Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.] 9783428472666, 9783428072668


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Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.]
 9783428472666, 9783428072668

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HUBERTUS GERS DORF

Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland

Schriften zu Kommunikationsfragen Band 17

Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland

Von Dr. Hubertus Gersdorf

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Gersdorf, Hubertus: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung der Bundesrepublik Deutschland / von Hubertus Gersdorf. Berlin : Duncker und Humblot, 1991 (Schriften zu Kommunikationsfragen ; Bd. 17) Zug!.: Hamburg, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07266-9 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1991 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0935-4239 ISBN 3-428-07266-9

Meinen Eltern und Gudrun

"Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen." (So die urspüngliche Formulierung des Art. 1 Abs. 1 GG im Chiemsee-Entwurf, JöR n.F. 1 [1951], S. 48)

Vorwort

Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 1991 von dem Fachbereich Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Schrifttum konnten bis zum Juni 1991 berücksichtigt werden. Es entspricht meinem Herzenswunsch, einigen Personen Dank zu sagen, die zu dem Entstehen dieses Buches beigetragen haben. Dies gilt zuvörderst für meinen Doktorvater, dem Justitiar des Zweiten Deutschen Fernsehens, Herrn Professor Dr. Carl-Eugen Eberle, der mein Interesse am Rundfunkrecht geweckt hat und von dem ich seinerzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter wesentliche Impulse erhalten habe. Von ihm habe ich gelernt, "tradierte Formeln" kritisch zu hinterfragen und sich der Lösung von Rechtsproblemen mit Phantasie und Kreativität zu widmen. Er versteht es wie nur wenige, Fordern und Gewährenlassen in einer Weise zu verbinden, daß fruchtbares Zusammenwirken gedeihen kann. Ich bin ihm für seine tolerante Haltung dankbar, mit der er meine Arbeit begutachtet hat. Obwohl er einige meiner Positionen nicht teilen konnte, konnte ich mir eines fairen Urteils stets sicher sein. Ich habe gelernt, daß Recht kein selbstgesteuertes System darstellt. Das Rundfunkrecht bietet für diesen Befund ein Paradebeispiel. Die Versuchung, "Recht" der Lebenswirklichkeit anzugleichen und diese Faktizitäten mit dem Mäntelchen der Rechtmäßigkeit zu bekleiden, ist in diesem Bereich besonders stark ausgeprägt. Doch auch hier gilt: ex iniuria ius non oritur. Für seine gründliche Durchsicht der Arbeit und rasche Erstellung des Zweitvotums habe ich Herrn Professor Dr. Peter Seim er zu danken. Zu danken habe ich ferner Herrn Professor Dr. Ingo von Münch für alles, was er für mich getan, was er mir gegeben hat, für die Förderung und Betreuung während meines Studiums, für die Faszination am Öffentlichen Recht, die er mir vermittelt hat, und dafür, daß er mir spontan für die Anfertigung meiner Dissertation seine rundfunkrechtliche Literatur zur Verfügung gestellt hat. Schließlich bin ich Herrn Gunter Böttcher zu Dank verpflichtet, der mich in seiner hilfsbereiten und liebenswerten Art bei der Textverarbeitung unterstützt hat.

8

VOIwort

Dieses Buch ist mit Unterstützung der Universität Hamburg gedruckt. Es ist meinen Eltern und Gudrun gewidmet. Sie haben Grundlagen geschaffen für seine Entstehung. Hamburg, im Juli 1991

Hubertus Gersdorf

Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis .............................................. 17 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 19 Erster Teil Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

22

Erstes Kapitel Die RechtsprKhung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks

............ 22

I.

11.

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ........................ 22 1. Das erste Fernseh-Urteil ...................................... 2. Das MehlWertsteuer-Urteii .................................... a) Entscheidungsgründe der Senatsmehrheit ....................... b) Abweichende Meinung der Richter Dr. Geiger, Dr. Rinck und Wand ... 3. Das FRAG-Urteil .......................................... 4. Der "freie Mitarbeiter"-Beschluß ................................ 5. Der Rundfunkrat-Beschluß ................................... 6. Das Niedersachsen-Urteil ..................................... 7. Der Baden-Württemberg-Beschluß ............... . .............. 8. Das Nordrhein-Westfalen-Urteil ................................ 9. Zusammenfassung ..........................................

22 24 24 26 27 29 30 30 36 37 40

Sonstige Rechtsprechung ........................................ 1. Urteil des OVG Lüneburg zur Zusammensetzung des NDR-Rundfunkrates . 2. Entscheidung des BayVerfGH zum Bayerischen MEG ................ 3. Vorlagebeschluß des BayVGH betreffend die Verfassungsmäßigkeit der Gebührenfestsetzung durch die Landesparlamente ................ 4. Entscheidung des BayVerfGH zur Zusammensetzung des Verwaltungsrates des ZDF und seiner Ausschüsse ................................ 5. Zusammenfassung ..........................................

42 43 44 45 46 49

Zweites Kapitel Die Literatur zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks .................. 50 I.

Ursprung

.................................................. 50

11.

Inhalt ..................................................... 52

111. Reichweite .................................................. 53

Inhaltsverzeichnis

10

IV. Adressatenkreis .............................................. 54 V.

Zusammenfassung ............................................. 57 Zweiter Teil Grundlegung

58

Erstes Kapitel

Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks .................... 58 I.

II.

Das demokratische Prinzip der Volkssouveränität ...................... 1. Rückkoppelung durch öffentliche Meinung ........................ a) Definitionsprobleme ....................................... b) Ideengeschichtliche Ursprunge des Ideals der freien Bildung der öffentlichen Meinung ........................ c) Funktionen der öffentlichen Meinung .......................... (1) Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kontrolle und Legitimation ............................... d) Rückkoppelungsbedingungen ................................ e) Rundfunk im Gefüge gesellschaftlicher und staatlicher Meinungs- und Willensbildungssysteme ................................... (1) Problemstellung ....................................... (2) Staatliche und öffentliche Aufgaben ......................... (3) Stellung und Funktion des Massenmediums Rundfunk im Prozeß freier Meinungs- und Willensbildung ........................ (4) Rundfunk als nicht-staatliche, öffentliche Aufgabe .............. 2. Staatsfreiheit des Rundfunks als Ausdruck des Prinzips der Volkssouveränität ..............................................

58 59 59 61 62 62 63 64 68 68 68 69 70 71

Die Chancengleichheit bei der politischen Mitwirkung ................... 73

III. Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) ........... 78 IV. Das Gebot der Pluralität im Rundfunk ............................. 79 V.

Das Prinzip der Gewaltenteilung ..................... . ...........

82

Zweites Kapitel

Schutzbereit:h des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks ................. 85 I.

Geschützte Inhalte(Themen ....................................

85

11.

Staatsfreiheit als Verbot demokratiewidriger Beeinflussung des publizistischen Wirkungskreises .............................................. 1. Grundsätzliches ............................................ 2. Reichweite des Schutzes ...................................... a) Staatsfreiheit als Beherrschungs- und Auslieferungsverbot ............ b) Staatsfreiheit als Einmischungs- und Beeinträchtigungsverbot ........

89 89 90 90 91

111. Indikatoren für demokratiewidrige Beeinflussungen des publizistischen Wirkungskreises ................................... 93 1. Staatliche Beteiligung am Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes 93 2. Wettbewerbsverzerrung ....................................... 94

Inhaltsverzeichnis

11

IV. Möglichkeiten staatlicher Einwirkungen ............................ 98 1. Unmittelbare Einwirkungen .................................... 98 2. Mittelbare Einwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 a) Einleitung .............................................. 98 b) Abgrenzungskriterien ...................................... 99 (1) Finalität ............................................ 99 (2) Grundrechtsrelevante Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 100 (a) Manipulierung der Realisierungsbedingungen der Rundfunkfreiheit .................................. 100 (b) Belastende und begünstigende Einwirkungen .............. 101 3. "EinbruchsteIlen" für staatliche Einwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 102 a) Flexibilität ............................................ 102 b) Regelung eines Einzelfalles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103 V.

Adressatenkreis ............................................. 1. Regierung, parlamentarische Regierungsmehrheit und parlamentarische Opposition ............................................... 2. Gesetzgeber ............................ , ................ , 3. Politische Parteien ......................................... 4. Kommunale Gebietskörperschaften ............................. 5. Hochschulen ............................................. 6. Kirchen ................................................ 7. Gerichte und Rechnungshöfe ................................. 8. Berufskammem ........................................... 9. Landesmedienanstalten ...................................... a) Einleitung ............................................. b) Der Standort der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Staatsgefüge ........................................... c) Der Standort der Landesmedienanstalten im Staatsgefüge .......... (1) Zulassungsfunktionen .................................. (2) Aufsichtsfunktionen ................................... (3) Landesmedienanstalten als genuin staatsfreie Gebilde ...........

104 104 105 106 108 110 111 112 113 114 115 116 117 118 121 127

Drittes Knpitel Reichweite der Regelungsbefugnis des (parlamentarischen) Gesetzgebers im Bereiche des Rundfunkwesens ....................................... 129 I.

Einleitung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 129

11.

Grundsätzliches ............................................. 132

III. Verfassungstheoretische Begründungsansätze für den Parlamentsvorbehalt ... 1. Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. a) Verhältnis von Rechtsstaatsprinzip und Grundrechten ............. b) Weitere Einwände gegen eine Herleitung des Parlamentsvorbehaltes aus dem Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Demokratieprinzip ......................................... a) Formale demokratische Legitimation .......................... b) Das Verfahren parlamentarischer Rechtserzeugung ............... (1) Spezifika parlamentarischer Rechtserzeugung ................. (a) Mitwirkung mehrerer Beteiligter ....................... (b) Mehrere Lesungen im Gesetzgebungsverfahren ............. (c) Publizität ........................................ (2) Bedeutung dieser Spezifika für das verfassungsdogmatische Verständnis des Parlamentsvorbehaltes .....................

133 133 133 134 137 138 140 140 140 141 142 143

12

Inhaltsverzeichnis (a) Parlamentsvorbehalt und erhöhte "Richtigkeitsgewähr" parlamentarischer Entscheidungen ...................... (b) Maßstab für die Richtigkeit: Insbesondere die Grundrechte ... (c) Vetwirklichung der Grundrechte durch das Gesetzgebungsverfahren ........................................ c) Zusammenfassung und Ergebnis .............................

143 144 145 146

IV. Teleologische Reduktion des rundfunkspezifischen Parlamentsvorbehaltes .... 147 Dritter Teil Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Erstes Kapitel Die LandesmedienanstaIten I.

11.

Die Landesmedienanstalten als Träger der Rundfunkfreiheit ............. 1. Kriterien des Bundesverfassungsgerichts zur Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen des öffentlichen Rechts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Staatsunabhängigkeit der Landesmedienanstalten ................. b) Tätigwerden in grundrechtstypischer Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (1) Nicht-programmbezogene Entscheidungsbefugnisse ............. (2) Programmbezogene Entscheidungsbefugnisse ................. (a) Vielfaltssichernde und -fördernde Effekte des Tätigwerdens der Landesmedienanstalten ........................... (b) Staatsfreiheit der Landesmedienanstalten als Schutzschirm gegen staatliche Eingriffe in die Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. c) Ergebnis .. , ........................................... Bedingungen für die Gewährleistung der Staatsfreiheit der Landesmedienanstalten ............................................. 1. Organisationsform ......................................... 2. Besetzung der Kontrollgremien der Landesmedienanstalten . . . . . . . . . . .. a) Organe und Aufgabenverteilung ............................. b) Besetzung des Hauptorgans ................................ (1) Pluralistische Zusammensetzung des Hauptorgans .............. (2) Sachverständige kollegiale Zusammensetzung des Hauptorgans .... (3) Das Hamburgische Mischmodell .......................... c) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besetzung des Hauptorgans ... (1) Verfassungsrechtliche Notwendigkeit für eine pluralistische Zusammensetzung der Landesmedienanstalten ................ (a) Zulassung und Aufsicht privaten Rundfunks als gesellschaftliche Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. (b) Gremienbesetzung und Staatsunabhängigkeit .............. (aa) Pluralistische Gremienstruktur .................... < 1 > Repräsentanz staatlicher Vertreter ............ Repräsentanz von Vertretern politiSCher Parteien .. Bestellung der Vertreter gesellschaftlicher Gruppen durch Bestätigung des Parlamentes? ........... (Demokratische) Legitimation der Vertreter gesellschaftlicher Gruppen . . . . . . . . . . . . . ..

