­ nach eine Vervielfältigung selbst im Falle der Übertragung des Werkes auf Bild- und Tonträger vorliegt. Hier wirkt sich der Schutzzweck des § 106 Abs. 1 UrhG aus, denn dem Urheber soll ein umfassender Schutz seiner Ver­ wertungsrechte ermöglicht werden.110 Eine besondere „Gefährlichkeit“ ergibt sich aus einer Vervielfältigung für den Urheber vor allem dann, wenn das Werk auf diese Weise gegenüber einem größeren Personenkreis wahrnehm­ bar gemacht wird. Dies gilt umso mehr, wenn dadurch die Erzielung höherer Einnahmen verhindert wird, die der Urheber von einem Dritten andernfalls als Gegenleistung bei Gestattung der Vervielfältigung im Wege einer Lizenz­ einräumung erhalten hätte. b) Verbreitung Bezüglich des Merkmals der Verbreitung ist auf das Ausschließlichkeits­ recht aus §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG zurückzugreifen. Demnach steht es dem Urheber frei, das Original oder Vervielfältigungsstücke seines Werkes der Öffentlichkeit anzubieten und in Verkehr zu bringen. Dabei stellt das öf­ fentliche Anbieten eine Vorstufe des Inverkehrbringens dar.111 Insbesondere in Abgrenzung zur sogleich noch darzustellenden öffentlichen Wiedergabe erfasst das Verbreitungsrecht die Verwertung in körperlicher Form.112 Obwohl sich die gesetzliche Definition zur Öffentlichkeit in § 15 Abs. 3 UrhG dem Wortlaut nach nur auf das Recht zur öffentlichen Wiedergabe aus § 15 Abs. 2 UrhG zu beziehen scheint, ist auch bezüglich des Verbreitungs­ rechts auf diese zurückzugreifen.113 Dies erklärt sich in erster Linie aus der Systematik, da sich das Recht der Verbreitung eben nicht erst aus § 17 UrhG ergibt, sondern bereits in § 15 Abs. 1 Nr. 2 UrhG normiert ist. § 15 Abs. 3 S. 1 UrhG verlangt, dass eine Mehrzahl von Personen vorlie­ gen muss, die nicht mit dem Urheber in persönlicher Beziehung verbunden ist. Uneinigkeit bestand lange Zeit über den Begriff des Anbietens, unter dem 110  Vgl. Lettl, § 4 Rn. 33; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 5; Wandtke/BullingerReinbacher, § 106 Rn. 6. 111  Vgl. BGHZ 171, 151 (161) = BGH GRUR 2007, 871 (873) = BGH ZUM 2007, 744 (747) – Bauhaus in Italien; vgl. ferner Fromm-Nordemann-Dustmann, § 17 Rn. 11; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 17 Rn. 9. 112  Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 17 Rn. 6. 113  Vgl. BGHZ 113, 159 (160) = BGH GRUR 1991, 316 (317) = BGH NJW 1991, 1234 – Einzelangebot; vgl. ferner Fromm/Nordemann-Dustmann, § 17 Rn. 12; Schri­ cker/Loewenheim-Loewenheim, § 17 Rn. 16.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts49

gemeinhin eine Aufforderung zum Erwerb verstanden wurde.114 Fraglich war jedoch, was unter einem Erwerb in diesem Sinne zu verstehen war. Während das deutsche Rechtsverständnis bereits eine Aufforderung zur Miete, zum Verleih oder zur anderweitigen entgeltlichen oder unentgeltlichen Gebrauchs­ überlassung als vom Begriff des Erwerbs erfasst ansah,115 war lange Zeit fraglich, inwieweit dieses Verständnis im Widerspruch zu Unionsrecht steht. Anlass gab hierfür Art. 4 Abs. 1 RL 2001/29/EG116, der vom Recht der Ver­ breitung durch „Verkauf oder auf sonstige Weise“ spricht. Aufgrund der Gleichstellung des auf Übertragung des Eigentums gerichte­ ten „Verkaufs“ auf der einen und der Alternative „auf sonstige Weise“ auf der anderen Seite lag der Schluss nahe, dass ausschließlich solche Handlun­ gen erfasst seien, die auf eine Eigentumsübertragung gerichtet sind. Der EuGH stellte diesbezüglich aber klar, dass das Anbieten zwar nicht zu einem tatsächlichen Absatzerfolg führen, die Aufforderung aber jedenfalls auf einen Eigentumserwerb gerichtet sein muss. Im Wege unionsrechtskonformer Aus­ legung sind damit zwar auch die dem Kaufvertrag vorangehenden Handlun­ gen wie Werbemaßnahmen umfasst, Leihe und Miete fallen jedoch nicht darunter, da sie nicht auf eine Eigentumsübertragung hinzielen.117 Ein Inverkehrbringen erfasst hingegen jede Handlung, durch die das Werk oder ein Vervielfältigungsstück des Werkes den Machtbereich des Täters verlässt und in den allgemeinen Handelsverkehr gelangt.118 Vollendung ist in diesem Sinne erst eingetreten, wenn das Werk oder das Vervielfältigungs­ stück tatsächlich in den Machtbereich eines Dritten gelangt ist.119 Zwar scheint sich das Merkmal der Öffentlichkeit systematisch nur auf die Alter­ native des Anbietens zu beziehen, es wird jedoch gemeinhin angenommen, dass zumindest dann kein Inverkehrbringen vorliegt, wenn die Weitergabe 114  Fromm-Nordemann-Dustmann, § 17 Rn. 14; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 17 Rn. 9. 115  Vgl. hierzu bereits BT-Drs. IV/270, S. 48; vgl. ferner KG GRUR 1983, 174 = KG NStZ 1983, 561 (562) – Videoraubkassetten; OLG Düsseldorf GRUR 1983, 760 (761) – Standeinrichtung oder Ausstellung; vgl. zudem Heinrich, S. 219; Weber, S. 213. 116  Offiziell als „Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheber­ rechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“ bezeichnet. 117  So EuGH GRUR 2008, 604 (605) = EuGH ZUM 2008, 508 (509) – Le Corbu­ sier; EuGH GRUR 2015, 665 (666 f.) = EuGH ZUM 2015, 556 (558) – Breuer-Möbel. 118  BGHZ 113, 159 (161) = BGH GRUR 1991, 316 (317) = BGH NJW 1991, 1234 – Einzelangebot; BGHSt 49, 93 (103) = BGH GRUR 2004, 421 (424) = BGH NJW 2004, 1674 (1676) – Tonträgerpiraterie durch CD-Export; vgl. ferner Fromm/ Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 13; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 64. 119  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 64; Schricker/LoewenheimKudlich, § 106 Rn. 20.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

des Werkes an Mitglieder des persönlichen Umfelds des Weitergebenden er­ folgt.120 c) Öffentliche Wiedergabe Für die Tathandlung der öffentlichen Wiedergabe ist das Ausschließlich­ keitsrecht des Urhebers aus § 15 Abs. 2 UrhG maßgebend. Während die Vervielfältigung und die Verbreitung auf die Weitergabe des Werkes in kör­ perlicher Form abzielen, schützt § 15 Abs. 2 UrhG – ausweislich seines Wortlauts – das Werk in unkörperlicher Form. Bezüglich der konkreten Art der Wiedergabe ist auf den nicht-abschließenden Katalog in § 15 Abs. 2 S. 2 UrhG abzustellen, der exemplarisch aufgelistete Wiedergabe-Formen ent­ hält.121 Die heute relevanteste Form der Wiedergabe wird die des Bereitstel­ lens eines Werkes im Internet sein, das als Recht der öffentlichen Zugäng­ lichmachung gem. §§ 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 2, 19a UrhG dem Urheber vorbehal­ ten ist. Bezüglich des Merkmals der Öffentlichkeit ist erneut auf § 15 Abs. 3 UrhG abzustellen. 3. Kein gesetzlich zugelassener Fall

§ 106 Abs. 1 UrhG verlangt, dass die Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe „in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen“ erfolgt. Verstanden wird diese Einschränkung als Verweis auf die Schranken­ regelungen des Urheberzivilrechts und dabei in erster Linie auf die §§ 44a ff. und §§ 69c ff. UrhG sowie auf den Erschöpfungsgrundsatz des § 17 Abs. 2 UrhG.122 Das Urheberstrafrecht greift somit auch hier im Sinne der Akzesso­ rietät auf die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen des Gesetzes zu­ rück.123 Im Detail ist zu den einzelnen Schrankenregelungen und ihrer 120  Vgl. hierzu BGHZ 113, 159 (161) = BGH GRUR 1991, 316 (317) = BGH NJW 1991, 1234 (1235) – Einzelangebot; BGHSt 49, 93 (103) = BGH GRUR 2004, 421 (424) = BGH NJW 2004, 1674 (1676) – Tonträgerpiraterie durch CD-Export; vgl. ferner MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 65; Wandtke/BullingerHeerma, § 17 Rn. 19. 121  Vgl. etwa das Vortragsrecht in § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 UrhG oder das Senderecht in § 15 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 UrhG. 122  Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 6; Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG Rn. 21; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 21; Gercke, ZUM 2007, 791 (792); Heinrich, S. 249; Hildebrandt, S. 124; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78; Reinbacher, S. 136; ders., GRUR 2008, 394; Schricker/LoewenheimKudlich, § 106 Rn. 26; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 21; Wandtke/OhstHeinrich, Kapitel 6 Rn. 318; Weber, S.  230 ff. 123  Gercke, ZUM 2007, 791 (792); Hildebrandt, S. 124; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts51

Reichweite einiges umstritten.124 Hierauf wird in dieser Arbeit jedoch nur insoweit eingegangen, wie dies vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzesso­ rietät von Bedeutung ist.125 Etwas Begründungsaufwand erfordert indes, dass das Vorliegen eines „ge­ setzlich zugelassenen Falles“ bereits den objektiven Tatbestand126 und nicht erst die Rechtswidrigkeit127 ausschließt. Hierfür sind vorrangig zwei Argu­ mente anzuführen. Zunächst lässt sich dies mit der Stellung des Tatbestandes innerhalb des dreistufigen Deliktsaufbaus begründen. Während auf der Ebene der Rechtswidrigkeit die Frage zu beantworten ist, ob das Verhalten des Tä­ ters im Einzelfall und in letzter Konsequenz tatsächlich als Verstoß gegen die Rechtsordnung zu bewerten ist, ist es bereits der Tatbestand, der diejenigen Merkmale beschreibt, die das materielle Unrecht der Tat begründen (= Indiz­ wirkung des Tatbestandes).128 Materielles Unrecht wird in diesem Sinne aber nicht bei jeder Verwertung eines fremden Werkes begründet, da das Urheber­ recht auch verfassungsrechtlich nicht schrankenlos gewährleistet wird (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). Vielmehr ist der Umfang des Urheberrechts gerade durch die Schrankenregelungen von Anfang an festgelegt, die das Urheber­ recht mit Inhalt füllen, es aber eben auch begrenzen.129 Die Begrenzung des Urheberrechts ergibt sich aus einer Abwägung im Rahmen der praktischen Konkordanz, bei der auch das Interesse der All­ gemeinheit an einer freien Verwertung des Werkes zu berücksichtigen ist (= Bindung des Urheberrechts an das Allgemeinwohl).130 Wird also etwa ein Werk des Urhebers vervielfältigt und greift diesbezüglich die Privatkopieaus­ nahme des § 53 UrhG, so bedarf es nicht erst einer Rechtfertigung des Täters im Einzelfall. Der Gesetzgeber bringt durch die Existenz des § 53 UrhG vielmehr zum Ausdruck, dass in solchen Fällen der urheberrechtliche Schutz nicht greift und somit generell kein materielles Unrecht verwirklicht werden kann.

124  Vgl. hierzu die Ausführungen bei Heinrich, S.  249 ff.; Hildebrandt, S.  122 ff.; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 80 ff.; Weber, S.  230 ff. 125  Vgl. hierzu insbesondere Kapitel 4, § 1, C. und D. 126  So die ganz h. M.; vgl. hierzu etwa Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 6; ErbsKohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG Rn. 22; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 21; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 30; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78; Reinbacher, S. 136; Weber, S. 230. 127  So lediglich vertreten von Kircher, S.  233 ff.; Lampe, UFITA 83 (1978), S. 15, 30 f. 128  Vgl. Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 305; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  179 ff. 129  Vgl. hierzu Erbs/Kohlhaas-Kaiser, Vorbem. § 1 UrhG Rn. 35, § 106 UrhG Rn. 22; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 106 Rn. 27; Stieper, S.  74 ff. 130  Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG Rn. 22; Heinrich, S. 249.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Der zweite Begründungsansatz lässt sich im weitesten Sinne aus der Zivil­ rechtsakzessorietät herleiten. Wenn der straftatbestandliche Inhalt der Tat­ handlungen durch die zivilrechtlichen Vorgaben der §§ 15 ff. UrhG festgelegt wird,131 muss sich dieser auch durch die §§ 44a ff. UrhG einschränken las­ sen.132 Dies kann konsequenterweise aber nur auf derselben Ebene erfolgen, nämlich hier der Ebene des Tatbestandes.133 Das Nicht-Vorliegen eines „ge­ setzlich zugelassenen Falles“ lässt sich somit als negativ gefasstes Tatbestandsmerkmal begreifen.134 II. Subjektiver Tatbestand Wie bereits dargestellt,135 vermag lediglich vorsätzliches Handeln den Straftatbestand des § 106 UrhG zu verwirklichen (§ 15 StGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1 EGStGB), da fahrlässiges Handeln mangels gesetzlicher Normierung eines Fahrlässigkeitstatbestandes im Urheberrecht nicht mit Strafe bedroht ist. Der Täter muss also zumindest mit bedingtem Vorsatz handeln. Auch dass gerade deshalb die Abgrenzung des vorsatzausschließenden Tatbestands­ irrtums (§ 16 Abs. 1 StGB) zum Verbotsirrtum (§ 17 StGB) relevant wird, wurde bereits erwähnt.136 Erkennt der Verwerter ein tatsächlich urheberrechtlich geschütztes Werk aufgrund tatsächlicher Umstände nicht als solches und vervielfältigt er die­ ses, ohne dass ein gesetzlich zugelassener Fall vorliegt, unterliegt er einem vorsatzausschließenden Irrtum bezüglich des Tatobjekts. Glaubt er hingegen, dass grundsätzlich nur geschriebene und nicht auch gesprochene Werke nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG urheberrechtlichen Schutz erfahren, nimmt er eine falsche rechtliche Wertung vor und unterliegt damit lediglich einem Verbots­ irrtum. Im Falle eines vorsatzausschließenden Irrtums bleibt der Verwerter mangels Existenz eines Fahrlässigkeitstatbestandes also grundsätzlich straf­ los, im Falle eines Verbotsirrtums ist er aufgrund der hohen Anforderungen an die Unvermeidbarkeit gem. § 17 S. 1 StGB hingegen grundsätzlich straf­ bar. 131  Vgl. Hildebrandt, S. 132, wonach die §§ 15 ff. UrhG durch „Hereinnahme“ in die einzelnen Tathandlungen des § 106 Abs. 1 UrhG „zum Tatbestand gehörten“. 132  Vgl. Weber, S. 228, wonach die Einbeziehung der Schrankenregelungen in den Tatbestand des § 106 Abs. 1 UrhG diesen negativ konkretisierten. 133  Vgl. Hildebrandt, S. 132, wonach der Tatbestand erst dadurch einen „greifba­ ren Inhalt“ erhalte, dass auch die §§ 45 ff. UrhG in diesen hineingelesen werden. 134  So etwa Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 21; MüKoStGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 21. 135  Vgl. Kapitel 1, § 1 B., IV. 136  Vgl. Kapitel 1, § 1 B., IV.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts53

Hierauf wird später noch ausführlich eingegangen.137 Zur Verdeutlichung soll jedoch bereits an dieser Stelle ein weiteres Beispiel angeführt werden: Ordnet man den Ablauf der Schutzfrist des § 64 UrhG mit der überwiegen­ den Meinung als Schrankenregelung ein,138 würde derjenige, der das Werk eines Urhebers in der Annahme vervielfältigt, der Urheber sei bereits vor über siebzig Jahren verstorben, einem Tatbestandsirrtum unterliegen, wenn der Urheber tatsächlich erst vor sechzig Jahren verstorben ist. Hier irrt sich der Verwerter über die tatsächlichen Grenzen der Schutzfrist des § 64 UrhG als Merkmal des objektiven Tatbestandes. Weiß er hingegen, dass der Urhe­ ber erst vor sechzig Jahren verstorben ist, meint er aber, die Schutzfrist des § 64 UrhG laufe bereits nach sechzig Jahren ab, irrt er über die rechtlichen Grenzen des Tatbestandes und unterliegt damit einem Verbotsirrtum.139 III. Rechtswidrigkeit Während die allgemeinen Rechtfertigungsgründe im Urheberstrafrecht kaum eine Rolle spielen und praktisch bedeutungslos sind,140 ist dies bezüg­ lich des in § 106 Abs. 1 UrhG normierten Merkmals der „Einwilligung des Berechtigten“ anders. Die herrschende Meinung sieht hierin einen Recht­ fertigungsgrund,141 die Gegenansicht ein negativ gefasstes Tatbestandsmerk­ mal.142 Hierauf wird an späterer Stelle noch genauer eingegangen.143

137  Vgl.

ausführlich hierzu Kapitel 3, § 3, A. etwa Hildebrandt, S.  137; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 31; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78, 114; Wandtke/OhstHeinrich, Kapitel 6 Rn. 318; a. A. hingegen Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 4; Erbs/ Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG Rn. 8; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 11; Reinbacher, S.  135 f.; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 9, 22; Weber, S. 179 ff., wonach bei Ablauf der Schutzfrist bereits kein urheberrechtlich geschütztes Werk und somit auch kein taugliches Tatobjekt mehr vorliege, die Schutzfrist des § 64 UrhG also ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal darstelle. 139  Diese Fälle ließen sich auch dadurch kombinieren, dass sich der Täter sowohl über die rechtlichen Grenzen der Schutzdauer, als auch über den tatsächlichen Zeit­ punkt des Todes des Urhebers irrt; vgl. zu solchen Fällen des Doppelirrtums Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1145 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  767 ff. 140  So auch MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 126; Wandtke/Bullin­ ger-Reinbacher, § 106 Rn. 31; Weber, S.  261 ff. 141  So etwa Do Chi, S. 234 f.; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 25; Heinrich, S. 260; Hildebrandt, S. 241; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 33; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 115; Wandtke/Bullin­ ger-Reinbacher, § 106 Rn. 24c; Weber, S.  265 ff. 142  So Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 36; Rochlitz, S. 134 ff.; Schricker/Loewen­ heim-Kudlich, § 106 Rn. 33; Wissmann, S.  362 ff. 143  Vgl. hierzu Kapitel 3, § 2, A., II., 1. 138  So

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Entscheidend ist jedoch, dass die Einwilligung vom „Berechtigten“ zu er­ teilen ist. Als Berechtigter ist dabei in erster Linie der Urheber selbst anzu­ sehen, dies kann aber auch dessen Rechtsnachfolger und der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz sein, nicht hingegen der Inhaber einer einfachen Li­ zenz.144 Wegen Art. 1 Abs. 1 EGStGB finden die allgemeinen Grundsätze zur Behandlung der Einwilligung Anwendung. Demnach ist die Einwilligung vor allem von der nachträglich erteilten Genehmigung zu unterscheiden. Wäh­ rend eine solche im Zivilrecht zulässig ist, ist die Rechtsfigur der nachträg­ lichen Genehmigung dem Strafrecht per se fremd.145 Ob und inwieweit dies das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät vor Probleme stellt, wird an anderer Stelle ausführlich behandelt.146 IV. Schuld Auch die Entschuldigungsgründe spielen im Urheberstrafrecht kaum eine Rolle.147 Relevanz können auf der Ebene der Schuld lediglich die Schuld­ unfähigkeit des Täters und vor allem Irrtumskonstellationen erlangen. Es ließen sich hier sämtliche oben angerissene Fallbeispiele dergestalt konstruieren, dass die Fehlvorstellung des Täters nicht auf tatsächlichen Um­ ständen, sondern auf einer falschen rechtlichen Würdigung beruht. Erkennt der Täter alle tatsächlichen Umstände zutreffend, hält er aber etwa ein ur­ heberrechtlich geschütztes Werk aufgrund einer falschen Subsumtion für nicht geschützt, unterliegt er einem Verbotsirrtum (§ 17 StGB). Dieser führt jedoch nur bei Unvermeidbarkeit des Irrtums gem. § 17 S. 1 StGB zur Straf­ freiheit. Auch hierauf wird später noch ausführlich eingegangen.148

E. Die weiteren Zentraltatbestände des Urheberstrafrechts In ihrer praktischen Bedeutung bleiben die übrigen Zentraltatbestände des Urheberstrafrechts hinter der des § 106 UrhG zurück. Eine Beschäftigung mit den §§ 107, 108 und 108b UrhG lohnt sich hier jedoch vor dem Hinter­ grund einiger Besonderheiten der Zivilrechtsakzessorietät. Hierauf wird an späterer Stelle im Zusammenhang mit der Einordnung des Inhalts und der 144  Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 9; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, § 106 Rn. 8; Heinrich, S. 260; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 116; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 106 Rn. 35. 145  Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 3, § 2, B., II., 1. 146  Vgl. hierzu Kapitel 3, § 2, B., II., 4. 147  So auch Do Chi, S. 242; Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 11. 148  Siehe hierzu Kapitel 3, § 3, B., II.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts55

Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät eingegangen.149 Die Ausführungen die­ nen an dieser Stelle gewissermaßen dazu, die für diese Einordnung notwen­ digen allgemeinen Grundlagen zu legen. I. Unzulässiges Anbringen der Urheberbezeichnung (§ 107 UrhG) § 107 UrhG sanktioniert ausweislich seiner amtlichen Überschrift das un­ zulässige Anbringen der Urheberbezeichnung. Diese beschreibt jedoch ledig­ lich eine von zwei unterschiedlichen Tatbeständen innerhalb des § 107 Abs. 1 UrhG und ist somit nur pars pro toto zu verstehen. Während § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG das unzulässige Anbringen der tatsächlichen Urheberbezeichnung auf einem Werk der bildenden Kunst und die Verbreitung eines so bezeichne­ ten Werkes unter Strafe stellt, sanktioniert § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG das un­ zulässige Anbringen der Urheberbezeichnung auf einer Vervielfältigung, Be­ arbeitung oder Umgestaltung, wenn dadurch der Anschein eines Originals vermittelt wird. Auch hier ist die Verbreitung erfasst. Um § 107 UrhG dreht sich die meist sehr theoretisch geführte150 Diskus­ sion um das geschützte Rechtsgut.151 Richtigerweise kann diese Frage nicht pauschal für beide Tatbestände des § 107 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 UrhG beant­ wortet werden. § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG findet seine zivilrechtliche Entspre­ chung in § 13 S. 2 UrhG. Diese Vorschrift ist als Ausfluss des Urheberper­ sönlichkeitsrechts und dieses wiederum als Ausfluss des in Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG verankerten Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ein­ zuordnen.152 Mithin muss auch § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG die Funktion zu­ kommen, das Urheberpersönlichkeitsrecht zu schützen.153 Bei § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG ist zu beachten, dass sich hier sogar der Urheber selbst strafbar 149  Vgl.

Kapitel 4, § 2–4. Auswirkungen hat die Diskussion bei § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG ins­ besondere dann, wenn der Urheber selbst den Tatbestand verwirklicht. 151  Vgl. hierzu ausführlich Löffler, NJW 1993, 1421 (1426 ff.); Sieg, S.  85 ff. 152  Vgl. hierzu Ahrens, GRUR 2013, 21 (23 f.); Dreier/Schulze-Schulze, Vor § 12 Rn.  5 f.; Rehbinder/Peukert, § 20 Rn. 431 ff.; Schlinghoff, GRUR 2017, 572 (575 ff.); Schricker/Loewenheim-Dietz/Peukert, Vor §§  12 ff. Rn.  29 ff.; Wandtke/BullingerBullinger, Vor §§  12 ff. Rn.  16 ff. 153  So auch Katzenberger, GRUR 1982, 715 (719); Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 76; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 4; Ulmer, § 133 II 2b; vgl. jedoch auch Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 1; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 107 Rn. 1; Hildebrandt, S. 175; Löffler, NJW 1993, 1421 (1427); Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, §  107 Rn.  1; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 107 Rn. 2; Sieg, S. 85 ff., die § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG neben der Funktion des Schutzes des Urheberpersönlichkeitsrechts auch die Funktion zuschreiben, dem Schutz der Allgemeinheit zu dienen; die Befürworter eines solchen doppelten Rechts­ güterschutzes stützen sich dabei auf die insoweit sehr pauschale und auf § 107 UrhG 150  Praktische

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

machen kann, wenn er etwa eine Vervielfältigung seines Werkes mit seiner Urheberbezeichnung versieht und damit als Original kennzeichnet.154 Ge­ schütztes Rechtsgut kann dann aber jedenfalls nicht ausschließlich eine Rechtsposition des Urhebers sein, die Vorschrift dient zumindest auch dem Schutz der Allgemeinheit in Form der Lauterkeit des Kunsthandels.155 Über § 107 UrhG hinaus sieht das Urheberstrafrecht keinen gesonderten Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts vor. Dabei hat die Vorschrift selbst bereits einen äußerst beschränkten Anwendungsbereich. Dies liegt daran, dass sie sich lediglich auf Werke der bildenden Kunst bezieht und ausschließ­ lich den Fall des unzulässigen Anbringens der tatsächlichen Urheberbezeich­ nung erfasst, wohingegen das Anbringen einer unzutreffenden Bezeichnung nicht unter die Vorschrift fällt.156 Hierauf wird später noch ausführlich einge­ gangen.157 Aufgrund der geringen Bedeutung dieser Anwendungsfälle wird teilweise eine Streichung der Vorschrift gefordert,158 zuweilen wird sie auch im Hin­ blick auf eine Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG für verfassungswidrig gehalten.159 Nichtsdestotrotz wurde die Strafbarkeit 1990 im Ganzen bezogene Gesetzesbegründung in BT-Drs. IV/270, S. 107, wonach § 107 UrhG „auch Interessen der Allgemeinheit wahren“ soll. 154  Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass das Erfordernis der fehlenden Einwilligung hier (anders als bei § 106 Abs. 1 UrhG) überwiegend als negativ gefass­ tes Tatbestandsmerkmal angesehen wird; so etwa vertreten von Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 8; Hildebrandt, S. 188 f.; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 107; MüKoStGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 11; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 107 Rn. 7; a. A. hingegen Sieg, S.  113 f.; Weber, S. 268; vgl. ferner Fromm/NordemannRuttke/Scharringhausen, § 107 Rn. 10; vgl. hierzu und zu möglichen Auswirkungen auf das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät später Kapitel 4, § 2, B., II., 1. 155  So Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 1; v. Gamm, § 107 Rn. 1; Katzenberger, GRUR 1982, 715 (719); Löffler, NJW 1993, 1421 (1427); Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 76; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 1, 4; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 13; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 107 Rn. 9; Sieg, S. 88; Weber, S. 253 f.; a. A. hingegen Ulmer, § 133 II 2, der annimmt, der Rege­ lungsgehalt bezwecke ausschließlich den Schutz des Urhebers und dies damit begrün­ det, dass der Urheber auch im Falle des § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG einwilligen können müsse, weil andernfalls ein Wertungswiderspruch zum Sinn und Zweck des Urheber­ rechts im Ganzen begründet würde; wie Ulmer i. E. auch Tölke, S. 65. 156  Einschlägig sind in solchen Konstellationen jedoch häufig die Straftatbestände des Betrugs (§ 263 StGB) oder der Urkundenfälschung (§ 267 StGB), ferner die Straftatbestände der Beleidigung (§ 185 StGB) oder der Urkundenvernichtung (§ 274 UrhG). 157  Vgl. Kapitel 4, § 2, C. 158  So etwa von Flechsig, GRUR 1978, 287 (289); Hildebrandt, S. 527; Möhring/ Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 1; Rochlitz, S. 259; Sieg, S. 176, 192 f.; vgl. hierzu noch ausführlich Kapitel 4, § 2, D., I.



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts57

auf die versuchte Begehung ausgeweitet (§ 107 Abs. 2 UrhG).160 Zu erwäh­ nen ist, dass sich der Täter auch hier nur bei vorsätzlichem Handeln strafbar macht (§ 15 StGB). Wie später noch ausführlich dargestellt wird, ist auch § 107 UrhG im Grundsatz zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet.161 Dabei ist jedoch bereits hier auf die Besonderheit hinzuweisen, dass der Straftatbestand mit der Be­ zugnahme auf § 10 UrhG ausdrücklich auf die zivilrechtlichen Vorschriften verweist und der urheberstrafrechtlich gewährte Schutz im Hinblick auf das Urheberpersönlichkeitsrecht weit hinter dem zivilrechtlichen zurückbleibt. II. Unerlaubter Eingriff in verwandte Schutzrechte (§ 108 UrhG) § 108 UrhG stellt unerlaubte Eingriffe in verwandte Leistungsschutzrechte unter Strafe. Die Vorschrift sichert bis auf das Leistungsschutzrecht des Ver­ anstalters (§ 81 UrhG) alle verwandten Schutzrechte strafrechtlich ab. Die Struktur der Vorschrift ähnelt sehr der des § 106 UrhG. Auch für eine Straf­ barkeit nach § 108 UrhG darf kein „gesetzlich zugelassener Fall“ vorliegen, wobei hier die speziellen Schrankenregelungen der Leistungsschutzrechte zu beachten sind.162 Die Vorschrift schützt die Verwertungsrechte des Leistungs­ schutzrechtsinhabers, nicht jedoch auch persönlichkeitsrechtliche Aspekte.163 Die Vorschrift bleibt in ihrer praktischen Relevanz zwar hinter der des § 106 UrhG zurück,164 sie erfährt jedoch zumindest im Zusammenhang mit neueren Technologieformen zunehmend einen erhöhten Anwendungsbe­ reich.165 Nichtsdestotrotz plädieren auch hier vermehrt Stimmen für eine Streichung der Vorschrift.166 159  So etwa Hildebrandt, S. 202, 527; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 107 Rn. 1; vgl. hierzu später Kapitel 4, § 2, D., II. 160  Vgl. Kapitel 1, § 1, C., III. 161  Vgl. Kapitel 4, § 2, A., II. 162  So etwa § 87c UrhG für Datenbanken und §§ 70 Abs. 3, 71 Abs. 3 UrhG für die Schutzfrist. 163  So auch Braun, S. 149; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108 UrhG Rn. 1. 164  Vgl. insgesamt zur praktischen Relevanz sogleich Kapitel 1, § 2, A., II. 165  So vor allem im Zusammenhang mit dem Aufkommen der Video-, Musik- und Softwarepiraterie; vgl. zu diesen Entwicklungen ausführlich Katzenberger, GRUR Int 1992, 613 (514 ff.); Sternberg-Lieben, Musikdiebstahl, S. 17 ff., 122 ff.; M. Walter, S.  835 ff. 166  Argumentiert wird dabei vorrangig mit einer sachlich nicht gebotenen Gleich­ stellung des strafrechtlichen Schutzes der Leistungsschutzrechte mit dem Urheber­ recht; so etwa von Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 108 Rn. 1; Weber, S.  382 ff.; ders., FS Sarstedt 1981, S. 386 f.; in Ansätzen auch Hildebrandt, S. 530 ff.; für eine Streichung aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken im Hinblick auf eine Verlet­

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät liegt auch § 108 UrhG zugrun­ de.167 Dies betrifft sowohl die einzelnen Tathandlungen168 als auch die Tat­ objekte169 sowie die genannten Leistungsschutzrechte selbst,170 bezüglich derer auf die jeweiligen zivilrechtlichen Vorschriften abzustellen ist. Hinzu­ weisen ist auch bereits hier auf die Besonderheit, dass sich die Anknüpfung an die einzelnen Leistungsschutzrechte bei § 108 Abs. 1 UrhG durch aus­ drückliche Verweise zeigt.171 III. Unerlaubter Eingriff in technische Schutzmaßnahmen und zur Rechtewahrnehmung erforderliche Informationen (§ 108b UrhG) Der strafrechtliche Schutz des § 108b UrhG nimmt Bezug auf die zivil­ rechtlichen Vorschriften der §§ 95a, 95c UrhG. Diese enthalten ergänzende Schutzbestimmungen des Rechtsinhabers, um Maßnahmen zum Schutze sei­ ner Urheber- und verwandten Schutzrechte zu ergreifen.172 Die Vorschrift zung des Bestimmtheitsgrundsatzes plädierend Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108 Rn. 3; in diese Richtung gehend auch Berger, GRUR 1997, 169 (173 ff.); ausdrück­ lich für eine Beibehaltung der Vorschrift streitend Flechsig, GRUR 1978, 287 (290); Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 94; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 108 Rn. 2; Rochlitz, S.  243 ff. 167  Vgl. BGHSt 49, 93 (97) = BGH GRUR 2004, 421 (422) = BGH NJW 2004, 1674 – Tonträgerpiraterie durch CD-Export; vgl. auch Fromm/Nordemann-Ruttke/ Scharringhausen, § 108 Rn. 2; Hildebrandt, S. 203; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108 UrhG Rn. 1; Sternberg-Lieben, Musikdiebstahl, S. 73. 168  Dreier/Schulze-Dreier, § 108 Rn. 3; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108 Rn. 4; Heinrich, S. 281; Hildebrandt, S. 206; Schricker/LoewenheimKudlich, § 108 Rn. 3; Weber, S. 257. 169  Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108 Rn. 2; Hildebrandt, S. 205; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108 UrhG Rn. 3; zu beachten ist jedoch, dass die Relevanz des § 108 UrhG in Bezug auf das Tatobjekt der Bearbeitung eben deshalb gering ist, weil das Vorliegen einer Bearbeitung das Vorliegen einer persönlichen geistigen Schöpfung voraussetzt und in diesem Fall meist ohnehin strafrechtlicher Schutz über § 106 UrhG besteht; in diesem Fall für Idealkonkurrenz (§ 52 StGB) zwischen §§ 106 und 108 UrhG streitend Dreier/Schulze-Dreier, § 108 Rn. 6; Hildebrand, S. 205; Reinbacher, S. 298. 170  Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108 Rn. 2; Möhring/NicoliniSternberg-Lieben, § 108 Rn. 8 ff.; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108 UrhG Rn. 3; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108 Rn. 4. 171  So etwa bzgl. der wissenschaftlichen Ausgabe (§ 108 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) auf § 70 UrhG, des nachgelassenen Werkes (§ 108 Abs. 1 Nr. 2 UrhG) auf § 71 UrhG oder des Lichtbilds (§ 108 Abs. 1 Nr. 3 UrhG) auf § 72 UrhG. 172  Vgl. zur Einführung der ergänzenden Schutzbestimmungen in §§ 95a ff. UrhG BT-Drs. 15/38; BT-Drucks. 15/837; vgl. ferner Art. 6 und 7 der RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung be­ stimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Infor­



§ 1 Die Vorschriften des Urheberstrafrechts59

bezieht sich sowohl auf Urheberrechte als auch auf Leistungsschutzrechte, wobei ihr vorrangig die Aufgabe zukommt, die Verwertungsrechte des Urhe­ bers zu sichern.173 § 108b UrhG normiert eine Strafbarkeit bei Umgehung einer wirksamen, also vom Rechtsinhaber in Bezug auf die Sicherung seines Werkes oder Leis­ tungsschutzrechtes berechtigt vorgenommenen, technischen Schutzmaß­ nahme (§ 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG) sowie bei Entfernung von zur Rechte­ wahrnehmung erforderlicher Informationen (§ 108b Abs. 1 Nr. 2a UrhG). Darüber hinaus sanktioniert § 108b Abs. 1 Nr. 2b UrhG die Verbreitung, Einführung, Versendung, öffentliche Wiedergabe und Zugänglichmachung eines solchen Werkes oder verwandten Schutzrechts; § 108b Abs. 2 UrhG sanktioniert die Herstellung, Einführung, Verbreitung, Vermietung und den Verkauf von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen zur Umgehung technischer Maßnahmen i. S. d. § 95a Abs. 3 UrhG, sofern dies zu gewerb­ lichen Zwecken erfolgt. In Bezug auf die Zivilrechtsakzessorietät lassen sich an diesem Straftatbe­ stand verschiedene interessante Besonderheiten ausmachen, auf die später noch ausführlich eingegangen wird.174 Schon hier ist jedoch darauf hinzu­ weisen, dass sich die Anlehnung an die zivilrechtlichen Vorgaben bei § 108 Abs. 1 UrhG lediglich dadurch zeigt, dass der Tatbestand dieselben Begriffe verwendet wie die urheberzivilrechtlichen Vorgaben, so etwa in Bezug auf die technischen Maßnahmen (§ 95 Abs. 2 UrhG).175 Bei § 108b Abs. 2 UrhG verweist das Gesetz hingegen ausdrücklich auf § 95a Abs. 3 UrhG und nimmt somit unmittelbar Bezug auf die zivilrechtlichen Vorgaben. Hinzuweisen ist bereits hier auch auf den interessanten Umstand, dass die §§ 95a ff. UrhG auf Computerprogramme keine Anwendung finden (§ 69a Abs. 5 UrhG). Dies wirft jedoch die Frage nach den Auswirkungen auf eine Strafbarkeit gem. § 108b UrhG auf, wenn der Täter Maßnahmen zum Schutze von Computerprogrammen umgeht. Auch diese Frage ist primär über die mationsgesellschaft (sog. Multimadia-Richtlinie); dabei ist zu beachten, dass der na­ tionale Gesetzgeber mit der Einführung des § 108b UrhG über die Vorgaben der Richtlinie hinausging, da die Mitgliedstaaten zumindest nicht ausdrücklich (vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2001/29/EG) zur Einführung strafrechtlicher Sanktionsnormen ver­ pflichtet waren; vgl. hierzu Metzger/Kreutzer, MMR 2002, 139 (139 ff.); M. Walter, S.  1009 ff.; Zecher, ZUM 2002, 451 (452) und später ausführlich Kapitel 4, § 5. 173  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 1; Schricker/LoewenheimKudlich, § 108b Rn. 3 ff.; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 2; pauschaler formulierend Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 1, wonach ge­ schütztes Rechtsgut das urheberrechtlich geschützte Werk sei. 174  Vgl. hierzu Kapitel 4, § 5. 175  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 4; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 4.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Zivilrechtsakzessorietät zu beantworten. Weitere Besonderheiten im Zusam­ menhang mit der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung dieser Vorschrift ergeben sich daraus, dass der Begriff der Verbreitung in § 108b Abs. 2 UrhG gelegentlich anders verstanden wird als in § 17 UrhG176 und dass der Tatbe­ stand des § 108b Abs. 1 UrhG – im Gegensatz zur zivilrechtlichen Ausgangs­ norm – eine Privilegierung des Täters im Falle des Handelns zum privaten Gebrauch vorsieht.177 In diesen Fällen kann also eine zivilrechtliche Haftung vorliegen, gleichzeitig würde aber eine Strafbarkeit ausscheiden. Auf all diese Aspekte wird an späterer Stelle noch ausführlich eingegangen.178

§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht Der eigentliche Kern der Thematik dieser Arbeit liegt im materiell-rechtlichen Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht. Dieses Ver­ hältnis ist geprägt von einer inhaltlichen Anlehnung der strafrechtlichen an die zivilrechtlichen Vorschriften des Urheberrechtsgesetzes, die durch das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät gewährleistet wird. Bevor dieses mate­ riell-rechtliche Verhältnis im Mittelpunkt der Betrachtung steht,179 geht es im Folgenden zunächst um das generelle Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht, insbesondere aus prozessualer Perspektive und vor dem Hintergrund der Rechtsdurchsetzung. Dies einleitend, soll zu Beginn die allgemeine Bedeutung des Urheber­ strafrechts im Verhältnis zum Urheberzivilrecht beleuchtet werden (A.). Da­ bei wird sich zeigen, dass das Urheberstrafrecht eine eher untergeordnete Rolle einnimmt. Diese Rolle soll sodann anhand einiger Unterschiede in den Funktionen (B.) und der Art der Rechtsdurchsetzung erklärt werden (C.).

A. Bedeutung des Urheberstrafrechts Heinrich schreibt zur Rolle der strafrechtlichen Vorschriften im Bereich des Immaterialgüterrechts, diese spielten hier „gemeinhin eher nur die ‚Zweite Geige‘ “.180 Dies zeigt sich im Urheberrechtsgesetz zunächst daran, 176  Vgl.

Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 4. beachten ist, dass die Privilegierung des § 53 UrhG auf § 108b UrhG nicht anwendbar ist, da es bei § 108b UrhG nicht auf eine Vervielfältigung ankommt. 178  Vgl. Kapitel 4, § 5. 179  Vgl. hierzu die Darstellungen ab Kapitel 2. 180  Heinrich in: Urheberrecht im Wandel der Zeit, S. 41; ähnlich formuliert von Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, § 106 Rn. 1, wonach die strafrechtlichen Vorschriften im Urheberrecht lediglich die „zweite Säule“ bildeten; vgl. auch Leh­ 177  Zu



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 61

dass von den 222 Vorschriften nur neun im weitesten Sinne dem Straf- und Strafprozessrecht zuzuordnen sind.181 Diesen steht ein ausdifferenzierteres zivilrechtliches Sanktionsregime insbesondere mit Ansprüchen auf Beseiti­ gung, Unterlassung und Schadensersatz (§ 97 UrhG)182 sowie anderen Rech­ ten183 gegenüber. Diese Tendenz zeigt sich auch in den übrigen Bereichen des Immaterialgüterrechts184 und im Wettbewerbsrecht.185 Entscheidend ist jedoch, ob und inwieweit sich diese untergeordnete Rolle des Strafrechts gerade im Urheberrecht auch statistisch anhand der Zahlen erfasster Straftaten nachweisen lässt. Maßgebend sind dafür die offiziellen Zahlen des Bundeskriminalamtes, die jährlich in der Polizeilichen Kriminalstatistik veröffentlicht werden. Diese ergeben sich aus denjenigen Zahlen, die das Bundeskriminalamt von den Landeskriminalämtern der 16 Bundesländer erhält.186 Die folgende Auswertung basiert auf den Zahlen für das Jahr 2018. I. Registrierte und abgeurteilte Straftaten Bezogen auf die Straftatbestände der §§ 106 ff. UrhG spricht die Polizei­ liche Kriminalstatistik von Straftaten gegen oder im Zusammenhang mit Urheberrechtsbestimmungen. Diese werden einerseits dem Bereich der Wirt­ schaftskriminalität zugeordnet und andererseits im Zusammenhang mit den Wettbewerbsdelikten gelistet.187

mann-Haß, S. 467 (502), der das Urheberstrafrecht als „Magd des Zivilrechts“ be­ zeichnet. 181  Siehe hierzu bereits Kapitel 1, § 1, A. 182  Zu nennen sind darüber hinaus die bedeutsamen Ansprüche auf Vernichtung, Rückruf und Überlassung (§ 98 UrhG), auf Auskunftserteilung (§ 101 UrhG) und auf Vorlage und Besichtigung (§ 101a UrhG). 183  Zu nennen sind diesbezüglich etwa die Vorschriften zur Abmahnung (§ 97a UrhG), zur Entschädigung (§ 100 UrhG) und zur Sicherung der Schadensersatzan­ sprüche (§ 101b UrhG). 184  Vgl. im MarkenG: von insgesamt 180 Vorschriften drei Strafvorschriften und eine Bußgeldvorschrift; im SortG: von insgesamt 54 Vorschriften eine Strafvorschrift und eine Bußgeldvorschrift; vgl. ferner jeweils eine Strafvorschrift im DesignG (ins­ gesamt 87 Vorschriften), PatG (insgesamt 170 Vorschriften), GebrMG (insgesamt 44 Vorschriften) und HalblSchG (insgesamt 14 Vorschriften). 185  Das GWB enthält keine Stravorschriften, sondern nur Bußgeldtatbestände; das UWG enthielt bis zum Jahr 2019 vier Strafvorschriften, mittlerweile wurden diese durch eine einzige Stravorschrift im GeschGehG ersetzt. 186  PKS, Richtlinien, S. 17. 187  Vgl. PKS, Richtlinien, S. 12, 13.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Für das Jahr 2018 verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik 9.022 Straftaten gegen oder im Zusammenhang mit Urheberrechtsbestimmungen.188 In den Jahren 2014–2017 ist dieser Wert stets ähnlich ausgefallen.189 Dabei ist zu erwähnen, dass sich sämtliche hier präsentierte Zahlen freilich nur auf diejenigen Fälle beziehen, die den Strafverfolgungsbehörden tatsächlich auch bekannt geworden sind (= registrierte Zahlen). Aufgrund der von der Polizeilichen Kriminalstatistik vorgenommenen Ver­ ortung der §§ 106 ff. UrhG im Bereich der Wirtschaftskriminalität ist an dieser Stelle ein Vergleich zu den Zahlen der registrierten Betrugsstrafbarkei­ ten anzuführen, die sich für das Jahr 2018 auf 840.783 Fälle belaufen.190 Vor dem Hintergrund, dass die Verletzung des geistigen Eigentums gerne auch als „geistiger Diebstahl“ bezeichnet wird, ist zur Verdeutlichung der Dimen­ sionen ferner ein Vergleich zu den Zahlen der registrierten Diebstahlsstraf­ barkeiten anzustellen, bezüglich derer die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2018 1.936.315 Fälle zählt.191 Wie im Rahmen der geschichtlichen Einordnung dargelegt,192 erhöhte sich die Schutzbedürftigkeit des Urhebers gerade durch die zunehmende Etablie­ rung des Internets und der fortschreitenden Digitalisierung. Dies lässt sich zumindest nicht zwingend an den Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik festmachen, denn diese zählt für das Jahr 2018 lediglich 3.880 Straftaten gegen oder im Zusammenhang mit Urheberrechtsbestimmungen, die mit dem Tatmittel des Internets begangen wurden.193 Dies macht, bezogen auf sämt­ liche im Jahr 2018 im Internet begangenen Straftaten, lediglich einen Anteil von 1,4 % aus, wohingegen 75,7 % der im Internet begangenen Delikte auf solche Straftaten entfallen, die im weitesten Sinne dem Betrug194 zuzuordnen sind.195 Im Verhältnis zu den im Bereich des Urheberrechts registrierten Straftaten machen diese 3.880 Fälle jedoch einen Anteil von 43 % aus.

188  PKS, Jahrbuch 2018, Band 1, S. 13; vgl. ferner PKS, Jahrbuch 2018, Band 4, S. 115. 189  Im Jahr 2017: 8.085 Straftaten (vgl. PKS, Jahrbuch 2017, Band 1, S. 12); im Jahr 2016: 8.255 Straftaten (vgl. PKS, Jahrbuch 2016, Band 4, S. 102); im Jahr 2015: 7.699 Straftaten (vgl. PKS, Jahrbuch 2015, Gesamtwerk, S. 5); im Jahr 2014: 8.762 Straftaten (vgl. PKS, Jahrbuch 2014, Gesamtwerk, S. 6). 190  PKS, Jahrbuch 2018, Band 1, S. 12. 191  PKS, Jahrbuch 2018, Band 1, S. 12. 192  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 1, C., I. 193  PKS, Jahrbuch 2018, Band 1, S. 33. 194  Hierzu werden der Computerbetrug, der Leistungsbetrug, der Leistungskredit­ betrug, der Warenbetrug sowie sonstige Fälle des Warenkreditbetrugs gezählt; vgl. PKS, Jahrbuch 2018, Band 1, S. 33. 195  PKS, Jahrbuch 2018, Band 1, S. 33.



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 63

Stellt man diesen registrierten Zahlen die Anzahl der tatsächlich erfolgten strafrechtlichen Urteile und Beschlüsse gegenüber, wird die untergeordnete Rolle des Urheberstrafrechts noch deutlicher. Diesbezüglich ist auf die Strafverfolgungsstatistik des Statistischen Bundesamtes zurückzugreifen. Auch dabei wird auf die Zahlen aus dem Jahr 2018 abgestellt. Im Jahr 2018 kam es demnach bei insgesamt 9.022 registrierten Strafbarkeiten gegen oder im Zusammenhang mit Urheberrechtsbestimmungen in lediglich 97 Fällen zu einer tatsächlichen Aburteilung, also zu einer endgültigen Entscheidung durch ein deutsches Gericht.196 Von diesen 97 Fällen mündeten lediglich 59 Fälle in einer Verurteilung, was einer Quote von 0,65 % aller registrierten Straftaten gegen das Urheberrecht entspricht.197 Von diesen 59 Verurteilun­ gen wurde in elf Fällen eine Freiheitsstrafe verhängt und in 47 Fällen eine Geldstrafe.198 Es zeigt sich also, dass entgegen der vermeintlich bedeutsamen Rolle, die das Urheberrecht durch nationale und unionsrechtliche Gesetzgebung, Recht­ sprechung und in öffentlichen Debatten einnimmt, sich diese Bedeutung zu­ mindest nicht in der Anzahl registrierter und abgeurteilter Straftaten wegen Urheberrechtsverletzungen widerspiegelt. II. Verteilung der Schadenssummen Eine andere Dimension erhalten diese Zahlen dann, wenn man ihnen die jeweils eingetretenen Schadenssummen gegenüberstellt. Diesbezüglich kann auf die Zahlen des Jahres 2018 abgestellt werden, da sich diese wiederum aus der Polizeilichen Kriminalstatistik ergeben. Von den im Jahr 2018 registrierten 9.022 Fällen liegt in 8.622 Fällen eine vollende Strafbarkeit vor.199 In diesen 8.622 Fällen ist eine Gesamtschadens­ summe von 21.500.000 € eingetreten.200 Interessant ist dabei vor allem die Verteilung dieser Schadenssumme auf die registrierten 8.622 vollendeten Fälle. Diese verteilt sich nämlich zu 72,2 % auf solche Urheberrechtsverlet­ zungen, bei denen pro registriertem Fall nur ein Schaden von unter 15 € eingetreten ist und zu 17,2 % auf solche, bei denen der eingetretene Schaden jeweils zwischen 15 € und unter 500 € lag.201 In lediglich 8,0 % der regis­

196  Strafverfolgungsstatistik,

Fachserie 10, Reihe 3 – 2018, S. 56. Fachserie 10, Reihe 3 – 2018, S. 128. 198  Strafverfolgungsstatistik, Fachserie 10, Reihe 3 – 2018, S. 128. 199  PKS, Jahrbuch 2018, Band 4, S. 120. 200  PKS, Jahrbuch 2018, Band 4, S. 120. 201  PKS, Jahrbuch 2018, Band 4, S. 120. 197  Strafverfolgungsstatistik,

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

trierten vollendeten Fälle ist ein Schaden in Höhe von 500 € bis unter 5000 € eingetreten und in nur 2,6 % ein Schaden von 5000 € und mehr.202 Diese Zahlen zeigen eine interessante Verteilung der Gesamtschadens­ summe auf die einzelnen Schadenskategorien, wenn man sie einer einfachen Rechnung unterzieht: Von den 8.622 registrierten vollendeten Fällen ist in 6.225 Fällen jeweils ein Schaden von unter 15 € eingetreten. Da ein Schaden von unter einem Euro keinen Eingang in die Polizeilichen Kriminalstatistik findet,203 liegt der Durchschnittswert des eingetretenen Schadens in dieser Kategorie bei sieben Euro pro registriertem vollendeten Fall. Legt man die­ sen Durchschnittswert zugrunde, dann ist in den 6.225 Fällen dieser Scha­ denskategorie ein Schaden von insgesamt 43.575 € eingetreten. Bezogen auf die Gesamtschadenssumme in Höhe von 21.500.000 € entfallen somit ledig­ lich 0,2 %, auf diese Kategorie, die jedoch mit 72,2 % der insgesamt festge­ stellten vollendeten Fälle die mit Abstand größte darstellt. Die restliche Schadenssumme in Höhe von 21.456.425 € erstreckt sich sodann auf die übrigen 27,8 % der registrierten vollendeten Fälle, also auf nur noch 2.397 registrierte Straftaten gegen Urheberrechtsbestimmungen. Führt man diese Rechnung fort und legt auch den nächsten der in der Po­ lizeilichen Kriminalstatistik so geführten drei Schadenskategorien (Kategorie 15 € – unter 50 €, Kategorie 50 € – unter 500 € und Kategorie 500 € – unter 5.000 €, also alle weiteren Kategorien, außer der letzten Kategorie ab 5.000 €) ihre jeweiligen Durchschnittswerte zugrunde, entfällt auf diese drei Kategorien eine Schadenssumme von ca. 861.500 €.204 Dies betrifft 1.474 Fälle, die in diesen drei Kategorien verortet sind, auf die aber lediglich ca. 4 % der Gesamtschadenssumme entfallen. Es verbleibt für die restlichen 2,6 % der registrierten vollendeten Fälle in der letzten Schadenskategorie ab 5.000 € somit noch eine Schadenssumme von ca. 20.600.000 €. Hinter die­ sen 2,6 % stehen jedoch nur rund 224 Fälle, auf die aber ca. 95 % der Ge­ samtschadenssumme entfallen. Für dieses Ergebnis ist entscheidend, dass in der ersten Kategorie (Scha­ den von unter 15 €) mit 72,2 % die meisten Urheberrechtsverletzungen regis­ triert wurden. Es entfallen somit auf relativ viele Urheberrechtsverletzungen 202  PKS,

Jahrbuch 2018, Band 4, S. 120. PKS, Jahrbuch 2018, Band 4, S. 120, wonach selbst in denjenigen Fällen, in denen ein Schaden mangels Verwertbarkeit des Werkes nicht feststellbar war, ein ideeller Wert von einem Euro zugrunde gelegt wurde. 204  Im Einzelnen: in der Kategorie 15 € – unter 50 €: 4,7 % (405 Fälle), durch­ schnittlicher Schaden 32,50 €, Gesamtschaden ca.13.162 €; in der Kategorie 50 € –  unter 500 €: 9,8 % (845 Fälle), durchschnittlicher Schaden 275 €, Gesamtschaden ca. 232.375 €; in der Kategorie 500 € – unter 5.000 €: 2,6 % (224 Fälle), durchschnitt­ licher Schaden 2.750 €, Gesamtschaden ca. 616.000 €. 203  Vgl.



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 65

sehr geringe Schadenssummen und auf relativ wenige Urheberrechtsverlet­ zungen sehr hohe Schadenssummen. An diesem Ergebnis würde sich aber auch dann nicht viel ändern, wenn man in dieser Kategorie einen höheren Wert zugrunde legte. Selbst wenn man annähme, dass in den 6.225 Fällen aus dieser Kategorie jeweils ein Schaden in Höhe von 14 € eingetreten ist, bedeutete dies lediglich eine Schadenssumme in Höhe von 87.150 €. III. Zwischenergebnis Die Zahlen sollen zweierlei verdeutlichen: Zum einen lässt sich die unter­ geordnete Bedeutung des Strafrechts im Urheberrecht auch statistisch anhand der registrierten und abgeurteilten Straftaten belegen. Diese Zahlen lassen sich aber nur bedingt in ein Verhältnis zur Bedeutung des Urheberzivilrechts setzen, weil jedenfalls keine offiziellen Statistiken zu registrierten zivilrecht­ lichen Urheberrechtsverletzungen geführt werden. Als Bezugspunkt kann somit lediglich die wahrnehmbar hohe – aber eben nicht nachweisbare – Be­ deutung herangezogen werden, die die zivilrechtliche Rechtsverfolgung für Werkschaffende und Nutzungsberechtigte einnimmt. Zum anderen zeigen die Zahlen eine ambivalente Verteilung der Schadenssummen. Auf der einen Seite steht eine relativ hohe Anzahl registrierter Straftaten, auf die jeweils nur sehr geringe Schadenssummen entfallen. Auf der anderen Seite steht eine relativ geringe Anzahl registrierter Straftaten, bei denen aber jeweils sehr hohe Schadenssummen eingetreten sind. Beide Erkenntnisse werden im wei­ teren Verlauf der Arbeit immer wieder von Bedeutung sein.

B. Funktionen des Urheberzivil- und des Urheberstrafrechts Im Folgenden soll ein erster Erklärungsansatz für die untergeordnete Rolle des Strafrechts über Unterschiede in den Funktionen des Urheberzivil- und des Urheberstrafrechts gegeben werden. I. Funktionen des Urheberzivilrechts Eine generelle Aussage zu den Funktionen des Zivilrechts lässt sich des­ wegen nur schwer formulieren, weil die einzelnen Funktionen sehr von den Besonderheiten der jeweiligen Teilrechtsgebiete des Zivilrechts beeinflusst sind.205 Im Folgenden sollen deshalb lediglich diejenigen Funktionen heraus­ 205  So etwa von den Besonderheiten des Vertragsrechts, Sachenrechts oder De­ liktsrechts.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

gestellt werden, die für das Zivilrecht als allgemeingültig angesehen werden können und die sich speziell auf das Urheberzivilrecht übertragen lassen. Das Zivilrecht lässt sich anschaulich im Kontext der französischen Revo­ lution und mit dem Synonym des Bürgerlichen Rechts beschreiben.206 Das Verständnis des Einzelnen war zu dieser Zeit geprägt vom Bild des mündigen citoyen207, der selbstbestimmt im Rechtsverkehr auftritt und sich auf die Grundsätze der Gleichberechtigung und der Freiheit beruft. Der Einzelne verhält sich im Rechtsverkehr autonom, was im Grundsatz der Privatautono­ mie mit der Freiheit zum Abschluss und zur Ausgestaltung von Verträgen wichtige Ausprägungen erfährt.208 Aufgrund dieser Freiheiten eines jeden Einzelnen können die Interessen der im Rechtsverkehr beteiligten Akteure jedoch auch in Konflikt miteinan­ der geraten. Dem Bürgerlichen Recht kommt dabei die Funktion zu, diese Interessen in einen gerechten Ausgleich zu bringen.209 Insoweit kann dem Zivilrecht eine gewisse Ordnungsfunktion zugeschrieben werden. Dieser Ordnungsfunktion versucht das Zivilrecht auf zwei Wegen gerecht zu wer­ den: Zum einen präventiv, indem es die Stellung des Einzelnen bereits im Vorhinein regelt und durch Festlegung von Rechten und Pflichten eine ge­ wisse Zuordnung vornimmt. Zum anderen repressiv, indem das Zivilrecht ein Rechtsfolgenregime für den Fall bereithält, dass diese Zuordnung aus dem Gleichgewicht gerät und ihr wieder zum Ausgleich verholfen werden muss. Von diesen Grundsätzen scheint das Urheberzivilrecht auf den ersten Blick abzuweichen, wenn es dem Urheber in Bezug auf ein Werk Privilegien in Form von Ausschließlichkeitsrechten zuschreibt und somit gerade keine Gleichheit und Freiheit aller Akteure zu schaffen scheint. Doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass die privilegierte Stellung des Urhebers ihre Berechtigung in der Schaffung des Werkes findet.210 Es ist gerade diese privilegierte Stellung des Urhebers, die aus der Ordnungsfunktion des Zivil­ rechts resultiert. Die Zuschreibung der Verwertungsrechte (§§ 15 ff. UrhG) oder aber die Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) stellen insoweit einen Ausgleich für das Werkschaffen des Urhebers dar. Das Urheberzivilrecht geht damit (wie das Zivilrecht allgemein) im Grund­ satz vom Prinzip der Gleichberechtigung und Freiheit aller Akteure aus, es weicht hiervon aber an denjenigen Stellen ab, an denen sich der Einzelne Brox/Walker, § 1 Rn. 14. für Bürger. 208  Vgl. Brox/Walker, § 2 Rn. 5. 209  Vgl. hierzu MüKo-BGB-Säcker, 8. Aufl., Einl. Rn. 36. 210  Vgl. zum Anreiz- und Belohnungsgedanken im Urheberrecht Engels, Rn. 9; Rehbinder/Peukert, § 2 Rn. 67 ff.; Stallberg, S.  263 ff. 206  Vgl.

207  Franz.



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 67

eine privilegierte Stellung erarbeitet. In diesen Fällen erfüllt auch das Urheber­zivilrecht seine Ordnungsfunktion präventiv, aber eben auch repres­ siv, indem es dem Urheber Ansprüche aus §§ 97 ff. UrhG zuschreibt. II. Funktionen des Urheberstrafrechts Gerade diese Ordnungsfunktion liegt auch dem Strafrecht zugrunde. Die­ ses hält einzelne Tatbestände bereit, um den rechtsuntreuen Bürger durch Androhung einschneidender Maßnahmen in letzter Konsequenz in die Schranken zu weisen. Damit erfüllt das Strafrecht die Funktion der Siche­ rung des Rechtsfriedens, der übergeordnet dem Ziel des Rechtsgüterschutzes und des Freiheitsschutzes dient.211 Im Einzelnen ist hier vieles umstritten, insbesondere im Hinblick auf die Terminologie und die konkrete Ausdiffe­ renzierung der einzelnen Funktionen.212 Entscheidend ist an dieser Stelle jedoch die Parallele zur soeben beschrie­ benen Ordnungsfunktion des Zivilrechts, denn auch das Strafrecht schafft Ordnung einerseits repressiv durch Verhängung von Sanktionen, die als Re­ aktion auf begangenes Unrecht jedenfalls auch die erschütterte Rechtsord­ nung wiederherzustellen versuchen. Zum anderen aber auch präventiv durch die bloße Androhung der Sanktionen gegenüber dem potentiell rechtsuntreuen Bürger.213 Aus dieser Perspektive scheinen sich die Funktionen des Straf- und des Zivilrechts gar nicht derart fundamental voneinander zu unterscheiden.214 Eigenständigen Charakter erfährt die strafrechtliche Ordnungsfunktion aber gegenüber der zivilrechtlichen dadurch, dass dem Strafrecht verfassungs­ rechtlich eine gänzlich andere Stellung zugeschrieben ist als dem Zivilrecht. Das Zivilrecht konkretisiert diejenigen Vorgaben, die von der Verfassung im Groben und übergeordnet aufgestellt werden und füllt diese gewissermaßen mit Inhalt. Das Strafrecht bildet dabei das letztmögliche Mittel, um diese von der Verfassung vorgegebene und vom Zivilrecht konkretisierte Ordnung ab­ 211  Vgl. hierzu etwa die Ausführungen bei Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Eisele, Strafrecht AT, § 2 Rn. 7; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 3, 13 ff. 212  Vgl. zur vertieften Darstellung Engländer, ZStW 127 (2015), 616 ff.; Heinrich, Strafrecht AT, Rn.  13 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 1 Rn. 2 ff., § 2 Rn. 2 ff.; Stuckenberg, ZStW 129 (2017), 349 ff.; Welzel, S.  5 ff. 213  Vgl. zum „generalpräventiven Zweck“ die Ausführungen bei Gallas, S.  5 ff.; Maiwald, FS Maurach 1972, S. 15; vgl. speziell zum Urheberstrafrecht Weber, FS Baur 1981, S. 143. 214  Dies gilt jedenfalls solange, wie man den Gedanken der Vergeltungsfunktion außer Acht lässt; vgl. als Vertreter eines solchen Ansatzes allenfalls noch Köhler, S.  37 ff.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

zusichern und Gefahren für diese zu verhindern.215 Das Strafrecht wird des­ halb gerne auch als das „schärfstes Schwert“ bezeichnet,216 man spricht in diesem Zusammenhang auch von der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts.217 Entscheidend ist dabei, dass es dem Wesen des Strafrechts also immanent ist, seine Wirkungen nicht immer sofort zu entfalten, sobald die Rechtsord­ nung aus dem Gleichgewicht geraten ist. Das Strafrecht soll bereits seiner verfassungsrechtlichen Stellung entsprechend eine untergeordnete Rolle ein­ nehmen und grundsätzlich erst dann zur Anwendung gelangen, wenn kein anderes Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung genügt. Eng mit dem Gedanken der ultima-ratio-Funktion hängt auch die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im Urheberstrafrecht zusammen. Hierauf wird später noch ausführlich eingegangen,218 dieser Umstand wirkt sich jedoch bereits an dieser Stelle aus. Die fahrlässige Urheberrechtsverletzung kann zwar zivilrechtlich einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs (§ 97 Abs. 1 UrhG) sowie einen Schadensersatzanspruch (§ 97 Abs. 2 UrhG) be­ gründen, sie führt jedoch nicht zur Strafbarkeit. Deshalb fließen die Fälle der fahrlässigen Urheberrechtsverletzung per se nicht in die Polizeiliche Krimi­ nalstatistik ein. Allerdings vermag es dieser Umstand allein kaum, die unter­ geordnete Rolle des Strafrechts zu begründen. Dies liegt daran, dass keine offiziellen Statistiken über das Ausmaß der fahrlässigen Urheberrechtsverlet­ zungen und vor allem keine statistischen Informationen darüber existieren, ob zivilrechtlich vorrangig wegen vorsätzlicher Urheberrechtsverletzungen prozessiert wird oder aber bei Vorsatz und Fahrlässigkeit gleichermaßen. III. Zwischenergebnis Das Strafrecht soll entsprechend seiner ultima-ratio-Funktion im Gegen­ satz zum Zivilrecht keineswegs bei jeder Rechtsverletzung eingreifen. Es liegt vielmehr in seinem Wesen begründet, dass das Strafrecht nicht immer konform mit der Anwendung des Zivilrechts verläuft.219 Sodann kann es aber auch nicht verwundern, dass die Bedeutung des Strafrechts hinter der des hierzu Günther, S. 154. Strafrecht AT I, § 2 Rn. 97; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 15. 217  Vgl. etwa Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Eisele, Strafrecht AT, § 2 Rn. 8; Felix, S.  298 ff.; Rengier, Strafrecht AT, § 3 Rn. 5 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 2 Rn. 97; vgl. zur verfassungsrechtlichen Verankerung BVerfGE 39, 1, 47; BVerfGE 88, 203, 258; vgl. hierzu später auch Kapitel 2, § 4, C. 218  Vgl. hierzu Kapitel 3, § 3, A. 219  Vgl. speziell zum Urheberstrafrecht Do Chi, S. 297; Heinrich, S. 176; vgl. fer­ ner Etter, CR 1989, 115, der bezüglich des Verhältnisses des Strafrechts zum Zivil­ recht davon spricht, das Strafrecht könne nicht das „Spiegelbild“ des Zivilrechts sein. 215  Vgl.

216  Roxin,



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 69

Zivilrechts zurückbleibt. Dies hilft hier jedoch nur insoweit, als eine grund­ sätzlich untergeordnete Rolle des Strafrechts gerade vor dem Hintergrund der ultima-ratio-Funktion nicht ungewöhnlich ist. Dies spiegelt sich auch darin wider, dass nicht zu jeder zivilrechtlichen Vorschrift ein strafrechtlicher Tat­ bestand existiert, was sich später beispielsweise noch an dem strafrechtlich sehr rudimentär geregelten Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts zeigen wird.220 Dies allein vermag die untergeordnete Bedeutung des Urheberstraf­ rechts aber kaum zu erklären, diesbezüglich sind vielmehr urheberrechtsspe­ zifische Umstände zu untersuchen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

C. Das Urheberstrafrecht in der Rechtsdurchsetzung Ein spezifisch urheberrechtlicher Erklärungsansatz soll über Besonderhei­ ten in der Rechtsdurchsetzung des Urheberstrafrechts hergeleitet werden. Dabei wird sich zeigen, dass obwohl materiell-rechtlich eine strenge inhalt­ liche Anlehnung an das Urheberzivilrecht vorgesehen ist, im Urheberrecht gehörige Unterschiede in der Rechtsdurchsetzung des Strafrechts im Verhält­ nis zur Rechtsdurchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche bestehen. Für die Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche ist auf die Zivilpro­ zessordung abzustellen, für die strafrechtliche Rechtsdurchsetzung auf die Strafprozessordnung.221 Die Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche ist dabei streng vom Beibringungsgrundsatz geprägt, sodass eine Rechtsdurch­ setzung nur in Betracht kommt, wenn der Verletzte den zivilprozessualen Gang bestreitet und Ansprüche gegen den Verletzer – gerichtlich oder außer­ gerichtlich – geltend macht.222 Das Zivilgericht wird von sich aus selbst dann nicht tätig, wenn es auf andere Weise Kenntnis von der Urheberrechts­ verletzung erlangt. Die Durchsetzung des staatlichen Strafanspruchs ist hin­ gegen vom Legalitätsprinzip geprägt.223 Dieses verpflichtet die Strafverfol­ gungsbehörden, den Sachverhalt eigenständig zu ermitteln und zu verfolgen, sobald sie Kenntnis von der Möglichkeit einer Straftat erlangen (vgl. § 152 Abs. 2 StPO).

220  Vgl.

hierzu später Kapitel 4, § 2, C. Geltung der ZPO ergibt sich hier aus § 3 Abs. 1 EGZPO, die Geltung der StPO aus § 3 Abs. 1 EGStPO i. V. m. Art. 1 Abs. 1 EGStGB. 222  Vgl. hierzu Grunsky/Jacoby, Rn.  101 ff.; Pohlmann, § 2 Rn. 66 ff.; Schilken, § 8 Rn. 345 ff. 223  Vgl. hierzu BVerfG NJW 1982, 1601; ferner Beulke/Swoboda, § 2 Rn. 17; Kindhäuser/Schumann, § 4 Rn. 18 f.; Krey/Heinrich, Deutsches Strafverfahrensrecht, § 13 Rn. 602 ff.; Roxin/Schünemann, § 14 Rn. 1 ff.; Schroeder/Verrel, § 10 Rn. 51 ff. 221  Die

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Auf den ersten Blick scheinen sich damit beide Verfahrensarten diametral gegenüberzustehen. Vor allem könnte man annehmen, die Anzahl der regis­ trierten Straftaten wegen Urheberrechtsverletzungen müsste gerade wegen des Legalitätsprinzips und der Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden zur Ermittlung deutlich höher ausfallen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Legalitätsgrundsatz speziell im Urheberstrafrecht aufgrund einiger Besonderheiten häufig gelockert wird. Auf diese Besonderheiten wird im Folgenden näher eingegangen. Konkret geht es dabei um faktische Durchset­ zungshindernisse (I.), das Strafantragserfordernis (II.), die Einleitung außer­ gerichtlicher Verfahren (III.), den Aspekt der Funktionalisierung des Straf­ rechts (IV.), die Einstellung aus Opportunitätsgründen (V.) und die Möglich­ keit des Verweises auf den Privatklageweg (VI.). I. Faktische Durchsetzungshindernisse Zunächst sind einige faktische Umstände auszumachen, die einer Rechts­ durchsetzung speziell im Urheberstrafrecht entgegenstehen und das Legali­ tätsprinzip lockern können. Zum einen müssen die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung erlangen (1.), zum an­ deren muss der Urheber ein Interesse an der Strafverfolgung haben (2.). 1. Kenntniserlangung durch die Strafverfolgungsbehörden

Dass die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis von der Rechtsverletzung er­ langen müssen, ist grundsätzlich kein Spezifikum des Urheberstrafrechts. Besonderheiten ergeben sich hier im Vergleich zu anderen Straftaten jedoch daraus, dass die Begehung einer Urheberrechtsverletzung nicht immer auf den ersten Blick ersichtlich ist. Hierfür ist zunächst die rechtliche Komplexität der Materie anzuführen. Dies zeigt sich etwa an der nicht immer zweifelsfrei möglichen Beurteilung, ob ein urheberrechtsfähiges Werk vorliegt oder nicht. Zwar wird den Straf­ verfolgungsbehörden auch im Urheberstrafrecht die Subsumtion von Sach­ verhalten unter die einzelnen Straftatbestände jedenfalls bis zu einer mög­ lichen Hauptverhandlung zugetraut. Das Problem liegt hier aber darin, dass diese Subsumtion im Urheberstrafrecht nicht immer derart eindeutige Ergeb­ nisse ermöglicht, wie dies bei anderen Straftatbeständen des Kernstrafrechts der Fall ist.224 224  Die Beurteilung eines Diebstahls (§ 242 StGB) an einem Auto und die im Rah­ men der Fremdheit relevanten Eigentumsverhältnisse sind etwa auch ohne größeres Zutun des Betroffenen weitaus einfacher vorzunehmen als die Feststellung der Urhe­ berrechtsfähigkeit eines Werkes oder der Urhebereigenschaft.



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 71

Eine weitere Rolle spielt dabei die zunehmende Verlagerung der Straftaten gegen Urheberrechtsbestimmungen ins Internet. Wie oben gesehen,225 sind immerhin 43 % der in diesem Zusammenhang registrierten Straftaten mit dem Tatmittel des Internets begangen worden, was die Kenntniserlangung durch die Strafverfolgungsbehörden jedenfalls erheblich erschwert. Da das Internet auch für die Strafverfolgungsbehörden nicht ohne weiteres einsehbar ist, wird die Strafverfolgung in diesen Fällen meist nur möglich sein, wenn sich der Urheber (oder aber ein im Internet selten vorhandener Zeugen) dazu entschließt, die Strafverfolgungsbehörden von der Rechtsverletzung in Kenntnis zu setzen. 2. Interesse des Urhebers an der Strafverfolgung

Dass sich der Urheber aber häufig gegen die Verständigung der Strafver­ folgungsbehörden entscheiden wird, resultiert vorrangig aus zwei Gründen. Zum einen stellt dies für den Urheber226 deshalb ein Hindernis dar, weil da­ mit die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und eines meist öffentlichen Hauptverfahrens verbunden wäre, in dem der Urheber sein Werk gegebenen­ falls offenlegen muss. Dies kann insbesondere dann eine besondere Hürde für ihn darstellen, wenn er das Werk bis zu diesem Zeitpunkt unter Verschluss hielt. Unabhängig davon, ob mit der Offenlegung eine öffentliche Wieder­ gabe i. S. d. § 15 Abs. 3 UrhG einherginge, könnte der Urheber seine Ideen der Öffentlichkeit preisgegeben müssen, sofern Teile des Werkes in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen werden müssen. Schwerer wiegt aber, dass hinter dem Urheber häufig Unternehmen stehen, die jeden­ falls unternehmensbezogene Vorhaben, Entwicklungsstrategien und gegebe­ nenfalls sogar Betriebsgeheimnisse offenlegen müssten. Vor allem aber ist die strafrechtliche Verfolgung des Täters für den Urhe­ ber weitaus weniger bedeutsam als die Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche. Während er insbesondere über den Schadensersatzanspruch fi­ nanziell entschädigt wird, hat der Urheber an der Durchsetzung des staatli­ chen Strafanspruchs meist deshalb kein Interesse, da er hierdurch jedenfalls keine unmittelbaren227 Vorteile erlangt. Seine Interessen werden mit der Durchsetzung der Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche meist größ­ tenteils befriedigt sein. Dies gilt umso mehr, wenn die Ansprüche nicht vom 225  Vgl.

Kapitel 1, § 2, A., I. hier und im Folgenden auch auf den Nutzungsberechtigten abgestellt werden könnte, sodass die Bezeichnung des Urhebers insoweit pars pro toto auch für den Nutzungsberechtigten zu verstehen ist. 227  Vgl. zu den Vorteilen, die staatliche Ermittlungsmaßnahmen bieten, Kapitel 1, § 2, C., IV. 226  Wobei

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Urheber selbst, sondern von einem Unternehmen oder einem sonstigen Drit­ ten wahrgenommen werden, bei dem der Urheber angestellt ist und dem er ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt hat. Fürchtet der Urheber die Preisgabe von Informationen zu seinem Werk oder seinem Betrieb, ist das zivilrechtliche Verfahren für ihn auch deshalb günstiger, weil er die zivilrechtliche Klage auf einzelne Aspekte der Rechts­ verletzung beschränken kann (Beibringungsgrundsatz).228 Hier wirkt sich der Unterschied zum Strafverfahren aus, da das Legalitätsprinzip erfordert, dass alle zur Klärung des Sachverhalts dienenden Informationen von Amts wegen ermittelt werden. II. Strafantragserfordernis Mit dem Strafantragserfordernis in § 109 UrhG wird das Legalitätsprinzip gesetzlich gelockert. Demnach ist eine Verfolgung in den Fällen der §§ 106, 107, 108 und 108b UrhG, also in allen Fällen außer der gewerbsmäßigen Begehung (§ 108a UrhG), nur auf Antrag des Verletzten oder aber dann mög­ lich, wenn wegen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfol­ gung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten erachtet wird. Da der Urheber in den Fällen der §§ 106 ff. UrhG, wie soeben gesehen,229 häufig kein Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung des Täters haben wird, kommt der zweiten Alternative dieses „relativen“230 Strafantragserfor­ dernisses größere Bedeutung zu, nämlich der Feststellung eines besonderen öffentlichen Interesses. Hierauf wird im Folgenden näher eingegangen, wobei zum besseren Verständnis zunächst Ausführungen dazu getätigt werden, was unter einem „einfachen“ öffentlichen Interesse zu verstehen ist. 1. Bestimmung des öffentlichen Interesses

Ein „einfaches“ öffentliches Interesse wird beispielsweise bei den sogleich noch näher zu erörternden Einstellungsmöglichkeiten aus Opportunitätsgrün­ den relevant. Diesbezüglich ist auf die Richtlinien über das Straf- und Buß­ geldverfahren abzustellen, die in den Ziffern 261 und 261a Regelungen über die Anwendung bei Straftaten nach den Gesetzen zum Schutze des geistigen Eigentums vorsehen. Diese Richtlinien stellen zwar Verwaltungsvorschriften dar und entfalten somit keine unmittelbare Außenwirkung; sie sind jedoch Grunsky/Jacoby, Rn. 101; Pohlmann, § 2 Rn. 66. Kapitel 1, § 2, C., I., 2. 230  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 109 UrhG Rn. 1; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 109 Rn. 1. 228  Vgl. 229  Vgl.



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 73

für die sie anwendenden Behörden – meist die Staatsanwaltschaft – als kon­ kretisierende Vorgaben bindend.231 Nach Ziffer 261 bezieht sich die Konkretisierung speziell auf §§ 106, 107, 108, 108b UrhG. Danach ist ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung in der Regel zu bejahen, „wenn eine nicht nur geringfügige Schutzverletzung vorliegt“. Als Indizien für die Geringfügigkeit der Schutzrechtsverletzung nennt Ziffer 261 das Ausmaß der Schutzrechtsverletzung und die vom Täter angestrebte Bereicherung sowie vor allem die Höhe des eingetretenen oder drohenden wirtschaftlichen Schadens. Die Annahme eines öffentlichen Inte­ resses hängt somit wesentlich vom Umfang der eingetretenen Schadens­ summe ab.232 2. Bestimmung des besonderen öffentlichen Interesses

Für die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses ist auf Ziffer 261a der Richtlinien über das Straf- und Bußgeldverfahren abzustellen. Als Kriterium nennt diese insbesondere die einschlägige Vorstrafe des Täters so­ wie das Vorliegen eines drohenden oder eingetretenen erheblichen Schadens. Dem Kriterium der einschlägigen Vorstrafe kommt im Zusammenhang mit den §§ 106 ff. UrhG deshalb eine geringere Bedeutung zu, weil der Täter hierfür aufgrund desselben Straftatbestandes zuvor bereits mindestens einmal verurteilt worden sein muss. Die Anzahl dieser Fälle wird in Anbetracht der vorgestellten geringen Anzahl an strafrechtlichen Verurteilungen wegen Ur­ heberrechtsverletzungen jedoch nicht allzu hoch sein.233 Bezüglich des Eintritts eines erheblichen Schadens ist auf oben vorge­ stellte Zahlen zur Verteilung der Schadenssummen abzustellen.234 Hier wirkt sich aus, dass bei relativ vielen registrierten Straftaten wegen Urheberrechts­ verletzungen nur eine geringe Schadenssumme feststellbar ist und nur bei relativ wenigen Straftaten eine hohe Schadenssumme. Somit vermag auch dieses Kriterium in nur wenigen Fällen die Annahme eines besonderen öf­ fentlichen Interesses zu begründen. Das Kriterium des erheblichen Schadens wird dabei vorrangig in den großen und spektakulären Fällen von Urheber­ rechtsverletzungen einschlägig sein. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die erörterten Zahlen freilich auch die Fälle der gewerbsmäßigen Begehung (§ 108a UrhG) erfassen, in denen aber 231  HK-StPO-Weißer,

§ 376 Rn. 2. hierzu auch Heghmanns, NStZ 1991, 112  ff.; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 109 UrhG Rn. 9. 233  Vgl. Kapitel 1, § 2, A., I. 234  Vgl. Kapitel 1, § 2, A., II. 232  Vgl.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

meist ohnehin erhöhte Schadenssummen feststellbar sein werden. Diese Fälle sind aber vom Antragserfordernis des § 109 UrhG ohnehin ausgenommen, sodass hier bereits eine Verpflichtung zur strafrechtlichen Verfolgung auf­ grund des Legalitätsprinzips besteht. III. Einleitung außergerichtlicher Verfahren Im Zivilrecht spielen zudem außergerichtliche Verfahren eine wichtige Rolle. Im Rahmen von Schieds- und Mediationsverfahren sowie im Wege einer einfachen Verständigung steht es den Parteien jederzeit frei, sich auch außergerichtlich zu einigen und den Rechtsstreit beizulegen.235 Dies hat für die Parteien den Vorteil, ein aufwändiges Verfahren und einen eventuell öf­ fentlichkeitswirksamen Prozess zu vermeiden. Das ist vor allem dann be­ deutsam, wenn die Rechtsdurchsetzung nicht vom Urheber selbst betrieben wird, sondern von einem dahinterstehenden Unternehmen als Inhaber aus­ schließlicher Nutzungsrechte, der ein Interesse an diesem eher „stilleren“ Weg hat. Entscheidend ist dabei, dass eine Verständigung meist mit der Verpflich­ tung des Verletzers einhergehen wird, die entstandenen Schäden durch Zah­ lung eines Geldbetrages auszugleichen. In diesem Fall wird der Verletzte aber in aller Regel von der strafrechtlichen Verfolgung des Verletzers ab­ sehen. Selbst wenn zuvor ein Strafantrag gestellt wurde, wird dieser in der Folge von Zugeständnissen mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückgenommen werden, denn die Interessen des Urhebers oder des Nutzungsberechtigten sind mit der Zahlung des Geldbetrages eben meist befriedigt. Jedenfalls wird die außergerichtliche Einigung in denjenigen Fällen, in denen es auf die Stellung eines Strafantrags durch den Urheber ankommt,236 meist zur Beendigung der strafrechtlichen Verfolgung des Täters führen. Kommt es sodann auf die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an, ist im Sinne der genannten Ziffer 261a237 zu berücksichtigen, dass mit der Zahlung des Geldbetrages der eingetretene Schaden finanziell meist aus­ geglichen ist.

235  Vgl. insgesamt zur Bedeutung der außergerichtlichen Streitbeilegung im Urhe­ berrecht Berger, S.  81 ff. 236  Also in den Fällen der §§ 106, 107, 108 und 108b UrhG. 237  Vgl. hierzu soeben Kapitel 1, § 2, C., II., 2.



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 75

IV. Funktionalisierung des Strafrechts Mit der Funktionalisierung des Strafrechts wird ein weiterer Aspekt rele­ vant, hinter dem sich der Gedanke verbirgt, dass der Urheber oder der Nut­ zungsberechtigte die strafrechtliche Verfolgung nur zur Unterstützung des Zivilprozesses betreibt.238 Der Strafprozess bietet nämlich gegenüber dem Zivilprozess verschiedene Vorteile insbesondere im Zusammenhang mit der Erkenntnis- und Beweisgewinnung, die sodann auch für die Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche relevant sein können. Dies betrifft etwa den bereits mehrfach erwähnten Amtsermittlungsgrundsatz sowie verschiedene staatsanwaltschaftliche Durchsuchungs- und Beschlagnahmemöglichkeiten oder aber die Möglichkeit der Akteneinsicht (§ 406e StPO). Dies kann dazu beitragen, dass der Urheber zunächst durchaus ein Inte­ resse an der strafrechtlichen Verfolgung hat. Gerade die Erforschung des Sachverhalts durch die Strafverfolgungsbehörden kann ihn dazu motivieren, einen Strafantrag zu stellen. Der Gedanke hinter der Funktionalisierung ist aber der, dass der Urheber den Strafantrag in der Regel wieder zurückziehen und sich auf die Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche konzentrie­ ren wird, sobald der Sachverhalt von den Strafverfolgungsbehörden hinrei­ chend erforscht wurde.239 Reinbacher merkt sicher zu Recht an, dass der Aspekt der Funktionalisie­ rung des Strafrechts durch die Einführung des Auskunftsanspruchs in § 101 UrhG etwas rückläufig sein dürfte.240 Dieser Auskunftsanspruch besteht je­ doch lediglich für gewerbsmäßige Begehungen. Diese sind jedoch ohnehin vom Strafantragserfordernis des § 109 UrhG ausgenommen, sodass in diesen Fällen überhaupt gar kein Strafantrag gestellt und nach Erforschung des Sachverhalts zurückgenommen werden kann. Bei einer gewerbsmäßigen Be­ gehung ist jedoch damit zu rechnen, dass meist bereits aufgrund des Legali­ tätsprinzips ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird. V. Einstellung aus Opportunitätsgründen Das Legalitätsprinzip wird auch von der Strafprozessordnung selbst in ei­ nigen Bagatellfällen durchbrochen, insbesondere durch Möglichkeiten der 238  Vgl. hierzu Kitz, GRUR 2003, 1014 (1017  f.); Möhring/Nicolini-SternbergLieben, § 106 Rn. 4; Rösler, MMR 2006, 503 (508); Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 4; Zombik, ZUM 2006, 450 ff. 239  Vgl. zu diesem Vorgehen Dietrich, NJW 2006, 809 ff.; Kitz, GRUR 2003, 1014 (1017 f.). 240  Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 4.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

Einstellung aus Opportunitätsgründen. Im Urheberstrafrecht sind dabei § 153 StPO (1.) und § 153a StPO (2.) von Bedeutung. 1. Möglichkeit der Einstellung nach § 153 StPO

§ 153 StPO regelt das Absehen von der Strafverfolgung bei Geringfügigkeit. Sofern noch keine Klage erhoben wurde, ist § 153 Abs. 1 StPO ein­ schlägig und die Staatsanwaltschaft der entscheidende Akteur. Wurde hinge­ gen bereits Klage erhoben, ist auf § 153 Abs. 2 StPO abzustellen, wonach das Gericht das Verfahren einstellen kann. In beiden Fällen muss die Schuld des Täters gering sein und es darf kein öffentliches Interesse an der Strafver­ folgung bestehen. Bei den Straftatbeständen der §§ 106, 107, 108 und 108b UrhG ist jedoch die Besonderheit zu beachten, dass die strafrechtliche Verfolgung, wie gleich noch näher dargestellt wird,241 wegen § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO auch im Wege der Privatklage betrieben werden kann. In diesen Fällen ist jedoch eine Ein­ stellung nach §§ 153, 153a StPO ausgeschlossen,242 sodass § 153 StPO hier überhaupt nur bei gewerbsmäßiger Begehung (§ 108a UrhG) Bedeutung er­ langt. Bei einer gewerbsmäßigen Begehung werden die Voraussetzungen des § 153 StPO jedoch kaum vorliegen. Dies gilt für die Geringwertigkeit der Schuld deshalb, weil bei einer gewerbsmäßigen Begehung auch ein erhöhtes Kriminalitätspotential vorliegt. Beim fehlendem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung ist hingegen zu beachten, dass im Falle gewerbsmäßiger Begehungen eben häufig erhöhte Schadenssummen eintreten. Es verbleibt für § 153 StGB im Urheberstrafrecht folglich nur ein sehr kleiner Anwendungs­ bereich. 2. Möglichkeit der Einstellung nach § 153a StPO

Auch die praktische Relevanz der Einstellung unter Auflagen und Weisungen nach § 153a StPO leidet darunter, dass ihr die spezielleren Vorschriften zum Privatklageverfahren vorgehen.243 Somit betrifft auch § 153a StPO hier nur die gewerbsmäßige Begehung (§ 108a UrhG).

241  Vgl.

Kapitel 1, § 2, C., VI. etwa Beulke/Swoboda, § 16 Rn. 334; HK-StPO-Gercke, § 153 Rn. 9; MeyerGoßner/Schmitt-Schmitt, § 153 Rn. 5; MüKo-StPO-Peters, § 153 Rn. 9. 243  So insbesondere § 383 Abs. 2 StPO; vgl. hierzu HK-StPO-Gercke, § 153a Rn. 9 und Kapitel 1, § 2, C., VI. 242  So



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 77

Wurde noch keine Klage erhoben, kann die Staatsanwaltschaft mit Zustim­ mung des Gerichts244 und des Beschuldigten245 von der Klageerhebung ab­ sehen und dem Beschuldigten stattdessen Auflagen und Weisungen erteilen (§ 153a Abs. 1 StPO). Wurde hingegen bereits Klage erhoben, kann wiede­ rum das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschul­ digten das Verfahren einstellen und Auflagen und Weisungen erteilen (§ 153a Abs. 2 StPO). Diese Auflagen und Weisungen müssen geeignet sein, das öffentliche Inte­ resse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Als solche kommen gerade im Urheberstrafrecht insbesondere die meist finanziell ausgestalteten Leistungen zur Wiedergutmachung nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StPO und der TäterOpfer-Ausgleich nach § 153a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 StPO in Betracht. Die Taug­ lichkeit dieser Leistungen erklärt sich vor dem Hintergrund der strafrecht­ lichen Ordnungsfunktion sowie der Funktion des Strafrechts, den Rechts­ frieden wiederherzustellen.246 Jedenfalls dann, wenn der Urheber in seinen Verwertungsrechten verletzt ist und die Zahlung des Geldbetrages ungefähr dem eingetretenen Schaden entspricht, vermag die Zahlung das begangene Unrecht auszugleichen. Damit ähneln diese Wiedergutmachungs- und Ausgleichsleistungen demje­ nigen Vorgehen, das auch im Rahmen der „fiktiven Lizenzanalogie“ zur Be­ rechnung des Schadensersatzes zugrunde gelegt wird: Dem Verletzten steht demnach ein Anspruch auf Schadensersatz in dem Umfang zu, in dem sich die Parteien vor Verwertung des Werkes geeinigt hätten.247 Wird dieser oder ein vergleichbarer Betrag gezahlt, ist jedoch grundsätzlich diejenige Ordnung wiederhergestellt, die auch ohne die Rechtsverletzung bestanden hätte. Dann aber lässt sich häufig auch der Vorwurf nachhaltiger Beeinträchtigung des Rechtsfriedens nicht mehr aufrechterhalten, sodass das Vorgehen das öffent­ liches Interesse an der Strafverfolgung beseitigen kann. Da jedoch auch nach § 153a StPO einer Einstellung des Verfahrens die Schwere der Schuld des Täters nicht entgegenstehen darf, es sich in den hier relevanten Fällen aber nur um gewerbsmäßige Begehungen (§ 108a UrhG) 244  Vor dem Hintergrund der hohen Auslastung der Gerichte dürfte jedenfalls in den eindeutigen Fällen mit der Erteilung der Zustimmung regelmäßig zu rechnen sein. 245  Auch mit der Zustimmung des Beschuldigten kann in den meisten Fällen ge­ rechnet werden, da der Beschuldigte in diesem Fall der Gefahr einer weiteren straf­ rechtlichen Verfolgung und Verurteilung entgeht. 246  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 2, B., II. 247  Vgl. hierzu BGH GRUR 1990, 353 (355) = BGH NJW-RR 1990, 997 (998) – Raubkopien; BGHZ 119, 20 (25 ff.) = BGH GRUR 1993, 55 (57 f.) = BGH NJW 1992, 2753 (2755 f.) – Tchibo/Rolex II; BGH GRUR 1995, 349 (351 f.) = BGH NJW 1995, 1420 (1423) – Objektive Schadensberechnung.

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Kap. 1: Das Strafrecht innerhalb des Urheberrechts

handeln kann, wird diese Voraussetzung selten erfüllt sein. Somit hat auch § 153a StPO im Urheberstrafrecht einen eher geringen Anwendungsbereich. VI. Verweis auf den Privatklageweg (§ 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO) Wie soeben erwähnt, handelt es sich mit Ausnahme der gewerbsmäßigen Begehung (§ 108a UrhG) bei den Straftatbeständen der §§ 106 ff. UrhG um Privatklagedelikte. In diesen Fällen kann der Urheber die strafrechtliche Ver­ folgung des Täters nach § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO ohne vorherige Anrufung der Staatsanwaltschaft betreiben. Dies erweitert die prozessualen Möglich­ keiten des Urhebers jedoch keineswegs, denn § 376 StPO besagt, dass die Staatsanwaltschaft in den Fällen des § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO die öffentliche Klage nur dann erhebt, wenn dies im öffentlichen Interesse liegt, was hier jedoch selten der Fall sein wird.248 Verneint die Staatsanwaltschaft ein öf­ fentliches Interesse an der Strafverfolgung, kann sie den Urheber nur auf den Privatklageweg verweisen und wird dies in der Regel auch tun. Die straf­ rechtliche Verfolgung des Täters ist in diesen Fällen dann aber nur noch möglich, wenn der Urheber selbst den Weg über die Privatklage beschrei­ tet.249 Dieser Weg ist für den Urheber jedoch mit erheblichen Unannehmlichkei­ ten verbunden, da es sich bei der Privatklage eben um kein originär staat­ liches Strafverfahren handelt, sodass auch der Amtsermittlungsgrundsatz nicht in vollem Umfang gilt.250 Es ist somit Aufgabe des Urhebers selbst, den Sachverhalt zu erforschen und sämtliche zur Belastung des Täters erfor­ derlichen Beweise zusammenzutragen, wofür er im öffentlichen Klagever­ fahren auf den staatlichen Organisationsapparat zurückgreifen könnte. Noch gravierender dürfte aber wiegen, dass der Urheber im Falle einer Zurückwei­ sung der Klage oder eines Freispruchs des Täters die Kosten des Verfahrens nach § 471 Abs. 2 StPO selbst tragen müsste. Gleiches gilt für die dem An­ geklagten entstandenen notwendigen Auslagen.251

248  Zu beachten ist die hier jedoch nicht weiter relevante Besonderheit, dass der Begriff des „öffentlichen Interesses“ in § 374 Abs. 1 StPO (ebenso wie in § 153 StPO) nach verbreiteter Ansicht abweichend von § 376 StPO verstanden wird; vgl. hierzu MüKo-StPO-Daimagüler, § 376 Rn. 4; MüKo-StPO-Peters, § 153 Rn. 27; a. A. hingegen Löwe/Rosenberg-Hilger, § 376 Rn. 1; Meyer-Goßner/Schmitt-Meyer-Goßner, § 376 Rn. 1. 249  Siehe hierzu auch Lieben, GRUR 1984, 572 ff.; vgl. ferner Heinrich, in: Urhe­ berrecht im Wandel der Zeit, S. 44 f., der dies als „Falle“ bezeichnet, da das vermeint­ liche „Recht“ hier zu einer „Pflicht“ werde. 250  Vgl. allgemein zu den Unterschieden der Verfahren Katzenberger, GRUR 1982, 715 ff.



§ 2 Das Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht 79

Hinzukommt, dass auch im Privatklageverfahren mit § 383 Abs. 2 S. 1 StPO die Möglichkeit einer Einstellung bei Geringwertigkeit besteht. Eine Besonderheit ergibt sich zudem daraus, dass auch in dem Fall, in dem nach § 383 Abs. 2 S. 1 StPO eingestellt wird, der Urheber selbst die Kosten des Verfahrens tragen muss (§ 471 Abs. 2 StPO).

D. Zusammenfassung Die untergeordnete Rolle des Strafrechts lässt sich im Urheberrecht auch statistisch anhand der Zahlen der registrierten und abgeurteilten Straftaten nachweisen. Hierfür sind mehrere Gründe anzuführen, die dem Strafrecht teilweise wesensimmanent sind (ultima-ratio-Funktion), die aber vor allem auf Besonderheiten der Rechtsdurchsetzung im Urheberstrafrecht beruhen. Zwar gilt auch hier grundsätzlich das Legalitätsprinzip, dieses erfährt jedoch einige Einschränkungen. Zu nennen sind etwa das Strafantragserfordernis des § 109 UrhG, die Einstellungsmöglichkeiten nach §§ 153, 153a und 383 Abs. 2 StPO sowie die Möglichkeit der Verweisung auf den Privatklageweg nach § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO. Damit nähern sich die strafrechtliche und die zivilrechtliche Rechtsdurchsetzung im Urheberrecht de facto an, da diese in beiden Fällen meist vom Urheber (oder Nutzungsberechtigten) selbst betrie­ ben werden muss. Dessen Bedürfnis beschränkt sich jedoch in der Regel auf die Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche, wohingegen er an einer strafrechtlichen Verfolgung des Täters selten interessiert sein wird. Dies führt häufig dazu, dass der Verletzer zwar zivilrechtlich in Anspruch genommen, aber strafrechtlich nicht verfolgt wird. Die Zivilrechtsakzessorietät wirkt sich hier also selbst dann, wenn man sie materiell-rechtlich versteht, prozessual nicht immer aus. Dies stellt eine wichtige Erkenntnis für den weiteren Ver­ lauf der Arbeit dar, auf die immer wieder zurückzugreifen sein wird.

251  Hinzuweisen ist jedoch auf die Möglichkeit der Kostenteilung zwischen Urhe­ ber und Täter nach § 471 Abs. 3 StPO, was aber nichts daran ändert, dass der Urheber mit dem Risiko der vollständigen Kostentragung belastet ist.

Kapitel 2

Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät In den folgenden Kapiteln widmet sich die Arbeit dem materiell-recht­ lichen Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht, das von der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts geprägt ist. Hier geht es zu­ nächst um das Prinzip dieser Zivilrechtsakzessorietät. Dabei betreffen die folgenden Ausführungen sowohl Aspekte der Zivilrechtsakzessorietät speziell im Urheberstrafrecht, nämlich ihre Herleitung und Einordnung (§ 1) und ein Vergleich der Urheberzivilrechtsakzessorietät zu anderen Formen der Akzes­ sorietät (§ 2). Dabei werden aber auch Aspekte relevant, die das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät als solches betreffen, nämlich Fragen zur BlankettProblematik (§ 3) und zur Einheit der Rechtsordnung sowie zur Relativität der Rechtsbegriffe (§ 4).

§ 1 Herleitung und Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessorietät Zunächst soll der Ursprung des Prinzips der Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht aus verschiedenen Perspektiven hergeleitet und eingeordnet werden: zum einen begrifflich (A.), zum anderen dogmatisch (B.) und sodann funktional (C.). Dabei dienen diese Ausführungen auch dazu, im weiteren Verlauf der Arbeit mögliche Abweichungen vom Grundsatz der strengen Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät entsprechend ein­ ordnen zu können.

A. Begrifflicher Ursprung Der Begriff Akzessorietät geht auf das lateinische „accessio“ zurück, was gemeinhin mit Annäherung übersetzt wird.1 Während sich der Begriff der Akzessorietät im eher allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne einer „Zugäng­ 1  Accessio, Langenscheidt Online-Wörterbuch, https://de.langenscheidt.com/lateindeutsch/accessio, letzter Aufruf 27.02.2020, 17:39 Uhr; accessio, Pons Online-Wör­ terbuch, https://de.pons.com/übersetzung?q=accessio&l=dela&in=&lf=la, letzter Auf­ ruf 27.02.2020, 17:40 Uhr.