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Inhaltsverzeichnis Parlamentarische (Aus-) Wahl der Vertreter gesellschaftlicher Gruppen versus Gebot der Staatsfreiheit ........................ (bb) Sachverständige kollegiale Gremienstruktur ........... (c) Ergebnis ........................................ (2) Exkurs: Geringere ArbeitseffIZienz zahlenmäßig großer gruppenpluraler Gremien ............................... d) Bewertung der landesrechtlichen Regelungen .................... 3. Staatliche Rechtsaufsicht über die Landesmedienanstalten . . . . . . . . . . . .. a) Grundsätzliche Zulässigkeit einer staatlichen Aufsicht ............. (1) Der öffentlich-rechtliche Charakter der Landesmedienanstalten als Anknüpfungskriterium? ......................... (2) Verantwortlichkeit des Staates für die durch Gesetz geschaffenen Landesmedienanstalten ....................... b) Aufsichtsmaßstab ....................................... c) Aufsichtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Finanzierung der LandesmeJienanstalten ......................... a) Gebühren für Amtshandlungen, Auslagenersatz, Anbieterabgaben sowie Kabelabgaben bzw. Teilnehmerentgelte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Finanzierung durch Beteiligung an der allgemeinen Rundfunkgebühr .. (1) Grundsätzliche Zulässigkeit ............................. (2) Das Gebot der Staatsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Grundsätzliches ................................... (b) Unzulässiger staatlicher Einfluß durch Aufteilung der staatsvertraglichen Mittelzuweisung? . . . . . . . . . . . . . . . . . .

13

190 192 194 195 197 199 199 200 201 202 205 208 208 209 210 212 212 213

Zweites Kapitel Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten zur Nutzung von Rundfunkübertragungen ................................. 219 I.

Verfassungsrechtliche Vorgaben ................................. 1. Einleitung ............................................... 2. Das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks ...................... a) U nzulässigkeit einer Vergabe durch staatliche Stellen . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliches ...................................... (2) Staatliche Entscheidungskompetenz in bezug auf den öffentlichrechtlichen Rundfunk .................................. (a) Gewährleistung bestehender Senderechte ................. (aa) Sendetechnischer Bestandsschutz aus der Grundversorgungsaufgabe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Sendetechnischer Bestandsschutz aus grundrechtlich verfestigtem Funktionsgewährleistungsanspruch? ....... (cc) Organisationsrechtlich begründete Funktionsgewährleistung? .................................... (dd) Ergebnis .................................... (b) Vergabe neuer Senderechte ........................... (aa) Rundfunkrestversorgung ......................... (bb) Programmexpansion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . < 1 > Programmautonomie oder staatliche Programmermächtigung'? ........................... Konfliktfelder in der Vergangenheit ........ Organisationsvorbehalt ................. Selbstverwaltungsgarantie und Programmautonomie ..........................

219 219 221 223 223 226 226 227 230 231 232 232 232 234 235 236 238 240

14

Inhaltsverzeichnis < d > Anstaltliches und staatliches Kondominium: Gesetzesvorbehalt für zusätzliche öffentlichrechtliche Programme . . . . . . . . . . . . . . . . . . < 2 > Ergebnis ............................... b) Vergabe von Übertragungskapazitäten auf Fernmeldesatelliten ....... 3. Alternative Regelungsmodelle für das Vergabeverfahren von technischen Übertragungskapazitäten ........................ a) Aufteilung zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Landesmedienanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit der Landesmedienanstalten ...................... (1) Problemfall: Aufteilungsentscheidung bei Mehrländeranstalten (2) Problemfall: Aufteilung von Satellitenkanälen . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Problemfall: Bundesrundfunkanstalten ...................... 4. Reichweite des rundfunkspezifischen Parlamentsvorbehaltes ........... a) Befugnis des Gesetzgebers zur Schaffung eines rundfunkrechtlichen Ordnungsrahmens ....................................... b) Konkretisierung des territorialen und sachlichen Funktionsbereiches der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Landesmedienanstalten

11.

Landesrechtliehe Regelungen: Bestandsaufnahme und verfassungsrechtliche Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verfahren zur Vergabe terrestrischer Frequenzen ............... a) Frequenzplanung unter Einbeziehung der für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk vorgesehenen Frequenzen ........... (1) Formelle Frequenzplanung durch den Landtag ................ (2) Formelle Frequenzplanung durch die Landesregierung beziehungsweise den ~inisterpräsidenten ................... (a) Hessen .......................................... (b) Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Nordrhein-Westfalen ................................ (d) Bewertung ....................................... (3) Frequenzplanung durch die Landesmedienanstalt .............. (a) Baden-Württemberg ................................ (b) Berlin .......................................... (c) Saarland ......................................... (d) Bewertung ....................................... (4) Frequenzplanung durch kooperative Vereinbarung zwischen Landesmedienanstalt und Landesrundfunkanstalten . . . . . . . . . . . . . (5) Informelle Frequenzplanung durch die Staats- bzw. Senatskanzlei . . . b) Isolierte Frequenzplanung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk .... (1) Gewährleistung bereits genutzter Übertragungskapazitäten ....... (2) Vergabe neuer Übertragungskapazitäten .................... c) Isolierte Frequenzplanung für den privaten Rundfunk ............. d) Rundfunkstaatsvertrag .................................... 2. Das Verfahren zur Vergabe von Kabelkanälen ..................... 3. Das Verfahren zur Vergabe von Satellitenkanälen .... .. . . .......... a) Rundfunksatelliten ....................................... (1) Fernsehkanäle für private Rundfunkveranstalter ............... (a) "Nordschienenstaatsvertrag" ........................... (b) "Südschienenstaatsvertrag" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) "Westschienenstaatsvertrag" ........................... (d) Bewertung ....................................... (2) Fernsehkanäle für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ...

244 250 251 253 254 259 261 263 265 267 268 273 278 279 279 280 282 282 283 283 284 285 285 286 286 287 287 289 291 291 291 293 294 296 298 298 299 299 300 300 301 302

Inhaltsverzeichnis (3) Entscheidung über eine andeIWeitige Nutzung von Rundfunksatellitenkanälen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fernmeldesatelliten ...................................... (1) ECS-F 1 und Intelsat V-F 12 ............................. (2) DFS Kopernikus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

304

305 305 306

Drittes Kapitel

Finanzierung des öffentIich-l'Khtlkhen Rundfunks

I.

11.

Finanzierung durch Rundfunkgebühren ............................ 1. Rechtsnatur der Rundfunkgebühr .............................. 2. Das Verfahren zur Festsetzung der Höhe der Rundfunkgebühr ......... a) Einwände gegen das bislang praktizierte Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühr ..................................... b) Rechtliche Würdigung des gegenwärtig praktizierten Verfahrens zur Festsetzung der Rundfunkgebühr (Art. 4 RfStV) .............. (1) Auslegung im Lichte der gebotenen Staatsunabhängigkeit der Rundfunkanstalten .................................... (2) Zusätzliche Bewertungskriterien .......................... (a) Schutz der gebührenzahlenden Rezipienten ............... (b) Schutz der privaten Rundfunkveranstalter . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Funktionsgerechte VeIWendung des Gebührenaufkommens .... (3) Ganzheitliche Auslegung unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Belange ..................... (4) Rechtliche Würdigung der Tätigkeit der KEF ................ (5) "Föderalistische Brechung" als wirksamer Filter für unzulässige staatliche Einflußnahme? ............................... (6) Finanzgewährleistungsanspruch .......................... (7) Abschließende Bewertung .............................. 3. Alternative Regelungsmodelle zur Festsetzung der Rundfunkgebühr ..... a) Dynamisierung der Rundfunkgebühr .......................... b) Indexierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Gebührenfestsetzung durch die Rundfunkanstalten ............... d) GebÜhrenfestsetzung durch die Rundfunkanstalten bei gesetzlich definierten Aufgaben ..................................... e) Gebührenfestsetzung durch ein unabhängiges Sachverständigengremium oder durch die Parlamente bei vorgeschalteter "reformierter KEF" .... f) GebÜhrenfestsetzung durch die Landesmedienanstalten in Kooperation mit einem kollegial zusammengesetzten Gremium von unabhängigen Sachverständigen ........................................ Finanzierung durch Werbeeinnahmen ............................. 1. Auswirkungen der Werbekontingentierung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ............................................... 2. Werbekontingentierung und Staatsfreiheit des Rundfunks ............. 3. Parlamentsvorbehalt für Änderungen der Gesamtdauer der Werbung und der tageszeitlichen Begrenzung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rundfunkbezogene Bestimmungskriterien ...................... b) Nicht-rundfunkbezogene Bestimmungskriterien .................. 4. Anstaltliches und staatliches Kondominium .......................

309

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16

Inhaltsverzeichnis Vierter Teil Zusammenfassung und rechtspolitisc:her Ausblitk

372

Ergebnisse der Untersuthung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 Literaturverzeithnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378

Abkürzungsverzeichnis ARD

Arbeitsgemeinschaftderöffentlich-rechtlichen Rundfunkanstaltender Bundesrepublik Deutschland

BayRuFuG

Gesetz über die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts "Der Bayerische Rundfunk" (Bayerisches Rundfunkgesetz)

BremLMG

Bremisches Landesmediengesetz

DW/DLF-G

Gesetz über die Errichtung der Rundfunkanstalten des Bundesrechts

HmbMedienG

Hamburgisches Mediengesetz

HPRG

Gesetz über den privaten Rundfunk in Hessen (Hessisches Priva trundfunkgesetz)

HR-G

Gesetz über den "Hessischen Rundfunk"

KPPG Berl

Kabelpilotprojektgesetz und Versuchsgesetzfür drahtlosen Rundfunk im Land Berlin (Kabelpilotprojektgesetz)

LMG Bad-Württ

Landesmediengesetz Baden-Württemberg

LRG Nds

Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz

LRGNW

Rundfunkgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen

LRG Rh-Pf

Landesrundfunkgesetz Rheinland-Pfalz

LRG Saarl

Landesrundfunkgesetz für das Saarland

LRG Schl-H

Landesrundfunkgesetz für das Land Schleswig-Holstein

NDR-StV

Staatsvertrag über den Norddeutschen Rundfunk (NDR)

MEG Bay

Gesetz über die Erprobung und Entwicklung neuer Rundfunkangebote und anderer Mediendienste in Bayern (Medienerprobungs- und -entwicklungsgesetz)

RB-G

Gesetz über die Errichtung und die Aufgaben einer Anstalt des öffentlichen Rechts "Radio Bremen"

SFB-Satzung

Satzung der Rundfunkanstalt "Sender Freies Berlin"

SDR-G

Gesetz Nr. 1096 Rundfunkgesetz

SWF-G

Staatsvertrag über den "Südwestfunk"

2 Gersdorf

18

Abkürzungsverzeichnis

WDR-G

Gesetz über den "Westdeutschen Rundfunk Köln"

ZDF-StV

Staatsvertrag über die Errichtung der Anstalt des öffentlichen Rechts "Zweites Deutsches Fernsehen"

Wegen der übrigen Abkürzungen siehe Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Auflage, Berlin, New York 1982.

Einleitung Wenn es noch eines Beweises für die essentielle Bedeutung des Rundfunks für Staat und Gesellschaft bedurft hätte, dann wäre dieser durch die Ereignisse bei der friedlichen Revolution jenseits des "eisernen Vorhanges" im Jahre 1989 erbracht worden: Die selbsternannten kommunistischen Herrscher ließen durch Soldaten und Panzer die Fernsehzentren ebenso hermetisch abriegeln wie die Regierungszentralen. Ihnen war bewußt, daß ihre Macht ein schnelles Ende nehmen würde, wenn sich das Volk des Rundfunks bemächtigen könnte. Doch auch in den freiheitlich verfaßten westlichen Demokratien ist die Versuchung für die maßgeblichen Politiker groß, auf den Rundfunk Einfluß zu gewinnen. Der herausragende Stellenwert des Rundfunks für die öffentliche Meinung macht ihn für die staatlichen Funktionsträger interessant. Die Politiker sind bestrebt, die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Eine günstige Stimmung in der Öffentlichkeit läßt Erfolge bei künftigen Wahlen erwarten. Deshalb besteht die Gefahr, daß Politiker in die publizistische Arbeit des Rundfunks eingreifen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem dritten Fernseh-Urteil eine gesetzliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung verlangt, welche dem Ziele zu dienen habe, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet und daß auf diese Weise umfassende Information geboten wird!. Doch verträgt sich diese postulierte vielfaltssichernde und -erhaltende positive Ordnung mit dem verfassungsrechtlichen Strukturprinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks? Wo liegen die Grenzen zwischen zulässiger Ausgestaltung der Rundfunkordnung und unzulässiger Einflußnahme des Staates auf den Rundfunk? Und nach welchen Prinzipien muß das duale Rundfunksystem in der Bundesrepublik Deutschland organisiert sein, um unzulässige staatliche Einflüsse auf den Rundfunk zu verhindern? Diese Fragen sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

!

Vgl. BVerfGE 57,295,320.

20

Einleitung

In ihrem ersten Teil geht es um die Rechtsprechung, insbesondere um die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks, die im ersten Kapitel dargelegt und analysiert wird. Im zweiten Kapitel folgt eine verkürzte Darstellung der Literatur zum Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks. Im zweiten Teil der Arbeit wird das Fundament für die im Laufe der Untersuchung herauszuarbeitende neue Rundfunkverfassungskonzeption gelegt. Das erste Kapitel gilt der verfassungsdogmatischen Herleitung des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks. Sodann wird im zweiten Kapitel der Schutzbereich dieses Verfassungsgebotes näher umschrieben; hierbei ist unter anderem der Frage nachzugehen, welche Stellen und Institutionen an den Verfassungssatz der Staatsfreiheit des Rundfunks gebunden sind. Schließlich befaßt sich das dritte Kapitel mit dem Verhältnis des Parlamentsvorbehaltes auf dem Gebiete des Rundfunkwesens und dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks. Die Prüfung wird die grundrechtsdienende Funktion des Parlamentsvorbehaltes aufzeigen; aus dieser Erkenntnis lassen sich weitreichende Schlußfolgerungen für die Bestimmung der Reichweite staatlicher Regelungskompetenz bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung ableiten. Nach der geleisteten dogmatischen Vorarbeit zu Ursprung und Inhalt des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks können wir uns im dritten Teil der Arbeit der Fragestellung zuwenden, welche Verfassungsdirektiven sich aus dem Gebot der Staatsfreiheit für die Ordnung und Gestaltung des dualen Rundfunksystems in der Bundesrepublik Deutschland ergeben. Das erste Kapitel ist den Landesmedienanstalten gewidmet. Dabei werden die Zusammensetzung der Anstalten, die staatliche AufSIcht über die Anstalten sowie ihre Finanzierung beleuchtet werden. Im zweiten Kapitel geht es um den Einfluß des Staates bei der Vergabe und Aufteilung von Übertragungskapazitäten zur Nutzung für Rundfunkübertragungen. Die Erörterungen werden deutlich machen, daß der Staat insbesondere gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Kompetenzen ausübt, die ihm nach der Verfassung nicht zustehen. Die Ausführungen münden in die Kernthese der Arbeit, daß die Rundfunkanstalten aus Gründen der Staatsfreiheit des Rundfunks in den Zuständigkeitsbereich der Landesmedienanstalten miteinbezogen werden müssen, welchen die Aufgabe zufällt, an Stelle des (staatlichen) Gesetzgebers den sachlichen und territorialen Funktionsbereich der Rundfunkanstalten zu konkretisieren. Die Bestandsaufnahme der einzelnen landesrechtlichen Planungsmodelle für die Vergabe und Aufteilung von technischen Übertragungswegen wird aufzeigen, daß die Ausgestaltung der Rundfunkordnung insoweit den spezifischen Anforderungen des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks zumeist nicht genügt. Das dritte Kapitel be-

Einleitung

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schäftigt sich mit der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Ausführungen werden beweisen, daß das gegenwärtig praktizierte Verfahren zur Finanzierung der Rundfunkanstalten mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit unvereinbar ist. Um die gebotene Staatsunabhängigkeit der Rundfunkanstalten zu gewährleisten, erscheint es geboten, die Landesmedienanstalten mit der Entscheidung über die Festsetzung der Rundfunkgebühren und der Werbekontingente für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu betrauen. Der vierte Teil der Arbeit faßt die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung nochmals zusammen und hebt die Notwendigkeit hervor, daß öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk den staatsfrei organisierten Landesmedienanstalten zu unterstellen ist, um dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks zur Verwirklichung zu verhelfen.

Erster Teil: Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks I. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Das Bundesverfassungsgericht hat sich zur grundrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit wiederholt geäußert. Diese Rechtsprechung braucht hier nicht in vollem Umfange referiert zu werden!. Im folgenden soll die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Staat und Rundfunk und speziell unter dem Aspekt des Gebotes der Staatsfreiheit dargelegt und analysiert werden. 1. Das erste Fernseh-Urteil

Gegenstand des ersten Fernseh-Urteils war unter anderem die Frage, ob die Bundesregierung mit der Gründung der Deutschland-Fernseh-GmbH vom 27. Juli 1960, deren Alleingesellschafterin die Bundesrepublik Deutschland war, gegen die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Rundfunkfreiheit verstoßen hatte. Nach § 2 der Satzung war Aufgabe der Gesellschaft "die Veranstaltung von Fernseh-Rundfunksendungen, die den Rundfunkteilnehmern in ganz Deutschland und im Ausland ein umfassendes Bild Deutschlands vermitteln sollen,,2. Das Bundesverfassungsgericht verwendet im ersten Fernseh-Urteil von 1961 nicht den Begriff der Staatsfreiheit des Rundfunks. Das Gebot der Staatsfreiheit kommt allerdings an mehreren Stellen des Urteils zum Vorschein: Das Siehe dazu ausführlich Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 18 ff.; vgl. auch zur Rundfunkfreiheit im dualen System Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 352 ff. Abgedruckt bei Zehner, Fernsehstreit, Bd. 1, S. 141 ff.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 23

Gericht erwähnt das Prinzip der Staatsfreiheit im Zusammenhang mit der Staatsaufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Für die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistete Freiheit des Rundfunks sei konstituierend, daß die durch Gesetz geschaffenen Anstalten des öffentlichen Rechts dem staatlichen Einfluß entzogen oder höchstens einer beschränkten Rechtsaufsicht unterworfen seien3 • Das Gericht geht im Rahmen seiner Ausführungen zum objektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 5 GG von der Pressefreiheit aus. Der verfassungsrechtlich geschützten Eigenständigkeit der Presse widerspräche es, die Presse oder einen Teil von ihr unmittelbar oder mittelbar von Staats wegen zu reglementieren oder zu steuern. Eine Einflußnahme wäre mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Pressefreiheit nur vereinbar, wenn sie wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften an dem Bild der freien Presse nichts ändern würde4 • Sodann zieht das Gericht eine Parallele zum Rundfunk, der als Medium und Faktor im Prozeß der öffentlichen Meinungsbildung ebenfalls zu den unentbehrlichen Kommunikationsmitteln gehöreS. Diese Feststellungen münden schließlich in den Kernsatz, der Rundfunk dürfe weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden6• Diese Aussage ist deutlich bezogen auf die inhaltliche Vielfalt und Ausgewogenheit im Gesamtprogramm des entsprechenden Rundfunkveranstalters, in welchem die Meinungen aller gesellschaftlich relevanten Kräfte und Gruppen zum Ausdruck kommen müßten7• Staat und Rundfunk werden nicht als einander diametrale Größen beschrieben. Eine strikte Unterscheidung zwischen staatlicher und gesellschaftlicher Sphäre nimmt das Gericht nicht vor. Vielmehr wird der Staat neben den gesellschaftlich relevanten Gruppen erwähnt und eingestuft. Dementsprechend hält das Bundesverfassungsgericht eine Repräsentanz einer geringen Anzahl von Vertretern des Staates in den Organen des "neutralisierten" Trägers der Rundfunkveranstaltungen für zulässig; mit Art. 5 GG sei lediglich unvereinbar, daß der Staat unmittelbar oder mittelbar eine Anstalt oder Gesellschaft beherrscht, die Rundfunksendungen veranstaltet8 • Dem ersten Fernseh-Urteil läßt sich daher ein verfassungsrechtlich abgestütztes Verbot qualifizierter staatlicher Einflußnahme auf den Rundfunk entnehmen und zwar im Sinne eines "Auslieferungs- und Beherrschungsver-

5 6 7

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

12, 12, 12, 12, 12, 12,

205, 205, 205, 205, 205, 205,

261. 260. 260 f. 262. 262 f. 263.

24

Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

botes,,9 für den Staat. Ein "striktes Einmischungsverbot"l0 wird dagegen nicht postuliert. Die zentrale Aussage des Gerichts, der Rundfunk dürfe weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden, zeigt weiter, daß es eine Abhängigkeit des Rundfunks vom Staate als prinzipiell gleichermaßen schädlich und unzulässig erachtet wie eine Dominanz durch einzelne gesellschaftlich relevante Kommunikatoren. Diese Gleichstellung von staatlicher und singularer gesellschaftlicher beherrschender Einflußnahme macht deutlich, daß das Gericht den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks ausschließlich unter dem Aspekt der verfassungsrechtlich gebotenen Vielfaltssicherung im Rundfunk betrachtet. In der Diktion des Fernseh-Urteils erscheint das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks als spezifische Ausformung des verfassungsrechtlichen Pluralitätsgebotes, wonach der Rundfunk in der Weise zu organisieren ist, daß sich die gesamte Vielfalt der bestehenden Meinungen in diesem Massenmedium widerspiegelt; dieses Ziel läßt sich nur erreichen, wenn der Staat auf den Rundfunk keinen bestimmenden Einfluß gewinnt. Diese Darlegungen des Bundesverfassungsgerichts lassen das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks als einen Unterfall der rundfunkspezifischen Vielfaltsmaxime erscheinen, ohne eigenen, vom verfassungsrechtlichen Pluralitätsgebot gesonderten normativen Gehalt.