§ 1 Herleitung und Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessorietät 81

lichkeit“ und „Zulassbarkeit“ interpretieren lässt,2 wird er im juristischen Kontext meist mit dem Begriff der „Anlehnung“ übersetzt.3 Insbesondere die Interpretation der „Zugänglichkeit“ scheint jedoch einen fast unverbindlichen Charakter der Akzessorietät zu beschreiben. Bezogen auf die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts könnte dies den Schluss zulassen, diese bewirke lediglich eine gewisse Offenheit der straf­ rechtlichen Tatbestände für die Anwendung der zivilrechtlichen Vorschriften. Die Beschränkung auf eine solch allgemeine Orientierung greift jedoch des­ halb zu kurz, weil die Akzessorietät keineswegs nur unverbindliche Leitlinien für die Auslegung der strafrechtlichen Tatbestände aufstellt. Dem Wesen der Akzessorietät entspricht es vielmehr, eine im Grundsatz verbindliche Anlehnung an die zivilrechtlichen Vorschriften zu bewirken. Eben diesem Ver­ ständnis kommt es am nächsten, wenn der Begriff der Akzessorietät mit dem Begriff der Abhängigkeit übersetzt wird. In diesem Zusammenhang wird die Akzessorietät häufig als Bindeglied zweier ungleicher Rechtsgebiete be­ schrieben, wobei sie eine „Abhängigkeit des Nebenrechtes von dem zugehö­ rigen Hauptrecht“ zu erreichen versucht.4 Das Urheberzivilrecht ließe sich in diesem Zusammenhang als das Haupt­ recht beschreiben, das Urheberstrafrecht hingegen als das Nebenrecht. Die Abhängigkeit betrifft allein das Strafrecht und bezieht sich auf das Zivilrecht. Insoweit handelt es sich keineswegs um eine gegenseitige Abhängigkeit von Zivil- und Strafrecht, die Akzessorietät verläuft vielmehr einseitig und sieht ausschließlich eine Abhängigkeit des Strafrechts vor. Insoweit ist die Be­ zeichnung durchaus treffend, das Urheberstrafrecht sei geprägt vom „Primat des Zivilrechts“.5 Teilweise wird der unglückliche Begriff der „Urheberrechtsakzessorietät“ gebraucht.6 Die Bezeichnung der §§ 106 ff. UrhG als „urheberrechtsakzes­ sorisch“ offenbart jedoch ein gänzlich anderes Verständnis, wonach die straf­ rechtlichen Vorschriften selbst nicht Teil des Urheberrechts wären. Andern­ falls müssten diese nicht akzessorisch zum Urheberrecht ausgestaltet sein. 2  Akzessorietät, Duden online, https://www.duden.de/rechtschreibung/Akzessorie taet, letzter Aufruf 27.02.2020, 17:40 Uhr. 3  Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 36. 4  Vgl. Akzessorietät, Duden online, https://www.duden.de/rechtschreibung/Akzes­ sorietaet, letzter Aufruf 27.02.2020, 17:40 Uhr; vgl. ferner Creifelds, Rechtswörter­ buch, S. 36. 5  Vgl. Heinrich, S. 176; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., Vorbem. UrhG Rn. 29; Wandtke/Ohst-Heinrich, Kapitel 6 Rn. 314. 6  So etwa in BGHSt 49, 93 (103) = BGH GRUR 2004, 421 (424) = BGH NJW 2004, 1674 (1676) – Tonträgerpiraterie durch CD-Export; den Begriff aufgreifend auch Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 4; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, Vor §§ 106 ff. Rn. 1; Weber, FS Stree/Wessels 1993, S. 615.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

Ein solches Verständnis ist jedoch allein schon mit der Verortung der §§ 106 ff. UrhG im Urheberrechtsgesetz schwer zu vereinbaren. Die materi­ elle Zuordnung der §§ 106 ff. UrhG zum Urheberrecht wird aber erkennbar nicht in Frage gestellt. Es kann aber auch mit der Bezeichnung „urheber­ rechtsakzessorisch“ letztlich nichts anderes gemeint sein, als dass die straf­ rechtlichen Vorschriften inhaltlich von den übrigen urheberrechtlichen Vor­ schriften abhängen, die eben zum überwiegenden Teil zivilrechtlicher Natur sind.

B. Dogmatischer Ursprung Für den weiteren Verlauf der Darstellung ist es wichtig, das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät auch dogmatisch herzuleiten. Denn dass sich der Inhalt der urheberstrafrechtlichen Vorschriften aus den urheberzivilrecht­ lichen Vorschriften ergeben soll, ist dem Gesetz jedenfalls nicht immer ohne weiteres zu entnehmen. Der Begriff der Akzessorietät wird innerhalb der §§ 106 ff. UrhG ebenso wenig gebraucht wie ein ausdrücklicher Hinweis darauf, dass sich die inhaltliche Ausgestaltung nach den zivilrechtlichen Vor­ schriften richtet. Lediglich einzelne wenige Tatbestandsmerkmale in den §§ 107 Abs. 1, 108 Abs. 1 und 108b Abs. 2 UrhG enthalten ausdrückliche Gesetzesverweise auf die jeweiligen zivilrechtlichen Vorschriften. I. Gesetzgeberischer Wille Gleichzeitig entspricht es aber dem Willen des Gesetzgebers, dass auch über diese wenigen Fälle hinaus das gesamte Urheberstrafrecht streng zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist. Dieser Wille zeigt sich bereits in der Be­ gründung zum Entwurf des Urheberrechtsgesetzes aus dem Jahr 1962.7 Der Gesetzgeber spricht zwar auch dort nicht ausdrücklich von einer Akzessorie­ tät, er ging jedoch offensichtlich davon aus, dass die Strafbarkeit des Täters davon abhängen soll, dass seine Handlung zivilrechtlich eine Urheberrechts­ verletzung darstellt.8

7  Vgl.

BT-Drs. IV/270. etwa BT-Drs. IV/270, S. 28, wonach der Täter im Falle einer Urheber­ rechtsverletzung „schadensersatzpflichtig und bei vorsätzlichem Handeln auch straf­ bar“ sein soll; vgl. auch den angedeuteten Umkehrschluss in BT-Drs. IV/270 S. 108, wo ausdrücklich diejenige Konstellation hervorgehoben wird, in der die Herstellung einer Bearbeitung zum Zwecke der Verfilmung gem. § 23 Abs. 2 UrhG zwar zivil­ rechtlich relevant, nicht jedoch von einer Strafvorschrift erfasst ist. 8  Vgl.



§ 1 Herleitung und Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessorietät 83

Dies wird heute im Grundsatz nicht in Frage gestellt.9 Dennoch muss sich der diesbezügliche Wille des Gesetzgebers auch hinreichend im Gesetz niederschlagen. Dies ist in Bezug auf die erwähnten Fälle der ausdrücklichen Gesetzesverweise weniger problematisch. Dass diese Fälle jedoch die Aus­ nahme darstellen, zeigt sich etwa an der zentralen Vorschrift des § 106 UrhG, die gar keine ausdrücklichen Gesetzesverweise enthält. Sodann muss der gesetzgeberische Wille zur zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Ur­ heberstrafrechts dem Gesetz aber auf andere Weise zu entnehmen sein, damit er für den Normanwender hinreichend erkennbar ist. II. Bedeutung der Auslegung Dabei spielt die Methodik der Auslegung eine entscheidende Rolle. Im Urheberrechtsgesetz sind mehrere Anhaltspunkte dafür auszumachen, dem Normanwender die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des Urheberstraf­ rechts erkennbar zu machen. Zunächst sind die Straftatbestände im selben Gesetz verortet wie die zivil­ rechtlichen Vorschriften. Dabei stellt es eine gängige10 Gesetzgebungstechnik dar, diejenigen Vorschriften zu Beginn eines Gesetzes zu normieren und so­ mit „vor die Klammer“ zu ziehen, die als allgemeingültig für das gesamte Gesetz oder für einzelne Teile dieses Gesetzes Anwendung finden sollen.11 Andernfalls müssten diese allgemeinen Vorschriften immer dann, wenn sie in den speziellen Vorschriften anwendbar sein sollen, dort erneut normiert wer­ den. Damit dient diese Art der Gesetzgebungstechnik auch dazu, eine Aus­ uferung der speziellen Tatbestände zu verhindern.12 Aus dieser Perspektive stellen die urheberzivilrechtlichen Vorschriften – neben ihrer eigenständigen Bedeutung – somit auch eine Art „Allgemeinen Teil“ für die §§ 106 ff. UrhG dar. Der entscheidende Ansatz ist aber darin zu sehen, dass die urheberstraf­ rechtlichen Tatbestände grundsätzlich – und auf die Ausnahmen wird später ausführlich eingegangen13 – dieselben Begriffe verwenden wie die urheber­ 9  Vgl. etwa BGHSt 49, 93 (103) = BGH GRUR 2004, 421 (424) = BGH NJW 2004, 1674 (1676) – Tonträgerpiraterie durch CD-Export; vgl. ferner Do Chi, S. 19; v. Gamm, § 106 Rn. 2; Heinrich, S.  176 ff.; Hildebrandt, S. 31; Weber, S.  173 ff.; Wissmann, S. 28. 10  Vgl. etwa die Allgemeinen Teile im StGB (§§ 1–79b StGB) und im BGB (§§ 1–240 BGB). 11  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 53; Rengier, Strafrecht AT, § 1 Rn. 2. 12  Vgl. vor diesem Hintergrund zur Bedeutung des verfassungsrechtlichen Be­ stimmtheitsgrundsatzes sogleich. 13  Vgl. insbesondere zum Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ Kapitel 4, § 1, C.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

zivilrechtlichen Vorschriften. Dies bildet den entscheidenden Bezugspunkt für den Grundsatz, dass einer Begriffsidentität zwischen Urheberstrafrecht und Urheberzivilrecht auch eine inhaltliche Identität folgt. Auf diese Weise wird die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung eines Straftatbestandes dem Normanwender erkennbar gemacht.14 Mit dem Wissen um eine grundsätz­ lich umfassende zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des Urheberstraf­ rechts kann dieser von einem begrifflichen Gleichlauf auf einen inhaltli­ chen Gleichlauf schließen. Die Begriffsidentität offenbart damit zum einen, dass das strafrechtliche Merkmal zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist und zum anderen, zu welcher zivilrechtlichen Vorschrift die inhaltliche Abhän­ gigkeit besteht. Es geht dabei also um die Identifizierung der zivilrecht­ lichen Ausgangsvorschrift zum jeweiligen strafrechtlichen Tatbestandsmerk­ mal. Damit ergibt sich die Erkennbarkeit der Zivilrechtsakzessorietät letztlich aus einer systematischen Auslegung der strafrechtlichen Merkmale im Lichte des Zivilrechts. Es bedarf insoweit zwar einer juristischen Wertung, um den inhaltlichen Gleichlauf zu erkennen. Diese wird dem Normanwender aber vor dem Hintergrund zugemutet, dass er von einer grundsätzlich umfäng­ lichen Geltung der Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht ausgehen kann und deshalb darauf schließen muss, dass bei „äußerer Zusammen­ fassung“ eines straf- und zivilrechtlichen Merkmals auch ein inhaltlicher Gleichlauf vorgesehen ist.15 Eben diese „äußere Zusammenfassung“ nimmt das Urheberstrafrecht durch die Verwendung derselben Begriffe vor. III. „Informationelles Übergewicht“ Die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts lässt sich dogmatisch noch aus einem anderen Aspekt herleiten, der später in einem ähnlichen Zu­ sammenhang nochmal relevant wird.16 Vergleicht man die Ausgestaltung der zivilrechtlichen und der strafrechtlichen Vorschriften des Urheberrechtsgeset­ zes, so fällt auf, dass die zivilrechtlichen Vorschriften weitaus detaillierter und umfassender formuliert sind als die strafrechtlichen. Wenn ein Merkmal sowohl in einem strafrechtlichen als auch in einem zivilrechtlichen Tat­ bestand normiert ist (wie etwa das Merkmal „Werk“ in § 106 UrhG und § 2 UrhG), enthält der zivilrechtliche Tatbestand meist deutlich ausführlichere

14  Vgl.

hierzu sogleich noch Kapitel 2, § 1, C., II., 1. auch Tiedemann, FS Schaffstein 1975, S. 197, wonach der Gesetzgeber zwei Vorschriften „bei äußerer Zusammenfassung sicherlich auch inhaltlich den glei­ chen Anwendungsbereich geben wollte“. 16  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 1, C., II., 3. 15  Vgl.



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Beschreibungen17 zu diesem Merkmal und entweder eine Definition (wie in § 2 Abs. 2 UrhG) oder eine Auflistung verschiedener Anwendungsbeispiele (wie in § 2 Abs. 1 UrhG).18 Insoweit kann man von einem „informationellen Übergewicht“ auf Seiten des Urheberzivilrechts sprechen. Hinzukommt, dass zu einem Merkmal in zivilrechtlichen Sachverhalten mehr Rechtsprechung ergeht als zu demselben Merkmal in strafrechtlichen Sachverhalten.19 Dieses „informationelle Übergewicht“ ist in erster Linie darauf zurückzu­ führen, dass die Formulierung eines Straftatbestandes in erhöhtem Maße den Geboten der Klarheit und der Übersichtlichkeit entsprechen muss, die bei entsprechend komplexer und ausführlicher Tatbestandsstruktur gefährdet wä­ ren.20 Auf diese Auslegungshilfen ist der Rechtsanwender im Urheberstraf­ recht deshalb angewiesen, weil die einzelnen Tatbestandsmerkmale eben teilweise sehr weit gefasst sind. Jedenfalls verstärkt dieses „informationelle Übergewicht“ das Bedürfnis, die strafrechtliche Auslegung an die zivilrecht­ lichen Vorschriften anzulehnen. IV. Zusammenfassung Die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des Urheberstrafrechts ent­ spricht dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers. Dieser Wille muss sich hinreichend deutlich im Gesetz niederschlagen. Ihre Erkennbarkeit erfordert aber stets eine Auslegung, die im Falle ausdrücklicher Gesetzesverweise weniger problematisch ist. Im Übrigen wird die Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht dem Normanwender dadurch erkennbar gemacht, dass den §§ 106 ff. UrhG dieselben Begriffe zugrunde liegen wie den zivilrechtlichen Vorschriften (Begriffsidentität). Dies stellt den entscheidenden Bezugspunkt für den Grundsatz dar, dass einer begrifflichen Identität zwischen Urheber­ straf- und Urheberzivilrecht auch eine inhaltliche Identität folgt.

17  Zu nennen sind exemplarisch die ausführlichen tatbestandlichen Beschreibun­ gen zur Urhebereigenschaft (§§ 7–10 UrhG), zur Öffentlichkeit der Wiedergabe (§ 15 Abs. 3 UrhG) oder zur Vervielfältigung (§ 16 UrhG). 18  Vgl. darüber hinaus etwa die „insbesondere“-Kataloge zum Recht der öffent­ lichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 S. 2 UrhG), zum Zitatrecht (§ 51 UrhG) oder zum Recht des Presseverlegers (§ 87f Abs. 2 UrhG). 19  Vgl. zur geringen Anzahl strafrechtlich überhaupt registrierter Fälle Kapitel 1, § 2, A., I. 20  Vgl. hierzu sogleich Kapitel 2, § 1, C., II.

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C. Funktionaler Ursprung Dass die Urheberzivilrechtsakzessorietät eine inhaltliche Abhängigkeit der strafrechtlichen von den zivilrechtlichen Vorschriften nicht nur ermöglicht, sondern diese gerade erfordert, hängt eng mit der Frage zusammen, warum das Urheberstrafrecht überhaupt zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist. Hie­ rauf wird im Folgenden eingegangen. I. Tatbestandliche Weite als Ausgangspunkt Der Grund für die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung der §§ 106 ff. UrhG ist letztlich auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz zurückzuführen. Betrachtet man die gegenwärtige Fassung der urheberstraf­ rechtlichen Tatbestandsmerkmale, so fällt auf, dass diese für sich genommen eine erhebliche Weite erfahren. Am Beispiel des § 106 UrhG zeigt sich dies etwa an den Tatobjekten „Werk“, „Bearbeitung“ und „Umgestaltung“, die bei isolierter Betrachtung eine nahezu grenzenlose Interpretation zuließen. Glei­ ches gilt für die Tathandlungen „vervielfältigen“, „verbreiten“ und „öffentlich wiedergeben“. Der Inhalt der einzelnen Tatbestandsmerkmale wäre ohne Rückgriff auf die zivilrechtlichen Vorgaben und deren Auslegungshilfen, die sich aus dem „informationellen Übergewicht“21 ergeben, kaum verständlich.22 Die Weite der tatbestandlichen Merkmale ist hier aber deshalb von beson­ derer Bedeutung, weil es sich bei den §§ 106 ff. UrhG um Straftatbestände handelt, die in Bezug auf die Beschreibung ihres konkret ge- und verbotenen Verhaltens erhöhten Anforderungen entsprechen müssen.23 Genau hier er­ füllt die Zivilrechtsakzessorietät ihre eigentliche Funktion, denn dass die §§ 106 ff. UrhG trotz ihrer tatbestandlichen Weite letztlich eben als hinrei­ chend bestimmt angesehen werden und somit dem Vorwurf der Verfassungs­ widrigkeit entgehen,24 liegt gerade darin begründet, dass sie zur Beschrei­ bung ihrer konkret ge- und verbotenen Verhaltensweisen auf die inhaltlich ausdifferenzierten zivilrechtlichen Vorschriften zurückgreifen.

21  Vgl.

hierzu soeben Kapitel 2, § 1, B., III. deutlich wird dies beim Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“; vgl. hierzu später ausführlich Kapitel 4, § 1, C. 23  Vgl. hierzu im Einzelnen sogleich Kapitel 2, § 1, C., II., 1. 24  Siehe hierzu Kapitel 2, § 1, C., III. 22  Besonders



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II. Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes Bevor das Konzept der strengen Zivilrechtsakzessorietät als Lösung des Gesetzgebers und als Gegengewicht zur tatbestandlichen Weite der Straftat­ bestände näher dargestellt wird,25 soll zunächst ein Überblick darüber gege­ ben werden, welche Anforderungen der verfassungsrechtliche Bestimmtheits­ grundsatz konkret an die Ausgestaltung strafrechtlicher Tatbestände stellt. Der verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz stellt eine Ausprägung des in Art. 103 Abs. 2 GG verankerten Grundsatzes „nullum crimen, nulla poena sine lege“ (keine Strafe ohne Gesetz) dar.26 Dieser Grundsatz ist wort­ lautidentisch auch in § 1 StGB normiert und gibt vor, dass ein Täter nur dann bestraft werden kann, „wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde“. Relevant ist hier die Voraussetzung, dass die Straf­ barkeit „gesetzlich bestimmt“ sein muss. Dies ist zunächst dann der Fall, wenn überhaupt ein geschriebener Straftatbestand besteht.27 Darüber hinaus müssen aber auch die einzelnen Voraussetzungen dieses geschriebenen Straftatbestandes „gesetzlich bestimmt“ sein. Im Urheberstrafrecht ist der Bestimmtheitsgrundsatz weniger in Bezug auf die erste Vorgabe, die grund­ sätzliche Normierung des Straftatbestandes, als vielmehr in Bezug da­ rauf von Bedeutung, dass die Formulierung der einzelnen Voraussetzungen hinrei­ chend bestimmt sein muss (Bestimmtheitsgrundsatz im eigentlichen Sinne, nulla poena sine lege certa).28 Dabei wird gerne davon gesprochen, diese einzelnen Voraussetzungen müssten jedenfalls „ein Mindestmaß an Bestimmtheit“ aufweisen.29 Welche Anforderungen nun aber konkret an die Formulierung der Voraussetzungen zu stellen sind, damit ein solches „Mindestmaß“ erfüllt ist, wird erkennbar nicht einheitlich beschrieben. Als unterste Stufe der Allgemeingültigkeit wird zumindest gefordert, dass der Normanwender im Einzelfall erkennen können muss, welches Verhalten konkret verboten und welches erlaubt ist.30 Maßge­ 25  Kapitel 2,

§ 1, C., III. ZJS 2010, 694; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 28; Krey/Esser, Straf­ recht AT, Rn. 40. 27  Hierin ist letztlich auch die entscheidende Grenze zur Analogiebildung zu se­ hen; vgl. BVerfGE 87, 209 (224); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 126, 170 (197). 28  Vgl. Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 11; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 72. 29  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 28; ähnlich Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 72. 30  Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts etwa BVerfGE 14, 245 (251); BVerfGE 26, 41 (42); BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 41, 314 (319); BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 105, 135 (153); aus der Literatur etwa Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 28; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 67; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 72. 26  Bott/Krell,

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bend ist hierfür und darüber hinaus die Judikatur des Bundesverfassungsge­ richts. 1. Ansatz des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht bemüht sich zwar durchaus um die Vorgabe einer einheitlichen Linie zur Anwendung des Bestimmtheitsgrundsatzes, es gelingt ihm dabei aber zumindest nicht durchweg, allgemeingültige Anforde­ rungen zur Konkretisierung aufzustellen.31 Im Folgenden werden deshalb insbesondere diejenigen Voraussetzungen beschrieben, die das Bundesverfas­ sungsgericht übergeordnet beschreibt und bezüglich derer tatsächlich guten Gewissens von einer „ständigen Rechtsprechung“ gesprochen werden kann. Die wahrscheinlich am häufigsten gebrauchte Formulierung des Bundes­ verfassungsgerichts zum erforderlichen Grad der Bestimmtheit ist die, dass „Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände für den Normadres­ saten schon aus dem Gesetz selbst zu erkennen“ sein müssen.32 Dies wird gerne als Erfordernis der Vorhersehbarkeit bezeichnet.33 Dabei geht das Bundesverfassungsgericht von einem zweistufigen Ansatz aus: Primär müsse sich der Inhalt der Strafvorschrift hinreichend deutlich aus dem Wortlaut selbst ergeben, sodass der Normanwender bereits aus der Lek­ türe der Vorschrift erkennen kann, ob sein Verhalten darunter fällt und somit strafbewehrt ist oder nicht.34 Ist dies aber aufgrund der Komplexität der Rechtsmaterie oder anderer Gegebenheiten nicht auf den ersten Blick mög­ lich, müsse sich der Inhalt der Strafvorschrift zumindest im Wege einer Auslegung ermitteln lassen.35 Dabei sei keineswegs erforderlich, dass die Auslegung immer zu einem eindeutigen Ergebnis führt. Das Bundesverfassungsgericht nimmt Zweifel und Ungewissheiten darüber, ob ein Verhalten im Einzelfall nun tatsächlich 31  Dies anerkennend selbst das Bundesverfassungsgericht in BVerfGE 26, 41 (43); BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 41, 314 (320); BVerfGE 126, 170 (196); vgl. hierzu ferner Krahl, S.  277 ff. 32  Vgl. etwa BVerfGE 25, 269 (285); BVerfGE 41, 314 (319); BVerfGE 47, 109 (120); BVerfGE 55, 144 (152); BVerfGE 71, 108 (114); BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 87, 209 (223); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 105, 135 (153); BVerfGE 126, 170 (195). 33  Vgl. BVerfGE 21, 41 (42); BVerfGE 26, 41 (43); BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 41, 314 (319); BVerfGE 47, 109 (120 f.); BVerfGE 75, 329 (342); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 105, 135 (154). 34  BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 126, 170 (195). 35  Vgl. BVerfGE 45, 363 (372); BVerfGE 47, 109 (120); BVerfGE 48, 48 (56 f.); BVerfGE 55, 144 (152); BVerfGE 71, 108 (114); BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 87, 209 (224); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 105, 135 (153); BVerfGE 125, 170 (195).



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unter einen Straftatbestand fällt oder nicht, vielmehr als unvermeidbare ­Nebenfolge einer Auslegung hin.36 Dies insbesondere deshalb, weil es um die Notwendigkeit von Generalklauseln und unbestimmten Rechtsbegriffen weiß.37 Dass diese auch im Strafrecht erforderlich sein können, um „der Vielgestaltigkeit des Lebens Herr zu werden“, erkennt das Bundesverfas­ sungsgericht ausdrücklich an.38 Dem Anwendungsbereich solcher „flüssige[n] Begriffe“ würde der Garaus gemacht, würde man die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes in Bezug auf auslegungsfähige Begriffe überspan­ nen und fordern, dass sich der tatbestandliche Inhalt immer bereits hinrei­ chend aus dem Wortlaut ergeben müsse.39 Vor diesem Hintergrund verlange der Bestimmtheitsgrundsatz keineswegs, dass ein Straftatbestand jedes strafbewehrte Verhalten bis ins letzte Detail beschreibt. Dies gelte umso mehr, als durch eine allgemeinere Formulierung der Tatbestände flexibler auf die Spezifika des Einzelfalles reagiert werden könne.40 Der Normanwender müsse aber zumindest den wesentlichen inhalt­ lichen Kern des Tatbestandes erkennen können.41 Damit bringt das Bundes­ verfassungsgericht den Bestimmtheitsgrundsatz in eine Nähe zur sog. Wesentlichkeitstheorie, die im Zusammenhang mit der allgemeinen Rechtferti­ gung von Grundrechtseingriffen angewandt wird.42 Die Wesentlichkeitstheorie kommt insbesondere bei grundrechtsbeschrän­ kenden Gesetzen zur Anwendung, die Regelungen zum Gegenstand haben, mit denen der Gesetzgeber seine Legislativkompetenz auf andere, meist un­ tergeordnete Gewalten überträgt. In diesen Fällen muss zumindest die Ent­ scheidungsautonomie in Bezug auf den wesentlichen Inhalt des Gesetzes beim Gesetzgeber verbleiben.43 Als wesentlich wird ein Inhalt in diesem Sinn angesehen, wenn dieser in Grundrechte des Einzelnen eingreift.44 Die­ 36  BVerfGE

14, 245 (251); BVerfGE 48, 48 (56). BVerfGE 47, 109 (121); BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 87, 209 (224); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 126, 170 (196). 38  BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 41, 314 (320); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 126, 170 (195); in diese Richtung gehend auch BVerfGE 45, 363 (371); BVerfGE 47, 109 (120); BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 71, 108 (115); BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 87, 209 (224). 39  BVerfGE 28, 175 (183). 40  Vgl. zu diesem Aspekt auch Bott/Krell, ZJS 2010, 694 (695); Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 105; Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 30. 41  BVerfGE 14, 245 (251); BVerfGE 26, 41 (42); BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 41, 314 (319); BVerfGE 105, 135 (153); vgl. hierzu ferner Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 105. 42  Vgl. etwa BVerfGE 126, 170 (195). 43  BVerfGE 47, 46 (79); BVerfGE 49, 89 (94); BVerfGE 80, 124 (132). 44  BVerfGE 49, 89 (94); BVerfGE 80, 124 (132); BVerfGE 101, 1 (34). 37  Vgl.

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sen Gedanken aufgreifend, spricht das Bundesverfassungsgericht davon, auch der Bestimmtheitsgrundsatz verpflichte dazu, zumindest „wesentliche Fragen der Strafwürdigkeit […] konkret zu umschreiben“.45 Dabei zeigt sich das Bundesverfassungsgericht stets von der Motivation geleitet, dass der Normanwender die Strafbarkeit seines Verhaltens zumin­ dest nach einer Auslegung derart konkret erkennen können muss, dass er infolgedessen in die Lage versetzt wird, sein Verhalten hierauf einzustellen.46 Wo nun aber konkret die Grenze zwischen hinnehmbaren Zweifeln und einer die Verfassungswidrigkeit der Vorschrift begründenden Unbe­ stimmtheit verläuft, stellt das Bundesverfassungsgericht kaum in einem Maße dar, dass dies hier als allgemeingültig zu bezeichnen wäre. In jedem Fall sei immer eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die das Bundesverfassungsge­ richt aber interessanterweise aus der Perspektive „möglicher Regelungsalter­ nativen“ vornimmt.47 In diesem Zusammenhang spiele das Ausmaß der an­ gedrohten Rechtsfolgen eine entscheidende Rolle, denn je schwerer die von der Strafvorschrift angedrohte Sanktion wiegt, desto höhere Anforderungen seien an die Bestimmtheit des Tatbestandes zu stellen.48 Interessant ist dies insbesondere deshalb, weil das Bundesverfassungsge­ richt einen solchen „je-desto-Ansatz“, den es selbst jedoch nicht so bezeich­ net, häufig im Zusammenhang mit der Prüfung der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen gebraucht. Dabei stellt es grund­ sätzlich höhere Anforderungen an die Bestimmtheit eines allgemeinen Geset­ zes, wenn ein schwerer Grundrechtseingriff vorliegt; im Zusammenhang mit der Bestimmtheit von Strafgesetzen wird hingegen auf die Schwere der Sanktion abgestellt.49 Im Ergebnis mag dies zu keinen großen Unterschieden führen, da mit zunehmender Schwere der Sanktion auch die Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs zunimmt. Nichtsdestotrotz unter­ scheiden sich die Bezugspunkte der „je-desto-Formel“, denn mit der Schwere des Grundrechtseingriffs wird auf die Bedeutung des Rechtsguts abgestellt und mit der Schwere der Sanktion auf die Bedeutung der Rechtsfolgen. Da­ durch variiert die dogmatische Begründung der Anforderungen des Be­ 45  Vgl. BVerfGE 126, 170 (195) mit Verweis auf BVerfGE 101, 1 (34); BVerfGE 108, 282 (312). 46  BVerfGE 14, 245 (251); BVerfGE 26, 41 (42); BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 41, 314 (319); BVerfGE 105, 135 (153); vgl. hierzu ferner Heinrich, GS Keller 2003, S. 103; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 105. 47  Vgl. BVerfGE 126, 170 (196); ferner BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 49, 89 (133). 48  BVerfGE 14, 245 (251); BVerfGE 26, 41 (43); BVerfGE 41, 314 (320); BVerfGE 75, 329 (342); BVerfGE 126, 170 (196); in diese Richtung gehend auch BVerfGE 49, 89 (133); BVerfGE 59, 104 (114); BVerfGE 105, 135 (155 f.). 49  BVerfGE 86, 288 (311).



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stimmtheitsgrundsatzes, sobald ein Strafgesetz betroffen ist. In diesem Fall entfernt sich das Bundesverfassungsgericht von seiner ansonsten qualitativen Gewichtung (Rechtsgut Leben wiegt schwerer als Rechtsgut Eigentum) und wendet sich einer quantitativen Betrachtung zu (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren wiegt schwerer als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr). Insgesamt ist die Tendenz auszumachen, dass das Bundesverfassungsge­ richt zumindest in früherer Zeit im Zweifel eher großzügig gewesen ist, wenn es um die Anforderungen der hinreichenden Bestimmtheit einer Straf­ vorschrift ging.50 Zu nennen ist etwa die Entscheidung, wonach eine Vor­ schrift, die eine Strafbarkeit bei Verübung „groben Unfugs“ normierte, vom Bundesverfassungsgericht als mit dem Bestimmtheitsgrundsatz vereinbar angesehen wurde.51 Gleichwohl ist diese Großzügigkeit in den vergangenen Jahrzehnten eher wieder rückläufig. Sprach das Bundesverfassungsgericht, insbesondere im Zusammenhang mit der „je-desto-Argumentation“, regelmä­ ßig noch davon, der Bestimmtheitsgrundsatz dürfe „nicht übersteigert werden“,52 rückte das Bundesverfassungsgericht hiervon in neueren Ent­ scheidungen wieder ab. Insgesamt ist dabei sogar die Tendenz auszumachen, dass das Bundesverfassungsgericht früher eher großzügig getroffene Ent­ scheidungen heute zu relativieren versucht. Dies zeigt sich etwa an der zu­ mindest bis 1978 noch regelmäßig in den Urteilsbegründungen gebrauchten Formulierung, eine Strafvorschrift müsse lediglich „die Möglichkeit“ schaf­ fen, dass der Normanwender die verbotene Verhaltensweise erkennen kann.53 In neueren Entscheidungen wird darauf nur noch gelegentlich Bezug genom­ men und stets angeführt, dies könne nur in „Grenzfällen“54 und dann auch nur „ausnahmsweise“55 genügen. Ob eine Strafvorschrift den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes aber tatsächlich entspricht, kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfas­ sungsgerichts nur im Einzelfall und unter Berücksichtigung des Gesamtzu­ sammenhangs bewertet werden. Entscheidend soll bei alledem die Berück­ sichtigung „der üblichen Auslegungsmethoden“ sein.56 Damit schließt sich der Kreis zum Urheberstrafrecht und den obigen Ausführungen, wonach auch für die Erkennbarkeit der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung der 50  Diese Tendenz feststellend auch Bott/Kroll, ZJS 2010, 694 (695); Rengier, Strafrecht AT, § 4 Rn. 28. 51  BVerfGE 26, 41 (43). 52  Vgl. etwa aus dem Jahr 1962: BVerfGE 14, 245 (251); aus dem Jahr 1977: BVerfGE 45, 363 (371); aus dem Jahr 1978: BVerfGE 48, 48 (56). 53  Vgl. aus dem Jahr 1978 noch ausdrücklich: BVerfGE 48, 48 (56 f.). 54  BVerfGE 71, 108 (115); BVerfGE 87, 209 (224); BVerfGE 92, 1 (12). 55  BVerfGE 126, 170 (196). 56  BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 86, 288 (311).

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§§ 106 ff. UrhG der Auslegung entscheidende Bedeutung zukommt.57 Das Bundesverfassungsgericht würde diese Vorschriften aufgrund ihrer tatbe­ standlichen Weite als „wertausfüllungsbedürftig“ einordnen.58 Für die hin­ reichende Bestimmtheit solcher Merkmale stellt es darauf ab, dass diese im jeweiligen „Normzusammenhang“ zu betrachten sind.59 Dieser Normzusam­ menhang ergibt sich hier gerade wegen der zivilrechtsakzessorischen Ausge­ staltung der §§ 106 ff. UrhG aus einer Zusammenschau mit den Vorschriften des Urheberzivilrechts. 2. Weitere Konkretisierungen

Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ermöglichen jedenfalls eine erste Annäherung an die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Ver­ sucht man diese jedoch auf einzelne strafrechtliche Tatbestandsmerkmale anzuwenden, wird man schnell feststellen, dass die Anforderungen nach wie vor noch sehr vage sind. Deshalb sollen im Folgenden einige Ansätze prä­ sentiert werden, mit denen der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts aus unterschiedlichen Perspektiven etwas mehr Kontur verliehen wird. a) Zweck des Bestimmtheitsgrundsatzes Eine dieser Perspektiven lässt sich über den Zweck beschreiben, dem der Bestimmtheitsgrundsatz zu dienen bestimmt ist. Diesbezüglich wird häufig ein „doppelter Zweck“ genannt.60 Der „erste Zweck“ ist im Schutz des Normanwenders zu sehen. Dieser soll zumindest im Wege der Auslegung das konkret verbotene Verhalten erkennen und sein Verhalten darauf einrichten können.61 Dies wird in erster Linie durch eine möglichst konkrete Beschreibung des tatbestandlichen Unrechts erreicht. Sofern die Strafvorschrift präzise formuliert ist, geht damit zugleich eine Beschränkung des Einflusses der Judikative einher.62 Denn je konkreter 57  Vgl.

Kapitel 2, § 1, B., II. BVerfGE 45, 363 (371); BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 86, 288 (311); vgl. hierzu ferner Lenckner, JuS 1968, 249 (249 ff., 304 ff.); Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 68 f. 59  BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 86, 288 (311). 60  BVerfGE 47, 109 (120); BVerfGE 71, 108 (114); BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 87, 209 (224); BVerfGE 92, 1 (12); so auch Schönke/Schröder-Hecker, § 1 Rn. 16. 61  BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 126, 170 (194 f.), wo dies mit einer „frei­ heitsgewährleistenden Funktion“ des Bestimmtheitsgrundsatzes beschrieben wird; vgl. hierzu ferner MüKo-StGB-Schmitz, 3. Aufl., § 1 Rn. 45. 58  Vgl.



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ein Tatbestand gefasst ist, desto weniger Auslegungs- und Rechtsfortbil­ dungsmöglichkeiten verbleiben den Gerichten bei der Anwendung.63 Ist ein Tatbestand hingegen weiter gefasst, sind die Gerichte berechtigt und ver­ pflichtet, diesen im Einzelfall auszulegen und durch Rechtsprechung mit ­Inhalt zu füllen. Damit bezweckt der Bestimmtheitsgrundsatz immer zugleich auch, dass der Einzelne vor staatlicher Willkür und einer uneinheitlichen Gesetzesauslegung bewahrt wird.64 Der „zweite Zweck“ steht in engem Zusammenhang mit genau diesem Gedanken. Denn durch eine präzise Vorgabe des tatbestandlichen Inhalts wird nicht nur der Einfluss der Judikative minimiert, sondern zugleich sicher­ gestellt, dass die Gesetzgebungskompetenz auch faktisch auf Seiten des Gesetzgebers verbleibt.65 Die Formulierung des Tatbestandes ist die einzige Möglichkeit des Gesetzgebers, eine Bewertung in Recht und Unrecht vorzu­ nehmen. Auch wenn die Entscheidung über einen Sachverhalt im Einzelfall den Gerichten überlassen ist, beruht diese stets auf denjenigen Vorgaben, die der Gesetzgeber als demokratisch am stärksten legitimiertes Organ abstraktgenerell vorgegeben hat.66 Insoweit ist der Bestimmtheitsgrundsatz immer zugleich auch in einem Zusammenhang mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung zu sehen. Dieser „doppelte Zweck“ wird auch vom Bundesverfassungsgericht be­ müht, um im Einzelfall die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes zu konkretisieren.67 Dabei führt es insbesondere im Zusammenhang mit dem letztgenannten Aspekt gerne das Argument der Rechtssicherheit an: Demnach erhöhe eine möglichst präzise Formulierung des Tatbestandes auch die Wahr­ scheinlichkeit, dass vergleichbare Sachverhalte im Ergebnis vergleichbar entschieden werden.68 Somit ist der Bestimmtheitsgrundsatz immer auch im Lichte der einheitlichen Rechtsanwendung und damit des Gesetzlichkeitsprinzips zu verstehen.69 62  BVerfGE 71, 108 (114); BVerfGE 87, 209 (224); vgl. hierzu ferner Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 433 ff.; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 41; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 67. 63  Vgl. zu diesem Gedanken auch Krey, S. 137; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 41. 64  Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 103; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 67. 65  BVerfGE 47, 109 (120); BVerfGE 87, 209 (224); vgl. auch Kuhlen, in: Gesetz­ lichkeit und Strafrecht, S. 433 ff. 66  Vgl. zu diesem Gedanken BVerfGE 126, 170 (194); BVerfGE 143, 38 (53); Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 57; vgl. ferner Kuhlen, in: Gesetzlichkeit und Straf­ recht, S.  433 ff. 67  Vgl. BVerfGE 47, 109 (120); BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 92, 1 (12). 68  BVerfGE 105, 135 (153); vgl. hierzu ferner Krey, S. 136. 69  Vgl. BVerfGE 47, 109 (120); BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 105, 135 (153); BVerfGE 126, 170 (194, 197), wo auch der Ansatz des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts angeführt wird.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

b) Ansatz der größtmöglichen Bestimmtheit Ein auf den ersten Blick interessanter, sich auf den zweiten Blick aber als zu pauschal herausstellender Ansatz zur Konkretisierung wird gelegentlich qualitativ vorgenommen. Demnach seien die Anforderungen des Bestimmt­ heitsgrundsatzes zumindest dann gewahrt, wenn der Gesetzgeber den Tatbe­ stand mit der größtmöglichen Bestimmtheit formuliert hat.70 Damit ist die Verfassungskonformität einer Vorschrift stets vor dem Hintergrund der Alter­ nativen zu bewerten, die bei der Formulierung eines Tatbestandes bestanden haben. Wäre dem Gesetzgeber eine noch präzisere, konkretere und damit eben bestimmtere Ausgestaltung möglich gewesen, hat der Tatbestand zu­ mindest nicht die größtmögliche Bestimmtheit, sodass den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG nicht hinreichend Rechnung getragen wäre.71 Dieser Ansatz verkennt jedoch die enorme Bedeutung der Gesetzesaus­ legung für das Strafrecht. Sofern ein tatbestandliches Merkmal einer Aus­ legung zugänglich ist, wäre immer zugleich auch eine noch präzisere Formu­ lierung dieses Merkmals möglich gewesen. Nimmt man den Ansatz der größtmöglichen Bestimmtheit aber ernst, dann müssten alle auslegungsfähi­ gen Merkmale dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ausgesetzt sein. Dies würde das Ende der Auslegungsmethodik und der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln bedeuten, was vor dem Hintergrund ih­ rer angesprochenen Relevanz schwer zu akzeptieren wäre. c) Quantitative Einschränkungen Ein anderer Ansatz wurde nachhaltig von Schünemann geprägt, der sich für eine quantitative Betrachtung ausspricht. Ein Straftatbestand sei demnach dann mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar, wenn sein Inhalt zumindest zu einem Anteil von mehr als 50 % hinreichend bestimmt ist.72 Dahinter soll der Ge­ danke eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses und die Annahme stehen, dass der Bestimmtheitsgrundsatz nur dann als Regel gewahrt sei, wenn der Straftatbestand überwiegend bestimmt ist.73 Ein quantitatives Überwiegen meint dann aber mehr als 50 %. Schünemann begründet seinen Ansatz mit 70  So etwa Birkenstock, S. 100; Jakobs, 4 Rn. 25; Kohlmann, S.  247 ff.; Lenckner, JuS 1968, 304 (305); MüKo-StGB-Schmitz, 3. Aufl., § 1 Rn. 45; Naucke, S.  3 ff.; Schönke/Schröder-Hecker, § 1 Rn. 20; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 72. 71  Vgl. Schönke/Schröder-Hecker, § 1 Rn. 20, wonach eine Strafvorschrift „so­ weit wie eben möglich bestimmt“ zu fassen sei; MüKo-StGB-Schmitz, 3. Aufl., § 1 Rn. 41 spricht von „bestmögliche[r] Präzision“. 72  Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 35. 73  Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 35 f.



§ 1 Herleitung und Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessorietät 95

dem Gewaltenteilungsprinzip, das als Regel nur dann gewahrt sei, wenn ein Gesetz überwiegend vom Gesetzgeber (durch Formulierung des Tatbestan­ des) und nur ausnahmsweise vom Richter (durch Auslegung des Tatbestan­ des) mit Inhalt ausgefüllt werde, wobei eben über 50 % vom Gesetzgeber vorgegeben sein müssten.74 Davon abgesehen, dass damit nichts darüber ausgesagt ist, wann ein Merk­ mal derart bestimmt ist, dass es zu den einen oder den anderen 50 % zählt, betrachtet dieser Ansatz die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes zu pauschal. Vor allem leuchtet nicht ein, wie ein Straftatbestand, der zu einem Anteil von 49 % aus Merkmalen besteht, bei denen der Normanwender nicht erkennen kann, ob sein Verhalten erlaubt oder verboten ist, mit dem Be­ stimmtheitsgrundsatz vereinbar sein soll.75 Dies gilt umso mehr, als Schünemann die 50 %-Grenze auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal separat be­ zieht und nicht als Durchschnittswert aller Tatbestandsmerkmale im Hinblick auf einen konkreten Straftatbestand versteht. d) Schlussfolgerungen für den weiteren Verlauf der Arbeit Die vorstehenden Ausführungen beschreiben die Anforderungen des Be­ stimmtheitsgrundsatzes jeweils aus unterschiedlichen Perspektiven. Entschei­ dend ist dabei, dass die Bestimmtheit eines Straftatbestandes nur im Wege einer Einzelfallbetrachtung erfolgen kann. In diesem Zusammenhang sind zwei Aspekte des Bundesverfassungsgerichts hervorzuheben, die abschlie­ ßend einer näheren Ausführung bedürfen: Zum einen das Erfordernis der Vorhersehbarkeit des konkret ge- und verbotenen Verhaltens, zum anderen das Erfordernis, dass sich diese Vorhersehbarkeit spätestens aus einer Ausle­ gung ergeben muss. Der Aspekt der Vorhersehbarkeit wird gemeinhin als die zentrale Aussage des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes angesehen.76 Krey be­ schreibt hierzu, der Einzelne müsse bei Anwendung der Strafvorschrift eine gewisse „Orientierungsgewissheit“ erfahren.77 Vor dem Hintergrund der Not­ wendigkeit unbestimmter und weit gefasster Tatbestandsmerkmale muss diese „Gewissheit“ aber Grenzen haben. Eine solche Grenze ist eben darin zu sehen, dass Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe für die Prak­ tikabilität des Strafrechts eine enorme Bedeutung haben. Dies gilt auch des­ halb, weil der Tatbestand das strafbare Verhalten andernfalls bis ins letzte 74  Schünemann,

Nulla poena sine lege, S. 35 f. auch Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 74. 76  Vgl. Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 28; Krey, S. 137; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 105. 77  Krey, S. 137. 75  So

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

Detail regeln müsste. Sodann würde dieser Tatbestand aber einen Umfang erhalten, der seinerseits wiederum verfassungsrechtlich bedenklich wäre. Denn wenn der Normanwender aufgrund der Fülle an Informationen das Wichtige nicht mehr vom Unwichtigen unterscheiden kann, ist es ihm gege­ benenfalls noch weniger möglich, das konkret verbotene Verhalten zu erken­ nen. Insoweit kommt dem Bestimmtheitsgrundsatz auch eine sich selbst ­begrenzende Wirkung zu, denn seine Anforderungen dürfen nicht so weit reichen, dass der Straftatbestand einen ausufernden Umfang erfährt. Der zweite Aspekt hängt damit zusammen, dass es ausreichen soll, wenn sich diese Vorhersehbarkeit erst aus einer Auslegung der Vorschrift ergibt. Insoweit ist der Begriff des Gebots hinreichender Bestimmbarkeit passen­ der.78 Die Bestimmbarkeit hängt aber entscheidend von der Komplexität der Rechtsmaterie und dem Normzusammenhang ab, der zur Auslegung heranzu­ ziehen ist. Dabei läge es nahe, mit zunehmender Komplexität der Rechtsma­ terie geringere Anforderungen an die Bestimmbarkeit zu stellen, da bei einer komplexen Thematik ohnehin nicht alles geregelt werden kann und vieles deshalb weiter formuliert werden muss. Das Bundesverfassungsgericht geht aber einen anderen Weg und setzt die Anforderungen des Bestimmtheits­ grundsatzes mit zunehmender Komplexität höher an. Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts kann jedoch insoweit nicht überzeugen, als die Anforderungen besonders von der Höhe der angedrohten Strafe abhängen sollen. Damit ginge zumindest eine Klassifizierung in „gra­ vierende“ und „weniger gravierende“ Delikte einher, wobei im Falle „weni­ ger gravierender“ Delikte die verfassungsrechtlichen Anforderungen niedri­ ger angesetzt würden. Dies erscheint jedoch vor dem Hintergrund des Ge­ setzlichkeitsgrundsatzes problematisch, der gerade im Strafrecht an sich ­unbegrenzt gilt und vor allem keine Abstufung zwischen der Schwere der Delikte vorsieht.79 Wenn die konkreten Anforderungen aber von der Komplexität der Rechtsmaterie abhängen, ist im Zusammenhang mit dem Urheberstrafrecht zu be­ achten, dass es sich hierbei um eine äußerst komplexe Materie handelt. Ent­ sprechend des Ansatzes des Bundesverfassungsgerichts sind somit grundsätz­ lich erhöhte Anforderungen an die Bestimmbarkeit der §§ 106 ff. UrhG zu stellen. Insoweit spielt die Zivilrechtsakzessorietät eine umso größere Rolle, worauf sogleich noch näher eingegangen wird.80

auch Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 31. hierzu auch Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 70. 80  Vgl. Kapitel 2, § 1, C., III. 78  So

79  Vgl.



§ 1 Herleitung und Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessorietät 97

3. Sonderfall: Bestimmtheit durch richterliche Rechtsfortbildung

Zuvor ist noch ein Aspekt aufzugreifen, der bereits beim „informationellen Übergewicht“ des Urheberzivilrechts angedeutet wurde.81 Dieses wurde auch damit begründet, dass zu einem Merkmal in zivilrechtlichen Sachver­ halten eine höhere Dichte an Rechtsprechung ergeht als zu demselben Merk­ mal in einem strafrechtlichen Zusammenhang. Die Rechtsprechung spielt für die Bestimmung des urheberzivilrechtlichen Inhalts gerade deshalb eine ent­ scheidende Rolle, weil sie den einzelnen Vorschriften durch eine ausdifferen­ zierte Judikatur Konturen verleiht. Zu denken ist etwa an den sehr weit ge­ fassten Werkbegriff, der seinen inhaltlichen Rahmen neben der Definition und der nicht-abschließenden Aufzählung in § 2 UrhG eben auch aus einer ausdifferenzierten Rechtsprechung erhält.82 Das Bundesverfassungsgericht bewertet es durchaus als zulässig, dass zur Wahrung der Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes auf eine gefestigte Judikatur zurückgegriffen wird und dies ein hinreichendes Kriterium dafür dar­ stellt, dass ein an sich unbestimmtes strafrechtliches Tatbestandsmerkmal den Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG entspricht.83 Geprägt wurde dies vor al­ lem durch die bereits erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Verübung „groben Unfugs“ insbesondere mit der Begründung als hinreichend bestimmt angesehen wurde, dass sich der Inhalt dessen, was „grober Unfug“ konkret sein soll, aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung ergebe.84 Besondere Bedeutung erfährt in diesem Zusammenhang der Grundsatz der Gewaltenteilung. Wie bereits erwähnt, muss die abstrakt-generelle Entschei­ dung darüber, ob ein Verhalten als Recht oder Unrecht zu bewerten ist, von der demokratisch am stärksten legitimierten Gewalt, also grundsätzlich vom Gesetzgeber selbst getroffen werden.85 Aus diesem Grund wird der Rück­ griff auf die Rechtsprechung zur Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes in der Literatur scharf kritisiert und insbesondere damit abgelehnt, dass der Bestimmtheitsgrundsatz in erster Linie eine Maßgabe an den Gesetzgeber und nicht an den Richter darstellt.86 81  Vgl.

hierzu Kapitel 2, § 1, B., III. hierzu bereits Kapitel 1, § 1, D., I., 1., a). 83  Vgl. etwa BVerfGE 26, 41 (43); BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 45, 363 (372); BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 86, 288 (311); BVerfGE 126, 170 (197). 84  BVerfGE 26, 41 (43). 85  Vgl. BVerfGE 126, 170 (194); BVerfGE 143, 38 (53); vgl. ferner Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 28, 30; Krey, S. 138; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 103; Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 29. 86  Vgl. Birkenstock, S. 100; Bott/Krell, ZJS 2010, 694 (695); Heinrich, FS Keller 2003, S. 103; ders., Strafrecht AT, Rn. 28, 30; Krey, S. 138; Krey/Esser, Strafrecht AT, Rn. 105. 82  Siehe

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

Für das Urheberstrafrecht ist entscheidend, dass die zu zivilrechtlichen Sachverhalten ergangene Rechtsprechung gerade wegen der Zivilrechtsak­ zessorietät auch der Konkretisierung der strafrechtlichen Tatbestandsmerk­ male dient. Im Urheberstrafrecht stellt die Rechtsprechung zu den einzelnen Merkmalen zwar einen wichtigen, nicht jedoch den entscheidenden Faktor zur Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes dar. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass die einzelnen strafrechtlichen Tatbestandsmerkmale durch die ausdifferenzierten Vorgaben in den zivilrechtlichen Vorschriften bereits derart konkrete Konturen erhalten, dass die Rechtsprechung diese ohnehin nur noch „schärfen“ kann. Der Ansatz des Bundesverfassungsge­ richts, eine gefestigte Rechtsprechung als Kriterium zur Wahrung des Be­ stimmtheitsgrundsatzes heranzuziehen, erscheint vor allem dann bedenklich, wenn sich das konkret verbotene Verhalten eines Straftatbestandes überhaupt erst oder überwiegend aus dieser Rechtsprechung ergibt. Diese Konstellation liegt in den urheberstrafrechtlichen Tatbeständen aber gerade nicht vor, da neben der Rechtsprechung auf verschiedene Auslegungshilfen zurückgegrif­ fen werden kann. III. Strenge Zivilrechtsakzessorietät als Lösung des Gesetzgebers (verfassungskonformitätswahrende Funktion) Die vorstehenden Ausführungen verdeutlichen, dass die urheberstrafrecht­ lichen Tatbestandsmerkmale ohne Rückgriff auf die zivilrechtlichen Vor­ schriften den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht genügen würden. Bei isolierter Betrachtung der §§ 106 ff. UrhG wäre für den Norm­ anwender nicht erkennbar, wann ein „Werk“ vorliegt, wann sein Verhalten eine „öffentliche Wiedergabe“ darstellt oder wann ein „gesetzlich zugelasse­ ner Fall“ eingreift. Die urheberzivilrechtlichen Vorschriften beschreiben die Merkmale hingegen in einem Maße, dass an ihrer Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht zu zweifeln ist. Dass diese hinreichende Bestimmtheit auch für die urheberstrafrecht­ lichen Tatbestände gilt und die §§ 106 ff. UrhG damit dem Vorwurf der Ver­ fassungswidrigkeit entgehen, liegt gerade in der Zivilrechtsakzessorietät ­begründet. Rechtstechnisch resultiert dies daraus, dass sich die Auslegung der strafrechtlichen Tatbestandsmerkmale entsprechend der Terminologie des Bundesverfassungsgerichts87 an dem jeweiligen „Normzusammenhang“ ori­ entieren muss und dieser „Normzusammenhang“ hier gerade wegen der Zi­ vilrechtsakzessorietät in den Vorschriften des Urheberzivilrechts zu sehen ist. 87  So

etwa in BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 86, 288 (311).



§ 1 Herleitung und Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessorietät 99

Dass dieser Zusammenhang dem Einzelnen im Sinne der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts hinreichend erkennbar ist, gewährleistet das Urheberstrafrecht in erster Linie dadurch, dass es dieselben Begriffe verwen­ det wie das Urheberzivilrecht. Dabei zeigt sich diese Konzeption aber nur so lange konsistent, wie die Zivilrechtsakzessorietät tatsächlich streng ange­ wandt wird. Denn nur in diesem Fall kann sich der Normanwender tatsäch­ lich darauf verlassen, dass einem begrifflichen Gleichlauf zwischen Urheber­ strafrecht und Urheberzivilrecht auch ein inhaltlicher Gleichlauf folgt und nur dann kann er das konkret verbotene Verhalten hinreichend deutlich er­ kennen. Muss ein wortlautidentisch verwendetes Merkmal hingegen im Ur­ heberstrafrecht aufgrund übergeordneter Erwägungen anders ausgelegt wer­ den als im Urheberzivilrecht, könnte das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät eine hinreichende Erkennbarkeit des straftatbestandlichen Inhalts und der Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht mehr gewährleisten. In­ soweit würde auch ein Richter bei einer strafrechtsautonomen Auslegung in diesen Fällen immer im Konflikt mit dem Bestimmtheitsgrundsatz stehen. Damit kann nur eine streng angewandte Zivilrechtsakzessorietät den Be­ denken der (zu) weiten Ausgestaltung der strafrechtlichen Tatbestandsmerk­ male tatsächlich begegnen. Der Zivilrechtsakzessorietät kommt damit eine verfassungskonformitätswahrende Funktion im Hinblick auf die gegenwär­ tige Ausgestaltung der urheberstrafrechtlichen Vorschriften zu. Dabei kann die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des Urheberstrafrechts durchaus als bewusste Reaktion des Gesetzgebers auf die gegenwärtig weite Fassung der §§ 106 ff. UrhG angesehen werden, da die einzelnen Tatbestandsmerk­ male größtenteils so formuliert sind, dass sie einer Auslegung zugänglich sind und eine solche geradezu erfordern. Deshalb werden sie auch als „Aus­ füllungstatbestände“ bezeichnet.88 IV. Alternativen Die Frage, warum dem Urheberstrafrecht überhaupt eine strenge Zivil­ rechtsakzessorietät zugrunde liegt, ist damit in erster Linie über die tatbe­ standliche Weite der §§ 106 ff. UrhG und die Anforderungen des Bestimmt­ heitsgrundsatzes zu beantworten. Dabei stellt die Lösung über die strenge Zivilrechtsakzessorietät nur einen möglichen Weg dar, diese tatbestandliche Weite in den Griff zu bekommen und den verfassungsrechtlichen Anforde­ rungen zu entsprechen.

88  Loewenheim-Flechsig, §  90 Rn. 11; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 108b Rn. 3.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

Im Folgenden werden hierzu mögliche Alternativen vorgestellt, die zu­ nächst ausschließlich vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Be­ stimmtheitsgrundsatzes betrachtet werden. Auf diese wird im weiteren Ver­ lauf immer wieder zurückgegriffen, wenn das Konzept der strengen Zivil­ rechtsakzessorietät an seine seinerseits verfassungsrechtlich begründeten Grenzen stößt. 1. Ausdrückliche Gesetzesverweise

Zunächst wäre daran zu denken, die urheberstrafrechtlichen Tatbestände durch ausdrückliche Gesetzesverweise auf die jeweiligen zivilrechtlichen Vorschriften zu ergänzen. Wie angedeutet, existieren solche ausdrücklichen Gesetzesverweise teilweise,89 aber eben nicht durchgehend. Zu denken wäre dabei etwa an eine Formulierung des § 106 Abs. 1 UrhG in der Form: „Wer in anderen als den in §§ 44a ff. UrhG genannten Fällen ohne Einwil­ ligung des Berechtigten ein Werk (§ 2 UrhG), eine Bearbeitung (§§ 3 und 23) oder Umgestaltung eines Werkes (§ 23) entgegen §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 3 oder §§ 16, 17 verwertet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Inhaltlich gingen damit keine Änderungen zur gegenwärtigen Ausgestal­ tung der §§ 106 ff. UrhG einher, insbesondere bliebe die zivilrechtsakzessori­ sche Ausgestaltung unberührt. Diese würde dem Normanwender jedoch auf andere Weise erkennbar gemacht und der inhaltliche Gleichlauf würde deut­ licher hervorgehoben. Ob und inwieweit das Prinzip der Zivilrechtsakzesso­ rietät hierdurch eine erhöhte Legitimation erfahren würde, wird später noch erörtert.90 Vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes ist hier zu­ nächst entscheidend, ob damit die akzessorische Ausgestaltung deutlicher erkennbar und das konkret verbotene Verhalten besser vorhersehbar wäre als bei Verwendung derselben Begriffe. Jedenfalls bestünde auch in diesem Fall eine strenge Zivilrechtsakzessorietät und eine Anwendbarkeit der zivilrecht­ lichen Vorschriften, was durch die direkten Verweise auch eindeutig klarge­ stellt würde. Dass eine solche Tatbestandsformulierung jedoch nicht gerade zur Über­ sichtlichkeit der Vorschrift beitragen würde, zeigt der alternative Formulie­ rungsvorschlag zu § 106 Abs. 1 UrhG. Dies war auch für den Gesetzgeber der Grund dafür, die Aufnahme ausdrücklicher Gesetzesverweise nicht zur Regel zu machen.91 Hierauf wird an späterer Stelle noch ausführlich einge­ 89  Vgl.

§§ 107 Abs. 1, 108 Abs. 1 und 108b Abs. 2 UrhG. insbesondere Kapitel 4, § 5, A. 91  Vgl. zur Einführung des Urheberrechtsgesetzes BT-Drs. 15/837, S. 35. 90  Vgl.



§ 1 Herleitung und Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessorietät 101

gangen.92 Entscheidend ist hier jedoch, dass über solche ausdrücklichen Verweise möglicherweise die Akzessorietät deutlicher erkennbar gemacht würde, aufgrund der Unübersichtlichkeit jedoch nicht unbedingt die konkret verbotenen Verhaltensweisen. 2. Wiederholende Übernahme der zivilrechtlichen Vorgaben

An der grundsätzlich akzessorischen Ausgestaltung würde sich auch dann nichts ändern, würde man anstelle oder zusätzlich zu der Verwendung der­ selben Begriffe den Inhalt der zivilrechtlichen Vorgaben wiederholend in die Straftatbestände aufnehmen. Dies würde jedenfalls bewirken, dass der inhaltliche Zusammenhang zwi­ schen den strafrechtlichen und den zivilrechtlichen Vorgaben unmittelbar aus dem Straftatbestand selbst und ohne Transferleistung erkennbar wäre.93 Damit würden die Straftatbestände aber einen exorbitanten Umfang erfahren. Es ist aber gerade dieser Umfang, der sodann seinerseits kritisch vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes zu bewerten wäre. Insoweit ist zu bezweifeln, dass eine solch umfangreiche Ausgestaltung der Tatbestände tat­ sächlich dazu beitragen könnte, dass der Normanwender das konkret verbo­ tene Verhalten besser vorhersehen kann. 3. Strafrechtsautonome Ausgestaltung

Eine gänzliche Abkehr von der akzessorischen Ausgestaltung würde es darstellen, die strafrechtlichen Tatbestandsmerkmale losgelöst von den zivilrechtlichen Vorgaben zu verstehen. Dass dies bei der gegenwärtigen tatbe­ standlichen Formulierung der §§ 106 ff. UrhG nicht mit dem Bestimmtheits­ grundsatz vereinbar wäre, wurde bereits dargelegt.94 Eine strafrechtsauto­ nome Auslegung der tatbestandlichen Merkmale ginge nur in Verbindung mit einer Gesetzesanpassung und einer entsprechend engeren Formulierung der strafrechtlichen Tatbestände einher. Dies würde zumindest eine komplette Umstrukturierung des Urheberstraf­ rechts und eine Neuordnung des Verhältnisses zum Urheberzivilrecht erfor­ dern. Eine strafrechtsautonome Auslegung stellt jedenfalls das Gegenstück zur zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung dar. Es steht jedoch zu befürch­ ten, dass dies eine Ausuferung der strafrechtlichen Tatbestände erforderte.

92  Kapitel 4,

§ 5, A. hierzu Lohberger, S. 20. 94  Vgl. Kapitel 2, § 1, C., III. 93  Vgl.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

V. Zusammenfassung Das Urheberstrafrecht entspricht in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung nur deshalb den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes, weil es zivil­ rechtsakzessorisch ausgestaltet ist. Die Zivilrechtsakzessorietät hat insoweit eine verfassungskonformitätswahrende Funktion. Dieser wird sie aber nur dann gerecht, wenn sie streng angewandt wird, da nur in diesem Fall eine hinreichende Erkennbarkeit des straftatbestandlichen Inhalts tatsächlich ge­ währleistet bleibt. Die Alternativen vermögen es hingegen nicht, den Anfor­ derungen des Bestimmtheitsgrundsatzes besser zu entsprechen.

§ 2 Urheberzivilrechtsakzessorietät im Vergleich In einem allgemeineren Zusammenhang formuliert Mitsch zur Ausgestal­ tung strafrechtlicher Vorschriften: „Im Normalfall enthält eine Strafvorschrift sämtliche Merkmale des (objektiven und subjektiven) Tatbestandes.“95 Die­ ser „Normallfall“ liegt dem Urheberstrafrecht aber gerade nicht zugrunde. Zwar werden die zur Begründung einer Strafbarkeit erforderlichen Tatbe­ standsmerkmale von den §§ 106 ff. UrhG formal selbst normiert, ihren mate­ riellen Inhalt erhalten diese jedoch erst aus einem Rückgriff auf die zivil­ rechtlichen Vorgaben. Dabei ist es jedoch nicht unüblich, dass zivil- und strafrechtliche Vor­ schriften zur Bestimmung des Inhalts ihrer Tatbestandsmerkmale auf andere Vorschriften zurückgreifen und dabei zu diesen ein Abhängigkeitsverhältnis im Sinne einer Akzessorietät begründen. Dies wird im Folgenden anhand eines Überblicks über einige Beispiele innerhalb des Zivilrechts (A.) und des Strafrechts (B.) dargestellt. Dies dient vorrangig dazu, Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der jeweiligen akzessorischen Ausgestaltung in einen Ver­ gleich zur Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht zu setzen.

A. Akzessorietät des Zivilrechts Als Beispiel für eine Akzessorietät des Zivilrechts sollen zum einen die „Zivilrechtsakzessorietät des Zivilrechts“ aus dem Kreditsicherungsrecht (I.) und zum anderen die „Strafrechtsakzessorietät des Zivilrechts“ aus dem De­ liktsrecht (II.) herausgegriffen werden.

95  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch,

§ 6 Rn. 67.



§ 2 Urheberzivilrechtsakzessorietät im Vergleich103

I. „Zivilrechtsakzessorietät des Zivilrechts“ Im Kreditsicherungsrecht sind beispielsweise die Bürgschaft (§ 765 BGB) und insbesondere die Hypothek (§ 1113 BGB) als zivilrechtsakzessorisch ausgestaltete Sicherungsrechte zu nennen.96 In beiden Fällen ist die Akzes­ sorietät, ähnlich wie im Urheberstrafrecht, im Grundsatz streng. Dies zeigt sich für die Hypothek etwa daran, dass diese erst gar nicht zur Entstehung gelangt, wenn die von ihr zu sichernde Forderung nicht besteht.97 Ähnlich verhält es sich in Bezug auf ihren Bestand, da sich ihr Umfang entsprechend des Umfangs der zu sichernden Forderung verändert.98 Erlischt die Forde­ rung, besteht auch die Hypothek – zumindest in ihrer einstweiligen Form – nicht weiter fort.99 Die zu sichernde Forderung stellt dabei das Hauptrecht dar, das Siche­ rungsrecht hingegen das Nebenrecht, wobei sich das Nebenrecht abhängig vom Hauptrecht zeigt. Wie bei der Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstraf­ recht wird auch hier eine Abhängigkeit innerhalb desselben Gesetzes (hier des BGB) begründet. Die Akzessorietät unterscheidet sich hier jedoch da­ durch, dass sie sich nicht auf zwei unterschiedliche Rechtsgebiete (Strafrecht und Zivilrecht) bezieht, sondern, zumindest für die Hypothek, eine Abhän­ gigkeit zweier unterschiedlicher Teilgebiete (Kreditsicherungsrecht und Schuldrecht) innerhalb eines Rechtsgebietes (Zivilrecht) bewirkt.100 Deshalb kann hier von einer „Zivilrechtsakzessorietät des Zivilrechts“ gesprochen werden. Vor dem Hintergrund des Erfordernisses hinreichender Erkennbarkeit ist interessant, dass die akzessorischen Tatbestände hier Formulierungen ver­ 96  Darüber hinaus sind vor allem die akzessorische Auflassungsvormerkung (§§ 883 ff. BGB) und das akzessorische Pfandrecht (§§ 1204 ff. BGB) zu nennen. 97  Zu denken ist etwa an den Fall, dass sich der die Forderung begründende schuldrechtliche Vertrag als unwirksam herausstellt (vgl. §§ 1113 Abs. 1, 765 Abs. 1 BGB). 98  Dies ergibt sich für die Hypothek im Zusammenhang mit dem Haftungsver­ band aus §§ 1120 ff. BGB; vgl. ferner die Bestimmungen zur Verteilung des Erlöses nach der Zwangsvollstreckung, §§ 15 ff., 146 ff. ZVG; vgl. zur Bürgschaft § 767 Abs. 1 S. 1 BGB, wonach „der jeweilige Bestand der Hauptverbindlichkeit maßge­ bend“ ist. 99  Vgl. zur Hypothek bei Personenidentität von Schuldner der Forderung und Ei­ gentümer des belasteten Grundstücks § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB, wonach die Hypothek nach Erlöschen der Forderung grundsätzlich auf den Eigentümer übergeht und sich gem. § 1177 Abs. 1 S. 1 BGB in eine (nicht akzessorische) Eigentümergrundschuld umwandelt; vgl. zur Bürgschaft § 767 Abs. 1 S. 1 BGB. 100  Bei der Bürgschaft bezieht sich die Akzessorietät auf zwei Vertragstypen inner­ halb derselben Rechtsmaterie, nämlich dem Bürgschaftsvertrag und dem Vertrag, der die Forderung begründet.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

wenden, die deutlicher auf eine Abhängigkeit von den jeweiligen Vorschrif­ ten schließen lassen.101 Ob und inwieweit die Akzessorietät dadurch eine erhöhte Legitimation erfährt, wird später noch bei § 108b Abs. 2 UrhG erör­ tert.102 II. „Strafrechtsakzessorietät des Zivilrechts“ Das Zivilrecht zeigt sich auch im Deliktsrecht akzessorisch, insbesondere in § 823 Abs. 2 BGB. Demnach macht sich derjenige schadensersatzpflichtig, der gegen ein Schutzgesetz verstößt.103 Als Schutzgesetze kommen dabei insbesondere Straftatbestände in Betracht, so auch § 106 Abs. 1 UrhG.104 Das Deliktsrecht zeigt sich hier akzessorisch zur Verletzung des Schutzge­ setzes, da nur in diesem Fall ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB besteht. Sofern die Verletzung des Schutzgesetzes in einem Verstoß gegen einen Straftatbestand liegt, kann man von einer „Strafrechtsakzesso­ rietät des Zivilrechts“ sprechen. Diese unterscheidet sich von der Zivilrechts­ akzessorietät im Urheberstrafrecht dadurch, dass die Akzessorietät in § 823 Abs. 2 BGB nicht auf die Vorschriften des Strafrechts beschränkt ist, da die Verletzung jedes Schutzgesetzes genügt. In dieser Hinsicht zeigt sich die Akzessorietät durchaus weniger streng.

B. Akzessorietät des Strafrechts Im Strafrecht sind vor allem die Strafrechtsakzessorietät des Allgemeinen Teils des StGB (I.), die Zivilrechtsakzessorietät der Vermögensdelikte im Besonderen Teil des StGB (II.) sowie die Verwaltungsakzessorietät des Um­ weltstrafrechts (III.) hervorzuheben. I. Strafrechtsakzessorietät des Allgemeinen Teils des StGB Die wohl geläufigste Form der Akzessorietät ist die „limitierte Akzesso­ rietät“ aus dem Bereich der Teilnehmerstrafbarkeit.105 Sowohl die Strafbar­ 101  Vgl. für die Hypothek § 1113 Abs. 1 BGB: „wegen einer ihm zustehenden For­ derung“; vgl. ferner für die Bürgschaft § 765 Abs. 1 BGB: „für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten“. 102  Vgl. hierzu Kapitel 4, § 5, A. 103  Vgl. MüKo-BGB-Wagner, 7. Aufl., § 823 Rn. 522. 104  MüKo-BGB-Wagner, 7. Aufl., § 823 Rn. 525; vgl. zum Urheberrecht § 102a UrhG. 105  So auch Francuski, JuS 2014, 886; vgl. zum Begriff der „limitierten Akzesso­ rietät“ Creifelds, Rechtswörterbuch, S. 36; den Begriff verwendend u. a. Baumann/



§ 2 Urheberzivilrechtsakzessorietät im Vergleich105

keit des Anstifters (§ 26 StGB) als auch des Gehilfen (§ 27 Abs. 1 StGB) hängen vom Vorliegen einer vorsätzlich und rechtswidrig begangene Haupttat ab. Man bezeichnet diese Akzessorietät als „limitiert“, weil keine vollstän­ dige Strafbarkeit des Haupttäters vorliegen muss, zu der eben auch eine schuldhafte Begehung gehören würde. §§ 26 und 27 StGB machen die Teilnehmerstrafbarkeit ausdrücklich von der „vorsätzlich begangenen rechtswidrigen Tat“ des Haupttäters abhängig. Die Akzessorietät ist somit auch hier deutlicher zu erkennen als im Urheber­ strafrecht. Sie zeigt sich insoweit streng, als die Strafbarkeit des Teilnehmers eben über die Strafbarkeit des Haupttäters entscheidet. Die Akzessorietät wird jedoch mit dem Verzicht auf das Erfordernis einer schuldhaften Bege­ hung des Haupttäters (§ 29 StGB) erheblich gelockert. II. Zivilrechtsakzessorietät des Besonderen Teils des StGB Im Besonderen Teil des StGB sind ferner einige Vermögensdelikte akzes­ sorisch ausgestaltet. Der objektive Straftatbestand des Diebstahls (§ 242 Abs. 1 StGB) hängt etwa davon ab, dass eine fremde bewegliche Sache weggenommen wurde.106 Der Begriff der Sache orientiert sich an den zivil­ rechtlichen Vorgaben des § 90 BGB,107 bezüglich des Merkmals der Fremdheit ist auf die zivilrechtlichen Eigentumsverhältnissen abzustellen.108 Inso­ weit könnte man von einer Zivilrechtsakzessorietät der strafrechtlichen Ver­ mögensdelikte sprechen. Diese ähnelt der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts dadurch, dass Änderungen im Zivilrecht im Grundsatz unmittelbare Wirkung auch auf den Straftatbestand haben. Verändert sich etwa die gesellschaftspolitische Rechtsanschauung zum Verhältnis von Daten oder Tieren zu körperlichen Gegenständen, wirkt sich dies grundsätzlich auch auf den Sachbegriff und damit auf die Strafbarkeit aus.109 Gleiches gilt, sofern sich der Gesetzgeber – unter Beachtung verfassungsrechtlicher Anforderungen – zur Anerkennung Weber/Mitsch/Eisele-Eisele, § 24 Rn. 20; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1279; Kühl, § 20 Rn. 136; Rengier, Strafrecht AT, § 45 Rn. 1; Roxin, Strafrecht AT II, § 26 Rn. 5. 106  Genauso könnte man auf den Straftatbestand der Unterschlagung (Zueignung einer fremden beweglichen Sache, § 246 Abs. 1 StGB) oder der Sachbeschädigung (Beschädigung einer fremden Sache, § 303 Abs. 1 StGB) abstellen. 107  Was inzwischen jedoch gerade mit Blick auf § 90a BGB umstritten ist; vgl. hierzu Lackner/Kühl, § 242 Rn. 2; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, § 1 Rn. 18, § 2 Rn. 74. 108  Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf-Heinrich, § 13 Rn. 14; Fischer, § 242 Rn. 5; Lackner/Kühl, § 242 Rn. 4; Rengier, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 9; Schönke/SchröderBosch, § 242 Rn. 12; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, § 2 Rn. 79. 109  Oder aber im Fall der Zueignung auf § 246 Abs. 1 StGB oder der Beschädi­ gung auf § 303 Abs. 1 StGB.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

neuer Wege der Eigentumsübertragung entschließt. Auch dies hätte – bei entsprechender Anpassung der zivilrechtlichen Vorschriften – im Grundsatz unmittelbare Auswirkungen auf das Merkmal der Fremdheit. Eine weitere Ähnlichkeit zur Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht besteht darin, dass auch hier die Abhängigkeit der strafrechtlichen Tatbe­ standsmerkmale von den zivilrechtlichen Vorgaben zumindest nicht aus­ drücklich im Gesetz normiert ist. Die Akzessorietät ist jedoch dadurch er­ kennbar, dass jedenfalls mit dem Begriff der Sache eine begriffliche Identität zum Zivilrecht besteht und dieser im Grundsatz auch eine Inhaltsidentität folgt.110 Die Erkennbarkeit der Zivilrechtsakzessorietät leidet hier jedoch daran, dass etwa der Begriff der „Fremdheit“ auch im Zivilrecht nicht ein­ deutig verwendet und definiert wird. Ähnliches gilt bei den Straftatbeständen des Betrugs (§ 263 StGB), der Erpressung (§ 253 StGB) und der Untreue (§ 266 StGB), die alle den Eintritt eines Vermögensschadens voraussetzen. Losgelöst von der Frage, was im Einzelfall konkret zum geschützten Vermögen zählt, soll im Grundsatz auf Aspekte der zivilrechtlichen Vermögenslage abgestellt werden.111 Der Akzes­ sorietät fehlt es hier aber gänzlich an einer Verankerung im Gesetz, die die­ sen inhaltlichen Gleichlauf zur zivilrechtlichen Rechtslage erkennbar macht. III. Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts Abschließend ist auf die Verwaltungsakzessorietät im Umweltstrafrecht (§§ 324 ff. StGB) einzugehen.112 Diese ist insoweit als Sonderfall einzuord­ nen, weil sie sich in unterschiedlichen Ausprägungen zeigt und dabei teil­ weise uneinheitlich kategorisiert wird. Hervorzuheben ist insbesondere die Verwaltungsrechtsakzessorietät sowie die Verwaltungsaktsakzessorietät des Umweltstrafrechts, gelegentlich wird auch noch die Unterkategorie der ver­ waltungsbegrifflichen Akzessorietät gebildet.113 110  Vgl. auch den Ansatz von Francuski, JuS 2014, 886, der diese Verweisung als „konkludent“ bezeichnet. 111  Vgl. zur Diskussion die Darstellungen bei Arzt/Weber/Heinrich/HilgendorfHeinrich, § 20 Rn. 87 ff.; Fischer, § 263 Rn. 89 ff.; Lackner/Kühl, § 263 Rn. 33 ff.; LK-Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 127 ff.; NK-StGB-Kindhäuser, § 263 Rn. 16 ff.; Schönke/Schröder-Perron, § 263 Rn. 78b ff. 112  Vgl. hierzu ausführlich Baumgarten, S.  198 ff.; Kühl, FS Lackner 1987, S.  815 ff.; Winkelbauer, S.  31 ff. 113  Dies soll diejenigen Konstellationen betreffen, in denen der Strafgesetzgeber sich der Begriffe aus dem Bereich des Umweltverwaltungsrechts bedient (so etwa in Bezug auf den Begriff des Gewässers in § 324 Abs. 1 StGB, den Begriff des Abfalls in § 326 Abs. 1 StGB oder den Begriff der kerntechnischen Anlage in § 327 Abs. 1 StGB); vgl. hierzu aber Schönke/Schröder-Heine/Schittenhelm, § 326 Rn. 2a, wonach



§ 2 Urheberzivilrechtsakzessorietät im Vergleich107

Die Verwaltungsrechtsazessorietät zeigt sich gewissermaßen übergeordnet an verschiedenen Stellen im Umweltstrafrecht, insbesondere aber an § 324a Abs. 1 StGB, wonach sich der Täter strafbar macht, wenn er gegen verwal­ tungsrechtliche Pflichten verstößt. Gemeint sind damit verwaltungsrechtliche Vorschriften, die dem Schutz des Bodens zu dienen bestimmt sind.114 Die Erfüllung des Straftatbestandes hängt dabei maßgeblich von außerhalb des StGB verorteten Vorschriften ab. Die Verwaltungsaktsakzessorietät zeigt sich vor allem an § 327 Abs. 1 StGB, wonach für die Erfüllung des Straftatbestandes gerade keine Geneh­ migung vorliegen darf.115 Damit besteht eine Ähnlichkeit zum Urheberstraf­ recht und dem ebenfalls negativ formulierten Tatbestandsmerkmal des NichtVorliegens eines der gesetzlich zugelassenen Fälle gem. §§ 44a ff. UrhG. Bei § 327 Abs. 1 StGB spielen vor allem behördliche Untersagungen und Aufla­ gen eine entscheidende Rolle, wobei zu beachten ist, dass auch im Falle eines Verstoßes gegen eine Auflage, die im Zusammenhang mit einer Genehmi­ gung erteilt wurde, das Verhalten dennoch von dieser Genehmigung gedeckt sein kann und in der Regel auch tatsächlich gedeckt sein wird.116 Teilweise wird im Zusammenhang mit § 330d Abs. 1 Nr. 4b StGB noch die Unterkategorie der Akzessorietät in Bezug auf verwaltungsgerichtliche Entscheidungen gebildet, was jedoch deswegen entbehrlich erscheint, da es sich bei den hierbei betroffenen Vorgaben ohnehin um verwaltungsrechtliche Pflichten handelt, die sich sodann aber ohne weiteres in die erstgenannte Kategorie (Verwaltungsrechtsakzessorietät) einordnen lassen.117 Im hiesigen Zusammenhang wird die Verwaltungsakzessorietät des Um­ weltstrafrechts mit ihren einzelnen Unterkategorien dadurch relevant, dass sie – ähnlich wie die Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht – eine Abhängigkeit innerhalb derselben Rechtsmaterie (hier innerhalb des Umwelt­ rechts) vorsieht, dabei aber zwei unterschiedliche Rechtsgebiete betrifft (das Strafrecht auf der einen und das Verwaltungsrecht auf der anderen Seite). Besondere Relevanz erfährt die Thematik der Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts aber meist dadurch, dass die strafrechtlichen Vor­ schriften teilweise auf Vorschriften verweisen, die aus unterschiedlichen Le­ den einzelnen Tatbestandsmerkmalen des § 326 StGB „ein eigenständiger strafrecht­ licher Abfallbegriff zugrunde“ liege und die strafrechtlichen Begriffe sich somit eben nicht gänzlich abhängig zeigen. 114  Lackner/Kühl, §  324a Rn. 7; Schönke/Schröder-Heine/Schittenhelm, § 324a Rn. 14. 115  Vgl. hierzu Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf-Hilgendorf, § 41 Rn. 15; Paeffgen, FS Stree/Wessels 1993, S. 587 ff.; vgl. hierzu auch Prümm, S.  358 f. 116  Vgl. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf-Hilgendorf, § 41 Rn. 15. 117  Vgl. hierzu MüKo-StGB-Schmitz, 3. Aufl., § 330d Rn. 15 f.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

gislativkompetenzen entstammen.118 Somit erfährt die Thematik auch eine verfassungsrechtliche Bedeutung, da zumindest durch die Verwaltungsrechtsakzessorietät die Entscheidung über die Strafbarkeit faktisch auf die Landes­ gesetzgeber oder die Kommunen übertragen wird, im Falle der Verwaltungs­ aktsakzessorietät sogar auf einzelne Behörden. Dies ist in Fällen der Verwal­ tungsaktsakzessorietät insbesondere dann nicht unproblematisch, wenn die Strafbarkeit des Täters damit von einer Entscheidung einer Behörde abhängt, bei der ihr im Rahmen des § 40 VwVfG auch noch ein behördliches Ermes­ sen eingeräumt ist.119 Auf diese Erwägungen wird im Zusammenhang mit der im Anschluss noch genauer zu erörternden Blankett-Problematik eingegangen.120 Es kann jedoch bereits hier festgestellt werden, dass die Blankett-Problematik im Zusammenhang mit der Zivilrechtsakzessorietät im Urheberstrafrecht auch deshalb weniger bedenklich ist, weil im Verhältnis der urheberstrafrecht­ lichen zu den urheberzivilrechtlichen Vorschriften ein Kompetenzsprung eben nicht vorliegt und sich diese Problematik insoweit nicht stellt.

§ 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät im Spannungsfeld der Blankett-Gesetzgebung Rechtstechnisch bewirkt die Akzessorietät die Abhängigkeit des „Neben­ rechts“ (Urheberstrafrecht) von dem dazugehörigen „Hauptrecht“ (Urheber­ zivilrecht) über eine Art der Verweisung. Deshalb wird im Zusammenhang mit akzessorisch ausgestalteten Tatbeständen häufig die Thematik der Blankett-Gesetzgebung diskutiert.121 Diese sieht sich gerade im Strafrecht dem Vorwurf ausgesetzt, ihr läge eine unzureichende verfassungsrechtliche Legi­ 118  Vgl. Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf-Hilgendorf, § 41 Rn. 15; Lackner/Kühl, Vor § 324 Rn. 3; Winkelbauer, S. 32. 119  Vgl. zu alldem ausführlich die Darstellungen bei Baumgarten, S.  198 ff.; Kühl, FS Lackner 1987, S. 815 ff.; Winkelbauer, S. 31 ff.; zu erwähnen ist hier jedoch, dass insgesamt diejenigen Fälle problematisch sind, in denen die Strafbarkeit damit fak­ tisch auf einer autonomen behördlichen Entscheidung beruht (vgl. § 330d Abs. 1 Nr. 4c, Nr. 4d StGB), in denen es um den Erlass eines Verwaltungsaktes geht (§ 35 Abs. 1 S. 1 VwVfG) oder aber in denen ein öffentlich-rechtlicher Vertrag betroffen ist (§ 330d Abs. 1 Nr. 4e StGB, § 54 S. 1 VwVfG). 120  Vgl. hierzu sogleich Kapitel 2, § 3. 121  Vgl. etwa Binding, Die Normen und ihre Übertretung, S. 71 ff.; ders., Handbuch, S.  179 f.; Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91 ff.; dies., ZIS 2016, 173 ff.; Bülte, JuS 2015, 769 ff.; Dietmeier, S.  83 ff.; Enderle, S.  113 ff.; Ernst, passim; Lauer, S.  40 ff.; Neumann, S.  9 ff.; Otto, JURA 2005, 538 ff.; Raabe, S.  7 ff.; Tiedemann, Blankettstrafge­ setz, HWiStR, S. 1 ff.; ders., Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 239 ff.; ders., Wirtschaftsstrafrecht, § 5 Rn. 197 ff.; Warda, S.  5 ff.; Wissmann, S.  84 ff.



§ 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät in der Blankett-Gesetzgebung109

timation zugrunde, was insbesondere mit den Anforderungen des Gewalten­ teilungsgrundsatzes zusammenhängt.122 Darüber hinaus werden hier Fragen der Bestimmtheit und der Irrtümer diskutiert.

A. Bedeutung der Thematik Die Blankett-Gesetzgebung erfährt deshalb eine besondere Bedeutung, weil derartige Verweisungen in vielen Bereichen der Bundes- und Landes­ verwaltung und zunehmend auch in weiten Teilen des Nebenstrafrechts mitt­ lerweile üblich geworden sind.123 Diese stellen, ebenso wie der Gebrauch von unbestimmten Rechtsbegriffen, eine praktikable Form der Gesetzgebung dar und haben deshalb eine nicht zu unterschätzende Bedeutung.124 Insoweit warnt Tiedemann jedoch zu Recht vor einer zu weiten Ausdeh­ nung des Blankett-Begriffs und damit der gesamten Blankett-Problematik, da andernfalls „weiteste Teile des Nebenstrafrechts Blankettstrafgesetze“ sei­ en.125 Deren Existenz wäre aber erheblich gefährdet, würde man alle diese Fälle als verfassungsrechtlich bedenkliche Blankette im Sinne der Rechtspre­ chung des Bundesverfassungsgerichts einordnen.126 Dabei ist – Tiedemann folgend – gerade im hiesigen Zusammenhang vor einer Überbewertung der Blankett-Problematik zu warnen. Dass diese The­ matik in der Regel im Zusammenhang mit akzessorischen Tatbeständen dis­ kutiert wird, liegt daran, dass jede Frage der Akzessorietät letztlich auch eine Frage des Blanketts ist – oder anders formuliert: All diejenigen Aspekte, die üblicherweise unter einem Blankett diskutiert werden, ließen sich eben auch als spezielle Aspekte der Akzessorietät beschreiben, da in beiden Fällen auf Vorgaben aus anderen Rechtsmaterien verwiesen wird. Dies betrifft sowohl Fragen des Bestimmtheitsgrundsatzes als auch solche der Irrtumsproblema­ 122  Vgl.

hierzu unten Kapitel 2, § 3, D., II. etwa die erwähnten Vorschriften im Umweltstrafrecht (§§ 324 ff. StGB); vgl. ferner §§ 29 ff. BtMG (Verweis auf die Anlagen des Gesetzes); § 58 Abs. 3 Nr. 1 LFGB (Verweis auf § 62 Abs. 1 Nr. 1 LFGB); § 120 Abs. 2 Nr. 2 WpHG (Verweis auf § 5 Abs. 1 S. 2 WpHG); vgl. allgemein zur Etablierung dieser Gesetzgebungstechnik im Nebenstrafrecht Bülte, JuS 2015, 769 (769 f.); Lange, JZ 1956, 73 (75); vgl. zur unionsrechtlichen Bedeutung dieser Thematik Dietmeier, S. 70 ff.; Satzger/Schlucke­ bier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 65 f.; Sieber, ZStW 103 (1991), 957 (976 f.). 124  Vgl. Enderle, S. 81, die speziell im Zusammenhang mit dem Strafrecht auf die Notwendigkeit von Blanketten zur flexiblen Anpassung auf „neue Entwicklungen“ abstellt. 125  Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 5 Rn. 238; in diese Richtung gehend auch Kühl, FS Lackner 1987, S. 819, wonach „die Strafvorschriften des sogenannten Ne­ benstrafrechts […] in der Regel Blankettstrafgesetze [sind]“. 126  Vgl. Neumann, S. 9; Warda, S. 9. 123  Vgl.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

tik, die allesamt als klassische Themen der Blankett-Gesetzgebung gelten, an sich aber ureigene Aspekte der Zivilrechtsakzessorietät sind. Deshalb soll im Folgenden zunächst lediglich ein Überblick darüber gege­ ben werden, was unter einem Blankett verstanden wird und welche Probleme in diesem Zusammenhang diskutiert werden. Auf die dabei eigentlich rele­ vanten Fragen der Bestimmtheit und der Irrtumslehre wird sodann im Zu­ sammenhang mit den Grenzen der Urheberzivilrechtsakzessorietät eingegan­ gen.127 Eine Sonderrolle nimmt dabei der Aspekt der Gewaltenteilung ein, der sich im Zusammenhang mit der Urheberzivilrechtsakzessorietät eben nur bedingt stellt und tatsächlich als originäres Problem der Blankett-Gesetzge­ bung anzusehen ist.

B. Bestimmung des Blankett-Begriffs Bereits die Bestimmung dessen, was unter einem Blankett verstanden wird, ist dabei von einer Vielzahl an hierzu vertretenen Ansätzen geprägt, die sich jedoch teilweise nur in Nuancen voneinander unterscheiden. Dies trägt jedenfalls nicht dazu bei, die verfassungsrechtlich problematischen Blankette von insoweit unbedenklichen Verweisungsnormen zu abstrahieren. Eben weil das Bundesverfassungsgericht die Bewertung von Verweisungs­ normen als verfassungsrechtlich bedenklich oder unbedenklich aber davon abhängig macht, ob sie als Blankett einzuordnen sind,128 soll im Folgenden jedenfalls der definitorische Rahmen zum Blankett-Begriff abgesteckt wer­ den. Dabei werden diejenigen Kriterien herausgestellt, die eine zielorientierte Einordnung von Verweisungen als Blankette und damit die Einordnung der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts in diese Thematik ermögli­ chen können. I. Bindings Ansatz als Ausgangspunkt Der Blankett-Begriff wird überwiegend auf Binding zurückgeführt.129 Sein aus dem Jahre 1872 stammender Definitionsansatz charakterisiert ein Blan­ kett damit, dass ein „Verbot, dessen Uebertretung mit Strafe belegt wird, 127  Vgl.

hierzu Kapitel 3 und 4. hierzu sogleich Kapitel 2, § 3, D. 129  So etwa Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91; Bülte, JuS 2015, 769 (770 und dort in Fn. 12); Dietmeier, S. 1; Dorneck in: Aktuelle Rechtsprechung, S. 9; Enderle, S. 80; Lauer, S. 40; Neumann, S. 7; Raabe, S. 27; KK-OWiG-Rogall, Vorbem. Rn. 16; Tiedemann, Blankettstrafgesetz, HWiStR, S. 1; ders., Wirtschaftsstrafrecht, § 5 Rn. 197; die Technik der Blankett-Strafgesetzgebung als solche wird hingegen bereits auf das 18. Jahrhundert zurückgeführt; vgl. Enderle, S. 81. 128  Vgl.



§ 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät in der Blankett-Gesetzgebung111

ausgeht von der Landes- oder Ortspolizeibehörde oder einer sonstigen Be­ hörde oder von der Partikulargesetzgebung“.130 Dieses Verständnis war über Jahre hinweg maßgebend, bis Binding seinen Definitionsansatz 1885 dahingehend konkretisierte, dass „der Tatbestand […] die Definition der verbotenen Handlung nicht aus der Norm wiederholt“131 und die Straffolge „an die Uebertretung eines nur generisch bezeichneten Verbotes oder Gebotes“ anknüpfe.132 Binding ging davon aus, ein Blankett enthalte vorrangig die strafandro­ hende Rechtsfolge, während die Bestimmung des tatbestandlichen Unrechts (mit seinen Worten: die „Uebertretung“) durch andere Normen vorzunehmen sei. Der Straftatbestand im eigentlichen Sinn entstehe demnach erst aus einer Kombination mit denjenigen Normen, die die konkreten Voraussetzungen des Unrechts aufstellen.133 Das Blankett selbst wiederhole die einzelnen Voraus­ setzungen nicht, sondern umschreibe sie höchstens im Groben („generisch“) und verweise im Übrigen auf die anderen Normen. Hierbei hatte Binding vorrangig kaiserliche und polizeibehördliche Verordnungen vor Augen, die die eigentliche Strafvorschrift mit Inhalt füllen und eine Differenzierung zwischen Recht und Unrecht vornehmen sollten.134 Dieser Ansatz geht insgesamt von einem äußerst engen Begriffsverständ­ nis aus. Dies zeigt sich schon daran, dass als Norm, auf die das Blankett verweist, nur Ver- oder Gebote in Frage kämen. Durch dieses heute nur noch vereinzelt auszumachende Erfordernis135 wird der Anwendungsbereich der Blankett-Thematik jedoch sehr verengt und klammert insbesondere nur fest­ stellende Vorschriften außerhalb des Strafrechts aus, insbesondere feststel­ lende verwaltungsrechtliche Vorgaben. Besonders eng zeigt sich das Be­ griffsverständnis Bindings aber dadurch, dass dieses Ver- oder Gebot einer Norm entstammen müsse, die gerade nicht vom Strafgesetzgeber selbst, sondern von einer diesem untergeordneten „Behörde“ oder der „Partikularge­ setzgebung“ erlassen wurde. Hierin liegt bis heute der eigentliche Kern der verfassungsrechtlichen Blankett-Problematik.136 Ein Blankett wäre nach alle­ dem also immer nur dann gegeben, wenn der Inhalt des ver- oder gebotenen Verhaltens von einer Instanz oder Behörde erlassen wurde, die im Rangver­ 130  Binding,

Die Normen und ihre Übertretung, S. 74. Handbuch, S. 180. 132  Binding, Handbuch, S. 179. 133  Vgl. Binding, Handbuch, S. 180, wonach das Blankett „seinen Inhalt erst durch die Norm“ erhalte. 134  Binding, Die Normen und ihre Übertretung, S. 74; ders., Handbuch, S. 179 f. 135  In Ansätzen wohl Fischer, § 1 Rn. 10; vgl. ferner Warda, S. 5, der von der „Beschreibung der ge- oder verbotenen Handlung“ spricht. 136  Siehe hierzu noch sogleich Kapitel 2, § 3, D. 131  Binding,

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

hältnis unterhalb des Strafgesetzgebers liegt. Dies wird gerne auch als Erfor­ dernis eines Kompetenzsprungs bezeichnet.137 Insoweit ließe sich als klassi­ scher Fall des Blanketts nach Binding die Verwaltungsaktsakzessorietät nen­ nen, wie sie heute im Zusammenhang mit dem Umweltstrafrecht vorgesehen ist.138 Die Definition Bindings stammt aus einer Zeit, zu der sich Verweisungen als Teil einer modernen Gesetzgebungstechnik erst zunehmend etablieren mussten.139 Sein Ansatz stellte lediglich einen ersten Versuch dar, etwas Sys­ tematik und Ordnung in dieses gesetzgeberische „Neuland“ zu bringen. Nichtsdestotrotz lassen sich Bindings Ansatz auch Elemente entnehmen, die bis heute noch trotz aller Unterschiede den meisten Definitionsansätzen zu­ grunde liegen: Hierzu zählt zunächst, dass auf der einen Seite die eigentliche Strafvor­ schrift steht, die die Rechtsfolge normiert und die bezüglich der Tatbestands­ voraussetzungen auf eine andere Vorschrift verweist. Diese Strafvorschrift wird zum besseren Verständnis im Folgenden als „verweisende Norm“ be­ zeichnet.140 Auf der anderen Seite steht diejenige Vorschrift, die die Tatbe­ standsmerkmale mit Inhalt füllt. Diese wird als „ausfüllende Norm“ bezeich­ net.141 Jedenfalls diesbezüglich besteht weitestgehend Einigkeit.142 Darüber hinaus gehen die Meinungen über die konkrete Ausgestaltung des BlankettBegriffs aber auseinander und es zeigt sich die bereits angekündigte Unüber­ sichtlichkeit. Es lassen sich jedoch im weitesten Sinne zwei Lager ausma­ chen, die sich bei der Bestimmung des Blankett-Begriffs gegenüberstehen: zum einen Vertreter eines eher weiten Begriffsverständnisses, zum anderen solche eines eher engen Ansatzes.

137  So etwa von Enderle, S. 80, 84 f.; LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36; Raabe, S. 27; Wissmann, S. 85. 138  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 2, B., III. 139  Vgl. zum Aufkommen dieser Gesetzgebungstechnik Binding, Handbuch, S. 180, der davon spricht, dass „derartige Strafgesetze neuerdings Blankettstrafge­ setze genannt“ werden. 140  So etwa Bülte, JuS 2015, 769 (770); in der Terminologie etwas abweichend aber dem Sinngehalt nach vergleichbar von „ausfüllungs- bzw. ergänzungsbedürfti­ ger“ Norm sprechend Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 6 Rn. 67; Warda, S. 5. 141  So etwa Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 6 Rn. 67; Fischer, § 1 Rn. 10; LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36; Maurach/Zipf, AT I, § 8 Rn. 30; MüKo-StGB-Joecks, 3. Aufl., § 16 Rn. 76; NK-StGB-Puppe, § 16 Rn. 18; in der Terminologie etwas abwei­ chend Jescheck/Weigend, § 12 III 2; Schönke/Schröder-Hecker, Vor § 1, Rn. 3; Tiedemann, Blankettstrafgesetz, HWiStR, S. 1, die von „Ausfüllungsnorm“ sprechen. 142  Vgl. etwa Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 6 Rn. 67; Bode/Seiterle, ZIS 2016, 91; Dietmeier, S. 13; Enderle, S. 80; Hildebrandt, S.  265 f.; Lauer, S.  45 ff.; LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36; Schönke/Schröder-Hecker, Vor § 1 Rn. 3.