2. Das Mehrwertsteuer-Urteil In seinem zweiten Rundfunkurteil entschied das Bundesverfassungsgericht im Jahre 1971 darüber, ob die Gebühreneinnahmen der Rundfunkanstalten der Umsatzsteuerpflicht unterworfen werden dürfen. a) Entscheidungsgründe der Senatsmehrheit In diesem sogenannten Mehrwertsteuer-Urteil werden die im ersten Fernseh-Urteil gemachten Ausführungen im wesentlichen wieder aufgegriffen und weiterentwickelt. Art. 5 GG verlange, daß der Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe überlassen bleibell. Der Rundfunk wird als "Sache der Allgemeinheit" deklariert. Er müsse in voller Unabhängigkeit überparteilich und von jeder Beeinflussung freigehalten werden 12• Etwas später postuliert das Gericht Verfassungsdirektiven für die Organisation des

9 10 11

12

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

diese Formulierung von Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Rechnungsprüfung, S. 35. abermals Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Rechnungsprüfung, S. 35. BVerfGE 31, 314, 325. BVerfGE 31, 314, 327.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 25

öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wobei erstmals die Formulierung vom Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks auftaucht: Die für die Allgemeinheit bestimmte Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen durch den Rundfunk müsse staatsfrei und unter Beteiligung aller relevanten gesellschaftlichen Kräfte erfolgen. Die Durchführung dieser Aufgabe hätten die Länder den zu diesem Zweck errichteten Anstalten des öffentlichen Rechts zugewiesen und bisher überlassen. Damit hätten sie den Rundfunkanstalten eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung übertragen, die sie selbst unmittelbar wegen des Gebots der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht wahrnehmen könnten l3 • Diese Ausführungen sind in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen konkretisiert das Bundesverfassungsgericht den Inhalt des Grundsatzes der Staatsfreiheit. Die "Verbreitung von Nachrichten und Darbietungen" soll staatsfrei erfolgen. Damit klingt zum ersten Male an, daß das Gericht den Kernbereich der Staatsfreiheit des Rundfunks in der Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter sieht. Staatsfreiheit ist programmbezogen und begründet das Verbot für den Staat, auf den Inhalt von Rundfunkdarbietungen Einfluß zu nehmen. Zum anderen scheint das Bundesverfassungsgericht dem Grundsatz der Staatsfreiheit eine im Vergleich zum ersten Fernseh-Urteil erweiterte Dimension zuzusprechen, wenn es ausführt, daß der Rundfunk nicht nur von staatlicher Beherrschung freigehalten werden müsse, sondern die Verbreitung von Rundfunksendungen generell und ohne jede Einschränkung "staatsfrei" zu erfolgen habe. Diese Formulierung erwähnt das Gericht allerdings im Abschnitt der Entscheidungsgründe, in dem die Verbreitung von Rundfunkdarbietungen als "öffentliche Aufgabe" apostrophiert wird l4 • Der Teil des Urteils, in welchem die vom Gericht aus dem objektiv-rechtlichen Charakter der Rundfunkfreiheit hergeleiteten Grundsätze und Grundzüge der Organisation des Rundfunkwesens umrissen werden, enthält eine solche Wendung niche 5 • Es erscheint auch ausgeschlossen, daß das Gericht seine im ersten Fernseh-Urteil bezogenen Positionen ohne nähere Begründung aufgegeben oder auch nur wesentlich verändert hätte l6 , zum al im Mehrwertsteuer-Urteil die im Fernseh-Urteil zum normativen Gehalt des Art. 5 GG dargelegten "Grundsätze" ausdrücklich bestätigt werden17•

13

14 15 16 17

vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE 31, 314, 329. BVerfGE 12, 314, 329 f. BVerfGE 12, 314, 325-329. Mal/mann, Rechtsaufsicht über das ZDF, S. 66. BVerfGE 31, 314, 326 f.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Mallmann bewertet diese hier in Rede stehende Diskrepanz in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als schlichte "verbale" Abweichungen ohne nähere Aussagekraft l8 • Demgegenüber könnte das MehrwertUrteil aber auch auf ein "dualistisches" Verständnis zum Gebot der Staatsfreiheit hindeuten: Soweit es um die verfassungsrechtlichen Grenzen eines unter staatlicher Kontrolle betriebenen Rundfunks geht, insbesondere um die Zulässigkeit einer Beteiligung staatlicher Vertreter in den Entscheidungsträgern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, könnte das Gericht den Grundsatz der Staatsfreiheit in engerem Sinne als ein Auslieferungs- und Beherrschungsverbot verstehen. Dagegen könnten bei der externen staatlichen Einflußnahme auf die Verbreitung von Rundfunkprogrammen strengere Maßstäbe gelten, die nicht nur beherrschende staatliche Einwirkungen, sondern jedwede Form der staatlichen Einflußnahme auf Programminhalte der Rundfunkveranstalter verbieten. Welche normative Reichweite das Bundesverfassungsgericht dem Prinzip der Staatsfreiheit beimißt, kann auf der Grundlage des Mehrwert-Urteils nicht beantwortet werden. Auf diesen Gesichtspunkt wird im folgenden noch zurückzukommen sein. b) Abweichende Meinung der Richter Dr. Geiger, Dr. Rinck und Wand Auch die Richter Geiger, Rinck und Wand erklären in ihrem Sondervotum die Verbreitung von Rundfunk zu einer öffentlichen Aufgabe. Im Unterschied zur Senatsmehrheit wird aber der Gegensatz von Staat und Gesellschaft deutlich hervorgehoben. Die Veranstaltung von Rundfunk wird ausschließlich in den Raum der Gesellschaft verwiesen. Diese öffentliche Aufgabe sei nicht Sache des Staates und könne daher weder unmittelbar noch mittelbar zur staatlichen Aufgabe gemacht werden l9 • Die Senatsminderheit erkennt zwar an, daß der Gesetzgeber wenigstens in einer durch Frequenzknappheit gekennzeichneten Übergangsphase die nötigen Organisationsformen zur Verfügung stellen müsse, damit sich die gesellschaftlich relevanten Kräfte und Gruppen an der Gestaltung der Rundfunkprogramme beteiligen könnten2O • Es gebe aber keine staatliche Zuständigkeit, auf die Veranstaltung von Rundfunkdarbietungen, auf ihre inhaltliche Gestaltung, auf das Pro-

18 19 20

Vgl. im Zusammenhang mit den Rechtsfragen einer staatlichen Aufsicht über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Mallmann, Rechtsaufsicht über das ZDF, S. 66. Vgl. BVerfGE 31, 337, 337 und 340 f. Vgl. BVerfGE 31, 337, 338 f.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 27

gramm, also auch nur mittelbar auf die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe einzuwirken21 • An anderer Stelle wird in bezug auf die finanziellen Grundlagen der Rundfunkveranstalter der Grundsatz der Freiheit und Unabhängigkeit aller potentiellen Träger der Rundfunkfreiheit vom Staat postuliert. In Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung wird eine unbegrenzte oder überwiegende Finanzierung der Rundfunkanstalten aus den öffentlichen Haushalten für unzulässig erklärt22• Auch die Festsetzung der Rundfunkgebühren durch den Gesetzgeber sei dieser Freiheit und Unabhängigkeit grundsätzlich abträglich und nur unter Berücksichtigung der - seinerzeit bestehenden - Monopolstellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gerechtfertigt23. 3. Das FRAG-Urteil

Im sogenannten FRAG-Urteil ging es im wesentlichen um die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen durch private Anbieter. Das Bundesverfassungsgericht faßt sein Verständnis der Rundfunkfreiheit nochmals zusammen und entwickelt darauf fußend seine Rundfunkverfassungskonzeption. Demnach ist die Rundfunkfreiheit Medium und Faktor im verfassungsrechtlich geschützten Prozeß individueller und öffentlicher Meinungsbildung. Rundfunkfreiheit sei primär eine der Freiheit der Meinungsbildung dienende Freiheit, welche die Aufgabe habe, freie und umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleisten24 • Damit der Rundfunk als Medium und Faktor des verfassungsrechtlich geschützten Prozesses freier Meinungsbildung seiner "dienenden Funktion" nachkommen könne, müsse der Rundfunk von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme freigehalten werden25 • Mit diesem Satz pointiert das Bundesverfassungsgericht die vom Gericht im Mehrwert-Urteil bezogene Position, wonach die Verbreitung von Rundfunkdarbietungen "staatsfrei" zu erfolgen habe 26 • Das Gericht begründet seine Auffassung mit dem abwehrenden Gehalt der Rundfunkfreiheit als insoweit klassisches Freiheitsgrundrecht. Dieser Rekurs auf die defensive Komponente des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG macht augenscheinlich, daß das Gericht seine Aussage nur auf die externe 21 22

23

24 25 26

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE 31, BVerfGE 31, BVerfGE 31, BVerfGE 57, BVerfGE 57, BVerfGE 31,

337, 337, 337, 295, 295, 314,

338. 344 unter Hinweis auf BVerfGE 20, 56, 97-112. 345. 319 f. 319 f. 329.

28

Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

staatliche Einflußnahme bezüglich der Programminhalte bezieht. Die Formulierung "Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme" legt ein umfassendes und weites, nicht nur auf ein staatliches Beherrschungsverbot beschränktes Verständnis des Grundsatzes der Staats freiheit nahe. Dennoch ist die Formel, der Rundfunk müsse frei "von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme bleiben", eine zu allgemein gehaltene Wendung, um aus ihr konkrete und verbindliche Schlußfolgerungen für die Reichweite des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks ableiten zu können. Das Gericht unternimmt nicht den Versuch, den Gehalt seiner Aussage näher auszuleuchten. Insbesondere bleibt das Verhältnis zum staatlichen Einfluß innerhalb der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unerörtert. Das FRAG-Urteil läßt daher die Reichweite des Gebotes der Staatsfreiheit weitgehend unbestimmt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bedarf es bei der Einführung privaten Rundfunks einer vielfaltssichernden und -erhaltenden gesetzlichen positiven Ordnung; dazu zählt das Gericht eine begrenzte Staatsaufsicht über die Veranstalter; diese Aufsicht habe allein der Aufgabe zu dienen, die Einhaltung der zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit ergangenen Bestimmungen sicherzustellen27• Darüber hinaus enthält das FRAG-Urteil keine weiteren Ausführungen zum Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks. Dies muß verwundern, da nach den der Entscheidung zugrundeliegenden Vorschriften des Saarländischen Landesrundfunkgesetzes über Zugang und Aufsicht privater Rundfunkveranstalter sowie über Rücknahme einer erteilten Sendelizenz staatliche Behörden zu entscheiden hatten. Das Gericht beanstandet die entsprechenden Bestimmungen im wesentlichen nur unter dem Gesichtspunkt des Parlamentsvorbehaltes, weil der Gesetzgeber das zur Verwirklichung der Rundfunkfreiheit Wesentliche nicht selbst geregelt habe. Die Erteilung einer rundfunkrechtlichen Konzession wie die Auswahlentscheidung bei einem Überhang an Bewerbern für eine Rundfunkerlaubnislizenz dürfe nicht in das ungebundene Ermessen der Exekutive gestellt werden 28 • Keine Erwähnung findet jedoch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Entscheidung über Zugang, Aufsicht und Konzessionsrücknahme überhaupt einer staatlichen Behörde überantwortet werden könne. Lediglich im Hinblick auf die entsprechende Vorschrift des Saarländischen Landesrundfunkgesetzes, welche sich mit der Staatsaufsicht über den privaten Rundfunk befaßt, führt das Gericht aus, daß eine Aufsicht durch die staatliche Exekuti-

27 28

vgl. BVerfGE 57, 295, 326. Vgl. BVerfGE 57, 295, 327 und 328 f.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 29

ve nur als zusätzliches - und begrenztes - Sicherungsmittel in Betracht kommen könne, weil die Rundfunkfreiheit in erster Linie Freiheit von staatlichem Einfluß sei29 • Damit hegt das Gericht Zweifel an der Effektivität einer staatlichen Kontrolle über den privaten Rundfunk, weil dieser die gebotene Staatsfreiheit der Rundfunkveranstalter entgegenstehen könnte, ohne allerdings diesen Aspekt näher zu konkretisieren.

4. Der ''freie Mitarbeiter"-Beschluß In dem Beschluß betreffend die Beschäftigung von freien Mitarbeitern in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten taucht der Begriff der Staatsfreiheit nicht auf. Das Bundesverfassungsgericht umgrenzt lediglich den Schutzbereich der Rundfunkfreiheit als Programmfreiheit im Sinne eines Verbots nicht nur staatlicher, sondern jeder Einflußnahme auf Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung der Programme. Da die inhaltliche Gestaltung von Fernseh- und Hörfunksendungen im wesentlichen von personellen Voraussetzungen abhängt, leitet das Gericht aus der Rundfunkfreiheit auch das Recht der Rundfunkanstalten ab, frei von fremdem, insbesondere staatlichem Einfluß über die Auswahl, die Einstellung und Beschäftigung der Rundfunkmitarbeiter zu bestimmen3O • Dies gelte aber nur für diejenigen Rundfunkmitarbeiter, die an Rundfunksendungen inhaltlich gestaltend mitwirkten, nicht jedoch für das betriebstechnische und Verwaltungspersonal31 • Das Bundesverfassungsgericht schält den Kern der Rundfunkfreiheit heraus und deutet diese im wesentlichen als Programmfreiheit. Der Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks findet im "freie Mitarbeiter"-Beschluß nur insoweit Erwähnung, als das Gericht verlangt, die verfassungsverbürgte Programmfreiheit der Rundfunkanstalten von staatlichen Einflüssen freizuhalten. Staatliche Einwirkungen und Eingriffe Dritter in den geschützten Vorgang der Programmerstellung und -verbreitung werden wie im ersten Fernseh-Urteil wiederum nebeneinander genannt und damit als prinzipiell gleichwertig erachtet. Dem "freie Mitarbeiter-Beschluß" liegt eine am rundfunkspezifischen Vielfaltsgebot orientierte Auslegung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks zugrunde32 •

29 30 31 32

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE 57. BVerfGE 59, BVerfGE 59, BVerfGE 59,

295, 333 f. unter Hinweis auf BVerfGE 12, 205, 262. 231, 260; so auch BVerfGE 64, 265, 260 f. 231, 260 f. 231, 258.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

5. Der Rundfunkrat-Beschluß

Gegenstand des sogenannten Rundfunkrat-Beschlusses war die Frage, ob politische Parteien aus Art. 21 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 GG eine Berechtigung ableiten können, Vertreter aus ihren eigenen Reihen in die binnenpluralistischen Kontrollgremien der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten zu entsenden. Das Bundesverfassungsgericht wiederholt in dieser Entscheidung seine in ständiger Rechtsprechung vertretene Position, daß der Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe überlassen werden dürfe33 • Darüber hinaus enthält der Beschluß keine weiteren Ausführungen zum Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks. 6. Das Niedersachsen-Urteil

Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts mußte sich in dieser Entscheidung mit den Bestimmungen des Niedersächischen Landesrundfunkgesetzes zum privaten Rundfunk beschäftigen, die staatlichen Behörden in weitem Umfange Befugnisse gegenüber privaten Rundfunkveranstaltern eingeräumt hatten: Der niedersächsische Gesetzgeber hatte zwar den vom Bundesverfassungsgericht im FRAG-Urteil aufgestellten Verfassungsdirektiven entsprechend die Zuständigkeiten, das Verfahren, die Voraussetzungen der Erteilung, der Rücknahme und des Widerrufs privater Sendekonzessionen geregelt und auch Grundsätze für die Auswahl sowie für die Zuweisung von Sendezeiten aufgestellt. Während die übrigen neuen Landesmediengesetze aber die in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen in vollem Umfange den staatsunabhängigen Landesmedienanstalten übertragen, sah das niedersächsische Gesetz umfassende Zuständigkeiten der staatlichen Erlaubnisbehörde vor. Das Bundesverfassungsgericht folgert zunächst im Rahmen seiner grundrechtsinterpretatorischen Ausführungen zu Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG aus dem negatorischen Gehalt der Rundfunkfreiheit, daß die Freiheit des Rundfunks die Freiheit von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme verlange34 • Damit wiederholt das Gericht die bereits im FRAG-Urteil vorzufindende Wendunlts, allerdings ohne diese Aussage näher zu konkretisieren.

33 34 3S

Vgl. BVerfGE 60, 53, 65. vgl. BVerfGE 73, 118, 152. Vgl. BVerfGE 57, 295, 320.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 31

An anderer Stelle stellt das Bundesverfassungsgericht seinen Standpunkt klar, daß staatliche Maßnahmen zur Gewährleistung der dienenden Funktion der Rundfunkfreiheit dem Grundsatz der Staatsferne nicht entgegenstünden36 • Damit begibt sich das Gericht auf eine Gratwanderung zwischen der postulierten Verpflichtung des Gesetzgebers zur Schaffung einer vielfaltssichernden und -erhaltenden positiven Ordnung einerseits und der vom Grundgesetz verbotenen staatlichen Einflußnahme auf die Veranstaltung des Rundfunks andererseits. Offensichtlich in Erkenntnis dieses Spannungsverhältnisses betont das Gericht, daß dem Gesetzgeber und der Exekutive jegliche Einflußnahme auf den Rundfunk versagt sei, die mit der Sicherung des dienenden Charakters der Rundfunkfreiheit unvereinbar oder durch die Schranken des Grundrechts nicht gerechtfertigt sei. Als Maßstab für die erforderliche Abgrenzung nennt das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz der Programmfreiheit der Veranstalter. Dieser schütze nicht nur vor unmittelbaren Einflüssen auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme, sondern ebenso vor einer Einflußnahme, welche die Programmfreiheit mittelbar beeinträchtigen könnte37 • Mit diesen Darlegungen hat das Bundesverfassungsgericht zum ersten Male festgelegt, daß der Grundsatz der Staatsferne nicht nur die vollziehende Gewalt, sondern auch den Gesetzgeber bindet. Beiden staatlichen Gewalten ist es nach der Judikatur gleichermaßen untersagt, in die Programmhoheit der Rundfunkveranstalter einzugreifen. Die Programmfreiheit bildet danach die verfassungsrechtliche Zulässigkeitsgrenze für staatliches Handeln, deren Überschreiten von Verfassungs wegen unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks zu beanstanden ist. Rundfunkfreiheit wird wiederum als Programmfreiheit verstanden. Dementsprechend wird der Grundsatz der Staatsfreiheit als Freiheit des Rundfunks vor staatlichen Einwirkungen auf Programminhalte gedeutet. Der Grundsatz ist "programmakzessorischer" Natur3S• Zudem zieht das Gericht die Reichweite des Schutzbereiches der Rundfunkfreiheit sehr weit. Nicht nur direkte, sondern auch mittelbare Beeinträchtigungen der Programmfreiheit sollen den grundrechtlichen Schutz auslösen. Nach den grundsätzlichen Erörterungen zur Staatsfreiheit des Rundfunks als Programmfreiheit der Veranstalter konkretisiert das Bundesverfassungsgericht dieses Verfassungsprinzip. Soweit eine staatliche Behörde mit der Entscheidung über Zugang, Auswahl sowie Rücknahme und Widerruf einer

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38

Vgl. BVerfGE 73, 118, 182. Vgl. BVerfGE 73, 118, 182 f. unter Hinweis auf BVerfGE 59, 231, 260. So die Formulierung von Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 43.

32

Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

rundfunkrechtlichen Erlaubnis betraut werde oder staatliche Stellen bei diesen Entscheidungen maßgeblich mitwirkten, sei die grundrechtlich geschützte Programmfreiheit nur unter besonderen Voraussetzungen gewährleistet: Der staatlichen Behörde dürften keine Handlungs- und Wertungsspielräume eingeräumt werden, die es ermöglichten, daß sachfremde, insbesondere die Meinungsfreiheit beeinträchtigende Erwägungen Einfluß auf die Entscheidung über den Zugang privater Interessenten zum Rundfunk gewinnen könnten39 • Das Gericht begründet diese Aussage damit, daß sich derartige Wertungsspielräume nicht nur bei der konkreten Entscheidung, sondern bereits im Vorfeld als Druckmittel oder gar als "Selbstzensur" auf Interessenten oder Veranstalter auswirken könnten4o • Wie das Gericht an anderer Stelle ausführt, könnten staatliche Organe sonst unliebsame Veranstalter vom Zugang zum Massenmedium Rundfunk von vornherein ausschließen und im Falle einer Programmkontrolle nachträglich disziplinieren41 • Die Möglichkeit, auf dem Wege einer gerichtlichen Kontrolle staatliche Einflußnahmeeffekte zu beheben, sieht das Gericht als unzureichend an. Eine gerichtliche Kontrolle könne nur zu einer punktuellen Korrektur führen, den staatlichen Einfluß, der die Entscheidung von vornherein prägt, aber nicht verhindern42 • Aus diesen Gründen dürften programmbezogene Entscheidungen grundsätzlich weder in das ungebundene noch gebundene Ermessen einer staatlichen Behörde gelegt werden. Auch sei es verfassungsrechtlich unzulässig, staatliche Behörden mit der Anwendung und Auslegung solcher Rechtsvorschriften zu betrauen, die ihnen - etwa durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe - Beurteilungsspielräume eröffneten, welche inhaltliche und programmliche Wertungen erforderten oder deren Ausfüllung sich zumindest mittelbar auf den Programminhalt auswirke43 • Allerdings sind solche Einflußnahmemöglichkeiten nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann nicht zu beanstanden, wenn sie einer staatlichen Behörde nicht allein eingeräumt sind, sondern diese dabei von der Zustimmung einer weiteren Instanz abhängig ist, die den Anforderungen der Staatsfreiheit genügt, etwa der Zustimmung des weisungsunabhängigen, pluralistisch zusammengesetzten Landesrundfunkauschusses nach niedersächsischem Landesrecht. Dieser Standpunkt kommt im Niedersachsen-Urteil an mehreren Stellen zum Ausdruck44 • Das Bundesverfassungsge-

39 40 41

42 43 44

Vgl. BVerfGE 73, 118, 183. Vgl. BVerfGE 73, 118, 183. Vgl. BVerfGE 73, 118, 184. Vgl. BVerfGE 73, 118, 184. Vgl. BVerfGE 73, 118, 183. Vgl. BVerfGE 73, 118, "maßgebliche Mitwirkung" (S. 183), "allein und abschließend" (S. 185), "ausschlaggebender Einfluß" (S. 186) und "entscheidend" (S. 188); siehe ferner

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 33

richt rechnet zwar selbst mit gewissen faktischen Auswirkungen des staatlichen Entscheidungsrechts auf die Willensbildung des Landesrundfunkausschusses, hält diese marginalen staatlichen Einflußmöglichkeiten gleichwohl aber ausdrücklich für unbeachtlich45 , In diesem Sinne äußert sich das Bundesverfassungsgericht auch im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Untersuchung des niedersächsischen Landesrundfunkausschusses, der nach dem Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz die Kontrolle über den privaten Rundfunk wahrnimmt. Nachdem das Gericht unter Berufung auf die weitreichende Staatsunabhängigkeit des Landesrundfunkausschusses dessen institutionell staatsfreien Charakter proklamiert46, verlangt es, daß dem Staat innerhalb dieser staatsfrei organisierten Landesmedienanstalt kein "erheblicher Einfluß" zustehen dürfe, Dies schließe aber nicht jedwede staatliche Repräsentanz in der Landesmedienanstalt aus47 , ebensowenig wie der Grundsatz der Staatsfreiheit daran hindere, daß auch Vertretern des Staates ein angemessener Anteil in den Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingeräumt werde48 , Unter Zugrundelegung der zum Gebot der Staatsfreiheit dargelegten Grundsätze, insbesondere unter Berücksichtigung der programm bezogenen Ausrichtung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks, beanstandet das Bundesverfassungsgericht im Niedersachsen-Urteil diejenigen Vorschriften des Niedersächsischen Landesrundfunkgesetzes, welche der staatlichen Erlaubnisbehörde eigene programmbezogene Bewertungsmöglichkeiten eröffnen49 , Demgegenüber betrachtet das Gericht es als verfassungsgemäß, wenn staatliche Stellen über die wirtschaftliche Tragfähigkeit der konzeptionellen Vorstellungen privater Rundfunkveranstalter zu befinden haben, da insoweit die Möglichkeit von programmbezogenen Wertungen begrenzt seiso, Schließlich findet das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks noch in jenem Teil der Entscheidungsgründe Erwähnung, in dem das Bundesverfassungsgericht die Voraussetzungen für eine Erlaubniserteilung an private Rundfunkveranstalter nach dem Niedersächsischen Landesrundfunkgesetz Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, II, Rdnr. 214a. 45