§ 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät in der Blankett-Gesetzgebung113

II. Weiter Begriffsansatz Einerseits lassen sich Vertreter zusammenfassen, die zwar im Einzelnen durchaus unterschiedliche Akzente in der Beschreibung des Blankett-Begrif­ fes setzen, die jedoch in der Tendenz von einem insgesamt weiten Begriffs­ verständnis ausgehen. Dabei wird auf diese unterschiedlichen Akzente im Folgenden nur insoweit eingegangen, wie dies der hier vorzunehmenden Systematisierung dienlich ist. Als Vertreter dieses Lagers lässt sich stellver­ tretend der Ansatz von Vogel hervorheben, der erkennbar den weitesten An­ satz formuliert.143 Demnach sei eine Blankett-Vorschrift davon geprägt, be­ züglich des tatbestandlichen Unrechts „ganz oder teilweise, statisch oder dynamisch, ausdrücklich oder konkludent“ auf den Inhalt einer anderen Norm zu verweisen.144 Mit diesem Ansatz wird vom Verständnis Bindings umfassend abgewichen. Dies zeigt sich zum einen an der verweisenden Norm, die die Verweisung nicht komplett vornehmen und sich auch ansonsten nicht darauf beschränken müsse, lediglich die Rechtsfolge aufzustellen.145 Sie wird durch diese Be­ schreibung insbesondere nicht gehindert, den tatbestandlichen Inhalt zu wie­ derholen, denn nach Vogel kann die Verweisung gerade auch nur „teilweise“ erfolgen. Zum anderen zeigt sich das abweichende Verständnis Vogels auch in Be­ zug auf die ausfüllende Norm. Während Binding eine Vorschrift nur dann als Blankett einordnet, wenn diese ein Ge- oder Verbot enthält,146 kann sich der Verweis nach Vogel auch auf untergesetzliche Normen und Rechtsakte bezie­ hen, die lediglich feststellender Natur sind.147 Vor allem aber verzichtet Vogel auf das Vorliegen eines Kompetenzsprungs zwischen verweisender und aus­ füllender Norm, der nach Binding zwingende und konstitutive Voraussetzung für die Einordnung einer Verweisung als Blankett ist. Ein strafrechtliches Blankett liege nach alledem also bereits dann vor, wenn allein die Minimalvoraussetzungen gegeben sind, die soeben als grund­ sätzlicher Konsens herausgestellt wurden: Eine für sich genommen unvoll­ ständige Strafvorschrift, die bezüglich ihres materiellen Inhalts in jedweder Form und in jedwedem Umfang auf eine andere Vorschrift verweist. Nach 143  Vgl. zu den hier zu einem „weiten Lager“ zusammengefassten Vertretern etwa KK-OWiG-Rengier, § 11 Rn. 24 ff.; KK-OWiG-Rogall, Vorbem. Rn. 16 f., § 4 Rn. 10 f.; LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36. 144  LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36. 145  So aber Binding, Handbuch, S. 180. 146  Vgl. Binding, Handbuch, S. 179. 147  LK-Vogel, 12.  Aufl., § 16 Rn. 36; diese Interpretation stützend auch Erbs/ Kohlhaas-Häberle, § 56 KWG Rn. 1; KK-OWiG-Rogall, Vorbem. Rn. 17.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

diesem weiten Ansatz würde es sich bei § 106 UrhG mithin um eine Blan­ kettvorschrift handeln. III. Enger Begriffsansatz Dem stehen Vertreter gegenüber, denen dieser Begriffsansatz wiederum zu weit geht. Auch hier unterscheiden sich die einzelnen dieser zu einem eher „engen Lager“ zusammengefassten Stimmen in ihrer inhaltlichen Schwer­ punktsetzung, ähneln sich jedoch darin, dass eine Blankett-Vorschrift eben keinen eigenen Tatbestand aufweisen dürfe, sondern ausschließlich die Straf­ drohung und die Verweisung enthalte.148 Die Verweisung erfolge demnach gerade nicht nur in Teilen, was insbesondere nach sich zieht, dass die ver­ weisende Norm im Übrigen auch keinen selbstständigen (Rest-)Tatbestand mehr aufweisen dürfe.149 Dieser Ansatz stellt also darauf ab, dass die Ver­ weisung komplett auf einen konkreten externen Tatbestand erfolgt, was vor allem mit der ansonsten schwierigen Abgrenzung von Blankett-Strafgesetzen zu normativen Tatbestandsmerkmalen begründet wird.150 Bereits deshalb würde § 106 UrhG nach dem engen Ansatz keine Blankett-Vorschrift darstel­ len. Darüber hinaus gestaltet sich eine Zusammenfassung dieser Stimmen zu einem einheitlichen Lager jedoch deshalb schwierig, weil die Ansätze insbe­ sondere in Bezug auf das Verständnis der ausfüllenden Norm auseinanderge­ hen. Vor allem wollen einige Vertreter dieses Lagers darauf verzichten, dass die ausfüllende Norm zwingend ein Ge- oder Verbot enthalten müsse und von einer im Vergleich zum Strafgesetzgeber untergeordneten Instanz, wie etwa einer Behörde, erlassen worden ist.151 Hingegen sieht etwa Warda, dem fast schon eine Nähe zu Binding zugeschrieben werden kann, den Verweis auf ein Ge- oder Verbot als konstituierend für die Einordnung als Blankett.152 In Bezug auf den Umfang der Verweisung hält jedoch gerade Warda es wie­ derum für ausreichend, dass die Verweisung auch nur teilweise erfolgen 148  So etwa Jescheck/Weigend, § 12 III 2; Maurach/Zipf, AT I, § 8 Rn. 30; MüllerGugenberger-Heitmann, § 3 Rn. 3; NK-StGB-Puppe, § 16 Rn. 18, 60; Puppe, GA 1990, 145 (161); Satzger/Schluckebier/Widmaier-Satzger, § 1 Rn. 61; Schönke/ Schröder-Hecker, Vor § 1 Rn. 3. 149  LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36. 150  Enderle, S. 83; Francuski, JuS 2014, 886 (887); Wittig, § 6 Rn. 17 f. 151  So etwa Maurach/Zipf, AT I, § 8 Rn. 30; Schönke/Schröder-Hecker, Vor § 1 Rn. 3. 152  Binding, Handbuch, S. 179; vgl. ferner Warda, S. 5 f., wobei dieser im nächsten Satz anmerkt, dass als ausfüllende Vorschriften „nur solche Rechtsquellen in Betracht [kommen], die die Verpflichtung zu einem bestimmten Tun oder Unterlassen aufstel­ len“.



§ 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät in der Blankett-Gesetzgebung115

könne, was wiederum mit dem Ansatz Bindings nicht vereinbar wäre; ferner könne auf Seiten des Blanketts auch ein gewisser Rest-Tatbestand verblei­ ben.153 Ein mit dieser Ansicht vergleichbarer Ansatz zeigt sich auch bei Neumann.154 IV. Bewertung und Einordnung der urheberstrafrechtlichen Vorschriften Es zeigt sich, dass eine solch verallgemeinerte Lagerbildung hier nur in Ansätzen und dies auch nur zur Einordnung der Urheberzivilrechtsakzessori­ etät in diese Thematik sinnvoll sein kann.155 Stellt man auf ein weites Begriffsverständnis ab, ließen sich die §§  106 ff. UrhG ohne weiteres als Blankett-Vorschriften einordnen, da sie sowohl „ausdrücklich“156 als auch „kon­ kludent“157 auf die zivilrechtlichen Vorgaben verweisen. Dabei stellt sich diese Verweisung „dynamisch“ und zumindest insoweit „teilweise“ dar, als die §§ 106 ff. UrhG zusätzlich zu den zivilrechtlichen Vorgaben strafrechtsei­ gene Erfordernisse aufstellen, wie etwa das Vorsatzerfordernis. Versteht man den Blankett-Begriff hingegen eher eng, wonach der verweisenden Norm selbst kein eigener Tatbestand mehr verbleiben dürfe, müssten die urheber­ strafrechtlichen Vorschriften aus dem Anwendungsbereich der Blankett-Ge­ setzgebung herausfallen, da sie die Tathandlungen und Taterfolge selbst zu­ mindest wiederholend normieren und nur bezüglich der konkreten Ausgestal­ tung auf die zivilrechtlichen Vorgaben verweisen, mithin also kein Blankett darstellen würden. Dies wäre lediglich dann anders, wenn die §§ 106 ff. UrhG anstelle der wiederholenden Normierung der Tatbestandsmerkmale oder zusätzlich zu den Begriffen „Werk“ oder „vervielfältigen“ etwa die je­ weiligen zivilrechtlichen Ausgangsvorschriften nennen würden.

153  Vgl. Warda, S. 5, wonach sich „die Beschreibung der ge- oder verbotenen Handlung […] nicht oder zumindest nicht vollständig in der Strafnorm selbst“ be­ fände; noch deutlicher wird dies bei Warda, JR 1950, 546 (551), wonach „die Tatbe­ standsumschreibungen und damit die Tatbestandsmerkmale […] – mindestens zum Teil – in einer ergänzenden Bestimmung“ auszumachen seien. 154  Vgl. Neumann, S. 21 f., wonach die ausfüllenden Normen ein Ge- oder Verbot enthalten, die Verweisungen hingegen aber nicht zwingend vollständig erfolgen müss­ ten. 155  Vgl. zu weiteren begrifflichen Ausdifferenzierungen und dem Ansatz des Bun­ desverfassungsgerichts sogleich Kapitel 2, § 3, C. und D. 156  Zumindest bezüglich der ausdrücklichen Gesetzesverweise in §§ 107 Abs. 1, 108 Abs. 1 und 108b Abs. 2 UrhG. 157  So würde zumindest Francuski, JuS 2014, 886, die übrigen Konstellationen bezeichnen, in denen die Akzessorietät zu den zivilrechtlichen Vorgaben lediglich durch die Verwendung derselben Begriffe erkennbar wird.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

Es soll hier aber dafür plädiert werden, einer pauschalen Einordnung von Verweisungen zu einem dieser Lager und damit der Begriffsbestimmung des Blanketts keine allzu große Bedeutung beizumessen. Dies erklärt sich wiede­ rum vor dem Hintergrund des eingangs Dargestellten, denn bezogen auf das Urheberstrafrecht resultieren sämtliche Probleme, die vermeintlich solche der Blankett-Problematik sind, tatsächlich daraus, dass die §§ 106 ff. UrhG zivil­ rechtsakzessorisch ausgestaltet sind. Diese sind dann aber nicht pauschal davon abhängig zu machen, ob eine Verweisung als Blankett einzuordnen ist, sondern stets vor dem Hintergrund der Besonderheiten der konkreten Akzes­ sorietät zu betrachten. Insoweit soll mit Tiedemann die Bestimmung des Blankett-Begriffs nicht überbewertet werden.158 Sofern das Bundesverfas­ sungsgericht eine Verweisung aber nur dann einer verfassungsrechtlichen Bewertung unterzieht, wenn diese ein Blankett darstellt, soll der denkbar weiteste Ansatz von Vogel zugrunde gelegt werden. Denn andernfalls liefe man gerade wegen der begrifflichen Wirren159 rund um den Blankett-Begriff Gefahr, eine möglicherweise problematische Verweisung nicht als solche zu erkennen und keiner verfassungsrechtlichen Kontrolle zu unterziehen. An­ sonsten ist aber vor einer pauschalen Anwendung der sogleich noch näher darzustellenden Rechtsprechung zur Blankett-Thematik zu warnen. Die ver­ fassungsrechtliche Bewertung einer Verweisungstechnik und der davon be­ troffenen Vorschriften hat vielmehr losgelöst vom Blankett-Begriff und stattdessen vor dem Hintergrund der Besonderheiten der jeweiligen konkre­ ten Verweisung – hier der Grenzen der Urheberzivilrechtsakzessorietät – zu erfolgen.160

C. Weitere begriffliche Ausdifferenzierungen Nichtsdestotrotz sollen lediglich der Vollständigkeit halber drei weitere häufig gebrauchte und insoweit als „üblich“ zu bezeichnende begriffliche Gegenüberstellungen erwähnt werden.161 Es findet sich zum einen die Differenzierung zwischen echten und unechten Blanketten.162 Während ein echtes Blankett davon geprägt sein soll, dass 158  So auch Tiedemann, Irrtum über Rechtsfragen, HWiStR, S. 5; ders., Wirt­ schaftsstrafrecht, § 5 Rn. 198. 159  Vgl. KK-OWiG-Rengier, § 11 Rn. 24, der bezüglich der begrifflichen Ausdiffe­ renzierungen von teils „willkürlichem Sprachgebrauch“ spricht. 160  Vgl. hierzu Kapitel 3 und 4. 161  Vgl. hierzu KK-OWiG-Rogall, § 4 Rn. 10, der den Versuch weiterer Ausdiffe­ renzierungen damit charakterisiert, „dass dem Blankettbegriff hier Gewalt angetan wird“. 162  Vgl. etwa Bülte, JuS 2015, 769 (770 ff.); Dorneck in: Aktuelle Rechtsprechung, S.  12 f., 24 ff.; Enderle, S. 81; LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36; Raabe, S.  29 f.; Wiss-



§ 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät in der Blankett-Gesetzgebung117

die ausfüllende Norm von einer anderen Instanz erlassen wurde als die ver­ weisende Norm, sei bei einem unechten Blankett sowohl die verweisende als auch die ausfüllende Norm vom selben Gesetzgeber erlassen worden.163 Die urheberstrafrechtlichen Vorschriften würden demnach ein unechtes Blankett darstellen, da sie, ebenso wie die urheberzivilrechtlichen Vorschriften, vom Bundesgesetzgeber und damit von derselben rechtssetzenden Instanz erlassen wurden. Von einem echten Blankett wäre hingegen etwa in den Fällen der Verwaltungsaktsakzessorietät im Umweltstrafrecht auszugehen, bei der die ausfüllende Norm von der Exekutive und damit von einer unterhalb des Ge­ setzgebers angesiedelten behördlichen Instanz erlassen wurde.164 Dieser Ge­ genüberstellung liegt damit inhaltlich dieselbe Differenzierung zugrunde, die bereits mit dem Erfordernis des Kompetenzsprungs beschrieben wurde.165 Darauf aufbauend wird gelegentlich zwischen Binnen- und Außenverweisungen differenziert.166 Während bei der Binnenverweisung verweisende und ausfüllende Norm im selben Gesetz verortet seien, zeichne sich die Außen­ verweisung dadurch aus, dass beide Normen jeweils unterschiedlichen Rechtsquellen entstammen.167 Bei einer Binnenverweisung wird meist ein unechtes Blankett vorliegen, bei einer Außenverweisung kann hingegen so­ wohl ein echtes (sofern beide Gesetze vom selben Gesetzgeber erlassen wurden), als auch ein unechtes Blankett (im Falle eines Kompetenzsprungs) gegeben sein. Dass diese Differenzierung nur einen begrenzten Mehrwert mit sich bringt, zeigt schon die große Überschneidung mit der Differenzierung zwischen echten und unechten Blanketten.168 mann, S. 89 ff.; synonym zu den Begriffen echt und unecht vom Blankett „im enge­ ren“ und „im weiteren Sinne“ sprechend Francuski, JuS 2014, 886 (887); Otto, JURA 2015, 538; Tiedemann, Blankettstrafgesetz, HWiStR, S. 1; ders., Wirtschaftsstrafrecht, § 5 Rn. 197 f.; Warda, S. 10; Wittig, § 6 Rn. 15 f. 163  So Bülte, JuS 2015, 769 (770 ff.); LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36; Warda, S. 10. 164  Vgl. hierzu bereits Kapitel 2, § 2, B., III. 165  Vgl. hierzu Enderle, S. 80, 84  f.; LK-Vogel, 12. Aufl., § 16 Rn. 36; Raabe, S. 27. 166  So etwa Dietmeier, S. 43; Enderle, S. 11; Otto, JURA 2015, 538; Tiedemann, Blankettstrafgesetz, HWiStR, S. 1; ders., Wirtschaftsstrafrecht, § 5 Rn. 197; Wissmann, S.  91 f. 167  Dietmeier, S. 43; Enderle, S. 11. 168  Verkompliziert wird dies zudem durch eine nicht einheitliche Interpretation des Begriffs der Binnen- und Außenverweisung und durch ein schon sprachlich schwer nachzuvollziehendes Verständnis von Dietmeier, S. 43; vgl. ferner Otto, JURA 2005, 538, wonach eine Binnenverweisung auch dann gegeben sein soll, wenn die ausfül­ lende Norm zwar nicht innerhalb desselben Gesetzes verortet ist, wohl aber vom selben Gesetzgeber erlassen wurde wie die verweisende Norm; vgl. hierzu auch Raabe, S. 29; Wissmann, S. 91; Wittig, § 6 Rn. 16.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

Anzuführen wäre hier noch die bereits an anderer Stelle thematisierte Un­ terscheidung zwischen ausdrücklichen und konkludenten Verweisungen.169 Diese Unterscheidung zeigt sich auch innerhalb des Urheberstrafrecht, etwa am Beispiel des § 108b UrhG. Dort wird zum einen mit der Verwendung derselben Begriffe wie im Urheberzivilrecht konkludent auf diese Vorschrif­ ten verwiesen (§ 108b Abs. 1 UrhG), zum anderen wird diese Verweisung aber auch ausdrücklich vorgenommen, indem der Tatbestand zu den einzel­ nen Merkmalen diejenigen Vorschriften normiert, die das Merkmal innerhalb des Zivilrechts definieren und näher beschreiben (§ 108b Abs. 2 UrhG).170 Die letzte Differenzierung wird über die Begriffe des Voll- und Teilblanketts vorgenommen.171 Während bei einem Vollblankett die Verweisung (entsprechend Binding) in vollem Umfang auf die ausfüllende Norm erfolge (zu denken wäre etwa an die strafrechtlichen Vorschriften des Markenrechts, vgl. § 143 MarkenG),172 verbleibe im Falle des Teilblanketts durchaus noch ein eigener Rest-Tatbestand auf Seiten der verweisenden Norm (so wie es eben bei den urheberstrafrechtlichen Vorschriften der Fall ist).173

D. Verfassungsrechtliche Bewertung Für die verfassungsrechtliche Einordnung eines Blanketts ist die Definition des Bundesverfassungsgerichts maßgebend. Dieses formuliert in ständiger Rechtsprechung: „Blankettstrafgesetze ersetzen die Beschreibung des Straf­ tatbestandes durch die Verweisung auf eine Ergänzung im gleichen Gesetz oder in anderen – auch künftigen – Gesetzen oder Rechtsverordnungen, die nicht notwendig von derselben rechtssetzenden Instanz erlassen werden müs­ sen.“174 Damit folgt das Bundesverfassungsgericht hier einem eher weiten Be­ griffsverständnis, wobei die Definition eine deutliche Nähe zum Ansatz von Vogel aufweist. Zum einen spricht das Bundesverfassungsgericht davon, die ausfüllende Norm enthalte lediglich eine „Ergänzung“ zur Beschreibung des Tatbestandes, sodass dem eigentlichen Blankett durchaus noch ein eigenstän­ diger Tatbestand verbleiben könne. Zum anderen soll es sowohl genügen, wenn die ausfüllende Norm im gleichen Gesetz, als auch wenn sie in einem 169  Vgl.

hierzu bereits Kapitel 2, § 1, B. speziell hierzu später Kapitel 4, § 5, A. 171  Lauer, S. 52; MüKo-StGB-Joecks, 3.  Aufl., § 16 Rn. 75; NK-StGB-Puppe, § 16 Rn. 19 ff., 61; Wissmann, S.  93 f. 172  Vgl. hierzu aber den Einwand von Enderle, S. 81, wonach sich solche „gänz­ lich unvollständige(n) Strafgesetze überhaupt nicht mehr finden“ ließen. 173  NK-StGB-Puppe, § 16 Rn. 18; Wissmann, S. 93. 174  BVerfGE 14, 245 (252); BVerfGE 143, 38 (56). 170  Vgl.



§ 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät in der Blankett-Gesetzgebung119

anderen Gesetz normiert ist und sogar von einer anderen Instanz erlassen wurde. Die Definition erfasst also sowohl die Konstellation, dass die Instanz gleichrangig mit der des Strafgesetzgebers ist als auch die Konstellation, in der ein Kompetenzsprung vorliegt.175 Für die verfassungsrechtliche Bewertung eines Blanketts176 sind also letzt­ lich zwei Aspekte von Bedeutung: die Vereinbarkeit mit den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (I.) sowie die Wahrung des Gewaltenteilungs­ grundsatzes (II.). Auf die strafrechtliche Irrtumslehre wird an späterer Stelle noch ausführlich eingegangen.177 I. Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes Zu den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes wird auf obige Aus­ führungen zurückgegriffen.178 Entscheidend ist, dass der tatbestandliche ­Inhalt trotz der Verweisung hinreichend erkennbar ist. Der tatbestandliche Inhalt wird bei den §§ 106 ff. UrhG erst dadurch hinreichend erkennbar, dass die Vorschriften eine Verweisung auf das Zivilrecht vornehmen. Somit ergibt sich der Inhalt hier nicht trotz, sondern gerade wegen der Verweisung. Dies zeigt erneut, dass die Aspekte der Blankett-Thematik nicht pauschal, sondern stets nur vor dem speziellen Hintergrund der jeweiligen Akzessorietät bewer­ tet werden können. Dabei erfordert die Auslegung der Tatbestände eine Zusammenschau von verweisender und ausfüllender Norm. Der Normanwender muss also zumin­ dest in dieser Zusammenschau das konkret ge- und verbotene Verhalten er­ kennen können. Damit muss zum einen grundsätzlich erkennbar sein, wor­ auf sich die Verweisung überhaupt bezieht.179 Zum anderen müssen aus der ausfüllenden Norm zumindest diejenigen Fälle hinreichend deutlich hervor­ gehen, die eine Strafbarkeit begründen können.180 Insoweit bedarf es einer doppelten Bestimmtheitsprüfung. In Bezug auf die ausfüllende Vorschrift ergeben sich dabei keine Besonderheiten. Für die verweisende Vorschrift ist zu beachten, dass sich die Erkennbarkeit zumindest auf die Verweisung be­ 175  Anders wäre es nicht zu erklären, warum die Definition Verweisungen auf Rechtsverordnungen einbezieht. 176  Vgl. ausführlich hierzu Ernst, passim. 177  Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3, § 3, B. 178  Vgl. hierzu bereits Kapitel 2, § 1, C., II. 179  Vgl. BVerfGE 45, 363 (372); BVerfGE 48, 48 (56 f.); BVerfGE 71, 108 (114); BVerfGE 75, 329 (341); BVerfGE 87, 209 (224); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 105, 135 (153); BVerfGE 125, 170 (195). 180  Vgl. BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 41, 314 (319); BVerfGE 47, 109 (120 f.); BVerfGE 75, 329 (342); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 105, 135 (154).

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

ziehen muss, dass also die akzessorische Ausgestaltung hinreichend erkenn­ bar ist.181 In diesem Zusammenhang ist auf die Differenzierungen zum Blankett-Begriff zurückzugreifen, denn diese beschreiben letztlich nichts anderes als unterschiedliche Intensitäten in der Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes. So sind die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG eher problematisch, wenn eine Verweisung entsprechend des engen Begriffsverständnisses vorliegt und beim Blankett ansonsten überhaupt kein eigener Rest-Tatbestand verbleibt. Gleiches gilt in Bezug auf eine Verweisung im Sinne des echten Blanketts, bei dem eine zum Strafgesetzgeber untergeordnete Instanz beteiligt ist. Und genauso wird eine vollständige Verweisung im Sinne eines Vollblanketts ­höhere Bedenken in Bezug auf die Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes begründen als ein Teilblankett. Diese Erwägungen sind jedenfalls im Rahmen der verfassungsrechtlichen Bewertung zu berücksichtigen. Dass diese nicht anhand eines starren Blankett-Begriffs vorzunehmen ist, zeigt sich übrigens auch daran, dass es eben häufig Überschneidungen zwischen den begriffli­ chen Unterkategorien gibt. Die verfassungsrechtliche Bewertung einer Ver­ weisung darf aber nicht endgültig von derartigen begrifflichen Zufällen ab­ hängen. In Bezug auf die Verweisungstechnik der Zivilrechtsakzessorietät des Ur­ heberstrafrechts ist festzustellen, dass dem Normanwender der Kern des strafrechtlich Relevanten, wie bereits dargestellt,182 gerade dadurch hinrei­ chend erkennbar gemacht wird, dass die Akzessorietät streng angewandt wird. Bei den §§ 106 ff. UrhG würde es sich entsprechend dem engen Ver­ ständnis erst gar nicht um Blankett-Vorschriften handeln, im Sinne des wei­ ten Verständnisses läge hingegen ohnehin ein in dieser Hinsicht per se weni­ ger bedenkliches unechtes Blankett vor. II. Wahrung des Gewaltenteilungsgrundsatzes Im Zusammenhang mit dem zweiten Aspekt der verfassungsrechtlichen Bewertung hat das Vorliegen eines Kompetenzsprungs eine entscheidende Bedeutung. Hierbei geht es um die Frage, ob mit der Verweisungstechnik gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz verstoßen wird. Dabei ergeben sich verfassungsrechtliche Bedenken insbesondere dann, wenn die verweisende Vorschrift von einer anderen Vorschrift ausgefüllt wird, die nicht von derselben gesetzgeberischen Instanz erlassen wurde. Dies kann sowohl im Verhältnis von Bundes- zu Landesgesetzgeber als auch im 181  BVerfGE 182  Vgl.

14, 245 (252); BVerfGE 75, 329 (342); BVerfGE 143, 38 (56). Kapitel 2, § 1, C., III.



§ 3 Urheberzivilrechtsakzessorietät in der Blankett-Gesetzgebung121

Verhältnis von Legislative zu Exekutive relevant werden (wie im Falle der Verwaltungsaktsakzessorietät des Umweltstrafrechts). Dabei ist zu berück­ sichtigen, dass der Gewaltenteilungsgrundsatz einerseits eine Trennung der Kompetenzen in Legislative, Exekutive und Judikative gewährleisten soll, andererseits aber auch dazu dient, eine Zuordnung der Gesetzgebungskompetenz vorzunehmen. Entscheidend ist dabei, dass die Zuteilung der Gesetzgebungskompetenz sowie die Trennung der Gewalten vor dem Hintergrund des Rechtsstaatsund des Demokratiegrundsatzes grundsätzlich verbindlich sind: Wie ausge­ führt, muss der zuständige Gesetzgeber die Entscheidungen über die wesent­ lichen Fragen des Tatbestandes zumindest in Bezug auf das konkret verbotene Verhalten grundsätzlich selbst treffen.183 Schreibt die Verfassung diese Be­ fugnis ausnahmsweise einer demokratisch schwächer legitimierten Gewalt (wie der Exekutive) zu (wie in den Fällen der Rechtsverordnungen, Art. 80 GG), erfährt dies seine Legitimation daraus, dass die Verfassung diese Zutei­ lung selbst vornimmt. Liegt ein solcher Ausnahmefall aber nicht vor, wird die Rechtsetzungsbefugnis allein dem Bundes- oder Landesgesetzgeber zuge­ schrieben und dieser muss diese Kompetenz sodann grundsätzlich auch selbst wahrnehmen.184 Wenn der Gesetzgeber die Kompetenz aber durch eine Ver­ weisung faktisch auf eine untergeordnete Instanz überträgt, ist dies vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes bedenklich. Dieses Problem stellt sich im Urheberstrafrecht aber gerade nicht. Der tatbestandliche Inhalt der §§ 106 ff. UrhG wird durch die Akzessorietät fak­ tisch vom Gesetzgeber des Urheberzivilrechts ausgefüllt, in beiden Fällen also vom Bundesgesetzgeber. Der klassische Kompetenzsprung, wie er einem problematischen Blankett zugrunde liegt, ist hier also nicht gegeben.

E. Zusammenfassung Die Blankett-Problematik stellt sich deshalb als sehr undurchsichtig dar, weil bereits die begriffliche Abgrenzung nicht eindeutig vorgenommen wer­ den kann. Zur Unübersichtlichkeit trägt auch bei, dass die meisten Probleme, die scheinbar spezielle Probleme der Blankett-Gesetzgebung im Urheber­ strafrecht darstellen, tatsächlich originäre Probleme der Urheberzivilrechts­ akzessorietät sind. Dies gilt zwar nicht für die Problematik der Gewaltentei­ lung, doch stellt sich eben diese Problematik in den Fällen der §§ 106 ff. UrhG mangels Kompetenzsprungs gerade nicht. Auf die Fragen der Be­ 183  Vgl. hierzu bereits Kapitel 2, § 1, C., II., 1.; vgl. ferner Cornelius, S.  306 ff., 325 ff.; Tiedemann, Wirtschaftsstrafrecht, § 5 Rn. 241. 184  Vgl. hierzu bereits Kapitel 2, § 1, C., II., 1.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

stimmtheit und der strafrechtlichen Irrtumsproblematik kann deshalb nur vor dem Hintergrund der Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät eingegangen wer­ den.

§ 4 Strafrecht zwischen allgemeiner Akzessorietät und Relativität der Rechtsbegriffe Dass sich die Abhängigkeit des Urheberstrafrechts vom Urheberzivilrecht überwiegend darin zeigt, dass die §§ 106 ff. UrhG dieselben Begriffe verwen­ den wie die urheberzivilrechtlichen Vorschriften, wurde bereits dargelegt.185 Ebenfalls wurde bereits dargelegt, dass dem eine besondere Gesetzgebungs­ technik zugrunde liegt und die Verwendung identischer Begriffe innerhalb unterschiedlicher Rechtsgebiete keineswegs ein Spezifikum des Urheber­ strafrechts ist.186 Dies zeigt sich stattdessen über die gesamte Rechtsordnung verteilt, etwa im Zivilrecht, das auf Begriffe des Öffentlichen Rechts zurück­ greift und umgekehrt, aber auch im Strafrecht, das sich Begriffen des Öffent­ lichen Rechts und eben auch des Zivilrechts bedient.187 Wird ein Begriff innerhalb der Rechtsordnung in unterschiedlichen Zu­ sammenhängen verwendet, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung. Dies gilt umso mehr, wenn der­ selbe Begriff in unterschiedlichen Rechtsgebieten gebraucht wird, also etwa sowohl im Strafrecht als auch im Zivilrecht. Dabei geht es konkret darum, ob dieser Begriff zwingend einheitlich zu interpretieren ist, oder ob und inwie­ weit die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebietes Berücksichtigung finden können. Diskutiert wird dies im Zusammenhang mit den Fragen nach der Einheit der Rechtsordnung und der Relativität der Rechtsbegriffe. Dabei bezieht sich diese Diskussion im Grundsatz auf die gesamte Rechts­ ordnung und dabei auf sämtliche Fälle, in denen ein Begriff wortlautidentisch verwendet wird. Besondere Relevanz erfährt sie jedoch bei Beteiligung strafrechtlicher Vorschriften. Dies hängt in erster Linie mit der Frage zusammen, ob das Strafrecht als eine gegenüber der übrigen Rechtsordnung „gleichran­ gige“ Rechtsmaterie anzusehen ist. Diese Frage wurzelt im Kern in der Dis­ kussion um eine allgemeine Akzessorietät des Strafrechts. Dabei spielen Überlegungen eine Rolle, die teilweise auf rechtsphilosophischen und sehr rechtstheoretischen Argumentationen beruhen. Deshalb erfordert die Darstel­ 185  Vgl.

Kapitel 1, § 1, D. und E., vgl. auch Kapitel 2, § 1, B. Kapitel 2, § 2. 187  Vgl. etwa zum Verhältnis des Strafrechts zum Steuerrecht Wank, S. 114 ff.; zum Verhältnis des Strafrechts zum Umweltrecht Baumgarten, S.  198 ff.; Kühl, FS Lack­ ner 1987, S. 815 ff.; Winkelbauer, S.  31 ff. 186  Vgl.



§ 4 Strafrecht zwischen allg. Akzessorietät und Relativität der Rechtsbegriffe123

lung an dieser Stelle auch Herleitungen, die auf den ersten Blick nicht durch­ weg einen unmittelbaren Bezug zur Zivilrechtsakzessorietät des Urheber­ strafrechts aufzuweisen scheinen. Sie bilden jedoch die Grundlage dafür, um die der Akzessorietät zugrundeliegende identische Begriffsverwendung ein­ ordnen zu können.

A. Allgemeine Akzessorietät des Strafrechts Ausgangspunkt dieser Überlegungen stellt erneut ein Ansatz dar, dessen Ursprung auf Binding zurückzuführen ist.188 Dieser geht von einer grund­ sätzlichen Abhängigkeit des Strafrechts aus, die man auch als allgemeine Akzessorietät bezeichnen kann.189 Dieser allgemeine Charakter ergibt sich daraus, dass Binding das Strafrecht in einer Abhängigkeit zur kompletten übrigen Rechtsordnung sieht. Diese Abhängigkeit zeigt sich also nicht ledig­ lich in einzelnen strafrechtlichen Teilbereichen, wenn diese, wie das Urhe­ berstrafrecht, aufgrund besonderer Erwägungen akzessorisch ausgestaltet ist. Nach Binding liegt vielmehr dem gesamten Strafrecht eine Akzessorietät zugrunde. Dieses Verständnis erklärt sich nur aus der von Binding selbst ge­ prägten Normenlehre, auf die die folgenden Ausführungen zurückgreifen.190 Binding geht im Grundsatz von einer Trennung zwischen dem Strafrecht auf der einen und der eigentlichen Rechtsordnung auf der anderen Seite aus.191 Nach seinem Verständnis stellt diese Rechtsordnung selbst die Ge­ samtheit aller Ge- und Verbote auf und erschafft damit das Recht im eigent­ lichen Sinn.192 Das Strafrecht findet diese Rechtsordnung hingegen nur vor und stellt selbst keinerlei materielles Unrecht auf.193 Es greift lediglich auf das zurück, was die Rechtsordnung als Unrecht bewertet.194 Hierin ist letzt­ lich auch der entscheidende Ansatz zu sehen, warum das Strafrecht allgemein 188  So etwa Felix, S. 215; Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 194; Kühl, FS Lackner 1987, S. 825; Lobe, FG v. Frank 1930, S. 35 Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 45. 189  Nach Binding, Handbuch, S. 9, ist das Strafrecht lediglich „ein ganz großer accessorischer Rechtsteil“. 190  Vgl. hierzu allgemein Binding, Handbuch, passim. 191  Vgl. Binding, Handbuch, S. 9 ff., S. 155 f. 192  Vgl. Binding, Handbuch, S. 9 f., 156; wobei dieser auf „Rechtspflichten des Kaisers und der deutschen Landesherrn“ abstellt; vgl. Binding, Handbuch, S. 162. 193  Vgl. auch Appel, S. 433, der die Unterscheidung zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“ der Bestrafung aufwirft und dem Strafrecht eben ausschließlich die Entschei­ dung über das „Wie“ der Bestrafung zuschreibt. 194  Binding, Handbuch, S. 155; vgl. in jüngerer Zeit Winkelbauer, NStZ 1986, 149, wonach das Strafrecht selbst „nicht wertbildend“ sei; in diese Richtung gehend auch Lange, FS v. Weber 1963, S. 166.

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akzessorisch sein soll, da es vom Inhalt der übrigen Rechtsordnung eben abhänge. Insoweit ist die Akzessorietät Bindings Normenverständnis’ ent­ sprechend durchaus konsequent, da das Strafrecht demnach keinen eigenen materiellen Gehalt aufweist.195 Binding bewertet die Strafvorschriften als aus sich selbst heraus kaum verständlich, da sie ihren Inhalt erst aus einer Zu­ sammenschau mit der eigentlichen Rechtsordnung erhalten.196 Autonom stelle die Strafvorschrift demnach lediglich die sanktionierende Rechtsfolge auf.197 Die eigentliche Rechtsordnung bezeichnet Binding als die „Normen“, wo­ bei das Strafrecht eben nicht Teil dieser „Normen“ sein soll.198 Das Strafrecht stehe gewissermaßen losgelöst, aber eben nicht gleichrangig neben dieser Rechtsordnung.199 Dem Strafrecht wird dadurch jedoch in zweierlei Hinsicht die Autonomie genommen: Zum einen dadurch, dass ihm stets dieselben Begriffe zugrunde liegen müssen wie der übrigen Rechtsordnung, zum ande­ ren dadurch, dass dieser identischen Begriffsverwendung auch ein inhalt­ licher Gleichlauf folgen soll. Die strafrechtliche Auslegung hat sich dabei an der Begriffsinterpretation der eigentlichen Rechtsordnung zu orientieren. Eine strafrechtsautonome Begriffsauslegung ist demnach gänzlich undenk­ bar, was die fehlende Eigenständigkeit des Strafrechts verdeutlicht und cha­ rakteristisch für das heutige Verständnis akzessorischer Tatbestände ist.200 Darauf baut auch die Unterscheidung zwischen Primär- und Sekundär­ normen auf, die sich in der Folge etablierte.201 Die Primärnormen sollen sämt­ liche außerstrafrechtlichen Vorschriften enthalten, die die ideale Ord­ nung des Gemeinschaftslebens normieren und die Tathandlungen und Tat­ erfolge benennen.202 Die Sekundärnormen geben diese Strafbewährung hin­ 195  Vgl. Binding, Handbuch, S. 10, wonach das Strafrecht „nicht isoliert betrach­ tet“ werden dürfe; vgl. so auch Satzger, S. 223; in eine ähnliche Richtung gehend auch Günther, S. 154, wonach das Strafrecht nicht „gestaltet“. 196  Vgl. Binding, Handbuch, S. 9, wonach das Strafrecht „als Teil des Schutzrechts […] ohne Zuziehung der Normen unverständlich“ sei. 197  Vgl. Binding, Handbuch, S. 155, wonach das Strafgesetz in Bezug auf die rechtswidrige Tat nur „ihre Folge, nicht ihren Inhalt zu bestimmen [bezweckt]“; vgl. auch Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 45, wonach sich die Unabhängigkeit des Strafrechts zumindest in der autonomen Setzung der Rechtsfolge zeige. 198  Vgl. Binding, Handbuch, S. 162, wonach Normen „nie Teile der Strafgesetze und nie Sätze des Strafrechts“ seien könnten. 199  Binding, Handbuch, S. 9 f., 155. 200  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 1, C., IV., 3. 201  Bierling, S. 133 ff.; vgl. ferner Beling, S.  165 f.; Günther, S. 155. 202  Vgl. hierzu auch Satzger, S. 224, der darauf abstellt, die Primärnormen seien Verhaltensnormen, die die Klassifizierung in Recht und Unrecht vornähmen.



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gegen lediglich wieder.203 Dieses Verständnis unterscheidet sich von Binding freilich insoweit, als es die Strafvorschriften immerhin als Normen anerkennt. Hieraus entwickelte sich letztlich auch die heutige Differenzierung zwischen dem Tatbestand im engeren Sinne und der Rechtsfolge. Der Kerngehalt aus Bindings Normenlehre lässt sich im hiesigen Zusam­ menhang also in zwei grundlegenden Eigenschaften des Strafrechts zusam­ menfassen. Auf der einen Seite ist das Strafrecht losgelöst von der eigent­ lichen Rechtsordnung. Es ist aber gerade diese Loslösung, die das Strafrecht isoliert nicht bestehen lässt, da ihm hierfür der materielle Inhalt fehlt. Gerade dies macht es von der übrigen Rechtsordnung abhängig. Selbst wenn das Normenverständnis Bindings für die damalige Zeit prä­ gend gewesen ist,204 darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich bereits damals durchaus Widerstand gegen seine Vorstellungen formierte.205 Nichts­ destotrotz sind seine Ansätze auch heute noch immer wieder relevant, insbe­ sondere wenn es um die Frage nach einem gestalterischen Charakter des Strafrechts geht.206 Ein solcher eigenständiger, gestalterischer Charakter wird dem Strafrecht immer wieder abgesprochen, was insbesondere im Zusam­ menhang mit der Frage nach einer Einheit der Rechtsordnung relevant wird.207

B. Einheit der Rechtsordnung Die Diskussion um eine Einheit der Rechtsordnung stellt eines der kom­ plexesten strafrechtstheoretischen und strafrechtsphilosophischen Themen im Zusammenhang mit der Frage nach dem Wesen des Strafrechts dar. Die Darstellungen beschränken sich im Folgenden jedoch vorwiegend auf dieje­ nigen Aspekte, die sich speziell in einen Zusammenhang mit der allgemeinen Akzessorietät des Strafrechts bringen lassen und die insoweit von Bedeutung für die Einordnung der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts sind.

203  Beling,

S.  165 f.; Günther, S. 155. Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 194, wonach dieses Verständnis zur dama­ ligen Zeit herrschend gewesen sei; anders hingegen Kühl, FS Lackner 1987, S. 825, der feststellt, dass sich der Ansatz Bindings letztlich nie durchgesetzt habe. 205  Vgl. etwa Bruns, S.  51 ff. 206  Vgl. Felix, S. 215, wonach dem Strafrecht auch heute „im weitesten Sinne“ eine Abhängigkeit von anderen Rechtsgebieten zugrunde liege; in diese Richtung gehend auch Günther, S. 154 ff.; vgl. ferner Winkelbauer, NStZ 1986, 149, wonach heute „mehr oder weniger […] das gesamte deutsche Strafrecht akzessorisch ausge­ staltet [ist]“. 207  So etwa Günther, S. 154; im Ansatz auch Felix, S. 216; Kaufmann, S.  3 ff. 204  Vgl.

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Dabei lässt sich die Diskussion hier auf die Frage zuspitzen, was konkret unter dem Erfordernis der Einheit innerhalb der Rechtsordnung zu verstehen ist. Aufgeworfen wird damit die Frage, ob eine Einheit hier lediglich in ei­ nem funktionalen oder auch in einem begrifflichen Sinn zu verstehen ist. Anders ausgedrückt geht es darum, ob die Einheit der Rechtsordnung ver­ langt, dass ein in unterschiedlichen Zusammenhängen wortlautidentisch ver­ wendeter Begriff immer identisch auszulegen ist und damit etwa im Straf­ recht genauso interpretiert werden muss wie im Zivilrecht, oder aber ob sich die beiden Rechtsordnungen lediglich vom Ergebnis her nicht widersprechen dürfen. Würde man das Erfordernis der Einheit der Rechtsordnung in einem begrifflichen Sinn verstehen, müsste einer wortlautidentischen Begriffsver­ wendung stets auch eine inhaltsidentische Begriffsverwendung folgen. Damit wäre das Erfordernis einer Einheit innerhalb der Rechtsordnung eng ver­ wandt mit dem Ansatz von Binding und der allgemeinen Akzessorietät des Strafrechts. Jedenfalls dreht sich die Diskussion entscheidend um die Frage, was unter dem Erfordernis der Einheit zu verstehen ist. Da sich insoweit die Argumen­ tationsmuster gleichen, soll dies im Folgenden eben auch in einen Zusam­ menhang mit der allgemeinen Akzessorietät des Strafrechts gebracht werden. I. Begriffliche Einheit der Rechtsordnung Entsprechend des Ansatzes Bindings stellt die begriffliche Einheit der Rechtsordnung eine logische Folge der allgemeinen strafrechtlichen Akzes­ sorietät dar. Wie dargelegt, verlangt auch die allgemeine Akzessorietät nach Binding, dass ein strafrechtlicher Begriff inhaltlich zwingend genauso inter­ pretiert werden muss wie in demjenigen Rechtsgebiet, aus dem er stammt. Insoweit müsste die Einheit der Rechtsordnung zwingend im Sinne einer begrifflichen Einheit verstanden werden, die dann eine Ausprägung der allge­ meinen Akzessorietät darstellen würde. Dieser Ansatz würde das Strafrecht aber vor erhebliche Probleme gerade in denjenigen Fällen stellen, in denen ein Straftatbestand einen Begriff ver­ wendet, der ihm an sich fremd ist. Dies betrifft gerade Begriffe aus sehr technische Rechtsmaterien wie dem Patent- oder Urheberrecht. Das Erforder­ nis der begrifflichen Einheit würde verlangen, dass das Strafrecht diesen Begriff in einer Weise auslegt, die sich strikt an den Vorgaben desjenigen Rechtsgebietes orientiert, aus dem dieser Begriff ursprünglich stammt und insoweit „entliehen“ ist. Nur dann ließe sich eine begriffliche Einheit aber tatsächlich im Sinne eines inhaltlichen Gleichlaufes innerhalb der Rechtsord­ nung verstehen. Damit ginge aber die Aufgabe sämtlicher strafrechtlicher Autonomie einher, womit sich erneut eine Nähe zum Ansatz der allgemeinen Akzessorietät ergeben würde.



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Dass ein Begriff, der dem Strafrecht selbst nicht entstammt, entsprechend der Vorgaben seines originären Rechtsgebietes ausgelegt wird, erscheint auf den ersten Blick sogar konsequent, da dieser Begriff dem Strafrecht eben wesensfremd ist.208 Es ist aber gerade diese Wesensfremdheit, die letztlich gegen das Verständnis einer begrifflichen Einheit spricht. Gerade das Ur­ heberstrafrecht hat es durch das Zivilrecht mit einem Rechtsgebiet zu tun, dessen Charakter und Funktionen sich von denen des Strafrechts unterschei­ den.209 Aber gerade weil es das Strafrecht hier mit dem Charakter eines ihm aufgedrängten Rechtsgebiets zu tun hat, muss die Möglichkeit einer straf­ rechtsautonomen Auslegung grundsätzlich bestehen. Dass eine solche strafrechtsautonome Auslegung nicht die Regel ist, hängt dann aber wiederum damit zusammen, dass ein im Straf- und Zivilrecht wortlautidentisch verwendeter Begriff häufig akzessorisch ausgestaltet ist und sich seine Auslegung gerade deshalb an den Vorgaben des anderen Rechtsgebietes zu orientieren hat. Dann resultiert diese fehlende Autonomie des Strafrechts aber eben aus dieser speziellen Akzessorietät und nicht aus dem Wesen des Strafrechts an sich. Wenn ein solcher Begriff dann straf­ rechtsautonom ausgelegt wird, verletzt das die Akzessorietät, nicht aber die Einheit der Rechtsordnung. Dies gab letztlich auch Bruns Anlass für seine umfassende Kritik an der allgemeinen Akzessorietät und dem Normenverständnis Bindings, die inso­ weit maßgebend für das Verständnis des Erfordernisses einer Einheit der Rechtsordnung wurde.210 Bruns begründet seine Kritik jedoch interessanter­ weise aus der genau entgegengesetzten Perspektive. Er stellt nicht auf das Wesen des Strafrechts, sondern auf das des Zivilrechts ab und argumentiert, das Zivilrecht selbst sei nur zu einem sehr begrenzten Teil „dazu bestimmt“, die strafrechtlichen Begriffe festzulegen: Danach ließe sich eine begriffliche Einheit gerade deshalb schwer begründen, weil es die übrige Rechtsordnung selbst sei, die zu Teilen gar nicht zur inhaltlichen Festlegung des Strafrechts im Stande wäre.211 Genau damit lässt sich aber begründen, dass das Straf­ recht grundsätzlich einen autonomen Charakter haben muss.

Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 45. hierzu Kapitel 1, § 2, B. 210  Vgl. hierzu instruktiv Bruns, S.  51 ff. 211  Vgl. Bruns, S. 52, der treffend formuliert, dass „die „Gemeinsamkeit der Rechtsbegriffe […] die beliebteste und scheinbar schlüssigste Folgerung aus der ak­ zessorischen Natur des Strafrechts“ sei. 208  Vgl. 209  Vgl.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

II. Funktionale Einheit der Rechtsordnung Schon deshalb und aufgrund der damit einhergehenden, mittlerweile „emanzipierten“ Rolle des Strafrechts,212 lässt sich der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung nur in einem funktionalen Sinn verstehen. Funktional deshalb, weil die Einheit hier eben im Sinne einer Einheit der Funktionen zu betrachten ist. Damit sind die Funktionen derjenigen Rechtsgebiete gemeint, in denen derselbe Begriff verwendet wird und die dadurch miteinander in Verbindung gebracht werden. Diesem funktionalen Verständnis stünde es grundsätzlich auch nicht entgegen, wenn das Strafrecht einen in unterschied­ lichen Zusammenhängen verwendeten Begriff autonom auslegt. Denn die Einheit wäre demnach trotzdem gewahrt, sofern sich das Ergebnis der Ausle­ gung in einen in sich stimmigen Zusammenhang entsprechend der Funktio­ nen und Schutzzwecke213 der jeweiligen Vorschriften bringen lässt.214 Dahinter steht die Überlegung, dass die inhaltliche Auslegung eines Be­ griffs stets vor dem Hintergrund der entsprechenden Funktionen seiner Vor­ schrift zu erfolgen hat. Dabei lassen sich die Funktionen einer Vorschrift in erster Linie darüber bestimmen, welchen Rechtsgütern das jeweilige Rechts­ gebiet zu dienen bestimmt ist. Insoweit ist eine Einheit im Sinne der Funk­ tionen immer zugleich auch über eine Einheit der geschützten Rechtsgüter zu beschreiben.215 Dies wird in erster Linie über eine „teleologische Auslegung“ erreicht. Aus dieser Perspektive wäre die Einheit der Rechtsordnung selbst bei ei­ ner strafrechtsautonomen Auslegung gewahrt, wenn der strafrechtliche Rechtsgüterschutz mit den Rechtsgütern der übrigen Rechtsordnung – Binding würde sagen: der „Normen“ – im Einklang steht.216 Selbst wenn ein 212  Den Begriff der „Emanzipation“ prägend Bruns, S.  51 ff.; ders., JR 1984, 133 (139); diesen Begriff aufgreifend Felix, S. 214; Lenckner, ZStW 106 (1994), 502 (513). 213  So Lenckner, ZStW 106 (1994), 502 (511); vgl. auch Heinze, S. 10, der von „innerliche[r] Einheit“ spricht. 214  Vgl. ferner Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 197, der davon spricht, es sei „vor­ rangig auf die Absicht des jeweiligen Gesetzes abzustellen“; vgl. auch Dreher, GA 1969, 56 (59 ff.), der auf eine Berücksichtigung der jeweiligen „Tattypen“ abstellt; vgl. ferner Wank, S. 115, der in diesem Zusammenhang von „unterschiedlichen Regelungsprogramm[en]“ spricht. 215  Vgl. Felix, S. 217; ferner Schwinge, S. 22, wonach sich der Inhalt einer Straf­ vorschrift nur dadurch ermitteln lasse, dass „deren einzelne Tatbestandsmerkmale zu ihrem Rechtsgut oder Schutzobjekt in Beziehung“ gesetzt werden. 216  Der Vergleich mit Binding geht letztlich aber deshalb nicht auf, weil nach Binding bereits keine autonome Auslegung der Strafvorschrift möglich wäre; auch der strafrechtliche Rechtsgüterschutz würde dem Ansatz Bindings entsprechend von der übrigen Rechtsordnung vorgegebenen sein, die strafrechtlichen Rechtsgüter lägen



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wortlautidentisches Merkmal im Strafrecht inhaltlich anders ausgelegt würde als im Zivilrecht, müsste damit noch nicht zwingend eine Verletzung der Einheit der Rechtsordnung einhergehen. Zumindest dann nicht, wenn die strafrechtsautonome Auslegung ihren Grund in den Spezifika der jeweiligen strafrechtlichen Funktionen findet. Lenckner stellt diesbezüglich fest, die Einheit der Rechtsordnung sei trotz strafrechtlich abweichender Auslegung eines Merkmals dann nicht verletzt, wenn „es sich dabei nur um einen terminologischen und nicht um einen sachlichen Widerspruch innerhalb einer nur einheitlich zu gestaltenden Rege­ lungsmaterie handelt“.217 Ob die Regelungsmaterie „nur einheitlich zu ge­ stalten“ ist, ist letztlich genau die Frage, die im Zusammenhang mit der funktionalen Einheit der Rechtsordnung zu beantworten ist. Damit wird die Funktionalität aber stets ausgehend von dem Ergebnis der Auslegung be­ trachtet, denn die Einheit ist nach alledem erst das am Ende zu erreichende Ziel. Dies ist eben dann erreicht, wenn sich ein Sachverhalt im Ergebnis einheitlich im Sinne der Rechtsordnung bewerten lässt. Dabei verlangt einheitlich in diesem Sinne eben nicht ein identisches Er­ gebnis nach einer strafrechtlichen und zivilrechtlichen Bewertung desselben Sachverhalts. Dass das Strafrecht einen Sachverhalt im Ergebnis anders be­ werten können muss als die übrige Rechtsordnung, kann ernsthaft kaum be­ stritten werden.218 Bezogen auf das Urheberstrafrecht ließe sich andernfalls schon die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit nicht erklären. Vervielfältigt jemand etwa fahrlässig ein urheberrechtlich geschütztes Werk, bleibt er straf­ los, auch wenn er zivilrechtlich damit eine Urheberrechtsverletzung begeht.219 Strukturell ähnlich, aber noch eindeutiger zeigt sich dies allgemein an der Existenz der Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe. Sofern der Täter einen Straftatbestand verwirklicht, sich aber auf einen Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund berufen kann, bleibt er straflos, wohingegen die zivil­ rechtliche Haftung von möglicherweise anders ausgestalteten zivilrechtlichen Rechtfertigungsgründen abhängt. Jedenfalls könnte der Täter theoretisch straffrei bleiben, selbst wenn er zivilrechtlich haftbar wäre. Mit dem Auseinanderfallen des strafrechtlichen und zivilrechtlichen Er­ gebnisses wird aber keineswegs die Einheit der Rechtsordnung verletzt, da die inhaltlichen Abweichungen in der strafrechtlichen und zivilrechtlichen demnach also ohnehin „auf allen Rechtsgebieten zerstreut“; vgl. Binding, Handbuch, S.  9 f. 217  Vgl. hierzu Lenckner, ZStW 106 (1994), 502 (513). 218  In diese Richtung gehend auch Lagodny, S.  83 f.; Satzger, S. 226; prägnant spricht Bruns, S. 107, in diesem Zusammenhang von den „Grundgedanken“ des Strafrechts. 219  Vgl. hierzu später Kapitel 3, § 3, A.

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Bewertung nicht an den Begriffen selbst festzumachen sind. Aber auch darü­ ber hinaus lässt sich die strafrechtliche Autonomie hier auf Gründe stützen, die aus den jeweiligen Funktionen dieses Rechtsgebietes resultieren. So fin­ det etwa die fehlende Strafbarkeit fahrlässiger Urheberrechtsverletzung ihre Berechtigung insbesondere in der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts, gleiches gilt für das Eingreifen der Rechtfertigungs- und Entschuldigungs­ gründe.220 Das Zivilrecht soll einen umfassenden Interessenausgleich ge­ währleisten, das Strafrecht hingegen gerade nicht jede Rechtsverletzung erfassen. Wird derselbe Sachverhalt damit – vermeintlich – uneinheitlich ­ beurteilt, kann dies aus der Perspektive der betroffenen Funktionen aber durchaus ein kongruentes Ergebnis darstellen. Genau das ist aber letztlich damit gemeint, wenn eine Einheit innerhalb der Rechtsordnung gefordert wird. Dies stellt auch Kirchhof fest, wonach erst die „unterschiedliche Beurtei­ lung eines Sachverhalts das Gesamturteil der Rechtsordnung“ bestimme.221 In Bezug auf den Begriff der Rechtswidrigkeit führt er aus, dass erst „der Vergleich zwischen Recht und Wirklichkeit“ am Ende ein als Einheit zu ver­ stehendes Ergebnis bewirke.222 Gemeint ist damit lediglich, dass der Blick auf die Einheit der Rechtsordnung weiter vorzunehmen ist: Die Einheit kann über eine inhaltsgleiche Begriffsverwendung erreicht werden. Sie ist aber keineswegs auf diesen Weg beschränkt, ihr muss also nicht zwingend über eine identische Begriffsauslegung entsprochen werden. Auch Kirchhof ver­ steht die Einheit in einer „Gesamtbewertung“ begründet, die auch erst am Ende nach einer autonomen Auslegung erzielt werden kann.223 Sodann muss es aber möglich sein, dass das Strafrecht eine Beurteilung losgelöst von der übrigen Rechtsordnung vornehmen kann, sofern dies am Ende eben zu einem kongruenten Ergebnis entsprechend der jeweiligen Funktionen und Rechts­ güter führt. Damit lässt sich aber zugleich auch die Grenze der strafrechtsau­ tonomen Auslegung beschreiben, denn das im Wege der Auslegung erzielte Ergebnis darf letztlich keine materiellen Wertungswidersprüche224 innerhalb der Rechtsordnung begründen.225

220  Vgl. insbesondere zur Einordnung der nachträglichen Genehmigung später Ka­ pitel 3, § 2. 221  Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 10. 222  Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 8. 223  Kirchhof, Rechtswidrigkeiten, S. 11. 224  Vgl. auch Wank, S. 115 m. w. N., wonach die strafrechtsautonome Auslegung „nicht willkürlich erfolgen“ dürfe. 225  Vgl. Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 197, der auf „die vom Gesetzgeber ver­ folgte Intention“ abstellt.



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Dass diese Einheit eben auch über eine „Begriffskontinuität“ erzielt wer­ den kann,226 darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie dies eben nicht muss und dass eine solche „Begriffskontinuität“ gerade in der deutschen Rechtssprache keinesfalls den Regelfall darstellt. Eine einheitliche Rechts­ sprache ist bereits dem Wesen der Rechtswissenschaft fremd.227 Die Sprache eines modernen Rechtsgebietes ist insoweit gar nicht darauf ausgerichtet, den Sinngehalt eines Merkmals allein mit einem Begriff präzise zu beschrei­ ben.228 Dies wird häufig in einen Zusammenhang mit dem Aspekt der „Ad­ äquanz“ gebracht.229 Damit wird letztlich nichts anderes ausgedrückt, als dass die Rechtsprache eben im Lichte ihrer jeweiligen Zusammenhänge auszulegen und zu bewerten ist.

C. Fragmentarischer Charakter des Strafrechts Damit hängt der Ansatz, mit dem das Erfordernis der Einheit der Rechts­ ordnung in einem funktionalen Sinn verstanden wird, eng mit der Kritik zu­ sammen, die auch gegen eine allgemeine Akzessorietät des Strafrechts vorge­ bracht wird. Gegen diese wird vorrangig eingewandt, dass das Strafrecht bei kompletter Abhängigkeit etwa zum Zivilrecht seine eigenen Funktionen nicht mehr erfüllen könne,230 vor allem nicht die dem Strafrecht ureigene Funktion des fragmentarischen Charakters.231 Kern des fragmentarischen Charakters ist es, dass nicht jede Rechtsverlet­ zung per se auch strafrechtliche Relevanz erfährt.232 Das Strafrecht ist gerade nicht darauf ausgerichtet, jede Verletzung rechtlich geschützter Güter mit 226  Felix,

S. 210. etwa Maurach/Zipf, AT I, § 9 Rn. 19, wonach selbst „allgemeingültige Rechtsbegriffe“ inhaltlich unterschiedlich ausgelegt werden können. 228  Vgl. De Boor, FS Niedermeyer 1953, S. 34, der einen Vergleich zur Medizin bemüht, wo sich ein Sachverhalt mit einem einzelnen Begriff deutlich präziser be­ schreiben lasse als in der Rechtswissenschaft. 229  Vgl. etwa Felix, S. 222, wonach der Bürger „schon aufgrund seiner sprach­ lichen Alltagserfahrung nicht damit [rechnet], dass gleichlautende Begriffe immer eine identische Bedeutung haben“. 230  Vgl. Fuhrmann, FS Tröndle 1989, S. 148, der in diesem Zusammenhang von den unterschiedlichen „Aufgaben“ der jeweiligen Rechtsgebiete spricht, die einer begrifflichen Einheit der Rechtsordnung entgegenstünden, wobei mit „Aufgaben“ i. E. nichts anderes gemeint sein dürfte als mit „Funktionen“. 231  Vgl. Kapitel 1, § 2, B., II. und ausführlich hierzu Frisch, S.  112 ff.; Günther, S.  16 f.; LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13 Rn. 4; Maiwald, FS Maurach 1972, S. 9 ff.; MüKo-StGB-Freund, 3. Aufl., Vor § 13 Rn. 46; Zaczyk, S. 187 ff.; vgl. ferner Freund, S. 28, der von einer „sekundären Normenordnung“ spricht. 232  Hirsch, FS Tröndle 1989, S. 38; LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13 Rn. 4; Satzger, S. 226; Zaczyk, S.  188 f. 227  Vgl.

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einer strafrechtlichen Sanktion zu versehen.233 Das Strafrecht soll lediglich einen Ausschnitt dessen erfassen, was von der übrigen Rechtsordnung als Verletzung des Rechts bewertet wird und dies auch nur insoweit, wie auf­ grund der besonderen Sozialschädlichkeit dieser Verletzung ein erhöhtes Ri­ siko oder ein erhöhter Schaden für die betroffenen Rechtsgüter eingetreten ist.234 Das Strafrecht ist also bereits aus sich selbst heraus darauf beschränkt, lediglich bei „besonders massiven Angriffen“ gegen die Rechtsordnung ein­ zugreifen.235 Nur wenn dieser Angriff ein übermäßiges Unrecht begründet, rechtfertigt sich überhaupt der Einsatz des strafrechtlichen Rechtsfolgen­ regimes.236 Hirsch formuliert dazu: „Strafwürdigkeit begründet für sich al­ leine keine Strafbarkeit“.237 Dabei zeigt sich dieser fragmentarische Charakter rechtstechnisch auf zwei Wegen. Zum einen vorgelagert, indem die strafrechtlichen Tatbestände be­ reits aus sich heraus nicht jede Verletzung rechtlich geschützter Güter erfas­ sen. Dies gilt selbst dann, wenn eine Handlung zivil- oder öffentlich-rechtlich als „rechtswidrig“ bewertet wird.238 Zu beobachten ist dies etwa an der feh­ lenden Strafbarkeit der fahrlässigen Urheberrechtsverletzung. Der fragmenta­ rische Charakter soll zunächst den strafrechtlichen Gesetzgeber selbst binden, der die Formulierung der Tatbestände restriktiv handhaben oder möglicher­ weise ganz auf die Schaffung einer Strafnorm verzichten soll. Damit be­ schränkt das Strafrecht letztlich seinen materiellen Anwendungsbereich ge­ wissermaßen aus sich selbst heraus. Zum anderen wirkt der fragmentarische Charakter aber auch dadurch, dass er bei der Rechtsanwendung die Auslegung des jeweiligen Straftatbestandes beeinflusst. Hier spielt der fragmenta­ rische Charakter unter Berücksichtigung der Ratio und des Schutzzwecks der 233  Vgl. Peters, ZStW 77 (1965), 470 (475), der den fragmentarischen Charakter des Strafrechts mit einem „exemplikativen“ Charakter gleichsetzt und in diesem Zu­ sammenhang davon spricht, das Strafrecht komme nur „beispielhaft“ zur Anwen­ dung. 234  Heinrich, Amtsträgerbegriff, S. 206; Maiwald, FS Maurach 1972, S. 11, wobei letzterer die „Sozialschädlichkeit“ entsprechend der Feuerbachschen Lehre von der „Wertwidrigkeit“ abgrenzt, die nicht schadensbegründend sei, sondern sich lediglich als sittlich im Sinne einer unmoralischen Anstößigkeit zeige. 235  So etwa Felix, S. 297; Günther, ZStW 102 (1990), 269 (278 f.); vgl. ferner Peters, ZStW 77 (1965), 470 (475), der davon spricht, dass ein umfassender Straf­ rechtsschutz nur bei den „schwersten“ Delikten notwendig sei; vgl. ferner Vogler, ZStW 90 (1978), 132 (141), der die Fälle der „besondere[n] Verwerflichkeit“ hervor­ hebt. 236  So Maiwald, FS Maurach 1972, S. 11. 237  Hirsch, FS Tröndle 1989, S. 38. 238  Von einer Rechtswidrigkeit bereits auf Tatbestandsebene sprechend Felix, S. 299, die in diesem Zusammenhang von einer „fragmentarischen Natur“ des Straf­ rechts spricht; ähnlich auch Peters, ZStW 77 (1965), 470 (475).



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Vorschrift eine entscheidende Rolle, nicht jede Rechtsverletzung strafrecht­ lich zu sanktionieren.239 Insoweit lässt sich festhalten, dass strafrechtliche „Lücken“ – egal ob ge­ wollt oder ungewollt – entsprechend des heutigen Rechtsverständnisses durchaus bestehen bleiben können und nicht durch eine extensive Auslegung zwingend geschlossen werden müssen. Dies gilt umso mehr, als eine solche Auslegung häufig an die Grenze der verbotenen, weil zu Lasten des Täters wirkenden Analogie stoßen würde.240 Entsprechend dem heutigen Normenverständnis lässt sich der fragmentari­ sche Charakter auch in einen Zusammenhang mit der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts bringen.241 Der ultima-ratio-Gedanke beruht darauf, dass der Rechtsordnung verschiedene Instrumentarien zur Schaffung und Wahrung rechtmäßiger Zustände zur Verfügung stehen, die aber in unterschiedlicher Intensität in die Freiheit des Einzelnen eingreifen. Der Einsatz des Straf­ rechts enthält mit seinem Sanktionsregime die für den Einzelnen unmittel­ barsten und gravierendsten Folgen.242 Ein solcher Eingriff erfährt nur dort seine Berechtigung, wo übrige, mildere Mittel der Rechtsordnung es nicht vermögen, einen entsprechenden Rechtsschutz zu gewährleisten.243 Nur dann kommt das Strafrecht als „schärfstes Schwert“ zur Anwendung.244 Bieten diese übrigen, milderen Mittel hingegen ausreichenden Rechts­ schutz, zeigt sich das Strafrecht insoweit fragmentarisch, als es hinter diesen milderen Mitteln zurücktritt. Damit steht der fragmentarische Charakter des Strafrechts nicht nur in einem engen Zusammenhang mit der ultima-ratioFunktion des Strafrechts, sondern zugleich auch mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.245 In jedem Fall folgt der fragmentarische Charakter letztlich aus dem ultima-ratio-Gedanken. 239  Vgl. Maiwald, FS Maurach 1972, S. 9, der eine Dreiteilung vornimmt und dar­ auf abstellt, der fragmentarische Charakter zeige sich daran, dass das Strafrecht per se nur einen Teil der Gesamtrechtsordnung erfasse (1), dass dieser strafrechtlich erfasste Teil wiederum seine Tatbestände lückenhaft ausgestalte und die geschützten Rechts­ güter in einem geringeren Ausmaß absichere, als die übrige Rechtsordnung (2) und schließlich daran, dass das Strafrecht nur einen Teil des Unmoralischen erfasse (3). 240  Vgl. hierzu später Kapitel 3, § 4, A., II. 241  Vgl. hierzu bereits ausführlich Kapitel 1, § 2, B., II. 242  Vgl. Felix, S. 299, die wegen der möglicherweise ebenfalls schwerwiegenden zivilrechtlichen Rechtsfolgen weniger auf den Charakter der Strafe selbst abstellt, sondern stattdessen auf die mit der Strafe einhergehenden „gravierende[n] Verrufswir­ kung“; vgl. ferner Vogler, ZStW 90 (1978), 132 (141), der in Bezug auf die straf­ rechtliche Sanktion als dem „schärfste[n] Unwerturteil des Staates“ spricht. 243  Vgl. Felix, S.  299 f. 244  Vgl. hierzu bereits Kapitel 1, § 2, B., II. 245  Felix, S.  299 f.; Günther, S.  214 ff.; ders., ZStW 102 (1990), 269 (279).

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

In Übereinstimmung mit Binding lässt sich festhalten, dass der fragmenta­ rische Charakter dem Strafrecht anhaftet und sich in verschiedenen Ausprä­ gungen zeigt. Die dogmatische Verortung ist jedoch nicht (mehr) in der all­ gemeinen Akzessorietät des Strafrechts zu sehen, sondern lässt sich aus der Funktion des Strafrechts und seiner Stellung innerhalb des Rechtssystems herleiten. Dieses Verständnis lässt sich anschaulich mit dem Ansatz der „Mengenlehre“ verdeutlichen.

D. Stellung des Strafrechts in der Mengenlehre Der fragmentarische Charakter des Strafrechts geht nach alldem zumindest auch von einer bewusst untergeordneten Stellung des Strafrechts innerhalb der Rechtsordnung aus.246 Dies hat nicht nur Auswirkungen auf die Frage der Begrenzung des Strafrechts, sondern auch auf die Frage nach dem Ver­ hältnis des Strafrechts zum übrigen Recht.247 Der Veranschaulichung soll dabei ein Ansatz dienen, der in der Literatur gelegentlich zur Beschreibung der Stellung des Strafrechts innerhalb des Rechtssystems gebraucht wird, nämlich der Ansatz der Mengenlehre.248 Dieser basiert auf einer Einteilung von Sitte, Recht und Strafrecht in drei Ebenen. I. Ansatz der Mengenlehre Die unterste Ebene bildet die Ebene der sittlichen und moralischen Wert­ vorstellungen. Sie stellt die rechtlich unverbindliche, aber dennoch wert­ bildende Grundlage allen menschlichen Zusammenlebens innerhalb einer Gesellschaft dar (erste Ebene). Nur ein Ausschnitt hieraus ist in Form von Normen zu geltendem Recht geworden. Diese bilden die zweite Ebene, die all das umfasst, was die Rechtsordnung als rechtlich verbindliche Vorgaben aufstellt. Der Rest verbleibt auf der ersten Ebene als unverbindliche, ledig­ lich wertbildende Grundlage.249 Diese zweite Ebene ist bildlich gesprochen wesentlich schmaler als die erste.250 Die dritte Ebene bildet die des Straf­ 246  Vgl.

hierzu Kapitel 1, § 2, B., II. LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13 Rn. 4, wo dies als „Verhältnis der straf­ rechtlichen Verbots- und Erlaubnissätze zu denen des übrigen Rechts“ bezeichnet wird. 248  Vgl. etwa Freund, S.  28 ff.; Günther, S. 17; LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13 Rn. 4; MüKo-StGB-Freund, 3. Aufl., Vorbem. § 13 Rn. 45; Schünemann, S. 222. 249  Vgl. hierzu MüKo-StGB-Freund, 3. Aufl., Vor § 13 Rn. 46, der bei Anerken­ nung eines sittlichen Verhaltens oder eines schützenswerten Rechtsguts durch die Rechtsordnung von einem „positive(n) Werturteil“ spricht. 250  Vgl. LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13 Rn. 4, wo die zweite Ebene plastisch als „Überbau des Sittlichen“ bezeichnet wird. 247  Vgl.



§ 4 Strafrecht zwischen allg. Akzessorietät und Relativität der Rechtsbegriffe135

rechts. Diese nimmt wiederum nur einen Ausschnitt aus der zweiten Ebene ein und umfasst alle strafrechtlichen Vorschriften. Diese Ebene ist – um in der bildlichen Sprache zu bleiben – nochmal deutlich schmaler als die beiden Ebenen zuvor.251 Relevant ist dabei das Verhältnis der Ebenen zueinander, denn die zweite Ebene liegt innerhalb der ersten und die dritte Ebene wiede­ rum innerhalb der zweiten. Genau dieses Verständnis ist auch im hiesigen Zusammenhang entschei­ dend. Eine strafrechtlich verbotene (oder in einer Unterlassungskonstellation gebotene) Handlung, die aufgrund ihrer strafrechtlichen Relevanz in der dritten Ebene liegt, liegt immer zugleich auch innerhalb der zweiten Ebene (und damit zugleich auch innerhalb der ersten). Ein Handlungsgeschehen kann aber niemals innerhalb der dritten Ebene verortet sein und sich zugleich außerhalb der zweiten Ebene befinden. Das bedeutet, dass eine Handlung nie strafbewehrt sein kann, gleichzeitig aber nach sonstigem Recht rechtmäßig ist.252 Umgekehrt kann eine Handlung sehr wohl außerhalb der dritten, aber innerhalb der zweiten Ebene liegen, also zivil- oder öffentlich-rechtlich als rechtswidrig bewertet werden, aber nicht strafbar sein.253 Die dritte Ebene wird also durch die zweite und die zweite Ebene wiederum durch die erste begrenzt. Damit stellt zumindest diese allgemeine „Rechtswidrigkeit“ die Grenze der strafrechtlichen Autonomie dar. Die erste Ebene beschreibt Maiwald als das, „was „höchstens“ bestraft werden darf“.254 II. Mengenlehre als Grenze der Akzessorietät und Autonomie Der Ansatz der Mengenlehre wird im Zusammenhang mit den Grenzen der Urheberzivilrechtsakzessorietät später noch einmal aufgegriffen.255 Für die Einordnung der Rolle des Strafrechts im Spannungsfeld zwischen der allge­ meinen Akzessorietät und der Einheit der Rechtsordnung lässt sich unter Berücksichtigung der bisherigen Erkenntnisse jedoch bereits hier Folgendes sagen: Entsprechend des Ansatzes der Mengenlehre und dem Verhältnis der drit­ ten Ebene zur zweiten, greift das Strafrecht (dritte Ebene) im Grundsatz auf dasjenige Unrecht zurück, das von der übrigen Rechtsordnung (zweite Ebene) 251  Vgl. Hirsch, FS Tröndle 1989, S. 38, wonach „Strafwürdigkeit […] für sich alleine keine Strafbarkeit“ begründe. 252  LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13 Rn. 4; Satzger, S. 221; dies explizit für das Ver­ hältnis des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht formulierend Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (434). 253  Satzger, S. 226. 254  Maiwald, FS Maurach 1972, S. 11. 255  Vgl. hierzu später Kapitel 3, § 1, A., IV.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

vorgegeben wird. Zumindest insoweit ist dem Ansatz Bindings zu folgen.256 Darüber hinaus lässt sich über eine gestaltende Rolle des Strafrechts streiten. Jedenfalls selektiert das Strafrecht aus dieser vorgegebenen Menge dasjenige Unrecht heraus, das es aufgrund einer erhöhten Sozialschädlichkeit als be­ sonders sanktionswürdig bewertet. Dies lässt sich wiederum mit dem frag­ mentarischen Charakter des Strafrechts in Verbindung bringen. Entschei­ dend – und insoweit entgegen Binding – ist jedoch, dass im Sinne einer ­lediglich funktional zu verstehenden Einheit der Rechtsordnung eine straf­ rechtsautonome Auslegung der Merkmale und Begriffe innerhalb dieser Ebene grundsätzlich möglich ist. Insoweit ist nicht nur dem Ansatz der allge­ meinen Akzessorietät, sondern auch dem Verständnis der begrifflichen Ein­ heit der Rechtsordnung zu widersprechen. Die strafrechtliche Autonomie ist aber keineswegs unbegrenzt. Sie findet ihre Grenzen zum einen in dem Erfordernis der funktionalen Einheit, denn eine strafrechtsautonome Auslegung muss stets vor dem Hintergrund des strafrechtlich bezweckten Rechtsgüterschutzes erfolgen. Zum anderen findet die strafrechtliche Autonomie ihre Grenze in dem Ansatz der Mengenlehre. Eine strafrechtlich autonome Begriffsauslegung kann zumindest nicht so weit gehen, dass ein Verhalten strafrechtlich sanktioniert wird, das nach übrigem Recht aber als rechtmäßig bewertet wird.257 Bildlich gesprochen ist damit die Konstellation gemeint, in der sich ein Sachverhalt in der dritten Ebene und zugleich außerhalb der zweiten Ebene befindet. Dieses Ergebnis ließe sich gleichermaßen über das Erfordernis der funktionalen Einheit und des frag­ mentarischen Charakters begründen, findet seine eigentliche Verankerung aber im Ansatz der Mengenlehre. Dies ist ein wesentliches Element, die Stellung des Strafrechts zwischen der Akzessorietät und der Autonomie zu beschreiben. Auch für die folgende Einordnung der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts wird dies von entscheidender Bedeutung sein. Insoweit lässt sich allgemeinverbindlich – aber auch in Bezug auf das Urheberstrafrecht – festhalten, dass sich das Strafrecht zumindest in dem Maße akzessorisch zeigen muss, dass es niemals weitergehen kann als die übrige Rechtsordnung (und damit auch nicht als das Urheberzivilrecht). Dem Strafrecht muss eine autonome Auslegung seiner Merkmale und Begriffe aber jedenfalls solange möglich sein, wie dieses Er­ gebnis mit einer Akzessorietät zur allgemeinen Rechtswidrigkeit einhergeht.

256  Vgl.

hierzu Kapitel 2, § 4, A. Felix, S. 298, wo von einem „völlig untragbare[n] Widerspruch“ die Rede ist, „der unter gar keinen Umständen hingenommen werden kann“; vgl. zur Frage der nachträglichen Genehmigung, die zivilrechtlich wirksam, strafrechtlich aber unbe­ achtlich ist, die Ausführungen in Kapitel 3, § 2, B. 257  Vgl.



§ 4 Strafrecht zwischen allg. Akzessorietät und Relativität der Rechtsbegriffe137

E. Relativität der Rechtsbegriffe Mit der Lehre von der Relativität der Rechtsbegriffe wird letztlich nichts anderes beschrieben als das, was bislang mit der funktionalen Einheit der Rechtsordnung und der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts zusammenfas­ send festgestellt wurde.258 Insoweit kann auf die vorherigen Ausführungen zurückgegriffen und der Ansatz der Relativität der Rechtsbegriffe in einer Weise beschrieben werden, die das bislang Dargestellte miteinander in Ver­ bindung bringt. I. Inhalt und Bedeutung Die Lehre von der Relativität der Rechtsbegriffe geht im Kern von der Möglichkeit aus, dass ein Begriff, der in unterschiedlichen rechtlichen Zu­ sammenhängen, Gesetzen oder Rechtsgebieten verwendet wird, im Grund­ satz auch inhaltlich unterschiedlich ausgelegt und interpretiert werden kann.259 Die Relativität der Rechtsbegriffe stellt insoweit das Gegenstück zur allgemeinen Akzessorietät des Strafrechts und auch zur begrifflichen Einheit der Rechtsordnung dar. Sie beschreibt im hier relevanten Zusammenhang der Begriffsauslegung letztlich genau das, was mit der funktionalen Einheit her­ geleitet wurde, nämlich eine Einordnung des jeweiligen Rechtsbegriffs in seinen relativen, das meint hier konkret in seinen systematischen und teleo­ logischen Zusammenhängen. Teilweise wird die Relativität der Rechtsbegriffe deshalb auch als „sach­ liche Relativität“ bezeichnet.260 Damit ist aber im Ergebnis genau dasselbe gemeint, nämlich die Möglichkeit einer autonomen, strafrechtsspezifischen Begriffsauslegung entsprechend der Funktionen und Intentionen des jeweili­ gen Gesetzes. Genau das drückt auch der Begriff der Relativität aus, denn die inhaltliche Auslegung erfolgt eben stets in einer Relation hierzu. Dabei spielt auf Seiten des Zivilrechts vor allem die Funktion des gerechten Inte­ ressenausgleichs, auf Seiten des Strafrechts die Funktion des Rechtsgüter­ schutzes eine entscheidende Rolle.261 In jedem Fall ist die Funktion des Strafrechts eine andere und insoweit enger als die des Zivilrechts.

258  Vgl. insgesamt zum Ansatz der Relativität der Rechtsbegriffe Engisch, S.  41 ff.; Hermann, passim. 259  Vgl. etwa Bruns, JR 1984, 133 (135), der die strafrechtsautonome Auslegung als „Sonderfall der Relativität der Rechtsbegriffe“ ansieht. 260  Hill, S. 124. 261  Dies freilich nur insoweit, wie man den Rechtsgüterschutz als Funktion des Strafrechts anerkennt; vgl. hierzu Kapitel 1, § 2, B., II.

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Kap. 2: Das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät

Die Lehre von der Relativität der Rechtsbegriffe ermöglicht eine Begriffs­ auslegung entsprechend der jeweiligen Funktionen nicht nur, sie erfordert diese sogar: Damit einher geht aber nicht, dass ein Begriff strafrechtlich im­ mer zwingend anders auszulegen ist als im Zivilrecht. Durch die Auslegung kann man vielmehr zu dem Schluss kommen, dass ein inhaltlicher Gleichlauf sinnvoll und mit den Funktionen eben vereinbar oder wegen dieser sogar erforderlich ist. Insoweit kann ein Begriff im Strafrecht und Zivilrecht auch nach der Lehre der Relativität der Rechtsbegriffe durchaus identisch auszule­ gen sein – was in den meisten Fällen auch tatsächlich so sein wird. Dabei kann einer strafrechtlichen Vorschrift auch eine Akzessorietät sowohl im Ganzen, als auch in Teilen zugrunde liegen. II. Relevanz für die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts Relevanz erfährt diese Thematik im Zusammenhang mit der Zivilrechts­ akzessorietät des Urheberstrafrechts bereits dadurch, dass es gerade die Rela­ tivität der Rechtsbegriffe ist, die die akzessorische Ausgestaltung des Urhe­ berstrafrechts gewissermaßen zum „Sonderfall“ macht. Würde man etwa mit Binding von einer allgemeinen Akzessorietät ausgehen, wäre speziell die ur­ heberzivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des Urheberstrafrechts obsolet. Denn in diesem Fall ergäbe sich eine inhaltliche Abhängigkeit des Urheber­ strafrechts von den urheberzivilrechtlichen Vorschriften bereits aus eben dieser allgemeinen Akzessorietät des Strafrechts, es bedürfte mithin keiner gesonderten zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Urheberstrafrechts und der einzelnen Merkmale der §§ 106 ff. UrhG. Gleichzeitig schließen sich der Grundsatz der Relativität der Rechtsbe­ griffe und das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät aber keineswegs gegensei­ tig aus, insbesondere stellt die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts keinen Widerspruch zur Relativität der Rechtsbegriffe dar. Letztere sieht eben lediglich die Möglichkeit einer begriffsautonomen Auslegung des Straf­ rechts vor – und damit zugleich auch die Möglichkeit des kompletten Gegen­ teils, nämlich einer akzessorischen Ausgestaltung. Insoweit ist entscheidend, dass eine Abweichung der strafrechtlichen von der zivilrechtlichen Ausle­ gung grundsätzlich möglich ist, dies aber aus zwei Gründen selten – und im Urheberstrafrecht grundsätzlich gar nicht – der Fall sein sollte: Dies ergibt sich zum einen aus den Anforderungen der Einheit der Rechtsordnung, da durch dessen Erfordernisse eine einheitliche Auslegung deshalb naheliegt, weil so zumeist den jeweiligen Funktionen entsprochen wird. Zum anderen verbietet sich eine uneinheitliche Auslegung im Urheberstrafrecht gerade deshalb, weil dieses zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist und infolge der Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes auch ausgestaltet sein muss.



§ 4 Strafrecht zwischen allg. Akzessorietät und Relativität der Rechtsbegriffe139

Bedeutung erlangt dies vor allem in Bezug auf diejenigen Merkmale des Urheberstrafrechts, bei denen eine strenge Akzessorietät aufgrund übergeord­ neter Erwägungen nicht durchgehalten werden kann.262 Müsste in diesen Fällen ein Begriff strafrechtsautonom ausgelegt werden, wäre dies vorrangig an der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts zu messen, verletzt aber eben keine übergeordneten Grundsätze bezüglich der Stellung des Straf­ rechts an sich, wie eine allgemeine Akzessorietät oder die Einheit der Rechtsordnung. Letzteres zumindest solange nicht, wie trotz strafrechtsauto­ nomer Auslegung eine funktionale Einheit gewahrt bleibt.

F. Zusammenfassung Die Stellung des Strafrechts zeigt sich nicht (mehr) in einer grundsätzli­ chen Abhängigkeit zur übrigen Rechtsordnung. Eine allgemeine Akzessorie­ tät ließe sich mit dem heutigen Normenverständnis ebenso wenig begründen wie das Verständnis einer Einheit der Rechtsordnung im Sinne einer begriff­ lichen Identität. Es ist also an sich nichts daran auszusetzen, wenn ein Be­ griff innerhalb der Rechtsordnung in unterschiedlichen Zusammenhängen auch unterschiedlich ausgelegt wird. Gleichzeitig sind Teile des (Neben-) Strafrechts akzessorisch ausgestaltet. Dies beruht aber nicht auf einem grund­ sätzlich akzessorischen Charakter des Strafrechts als solchem, sondern auf speziellen, zumeist verfassungsrechtlich begründeten Notwendigkeiten im Einzelfall. Für die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts resultiert diese Notwendigkeit aus den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Muss ein Begriff im Urheberstrafrecht abweichend vom Urheberzivilrecht und insoweit strafrechtsautonom ausgelegt werden, ist dies lediglich unter dem Aspekt der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts zu bewerten, insbesondere der Wahrung des Bestimmtheitsgrundsatzes. Verfassungsrecht­ liche Bedenken im Hinblick auf das Verhältnis des Strafrechts zum Zivilrecht an sich, etwa in Form einer allgemeinen Akzessorietät, gingen damit aber nicht einher.

262  Vgl.

hierzu Kapitel 3 und 4.

Kapitel 3

Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen für alle Straftatbestände Nachdem zuvor das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät als solches beleuchtet wurde, geht es in den folgenden Kapiteln um seine konkrete Anwendung und die sich dabei ergebenden Grenzen. Die Darstellung orientiert sich daran, zuerst die allgemeinen Grenzen zu erörtern, die alle Zentraltatbe­ stände des Urheberstrafrechts gleichermaßen betreffen (Kapitel 3), um so­ dann auf die speziellen Grenzen einzugehen, die sich bei der Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät in den einzelnen Straftatbeständen ergeben (Kapitel 4). Dies einleitend, wird der Grundsatz der streng anzuwendenden Urheber­ zivilrechtsakzessorietät zunächst durch einige charakteristische Merkmale beschrieben (§ 1). Sodann werden drei Konstellationen vorgestellt, in denen diese Merkmale teilweise nicht zur Geltung gelangen: die nachträgliche Ge­ nehmigung (§ 2), das Fehlen der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit (§ 3) sowie die analoge Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften (§ 4). Die vorgelagerte Be­ schäftigung mit diesen drei Konstellationen rechtfertigt sich daraus, dass sie die Anwendung der Zivilrechtsakzessorietät in allen Urheberstraftatbeständen gleichermaßen vor Probleme stellt.

§ 1 Merkmale einer streng angewandten Urheberzivilrechtsakzessorietät Der Inhalt der Urheberzivilrechtsakzessorietät soll im Folgenden durch einzelne charakteristische Merkmale beschrieben werden. Dies dient in ers­ ter Linie der Feststellung, ob und inwieweit sich die Akzessorietät im Einzel­ fall tatsächlich streng anwenden lässt. Denn die Akzessorietät wird jedenfalls dann streng angewandt, wenn die charakteristischen Merkmale im Einzelfall umfassend zur Geltung kommen. Ist dies gerade nicht der Fall, wird zumin­ dest vom Grundsatz der streng anzuwendenden Zivilrechtsakzessorietät ab­ gewichen. Im Folgenden wird auf diese Merkmale zunächst in der Theorie eingegan­ gen (A.). Im Anschluss soll ein Ansatz zur Systematisierung derjenigen Fälle



§ 1 Merkmale einer streng angewandten Urheberzivilrechtsakzessorietät141

vorgestellt werden, in denen diese Merkmale gerade nicht zur Geltung kom­ men (B.). Zur Veranschaulichung orientieren sich die Ausführungen an § 106 UrhG, weil es sich dabei um den zentralen Straftatbestand handelt und ge­ rade hier die Akzessorietät besonders deutlich gemacht werden kann.

A. Charakteristische Merkmale Es fällt auf, dass der Inhalt der Urheberzivilrechtsakzessorietät in der Lite­ ratur kaum einheitlich definiert, sondern immer aus verschiedenen Perspekti­ ven beschrieben wird. Diese einzelnen Perspektiven bilden die Grundlage für die hier zur Charakterisierung verwendeten Merkmale. Dabei beschreiben diese Merkmale den Inhalt der Urheberzivilrechtsakzessorietät aus verschie­ denen Blickwinkeln und mit jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten. Die einzelnen Merkmale werden im Anschluss für die Analyse der Urheberzivil­ rechtsakzessorietät verwendet. I. Inhaltliche Anlehnung (Merkmal 1) Der Begriff der Akzessorietät wurde an anderer Stelle bereits mit dem Begriff der Anlehnung übersetzt.1 Damit lässt sich auch das erste Merkmal der Urheberzivilrechtsakzessorietät beschreiben, wonach sich die strafrecht­ liche Bewertung eines Sachverhalts gerade wegen der Akzessorietät inhaltlich an die zivilrechtliche Bewertung anlehnt.2 Das bedeutet, dass ein Sach­ verhalt in letzter Konsequenz, also im Ergebnis, straf- und zivilrechtlich gleich bewertet werden muss, wobei „gleich“ hier im Sinne eines inhaltlichen Gleichlaufs zu verstehen ist. Hierdurch wird die Zivilrechtsakzessorietät ge­ wissermaßen übergeordnet charakterisiert. Dies wird in der Literatur einheitlich so gesehen, jedoch unterschiedlich beschrieben. Teilweise ist zu lesen, das Urheberstrafrecht würde auf die ur­ heberzivilrechtlichen Vorschriften „Bezug nehmen“3 oder an diese „anknüp­ fen“.4 Weiter gefasst ist die Beschreibung, das Urheberstrafrecht würde sich am Urheberzivilrecht „orientieren“.5 Verbindlicher ist hingegen die Charakte­ 1  Vgl.

Kapitel 2, § 1, A. zur dogmatischen und funktionalen Herleitung Kapitel 2, § 1, B. und C. 3  So etwa Heinrich, S. 176, 184; Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (435); Wandtke/ Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 4. 4  So etwa bei Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, Vor §§ 106 ff. Rn. 1; Heinrich, S. 184; Hildebrandt, S. 31; im Ansatz auch bei Weber, S. 173; allgemeiner im Zusammenhang mit der Akzessorietät Kühl, FS Lackner 1987, S. 816; Schünemann, S.  222 f. 5  Heinrich in: Urheberrecht im Wandel der Zeit, S. 48. 2  Vgl.

142 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

risierung dieses Verhältnisses als „Abhängigkeitsverhältnis“.6 In diese Rich­ tung geht auch die Beschreibung, das Urheberstrafrecht würde auf das Urhe­ berzivilrecht „verweisen“.7 II. Tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2) Die weiteren Merkmale dienen der Konkretisierung dieser übergeordneten inhaltlichen Anlehnung und beschreiben speziellere Merkmale der Urheber­ zivilrechtsakzessorietät. Dabei stellt die tatbestandliche Begriffsabhängigkeit die wichtigste Ausprägung der Akzessorietät dar. Dass das Urheberstrafrecht meist dieselben Begriffe gebraucht wie das Urheberzivilrecht, wurde bereits dargelegt.8 Es ist aber gerade die Urheberzivilrechtsakzessorietät, die be­ wirkt, dass die im Strafrecht und im Zivilrecht identisch normierten Begriffe auch inhaltlich identisch ausgelegt werden.9 Insoweit wird der inhaltliche Gleichlauf eben meist durch die straftatbestandlichen Begriffe und durch den von der Urheberzivilrechtsakzessorietät aufgestellten Grundsatz Begriffsidentität = Inhaltsidentität erreicht.10 Dieses Merkmal wird in der Literatur gerne damit beschrieben, dass der Inhalt der strafrechtlichen Begriffe durch die zivilrechtlichen Vorgaben „re­ guliert“ und „definiert“ werde.11 Dies resultiere daraus, dass die Begriffe ursprünglich dem Zivilrecht zu dienen bestimmt seien.12 Treffend ist auch die Bezeichnung des § 106 Abs. 1 UrhG als „Ausfüllungstatbestand“.13

6  So etwa Do Chi, S. 107; Heinrich, S. 177; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 2; allgemeiner zur Akzessorietät Jescheck/Weigend, § 7 II 2; Satzger, S. 220. 7  So etwa Heinrich, S. 176; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 4; allge­ meiner zur Akzessorietät Tiedemann, FS Schaffstein 1975, S. 196. 8  Vgl. Kapitel 2, § 1, B. 9  Vgl. Heinrich, S. 184; Hildebrandt, S.  31; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 2; Weber, S. 173; allgemeiner Jescheck/Weigend, § 7 II 2; Tiedemann, Tatbestandsfunktionen im Nebenstrafrecht, S. 45. 10  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 1, B. 11  Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (432). 12  So Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (435), der von „Begrifflichkeiten und Handlun­ gen des Urheber-Deliktsrecht[s]“ spricht. 13  Loewenheim-Flechsig, §  90 Rn. 11; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 108b Rn. 3; vgl. Kapitel 2, § 1, C., III.



§ 1 Merkmale einer streng angewandten Urheberzivilrechtsakzessorietät143

III. Gleichlauf des Rechtsgüterschutzes (Merkmal 3) Darüber hinaus lässt sich der Inhalt der Zivilrechtsakzessorietät auch aus der Perspektive des Rechtsgüterschutzes im engeren Sinne beschreiben.14 Eine streng angewandte Zivilrechtsakzessorietät verlange demnach, dass die Schutzbedürftigkeit eines Rechtsguts im Einzelfall strafrechtlich genauso beurteilt wird wie im Zivilrecht.15 In Bezug auf § 106 UrhG und die §§ 15 ff. UrhG wäre demnach auf den Schutz der Verwertungsrechte abzustellen.16 Die Schutzbedürftigkeit eines Rechtsguts muss also im Ergebnis gleicherma­ ßen bejaht oder verneint werden. Teilweise wird im Gleichlauf des Rechtsgüterschutzes das zentrale Merk­ mal der Urheberzivilrechtsakzessorietät gesehen, wohingegen etwa die tatbe­ standliche Begriffsabhängigkeit lediglich eine logische Folge hieraus darstel­ len soll.17 Dass etwa der Begriff der „Vervielfältigung“ in § 106 Abs. 1 UrhG inhaltlich genauso verstanden wird wie in § 16 UrhG, würde demnach erst daraus folgen, dass beide Vorschriften dem Schutz der Verwertungsrechte zu dienen bestimmt sind. Jedenfalls liegt meist ein inhaltlicher Gleichlauf vor, wenn die Schutzbedürftigkeit der Rechtsgüter sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich gleich beurteilt wird.18 IV. Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) Ein weiteres Merkmal der Urheberzivilrechtsakzessorietät lässt sich aus dem Ansatz der Strafrechtsbegrenzung entnehmen.19 Dieser Ansatz beruht, wie bereits dargelegt,20 auf einer Einteilung in drei Ebenen. Von Bedeutung ist hier das Verhältnis der dritten Ebene (des Strafrechts) zur zweiten Ebene (der allgemeinen Rechtswidrigkeit), denn dass sich der Inhalt der dritten Ebene (der §§ 106 ff. UrhG) aus dem Inhalt der zweiten Ebene (der urheber­ zivilrechtlichen Vorgaben) ergibt, folgt gerade aus der Zivilrechtsakzessorie­ 14  Vgl.

zu den Funktionen des (Urheber-)Zivilrechts Kapitel 1, § 2, B., I. Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170 (170  f.); Hildebrandt, S. 32; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 6; Weber, FS Stree/Wessels 1993, S. 615; in diese Richtung gehend wohl auch Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 1. 16  Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, §  106 Rn.  1; Fromm/NordemannRutt­ke/Scharringhausen, §  106 Rn.  1; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 1. 17  Vgl. Brackmann/Oehme, NZWiSt 2013, 170 (170 ff.). 18  Vgl. zur insoweit besonders relevanten Konstellation der nachträglichen Ge­ nehmigung Kapitel 3, § 2, B. 19  So etwa von Do Chi, S. 107; Hildebrandt, S. 124; Reinbacher, S. 136. 20  Vgl. hierzu bereits die Ausführungen in Kapitel 2, § 4, D. 15  So

144 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

tät. Das Ausmaß der dritten Ebene verhält sich also in einer inhaltlichen Abhängigkeit zum Ausmaß der zweiten Ebene.21 Im Falle einer Strafbarkeit müssen demnach immer auch die urheberzivil­ rechtlichen Ausgangsvorschriften erfüllt sein, da ein Sachverhalt nie inner­ halb der dritten und gleichzeitig außerhalb der zweiten Ebene liegen kann.22 Das Strafrecht darf also nicht über den zivilrechtlichen Schutzumfang hi­ nausgehen, eine zivilrechtlich zulässige Verwertung kann also keine straf­ rechtliche Relevanz haben.23 Mit dem Ansatz der Mengenlehre lässt sich somit einerseits der Inhalt des Urheberstrafrechts beschreiben, andererseits aber auch dessen Grenzen. Mit Erfüllung einer zivilrechtlichen Vorschrift muss jedoch nicht zwingend auch eine Strafbarkeit einhergehen, da die §§ 106 ff. UrhG insoweit lediglich die „Mindestgrenze“ dessen darstellen, was zivilrechtlich zur Haftung führen kann.24

B. Systematisierungsansatz Die einzelnen Merkmale ermöglichen eine gewisse Systematisierung und dienen der Einordnung derjenigen Fälle, in denen eine streng angewandte Urheberzivilrechtsakzessorietät an ihre Grenzen stößt. Dabei zeichnet das Vorliegen aller vier Merkmale das Idealbild der Urheberzivilrechtsakzesso­ rietät aus. Zumindest würde sie in diesem Fall streng angewandt werden. Von Interesse sind jedoch vorrangig diejenigen Konstellationen, in denen sich dieses Idealbild gerade nicht zeigt. Kann eines der Merkmale im Einzel­ fall nicht zur Geltung kommen, lässt sich die Urheberzivilrechtsakzessorietät zwar nicht streng anwenden, das Prinzip der Akzessorietät als solches muss damit aber noch nicht zwingend in Frage zu stellen sein. Dies soll im Fol­ genden mit der Gegenüberstellung der Begriffe der Lockerung und der Durchbrechung verdeutlicht werden.25 21  So auch Weber, FS Stree/Wessels 1993, S. 616; vgl. ferner LK-Walter, 12. Aufl., Vor § 13 Rn. 4, der dies losgelöst vom Urheberstrafrecht als „Akzessorietät des Straf­ rechts“ im Allgemeinen bezeichnet. 22  Vgl. zur Konstellation der nachträglichen Genehmigung später Kapitel 3, § 2, B. 23  Do Chi, S. 107; Hildebrand, S. 124; Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (434); vgl. zu der in diesem Zusammenhang problematischen Konstellation der nachträglichen Ge­ nehmigung sogleich Kapitel 3, § 2, B., II., 4., d). 24  Do Chi, S. 297; Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (435). 25  Vgl. in ähnlicher Terminologie Satzger, S. 227, der das Begriffspaar der „Ein­ schränkung“ und „Ausnahme“ von der Akzessorietät einführt, wobei die Einschrän­ kung der Akzessorietät die Vorstufe zur Ausnahme darstellen soll; vgl. auch Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (435) und Tiedemann, FS Schaffstein 1975, S. 198, die den Begriff der „Spaltung“ verwenden.