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 186. Vgl. BVerfGE 73, 118, 165, wobei zu Recht eine Parallele zur ebenfalls staatsfreien Organisationsform der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gezogen wird. Vgl. BVerfGE 73, 118, 165. So das erste Fernseh-Urteil BVerfGE 12, 205, 263. Vgl. BVerfGE 73, 118, 183 ff. Vgl. BVerfGE 73, 118, 185 f. 3 Gersdorf

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

verfassungsrechtlich würdigt. Das Gericht rechtfertigt den Parteienausschluß von der Veranstaltung privaten Rundfunks mit dem Gebot der "Staatsferne"51 • Auf diesen Grundsatz stützt es auch den Ausschluß juristischer Personen des öffentlichen Rechts und der Angehörigen des öffentlichen Dienstes vom Zutritt zum Massenmedium Rundfun~2. Eine Ausnahme von diesem Prinzip erkennt das Gericht lediglich für die staatsfrei organisierten öffentlich-rechtlichen Einrichtungen an, denen eigene Rechte gegenüber dem Staat zustehen; dazu rechnet das Gericht ausdrücklich die öffentlich-rechtlichen Religions- oder WeltanschauungsgemeinschaftenS3 • Zieht man aus den vorstehenden fundamentalen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zum Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks ein Resümee, so lassen sich zwei Punkte festhalten. Erstens: Dem Staat dürfen bei Zulassung und Überwachung des privaten Rundfunks keine programmbezogenen, auf Sendeinhalte ausgerichtete Handlungs- und Wertungsspielräume eröffnet werden. Auch die Anwendung und Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen, die inhaltliche Bewertungen von Programmen notwendig machen, darf nicht in staatliche Hand gegeben werden. Damit geht das Gericht deutlich über die im FRAG-Urteil gemachten Aussagen hinaus und korrigiert stillschweigend die bereits erwähnten54 , unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit vorhandenen Begründungsdefizite in der dritten Rundfunkentscheidung. Zweitens: Das Bundesverfassungsgericht hält eine Übertragung von programmbezogenen Entscheidungen auf staatliche Organe nur dann für zulässig, wenn diese ausschließlich durch staatliche Stellen oder unter ihrer maßgeblichen Mitwirkung zu treffen sind. Hiermit kommt implizit das im ersten Fernseh-Urteil vertretene Verständnis der Staatsfreiheit zum Tragen, wonach nur die beherrschende, nicht aber jedwede Einflußnahme des Staates auf den Rundfunk unzulässig sei55 • Diese Auffassung fügt sich harmonisch zu der im Niedersachsen-Urteil bezogenen Position, daß eine angemessene Repräsentanz staatlicher Vertreter innerhalb der für die Aufsicht privaten Rundfunks zuständigen Landesmedienanstalt nicht gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks verstoße.

51 52 53 54

55

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE BVerfGE BVerfGE oben I. 3. BVerfGE

73, 118, 190. 73, 118, 191. 73, 118, 191. 12, 205, 263.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 35

Damit verstrickt sich das Bundesverfassungsgericht in einen Widerspruch, wenn es andernorts im Niedersachsen-Urteil die Freiheit des Rundfunks nicht nur von staatlicher Beherrschung, sondern von staatlicher Einflußnahme überhaupt fordert 56 und damit den Grundsatz der Staatsfreiheit in umfassendem Sinne als "striktes Einmischungsverbot" deutet. Denn wenn staatliche Behörden bei programmbezogenen Entscheidungen in gewissem Umfange mitwirken dürfen und staatliche Vertreter in den für den privaten Rundfunk zuständigen staatsfrei organisierten Landesmedienanstalten bis zur "Dominanzschwelle" anteilig vertreten sein dürfen, können staatliche Stellen Einfluß auf die inhaltliche Gestaltung von Rundfunkprogrammen gewinnen. Diese staatlichen "Restingerenzmöglichkeiten" sind aber mit dem Prinzip der Staatsfreiheit als "striktes Einmischungsverbot" nicht in Einklang zu bringen. Angesichts dieser skizzierten Friktionen in der Argumentationslinie des Bundesverfassungsgerichts läßt sich kaum sicher bestimmen, ob die Judikatur die Schutzreichweite des Gebotes der Staatsfreiheit in umfassendem oder engerem Sinne versteht. Nach der vierten Rundfunkentscheidung kann lediglich festgehalten werden, daß die Rechtsprechung den Gehalt des Gebotes der Staatsfreiheit nicht in der Weise unterschiedlich deutet, daß sie an die organisationsrechtliche Ausgestaltung des Rundfunks (staatliche Präsenz in den Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten oder der Landesmedienanstalten) geringere Anforderungen stellt als an externe staatliche Einflußnahmemöglichkeiten auf Rundfunkveranstalter. Einer solchen "dualistischen" Interpretation stünde die Niedersachsen-Entscheidung entgegen, wonach programmbezogene Gestaltungsbefugnisse staatlicher Stellen gegenüber privaten Rundfunkveranstaltern von Verfassungs wegen hinnehmbar sein sollen, solange die entsprechenden staatlichen Organe an die Zustimmung staatsfrei organisierter Instanzen gebunden sind und sich infolgedessen kein bestimmender staatlicher Einfluß auf die Rundfunkveranstaltung durch private Anbieter einstellen kann. Der aufgezeigte Widerspruch ließe sich nur ausräumen, wenn man die hier in Rede stehende grundrechtsinterpretatorische Aussage des Gerichts, derzufolge die Rundfunkfreiheit die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme verlangt, als eine allgemein gehaltene Wendung nicht allzu wörtlich nimmt. Dafür spricht, daß diese Passage ohne nähere Konkretisierung in dem Teil der Entscheidung stehf7, in dem das Gericht allgemein seine grundrechtskonzeptionellen Vorstellungen der

56 57

Vgl. BVerfGE 73, 118, 152. Vgl. BVerfGE 73, 118, 152.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Rundfunkfreiheit darlegfB. Die den Grundsatz der Staatsfreiheit konkretisierenden Ausführungen lassen sich hingegen erst an späterer Stelle der Entscheidungsgründe finden, wo das Gebot der Staatsfreiheit unzweifelhaft als ein Verbot dominierender staatlicher Einflußnahme auf den Rundfunk verstanden wird59 • Im Ergebnis scheint das Bundesverfassungsgericht einem engen Verständnis des Gebotes der Staatsfreiheit im Sinne eines "Auslieferungs- und Beherrschungsverbotes" für den Staat zuzuneigen. Diese Feststellung kann angesichts der Widersprüche in der Rechtsprechung aber nicht mit letzter Verbindlichkeit getroffen werden. 7. Der Baden-Württemberg-Beschluß

Der Baden-Württemberg-Beschluß enthält zum Prinzip der Staatsfreiheit im wesentlichen keine substantiell neuen Erwägungen. Wiederholt wird lediglich das Gebot der Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme60, wobei wiederum die beschriebenen Friktionen in der Rechtsprechung unerörtert bleiben. Die der Entscheidung im wesentlichen zugrundeliegende Streitfrage nach der Zulässigkeit eines Ausschlusses der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Veranstaltung regionalen und lokalen Rundfunks erörtert das Bundesverfassungsgericht nur im Hinblick auf das durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Grundprinzip freier Meinungsbildung61 • Keine Erwähnung findet in diesem Zusammenhang der Grundsatz der Staatsfreiheit, obwohl sich die streitbefangenen Regelungen nach dem Baden-Württembergischen Landesrundfunkgesetz ausschließlich gegen die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten gerichtet und ihnen die Veranstaltung und Verbreitung regionaler und lokaler Programme untersagt hatten. Das Bundesverfassungsgericht sieht in dieser Entscheidung zwar keinen Anlaß zu Klärung der Frage, ob Wirtschaftswerbung im Rundfunk in gleicher Weise geschützt sei wie der Anzeigenteil von Presseerzeugnissen durch die Pressefreiheit62 • Es sieht aber die finanzielle Absicherung der Programme

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60 61 62

Vgl. BVerfGE 73, 118, 152-160. Vgl. BVerfGE 73, 118, S. 164 f. und insbesondere S. 182 ff., siehe hierzu nochmals "maßgebliche Mitwirkung" (S. 183), "allein und abschließend" (S. 185), "ausschlaggebender Einfluß" (S. 186) und "entscheidend" (S. 188). Vgl. BVerfGE 74,297,324. Vgl. BVerfGE 74, 297, 331 ff. Vgl. BVerfGE 74, 297, 341 f. unter Bezugnahme auf BVerfGE 21, 271, 278 ff.; 64, 108, 114.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 37

der öffentlich-rechtlichen Anstalten als Bestandteil ihrer verfassungsrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit. Dem Gesetzgeber sei daher von Verfassungs wegen aufgegeben, für eine hinreichende Finanzierung der Programm tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Sorge zu tragen. Denn andernfalls könnte er das verfassungskräftige Verbot staatlicher Einflußnahme auf Programminhalte dadurch umgehen, daß er dasselbe Ergebnis durch Entzug oder Beschränkung der Finanzierungsmöglichkeiten zu erreichen sucht. Obwohl der Grundsatz der Staatsfreiheit hierbei unmittelbar nicht zur Geltung gebracht wird, liegt dieses Prinzip den Ausführungen des Gerichts doch unausgesprochen zugrunde. Die Wechselwirkung von Inhalt und Umfang der Rundfunktätigkeit und deren finanzieller Grundlagen wird hervorgehoben. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Gefahr, daß der Staat die Festsetzung der Finanzierungsbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Anlaß nehmen könnte, sich auf diesem "Umwege" mittelbar Einfluß auf die Programmtätigkeit der Anstalten zu verschaffen. Geradezu apodiktisch mutet daher der an den Gesetzgeber adressierte Appell an, daß die Finanzierung nicht beschränkt werden dürfe, um Einfluß auf die Art der Programmgestaltung oder gar auf den Inhalt einzelner Programme auszuüben63 •

8. Das Nordrhein-Westfalen-Urteil In dem Nordrhein-Westfalen-Urteil, das sich mit der Verfassungskonformität einiger Bestimmungen des Gesetzes über den Westdeutschen Rundfunk und des Landesrundfunkgesetzes über den privaten Rundfunk in NordrheinWestfalen beschäftigt, weicht das Bundesverfassungsgericht in seiner Diktion von der bisherigen Rechtsprechung ab. Das Gericht wiederholt nicht mehr die noch im FRAG- und Niedersachen-Urteil wie im Baden-WürttembergBeschluß auftauchende Wendung, wonach Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme verlange64 • Statt dessen betont das Gericht, daß sich der normative Gehalt der grundrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit nicht nur in der "Abwehr staatlicher Einflußnahme" erschöpfe. Zwar entfalte das Grundrecht der Rundfunkfreiheit seinen Schutz auch und zuerst gegenüber dem Staat. Doch bedürfe es daneben noch einer positiven Ordnung, welche sicherstelle, daß der Rundfunk ebensowenig wie dem Staat einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werde6S • Diese Aussagen machen zum einen augen-

63 64

6S

Vgl. BVerfGE 74,297,342. Vgl. BVerfGE 57, 295, 320; 73, 118, 152; 74, 297, 324. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 66.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

scheinlieh, daß das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks aus dem rundfunkspezifischen Vielfaltsgebot herleitet und als Bestandteil dieses Verfassungsprinzips betrachtet. Zum anderen bleibt die Rechtsprechung der dargelegten Widersprüchlichkeit verhaftet, denn ein Verbot "staatlicher Einflußnahme" enthält gegenüber einem Verbot des Ausgeliefertseins des Rundfunks an den Staat eine erweiterte Bedeutungsdimension des Gebots der Staatsfreiheit des Rundfunks. Das Nordrhein-Westfalen-Urteil beinhaltet wesentliche Ausführungen zum Prinzip der Staatsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hatte eine Regelung im nordrhein-westfälischen Landesrundfunkgesetz verfassungsrechtlich zu überprüfen, nach welcher der Landesregierung die Aufteilung der Übertragungskapazitäten zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk oblag. Die Zuordnung erfolgte durch Rechtsverordnung der Landesregierung, die der Zustimmung des Hauptausschusses des Landtages bedurfte. Die angefochtene Regelung sah für den privaten Rundfunk bestimmte Mindestkontingente vor. Weitere Kriterien, an denen die Vergabeentscheidung auszurichten wäre, sah die Bestimmung dagegen nicht vor. Das Gericht hat diese Vorschrift wegen Verstoßes gegen das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks für nichtig erklärt. Zur Begründung beruft es sich darauf, daß sich die Zuordnungsentscheidung bei der fortbestehenden Knappheit der Übertragungswege als Auswahlentscheidung zwischen konkreten Bewerbern sowie deren Programmangebot darstelle. Damit bestehe die Gefahr einer mittelbaren Einflußnahme auf das Programm, was mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks unvereinbar sei66• Auch dem Parlament und seinen Unterorganen dürfe ein derartiger Einfluß nicht eingeräumt werden. Denn das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks erstrecke sich, wie das Gericht bereits im Niedersachsen-Urteil ausgeführt hatte 67, nicht nur auf die Exekutive, sondern auch auf die Legislative. Auch der Gesetzgeber sei Staatsgewalt und unterliege als solcher der öffentlichen Kritik und Kontrolle. Da diese wiederum wesentlich von der Freiheit der Medien abhänge, dürften das Parlament und seine Unterorgane keinen Einfluß auf die Programmgestaltung der Rundfunkveranstalter gewinnen können68 • Allerdings könne und müsse der Landtag allgemeine gesetzliche Kriterien festlegen, nach denen die konkreten Zuordnungsentscheidungen sodann durch die Landesregierung oder durch die für den privaten Rundfunk zuständige Landesmedienanstalt zu treffen seien~.

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~

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfG, EuGRZ 1991,49, 74. BVerfGE 73, 118, 182. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 39

Weiter äußert sich das Bundesverfassungsgericht zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer Beteiligung der Gemeinden am privaten lokalen Rundfunk. Zunächst einmal wiederholt das Gericht die bereits im NiedersachsenUrteil bezogene Position70, wonach die Gemeinden zur Staatsgewalt zählten71 • Es hebt weiter deutlich hervor, daß nicht jeder staatlicher Einfluß auf die Programmgestaltung verfassungsrechtlich unzulässig sei. Mit dem Prinzip der Staatsfreiheit sei lediglich unvereinbar, daß der Staat selbst Rundfunkveranstalter sei oder aber bestimmenden Einfluß auf das Programm der von ihm unabhängigen Veranstalter erlange72• Damit deutet das Gericht das Gebot der Staatsfreiheit erneut im Sinne eines "Auslieferungs- und Beherrschungsverbotes" . Es begibt sich insoweit selbst in Widersprüchlichkeit, wenn es andernorts der Rundfunkfreiheit ein Verbot "staatlicher Einflußnahme" entnimmt73 und im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Überprüfung der staatlichen Frequenzverwaltung nach nordrhein-westfälischem Landesrecht allein die Gefahr einer Einflußnahme auf den Programm inhalt für die Verfassungswidrigkeit genügen läßt74 , was auf ein weiterreichendes Verständnis des Grundsatzes der Staatsfreiheit im Sinne eines Verbotes jedweder Form staatlicher Einflußnahme auf die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen schließen läßt. Als sachlichen Grund für eine Minderheitsbeteiligung der Gemeinden und damit des Staates am lokalen privaten Rundfunk sieht das Gericht darin, daß sie ein Gegengewicht gegen die Gefahr eines vorwiegend kommerziellen Interesses an der Rundfunkveranstaltung schaffe und dazu beitragen könne, die lokalen Belange im Rundfunk angemessen zur Geltung zu bringen75 • Schließlich finden sich Darlegungen zum Gebot der Staatsfreiheit in dem Teil der Entscheidung, der sich mit Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten befaßt. In diesem Zusammenhang stellt das Gericht fest, daß die Finanzierung der Rundfunkanstalten durch Gebühren oder Haushaltsmittel Möglichkeiten der politischen Einflußnahme auf die Programmgestaltung eröffne. Damit macht sich das Gericht die von Teilen des Schriftturns gegen das gegenwärtig praktizierte Gebührenfestsetzungsverfahren erhobene Kritik zu eigen76, ohne dabei freilich zu diesem Problemkreis abschließend Stellung zu beziehen.

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 191. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 76. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 76. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 66. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74; siehe auch Hesse, JZ 1991, 357, 358, der zu Recht von einem "gewissen Kontrast" in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts spricht. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 76. Dazu im einzelnen noch später.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur ~ ~usannnnenfassung

Der Überblick über die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Inhalt, Bedeutung und Reichweite des Grundsatzes der Staatsfreiheit zeigt ein nicht immer klares Bild. Das Gebot der Staatsfreiheit wird vom Bundesverfassungsgericht als ein Verfassungsgebot gedeutet, dessen Grundlagen in der abwehrenden Seite der grundrechtlich gewährleisteten Rundfunkfreiheit wurzeln. Zu den näheren Ableitungszusammenhängen dieses Grundsatzes äußert sich das Gericht jedoch nur im ersten Fernseh-Urteil und im "freie Mitarbeiter"-Beschluß. Mit der vom Bundesverfassungsgericht verwendeten Formel, der Rundfunk dürfe weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe überlassen bleiben, zeigt das Gericht, daß es eine staatliche Dominanz des Rundfunks als grundsätzlich gleichermaßen schädlich und unzulässig erachtet wie eine Abhängigkeit des Rundfunks von dem Einfluß einzelner gesellschaftlicher Gruppen. Diese Gleichstellung von staatlichen mit partikularen gesellschaftlichen Einwirkungen auf den Rundfunk entspringt einer Deduktion des Prinzips der Staatsfreiheit aus dem Vielfaltsgebot, welches ein ausgewogenes und vielfältiges Programmangebot im Rundfunk verlangt. Diese vielfaltsorientierte Ausrichtung läßt den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks als einen Unterfall des rundfunkspezifischen Pluralitätserfordernisses erscheinen. Im "freie Mitarbeiter"-Beschluß und insbesondere im Niedersachsen- wie im Nordrhein-Westfalen-Urteil konkretisiert das Gericht den Inhalt des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks. In diesen Entscheidungen verdeutlicht das Bundesverfassungsgericht die spezifische Zielsetzung dieses Verfassungsprinzips. Der Kernbereich des Prinzips der Staatsfreiheit wird in der Programmhoheit des Rundfunkveranstalters gesehen. Danach dürfen staatliche Stellen keine Entscheidungen treffen, welche programmbezogene Handlungs- und Wertungsspielräume eröffnen und die sich unmittelbar oder auch nur mittelbar auf die Programmgestaltung der Rundfunkanbieter auswirken können. Die Ausführungen des Gerichts zur Reichweite des Grundsatzes der Staatsfreiheit lassen die erforderliche Klarheit und Einheitlichkeit vermissen. Sofern es um die verfassungsrechtlichen Grenzen der organisatorischen Ausgestaltung des Rundfunks geht, wird dieses Verfassungsgebot in engerem Sinne als "Beherrschungs- und Auslieferungsverbot" für den Staat verstanden. Gegen eine Repräsentanz staatlicher Vertreter in den Organen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und gegen eine Beteiligung des Staates am privaten Rundfunk sei verfassungsrechtlich solange nichts einzuwenden, wie sich dadurch kein bestimmender Einfluß auf die organschaftliche Willensbildung einstellen könne. Demgegenüber deutet das Gericht

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 41

Staatsfreiheit oftmals auch in einem weitergehenden Sinne nicht nur als ein Verbot staatlicher Beherrschung, sondern jeglicher Einflußnahme des Staates auf die Gestaltung von Rundfunkprogrammen. Diese weiterreichende inhaltliche Bestimmung des Grundsatzes der Staatsfreiheit wird vom Bundesverfassungsgericht jedoch im Niedersachsen-Urteil insofern teilweise zurückgenommen, als es externe Einflüsse auf den Inhalt von Rundfunkdarbietungen durch staatliche Behörden für zulässig erklärt, wenn den staatlichen Entscheidungsträgern dabei kein ausschlaggebendes Gewicht zukomme. Dementsprechend soll auch eine staatliche Präsenz in den Gremien der Landesmedienanstalten bis zur "Dominanzschwelle" hinnehmbar sein. Damit werden dem Staat programmbezogene Einflußmöglichkeiten eröffnet, die mit einem weiten Verständnis der Staatsfreiheit im Sinne eines "Einmischungsverbotes" des Staates auf die Gestaltung von Rundfunkinhalten unvereinbar sind. Dieser Wertungswiderspruch in der Bestimmung der Reichweite des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks durchzieht die gesamte Judikatur des Bundesverfassungsgerichts. Diese Friktion läßt sich nur beheben, wenn man die Wendungen des Gerichts, welche eine weitergehende Bestimmung der Reichweite des Gebotes der Staatsfreiheit nahezulegen scheinen, als allgemeine, noch näher konkretisierungsbedürftige Aussagen deutet. Folgt man trotz bestehender Bedenken dieser Auslegung, so scheint das Bundesverfassungsgericht einem engeren Verständnis des Prinzips der Staatsfreiheit im Sinne eines "Auslieferungsund Beherrschungsverbotes" für den Staat verhaftet zu sein. Im Niedersachsen- und Nordrhein-Westfalen-Urteil führt das Bundesverfassungsgericht aus, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit nicht allein der staatlichen Exekutive Schranken setze, sondern sich darüber hinaus auch auf den Gesetzgeber beziehe. Den potentiellen Konflikt zwischen der vom Bundesverfassungsgericht postulierten staatlichen Verpflichtung zur Schaffung einer vielfaltssichernden und -erhaltenden positiven Ordnung einerseits und dem Gebot der Staatsfreiheit andererseits versucht das Gericht im NiedersachsenUrteil dahingehend zu lösen, daß der legislatorischen Verfügungsmacht dort Grenzen gesetzt seien, wo die grundrechtlich geschützte Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter auf Verwirklichung dränge. Der Anwendungsbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit wird im Niedersachsen-Urteil auf Parteien, Angehörige des öffentlichen Dienstes, Gemeinden und sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts erstreckt, es sei denn, diese sind vom Staat unabhängig und mit eigenen, gegen den Staat gerichteten Rechten ausgestattet (z.B. die öffentlich-rechtlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften). Im Nordrhein-Westfalen-Urteil bestätigt das Bundesverfassungsgericht, daß Gemeinden zur Staatsgewalt zählten.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Dieses dargelegte Verständnis des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks läßt sich in folgenden Kernsätzen zusammenfassen: Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks ist ein aus der subjektivrechtlichen Abwehrkom ponente der Rundfunkfreiheit folgender Verfassungssatz. Seine herausragende Stellung beruht auf dem verfassungsrechtlichen Vielfaltsgebot, das die Freiheit des Rundfunks von der Beherrschung durch den Staat oder durch eine gesellschaftliche Gruppe verlangt. Das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks ist eine besondere Ausprägung des rundfunkspezifischen Pluralitätsgebotes. Der Grundsatz der Staatsfreiheit ist programmakzessorischer Natur und schützt vor unmittelbaren wie mittelbaren staatlichen Einwirkungen auf die Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter. Die Frage nach der Reichweite des Grundsatzes der Staatsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts läßt sich nicht mit letzter Verbindlichkeit beantworten. Das Gericht scheint allerdings einem engeren Verständnis des Prinzips der Staatsfreiheit im Sinne eines "Auslieferungs- und Beherrschungsverbotes" für den Staat zuzuneigen. Dieser Grundsatz bindet staatliche Exekutive und Gesetzgeber gleichermaßen und erstreckt sich weiter auf Parteien, Angehörige des öffentlichen Dienstes, Gemeinden und sämtliche juristische Personen des öffentlichen Rechts. Ausgenommen sind lediglich die vom Staat unabhängigen und mit eigenen Rechten ausgestatteten juristischen Personen des öffentlichen Rechts wie etwa die öffentlich-rechtlichen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften. 11. Sonstige Rechtsprechung Die übrige Rechtsprechung hat sich mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks insbesondere im Zusammenhang mit der Zusammensetzung von Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der Landesmedienanstalten beschäftigt. Zu erwähnen ist weiter der Vorlagebeschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, mit dem der Hof dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt hat, ob das gegenwärtig praktizierte Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühren durch die Landesparlamente mit der Rundfunkfreiheit in Einklang steht. Im folgenden sollen diese Entscheidungen speziell unter dem Blickwinkel des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks analysiert werden.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 43