§ 1 Merkmale einer streng angewandten Urheberzivilrechtsakzessorietät145

I. Lockerung der Akzessorietät Der Grundsatz der streng anzuwendenden Zivilrechtsakzessorietät ist im Einzelfall gelockert, wenn eines der vier Merkmale nicht zur Geltung gelan­ gen kann. Mit dem Begriff der Lockerung wird – insoweit negativ – das Gegenteil zur strengen Anwendung der Zivilrechtsakzessorietät beschrieben. Dies kann einerseits darauf zurückzuführen sein, dass sich ein Merkmal im Einzelfall schlicht nicht sinnvoll anwenden lässt. Dies gilt etwa für das Merkmal der tatbestandlichen Begriffsabhängigkeit im Zusammenhang mit der fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Sofern im Falle einer fahrlässigen Urheberrechtsverletzung die strafrechtliche und zivilrechtliche Bewertung desselben Sachverhalts auseinanderfallen,26 beruht dies nicht auf einer unter­ schiedlichen Begriffsauslegung und lässt sich in keinen sinnvollen Zusam­ menhang mit dem Merkmal der tatbestandlichen Begriffsabhängigkeit brin­ gen. Relevanter und im weiteren Verlauf der Arbeit zu analysieren sind hingegen diejenigen Lockerungen der Zivilrechtsakzessorietät, die daraus ­ resultieren, dass der Geltung eines Merkmals übergeordnete Erwägungen entgegenstehen. II. Durchbrechung des Prinzips der Akzessorietät Die entscheidende Einordnung ist, ob das Prinzip der streng anzuwenden­ den Akzessorietät als solches durch eine im Einzelfall festgestellte Locke­ rung an seine Grenzen stößt. Dies soll mit der Bezeichnung der Durchbrechung verdeutlicht werden. Insoweit stellt die Lockerung die Vorstufe zur Durchbrechung des Prinzips der Zivilrechtsakzessorietät dar. Dabei geht es um die Frage, ob sich die Zivilrechtsakzessorietät trotz der Lockerung noch derart konsequent anwenden lässt, dass an ihrer ansonsten strengen Anwen­ dung festgehalten werden kann. Dies lässt sich nur vor dem Hintergrund der Funktion der Urheberzivil­ rechtsakzessorietät beantworten. Das Urheberstrafrecht sieht eine strenge Anlehnung an die zivilrechtliche Rechtslage deshalb vor, um die Bestimmt­ heit der tatbestandlich weit gefassten §§ 106 ff. UrhG zu wahren.27 Führt die Lockerung dazu, dass diese Bestimmtheit nicht mehr gewahrt ist, erfüllt die Zivilrechtsakzessorietät ihre Funktion nicht mehr und das Prinzip ist als sol­ ches durchbrochen. Bleibt hingegen trotz Abweichung von der zivilrecht­ lichen Rechtslage eine im Sinne der Anforderungen des Bestimmtheitsgrund­

26  Vgl. 27  Vgl.

hierzu ausführlich Kapitel 3, § 3. zu alldem ausführlich bereits Kapitel 2, § 1, C., III.

146 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

satzes noch hinreichende Erkennbarkeit gewahrt, wird die Lockerung der strengen Akzessorietät hinzunehmen sein. 1. Erfordernis der Abwägung

Dies bemisst sich an den vom Bundesverfassungsgericht konkretisierten Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Insoweit ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.28 Dabei kann die Frage der Erkennbarkeit jedoch nie absolut bestimmt wer­ den, sondern nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles. Eben dies bringt das Erfordernis hinreichender Erkennbarkeit zum Ausdruck. Dafür bedarf es jedoch stets einer Abwägung, um die Anforderun­ gen des Bestimmtheitsgrundsatzes im Einzelfall festzulegen.29 Hierfür sind zunächst die Erwägungen herauszustellen, die eine Lockerung der Zivil­ rechtsakzessorietät in der konkreten Situation erforderlich machen, um so­ dann abzuwägen, ob diese Erwägungen gegenüber der Notwendigkeit einer strengen Akzessorietät überwiegen, insbesondere ob auch trotz Lockerung der Akzessorietät eine noch hinreichende Erkennbarkeit gewahrt ist. 2. Maßstäbe für die Abwägung

Auch wenn diese Abwägung stets einer Einzelfallbewertung bedarf, lassen sich hierfür einige – zunächst abstrakt dargestellte – allgemeingültige Kriterien anführen: Das Bedürfnis nach einer streng anzuwendenden Akzessorietät stellt eine Erwägung mit Verfassungsrang dar. Dies folgt aus dem Zusammenhang mit dem Bestimmtheitsgrundsatz (Art. 103 Abs. 2 GG). Somit können dem Be­ dürfnis nach einer strengen Akzessorietät nur solche Erwägungen entgegen­ stehen, die ihrerseits Verfassungsrang haben. Bei der erwähnten fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit wäre diesbezüglich etwa auf den ultima-ratioGrundsatz und den verfassungsrechtlich verankerten fragmentarischen Cha­ rakter des Strafrechts abzustellen.30 Dabei sind die Anforderungen an die Bestimmtheit im Grundsatz umso geringer, je gewichtiger diese Umstände sind, die gegen eine strenge Anwen­ dung der Zivilrechtsakzessorietät sprechen. Das Prinzip der streng anzuwen­ denden Akzessorietät würde jedenfalls dann seiner Funktion nicht mehr ge­ 28  Vgl.

Kapitel 2, § 1, C., II. etwa BVerfGE 21, 41 (42); BVerfGE 28, 175 (183); BVerfGE 47, 109 (120 f.); BVerfGE 75, 329 (342); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 105, 135 (154). 30  Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 3, § 3, C., III. 29  Vgl.



§ 1 Merkmale einer streng angewandten Urheberzivilrechtsakzessorietät147

recht werden, wenn eine Loslösung von der zivilrechtlichen Rechtslage auf­ grund überwiegender Erwägungen erforderlich wird, gleichzeitig aber keine hinreichende Erkennbarkeit des straftatbestandlichen Inhalts mehr gewähr­ leistet ist. Dabei ist die hinreichende Erkennbarkeit am stärksten gefährdet, wenn ein strafrechtlich und zivilrechtlich gleichermaßen normierter Begriff strafrechts­ autonom interpretiert wird. Sofern im Strafrecht eine andere Auslegung er­ forderlich wird als im Zivilrecht, wäre der Rechtsanwender bezüglich dessel­ ben Begriffs mit zwei unterschiedlichen Möglichkeiten der Auslegung kon­ frontiert. Dies betrifft also das Merkmal der tatbestandlichen Begriffsabhängigkeit. Sofern dieses Merkmal nicht zur Geltung gelangt, vermag damit das Prinzip der Akzessorietät am ehesten durchbrochen zu sein. Insoweit haben die charakteristischen Merkmale auch den Zweck, die Intensität einer Verlet­ zung des Bestimmtheitsgrundsatzes zu indizieren. Grundsätzlich erfährt eine Lockerung der Akzessorietät dann eine höhere verfassungsrechtliche Legitimation, wenn der Gesetzgeber diese selbst vor­ genommen hat, wie etwa im Falle der fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Anders ist dies hingegen, wenn die Akzessorietät im Rahmen der Rechtsanwendung gelockert werden muss. So kann es etwa in Extremfällen bei der Anwendung einzelner gesetzlich zugelassener Fälle liegen.31 III. Zwischenergebnis Mit den charakteristischen Merkmalen lassen sich der Inhalt und die Gren­ zen der Urheberzivilrechtsakzessorietät handhabbar machen. Die Merkmale zeigen insbesondere auf, wann die Akzessorietät nicht streng angewandt wird, denn in diesem Fall kommt eines dieser Merkmale gerade nicht zur Geltung. Sodann ist die Zivilrechtsakzessorietät gelockert. Das Prinzip der strengen Akzessorietät als solches muss damit aber noch nicht zwingend in Frage gestellt sein. Das Urheberstrafrecht ist deshalb zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet, um die verfassungsrechtliche Bestimmtheit der §§ 106 ff. UrhG in ihrer gegenwärtigen Fassung zu wahren. Vor diesem Hintergrund ist das Prinzip der strengen Akzessorietät nur dann durchbrochen, wenn wegen einer insoweit unzulässigen Lockerung keine hinreichende Erkennbarkeit mehr gewährleistet ist. In diesem Fall könnte die Akzessorietät ihre Funktion nicht mehr erfüllen. Dies erfordert immer eine Abwägung im Einzelfall, doch wird der Bestimmtheitsgrundsatz am ehesten verletzt sein, wenn ein wortlautiden­ tisch verwendeter Begriff strafrechtsautonom ausgelegt werden muss.

31  Vgl.

hierzu ausführlich Kapitel 4, § 1, D.

148 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät Als erstes der drei vorgelagert zu behandelnden Themenfelder32 ist auf die Konstellation einzugehen, in der der Urheber der Verwertung seines Werkes zustimmt. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Unterscheidung, ob diese Zustimmung vor oder nach Verwertung des Werkes erteilt wird. Mit der zi­ vilrechtlichen Terminologie der Rechtsgeschäftslehre ist auch hier der Begriff der Zustimmung (§ 182 BGB) übergeordnet zu verwenden, wobei im Falle der Erteilung vor Verwertung des Werkes von einer Einwilligung (§ 183 S. 1 BGB) und im Falle der Erteilung nach Verwertung des Werkes von einer Genehmigung (§ 184 Abs. 1 BGB) zu sprechen ist.33 In §§ 106 Abs. 1 und 108 Abs. 1 UrhG ist das Erfordernis der Verwertung und des Eingriffs „ohne Einwilligung des Berechtigten“ ausdrücklich im Gesetz normiert, gleiches gilt in etwas abgewandelter Terminologie für §§ 107 Abs. 1 und 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG.34 Die Darstellung orientiert sich hier zur Veranschaulichung jedoch stets an der unerlaubten Verwertung eines urheberrechtlich geschützten Werkes (§ 106 Abs. 1 UrhG). Dabei lassen sich die Wertungen im Grundsatz genauso auf die Verwertung einer Bearbeitung und Umgestaltung übertragen und gelten ebenso für die übrigen urheberstraf­ rechtlichen Zentraltatbestände.35 Auf sich in der Bewertung ergebende Unter­ schiede wird explizit hingewiesen. Im hiesigen Zusammenhang ist vor allem die Konstellation der nachträglichen Genehmigung von besonderer Bedeutung, insbesondere im Zusam­ menhang mit der Urheberzivilrechtsakzessorietät und dabei insbesondere vor dem Hintergrund des Merkmals der strafrechtsbegrenzenden Wirkung (Merk­ mal 4).36 Denn während die nachträgliche Genehmigung die Urheberrechts­ verletzung zivilrechtlich heilt, wird ihr – so viel kann vorweggenommen werden – von der ganz überwiegenden Meinung keine strafrechtlich-rechtfer­ tigende Wirkung zugeschrieben. Insoweit kann es aber zu der Konstellation kommen, dass innerhalb desselben Sachverhalts eine Strafbarkeit anzuneh­ men ist, ohne dass zivilrechtlich eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Da­ 32  Vgl. zur fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit Kapitel 3, § 3 und zur analogen Anwendung Kapitel 3, § 4. 33  Loewenheim-Flechsig, §  90 Rn.  36; Möhring/Nicolini-Soppe, § 31 Rn. 62; Wissmann, S. 353. 34  Vgl. zu § 108b Abs. 1 Nr. 1 Kapitel 3, § 2, A., II., 4. und zu § 107 Abs. 1 UrhG Kapitel 4, § 2, B., II. 35  Dies deshalb, weil das Fehlen der Einwilligung auch in den übrigen urheber­ strafrechtlichen Zentraltatbeständen ausdrücklich normiert ist. 36  Vgl. hierzu Kapitel 3, § 1, A., IV.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät149

mit ginge aber das Strafrecht über das Zivilrecht hinaus. Bevor hierauf inten­ siv eingegangen wird (B.), soll zunächst jedoch diejenige Konstellation in den Blick genommen werden, in der der Urheber die Einwilligung vor Ver­ wertung des Werkes erteilt (A.).

A. Einwilligung vor Verwertung des Werkes Dem Urheber steht es grundsätzlich frei, nach seinem Belieben über sein Werk zu verfügen. Dieser Autonomie wird besonders durch die §§ 15 ff. UrhG Ausdruck verliehen, die ihm Ausschließlichkeitsrechte zur Verwertung seines Werkes zuschreiben. Zu nennen sind dabei vor allem die für den Ur­ heber besonders relevanten Rechte der Vervielfältigung (§ 16 UrhG), Ver­ breitung (§ 17 UrhG) und öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG). Da­ bei steht es dem Urheber frei, diese Rechte wahrzunehmen oder aber auf sie zu verzichten. Es ist ihm aber auch möglich, einem anderen entsprechende Nutzungsrechte an seinem Werk einzuräumen.37 I. Zivilrechtliche Bewertung In der Praxis spielt die eigene Wahrnehmung der Verwertungsrechte durch den Urheber im Vergleich zur Einräumung von Nutzungsrechten eine eher untergeordnete Rolle.38 Dies zeigt sich bereits an der enormen Bedeutung der Rechtewahrnehmung durch Verwertungsgesellschaften.39 Der Urheber kann, ausgehend von seinen umfangreichen Befugnissen, jedoch auch lediglich ei­ nem Einzelnen entsprechende Nutzungsrechte an seinem Werk einräumen. 1. Rechteeinräumung

Rechtstechnisch erfolgt dies über die Einräumung sogenannter Lizenzen.40 Dies bemisst sich nach den §§ 31 ff. UrhG.41 Eine Rechteeinräumung kann 37  Vgl. zur begrifflichen Unterscheidung von Verwertungs- und Nutzungsrechten Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 3, 11; Fromm/Nordemann-J. B. Nordemann, § 31 Rn. 13; Möhring/Nicolini-Soppe, § 31 Rn. 33. 38  Fromm/Nordemann-J. B. Nordemann, Vor §§ 31 ff. Rn. 1; Wandtke/BullingerReinbacher, § 106 Rn. 24. 39  So bereits Weber, S. 266, der die Verwertung mit Einwilligung des Urhebers als „Normalfall“ bezeichnet. 40  Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 4; Fromm/Nordemann-J. B. Nordemann, § 31 Rn. 25; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 24. 41  Vgl. darüber hinaus die Spezialregelungen für Filme in §§ 88 ff. UrhG sowie für das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis die Vorschriften der §§ 43, 69b UrhG, auf die hier aber nicht näher eingegangen werden soll.

150 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

demnach sowohl vollumfänglich als auch begrenzt erfolgen, wobei die weit­ reichendste Form der Einräumung die Gewährung eines ausschließlichen Nutzungsrechts darstellt (§ 31 Abs. 3 UrhG). Mit einem einfachen Nutzungs­ recht kann der Urheber die Befugnisse aber auch räumlich, zeitlich sowie inhaltlich begrenzen (§ 31 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 UrhG). Beispielsweise kann der Urheber eines Musikwerks (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG) einem anderen das Recht einräumen, dass ausschließlich dieser die Komposition umfänglich verwerten darf. Er könnte dieses Recht aber auch darauf beschränken, dass die Komposition nur in Deutschland oder lediglich für die Dauer eines Jahres verwertet werden darf, wobei das Recht nach Ablauf der Zeit wieder an den Urheber zurückfallen soll. Ebenso könnte er dem Verwerter nur das Recht einräumen, lediglich den ersten Teil der Komposition in einer Jazz-Version zu vertonen, nicht jedoch den zweiten Teil, wenn er diesbezüglich einem Dritten das Recht eingeräumt hat, diesen Teil in einer Klassik-Version zu vertonen. Bei der Einräumung der Nutzungsrechte ist zu beachten, dass diese sowohl dinglich als auch schuldrechtlich erfolgen kann. Wird dem Verwerter ein dingliches Nutzungsrecht eingeräumt, gilt dieses gegenüber jedermann.42 Das schuldrechtliche Nutzungsrecht wirkt hingegen nur inter partes, bindet also lediglich den Urheber und den Verwerter, hat darüber hinaus aber keine absolute Wirkung gegenüber Dritten.43 Dabei sind das Abstraktions- und insbesondere das Trennungsprinzip zu beachten.44 Die Einräumung der Nutzungsrechte selbst stellt eine Verfügung dar, für die in erster Linie die Vorschriften der §§ 31 ff. UrhG Anwendung finden.45 Ergänzend sind die Vorschriften und Wertungen der Abtretung he­ ranzuziehen (§§ 398 ff. BGB).46 Der Verfügung liegt ein schuldrechtlicher Vertrag zugrunde, der die Verpflichtung zur Einräumung der dinglichen Nut­ zungsrechte erst begründet. Bei diesem Vertrag kann es sich sowohl um einen Rechtskauf (§ 453 BGB) als auch um einen Vertrag sui generis mit Elemen­ ten der Miete oder der Pacht handeln.47

42  Dreier/Schulze-Schulze,

§ 31 Rn. 6. beachten ist, dass bei zeitlich befristeter Rechteeinräumung nach Ablauf der vereinbarten Frist nur im Falle eines schuldrechtlich eingeräumten Nutzungsrechts ein Rückübertragungsakt erforderlich wird, nicht hingegen auch bei einem ding­lichen; vgl. hierzu Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 7; Mörhing/Nicolini-Soppe, § 31 Rn. 58. 44  Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 15; Fromm/Nordemann-J. B. Nordemann, § 31 Rn.  26 ff.; Möhring/Nicolini-Soppe, § 31 Rn. 77 ff. 45  Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 15. 46  Vgl. hierzu später Kapitel 3, § 2, B., II., 2., b). 47  Vgl. Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 15; Möhring/Nicolini-Soppe, § 31 Rn. 77. 43  Zu



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät151

Die Erteilung der Einwilligung ist jedoch nicht auf die Einräumung eines dinglichen oder schuldrechtlichen Nutzungsrechts begrenzt, ausreichend ist vielmehr auch eine einfache zivilrechtliche Gestattung.48 Eine solche begrün­ det die schuldrechtliche Verpflichtung des Urhebers, gegenüber dem Verwer­ ter nicht von seinen Verbotsrechten Gebrauch zu machen.49 Eine solche Ge­ stattung wird in der Regel nicht ausdrücklich, sondern meist konkludent er­ teilt.50 2. Rechtsfolgen

Wird das Werk nach der Rechteeinräumung von dem Berechtigten in einer Form verwertet, die über §§ 15 ff. UrhG an sich dem Urheber vorbehalten ist, wird damit nicht in Rechte des Urhebers eingegriffen. Dies gilt zumindest solange, wie sich die Verwertung tatsächlich im Rahmen der dem Verwerter eingeräumten Nutzungsrechte bewegt. Die Verwertung selbst ist in diesem Fall nicht unzulässig, sodass der Urheber den Verwerter auch nicht zivil­ rechtlich in Anspruch nehmen kann. Es liegt insoweit trotz Verwertung des Werkes durch eine andere Person als der des Urhebers von Anfang an keine Urheberrechtsverletzung vor. Gleiches gilt freilich dann, wenn der Urheber dem Verwerter ein aus­ schließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat (§ 31 Abs. 3 UrhG) und dieser sodann einem Dritten eine Lizenz erteilt. Verwertet der Dritte daraufhin das Werk, begeht auch der Dritte keine Urheberrechtsverletzung, sofern er sich innerhalb der ihm eingeräumten Rechte bewegt. Im Folgenden soll jedoch weiterhin die Konstellation im Mittelpunkt stehen, in der der Urheber selbst dem Verwerter entsprechende Rechte einräumt. Diese gilt jedoch pars pro toto auch für die Konstellation der Einschaltung eines Dritten, sodass sich die Wertungen stets auch auf die Fälle der Unterlizenzierung beziehen. Auf die dogmatische Herleitung der zivilrechtlichen Rechtsposition des Verwerters nach Einräumung der Nutzungsrechte soll an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Entscheidend ist jedoch, dass der Verwerter im Verhältnis zum Urheber zur Verwertung berechtigt ist (er also keine Urheber­ rechtsverletzung begeht) und dass sich die speziellen zivilrechtlichen Rechts­ folgen darüber hinaus nach dem jeweiligen Vertrag und den Vereinbarungen 48  So Dreier/Schulze-Schulze, § 29 Rn. 18, § 31 Rn. 6, § 106 Rn. 8; Heinrich, S. 260; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 117. 49  Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 6; Schricker/Loewenheim-Ohly, § 29 Rn. 29; vgl. zur Doppelnatur der Verwertungsrechte als positive und negative Nutzungsrechte Fromm/Nordemann-Dustmann, § 15 Rn. 1. 50  Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 6.

152 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

der Parteien richten.51 Dabei ist zu erwähnen, dass das Urheberrecht selbst auch im Falle einer Einwilligung nicht abgetreten werden kann. II. Strafrechtliche Bewertung Sofern der Verwerter nach Einräumung der Nutzungsrechte das Werk ver­ vielfältigt, verbreitet oder öffentlich wiedergibt, macht er sich jedenfalls nicht nach § 106 Abs. 1 UrhG strafbar, sofern sich die Verwertung innerhalb der ihm eingeräumten Nutzungsrechte bewegt. Systematisch lässt sich dieses Ergebnis aus der Zivilrechtsakzessorietät herleiten, da in diesem Fall bereits keine zivilrechtliche Urheberrechtsverletzung vorliegt, dogmatisch ergibt sich das Ergebnis der Straffreiheit aus dem ausdrücklich in § 106 Abs. 1 UrhG normierten Erfordernis, wonach keine „Einwilligung des Berechtigten“ vorliegen darf. Im Folgenden soll dieses gesetzlich normierte Erfordernis zunächst dog­ matisch eingeordnet werden (1.), bevor auf seine einzelnen Voraussetzungen eingegangen wird (2.). Sodann soll dies vor dem Hintergrund der Zivilrechts­ akzessorietät betrachtet (3.) und abschließend die etwas abweichende Formu­ lierung in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG bewertet werden (4.). 1. Dogmatische Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt,52 entfällt bei Vorliegen einer Ein­ willigung nicht bereits der strafrechtliche Tatbestand.53 Mit der überwiegen­ den Auffassung stellt das in § 106 Abs. 1 UrhG normierte Erfordernis „ohne Einwilligung des Berechtigten“ einen Rechtfertigungsgrund dar.54 Gleiches gilt für das wortlautidentisch formulierte Merkmal in § 108 Abs. 1 UrhG.55 Dies mag deshalb verwundern, weil das Erfordernis ausdrücklich im Ge­ setzestext genannt ist, was an sich eher dem Charakter eines negativ formu­ 51  Vgl. hierzu ausführlich Fromm/Nordemann-J. B. Nordemann, Vor §§  31 ff. Rn.  163 ff., 295 ff. 52  Vgl. Kapitel 1, § 1, D., III. 53  So aber vertreten von Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 36; Schricker/Loewen­ heim-Kudlich, § 106 Rn. 33; Wissmann, S.  362 ff. 54  Do Chi, S. 234  f.; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 25; Heinrich, S. 260; Hildebrandt, S. 241; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 33; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 115; Wandtke/BullingerReinbacher, § 106 Rn. 24c; Weber, S.  265 ff. 55  Vgl. Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108 Rn. 8; Möhring/Nico­ lini-Sternberg-Lieben, § 108 Rn. 6; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108 UrhG Rn. 6; a. A. auch hier Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 107.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät153

lierten objektiven Tatbestandsmerkmals entspräche. Dies gilt umso mehr, als sich die rechtfertigende Wirkung bei Vorliegen einer Einwilligung auch ohne explizite Normierung des Erfordernisses bereits aus dem ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der Einwilligung ergeben hätte.56 Sofern der Gesetzgeber das Erfordernis jedoch als zum Tatbestand gehörig ansehen würde, hätte es näher gelegen, entsprechend der üblichen57 begriff­ lichen Differenzierung zwischen rechtfertigender Einwilligung und tatbe­ standsausschließendem Einverständnis jedenfalls den Begriff der Einwilli­ gung zu vermeiden.58 Gerade die ausdrückliche Bezeichnung als Einwilli­ gung spricht aber dafür, das Erfordernis auch tatsächlich als zur Ebene der Rechtswidrigkeit gehörig anzusehen und bei Vorliegen einer Einwilligung die Rechtswidrigkeit auszuschließen. Gerade weil sich die Rechtfertigung des Eingriffs bei Vorliegen einer Ein­ willigung mit der ganz überwiegenden Meinung auch aus dem allgemeinen Rechtfertigungsgrund herleiten ließe, kann der expliziten Normierung dieses Erfordernisses in § 106 Abs. 1 UrhG jedoch lediglich deklaratorische Wir­ kung zukommen.59 Jedenfalls wäre die Straffreiheit auch aus den allgemei­ nen Grundsätzen herzuleiten gewesen. 2. Voraussetzungen der rechtfertigenden Einwilligung im Einzelnen

Im Folgenden wird auf die einzelnen Voraussetzungen der Einwilligung näher eingegangen. Da sich diese sowie die Rechtsfolgen jedenfalls auch aus den Vorgaben des allgemeinen Strafrechts ergeben,60 ist neben den speziel­ len Voraussetzungen, die § 106 Abs. 1 UrhG aufstellt, auch auf diejenigen Voraussetzungen zurückzugreifen, die im Laufe der Zeit zum ungeschriebe­ nen Rechtfertigungsgrund der Einwilligung entwickelt wurden. In Bezug auf die von § 106 Abs. 1 UrhG selbst aufgestellten speziellen Voraussetzungen hat die explizite Normierung des Erfordernisses freilich nicht lediglich dekla­ ratorische Wirkung.61 56  Vgl. Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 453; Kühl, § 9 Rn. 20; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 564. 57  Anders hingegen etwa Roxin, Strafrecht AT I, § 13 Rn. 11 m. w. N., der der Unterscheidung zwischen Einwilligung und Einverständnis keine entscheidende Be­ deutung beimessen möchte. 58  Diesen Schluss feststellend Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 24. 59  So auch Do Chi, S. 235. 60  Do Chi, S. 235; Heinrich, S. 260; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 115. 61  Vgl. insbesondere zur Einwilligungsberechtigung sogleich Kapitel 3, § 2, A., II., 2., b).

154 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

a) Disponibilität des Rechtsguts Die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung verlangt zunächst, dass das von dem Straftatbestand geschützte Rechtsgut überhaupt zur Disposition des Einwilligenden steht (Disponibilität). Das bedeutet, dass der Einwilligende über das Rechtsgut grundsätzlich frei verfügen können muss (Individual­ rechtsgut).62 Damit scheidet eine Einwilligung in den Fällen aus, in denen das vom Straftatbestand geschützte Rechtsgut der Verfügung des Einzelnen entzogen ist, insbesondere bei Straftatbeständen zum Schutz der Allgemein­ heit.63 Die Frage der Disponibilität bedarf üblicherweise einer Auslegung des je­ weiligen Straftatbestandes, ob und inwieweit dessen geschütztes Rechtsgut zur Disposition des Einzelnen stehen soll.64 Dass in die Verwertung eines urheberrechtlich geschützten Werkes grundsätzlich eingewilligt werden kann, ergibt sich bei § 106 Abs. 1 UrhG bereits daraus, dass das Erfordernis des Nicht-Vorliegens der Einwilligung explizit in der Vorschrift genannt ist.65 Gleiches gilt grundsätzlich auch für die übrigen Straftatbestände des Urhe­ berstrafrechts.66 Die explizite Normierung des Erfordernisses hat jedoch auch insoweit lediglich deklaratorische Wirkung, als sich die grundsätzliche Mög­ lichkeit der Einwilligung bereits hinreichend aus der Feststellung ergeben kann, dass es sich bei den urheberrechtlichen Verwertungsrechten um ein disponibles Rechtsgut handelt. b) Einwilligungsberechtigung Die Wirksamkeit der Einwilligung hängt sodann davon ab, dass die Ein­ willigung von demjenigen erteilt wird, der hierzu befugt ist. Diese Vorausset­ zung kann als Einwilligungsberechtigung bezeichnet werden.67 § 106 Abs. 1 62  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 455; Kühl, § 9 Rn. 27; Rengier, Strafrecht AT, § 23 Rn. 9; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 566. 63  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 455; Kühl, § 9 Rn. 27; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 566. 64  Dies wird für die Rechtsgüter der übrigen urheberstrafrechtlichen Zentraltatbe­ stände grundsätzlich angenommen, lediglich bei § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG wird neben dem Schutz des Urhebers auch darüber diskutiert, ob der Straftatbestand das Interesse der Allgemeinheit schützt; vgl. hierzu Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 107 Rn. 10; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 107 Rn. 17. 65  Hildebrandt, S. 242. 66  Vgl. zu Einzelheiten Hildebrandt, S. 243. 67  Lediglich in der Terminologie etwas abweichend Rengier, Strafrecht AT, § 23 Rn. 13, der von „Verfügungsbefugnis“ spricht; vgl. Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 567, wo dies als „Verfügungsberechtigung“ bezeichnet wird.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät155

UrhG normiert diesbezüglich das Erfordernis, dass die Einwilligung vom „Berechtigten“ erteilt werden muss. Für die Bestimmung des in diesem Sinne Berechtigten sind vorrangig die §§ 7 ff. UrhG von Bedeutung.68 Demnach ist es zunächst der Urheber selbst, der in die Verwertung seines urheberrechtlich geschützten Werkes einwilli­ gen kann. Als Berechtigter ist aber auch der Rechtsnachfolger des Urhebers (§§ 28 ff. UrhG) anzusehen. Darüber hinaus kann sich die Berechtigung zur Einwilligung aber auch daraus ergeben, dass dem Einwilligenden selbst ein Nutzungsrecht eingeräumt wurde. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt,69 gilt dies jedoch nur für den Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts.70 Der Inhaber einer einfachen Lizenz (§ 31 Abs. 2 UrhG), insbesondere eines inhaltlich beschränkten Nutzungsrechts, kann hingegen keine wirksame Ein­ willigung erteilen.71 Etwas anderes gilt freilich dann, wenn der Urheber den einfach Nutzungsberechtigten explizit dazu ermächtigt hat, eine Einwilligung zu erteilen.72 Besonderheiten gelten in Bezug auf Bearbeitungen (§ 3 UrhG). Hier sind der Rechteinhaber des bearbeiteten Originalwerks und der Bearbeiter selbst als berechtigt i. S. d. § 106 Abs. 1 UrhG anzusehen.73 Somit kann in die Verwertung der Bearbeitung nur dadurch wirksam eingewilligt werden, dass beide die Einwilligung gleichermaßen erteilen.74 Ähnlich verhält es sich bei der Miturheberschaft (§ 8 UrhG), bei der es für eine wirksame Einwilligung der Erklärung aller an der Schaffung des Werkes als Miturheber Beteiligter bedarf.75 Bei den übrigen urheberstrafrechtlichen Zentraltatbeständen beste­ hen ansonsten keine Besonderheiten.76 In Bezug auf das grundsätzliche Erfordernis, dass die Einwilligung nur vom Berechtigten erteilt werden kann, hat die explizite Normierung im Ge­ 68  MüKo-StGB-Heinrich,

3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 115. hierzu bereits Kapitel 1, § 1, D., III. 70  Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 9; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, § 106 Rn. 8; Heinrich, S. 260; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 116; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 106 Rn. 35; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 25; Weber, S. 271. 71  Vgl. Kapitel 1, § 1, D., III. 72  Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 55; Heinrich, S. 260  f.; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 116; Weber, S. 271. 73  Heinrich, S. 260; Weber, S. 270. 74  Weber, S. 270. 75  Heinrich, S. 260; Weber, S. 269. 76  Insoweit ist lediglich zu erwähnen, dass insbesondere bei § 108 Abs. 1 Nr. 4 UrhG in den Fällen, in denen nicht ein einzelner Künstler, sondern etwa eine Künst­ lergruppe betroffen ist, auf den Leiter dieser Gruppe abgestellt werden muss; vgl. hierzu Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108 Rn. 8. 69  Vgl.

156 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

setz erneut lediglich die angesprochene deklaratorische Wirkung. In Bezug auf die Frage, wer als Berechtigter in diesem Sinne anzusehen ist, werden die allgemeinen Regeln durch die urheberstrafrechtlichen Besonderheiten hingegen modifiziert. Dies gilt insbesondere für die Beschränkung der Be­ rechtigung auf Inhaber lediglich ausschließlicher Nutzungsrechte. Zu erwähnen ist schließlich, dass der Urheber, der einem anderen ein aus­ schließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat, freilich nicht mehr „Berechtig­ ter“ i. S. d. § 106 Abs. 1 UrhG ist. Damit verliert er aber nicht nur das Recht, einem Dritten die Verwertung zu gestatten, er kann sich auch selbst strafbar machen, wenn er sein eigenes Werk weiterhin verwertet. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Einordnung der Einwilligung als Rechtfertigungsgrund zu der rechtlich absurden Situation führen kann, dass der Urheber, der sein eigenes Werk vervielfältigt, an sich den Tatbestand des § 106 Abs. 1 UrhG verwirklichen würde. Sofern man dem in § 106 Abs. 1 UrhG normierten Erfordernis der fehlenden Einwilligung ausschließlich den Charakter eines Rechtfertigungsgrundes zuschreiben würde, würde der Urhe­ ber in diesem Fall tatbestandsmäßig handeln und es käme rechtlich darauf an, dass der Urheber die Einwilligung jedenfalls konkludent an sich selbst erklärt. Eben deshalb wird zu Recht dafür plädiert, dem in § 106 Abs. 1 UrhG normierten Erfordernis die Funktion zuzuschreiben, jedenfalls den Urheber selbst aus dem Bereich tauglicher Täter herauszunehmen.77 Inso­ weit kann man von einer „Doppelfunktion“ der Einwilligung sprechen, da sie einerseits die Verwertung durch den Täter rechtfertigen und andererseits den Urheber selbst, der sein eigenes Werk verwertet, bereits aus dem Bereich der tauglichen Täter ausnehmen soll.78 c) Erklärung der Einwilligung Die strafrechtlich-rechtfertigende Wirkung verlangt, dass der Berechtigte die Einwilligung auch tatsächlich erklärt hat.79 Insoweit bestehen an sich keine Besonderheiten zum ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der Ein­ willigung, außer dass die Erklärung im Urheberstrafrecht meist konkludent im Rahmen der Einräumung eines zivilrechtlichen Nutzungsrechts erfolgt.80

77  Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 33; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 24c. 78  Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 33; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 24c. 79  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 457; Kühl, § 9 Rn. 31; Rengier, Strafrecht AT, § 23 Rn. 20. 80  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 116.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät157

Dies ist nach allgemeinen Grundsätzen zulässig.81 Darüber hinaus ist es aber auch möglich, dass die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung bereits durch eine Erklärung im Rahmen einer bloß schuldrechtlichen Gestattung ausgelöst wird.82 Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ein­ räumung eines Nutzungsrechts, wie erwähnt, die gängigste Form der Einwil­ ligung darstellt. Jedenfalls erfordert die Einwilligung das Vorliegen einer tatsächlichen Er­ klärung des Berechtigten, die seine Sphäre verlassen hat und nach außen gedrungen ist, denn hierin ist der entscheidende Unterschied zum tatbe­ standsausschließenden Einverständnis zu sehen, das gerade nicht explizit er­ klärt werden muss.83 Allerdings ist es für die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung grundsätzlich unerheblich, ob diese gegenüber demjenigen er­ klärt wird, der das Werk letztlich verwertet, oder aber gegenüber einem un­ beteiligten Dritten.84 Wird sie jedoch gegenüber einem unbeteiligten Dritten erklärt, wird die Begründung der rechtfertigenden Wirkung deshalb deutlich schwerer fallen, weil die Einwilligung auch ein subjektives Rechtfertigungselement voraussetzt, das jedenfalls die Kenntnis des Handelnden von der Erklärung der Einwilligung verlangt.85 Wurde die Einwilligung jedoch ge­ genüber einem unbeteiligten Dritten erklärt, bedarf es entsprechender An­ haltspukte dafür, dass der Verwerter tatsächlich Kenntnis von der Erklärung gegenüber diesem Dritten hatte und das Werk gerade aufgrund dieser Kennt­ nis verwertet hat. Überdies bestehen jedoch keine nennenswerten Besonder­ heiten zum ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der Einwilligung. d) Weitere Voraussetzungen Darüber hinaus sind, wie erwähnt, die weiteren Voraussetzungen zu beach­ ten, die sich im Laufe der Zeit durch Rechtsprechung und Literatur im Zu­ sammenhang mit dem ungeschriebenen Rechtfertigungsgrund der Einwilli­ gung entwickelt haben.

81  Vgl. Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 457; Kühl, § 9 Rn. 31; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 37; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 35a; Rengier, Strafrecht AT, § 23 Rn. 21. 82  Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 8; Heinrich, S. 260; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 35; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 117; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 24; a. A. hingegen Weber, S. 273 f., der die Möglichkeit der Einwilligungserklärung auf den Weg der Lizenzeinräumung und in­ soweit auf die §§ 31 ff. UrhG beschränkt sieht. 83  Vgl. Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 561. 84  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 457. 85  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 462; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 581.

158 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Von Bedeutung ist dabei als erstes die Eiwilligungsfähigkeit des Berechtig­ ten. Diese verlangt, dass der Berechtigte entsprechend seiner geistigen und sittlichen Reife die Reichweite und Bedeutung seines Verzichts auf den Schutz seiner Rechtsgüter erkennen kann.86 Für die strafrechtlich-rechtferti­ gende Wirkung ist dabei an sich nicht die zivilrechtliche Geschäftsfähigkeit entscheidend, sondern allein die tatsächliche Urteilsfähigkeit des Berechtig­ ten.87 Hierauf wird sogleich noch näher einzugehen sein.88 Relevant ist zudem, dass der Berechtigte die Einwilligung vor der Tat er­ klärt hat.89 Damit geht auch das Erfordernis einher, dass die Erklärung zum Zeitpunkt der Tatbegehung noch vorliegt.90 Denn als einseitige Erklärung ist sie nach allgemeinen Regeln zumindest bis zur Tatausführung jederzeit frei widerrufbar.91 Auf die umgekehrte Konstellation, dass der Urheber seine Zustimmung erst nach der Verwertung des Werkes erteilt, wird im Anschluss eingegangen.92 Die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung erfordert zudem, dass die Erklärung frei von Willensmängeln93 erfolgte und nicht durch Drohung er­ wirkt worden ist.94 Auch bezüglich der Behandlung von Irrtümern wirkt sich die Einordnung des Merkmals als zur Rechtswidrigkeit und nicht zum Tatbestand gehörend aus. Dies gilt umso mehr, als die Auswirkungen eines Irrtums wesentlich davon abhängen, auf welcher Ebene des dreistufigen De­ liktsaufbaus der Irrtum zu verorten ist. Auf Einzelheiten soll an dieser Stelle aufgrund der Komplexität der Irrtumsmaterie und der damit einhergehenden Probleme aber nicht weiter eingegangen werden,95 einzelne Aspekte dieser Thematik werden jedoch an späterer Stelle noch relevant.96

86  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 456; Kühl, § 9 Rn. 33; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 568. 87  Kühl, § 9 Rn. 33. 88  Vgl. Kapitel 3, § 2, A., II., 3., a). 89  Kühl, § 9 Rn. 32; Rengier, Strafrecht AT, § 23 Rn. 22; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 580. 90  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 460. 91  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 460; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 38; Möhring/ Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 35b. 92  Vgl. Kapitel 3, § 2, B. 93  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 461; Rengier, Strafrecht AT, § 23 Rn. 23 ff. 94  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 461; Kühl, § 9 Rn. 26. 95  Vgl. hierzu ausführlich Wissmann, S.  362 ff. 96  Vgl. zu den Irrtumskonstellationen später Kapitel 3, § 3, B., IV.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät159

3. Zivilrechtsakzessorische Einordnung

Relevant ist im hiesigen Zusammenhang, was eine Einwilligung vor Verwertung des Werkes für die Urheberzivilrechtsakzessorietät bedeutet. Diese Frage ist anhand der vier oben herausgearbeiteten Merkmale der Zivilrechts­ akzessorietät zu beantworten.97 Dabei wird sich zeigen, dass sich die Zivil­ rechtsakzessorietät in den Fällen der vor der Verwertung des Werkes erteilten Einwilligung durchaus streng anwenden lässt. a) Inhaltliche Anlehnung (Merkmal 1) Dies zeigt sich zunächst daran, dass die strafrechtliche Bewertung des Sachverhalts bei vorheriger Einwilligung durchaus der Bewertung gleicht, die auch zivilrechtlich vorzunehmen ist. Sofern der Urheber die Verwertung vor der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe gestattet, liegt weder eine zivilrechtliche Urheberrechtsverletzung, noch eine Strafbar­ keit nach § 106 UrhG vor, da die Einwilligung rechtfertigende Wirkung ent­ faltet. Somit ist ein inhaltlicher Gleichlauf zwischen der urheberstrafrecht­ lichen und urheberzivilrechtlichen Bewertung innerhalb desselben Sachver­ halts gegeben. Gleiches zeigt sich grundsätzlich auch in der umgekehrten Konstellation. Ist eine vorherige Einwilligung gerade nicht oder nicht wirksam erteilt wor­ den, so gilt dies grundsätzlich gleichermaßen für das Zivilrecht und das Strafrecht. aa) Zivilrechtliche Wirksamkeit als zusätzliche Voraussetzung? Einer vertieften Erörterung bedarf die Konstellation, in der der Urheber zwar eine umfassende Einwilligung erteilt, diese also sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich gelten soll, diese jedoch zivilrechtlich unwirksam ist. Dies betrifft etwa Fälle der Einwilligung durch einen Minderjährigen. Da die strafrechtliche Einwilligung lediglich die Einsichtsfähigkeit und nicht auch die Geschäftsfähigkeit des Berechtigten voraussetzt,98 könnte die Einwilli­ gung bei Erteilung durch einen Minderjährigen strafrechtlich wirksam sein, zivilrechtlich jedoch nicht. Der Veranschaulichung soll der Fall eines künstlerisch sehr begabten 15-Jährigen dienen, der in eigenschöpferischer Leistung ein Aquarell anfer­ tigt. Damit schafft er ein urheberrechtsfähiges Werk (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), 97  Vgl.

Kapitel 3, § 1, A. soeben Kapitel 3, § 2, A., II., 2., d).

98  Siehe

160 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

wobei er unabhängig von seinem Alter als Urheber dieses Werkes anzusehen ist.99 Aufgrund seiner Minderjährigkeit ist er zivilrechtlich jedoch lediglich beschränkt geschäftsfähig (vgl. §§ 2, 106 BGB). Gestattet der Minderjährige nun einem anderen, von dem Aquarell Vervielfältigungen anzufertigen und diese etwa kommerziell zu vermarkten, ist die Einwilligung, die zivilrecht­ lich eine rechtsgeschäftliche Handlung darstellt und auf die deshalb die Vorschriften der Rechtsgeschäftslehre Anwendung finden,100 aufgrund der beschränkten Geschäftsfähigkeit bis zur Genehmigung durch seine gesetzli­ chen Vertreter schwebend unwirksam (§ 108 Abs. 1 BGB). Verweigern diese die Genehmigung, liegt zivilrechtlich keine wirksame Zustimmung vor. Damit ist die Verwertung zivilrechtlich unzulässig, sodass der Verwerter eine Ur­ heberrechtsverletzung begeht und jedenfalls auf Unterlassung grundsätzlich unabhängig davon haftet, ob er von dem Umstand Kenntnis hat oder nicht. Für die strafrechtlich-rechtfertigende Wirkung der Einwilligung bedarf es, wie erwähnt, hingegen an sich keiner Geschäftsfähigkeit des Erklärenden, hier genügt es, wenn dieser die notwendige Einwilligungsfähigkeit auf­ weist.101 Diese im hier dargestellten Sachverhalt vorausgesetzt, hätte der Minderjährige dem Verwerter eine strafrechtlich wirksame Einwilligung er­ teilt, die in Bezug auf die Verwertung rechtfertigende Wirkung entfaltet. ­Somit begeht der Verwerter jedenfalls keine unerlaubte Verwertung i. S. d. § 106 Abs. 1 UrhG. Die strafrechtliche und zivilrechtliche Bewertung fallen sodann aber innerhalb desselben Sachverhalts auseinander. Misst man dies an der Zivilrechtsakzessorietät und insbesondere an dem Merkmal der inhaltlichen Anlehnung der strafrechtlichen Bewertung an die zivilrechtliche Rechtslage könnte man erwägen, dass die zivilrechtliche Unwirksamkeit auf die strafrechtliche Beurteilung der Einwilligung durchschlagen müsste. Insoweit stellt sich die Frage, ob es gerade wegen der Zivil­ rechtsakzessorietät erforderlich ist, als zusätzliche Voraussetzung der urhe­ berstrafrechtlichen Einwilligung die zivilrechtliche Wirksamkeit zu fordern. Jedenfalls ergäbe sich dann ein inhaltlicher Gleichlauf und die strafrechtliche Bewertung würde sich an die zivilrechtliche anlehnen. Dieses Verständnis scheint Weber an den Tag zu legen.102 In einer Kon­ stellation wie der hier beschriebenen geht er davon aus, der Minderjährige habe nicht nur zivilrechtlich, sondern auch strafrechtlich keine wirksame Einwilligung erteilt.103 Somit entfalte die vom Minderjährigen erklärte Ein­ 99  Vgl.

Dreier/Schulze-Schulze, § 7 Rn. 3; Fromm/Nordemann-Wirtz, § 7 Rn. 9. MüKo-BGB-Bayreuther, 8. Aufl., § 182 Rn. 2. 101  Vgl. Kapitel 3, § 2, A., II., 2., d). 102  Vgl. Weber, S.  273 f. 103  Weber, S.  273 f. 100  Vgl.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät161

willigung auch keine strafrechtlich-rechtfertigende Wirkung des Verwer­ ters.104 Dies ist jedoch weniger auf eine aus der Akzessorietät stammende Begründung, als vielmehr auf ein allgemein abweichendes Verständnis Webers in Bezug auf die Voraussetzungen der Einwilligung zurückzuführen. Nichtsdestotrotz begründet Weber seine Haltung letztlich auch aus der Erwä­ gung, dass andernfalls „die Rechtmäßigkeit der Werkverwertung zivilrecht­ lich anders zu beurteilen wäre als strafrechtlich“105 und bringt dies damit – möglicherweise unbewusst – in einen Zusammenhang mit der Zivilrechtsak­ zessorietät. Dies bekräftigt Weber andernorts sogar unter Verweis auf seine vorherigen Ausführungen und stellt fest, dass „eine strafrechtlich wirksame Einwilligung […] nur mittels eines wirksamen zivilrechtlichen Vertrages denkbar“ sei.106 bb) B  ewertung unter Berücksichtigung der Funktion der Zivilrechtsakzessorietät Die zusätzliche Voraussetzung der zivilrechtlichen Wirksamkeit mag auf den ersten Blick nahezu zwingend erscheinen. Es ist aber gerade dieser von Weber angeführte Zusammenhang zur Zivilrechtsakzessorietät, der gegen eine solche zusätzliche Voraussetzung spricht. Die Notwendigkeit der inhalt­ lichen Abhängigkeit des Urheberstrafrechts vom Urheberzivilrecht ist stets vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes und des Erfordernisses zu sehen, hierdurch eine hinreichende Erkennbarkeit der weit gefassten urheberstrafrechtlichen Tatbestandsmerkmale zu ermögli­ chen. Diese Notwendigkeit besteht hier aber nicht, denn die Voraussetzungen der Einwilligung werden im Strafrecht grundsätzlich in gleicher Weise beur­ teilt und sind dabei unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der Erklärung.107 Insoweit besteht überhaupt kein Bedürfnis, ausgerechnet die Einwilligung im Urheberstrafrecht anders zu behandeln als bei anderen Straftatbeständen. Gerade aus dem Bestimmtheitsgrundsatz ließe sich sogar die genau gegen­ teilige Argumentation herleiten: Sofern die zivilrechtliche Wirksamkeit eine konstituierende Voraussetzung der urheberstrafrechtlichen Einwilligung dar­ stellte, würde die Einwilligung im Urheberstrafrecht enger verstanden als in anderen Bereichen des Strafrechts. Sodann wäre es aber gerade diese unein­ heitliche Bewertung, die eine Gefahr für die hinreichende Erkennbarkeit Weber, S.  273 f. S. 272. 106  Weber, FS Baur 1981, S. 141. 107  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 456; Rengier, Strafrecht AT, § 23 Rn. 16. 104  Vgl.

105  Weber,

162 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

darstellen würde.108 Denn das Erfordernis der zivilrechtlichen Wirksamkeit würde sich nur aus der Zivilrechtsakzessorietät ergeben und deshalb auch nur im Urheberstrafrecht eine zusätzliche Voraussetzung der Einwilligung dar­ stellen. Im übrigen Strafrecht bliebe es hingegen dabei, dass eine wirksame Einwilligung lediglich die Einsichtsfähigkeit voraussetzt. Dass aber gerade die Einwilligung im Urheberstrafrecht enger verstanden werden soll, wäre für den Rechtsanwender einerseits kaum erkennbar und würde andererseits erhebliche Wertungswidersprüche begründen. Dies gilt auch im Hinblick auf das funktionale Verständnis der Einheit innerhalb der Rechtsordnung.109 Insbesondere wäre es kaum nachvollziehbar, warum sich der Betroffene trotz Einwilligung des Minderjährigen bei einer Verwertung des Werkes strafbar machen würde, er aber straffrei bliebe, würde er das Aquarell nicht verwerten, sondern damit dem Minderjährigen auf den Arm schlagen, nach­ dem dieser darin eingewilligt hat. Im Fall der körperlichen Misshandlung würde der ungeschriebene Rechtfertigungsgrund der Einwilligung greifen, der lediglich von der Einsichtsfähigkeit des Minderjährigen abhinge. Läge diese vor, wäre die Strafbarkeit wegen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB, gegebenenfalls sogar i. V. m. § 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB) gerechtfertigt, sofern die Einwilligung nicht die Grenzen des § 228 StGB überschreitet. Es bestünde also keine Notwendigkeit für eine uneinheitliche Bewertung der Einwilligung, da auch die sonstigen Voraussetzungen der Einwilligung im gesamten Strafrecht grundsätzlich identisch sind. Vor allem bestünde keine Gefahr mangelnder Bestimmtheit, wenn die Einwilligung im Urheber­ strafrecht nicht von der zivilrechtlichen Wirksamkeit abhinge. Die Einsichts­ fähigkeit ist somit auch im Urheberstrafrecht das insoweit konstituierende Merkmal. cc) Zwischenergebnis Wenn der Urheber vor der Verwertung in die Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe seines Werkes wirksam eingewilligt hat, liegt ein inhaltlicher Gleichlauf zwischen der zivilrechtlichen und strafrechtlichen Bewertung vor. Anders ist dies, sofern die Einwilligung zivilrechtlich un­ wirksam ist, wie dies etwa bei der Einwilligung eines minderjährigen Ur­ hebers der Fall sein kann. Da das Strafrecht insoweit lediglich die Einsichts­ fähigkeit des Minderjährigen voraussetzt, würde die strafrechtliche sodann von der zivilrechtlichen Bewertung abweichen und die Zivilrechtsakzessorie­ 108  So i.  E. auch Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 24, 24c; Wissmann, S. 353. 109  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 4, B., II.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät163

tät wäre damit gelockert. Dies begründet aber nicht den Vorwurf der man­ gelnden Bestimmtheit und führt somit auch nicht zur Durchbrechung des Prinzips der Zivilrechtsakzessorietät. b) Tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2) Das Merkmal der tatbestandlichen Begriffsabhängigkeit hilft an dieser Stelle nicht weiter. Diese wurde aus dem Erfordernis hergeleitet, den Inhalt der weit gefassten Tatbestandsmerkmale erkennbar zu machen. Die Einwilli­ gung ist hier aber eben als Rechtfertigungsgrund anzusehen.110 Somit kann das zivilrechtsakzessorische Merkmal der tatbestandlichen Begriffsabhängig­ keit an dieser Stelle nicht bemüht werden, zumal das Urheberzivilrecht selbst den Begriff der „Einwilligung“ gar nicht nennt. c) Rechtsgüterschutz (Merkmal 3) Die Konstellation der vorherigen Einwilligung ist jedoch am dritten zivil­ rechtsakzessorischen Merkmal zu messen, nämlich dem gleichlaufenden Rechtsgüterschutz. Hiermit wurde beschrieben, dass das Urheberstrafrecht gerade wegen der Zivilrechtsakzessorietät grundsätzlich dieselben Rechtsgü­ ter schützt wie das Urheberzivilrecht.111 Hat der Urheber in die Verwertung seines Werkes wirksam eingewilligt, so verzichtet er auf die Wahrnehmung der ihm an sich über §§ 15 ff. UrhG zu­ geschriebenen Verwertungsrechte. Es besteht sodann kein Bedürfnis mehr, dass der Urheber zivilrechtlichen Schutz in Bezug auf das Rechtsgut der Verwertungsrechte erhält und sich auf das Rechtsfolgenregime der §§ 97 ff. UrhG berufen kann. Dies gilt zumindest solange, wie sich der Verwerter in­ nerhalb derjenigen Grenzen bewegt, die im Rahmen der Rechteeinräumung vereinbart wurden. Genauso verhält es sich auch aus strafrechtlicher Perspektive. Auch § 106 UrhG hat den Schutz der Verwertungsrechte des Urhebers vor Augen.112 Hat sich der Urheber mit dem Verwerter wirksam auf die Wahrnehmung seiner Verwertungsrechte verständigt, besteht kein Bedürfnis mehr, dem Urheber strafrechtlichen Schutz zu gewähren. Auch dies gilt freilich nur solange, wie sich die Verwertung innerhalb der vereinbarten Grenzen bewegt. Die Bewer­ 110  Vgl.

soeben Kapitel 3, § 2, A., II., 1. Kapitel 3, § 1, A., III. 112  Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, §  106 Rn.  1; Fromm/NordemannRuttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 1; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 1. 111  Vgl.

164 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

tung der Schutzbedürftigkeit der Rechtsgüter läuft in dieser Konstellation also zivil- und strafrechtlich gleich. d) Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) Grundsätzlich kommt hier auch das letzte zivilrechtsakzessorische Merk­ mal, die strafrechtsbegrenzende Wirkung, zur Anwendung. Dies bedarf je­ doch vor dem Hintergrund der Minderjährigen-Konstellation einer kurzen Begründung. Mit der hier vertretenen Auffassung, wonach es für die strafrechtliche Ein­ willigung nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der Erteilung ankommt, kann es zu der Konstellation kommen, dass die Verwertung des Werkes zivil­ rechtlich rechtswidrig ist, gleichzeitig aber keine Strafbarkeit begründet. So liegt es im Fall des künstlerisch begabten 15-Jährigen, dessen Einwilligung zivilrechtlich unwirksam ist, gleichwohl aber strafrechtlich-rechtfertigende Wirkung entfalten kann. Damit geht das Urheberstrafrecht aber nicht über die Grenzen des Urhe­ berzivilrechts hinaus. Im Zusammenhang mit der strafrechtsbegrenzenden Wirkung der Zivilrechtsakzessorietät wurde dargelegt, dass die zivilrecht­ liche Rechtswidrigkeit lediglich den äußeren Rahmen dessen darstellt, was strafrechtlich relevant sein kann.113 Entscheidend ist insoweit lediglich, dass der strafrechtlich gewährte Schutz nicht über die zivilrechtliche Rechtswid­ rigkeit hinausgeht. Durch die strafrechtlich-rechtfertigende Wirkung der Einwilligung geht das Strafrecht jedoch nicht weiter als der zivilrechtlich gewährte Schutz, sondern bleibt lediglich dahinter zurück. e) Zwischenergebnis Die Konstellation der vor Verwertung des Werkes erteilten Einwilligung stellt sich vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät als unproblema­ tisch dar. Sofern die Einwilligung aufgrund mangelnder Geschäftsfähigkeit zivilrechtlich unwirksam ist, führt dies zwar zu einer Lockerung der Akzes­ sorietät, da die Einwilligung strafrechtlich dennoch wirksam sein kann. Dies bewirkt jedoch keine Durchbrechung des Prinzips der Zivilrechtsakzessorie­ tät. Im Übrigen lässt sich die Zivilrechtsakzessorietät streng anwenden.

113  Vgl.

hierzu Kapitel 2, § 4, D. und Kapitel 3, § 1, A., IV.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät165

4. Merkmal „ohne Zustimmung des Rechtsinhabers“ (§ 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG)

§ 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG normiert eine Strafbarkeit wegen Umgehung einer wirksamen technischen Maßnahme, sofern keine „Zustimmung des Rechtsinhabers“ vorliegt. Die gesonderte Erwähnung dieser Vorschrift ist hier deshalb angebracht,114 weil mit dem Begriff der „Zustimmung“ eine andere Terminologie gebraucht wird als in §§ 106 Abs. 1 und 108 UrhG. Dies darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, der unterschiedlichen Ter­ minologie folgten inhaltliche Abweichungen; insbesondere wäre die Annah­me verfehlt, eine Zustimmung könne in diesem Fall auch nachträglich erteilt werden.115 Die unterschiedliche Terminologie resultiert vielmehr aus der zivilrechtsak­ zessorischen Ausgestaltung dieser Vorschrift selbst. Wie noch zu zeigen sein wird, stellen die §§ 95a ff. UrhG die urheberzivilrechtlichen Ausgangsvor­ schriften zu § 108b UrhG dar.116 Dort ist jedoch nicht die Rede von einer „Einwilligung“, sondern stets von einer „Zustimmung“.117 Dass somit auch § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG den Begriff der „Zustimmung“ gebraucht, ist im Sinne einer strengen Zivilrechtsakzessorietät sogar konsequent. Genauso ver­ hält es sich auch bei der nur scheinbaren Besonderheit, dass § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG nicht vom „Berechtigten“, sondern vom „Rechtsinhaber“ spricht.118

B. Genehmigung nach Verwertung des Werkes Problematischer als die Konstellation der vorherigen Zustimmung ist die Bewertung der nachträglichen Zustimmung. Hier erfolgt die Einräumung der Nutzungsrechte erst nach Verwertung des urheberrechtlich geschützten Wer­ kes. Entsprechend der Terminologie der Rechtsgeschäftslehre ist dabei von einer Genehmigung zu sprechen.119 Die Konstellation der nachträglich erteilten Genehmigung hat eine hohe rechtstheoretische Bedeutung für das Strafrecht im Allgemeinen, wird im 114  Auf

§ 108b UrhG wird ausführlich in Kapitel 4, § 5 eingegangen. Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 17. 116  Vgl. Kapitel 4, § 5. 117  Vgl. § 95a Abs. 1 UrhG. 118  Zu erwähnen ist, dass auch § 107 Abs. 1 UrhG in der Terminologie etwas ab­ weicht und von der „Einwilligung des Urhebers“ und nicht der des „Berechtigten“ spricht; dies ist jedoch damit zu begründen, dass durch § 107 UrhG das Urheberper­ sönlichkeitsrecht geschützt werden soll, das aber ohnehin nicht auf einen „berechtig­ ten Dritten“ übertragen werden kann; vgl. hierzu Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 1; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 1. 119  Vgl. § 184 Abs. 1 BGB. 115  Vgl.

166 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Urheberstrafrecht aber gerade wegen der Zivilrechtsakzessorietät besonders relevant. Hierauf wird sogleich ausführlich eingegangen.120 Darüber hinaus erfährt die Thematik aber auch in all denjenigen Fällen eine hohe praktische Bedeutung, in denen sich der Urheber (oder der sonstige Berechtigte) und der Verwerter nach der Verwertung im Rahmen einer außergerichtlichen Streitbeilegung verständigen. Auf die Bedeutung dieser Art der Verständi­ gung wurde bereits hingewiesen.121 Rechtstechnisch geht dies aber eben mit einer nachträglichen Genehmigung einher. I. Zivilrechtliche Bewertung Dabei ist die zivilrechtliche Bewertung dieser Konstellation vergleichs­ weise unproblematisch. Erklärt der Urheber122 im Rahmen der Verständigung seine nachträgliche Billigung zur Verwertung des Werkes, räumt er ihm da­ mit – meist gegen Zahlung eines entsprechenden Entgelts – genau diejenigen Rechte ein, die sich der Verwerter zuvor selbst angemaßt hat. Ähnlich wie bei der Konstellation der vorherigen Zustimmung geht damit auch hier eine Zustimmung zu der Verwertung in Form einer zivilrechtlichen Genehmigung oder der nachträglichen Einräumung eines entsprechenden Nutzungsrechts einher. Dabei ähnelt diese Konstellation sehr der Konstellation der vorherigen Rechteeinräumung. Jedenfalls bewirkt die nachträgliche Genehmigung, dass die Verwertung des Werkes zivilrechtlich keine Urheberrechtsverletzung dar­ stellt. Die vormals unerlaubte Verwertung wird durch die Genehmigung zu einer erlaubten. Auch wenn die Einräumung hier ex post erfolgt, reichen die Wirkungen der Heilung auf den Zeitpunkt der Verwertung zurück (ex-tuncWirkung).123 Typisch sind in diesem Zusammenhang Konstellationen, in denen das Werk über einen längeren Zeitraum und in größerem Umfang verwertet wurde, ohne dass die Zustimmung des Urhebers vorlag. Zu denken wäre etwa an einen Verwerter, der in großem Umfang Kopien von urheberrechtlich geschützten Musik-CDs anfertigt und diese vertreibt. Erfährt der Urheber nach Anfertigung der Kopien und noch während des Vertriebs von der Ver­ wertung, werden sich der Urheber und der Verwerter häufig darauf verstän­ digen, dass der Verwerter den bis zur Kenntniserlangung begonnenen Vertrieb zu Ende bringen kann. Damit gewährt der Urheber dem Verwerter eine Auf120  Vgl.

Kapitel 3, § 2, B., II. Kapitel 1, § 2, C., III. 122  Im Folgenden ist mit der Bezeichnung des Urhebers gleichermaßen auch der Berechtigte gemeint. 123  Vgl. Weber, FS Baur 1981, S. 142. 121  Vgl.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät167

brauchfrist.124 Die bis zur Kenntniserlangung bereits angefertigten Kopien dürfen also weiter vertrieben werden, wobei sich der Verwerter gleichzeitig zivilrechtlich dazu verpflichtet, künftige Verwertungen dieser Art zu unter­ lassen. Rechtstechnisch werden dem Verwerter damit Nutzungsrechte einge­ räumt. Dabei handelt es sich bezüglich der vor der Kenntniserlangung erfolg­ ten Verwertung um eine nachträgliche Genehmigung, bezüglich des Vertriebs der noch aufzubrauchenden Kopien hingegen um eine vorherige Einwilli­ gung. II. Strafrechtliche Bewertung Wie bereits angedeutet, stellt sich die strafrechtliche Bewertung der nach­ träglichen Genehmigung als weitaus komplizierter dar. Dies resultiert zum einen daraus, dass die rechtfertigende Wirkung der nachträglichen Genehmi­ gung im Strafrecht allgemein umstritten ist und von der weit überwiegenden Auffassung abgelehnt wird.125 Besondere Relevanz erfährt die Thematik hier aber gerade daraus, dass das Urheberstrafrecht zivilrechtsakzessorisch ausge­ staltet ist. Da die rechtfertigende Wirkung nur im Strafrecht und nicht auch im Zivil­ recht abgelehnt wird, würde der Verwerter eines Werkes, dem nachträglich eine Genehmigung erteilt wird, zivilrechtlich keine Urheberrechtsverletzung begehen, er hätte sich aber gleichzeitig wegen einer unerlaubten Verwertung nach § 106 Abs. 1 UrhG strafbar gemacht. Jedenfalls würde die strafrecht­ liche Bewertung innerhalb desselben Sachverhalts von der zivilrechtlichen Beurteilung abweichen. Dies macht eine nähere Betrachtung der nachträg­ lichen Genehmigung gerade vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorie­ tät erforderlich. Hierauf wird sogleich näher eingegangen und insbesondere eine Einord­ nung dieser Konstellation vor dem Hintergrund der vier Merkmale der Zivil­ rechtsakzessorietät vorgenommen (4.). Aufgrund der Bedeutung der nach­ 124  Dreier/Schulze-Schulze, § 31 Rn. 8; vgl. auch Möhring/Nicolini-Soppe, § 31 Rn. 62. 125  Vgl. aus der Rechtsprechung BGHSt 17, 359 (360) = BGH NJW 1963, 165 (165 f.) – Grenzen der Einwilligung; aus der Literatur zum Urheberstrafrecht etwa Do Chi, S. 240; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 27 f.; Heinrich, S. 261; Lenckner, ZStW 62 (1960), 446 (456); Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 34; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 117; Wandtke/Bullin­ ger-Reinbacher, § 106 Rn. 26; trotz teilweise anderslautender Behauptungen i. E. auch Hildebrandt, S. 154; ohne nähere Begründung, aber wohl der h. M. zustimmend Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 8; a. A. hingegen Dreyer/Kotthoff/Meckel/HentschKotthoff, § 106 Rn. 7; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 106 Rn. 33, 37; so wohl auch Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 36.

168 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

träglichen Genehmigung über das Urheberstrafrecht hinaus soll zuvor erörtert werden, warum die rechtfertigende Wirkung von der überwiegenden Auffas­ sung im Strafrecht abgelehnt wird (1.). Im Anschluss daran werden mögliche Lösungsalternativen hierzu aufgezeigt (2. und 3.). 1. Meinungsstand zur nachträglichen Genehmigung im Strafrecht

Die rechtfertigende Wirkung der nachträglichen Genehmigung ist im Strafrecht gerade deshalb viel diskutiert, weil sie eine verfassungsrechtliche Dimension erfährt und dabei das grundsätzliche Verständnis zur Rolle des Strafrechts betrifft. Im Folgenden kann und soll der Meinungsstand zum all­ gemeinen Umgang mit der nachträglichen Genehmigung im Strafrecht nicht umfassend wiedergeben werden. Insoweit ist auf weiterführende Literatur zu verweisen.126 Die Darstellung orientiert sich hier stattdessen daran, diejeni­ gen Aspekte herauszustellen, die sich in einen Zusammenhang mit der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des Urheberstrafrechts bringen lassen. Deshalb erfolgen die Ausführungen hier stets vor dem Hintergrund einer urheberstrafrechtsspezifischen Argumentation. In diesem Zusammenhang lassen sich vorrangig zwei Aspekte ausmachen, mit denen die nachträgliche Genehmigung im Strafrecht abgelehnt wird: Dies ist zum einen die Beseiti­ gung des staatlichen Strafanspruchs (a)) und zum anderen die schwebende Unwirksamkeit bis zur Genehmigung (b)). a) Beseitigung des staatlichen Strafanspruchs Die ablehnende Haltung gegenüber der nachträglichen Genehmigung wird im Strafrecht in erster Linie darauf gestützt, dass andernfalls ein bereits ent­ standener staatlicher Strafanspruch aufgrund eines nachträglichen Entschlus­ ses des Verletzten beseitigt würde. In diesem Zusammenhang wird zum einen problematisiert, dass es sodann der Urheber selbst wäre, der mit der nachträglichen Genehmigung die recht­ fertigende Wirkung herbeiführen und die Bestrafung des Verwerters verhin­ dern könnte.127 Insoweit hätte es der Urheber in der Hand, mit Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung über die Straffreiheit oder Strafbarkeit des Verwerters zu entscheiden.128 Der Stellung des Strafrechts im Verfassungsge­ füge entspricht es aber an sich nicht, dass der Einzelne über die materiellinsbesondere Sternberg-Lieben, passim. Chi, S. 240; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 117. 128  Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 34. 126  Vgl.

127  Do



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät169

rechtliche Strafbarkeit im Nachhinein entscheiden kann, weil diese dann er­ heblich vom Gutdünken des Verletzten abhinge. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es sich bei den urheberstraf­ rechtlichen Delikten um Antragsdelikte handelt (§ 109 UrhG). Bei diesen steht es dem Verletzten frei, einen Strafantrag gerade nicht zu stellen oder einen einmal gestellten Strafantrag wieder zurückzunehmen und zumindest auf diesem Weg eine Bestrafung des Täters zu verhindern. Es wäre aber ver­ fehlt, aus dem Antragserfordernis die Wertung abzuleiten, das Gesetz stelle die Strafbarkeit des Verwerters grundsätzlich zur Disposition des Urhebers. Dass die Bestrafung des Täters in den Fällen der §§ 106 ff. UrhG nicht gänz­ lich vom Urheber abhängen soll, ergibt sich bereits daraus, dass die Delikte nicht als reine Antragsdelikte ausgestaltet sind. Verzichtet der Urheber auf die Stellung eines Strafantrags, so hängt die Bestrafung des Täters davon ab, dass die Strafverfolgungsbehörden ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejahen; ferner gilt das Strafantragserfordernis bei § 108a UrhG ohnehin nicht.129 Mit dem Antragserfordernis wird zwar eine Dispositionsmöglichkeit des Urhebers in Bezug auf die Strafbarkeit des Täters geschaffen, diese ist aber von vornherein auf diesen Fall beschränkt. Über das Strafantragserfordernis hinaus sieht das Gesetz gerade keine Möglichkeit vor, dass der Urheber die Strafbarkeit des Verwerters im Nachhinein heilen kann. Alles andere würde auch den Wertungen des Gesetzgebers und der Einordnung als Offizialdelikt widersprechen.130 Hätte der Gesetzgeber dies anders gesehen, hätte er § 109 UrhG zumindest als reines Antragsdelikt ausgestaltet. Dies hätte zwar auch nicht bedeutet, dass der Verletzte die Strafbarkeit nicht materiell-rechtlich heilen kann, der Gesetzgeber hätte damit aber zumindest eine weitreichende Dispositionsbefugnis des Urhebers zum Ausdruck gebracht. Die nachträgliche Genehmigung wird im Strafrecht darüber hinaus insbe­ sondere mit der Erwägung abgelehnt, der bereits entstandene Strafanspruch sei ein staatlicher.131 Dieser Strafanspruch sei mit Begehung der Strafbarkeit entstanden und stehe sodann ausschließlich dem Staat zu. Über eine Aufhe­ bung dieses Strafanspruchs könne dann aber auch nur noch der Staat selbst entscheiden.132 Es handelt sich insoweit um eine „staatliche Strafberechti­ gung“133, die nach Begehung der Straftat der Disposition des Staates nicht 129  Vgl.

hierzu Kapitel 1, § 2, C., II., 2. Strafrecht AT I, § 13 Rn. 79. 131  Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 28; Möhring/NicoliniSternberg-Lieben, § 106 Rn. 34. 132  Do Chi, S.  240; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 34; Roxin, Strafrecht AT I, § 13 Rn. 79. 133  Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 34. 130  Roxin,

170 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

mehr entzogen werden kann. Wenn dem Staat selbst die Berechtigung zur Verhängung der Strafe zusteht, muss ihm erst recht die Entscheidung darüber zustehen, diese Strafe gerade nicht zu verhängen. Jedenfalls steht diese Ver­ fügungsbefugnis nicht dem Verletzten zu. b) Schwebende Unwirksamkeit bis zur Genehmigung Während der erste Aspekt den Schwerpunkt darauf legt, wem der Strafan­ spruch zusteht, wird mit dem zweiten häufig vorgebrachten Aspekt einge­ wandt, dass dieser Strafanspruch, wenn er einmal begründet wurde, überhaupt nur noch in sehr engen Grenzen wieder entfallen könne. Dies wird auf mehrere Gründe gestützt. Zum einen lässt sich das Argument der schwebenden Unwirksamkeit an­ führen. Würde man die rechtfertigende Wirkung der nachträglichen Geneh­ migung anerkennen, läge bis zum Zeitpunkt der Erteilung oder Verweigerung der Genehmigung ein Schwebezustand vor. Die Verwertung wäre also bis zur Erklärung des Urhebers weder endgültig rechtmäßig noch rechtswidrig. Zwar ist eine solche schwebende Unwirksamkeit im Zivil- und Öffent­ lichen Recht durchaus nicht untypisch. Sie zeigt sich im Zivilrecht etwa gerade in obiger Konstellation, in der ein Minderjähriger eine rechtsge­ schäftliche Handlung ohne Einwilligung der gesetzlichen Vertreter vor­ nimmt.134 Im Öffentlichen Recht zeigt sich eine solche schwebende Un­ wirksamkeit etwa im Zusammenhang mit zunächst ohne erforderliche Bau­ genehmigungen errichteten Anlagen.135 Der Zustand der schwebenden Un­ wirksamkeit ist im Strafrecht aber deshalb anders und insoweit strenger zu beurteilen, weil dieser Schwebezustand mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden ist. Diese gilt es im Strafrecht aber eher zu vermeiden als im Zivil- oder Öffentlichen Recht, da grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt der Tatbegehung feststehen soll, ob sich der Täter strafbar macht oder nicht.136 Dies erfordert, dass alle die Strafbarkeit des Täters begründenden Umstände grundsätzlich bereits zum Zeitpunkt der Tatausführung vorliegen müssen.137 134  In diesem Fall hängt die Wirksamkeit der geschäftlichen Handlung von der Erteilung oder aber der endgültigen Verweigerung der Genehmigung durch die ge­ setzlichen Vertreter ab (§ 108 Abs. 1 BGB). 135  Vgl. zur Rechtslage in Baden-Württemberg § 58 Abs. 1 S. 1 LBO BW, wonach die Rechtmäßigkeit einer bereits errichteten, genehmigungspflichtigen baulichen An­ lage davon abhängt, ob die Genehmigungsbehörde die Baugenehmigung erteilt oder verweigert. 136  Vgl. Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 26, der in diesem Zusammen­ hang vom „Tatzeitpunkt“ spricht. 137  Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 34; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 26; vgl. auch Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 8, der auf den Zeit­



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät171

Zu diesem Zeitpunkt liegt die nachträglich erteilte Genehmigung aber ge­ rade noch nicht vor. Dass alle Umstände zum entscheidenden Tatzeitpunkt vorliegen müssen, folgt letztlich aus dem Koinzidenzprinzip, das in den §§ 8, 16 StGB eine einfachgesetzliche Ausprägung findet.138 Dieses wird in erster Linie im Ver­ hältnis des objektiven zum subjektiven Tatbestand relevant und besagt, dass der Täter bereits zum Zeitpunkt der Tathandlung den Tatbestandsvorsatz ge­ fasst haben muss (Simultanitätsprinzip).139 Der dahinterstehende Gedanke lässt sich jedoch auch hier anwenden, nämlich durch die Feststellung, dass allgemein für die Begründung der Strafbarkeit der Zeitpunkt der Tathandlung maßgebend ist, zu dem alle relevanten Umstände des Tatbestandes, der Rechtswidrigkeit und der Schuld vorliegen müssen.140 Erforderlich ist also eine „zeitliche Kongruenz“141 zwischen der Tathandlung und den übrigen Tatumständen, zu denen eben auch das Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtfertigungsgründe zählt. Zum Zeitpunkt der Tathandlung muss ein Urteil darüber möglich sein, ob der relevante Vorgang (hier die Verwertung des urheberrechtlich geschützten Werkes) einen Verstoß gegen die Rechtsordnung darstellt oder nicht.142 Dies steht in engem Zusammenhang mit dem Erfordernis hinreichender Rechts­ sicherheit, denn wenn die Einordnung in Recht und Unrecht davon abhängt, dass der Urheber die Verwertung im Nachhinein duldet, ist das Urteil der Rechtsordnung vom Ermessen des Urhebers abhängig.143 Dem könnte man jedenfalls aus der Perspektive des Vertrauensschutzes entgegenhalten, der Verwerter müsse durchaus erst einmal davon ausgehen, dass eine Strafbarkeit vorliegt. Eben weil er nicht darauf vertrauen kann, dass die Strafbarkeit später „wegfällt“, wäre zumindest eine gewisse Bere­ chenbarkeit gewahrt, zumal er sich eben ursprünglich rechtsuntreu verhalten hat. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage nach der hinreichenden Erkennbarkeit im Sinne des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes. Dabei bezieht sich das Erfordernis hinreichender Erkennbarkeit hier nicht auf die tatbestandlichen Merkmale, sondern auf die grundsätzliche Frage der punkt der Vollendung der Tat abstellt, was hier aber zu keinen praktischen Unter­ schieden, sondern nur zu einer abweichenden Herleitung führt. 138  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 597. 139  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 288. 140  Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 642. 141  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 288. 142  Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 26. 143  Vgl. Sternberg-Lieben, Musikdiebstahl, S. 71 f.

172 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Strafbarkeit und dabei konkret auf die Ebene der Rechtswidrigkeit. Eine hinreichende Erkennbarkeit ist diesbezüglich aber jedenfalls dann gefährdet, wenn die Frage der Strafbarkeit von einer möglicherweise erst im Nach­hinein erteilten Genehmigung abhängt. Damit lässt sich die Frage der nachträgli­ chen Genehmigung immer auch in einen Zusammenhang mit dem Erforder­ nis hinreichender Rechtssicherheit bringen. 2. Lösungsalternativen

Die herrschende Meinung muss sich allerdings den Vorwurf gefallen las­ sen, mit Ablehnung der rechtfertigenden Wirkung Wertungswidersprüche zu erzeugen. Jedenfalls führt sie in den hier relevanten Fällen zu einem Aus­ einanderfallen der straf- und zivilrechtlichen Bewertung innerhalb desselben Sachverhalts. Sofern die nachträgliche Genehmigung zivilrechtlich wirksam ist, wird die Verwertung nachträglich zu einer erlaubten, wohingegen gleich­ zeitig eine Strafbarkeit wegen eben dieser (zivilrechtlich dann erlaubten) Verwertung im Raum steht. Unabhängig von den Besonderheiten im Zusammenhang mit der Urheber­ zivilrechtsakzessorietät und dem Erfordernis eines inhaltlichen Gleichlaufs144 wird dieses Ergebnis allgemein als unbillig empfunden.145 Deshalb haben sich verschiedene Lösungsansätze entwickelt, um einen Ausweg aus diesem Dilemma des Auseinanderfallens der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Bewertung zu finden. Im Folgenden sollen einige dieser Lösungsansätze vorgestellt werden, die es im Zusammenhang mit der Urheberzivilrechtsak­ zessorietät hervorzuheben lohnt. a) Anerkennung der rechtfertigenden Wirkung Als erstes ist mit der Anerkennung der rechtfertigenden Wirkung gewisser­ maßen das Gegenstück zur herrschenden Meinung zu nennen.146 Hierdurch ließen sich zumindest die Wertungswidersprüche vermeiden, die sich andern­ falls daraus ergäben, dass die Genehmigung im Rahmen des Zivilrechts Be­ achtung findet, strafrechtlich aber ohne Auswirkungen bliebe. Zur Verdeutlichung des Wertungswiderspruchs dient die Konstellation, in der sich der Urheber und der Verwerter im Nachhinein einigen und der Ur­ heber die Verwertung gegen Zahlung eines entsprechenden Geldbetrags ge­ 144  Vgl.

hierzu sogleich. S. 152. 146  Vgl. hierzu Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, § 106 Rn. 7; Loewen­ heim-Flechsig, § 90 Rn. 36; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 106 Rn. 33, 37. 145  Hildebrandt,



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät173

nehmigt. Damit ist meist ein gerechter Interessensausgleich gefunden, wenn der Urheber der Verwertung im Falle einer vorherigen Verständigung ohnehin gegen Zahlung einer entsprechenden Vergütung zugestimmt hätte. Während sich dieser gerechte Interessensausgleich in der zivilrechtlichen Bewertung durch Anerkennung der rechtfertigenden Wirkung widerspiegelt, bliebe er im Rahmen der strafrechtlichen Bewertung unberücksichtigt. Die Auffassung, die der nachträglichen Genehmigung auch eine strafrecht­ lich-rechtfertigende Wirkung zuschreibt, könnte jedenfalls die Auflösung dieses Wertungswiderspruchs für sich verbuchen. Hierfür spräche zudem, dass die Verhandlungsposition des Urhebers gegenüber dem Verwerter erheb­ lich geschwächt würde, wenn trotz angestrebter Einigung eine Strafbarkeit des Verwerters bestehen bliebe. In diesem Zusammenhang ist das Bedürfnis nach einer Straffreiheit des Verwerters auch vor dem Hintergrund des As­ pekts des Rechtsfriedens zu sehen. Denn insbesondere die außergerichtliche Verständigung zwischen dem Urheber und dem Verwerter wäre erheblich belastet, wenn der Verwerter trotz Einigung eine strafrechtliche Verfolgung fürchten müsste.147 Vor allem wird die strafrechtliche Verfolgung nach einer erfolgreichen Einigung meist nicht (mehr) im Interesse des Urhebers selbst liegen.148 Gegen diese Position sind jedoch zu Recht die oben angeführten Bedenken vorzubringen.149 Zwar hat der Wille des Urhebers durchaus nicht nur eine antragsrechtliche Dimension, sondern auch eine strafbarkeitsbegründende, denn wenn die Verwertung nicht (mehr) dem Willen des Urhebers wider­ spricht, fehlt es bereits am strafwürdigen Erfolgsunrecht.150 Andererseits würde eine solch starke Position dem Urheber auch ein gewisses Druck­ potential zur Seite stellen, das er dazu einsetzen könnte, dass der Verwerter ihm gleichsam die Strafbarkeit „abkaufen“ müsste. b) Rückwirkende Abtretung der Verwertungsrechte Einen anderen Weg schlägt Hildebrandt vor, dem zwar ein dogmatisch interessanter Ansatz zugrunde liegt, der jedoch – um es vorwegzunehmen – letztlich nicht zielführend ist. Hildebrandt stellt auf die Rechtsnatur der Lizenzeinräumung ab. Wie bereits dargestellt, sind dabei die allgemeinen ­ Vorschriften des Abtretungsrechts ergänzend anzuwenden (§§ 398 ff. BGB), diese Richtung gehend Weber, FS Baur 1981, S. 143. FS Baur 1981, S. 142; ders., FS Sarstedt 1981, S. 386; vgl. hierzu fer­ ner Kapitel 1, § 2, C., I., 2. 149  Vgl. Kapitel 3, § 2, B., II., 1. 150  Sternberg-Lieben, Musikdiebstahl, S. 71; Weber, FS-Baur 1981, S. 142 f.; an­ ders hingegen Weber, GS Schlüchter 2002, S. 251. 147  In

148  Weber,

174 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

wobei jedenfalls diesbezüglich erkennbar nicht bestritten wird, dass eine Abtretung auch rückwirkend möglich ist.151 Für Hildebrandt ist entschei­ dend, dass dem Verwerter durch die nachträgliche Genehmigung nicht nur Nutzungsrechte eingeräumt werden, sondern der Verwerter dogmatisch auch so behandelt wird, als habe er im Zeitpunkt der Verwertung als Berechtigter gehandelt. Hildebrandt stellt darauf ab, dass sich die Eigenschaft als Berechtigter i. S. d. § 106 Abs. 1 UrhG und die als Täters gegenseitig ausschließen, der Berechtigte kann also niemals Täter des § 106 UrhG sein. Die Begründung dieses Ergebnisses versucht Hildebrandt aus dem Rechtsgüterschutz und dem Argument herzuleiten, dass § 106 UrhG gerade dazu dient, den Berech­ tigten zu schützen.152 Geht man mit Hildebrandt davon aus, dass der Verwer­ ter im Falle einer nachträglichen Genehmigung selbst Berechtigter ist, käme es allein auf dessen Willen und Einwilligung an. Eine Bestrafung des Be­ rechtigten würde in diesem Fall den strafrechtlichen Schutz aber „ad absur­ dum“ führen.153 Dabei trennt Hildebrandt die Frage der Berechtigung von der Frage, ob die nachträgliche Genehmigung rechtfertigende Wirkung entfalten kann.154 Letz­ teres verneint er,155 wobei sich diese Frage nach seiner Ansicht eigentlich gar nicht mehr stellt, denn wenn der Verwerter durch die nachträgliche Genehmi­ gung zum Berechtigten wird, kann er schon gar nicht den Tatbestand erfüllen. Demnach käme es auf die Frage einer Rechtfertigung gar nicht mehr an. Davon abgesehen, dass dieser Lösungsansatz von der im Grundsatz zu begrüßenden Motivation geleitet zu sein scheint, den Verwerter vor einer Strafbarkeit zu bewahren, ist die dogmatische Herleitung nicht zielführend. Selbst wenn man den Verwerter als Berechtigten ansähe, würde dies nur da­ raus resultieren, dass der Urheber die Verwertung nachträglich hingenommen hat. Hiervon konnte der Verwerter zum Zeitpunkt der Verwertung aber nicht ausgehen, er war jedenfalls bei Begehung der Tat (noch) nicht Berechtigter. Sternberg-Lieben führt deshalb zu Recht an, dass in diesem Fall allenfalls der Erfolgsunwert, nicht aber der Handlungsunwert der Verwertung entfallen könne.156 Somit könnte zwar eine Vollendungsstrafbarkeit ausscheiden, es 151  Vgl. Hildebrandt, S. 155, der diesbezüglich auf eine entsprechende Anwen­ dung des § 184 Abs. 1 BGB sowie einen Erst-Recht-Schluss aus § 185 Abs. 2 BGB abstellt. 152  Hildebrandt, S. 155. 153  Hildebrandt, S. 155. 154  Hildebrandt, S. 155. 155  Hildebrandt, S.  154 f. 156  Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 34; Sternberg-Lieben, Musik­ diebstahl, S.  71 f.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät175

stünde aber dennoch eine Strafbarkeit wegen Versuchs im Raum, bei der das Gesetz lediglich eine fakultative Strafmilderung gem. § 49 Abs. 1 StGB vor­ sieht.157 Eine Versuchsstrafbarkeit lässt sich eben dadurch begründen, dass der Verwerter zum Zeitpunkt der Verwertung zumindest damit rechnen musste, dass seine Handlung entdeckt wird und im Falle der Entdeckung eine Verständigung mit dem Urheber scheitern könnte, sodass dieser ihm keine Genehmigung erteilt. Jedenfalls würde sich der Verwerter nach wie vor strafbar machen und der Wertungswiderspruch wäre nicht beseitigt, da trotz zivilrechtlich zulässiger Verwertung eine Strafbarkeit bestehen bliebe. c) Persönlicher Strafaufhebungsgrund Einen anderen Ansatz verfolgt Weber, der ebenfalls auf die Frage der Strafbedürftigkeit der Verwertung abstellt. Ausgangspunkt seiner Überlegun­ gen ist, dass es an der Strafbedürftigkeit eben auch dann fehle, wenn der Urheber die Genehmigung erst nach der Verwertung erteilt.158 Konkret fehle es in dieser Konstellation an einer „strafwürdigen Rechtsgutsverletzung“.159 Zwar erkennt Weber durchaus an, dass auch im Fall der nachträglichen Genehmigung zumindest der Handlungsunwert eingetreten und die Rechts­ ordnung insoweit durchaus verletzt wurde.160 Er bewertet dies jedoch als vergleichbar mit anderen Konstellationen, in denen der Rechtsgemeinschaft signalisiert werde, dass auf die Bestrafung des Täters verzichtet werden kön­ ne.161 Weber schwebt dabei der Charakter eines persönlichen Strafaufhebungsgrundes vor, der mit dem Charakter der nachträglichen Genehmigung vergleichbar sei und zugunsten des Täters eine Straffreiheit begründen soll.162 Der Urheber bringe gegenüber der Rechtsgemeinschaft durch die nachträg­ liche Genehmigung nämlich zum Ausdruck, dass er die Verwertung seines Werkes als nicht derart gravierend bewerte, sodass diese „hingenommen werden“ könne.163 Hierdurch würde zumindest der beschriebene Wertungswiderspruch ver­ mieden. Auch systematisch ließe sich die Berücksichtigung als persönlicher 157  Vgl.

§ 23 Abs. 2 StGB. FS Baur 1981, S. 143; ders., GS Schlüchter 2002, S. 251. 159  Weber, FS Baur 1981, S. 143. 160  Weber, GS Schlüchter 2002, S. 251; so aber Sternberg-Lieben, Musikdiebstahl, S.  71 f. 161  Weber, GS Schlüchter 2002, S. 252. 162  Weber, GS Schlüchter 2002, S. 251; in diese Richtung gehend auch Möhring/ Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 34. 163  Weber, GS Schlüchter 2002, S. 252; vgl. hierzu auch Weber, FS Baur 1981, S. 142. 158  Weber,

176 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Strafaufhebungsgrund in Form einer zulässigen, weil sich hier zugunsten des Täters auswirkenden analogen Anwendung herleiten. Gleichzeitig scheinen die dogmatisch gegen die rechtfertigende Wirkung entgegengebrachten Ein­ wände vermieden werden zu können. Insbesondere die Bedenken, der Ein­ zelne könne durch die nachträgliche Genehmigung über den bereits entstan­ denen Strafanspruch des Staates verfügen, versucht Weber zu entkräften.164 Er führt an, der Strafanspruch entstehe nicht bereits im Zeitpunkt der uner­ laubten Verwertung, sondern erst nach der endgültigen Verweigerung der Genehmigung.165 Dass dies einen Schwebezustand und damit die beschrie­ bene Rechtsunsicherheit nach sich zieht, nimmt Weber in Kauf.166 Allerdings könnte dieser Schwebezustand sodann faktisch bis zur Verjährung andauern, wenn die Tat nie entdeckt wird. Interessant ist auch der Vergleich, den Weber zu den Rechtsfolgen des strafbefreienden Rücktritts bemüht. Eine Parallele ergebe sich nämlich insbe­ sondere zu der Vorschrift des § 158 StGB, wonach der Täter trotz Vollendung der Tat letztlich straffrei bleiben könne.167 Sofern die Straffreiheit des Täters dort damit begründet wird, der durch die Rechtsverletzung ursprünglich ein­ getretene rechtserschütternde Eindruck sei entfallen, gelte dies gerade auch für die nachträgliche Genehmigung.168 Hervorzuheben ist jedoch der Unter­ schied, dass der Wegfall des rechtserschütternden Eindrucks bei der nach­ träglichen Genehmigung nicht vom reuigen Verhalten des Täters, sondern von der Verhandlungsbereitschaft des Opfers abhängt. Sicher auch deshalb stellen Dritte diesen Vergleich Webers zu Recht weni­ ger in einen Zusammenhang mit dem strafbefreienden Rücktritt, als vielmehr mit der tätigen Reue. Auch wenn Weber dies tatsächlich nie ausdrücklich so formulierte, meint etwa Hildebrandt, dass Weber für eine analoge Anwen­ dung der Regelungen der tätigen Reue plädiere und verweist dabei auf die §§ 83a, 306e, 314a, 320, 330b StGB.169

164  Vgl. Weber, FS Baur 1981, S. 144, wo der Einwand, der Urheber dürfe nicht über den staatlichen Strafanspruch verfügen, ohne nähere Begründung als „formale[s] Argument“ bezeichnet wird. 165  Weber, S. 276. 166  Vgl. Weber, S. 276, wonach die Frage der endgültigen Strafbarkeit „zunächst offen bleiben“ müsse. 167  Weber, FS Baur 1981, S. 144. 168  Weber, FS Baur 1981, S. 144. 169  Hildebrandt, S. 154.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät177

d) Lösung über das Strafantragserfordernis Einen dogmatisch ganz anderen Weg zur Verhinderung der Strafbarkeit des Verwerters ermöglicht eine Lösung über das Strafantragserfordernis. Hierauf wurde oben bereits in Ansätzen eingegangen.170 Soweit es bei der strafrechtlichen Verfolgung auf den Antrag des Urhebers ankommt, könnte der Urheber durch Verzicht auf die Stellung des Strafantrags letztlich das­ selbe Ergebnis erzielen, das auch im Falle einer rechtfertigenden Wirkung der Genehmigung erzielt würde, denn in beiden Fällen wäre der Verwerter grundsätzlich straffrei.171 aa) Genehmigung vor Stellung des Strafantrags Von der Bereitschaft des Urhebers zum Verzicht auf die Stellung eines Strafantrags kann zumindest dann ausgegangen werden, wenn er die Verwer­ tung zivilrechtlich genehmigt. Selbst wenn er den Verzicht im Rahmen der Verständigung nicht ausdrücklich erklärt haben sollte, kann die Erteilung der Genehmigung rechtstechnisch in einen Verzicht auf die Stellung des Strafan­ trags umgedeutet werden.172 Diese Lösung wird selbst von der oben als herrschend beschriebenen Mei­ nung, welche die strafrechtlich-rechtfertigende Wirkung der nachträglichen Genehmigung nicht anerkennt, gewissermaßen als Kompromiss vorgeschla­ gen. Die Straffreiheit des Verwerters würde damit freilich anders hergeleitet, da im Falle der strafrechtlich-rechtfertigenden Wirkung bereits die materiellrechtliche Strafbarkeit entfiele, beim Verzicht auf die Stellung eines Strafan­ trags würde die Straftat hingegen nur nicht verfolgt werden. Nichtsdestotrotz würde man auch hierüber erreichen, dass der Täter letztlich straffrei bliebe. Dabei würde dieses Ergebnis auch dem oben erörterten Erfordernis der Ein­ heit innerhalb der Rechtsordnung entsprechen.173 Dies gilt jedenfalls dann, wenn man die Einheit – wie hier – in einem funktionalen Sinn versteht, denn in einer Straffreiheit des Verwerters bei gleichzeitiger finanzieller Ausgleichs­ zahlung spiegeln sich durchaus die jeweiligen strafrechtlichen und zivilrecht­ lichen Funktionen wider.

170  Vgl.

Kapitel 3, § 2, B., II., 1., a). Chi, S. 240; Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 8; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 117; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 26. 172  Vgl. hierzu Hildebrandt, S. 153, der dies als eine Art Fiktion einordnet. 173  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 4, B. 171  Do

178 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

bb) Genehmigung nach Stellung des Strafantrags Gleiches gilt im Grundsatz auch dann, wenn der Urheber bereits einen Strafantrag gestellt hat, denn in diesem Fall könnte er den Strafantrag jeden­ falls wieder zurücknehmen, nachdem er sich mit dem Verwerter verständigt hat.174 Dass er hierzu tatsächlich auch bereit ist, wenn er sich mit dem Ver­ werter zuvor verständigt und infolgedessen die Urheberrechtsverletzung zivil­rechtlich genehmigt hat, kann ausgegangen werden. Es stellt sich jedoch die Frage, wie sich die Genehmigung in diesem Fall rechtstechnisch auf den bereits gestellten Strafantrag auswirkt. Unproblematisch ist der Fall, in dem der Urheber den Strafantrag ausdrücklich zurücknimmt. Hingegen genügt eine konkludente Rücknahme im Rahmen der zivilrechtlichen Verständigung nicht, wenn der Strafantrag be­ reits gestellt wurde und bereits bei den Strafverfolgungsbehörden eingegan­ gen ist. Somit kann vor allem die zivilrechtliche Genehmigung nicht in eine Rücknahme des Strafantrags umgedeutet werden. Es braucht vielmehr einen Akt, um den Strafantrag wieder zurückzunehmen, sodass der Urheber von sich aus tätig werden muss. Auch dies ist unproblematisch, sofern der Urheber den Strafantrag nach der Genehmigung tatsächlich zurücknimmt. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass er dies auch wirklich macht. Dies wird insbesondere dann rele­ vant, wenn sich der Urheber nach erfolgter Verständigung dazu entschließt, den Strafantrag doch nicht zurückzunehmen. Insoweit muss eine Verpflichtung des Urhebers zur Rücknahme des Strafantrags konstruiert werden. Als Grundlage hierfür dient die zivilrechtliche Verständigung zwischen dem Urheber und dem Verwerter. Selbst wenn sich beide dabei nicht aus­ drücklich auf eine Rücknahme des Strafantrags verständigt haben, würde es ein widersprüchliches Verhalten zur Erteilung der Genehmigung darstellen, wenn der Urheber die strafrechtliche Verfolgung des Urhebers weiter be­ treibt. Insoweit lässt sich die Verpflichtung des Urhebers zur Rücknahme aus übergeordneten Erwägungen des venire-contra-factum-proprium-Gedankens herleiten.175 Auch wenn die Frage nach der strafrechtlichen Verfolgung grundsätzlich von der zivilrechtlichen Verständigung zu abstrahieren ist, hätte sich der Verwerter möglicherweise nicht auf die Verständigung einge­ lassen, wenn er gewusst hätte, dass der Urheber den Strafantrag tatsächlich nicht zurücknimmt. Somit ist die Verpflichtung zur Rücknahme des Strafan­

174  So Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 8; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 28; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 106 Rn. 39. 175  Vgl. zu diesem Gedanken MüKo-BGB-Schubert, 8. Aufl., § 242 Rn. 253 ff.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät179

trags als der Verständigung gewissermaßen wesensimmanent anzusehen und somit aus dieser herzuleiten. cc) Strafverfolgung von Amts wegen Diese zugegebenermaßen pragmatische und deshalb durchaus zu begrü­ ßende Lösung funktioniert jedoch nur so lange, wie der Urheber über einen Verzicht auf die Stellung oder durch die Rücknahme eines Strafantrags tat­ sächlich über die Straffreihet des Täters entscheiden kann. Wie dargelegt,176 handelt es sich bei den §§ 106, 107, 108 und 108b UrhG jedoch allesamt um keine absoluten, sondern lediglich um relative Antragserfordernisse. Die Straffreiheit des Täters hängt somit auch davon ab, dass die Strafverfolgung nicht von Amts wegen betrieben wird. Hierin ist der Hauptkritikpunkt auszumachen, der gegen die Lösung des Strafantragserfordernisses vorgebracht wird.177 Denn solange der Urheber zwar keinen Strafantrag stellt, die Strafverfolgungsbehörden aber ein Ein­ schreiten von Amts wegen dennoch für geboten erachten, bliebe es bei dem oben beschriebenen Wertungswiderspruch, dass sich der Verwerter trotz zi­ vilrechtlicher Genehmigung strafbar machen könnte. Die Kritik ist insoweit berechtigt, als sie eine theoretische Konstellation beschreibt. Denn dafür müssten die Strafverfolgungsbehörden in den hier relevanten Fällen ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung annehmen (§ 109 UrhG). Dass die Strafverfolgungsbehörden mit der Beja­ hung eines besonderen öffentlichen Interesses gerade im Urheberstrafrecht grundsätzlich zurückhaltend sind, wurde an anderer Stelle bereits darge­ legt.178 Dass in den hier relevanten Fällen die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses sogar ganz konkret fernliegt, lässt sich auf zwei Gründe stützen: Zum einen müssten die Strafverfolgungsbehörden zu dem Ergebnis gelan­ gen, dass trotz der Einigung zwischen dem Urheber und dem Verwerter der durch die Rechtsverletzung eingetretene rechtserschütternde Eindruck noch derart gravierend ist, dass dies ein Einschreiten von Amts wegen rechtfertigt. Der Urheber bringt in den hier relevanten Fällen durch den Verzicht auf die Stellung des Strafantrags oder aber durch dessen Rücknahme jedoch gerade zum Ausdruck, dass er die Rechtsverletzung als nicht derart gravierend an­ sieht. 176  Vgl. 177  Vgl.

Kapitel 1, § 2, C., II. hierzu Hildebrandt, S. 153; ferner Rochlitz, Der strafrechtliche Schutz,

S. 143. 178  Vgl. Kapitel 1, § 2, C., II., 2.

180 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Zum anderen haben sich die Betroffenen im Rahmen der zivilrechtlichen Einigung eben meist auf eine kompensierende Zahlungsverpflichtung des Verwerters geeinigt. Da hiermit in der Regel auch der eingetretene Schaden ausgeglichen wird, stellt dies meist einen gerechten Interessensausgleich dar. Damit wird aber zugleich auch das für die Begründung eines besonderen öffentlichen Interesses entscheidende Kriterium entkräftet, nämlich der Ein­ tritt eines erheblichen Schadens (vgl. Ziffer 261a der Richtlinie über das Straf- und Bußgeldverfahren).179 Entsprechend unwahrscheinlich ist jeden­ falls die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses. Reinbacher stellt diesbezüglich fest, im Falle einer Lizenzerteilung bestehe „im Übrigen auch kein (besonderes) öffentliches Interesse mehr an der Strafverfolgung“.180 Dies ändert aber nichts daran, dass auch hier sichergestellt werden muss, dass die Strafverfolgungsbehörden in diesen Fällen tatsächlich kein besonde­ res öffentliches Interesse annehmen. Dabei ist zu beachten, dass den Straf­ verfolgungsbehörden hierbei grundsätzlich ein Ermessen zusteht.181 Um den Anforderungen der Gesetzmäßigkeit zu entsprechen, muss dieses Ermessen jedoch auch pflichtgemäß ausgeübt werden.182 Daran wäre jedoch zu zwei­ feln, wenn die Strafverfolgungsbehörden ein Einschreiten von Amts wegen für geboten erachten, obwohl die Voraussetzungen eines besonderen öffent­ lichen Interesses faktisch nicht vorliegen. In diesen Fällen wäre der Ermes­ sensspielraum der Strafverfolgungsbehörden faktisch „auf Null“ reduziert. Das gleiche Ergebnis ließe sich auch dadurch begründen, dass man das Erfordernis des „besonderen öffentlichen Interesses“ als unbestimmten Rechtsbegriff einordnet und den Strafverfolgungsbehörden diesbezüglich ei­ nen Beurteilungsspielraum in der Auslegung zugesteht.183 Aber auch in diesem Fall wäre dieser Beurteilungsspielraum vor dem Hintergrund des ­ Legalitätsprinzips nicht unbegrenzt, jedenfalls müsste gewissermaßen als Gegenstück zu der weiten begrifflichen Formulierung in das Erfordernis des „besonderen öffentlichen Interesses“ ein ungeschriebenes Abwägungskrite­ rium hineingelesen werden.184 Dies liegt hier jedoch deshalb ferner, weil die Strafverfolgungsbehörden eben nicht nur den unbestimmten Rechtsbegriff des „besonderen öffentlichen 179  Vgl.

hierzu bereits Kapitel 1, § 2, C., II., 2. § 106 Rn. 26. 181  So Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 109 Rn. 2; vgl. zur Einordnung des Be­ griffs des „öffentlichen Interesses“ in § 153 StPO als Ermessensbegriff etwa KKStPO-Diemer, § 153 Rn. 17; MüKo-StPO-Peters, § 153 Rn. 7. 182  KK-StPO-Diemer, § 153 Rn. 17. 183  So etwa KMR-StPO-Kulhanek, § 376 Rn. 1. 184  Deshalb die dogmatische Herleitung offenlassend Heghmanns, NStZ 1991, 112 (114). 180  Wandtke/Bullinger-Reinbacher,



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät181

Interesses“ auslegen, sondern auch ein Einschreiten „für geboten“ erachten müssen. Damit bringt § 109 UrhG zum Ausdruck, dass den Strafverfolgungs­ behörden diese Entscheidung im Einzelfall und im Rahmen einer Abwägung überlassen ist. Dies kann von den Strafverfolgungsbehörden jedoch nur da­ durch wahrgenommen werden, dass ihnen ein Ermessen zusteht, welches durch § 109 UrhG schon per Gesetz übertragen wird. Das Ermessen ist je­ doch in den hier relevanten Fällen der nachträglichen Verständigung zwi­ schen Urheber und Verwerter derart reduziert, dass die Strafverfolgungs­ behörden letztlich keine andere Entscheidung treffen können, als keine strafrechtliche Verfolgung von Amts wegen einzuleiten. dd) Fälle der gewerbsmäßigen Begehung (§ 108a UrhG) Aus dem Raster fallen dabei jedoch die Fälle der gewerbsmäßigen Begehung (§ 108a UrhG), bei denen eine Strafverfolgung eben stets von Amts wegen erfolgt (vgl. § 109 UrhG). Hier kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Urheber keinen Strafantrag stellt oder einen solchen zurücknimmt und dass die Strafverfolgungsbehörden ein besonderes öffentliches Interesse verneinen. Hierauf kommt es aufgrund des Charakters des § 108a UrhG als Offizialdelikt und vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips gerade nicht an.185 Mithin müssen die Strafverfolgungsbehörden in diesen Fällen eine straf­ rechtliche Verfolgung betreiben. Im Raum steht jedoch die Möglichkeit einer Einstellung des Verfahrens. Insoweit ist auf die zu Beginn der Arbeit getätig­ ten Ausführungen zu verweisen.186 Entscheidend ist hier jedoch die Parallele zu den soeben vorgestellten Fällen der relativen Antragsdelikte, denn auch für eine Einstellung kommt es im Rahmen der §§ 153 Abs. 1 S. 1 und 153a Abs. 1 S. 1 StPO auf die Ablehnung eines öffentlichen Interesses an.187 Über­ wiegend anerkannt ist, dass den Strafverfolgungsbehörden auch hier ein ge­ wisser Ermessensspielraum zusteht.188 Sieht man das anders, steht ihnen ­jedenfalls wegen der weiten Formulierung des Begriffs des öffentlichen Inte­ resses ein Beurteilungsspielraum zu. Zumindest besteht insoweit eine Paral­ lele zu den übrigen Fällen der §§ 106 ff. UrhG.

185  Vgl.

hierzu MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108a UrhG Rn. 7. Kapitel 1, § 2, C., V. 187  Auf § 383 Abs. 2 S. 1 StPO kann hier jedoch nicht abgestellt werden, da es sich im Falle der gewerbsmäßigen Begehung (§ 108a UrhG) eben nicht um ein Pri­ vatklageverfahren nach § 374 Abs. 1 Nr. 8 StPO handelt, weil die Vorschrift dort ge­ rade nicht erwähnt ist. 188  So etwa KK-StPO-Diemar, § 153 Rn. 17; MüKo-StPO-Peters, § 153 Rn. 7. 186  Vgl.

182 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Im Zusammenhang mit § 108a UrhG ist eine Verpflichtung der Strafver­ folgungsbehörden zur Einstellung des Verfahrens jedoch deshalb schwerer zu begründen, weil das vom Verwerter begangene Unrecht durch die Gewerbs­ mäßigkeit grundsätzlich schwerer wiegt als in den Fällen der §§ 106 ff. UrhG. Auch wenn hier nicht auf Ziffer 261 der Richtlinien über das Straf- und Bußgeldverfahren abgestellt werden kann,189 spielt dennoch die Höhe des eingetretenen Schadens eine entscheidende Rolle. Dabei gilt es im Rahmen der Ermessensausübung (oder aber des Beurteilungsspielraums) zu berück­ sichtigen, dass sich der Urheber und der Verwerter geeinigt haben und durch die Zahlung des Geldbetrags meist der eingetretene Schaden und damit das begangene Unrecht kompensiert wurden. Dies gilt zumindest in Bezug auf dasjenige Unrecht, das durch die jeweilige unerlaubte Verwertung begangen wurde, bezüglich des zusätzlichen Unrechts der Gewerbsmäßigkeit könnte man davon jedoch nur dann ausgehen, wenn sich der Verwerter mit allen verletzten Urhebern geeinigt hat. Damit gelten zwar im Grundsatz auch in den Fällen des § 108a UrhG dieselben Erwägungen wie oben, eine Reduzie­ rung des Ermessens und eine Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden zur Einstellung des Verfahrens sind jedoch erheblich schwerer zu begründen. 3. Zwischenergebnis

Die nachträgliche Genehmigung hat im Strafrecht keine rechtfertigende Wirkung. Dies ist mit gewichtigen verfassungsrechtlichen Erwägungen zu begründen. Dabei überzeugt weniger das Argument der schwebenden Un­ wirksamkeit, denn die Frage der endgültigen Strafbarkeit ist stets mit Un­ sicherheiten verbunden und lässt sich gerade bei Antragsdelikten kaum ver­ meiden. § 109 UrhG ermöglicht dem Urheber zwar, die Einleitung der Strafverfolgung zu beeinflussen. Darüber hinaus steht die Verfügungsbefug­ nis über den Strafanspruch jedoch dem Staat zu. Diese Thematik erfährt im Urheberstrafrecht gerade wegen der Zivilrechts­ akzessorietät eine besondere Relevanz, denn zivilrechtlich vermag die nach­ trägliche Genehmigung eine Rechtsverletzung durchaus zu heilen. Wenn der Verwerter im Falle der nachträglichen Genehmigung zivilrechtlich aber keine Urheberrechtsverletzung begeht, sich gleichzeitig jedoch strafbar macht, führt dies nicht nur zu Wertungswidersprüchen, sondern ist auch vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät problematisch. Denn ein solches Auseinanderfallen der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Bewertung soll die Akzessorietät gerade verhindern.

189  Vgl.

Kapitel 1, § 2, C., II., 1.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät183

Ein Ausweg aus diesem Dilemma ist am ehesten über die Lösung des Strafantragserfordernisses möglich. Wenn sich der Urheber und der Verwer­ ter im Nachhinein einigen, geht damit zugleich die Erteilung einer Genehmi­ gung einher. Die Erteilung der Genehmigung kann gleichzeitig in einen Verzicht auf die Stellung des Strafantrags umgedeutet werden. Hat der Urhe­ ber einen Strafantrag bereits gestellt, ist aus der Verständigung die Verpflich­ tung zur Rücknahme des Strafantrags herzuleiten. Da ein besonderes öffent­ liches Interesse an der Strafverfolgung in einer solchen Konstellation kaum begründbar ist, wird auch von den Strafverfolgungsbehörden keine Strafver­ folgung von Amts wegen betrieben, jedenfalls würde dies einen Ermessens­ fehler darstellen. Tatsächlich wird der Verwerter im Falle der nachträglichen Genehmigung also weder zivilrechtlich noch strafrechtlich zur Verantwortung gezogen. Schwieriger fällt hingegen die Begründung der Straffreiheit in den Fällen des § 108a UrhG, da hier eine Strafverfolgung von Amts wegen be­ trieben wird. In diesen Fällen lässt sich die Straffreiheit nur über eine Ein­ stellung des Verfahrens (nach §§ 153, 153a StPO) begründen, eine rechtliche Sicherheit besteht diesbezüglich aber nicht. 4. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät

Zu untersuchen bleibt, wie sich dieses Ergebnis auf den Grundsatz der streng anzuwendenden Zivilrechtsakzessorietät auswirken würde. Diese Frage soll im Folgenden anhand der oben herausgearbeiteten vier Merkmale der Zivilrechtsakzessorietät beantwortet werden. a) Inhaltliche Anlehnung (Merkmal 1) Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das Merkmal der inhaltlichen Anlehnung des Urheberstrafrechts an das Urheberzivilrecht. Als wichtigste Ausprägung wurde dabei der Gleichlauf zwischen der strafrecht­ lichen und der zivilrechtlichen Beurteilung desselben Sachverhalts ausge­ macht.190 Eben dieser Gleichlauf läge nicht vor, würde man die strafrechtlich-recht­ fertigende Wirkung der nachträglichen Genehmigung ablehnen und die Straf­ freiheit des Verwerters nicht auf andere Weise herleiten. Sodann würde die Zivilrechtsakzessorietät nicht streng angewandt, da eben der nachträglichen Genehmigung jedenfalls zivilrechtlich-rechtfertigende Wirkung zukommt. Mit der Lösung über das Strafantragserfordernis bliebe ein inhaltlicher Gleichlauf hingegen gewahrt, da der Verwerter straffrei bliebe. Dies gilt 190  Vgl.

Kapitel 3, § 1, A., I.

184 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

umso mehr, als das Erfordernis des inhaltlichen Gleichlaufs hier, wie er­ wähnt, letztlich vom Ergebnis her zu beurteilen ist. Zwar weicht die Begrün­ dung der Straffreiheit (Verzicht auf den Strafantrag) von der Begründung der zivilrechtlich-rechtfertigenden Wirkung (Erteilung der Lizenz) ab, die Ergeb­ nisse gleichen sich hier aber dennoch, sodass der Sachverhalt straf- und ­zivilrechtlich gleich beurteilt wird. In diesem Zusammenhang sind jedoch zwei Aspekte hervorzuheben. Zum einen wäre trotz dessen, dass hier ein inhaltlicher Gleichlauf erreicht wird, die Zivilrechtsakzessorietät jedenfalls nicht materiell-rechtlich streng angewandt. Die materiell-zivilrechtliche Bewertung würde ergeben, dass keine Urheber­ rechtsverletzung vorliegt, materiell-strafrechtlich läge jedoch durchaus eine Strafbarkeit vor, die eben nur nicht durchgesetzt wird. Zum anderen wäre zu fragen, inwieweit diese Lösung in Bezug auf § 108a UrhG konsequent ist. Beide Aspekte sind vor dem Hintergrund der Funktion der Zivilrechtsak­ zessorietät zu beurteilen. Wenn die Urheberzivilrechtsakzessorietät vorrangig dazu dient, die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheits­ grundsatzes zu wahren, kommt der Frage der hinreichenden Erkennbarkeit des straftatbestandlichen Inhalts besondere Bedeutung zu. Hierbei ist zu be­ achten, dass § 106 Abs. 1 UrhG mit dem Merkmal „ohne Einwilligung“ die­ selbe Terminologie gebraucht, die auch innerhalb der Rechtsgeschäftslehre (§ 183 S. 1 BGB) verwendet wird. Dort ist mit dem Begriff der „Einwilli­ gung“ ebenfalls nur die vorherige Zustimmung gemeint. Damit entgeht der Gesetzgeber aber dem Vorwurf mangelnder Erkennbarkeit und somit eben dem Vorwurf der Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes, denn dass er mit dem Merkmal „Einwilligung“ gerade nicht die nachträgliche Zustimmung meint, ergibt sich bereits aus dem Begriff selbst. Andernfalls hätte er in § 106 Abs. 1 UrhG den Begriff der „Genehmigung“ gebraucht. Die Urheberzivilrechtsakzessorietät stellt darauf ab, dass der Rechtsan­ wender bei äußerer Identität der Merkmale auf eine inhaltliche Identität schließen kann. Insoweit fehlt es jedoch bereits am Bezugspunkt der äußeren Identität, da jedenfalls das Urheberzivilrecht den Begriff der „Einwilligung“ selbst nicht gebraucht. Es besteht deshalb aber keine Möglichkeit und auch keine Notwendigkeit, dass der Rechtsanwender bezüglich des Merkmals der Einwilligung auf urheberzivilrechtliche Vorgaben abstellt. Bei der Auslegung des strafrechtlichen Merkmals der Einwilligung ist vielmehr ein Rückgriff auf die allgemeinen zivilrechtlichen Vorgaben entscheidend, vorrangig auf die §§ 182, 183 BGB. Vor dem Hintergrund hinreichender Bestimmtheit ist es aber gerade der in § 106 Abs. 1 UrhG gebrauchte Begriff der „Einwilli­ gung“ (und eben nicht der Begriff der „Genehmigung“), der hinreichend er­ kennbar macht, dass nur die vorherige Zustimmung eine Strafbarkeit mate­ riell-rechtlich ausschließt.



§ 2 Die Genehmigung im Spannungsfeld der Zivilrechtsakzessorietät185

b) Tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2) Das Merkmal der tatbestandlichen Begriffsabhängigkeit191 hilft an dieser Stelle nicht weiter, da das Erfordernis „ohne Einwilligung des Berechtigten“ kein solches des Tatbestandes darstellt. c) Rechtsgüterschutz (Merkmal 3) Das Merkmal des gleichlaufenden Rechtsgüterschutzes lässt sich hier an­ wenden und geht mit der gewählten Lösung über das Strafantragserfordernis konform.192 Die Einigung heilt die Urheberrechtsverletzung zivilrechtlich, sodass kein Bedürfnis nach einem zivilrechtlichen Schutz der Verwertungs­ rechte besteht. Verzichtet der Urheber auf die Stellung eines Strafantrags (oder deutet man die zivilrechtlich wirksame Genehmigung in einen solchen Verzicht um), bringt der Urheber damit zum Ausdruck, auch auf den strafrechtlichen Schutz verzichten zu wollen. Entsprechend läuft der Rechtsgüterschutz hier zivil- und strafrechtlich gleich. d) Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) Ähnlich verhält es sich beim Merkmal der Strafrechtsbegrenzung. Als Kern dieses Merkmals wurde herausgestellt, dass das Urheberstrafrecht nie weiter gehen darf als das, was das Urheberzivilrecht vorgibt.193 Insbesondere darf es vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät gerade nicht zu der Konstellation kommen, dass ein Sachverhalt zu einer Strafbarkeit führt, gleichzeitig aber keine zivilrechtliche Rechtsverletzung darstellt. Genau diese Konstellation läge aber vor, würde man die rechtfertigende Wirkung der nachträglichen Genehmigung verneinen und die Straffreiheit des Täters nicht anderweitig begründen. Mit der Lösung über den Verzicht auf den Strafantrag wäre dieses Merkmal aber gewahrt. Die strafrechtliche Bewertung des Sachverhalts würde sich demnach innerhalb der vom Zivil­ recht vorgegebenen Grenzen bewegen und nicht darüber hinausgehen. Auch hierbei variieren zwar die dogmatischen Herleitungen des Ergebnisses, doch entspricht dies einem Gleichlauf gemäß dem Erfordernis einer funktionalen Einheit der Rechtsordnung.194 191  Vgl.

Kapitel 3, § 1, A., II. hierzu Kapitel 3, § 1, A., III. 193  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., IV. 194  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 4, B., II. 192  Vgl.

186 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

e) Ergebnis Die Lösung über das Strafantragserfordernis entspricht am ehesten dem Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät. Zwar lässt sich die Akzessorietät damit im Falle der nachträglichen Genehmigung jedenfalls nicht materiell-rechtlich streng anwenden, es wird aber im Ergebnis ein inhaltlicher Gleichlauf zwi­ schen dem Zivilrecht und dem Strafrecht erreicht. Vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes ist entscheidend, dass die ausdrücklich im Gesetz gebrauchte Terminologie der „Einwilligung“ darauf hindeutet, dass materiellrechtlich lediglich die vorherige Zustimmung und nicht auch die nachträg­ liche Genehmigung relevant sein soll. Somit kommt es zwar zu einer Locke­ rung, nicht jedoch zu einer Durchbrechung des Prinzips der Zivilrechtsakzes­ sorietät.

§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät Mit dem Fehlen der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit wird auf die zweite über­ geordnete und alle Zentraltatbestände des Urheberstrafrechts gleichermaßen betreffende Konstellation eingegangen, in der eine streng angewandte Urhe­ berzivilrechtsakzessorietät an ihre Grenzen stößt. Auch dies soll vorrangig am Beispiel des § 106 UrhG beschrieben werden, wobei sich die Ausführun­ gen grundsätzlich auch auf die übrigen Tatbestände übertragen lassen. Im Folgenden wird zunächst auf die straf- und zivilrechtliche Bewertung der fahrlässigen Urheberrechtsverletzung eingegangen (A.), sodann werden die in diesem Zusammenhang im Urheberstrafrecht relevanten Irrtümer dar­ gestellt (B.). Im Anschluss erfolgt die entscheidende Einordnung, was ein mögliches Auseinanderfallen des Straf- und Zivilrechts im Falle einer fahr­ lässigen Urheberrechtsverletzung für das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät bedeutet (C.).

A. Straf- und zivilrechtliche Bewertung der fahrlässigen Urheberrechtsverletzung Strafrechtliche Relevanz hat die Verwertung eines urheberrechtlich ge­ schützten Werkes ausschließlich dann, wenn der Täter vorsätzlich handelt.195 Dies ergibt sich allgemein aus § 15 StGB, wonach eine Strafbarkeit lediglich bei vorsätzlichem Handeln in Betracht kommt, sofern das Gesetz die fahrläs­ sige Begehung nicht ausdrücklich unter Strafe stellt. Wegen Art. 1 Abs. 1 195  Vgl.

hierzu bereits Kapitel 1, § 1, D., II.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit187

EGStGB gilt dieser Grundsatz auch im Urheberstrafrecht.196 Da das Urhe­ berrechtsgesetz jedoch keinen Straftatbestand zur Sanktionierung fahrlässiger Begehungen vorsieht, kommt eine Strafbarkeit bei Verletzung von Urheber­ rechten grundsätzlich nur bei Vorsatz in Betracht. Das zivilrechtliche Rechtsfolgenregime der §§ 97 ff. UrhG geht demgegen­ über weiter und greift bereits bei Fahrlässigkeit ein. Wird das Urheberrecht fahrlässig verletzt, ist eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Verletzers gegeben, der vom Urheber auf Schadensersatz (§ 97 Abs. 2 UrhG) in An­ spruch genommen werden kann. Ein Anspruch auf Unterlassung und Besei­ tigung besteht hingegen bereits dann, wenn die Verletzung begangen wird, ohne dass die Voraussetzungen der Fahrlässigkeit erfüllt sind (§ 97 Abs. 1 UrhG). Die subjektive Einstellung des Verwerters steht einer zivil- und strafrecht­ lich unterschiedlichen Bewertung also grundsätzlich dann nicht entgegen, wenn die Verwertung des Werkes vorsätzlich erfolgt. Dabei ist zur Bestim­ mung des Vorsatzes und zur Abgrenzung des Vorsatzes von der Fahrlässigkeit auf dieselben Kriterien zurückzugreifen, die auch im Kernstrafrecht ange­ wandt werden, da auch innerhalb des Urheberstrafrechts der allgemeine Vorsatzbegriff gilt und jede anerkannte Vorsatzform zur Erfüllung des Straftatbestandes genügt.197 Auch dies folgt letztlich aus Art. 1 Abs. 1 EGStGB. Eine Strafbarkeit kommt demnach in Betracht, wenn es dem Täter bei Verwertung des Werkes gerade darauf ankommt, dieses mit seinem Handeln zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben. In diesem Fall handelt er absichtlich i. S. d. dolus directus ersten Grades.198 Genauso genügt es aber, wenn zwar die Verwertung des Werkes nicht motivierend für das Handeln des Täters ist, dieser aber sichere Kenntnis davon hat, dass er damit ein urheberrechtlich geschütztes Werk verwertet. In diesem Fall ist von direktem Vorsatz i. S. d. dolus directus zweiten Grades auszugehen.199 Ebenso lässt sich eine Vorsatzstrafbarkeit aber auch dann begründen, wenn der Täter weder absichtlich noch mit positivem Wissen handelt, er aber die Möglich­ keit erkennt, dass er mit seinem Handeln eine Urheberrechtsverletzung bege­ 196  Vgl.

MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 119. S. 62; Heinrich, S. 261; Hildebrandt, S. 236; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 119; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 29. 198  Vgl. allgemein zu dieser Vorsatzform Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 281  ff.; Kühl, § 5 Rn. 33 ff.; Rengier, Strafrecht AT, § 14 Rn. 7 f.; Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn.  7 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  327 ff. 199  Vgl. hierzu Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 279  f.; Kühl, § 5 Rn. 38 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 18 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 332. 197  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich,

188 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

hen könnte und sich damit abfindet. Hier wäre vom Vorliegen bedingten Vorsatzes i. S. d. dolus eventualis auszugehen.200 Im Zusammenhang mit der Vorsatzform des dolus eventualis wird die Ab­ grenzung zur bewussten Fahrlässigkeit relevant. Diese Problematik stellt sich zwar auch im Kernstrafrecht und ist somit kein Spezifikum des Urheberstraf­ rechts. Sie erfährt hier jedoch deshalb eine besondere Relevanz, weil der Verwerter bei Vorliegen bewusster Fahrlässigkeit straffrei bleibt. Neben den im Urheberstrafrecht vorsatzausschließenden Irrtümern stellt die mit bewuss­ ter Fahrlässigkeit begangene Urheberrechtsverletzung also den zweiten As­ pekt dar, der das Fehlen einer Fahrlässigkeitsstrafbarkeit zu einem Problem der Urheberzivilrechtsakzessorietät werden lassen kann. Jedenfalls bleibt der strafrechtliche Schutz in diesen beiden Fällen hinter dem zivilrechtlichen Schutz zurück.

B. Urheberstrafrechtlich relevante Irrtümer Besondere Relevanz erfährt das Fehlen der Fahrlässigkeitsstrafbarkeit hier aber vorrangig in den Fällen, in denen der Verwerter einem strafrechtlich relevanten Irrtum unterliegt. Dabei sind vor allem diejenigen Fälle von Be­ deutung, in denen der Irrtum die Vorsatzstrafbarkeit des Verwerters aus­ schließt. Dass auch bezüglich der Irrtumslehre auf die allgemeinen Vorgaben und Strukturen des StGB zurückzugreifen ist, ergibt sich ebenfalls aus Art. 1 Abs. 1 EGStGB.201 Denkbar wäre auch, dass der Verwerter unvorsätzlich handelt, ohne dabei einem Irrtum zu unterliegen, wenn er sich etwa bei der Verwertung des Wer­ kes gar keine Gedanken über sein Verhalten macht. In derartigen Fällen ist jedoch davon auszugehen, dass er sich zumindest im Wege eines sachge­ danklichen Mitbewusstseins darüber im Klaren sein wird, dass er überhaupt handelt und lediglich gewisse Umstände unberücksichtigt lässt. Zu denken wäre etwa an einen Verwerter, der vor Vervielfältigung eines Werkes gar nicht erst erwägt, dass es sich um ein urheberrechtlich geschütztes Werk handeln könnte. Selbst wenn er sich in diesen Fällen keine aktiven Gedanken macht, wird er es doch zumindest als selbstverständlich voraussetzen, dass das von ihm vervielfältigte Werk kein urheberrechtlich geschütztes ist. Über das sachgedankliche Mitbewusstsein liegt sodann aber meist eine Irrtumskon­ stellation vor.202 200  Vgl. hierzu Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 285, 295 ff.; Kühl, § 5 Rn. 43 ff.; Rengier, Strafrecht AT, § 14 Rn. 10 ff., 17 ff.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  333 ff. 201  MüKo-StGB-Heinrich, 3.  Aufl., § 106 UrhG Rn. 119; MüKo-StGB-Joecks, 3. Aufl., § 16 Rn. 68.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit189

Aufgrund ihrer in diesem Zusammenhang besonderen Bedeutung, soll im Folgenden auf allgemeine Strukturen und auf konkrete Beispiele der speziell im Urheberstrafrecht relevanten Irrtümer eingegangen werden. Die Irrtums­ fragen stehen jedoch nicht im Fokus dieser Arbeit.203 Dies lässt die Komple­ xität der allgemeinen Irrtumsmaterie nicht zu und würde zu einem Entfernen von der hier eigentlich relevanten Frage führen, nämlich welche Rückschlüsse ein mögliches Auseinanderfallen der strafrechtlichen und zivilrechtlichen Bewertung auf das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät zulässt. Deshalb wird hier lediglich auf die im Zusammenhang mit der Zivilrechtsakzessorietät entscheidenden Konstellationen der tatsächlichen (I.) und rechtlichen (II.) Irrtümer eingegangen. Anschließend steht der gerade im Urheberstrafrecht relevante Sonderfall des Irrtums über normative Tatbestandsmerkmale im Vordergrund (III.), bevor weitere insoweit erwähnenswerte Irrtumskonstella­ tionen behandelt werden (IV.). I. Irrtum über tatsächliche Umstände (Tatbestandsirrtum, § 16 StGB) Der Tatbestandsirrtum (auch Tatumstandsirrtum204 oder Irrtum über Tat­ umstände205) ist der für den Täter günstigste Irrtum, da er nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB206 zum Entfallen des Vorsatzes führt. Er schließt somit bereits den Tatbestand aus und ist nicht erst auf der Ebene der Rechtswidrigkeit oder der Schuld zu berücksichtigen. Für einen im Urheberstrafrecht relevanten Tatbe­ standsirrtum darf der Täter zum Zeitpunkt der Tatbegehung einen Umstand nicht kennen, der zum gesetzlichen Tatbestand der §§ 106 ff. UrhG gehört. Zwar stünde nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB in diesem Fall eine Fahrlässigkeits­ strafbarkeit im Raum, die hier jedoch, wie gesehen, gegenstandslos ist. Der im Urheberstrafrecht einem Tatbestandsirrtum unterliegende Täter bleibt also grundsätzlich straflos. Die dogmatische Begründung der Straffreiheit beruht 202  So letztlich auch Heinrich, S. 262; Hildebrandt, S. 235; MüKo-StGB-Joecks, 3. Aufl., § 16 Rn. 2; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, § 16 Rn. 4 f.; vgl. insgesamt zum Irrtum im Falle der sog. ignorantia facti MüKo-StGB-Joecks, 3. Aufl., § 16 Rn. 2. 203  Vgl. hierzu ausführlich Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S.  60 ff.; Hildebrandt, S.  247 ff.; Kircher, passim; Lauer, passim; Wissmann, passim. 204  So Kühl, § 13 Rn. 7 ff.; Lackner/Kühl, § 16 Rn. 1; Möhring/Nicolini-SternbergLieben, § 106 Rn. 37; MüKo-StGB-Joecks, 3. Aufl., § 16 Rn. 6, 67. 205  So Heinrich, S. 262; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 23; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 122; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, § 16 Rn. 1, 7. 206  Wobei hier und im Folgenden die Vorschriften aus dem Allgemeinen Teil des StGB stets im Zusammenhang mit Art. 1 Abs. 1 EGStGB zu lesen sind.

190 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

in diesem Fall darauf, dass der Verwerter seiner inneren Einstellung entspre­ chend auf der Seite des Rechts zu stehen glaubt und lediglich tatsächliche Umstände verkennt.207 Die Formulierung in § 16 Abs. 1 S. 1 StGB, dass ein Umstand zum „ge­ setzlichen Tatbestand“ gehören muss, ist wörtlich zu nehmen und auf den Tatbestand im engeren Sinn zu beziehen.208 Am Beispiel des objektiven Tat­ bestands des § 106 Abs. 1 UrhG sind demnach alle Umstände relevant, die zum Tatobjekt (urheberrechtlich geschütztes Werk, Bearbeitung oder Umge­ staltung eines solchen), zur Tathandlung (Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe) sowie nach der hier vertretenen Auffassung auch zum Fehlen eines gesetzlich zugelassenen Falles als negativ formuliertes Tatbestandsmerkmal gehören.209 Dem Wesen des vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtums entspricht es, dass sich der Täter zu seinen Gunsten über tatsächliche Gegebenheiten eines dieser Umstände irrt.210 Diese tatsächlichen Gegebenheiten gilt es von recht­ lichen Umständen abzugrenzen, bezüglich derer sich ein Irrtum (als Verbots­ irrtum) lediglich auf der Ebene der Schuld auswirken kann.211 Dies soll an drei kurzen urheberstrafrechtsspezifischen Beispielen darge­ stellt werden, deren Grundkonstellationen im weiteren Verlauf der Darstel­ lung immer wieder aufgegriffen werden: 1. Irrtum über das Tatobjekt

Beispiel 1: Der Verwerter hat zwei Word-Dokumente auf dem Desktop seines Computers gespeichert. Das erste Dokument enthält ein urheberrecht­ lich geschütztes Gedichtwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG), das zweite Dokument eine wahllose Aneinanderreihung von Buchstaben, die die Katze des Verwer­ ters beim Laufen über die Tastatur erzeugt hat und die mangels persönlicher Schöpfung keine Werkqualität aufweist.212 Der Verwerter möchte das zweite Dokument (die wahllose Aneinanderreihung) ausdrucken und an Dritte ver­ 207  Heinrich,

Strafrecht AT, Rn. 1066. Fischer, § 16 Rn. 3; MüKo-StGB-Joecks, 3. Aufl., § 16 Rn. 6. 209  Vgl. Kapitel 1, § 1, D., I. 210  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 64; Fischer, § 16 Rn. 2; Heghmanns, MMR 2004, 14 (15); Heinrich in: Urheberrecht im Wandel der Zeit, S. 53; Rengier, Straf­ recht AT, § 29 Rn. 2; vgl. ferner Rengier, Strafrecht AT, § 15 Rn. 2; Weber, S. 286, die von einem „Tatsachenirrtum“ sprechen. 211  Vgl. hierzu sogleich Kapitel 3, § 3, B., II. 212  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 1, D., I., 1., a), bb), (1) und zum in diesem Zusammen­ hang relevanten „Affen-Selfie“ Fromm/Nordemann-A. Nordemann, § 2 Rn. 21; König/Beck, ZUM 2016, 34 ff. 208  Vgl.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit191

schicken. Er wählt aber versehentlich das erste Dokument (das Gedichtwerk) aus und fertigt davon mehrere Kopien an. Hier irrt sich der Verwerter über den tatsächlichen Umstand, dass das von ihm ausgewählte und ausgedruckte Dokument ein taugliches Tatobjekt dar­ stellt. Dabei ist es – wie eingangs dargestellt – unerheblich, ob sich der Verwerter aktiv darüber Gedanken macht, dass das von ihm ausgewählte Dokument keine Werkqualität aufweist, oder aber ob er dies im Wege eines sachgedanklichen Mitbewusstseins voraussetzt. Es liegt hier jedenfalls ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB be­ züglich des Tatobjekts Werk vor. 2. Irrtum über die Tathandlung

Beispiel 2: Der Verwerter aus obigem Beispiel erkennt zutreffend, dass das von ihm ausgewählte Dokument das urheberrechtlich geschützte Gedicht­ werk enthält und möchte dieses ansehen und lesen. Er vertippt sich beim Anklicken jedoch und drückt anstatt auf die Schaltfläche „öffnen“ auf „dru­ cken“. Infolgedessen erstellt er mehrere Kopien des Werkes. Hier irrt sich der Verwerter über den tatsächlichen Umstand, dass er mit seiner Handlung das Werk nur ansieht und nicht vervielfältigt. Er unterliegt somit einem vorsatzausschließenden Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bezüglich der Tathandlung der Vervielfältigung. 3. Irrtum über gesetzlich zugelassene Fälle

Beispiel 3: Der Verwerter aus obigem Beispiel fertigt von dem Gedicht­ werk bewusst mehrere Kopien an. Dabei geht er jedoch irrtümlich davon aus, dass der Urheber dieses Werkes bereits seit 100 Jahren tot ist. Tatsächlich ist der Urheber aber erst vor 50 Jahren verstorben. Hier irrt sich der Verwerter darüber, dass ein gesetzlich zugelassener Fall vorliegt. Konkret irrt er über den Umstand, dass die tatsächlichen Vorausset­ zungen des Erlöschens der Schutzfrist nach § 64 UrhG vorliegen, die ein Erlöschen des Urheberrechts 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers vorsieht. Sofern man die Schutzfrist als Schrankenbestimmung anerkennt,213 liegt hier 213  Dies bejahend Hildebrandt, S. 137; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 106 Rn. 31; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78, 114; Wandtke/OhstHeinrich, Kapitel 6 Rn. 318; für eine Verneinung der Werkqualität und somit für eine Einordnung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal streitend Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 4; Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 UrhG Rn. 8; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 11; Reinbacher, S.  135 f.; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 9, 22; Weber, S.  179 ff.

192 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum i. S. d. § 16 Abs. 1 S. 1 StGB bezüglich des Vorliegens eines gesetzlich zugelassenen Falles vor. II. Irrtum über rechtliche Umstände (Verbotsirrtum, § 17 StGB) Der Verbotsirrtum ist für den Täter deshalb ungünstiger, weil er lediglich auf der Ebene der Schuld Berücksichtigung findet. Er greift gem. § 17 StGB ein, wenn dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht fehlt, dass er mit seinem Handeln Unrecht verwirklicht. In Abgrenzung zum Tatbestandsirrtum erkennt der Täter hier die tatsächlichen Umstände, er irrt sich aber über de­ ren rechtliche Einordnung.214 Er nimmt also eine rechtlich falsche Bewertung der tatsächlich zutreffend erkannten Umstände vor. Der Verbotsirrtum unterscheidet sich in den Rechtsfolgen deshalb erheb­ lich vom Irrtum nach § 16 StGB, da er nur dann zur Straffreiheit des Täters führt, wenn dieser den Irrtum nicht vermeiden konnte (§ 17 S. 1 StGB). Die Strafe kann hingegen lediglich gemildert werden, sofern der Irrtum vermeid­ bar war (§ 17 S. 2 StGB). Doch selbst bei Annahme der Unvermeidbarkeit und damit einhergehender Straffreiheit des Verwerters bleibt der Vorwurf der Begehung tatbestandlichen Unrechts bestehen, da sich der Irrtum eben erst auf der Ebene der Schuld und nicht bereits auf der Ebene des Tatbestands auswirkt.215 Praktische Bedeutung hat dies vorrangig für die hier nicht weiter relevante Frage des Vorliegens eines notwehrfähigen Angriffs. Die im Ver­ gleich zum Tatbestandsirrtum ungünstigere Rechtsfolge resultiert daraus, dass sich der Täter beim Verbotsirrtum wegen der Vornahme einer rechtlich falschen Bewertung von der Rechtsordnung weiter entfernt hat als dies beim Tatbestandsirrtum der Fall ist.216 An die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums werden allgemein217, aber auch speziell im Urheberstrafrecht218 hohe Anforderungen gestellt. Zur An­ nahme der Straffreiheit wird vom Täter verlangt, dass es ihm nach den kon­ kreten Umständen des Einzelfalles, bei Anspannung seines Gewissens und 214  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 64; Fischer, § 16 Rn. 2; Heinrich, in: Urhe­ berrecht im Wandel der Zeit, S. 54; ders., Strafrecht AT, Rn. 1067; Wandtke/Bullin­ ger-Reinbacher, § 106 Rn. 34. 215  Vgl. zur Rolle des Tatbestands im Deliktsaufbau Heinrich, Strafrecht AT, Rn.  110 ff.; Kühl, § 3 Rn. 1 ff. 216  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1067. 217  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1117; Kühl, § 13 Rn. 49, 61; Rengier, Strafrecht AT, § 31 Rn. 17. 218  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 64; Heinrich, S. 265; ders., in: Urheberrecht im Wandel der Zeit, S. 54; Loeweinheim-Flechsig, § 90 Rn. 35; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 125; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 38.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit193

selbst unter Zuhilfenahme entsprechenden Rates durch Dritte unmöglich ge­ wesen ist, den Unrechtsgehalt seines Verhaltens zu erkennen.219 Die oben dargestellten drei kurzen Beispiele lassen sich allesamt derart umstellen, dass der Verwerter jeweils einem Irrtum über rechtliche Umstände unterliegt: 1. Irrtum über das Tatobjekt

Beispiel 1: Von den zwei auf seinem Computer gespeicherten Word-Doku­ menten wählt der Verwerter bewusst das Dokument mit dem Gedichtwerk aus und druckt dieses mehrfach aus, um es anschließend in einen Gedicht­ band aufzunehmen und diesen zu verkaufen. Dabei geht er jedoch fälsch­ licherweise davon aus, dass nur gesprochene, nicht aber auch niedergeschrie­ bene Werke urheberrechtlichen Schutz genießen. Hier erkennt der Verwerter durchaus zutreffend alle tatsächlichen Um­ stände, in Abgrenzung zu obigem Irrtum insbesondere, dass er das Dokument mit dem Gedicht ausgewählt hat. Er irrt sich hier lediglich aufgrund einer falschen rechtlichen Bewertung darüber, dass das von ihm ausgewählte Do­ kument keinen urheberrechtlichen Schutz genießt und somit kein taugliches Tatobjekt i. S. d. § 106 Abs. 1 UrhG darstellt. Es liegt hier also ein lediglich auf Schuldebene zu berücksichtigender Verbotsirrtum bezüglich des Tat­ objekts Werk vor. Da in diesem Fall von einer Vermeidbarkeit auszugehen ist, würde der Irrtum lediglich eine fakultative Strafmilderungsmöglichkeit nach sich ziehen (§ 17 S. 2 StGB). 2. Irrtum über die Tathandlung

Beispiel 2: Der Verwerter aus obigem Beispiel wählt bewusst das Doku­ ment mit dem urheberrechtlich geschützten Gedichtwerk aus, das er auch als solches erkennt. Er fertigt davon mehrere digitale Kopien an, um diese in einem Online-Gedichtband zu sammeln und zu vermarkten. Dabei geht er jedoch fälschlicherweise davon aus, dass nur körperliche, nicht jedoch auch unkörperliche Kopien eine Vervielfältigung i. S. d. § 106 Abs. 1 UrhG dar­ stellen.220

219  So in st. Rspr. etwa BGHSt 3, 357 (366); BGHSt 4, 1 (5); BGHSt 21, 18 (20); BGHSt 35, 347 (250); BGHSt 58, 15 (29); BGHSt 59, 292 (295); ferner Heinrich, S. 264; ders., Strafrecht AT, Rn. 1117; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 125; Rengier, Strafrecht AT, § 31 Rn. 19 ff. 220  Diese Konstellation ist angelehnt an Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 75.

194 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Auch in diesem Fall erkennt der Verwerter die tatsächlichen Umstände zutreffend, nimmt aber eine falsche rechtliche Wertung bezüglich der Tathandlung vor, da auch digitale Kopien eine Vervielfältigung darstellen.221 Um einen Fall der Unvermeidbarkeit gem. § 17 S. 2 StGB zu konstruieren, ließe sich das Beispiel dadurch ergänzen, dass der Verwerter vor Anfertigung der Kopien Rechtsrat bei einem – vermeintlich – auf Urheberrecht speziali­ sierten Rechtsanwalt eingeholt und dieser die vorgetragene Rechtsaufassung bestätigt hat. Zumindest wird die Annahme der Unvermeidbarkeit in den Fällen diskutiert, in denen eine rechtlich unzutreffende Wertung durch einge­ holten Rechtsrat nicht beseitigt werden konnte.222 3. Irrtum über gesetzlich zugelassene Fälle

Beispiel 3: Der Verwerter aus obigem Beispiel fertigt von dem Gedicht­ werk bewusst mehrere Kopien an. Dabei geht er zutreffend davon aus, dass der Urheber seit 50 Jahren tot ist. Er nimmt jedoch irrtümlich an, dass die Schutzfrist des Urheberrechts bereits 50 Jahre nach dem Tod des Urhebers erlischt. Auch hier erkennt der Verwerter zutreffend die tatsächlichen Umstände, nämlich die Dauer des Todes des Urhebers. Er irrt sich jedoch über die recht­ lichen Grenzen der Schrankenregelung, konkret über den Inhalt des § 64 UrhG, der ein Erlöschen eben erst nach 70 Jahren vorsieht. Der Verwerter unterliegt hier einem – durch einen Blick ins Gesetz – vermeidbaren Verbots­ irrtum i. S. d. § 17 S. 1 StGB bezüglich eines gesetzlich zugelassenen Falles. III. Sonderfall: Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale Eine Sonderrolle nehmen nach überwiegender Auffassung die sog. normativen Tatbestandsmerkmale ein. Auf diese wird später noch ausführlicher eingegangen.223 Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung im Zusammenhang mit der Irrtumslehre ist jedoch bereits hier kurz darzustellen, was unter nor­ mativen Tatbestandsmerkmalen verstanden wird, warum diese angeblich eine Sonderrolle einnehmen und warum diese Einordnung als verfehlt anzusehen ist. 221  Vgl.

Kapitel 1, § 1, D., I., 2., a). S. 64; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1118; Kühl, § 13 Rn. 61; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 38; zumindest für das Urhe­ berstrafrecht in diese Richtung gehend wohl auch BGHSt 58, 15 (29 f.) = BGH GRUR 2013, 62 (65) = BGH NJW 2013, 93 (93) – Italienische Bauhausmöbel. 223  Vgl. im Zusammenhang mit der Einordnung der gesetzlich zugelassenen Fälle Kapitel 4, § 1, D., II., 2. 222  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich,



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit195

Normative Tatbestandsmerkmale werden als Gegenstück zu deskriptiven Tatbestandsmerkmalen verstanden.224 Während letztere davon geprägt seien, den Inhalt aus sich selbst heraus zu beschreiben,225 sollen normative Tatbe­ standsmerkmale – verkürzt gesagt – wertende Aspekte enthalten, sodass es für ihre Inhaltsbestimmung einer juristischen Wertung bedarf.226 Als klas­ sisch normativ wird etwa das Tatbestandsmerkmal „Werk“ angesehen.227 Die allgemeine Irrtumslehre entfernt sich bei normativen Merkmalen von der üblichen Differenzierung zwischen Tatbestands- und Verbotsirrtum. Statt­ dessen soll bei einem normativen Merkmal auch dann ein Tatbestandsirrtum vorliegen, wenn sich der Täter über rechtliche Umstände in Bezug auf dieses Merkmal irrt – dies zumindest so lange, wie er im Rahmen der „Parallelwer­ tung in der Laiensphäre“ den grundsätzlichen Bedeutungsgehalt dieses Merk­ males zutreffend erkennt.228 Dahinter steht das Bedürfnis, den sich über ein normatives Merkmal irrenden Täter aufgrund der erforderlichen rechtlichen Wertung zu privilegieren. Diese Sonderstellung der normativen Tatbestandsmerkmale kann letztlich nicht überzeugen. Zum einen ist eine Trennung zwischen deskriptiven und normativen Merkmalen gerade im Nebenstrafrecht kaum möglich,229 da eine Auslegung in diesen Fällen an sich immer eine Wertung erfordert und es in­ soweit praktisch keine rein deskriptiven Merkmale gäbe. So könnte man maximal von eher deskriptiv und eher normativ geprägten Merkmalen spre­ chen. Da aber gerade die Einordnung als normativ darüber entscheiden soll, ob der Vorsatz des Täters auch bei einer falschen rechtlichen Bewertung entfällt, ist dies nicht zielführend. Dass damit erhebliche Rechtsunsicherheit einhergeht, liegt auf der Hand. Zum anderen überzeugt auch die hinter der Privilegierung stehende Wertung nicht, da die für den Täter günstigere Rechtsfolge beim Tatbestandsirrtum eben damit begründet wird, dass dieser

224  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 6 Rn. 25; Heinrich, FS Roxin 2011, S. 453; Kühl, § 5 Rn. 92. 225  Heinrich, FS Roxin 2011, S. 453; ders., Strafrecht AT, Rn. 125; Rengier, Straf­ recht AT, § 8 Rn. 11; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 57; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 197. 226  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 6 Rn. 24; Engisch, FS Mezger 1954, S. 128; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 126; Hill, S. 120. 227  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 68; Heinrich, S.  262 ff.; Hildebrandt, S. 257; Reinbacher, S. 263; Weber, S.  288 f. 228  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Eisele, § 11 Rn. 61 ff.; Kühl, § 5 Rn. 92; Rengier, Strafrecht AT, § 8 Rn. 13. 229  So auch Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 127; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 58 f.; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 199; Wissmann, S. 79; vgl. ausführlich hierzu Kapitel 4, § 1, D., II., 2., c).

196 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

sich über tatsächliche Umstände irrt.230 Mit der überwiegenden Meinung wird der Täter hier aber auch dann privilegiert, wenn er die tatsächlichen Umstände zutreffend erkennt. Auf all diese Aspekte wird später noch aus­ führlicher eingegangen.231 IV. Weitere Irrtumskonstellationen Im Folgenden sollen einige weitere Irrtumskonstellationen dargestellt wer­ den, die speziell im Urheberstrafrecht Bedeutung erlangen können. Darüber hinaus lassen sich freilich noch andere Unterdifferenzierungen und theore­ tische Irrtumskonstellationen ausmachen, die im Zusammenhang mit der ­Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts jedoch keine besondere Re­ levanz haben und die hier deshalb unberücksichtigt bleiben können.232 Relevant ist hingegen zunächst der Erlaubnistatbestandsirrtum. Bei die­ sem irrt sich der Täter über die Einschlägigkeit oder die tatsächlichen Vo­ raussetzungen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes.233 Bedeutung hat im Urheberstrafrecht dabei aber lediglich die Konstellation, in der der Täter irrig annimmt, der Urheber habe in die Verwertung seines Werkes eingewil­ ligt.234 In diesem Fall läge ein Irrtum über das tatsächliche Eingreifen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes vor. Denkbar wäre auch die Konstella­ tion, in der der Täter davon ausgeht, ihm wurde ein ausschließliches Nut­ zungsrecht eingeräumt, wobei der Urheber ihm lediglich eine einfache Lizenz erteilt hat. Hier irrt sich der Täter über die tatsächlichen Grenzen der erteilten Einwilligung. Aufgrund der Zuordnung der Einwilligung zur Ebene der Rechtswidrigkeit235 entfällt in diesen Fällen mit der herrschenden einge­ schränkten Schuldtheorie nicht der Tatbestandsvorsatz, sondern in analoger

230  Vgl.

Kapitel 3, § 3, B., I. Kapitel 4, § 1, D., II., 2., b). 232  Dies betrifft insbesondere die Irrtümer auf der Schuldebene, allen voran den (rechtlich unbeachtlichen) Entschuldigungsirrtum und den (nach § 35 Abs. 2 StGB zu behandelnden) Entschuldigungstatbestandsirrtum sowie weitere ungeschriebene Irrtü­ mer insbesondere in Bezug auf das Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes oder ei­ nes Strafausschließungsgrundes; vgl. zu alldem die Darstellungen bei Heinrich, Straf­ recht AT, Rn.  1145 ff.; Kühl, § 13 Rn. 82; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 770 ff., § 15 Rn.  783 ff. 233  Vgl. allgemein hierzu die Darstellungen bei Baumann/Weber/Mitsch/EiseleMitsch, § 14 Rn. 68 ff.; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1132; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  740 ff. 234  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 80; Heinrich, S. 263; Wandtke/BullingerReinbacher, § 106 Rn. 36. 235  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 1, D., III. und Kapitel 3, § 2, A., II., 1. 231  Vgl.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit197

Anwendung des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB lediglich die Vorsatzschuld auf Schuld­ebene.236 Hieran anknüpfend ist der Erlaubnisirrtum zu nennen. Bei diesem irrt sich der Täter über die Existenz eines nicht-anerkannten oder die rechtlichen Grenzen eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes.237 Relevant ist dies im Urheberstrafrecht erneut lediglich im Zusammenhang mit der rechtfertigen­ den Einwilligung. Wenn der Täter also etwa davon ausgeht, das Urheberrecht entfalte seine Wirkung nur gegenüber externen Dritten und eine Verwertung des Werkes eines Familienmitglieds sei aufgrund der familiären Verbunden­ heit gerechtfertigt, so irrt er sich über die rechtliche Existenz eines (in Wahr­ heit nicht existierenden) Rechtfertigungsgrundes. Wenn er davon ausgeht, als Inhaber einer einfachen Lizenz stets auch dazu berechtigt zu sein, über das Werk nach seinem Belieben umfassend zu verfügen, irrt er über die recht­ lichen Grenzen des Rechtfertigungsgrundes der Einwilligung. Weil dies stets auf einer rechtlich falschen Würdigung beruht, wird der Erlaubnisirrtum nach überwiegender Auffassung entsprechend § 17 StGB behandelt und führt als Verbotsirrtum lediglich bei Unvermeidbarkeit zur Straffreiheit.238 Schließlich ließen sich sämtliche oben dargestellten Konstellationen derart umstellen, dass sich der Verwerter zu seinen Lasten irrt, er also sein an sich strafrechtlich nicht relevantes Verhalten als strafbewehrt ansieht239: Zu denken wäre dabei etwa an die Konstellation, dass der Verwerter das Dokument mit dem urheberrechtlich geschützten Gedichtwerk vervielfältigen möchte, versehentlich aber das nicht urheberrechtlich geschützte Dokument mit der wahllosen Aneinanderreihung der Buchstaben verwertet, das von seiner Katze erzeugt wurde (umgedrehter Tatbestandsirrtum bezüglich des Tatobjekts). Zu denken wäre ferner an die Konstellation, in der der Verwerter irrig annimmt, der Urheber eines von ihm vervielfältigten Werkes sei erst vor 50 Jahren verstorben, wobei er tatsächlich bereits seit 70 Jahren tot und die Schutzfrist des § 64 UrhG damit abgelaufen ist (umgedrehter Tatbestandsirrtum bezüglich eines gesetzlich zugelassenen Falles). Geht der Verwerter hingegen davon aus, dass die Schutzfrist des § 64 UrhG nicht bereits 70 Jahre, sondern erst 80 Jahren nach dem Tod des Urhebers ablaufe und

236  Vgl. Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 14 Rn. 77; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1132; Rengier, Strafrecht AT, § 30 Rn. 15; Roxin, Strafrecht AT I, § 14 Rn. 64. 237  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1142; Wessels/Beulke/Satzger, Rn.  761 ff. 238  Vgl. Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 14 Rn. 81; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1143. 239  Auf die zunehmende Bedeutung der Irrtümer zu Lasten des Täters hinweisend Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 61.

198 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

vervielfältigt er daraufhin ein Werk, dessen Urheber vor 70 Jahren verstorben ist, unterliegt er einem umgedrehten Verbotsirrtum. Auch die übrigen Beispiele ließen sich allesamt zu Lasten des Täters um­ stellen. Entscheidend ist nun die Frage, welche Rechtsfolgen diese Irr­ tumskonstellationen nach sich ziehen. Sämtlichen Konstellationen ist gemein, dass dasjenige Unrecht, das sich der Täter über das tatsächlich eingetretene Unrecht hinaus vorstellt, in Wirklichkeit nicht eingetreten ist. Es fehlt in diesen Konstellationen mithin bezüglich der irrig angenommenen Umstände am Eintritt eines Erfolgsunwerts. Sanktionswürdig ist mithin lediglich die subjektive Vorstellung des Verwerters, sodass nur eine Versuchsstrafbarkeit in Betracht kommen kann.240 Dies ist aufgrund der Unmöglichkeit des Er­ folgseintrittes freilich stets nur in der Form eines untauglichen Versuchs denkbar.241 In diesen Fällen stellt sich jedoch traditionell das Problem der Abgrenzung zum straflosen Wahndelikt. Hierbei sind dieselben Abgrenzungs­ kriterien anzuwenden, die auch für die Abgrenzung zwischen Tatbestandsund Verbotsirrtum gelten: Wenn der Täter zu seinen Lasten irrig einen tat­ sächlichen Umstand annimmt, steht zumindest in den Fällen der §§ 106 Abs. 2, 107 Abs. 2 und 108 Abs. 2 UrhG (also bei allen urheberstrafrecht­ lichen Zentraltatbeständen außer bei § 108b UrhG) eine Versuchsstrafbarkeit im Raum; nimmt er hingegen zu seinen Lasten eine falsche rechtliche Wür­ digung vor, handelt es sich lediglich um ein strafloses Wahndelikt.242

C. Auswirkungen auf die Zivilrechtsakzessorietät Die Komplexität der Irrtumsmaterie darf an dieser Stelle nicht dazu füh­ ren, den Blick für das (im hiesigen Zusammenhang) Wesentliche zu verlie­ ren, nämlich die Frage, welche Auswirkungen die strafrechtlich relevanten Irrtümer auf das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät haben. Bevor hierauf sogleich näher eingegangen wird (II. und III.), soll zuvor aus den bislang gewonnenen Erkenntnissen zusammengetragen werden, in welchen Konstellationen der Irrtum zu einem Auseinanderfallen der straf- und zivilrecht­ lichen Bewertung führt und welche Konstellationen damit kritisch am Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät zu messen sein werden (I.).

240  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 22 Rn. 49; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1070. 241  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 72. 242  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 22 Rn. 49; Bosch/Bung/Klippel-Hein­ rich, S. 63, 72; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1070.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit199

I. Auseinanderfallen der straf- und zivilrechtlichen Bewertung Hierfür ist erneut vorrangig die Unterscheidung von Bedeutung, ob der Verwerter einem Irrtum über tatsächliche oder über rechtliche Umstände un­ terliegt. 1. Irrtümer über tatsächliche Umstände

Die straf- und zivilrechtliche Bewertung fällt zunächst in denjenigen Kon­ stellationen auseinander, in denen der Verwerter einem Tatbestandsirrtum unterliegt, weil er zu seinen Gunsten unzutreffende tatsächliche Umstände in Bezug auf das Vorliegen eines Tatobjekts, einer Tathandlung oder eines ge­ setzlich zugelassenen Falles annimmt. Hier bleibt der Täter straflos, ist zivil­ rechtlich aber verantwortlich, wobei allerdings ein Anspruch auf Schadens­ ersatz nur dann gegeben ist, wenn das Verkennen dieser den Irrtum begrün­ denden tatsächlichen Umstände auf fahrlässigem Verhalten beruht.243 Genau umgekehrt verhält es sich, wenn der Verwerter einem Irrtum zu seinen Lasten über tatsächliche Umstände eines Tatobjekts, einer Tathand­ lung oder eines gesetzlich zugelassenen Falles unterliegt. In diesen Fällen macht er sich – außer in den Fällen des § 108b UrhG – wegen (untauglichen) Versuchs strafbar. Gleichzeitig fehlt es mangels eingetretener Rechtsgutsver­ letzung jedoch am Bezugspunkt für die Begründung einer zivilrechtlichen Haftung nach §§ 97 ff. UrhG. Zu erwägen wäre, in dieser Konstellation einen Schadensersatzanspruch über § 823 Abs. 2 BGB unter Rückgriff auf die je­ weiligen Versuchsstrafbarkeiten als Schutzgesetze zu konstruieren. Da es in den Fällen des ausgebliebenen Erfolgseintritts jedoch stets auch an einem ersatzfähigen Schaden fehlen wird, geht auch dieser Anspruch ins Leere. Die straf- und zivilrechtliche Bewertung fällt hier also gewissermaßen genau an­ dersherum auseinander, da sich der Täter, der sich zu seinen Lasten über tatsächliche Umstände irrt, zwar strafbar macht, aber zivilrechtlich nicht haftbar ist. Damit geht auch hier die strafrechtliche Verantwortlichkeit weiter als die zivilrechtliche Haftbarkeit. 2. Irrtümer über rechtliche Umstände

Für eine Systematisierung der Irrtümer über rechtliche Umstände ist erneut die Unterscheidung von zentraler Bedeutung, ob der Irrtum vermeidbar (§ 17 S. 2 StGB) oder aber unvermeidbar gewesen ist (§ 17. S. 1 StGB). Auf die

243  Vgl.

§ 97 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 UrhG.

200 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

hohen Anforderungen an eine Unvermeidbarkeit wurde bereits hingewie­ sen.244 a) Vermeidbarer Verbotsirrtum Beim vermeidbaren Verbotsirrtum ist die Rechtslage insoweit relativ ein­ deutig, als lediglich die Möglichkeit besteht, die Strafe des Verwerters nach §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB zu mildern, sich der Verwerter aber trotzdem strafbar macht. Auch zivilrechtlich ist er verantwortlich, wobei lediglich die Frage von Bedeutung ist, wie sich die Vermeidbarkeit des Irrtums auf die Voraussetzungen des zivilrechtlichen Vorsatzes und der zivilrechtlichen Fahr­ lässigkeit im Rahmen des Schadensersatzanspruchs auswirkt (§ 97 Abs. 2 UrhG). Da die Fahrlässigkeit auch im Urheberzivilrecht als konstituierende Voraussetzung verlangt, dass die Rechtsgutsverletzung erkennbar gewesen sein muss245 und dies bei einem vermeidbaren Irrtum offensichtlich vorliegt (weil andernfalls der Irrtum unvermeidbar gewesen wäre), besteht in diesem Fall auch eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit.246 Hier liegt also kein Aus­ einanderfallen vor. b) Unvermeidbarer Verbotsirrtum Etwas schwieriger ist die Bewertung der Rechtslage beim unvermeidbaren Verbotsirrtum. Hier entfällt die Strafbarkeit des Verwerters (§ 17 S. 1 StGB). Zivilrechtlich scheidet zumindest ein Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG aus, da es bei Unvermeidbarkeit des Irrtums an den Vorausset­ zungen der zivilrechtlichen Fahrlässigkeit (§ 97 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 UrhG) fehlt und damit auch an dem von § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG vorausgesetzten Verschulden.247 Dies könnte bezüglich des Unterlassungs- und Beseitigungsanspruchs nach § 97 Abs. 1 UrhG aber deshalb anders sein, weil dieser grundsätzlich kein Verschulden und auch keine Fahrlässigkeit voraussetzt. Insoweit läge der Schluss nahe, § 97 Abs. 1 UrhG verlange lediglich die objektive Widerrecht­ lichkeit der Verletzung und nicht auch eine diesbezügliche Kenntnis des 244  Vgl.

oben Kapitel 3, § 3, B., II. Nordemann, § 97 Rn. 63 ff. 246  Vgl. MüKo-BGB-Grundmann, 8. Aufl., § 276 Rn. 73, 77 ff. 247  Vgl. Dreier/Schulze-Specht, § 97 Rn. 78, der zu Recht darauf hinweist, dass grundsätzlich der Verletzer und nicht der Urheber das „Risiko des Rechtsirrtums“ trage – dies ändert aber nichts daran, dass in diesem Fall die Voraussetzungen der Fahrlässigkeit und des Verschuldens mangels Vermeidbarkeit nicht vorliegen. 245  Fromm/Nordemann-J. B.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit201

Verletzers.248 Sodann würde der Irrtum den Unterlassungs- und Beseitigungs­ anspruch aber grundsätzlich unberührt lassen und Straf- und Zivilrecht wür­ den hier auseinanderfallen. Dies aber würde bedeuten, dass Ansprüche auf Unterlassung und Beseiti­ gung bereits zu einem Zeitpunkt bestünden, zu dem der Verwerter noch in Unkenntnis der Rechtslage gewesen ist und die sodann nachträglich, das heißt nachdem der sich im Irrtum befindende Verwerter von dem Irrtum er­ fahren hat, insoweit rückwirkend geltend gemacht werden könnten. Eine solche rückwirkende Geltendmachung ist jedoch dem Wesen zumindest von Unterlassungsansprüchen insoweit fremd, als diese auf den gegenwärtigen Ist-Zustand gerichtet sind.249 Die nachträgliche Geltendmachung eines An­ spruchs auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands entspricht dabei eher dem Wesen des Schadensersatzanspruchs, dem es im Wege der Natural­ restitution Rechnung zu tragen gilt.250 Somit ist grundsätzlich auch im Rahmen der Unterlassungs- und Beseiti­ gungsansprüche nach § 97 Abs. 1 UrhG zu fordern, dass der Verwerter die Verletzung jedenfalls willentlich begeht.251 Dies setzt aber voraus, dass er Kenntnis davon hat, mit seinem Handeln eine Urheberrechtsverletzung zu begehen.252 Die Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung erfüllen näm­ lich nur dann ihren Zweck, wenn der Verletzer überhaupt die Möglichkeit hat, die Rechtsverletzung abzustellen.253 Diese Möglichkeit ist aber eben nur dann gegeben, wenn der Verletzer weiß, dass er gerade eine Urheberrechts­ verletzung begeht. Diese Kenntnis fehlt dem Verletzer jedenfalls so lange, wie er sich nicht auf der Seite des Unrechts wähnt, weil er einem unvermeid­ baren Verbotsirrtum unterliegt.254 Bis dahin scheidet also sowohl eine Straf­ barkeit aus, aufgrund der beschriebenen Umstände aber auch eine zivilrecht­ liche Verantwortlichkeit jedenfalls als Täter, sodass Strafrecht und Zivilrecht zumindest diesbezüglich gleichlaufen. Der hierbei möglicherweise empfundenen Unbilligkeit lässt sich mit der zivilrechtlichen Unterscheidung zwischen Täter und Störer begegnen.255 Der Fromm/Nordemann-J. B. Nordemann, § 97 Rn. 20. § 97 Rn. 69; Möhring/Nicolini-Reber, § 97 Rn. 86. 250  Dies anerkennend letztlich auch Fromm/Nordemann-J. B. Nordemann, § 97 Rn. 60. 251  Möhring/Nicolini-Reber, § 97 Rn. 36; in diese Richtung gehend auch Wandtke/ Bullinger-v. Wolff, § 97 Rn. 14. 252  Dreier/Schulze-Specht, § 97 Rn. 29. 253  Dreier/Schulze-Specht, § 97 Rn. 35. 254  Möhring/Nicolini-Reber, § 97 Rn. 36. 255  Vgl. Dreier/Schulze-Specht, § 97 Rn. 28; Leistner, GRUR 2006, 801 (802 ff.); Loewenheim-Vinck, § 81 Rn. 15; Wandtke/Bullinger-v. Wolff, § 97 Rn. 14. 248  So

249  Dreier/Schulze-Specht,

202 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Verletzer ist nach alledem jedenfalls ab dem Zeitpunkt als Störer zivilrecht­ lich verpflichtet, ab dem er von seiner fehlenden Berechtigung Kenntnis er­ langt.256 Sofern er die Urheberrechtsverletzung sodann aber wissentlich auf­ rechterhält, ist er zivilrechtlich zur Unterlassung und auch zur Beseitigung verpflichtet. Jedenfalls ab diesem Zeitpunkt besteht eine zivilrechtliche Ver­ antwortlichkeit. Eine Strafbarkeit scheidet jedoch nach wie vor aus, sodass die zivilrechtliche und die strafrechtliche Bewertung auseinanderfallen. Dies wäre lediglich dann anders zu beurteilen, wenn das Werk auch nach dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung weiterhin unerlaubt verwertet wird, da der Verwerter dann keinem Verbotsirrtum mehr unterliegt. c) Irrtum zu Lasten des Täters Anders verhält es sich letztlich bei der Bewertung der rechtlichen Irrtümer zu Lasten des Täters. Strafrechtlich begründet ein solcher Irrtum, wie darge­ legt, lediglich ein strafloses Wahndelikt, sodass der Verwerter sich nicht strafbar macht. Zivilrechtlich ist mangels Erfolgseintritts ohnehin keine Rechtsgutsverletzung gegeben, da sich der vermeintliche Verletzer den Ver­ stoß gegen die Rechtsordnung nur vorgestellt hat. Sodann besteht aber auch keine zivilrechtliche Verantwortlichkeit. Die straf- und zivilrechtliche Bewer­ tung läuft also in diesem Fall gleich. 3. Sonstige Irrtümer

Während beim Erlaubnistatbestandsirrtum die Strafbarkeit nach überwie­ gender Auffassung mangels Vorsatzschuld entfällt, hängt die zivilrechtliche Verantwortlichkeit erneut davon ab, ob der Verletzer den Irrtum hätte vermei­ den können. Jedenfalls ließe sich bei Vermeidbarkeit des Irrtums der Vorwurf der Fahrlässigkeit begründen. Konnte der Verletzer den Irrtum hingegen nicht vermeiden, ist eine zivilrechtliche Verantwortlichkeit – ähnlich wie beim unvermeidbaren Verbotsirrtum – erst ab dem Zeitpunkt der Kenntniser­ langung gegeben. Da der Erlaubnisirrtum rechtlich wie der Verbotsirrtum zu behandeln ist, ist auch hier die Frage der Vermeidbarkeit von entscheidender Bedeutung. Hätte der Verletzer erkennen können, dass sein Verhalten nicht von einem anerkannten Rechtfertigungsgrund oder aber dessen rechtlichen Grenzen ge­ deckt ist, hätte er den Irrtum infolgedessen auch vermeiden können, sodass er sich grundsätzlich strafbar macht.257 Auch zivilrechtlich ist er in diesem 256  Möhring/Nicolini-Reber,

§ 97 Rn. 42 f. kommt insoweit lediglich die fakultative Strafmilderungsmöglichkeit in analoger Anwendung der §§ 17 S. 2, 49 Abs. 1 StGB in Betracht. 257  Es



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit203

Fall verantwortlich. Hätte er dies jedoch nicht erkennen können, wäre sein Irrtum also unvermeidbar gewesen, bleibt der Verwerter grundsätzlich straf­ los und kann bis zum Zeitpunkt der Kenntniserlangung auch zivilrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden, ab dem Zeitpunkt der Kenntnis­ erlangung fallen die straf- und zivilrechtliche Bewertung wieder auseinander. 4. Zwischenergebnis

Nach alledem fällt auf, dass sich die straf- und zivilrechtliche Bewertung eines Sachverhaltes meist dann nicht voneinander unterscheidet, wenn der Täter über rechtliche Umstände irrt. Er ist dann gleichermaßen straf- und zivilrechtlich entweder verantwortlich oder nicht. Dies gilt sowohl für den direkten Verbotsirrtum, als auch für den Erlaubnisirrtum (indirekter Verbots­ irrtum). Bei Vermeidbarkeit des Irrtums ist er zivil- und strafrechtlich verant­ wortlich, bei Unvermeidbarkeit entfällt die Verantwortlichkeit. Gleiches gilt auch für den rechtlichen Irrtum zu Lasten des Täters, bei dem er – unabhän­ gig von der Frage der Vermeidbarkeit – straffrei bleibt. Anders ist dies bei einem Irrtum über tatsächliche Umstände. Hier fällt die straf- und zivilrechtliche Bewertung regelmäßig auseinander. Irrt sich der Verletzer zu seinen Lasten, macht er sich – außer in den Fällen des § 108b UrhG – wegen Versuchs strafbar, wohingegen er zivilrechtlich nicht verant­ wortlich ist. Dass in diesen Fällen die Möglichkeit einer Strafmilderung be­ steht, ändert nichts an der grundsätzlichen Strafbarkeit.258 Beim Irrtum zu­ gunsten des Täters entfällt die Strafbarkeit, wohingegen er zivilrechtlich verantwortlich ist. Hier wirkt sich aus, dass die fahrlässige Urheberrechtsver­ letzung nicht strafbar ist (§ 15 StGB, Art. 1 Abs. 1 EGStGB). Eine Sonderstellung nimmt dabei der Erlaubnistatbestandsirrtum ein. Ist dieser unvermeidbar, scheidet sowohl die strafrechtliche als auch die zivil­ rechtliche Verantwortlichkeit aus. Ist er hingegen vermeidbar, entfällt nur die Strafbarkeit, da der Betreffende hier jedenfalls fahrlässig handelt. Insoweit ergibt sich folgendes Bild (auf der nächsten Seite):

258  Vgl.

§ 23 Abs. 2 StGB.

204 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen Auswirkungen Strafbarkeit

zivilrechtliche Verantwortlichkeit

Bewertung

Irrtum über tatsäch­ liche Umstände zugunsten des Täters

(–)

(+)

Auseinanderfallen

Irrtum über tatsäch­ liche Umstände zu Lasten des Täters

(+)

Irrtumskonstellation

(bei Fahrlässigkeit) (–)

Auseinanderfallen

untauglicher Versuch (Ausnahme: § 108b UrhG)

vermeidbarer Irrtum über rechtliche Umstände zugunsten des Täters

(+)

(+)

Gleichlauf

unvermeidbarer Irrtum über rechtliche Umstände zugunsten des Täters

(–)

(–) bei fehlender Kenntnis

Gleichlauf

(+) ab Kenntnis­ erlangung

Auseinanderfallen

Irrtum über rechtliche Umstände zu Lasten des Täters

(–)

(–)

Gleichlauf

vermeidbarer Erlaubnistatbestands­ irrtum

(–)

(+)

Auseinanderfallen

unvermeidbarer Erlaubnistatbestands­ irrtum

(–)

(–) bei fehlender Kenntnis

Gleichlauf

(+) ab Kenntnis­ erlangung

Auseinanderfallen

vermeidbarer Erlaubnisirrtum

(+)

(+)

Gleichlauf

unvermeidbarer Erlaubnisirrtum

(–)

(–) bei fehlender Kenntnis

Gleichlauf

(+) ab Kenntnis­ erlangung

Auseinanderfallen



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit205

II. Auswirkungen auf die einzelnen Merkmale der Zivilrechtsakzessorietät Die Frage, welche Auswirkungen die urheberstrafrechtlich relevanten Irr­ tümer auf das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät haben, ist nach der hier zugrunde gelegten Systematisierung in einem Zweischritt zu beantworten: Zunächst ist festzustellen, welche Merkmale der Zivilrechtsakzessorietät in den Irrtumsfällen gerade nicht zur Anwendung kommen können, bevor beur­ teilt wird, ob damit das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät als solches durchbrochen ist. 1. Inhaltliche Anlehnung (Merkmal 1)

Im Zusammenhang mit den hier relevanten Irrtumskonstellationen steht das Merkmal der allgemeinen inhaltlichen Anlehnung im Vordergrund, das mit einem inhaltlichen Gleichlauf zwischen der zivil- und strafrechtlichen Beurteilung beschrieben wurde.259 Dieses Merkmal bedarf in den drei heraus­ gestellten Irrtumskonstellationen einer genaueren Betrachtung. Zur Veranschaulichung dienen diese Beispiele: Beispiel 1: Beim Versuch des Öffnens des auf dem Computer gespeicher­ ten Gedichts drückt der Verwerter anstatt auf die Taste „ansehen“ versehent­ lich auf die Taste „versenden“. Damit verschickt er das Werk an sämtliche in seinem E-Mail-Account gespeicherten Adressen. Der Täter unterliegt hier einem Irrtum über tatsächliche Umstände zu seinen Gunsten. Er ist zivilrechtlich verantwortlich (§§ 97 ff. UrhG), macht sich aber gleichzeitig nicht strafbar. Beispiel 2: Der Verwerter stellt bewusst mehrere Kopien eines Gedicht­ werkes her, dessen Urheber bereits seit 70 Jahren tot ist. Er hat zwar Kennt­ nis vom Inhalt der Norm des § 64 UrhG, geht jedoch irrtümlich davon aus, der Urheber sei erst vor 50 Jahren verstorben. Der Täter unterliegt hier einem Irrtum über tatsächliche Umstände zu seinen Lasten. Er macht sich wegen Versuchs strafbar, ist aber zivilrechtlich nicht haftbar. Beispiel 3: Der Urheber und der Verwerter des Werkes einigen sich darauf, dass der Verwerter von dem Werk zehn Kopien anfertigen darf. Weil er je­ doch nicht richtig zuhört, meint der Verwerter, der Urheber habe ihm erlaubt, das Werk vollumfänglich zu verwerten. Daraufhin fertigt der Verwerter 15 Kopien an. 259  Vgl.

Kapitel 3, § 1, A., I.

206 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Der Täter unterliegt hier einem vermeidbaren Erlaubnistatbestandsirrtum. Wenn er das Werk umfassend verwertet, bleibt er straflos, ist aber zivilrecht­ lich verantwortlich. In allen drei Konstellationen unterscheidet sich die strafrechtliche Bewer­ tung von der zivilrechtlichen, sodass ein oben beschriebenes Auseinanderfal­ len vorliegt. Die straf- und zivilrechtliche Bewertung dieser Sachverhalte unterscheidet sich zumindest im Hinblick auf die Sanktionsbedürftigkeit. Je­ denfalls insoweit fehlt es an einem inhaltlichen Gleichlauf. Materiell-rechtlich werden die Sachverhalte zivil- und strafrechtlich hingegen durchaus gleich bewertet, nämlich als – fahrlässig begangene – Urheberrechtsverlet­ zung; die §§ 106 ff. UrhG erklären diese jedoch nur nicht für strafbar. 2. Tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2)

Die tatbestandliche Begriffsabhängigkeit ist hier nicht anwendbar,260 da sich das Erfordernis des Vorsatzes nicht aus den tatbestandlichen Begriffen selbst, sondern aus § 15 StGB ergibt.261 3. Rechtsgüterschutz (Merkmal 3)

Eng mit dem ersten Merkmal hängt auch das Merkmal des gleichlaufenden Rechtsgüterschutzes zusammen. Demnach muss das Strafrecht gerade wegen der Zivilrechtsakzessorietät die Schutzbedürftigkeit im Einzelfall genauso bewerten wie das Zivilrecht.262 Auch diesbezüglich zeigt sich, dass das Strafrecht die betroffenen Verwer­ tungsrechte jedenfalls in gleicher Weise für urheberrechtlich schutzbedürftig erachtet wie das Zivilrecht. Strafrechtlich wird in Beispiel 1 und Beispiel 3, den Fällen des klassischen Tatbestandsirrtums und des Erlaubnistatbestands­ irrtums, jedoch die konkrete Strafbedürftigkeit in Bezug auf die Verwer­ tungsrechte abgelehnt. In Beispiel 2, dem Fall des umgekehrten Tatbestands­ irrtums, kann hingegen mangels konkret eingetretener Rechtsverletzung das Zivilrecht nichts ausgleichen.

260  Vgl.

Kapitel 3, § 1, A., II. Kapitel 3, § 3, A. 262  Vgl. hierzu Kapitel 3, § 1, A., III. 261  Vgl.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit207

4. Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4)

Mit dem Merkmal der Strafrechtsbegrenzung wurde beschrieben, dass das Urheberstrafrecht nicht über den Schutzumfang hinausgehen darf, den das Urheberzivilrecht gewährt.263 Dem entsprechen Beispiel 1 und Beispiel 3. Hier bleibt der strafrechtliche Schutz hinter dem zivilrechtlichen zurück. Anders ist dies in Beispiel 2. Beim umgekehrten Tatbestandsirrtum liegt eine Versuchsstrafbarkeit vor, jedoch keine zivilrechtliche Verantwortlichkeit. Bildlich gesprochen ragt hier die Ebene des Strafrechts über die des Zivilrechts hinaus, das Urheberstrafrecht geht also weiter als das Zivilrecht. Mithin kommt das Merkmal des gleich­ laufenden Rechtsgüterschutzes nicht zur Geltung. Entsprechend der oben vorgestellten Systematisierung ist hierdurch die Zivilrechtsakzessorietät gelo­ ckert.264 III. Durchbrechung des Prinzips der Zivilrechtsakzessorietät? Die entscheidende Frage ist aber, ob das Prinzip der Zivilrechtsakzessori­ etät damit als durchbrochen anzusehen ist. Dies kann erneut nur anhand der Funktion der Zivilrechtsakzessorietät und vor dem Hintergrund der Frage beantwortet werden, ob die Zivilrechtsakzessorietät die Vorschriften noch hinreichend vor dem Vorwurf verfassungswidriger Unbestimmtheit bewahrt. Entscheidend ist somit, ob in den hier relevanten Irrtumskonstellationen übergeordnete Erwägungen auszumachen sind, die einer strengen Anwen­ dung der Akzessorietät entgegenstehen und gleichzeitig eine noch hinreichende Erkennbarkeit gewahrt bleibt.265 Diese Frage ist für jeden der drei relevanten Irrtumskonstellationen separat zu beantworten. 1. Tatbestandsirrtum zugunsten des Täters

Die Akzessorietät zeigt sich beim Tatbestandsirrtum zugunsten des Täters (Beispiel 1) lediglich dann nicht streng, wenn man auf die Sanktionsbedürftigkeit abstellt. Misst man dies am Maßstab des Bestimmtheitsgrundsatzes, ist auf zwei Erwägungen abzustellen:

263  Vgl.

Kapitel 3, § 1, A., IV. Kapitel 3, § 1, B., I. 265  Vgl. hierzu BVerfGE 25, 269 (285); BVerfGE 41, 314 (319); BVerfGE 55, 144 (152); BVerfGE 71, 108 (114); BVerfGE 87, 209 (223); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfGE 126, 170 (195). 264  Vgl.

208 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Zum einen ist die Funktion des (Urheber-)Zivilrechts anzuführen, einen entsprechenden Interessensausgleich zwischen den beteiligten Akteuren her­ zustellen.266 Das zivilrechtliche Rechtsfolgenregime kommt hier deshalb zum Tragen, weil der sich irrende Täter eine Rechtsgutsverletzung begangen hat und der daraus resultierende Schaden dem Urheber zu ersetzen ist. Die­ sem Ausgleich dient die zivilrechtliche Verantwortlichkeit des Verwerters. Auf der anderen Seite soll der Verwerter straffrei bleiben, weil er die Ur­ heberrechtsverletzung weder wollte noch mit ihr rechnete. Es fehlt insoweit an einer rechtsfeindlichen Gesinnung. Dass das Gesetz in diesem Fall keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vorsieht, ist im Zusammenhang mit dem ultimaratio-Grundsatz und dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts zu se­ hen. Damit stehen der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit einer strengen Akzessorietät zwei ebenfalls verfassungsrechtlich verankerte Erwägungen entgegen. Hinter diesen muss das Bedürfnis nach einer strengen Akzessorietät im Hinblick auf einen Gleichlauf der Sanktionsbedürftigkeit zumindest dann zurücktreten, wenn trotzdem eine noch hinreichende Erkennbarkeit gewahrt ist.267 Entscheidende Bedeutung hat dabei § 15 StGB, wonach eine fahrläs­ sige Tatbegehung explizit normiert sein muss. Ist dies – wie im Urheberstraf­ recht – aber nicht der Fall, kann sich der Rechtsanwender darauf verlassen, dass ausschließlich die vorsätzliche Tatbegehung strafbar ist. Dass § 106 UrhG in diesen Fällen also lediglich vorsätzlich verwirklicht werden kann, wird gerade wegen § 15 StGB hinreichend erkennbar. Das Prinzip der Zivil­ rechtsakzessorietät ist an dieser Stelle mithin nicht durchbrochen. 2. Vermeidbarer Erlaubnistatbestandsirrtum

Ähnlich verläuft die Begründung der Straffreiheit bei gleichzeitiger zivil­ rechtlicher Verantwortlichkeit im Fall des vermeidbaren Erlaubnistatbestands­ irrtums (Beispiel 3). Auch hier ist eine Rechtsgutsverletzung und infolgedes­ sen ein Schaden eingetreten, den es zivilrechtlich auszugleichen gilt. Straf­ rechtlich fehlt es aber an der rechtsfeindlichen Gesinnung. Mithin sind auch hier die soeben erörterten Erwägungen anzuführen, die Bewertung der hin­ reichenden Erkennbarkeit verhält sich so wie beim Tatbestandsirrtum.

266  Vgl. 267  Vgl.

Kapitel 1, § 2, B., II. hierzu bereits Kapitel 2, § 1, C.



§ 3 Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit209

3. Tatbestandsirrtum zu Lasten des Täters

Beim Tatbestandsirrtum zu Lasten des Täters (Beispiel 2) ist ebenfalls auf die Funktionen des Zivil- und Strafrechts abzustellen.268 Der Verwerter ist zivilrechtlich nicht verantwortlich, weil kein Schaden entstanden ist, den es auszugleichen gilt. Es fehlt also bereits am Bedürfnis nach einer Kompen­ sation. Strafrechtlich wird mit der Versuchsstrafbarkeit hingegen dasjenige Unrecht abgegolten, das durch die Betätigung der rechtsfeindlichen Gesinnung eingetreten ist. Die Erkennbarkeit dieser unterschiedlichen Behandlung wird dadurch ge­ wahrt, dass §§ 106 Abs. 2, 107 Abs. 2 und 108 Abs. 2 UrhG die Versuchs­ strafbarkeit ausdrücklich anordnen. Außerdem nimmt die Strafbarkeit hier genau das Ausmaß an, das sich der Täter vorgestellt hat. Bedenken im Hin­ blick auf eine mögliche Unbestimmtheit aufgrund der Anknüpfung an die subjektive Vorstellung des Täters lassen sich damit begegnen, dass dies dem Wesen des Versuchs entspricht.269 Die Grenzen der Strafbarkeit werden hier durch die tatsächlichen Vorstellungen des Täters und die rechtlichen Grenzen zum Wahndelikt hinreichend abgesteckt. Jedenfalls liegt auch hier keine Durchbrechung vor.

D. Zusammenfassung Die fehlende Fahrlässigkeitsstrafbarkeit ist vor dem Hintergrund der Urhe­ berzivilrechtsakzessorietät in erster Linie im Zusammenhang mit Irrtumskon­ stellationen von Bedeutung. In einigen Fällen führen urheberstrafrechtlich relevante Irrtümer zu einem Auseinanderfallen von Straf- und Zivilrecht. Dies betrifft vorrangig unterschiedliche Bewertungen im Hinblick auf die Sanktionsbedürftigkeit. In einer Abwägung mit übergeordneten Erwägungen stellen diese Konstellationen jedoch keine Durchbrechung des Grundsatzes der streng anzuwendenden Zivilrechtsakzessorietät dar, da jedenfalls eine hinreichende Erkennbarkeit gewahrt bleibt. Somit verhält es sich bezüglich der fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit letztlich genauso wie schon bei der Problematik der nachträglichen Genehmigung: Sofern sich die Akzessorietät nicht konsequent zeigt, stellt dies das Prinzip der strengen Anlehnung des Urheberstrafrechts an das Urheberzivilrecht als solches nicht in Frage. Dies ergibt sich letztlich daraus, dass mit der fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit und der Anordnung der Versuchsstrafbarkeit eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers zugrunde liegt, die für den Rechtsanwender auch hinreichend erkennbar ist. 268  Vgl. 269  Vgl.

hierzu ausführlich Kapitel 1, § 2, B. § 22 StGB: „nach seiner Vorstellung von der Tat“.

210 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

§ 4 Das strafrechtliche Analogieverbot als nur scheinbares Problem der Zivilrechtsakzessorietät? Als dritte übergeordnete und grundsätzlich alle Zentraltatbestände des Ur­ heberstrafrechts gleichermaßen betreffende Konstellation wird im Folgenden auf die Auswirkungen des strafrechtlichen Analogieverbotes eingegangen. Die Analogiebildung ist im Zusammenhang mit der Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts deshalb zu thematisieren, weil die Frage der Zulässig­ keit analoger Anwendung im Zivil- und Strafrecht unterschiedlich beantwor­ tet wird. Zu einem Problem würde dies vor dem Hintergrund der Zivilrechts­ akzessorietät dann werden, wenn sich eine Urheberrechtsverletzung aus­ schließlich über eine Analogiebildung begründen ließe, die zivilrechtlich wegen der Anerkennung analoger Anwendungen als zulässig erachtet wird, auf die strafrechtliche Ebene aber deshalb nicht durchschlagen kann, weil dort ein striktes Analogieverbot gilt. Jedenfalls würde in diesem Fall die straf- und zivilrechtliche Bewertung innerhalb desselben Sachverhalts aus­ einanderfallen. Da dieses „Problem“, wie sogleich näher dargestellt wird,270 im Urheber­ strafrecht eher theoretischer Natur ist und sich in der gegenwärtigen Ausge­ staltung der urheberrechtlichen Vorschriften nicht stellen wird, können die Ausführungen im Folgenden eher knapp gehalten werden. Zunächst wird auf die unterschiedliche Behandlung der Zulässigkeit im Zivil- (A., I.) und im Strafrecht eingegangen (A., II.), um sodann das „Problem“ der analogen Anwendung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät zu bewerten (B.).

A. Ausgangslage im Zivil- und Strafrecht Das Bedürfnis nach einer analogen Anwendung kann sich in Konstellatio­ nen ergeben, in denen sich ein Sachverhalt bei Auslegung des Gesetzes nicht unter einen Tatbestand subsumiert lässt. Sofern aber dieser nicht geregelte Sachverhalt dem vom Tatbestand erfassten Sachverhalt derart gleicht, dass einer Gleichbehandlung nur der Wortlaut entgegenstünde und der hier frag­ liche Sachverhalt ansonsten ungeregelt bliebe, jedoch einer Regelung bedarf, wird eine analoge Anwendung dieses Tatbestandes auch auf den nicht gere­ gelten Sachverhalt diskutiert.

270  Vgl.

hierzu sogleich Kapitel 3, § 4, B.



§ 4 Strafrechtliches Analogieverbot als Problem der Zivilrechtsakzessorietät?211

I. Zivilrechtliche Zulässigkeit analoger Anwendungen Im Zivilrecht wird die Bildung von Analogien in engen Grenzen für zulässig erachtet.271 Dabei haben Rechtsprechung und Literatur mit der Zeit die drei272 folgenden Zulässigkeitsvoraussetzungen entwickelt, die hier näher dargestellt werden: das Bestehen einer Regelungslücke (1.), die Planwidrigkeit dieser Re­ gelungslücke (2.) und die Vergleichbarkeit der Interessenlagen (3.). 1. Bestehen einer Regelungslücke

Zunächst muss überhaupt eine Regelungslücke bestehen, das heißt, der fragliche Sachverhalt darf sich bei Anwendung einer Vorschrift nicht unter den Gesetzestext subsumieren lassen.273 Sofern der fragliche Sachverhalt noch unter den Wortlaut der Norm gefasst werden kann, besteht bereits kein Bedürfnis für eine Analogiebildung, da sodann in unmittelbarer Anwendung auf die einschlägige Vorschrift zurückgegriffen werden kann. Entscheidende Bedeutung erfährt insoweit die Auslegung der Vorschrift. Dass die Anwendbarkeit und der Inhalt einer Norm gerade bei komplexen Rechtsmaterien wie dem Urheberrecht erst nach einer Auslegung des Geset­ zestextes hinreichend erkennbar werden können, wurde bereits dargelegt.274 Ergibt sich aber nach einer entsprechend weiten Auslegung275 des Tatbestan­ des, dass der fragliche Sachverhalt mit dem Wortlaut vereinbar ist, besteht schon keine Regelungslücke, die es im Wege der Analogie zu schließen gilt.276 Somit kann in der Auslegung gewissermaßen das Gegenstück zur Analogie gesehen werden.277 Während die Analogie über den Wortlaut hi­ nausgeht, findet die Auslegung ihre Grenze gerade in diesem Wortlaut.278 Es gilt mithin der Grundsatz: „Auslegung vor Analogie“.279 271  Vgl. insgesamt zur zivilrechtlichen Beurteilung der Zulässigkeit analoger An­ wendungen Canaris, passim. 272  Wobei die Anzahl der Voraussetzungen je nach Zusammenfassung der Krite­ rien und Schwerpunktsetzung variieren kann; vgl. etwa Bork, § 3 Rn. 144 f.; Leipold, § 5 Rn. 13, die für eine analoge Anwendung zwei Voraussetzungen aufstellen (Beste­ hen einer planwidrigen Regelungslücke und Vergleichbarkeit der Interessenlage). 273  Bork, § 3 Rn. 144; Leipold, § 5 Rn. 13. 274  Vgl. hierzu bereits Kapitel 2, § 1, B., II. und C., I. 275  Vgl. in diesem Zusammenhang den Begriff der „extensive[n] Auslegung“ bei Leipold, § 5 Rn. 12. 276  Bork, § 3 Rn. 143 f.; Leipold, § 5 Rn. 12; vgl. insgesamt hierzu Eser, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 259 ff.; Fitting, S.  36 ff. 277  Vgl. hierzu aus der Perspektive des Strafrechts Kirsch, S.  174 ff. 278  Do Chi, S. 128. 279  Vgl. Bork, § 3 Rn. 143 f.

212 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

2. Planwidrigkeit der Regelungslücke

Diese Regelungslücke muss sodann planwidrig sein,280 das heißt der Ge­ setzgeber darf bei Verabschiedung des Gesetzes den nicht geregelten Sach­ verhalt schlicht nicht bedacht haben.281 Dies schließt eine analoge Anwen­ dung zumindest in den Fällen aus, in denen der Gesetzgeber den betreffenden Sachverhalt bewusst ungeregelt lassen wollte.282 Entscheidende Bedeutung hat somit der Wille des Gesetzgebers. Dieser ist vorrangig aus einer ex-ante-Perspektive zum Zeitpunkt des Erlasses des Ge­ setzes zu bestimmen, sodass es grundsätzlich auf den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers ankommt.283 Lässt der Gesetzgeber hingegen trotz geän­ derter Verhältnisse einen Sachverhalt weiterhin bewusst ungeregelt, weil er diesen nach wie vor für nicht regelungsbedürftig hält, ist auch der gegenwär­ tige Zeitpunkt maßgebend. Der Wille des Gesetzgebers hat deshalb beson­ dere Relevanz, weil der Rechtsanwender mit der Analogiebildung in Auf­ gabenbefugnisse eingreift, die an sich dem Gesetzgeber vorbehalten sind.284 Er geriert sich also als „Ersatzgesetzgeber“.285 Die Planwidrigkeit der Rege­ lungslücke steht damit auch im Spannungsfeld mit dem verfassungsrecht­ lichen Gewaltenteilungsgrundsatz, denn die Wahrnehmung legislativer Be­ fugnisse durch einen anderen als den Gesetzgeber ist nur dort denkbar, wo der Gesetzgeber die Regelungslücke „versehentlich“ offen gelassen hat.286 Andernfalls würde man sich über den Willen des Gesetzgebers hinwegset­ zen.287

280  Bork,

§ 3 Rn. 144; Leipold, § 5 Rn. 13. wird hier die Unterscheidung vorgenommen, ob die Regelungslücke bereits zum Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung bestand („primäre Lücke“) oder sich erst nachträglich aufgrund neuartiger Erscheinungsformen ergab („sekundäre Lücke“); vgl. hierzu Bork, § 3 Rn. 144; Brox/Walker, § 3 Rn. 15. 282  Zum Kriterium der bewussten Entscheidung vgl. den Hinweis von Bork, § 3 Rn. 144, dass der Gesetzgeber einen Sachverhalt auch deshalb bewusst ungeregelt gelassen haben könnte, um das Ausfüllen der Rechtsfortbildung zu überlassen; vgl. hierzu speziell im Zusammenhang mit dem Urheberstrafrecht sogleich Kapitel 3, § 4, B. 283  Vgl. zu Unterschieden bei der Frage der Vergleichbarkeit der Interessenlagen sogleich Kapitel 3, § 4, A., I., 3. 284  Bork, § 3 Rn. 144. 285  Vgl. zu dem Begriff Lagodny, ZStW 101 (1989), 908 (927); Marinucci, FS Tiedemann 2008, S. 202. 286  Bork, § 3 Rn. 143, 148; Leipold, § 5 Rn. 14b. 287  Brox/Walker, § 3 Rn. 15. 281  Teilweise



§ 4 Strafrechtliches Analogieverbot als Problem der Zivilrechtsakzessorietät?213

3. Vergleichbarkeit der Interessenlagen

Das eigentliche Bedürfnis nach einer analogen Anwendung folgt schließ­ lich daraus, dass sich der nicht geregelte und der vom Gesetz geregelte Sachverhalt stark ähneln. Daraus folgt die entscheidende Voraussetzung, dass die Interessenlagen der beiden Sachverhalte vergleichbar sein müssen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Tatbestand den nicht geregelten Sach­ verhalt nach seinem Sinn und Zweck eigentlich erfassen müsste.288 Sodann wäre davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diesen Sachverhalt an sich im Wesen der entsprechenden Norm hätte verankern müssen.289 Damit steht auch die Voraussetzung der Vergleichbarkeit der Interessenla­ gen in engem Zusammenhang mit dem Willen des Gesetzgebers. Denn ob der nicht geregelte Sachverhalt eine Wesensverankerung in dem gesetzlichen Tatbestand findet, hängt damit zusammen, welchen Sinn und Zweck die Vor­ schrift nach dem Willen des Gesetzgebers verfolgen sollte. Entscheidende Bedeutung hat somit die Frage, ob und wie der Gesetzgeber den nicht gere­ gelten Sachverhalt beurteilt hätte, hätte er diesen bei Verabschiedung des Gesetzes bedacht.290 Gerade im Zusammenhang mit Sachverhalten, die etwa neuartige Erschei­ nungsformen zum Gegenstand haben, ist jedoch nicht ausschließlich die ur­ sprüngliche Intention des Gesetzgebers von Bedeutung, sondern auch die Frage, wie der Gesetzgeber den Sachverhalt ex post beurteilen würde. Dies ist insbesondere in denjenigen Fällen relevant (und hier scheint die Analogie­ bildung Bedeutung für die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts zu erlangen), in denen ein Tatbestand über eine analoge Anwendung neue Tech­ nologieformen abdecken soll, die zum Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung noch gar nicht existierten. Insoweit ist der ursprüngliche Wille des Gesetzge­ bers aufzugreifen und weiterzuentwickeln.291 Dies macht jedoch zunächst die Erforschung des hypothetisch-gegenwärtigen Willens des Gesetzgebers erfor­ derlich. Dabei lässt sich die Tendenz feststellen, dass eine Gleichbehandlung der Sachverhalte dem Wille des Gesetzgebers jedenfalls dann entspricht, wenn der Gleichbehandlung „kein einleuchtender Grund“ entgegensteht.292 Dies ist auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurückzuführen. Denn sofern sich zwei Sachverhalte derart ähneln, dass sie nicht nachvoll­ 288  Bork,

§ 3 Rn. 143, 145; Leipold, § 5 Rn. 13. in diesem Zusammenhang Bork, § 3 Rn. 143, der die analoge Anwendung deshalb auch als „gesetzesimmanente Rechtsfortbildung“ bezeichnet. 290  Brox/Walker, § 3 Rn. 15. 291  Vgl. Leipold, § 5 Rn. 12. 292  Brox/Walker, § 3 Rn. 16. 289  Vgl.

214 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

ziehbar unterschiedlich beurteilt werden können, verlangt Art. 3 Abs. 1 GG, dass gleiches grundsätzlich auch gleich zu behandeln ist.293 Hierdurch hat das Bedürfnis nach einer analogen Anwendung auch eine verfassungsrecht­ liche Notwendigkeit. Damit lässt sich das Erfordernis der vergleichbaren Interessenlagen auch in einen Zusammenhang mit der bereits dargestellten Funktion des Zivil­ rechts bringen, zwischen den beteiligten Akteuren einen gerechten Interessensausgleich zu erzielen.294 Eben wenn es dem Sinn und Zweck einer Vor­ schrift entspricht, über ihren Wortlaut hinaus auch den nicht geregelten Sachverhalt zu erfassen, kann die Analogiebildung eben auch der Schaffung eines interessensgerechten Ergebnisses dienen. Mit dem Erfordernis der Ver­ gleichbarkeit der Interessenlagen wird somit nichts anderes beurteilt als die Frage, ob eine Gleichbehandlung tatsächlich ein interessensgerechtes Ergeb­ nis darstellen würde.295 II. Strafrechtliches Analogieverbot Während eine Analogiebildung im Zivilrecht also unter den genannten Voraussetzungen zulässig ist, herrscht im Strafrecht grundsätzlich ein striktes Analogieverbot.296 Dies wird gemeinhin aus Art. 103 Abs. 2 GG hergeleitet, wonach vor Tatbegehung „die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt“ sein muss.297 Eben dies ist aber nicht der Fall, würde die Strafbarkeit des Täters im Ein­ zelfall erst über eine Analogiebildung begründet. Weil Art. 103 Abs. 2 GG aber nur verlangt, dass die „Strafbarkeit“ vor Tatbegehung gesetzlich bestimmt sein muss, werden Analogiebildungen zur Begründung der Straffreiheit des Täters grundsätzlich ebenso für zulässig erachtet wie Analogiebildungen zur Anwendung sonstiger, den Täter begüns­ tigender Vorschriften.298 Für das Urheberstrafrecht wäre dabei insbesondere an einzelne Schrankenregelungen (die gesetzlich zugelassenen Fälle in 293  Bork, 294  Vgl.

B., I.

§ 3 Rn. 145. hierzu in einem urheberrechtsspezifischen Zusammenhang Kapitel 1, § 2,

295  Vgl. zu der Konstellation, dass der Gesetzgeber bestimmte Fälle bewusst nicht geregelt und stattdessen eine „insbesondere“-Auflistung vorgenommen hat sogleich Kapitel 3, § 4, B., II., 1. 296  Vgl. hierzu BVerfGE 14, 174 (185); BVerfGE 25, 269 (285); BVerfGE 26, 41 (42); BVerfGE 71, 108 (115); BVerfGE 73, 206 (235); BVerfGE 91, 1 (12); BVerfGE 126, 170 (194). 297  Fischer, § 1 Rn. 21; Roxin, Strafrecht AT I, § 5 Rn. 28. 298  Vgl. hierzu Montiel, S. 25 ff., der dies als „Mittel zur Rechtsfortbildung im Strafrecht“ bezeichnet.



§ 4 Strafrechtliches Analogieverbot als Problem der Zivilrechtsakzessorietät?215

§§  44a ff. UrhG)299 sowie an die Einwilligung (die Vorschriften zur Lizenz­ einräumung in §§ 31 ff. UrhG) zu denken. Eine Analogiebildung zugunsten des Täters ist nach alledem also zulässig.300 Damit ist an sich auch die Be­ zeichnung nicht passend, im Strafrecht herrsche ein striktes Analogieverbot. Man könnte sogar sagen, eine analoge Anwendung ist gerade auch im Straf­ recht unter den für das Zivilrecht geltenden Voraussetzungen zulässig – dies eben unter der zusätzlichen Voraussetzung, dass sich die Analogie zugunsten des Täters auswirkt. Dies darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im Strafrecht – und dies insbesondere im Urheberstrafrecht – weit gefasste Tatbestände er­ forderlich sind, um alle strafrechtlich relevanten Tatvarianten abzudecken. Gerade deshalb hat aber die Auslegung dieser teils weit gefassten Wortlaute auch im (Urheber-)Strafrecht eine besondere Bedeutung.301 Dies gilt umso mehr aufgrund der im Strafrecht unzulässigen Analogiebildung zu Lasten des Täters. Somit steht das strafrechtliche Analogieverbot immer auch in einem Zu­ sammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz.302 Denn wenn die äußerste Grenze der Auslegung im Wortlaut eines Straftatbe­ standes zu sehen ist303 und alles darüber hinaus eine strafrechtlich unzuläs­ sige analoge Anwendung darstellt, hat dies seinen Grund auch darin, dass der Einzelne den strafrechtlich relevanten Inhalt des Tatbestandes erkennen können soll.304

B. Auswirkungen auf die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts Entscheidend ist jedoch, was die zivilrechtliche Zulässigkeit der Analogie­ bildung bei gleichzeitigem strafrechtlichem Analogieverbot zu Lasten des hierzu Do Chi, S. 128. zur Terminologie BGHSt 6, 85 (87), wo dies (allerdings ohne erkennbaren Unterschied) noch als „entsprechende Anwendung“ und noch nicht als Analogie be­ zeichnet wird; vgl. hingegen später BGHSt 7, 190; BGHSt 28, 53 (55), wo von zuläs­ siger, weil zugunsten des Täters wirkender „Analogie“ gesprochen wird; vgl. hierzu auch BVerfGE 25, 269 (285); BVerfGE 26, 41 (42). 301  Um mit der zivilrechtlichen Terminologie zu sprechen, wäre hier eine „exten­ sive Auslegung“ erforderlich; vgl. Leipold, § 5 Rn. 12. 302  Vgl. in st. Rspr. BVerfGE 73, 206 (235 f.); BVerfGE 91, 1 (12); BVerfGE 126, 170 (195). 303  BVerfGE 71, 108 (115); BVerfGE 73, 206 (235); BVerfGE 91, 1 (12); vgl. auch Fischer, § 1 Rn. 21; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 36; vgl. ferner hierzu Klatt, in: Gesetzlichkeit und Strafrecht, S. 121 ff. 304  BVerfGE 73, 206 (235 f.); BVerfGE 91, 1 (12); BVerfGE 126, 170 (195). 299  Vgl. 300  Vgl.

216 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Täters für die Zivilrechtsakzessorietät des Urheberstrafrechts bedeutet. Je­ denfalls könnten diejenigen Fälle, die sich zivilrechtlich nur über eine ana­ loge Anwendung einzelner Merkmale begründen ließen, nicht auf das Straf­ recht durchschlagen. I. Auswirkungen auf die einzelnen Merkmale der Zivilrechtsakzessorietät Um dies an den einzelnen Merkmalen der Zivilrechtsakzessorietät festzu­ machen, bestünde in diesem Fall zumindest kein inhaltlicher Gleichlauf der straf- und zivilrechtlichen Beurteilung, da sich das Urheberstrafrecht, wie soeben dargestellt, aufgrund übergeordneter Erwägungen nicht an das Urhe­ berzivilrecht anlehnen könnte (Merkmal 1).305 Sodann würde aber auch keine tatbestandliche Begriffsabhängigkeit vor­ liegen (Merkmal 2),306 weil das Zivilrecht mit der Analogiebildung über die Wortlautgrenze hinausgeht. Strafrechtlich kann dieser Begriff hingegen we­ gen des Analogieverbots nicht über die Wortlautgrenze hinaus interpretiert werden. Die strafrechtliche Begriffsinterpretation müsste sich deshalb von der zivilrechtlichen unterscheiden. Jedenfalls könnte das Strafrecht den tatbe­ standlichen Begriff nicht inhaltlich identisch wie im Zivilrecht verstehen. Schließlich könnte sich auch der gleichlaufende Rechtsgüterschutz nicht zeigen (Merkmal 3).307 Das Urheberzivilrecht würde über die Analogie zur Begründung einer Urheberrechtsverletzung kommen und somit – am Beispiel der unerlaubten Verwertung – die Verwertungsrechte des Urhebers als schüt­ zenswert ansehen. Die strafrechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts würde hingegen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Verletzung der Verwertungs­ rechte in dieser Konstellation jedenfalls nicht strafbedürftig ist. Lediglich das Merkmal der Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) würde sich hier zeigen, da die urheberstrafrechtliche Bewertung hinter dem Schutzum­ fang zurückbliebe, den das Urheberzivilrecht gewährt.308 II. Praktische Relevanz analoger Anwendung im Urheberstrafrecht An sich wäre dadurch entsprechend der hier angewandten Systematik die Zivilrechtsakzessorietät gelockert. Dies gilt jedoch freilich nur dann, wenn im Urheberrecht tatsächlich analoge Anwendungen notwendig sind. Disku­ 305  Vgl.

hierzu hierzu 307  Vgl. hierzu 308  Vgl. hierzu 306  Vgl.

Kapitel 3, Kapitel 3, Kapitel 3, Kapitel 3,

§ 1, A., § 1, A., § 1, A., § 1, A.,

I. II. III. IV.



§ 4 Strafrechtliches Analogieverbot als Problem der Zivilrechtsakzessorietät?217

tiert wird dies in erster Linie vor dem Hintergrund, dass das Urheberrecht auf den technischen Fortschritt reagieren müsse. Mit anderen Worten erfährt die gesamte Thematik nur dann eine entsprechende Relevanz, wenn die Vor­ schriften des Urheberzivilrechts überhaupt dafür zugänglich wären, neuartige Erscheinungs- oder Verwertungsformen über analoge Anwendungen zu erfas­ sen. Dies ist entsprechend des oben Dargestellten jedenfalls dann nicht der Fall, wenn es schon an den Voraussetzungen für eine im Zivilrecht zulässige Analogiebildung fehlt, insbesondere am Vorliegen einer Regelungslücke. Hier wird die bereits angesprochene Abgrenzung der Analogie von der Aus­ legung relevant. Von Bedeutung sind dabei freilich nur diejenigen urheber­ zivilrechtlichen Vorschriften, die im Zusammenhang mit den §§ 106 ff. UrhG eine strafrechtliche Relevanz haben. Die übrigen Vorschriften des Urheber­ zivilrechts, auf die sich die §§ 106 ff. UrhG nicht beziehen, bleiben im Fol­ genden außer Betracht. 1. Konzeption der weiten Tatbestandsfassung

Diskutiert wird das Analogieverbot im Urheberstrafrecht vor allem bei den zivilrechtlichen Ausgangsvorschriften zum Werkbegriff (§ 2 Abs. 1 UrhG), allgemein bei den Verwertungsrechten (§ 15 Abs. 1 UrhG) und speziell beim Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe (§ 15 Abs. 2 UrhG). Sofern neuartige Erscheinungsformen in Bezug auf eine persönliche geistige Schöp­ fung oder neue Technologieformen zur Verwertung eines Werkes denkbar sind, bedarf ihre tatbestandliche Erfassung aber in den Fällen der §§ 2 Abs. 1, 15 Abs. 1 und 15 Abs. 2 UrhG in der Regel keiner analogen Anwendung.309 Es sind nämlich gerade diese drei Vorschriften, die anschaulich erkennen lassen, dass sie gar keiner Analogiebildung zugänglich sind. Denn alle drei Tatbestände sind derart weit gefasst, dass sie auch scheinbar über den Wort­ laut hinausgehende Sachverhalte ohne weiteres erfassen. Dies wird auch durch das „insbesondere“ in den drei Tatbeständen deutlich. Hiermit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er den Tatbeständen und ihren Auflis­ tungen einen nicht-abschließenden Charakter zuschreibt.310 Sofern also etwa eine neuartige Erscheinungsform einer persönlichen geistigen Schöpfung im 309  Dies speziell für § 2 UrhG feststellend Do Chi, S.  48 f.; Heinrich, S. 92 ff., 247; Weber, S. 175 f.; speziell zu § 15 Abs. 2 UrhG vgl. Do Chi, S. 76; MüKo-StGBHeinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 70; Spindler, JZ 2002, 60 (64); a. A. bei alledem wohl Heghmanns, MMR 2004, 14 (15), der aber nicht nachvollziehbar davon spricht, der Gleichlauf erfolge „über eine extensive Auslegung bzw. über eine Analogie“ und der damit Analogie und Auslegung gleichsetzt. 310  Spindler, JZ 2002, 60 (64).

218 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

Raum steht, die die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG erfüllt, sich aber nicht unter eine der in § 2 Abs. 1 UrhG genannten Varianten fassen lässt, ist dies unschädlich, weil es sich dabei lediglich um eine exemplarische Auf­ listung handelt.311 Gleiches gilt für § 15 Abs. 1 UrhG312 und § 15 Abs. 2 UrhG313. Die Offenheit dieser drei Tatbestände etwa für technologischen Fortschritt zeigt sich aber auch innerhalb der exemplarisch gelisteten Varianten. Dies lässt sich in § 2 Abs. 1 UrhG etwa an den genannten Werkarten erkennen: Zu nennen sind beispielsweise die Formulierung in Nr. 1 „Sprachwerke, wie Schriftwerke“ oder in Nr. 5 „Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden“. Dies verdeutlicht jedenfalls die Offenheit der Tatbestandsvarianten für eine Ausdehnung und eine weite Auslegung. Um die Unzulässigkeit einer Analogiebildung dogmatisch an den oben vorgestellten Voraussetzungen festzumachen,314 fehlt es hier bereits an der ersten Voraussetzung, dem Bestehen einer Regelungslücke. Denn sofern der Tatbestand einer weiten Auslegung zugänglich ist, bedarf es eben keiner Analogie.315 Insoweit könnte man auch anführen, eine Analogiebildung sei hier nicht unzulässig, sondern schlicht nicht erforderlich. Dies beruht auf einer bewussten Gesetzgebungstechnik, mit der es sich der Gesetzgeber offenhält, auf künftige technische Entwicklungen reagieren zu können, ohne dass es einer Gesetzesanpassung – oder eben einer analogen Anwendung – bedarf.316 Das Urheberrecht hat es mit stetigen Veränderungen und einer derartigen Dynamik zu tun, weshalb sich der Gesetzgeber gerade aus diesen Gründen für eine weite Tatbestandsfassung entschieden hat. Dies ergibt sich auch aus der Gesetzgebungshistorie und den jeweiligen Gesetzes­ begründungen: Beispielsweise sahen die Vorgängervorschriften zu § 15 UrhG in den einzelnen Gesetzen vor Erlass des Urheberrechtsgesetzes ursprünglich abschließende Aufzählung der dem Urheber zustehenden Verwertungsrechte vor.317 Der Gesetzgeber wertete dies bei Erlass des Urheberrechtsgesetzes gerade wegen der stetig fortschreitenden technischen Entwicklung als un­ tauglich.318 Jedenfalls sollten die §§ 15 ff. UrhG gerade auch all diejenigen Konstellationen erfassen, die zum Zeitpunkt der Gesetzesverabschiedung 311  Dreier/Schulze-Dreier,

§ 2 Rn. 3. § 15 Rn. 4. 313  Möhring/Nicolini-Kroitzsch/Götting, § 15 Rn. 21. 314  Vgl. hierzu Kapitel 3, § 4, A., I. 315  Vgl. hierzu Eser, in: Das Gesetzlichkeitsprinzip im Strafrecht, S. 259 ff. 316  So auch Spindler, JZ 2002, 60 (64); Stam, GA 2019, 365. 317  BT-Drs. IV/270, S. 45. 318  BT-Drs. IV/270, S. 45. 312  Fromm/Nordemann-Dustmann,



§ 4 Strafrechtliches Analogieverbot als Problem der Zivilrechtsakzessorietät?219

noch nicht dem Stand der Technik entsprachen und somit nicht geregelt wer­ den konnten.319 Dort, wo der Gesetzgeber die Auslegung bewusst der Rechts­ fortbildung überlassen hat, besteht aber gerade keine planwidrige Regelungs­ lücke.320 In Bewertung dieser Gesetzgebungstechnik stellt Weber einen interessan­ ten Vergleich zur gesetzlichen Normierung des Diebstahltatbestandes (§ 242 StGB) an.321 Dort habe der Gesetzgeber den Begriff der „Sache“ eng gefasst, was mit fortschreitender technischer Entwicklung nahezu zwingend zu der Problematik führte, wie sich der Sachbegriff beispielsweise zur elektrischen Energie verhalte.322 Eben weil der Tatbestand eng formuliert ist, kam eine Sanktionierung des „Diebstahls“ an elektrischer Energie aber nur über eine im Ergebnis unzulässige analoge Anwendung oder aber eine Gesetzesanpas­ sung in Betracht. Da ersteres zu Lasten des Täters gewirkt hätte, wurde die Einführung von § 248c StGB erforderlich. Dies zeigt jedenfalls, dass es Ge­ setzesanpassungen bedarf, wenn der Tatbestand hinsichtlich moderner Er­ scheinungsformen eng gefasst wird. 2. Offenheit der urheberrechtlichen Tatbestände

Die tatbestandliche Weite und Offenheit der urheberzivilrechtlichen Vor­ schriften ergeben sich also aus zwei Gründen: Zum einen aus den insbesondere-Auflistungen in den Tatbeständen und zum anderen daraus, dass die Tatbestände darüber hinaus weit gefasste Begriffe enthalten, die per se schon einer extensiven Auslegung zugänglich sind.323 Zudem zeigt sich die Intention des Gesetzgebers, die Tatbestände für eine weite Auslegung offen zu halten, an weiteren Indizien. Auffallend ist zu­ nächst, dass das Gesetz häufig Gattungsbegriffe verwendet und diese im Zusammenhang mit spezifizierenden Unterbegriffen nennt. Dies zeigt sich etwa an § 23 S. 1 UrhG, wo von „Bearbeitungen oder andere Umgestaltun­ gen“ die Rede ist. Bei „Umgestaltungen“ handelt es sich um den Gattungs­ begriff, bei „Bearbeitungen“ um den spezifizierenden Unterbegriff. Das gleiche zeigt sich eine Ebene tiefer in § 3 S. 1 UrhG, wo „Übersetzungen und andere Bearbeitungen“ genannt sind. Hier verwendet das Gesetz den in § 23 S. 1 UrhG noch zur Spezifizierung gebrauchten Begriff der „Bearbei­ tungen“ wiederum als Gattungsbegriff und die „Übersetzungen“ als Unterbe­ 319  BT-Drs.

IV/270, S. 45. Bork, § 3 Rn. 144. 321  Weber, S. 176. 322  Weber, S. 176. 323  Vgl. etwa § 2 Abs. 2 UrhG: „persönliche geistige Schöpfung“; § 15 Abs. 1 UrhG: „verwerten“; § 15 Abs. 2 S. 2: „Wiedergabe“. 320  Vgl.

220 Kap. 3: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Allgemeine Grenzen

griff. Dies ermöglicht es jedenfalls, ähnliche Unterformen der jeweiligen Begriffe unter den Tatbestand zu fassen. Ein solches Zusammenspiel von speziellen und eher allgemein gehaltenen Merkmalen und Begriffen zeigt sich im Urheberzivilrecht aber auch über §§ 3, 23 UrhG hinaus. Exemplarisch zu nennen sind diesbezüglich etwa § 4 Abs. 1 UrhG („Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen“), § 4 Abs. 2 S. 1 UrhG („oder auf andere Weise zugänglich“), § 5 Abs. 2 UrhG („gleiche gilt für andere amtliche Werke“), § 14 UrhG („Ent­ stellung oder eine andere Beeinträchtigung“), § 19 Abs. 3 UrhG („oder ähnliche technische Einrichtungen“) und § 20 UrhG („oder ähnliche technische Mittel“). 3. Verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz

Damit wahrt der Gesetzgeber aber auch die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes. Dies ist deshalb einer besonde­ ren Erwähnung wert, weil die Erkennbarkeit des tatbestandlichen Inhalts gerade durch die Verwendung offener Tatbestände und weit gefasster Begriffe grundsätzlich gefährdet ist. Hier wird die Erkennbarkeit aber eben dadurch gewahrt, dass mit dem Zusammenspiel der speziellen und allgemeinen Be­ griffe und den insbesondere-Auflistungen dem Rechtsanwender exemplarisch Unterbegriffe an die Hand gegeben werden, um eine Auslegung der jeweili­ gen Merkmale zu ermöglichen. Denn im Wege einer weiten Auslegung dieser Tatbestände können jedenfalls nur diejenigen Varianten einem Oberbegriff unterfallen, die dem speziellen Unterbegriff ähneln. Dass diese die Erkennbarkeit gewährleistenden Umstände auch für die urheberstrafrechtlichen Tatbestände gelten, ist gerade auf die Zivilrechts­ akzessorietät zurückzuführen. Hier zeigt sich das an anderer Stelle bereits beschriebene Phänomen, dass das Urheberzivilrecht ein deutliches Überge­ wicht an Auslegungshilfen im Vergleich zum Urheberstrafrecht enthält.324 Auch hieraus erklärt sich, warum die Zivilrechtsakzessorietät zur Wahrung der Bestimmtheit der §§ 106 ff. UrhG beiträgt, denn auf diese Auslegungshil­ fen des Zivilrechts greift das Strafrecht nur aufgrund der Akzessorietät zu­ rück.325 Eine abschließende Aufzählung jeder einzelnen Tatbestandsvariante bietet nicht nur deutlich weniger Praktikabilität, dies wäre vor allem auch am Be­ stimmtheitsgrundsatz zu messen. Da aber auch eine abschließende Aufzäh­ lung im Urheberstrafrecht sich nicht davon freimachen könnte, weite Begriffe 324  Vgl. 325  So

hierzu Kapitel 2, § 1, B., III. i. E. auch Heinrich, S. 247; Weber, S. 176.



§ 4 Strafrechtliches Analogieverbot als Problem der Zivilrechtsakzessorietät?221

zu verwenden, wird es selbst in diesem Fall noch entsprechender Auslegun­ gen bedürfen. Dies kann jedoch in der Kombination mit einer vermeintlich abschließenden Auflistung zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen.326 III. Zusammenfassung Es ergeben sich also keine praktischen Konstellationen, die eine analoge Anwendung im Urheberzivilrecht erfordern und die infolgedessen wiederum strafrechtliche Relevanz haben könnten. Dies ist auf das Wesen der urheber­ zivilrechtlichen Vorschriften zurückzuführen, die wegen ihrer tatbestand­ lichen Weite praktisch keine Regelungslücken aufweisen. Insoweit könnte man von einer gesetzlich vorgesehenen „Analogie“ sprechen, wobei dies nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass die Voraussetzungen der Analogie hier nicht vorliegen. Ein Auseinanderfallen der urheberstraf- und urheber­ zivilrechtlichen Bewertung aufgrund einer analogen Anwendung bleibt somit eine theoretische Konstellation und stellt kein Problem vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät dar. Selbst den Fällen, in denen in der Vergan­ genheit eine Analogiebildung zu speziellen Vorschriften des Urheberrechts erwogen wurde,327 wurde zivil- und strafrechtlich stets eine Absage erteilt.

326  Vgl. in diesem Zusammenhang den Einwand von Lehmann-Haß, S. 467 (504), wonach sich diese Rechtsunsicherheit exemplarisch an der neben dem Werkbegriff grundsätzlich überflüssigen Normierung der Bearbeitung zeige, die dazu geführt habe, dass das Verhältnis zum Werkbegriff ungeklärter sei, als wenn der Gesetzgeber die Auslegung der Bearbeitung unter den Werkbegriff dem Rechtsanwender überlas­ sen hätte. 327  Vgl. hierzu Abdallah/Gercke, ZUM 2005, 368 (373).

Kapitel 4

Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen in den einzelnen Straftatbeständen Im Folgenden wird auf den Inhalt und die sich in den einzelnen Zentraltat­ beständen des Urheberstrafrechts ergebenden Grenzen der Zivilrechtsakzes­ sorietät eingegangen. Zur Vermeidung von Wiederholungen werden dabei lediglich diejenigen Besonderheiten herausgestellt, die über die allgemeinen, das heißt das gesamte Urheberstrafrecht betreffenden Grenzen hinausgehen. Bezüglich dieser ist auf das vorherige Kapitel zu verweisen.1 Entsprechend der Systematik des Gesetzes werden zunächst der Inhalt und die Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG (§ 1) und § 107 UrhG (§ 2) darge­ stellt, um sodann kurz auf § 108 UrhG (§ 3) und § 108a UrhG (§ 4) einzuge­ hen und schließlich § 108b UrhG (§ 5) zu behandeln.

§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG § 106 UrhG ist im Grundsatz umfänglich zivilrechtsakzessorisch ausge­ staltet.2 Dies soll eingangs anhand einiger allgemeiner Ausprägungen der Zivilrechtsakzessorietät überblicksartig aufgezeigt werden (A.). Im Anschluss daran wird speziell auf den strafrechtlichen Werkbegriff (B.) und ein paar Besonderheiten im Hinblick auf das Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ eingegangen: Dies betrifft die Frage der hinreichenden Erkennbarkeit der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung in diesem Merkmal (C.) und die Frage der Notwendigkeit strafrechtsspezifischer Einschränkungen (D.).

A. Allgemeine Ausprägungen der Zivilrechtsakzessorietät Die Zivilrechtsakzessorietät zeigt sich in § 106 Abs. 1 UrhG grundsätzlich an allen Merkmalen des Tatbestandes. Besonders bedeutsam und hervorzuhe­ ben ist dabei die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung im Tatobjekt Werk 1  Vgl.

Kapitel 3.

2  MüKo-StGB-Heinrich,

cher, § 106 Rn. 9.

3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 2; Wandtke/Bullinger-Reinba-



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG223

und im Tatbestandsmerkmal der gesetzlich zugelassenen Fälle. Auf beide wird sogleich separat eingegangen.3 Ansonsten zeigt sich die Zivilrechtsakzessorietät auch an den übrigen Tat­ objekten. Bezüglich der Merkmale Bearbeitung und Umgestaltung werden in § 106 Abs. 1 UrhG dieselben Begriffe verwendet wie in §§ 3, 23 UrhG, wo­ durch dem Normanwender die inhaltliche Parallelität zu den zivilrechtlichen Vorschriften verdeutlicht wird. Auch mit den Tathandlungen vervielfältigen und verbreiten liegt § 106 Abs. 1 UrhG dieselbe Terminologie zugrunde wie dem Zivilrecht in §§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG und §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG. Dies ermöglicht ebenfalls, den inhaltlichen Gleichlauf der Tathandlungen zu den zivilrecht­ lichen Vorschriften erkennbar zu machen. Gleiches gilt für das Verhältnis der öffentlichen Wiedergabe zu § 15 Abs. 2 S. 1 UrhG. Dass dabei der strafrecht­ liche Wortlaut etwas vom zivilrechtlichen abweicht und die jeweiligen Ver­ ben zur Beschreibung der Tathandlungen anstatt der Substantive gebraucht werden, stellt lediglich eine marginale Abweichung in der Tatbestandsformu­ lierung dar. Entscheidend ist, dass dem Rechtsanwender der inhaltliche Gleichlauf durch Verwendung der zentralen Begriffe hinreichend verdeutlicht wird. Vereinzelt geblieben sind hingegen Stimmen, die zur Vermeidung einer zu weitreichenden Strafbarkeit eine Loslösung der strafrechtlichen Tathandlungen4 vom Zivilrecht forderten.5 Dies hätte jedenfalls dann erhebliche Kon­ sequenzen für die Zivilrechtsakzessorietät, wenn die Loslösung über eine strafrechtsautonome Auslegung einzelner Tathandlungen erfolgte. Denn in diesem Fall würde ein zivil- und strafrechtlich wortlautidentisch verwendeter Begriff inhaltlich unterschiedlich ausgelegt. Dies gilt vor allem vor dem Hin­ tergrund der Funktion der Zivilrechtsakzessorietät, den für sich genommen zu weit gefassten tatbestandlichen Inhalt des Urheberstrafrechts im Sinne des Bestimmtheitsgrundsatzes hinreichend erkennbar zu machen. Konkret würde es sodann an der von der Zivilrechtsakzessorietät aufgestellten Garantie feh­ len, dass im Urheberstrafrecht einer Begriffsidentität eine Inhaltsidentität zum Urheberzivilrecht folgt.6 Vor dem Hintergrund hinreichender Erkennbar­ keit wäre es möglicherweise weniger bedenklich, wenn eine Loslösung bei­ 3  Vgl.

Kapitel 4, § 1, B. bis D. zur Frage einer strafrechtlichen Einschränkung des Werkbegriffes sogleich Kapitel 4, § 1, B. 5  Exemplarisch zu nennen ist etwa die Forderung der Schaffung einer straf­ rechtseigenen Definition zum Vervielfältigungsbegriff von Franzheim, CR 1993, 101 (103); vgl. ferner zur Forderung der Loslösung des urheberstrafrechtlichen Verbrei­ tungsbegriffs von der urheberzivilrechtlichen Definition Hildebrandt, S. 85, 98 ff. 6  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 1, C., III. 4  Vgl.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

spielsweise über eine in § 106 Abs. 3 UrhG eingeführte strafrechtseigene Definition einer der Tathandlungen erfolgte.7 Dennoch würde dies die Zivil­ rechtsakzessorietät lockern. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich derartige Forderungen zur Einschränkung einzelner Tathandlungen schlicht nicht durchsetzen konnten.

B. Der strafrechtliche Werkbegriff Bedeutsamer ist demgegenüber die Frage nach einer Einschränkung des strafrechtlichen Werkbegriffs. Im Grundsatz gilt die Zivilrechtsakzessorietät auch und gerade hier umfänglich.8 Zwar spricht § 106 Abs. 1 UrhG lediglich vom „Werk“, § 2 Abs. 1 UrhG hingegen von „geschützten Werken“. Dies ändert aber nichts am inhaltlichen Gleichlauf, da § 2 Abs. 2 UrhG die Ein­ ordnung des Werkes als „geschützt“ allgemeinverbindlich für das gesamte Gesetz vornimmt, sofern eine „persönliche geistige Schöpfung“ vorliegt.9 Somit könnte man auch sagen, es ergibt sich gerade aus der Zivilrechtsakzes­ sorietät und der Anlehnung an § 2 Abs. 2 UrhG, dass auch der strafrechtliche Werkbegriff nur urheberrechtlich „geschützte“10 Werke erfasst.11 Auch dies folgt somit aus der Zivilrechtsakzessorietät und lässt sich be­ sonders am Merkmal der Strafrechtsbegrenzung festmachen.12 Würden näm­ lich zivilrechtlich lediglich geschützte, strafrechtlich hingegen auch nichtgeschützte Werke erfasst werden, würde das Strafrecht weiter reichen als das Zivilrecht. I. Werke mit sitten- oder gesetzeswidrigem Inhalt Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, ob es einer Einschrän­ kung des Urheberstrafrechts bei persönlichen geistigen Schöpfungen mit sitten-13 oder gesetzeswidrigen14 Inhalten bedarf. Dahinter steht der Gedanke, 7  So etwa die Forderung von Franzheim, CR 1993, 101 (103), zum strafrecht­lichen Vervielfältigungsbegriff. 8  Hildebrandt, S.  33 f.; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 9. 9  Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 4; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 9. 10  Vgl. auch den dogmatisch interessanten Ansatz von Weber, S. 173, wonach § 106 Abs. 1 UrhG vom „Berechtigten“ spricht und es keine Berechtigung an einem nicht urheberrechtlich geschützten Werk geben könne. 11  Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 9. 12  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., IV. 13  Die Diskussion im Hinblick auf Werke mit sittenwidrigem Inhalt führend ins­ besondere Weber, S. 75 f., 174, wobei dieser von „unsittlichen Werken“ spricht. 14  Die Diskussion im Hinblick auf Werke mit gesetzeswidrigem Inhalt führend insbesondere Heinrich, S. 183 f.; so auch Hildebrandt, S. 36 ff., der dieselbe Diskus­



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG225

dass der Schöpfer eines solchen Werkes möglicherweise schon gar nicht in den Genuss urheberzivilrechtlichen Schutzes kommen dürfe.15 Dann wäre diese Frage hier gerade keine Frage der Zivilrechtsakzessorietät. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist auch hier § 2 Abs. 2 UrhG. Da­ nach erfolgt die Einordnung eines Werkes als urheberrechtlich geschützt grundsätzlich unabhängig von seinem Inhalt, erforderlich ist lediglich das Vorliegen einer „persönlichen geistigen Schöpfung“.16 Eine andere Frage ist demgegenüber, ob dem Urheber bei Vorliegen einer solchen auch dann die zivilrechtlichen Verwertungsrechte zustehen, wenn ein sitten- oder gesetzes­ widriger Inhalt gegeben ist.17 Diesbezüglich ist zwischen dem positiven Recht des Urhebers zur eigenen Verwertung und dem negativen Recht zur Untersagung der Verwertung durch Dritte zu unterscheiden. Die positiv-rechtlichen Befugnissen können dem Urheber in einer solchen Konstellation aus Gründen verwehrt sein, die nicht primär urheberrechtlicher Natur sind. So könnten einer Verbreitung des Werkes andere gesetzliche Be­ stimmungen entgegenstehen.18 Zu denken ist etwa an einen Film mit gewalt­ verherrlichenden Szenen, dessen Verbreitung gegen ein behördliches Verbot verstößt oder eine Straftat darstellt.19 Es würde aber einen Wertungswider­ spruch begründen, wenn der Urheber die Verbreitung gleichzeitig auf § 17 UrhG stützen könnte.20 Ob der Urheber aber dennoch die Verwertung durch einen Dritten verhin­ dern kann, ist die Frage nach seinen negativ-rechtlichen Abwehrbefugnissen. Konsequenterweise kann diese Frage nur im Zusammenhang mit der Einordnung des Werkes als urheberrechtlich geschützt i. S. d. § 2 Abs. 2 UrhG erfolgen, denn diese Einordnung wäre weitestgehend wertlos, würde dem Urheber nicht die entscheidende urheberrechtliche Befugnis zustehen, nämlich sich gegen die Verwertung durch Dritte zu verteidigen. Dabei wird die Werkqualität in einem solchen Fall aus mehreren Perspektiven begrün­ sion ganz allgemein auch im Hinblick auf Werke führt, die mit einem Verbreitungs­ verbot belegt sind. 15  Dies anerkennend Hildebrandt, S. 37. 16  So auch Heinrich, S. 183; Weber, S. 75. 17  Dies wurde von der dazu nur sehr rudimentär ergangenen Rechtsprechung etwa in der hier relevanten Entscheidung OLG Hamburg, GRUR 1984, 663 – „Video In­ tim“, in Bezug auf den Inhaber von Leistungsschutzrechten bei einem Schutzgegen­ stand mit sittenwidrigem Inhalt verneint. 18  Vgl. etwa OLG Hamburg, GRUR 1984, 663 – „Video Intim“. 19  Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Strafbarkeit wegen Gewaltdarstellun­ gen gem. § 131 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB. 20  Deshalb eben auch die Einschränkung durch das OLG Hamburg, GRUR 1984, 663 – „Video Intim“.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

det.21 Zum einen erfolgt die Einordnung eines Werkes stets wertneutral und insoweit unter den ausschließlichen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 UrhG.22 Der entscheidende Gedanke ist dabei aber, dass das Urheberzivilrecht eben nicht zwischen gelungenen und nicht gelungenen Schöpfungen differenziert, geschweige denn eine Zensur in gewünschte und ungewünschte Inhalte vor­ nehmen darf. Dies steht auch im Einklang mit Art. 14 GG, der aufgrund hoher Hürden zur Einschränkung der Eigentumsgarantie den Schutz geisti­ gen Eigentums bezüglich jeglichen Inhalts gewährt.23 Entscheidend ist dem­ nach, dass der Urheber eines Werkes mit sitten- oder gesetzeswidrigen In­ halten vor dem beschriebenen Hintergrund jedenfalls zivilrechtlichen Schutz genießt. Davon ist die Frage zu trennen, ob Werken mit sitten- oder gesetzeswidri­ gem Inhalt auch strafrechtlicher Schutz über § 106 UrhG zukommen sollte. Dies wird gerne mit der Erwägung bejaht, dass andernfalls eine Verbreitung derartiger Werke gefördert werde.24 Dem ist an sich nicht zu widersprechen, doch steht dies weniger im Zusammenhang mit den Verwertungsrechten des Urhebers – und nur auf diese kommt es bei § 106 UrhG vor dem Hintergrund seines Schutzzwecks an. Es ist jedoch nicht Aufgabe des § 106 UrhG, die Verbreitung sitten- oder gesetzeswidriger Werke unter Strafe zu stellen, um damit den Verkehr gesellschaftspolitisch unerwünschter Inhalte zu verhin­ dern, sondern lediglich deshalb, um den Urheber zu schützen. II. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät Die Frage, ob Werken mit sitten- oder gesetzeswidrigem Inhalt strafrecht­ licher Schutz zukommt, kann letztlich nur aus der Zivilrechtsakzessorietät heraus beantwortet werden. Denn sofern ein solches Werk unter § 2 UrhG fällt, ließe sich eine strafrechtliche Einschränkung nur noch über eine straf­ rechtsautonome Auslegung des Werkbegriffs erreichen. Eben deshalb muss eine Einschränkung der Strafbarkeit hier aber abgelehnt werden, denn andernfalls würde ein zivil- und strafrechtlich wortlauti­ dentisch verwendeter Begriff (das Werk) innerhalb derselben Konstellation uneinheitlich ausgelegt. Damit ginge eine Lockerung der Zivilrechtsakzesso­ rietät in der gravierendsten Form einher, nämlich unter Verletzung des Merk­

21  So etwa OLG Hamburg, GRUR 1984, 663 – „Video Intim“; ferner Heinrich, S. 183; ders., UFITA 2002/III, S. 890 f.; Hildebrandt, S.  37 f.; Kircher, S. 85; Weber, S.  75 f., 174. 22  Heinrich, S. 183. 23  Weber, S. 174. 24  So Heinrich, S. 184; Hildebrandt, S.  37 f.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG227

mals der tatbestandlichen Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2).25 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich eine solche strafrechtlich abweichende Auslegung zugunsten des Täters auswirken würde. Entscheidend ist, dass die von der Zivilrechtsakzessorietät aufgestellte Garantie verletzt würde, wonach einer Wortlautidentität zwischen Urheberstraf- und Urheberzivilrecht stets auch eine Inhaltsidentität folgt. Mit der Zivilrechtsakzessorietät könnte man aber scheinbar auch genau gegenteilig argumentieren und eine strafrechtliche Einschränkung geradezu fordern. Wenn dem Urheber die zivilrechtliche Verwertung seines Werkes nämlich verwehrt wird,26 aber gleichzeitig eine Strafbarkeit gegeben ist, wäre eine tatbestandliche Begriffsabhängigkeit (Merkmal 2) gewahrt, ein in­ haltlicher Gleichlauf zwischen Straf- und Zivilrecht schiene jedoch verhin­ dert (Merkmal 1). Auch die Schutzbedürftigkeit der Verwertungsrechte schiene unterschiedlich bewertet (Merkmal 3) und der strafrechtliche Schutz über den zivilrechtlichen hinauszugehen (Merkmal 4). Eine solche Betrachtung stellt jedoch auf ein falsches Verständnis der Zi­ vilrechtsakzessorietät ab. Dem Urheber wird lediglich die eigene Geltendma­ chung seiner zivilrechtlichen Verwertungsrechte verwehrt, also seine positivrechtlichen Befugnisse.27 Die zivilrechtlichen Abwehrbefugnisse gegenüber Dritten stehen ihm jedoch zu28 und gerade darauf kommt es für die Frage der inhaltlichen Abhängigkeit des Urheberstrafrechts an: Ein Gleichlauf (Merkmal 1) wäre dann aber gewahrt, denn die Verwertung durch Dritte würde sowohl zivil- als auch strafrechtlich eine Urheberrechtsverletzung darstellen. Der Urheber eines Filmwerks mit gewaltverherrlichenden Szenen kann dieses gegebenenfalls selbst nicht verwerten,29 sofern es aber von ei­ nem Nicht-Berechtigten verwertet wird, kann er hiergegen sowohl zivilrecht­ lich über seine Unterlassungsansprüche als auch strafrechtlich über § 106 Abs. 1 UrhG vorgehen. Es läge sodann auch eine einheitliche Bewertung im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der Verwertungsrechte vor (Merkmal 3) und das Strafrecht ginge auch nicht über das Zivilrecht hinaus (Merkmal 4). Die Zivilrechtsakzessorietät würde also gerade dann gelockert, wenn man den strafrechtlichen Werkbegriff anders verstehen würde als im Zivilrecht.

25  Vgl.

hierzu Kapitel 3, § 1, A., I. OLG Hamburg, GRUR 1984, 663 – „Video Intim“. 27  Heinrich, S.  183 f.; Kircher, S. 85; Weber, S.  75 f. 28  Vgl. OLG Hamburg, GRUR 1984, 663 – „Intim Video“; vgl. auch Heinrich, S. 184, wonach andernfalls der Dritte, der das Werk unerlaubt verwertet und damit ein erhöhtes Unrecht gegenüber der eigenen Verwertung durch den Urheber begeht, unberechtigterweise privilegiert würde. 29  Vgl. OLG Hamburg, GRUR 1984, 663 – „Intim Video“. 26  Vgl.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Somit ist die Frage nach einer Einschränkung bereits mit dem Argument der Zivilrechtsakzessorietät abzulehnen. III. Zusammenfassung Während eine strenge Anlehnung an die zivilrechtliche Rechtslage bei den übrigen strafrechtlichen Tatobjekten und Tathandlungen des § 106 Abs. 1 UrhG nicht in Frage gestellt wird, stellt sich beim Werkbegriff das Problem, ob Einschränkungen bei sitten- oder gesetzeswidrigen Inhalten erforderlich sind. Diese Frage ist aus der Zivilrechtsakzessorietät heraus zu beantworten. Eine strafrechtsautonome – also vom Zivilrecht abweichende – Auslegung des Werkbegriffs würde die Zivilrechtsakzessorietät in der schwersten Form lockern. Zivilrechtlich gibt es aber keinen Grund, solche Werke aus dem Schutzbereich herauszunehmen. Eine strenge Zivilrechtsakzessorietät erfor­ dert hier eine einheitliche Auslegung im Hinblick auf den Werkbegriff.

C. „Gesetzlich zugelassene Fälle“ – Erkennbarkeit der Zivilrechtsakzessorietät § 106 Abs. 1 UrhG normiert die Strafbarkeit des Täters im Falle der Ver­ wertung des Werkes „in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen“. Wie bereits dargelegt, ist das Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ als Verweis auf die zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 44a ff. UrhG, den Schrankenregelungen, zu verstehen.30 Liegt ein „gesetzlich zugelassener Fall“ vor, ist die Verwertung auch ohne Zustimmung des Urhebers zulässig und stellt weder eine zivilrechtliche Urheberrechtsverletzung noch eine Straf­ barkeit nach § 106 Abs. 1 UrhG dar. Eben diese inhaltliche Abhängigkeit der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ von den §§ 44a ff. UrhG wird überwiegend aus der Zivilrechtsakzessorietät hergeleitet.31 Es ist aber gerade dieser Zusammenhang, der auf den ersten Blick nicht sofort erkennbar ist.32

30  So etwa Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S.  76; Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 6; Hildebrandt, S. 124; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 21; vgl. hierzu auch bereits Kapitel 1, § 1, D., I., 3. 31  Vgl. Hildebrandt, S. 124; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78. 32  Vgl. zur Notwendigkeit und zur Auswirkung möglicher Einschränkungen die­ ses Merkmals im Anschluss Kapitel 4, § 1, D.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG229

I. Begriffsidentität Die Zivilrechtsakzessorietät zeigte sich in den bislang dargestellten Kon­ stellationen meist dadurch, dass dem strafrechtlichen Merkmal derselbe Wortlaut zugrunde lag wie den zivilrechtlichen Ausgangsvorschriften. Dies ist deshalb von entscheidender Bedeutung, weil die Zivilrechtsakzessorietät ihre Legitimation nur dann erhält, wenn die inhaltliche Abhängigkeit von den zivilrechtlichen Vorschriften für den Rechtsanwender hinreichend erkennbar ist. Diese inhaltliche Abhängigkeit eines urheberstrafrechtlichen Merkmals wird dem Rechtsanwender überwiegend durch Verwendung desselben Wortlauts wie in der jeweiligen zivilrechtlichen Vorschrift signalisiert. Damit wird nicht nur erkennbar, dass das strafrechtliche Merkmal zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist, sondern auch, zu welcher zivilrechtlichen Vorschrift die ­inhaltliche Abhängigkeit besteht. Beispielsweise dadurch, dass § 106 Abs. 1 UrhG beim Tatbestandsmerkmal „Werk“ derselbe Wortlaut zugrunde liegt wie in § 2 UrhG, kann der Rechtsanwender mit dem Wissen um eine strenge Akzessorietät den inhaltlichen Gleichlauf zum Zivilrecht bei diesem Merk­ mal erkennen. Die identische Begriffsverwendung stellt insoweit den wesent­ lichen Bezugspunkt für die Garantie dar, dass einer Begriffsidentität zwischen Urheberstraf- und Urheberzivilrecht auch eine inhaltliche Identität folgt.33 II. Urheberzivilrechtsakzessorische Auslegung An eben dieser eindeutigen Erkennbarkeit der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung fehlt es jedoch dem Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“. Die einzelnen Schrankenregelungen sind nicht explizit als solche be­ zeichnet, lediglich die Überschriften zum sechsten Abschnitt („Schranken des Urheberrechts durch gesetzlich erlaubte Nutzungen“) und die einzelnen Unterüberschriften34 lassen einen solchen Zusammenhang vermuten. Da es dem Merkmal somit am Bezugspunkt für die Garantie Begriffsidentität = Inhaltsidentität fehlt, ist zumindest ein unmittelbarer Rückgriff auf die zivilrechtlichen Vorgaben versperrt. Es bedarf also einer Auslegung, um Inhalt und Umfang der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung in diesem Merkmal zu erkennen. Die Auslegung hat sich daran zu orientieren, dass das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät grundsätzlich dem gesamten Urheber­ 33  Vgl.

Kapitel 2, § 1, C., III. etwa die Überschrift zum ersten Unterabschnitt der §§ 44a ff. UrhG: „ge­ setzlich erlaubte Nutzungen“ oder zum dritten Unterabschnitt der §§ 55 ff. UrhG: „weitere gesetzlich erlaubte Nutzungen“. 34  So

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

strafrecht zugrunde liegt. Sie kann somit als urheberzivilrechtsakzessorische Auslegung bezeichnet werden. Weil diese Art der Auslegung für das Merkmal der „gesetzlich zugelasse­ nen Fälle“ besonders relevant ist, aber zudem auch später immer wieder von Bedeutung sein wird, soll im Folgenden der Versuch unternommen werden, sie dogmatisch einzuordnen (1.) und einige allgemeingültige Voraussetzun­ gen für ihre Anwendung aufzustellen (2.). 1. Dogmatische Einordnung

Die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung eines strafrechtlichen Merk­ mals kann neben der Begriffsidentität35 auch über die urheberzivilrechtsak­ zessorische Auslegung erkennbar gemacht werden. Sie dient der Identifizie­ rung der Zivilrechtsakzessorietät vor allem in den Fällen, in denen es an einer Begriffsidentität fehlt. Konkret geht es um die Feststellung, zu welcher zivil­ rechtlichen Vorschrift das strafrechtliche Merkmal in welchem Umfang ak­ zessorisch ist. Die urheberzivilrechtsakzessorische Auslegung kann aber auch bei Vorlie­ gen einer Begriffsidentität zur ergänzenden Inhaltsfestlegung herangezogen werden. Dies gilt dann, wenn die zivilrechtliche Vorschrift umfangreicher und ausdifferenzierter gestaltet ist als die strafrechtliche, also ein „informa­ tionelles Übergewicht“ auf Seiten des Urheberzivilrechts besteht.36 Um diese Auslegungshilfen auch für die Strafvorschrift nutzbar zu machen, bedarf es zunächst einer Auslegung des strafrechtlichen Merkmals im Lichte der zivil­ rechtlichen Vorschriften. Denn gerade wegen der Zivilrechtsakzessorietät ist dieses „informationelle Übergewicht“ auch für die Auslegung im Urheber­ strafrecht heranzuziehen. Insoweit bedarf es einer zweifachen Auslegung: Zunächst der zivilrechtlichen Vorschrift selbst und sodann des strafrecht­ lichen Merkmals im Lichte der ersten Auslegung (die urheberzivilrechtsak­ zessorische Auslegung). Im Wege der Auslegung ist im Einzelfall festzustellen, ob und inwieweit sich das strafrechtliche Merkmal inhaltlich an das zivilrechtliche anlehnen kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine strenge Anlehnung grundsätz­ lich dem Willen des Gesetzgebers entspricht und hierfür eine verfassungs­ rechtliche Notwendigkeit besteht.37 Dennoch können auch übergeordnete Erwägungen entgegenstehen, denn bei den „gesetzlich zugelassenen Fällen“ fehlt es an der Eindeutigkeit der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung. 35  Siehe

hierzu soeben. hierzu Kapitel 2, § 1, B., III. 37  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 1, C. 36  Vgl.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG231

Zudem stellt sich hier das verfassungsrechtliche Gegengewicht schwächer dar als bei der Begriffsidentität, denn bei Verwendung desselben Begriffs innerhalb des Straf- und Zivilrechts verlangen die Gebote der Bestimmtheit und Rechtssicherheit gerade wegen der Zivilrechtsakzessorietät zwingend einen inhaltlichen Gleichlauf.38 2. Voraussetzungen

Im Folgenden sollen einige Voraussetzungen aufgestellt werden, um eine systematischere Anwendung dieser Art der Auslegung zu ermöglichen. Eine inhaltliche Anlehnung aufgrund der urheberzivilrechtsakzessorischen Ausle­ gung erfordert zunächst das Vorliegen einer zivilrechtlichen Ausgangsvor­ schrift (a)) sowie das Bedürfnis, einen inhaltlichen Gleichlauf über die Aus­ legung zu erzielen (b)). Schließlich wird ein negatives Korrektiv erforderlich, wonach einem inhaltlichen Gleichlauf keine übergeordneten Erwägungen entgegenstehen dürfen (c)). a) Zivilrechtliche Ausgangsvorschrift Eine Anlehnung an die zivilrechtliche Rechtslage ist nur denkbar, wenn zu dem strafrechtlichen Merkmal auch eine zivilrechtliche Ausgangsvorschrift existiert. Dabei geht es um die Bestimmung derjenigen Vorschrift, anhand derer die Auslegung vorgenommen werden kann. Das Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ zeigt, dass diesbezüglich auch mehrere zivilrechtliche Ausgangsvorschriften existieren können. Die §§ 44a ff. UrhG lassen sich vor allem aufgrund der begrifflichen Nähe der amtlichen Überschriften als Ausgangsvorschriften bestimmen. b) Bedürfnis nach einer urheberzivilrechtsakzessorischen Auslegung Sodann muss ein Bedürfnis für eine Auslegung des strafrechtlichen Merk­ mals im Lichte des Zivilrechts bestehen. Hiervon ist auszugehen, wenn sich der inhaltliche Gleichlauf nicht bereits hinreichend aus der Begriffsidentität ergibt oder diese zur Inhaltsfestlegung nicht genügt. Ein solches Bedürfnis besteht beim Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ jedenfalls wegen der fehlenden Begriffsidentität. Die Anlehnung an die §§ 44a ff. UrhG wird aus dem strafrechtlichen Wortlaut nicht hinreichend erkennbar und ist auch nicht mit einem Klammerzusatz versehen, welche 38  Vgl. zur Thematik der Einheit der Rechtsordnung und der Relativität der Rechtsbegriffe die Ausführungen in Kapitel 2, § 4, B. und E.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Vorschriften „gesetzlich zugelassene Fälle“ darstellen sollen. Es entspricht aber gleichzeitig dem Willen des Gesetzgebers, dass auch dieses Merkmal zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist. c) Keine übergeordneten Erwägungen Schließlich dürfen einer inhaltlichen Anlehnung an die zivilrechtlichen Vorgaben keine übergeordneten Erwägungen entgegenstehen, da sich die Zivilrechtsakzessorietät hier eben weniger offensichtlich aus dem Gesetz er­ gibt als bei der Begriffsidentität. Man könnte auch sagen, die Zivilrechtsak­ zessorietät erfahre in diesen Fällen eine schwächere Legitimation. Eben deshalb ist eine Lockerung der Akzessorietät aber auch eher möglich als bei einer Begriffsidentität. Es können einer inhaltlichen Anlehnung aber nur solche Erwägungen ent­ gegenstehen, die gegenüber dem Bedürfnis nach einer strengen Anlehnung als übergeordnet anzusehen sind. Wegen der verfassungsrechtlichen Veranke­ rung der Zivilrechtsakzessorietät vor dem Hintergrund des Bestimmtheits­ grundsatzes müssen diese Erwägungen ihrerseits Verfassungsrang haben.39 III. Zusammenfassung Über die urheberzivilrechtsakzessorische Auslegung lässt sich die inhalt­ liche Anlehnung an das Zivilrecht auch ohne Begriffsidentität erreichen. In diesem Fall erfährt die Zivilrechtsakzessorietät jedoch keine so hohe Legiti­ mation wie in den Fällen der Begriffsidentität. Eben deshalb kann die Akzes­ sorietät dort auch eher aufgrund übergeordneter Erwägungen gelockert sein.40

D. „Gesetzlich zugelassene Fälle“ – Einschränkungen Vor dem beschriebenen Hintergrund ist fraglich, ob die Zivilrechtsakzesso­ rietät in Bezug auf die einzelnen „gesetzlich zugelassenen Fälle“ tatsächlich streng angewandt werden kann oder ob einer strengen Anwendung übergeordnete Erwägungen entgegenstehen. Das betrifft vor allem die Fälle, in de­ nen ein „gesetzlich zugelassener Fall“ nur geringfügig überschritten wird. Dies soll zunächst in Form eines Problemaufrisses dargestellt werden (I.), bevor auf mögliche Lösungsansätze vor dem Hintergrund der Zivilrechtsak­ zessorietät eingegangen wird (II.). 39  Vgl. 40  Vgl.

hierzu bereits Kapitel 3, § 1, B., II., 2. hierzu sogleich Kapitel 4, § 1, D., II.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG233

I. Problemaufriss Weber stellt zu den Schrankenregelungen des Urheberrechts fest, diese zögen „recht subtile Grenzen zwischen Recht und Unrecht“.41 Die Verwer­ tung eines Werkes ist zulässig und somit rechtens, wenn die Verwertung von einer Schrankenregelung gedeckt ist; sie ist hingegen unzulässig und bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zivilrechtlich und strafrechtlich als „Unrecht“ zu bewerten, sobald die Grenzen der Schrankenregelungen auch nur leicht überschritten werden. Dabei stellen sich diese Grenzen insoweit als „subtil“ dar, als sie einerseits über die Strafbarkeit des Verwerters entscheiden, sich aber andererseits nicht immer präzise bestimmen lassen. Dabei ist eine Differenzierung zwischen „Recht und Unrecht“ häufig deshalb schwierig, weil die Schrankenregelun­ gen tatbestandlich gleichfalls komplex wie weit gefasst sind.42 Insbesondere die hohe Dichte unbestimmter Rechtsbegriffe43 erfordert stets eine Ausle­ gung im Einzelfall. Doch selbst eine Auslegung ermöglicht bisweilen keine eindeutige Grenzziehung, zumal diese Rechtsbegriffe sowohl unter tatsäch­ lichen als auch unter rechtlichen Gesichtspunkten extrem irrtumsanfällig sind. Eben deshalb ist mit Blick auf den Bestimmtheitsgrundsatz darüber nach­ zudenken, ob tatsächlich jede Überschreitung dieser Grenzen auch eine strafrechtliche Sanktionierung nach sich ziehen muss. Eine mögliche Einschrän­ kung wäre dann aber am Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät zu messen. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz steht dem Bedürfnis nach einer strengen Anwendung der Zivilrechtsakzessorietät jedoch ein weiteres verfassungs­ rechtlich begründetes Erfordernis gegenüber, mit dem eine Strafbarkeit je­ denfalls dann kritisch hinterfragt werden muss, wenn eine Schrankenregelung nur geringfügig überschritten wird. Die mitunter schwierige Grenzziehung zeigt sich bei Anwendung mehrerer Schrankenregelungen innerhalb der §§ 44a ff. UrhG. Im Folgenden soll dies stellvertretend und exemplarisch anhand der besonders relevanten sog. Pri­ vatkopieausnahme44 des § 53 UrhG (1.) und sodann überblicksartig an weite­ ren Schrankenregelungen dargestellt werden (2.).

41  Weber,

S. 230. Rehbinder/Peukert, § 28 Rn. 577, könnte man auch ironisch von einem „ ‚genialen‘ Gesetzestext“ sprechen. 43  Zu deren Einordnung als normative Tatbestandsmerkmale vgl. Kapitel 4, § 1, D., II., 2., a), bb). 44  Den Begriff verwendend etwa Grisse/Koroch, GRUR Int 2015, 21; Leistner, GRUR Int 2015, 681. 42  Mit

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

1. Privatkopieausnahme (§ 53 UrhG)

§ 53 Abs. 1 S. 1 UrhG erklärt „einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch“ für zulässig. Nach allgemeiner Auffassung stellt dies einen „gesetzlich zugelassenen Fall“ i. S. d. § 106 Abs. 1 UrhG dar.45 Besonders weit gefasst und unbestimmt zeigt sich dabei die Begrenzung der Privatkopieausnahme auf „einzelne Vervielfälti­ gungen“. a) „Einzelne Vervielfältigungen“ Die Bestimmung der gem. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG zulässigen Anzahl an Vervielfältigungen stellt den Rechtsanwender mangels konkreter gesetzlicher Vorgaben vor erhebliche Probleme. Als Anhaltspunkt dient dabei lediglich die hierzu ergangene Rechtsprechung. Wie bereits dargelegt, ist ein solcher Rückgriff auf die Rechtsprechung zur Wahrung der Anforderungen des Be­ stimmtheitsgrundsatzes insbesondere vor dem Hintergrund des verfassungs­ rechtlichen Gewaltenteilungsgrundsatzes nicht unproblematisch.46 Dies gilt zumindest dann, wenn die Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG ausschließ­ lich durch diesen Rückgriff gewahrt werden sollen. Hier hat der Gesetzgeber die Auslegung der gem. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG zulässigen Anzahl jedoch bewusst der Rechtsfortbildung überlassen.47 Ein diesbezüglicher Rückgriff entspricht also dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers.48 Wie an ande­ rer Stelle bereits dargestellt, darf der Gesetzgeber die Konkretisierung vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes jedenfalls dann auf die Rechtsprechung übertragen, wenn die Rechtsprechung nicht der einzige An­ haltspunkt für eine Auslegung des Merkmals darstellt. Hier ist mit dem Wortlaut „einzelne“ jedenfalls ein Anhaltspunkt in § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG verortet, was der Gesetzgeber als vom Tatbestand erfasst ansieht. Dies grenzt die Rechtsprechung jedenfalls insoweit ein, als sie nicht gänzlich frei ist. Hierzu ist auf die bereits getätigten Ausführungen zu verweisen.49 In der hierbei richtungsweisenden Entscheidung „Vervielfältigungsstücke“ ging der BGH im Jahr 1978 davon aus, dass jedenfalls sechs bis sieben Ex45  So etwa Dreier/Schulze-Dreier, § 106 Rn. 6; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 22; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 92 ff.; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 22a. 46  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 1, C., II., 3. 47  Vgl. BT-Drs. 15/38, S. 39, wonach „es […] nicht sachgerecht [erscheint], den Umfang privater Kopien per Gesetz quantitativ festzulegen“. 48  So auch Becker, ZUM 2012, 643 (645); Stickelbrock, GRUR 2004, 736 (737). 49  Vgl. Kapitel 2, § 1, C., II., 3.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG235

emplare noch als „einzelne Vervielfältigungen“ i. S. d. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG anzusehen seien.50 Dabei darf diese Vorgabe jedoch nicht als starre Grenze missverstanden werden.51 Andernfalls könnte sie dazu missbraucht werden, die Schrankenregelung stets in zulässigem Rahmen vollständig auszuschöp­ fen.52 Vor allem ließen sich damit lediglich statische und unflexible Lösun­ gen erzielen. Es ist stattdessen zu berücksichtigen, dass die Interessen des Urhebers je nach Art des Werkes, der konkreten Form der Vervielfältigung und vor allem dem dabei verfolgten Zweck unterschiedlich stark beeinträch­ tigt sein können.53 So mag im digitalen Bereich bereits eine einzelne Ver­ vielfältigung deutlich gravierendere Folgen haben,54 als dies bei zehn analog angefertigten Kopien der Fall sein kann.55 Außerdem sind die Vorschriften des UrhG mit ihrer tatbestandlichen Weite gerade darauf ausgelegt, etwa auf neue Vervielfältigungsformen zu reagieren,56 was § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG jedoch nur im Einzelfall und nicht über eine statisch vorgegebene Grenze erfüllen kann. Somit muss die Bestimmung immer wertend und damit von Fall zu Fall erfolgen.57 Dabei ist zu berücksichtigen, dass jede gesetzlich normierte Schranke des Urheberrechts auf einer Abwägung des Gesetzgebers beruht, 50  BGH GRUR 1978, 474 (476) = BGH NJW 1978, 2596 (2597) – Vervielfälti­ gungsstücke. 51  So aber wohl Hackemann, GRUR 1982, 262 (263). 52  Vgl. Wandtke/Bullinger-Lüft, § 53 Rn. 13; so auch die Bundesregierung im Gesetzgebungsverfahren in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates in BT-Drs. 15/38, S. 39. 53  In diese Richtung gehend auch Fromm/Nordemann-Wirtz, § 53 Rn. 17; Möh­ ring/Nicolini-Grübler, § 53 Rn. 6; Wandtke/Bullinger-Lüft, § 53 Rn. 13; vgl. ferner BT-Drs. 15/38, S. 39, wonach zur Bestimmung der zulässigen Anzahl an Vervielfälti­ gungen „der jeweils mit der Vervielfältigung persönlich verfolgte Zweck im Einzel­ fall“ heranzuziehen sei. 54  Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine digitale Kopie dem Ori­ ginalwerk ähnlicher sehen kann als eine analoge; vgl. hierzu Goldmann/Liepe, ZUM 2002, 362 (364); Möhring/Nicolini-Grübler, § 53 Rn. 6. 55  In diese Richtung gehend auch Becker, ZUM 2012, 643 (643 ff.); v. Diemar, S. 101; Wandtke/Bullinger-Lüft, § 53 Rn. 13; vgl. ferner Goldmann/Liepe, ZUM 2002, 362 (364); Stickelbrock, GRUR 2004, 736 (737), die bei digitalen Kopien die Grenze bei zwei Vervielfältigungen ziehen; vgl. auch den Ansatz von Weisser, ZJS 2011, 315 (319), die die Grenze sowohl für analoge als auch für digitale Kopien bei fünf Vervielfältigungen zieht. 56  Vgl. hierzu die Darstellungen in Kapitel 3, § 4, B., II., 1. und 2. 57  So i. E. auch Becker, ZUM 2012, 643 (645); v. Diemar, S.  101 f.; v. Gamm, § 53 Rn. 7; Möhring/Nicolini-Grübler, § 53 Rn. 6; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 95; Schenk, S. 33  f.; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 53 Rn. 26; Wandtke/Bullinger-Lüft, § 53 Rn. 13; in diese Richtung gehend wohl auch Nippe, GRUR 1994, 888 (888 f.).

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

die dieser zwischen den Interessen des Urhebers an einer möglichst aus­ schließlich eigenen Nutzung seines Werkes und dem Interesse der Allge­ meinheit an einem möglichst umfangreichen Werkzugang vorzunehmen hat­ te.58 Vor diesem Hintergrund kann jedoch auch nur diejenige Anzahl an Vervielfältigungen gem. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG zulässig sein, die für die Deckung des privaten Gebrauchs im konkreten Einzelfall tatsächlich erforderlich ist59 und die dabei die Interessen des Urhebers an einem ansonsten ausschließlich eigenen Gebrauch noch ausreichend wahrt. Nur dies wird dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerecht.60 Denn während es im Strafrecht um den staatlichen Strafanspruch geht, geht es im Zivilrecht, wie dargelegt,61 um die Schaffung eines Interessenausgleichs zwischen den sich im Rechtsver­ kehr bewegenden Privatrechtssubjekten. Damit soll nicht für eine Abkehr von der Rechtsprechung des BGH plä­ diert werden, an dieser ist vielmehr insoweit festzuhalten,62 als die Anzahl von sechs bis sieben Vervielfältigungen – zumindest für analoge Kopien – eine „Obergrenze“ darstellt.63 Diese kann jedoch immer nur als Ausgangs­ punkt zur Bestimmung im Einzelfall herhalten.64 b) Verfassungsrechtliche Bewertung Dieses Ergebnis scheint zwar praktikable Lösungen zu ermöglichen, es ist jedoch gerade vor dem Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes durchaus unbefriedigend.65 Dies gilt umso mehr, als die Schranke des § 53 UrhG nicht 58  Vgl. v. Diemar, S. 98; Heinrich, S. 249; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 93; Wandtke/Bullinger-Lüft, § 53 Rn. 1; Weber, S. 234. 59  v. Diemar, S. 101  f.; Dreier/Schulze-Dreier, § 53 Rn. 9; Fromm/NordemannWirtz, § 53 Rn. 17; v. Gamm, § 53 Rn. 7; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 95; Schenk, S. 33 f.; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 53 Rn. 26; in diese Richtung gehend auch BT-Drs. 15/38, S. 39. 60  So auch Fromm/Nordemann-Wirtz, §  53 Rn. 17; Möhring/Nicolini-Grübler, § 53 Rn. 6; Weisser, ZJS 2011, 315 (319). 61  Vgl. Kapitel 1, § 2, B., I. 62  A. A. etwa Dreier/Schulze-Dreier, § 53 Rn. 9 UrhG, der die Rechtsprechung als komplett überholt ansieht. 63  Dies so formuliert von Fromm/Nordemann-Wirtz, § 53 Rn. 17; Goldmann/ Liepe, ZUM 2002, 362 (364); Schenk, S. 33; Schricker/Loewenheim-Loewenheim, § 53 Rn. 26; Stickelbrock, GRUR 2004, 736 (737); wobei letzterer bei digitalen Ko­ pien für eine Grenze bei zwei Vervielfältigungsstücken plädiert. 64  Dabei ist zu erwähnen, dass die vom BGH festgelegte Anzahl von sieben Ver­ vielfältigungen auch darauf zurückzuführen ist, dass der Klageantrag im konkreten Fall auf die Unterlassung von mehr als sieben Vervielfältigungen beschränkt war; vgl. hierzu MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 95; Schenk, S.  32 f.



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nur für das Urheberzivilrecht gilt, sondern wegen der Akzessorietät eben auch über die Strafbarkeit des Täters entscheiden kann und den Anforderun­ gen des Bestimmtheitsgrundsatzes somit in erhöhtem Maße entsprechen muss. Insoweit ist auf die bereits getätigten Ausführungen zum Bestimmt­ heitsgrundsatz im Zusammenhang mit weit gefassten strafrechtlichen Rechts­ begriffen zu verweisen.66 Dies ist hier jedoch aufgrund zweier Aspekte in besonderem Maße proble­ matisch. Zum einen hilft der oben beschriebene Rückgriff auf das „informa­ tionelle Übergewicht“ der urheberzivilrechtlichen Vorschriften an dieser Stelle nur bedingt weiter,67 da § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG eben selbst derart un­ bestimmt ist, dass sein Inhalt auch nach einer Auslegung weitgehend un­ scharf bleibt. Zum anderen resultiert gerade aus dieser Unschärfe das Pro­ blem, dass bei einer nur geringfügigen Überschreitung der Schrankenrege­ lung der Einsatz des scharfen Schwerts des Strafrechts unbillig erscheinen kann. Insoweit ist auch auf die Ausführungen zum Verhältnismäßigkeits- und ultima-ratio-Grundsatz zu verweisen.68 Die Frage nach der Berechtigung einer Strafbarkeit bei nur geringfügiger Überschreitung der tatbestandlichen Grenze kann sich zwar grundsätzlich bei sämtlichen Strafvorschriften ergeben, die zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet sind. In den Fällen der §§ 44a ff. UrhG gilt dies jedoch deshalb in besonde­ rem Maße, weil das Gesetz diese Grenzen eben nicht eindeutig und vor allem nicht selbst definiert. Gerade bei § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG zeigt sich, dass die zulässige Anzahl an Vervielfältigungen im Einzelfall immer auch um eine Vervielfältigung mehr oder weniger ausfallen könnte. Legt man die Grenze zulässiger Vervielfältigungen etwa für ein niedergeschriebenes, urheberrecht­ lich geschütztes Gedichtwerk (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) mit der Rechtspre­ chung bei sieben fest, der Verwerter fertigt jedoch acht Kopien an, ist er bezüglich dieser achten Vervielfältigung im Grundsatz strafbar. Die Festle­ gung bewegt sich also in höchstem Maße in einer „Grauzone“,69 die eine schmale – Weber würde sagen eine „subtile“ – Grenze zwischen Recht und Unrecht zieht. Eben deshalb kann es aber geboten sein, die Strafbarkeit des Verwerters wegen dieser achten Vervielfältigung kritisch zu hinterfragen.

65  Diese Konsequenz erkennt aus dem Lager derjenigen, die eine Einzelfallbe­ trachtung fordern, lediglich Möhring/Nicolini-Grübler, § 53 Rn. 6 an; in diese Rich­ tung gehend in Ansätzen auch Weisser, ZJS 2011, 315 (319). 66  Vgl. Kapitel 2, § 1, C., II. 67  Vgl. soeben Kapitel 2, § 1, A., III. 68  Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2, § 4, C. 69  Vgl. Weber, S. 230.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Jedenfalls ist die Grenzziehung immer das Ergebnis einer Abwägung und somit ein Kompromiss,70 der jedoch auch den an sich rechtstreuen Verwer­ ter treffen kann, der „nur mehr oder weniger zufällig“ in den strafrechtlich relevanten Bereich rutscht.71 Dem würde man üblicherweise dadurch begeg­ nen, dass die strafrechtliche Auslegung eben großzügiger vorgenommen und die Grenze sodann bei acht Vervielfältigungen gezogen wird. Hier wirkt sich aber die Zivilrechtsakzessorietät aus. Bevor darauf näher eingegangen wird,72 soll zunächst überblicksartig aufgezeigt werden, dass dieses Problem mehrere Fälle der §§ 44a ff. UrhG betreffen kann. 2. Weitere Schrankenregelungen

Die Schrankenregelungen der §§ 44a ff. UrhG lassen sich diesbezüglich in zwei übergeordnete Kategorien einteilen, die jeweils auf unterschiedlichen Gesetzestechniken beruhen: Dies sind zum einen Schrankenregelungen mit auslegungsbedürftigen Mengenbezeichnungen (a)) und zum anderen solche Schrankenregelungen, die entweder anstelle oder zusätzlich zu auslegungs­ bedürftigen Mengenbezeichnungen konkrete Prozentangaben enthalten (b)). Die folgende Aufzählung ist nicht abschließend zu verstehen, sie dient an dieser Stelle lediglich der Verdeutlichung des oben dargelegten Problem­ aufrisses. a) Auslegungsbedürftige Mengenbezeichnungen In die Kategorie der auslegungsbedürftigen Mengenbezeichnungen fällt auch die in § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG gebrauchte Angabe „einzelnen Vervielfäl­ tigungen“. Die Mengenangabe „einzelne“ wird darüber hinaus etwa in §§ 45 Abs. 1, 45a Abs. 2 S. 1 und 47 Abs. 1 S. 1 UrhG im Zusammenhang mit der Formulierung „einzelne Vervielfältigungsstücke“ gebraucht. Es lassen sich innerhalb der §§ 44a ff. UrhG ferner die Angaben „einzelne Werke“73, „ein­ zelne Beiträge“74 und „einzelne Dritte“75 ausmachen.76 Darüber hinaus sind 70  Ähnlich formulierend auch Do Chi, S. 123; vgl. ferner zu der den Schranken­ regelungen zugrundeliegenden Abwägung zwischen den Interessen des Urhebers und der Allgemeinheit die fast schon pathetische Formulierung von Weber, S. 234, wo­ nach an dieser Stelle „zwei Freiheitssphären aufeinander[prallen]“. 71  Weber, S. 230. 72  Vgl. sogleich Kapitel 4, § 1, D., II. 73  §§ 46 Abs. 1 S. 1, 51 S. 2 Nr. 1 UrhG. 74  §§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4a, 60a Abs. 2, 60c Abs. 3 UrhG. 75  §§ 60c Abs. 1 Nr. 2, 60d Abs. 1 Nr. 2 UrhG. 76  Vgl. darüber hinaus etwa die Bezeichnung „einzelne Rundfunkkommentare“ (§ 49 Abs. 1 S. 1 UrhG), „einzelne Artikel“ (§ 49 Abs. 1 S. 1 UrhG), „einzelne Stel­



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exemplarisch „Teile eines Werkes“77, „kleine“78 und „unwesentliche Teile“79 ebenso zu nennen wie die Mengenbezeichnungen „geringem Umfang“80, „Anzahl von Urhebern“81 und „Vielzahl“82.83 All diesen Mengenangaben gemein ist ihre Unbestimmtheit. Sofern im Einzelfall festgelegt wird, wann ein Werk „von geringem Umfang“ oder wann „eine Vielzahl“ vorliegt, bewegt man sich in oben beschriebener „Grauzone“. Jedenfalls droht dann das erörterte Problem der Grenzziehung und einer möglicherweise unbillig erscheinenden Strafbarkeit im Einzelfall. b) Konkrete Prozentangaben Daneben lassen sich Schrankenregelungen mit konkreten Prozentangaben ausmachen. Dies betrifft vor allem mehrere in neuerer Zeit eingeführte Vor­ schriften (§§ 60a ff. UrhG). Im Zusammenhang mit den §§ 60a ff. UrhG las­ sen sich etwa Angaben wie „bis zu 10 Prozent eines Werkes“84 oder eines „erschienenen“85 oder „veröffentlichten Werkes“86 ausmachen.87 Das Problem der geringfügigen Überschreitung einer solchen Grenzen kann sich auch hier stellen. Kopiert etwa ein Lehrer zur Veranschaulichung seines Unterrichts 15 Seiten aus einem bereits veröffentlichten, 100-seitigen literarischen Werk (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG), greift die Schrankenregelung des § 60a Abs. 1 UrhG, die eine Vervielfältigung „bis zu 15 Prozent“ für zulässig erklärt. Kopiert er hingegen nur ein paar Seiten mehr und überschreitet diese Grenze, begeht er sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich eine Urheber­ rechtsverletzung.

len“ (§ 51 S. 2 Nr. 3 UrhG), „einzelne Beiträge“ (§§ 53 Abs. 2 Nr. 4a, 60a Abs. 2, 60c Abs. 3, 60e Abs. 5 UrhG) oder „einzelne Abbildungen“ (§ 60e Abs. 4 S. 2 UrhG). 77  § 46 Abs. 1 S. 1 UrhG. 78  § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4a UrhG. 79  § 60d Abs. 2 S. 2 UrhG. 80  §§ 46 Abs. 1 S. 1, 60a Abs. 2, 60c Abs. 3, 60e Abs. 4 S. 2 UrhG. 81  §§ 46 Abs. 1 S. 1, 60b Abs. 3 UrhG. 82  § 60d Abs. 1 S. 1 UrhG. 83  Darüber hinaus zeigen sich auslegungsbedürftige Zeitangaben etwa in der For­ mulierung „vorübergehende Vervielfältigung“ in § 69c Nr. 1 UrhG sowie „vorüberge­ hende Vervielfältigungshandlungen“ in § 44a UrhG. 84  § 60e Abs. 4 S. 2 UrhG. 85  § 60e Abs. 5 UrhG. 86  § 60b Abs. 1 UrhG. 87  Gleiches zeigt sich etwa bei Angaben wie „bis zu 15 Prozent eines Werkes“ in § 60c Abs. 1 UrhG und „eines veröffentlichten Werkes“ in § 60a Abs. 1 UrhG sowie „bis zu 75 Prozent eines Werkes“ in § 60c Abs. 2 UrhG.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Die Frage nach der Berechtigung der Strafbarkeit ist hier jedoch deshalb anders zu beurteilen als bei den auslegungsbedürftigen Mengenbezeichnun­ gen, weil mit den konkreten Prozentzahlen eindeutigere und damit bestimmtere Grenzen existieren. Deren Festlegung bedarf weniger einer Auslegung, weil die Angaben eindeutig dem Willen des Gesetzgebers entsprechen.88 Dies gilt freilich nur solange sich der gesetzgeberische Wille auch tatsächlich hinreichend deutlich aus den Schrankenregelungen ergibt. Hieran könnte man bei Angaben wie „bis zu 10 Prozent eines Werkes“ durchaus zweifeln, wenn sich ein Werk eben nicht (anders als im hier gebrauchten Beispiel) eindeutig teilen lässt. Sofern die Festlegung trotz Prozentangaben im Einzel­ fall einer Auslegung bedarf, gelten wiederum obige Ausführungen. 3. Zwischenergebnis

Die §§ 44a ff. UrhG sind derart unbestimmt, dass sie eine Auslegung und Grenzziehung im Einzelfall kaum ermöglichen. Doch selbst dann verbleiben Unwägbarkeiten.89 Dabei lässt sich die Tendenz ausmachen, dass die Grenz­ ziehung bei Schranken mit auslegungsbedürftigen Mengenbezeichnungen eher problematisch ist als bei solchen mit konkreten Prozentangaben. Eben weil die Festsetzung der tatbestandlichen Grenzen aber stets das Er­ gebnis einer Abwägung darstellt, kann eine Strafbarkeit bei nur geringfügiger Überschreitung einer solchen Grenze im Einzelfall unbillig erscheinen. Die­ ses Problem kann sich zwar grundsätzlich bei allen auslegungsbedürftigen Straftatbeständen ergeben, sodann ist es aber meist unproblematisch, diese restriktiv auszulegen. Hier ergibt sich die Besonderheit jedoch gerade aus der Zivilrechtsakzessorietät, aufgrund derer eine uneinheitliche Auslegung an sich nicht zulässig ist. II. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät Es stehen sich also zwei verfassungsrechtliche Erfordernisse gegenüberste­ hen: Auf der einen Seite muss die Zivilrechtsakzessorietät streng angewandt werden, damit die §§ 106 ff. UrhG in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung verfassungsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf den Bestimmtheits­ grundsatz genügen. Auf der anderen Seite könnte aber gerade eine strenge 88  Dass damit auch eine erhöhte Rechtssicherheit verbunden ist, ist insbesondere vor dem Hintergrund der ansonsten erheblichen Gefahr der Strafbarkeit eines Lehrers im Schulbetrieb zu begrüßen; vgl. hierzu Do Chi, S.  106 ff. 89  Rehbinder/Peukert, § 28 Rn. 557, der selbst die Notwendigkeit einer Ausle­ gung der einzelnen Grenzen anerkennt, spricht bezüglich ihrer Festsetzung gleich­ wohl von „Willkür“.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG241

Anwendung der Zivilrechtsakzessorietät bei einzelnen Schrankenregelungen die verfassungsrechtlichen Prinzipien des Verhältnismäßigkeits- und ultimaratio-Grundsatzes verletzen. Ob und inwieweit eine Strafbarkeit des Verwerters verhindert werden kann, ohne dass dabei vom Grundsatz der strengen Zivilrechtsakzessorietät abgewichen wird, soll im Folgenden untersucht werden. Dabei werden drei denkbare Lösungsansätze vorgestellt: eine materiell-rechtliche Lösung über eine strafrechtsautonome Auslegung (1.), eine Lösung über die strafrecht­ liche Irrtumslehre (2.) und eine strafprozessuale Lösung (3.). 1. Lösung über eine strafrechtsautonome Auslegung

Zu denken wäre zunächst an eine strafrechtsautonome Auslegung der Schrankenregelungen. Gemeint ist damit eine weite, also den Verwerter pri­ vilegierende Auslegung im Falle einer geringfügigen Überschreitung der Schrankenregelungen. Bei dem Gedichtwerk, bei dem die Grenze der gem. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG zulässigen Vervielfältigungen an sich bei sieben zu ziehen wäre, könnte sie zugunsten des Verwerters, der sie um lediglich eine Vervielfältigung überschreitet, im Rahmen des § 106 Abs. 1 UrhG bei acht Vervielfältigungen zu ziehen sein. Jedenfalls würde damit den verfassungs­ rechtlichen Vorgaben des Verhältnismäßigkeits- und ultima-ratio-Grundsatzes entsprochen werden, da der Verwerter letztlich nicht strafbar wäre. Zivilrechtlich müsste die Grenze hingegen bei sieben belassen werden, denn die Erwägungen, die eine strafrechtliche Einschränkung erfordern, las­ sen sich nicht auf das Zivilrecht übertragen. Insbesondere der ultima-ratioGrundsatz gilt nur im Hinblick auf das strafrechtliche Rechtsfolgenregime. Es fehlt somit an der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit für eine weite zivilrechtliche Auslegung. Vor allem ist zu berücksichtigen, dass einer weiten Auslegung auch die Interessen des Urhebers entgegenstünden. Dessen Be­ dürfnis nach umfassendem Schutz seines Werkes ist über Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verfassungsrechtlich verankert und wird bereits dadurch eingeschränkt, dass sein Werk überhaupt zu privaten Zwecken vervielfältigt werden darf. Somit ist auch zugunsten des Urhebers der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen. Auch dies erklärt sich daraus, dass das Zivilrecht und das Strafrecht an sich unterschiedlichen Zwecken dienen; auf den gerechten Inte­ ressenausgleich (Zivilrecht) auf der einen und den Rechtsgüterschutz (Straf­ recht) auf der anderen Seite wurde bereits hingewiesen.90 Da es dem Urheber in derartigen Konstellationen weniger um die strafrechtliche Verfolgung des Verwerters gehen wird, widerspräche eine weite 90  Vgl.

Kapitel 1, § 2, B.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

strafrechtliche Auslegung nicht zwingend seinen Interessen. Denn für den Urheber sind hier vorrangig die zivilrechtlichen Ansprüche von Bedeutung. Die Interessenlage des Verwerters dürfte sich hingegen genau gegenteilig darstellen, da dieser weniger eine zivilrechtliche Inanspruchnahme als eine Strafbarkeit fürchten wird. Über eine Auslegung ließe sich dieser Konflikt nur lösen, wenn die Schrankenregelungen zivilrechtlich zugunsten des Urhebers eng und strafrechtlich zugunsten des Verwerters weit auslegt würden. Die Zivilrechtsak­ zessorietät fordert aber eben eine straf- und zivilrechtlich einheitliche Ausle­ gung. Die unterschiedliche Auslegung eines wortlautidentisch verwendeten Merkmals würde die Zivilrechtsakzessorietät in der gravierendsten Form lo­ ckern, da das Merkmal „einzelne“ strafrechtlich etwa die Bedeutung acht (oder mehr), zivilrechtlich hingegen die Bedeutung sieben hätte.91 Der Rechtsanwender könnte sich nicht auf den Grundsatz Begriffsidentität = Inhaltsidentität verlassen. In diesem Fall wäre das Prinzip der Akzessorietät in Frage gestellt. Hinzukommt, dass die Rechte des Urhebers wegen Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG zwar nicht schrankenlos gewährt werden, sondern dem ein „Regel-Aus­ nahme-Verhältnis“ zugrunde liegt, wobei der uneingeschränkte Schutz des Urhebers die Regel darstellt und die Beschränkung zugunsten der Allgemein­ heit die Ausnahme.92 Die Schranken sind also stets restriktiv auszulegen, was gegen eine lediglich strafrechtlich engere Auslegung des § 106 UrhG spräche.93 91  In diese Richtung gehend aber wohl Do Chi, S. 298 ff., der eine strafrechtlich „nutzerfreundliche Auslegung“ fordert, die – freilich unter Verletzung des Grundsat­ zes der strengen Akzessorietät – auch vom Zivilecht abweichen könne; in diese Rich­ tung gehend auch Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (435). 92  Vgl. etwa BGHZ 50, 147 (152) – Kandinsky: „Soweit der Urheber […] Be­ schränkungen seiner ausschließlichen Verwertungsrechte dulden muß, handelt es sich aber um eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß diese Rechte ihm zustehen“. 93  So in st. Rspr. etwa BGHZ 58, 262 (265) = BGH GRUR 1972, 614 (615) = BGH NJW 1972, 1273 – Landesversicherungsanstalt; BGHZ 114, 368 (371) = BGH GRUR 1991, 903 (905) = BGH NJW 1992, 1686 (1687) – Liedersammlung; BGHZ 150, 5 (8) = BGH GRUR 2002, 605 = BGH NJW 2002, 2394 (2395) = Verhüllter Reichstag; in diese Richtung gehend auch der EuGH zu Art. 5 Abs. 1 InfoSocRL in EuGH GRUR 2009, 1041 (1045) – Infopaq; vgl. aus der Literatur etwa Fromm/Nor­ demann-Dustmann, Vor §§ 44a ff. Rn. 7; dies.-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 21; v. Gamm, § 45 Rn. 4; Geerling, GRUR 2004, 208 (208); Heinrich, S. 249; MüKoStGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 78; differenzierter Becker, ZUM 2012, 643 (648); Do Chi, S. 123; Findeisen, S. 115; Schack, FS Schricker 2005, S. 514 f.; Schri­ cker/Loewenheim-Melichar/Stieper, Vor §§ 44a ff Rn. 36; Stieper, S. 66, wonach ein allgemeiner Grundsatz der restriktiven Auslegung von Ausnahmebestimmungen der Rechtsdogmatik fremd sei und die Frage der Auslegung nur von Schranke zu Schranke



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG243

2. Lösung über die strafrechtliche Irrtumslehre

Einen anderen Ansatz könnte es darstellen, den Konflikt im Rahmen der strafrechtlichen Irrtumslehre zu lösen. Ausgangspunkt dieser Überlegungen ist, dass der Verwerter, der eine solche Grenze nur geringfügig überschreitet, meist einem strafrechtlich – und oft auch zivilrechtlich – relevanten Irrtum unterliegt. Dies ist deshalb besonders naheliegend, weil die Festlegung der Grenzen eben derart von den Umständen des Einzelfalles abhängt, dass dem Rechtsanwender die rechtlich zutreffende Bewertung und Auslegung häufig schwerfallen wird. Eine Lösung über die Irrtumslehre könnte den Anforde­ rungen des Verhältnismäßigkeits- und ultima-ratio-Grundsatzes jedoch nur dann entsprechen, wenn der Verwerter aufgrund des Irrtums im Ergebnis tatsächlich straffrei bliebe. Dies ist aber nur bei einem den Vorsatz ausschlie­ ßenden Tatbestandsirrtum gem. § 16 StGB der Fall, da das Urheberstrafrecht eben keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit vorsieht.94 Auf Grundlage der klassischen Trennung zwischen Irrtümern über tatsäch­ liche und rechtliche Umstände wird in den hier relevanten Konstellationen jedoch meist nur ein Verbotsirrtum gem. § 17 StGB vorliegen.95 Der Ver­ werter, der von dem Gedichtwerk etwa anstatt sieben zulässigen Vervielfälti­ gungen acht anfertigt, irrt sich nämlich selten über die tatsächliche Anzahl der von ihm gefertigten Vervielfältigungen, sondern meist über die recht­ lichen Grenzen des § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG, weil er eine unzutreffende Bewer­ tung im Hinblick auf das Merkmal „einzelne“ vornimmt und den rechtlichen Umfang verkennt. Dies führt gem. § 17 S. 1 StGB jedoch nur dann zur Straffreiheit, wenn der Irrtum unvermeidbar gewesen ist. Selbst wenn der Irrtum vor dem be­ schriebenen Hintergrund nachvollziehbar sein mag96 und es den Verwerter vor erhebliche Herausforderungen gestellt hätte, die zutreffende Anzahl der im Einzelfall zulässigen Vervielfältigungen zu erkennen, wird in derartigen Konstellationen nach der traditionell strengen Rechtsprechung kein unvermeidbarer Irrtum vorliegen. Auf die hohen Hürden zur Annahme der Unver­ meidbarkeit wurde bereits hingewiesen.97 Deshalb wird hier in aller Regel lediglich ein Verbotsirrtum gem. § 17 S. 2 StGB einschlägig sein, der jedoch nur eine Strafmilderungsmöglichkeit nach sich zieht, jedoch nicht zwingend beantwortet werden könne; kritisch hingegen Hildebrandt, S.  124 f.; Raue, FS W. Nordemann 2004, S. 328 ff.; Weber, S. 235. 94  Vgl. Kapitel 3, § 3, A. 95  Vgl. hierzu bereits Kapitel 3, § 3, B., II., 3. 96  Vgl. Hildebrandt, S. 270, wonach sich das Urheberrecht „in steigendem Maße auch an Laien“ richte. 97  Vgl. Kapitel 3, § 3, B., II.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

zum Entfallen der Strafbarkeit führt. Damit wäre zwar ein Gleichlauf zwi­ schen Straf- und Zivilrecht gegeben. Solange dem Verwerter aber lediglich eine Strafmilderungsmöglichkeit zugutekommt und er sich trotzdem strafbar macht, ist das eigentliche Problem nicht gelöst. Eine Straffreiheit des Täters ließe sich über einen Irrtum lediglich dann begründen, wenn man mit der Lehre von den normativen Tatbestandsmerkmalen ausnahmsweise auch bei einem Irrtum über rechtliche Umstände einen vorsatzausschließenden Irrtum gem. § 16 StGB anerkennt. Denn nur dann bliebe der Verwerter mit Sicherheit straffrei, da ein entsprechender Fahrläs­ sigkeitstatbestand, wie schon erwähnt, nicht existiert. Dafür müssten einzelne Tatbestandsmerkmale im Rahmen der gesetzlich zugelassenen Fälle jedoch zunächst als normative Tatbestandsmerkmale eingeordnet und diese Lehre überhaupt anerkennt werden. Aufgrund der Komplexität dieser Thematik soll hierauf an dieser Stelle in Ergänzung zu den bereits getätigten Ausführun­ gen98 nur insoweit eingegangen werden, wie dies zur Darstellung dieses Lösungsansatzes erforderlich ist.99 Im Folgenden wird daher zunächst erör­ tert, was unter deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen verstan­ den wird (a)), was die Lehre vom Irrtum über normative Tatbestandsmerk­ male besagt (b)) und warum diese Lehre im Ergebnis abzulehnen ist (c)). a) Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Merkmalen Auch wenn sich die Unterscheidung zwischen deskriptiven und normati­ ven Merkmalen im Einzelnen als sehr schwierig darstellt, lassen sich einige allgemeingültige Kriterien herausstellen, um zumindest eine Abgrenzung zu ermöglichen. Dies ändert aber nichts daran, dass eine eindeutige Zuordnung in eine der beiden Kategorien häufig deshalb schwerfällt, weil die meisten Merkmale sowohl deskriptive (aa)) als auch normative (bb)) Elemente auf­ weisen. aa) Deskriptive Merkmale Deskriptive Merkmale sollen sich dadurch auszeichnen, dass sie ihren In­ halt aus sich selbst heraus beschreiben.100 Charakteristisch sei demnach der ohne besondere kognitive Fähigkeiten wahrnehmbare inhaltliche Gehalt die­ 98  Vgl. zur Irrtumslehre im Zusammenhang mit der fehlenden Fahrlässigkeits­ strafbarkeit die Ausführungen in Kapitel 3, § 3, B. 99  Vgl. zu dieser Thematik die ausführlichen Darstellungen bei Bosch/Bung/ Klippel-Heinrich, S.  59 ff., Kircher, passim; Lauer, passim; Wissmann, passim. 100  In diese Richtung gehend etwa Rengier, Strafrecht AT, § 8 Rn. 11; Roxin, Straf­ recht AT I, § 10 Rn. 57; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 197.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG245

ser Merkmale, der für den Rechtsanwender bereits durch die Beschreibung selbst hinreichend deutlich zum Ausdruck komme.101 Die Auslegung des Merkmals erfordere insoweit also keine besondere juristische Wertung.102 Ausgehend von ihrer beschreibenden Natur wird zuweilen angenommen, dass deskriptive Merkmale nur eindeutige Tatsachen enthalten würden.103 Der Inhalt solcher Merkmale zeichnet sich in der Tat dadurch aus, dass sie meist durch eine eher „einfache Beschreibung“ geprägt sind,104 wobei „ein­ fach“ hier in einem kognitiv-verständlichen Sinn zu verstehen ist. Das Wesen deskriptiver Merkmale soll darin liegen, ihren Bedeutungsgehalt ohne Hinzu­ ziehung weiterer Normen erkennbar zu machen.105 Insoweit spielen die tat­ bestandlichen Begriffe und Formulierungen eine entscheidende Rolle, die hier eher von einer Alltags- und Umgangssprache geprägt und ohne beson­ dere rechtliche Wertungen zu verstehen seien.106 Auch deshalb charakterisiert Freund deskriptive Merkmale damit, dass sie lediglich das beschreiben, was bereits „vorgegeben“ sei.107 In eine ähnliche Richtung geht Rengier, wonach deskriptive Merkmale eben „einer Tatsa­ chenfeststellung zugänglich“ seien.108 Schünemann beschreibt den Inhalt de­ skriptiver Merkmale prägnant als „gewöhnlich“.109 In normativen Merkmalen wird gemeinhin das Gegenstück zu deskriptiven Merkmalen verstanden.110 Deshalb lässt sich das Wesen beider Merkmale am besten durch eine Gegen­ überstellung beschreiben. bb) Normative Merkmale Der entscheidende Unterschied zwischen deskriptiven und normativen Merkmalen soll darin bestehen, dass sich der tatbestandliche Inhalt normativer Merkmale eben nicht bereits aus der Beschreibung selbst, sondern erst 101  Hill,

S. 120.

§ 6 Rn. 22; Rengier, Strafrecht AT, § 8 Rn. 11. 103  Hill, S. 120. 104  Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 197. 105  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 125. 106  Engisch, FS Mezger 1954, S. 143; Heinrich, FS Roxin 2011, S. 453. 107  MüKo-StGB-Freund, 3. Aufl., Vor § 13, Rn. 15; vgl. ferner Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 58, wonach normative Merkmale lediglich „Gegebenheiten oder Vor­ gänge“ beschreiben. 108  Rengier, Strafrecht AT, § 8 Rn. 11. 109  Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 29 f. 110  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 6 Rn. 25; Heinrich, FS Roxin 2011, S. 453; Kühl, § 5 Rn. 92. 102  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch,

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aus einer juristischen Bewertung ergebe.111 Eine Abgrenzung wird dabei häufig über die Art der Wahrnehmung des tatbestandlichen Inhalts vorge­ nommen: Ergibt sich dieser bereits aus einer sinnlichen Wahrnehmung, liege ein deskriptives Merkmal vor, erfordert die Feststellung des Inhalts hingegen eine kognitive Wahrnehmung, sei von einem normativen Merkmal auszuge­ hen.112 Der tatbestandliche Inhalt normativer Merkmale lasse den Rechtsanwender zunächst also im Ungewissen.113 Diese Ungewissheit beschreibt Engisch da­ hingehend, dass „immer noch Raum für mehrere sinnvolle Deutungen“ be­ stehe.114 Normative Merkmale sollen also nie isoliert, sondern immer nur im Zusammenhang mit ihrem rechtlichen Kontext betrachtet werden können.115 Eben dies erfordere aber eine kognitive Bewertung, jedenfalls eine Einord­ nung des Merkmals in den jeweiligen rechtlichen Kontext.116 Dafür bedürfe es zusätzlicher Kenntnisse, die über das sinnlich Wahrnehmbare (das Be­ schreibende) hinausgingen und die sich erst aus einer Zusammenschau mit anderen Vorschriften und dem Kontext des normativen Merkmals ergäben.117 Eben deshalb wird normativen Merkmalen zuweilen die Eigenständigkeit abgesprochen und ihnen wird der Charakter der Abhängigkeit zugeschrieben, was teilweise mit Verweisungsnormen gleichgesetzt wird.118 Engisch geht sogar so weit, dass normative Merkmale „überhaupt nur unter logischer ­Voraussetzung einer Norm vorgestellt und gedacht werden“ könnten.119 Zumindest ergebe sich der Inhalt häufig erst aus dem Verhältnis zu ande­ ren Vorschriften.120 Roxin stellt fest, die Bewertung normativer Merkmale erfordere stets eine an den Schutzzwecken des Gesetzes orientierte Aus­ legung.121 Sie seien sowohl in ihrem rechtlichen Kontext als auch im Zu­ sammenhang mit der Funktion zu sehen, der sie zu dienen bestimmt sind. 111  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 6 Rn. 24; Engisch, FS Mezger 1954, S. 128; Hill, S. 120. 112  Heinrich, FS Roxin 2011, S. 453; ders., Strafrecht AT, Rn. 125; vgl. ferner Kühl, § 5 Rn. 92, der von „geistig verstehbar“ spricht. 113  Hill, S. 120. 114  Engisch, FS Mezger 1954, S. 145. 115  Dieses Verständnis bringt Rengier, Strafrecht AT, § 8 Rn. 12, zum Ausdruck, wenn er von „ergänzender“ Bewertung spricht. 116  Heinrich, FS Roxin 2011, S. 453. 117  Kühl, § 5 Rn. 92, der eine Abhängigkeit normativer Merkmale zu rechtlichen und außerrechtlichen (im Sinne von sittlichen) Normen beschreibt. 118  So etwa Schlüchter, S. 26; Wissmann, S. 79. 119  Engisch, FS Mezger 1954, S. 147; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 60; dies aufgreifend auch Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 198. 120  Heinrich, FS Roxin 2011, S. 453. 121  Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 59; Schlüchter, S. 23.



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Treffend bezeichnet Schünemann normative Merkmale auch als „Funk­ tionsbegriffe“.122 Dies erklärt auch, warum sie häufig als „wertausfüllungs­ bedürftig“ bezeichnet werden.123 Dieser Begriff impliziert, dass sie aus sich selbst heraus nicht ohne weiteres verständlich seien. Ähnliches meint Roxin mit der Bezeichnung normativer Merkmale als „wertgefüllte Begriffe“.124 Gelegentlich werden sie auch mit unbestimmten Rechtsbegriffen gleichge­ setzt.125 Bezogen auf die Wortwahl, sollen sich normative Merkmale in Abgren­ zung zur eher alltäglichen Sprache deskriptiver Merkmale durch eine recht­ lich geprägte Sprache auszeichnen.126 Dabei hilft das Vokabular als Abgren­ zungskriterium jedoch vorrangig im Kernstrafrecht, im Bereich des Neben­ strafrechts ist aufgrund der hohen Spezialisierung der Materien ohnehin im­ mer eine spezielle rechtliche Fachsprache erforderlich. cc) Einordnung der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ Ausgangspunkt der Überlegungen war, ob sich über einen Irrtum die Straf­ barkeit des Verwerters zur Lösung des oben beschriebenen Konflikts verhin­ dern ließe. Dies wäre aber nur über die Lehre von den normativen Tatbe­ standsmerkmalen möglich, da hiernach ein rechtlicher Irrtum ausnahmsweise zum Vorsatzausschluss nach § 16 StGB führen könnte. Dafür müssten sich die hier problematischen Tatbestandsmerkmale jedoch zunächst als normativ einordnen lassen. Auf der einen Seite wird angenommen, es handle sich pauschal bei allen Schrankenregelungen der §§ 44a ff. UrhG um normative Tatbestandsmerkma­ le.127 Dies wird damit begründet, dass es sich beim Merkmal „in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen“ um eine Blankettvorschrift handle. Inso­ weit sei das in § 106 Abs. 1 UrhG verankerte Merkmal „gesetzlich zugelassene Fälle“ selbst das normative Tatbestandsmerkmal, das durch die einzel­ 122  Vgl. Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 29 f., der in Abgrenzung dazu de­ skriptive Merkmale als „Klassifikationsbegriffe“ bezeichnet. 123  Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 58; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 198; vgl. hierzu auch BVerfGE 45, 363 (371); BVerfGE 48, 48 (56); BVerfGE 86, 288 (311). 124  Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 58; vgl. ferner Engisch, FS Mezger 1954, S. 142, 147, der der Bezeichnung „wertbezogen“ die Bezeichnung „norm- und wert­ implizierende, auch wertbezügliche“ Merkmale vorzieht. 125  Hill, S. 120; vgl. ferner Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Mitsch, § 8 Rn. 25; Schünemann, Nulla poena sine lege, S. 30, die normative Merkmale in einen Zusam­ menhang mit Generalklauseln bringen; a. A. Engisch, FS Mezger 1954, S. 142, wo­ nach in diesem Fall sämtliche Merkmale normativ geprägte sein müssten. 126  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1083. 127  Vgl. Dietmeier, S. 239; Hildebrandt, S. 270.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

nen Schrankenregelungen ausgefüllt werde. Infolgedessen seien alle ausfül­ lenden Schranken im Ganzen und nicht erst hinsichtlich der dort im Einzelnen enthaltenen Tatbestandsmerkmale als normativ einzuordnen. Auf der anderen Seite wird vertreten, die Unterscheidung zwischen deskriptiv und normativ könne nur für jeden gesetzlich zugelassenen Fall einzeln erfolgen.128 Dies hätte dann nicht die Vorschrift an sich, sondern die dort im Einzelnen ge­ nannten Tatbestandsmerkmale im Blick. Hierfür spräche zumindest das We­ sen der Blankettvorschrift, jedenfalls würden die ausfüllenden Normen dog­ matisch Bestandteil dieser Blankettvorschrift.129 Der Inhalt der einzelnen in §§ 44a ff. UrhG geregelten Schranken müsste demnach von Fall zu Fall in den Tatbestand des § 106 Abs. 1 UrhG „hineingelesen“ werden. Die unterschiedliche Herleitung wirkt sich jedoch lediglich bei ausschließ­ lich beschreibenden Schrankenregelungen aus, denn diese wären nur mit erstgenannter Ansicht als normativ einzuordnen. Die hier relevanten Schran­ kenregelungen sind jedoch derart weit gefasst, dass ihre Festlegung stets ei­ ner Wertung bedarf und ihr Inhalt mit der vorgestellten Gegenüberstellung von deskriptiv und normativ regelmäßig als normativ einzuordnen wäre. Dies gilt selbst bei den genannten Schrankenregelungen, die Prozentangaben enthalten, da auch die Bestimmung dessen, was 15 % eines Werkes sein soll, stets einer Wertung bedarf. b) Lehre vom Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale Der klassischen Lehre entsprechend handelt der Täter ohne Vorsatz, wenn er sich über einen tatsächlichen Umstand des Tatbestandes irrt (§ 16 StGB), wohingegen er nur einem Verbotsirrtum unterliegt (§ 17 StGB), wenn die Fehlvorstellung eine rechtliche Bewertung betrifft.130 Hiervon entfernt sich die Lehre von den normativen Tatbestandsmerkmalen. Nimmt der Täter eine falsche rechtliche Wertung in Bezug auf ein normativ einzuordnendes Merk­ mal vor, soll unter gewissen Umständen kein Verbotsirrtum, sondern ein Tatbestandsirrtum vorliegen, der zum Entfallen des Vorsatzes führt.131

128  So etwa Do Chi, S. 233; Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 Rn. 33; Reinbacher, S. 266; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 33. 129  Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 2, § 3. 130  Vgl. hierzu ausführlich Kapitel 3, § 3, B., I. und II. 131  So in st. Rspr. etwa BGHSt 4, 80 (85 f.) = BGH NJW 1953, 428 (429); BGHSt 4, 347 (352) = BGH NJW 1953, 1680 (1681); BGHSt 7, 261 (263 f.) = BGH NJW 1955, 800 (801); BGHSt 48, 322 (328 f.) = BGH NJW 2003, 3283 (3285); vgl. aus der Literatur etwa Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Eisele, § 11 Rn. 63; Fischer, § 16 Rn. 14; Kühl, § 13 Rn. 11; Rengier, Strafrecht AT, § 15 Rn. 8 f.; Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 101; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 363.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG249

Dafür muss der Täter im Rahmen der sogenannten „Parallelwertung in der Laiensphäre“132 lediglich den wesentlichen Bedeutungsgehalt des Merkmals zutreffend erfasst und diesen juristisch nur unzutreffend bewertet haben.133 Er muss also nicht den kompletten rechtlichen Gehalt nachvollzogen, son­ dern lediglich den groben tatbestandlichen Inhalt und seine ungefähre Bedeu­ tung erfasst haben.134 Deshalb wird in diesem Zusammenhang häufig auch von einer notwendigen „Bedeutungskenntnis“ gesprochen.135 Bezogen auf das Merkmal Werk oder die einzelnen weit gefassten Begriffe innerhalb der gesetzlich zugelassenen Fälle, die meist als klassisch normativ einzuordnen wären,136 würde dies bedeuten, dass der Verwerter lediglich deren groben inhaltlichen Kern richtig erfasst haben muss. Wenn er also grundsätzlich weiß, was ein urheberrechtlich geschütztes Werk ist und was man gewöhnlich unter einzelnen wenigen Vervielfältigungen versteht, soll es insoweit unschädlich sein, wenn er im konkreten Fall eine unzutreffende Bewertung vorgenommen und einen Gegenstand fälschlicherweise nicht un­ ter den Werkbegriff subsumiert oder acht Vervielfältigungen noch als „ein­ zelne“ ansieht. Dies gilt jedenfalls dann, wenn auch andere in der „Parallel­ wertung der Laiensphäre“ demselben Irrtum unterliegen würden. Diese Lehre wird damit begründet, dass normative Merkmale im Einzelfall komplexe rechtliche Bewertungen erfordern, die, wenn der Täter sie unzu­ treffend vornimmt, ihm nicht zum Nachteil gereichen sollen.137 Der Täter wolle sich hier grundsätzlich rechtstreu verhalten, was ihm jedoch aufgrund der komplexen Tatbestandsgestaltung nicht gelänge.138 Hierbei spiele der Maßstab der „Laiensphäre“ eine wichtige Rolle. Der Verwerter sei nämlich dann schutzbedürftig, wenn er sich in einem Maße irrt, wie es jedem Laien hätte passieren können. Es geht also darum, ob die fälschlicherweise vorge­ nommene Bewertung, dass es sich bei dem fraglichen Gegenstand nicht um 132  Den Begriff verwendend etwa BGHSt 3, 248 (255) = BGH NJW 1953, 133; BGHSt 4, 347 (352) = BGH NJW 1953, 1680 (1681); aus der Literatur etwa Bau­ mann/Weber/Mitsch/Eisele-Eisele, § 11 Rn. 63; Kühl, § 5 Rn. 93; Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 101; sich kritisch mit dem Begriff auseinandersetzend Papathanasiou, FS Roxin 2001, S. 467 ff., 482. 133  Kühl, § 5 Rn. 93; Rengier, Strafrecht AT, § 15 Rn. 4. 134  Kühl, § 5 Rn. 93; MüKo-StGB-Joecks, 3. Aufl., § 16 Rn. 70. 135  BGHSt 54, 202 (213); Kühl, § 5 Rn. 91 ff., § 13 Rn. 11; Rengier, Strafrecht AT, § 15 Rn. 4 ff.; Schönke/Schröder-Sternberg-Lieben/Schuster, § 15 Rn. 43. 136  Vgl. zur Einordnung des Merkmals „Werk“ als normativ etwa Erbs/KohlhaasKaiser, § 106 Rn. 33; Heinrich, S.  261 f.; Hildebrandt, S. 257; Wandtke/BullingerReinbacher, § 106 Rn. 33 und zur Einordnung der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ soeben. 137  Baumann/Weber/Mitsch/Eisele-Eisele, § 11 Rn. 62, 64. 138  In diese Richtung gehend Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 104.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

ein urheberrechtlich geschütztes Werk handle oder dass acht Vervielfältigun­ gen noch „einzelne“ i. S. d. § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG darstellen, nachvollziehbar ist und von jedem anderen Laien genauso hätte vorgenommen werden kön­ nen. Bejahendenfalls und vorausgesetzt, der Verwerter hat ansonsten den we­ sentlichen Bedeutungsgehalt des Merkmals Werk und der Privatkopieaus­ nahme erfasst, stehe er damit nicht außerhalb der Rechtsordnung und müsse in den Genuss des § 16 StGB kommen, sodass der Vorsatz entfalle. In diesem Fall sei es berechtigt, einen Irrtum über ein normatives Tatbestandsmerkmal als Ausnahmefall einzuordnen und von der üblichen Differenzierung der Irr­ tumslehre Abstand zu nehmen. c) Bewertung der Lehre Die Lehre vom Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale verfolgt einen honorigen Zweck. Der Täter soll nicht mit dem Risiko der Bestrafung belas­ tet werden, welches letztlich erst aus der Weite und der Unbestimmtheit der sogenannten normativen Tatbestandsmerkmale herrühre. Damit soll gewis­ sermaßen auch ein Korrektiv für die vor allem im Nebenstrafrecht häufig notwendigen komplexen Tatbestandsfassungen geschafft werden. Die Lehre ist jedoch aus mehreren Gründen abzulehnen.139 Über allem steht die damit verbundene Rechtsunsicherheit. Die Annahme und die den Täter privilegierenden Rechtsfolgen eines Tatbestandsirrtums werden von der Lehre an die Einordnung eines Merkmals als normativ geknüpft. Es ist aber gerade diese Differenzierung zwischen deskriptiv und normativ, die eben nie eindeutig vorgenommen werden kann.140 Dies gilt für das Kernstrafrecht allgemein, zeigt sich aber in besonderem Maße auch im Urheberstrafrecht, wenn man davon ausgeht, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale allesamt sowohl deskriptive als auch normative Elemente enthalten.141 Auf der einen Seite erfordern klassischerweise als deskriptiv einzuord­ nende Merkmale immer zugleich eine Wertung,142 da ein Merkmal allein 139  So i. E. auch Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 82; Heinrich, FS Roxin 2011, S.  456 ff.; ders., Strafrecht AT, Rn. 1087; NK-StGB-Puppe, § 16 Rn. 45 ff.; Safferling, S. 153. 140  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 82; Heinrich, FS Roxin 2011, S. 456; ders., Strafrecht AT, Rn. 127, 1087; Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 58 f.; T. Walter, S. 221; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 199; Wissmann, S. 79. 141  Vgl. Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 58, wonach „rein deskriptive oder norma­ tive Umstände kaum auftreten“. 142  Heinrich, FS Roxin 2011, S. 456  f.; MüKo-StGB-Freud, 3. Aufl., Vor § 13 Rn. 15; T. Walter, S. 221; Wessels/Beulke/Satzger, Rn. 198.



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dadurch normative Gestalt annimmt, dass es in den Gesetzestext aufgenom­ men wird und somit im Kontext des Gesetzes zu lesen ist.143 Das in § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG normierte Merkmal des „Originals eines Werkes“144 dürfte etwa als klassisch deskriptiv anzusehen sein, da es seinen Inhalt aus sich selbst heraus beschreibt. Gleichfalls kann das Vorliegen aber auch von einer rechtlichen Wertung abhängen. Dafür stellt die Werkschaffung unter bloßer Aufsicht des Urhebers nur ein Beispiel dar.145 Vor diesem Hintergrund könnte man sagen, es existierten gar keine rein-deskriptiven Merkmale.146 Auf der anderen Seite sind klassischerweise normativ einzuordnende Merkmale wie etwa der Werkbegriff147 nicht ohne beschreibende Elemente vorstellbar. Das Vorliegen eines urheberrechtlich geschützten Werkes ist ins­ besondere durch die Elemente des Geistigen und der Schöpfung wertausfül­ lungsbedürftig. Gleichfalls enthält das Merkmal durch die Auflistung der er­ fassten Werkarten in § 2 Abs. 1 UrhG beschreibende Elemente. Auch solche Merkmale, die klassischerweise eine Wertung erfordern, sind dabei kaum denkbar, ohne dass sie ihren Inhalt dem Rechtsanwender beschreiben. Des­ halb könnte man auch sagen, es existierten gar keine normativen Merkmale, die ohne beschreibende Elemente auskommen.148 Gerade das Urheberstrafecht zeigt, dass eine eindeutige Trennung zwi­ schen deskriptiv und normativ lediglich ein theoretisches Idealbild darstellt, praktisch aber schlicht nicht möglich ist, da kein strafrechtliches Merkmal hier ohne Schnittmengen auskommen wird. Möglich wäre somit allenfalls eine Differenzierung in eher deskriptive und eher normative Merkmale,149 indem auf den jeweiligen Schwerpunkt abgestellt wird.150 Engisch bezeich­ 143  Fischer,

§ 16 Rn. 4. hierzu noch Kapitel 1, § 1, E., I. 145  Vgl. zu dieser Frage Hildebrandt, S.  181 f. 146  Vgl. auch Lang-Hinrichsen, JR 1952, 302 (303), wonach „alle Elemente des Tatbestandes teleologisch aufgebaute Wertebegriffe sind und somit normativen Cha­ rakter tragen“; in diese Richtung gehend auch MüKo-StGB-Freud, 3. Aufl., Vor § 13 Rn.16, der meint, es gebe ausschließlich normative Merkmale, da all diejenigen Merkmale, die mit der hier vorgenommenen Gegenüberstellung als – vermeintlich – deskriptiv angesehen wurden, immer auch wertende Elemente aufwiesen, die jedoch vom menschlichen Empfinden „als evident richtig empfunden und deshalb nicht mehr weiter hinterfragt“ würden. 147  Vgl. Erbs/Kohlhaas-Kaiser, § 106 Rn. 33; Heinrich, S.  261 f.; Hildebrandt, S. 257; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 33. 148  Heinrich, FS Roxin 2011, S. 457. 149  In diese Richtung gehend auch Heinrich, FS Roxin 2011, S. 453, 457; ders., Strafrecht AT, Rn. 271; Wissmann, S. 79, die von Merkmalen sprechen, die „mehr normativ“ und „mehr deskriptiv“ geprägt seien. 150  Engisch, FS Mezger 1954, S. 145. 144  Vgl.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

net dies als „Strukturverschlingung“.151 Jedenfalls eine eindeutige Trennung vermag auch dies nicht zu gewährleisten. Es ist aber gerade diese eindeutige Trennung, die die Lehre vom Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale voraussetzt, wenn sie an die Einord­ nung eines Merkmals als normativ derart weitreichende Rechtsfolgen wie die Annahme eines Tatbestandsirrtums knüpft. Eben deshalb ist die Lehre vom Irrtum über normative Tatbestandsmerkmale im Ergebnis auch abzulehnen. Die Einordnung eines Merkmals als deskriptiv oder normativ wäre immer dem Vorwurf der Inkonsequenz oder gar der Willkürlichkeit ausgesetzt.152 Wenn dies aber über die Frage der Strafbarkeit oder Straffreiheit des Betrof­ fenen entscheiden würde, hinge die Beantwortung dieser Frage von Zufällig­ keiten ab und wäre sowohl aus Gleichheitsgesichtspunkten (Art. 3 Abs. 1 GG) als auch vor dem Hintergrund erheblicher Rechtsunsicherheit ver­ fassungsrechtlich bedenklich.153 Dies gilt im Urheberstrafrecht deshalb in besonderem Maße, weil der Verwerter bei Einordnung eines Merkmals als normativ mangels Vorliegens eines Fahrlässigkeitsdelikts straffrei bliebe, sich aber bei einer Einordnung als deskriptiv strafbar machen würde. Zudem ist die Annahme eines Tatbestandsirrtums auch sachlich nicht gerechtfertigt. Eine rechtlich unzutreffende Bewertung ist entsprechend der Gesetzessystematik der §§ 16, 17 StGB als Verbotsirrtum einzuordnen. Dies ist auch sachgerecht, weil der Täter in diesem Fall die tatsächlichen Um­ stände zutreffend erkannt und dennoch gehandelt, also strafrechtliches ­Unrecht154 verwirklicht hat.155 Eben dieser Umstand unterscheidet den Tat­ bestands- vom Verbotsirrtum. Die Lehre vom Irrtum über normative Tatbe­ standsmerkmale gibt diese klassische und vor allem eindeutige Trennung auf.156 Dem Gedanken, dass der Täter hier eine besonders komplexe recht­ 151  Engisch,

FS Mezger 1954, S. 144. S. 97; vgl. ferner Roxin, Strafrecht AT I, § 10 Rn. 59, der da­ von spricht, dass bei einer strengen Zuteilung „alle Merkmale (vielleicht mit Aus­ nahme reiner Maßbegriffe) normativ“ wären. 153  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 82; Heinrich, FS Roxin 2011, S. 456. 154  Eben deshalb wäre es auch sachgerecht, dass sich ein Dritter – fernab von im Urheberstrafrecht denkbaren Konstellationen – hiergegen im Rahmen der Notwehr verteidigen dürfte; dies wäre im Falle der Annahme eines Tatbestandsirrtums jedoch mangels Vorliegens eines rechtswidrigen Angriffs (§ 32 Abs. 2 StGB) nicht möglich; vgl. Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1087; ähnliche Wertungsprobleme ergäben sich vor dem Hintergrund, dass mangels vorsätzlicher rechtswidriger Haupttat keine Teilnah­ mestrafbarkeit bezüglich dieses Verhaltens möglich wäre; vgl. hierzu Heinrich, FS Roxin 2011, S. 462. 155  Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 82; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1087. 156  Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 1087, kritisiert die Abkehr von dieser klassischen Trennung mit der Erwägung, dass dies nur einige wenige Tatbestandsmerkmale be­ treffe. 152  Papathanasiou,



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG253

liche Wertung vornehmen musste, könnte man dadurch gerecht werden, dass die Anforderungen an die Unvermeidbarkeit des Irrtums gem. § 17 S. 1 UrhG herabgesetzt werden.157 Auch in diesem Fall würde er bei Annahme der Un­ vermeidbarkeit im Ergebnis straffrei bleiben. d) Zwischenergebnis Die Komplexität dieser Materie darf nicht dazu führen, den Blick für das im hiesigen Zusammenhang Wesentliche zu verlieren. Relevant wurden die vorstehenden Ausführungen für die Frage, ob die Fälle der geringen Über­ schreitung der Schrankenregelungen über die strafrechtliche Irrtumslehre zu lösen sind. Dies ist aber zu verneinen. Der Verwerter wäre hierüber nur straf­ frei, wenn man mit der Lehre von den normativen Tatbestandsmerkmalen einen tatbestandsausschließenden Irrtum annähme. Diese Lehre ist im Ergeb­ nis aber abzulehnen, da eine eindeutige Trennung zwischen normativ und deskriptiv nicht möglich ist. In den hier relevanten Konstellationen kann mithin nur ein Verbotsirrtum angenommen werden. Aufgrund der hohen An­ forderungen an die Unvermeidbarkeit entfällt dann aber nicht die materiellrechtliche Strafbarkeit des Verwerters. Damit mag die Zivilrechtsakzessorie­ tät zwar streng angewandt werden, da sich der Täter aber gleichzeitig strafbar macht, wäre das eigentliche Problem nicht gelöst. 3. Strafprozessuale Lösung

Beide bislang vorgestellten Ansätze können also nicht überzeugen. Bei einer strafrechtsautonomen Auslegung würde das Prinzip der Zivilrechtsak­ zessorietät verletzt, der Ansatz der Irrtumslehre müsste die gesetzliche Diffe­ renzierung zwischen §§ 16 und 17 StGB aufgeben. Im Folgenden soll deshalb ein Ansatz vorgestellt werden, der die Proble­ matik auf strafprozessualer Ebene zu lösen versucht. Ausgangspunkt ist da­ bei, dass auch bei nur geringfügiger Überschreitung der Schrankenregelungen materiell-rechtlich eine Strafbarkeit des Verwerters begründet wird.158 Ent­ scheidend ist dabei der Ansatz, dass der daraus resultierende staatliche Straf­ 157  So auch Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 82; Heinrich, FS Roxin 2011, S. 456, der in diesem Zusammenhang für einen restriktiveren Umgang mit dem Merkmal der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums plädiert; so auch Safferling, S. 154, der ebenfalls darauf abstellt, dass über § 17 StGB „individuell flexiblere Lösungen gefunden werden können“; diese Richtung als Alternative andeutend auch Roxin, FS Tiedemann 2008, S. 389. 158  Dass dies einer Einordnung als materielles Unrecht durchaus entspricht, wurde im Zusammenhang mit dem Charakter des Verbotsirrtums soeben dargestellt.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

anspruch aufgrund der Geringwertigkeit des verwirklichten Unrechts letztlich nicht durchgesetzt werden und es zu keiner Verurteilung des Verwerters kommen wird. Das hängt damit zusammen, dass die strafrechtliche Verfol­ gung des Verwerters von mehreren Akteuren angestrebt werden müsste: vom Urheber selbst, von den Strafverfolgungsbehörden und vom Gericht. Im Folgenden soll anhand dreier Ebenen aufgezeigt werden, dass dies auch auf­ grund einiger urheberstrafrechtsspezifischer Besonderheiten jedoch äußerst unwahrscheinlich ist. a) Erste Ebene: Strafantrag des Urhebers Auf der ersten Ebene hängt die Verurteilung davon ab, dass der Urheber die strafrechtliche Verfolgung des Verwerters anstrebt. Bei § 106 Abs. 1 UrhG handelt es sich wegen § 109 UrhG um ein relatives Antragsdelikt, so­ dass es in erster Linie eines Strafantrages durch den Urheber selbst bedarf. Dass ein solcher in den Fällen der §§ 106 ff. UrhG meist ausbleibt, wurde zu Beginn der Arbeit bereits dargestellt.159 Dies lässt sich vorrangig damit be­ gründen, dass die zivilrechtliche Verfolgung für den Urheber eine weitaus höhere Bedeutung hat als die strafrechtliche. Dies gilt in den hier relevanten Konstellationen der geringfügigen Überschreitung der Schrankenregelungen umso mehr, als ein Strafantrag in aller Regel unterbleiben wird. Dies könnte freilich dann anders sein, wenn die Grenze einer Schranken­ regelung deutlicher überschritten wird. Unabhängig davon, ob dies für den Verletzten im Hinblick auf die Stellung eines Strafantrages tatsächlich eine Rolle spielen würde, stünde einer Strafbarkeit des Verwerters in diesem Fall aber ohnehin nicht der Verhältnismäßigkeits- oder ultima-ratio-Grundsatz entgegen, da der Verwerter sodann aufgrund des erhöhten verwirklichten Unrechts auch weniger schutzbedürftig wäre. In diesen Fällen genügt eine Strafmilderung im Rahmen des Verbotsirrtums gem. § 17 S. 2 StGB. Dieser Ansatz scheint ferner zu versagen, wenn die strafrechtliche Verfol­ gung nicht vom Strafantrag des Urhebers abhängt, sondern von Amts wegen erfolgt. Dies ist im Urheberstrafrecht lediglich bei § 108a UrhG der Fall. Sodann liegt aber eine gewerbsmäßige Begehung vor, sodass sich oben be­ schriebenes Problem erst gar nicht stellt. Denn auch in diesem Fall bestünde kein Bedürfnis, eine Strafbarkeit des Verwerters auszuschließen.

159  Vgl.

Kapitel 1, § 2, C., I., 2.



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG255

b) Zweite Ebene: Strafverfolgungsbehörden Entscheidender Akteur der zweiten Ebene sind die Strafverfolgungsbehörden. Hat der Urheber auf die Stellung des Strafantrags verzichtet, hängt die strafrechtliche Verfolgung gem. § 109 UrhG von der Annahme eines beson­ deren öffentlichen Interesses ab. So wie die Stellung eines Strafantrags ist jedoch auch ein Einschreiten von Amts wegen in den hier relevanten Konstellationen äußerst unwahrschein­ lich. Zu erinnern ist daran, dass die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses erheblich vom Eintritt einer „nicht nur geringfügige[n] Schutzver­ letzung“ abhängt.160 Eine solche geringfügige Schutzverletzung liegt in den hier relevanten Konstellationen aber vor. Dass ein Einschreiten von Amts wegen sodann auch tatsächlich meist unterbleibt, belegen die zu Beginn der Arbeit vorgestellten Zahlen.161 Außerdem ist auch hier das ungeschriebene Abwägungskriterium zu be­ rücksichtigen, das im Rahmen der nachträglichen Genehmigung beschrieben wurde.162 Demnach sind die Strafverfolgungsbehörden in ihrer Entscheidung nicht gänzlich ungebunden, sondern sie haben vielmehr die Besonderheiten des Einzelfalles zu berücksichtigen. Bei der nachträglichen Genehmigung war etwa zu berücksichtigen, dass die Genehmigung in einen Verzicht auf einen Strafantrag umzudeuten war und die Strafverfolgung nicht dem Inte­ resse des Urhebers entsprach. Hier kommt die Besonderheit des mit der Rechtsverletzung begangenen geringen Unrechts hinzu. Berücksichtigt man dies in der Abwägung, ist auch auf dieser zweiten Ebene nicht mit einer strafrechtlichen Verfolgung des Verwerters zu rechnen. Auf die Möglichkeit der Staatsanwaltschaft, im Falle einer Ablehnung des besonderen öffent­lichen Interesses auf den Privatklageweg zu verweisen, wurde bereits eingegan­ gen.163 c) Dritte Ebene: Gerichtliche Einstellung Eine Strafbarkeit des Verwerters könnte sich nach alledem lediglich in zwei theoretischen, aber praktisch sehr unwahrscheinlichen Konstellationen ergeben: Zum einen im Falle eines Strafantrags durch den Urheber, zum an­ 160  Vgl. Ziffer 261 Richtlinie über das Straf- und Bußgeldverfahren und Kapi­ tel 1, § 2, C., II., 1. 161  Vgl. Kapitel 1, § 2, A. 162  Wobei das gleiche Ergebnis auch herzuleiten wäre, wenn man den Strafverfol­ gungsbehörden ein Ermessen zuschreibt; vgl. hierzu Kapitel 3, § 2, B., II., 2., d), cc). 163  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 2, C., VI.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

deren bei einem Einschreiten von Amts wegen. In diesen beiden Fällen würde die dritte Ebene relevant, in der das Strafgericht Bedeutung erlangt. Die hier relevanten Konstellationen sind dem Bagatellbereich zuzuordnen. Es kommen somit die Möglichkeiten der strafprozessualen Einstellung aus Opportunitätsgründen zum Tragen. Dies betrifft in erster Linie die §§ 153, 153a StPO, wegen der Einordnung der §§ 106 ff. UrhG als Privatklagedelikte jedoch vorrangig § 383 Abs. 2 StPO. Auch diesbezüglich kann auf die oben getätigten Ausführungen verwiesen werden.164 Eine Einstellung nach § 383 Abs. 2 StPO setzt dabei die Geringwertigkeit der Schuld des Täters voraus. Zwar ist das Gericht in seiner diesbezüglichen Würdigung frei, doch wird eine solche Geringfügigkeit in den hier relevanten Konstellationen nahezu immer vorliegen. Immerhin ergibt sich die gesamte Problematik und das Bedürfnis nach einer Einschränkung der Strafbarkeit erst daraus, dass die Überschreitung der Schrankenregelung kein großes und sanktionswürdiges Unrecht darstellt. Jedenfalls existiert mit dem Kriterium der Geringfügigkeit ein in § 383 Abs. 2 StPO extra dafür vorgesehenes Korrektiv, das Ausmaß der Überschreitung zu berücksichtigen. Hinzukommt, dass selbst bei § 108a UrhG die Möglichkeit einer Einstellung nach § 153a StPO verbliebe. d) Zwischenergebnis Es zeigt sich, dass eine strafrechtliche Verfolgung oder gar Verurteilung des Verwerters bei geringfügiger Überschreitung der Schrankenregelungen praktisch nicht vorkommen wird. Eine Kollision mit dem Verhältnismäßig­ keits- und ultima-ratio-Grundsatz ist damit jedoch lediglich eine theoretische Möglichkeit. Dafür lohnt es sich aber nicht, das Prinzip der Zivilrechtsakzes­ sorietät zu durchbrechen (so wie es die strafrechtsautonome Auslegung tun würde) oder die Dogmatik der §§ 16, 17 StGB zu unterlaufen (so wie es mit der Irrtumslösung der Fall wäre). Die Zivilrechtsakzessorietät verlangt materiell-rechtlich einen inhaltlichtatbestandlichen Gleichlauf des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht, nicht jedoch zwingend auch einen Gleichlauf in der letztlichen Rechtsdurch­ setzung.165 Dies erklärt sich eben daraus, dass die Notwendigkeit der Zivil­ rechtsakzessorietät aus dem Erfordernis des Bestimmtheitsgrundsatzes herzu­ leiten ist und sie eine Erkennbarkeit der tatbestandlich weit gefassten Merk­ male der §§ 106 ff. UrhG gewährleisten soll. Nach der hier gewählten Lösung wird jede Überschreitung der Schrankenregelungen jedoch sowohl zivil- als 164  Vgl.

Kapitel 1, § 2, C., V. und VI. wäre die Zivilrechtsakzessorietät bereits aufgrund der zu Beginn der Arbeit vorgestellten Statistiken in Frage zu stellen; vgl. hierzu Kapitel 1, § 2, A. 165  Andernfalls



§ 1 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 106 UrhG257

auch strafrechtlich als Urheberrechtsverletzung bewertet, lediglich der daraus entstehende Strafanspruch wird im Ergebnis nicht durchgesetzt. Damit wird aber die Zivilrechtsakzessorietät durchaus streng angewandt. Dies lässt sich auch an den vier Merkmalen der Zivilrechtsakzessorietät festmachen.166 Zwar ist kein prozessrechtlicher, aber eben ein materiellrechtlicher inhaltlicher Gleichlauf zwischen Urheberstraf- und Urheberzivil­ recht gegeben (Merkmal 1). Dieser resultiert auch daraus, dass die tatbe­ standlichen Begriffe straf- und zivilrechtlich inhaltlich identisch ausgelegt werden (Merkmal 2), sodass der Grundsatz Begriffsidentität = Inhaltsidentität mit dieser Lösung Bestand hat. Ferner werden auch die Verwertungsrechte sowohl straf- als auch zivilrechtlich als schutzbedürftig bewertet (Merk­ mal 3), denn materiell-rechtlich besteht eben ein Strafanspruch. Schließlich geht auch das Strafrecht nicht über das Zivilrecht hinaus (Merkmal 4), son­ dern bleibt im Sinne des ultima-ratio-Grundsatzes dahinter zurück. Mit dieser Lösung kann die Zivilrechtsakzessorietät also streng angewandt werden und gleichzeitig wird den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Verhältnismäßigkeits- und des ultima-ratio-Grundsatzes entsprochen. Das gleiche Ergebnis ließe sich theoretisch auch über die Irrtumslösung erzielen, wenn man das Kriterium der Unvermeidbarkeit bei § 17 S. 1 StGB großzügi­ ger handhabt.167 Mit der Geringwertigkeit der Schuld existiert in § 383 Abs. 2 StPO jedoch ein Korrektiv, das genau derartige Fälle erfasst und das das Ausmaß der Überschreitung systematischer zu berücksichtigen vermag. III. Zusammenfassung Beim Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ ergibt sich die Abhän­ gigkeit des § 106 Abs. 1 UrhG von den §§ 44a ff. UrhG erst aus einer urhe­ berzivilrechtsakzessorischen Auslegung. Mithin ist auch die Legitimation der Zivilrechtsakzessorietät in diesem Merkmal geringer, sodass einer strengen Anwendung übergeordnete Erwägungen entgegenstehen könnten. Solche Er­ wägungen scheinen sich aus dem Verhältnismäßigkeits- und ultima-ratioGrundsatz zu ergeben, wenn der Verwerter die Schrankenregelungen nur ge­ ringfügig überschreitet und sich deshalb strafbar machen würde. Da es in derartigen Konstellationen aber nie zu einer tatsächlichen Verurteilung des Verwerters kommt, lässt sich die Zivilrechtsakzessorietät hier streng anwen­ den und das Problem strafprozessual lösen.

166  Vgl.

zu diesen Kapitel 3, § 1, A. diese Richtung gehend eben Bosch/Bung/Klippel-Heinrich, S. 82; Heinrich, FS Roxin 2011, S. 456; Roxin, FS Tiedemann 2008, S. 389; Safferling, S. 154. 167  In

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG Mit § 107 UrhG existiert lediglich eine Vorschrift, die dem strafrechtlichen Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts dient. Diese sanktioniert jedoch ausschließlich das unzulässige Anbringen der Urheberbezeichnung. Entspre­ chend gering ist auch ihre praktische Bedeutung.168 Dennoch lohnt sich eine Beschäftigung mit dieser Vorschrift hier deshalb, weil sich im Vergleich zu § 106 UrhG ein paar Besonderheiten in der zivilrechtsakzessorischen Ausge­ staltung ergeben. Bevor hierauf eingegangen (B.) und der Frage nachgegan­ gen wird, was der nur sehr rudimentär gewährte strafrechtliche Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts für das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät be­ deutet (C.), soll kurz auf die Struktur des § 107 Abs. 1 UrhG eingegangen werden (A.). Abschließend sind einige perspektivische Überlegungen zu dieser Vorschrift anzustellen (D.).

A. Struktur des § 107 Abs. 1 UrhG In Ergänzung zu den bereits getätigten Ausführungen,169 soll zunächst auf die tatbestandliche Struktur des § 107 Abs. 1 UrhG (I.) und die allgemeinen zivilrechtsakzessorischen Ausprägungen eingegangen werden (II.). I. Tatbestandsstruktur Wie bereits erwähnt, enthält § 107 Abs. 1 UrhG im Hinblick auf Nr. 1 und Nr. 2 zwei unterschiedliche Tatbestände.170 § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG sanktio­ niert das unzulässige Anbringen der Urheberbezeichnung auf dem Original eines Werkes der bildenden Künste und das Verbreiten eines so bezeichneten Werkes. § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG erfasst hingegen das Anbringen der Ur­ heberbezeichnung auf einem Vervielfältigungsstück, einer Bearbeitung oder Umgestaltung eines Werkes der bildenden Künste, wodurch der Anschein erweckt wird, es handle sich um das Original. Auch hier ist die Verbreitungs­ variante erfasst. Beiden Tatbeständen ist gemein, dass sie nur das unzulässige Anbringen der richtigen, das heißt tatsächlich zutreffenden Urheberbezeichnung erfas­ 168  So etwa Dreier/Schulze-Dreier, §  107 Rn.  4; Fromm/Nordemann-Ruttke/ Scharringhausen, § 107 Rn. 2; Heinrich, UFITA/III 2002, S. 892; Möhring/NicoliniSternberg-Lieben, § 107 Rn. 1; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 1; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 107 Rn. 1. 169  Vgl. zur tatbestandlichen Struktur des § 107 UrhG bereits Kapitel 1, § 1, E., I. 170  Vgl. Kapitel 1, § 1, E., I.



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG259

sen und sich auf Werke der bildenden Künste beziehen. Sie unterscheiden sich jedoch dadurch, dass bei Nr. 1 das Originalwerk und bei Nr. 2 eine Vervielfältigung, Bearbeitung oder Umgestaltung Gegenstand der Betrach­ tung ist. Daraus ergeben sich Unterschiede in Bezug auf die Schutzzwecke.171 Während Nr. 1 dem Schutz des Urhebers dient,172 hat Nr. 2 zusätzlich den Schutz der Allgemeinheit vor Augen.173 Der Urheber wird dahingehend geschützt, dass ausschließlich er darüber entscheiden kann, ob sein Werk mit seiner Urheberbezeichnung versehen wird oder nicht.174 Diese Rechtsposition ist zivilrechtlich in § 13 UrhG nor­ miert und stellt einen Teil des aus seinem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) herzuleitenden Urheberpersönlich­ keitsrechts dar.175 § 107 UrhG bewahrt den Urheber davor, dass sein Werk entgegen seinem Willen mit ihm in Verbindung gebracht wird, wenn er das Werk etwa als noch nicht vollendet oder als nicht gelungen ansieht.176 Die Urheberbezeichnung würde eine solche Verbindung in zweierlei Hinsicht er­ möglichen: Zum einen durch eine gedankliche Zuordnung, zum anderen wegen § 10 Abs. 1 UrhG auch durch eine rechtliche Zuordnung, da derjenige, der auf dem Werk als Urheber bezeichnet ist, auch als solcher vermutet wird. Der Schutzzweck des § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG geht aber darüber noch hi­ naus. Die Vorschrift soll neben dem Urheber auch das kunstinteressierte Publikum177 davor bewahren, dass eine Vervielfältigung, Bearbeitung oder Umgestaltung aufgrund der angebrachten Urheberbezeichnung für das Origi­ insgesamt hierzu Löffler, NJW 1993, 1421 (1426 ff.); Sieg, S.  85 ff. auf das den Schutz des Urhebers abstellend Katzenberger, GRUR 1982, 715 (719); Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 76; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 4; Ulmer, § 133 II 2b. 173  Diesen doppelten Schutzzweck anerkennend Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 1; v. Gamm, § 107 Rn. 1; Katzenberger, GRUR 1982, 715 (719); LoewenheimFlechsig, § 90 Rn. 76; Löffler, NJW 1993, 1421 (1427); Möhring/Nicolini-SternbergLieben, § 107 Rn. 1, 4; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 13; Schri­ cker/Loewenheim-Kudlich, § 107 Rn. 9; Sieg, S. 88; Weber, S. 253 f.; a. A. hingegen Tölke, S. 65; Ulmer, § 133 II 2b, die einen ausschließlichen Schutzzweck bezüglich des Urhebers annehmen. 174  Loewenheim-Flechsig, §  90 Rn. 76; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 4; Ulmer, § 133 II 2b. 175  Vgl. BGHZ 13, 334 (339) = BGH GRUR 1955, 197 (198) = BGH NJW 1954, 1404 (1405) – Leserbrief, wonach das Urheberpersönlichkeitsrecht „eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes“ sei; kritisch hierzu LucasSchlötter, GRUR Int 2002, 809 (810 ff.). 176  Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 1; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 4. 177  Dreier/Schulze-Dreier, §  107 Rn. 1; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 13. 171  Vgl.

172  Vorrangig

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

nalwerk gehalten wird.178 Dieser Schutzzweck erübrigt sich bei Nr. 1, da es sich dort ohnehin um das Originalwerk handelt.179 II. Allgemeine Ausprägungen der Zivilrechtsakzessorietät Zur zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung des §  107 UrhG stellt v. Gamm fest: „Anders als in den Fällen des § 106 UrhG enthält § 107 UrhG keine unmittelbare Anknüpfung an die zivilrechtlichen Tatbestände.“180 Dies verwundert insoweit, als § 107 UrhG – ungeachtet der allgemeinen Gren­ zen181 – grundsätzlich genauso zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist wie die übrigen urheberstrafrechtlichen Zentraltatbestände auch. Die Tatbestands­ merkmale Werk der bildenden Künste und Original werden etwa wortlaut­ identisch so auch in § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG182 und §§ 6 Abs. 2 S. 2 und 26 Abs. 1 S. 1 UrhG183 verwendet und inhaltlich gleich ausgelegt.184 Es verwundert insbesondere, dass v. Gamm § 107 UrhG die Unmittelbarkeit der Anknüpfung abspricht. Man könnte auch sagen, es erfolge im Ver­ gleich zu § 106 UrhG gerade wegen des direkten Gesetzesverweises auf § 10 UrhG sogar eine noch unmittelbarere Anknüpfung an das Zivilrecht. Auch existieren mit den §§ 11 ff. UrhG konkrete Verbotstatbestände, die § 107 UrhG als zivilrechtliche Ausgangsvorschriften dienen. Diese sind im Ver­ gleich zu § 106 UrhG jedoch möglicherweise weniger deutlich (und insoweit weniger „unmittelbar“) erkennbar. Dafür bedarf es sodann der urheberzivilrechtsakzessorischen Auslegung. Hierauf wird sogleich noch näher eingegan­ 178  Abgestellt wird dabei von Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 1; Möhring/Nico­ lini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 1, auf den Schutzzweck der Beweiskraft der Signa­ tur und der Lauterkeit des Kunsthandels. 179  A. A. hingegen wohl Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 1; Fromm/NordemannRuttke/Scharringhausen, § 107 Rn. 1; Hildebrandt, S. 175; Löffler, NJW 1993, 1421 (1427); Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 107 Rn. 2, die auch bei Nr. 1 zusätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit abstellen; vgl. hierzu bereits Kapitel 1, § 1, E., I. 180  v. Gamm, § 107 Rn. 2. 181  Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 3, § 2–§ 4. 182  Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 2; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 107 Rn. 1; Heinrich, S. 277; Hildebrandt, S. 179; Möhring/Nicolini-SternbergLieben, § 107 Rn. 1 f.; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 3; Schricker/ Loewenheim-Kudlich, § 107 Rn. 3; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 107 Rn. 2; Weber, S. 250; dies anerkennend wiederum selbst v. Gamm, § 107 Rn. 2. 183  Hildebrandt, S. 187 f.; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 86; Möhring/NicoliniSternberg-Lieben, § 107 Rn. 3; Sieg, S. 112; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 107 Rn. 2; Weber, S. 251. 184  Das gleiche gilt grundsätzlich auch für den Vervielfältigungs- (§§ 15 Abs. 1 Nr. 1, 16 UrhG), Bearbeitungs- (§§ 3, 23 UrhG) und Umgestaltungsbegriff (§ 23 UrhG).



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG261

gen.185 Entscheidend ist jedoch an dieser Stelle, dass § 107 UrhG das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät grundsätzlich genauso zugrunde liegt wie § 106 UrhG.

B. Besonderheiten in der zivilrechtsakzessorischen Ausgestaltung Im Folgenden wird auf Besonderheiten eingegangen, die sich in der zivil­ rechtsakzessorischen Ausgestaltung des § 107 UrhG gerade im Vergleich zu § 106 UrhG ergeben: zum einen der direkte Gesetzesverweis auf § 10 UrhG (I.), zum anderen das Merkmal der Einwilligung (II.). I. Direkter Verweis auf § 10 UrhG Anders als in den bislang dargestellten Konstellationen, enthält § 107 Abs. 1 UrhG beim Merkmal des Anbringens der Urheberbezeichnung einen direkten Gesetzesverweis auf § 10 UrhG. Da sich diese Art der Gesetzge­ bungstechnik in besonderem Maße auch bei § 108b UrhG zeigt, wird ergän­ zend hierzu darauf später noch genauer eingegangen.186 1. Merkmal „Urheberbezeichnung“

Entscheidend ist jedoch bereits hier die Frage der Notwendigkeit eines solchen direkten Gesetzesverweises. Diese erklärt sich wiederum vor allem im Zusammenhang mit der Zivilrechtsakzessorietät. Denn wie dargelegt muss sich die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung eines Merkmals hinrei­ chend deutlich im Straftatbestand niederschlagen und erkennbar sein.187 Dem entspricht das Urheberstrafrecht üblicherweise mit der Verweisungs­ technik der Begriffsidentität, indem das strafrechtliche Merkmal dieselbe Terminologie gebraucht wie die zivilrechtliche Ausgangsvorschrift.188 Dies ist beim Merkmal der „Urheberbezeichnung“ aber gerade nicht der Fall, § 10 UrhG verwendet den Begriff der „Urheberbezeichnung“ selbst nicht. Es be­ darf mithin erst einer urheberzivilrechtsakzessorischen Auslegung, um Inhalt und Umfang der Anlehnung an die zivilrechtliche Rechtslage bei diesem Merkmal festzustellen.

185  Hierzu

sogleich Kapitel 4, § 2, B. und C. insbesondere zur Frage, ob die Zivilrechtsakzessorietät dadurch eine er­ höhte Legitimation erfährt, die Ausführungen in Kapitel 4, § 5, A. 187  Vgl. Kapitel 2, § 1, B. und Kapitel 4, § 1, C., I. 188  Vgl. Kapitel 2, § 1, B. 186  Vgl.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Dabei ergibt sich jedoch das Problem, dass der Begriff der „Urheberbe­ zeichnung“ im Urheberrechtsgesetz in verschiedenen Zusammenhängen ge­ braucht wird.189 Dies erschwert zumindest die Identifizierung von § 10 UrhG als passende Ausgangvorschrift (erste Voraussetzung der urheberzivil­ rechtsakzessorischen Auslegung).190 Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und den direkten Gesetzesverweis auch deshalb für notwendig erachtet, weil ansonsten der inhaltliche Gleichlauf der straf- und zivilrechtlichen Vorschrift bei diesem Merkmal schwieriger erkennbar wäre.191 Insoweit hat der direkte Gesetzesverweis auch klarstellende Funktion. 2. Merkmal „anbringt“

Die Notwendigkeit des direkten Gesetzesverweises muss aber auch im Zusammenhang mit dem Merkmal des Anbringens der Urheberbezeichnung gesehen werden. Ein Anbringen im Sinne des § 107 Abs. 1 UrhG liegt vor, wenn die Urheberbezeichnung „in verkehrsüblicher Weise“ mit dem Werk oder der Vervielfältigung, Bearbeitung oder Umgestaltung verbunden wird.192 Auch dies ergibt sich erst aus § 10 UrhG, denn die Vermutung der Urhe­ berschaft verlangt nach § 10 Abs. 1 UrhG, dass der Betroffene auf dem Werk „in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet ist“. Dass dies auch als Maß­ stab für die Auslegung des „Anbringen“ in § 107 Abs. 1 UrhG dient, ergibt sich erst aus der Zivilrechtsakzessorietät – genauer gesagt aus einer urheber­ zivilrechtsakzessorischen Auslegung. Die Anlehnung an § 10 UrhG entspricht einerseits dem Grundsatz der strengen Zivilrechtsakzessorietät und erklärt sich andererseits aus der Notwendigkeit, dass das Merkmal des „Anbringens“ isoliert betrachtet zu unbestimmt wäre. Mit einem Rückgriff auf § 10 Abs. 1 UrhG erhält der Rechtsanwender jedenfalls eine Auslegungshilfe.193 Gerade dieser Zusammenhang wäre ohne direkten Gesetzesverweis aber kaum er­ kennbar.

189  So

etwa in §§ 13 S. 2 und 39 Abs. 1 UrhG. Kapitel 4, § 1, C., II., 2., a). 191  Der Gesetzgeber hat in BT-Drs. IV/270, S. 107 selbst Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit der Vorschrift eingeräumt. 192  MüKo-StGB-Heinrich, 3.  Aufl., § 107 UrhG Rn. 9; Schricker/LoewenheimKudlich, § 107 Rn. 6. 193  So MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 9. 190  Vgl.



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG263

II. Einwilligung des Urhebers Auch das in § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG normierte Merkmal der fehlenden Einwilligung bedarf einer genaueren Einordnung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät. Dabei stellt sich insbesondere die Frage nach der Person des Einwilligungsberechtigten (1.) und der Einordnung als Tatbe­ standsausschließungsgrund (2.). 1. Einwilligungsberechtigung

Während §§ 106 Abs. 1 und 108 Abs. 1 UrhG auf die „Einwilligung des Berechtigten“ abstellen, normiert § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG das Merkmal der fehlenden „Einwilligung des Urhebers“. Die Vorschriften unterscheiden sich also zunächst im Hinblick auf die Einwilligungsberechtigung voneinander. Dies ist letztlich auf Unterschiede im Hinblick auf den Schutz der jeweili­ gen Rechtsgüter zurückzuführen. Wie bereits dargelegt, bezwecken §§ 106 Abs. 1 und 108 Abs. 1 UrhG den Schutz der Verwertungsrechte.194 Diese stehen bei § 106 UrhG grundsätzlich dem Werkschaffenden bzw. bei § 108 UrhG dem Inhaber des Schutzrechts selbst zu. Es ist jedoch beiden möglich, einem Dritten entsprechende Nutzungsrechte einzuräumen. In diesem Fall käme es bei Verletzung dieser Rechte aber nicht mehr (nur) auf die Einwilli­ gung des Urhebers bzw. Schutzrechtsinhabers, sondern (zumindest auch) auf die Einwilligung des Dritten an. Die Frage der Einwilligungsberechtigung wäre sodann aber losgelöst von der Person des Urhebers zu beantworten, da in diesem Fall der Dritte Berechtigter gem. §§ 106 Abs. 1, 108 Abs. 1 UrhG wäre. Anders verhält es sich hingegen bei § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, da die Vor­ schrift eben den Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts bezweckt. Dieses ist jedoch, im Gegensatz zu den Verwertungsrechten, derart eng mit der Person des Urhebers verbunden, dass es nicht abgetreten werden kann.195 Es verbleibt aufgrund seines höchstpersönlichen Charakters selbst dann beim Urheber, wenn dieser einem Dritten Nutzungsrechte an seinem Werk einge­ räumt hat.196 Sodann kann es aber bei Verletzung des Urheberpersönlich­ keitsrechts auch nicht auf die Einwilligung des Dritten ankommen. Auch dass die Einwilligung des Urhebers nur bei Nr. 1 und nicht auch bei Nr. 2 relevant wird, erklärt sich aus dem Schutzzweck der Vorschrift, denn Nr. 2 dient eben auch dem Schutz der Allgemeinheit. Diesbezüglich fehlt es dem 194  Vgl.

Kapitel 1, § 1, D. und E., II. § 4 Rn. 6. 196  Lettl, § 4 Rn. 6. 195  Lettl,

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Urheber aber an der Dispositionsbefugnis, sodass er hierin nicht einwilligen kann.197 Misst man auch dies am Maßstab der Zivilrechtsakzessorietät, bestehen insoweit keine Zweifel an einer hinreichenden Erkennbarkeit und Vereinbar­ keit mit Art. 103 Abs. 2 GG. Die Zivilrechtsakzessorietät verlangt nicht, dass die Einwilligungsberechtigung für alle urheberstrafrechtlichen Vorschriften gleich beantwortet wird. Die Unterschiede gehen im Hinblick auf die Einwil­ ligungsberechtigung hinreichend deutlich aus dem Gesetz hervor. Für eine strenge Anwendung der Zivilrechtsakzessorietät ist entscheidend, dass die Frage der Einwilligungsberechtigung strafrechtlich genauso beantwortet wird wie zivilrechtlich. Aber auch im Zivilrecht gilt, dass der Urheber die Befug­ nisse des Urheberpersönlichkeitsrechts nicht an einen Dritten abtreten oder diesem Rechte hieraus einräumen kann. Mithin ist die Frage der Einwilli­ gungsberechtigung in Bezug auf § 13 UrhG genauso zu beantworten wie im Strafrecht. 2. Einwilligung als Tatbestandsausschließungsgrund

Das Merkmal der fehlenden Einwilligung unterscheidet sich bei § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG auch insoweit von §§ 106 und 108 UrhG, als die Einwil­ ligung hier mit der überwiegenden Meinung nicht erst die Rechtswidrigkeit,198 sondern bereits den Tatbestand ausschließt.199 Auch dies lässt sich mit dem Schutzzweck des Urheberpersönlichkeitsrechts erklären. Wenn der Urheber einem Dritten die Anbringung der Urheberbezeichnung auf seinem Original­ werk gestattet, fehlt es bereits an jeglichem Bezugspunkt für eine Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts, da überhaupt kein tatbestandliches Unrecht verwirklicht wurde. Konsequenterweise muss dies dann aber bereits zum Ausschluss des Tatbestandes führen. Vor dem Hintergrund hinreichender Erkennbarkeit ist es an sich unschäd­ lich, dass die Einwilligung einmal zum Ausschluss des Tatbestandes und ein­ mal zum Entfall der Rechtswidrigkeit führt. Anders kann dies jedoch deshalb zu beurteilen sein, weil in § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG mit dem Begriff der „Ein­ willigung“ ein Terminus gebraucht wird, der nach allgemeinem juristischen Sprachverständnis für einen die Rechtswidrigkeit ausschließenden Rechtferti­ 197  Weshalb der Urheber bei § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG auch selbst Täter sein kann; vgl. Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 1; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 4. 198  So jedoch Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 107 Rn. 10; Wandtke/ Bullinger-Reinbacher, § 107 Rn. 2. 199  So Dreier/Schulze-Dreier, §  107 Rn. 8; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 2; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 11.



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG265

gungsgrund steht. Im Sinne der klassischen Terminologie hätte insoweit der Begriff des (tatbestandsausschließenden) Einverständnisses nähergelegen. Dies ist vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät jedoch unschäd­ lich. Die Verortung der Einwilligung erlangt lediglich im Rahmen eines Irr­ tums Bedeutung, der sich aber ohnehin zugunsten des Betroffenen auswirken würde. Geht der Täter irrig vom Vorliegen einer Einwilligung aus, führt dies bei § 107 Abs. 1 Nr. 1 UrhG zum Ausschluss des Vorsatzes (§ 16 Abs. 1 StGB) und nicht erst zum Entfall der Vorsatzschuld (§ 16 Abs. 1 StGB analog).200 Vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät ist lediglich der inhaltliche Gleichlauf zum Zivilrecht entscheidend. Insoweit ist aber die Systematik zwi­ schen Zivilrecht und Strafrecht schwer vergleichbar, denn die Verortung der Einwilligung hängt im Strafrecht vom dreistufigen Deliktsaufbau ab. Diese Einordnung lässt sich aber nicht auf die Rechtsfolgen des Zivilrechts übertra­ gen. Entscheidend ist lediglich, dass auch zivilrechtlich bei Vorliegen einer Einwilligung im Ergebnis keine Urheberrechtsverletzung gegeben ist.

C. Beschränkter strafrechtlicher Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts Die §§ 12 ff. UrhG201 gewähren dem Urheber einen umfassenden zivilrechtlichen Schutz im Hinblick auf sein Urheberpersönlichkeitsrecht. Dabei handelt es sich teilweise um Tatbestände, die dem Urheber unmittelbar Rechte einräumen,202 teilweise aber auch um bloße Verbotsvorschriften.203 Über das Rechtsfolgenregime der §§ 97 ff. UrhG stehen dem Urheber bei Verletzung dieser Rechte insbesondere204 Ansprüche auf Unterlassung205, Beseitigung206 und Schadensersatz207 zu.208 200  Vgl.

hierzu die Ausführungen in Kapitel 3, § 3, B., IV. hinaus finden sich im UrhG verteilt weitere Vorschriften, die zumin­ dest auch den Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts bezwecken, so etwa §§ 11, 25, 39, 62, 63 UrhG. 202  So etwa § 13 S. 1 UrhG, der einen unmittelbaren Anspruch des Urhebers auf Nennung seiner Urheberschaft gewährleisten soll; vgl. hierzu v. Ungern-Sternberg, GRUR 2017, 760 (761). 203  So etwa § 14 UrhG, wonach dem Urheber das Recht zusteht, die Entstellung seines Werkes durch einen Dritten zu verbieten. 204  Relevanz erfährt in diesem Zusammenhang insbesondere der Anspruch auf Auskunftserteilung (§ 101 UrhG). 205  § 97 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 UrhG. 206  § 97 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 UrhG. 207  § 97 Abs. 2 UrhG. 208  Vgl. zur Frage, ob sich der Urheber zudem auf § 823 Abs. 2 BGB, Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG stützen kann Rehbinder/Peukert, § 20 Rn. 441. 201  Darüber

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Der strafrechtliche Schutz bleibt diesbezüglich weit hinter dem zivilrecht­ lichen zurück. Dies zeigt sich in erster Linie daran, dass mit § 107 UrhG ­lediglich das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) eine strafrechtliche Entsprechung findet – und dies auch nur in sehr engen Gren­ zen. Im Folgenden wird am Beispiel dieses Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft (I.) und sodann darüber hinaus (II.–IV.) untersucht, inwieweit der strafrechtliche Schutz hinter dem zivilrechtlichen zurückbliebt und was dies für die Zivilrechtsakzessorietät bedeutet. I. Recht auf Anerkennung der Urheberschaft § 13 S. 1 UrhG schreibt dem Urheber das allgemeine Recht auf Anerkennung der Urheberschaft an dem von ihm geschaffenen Werk zu.209 Dieses Recht findet mit dem Urhebernennungsrecht in § 13 S. 2 UrhG eine beson­ dere Ausprägung,210 wonach allein der Urheber bestimmen kann, ob sein Werk mit einer Urheberbezeichnung versehen wird und wie diese zu verwen­ den ist. Wird der Urheber in seinem Recht auf Anerkennung der Urheberschaft oder auf Urhebernennung verletzt, steht ihm das zivilrechtliche Rechtsfol­ genregime zu.211 Es ist jedoch lediglich das in § 13 S. 2 UrhG normierte Urhebernennungsrecht, das in engen Grenzen durch § 107 Abs. 1 UrhG auch eine strafrechtliche Entsprechung findet.212 Dies betrifft jedoch ausschließ­ lich den Fall, dass der Täter die tatsächlich zutreffende Urheberbezeichnung auf dem Originalwerk213 der bildenden Künste ohne Einwilligung des Urhe­ bers anbringt. Im Folgenden wird der Umfang des strafrechtlichen Schutzes des Urhebers bei Anbringen einer falschen Urheberbezeichnung (1.), bei Anbringen der zutreffenden Urheberbezeichnung ohne Erwecken des Anscheins eines Origi­ 209  So BGHZ 126, 245 (248) = GRUR 1995, 671 (672) = NJW 1994, 2621 (2622) – Namensnennungsrecht des Architekten; a. A. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2017, 760 (762), der dies mit unterschiedlichen Zielsetzungen von § 13 S. 1 (Recht gegen Dritte auf Anerkennung) und S. 2 UrhG (Selbstbestimmungsrecht) zu begrün­ den versucht. 210  So Dreier/Schulze-Schulze, § 13 Rn. 1; vgl. ferner v. Ungern-Sternberg, GRUR 2017, 760 (762), der von einem „Urheberbezeichnungsanspruch“ spricht. 211  Zu den erwähnten Ansprüchen auf Unterlassung, Beseitigung und Schadens­ ersatz kommt insbesondere ein aus § 13 S. 1 UrhG direkt hergeleiteter Anspruch auf Nennung der Urheberbezeichnung. 212  Vgl. zum geschützten Rechtsgut des Urheberpersönlichkeitsrechts und der Allgemeinheit Kapitel 4, § 2, A., I. 213  Bzw. bei § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG auf einer Vervielfältigung, einer Bearbei­ tung oder Umgestaltung.



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG267

nals (2.), bei Anbringens auf anderen Werken als solchen der bildenden Künste (3.) und bei Leugnung der Urheberschaft (4.) untersucht. 1. Anbringen einer falschen Bezeichnung

Das Anbringen einer falschen Urheberbezeichnung214 verletzt das zivil­ rechtliche Recht des Urhebers auf Anerkennung seiner Urheberschaft aus § 13 S. 1 UrhG.215 Der Urheber kann hiergegen im Rahmen seiner zivil­ rechtlichen Ansprüche vorgehen. Gleichzeitig liegt aber keine Strafbarkeit aus § 107 Abs. 1 UrhG vor, da die Vorschrift lediglich das Anbringen der tatsächlich zutreffenden Urheberbezeichnung erfasst. Dies erklärt sich wiede­ rum aus ihrem Schutzzweck, den Urheber davor zu bewahren, dass unvollen­ dete oder von ihm als misslungen angesehen Werke mit seinem Namen in Verbindung gebracht werden.216 Eben diese Gefahr besteht aber nicht, wenn das Werk mit der Bezeichnung eines anderen versehen wird. Jedenfalls bleibt der urheberstrafrechtliche Schutz hinter dem zivilrecht­ lichen zurück. Zwar könnten gegebenenfalls andere Straftatbestände in Be­ tracht kommen, insbesondere eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) oder Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB), je nach Motivlage des Täters auch ein Strafbarkeit wegen Betrugs (§ 263 StGB).217 Dies ändert aber nichts daran, dass in einem solchen Fall trotz Verletzung des Urheber­ persönlichkeitsrechts kein urheberrechtsspezifischer Straftatbestand eingreift. Dies verwundert aus mehreren Gründen. Zum einen hätte die Wertung nahegelegen, dass das Anbringen einer unzutreffenden Bezeichnung das Ur­ heberpersönlichkeitsrecht schwerer verletzt als das Anbringen der tatsächlich zutreffenden Bezeichnung. § 107 Abs. 1 UrhG sanktioniert somit lediglich die eher schwächere Form der Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft. Zum anderen verwundert die gesetzgeberische Wertung des­ halb, weil zumindest § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG auch dem Schutz der Allge­ meinheit und der Lauterkeit des Kunsthandels dient.218 Diesbezüglich be­ 214  Wird das Werk mit der Bezeichnung eines Dritten versehen, der selbst Urhe­ ber anderer Werke ist, wird damit jedoch nicht das Urheberpersönlichkeitsrecht dieses Dritten verletzt; vgl. Dreier/Schulze-Schulze, § 107 Rn. 16, wonach jedoch Ansprüche aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht in Betracht kommen könnten. 215  Dreier/Schulze-Schulze, §  13 Rn.  15; Fromm/Nordemann-Dustmann, § 13 Rn. 4. 216  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 4. 217  Insoweit spielen die Absichten des Täters ebenso eine entscheidende Rolle wie die Frage, ob der Täter den eigenen Namen oder den Namen eines Dritten an­ bringt. 218  Vgl. Dreier/Schulze-Dreier, § 107 Rn. 1; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 1.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

steht aber eine erhöhte Gefahr, wenn eine unzutreffende Urheberbezeichnung angebracht und so der Anschein der Urheberschaft erweckt wird. Jedenfalls liegt bei dem Verzicht auf eine spezifisch urheberstrafrechtliche Vorschrift die Vermutung nahe, dass der Gesetzgeber die Vorschriften aus dem Kern­ strafrecht, insbesondere den Schutz aus § 267 StGB, in den hier relevante Konstellationen für ausreichend hielt. 2. Anbringen ohne Hervorrufen des Anscheins eines Originals

Der urheberstrafrechtliche Schutz bleibt auch dann hinter dem zivilrecht­ lichen zurück, wenn die wahre Urheberbezeichnung auf einem Vervielfälti­ gungsstück angebracht wird, das derart offenkundig219 als ein solches zu erkennen ist, dass kein Anschein eines Originals erweckt wird. Zu denken wäre etwa an den Fall, dass die Urheberbezeichnung auf dem Werk lediglich aus Klarstellungsgründen und zur Ermöglichung einer Zuordnung angebracht wird. Erfolgt dies ohne Einwilligung des Urhebers, weil dieser das Werk be­ wusst nicht mit seinem Namen in Verbindung bringen möchte, wird sein ihm zivilrechtlich über § 13 S. 2 UrhG gewährtes Recht auf Urhebernennung verletzt.220 Auch dieser Fall wird jedoch nicht von § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG erfasst. Es wird dabei auch meist an der Verwirklichung weiterer Straftatbe­ stände fehlen. Sofern die Anbringung tatsächlich nur einer Zuordnung des Werkes zur Urheberschaft dient, scheidet mangels Täuschungsabsicht eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und Betrugs (§ 263 StGB) aus. Ferner wird es auch an einer Strafbarkeit wegen Sachbeschädi­ gung (§ 303 StGB)221 und Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB)222 fehlen. 3. Anbringen der Urheberbezeichnung auf anderen Werkarten

Wird auf einer anderen Werkart als einer solchen der bildenden Künste (etwa auf einem urheberrechtlich geschützten Gedichtwerk, § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) die tatsächlich zutreffende Urheberbezeichnung ohne Willen des Ur­ 219  Bei der Bestimmung, ob der Anschein eines Originals erweckt wird, ist eine objektive Betrachtung vorzunehmen; vgl. MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 16. 220  Das Recht aus § 13 S. 2 UrhG ist nicht auf Originalwerke beschränkt, sondern bezieht sich auch auf Vervielfältigungsstücke; vgl. Dreier/Schulze-Dreier, § 13 Rn. 3; Wandtke/Bullinger-Bullinger, § 13 Rn. 7. 221  Sofern das Vervielfältigungsstück im Eigentum desjenigen steht, der die Urhe­ berbezeichnung anbringt. 222  Sofern zuvor keine andere Urheberbezeichnung auf dem Vervielfältigungs­ stück angebracht war.



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG269

hebers angebracht, stellt dies ebenfalls eine Verletzung seines Rechts aus § 13 S. 2 UrhG dar. Gleichzeitig wird dieser Fall nicht von § 107 Abs. 1 UrhG erfasst. Je nach Ausgestaltung des Falles kommen in engen Grenzen aber wiederum andere Straftatbestände in Betracht, insbesondere eine Straf­ barkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB)223, Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB)224 oder Betrugs (§ 263 StGB)225. Das Urheberstrafrecht selbst sieht hierfür jedoch keinen Straftatbestand vor. Dem könnte die Erwägung des Gesetzgebers zugrunde liegen, dass zwi­ schen Werken der bildenden Künste und sonstigen Werkarten i. S. d. § 2 UrhG ein wesentlicher Unterschied in der Schutzbedürftigkeit besteht, der eine Ungleichbehandlung der strafrechtlichen Beurteilung rechtfertigt. Jeden­ falls wird deshalb die Vorschrift wegen Verstoßes gegen den Gleichbehand­ lungsgrundsatz teilweise für verfassungswidrig gehalten.226 Es leuchtet zu­ mindest schwer ein, warum strafrechtlicher Schutz ausgerechnet bei Werken der bildenden Künste gewährt wird. 4. Leugnung der Urheberschaft

Der Urheber kann gem. § 13 UrhG sowohl gegen denjenigen vorgehen, der das Werk durch Anbringen der tatsächlichen Urheberbezeichnung mit ihm in Verbindung bringt, als auch gegen denjenigen, der seine Urheber­ schaft leugnet, weil er sie etwa bestreitet. § 13 UrhG erfasst also sowohl den Fall, dass das Anbringen der Urheberbezeichnung dem Willen des Urhebers widerspricht, als auch den Fall, dass das Anbringen seinem Willen entspricht.227 Die Reichweite des § 13 UrhG ist im Einzelnen sehr umstritten. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob § 13 UrhG dem Urheber ein generelles Recht auf Urhebernennung bei jeder Werknutzung gewährt.228 223  Sofern

der Täter das Werk mit einer falschen Urheberbezeichnung versieht. der Täter eine bereits vorhandene Urheberbezeichnung durch das An­ bringen einer falschen Urheberbezeichnung entfernt. 225  Sofern die Handlung einen tauglichen Bezugspunkt darstellt. 226  Vgl. hierzu sogleich Kapitel 4, § 2, D., II. 227  Dreier/Schulze-Schulze, § 13 Rn. 1; Fromm/Nordemann-Dustmann, § 13 Rn. 1. 228  Dies bejahend Dreier/Schulze-Schulze, § 13 Rn. 3; Waiblinger, S.  103 f.; Wandtke/Bullinger-Bullinger, § 13 Rn. 7; in diese Richtung gehend wohl auch BGHZ 126, 245 (247) = BGH GRUR 1995, 671 (672) = BGH NJW 1994, 2621 – Namens­ nennungsrecht des Architekten, wonach das Recht des Urhebers auf Anbringung der Urheberbezeichnung „uneingeschränkt“ gelte; a.  A. v. Ungern-Sternberg, GRUR 2017, 760 (761); ansonsten wird diese Frage häufig bewusst offengelassen und auch von der Rechtsprechung auf Einzelfallentscheidungen abgestellt, so etwa in der Ent­ scheidung BGH GRUR 2007, 691 (693) = BGH ZUM 2007, 644 (646) – Staatsge­ schenk. 224  Sofern

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Ein Recht auf Urhebernennung bei jeder Werknutzung wird teilweise übergeordnet aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht herzuleiten ver­ sucht,229 teilweise aber auch aus einer Parallele zu § 10 UrhG. Dies wird damit begründet, dass auch die rechtliche Vermutung der Urheberschaft gem. § 10 UrhG an die Urheberbezeichnung bei jeder Werknutzung an­ knüpfe und den Urheber somit auch die Rechtsfolgen bei jeder Werknutzung träfen.230 Ob dem Urheber ein solches allgemeines Nennungsrecht zusteht, kann richtigerweise nur von Fall zu Fall beantwortet werden. Dabei ist ein solches Recht grundsätzlich nur dann anzuerkennen, wenn bei der konkreten Werknutzung üblicherweise mit der Nennung des Urhebers zu rechnen ist.231 Nur dann besteht ein schutzbedürftiges Interesse des Urhebers. Einigkeit dürfte somit darüber bestehen, dass jedenfalls der Fall des Entfernens einer bereits auf dem Werk angebrachten Urheberbezeichnung eine Leugnung der Urheberschaft und somit eine zivilrechtliche Verletzung des § 13 UrhG dar­ stellt.232 Während § 13 UrhG dem Urheber in einem solchen Fall also zivilrecht­ lichen Schutz gewährt, liegt jedoch erneut keine Strafbarkeit gem. § 107 Abs. 1 UrhG vor. Der Straftatbestand erfasst nur das Anbringen gegen den Willen des Urhebers, nicht auch die Fälle der Leugnung der Urheberschaft. Insoweit könnte man davon sprechen, § 107 Abs. 1 UrhG gewähre lediglich strafrechtlichen Schutz bei Verletzung des Urhebernennungsverbots, nicht hingegen bei Verletzung des Urhebernennungsgebots. Strafrechtliche Relevanz können diese Fälle jedoch im Rahmen der Sach­ beschädigung (§ 303 StGB) erlangen.233 Je nach Ausgestaltung des Falles können damit auch eine Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und Urkundenunterdrückung (§ 274 StGB) ebenso einhergehen wie eine Be­ 229  So

etwa BGH GRUR 1963, 40 (43) – Straßen – gestern und morgen. § 107 Rn. 5. 231  So auch BGH GRUR 2007, 691 (693) = BGH ZUM 2007, 644 (646) – Staats­ geschenk; vgl. ferner v. Ungern-Sternberg, GRUR 2017, 760 (761), der das plastische Beispiel nennt, wonach bei einem Umzug mit einer Musikkapelle nicht davon ausge­ gangen werden kann, dass die Urheber der Musikwerke genannt werden. 232  Die Rechtsprechung dürfte selbst in dem Fall, in dem die Urheberbezeichnung zwar noch nicht auf dem Werk angebracht wurde, dies dem Urheber jedoch entgegen seines ausdrücklich erklärten Willens verwehrt wird, eine Verletzung des Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft annehmen; so etwa BGHZ 151, 15 (20) = BGH GRUR 2002, 799 (800) = BGH NJW 2002, 3246 (3247) – Stadtbahnfahrzeug, wobei dort jedoch auf § 13 S. 1 UrhG und nicht auf S. 2 abgestellt wird. 233  Dies betrifft jedoch lediglich die Konstellation, in der der Täter eine bereits angebrachte Urheberbezeichnung wieder entfernt, nicht jedoch auch den Fall, indem er dem Urheber das Anbringen der Urheberbezeichnung verwehrt und das Werk ohne Urheberbezeichnung nutzt. 230  Dreier/Schulze-Dreier,



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG271

trugsstrafbarkeit (§ 263 StGB).234 Ansonsten wird dem Urheber jedoch kein urheberstrafrechtsspezifischer Schutz gewährt. Auch hier liegt die Wertung nahe, dass der Gesetzgeber den strafrechtlichen Schutz aus dem Kernstraf­ recht für ausreichend hielt. 5. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät

Nach alledem bleibt § 107 UrhG weit hinter dem zivilrechtlich gewährten Schutz zurück. Entscheidend ist dabei die Einordnung, was dies für das Prin­ zip der Zivilrechtsakzessorietät bedeutet. Dabei ist zu differenzieren: Bei Anbringen einer falschen Urheberbezeichnung und bei Leugnung der Urheberschaft fehlt es lediglich an einem spezifisch urheberstrafrechtlichen Schutz, der Betroffene kann sich jedoch trotzdem strafbar machen. In diese Kategorie fällt grundsätzlich auch das Anbringen der Urheberbezeichnung auf anderen Werke als solchen der bildenden Künste. Anders ist dies hinge­ gen in den Fällen des Anbringens der Urheberbezeichnung ohne Erwecken des Anscheins eines Originals, da hier gar kein strafrechtlicher Schutz be­ steht. Insoweit fallen Straf- und Zivilrecht innerhalb derselben Konstellation durchaus auseinander (Merkmal 1) und auch die strafrechtliche Bewertung der Schutzbedürftigkeit weicht in Bezug auf das Rechtsgut des Urheberpersönlichkeitsrechts von der zivilrechtlichen ab (Merkmal 3). Letzteres betrifft grundsätzlich selbst die Fälle, in denen sich eine Strafbarkeit aus dem Kern­ strafrecht begründen lässt, denn dies resultiert schließlich nicht aus der Aner­ kennung einer besonderen Schutzbedürftigkeit des Urheberpersönlichkeits­ rechts, sondern der Anerkennung einer Schutzbedürftigkeit anderer Rechts­ güter.235 Die Zivilrechtsakzessorietät setzt jedoch nicht voraus, dass jede zivilrecht­ liche Rechtsverletzung auch strafrechtlich sanktioniert wird. Dies ergibt sich bereits aus dem ultima-ratio-Grundsatz und dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts.236 Eine strafrechtliche Erfassung jeder Verletzung des Urhe­ bernennungsrechts wäre hier auch aufgrund des umfangreichen zivilrechtli­ chen Schutzes problematisch. Insoweit könnte man darüber nachdenken, ob es nicht der zivilrechtliche Schutz ist, der an dieser Stelle zu weit geht. Vor allem sind die zivilrechtlichen Vorschriften teilweise generalklauselartig ge­ 234  Wobei sodann auch die Konstellation strafrechtlich abgedeckt ist, in der der Täter lediglich die Urheberbezeichnung verweigert, ansonsten aber keine Verände­ rung an dem Werk vornimmt. 235  Etwa das Rechtsgut des Vermögens bei § 263 StGB oder das Rechtsgut des Eigentums bei § 303 StGB. 236  Vgl. hierzu Kapitel 2, § 4, C.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

fasst, was sich etwa am allgemeinen Recht auf Anerkennung der Urheber­ schaft (§ 13 S. 1 UrhG) zeigt. Da aber kein Straftatbestand etwa in der Form formuliert werden kann: „Wer das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft verletzt, wird […] bestraft“, wäre eine strafrechtliche Erfassung nur über eine detaillierte Auflistung aller Verletzungshandlungen möglich, um den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes zu entsprechen. Dies aber stünde wiederum im Konflikt mit dem ultima-ratio-Grundsatz und dem frag­ mentarischen Charakter des Strafrechts. Dies war auch dem Gesetzgeber bewusst, der davon ausging, dass ein strafrechtlicher Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts grundsätzlich ent­ behrlich wäre.237 Ansonsten schien er sich aber auch über die tatbestandliche Weite der zivilrechtlichen Vorschriften bewusst gewesen zu sein. Insoweit hielt er lediglich die von § 107 UrhG geregelten zwei Fälle für strafrechtlich erfassbar.238 Darüber hinaus liegt die Wertung nahe, dass er die übrigen Fälle der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts als hinreichend vom Kernstrafrecht erfasst ansah. Zwar leuchten die Wertungen des Gesetzgebers in diesem Zusammenhang nicht unbedingt ein, vor allem im Hinblick darauf, dass ausschließlich das Anbringen der zutreffenden Urheberbezeichnung spezifisch urheberstraf­ rechtlich erfasst ist und dies auch nur bei Werken der bildenden Künste. Der Gesetzgeber genießt hier jedoch eine gewisse Einschätzungsprärogative. Selbst wenn die Wertungen nicht nachvollziehbar sein mögen, stellt dies kein Problem der Zivilrechtsakzessorietät dar. § 107 Abs. 1 UrhG nennt explizit die strafrechtlich relevanten Fälle, wobei sich Ausmaß und Inhalt der Anleh­ nung an §§ 10 und 13 UrhG über die Begriffsidentität zum Urheberzivilrecht und über eine urheberzivilrechtsakzessorische Auslegung hinreichend ermit­ teln lassen. II. Veröffentlichungsrecht Dass der strafrechtliche Schutz hinter dem zivilrechtlichen zurückbleibt, zeigt sich auch im Zusammenhang mit dem Veröffentlichungsrecht des Urhebers. Nach § 12 Abs. 1 UrhG kann der Urheber darüber entscheiden, ob und wie sein Werk veröffentlicht werden soll. § 12 Abs. 2 UrhG ergänzt diesen Schutz dahingehend, dass es ihm vorbehalten ist, auch den Inhalt seines Wer­ 237  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 107, wonach „für das Urheberpersönlichkeitsrecht im allgemeinen […] ein strafrechtlicher Schutz entbehrlich [erscheint]“. 238  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 107, wo zum damaligen § 117 UrhG (der dem heuti­ gen § 107 UrhG entspricht) festgestellt wurde, dass „nur die in § 117 geregelten zwei Tatbestände […] scharf genug umrissen [sind], um den Gegenstand besonderer Straf­ vorschriften zu bilden“.



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG273

kes öffentlich mitzuteilen und zu beschreiben, wenn dieses noch nicht veröf­ fentlicht ist. Geschützt wird damit das Interesse, das Werk vor der Öffent­ lichkeit geheim zu halten und den Zeitpunkt der Veröffentlichung selbst zu bestimmen.239 Wird dieses Recht verletzt, steht dem Urheber das zivilrechtliche Rechts­ folgenregime zur Seite. Eine spezifisch urheberrechtliche Strafbarkeit exis­ tiert insoweit jedoch nicht. Zwar wird mit Verletzung des Veröffentlichungs­ rechts typischerweise auch eine unerlaubte Verwertung und somit eine Strafbarkeit aus § 106 Abs. 1 UrhG einhergehen, da die Veröffentlichung meist auch jedenfalls eine öffentliche Wiedergabe darstellt. Ebenso könnten häufig die typischen Begleittaten wie eine Diebstahlsstrafbarkeit (§ 242 StGB) oder eine Betrugsstrafbarkeit (§ 263 StGB) vorliegen. Dies ändert je­ doch nichts daran, dass das über § 12 UrhG zivilrechtlich geschützte Ver­ öffentlichungsrecht kein spezielles urheberstrafrechtliches Pendant findet. Auch dies steht in einem Spannungsfeld zwischen der Zivilrechtsakzesso­ rietät und dem ultima-ratio-Grundsatz. Der Gesetzgeber hatte sich bewusst gegen die Übernahme von § 39 LUG ins Urheberrechtsgesetz entschieden, der eine Strafbarkeit bei öffentlicher Mitteilung des wesentlichen Inhalts des Werkes normierte.240 Der Gesetzgeber sah diese Fälle ausreichend vom Ur­ heberzivilrecht abgedeckt.241 Ein Rückgriff auf § 106 UrhG vermag diese Lücke nur bedingt zu schließen, da § 106 UrhG mit dem Schutz der Verwer­ tungsrechte einen anderen Zweck verfolgt als der frühere § 39 LUG und so­ mit nicht das spezifisch mit der Verletzung des Veröffentlichungsrechts ein­ hergehende Unrecht sanktioniert. Im Rahmen der Strafzumessung bleibt es aber unbenommen, das über die Verletzung der Verwertungsrechte hinaus verwirklichte Unrecht besonders zu berücksichtigen, sofern eine Strafbarkeit nach § 106 UrhG letztlich angenommen wird. III. Schutz vor Entstellung des Werkes Ähnlich verhält es sich auch bei einer Entstellung des Werkes. § 14 UrhG gewährt dem Urheber Schutz bei Entstellung oder anderer Beeinträchtigung seines Werkes. Damit sollen die geistigen-persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk geschützt werden.242

239  Rehbinder/Peukert,

§ 21 Rn. 443. IV/270, S. 107. 241  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 107, wonach eine strafrechtliche Sanktionierung hier „entbehrlich erscheint, weil der bürgerlich-rechtliche Schutz ausreicht“. 242  Dreier/Schulze-Schulze, § 14 Rn. 3, spricht vom „Schutz des geistigen und persönlichen Bandes, welches zwischen Urheber und seinem Werk besteht“. 240  BT-Drs.

274

Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Auch diesbezüglich fehlt es aber an einer urheberstrafrechtsspezifischen Entsprechung. In den typischen Fällen der Entstellung oder sonstigen (kör­ perlichen) Beeinträchtigung wäre lediglich der Straftatbestand der Sachbe­ schädigung (§ 303 StGB) denkbar, sofern nicht der Täter zuvor Eigentum an dem Werkstück erworben hat. Denkbar wäre je nach Art der Entstellung auch der Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB). Dabei erfasst § 303 Abs. 2 StGB explizit die unbefugte Veränderung des Erscheinungsbildes. Darüber hinaus fehlt es jedoch an einem spezifisch urheberstrafrechtlichen Schutz. Insbesondere in den Fällen, in denen bloß eine Veränderung des Werkes vor­ liegt, welche die Schwelle des § 303 Abs. 2 StGB243 nicht überschreitet, fehlt es sogar gänzlich an einer Strafbarkeit.244 Gleichzeitig stellt aber auch die bloße Veränderung eine „andere Beeinträchtigung“ i. S. d. § 14 Alt. 2 UrhG dar. Zu denken ist etwa an den Fall, dass das Werk lediglich in einen anderen sachlichen Zusammenhang gestellt wird,245 etwa wenn dem Bilder­ rahmen, in dem ein Bildwerk eingebettet ist, eine Aussagekraft zukommen sollte und das Bild aus diesem Bilderrahmen entfernt wird. Auch durch eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung des Wer­ kes kann das Urheberpersönlichkeitsrecht deutlich schwerwiegender verletzt sein als in den von § 107 UrhG erfassten Fällen. Auch hier hat sich der Ge­ setzgeber aber bewusst gegen die Übernahme der vormals in § 38 Abs. 2 LUG und § 32 Abs. 2 KUG geregelten Straftatbestände entschieden, wonach bestraft wurde, wer an dem Werk unerlaubte Änderungen vornahm.246 Er­ neut scheinen Zweifel an der Abwägung des Gesetzgebers berechtigt, jedoch gilt auch hier, dass sich diese Wertung im Rahmen seiner Einschätzungsprä­ rogative bewegt und das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät als solches nicht in Frage stellt. IV. Weitere Fälle Darüber hinaus lassen sich weitere Konstellationen ausmachen, in denen zivilrechtliche Vorschriften das Urheberpersönlichkeitsrecht in verschiedenen Ausprägungen schützen, der strafrechtliche Schutz aber dahinter zurück­ bleibt.

243  Vgl.

§ 303 Abs. 2 StGB: „nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend“. im Zusammenhang mit § 303 Abs. 2 StGB zu beachten ist, dass der Tatbestand selbst dann erfüllt ist, wenn Dritte die Veränderung des Erscheinungsbil­ des als gegenüber dem vorherigen Zustand gelungener und ästhetischer ansehen; vgl. MüKo-StGB-Wieck/Noodt, 3. Aufl., § 303 Rn. 55. 245  Dreier/Schulze-Schulze, § 14 Rn. 6. 246  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 107. 244  Wobei



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG275

Zu nennen ist in diesem Zusammenhang etwa § 11 S. 1 UrhG, wonach der Urheber umfassenden Schutz in Bezug auf seine „geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk und in der Nutzung des Werkes“ erfährt. In Form eines Auffangtatbestandes lassen sich darunter weitere, gesetzlich nicht gere­ gelte Beeinträchtigungen des Urheberpersönlichkeitsrechts fassen. Diese fin­ den jedoch keine urheberstrafrechtliche Entsprechung. Auch dies erklärt sich daraus, dass, wie bei § 13 S. 1 UrhG, die strafrechtliche Absicherung einer Generalklausel zu weit ginge. Ansonsten existieren über das Urheberrechtsgesetz verteilt Vorschriften, die zumindest auch darauf abzielen, das Urheberpersönlichkeitsrecht zivil­ rechtlich zu schützen. Zu nennen sind etwa § 25 UrhG (Sicherung des Zu­ gangs des Urhebers zu seinem Werk), in Ergänzung zu § 14 UrhG auch die §§ 39 und 62 UrhG (Schutz vor Änderungen an dem Werk) und § 63 UrhG (Sicherung der Quellenangabe). Hierauf soll aber nicht weiter eingegangen werden. Entscheidend ist lediglich, dass sich eine Strafbarkeit hier aus­ schließlich über eine mit der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts einhergehende unerlaubte Verwertung des Werkes (§ 106 UrhG) oder über einen anderen Straftatbestand des Kernstrafrechts ergeben kann.

D. Zusammenfassung und perspektivische Überlegungen Es hat sich gezeigt, dass das Urheberstrafrecht nur einen sehr rudimentä­ ren Schutz in Bezug auf das Urheberpersönlichkeitsrecht gewährt. Gleichzei­ tig kann der Urheber diesbezüglich auf weitreichende zivilrechtliche Vor­ gaben und Rechtezuschreibungen zurückgreifen. Im hiesigen Zusammenhang ist jedoch relevant, dass damit kein Verstoß gegen die Zivilrechtsakzessorietät einhergeht. Dass nicht jeder zivilrechtlich gewährte Schutz des Urheberper­ sönlichkeitsrechts auch strafrechtlich abgesichert ist, lässt sich jeweils auf übergeordnete Erwägungen stützen. Dies steht auch im Einklang mit der Funktion der Zivilrechtsakzessorietät, denn eine Erkennbarkeit des straftatbe­ standlichen Inhalts bleibt dennoch gewahrt. Abschließend sollen kurz zwei perspektivische Überlegungen im Zusam­ menhang mit § 107 UrhG und dem Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts angestellt werden, nämlich die Frage nach einer Streichung der Vorschrift (I.) und ihrer Vereinbarkeit mit Art. 3 GG (II.).

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

I. Streichung der Vorschrift Vor dem Hintergrund der bereits angedeuteten Bedeutungslosigkeit,247 wird zu Recht teilweise eine Streichung von § 107 UrhG gefordert.248 Dies ist jedoch weniger mit dem fragmentarischen Charakter des Strafrechts zu begründen, als vielmehr damit, dass die von § 107 UrhG erfassten Fälle nicht die gravierendsten im Zusammenhang mit der Verletzung des Urheberper­ sönlichkeitsrechts darstellen. So vermögen es etwa eine Entstellung des Werkes oder das Anbringen einer falschen Urheberbezeichnung die persön­ lich-geistigen Beziehungen des Urhebers zu dem Werk in weitaus höherem Maße zu verletzen. Der von § 107 UrhG erfasste Fall des Anbringens der zutreffenden Urheberbezeichnung steht in seinem Unrechtsgehalt dahinter weit zurück. Wenn sich der Gesetzgeber jedoch nicht zu einer Streichung der Vorschrift entschließen kann, dann sollte die Strafvorschrift zumindest nur die schwerwiegendsten Fälle erfassen. Auffallend ist jedoch eine umgekehrte Tendenz, da der Gesetzgeber im Wege der Reform von 1990 zu den von § 107 Abs. 1 UrhG erfassten Fällen eine Versuchsstrafbarkeit eingeführt hat (§ 107 Abs. 2 UrhG).249 Damit ging jedoch zumindest keine inhaltliche Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes einher. Dies verwundert aber trotzdem, da bereits der historische Gesetzgeber die Entbehrlichkeit des strafrechtlichen Schutzes des Urheberpersönlichkeitsrechts anerkannte.250 Perspektivisch könnte man auch darüber nachdenken, ob es wirklich eines derart weitreichenden zivilrechtlichen Schutzes des Urheberpersönlichkeits­ 247  Vgl.

Kapitel 4, § 2, A., I. etwa von Flechsig, GRUR 1978, 287 (289); Heinrich, UFITA 2002/III, S. 895; Hildebrandt, S. 527; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 1; MüKoStGB-Heinrich, 3. Aufl., § 107 UrhG Rn. 1; Rochlitz, S. 259; Sieg, S. 176, 192 f.; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 107 Rn. 1; in eine ähnliche Richtung gehend Weber, S. 393; die irrtümlicherweise häufig als a. A. gekennzeichnete Position bei Loe­ wenheim-Flechsig, § 90 Rn. 75 stellt hingegen lediglich darauf ab, dass in den hier denkbaren Fällen für § 107 UrhG ein eigenständiger Anwendungsbereich neben den Strafvorschriften des StGB verbleibt und diese Vorschrift somit „nicht entbehrlich“ sei, an späterer Stelle wird dagegen für die grundsätzliche Streichung der Vorschrift plädiert; vgl. Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 91; i. E. für eine Streichung jedoch bei gleichzeitiger Einführung eines Straftatbestandes zur Kunstfälschung plädierend Löffler, NJW 1993, 1421 (1427). 249  Vgl. hierzu bereits Kapitel 1, § 1, C., III. 250  Vgl. BT-Drs. IV/270, S. 107, wonach „für das Urheberpersönlichkeitsrecht im allgemeinen […] ein strafrechtlicher Schutz entbehrlich [erscheint]“ und über die von § 107 UrhG hinaus denkbaren Fälle der Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts „die dem Urheber gewährten bürgerlich-rechtlichen Ansprüche, die seine ideellen Interessen mitberücksichtigen, zur Wahrung seiner persönlichen Interessen am Werk ausreichend [erscheinen]“. 248  So



§ 2 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 107 UrhG277

rechts bedarf.251 Dies gilt insbesondere in Bezug auf § 13 UrhG und die generalklauselartige Rechtezuschreibung bei jeder Verletzung der persönlichgeistigen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk. II. Verstoß gegen Art. 3 GG Unabhängig von der Bedeutungslosigkeit des § 107 UrhG wird teilweise eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift wegen Verstoßes gegen den allge­ meinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG diskutiert.252 Anlass dazu gibt die Be­ grenzung der Vorschrift auf Werke der bildenden Künste. Dabei wird angeführt, dies stelle eine Ungleichbehandlung der übrigen Werkarten des § 2 Abs. 1 UrhG dar, obwohl zwischen Werken der bildenden Künste und den übrigen Werkarten kein wesentlicher Unterschied bestehe.253 Die Andersbehandlung von Werken der bildenden Künste beruhe hier ledig­ lich auf „historischen Zufälligkeiten“.254 Dieser Argumentation könnte man zunächst den fragmentarischen Charak­ ter des Strafrechts entgegenhalten.255 Darüber hinaus wird die Diskussion jedoch überschätzt. Auch hier gilt der Grundsatz, dass dem Gesetzgeber eine Einschätzungsprärogative zusteht. Die Einschätzung des Gesetzgebers kann man freilich sachlich für verfehlt halten, doch löst dies noch kein verfassungsrechtliches Problem aus.256 Selbst wenn sich die Ungleichbehandlung lediglich historisch begründen lässt, entscheidet sich der Gesetzgeber da­ durch, dass er die Vorschrift nicht streicht oder verändert, stets für ihre in­ haltliche Beibehaltung. Darüber hinaus ist daran zu erinnern, dass der ur­ sprüngliche Gesetzgeber selbst von dem Grundsatz geleitet war, dass es an sich keines strafrechtlichen Schutzes des Urheberpersönlichkeitsrechts be­ darf. Wenn er dennoch einzelne Konstellationen strafrechtlich erfasst, ist er dazu berechtigt, aber keineswegs verpflichtet, dies auch auf andere Werke auszuweiten.257 Jedenfalls insoweit besteht zumindest keine verfassungs­ rechtliche Pflicht zur Streichung der Vorschrift. 251  v.

Ungern-Sternberg, GRUR 2017, 260 (262). Bedenken äußernd Hildebrandt, S. 202, 527; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 107 Rn. 1; mit etwas anderer Begründung die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift anzweifelnd Sieg, S. 93. 253  Hildebrandt, S. 202; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 107 Rn. 1. 254  So Hildebrandt, S. 202. 255  Heinrich, UFITA 2002/III, S. 892; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 1. 256  Dies rechtfertigt Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 107 Rn. 1, damit, dass zumindest § 107 Abs. 1 Nr. 2 UrhG auch den Schutz der Allgemeinheit bezwecke und die Einschätzungsprärogative insoweit weiter sei. 257  Heinrich, UFITA 2002/III, S. 892. 252  Diese

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

§ 3 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108 UrhG § 108 UrhG hat den strafrechtlichen Schutz vor unerlaubten Eingriffen in verwandte Schutzrechte zum Gegenstand. Dabei zeigt sich die Vorschrift strukturell verwandt mit der Vorschrift des § 106 UrhG, sie unterscheidet sich jedoch vor allem in Bezug auf die Tatobjekte von § 106 UrhG, da § 108 UrhG den Schutz verschiedener Leistungsschutzrechte normiert. Im hiesigen Zusammenhang ist relevant, dass auch § 108 UrhG umfassend zivilrechts­ akzessorisch ausgestaltet ist.258 Insoweit werden die folgenden Ausführungen zur Vermeidung von Wiederholungen kurz gehalten und lediglich der Voll­ ständigkeit halber vorgenommen. Eine Besonderheit ergibt sich bei § 108 UrhG jedoch daraus, dass die An­ knüpfung an die einzelnen zivilrechtlichen Leistungsschutzrechte durch ­direkte Gesetzesverweise erfolgt.259 Dies ist jedoch in erster Linie damit zu begründen, dass § 108 UrhG sehr unterschiedliche und vor allem mehr Tat­ objekte auflistet als § 106 UrhG.260 Die ausdrücklichen Gesetzesverweise können insoweit als Reaktion des Gesetzgebers auf die komplexe tatbestand­ liche Struktur der Vorschrift verstanden werden. Im Übrigen kommt den ausdrücklichen Gesetzesverweisen jedoch ledig­ lich deklaratorische Wirkung zu. Durch die Verweise wird die zivilrechtsak­ zessorische Ausgestaltung des Straftatbestandes lediglich auf andere Weise erkennbar gemacht.261 Bezüglich der übrigen Tatbestandsmerkmale zeigt sich die Zivilrechtsakzessorietät wie gewohnt durch die Verwendung dersel­ ben Begriffe wie die urheberzivilrechtlichen Ausgangsvorschriften. Der In­ halt der einzelnen Tathandlungen262 und Tatobjekte263 ergibt sich ebenso aus den zivilrechtlichen Vorgaben wie der Inhalt der aufgelisteten verwandten Schutzrechte264.

258  Vgl. BGHSt 49, 93 (97) = BGH GRUR 2004, 421 (422) = BGH NJW 2004, 1674 – Tonträgerpiraterie durch CD-Export; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108 Rn. 2; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108 UrhG Rn. 1. 259  So etwa der ausdrückliche Verweis bzgl. der wissenschaftlichen Ausgabe (§ 108 Abs. 1 Nr. 1 UrhG) auf § 70 UrhG, des nachgelassenen Werkes (§ 108 Abs. 1 Nr. 2 UrhG) auf § 71 UrhG oder des Lichtbildes (§ 108 Abs. 1 Nr. 3 UrhG) auf § 72 UrhG. 260  Zu diesem Vergleich Zabel-Wasmuth, S.  31 ff. 261  Vgl. zu dieser Art der Kenntlichmachung der Akzessorietät sogleich Kapitel 4, § 5, A. 262  Dreier/Schulze-Dreier, § 108 Rn. 3; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108 Rn. 4. 263  Hildebrandt, S. 205; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108 UrhG Rn. 3.



§ 4 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108a UrhG279

Eine Besonderheit resultiert im Zusammenhang mit der Zivilrechtsakzes­ sorietät ferner daraus, dass nicht alle Leistungsschutzrechte strafrechtlich er­ fasst sind, das Leistungsschutzrecht des Veranstalters (§ 81 UrhG) findet sich gerade nicht in § 108 Abs. 1 UrhG wider. Dies wird damit begründet, dass der Schutz gewerblicher organisatorischer Leistungen eines Veranstalters ei­ nen „Fremdkörper“ im System der Leistungsschutzrechte darstelle.265 Entscheidend ist jedoch, was der fehlende strafrechtliche Schutz des Ver­ anstalters für das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät bedeutet. Entsprechend der hier angewandten Systematisierung wäre die Zivilrechtsakzessorietät da­ mit jedenfalls gelockert, da kein inhaltlicher Gleichlauf zum Zivilrecht gege­ ben ist (Merkmal 1)266 und das Strafrecht die Schutzbedürftigkeit dieses Rechtsguts anders beurteilt als das Zivilrecht (Merkmal 3)267. Misst man dies an der Funktion der Zivilrechtsakzessorietät, bedeutet dies jedoch grundsätzlich keinen Widerspruch zur ansonsten strengen Anlehnung des Urheberstrafrechts an das Urheberzivilrecht. Eine Erkennbarkeit des straftatbestandlichen Inhalts ist hinreichend gewahrt, da § 81 UrhG gerade nicht in § 108 Abs. 1 UrhG genannt ist. Richtigerweise wird aber auch dies auf den fragmentarischen Charakter des Strafrechts und den ultima-ratioGrundsatz zurückzuführen sein. Vor allem erachtete der Gesetzgeber es wohl als ausreichend, den Veranstalter auf den strafrechtlichen Schutz des § 108 Abs. 1 Nr. 4 UrhG zu verweisen.268

§ 4 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108a UrhG § 108a UrhG fällt hier insoweit etwas aus der Reihe, als es sich um keinen Zentraltatbestand des Urheberstrafrechts handelt.269 Die Vorschrift qualifiziert die Strafbarkeit des Täters in den Fällen der §§ 106, 107 und 108 UrhG bei gewerbsmäßiger Begehung. Relevanz erfuhr diese Vorschrift im bislang Dargestellten dadurch, dass § 108a UrhG ein Offizialdelikt darstellt270 und die strafrechtliche Verfolgung des Täters somit insbesondere nicht von der Stellung eines Strafantrags durch den Urheber abhängt (§ 109 UrhG). 264  Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 108 Rn. 8 ff.; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108 Rn. 4. 265  So Möhring/Nicolini-Spautz, § 108 Rn. 1. 266  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., I. 267  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., III. 268  So Dreier/Schulze-Dreier, § 108 Rn. 1; Möhring/Nicolini-Spautz, § 108 Rn. 1; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108 Rn. 1. 269  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 1, E. 270  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108a UrhG Rn. 7.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Entscheidend ist, dass § 108a UrhG jedenfalls nicht unmittelbar zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ist. Gewissermaßen mittelbar liegt der Vor­ schrift das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät zwar durchaus zugrunde, da für eine Strafbarkeit nach § 108a UrhG einer der Grundtatbestände der §§ 106–108 UrhG vorliegen muss und diese wiederum, wie gesehen,271 zi­ vilrechtsakzessorisch ausgestaltet sind. Der von § 108a UrhG originär nor­ mierte strafrechtliche Unrechtsgehalt der Gewerbsmäßigkeit findet jedoch keine urheberzivilrechtliche Entsprechung, insbesondere besteht bei gewerbs­ mäßiger Begehung im Grundsatz kein erhöhter Schadensersatzanspruch. Misst man auch dies an den Merkmalen der Urheberzivilrechtsakzessorie­ tät, wäre insbesondere auf das Merkmal der Strafrechtsbegrenzung (Merkmal 4) abzustellen, da das Strafrecht hier im Falle gewerbsmäßiger Begehung über das Zivilrecht hinauszugehen scheint.272 Dies betrifft jedoch lediglich die Sanktionsbedürftigkeit, materiell-rechtlich liegt keine Abweichung vom Zivilrecht vor. Dies stellt vor allem keinen Wiederspruch zum Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät dar, insbesondere ist nicht an einer hinreichenden Erkennbarkeit zu zweifeln. Das Urheberzivilrecht erfasst die Rechtsverlet­ zung in den Fällen des § 108a UrhG genauso wie das Strafrecht, das Straf­ recht bewertet diese Rechtsverletzung aufgrund der Gewerbsmäßigkeit nur als noch sanktionsbedürftiger. Damit erfüllt das Urheberstrafrecht seine Ordnungsfunktion, da durch die gewerbsmäßige Begehung ein erhöhtes Un­ recht eingetreten ist, dass es zu sanktionieren gilt.273 Das Zivilrecht ist dies­ bezüglich auf Interessensausgleich ausgerichtet.274 Auf Seiten des verletzten Urhebers ist durch die Gewerbsmäßigkeit jedoch kein besonderes Interesse an einer erhöhten Kompensation eingetreten.

§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG § 108b UrhG normiert die Strafbarkeit bei unerlaubten Eingriffen in technische Schutzmaßnahmen und in zur Rechtewahrnehmung erforderliche ­Informationen.275 Dabei nimmt die Vorschrift eine ambivalente Rolle ein. Einerseits ist ihre praktische Bedeutung eher gering,276 andererseits ergeben 271  Vgl.

Kapitel 4, § 1 bis § 3. hierzu Kapitel 3, § 1, A., IV. 273  Vgl. Kapitel 1, § 2, B., II. 274  Vgl. Kapitel 1, § 2, B., I. 275  Vgl. hierzu bereits Kapitel 1, § 1, E., III. 276  In diese Richtung gehend Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 108b Rn. 1; vgl. ferner Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 5a, die darauf abstellen, dass die Bedeutung der Vorschrift „zukünftig zunehmen“ werde. 272  Siehe



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG281

sich einige meist eher theoretische Aspekte, die es im Zusammenhang mit der Reichweite und den Grenzen der Urheberzivilrechtsakzessorietät hervor­ zuheben lohnt. Diese Aspekte resultieren auch daraus, dass die Ausgestaltung des § 108b UrhG in mehrfacher Hinsicht nicht durchweg geglückt ist. Vor diesem Hintergrund bietet sich eine vertiefte, aber punktuelle Beschäftigung mit dieser Vorschrift an. § 108b UrhG beruht auf unionsrechtlichen Vorgaben der Art. 6 und 7 RL 2001/29/EG.277 Der nationale Gesetzgeber war bei der Umsetzung nicht daran gebunden, technische Maßnahmen und zur Rechtewahrnehmung erfor­ derliche Informationen auch strafrechtlich zu schützen, ein ausschließlich zivilrechtlicher Schutz hätten den Anforderungen der Richtlinie durchaus entsprochen.278 Der deutsche Gesetzgeber entschied sich jedoch für einen kombinierten Schutz aus Zivil- und Strafrecht, wobei bezüglich § 108b Abs. 1 UrhG auf §§ 95a Abs. 1, 2 und 95c UrhG und bezüglich § 108b Abs. 2 UrhG auf § 95a Abs. 3 UrhG abzustellen ist. Im Folgenden wird auf die unterschiedliche Art der Verweisung (A.), die subjektiven Anforderungen in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG (B.), die strafrecht­ liche Privilegierung in § 108b Abs. 1 UrhG (C.) und den Begriff des Verbrei­ tens in § 108b Abs. 2 UrhG (D.) näher eingegangen.

A. Art der Verweisung in § 108b Abs. 1 und Abs. 2 UrhG Zunächst ist die auffällige Unterscheidung in Bezug auf die Art der Ver­ weisung innerhalb des § 108b UrhG zu thematisieren. Während § 108b Abs. 2 UrhG die Anknüpfung an § 95a Abs. 3 UrhG durch einen ausdrück­ lichen Gesetzesverweis vornimmt, fehlt es in § 108b Abs. 1 UrhG an einem solchen Verweis auf dessen zivilrechtliche Ausgangsvorschriften. Stattdessen werden in nahezu279 wortlautidentischer Formulierung dieselben Begriffe verwendet wie in den §§ 95a, 95c UrhG. Wie bereits dargelegt, werden diese beiden Verweisungstechniken entsprechend der Konzeption des Urheber­ rechtsgesetzes üblicherweise gebraucht, um die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung eines Urheberstraftatbestandes erkennbar zu machen.280 277  Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vom 22.05.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der ver­ wandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (auch Informationsrichtlinie genannt); umgesetzt durch das nationale Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 12.09.2003, BGBl. 2003 I, S. 1774 ff. 278  Vgl. Art. 8 Abs. 1 RL 2001/29/EG, wonach den Mitgliedstaaten lediglich auf­ erlegt ist, „angemessene Sanktionen und Rechtsbehelfe“ vorzusehen. 279  Siehe zu Abweichungen in den subjektiven Anforderungen sogleich, Kapi­ tel 4, § 5, B. 280  Vgl. Kapitel 2, § 1, B., II.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Im Zusammenhang mit § 108b UrhG ergeben sich jedoch deshalb Beson­ derheiten, weil beide Verweisungstechniken innerhalb desselben Straftatbe­ standes verwendet werden. Es stellt sich die Frage, ob dies Rückschlüsse in Bezug auf die Zivilrechtsakzessorietät ermöglicht. Ein wichtiges Indiz ist dabei die Intention des Gesetzgebers. Die Gesetzesmaterialien offenbaren jedoch, dass der Gesetzgeber davon ausging, beide Straftatbestände gleicher­ maßen zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet zu haben.281 Interessant ist dabei, dass die ursprüngliche Fassung des Regierungsentwurfs auch in § 108b Abs. 1 UrhG ausdrückliche Gesetzesverweise auf die zivilrechtlichen Aus­ gangsvorschriften vorsah.282 Anstelle der wiederholenden Formulierung nannte der Entwurf des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG ausdrücklich die Vorschrift des § 95a Abs. 1 UrhG283 und der Entwurf des § 108b Abs. 1 Nr. 2a, b die Vorschriften der §§ 95c Abs. 1, 95c Abs. 3 UrhG.284 Dass der Gesetzgeber davon letztlich Abstand nahm, kann nicht den Schluss zulassen, dass sich etwas an der grundsätzlich akzessorischen Ausge­ staltung des § 108b Abs. 1 UrhG ändern sollte. Hierfür sind zwei Anhalts­ punkte auszumachen. Einerseits steht zu vermuten, dass die Intention des Gesetzgebers zur Streichung der ausdrücklichen Verweise damit zusammen­ hängt, dass, wie sogleich noch gezeigt wird,285 die subjektiven Anforderun­ gen des § 108b Abs. 1 UrhG von denen des § 95a UrhG abweichen. Belegbar ist dies jedoch nicht. Andererseits steht fest, dass sich im Laufe des Gesetz­ gebungsverfahrens Bedenken im Hinblick auf die Verständlichkeit der Vor­ schrift mehrten, weswegen zunehmend für eine Streichung der Verweise plädiert wurde. Insbesondere wurde befürchtet, die Aufnahme ausdrücklicher Gesetzesverweise könne die Lesbarkeit der ohnehin schon komplex formu­ lierten Vorschrift des § 108b Abs. 1 UrhG erschweren und ein verkomplizier­ 281  Dies setzt der Gesetzgeber ohne weiteres voraus; vgl. BT-Drs. 15/38, S. 28 f.; BT-Drs. 15/837, S. 35; die grundsätzlich zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des § 108b Abs. 1 UrhG wird auch im Schrifttum erkennbar nicht bestritten; vgl. Dreier/ Schulze-Dreier, § 108b Rn. 2; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 2; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 4. 282  Vgl. BT-Drs. 15/38, S. 11. 283  Die Fassung des Entwurfs zu § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG lautete: „Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten den Zugang zu einem nach diesem Gesetz geschütz­ ten Werk oder einem anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen, entgegen § 95a Abs. 1 eine wirksame technische Maßnahme umgeht, […] wird […] bestraft.“ 284  Die Fassung des Entwurfs zu § 108b Abs. 1 Nr. 2a UrhG lautete: „Wer entge­ gen § 95c Abs. 1 eine Information für die Rechtewahrnehmung entfernt oder verän­ dert […] wird […] bestraft.“; die Fassung des Entwurfs zu § 108b Abs. 1 Nr. 2b UrhG lautete: „Wer entgegen § 95c Abs. 3 ein Werk oder einen Schutzgegenstand einführt, verwertet oder öffentlich wiedergibt […] wird […] bestraft.“ 285  Vgl. hierzu sogleich Kapitel 4, § 5, B.



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG283

tes Zusammenlesen des strafrechtlichen und zivilrechtlichen Tatbestandes nach sich ziehen.286 Der Gesetzgeber hatte also zwischen einer möglichst knapp gehaltenen Fassung und einer dennoch verständlichen Formulierung des Tatbestandes abzuwägen. Eine knappe Tatbestandsfassung wäre ihm eher durch die Auf­ nahme ausdrücklicher Verweise geglückt, eine verständliche Formulierung des Tatbestandes meinte er hingegen durch die wiederholende Übernahme der Begriffe zu erreichen. Er bewegte sich hier im Spannungsfeld der Anfor­ derungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes.287 Dass ihm dabei ein schonender Ausgleich gelungen ist, ist zu bezweifeln. Die verab­ schiedete Fassung des § 108b Abs. 1 UrhG bewirkt nicht nur eine erhebliche Verschachtelung der Tatbestände. Gerade wegen der Komplexität dieses Straftatbestandes wird dem Normanwender ohne die ausdrücklichen Geset­ zesverweise die Transferleistung abverlangt, das Zusammenspiel mit den zi­ vilrechtlichen Ausgangsvorschriften eigenständig zu erkennen, wohingegen ihm dies bei § 108b Abs. 2 UrhG abgenommen wird. Entscheidend sind hier jedoch die Auswirkungen der gegenwärtigen Fas­ sung des § 108b UrhG auf die Erkennbarkeit der Zivilrechtsakzessorietät innerhalb dieses Straftatbestandes. Wie an anderer Stelle bereits dargelegt wurde, erfährt die Zivilrechtsakzessorietät nämlich erst dann ihre Berechti­ gung, wenn sich der inhaltliche Gleichlauf zum Urheberzivilrecht hinreichend deutlich aus dem Straftatbestand ergibt.288 Dies ist nach der Konzeption des Urheberrechtsgesetzes grundsätzlich sowohl durch Verwendung derselben Begriffe (§ 108b Abs. 1 UrhG) als auch durch ausdrückliche Gesetzesver­ weise (§ 108b Abs. 2 UrhG) möglich. Hier besteht jedoch die Besonderheit eben darin, dass beide Verweisungs­ techniken in demselben Straftatbestand gebraucht werden. Dabei besteht insbesondere die Gefahr der Annahme des Umkehrschlusses, dass wegen des ausdrücklichen Verweises ausschließlich in § 108b Abs. 2 UrhG auch nur diese Vorschrift zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet sein soll. Jedenfalls könnte der Schluss naheliegen, die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung des § 108b Abs. 1 UrhG erfahre eine schwächere Ausprägung als in § 108b Abs. 2 UrhG. 286  Vgl. Sieber, MMR 2002, 701 (702); allgemein die zu komplexe Ausgestaltung der Vorschrift kritisierend auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Regie­ rungsentwurf in BR-Drs. 684/02, S. 7 f.; dies einräumend auch der Rechtsausschuss des Bundestages in seiner Beschlussempfehlung vom 09.04.2003 in BT-Drs. 15/837, S. 35. 287  Vgl. zu den Anforderungen an den verfassungsrechtlichen Bestimmtheits­ grundsatz Kapitel 2, § 1, C., II. 288  Vgl. Kapitel 2, § 1, B.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Dass der Gesetzgeber diesen Umkehrschluss nicht vor Augen hatte, lässt sich allenfalls aus der übrigen Ausgestaltung des § 108b Abs. 2 UrhG ent­ nehmen. Zumindest wird auch die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung der übrigen Tatbestandsmerkmale des § 108b Abs. 2 UrhG erkennbar nicht in Frage gestellt, obwohl diese keine ausdrücklichen Gesetzesverweise enthal­ ten. Dies zeigt sich etwa an den Tathandlungen, die, wie gesehen, auch in § 108b Abs. 2 UrhG inhaltlich genauso verstanden werden wie in den jewei­ ligen urheberzivilrechtlichen Ausgangsvorschriften – wobei hier kein aus­ drücklicher Verweis enthalten ist, sondern lediglich dieselben Begriffe ver­ wendet werden, die auch den §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG zugrunde liegen. Dies ändert aber nichts daran, dass die Aufnahme ausdrücklicher Gesetzesverweise auch in den Tatbestand des § 108b Abs. 1 UrhG zu begrüßen wäre. Dass damit das Zusammenspiel der strafrechtlichen und zivilrecht­ lichen Vorschriften deutlicher erkennbar wird, liegt auf der Hand. Nichts­ destotrotz wurden solche ausdrücklichen Gesetzesverweise in den bislang erörterten Konstellationen stets für nicht zwingend erforderlich gehalten, da bereits die identische Begriffsverwendung die zivilrechtsakzessorische Aus­ gestaltung dieser Straftatbestände hinreichend zum Ausdruck bringen konnte. Dies ist bei § 108b UrhG aber deshalb anders, weil durch die unterschiedliche formale Behandlung von Absatz 1 und Absatz 2 die Gefahr besteht, dass daraus auch auf eine unterschiedliche inhaltliche Behandlung geschlossen wird. In jedem Fall wäre eine einheitliche Verweisungstechnik innerhalb des § 108b UrhG zu begrüßen.

B. Subjektive Anforderungen bei Umgehung technischer Schutzmaßnahmen Einer näheren Betrachtung bedürfen sodann die subjektiven Anforderungen im Straftatbestand des § 108b Abs. 1 UrhG. Entsprechend den allgemeinen Voraussetzungen muss der Täter zunächst vorsätzlich bezüglich aller Merk­ male des objektiven Tatbestandes handeln.289 Es muss auf Seiten des Täters also entweder Absicht, direkter oder bedingter Vorsatz bezüglich der Umge­ hung einer wirksamen technischen Maßnahme und – wegen der von der überwiegenden Meinung hier vorgenommenen Einordnung des Merkmals zum objektiven Tatbestand290 – auch bezüglich des Fehlens der Zustimmung des Rechtsinhabers vorliegen.291 Insoweit gelten hier keine Besonderheiten.

289  Vgl.

§ 15 StGB i. V. m. Art. 1 Abs. 1 EGStGB. hierzu bereits Kapitel 3, § 2, A., II., 4. 291  Vgl. hierzu Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 275 ff.; Kühl, § 5 Rn. 28 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 7 ff. 290  Siehe



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG285

I. Absicht der Zugangsermöglichung in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG Darüber hinaus erfordert der Tatbestand des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG je­ doch die Absicht des Täters, sich oder einem Dritten durch die Umgehung Zugang zu einem urheberrechtlich geschützten Werk oder einem sonstigen Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen. Gemeint ist damit Absicht i. S. d. dolus directus ersten Grades.292 Dies setzt voraus, dass es dem Täter im Sinne eines zielgerichteten Wol­ lens darauf ankommt, den tatbestandsmäßigen Erfolg herbeizuführen.293 Er muss die technische Schutzmaßnahme also gerade deshalb umgehen, um sich oder einem Dritten Zugang zu einem durch die Maßnahme geschützten Werk zu ermöglichen – wobei im Folgenden die Absicht zur Ermöglichung des Zugangs zu einem Werk pars pro toto auch für die Absicht zur Ermöglichung des Zugangs zu einem sonstigen Schutzgegenstand oder zur Nutzung zu ver­ stehen ist. II. Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis in § 95a Abs. 1 UrhG Demgegenüber verlangt die zivilrechtliche Vorschrift des § 95a Abs. 1 UrhG lediglich, dass „dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang […] zu ermöglichen.“ Die Beschreibung eines Absichtselements lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Die Formulierung, dem Handelnden sei der Zweck der Umgehung be­ kannt, deckt sich zumindest mit dem strafrechtlichen Verständnis des direk­ ten Vorsatzes. Die Formulierung, dem Handelnden müsse der Zweck seiner Handlung „den Umständen nach bekannt sein“, entspricht hingegen der klassischen Formulierung einer Fahrlässigkeit.294 Demnach müsste es für § 95a Abs. 1 UrhG genügen, dass es dem Handelnden bei Umgehung der technischen Maßnahme zwar nicht im Sinne eines zielgerichteten Wollens 292  Dies ist erkennbar unbestritten, so etwa Albach, S. 83; Dreier/Schulze-Dreier, § 108b Rn. 4; Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 11; Loewen­ heim-Flechsig, § 90 Rn. 123; Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 108b Rn. 12; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 6; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 108b Rn. 15; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 8. 293  Vgl. hierzu Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 7, der den Begriff der Absicht i. S. d. dolus directus ersten Grades als „zielgerichtetes Erstreben des tatbestandsmäßi­ gen Erfolges“ umschreibt. 294  Vgl. etwa die zivilrechtliche Legaldefinition zur Fahrlässigkeit in § 122 Abs. 2 BGB, wonach Fahrlässigkeit verlangt, dass jemand einen Umstand zwar nicht kannte, jedoch den Umständen nach „kennen musste“; hierauf abstellend auch Fromm/Norde­ mann-Czychowski, § 95a Rn. 49; Wandtke/Bullinger-Wandtke/Ohst, § 95a Rn. 63.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

auf die Zugangsermöglichung ankommt, er jedoch weiß oder aufgrund von Fahrlässigkeit eben nicht weiß, dass er sich oder einem Dritten damit Zugang zu dem Werk ermöglicht. Die Formulierung lässt nur den Schluss zu, dass dafür jede Fahrlässigkeit genügt, also auch einfache bzw. leichte Fahrlässig­ keit.295 Dies ist hier deshalb besonders hervorzuheben, da der Gesetzgeber, wie später noch zu zeigen sein wird, davon ausgeht,296 auch in § 95a UrhG ein Absichtselement normiert zu haben. III. Auseinanderfallen von Straf- und Zivilrecht Es ergeben sich für die subjektiven Anforderungen in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG also zwei Bezugspunkte: Zum einen die Umgehung der technischen Maßnahme selbst, zum anderen die Ermöglichung des Zugangs zu dem Werk. Bei der Umgehung der technischen Maßnahme handelt es sich um ein objektives Tatbestandsmerkmal, sodass hier, wie erwähnt, jede Vorsatzform genügt. Die Zugangsermöglichung muss hingegen nur angestrebt sein. Dass der Täter durch die Umgehung tatsächlich Zugang zu dem Werk ermöglicht, ist nicht erforderlich, es genügt insoweit die innere Absicht des Täters. Der subjektive Tatbestand geht hier also über die Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes hinaus, sodass von einer überschießenden Innentendenz297 zu sprechen ist.298 Für § 95a Abs. 1 UrhG genügt hingegen ausweislich des 295  So auch Flechsig, ZUM 2002, 1 (16  f.); Fromm/Nordemann-Czychowski, § 95a Rn. 40; Loewenheim-Peukert, § 95a Rn. 16; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 6; Schricker/Loewenheim-Götting, § 95a Rn. 12; für eine engere Auslegung und Begrenzung auf grobe Fahrlässigkeit plädierend Brinkel, S. 177; Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Dreyer, § 95a Rn. 33; Spieker, GRUR 2004, 475 (479); Spindler/Schuster-Spindler, § 95a Rn. 8; wobei letzterer an anderer Stelle zu­ rückhaltender davon spricht, dass „die Formulierung eher auf grobe, denn auf leichte Fahrlässigkeit“ hindeute; vgl. Spindler, GRUR 2002, 105 (116); für eine Begrenzung auf bewusste Fahrlässigkeit plädierend Wandtke/Bullinger-Wandtke/Ohst, § 95a Rn. 63; unentschieden hingegen Möhring/Nicolini-Lindhorst, § 95a Rn. 19. 296  Siehe hierzu Kapitel 4, § 5, B., IV., 1. 297  Dieser Begriff wird mittlerweile insbesondere im Zusammenhang mit § 242 StGB und § 267 StGB auch in der Rspr. gebraucht; vgl. etwa BGHSt 59, 218 (232) = BGH NJW 2014, 3459 (3463) – Staatsgefährdende Gewalttat; BGHSt 61, 76 (80) = BGH NJW 2016, 1667 (1668) – Tätige Reue; vgl. insgesamt zu dem Begriff Arzt/ Weber/Heinrich/Hilgendorf-Heinrich, § 13 Rn. 67; Eisele, Strafrecht BT II, Rn. 62; Fischer, § 242 Rn. 32; LK-Vogel, 12. Aufl., § 242 Rn. 132; Rengier, Strafrecht BT I, § 2 Rn. 86. 298  Zu verwechseln ist der hier nur angestrebte Erfolg der Zugangsermöglichung jedoch nicht mit dem für § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG objektiv erfüllten Erfolg der Ver­ anlassung, Ermöglichung, Erleichterung oder Verschleierung einer aus der Umgehung resultierenden Verletzung von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten, bezüg­ lich derer der Täter Leichtfertigkeit aufweisen muss.



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG287

Wortlauts sowohl bezüglich der Umgehung als auch der Zugangsermög­ lichung bereits bloße Fahrlässigkeit.299 Hieraus können sich auch praktische Abweichungen ergeben. Dies vermag in erster Linie in Konstellationen der Drittzugangsermöglichung zu einem Auseinanderfallen der straf- und zivilrechtlichen Bewertung innerhalb des­ selben Sachverhalts führen, etwa wenn der Täter bei Umgehung der techni­ schen Maßnahme zwar ohne Zugangsermöglichungsabsicht handelt, ihm je­ doch hätte bekannt sein müssen, dass er damit einem Dritten Zugang zu dem Werk ermöglicht. Relevanz erfahren hier vor allem Fälle der mittelbaren Täterschaft, in denen ein ahnungsloses Werkzeug zur Umgehung einer tech­ nischen Maßnahme eingesetzt wird und auch Fälle, in denen der Betroffene bei Umgehung der technischen Maßnahme gar nicht erst an einen Dritten gedacht hat. Da die Thematik rund um § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG an dieser Stelle sehr technisch wird, sollen zur Veranschaulichung gerade dieser beiden genannten Konstellationen zwei zugegebenermaßen etwas konstruierte Fallbeispiele präsentiert werden: „Der gutgläubige Helfer“ (1. und 2.), und „Der sich selbst überschätzende Techniker“ (3. und 4.). 1. Fallbeispiel: „Der gutgläubige Helfer“

U1 hat klassische Musikwerke in die jeweils hierzu passenden Jazz-Versi­ onen umkomponiert und diese vertont. U2 hat dieselben Werke in die jewei­ ligen Rock-Versionen umkomponiert und ebenfalls vertont. U1 und U2 er­ stellen daraufhin eine gemeinsame Website, auf der sie ihre umkomponierten Werke in den jeweils vertonten Versionen einstellen. Auf diese Website können Dritte gegen Zahlung eines geringen Entgelts zugreifen und sich die Kompositionen und Vertonungen zum privaten Vergnügen anhören. Um zu verhindern, dass dies zu Vervielfältigungen missbraucht wird, lassen U1 und U2 auf der Website einen Kopierschutz in Form einer komplexen Verschlüs­ selung installieren. Diese Verschlüsselung kann weder von U1 noch von U2 alleine und unabhängig voneinander aufgehoben werden, eine bestimmungs­ mäßige Entfernung bedarf vielmehr eines Zusammenwirkens beider. U2 hat bald darauf jedoch anderes im Sinn: Er möchte sämtliche seiner Werke und die des U1 auf CDs brennen und diese ohne Wissen des U1 ver­ markten. Dazu muss er jedoch die Verschlüsselung umgehen, um die Werke des U1 kopieren zu können. Da ihm hierfür jedoch das technische Know299  Dies gilt sowohl für das Handlungsgebot des § 95a Abs. 1 UrhG als solches als auch für entsprechende Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche (§§ 97 ff. UrhG).

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

How fehlt, bittet er den technisch versierteren T, die Verschlüsselung für ihn zu umgehen. Er erklärt T wahrheitsgemäß, er habe dies mit U1 zwar nicht abgesprochen. Er spiegelt T jedoch vor, den Zugriff auf die Seite nur deshalb zu benötigen, um seine eigenen Musikwerke zu kopieren. T schenkt U2 Glauben und denkt gar nicht daran, dass U2 auch die Werke des U1 kopieren könnte. T entschlüsselt daraufhin die Vorrichtung, infolgedessen kopiert U2 sämtliche auf der Website eingestellten Werke und vermarktet diese eigen­ ständig. 2. Lösung zum Fallbeispiel

Relevant ist hier die Strafbarkeit des T.300 Im Raum steht der Straftatbe­ stand des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Im Hinblick auf den objektiven Tatbe­ stand handelt es sich bei den Kompositionen und den Vertonungen jeweils um urheberrechtlich geschützte Musikwerke (§§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG). Ferner stellt die Verschlüsselung eine wirksame, weil von beiden Rechtsinhabern U1 und U2 gemeinsam unter Kontrolle gehaltene, technische Maßnahme (§ 95a Abs. 2 UrhG) dar. Diese hat T durch die Entschlüsselung umgangen. Auch fehlt es an der Zustimmung der Rechtsinhaber, da nach gemeinsamer Verschlüsselung durch U1 und U2 diesbezüglich nicht mehr isoliert auf U2 abgestellt werden kann, sondern es vielmehr auch der Zustim­ mung von U1 bedurft hätte. Da eine persönliche Verbundenheit (§§ 108b Abs. 1, 15 Abs. 3 UrhG) zwischen T und U2 nicht vorliegt, greift auch die sogleich noch näher zu erörternde Privilegierung zum privaten Gebrauch nicht.301 Ferner kam es durch die Vermarktung von U2 zur tatbestandlich geforderten Verletzung der Urheberrechte des U1. Der objektive Tatbestand des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG ist somit erfüllt. Im subjektiven Tatbestand ist zunächst festzustellen, dass T um die Eigen­ schaft der Vorrichtung als wirksame technische Maßnahme wusste und diese absichtlich (dolus directus ersten Grades) umging. Auch wusste er, dass zu­ mindest die Zustimmung von U1 nicht vorlag (direkter Vorsatz). Der Tatbe­ standsvorsatz hinsichtlich der Merkmale des objektiven Tatbestandes ist so­ mit zu bejahen. Bezüglich der hier relevanten Absicht, sich oder einem Dritten Zugang zu einem urheberrechtlich geschützten Werk zu ermöglichen, kommt lediglich Drittzugangsermöglichungsabsicht zugunsten des U2 in Betracht, da T sich 300  Bezüglich der Strafbarkeit des U2 ist in dieser Konstellation der Straftatbe­ stand der unerlaubten Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke gem. § 106 Abs. 1 UrhG erfüllt, wobei eine Strafschärfung aufgrund gewerbsmäßigen Handelns anzunehmen ist (§ 108a Abs. 1 UrhG). 301  Vgl. hierzu Kapitel 4, § 5, C., II.



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG289

selbst keinen Zugang zu einem der Werke verschaffen wollte. Dabei hatte T aber lediglich die Absicht, U2 Zugang zu dessen eigenen Werken zu ver­ schaffen, nicht jedoch auch zu denen des U1. Dabei kann in Konstellationen der Drittzugangsermöglichungsabsicht freilich nicht auf den Zugang zu den Werken des begünstigten Dritten abgestellt werden. Als tauglicher Bezugs­ punkt können lediglich die Werke des U1 herangezogen werden. Bezüglich dieser wollte T dem U2 aber keinen Zugang ermöglichen. Eine entsprechende Zugangsermöglichungsabsicht lag folglich nicht vor, sodass eine Strafbarkeit nach § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG zu verneinen ist.302 Stellt man hingegen auf § 95a Abs. 1 UrhG ab, erfordert der Wortlaut ge­ rade keine Zugangsermöglichungsabsicht. Insoweit ist lediglich zu prüfen, ob T bekannt war oder den Umständen nach hätte bekannt sein müssen, „dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk […] zu er­ möglichen“. Selbst wenn T diesbezüglich kein positives Wissen zu unterstel­ len ist, hätte ihm zumindest bekannt sein müssen, dass er U2 mit Umgehung der Vorrichtung auch Zugang zu den Werken von U1 ermöglicht. Da hierfür dem Wortlaut nach jede Form der Fahrlässigkeit genügt,303 ist T zumindest leichte Fahrlässigkeit in Bezug auf seine Unkenntnis vorzuwerfen. Der Sorg­ faltspflichtverstoß ist darin zu sehen, dass T ohne Rücksprache mit U1 die Vorrichtung entschlüsselt hat. Daher ist der zivilrechtliche Tatbestand im geschilderten Fall erfüllt, eine Strafbarkeit scheidet hingegen aus. Der Veranschaulichung soll auch das nächste kurze Fallbeispiel dienen: 3. Fallbeispiel: „Der sich selbst überschätzende Techniker“

T ist technikbegeistertes Mitglied einer Gruppierung, die es sich zur Auf­ gabe gemacht hat, Sicherheitslücken im Internet auf privaten sowie geschäft­ lichen Websites ausfindig zu machen. Die Motivation der Mitglieder dieser Gruppierung besteht darin, das Internet vor Hacking und Missbrauch durch Dritte zu schützen. T ist auf die Internetseite von U1 und U2 aus obigem Fallbeispiel gestoßen. Auf dieser sind die umkomponierten Musikwerke ein­ gestellt, die mit einem komplexen Kopierschutz versehen sind. T möchte den Kopierschutz auf seine Wirksamkeit hin überprüfen und entschlüsseln, die Verschlüsselung im Anschluss daran aber sofort wiederherstellen. Aufgrund 302  Mangels Strafbarkeit des T scheidet auch eine Strafbarkeit des U2 wegen An­ stiftung zu einem unerlaubten Eingriff in technische Schutzmaßnahmen gem. § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG i. V. m. § 26 StGB aus, da es insoweit an einer vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat des T fehlt; in Betracht kommt aber eine mittelbare Täter­ schaft (absichtslos handelndes Werkzeug) gem. § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG i. V. m. § 25 Abs. 1 Alt. 2 StGB. 303  Vgl. soeben Kapitel 4, § 5, B., II.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

der Komplexität der Vorrichtung gelingt es ihm nur mit viel Mühe, diese zu umgehen. Im Anschluss daran gelingt es ihm jedoch nicht, die Verschlüsse­ lung wiederherzustellen. Erst nach mehreren Tagen schafft er es schließlich, die Vorrichtung wieder zu installieren. Bis dahin waren die Werke von U1 und U2 für jedermann ohne Kopierschutz frei zugänglich, wodurch es zu Urheberrechtsverletzungen gekommen ist. 4. Lösung zum Fallbeispiel

Auch hier steht eine Strafbarkeit des T nach § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG im Raum. T umging eine wirksame technische Maßnahme ohne Zustimmung der Rechtsinhaber.304 Hierdurch ermöglichte er die begangenen Urheber­ rechtsverletzungen. Eine Privilegierung des privaten Gebrauchs liegt nicht vor. Subjektiv handelte T vorsätzlich bezüglich der Umgehung der Vorrich­ tung, wobei es unschädlich ist, dass er die Vorrichtung zu einem späteren Zeitpunkt wiederherstellen wollte.305 Er wusste ferner um die Eigenschaft der Vorrichtung als technische Schutzmaßnahme und darum, dass keine Zu­ stimmung der Rechtsinhaber vorliegt.306 Allerdings fehlte T auch hier die von § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG vorausge­ setzte Zugangsermöglichungsabsicht. Die Motivation seines Handelns er­ schöpft sich in der Umgehung der Vorrichtung. Dabei hatte er zwar die Ab­ sicht, die Vorrichtung zu umgehen, nicht jedoch die von § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG geforderte Absicht, sich selbst oder einem Dritten Zugang zu den Werken von U1 und U2 zu verschaffen. Der Zweck der Umgehung war für ihn nach erfolgreicher Entschlüsselung der Vorrichtung erfüllt, auf den Zu­ gang zu den Werken kam es ihm nicht an. Eine Strafbarkeit aus § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG scheidet also auch in dieser Konstellation aus. 304  Dass in Bezug auf die Umgehung ein tatbestandsausschließendes mutmaßli­ ches Einverständnis von U1 und U2 vorlag, ist nicht anzunehmen, dieses hätte sich allenfalls darauf bezogen, dass T die Vorrichtung nur dann umgeht, wenn er sie direkt im Anschluss hätte wiederherstellen können; näher liegt, dass sich ein Einverständnis von U1 und U2 auf eine abgesprochene Umgehung zur Überprüfung der Wirksamkeit der Vorrichtung bezogen hätte, was hier jedoch auch nicht der Fall ist. 305  Dies ergibt sich bereits aus dem Simultanitätsprinzip (Koinzidenzprinzip); vgl. Art. 103 Abs. 2 GG, §§ 8, 16 StGB, wonach der Vorsatz zum Zeitpunkt der Tataus­ führung vorliegen muss; vgl. zum Simultanitätsprinzip Baumann/Weber/Mitsch/Ei­ sele-Eisele, § 11 Rn. 35; Heinrich, Strafrecht AT, Rn. 288; Rengier, Strafrecht AT, § 14 Rn. 55. 306  Dem Sachverhalt ist auch nicht zu entnehmen, dass sich T hierüber täuschte und insoweit einem tatbestandsausschließenden Irrtum in Bezug auf das Vorliegen eines Einverständnisses unterlegen wäre; T muss bewusst gewesen sein, dass eine Umgehung der Vorrichtung ohne Rücksprache mit U1 und U2 nicht in deren Interesse lag.



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG291

Bezüglich der subjektiven Anforderungen des § 95a Abs. 1 UrhG ist fest­ zustellen, dass T bei Umgehung der Vorrichtung nicht bekannt war, dass ihm die Wiederherstellung nicht gelingen und er Dritten unbegrenzten Zugang zu den Werken von U1 und U2 ermöglichen würde. Dies hätte ihm jedoch be­ kannt sein müssen, der diesbezügliche Fahrlässigkeitsvorwurf liegt darin, dass er die Vorrichtung entweder erst gar nicht hätte umgehen dürfen, oder aber dies nur dann, wenn er sie sicher hätte wiederherstellen können. Auch hier ist der zivilrechtliche Tatbestand des § 95a Abs. 1 UrhG erfüllt, der Straftatbestand des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG hingegen nicht. IV. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät Die subjektiven Anforderungen können in Bezug auf die Zugangsermögli­ chung zu einem Auseinanderfallen der straf- und zivilrechtlichen Bewertung führen. Die beiden Fallbeispiele haben dies jeweils in der Form gezeigt, dass der urheberzivilrechtliche Tatbestand erfüllt ist, wohingegen eine Urheber­ strafbarkeit ausscheidet. Die umgekehrte Konstellation, in der eine Strafbar­ keit nach § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG vorliegt, es gleichzeitig aber an den subjektiven Anforderungen des zivilrechtlichen § 95a Abs. 1 UrhG fehlt, ist nicht vorstellbar. In obigen Beispielsfällen müsste T dafür in der Absicht gehandelt haben, sich oder einem Dritten Zugang zu den Werken von U1 und U2 zu ermöglichen; ihm dürfte aber gleichzeitig nicht bekannt gewesen sein, dass der Zweck seiner Umgehung in der Ermöglichung dieses Zugangs lag – und dies hätte ihm auch nicht infolge von Fahrlässigkeit unbekannt geblieben sein dürfen. Bei einer Zugangsermöglichungsabsicht liegt schon aufgrund des Absichtselements zwingend auch ein diesbezügliches Bewusstsein vor.307 Entscheidend ist jedoch, was dieses Auseinanderfallen von Straf- und Zi­ vilrecht für das Prinzip der Urheberzivilrechtsakzessorietät bedeutet. Die objektiven Bezugspunkte der Zugangsermöglichungsabsicht haben im Straf­ tatbestand des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG grundsätzlich die gleiche inhaltliche Bedeutung wie im Rahmen der allgemeinen urheberzivilrechtlichen Vorga­ ben. Dies zeigt sich etwa am Merkmal des Zugangs und der Nutzung, die in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG inhaltlich genauso verstanden werden wie in § 95a Abs. 1 UrhG, gleiches gilt für den Werkbegriff (§ 2 UrhG) und die einzelnen verwandten Schutzrechte (§§ 70 ff. UrhG).308 Da all diese Merkmale im Zu­ sammenhang mit der Zugangsermöglichungsabsicht in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG inhaltlich genauso ausgelegt werden wie im Urheberzivilrecht, kommt 307  Vgl. zum Zusammenhang von Absicht und Bewusstsein die Darstellungen bei Kühl, § 5 Rn. 7 ff.; Roxin, Strafrecht AT I, § 12 Rn. 7 ff. 308  Vgl. hierzu oben.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

das Merkmal der tatbestandlichen Begriffsabhängigkeit diesbezüglich zur Geltung (Merkmal 2).309 Dieses Merkmal versagt hingegen freilich beim Begriff der Zugangs­ ermöglichungsabsicht, da diese ein zusätzliches strafrechtliches Erfordernis darstellt und somit keinen begrifflichen Bezugspunkt in den §§ 95a ff. UrhG findet. Jedenfalls liegt diesbezüglich aber gerade kein inhaltlicher Gleichlauf vor (Merkmal 1),310 da die inhaltliche Anlehnung an die zivilrechtliche Rechtslage nicht dazu führen kann, dass es für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG entgegen des Wortlauts genügt, wenn dem Täter der Zweck der Umgehung nur bekannt gewesen ist oder den Umständen nach hätte bekannt sein müssen.311 Zumindest in Bezug auf die Sanktionsbedürftigkeit bewertet das Urheberstrafrecht den Rechtsgüterschutz hier anders als das Urheberzivilrecht (Merkmal 3).312 Jedenfalls stellt das Urheberstrafrecht mit dem Absichtserfordernis eine eigene strafrechtliche Anforderung auf. Dies stellt aber keinen Widerspruch zum Prinzip der Zivilrechtsakzesso­ rietät dar, da das Zivilrecht hier lediglich weitergehende Sanktionen vorsieht als das Strafrecht. Auch dies lässt sich mit dem ultima-ratio-Grundsatz und den Funktionen des Strafrechts (Sanktionierung nur besonders verwerflicher Verhaltensweisen) auf der einen und des Zivilrechts (Schaffung eines Inte­ ressensausgleichs) auf der anderen Seite begründen.313 Insoweit besteht ins­ besondere eine Parallele zur fehlenden Fahrlässigkeitsstrafbarkeit im Ur­ heberstrafrecht.314 1. Interpretationsansatz des Gesetzgebers

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang jedoch die Auffassung des Ge­ setzgebers, der davon ausgeht, das Erfordernis der Zugangsermöglichungsabsicht in § 95a Abs. 1 UrhG in gleicher Weise verankert zu haben wie in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Dabei meint er, dies ergebe sich bereits hinrei­ chend aus dem Wortlaut des § 95a Abs. 1 UrhG.315 Insoweit könnte man annehmen (und hieraus ergibt sich die Rechtfertigung der Befassung mit 309  Vgl.

Kapitel 3, § 1, A., II. Kapitel 3, § 1, A., I. 311  Vgl. zum Grundsatz „nulla poene sine lege stricta“ und der Verfassungswid­ rigkeit einer zu Lasten des Täters wirkenden analogen Anwendung im Strafrecht Kapitel 3, § 4, A., II. 312  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., III. 313  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 2, B. 314  Vgl. hierzu Kapitel 3, § 3, C. 315  Vgl. BT-Drs. 15/837, S. 35; BT-Drs. 15/38, S. 26. 310  Vgl.



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dieser Frage), dass der Gesetzgeber das Merkmal der Zugangsermöglichungs­ absicht als zivilrechtsakzessorisch ausgestaltet ansieht, sich dies aber nicht im Gesetzestext widerspiegelt. Der Gesetzgeber spricht in der Gesetzesbegründung zu § 95a Abs. 1 UrhG terminologisch ungeschickt von einer „Umgehungsabsicht“.316 Dabei liegt nahe, es sei lediglich die Absicht des Handelnden gemeint, die technische Schutzmaßnahme zu umgehen, nicht jedoch die hier relevante Absicht, den Zugang zu dem Werk zu ermöglichen. Dass der Gesetzgeber die so bezeich­ nete „Umgehungsabsicht“ aber dennoch als Zugangsermöglichungsabsicht versteht, bringt er an anderer Stelle zum Ausdruck, wonach § 95a Abs. 1 UrhG eine „auf Werkzugang oder Werkverwertung […] gerichtete Umge­ hungsabsicht“ erfordere.317 Dieses Verständnis schlägt sich allerdings nicht in der Formulierung des § 95a Abs. 1 UrhG nieder und ist mit dieser auch nicht vereinbar.318 Den­ noch geht der Gesetzgeber davon aus, hiermit einen Gleichlauf der subjekti­ ven Anforderungen im strafrechtlichen und zivilrechtlichen Tatbestand ge­ schaffen zu haben. Der Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages äußerte sich im Gesetzgebungsverfahren in seiner Beschlussempfehlung lediglich dahingehend, dass „die Vorsatzform der Absicht […] ganz selbstverständlich [beinhaltet], dass der Täter auch im Bewusstsein seiner Absicht handelt.“319 Dies ist nicht zu bezweifeln, es vermag aber nicht zu erklären, dass auch § 95a Abs. 1 UrhG diese Vorsatzform der Absicht voraussetzt. Interessant und für die Einordnung relevant ist hingegen, dass der Gesetz­ geber ursprünglich angedacht hatte, die subjektiven Anforderungen des § 95a Abs. 1 UrhG in den Tatbestand des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG zu integrieren und den Tatbestand sodann um die Formulierung „soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang […] zu ermöglichen“ zu erweitern.320 Auch wenn der Gesetzgeber davon Abstand genommen hat, zeigt dies, dass er zumindest einen semantischen Unterschied zwischen der Absicht zur Ermöglichung und 316  BT-Drs.

15/38, S. 26. 15/38, S. 26. 318  So auch Loewenheim-Peukert, § 34 Rn. 16; Schricker/Loewenheim-Götting, § 95a Rn. 12; in diese Richtung gehend, aber weniger deutlich auch Dreyer/Kotthoff/ Meckel/Hentsch-Dreyer, § 108b Rn. 33; Fromm/Nordemann-Czychowski, § 108b Rn. 40; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 6. 319  BT-Drs. 15/837, S. 35; dem zustimmend auch Dreier/Schulze-Dreier, § 108b Rn. 4. 320  Dies deutet die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses an, wo sich die­ ser zu den subjektiven Anforderungen des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG äußerte und anmerkte, dass „die in § 95a Abs. 1 UrhG enthaltenen Wörter […] nicht in § 108b Abs. 1 UrhG eingefügt zu werden [brauchen]“; vgl. BT-Drs. 15/837, S. 35. 317  BT-Drs.

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einem diesbezüglichen Bewusstsein erkennt.321 Dass er dann aber nicht den umgekehrten Ansatz in Erwägung zieht und den Tatbestand des § 95a Abs. 1 UrhG um die Formulierung „in der Absicht, sich oder einem Dritten den Zugang […] zu ermöglichen“ erweitert, ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Legt man die Intention des Gesetzgebers zugrunde, wonach bereits die gegenwärtige Fassung des § 95a Abs. 1 UrhG das Erfordernis einer Zugangs­ ermöglichungsabsicht normiere, ergäben sich im Hinblick auf einen Gleich­ lauf des Straf- und Zivilrechts keine Bedenken. Insofern würde die Zivil­ rechtsakzessorietät in § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG auch in Bezug auf die sub­ jektiven Anforderungen streng angewandt. Dies ändert aber nichts daran, dass die Zugangsermöglichungsabsicht keine Entsprechung im zivilrecht­ lichen Tatbestand des § 95a Abs. 1 UrhG findet. Selbst wenn der Gesetzgeber auch insoweit von einer strengen Akzessorietät ausgeht, ist diese jedenfalls in Bezug auf eine Zugangsermöglichungsabsicht nicht dem Gesetz zu ent­ nehmen, da es bereits am zivilrechtlichen Bezugspunkt fehlt. 2. Änderungsbedarf

Vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber meint, ein Absichtserfordernis in § 95a Abs. 1 UrhG normiert zu haben, dies aber der Vorschrift nicht zu entnehmen ist, bedarf es einer Anpassung des Gesetzestextes. Insoweit wäre das Erfordernis der Zugangsermöglichungsabsicht im Wege einer Anpassung des § 95a Abs. 1 UrhG in den Tatbestand aufzunehmen. Zwar unterliegen vor allem strafrechtliche Tatbestände erhöhten Anforde­ rungen in Bezug auf Klarheit und Bestimmtheit.322 Vor diesem Hintergrund könnte das Absichtserfordernis in § 95a Abs. 1 UrhG auch im Wege einer den gesetzgeberischen Willen berücksichtigenden Auslegung hineingelesen werden. Nichtsdestotrotz würde eine Gesetzesanpassung und die Aufnahme eines ausdrücklich so bezeichneten Merkmals der Zugangsermöglichungsab­ sicht mehr Rechtsicherheit in Bezug auf die Anwendung des § 95a Abs. 1 UrhG bewirken. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass sich bei einer Gesetzesanpassung die Zivilrechtsakzessorietät auch bezüglich dieses Merk­ mals streng anwenden ließe und ein zivilrechtlicher Bezugspunkt für die Akzessorietät geschaffen würde. Insoweit könnte eine Gesetzesanpassung 321  Andernfalls ließe sich die Überlegung zur Aufnahme dieses Zusatzes nicht erklären, zumal die subjektiven Anforderungen des § 95a Abs. 1 UrhG nicht alterna­ tiv, sondern zusätzlich zum Erfordernis der Zugangsermöglichungsabsicht in den Tatbestand des § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG hätten aufgenommen werden sollen. 322  Vgl. Kapitel 2, § 1, C., II.



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auch für mehr Rechtssicherheit im Verhältnis von § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG zu § 95a Abs. 1 UrhG sorgen.

C. Strafrechtliche Privilegierung des privaten Gebrauchs Ein weiterer Aspekt, der hier einer vertieften Betrachtung bedarf, ergibt sich aus der in § 108b Abs. 1 UrhG vorgesehenen Privilegierung des privaten Gebrauchs. Der Täter bleibt trotz Eingriffs in eine technische Schutz­ maßnahme (§ 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG) oder in eine zur Rechtewahrnehmung erforderliche Information (§ 108b Abs. 1 Nr. 2 UrhG) straflos, wenn er die Tat ausschließlich zu seinem eigenen privaten Gebrauch begeht.323 Gleiches gilt dann, wenn er zum eigenen privaten Gebrauch einer mit dem Täter per­ sönlich verbundenen Person handelt oder wenn sich sein Handeln auf einen solchen Gebrauch bezieht.324 Es ergeben sich vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät zwei Aspekte, die zu einem Auseinanderfallen der strafrechtlichen und zivilrecht­ lichen Bewertung führen können: zum einen das Fehlen einer solchen Privi­ legierung in den zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 95a, 95c UrhG (I.), zum anderen die Erweiterung der Privilegierung auf das mit dem Täter persönlich verbundene Umfeld (II.). I. Fehlende Privilegierung in §§ 95a, 95c UrhG Die §§ 95a, 95c UrhG sehen eine Privilegierung des privaten Gebrauchs gerade nicht vor. Wird zu rein privaten Zwecken eine technische Schutzmaß­ nahme umgangen oder eine zur Rechtewahrnehmung erforderliche Informa­ tion entfernt, besteht über § 95a Abs. 1 UrhG i. V. m. §§ 97 ff. UrhG eine zi­ vilrechtliche Verantwortlichkeit, wenn es infolgedessen zu Rechtsverletzun­ gen kommt. Gleichzeitig liegt aber keine Strafbarkeit vor, da zugunsten des Betroffenen die Privilegierung des § 108b Abs. 1 UrhG eingreift. In diesem Fall entfällt nach überwiegender Auffassung bereits der Tatbestand des 323  Insgesamt kritisch zur Privilegierung des privaten Gebrauchs Abdallah/Gercke/Reinert, ZUM 2003, 31 (33 ff.). 324  Dass die Privilegierung ausschließlich für § 108b Abs. 1 UrhG und nicht auch für § 108b Abs. 2 UrhG gilt, ergibt sich bereits daraus, dass bei § 108b Abs. 2 UrhG ein Handeln zu gewerblichen Zwecken vorliegen muss, das jedoch ein Handeln zum privaten Gebrauch praktisch ausschließt; insoweit nicht nachvollziehbar Schricker/ Loewenheim-Kudlich, § 108b Rn. 14, der trotz dessen und entgegen der eindeutigen Systematik die Privilegierung des privaten Gebrauchs auch auf § 108b Abs. 2 UrhG bezieht, wobei er dies aus der Einleitung des § 108b Abs. 2 UrhG durch das Wort „ebenso“ herleitet.

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§ 108b Abs. 1 UrhG.325 Das Nicht-Vorliegen der Privilegierung stellt also ein negativ gefasstes Tatbestandsmerkmal dar.326 Zwar ist eine solche Privilegierung auch in der zivilrechtlichen Vorschrift des § 53 UrhG vorgesehen. Die explizite Normierung der Privilegierung in § 108b Abs. 1 UrhG resultiert jedoch daraus, dass § 53 UrhG auf die hier relevanten Fälle keine Anwendung findet.327 Der Anwendungsbereich des § 53 UrhG beschränkt sich auf Vervielfältigungshandlungen, bei § 108b Abs. 1 UrhG geht es aber um eine Umgehung, Entfernung, Veränderung oder um eine andere Vorfeldhandlung zu einer gegebenenfalls im Anschluss daran erfolgenden Vervielfältigung. Da § 53 UrhG – insoweit konsequent – aber auch auf die Fälle der §§ 95a, 95c UrhG keine Anwendung findet, können die zivilrechtliche und straf­ rechtliche Bewertung innerhalb derselben Konstellation erneut auseinander­ fallen. Auch dies ist vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät zu betrachten. Diesbezüglich kommt das Merkmal der tatbestandlichen Begriffs­ abhängigkeit (Merkmal 2) nicht zur Geltung.328 Bezüglich des hier relevan­ ten Merkmals ist nicht auf die §§ 95a, 95c UrhG abzustellen, sondern auf § 53 UrhG, wo die Begriffe „zum privaten Gebrauch“ in gleicher Weise normiert sind wie in § 53 UrhG. Daran lehnt sich die strafrechtliche Privi­ legierung auch inhaltlich an.329 Im Verhältnis von § 108b Abs. 1 UrhG zu §§ 95a, 95c UrhG fehlt es jedoch an einem inhaltlichen Gleichlauf (Merk­ mal 1),330 jedenfalls die Sanktionsbedürftigkeit wird in Bezug auf den Rechtsgüterschutz strafrechtlich anders beurteilt (Merkmal 3).331 Sofern man die Zivilrechtsakzessorietät deshalb als gelockert ansieht, lässt sich dies jedoch auf übergeordnete Erwägungen stützen. Die Privilegierung des privaten Gebrauchs wurde im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mit der Erwägung in den Straftatbestand des § 108b Abs. 1 UrhG aufgenommen, dass die Strafbarkeit in den Fällen des § 108b Abs. 1 UrhG andernfalls in 325  So etwa Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 127; Möhring/Nicolini-SternbergLieben, § 108b Rn. 8; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 3; Schricker/ Loewenheim-Kudlich, § 108b Rn. 14; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 6; a. A. hingegen Dreier/Schulze-Dreier, § 108b Rn. 6, der in der Privilegierung des pri­ vaten Gebrauchs wohl einen Rechtfertigungsgrund sieht; a.  A. Dreyer/Kotthoff/ Meckel/Hentsch-Kotthoff, § 108b Rn. 7; Schmid/Wirth/Seifert-Schmid/Wirth, § 108b Rn. 4, wonach das Vorliegen des privaten Gebrauchs einen Strafausschließungsgrund begründe. 326  Dies so bezeichnend auch Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 108b Rn. 10. 327  MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 3. 328  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., II. 329  Vgl. hierzu sogleich noch. 330  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., I. 331  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., III.



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einem Konflikt mit dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz stehen könnte.332 Dies beruhte insbesondere auf der Erwägung, dass eine Aufklärung von Sachverhalten in Fällen des § 108b Abs. 1 UrhG häufig mit umfangreichen strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen einhergeht. Diese erfordern jedoch gerade im Bereich technischer Schutzmaßnahmen häufig grundrechtsbezogene Eingriffe in den intimsten Privatbereich des Verdächtigen, insbesondere in Form von Durchsuchungen privater Compu­ ter.333 Damit kann aber der Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit einhergehen, wenn der Täter die Vorrichtung lediglich zu privaten Zwecken umging.334 Die Aufnahme der Privilegierung des privaten Gebrauchs folgt somit auch aus der ultima-ratio-Funktion des Strafrechts.335 Die vorstehenden Erwä­ gungen gelten umso mehr, als der Gesetzgeber, wie erwähnt, eben nicht da­ ran gebunden war, den Schutz auch strafrechtlich auszugestalten. II. Privilegierung bei mit dem Täter persönlich verbundenen Personen Größere Bedenken ergeben sich hingegen im Hinblick auf die strafrecht­ liche Privilegierung des privaten Gebrauchs von mit dem Täter persönlich verbundenen Personen. Diesbezüglich sind zwei Aspekte in den Blick zu nehmen, die einer näheren Betrachtung bedürfen, nämlich das Verhältnis dieser Privilegierung zu § 53 UrhG (1.) sowie die konkrete Auslegung des Merkmals des persönlichen Umfelds (2.).

332  Vgl. hierzu die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/38, S. 29; ferner Dreier/ Schulze-Dreier, § 108b Rn. 6; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 6. 333  Betroffen wäre dabei vor allem das Grundrecht auf Gewährleistung der Ver­ traulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (sog. Computergrund­ recht) als Ausfluss des in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verankerten Allge­ meinen Persönlichkeitsrechts; vgl. hierzu BVerfGE 120, 274, Rn. 166 ff. = BVerfG NJW 2008, 822 (824) – Online-Durchsuchungen; der Gesetzgeber hatte dabei jedoch eher die Notwendigkeit von Hausdurchsuchungen im Rahmen der Ermittlungstätig­ keiten vor Augen; vgl. hierzu BT-Drs. 15/38, S. 29. 334  Prägnant formulierend Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, § 108b Rn. 7, wonach der Gesetzgeber durch Einführung der Privilegierung eine „Kriminalisierung der Wohn- und Kinderzimmer“ verhindern wollte; ähnlich Do Chi, S. 298; Oğlakcıoğlu, ZIS 2012, 431 (435), die von „Schulhofkriminalität“ sprechen; bemerkenswert ist in­ soweit die Begründung des Gesetzgebers, die Privilegierung des privaten Gebrauchs diene auch der Verhinderung eines aufwändigen Tätigwerdens und umfangreicher Er­ mittlungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden, die in diesem Bereich ohnehin „weitestgehend wenig erfolgsversprechend bliebe[n]“; vgl. BT-Drs. 15/38, S. 29. 335  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 2, B., II.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

1. Verhältnis zu § 53 UrhG

Wie erwähnt, verwendet § 108b Abs. 1 UrhG mit der Privilegierung des privaten Gebrauchs grundsätzlich das gleiche Kriterium wie in § 53 UrhG. Durch die Privilegierung auch des privaten Gebrauchs der mit dem Täter persönlich verbundenen Personen geht § 108b Abs. 1 UrhG jedoch über den Inhalt des § 53 UrhG hinaus. Eine solche Erweiterung ist in § 53 UrhG ge­ rade nicht vorgesehen, dort wird ausschließlich auf den Vervielfältigenden selbst abgestellt. Dies ist allerdings nur in begrenztem Maße einer Bewertung vor dem Hin­ tergrund der Zivilrechtsakzessorietät zugänglich. § 108b Abs. 1 UrhG greift lediglich bezüglich der inhaltlichen Bestimmung des Merkmals des „privaten Gebrauchs“ auf § 53 UrhG zurück. Darüber hinaus ist das Verhältnis der beiden Vorschriften jedoch von keiner Akzessorietät geprägt.336 Insbeson­ dere ist das Merkmal der persönlichen Verbundenheit in § 108b Abs. 1 UrhG keiner urheberzivilrechtsakzessorischen Auslegung zugänglich, bei der auf § 53 UrhG abzustellen wäre.337 2. Auslegung des Merkmals der persönlichen Verbundenheit

Größere Bedenken ergeben sich in Bezug auf die Auslegung des Merkmals der persönlichen Verbundenheit. Mit der Umschreibung, die Tat müsse zum privaten Gebrauch von „mit dem Täter persönlich verbundenen Personen“ erfolgen, verwendet das Gesetz ein ähnliches Kriterium, das auch der Ab­ grenzung der Öffentlichkeit in § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG zugrunde liegt. Zwar weicht die konkrete Formulierung des § 108b Abs. 1 UrhG etwas von der in § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG ab,338 die Begriffe persönlich und verbunden sind je­ doch bewusst339 dieselben. Es ist überwiegend anerkannt, dass zur Bestim­ mung des persönlichen Umfelds in § 108b Abs. 1 UrhG auf die Kriterien des § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG zurückzugreifen ist.340 Insoweit stellt also auch § 15 336  Diesbezüglich

ist auf §§ 95a, 95c UrhG abzustellen. hierzu Kapitel 4, § 1, C., II. 338  § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG stellt im Zusammenhang mit der Bestimmung der Öf­ fentlichkeit darauf ab, dass die in Betracht kommenden Personen nicht „durch per­ sönliche Beziehungen verbunden“ sind. 339  Dies ergibt sich aus der Gesetzesbegründung in BT-Drs. 15/38, S. 29, wo un­ ter Verweis auf BGH GRUR 1983, 562 (563) – Zoll- und Finanzschulen; BGH NJW 1996, 3084 – Zweibettzimmer im Krankenhaus, davon die Rede ist, das Gesetz greife bezüglich der „persönlichen Verbundenheit […] auf ein bereits in § 15 Abs. 3 UrhG zur Abgrenzung der Öffentlichkeit verwendetes Kriterium zurück“. 340  So etwa Dreier/Schulze-Dreier, §  108b Rn.  6; Dreyer/Kotthoff/Meckel/ Hentsch-Kotthoff, § 108b Rn. 7; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 128; Möhring/Nico­ 337  Vgl.



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Abs. 3 UrhG eine zivilrechtliche Ausgangsvorschrift zu § 108b Abs. 1 UrhG dar. a) Verengung auf das höchst-persönliche Umfeld Vereinzelt wird jedoch gefordert, das mit dem Täter persönlich verbundene Umfeld im Rahmen der Privilegierung des § 108b Abs. 1 UrhG sei enger zu fassen als in § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG. Teilweise wird angeführt, die persön­ liche Verbundenheit beschränke sich in § 108b Abs. 1 UrhG auf das „ganz persönliche Umfeld“ des Täters.341 Andere sprechen davon, es sei bei der Bestimmung der persönlichen Verbundenheit eine „enge Auslegung zwin­ gend erforderlich“.342 Weitestgehend im Ungewissen bleibt indes, ob sich eine solche Verengung insgesamt auf das Merkmal der persönlichen Verbundenheit (also auch bei § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG) oder lediglich auf die Privilegierung in § 108b Abs. 1 UrhG beziehen soll. Jedenfalls wird die Notwendigkeit einer verengten Aus­ legung erkennbar nur im Zusammenhang mit der persönlichen Verbundenheit in § 108b Abs. 1 UrhG diskutiert. In welchem Umfang an die persönliche Verbundenheit in § 108b Abs. 1 UrhG aber konkret erhöhte Anforderungen zu stellen sind, wird kaum thematisiert. Einzig Ernst äußert sich konkretisie­ rend dahingehend, dass das Merkmal in § 108b Abs. 1 UrhG einer Verengung ausschließlich auf Mitglieder des engsten „Familien- und Freundeskreises“ bedarf.343 Es ist zwar anzuerkennen, dass § 108b Abs. 1 UrhG bei einer zu weiten Auslegung der persönlichen Verbundenheit möglicherweise „ins Leere läuft“.344 Dies darf aber auch nicht dazu führen, dass der Straftatbestand durch eine zu verengte Privilegierung eine unverhältnismäßige Ausuferung erfährt. Dies gilt umso mehr, als der Privilegierung, wie gesehen, eine die lini-Sternberg-Lieben, § 108b Rn. 8; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 3; Schricker/Loewenheim-Kudlich, § 108b Rn. 14; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 6; a. A. hingegen Ernst, CR 2004, 39 (42); so wohl auch Fromm/ Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 16, die auf § 53 UrhG zurückgrei­ fen; unklar hingegen Schmid/Wirth/Seifert-Schmid/Wirth, § 108b Rn. 4, wonach die Privilegierung einerseits „entsprechend § 53 Abs. 1 auszulegen“ sei, andererseits je­ doch angeführt wird, die Abgrenzung des persönlichen Umfelds sei „in gleicher Weise vorzunehmen“ wie in § 15 Abs. 3 UrhG. 341  So Dreier/Schulze-Dreier, § 108b Rn. 6; Loewenheim-Flechsig, § 90 Rn. 128; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 6. 342  So Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 16. 343  Ernst, CR 2004, 39 (42). 344  So Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 16.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift wahrende Funktion zukommt. Insoweit ist vor einer zu starken Verengung zu warnen. Schwerer als eine Ausuferung des Tatbestandes würde jedoch wiegen, dass im Falle einer uneinheitlichen Auslegung Wertungswidersprüchen im Ver­ hältnis zu anderen urheberrechtlichen Straftatbeständen drohen. Sofern das Recht der öffentlichen Wiedergabe aus §§ 19 Abs. 4 S. 1, 15 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 3 UrhG durch eine Werkwiedergabe aufgrund persönlicher Ver­ bundenheit nicht verletzt wird, scheidet eine Strafbarkeit wegen unerlaubter Verwertung nach § 106 Abs. 1 UrhG aus. In einer wertungsmäßig und dem Unrechtsgehalt vergleichbaren Situation könnte aber eine Strafbarkeit nach § 108b Abs. 1 UrhG anzunehmen sein, wenn die persönliche Verbundenheit bei einer verengten Auslegung nicht den Anforderungen der Privilegierung entspräche. Verdeutlicht werden soll dies anhand einer Gegenüberstellung der folgen­ den Fallkonstellationen: T führt mehreren Personen die urheberrechtlich geschützten Musikwerke von U1 und U2 aus obigen Fallbeispielen ohne deren Wissen vor. Mit diesen Personen ist T derart persönlich verbunden, dass die Anforderungen des § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG nicht erfüllt sind.345 In diesem Fall steht eine Strafbarkeit wegen unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke durch ­öffentliche Wiedergabe nach § 106 Abs. 1 UrhG im Raum. Die Personen, denen T die Werke vorführt, gehören wegen der persönlichen Verbundenheit jedoch nicht zur Öffentlichkeit i. S. d. § 15 Abs. 3 UrhG. Insoweit liegt keine Verletzung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe vor (§§ 19 Abs. 4 S. 1, 15 Abs. 2 S. 1 und 2 Nr. 1, Abs. 3 UrhG) und infolgedessen auch keine Straf­ barkeit nach § 106 Abs. 1 UrhG. Diese Fallkonstellation ließe sich derart umstellen, dass T den Personen die Musikwerke nicht vorführt, sondern lediglich die in obigen Fallbeispielen beschriebene Vorrichtung umgeht, um den Personen selbst Zugang zu den Werken von U1 und U2 zu verschaffen. Wenn es im Anschluss daran zu Urheberrechtsverletzungen kommt, stünde eine Strafbarkeit wegen unerlaub­ ten Eingriffs in eine technische Schutzmaßnahme nach § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG im Raum. Sofern dies ausschließlich zum eigenen privaten Gebrauch dieser Personen erfolgt, kommt die Privilegierung des § 108b Abs. 1 UrhG in Betracht. Legt man aber bezüglich des mit dem Täter persönlich verbunde­ nen Umfelds einen engeren Maßstab an als bei § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG, wäre eine persönliche Verbundenheit zwischen T und den Personen hier aufgrund lediglich weitläufiger, aber nicht hinreichend freundschaftlicher oder gar fa­ 345  Vgl. hierzu BGH GRUR 1983, 562 (563) – Zoll- und Finanzschulen; BGH NJW 1996, 3084 – Zweibettzimmer im Krankenhaus.



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miliärer Beziehung abzulehnen.346 Eine Privilegierung müsste also ausschei­ den, sodass sich T nach § 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG strafbar machen würde. b) Auswirkungen auf die Zivilrechtsakzessorietät Eine engere Auslegung wäre zumindest dem Vorwurf ausgesetzt, Wer­ tungswidersprüche im Verhältnis von § 106 UrhG zu § 108b UrhG in den Konstellationen zu begründen, in denen der Unrechtsgehalt vergleichbar ist. Jedenfalls wären diese unterschiedlichen Ergebnisse bei einer solch unein­ heitlichen Begriffsinterpretation nur schwer nachzuvollziehen. Es ergäben sich im Falle einer verengten Auslegung aber auch Auswirkun­ gen auf die Zivilrechtsakzessorietät. Sofern das Merkmal der persönlichen Verbundenheit in § 108b Abs. 1 UrhG anders interpretiert würde als in § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG, hätte man es jedenfalls mit einer strafrechtlich abweichen­ den Auslegung desselben Begriffes zu tun (Merkmal 2),347 wodurch gerade kein inhaltlicher Gleichlauf zwischen Straf- und Zivilrecht vorläge (Merk­ mal 1)348. Eine uneinheitliche Auslegung wäre sodann an verfassungsrechtlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes zu messen, wonach zumindest die wesentlichen Anforderungen eines strafrechtlichen Tatbestandsmerkmals hinreichend deutlich normiert sein müssen.349 Sofern das Merkmal der per­ sönlichen Verbundenheit im Zusammenhang mit § 108b Abs. 1 UrhG jedoch enger ausgelegt wird als in § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG, würde dasselbe Merkmal innerhalb zweier Straftatbestände auf unterschiedliche Weise verwendet: Bei § 108b Abs. 1 UrhG verengt und bei § 106 Abs. 1 UrhG über das Merkmal der öffentlichen Wiedergabe in dem Umfang, wie es § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG verlangt. Zwar stellt § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG keinen Straftatbestand dar, dieser wirkt sich aber gerade wegen der Zivilrechtsakzessorietät direkt auf den Straftatbestand des § 106 UrhG aus. Das jedoch ein Begriff innerhalb zweier Straftatbestände unterschiedlich ausgelegt wird, ist im Rahmen der funktionalen Einheit der Rechtsordnung und der Relativität der Rechtbegriffe an sich nicht weiter bedenklich.350 Da jedoch erkennbar keine zielführenden Vorschläge existieren, wie das Merk­ 346  Vgl. Ernst, CR 2004, 39 (42), auf dessen Kriterien hier in Ermangelung wei­ terer tauglicher Ansatzpunkte zurückzugreifen ist. 347  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., II. 348  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., I. 349  Vgl. hierzu und zu den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes bereits Kapitel 2, § 1, C., II. 350  Vgl. Kapitel 2, § 4, B. und E.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

mal der persönlichen Verbundenheit in § 108b Abs. 1 UrhG konkret enger zu fassen sein soll als in § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG, kann das Bedürfnis nach einer unterschiedlichen Begriffsbestimmung nicht das Bedürfnis nach einem in­ haltlichen Gleichlauf überwiegen. Es ist sowohl bezüglich der Privilegierung in § 108b Abs. 1 UrhG als auch bezüglich der Privilegierung in § 15 Abs. 3 S. 2 UrhG auf das gesamte persönliche Umfeld des Täters abzustellen.351

D. Begriff des Verbreitens in § 108b Abs. 2 UrhG Das Recht zur Verbreitung wurde im Zusammenhang mit der Tathandlung des § 106 Abs. 1 UrhG als Recht des Urhebers beschrieben, das Werk oder Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten und in Ver­ kehr zu bringen.352 Dabei knüpft § 106 Abs. 1 UrhG an den Verbreitungs­ begriff des § 17 UrhG an, der sich ausschließlich auf eine Verwertung in körperlicher Form bezieht.353 § 108b Abs. 2 UrhG normiert die Strafbarkeit unter anderem im Falle einer Verbreitung von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen, die einer Umgehung technischer Schutzmaßnahmen dienen. Ausweislich der Gesetzes­ begründung soll eine Verbreitung hier abweichend von § 17 UrhG auch bei einem Angebot oder einem Inverkehrbringen in unkörperlicher Form vorlie­ gen.354 Dies erklärt sich aus dem Schutzzweck des § 95a Abs. 3 UrhG. Die Vorschrift dient dazu, Vorfeldhandlungen in Bezug auf einen späteren Ein­ griff in technische Schutzmaßnahmen des Urhebers oder des Inhabers eines verwandten Schutzrechtes zu sanktionieren.355 Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass im technischen Bereich bereits die Existenz einer Vorrich­ tung eine Gefahr für die Verwertungsrechte des Rechtsinhabers begründen kann. Die Tatobjekte des § 108b Abs. 2 UrhG werden dabei ebenso wie die 351  Die Forderung nach einer einheitlichen Auslegung wird zumindest in dieser Ausdrücklichkeit lediglich aufgestellt von Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 108b Rn. 8. 352  Vgl. oben Kapitel 1, § 1, D., I., 2., b). 353  Dies explizit in Bezug auf den Verbreitungsbegriff in § 106 UrhG feststellend etwa Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 106 Rn. 12; Möhring/NicoliniSternberg-Lieben, § 106 Rn. 25; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 106 UrhG Rn. 52; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 106 Rn. 16. 354  Vgl. BT-Drs. 15/38, S. 26, wonach der Begriff des Verbreitens „von dem auf körperliche Werkstücke beschränkten Verbreitungsrecht des § 17 zu unterscheiden“ sei; vgl. hierzu ferner Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 29; MüKo-StGB-Heinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 11. 355  Vgl. Dreyer/Kotthoff/Meckel/Hentsch-Kotthoff, § 108b Rn. 13; MüKo-StGBHeinrich, 3. Aufl., § 108b UrhG Rn. 11, die in diesem Zusammenhang treffend von „Vorbereitungshandlungen“ sprechen.



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG303

Modalitäten der Tatbegehung weit verstanden,356 sodass selbst die Erbrin­ gung einer Dienstleistung erfasst ist, die auf eine spätere Umgehung gerichtet ist.357 In solchen Fällen besteht eine besondere Gefahr für den Rechtsinha­ ber jedoch nicht erst ab Fertigstellung der Vorrichtungen, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem Wissen und anderes etwa in Form von Dienstleistun­ gen erbrachtes Know-How verbreitet wird. Eine solche Verbreitung erfolgt typischerweise in unkörperlicher Form. I. Bewertung vor dem Hintergrund der Zivilrechtsakzessorietät Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Begriffsverständnisse fragt sich, was dies für das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät bedeutet. Der Be­ griff des Verbreitens wird in § 108b Abs. 2 UrhG anders ausgelegt als in § 17 UrhG, jedoch genauso wie in § 95a UrhG. Es stellt sich also im Verhältnis von § 108b Abs. 2 UrhG zu § 17 UrhG die Frage, ob die abweichende Begriffsauslegung eine Lockerung der Zivil­ rechtsakzessorietät begründet. Insoweit wäre das Merkmal der tatbestand­ lichen Begriffsabhängigkeit betroffen.358 Es ist jedoch zu beachten, dass die urheberzivilrechtliche Ausgangsvorschrift des § 108b Abs. 2 UrhG gerade für das Merkmal der Verbreitung nicht in § 17 UrhG, sondern in § 95a Abs. 3 UrhG zu sehen ist. Die Akzessorietät bezüglich der Tathandlung besteht so­ mit lediglich zu dieser Vorschrift. In diesem Verhältnis ist die Zivilrechts­ akzessorietät jedoch nicht gelockert. Dass der Verbreitungsbegriff in § 108b Abs. 2 UrhG auch das Angebot und das Inverkehrbringen in unkörperlicher Form erfasst, resultiert ja gerade daraus, dass sich der Straftatbestand an seine zivilrechtliche Ausgangsvorschrift, hier also an § 95a Abs. 3 UrhG, anlehnt. Dass die Auslegung des Verbreitungsbegriffs in § 108b Abs. 2 UrhG und in § 95a Abs. 3 UrhG abweichend von § 106 Abs. 1 UrhG und § 17 UrhG erfolgt, stellt kein Problem im Zusammenhang mit der Zivilrechtsakzessorie­ tät dar. Der Kern der Zivilrechtsakzessorietät liegt vielmehr darin, einen in­ haltlichen Gleichlauf zur jeweiligen urheberzivilrechtlichen Vorschrift zu er­ reichen. Dies liegt hier in Bezug auf das Merkmal der Verbreitung aber vor. 356  Vgl. die offene Beschreibung bezüglich des Tatobjekts in § 95a Abs. 2 UrhG: „eine Vorrichtung, ein Erzeugnis oder einen Bestandteil“ sowie die Beschreibung der Tathandlungen: „herstellt, einführt, verbreitet, verkauft oder vermietet“. 357  Vgl. BT-Drs. 15/38, S. 26, wonach bereits die Verbreitung einer Anleitung zur Umgehung einer technischen Maßnahme eine Dienstleistung darstelle, die dem Tatbe­ stand des § 95a Abs. 3 UrhG (und damit auch des § 108b Abs. 2 UrhG) unterfallen soll. 358  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., II.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

Dies wäre anders zu beurteilen, würde der Verbreitungsbegriff im Urhe­ berstrafrecht insgesamt weiter gefasst als im Urheberzivilrecht.359 Dann würden sich Bedenken im Hinblick auf das zivilrechtsakzessorische Merkmal der Strafrechtsbegrenzung360 und auf die ultima-ratio-Funktion des Straf­ rechts ergeben.361 Diese Konstellation liegt hier aber gerade nicht vor. Das Urheberstrafrecht differenziert selbst zwischen einer Verwertung in körper­ licher und unkörperlicher Form. Diese Differenzierung richtet sich im Sinne einer strengen Zivilrechtsakzessorietät konsequent danach, welches Begriffs­ verständnis der jeweiligen mit dem Straftatbestand korrespondierenden zivil­ rechtlichen Vorschrift zugrunde liegt (also etwa §§ 17 und 106 Abs. 1 UrhG auf der einen und §§ 95a Abs. 3 und 108b Abs. 2 UrhG auf der anderen Seite). Im Zusammenhang mit der Zivilrechtsakzessorietät ist insoweit lediglich entscheidend, dass die abweichende Auslegung hinreichend erkennbar ist. Diesbezüglich bestehen jedoch gerade deshalb keine Bedenken, weil § 108b Abs. 2 UrhG ausdrücklich auf § 95a Abs. 3 UrhG verweist. Insoweit ist die inhaltliche Parallele von § 108b Abs. 2 UrhG und § 95a Abs. 3 UrhG dem Straftatbestand eindeutig zu entnehmen. Dass eine Abweichung vom Verbrei­ tungsbegriff in § 17 UrhG vorliegt, ist somit ausschließlich vor dem Hinter­ grund anderer verfassungsrechtlicher Aspekte zu betrachten. II. Verfassungsrechtlicher Bestimmtheitsgrundsatz Unabhängig von der Urheberzivilrechtsakzessorietät steht hier der Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit im Raum. Der Rechtsanwender muss klar und eindeutig erkennen können, welches Verhalten konkret verboten und welches erlaubt ist.362 Daran bestehen jedoch berechtigte Zweifel, wenn in zwei Straftatbestände derselbe Begriff zur Beschreibung der verbotenen Tathand­ lung gebraucht wird, dieser aber jeweils einen unterschiedlichen Inhalt er­ fährt. Sofern im Fall des § 106 Abs. 1 UrhG lediglich eine Verbreitung in körperlicher Form erfasst ist, im Fall des § 108b Abs. 2 UrhG hingegen auch eine Verbreitung in unkörperlicher Form, ist eine hinreichende Erkennbarkeit gefährdet. Dies gilt umso mehr, als der Unwertgehalt der typischen Sachver­ 359  Also etwa dann, wenn jeweils ein einheitlich urheberzivilrechtlicher und ein einheitlich urheberstrafrechtlicher Verbreitungsbegriff auszumachen wäre und dem urheberzivilrechtlichen Verbreitungsbegriff lediglich körperliche Verwertungsformen unterfielen, dem urheberstrafrechtlichen hingegen sowohl körperliche als auch unkör­ perliche. 360  Vgl. Kapitel 3, § 1, A., IV. 361  Vgl. hierzu Kapitel 1, § 2, B., II. 362  Vgl. hierzu bereits Kapitel 2, § 1, C.



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG305

halte der §§ 106 Abs. 1 und 108b Abs. 2 UrhG, wie in obigem Beispiel gesehen,363 durchaus vergleichbar sein kann. Zwar führt auch die unkörperliche Verbreitung eines urheberrechtlich ge­ schützten Werkes nicht zur Straffreiheit des Täters, weil in diesen Fällen meist auch eine öffentliche Wiedergabe und damit eine Strafbarkeit nach § 106 Abs. 1 UrhG vorliegen wird.364 Insoweit drohen zumindest keine Strafbarkeitslücken und auch keine Ungewissheiten über die grundsätzliche Frage der Strafbarkeit. Es steht wegen der unterschiedlichen Inhalte der bei­ den Straftatbestände in den meisten Fällen auch nicht zu befürchten, dass der Täter im Sinne eines Alternativverhältnisses entweder den Tatbestand des § 106 Abs. 1 UrhG oder des § 108b Abs. 2 UrhG erfüllt (und somit nach dem einen straffrei bliebe und sich nach dem anderen strafbar machen würde). Dies alles gilt jedoch nur dann, wenn im Ergebnis tatsächlich auch eine Strafbarkeit wegen unerlaubter Verwertung nach § 106 Abs. 1 UrhG anzu­ nehmen wäre und diese nicht aus anderen Gründen ausscheidet. Vor allem aber bestehen Bedenken im Hinblick auf die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass der Täter nicht nur grundsätzlich, sondern ganz konkret in Bezug auf ein Tatbe­ standsmerkmal erkennen können muss, wann er mit welcher Handlung dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt.365 In diesem Zusammenhang führt eine unein­ heitliche Auslegung des Verbreitungsbegriffs zumindest zu Ungewissheiten bei der Rechtsanwendung und daraus folgend zu verstärkter Rechtsunsicher­ heit. Nichtsdestotrotz dürfte die gegenwärtige Ausgestaltung des § 108b Abs. 2 UrhG auch in Bezug auf das Merkmal der Verbreitung nicht den Vorwurf der Verfassungswidrigkeit begründen.366 Jedenfalls wird die Rechtsunsicherheit dadurch minimiert, dass zumindest der ausdrückliche Gesetzesverweis in § 108b Abs. 2 UrhG die Parallele zur Auslegung in § 95a Abs. 3 UrhG ver­ deutlicht. Dies ändert zwar auch nichts daran, dass der Verbreitungsbegriff des § 108b Abs. 2 UrhG hier im Zusammenhang mit dem Verbreitungsbegriff in § 106 UrhG (i. V. m. § 17 UrhG) steht. Für den Rechtsanwender wird je­ doch zumindest erkennbar, dass sich der Begriff der Verbreitung in demsel­ ben Spannungsverhältnis zwischen körperlicher und unkörperlicher Verbrei­ 363  Vgl.

Kapitel 4, § 5, C., II., 2., a). hierzu Kapitel 1, § 1, D., I., 2., c). 365  So in st. Rspr. etwa BVerfG NJW 1962, 1563 (1565); BVerfG NJW 1968, 1515; BVerfG LMRR 1978, 9; BVerfG NJW 1987, 3175; BVerfG NJW 1989, 1663; BVerfG NVwZ-RR 1992, 521; BVerfG NJW 2016, 3648 (3651); vgl. ferner bereits Kapitel 2, § 1, C., II. 366  So auch Möhring/Nicolini-Sternberg-Lieben, § 108b Rn. 2; Schricker/Loewen­ heim-Kudlich, § 108b Rn. 5; Wandtke/Bullinger-Reinbacher, § 108b Rn. 3. 364  Vgl.

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Kap. 4: Anwendung der Urheberzivilrechtsakzessorietät – Spezielle Grenzen

tung bewegt, wie dies auch bei § 95a Abs. 3 UrhG der Fall ist. Es ist zwar weder ersichtlich noch steht es zu vermuten, dass der Gesetzgeber bei Auf­ nahme dieses Verweises in den Gesetzestext von den eben beschriebenen Erwägungen geleitet war.367 Dies bewirkt dennoch, dass trotz des Vorwurfs der Rechtsunsicherheit und vor allem der mangelnden Bestimmtheit kein endgültiger Einwand der Verfassungswidrigkeit zu erheben ist. Neben der Frage hinreichender Bestimmtheit steht die Frage im Raum, ob und warum der Verbreitungsbegriff innerhalb des Zivilrechts (§§ 17 und 95a UrhG) überhaupt unterschiedlich ausgelegt werden kann. Dies ist im Zusam­ menhang mit der Relativität der Rechtsbegriffe368 und der Frage nach einer Einheit der Rechtsordnung369 zu beantworten. Wie dargelegt, ist bei beiden Aspekten eine funktionale Betrachtung vorzunehmen. Die Fälle des § 108b Abs. 2 UrhG zeichnen sich, wie angedeutet, dadurch aus, dass eine Verbrei­ tung eben häufig in unkörperlicher Form erfolgt, sodass ein umfassenderer Schutz hier im Sinne der Interessen des Rechtsinhabers steht. Insoweit ist das weite Begriffsverständnis auch vor dem Hintergrund der Funktion des Zivilrechts zu sehen, einen gerechten Interessenausgleich zu schaffen. Jeden­ falls stellt die unterschiedliche zivilrechtliche Begriffsauslegung keinen Ver­ stoß gegen die Einheit der Rechtsordnung im funktionalen Sinn dar. III. Zwischenergebnis Die unterschiedliche Auslegung des Verbreitungsbegriffs ist verfassungs­ rechtlich durchaus bedenklich. Dem Vorwurf der Verfassungswidrigkeit ent­ ging der Gesetzgeber aber zumindest durch die Aufnahme des ausdrücklichen Gesetzesverweises in § 108b Abs. 2 UrhG. Wollte sich der Gesetzgeber gänzlich frei vom Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit machen, wäre zu­ sätzlich die Aufnahme eines klarstellenden Hinweises in den Tatbestand des § 108b Abs. 2 UrhG zu erwägen, wonach sich derjenige strafbar macht, der „[…] entgegen § 95a Abs. 3 eine Vorrichtung, ein Erzeugnis oder einen Bestandteil zu gewerblichen Zwecken herstellt, einführt, körperlich oder unkörperlich verbrei­ tet, verkauft oder vermietet.“

Genauso wäre dann freilich auch in § 95a Abs. 3 UrhG zu verfahren. Das Bedürfnis nach diesem klarstellenden Hinweis besteht bei § 108b Abs. 2 UrhG deshalb, weil es sich hier eben um eine Strafvorschrift handelt, die insoweit erhöhten verfassungsrechtlichen Anforderungen im Hinblick auf die Rechtssicherheit und die Ausgestaltung der Tatbestände ausgesetzt ist. Die 367  Vgl. zum Sinn und Zweck der Aufnahme dieses ausdrücklichen Gesetzesver­ weises bereits Kapitel 2, § 1, C., II. 368  Vgl. Kapitel 2, § 4, E. 369  Vgl. Kapitel 2, § 4, B.



§ 5 Inhalt und Grenzen der Zivilrechtsakzessorietät in § 108b UrhG307

Aufnahme eines klarstellenden Hinweises hätte ferner zur Folge, dass sich auch in Bezug auf § 106 Abs. 1 UrhG im Sinne eines Umkehrschlusses schlussfolgern ließe, dass der Verbreitungsbegriff dort gerade nur die körper­ liche Verwertung erfasst. Alternativ wäre darüber nachzudenken, auch in § 108b Abs. 2 UrhG den Verbreitungsbegriff auf eine körperliche Verwertung zu beschränken und stattdessen in § 108b Abs. 2 UrhG – ähnlich der Tat­ handlung der öffentlichen Wiedergabe in § 106 Abs. 1 UrhG – die Tathand­ lung der öffentlichen Zugänglichmachung zu normieren.370 Damit könnte jedenfalls die klassische Unterteilung zwischen körperlicher (Verbreitung) und unkörperlicher Verwertung (öffentliche Wiedergabe) beibehalten werden, auch wenn die mündliche Verbreitung von „Know-How“ auch damit nicht erfasst wäre. Entscheidend ist jedoch, dass sich aus der Perspektive der Zivil­ rechtsakzessorietät trotz uneinheitlicher Verwendung des Verbreitungsbegriffs keine Bedenken ergeben.

370  In diese Richtung gehend Fromm/Nordemann-Ruttke/Scharringhausen, § 108b Rn. 29, wobei diese den überzeugenden Einwand vorbringen, dieser Weg sei „systemkonform(er)“.

Zusammenfassung Dem Urheberstrafrecht liegt das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät zu­ grunde. Dies betrifft grundsätzlich alle Zentraltatbestände der §§ 106  ff. UrhG und zeigt sich in einer inhaltlichen Abhängigkeit der strafrechtlichen von den zivilrechtlichen Vorschriften. Diese Abhängigkeit erfährt an einigen Stellen Aufweichungen, doch führt dies nicht dazu, dass das Prinzip der Zi­ vilrechtsakzessorietät als solches in Frage gestellt werden muss. Der Zivil­ rechtsakzessorietät gelingt es, trotz ihrer Grenzen die tatbestandlich sehr weit gefassten Vorschriften der §§ 106 ff. UrhG vor dem Vorwurf der mangelnden Bestimmtheit zu bewahren. Dies ermöglicht es, die dieser Arbeit übergeord­ net zugrundeliegende Frage dahingehend zu beantworten, dass trotz Lockerungen am Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät festzuhalten ist. Eben weil die Zivilrechtsakzessorietät im Zusammenhang mit dem Be­ stimmtheitsgrundsatz zu betrachten ist, muss sie an sich materiell-rechtlich verstanden werden. Die Akzessorietät verlangt also grundsätzlich einen ma­ teriell-rechtlichen Gleichlauf zwischen Straf- und Zivilrecht, da darüber der tatbestandliche (also eben materiell-rechtliche) Inhalt der §§ 106 ff. UrhG erkennbar gemacht werden soll. In den hier vorgestellten Konstellationen erfolgt letztlich stets ein solcher Gleichlauf; einzig die Konstellation der nachträglichen Genehmigung fällt dabei etwas aus der Reihe. In diesem Fall würde ein materiell-rechtlicher Gleichlauf verlangen, dass die Wirkungen der nachträglichen Genehmigung auf das Strafrecht durchschlagen. Diese Kon­ stellation ist stattdessen prozessual zu lösen, denn in der Rechtsdurchsetzung ist die Zivilrechtsakzessorietät ohnehin gelockert. Insoweit können Unbillig­ keiten selbst dann, wenn die Zivilrechtsakzessorietät materiell-rechtlich zu verstehen ist, prozessual aufgefangen werden. Dies gilt jedenfalls so lange, wie gleichzeitig eine hinreichende Erkennbarkeit des straftatbestandlichen Inhalts gewahrt bleibt. Eben dies ist bei der nachträglichen Genehmigung aber der Fall, da das Urheberstrafrecht von „Einwilligung“ und nie von „Ge­ nehmigung“ spricht, eine „Einwilligung“ aber nach allgemeinen strafrecht­ lichen Grundsätzen lediglich die vorherige Zustimmung meint. Insoweit erübrigt sich zumindest aus der Perspektive der Zivilrechtsakzes­ sorietät auch eine Neubewertung des Verhältnisses des Urheberstrafrechts zum Urheberzivilrecht de lege ferenda. Auf konkreten Anpassungsbedarf, etwa auf die Streichung einzelner Straftatbestände (§ 107 UrhG) oder die Umformulierung von Tatbestandsmerkmalen (§ 108b UrhG), wurde in dieser

Zusammenfassung309

Arbeit jeweils hingewiesen. Darüber hinaus bedarf es aber vor allem keiner Gesetzesanpassungen etwa zur Einschränkung der Strafbarkeiten. Zu erwäh­ nen sind hierbei Überlegungen zur Aufnahme einer Bagatellklausel1 oder einer Beschränkung der Strafbarkeit auf Fälle der Verbreitungsabsicht2. Bei weniger gravierenden Urheberrechtsverletzungen besteht jedoch bereits de lege lata zumindest faktisch eine Straffreiheit, was sich an den Fällen der geringfügigen Überschreitung der Schrankenregelungen gezeigt hat. Solche Überlegungen de lege ferenda würden jedenfalls eine Loslösung des Urhe­ berstrafrechts vom Urheberzivilrecht und insoweit die Aufgabe der Zivil­ rechtsakzessorietät bedeuten. Dies bedarf es jedoch deshalb nicht, weil den Grenzen der Urheberzivilrechtsakzessorietät stets auf andere Weise begegnet werden kann. Die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse lassen sich wie folgt zu­ sammenfassen: – Die strafrechtlichen Vorschriften des Urheberrechts nehmen im Vergleich zu den zivilrechtlichen Vorschriften in der Praxis eine untergeordnete Rol­ le ein, was sich besonders in der Rechtsdurchsetzung und an der geringen Anzahl registrierter und abgeurteilter Straftaten gegen Urheberrechtsbe­ stimmungen zeigt. Dies ist zunächst auf den fragmentarischen Charakter und die ultima-ratio-Funktion des Strafrechts zurückzuführen, resultiert aber vor allem aus Besonderheiten in der Rechtsdurchsetzung des Urhe­ berstrafrechts, da das Legalitätsprinzip in mehrerer Hinsicht Aufweichun­ gen erfährt. – Das materiell-rechtliche Verhältnis des Urheberstrafrechts zum Urheber­ zivilrecht ist geprägt vom Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät. Dieses be­ wirkt eine inhaltliche Abhängigkeit der strafrechtlichen von den zivilrecht­ lichen Vorschriften. Die gegenwärtige Ausgestaltung der §§ 106 ff. UrhG erfährt eine derartige tatbestandliche Weite, dass sie isoliert den Anforde­ rungen des Bestimmtheitsgrundsatzes (Art. 103 Abs. 2 GG) nicht genügen würden. Damit beruht die Zivilrechtsakzessorietät hier auch auf einer verfassungsrechtlichen Notwendigkeit („verfassungskonformitätswahrende Funktion“). Die inhaltliche Anlehnung an das Zivilrecht rechtfertigt sich daraus, dass die zivilrechtlichen Vorschriften die einzelnen Merkmale aus­ differenzierter regeln („informationelles Übergewicht“). Die Zivilrechts­ akzessorietät kann dem Vorwurf mangelnder Bestimmtheit jedoch nur so lange entgegentreten, wie sie streng angewandt wird. 1  So der ursprüngliche Referentenentwurf für ein zweites Zweites Gesetz zur Rege­ lung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft; abrufbar unter: http://www. urheberrecht.org/topic/Korb-2/bmj/760.pdf; letzter Aufruf: 27.02.2020, 17:50 Uhr. 2  Vgl. Weber, S.  434 ff.

310 Zusammenfassung

– Die zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung muss aus dem Straftatbestand selbst heraus erkennbar sein. Das Urheberstrafrecht gewährleistet dies überwiegend durch Verwendung derselben Begriffe wie in den urheber­ zivilrechtlichen Vorschriften, teilweise aber auch durch ausdrückliche Ge­ setzesverweise. – Eine allgemeine Akzessorietät ist dem Strafrecht fremd. Deshalb muss ein Begriff im Strafrecht grundsätzlich auch nicht zwingend genauso ausge­ legt werden wie in anderen Rechtsgebieten. Dies entspricht auch dem Verständnis der Relativität der Rechtsbegriffe und der Einheit der Rechts­ ordnung, wonach sich die Auslegung strafrechtlicher Begriffe an den je­ weiligen Funktionen des betroffenen Rechtsgebiets orientieren muss. Die Frage nach einer strafrechtsautonomen Begriffsauslegung ist im Urheber­ strafrecht also vorrangig am Maßstab der Zivilrechtsakzessorietät zu mes­ sen. – Der inhaltliche Gleichlauf zwischen dem Urheberstraf- und Urheberzivil­ recht wird in erster Linie über die straftatbestandlichen Begriffe erreicht. Die Zivilrechtsakzessorietät stellt insoweit den Grundsatz Begriffsgleich­ heit = Inhaltsgleichheit auf. Weitere charakteristische Merkmale der Zivil­ rechtsakzessorietät lassen sich dadurch beschreiben, dass das Strafrecht die gleichen Rechtsgüter schützt wie das Zivilrecht und dass das Strafrecht nicht über das Zivilrecht hinausgeht. – Sofern charakteristische Merkmale der Zivilrechtsakzessorietät nicht zur Geltung gelangen, ist die Zivilrechtsakzessorietät gelockert. Das Prinzip der Akzessorietät selbst wäre aber erst dann in Frage gestellt und durch­ brochen, wenn durch die Lockerung die Anforderungen des verfassungs­ rechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes verletzt würden. Ausnahmen vom Grundsatz der strengen Zivilrechtsakzessorietät sind also stets daran zu messen, ob trotz Lockerung noch eine hinreichende Bestimmtheit der §§ 106 ff. UrhG gewahrt ist. Die strafrechtsautonome Auslegung eines identisch normierten Begriffs würde das Prinzip der Zivilrechtsakzessorie­ tät dabei am ehesten durchbrechen. – Die nachträgliche Genehmigung entfaltet auch im Urheberstrafrecht keine rechtfertigende Wirkung. Materiell-rechtlich lässt sie die Strafbarkeit des Täters nicht entfallen. Sie ist jedoch in einen Verzicht auf die Stellung respektive in die Verpflichtung zur Rücknahme eines Strafantrags umzu­ deuten. Ein Auseinanderfallen der straf- und zivilrechtlichen Rechtslage ist hier praktisch nicht möglich. – Das Urheberstrafrecht erfasst ausschließlich vorsätzliches Handeln, es existiert keine Fahrlässigkeitsstrafbarkeit. Hier wirken sich strafrechtlich relevante Irrtümer aus. In der Tendenz weicht die strafrechtliche Bewer­ tung im Hinblick auf die Sanktionsbedürftigkeit von der zivilrechtlichen

Zusammenfassung311

Bewertung eher bei tatsächlichen Irrtümern ab. Eine hinreichende Be­ stimmtheit bleibt aber stets gewahrt. – Analogiebildungen spielen im Urheberrecht kaum eine Rolle, weil die zi­ vilrechtlichen Vorschriften allesamt weit gefasst und darauf ausgerichtet sind, auch neuartige Werk- oder Verwertungsformen zu erfassen. Insoweit kann von einer „gesetzlich angeordneten Analogie“ gesprochen werden. – Eine Einschränkung des strafrechtlichen Werkbegriffs ist in § 106 Abs. 1 UrhG nicht angezeigt. Der inhaltliche Gleichlauf zum Zivilrecht ist beim Merkmal der „gesetzlich zugelassenen Fälle“ nicht ohne weiteres erkenn­ bar, dafür bedarf es einer „urheberzivilrechtsakzessorischen Auslegung“. Eine Einschränkung der Strafbarkeit bedarf es in den Fällen, in denen eine Schrankenregelung nur geringfügig überschritten wird. Eine strafrechtsau­ tonome Auslegung würde jedoch das Prinzip der Zivilrechtsakzessorietät durchbrechen, die Irrtumslehre erweist sich im Hinblick auf negative Tat­ bestandsmerkmalen als nicht tauglich. Diese Fälle sind vielmehr prozes­ sual zu lösen. – Das Urheberpersönlichkeitsrecht erfährt in § 107 UrhG nur sehr rudimen­ tären strafrechtlichen Schutz. Der zivilrechtliche Schutz geht darüber weit hinaus. Dies stellt aber kein Problem der Zivilrechtsakzessorietät dar. Dennoch ist die Vorschrift aufgrund der Bedeutungslosigkeit der von ihr geregelten Konstellationen zu streichen. – In § 108b UrhG sollte eine einheitliche Form der Verweisung auf die ur­ heberzivilrechtlichen Vorschriften erfolgen. Die unterschiedliche Verwei­ sungstechnik in § 108b UrhG ist vor dem Hintergrund des Bestimmtheits­ grundsatzes bedenklich.

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Stichwortverzeichnis Abwägung  146 f., 180 f., 235 ff., 255 Akzessorietät –– allgemeine  122 ff. –– Begriff  80 ff. –– des Strafrechts im Allgemei­ nen  104 ff. –– des Zivilrechts im Allgemei­ nen   102 ff. –– Dogmatik  82 ff. –– Durchbrechung  145 ff. –– Funktion  86 ff. –– Historie  36 f. –– Lockerung  145 –– Merkmale  140 ff. Amtsermittlungsgrundsatz  75, 78 Analogieverbot  210 ff. Anbieten  48 f., 302 f. Anstiftung  29, 104 f. Auslegung  83 ff., 88 ff., 122 ff., 210 ff., 229 ff. Bearbeitung  45 f., 155, 219 Begriffsidentität  84 f., 142, 233, 229 ff. Beibringungsgrundsatz  69 ff. Beihilfe  29, 104 f. besonderes öffentliches Interesse  73 f., 179 ff., 255 Bestimmtheitsgrundsatz  86 ff., 119 f., 145 ff., 161 ff., 184, 207, 220, 231 f., 304 ff. Blankett  108 ff., 247 f. Computerprogramme  40 f., 59 f. deskriptive Tatbestandsmerkmale  195, 244 ff.

Einheit der Rechtsordnung  125 ff., 185, 301, 306 Einwilligung –– als Rechtfertigungsgrund  53 f., 152 f. –– als Tatbestandsausschließungs­ grund  264 f. Einwilligungsberechtigung  154 ff., 263 Einwilligungserklärung  156 f. Einwilligungsfähigkeit  158 ff. Entstellung  273 f. Fahrlässigkeit  30, 52, 68, 145 ff., 186 ff., 243 ff., 285 ff. Funktionalisierung  75 fragmentarischer Charakter  131 ff., 208, 271 ff. freie Benutzung  45 f. Genehmigung –– als Rechtfertigungsgrund  168 ff., 172 f. –– persönlicher Strafaufhebungs­ grund  175 f. –– rückwirkende Abtretung  173 ff. –– schwebende Unwirksamkeit  170 ff. –– staatlicher Strafanspruch  168 ff. –– strafprozessuale Lösung  177 ff. Geringwertigkeit  76, 79, 254 ff. gesetzlich zugelassener Fall  50 f., 228 ff., 232 ff. Gewerbsmäßigkeit  72 ff., 181 f., 279 f. informationelles Übergewicht  84 ff., 97, 220, 230, 237 Internet  28, 50, 62, 71 Inverkehrbringen  48 ff., 302 f. Irrtum –– Erlaubnisirrtum  197, 202 ff.

330 Stichwortverzeichnis

–– Erlaubnistatbestandsirrtum  30, 196, 202 ff. –– Tatbestandsirrtum  52 f., 189 ff. –– über normative Tatbestandsmerk­ male   194 f., 244 ff. –– Verbotsirrtum  52, 54, 192 ff.

Schutzmaßnahmen (technische)  58 f., 280 ff. Strafantrag  72 ff., 169, 177 ff., 254 f. Strafrechtsautonomie  101, 127 ff., 241 f. Strafverfolgungsstatistik  63

Kleine Münze  42 Konkurrenzen  30 f.

Täterschaft –– Mittäterschaft  29 –– mittelbare  29 –– unmittelbare  29 Territorialitätsprinzip  28 f.

Legalitätsprinzip  69 ff., 180 f. Leistungsschutzrechte  siehe verwandte Schutzrechte Lizenz –– ausschließliche  54, 149 ff., 196 ff. –– einfache  54, 149 ff., 196 ff. –– Einräumung  48, 149 ff., 173, 180 –– Unterlizenzierung  151 Lizenzanalogie  77 Mengenlehre  134 ff., 144 normative Tatbestandsmerkmale  144, 194 f., 244 ff. öffentliche Wiedergabe  50, 217, 300 f. öffentliches Interesse  72 ff. Öffentlichkeit  48 ff., 298 ff. Ordnungsfunktion  66 ff., 280 Polizeiliche Kriminalstatistik  61 ff. privater Gebrauch  234 ff., 295 ff. Privatklageweg  76 ff., 255 f. Privatkopieausnahme  51 f., 234 ff. Privilegien  33 ff. Relativität der Rechtsbegriffe  137 ff., 301, 306 Schadensersatz  61 ff., 71 ff., 104, 199 ff. Schöpfungshöhe  41 f. Schrankenregelungen  siehe gesetzlich zugelassener Fall Schutzfrist  53, 191 ff. Schutzlandprinzip  28 f.

ultima-ratio  68 f., 130, 133, 137, 146, 237, 241, 243, 254 ff., 271 ff., 279, 292, 297, 304 Umgestaltung  46 f., 219 Unterlassen  29 Urheberbezeichnung  55 f., 261 ff. Urhebernennungsrecht  266, 271 Urheberpersönlichkeitsrecht  55 f., 258 ff. Verbreitung  48 f., 302 ff. Verhältnismäßigkeit  133, 233 ff., 297 ff. Veröffentlichung  272 f. Versuch –– erfolgloser  46 –– Strafbarkeit  29 f. –– untauglicher  198 ff. Vervielfältigung –– Begriff  47 ff. –– einzelne  234 ff. verwandte Schutzrechte  57 ff., 278 ff. Vorsatz  30, 52 f. –– Absicht  187, 284 ff. –– bedingter Vorsatz  188, 284 –– direkter Vorsatz  187 f. Werkbegriff  38 ff., 224 ff. Zugangsermöglichung  285 ff. Zustimmung  165, 288 ff.