1. Urteil des OVG Lüneburg zur Zusammensetzung

des NDR-RundJunkrates

Das OVG Lüneburg hatte über die Verfassungsmäßigkeit des Rundfunkrates des Norddeutschen Rundfunks zu entscheidenn . Gegenstand des Rechtsstreits war der urspüngliche NDR-Staatsvertrag, demzufolge die gesetzgebenden Körperschaften der drei norddeutschen Bundesländer nach den Grundsätzen der Verhältniswahl sämtliche Mitglieder des Rundfunkrates der Dreisenderanstalt beriefen und zwar auch die Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen. In Anlehnung an das erste Fernseh-Urteil des Bundesverfassungsgerichts78 erfordert nach Auffassung des OVG Lüneburg das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks, daß den Staatsorganen - wozu das Gericht die Regierungen und Parlamente zählt - kein entscheidender oder beherrschender Einfluß innerhalb der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten eingeräumt werde79 • Aus diesen Gründen müßten die staatlichen Vertreter im Rundfunkrat als dem bedeutsamsten Organ der öffentlichrechtlichen Anstalt in der Minderheit bleiben8O • Das Gericht hält allerdings eine diesseits der Beherrschungsgrenze verbleibende Repräsentanz staatlicher Vertreter im Rundfunkrat für zulässig81 • Weiter betont das OVG Lüneburg, daß die Entscheidung über die Entsendung der Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen bei den gesellschaftlichen Kräften selbst liegen müsse. Das Gericht erkennt zwar an, daß dem Gebot der Staatsfreiheit am weitestgehenden entsprochen werde, wenn dem ständischen Prinzip gemäß die gesellschaftlichen Kräfte ihre Vertreter ohne staatliche Bestätigung oder staatliches Veto in den Rundfunkrat wählen könnten82 • Gleichwohl erachtet das Gericht die parlamentarische Wahl der Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen als noch verfassungskonform, solange und soweit sich die Wahl auf ein Auswahlverfahren beschränke, d.h. solange das Parlament bei der Wahl an die Vorschläge der jeweiligen Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen gebunden sei. Dadurch wäre sichergestellt, daß die Gewählten ihre Gruppe repräsentieren und vom Vertrauen dieser Gruppen getragen werden. Die auch vom OVG eingeräumte verbleibende staatliche Bestimmungsmacht bei der Auswahl mehrerer in

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Vgl. OVG Lüneburg, DÖV 1979,170. Vgl. BVerfGE 12, 205, 263. Vgl. ova Lüneburg, DÖV 1979, 170. Diese auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Ga beruhenden organisationsrechtlichen Anforderungen gelten nach Ansicht des va Hamburg, DVBI. 1980, 491, 492 f. entsprechend für den NDR-Verwaltungsrat nach früherem Recht. Vgl. ova Lüneburg, DÖV 1979, 170, 170 f. Vgl. OVG Lüneburg, DÖV 1979, 170, 172.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Betracht kommender Personen durch das Parlament betrachtet das Gericht - auch unter Berücksichtigung der demokratischen Legitimation dieses Verfassungsorgans - als verfassungsrechtlich unbedenklich83 • 2. Entscheidung des BayVerfGH zum Bayerischen MEG

Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hatte über die Vereinbarkeit des Gesetzes über die Erprobung und Entwicklung neuer Rundfunkangebote und anderer Mediendienste in Bayern (MEG) mit der Bayerischen Verfassung84 zu entscheiden8S • Das Gericht sieht in dem Grundsatz der Staatsfreiheit eine besondere Ausformung der grundrechtlich gewährleisteten R undfunkfreiheit86 und proklamiert damit dessen verfassungsrechtlichen Rang. Es betont weiter die Notwendigkeit einer vielfaltssichernden positiven Ordnung, welche zu gewährleisten habe, daß der Rundfunk frei von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme bleibe und auch nicht einzelnen gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert werde87 • Obwohl diese Wendung eine weite Auslegung des Staatsfreiheitsgebotes nahezulegen scheint, spricht der Bayerische Verfassungsgerichtshof im Zusammenhang mit der Besetzung des Medienrates der Bayerischen Landesmedienanstalt von dem Verbot eines "unangemessenen, starken" staatlichen Einflusses auf dieses die Pluralität des Rundfunks verkörpernde Organ der Anstalt88• Die oben beschriebene widersprüchliche Argumentationsführung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks spiegelt sich damit auch in der Bayerischen Verfassungsrechtsprechung wider. In Einklang mit dem seinerzeit gerade ergangenen Niedersachsen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts erklärt der Bayerische Verfassungsgerichtshof einen "Gemeinderundfunk" als mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit unvereinbar. Zur Begründung wird darauf abgestellt, daß Gemeinden wie andere kommunale Gebietskörperschaften als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung im lokalen Bereich gegenüber dem Staatsbürger exekutive Funktionen ausübten und insoweit wie die sonstigen Staatsorgane zu behandeln seien.

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Vgl. OVG Lüneburg, DÖV 1979, 170, 172; ob die demokratische Legitimation des Parlamentes den auch vom OVG Lüneburg konstatierten Staatseinfluß auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu rechtfertigen vermag, wird später noch genauer zu prüfen sein. Insbesondere Art. 111a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BV. Vgl. BayVerfGH, AfP 1987, 394 und NVwZ 1987, 213. Vgl. Art. lIla Abs. 1 Satz 1 BV. Vgl. BayVerfGH, AfP 1987, 394, 403. Vgl. BayVerfGH, AfP 1987, 394, 403.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 45

Ihre Einbeziehung in die unmittelbare Programmgestaltung verstoße daher gegen die Rundfunkfreiheit89 • 3. Vorlagebeschluß des BayVGH betreffend die Verfassungsmäßigkeit der Gebühren!estsetzung durch die Landesparlamente

Ausgangspunkt dieses Vorlagebeschlusses war der Streit um die Rechtmäßigkeit des sogenannten Kabelgroschens, eines Zuschlags auf die Rundfunkgebühr zur Finanzierung der Kabelpilotprojekte. Insoweit erachtete der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Frage als entscheidungserheblich, ob die Festsetzung der Rundfunkgebühren für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk durch die Landesparlamente vor der Verfassung Bestand haeo. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes schränkt das Verfahren zur Festsetzung der Höhe der Rundfunkgebühr durch die Parlamente den in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks in verfassungswidriger Weise ein. Das Gericht entnimmt dem subjektivrechtlichen Gehalt der Rundfunkfreiheit das Gebot der Staatsfreiheit. Aus dem status negativus folge, daß der Rundfunk frei von staatlichem Einfluß bleiben müsse91 • Unter Hinweis auf die verfassungsrechtlich verbürgte kommunale Finanzhoheit leitet der Hof eine verfassungskräftig erstarkte Autonomie der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ab, über die Festsetzung der Rundfunkgebührenhöhe selbst zu bestimmen92 • Diese durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Position werde durch die staatliche Gebührenfestsetzung verletzt. Die Politiker würden die Gebührenfestsetzungsentscheidung als "goldenen Zügel" zu nutzen versuchen, um Einfluß auf die Programmgestaltung der Sende anstalten und insgesamt auf die Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems zu nehmen93 • Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müßten daher von "politischen Zumutungen" und der einseitigen Durchsetzung von Sonderinteressen befreit werden. Das bedeute allerdings keinesfalls, daß die Rundfunkanstalten in ihren Finanzgebaren keinen Schranken unterlägen und daß der Gesetzgeber auf diesem Gebiete überhaupt nicht mehr regelnd tätig werden dürfe94 • Entsprechend dem rechtsstaatlichen Erforderlichkeitsmaßstab reiche jedoch der Erlaß eines staatlichen Gesetzes aus, in dessen Vollzug dann die öffentlich-rechtlichen 89 90 91

92 93 94

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BayVerfGH, AfP 1987, 394, 403. BayVGH, BayVBI. 1988,685. BayVGH, BayVBI. 1988, 685, 686. BayVGH, BayVBI. 1988, 685, 686. BayVGH, BayVBI. 1988, 685, 687 unter Hinweis auf Linck, NJW 1984, 2433, 2435. BayVGH, BayVBI. 1988, 685, 688.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Rundfunkanstalten autonom die Gebührenhöhe festsetzen könnten9s • Der Gefahr einer unangemessenen und mißbräuchlichen Handhabung dieses finanziellen Selbststeuerungsinstrumentes könne verfahrensrechtlich durch einen staatlichen Genehmigungsvorbehalt wie im Gemeindeabgabenrecht wirksam begegnet werden96• Das Gericht zieht nicht ins Kalkül, daß sich die Genehmigungsbedürftigkeit ihrerseits als "EinbruchsteIle" für sachwidrige Einwirkungen staatlicher Stellen auf die Rundfunkanstalten erweisen könnte. Auf diesen Aspekt wird später noch einmal zurückzukommen sein. Auch bedarf die Prämisse des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, wonach aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf Selbstverwaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein Recht auf autonome Gebührenfestsetzung folgen soll, einer kritischen Überprüfung. 4. Entscheidung des BayVerfGH zur Zusammensetzung des Verwaltungsrates des ZDF und seiner Ausschüsse

Gegenstand der Entscheidung war im wesentlichen die Frage, ob die Regelung über die Zusammensetzung des Verwaltungsrates des Zweiten Deutschen Fernsehens und seiner Ausschüsse mit dem Gebot der Staatsfreiheit vereinbar ist97• Der Bayerische Verfassungsgerichtshof deutet den Grundsatz der Staatsfreiheit als eine besondere Ausprägung der grundrechtlieh verbürgten Rundfunkfreiheit98• Weiter erhebt das Gericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Forderung, daß der Rundfunk weder dem Staat noch einzelnen gesellschaftlichen Kräften überlassen werden dürfe99 • Staatsrundfunk, d.h. ein von staatlichen Organen veranstalteter, beherrschter oder kontrollierter Rundfunk, sei unzulässig1oo • Andererseits, so führt das Gericht aus, sei dem Staat nicht jede Mitwirkung in den internen Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten versagt. Unzulässig sei lediglich eine Dominanz des Rundfunks durch den Staat oder durch andere Hoheitsträger. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk müsse binnenplural organisiert und unabhängig vom Staat wie von den gesellschaftlich bedeutsamen politischen, weltanschaulichen und gesellschaftlichen Gruppen sein. Diese Ausführungen münden schließlich in der semantischen Anregung, den Begriff der Staatsfreiheit aufgrund seiner in der Sache

vgl. Vgl. 97 Vgl. 98 Vgl. 99 Vgl. 100 Vgl.

9S

96

BayVGH, BayVBI. 1988,685,686. BayVGH, BayVBI. 1988, 685, 688. BayVerfGH, BayVBI. 1989, 303. BayVerfGH, BayVBI. 1989, 303, 304. BayVerfGH, BayVBI. 1989,303,304 und 305. BayVerfGH, BayVBI. 1989, 303, 304 m.w.N. auf Rspr. und Lit.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 47

nicht zutreffenden Absolutheit durch die Begriffe der "Staatsunabhängigkeit" oder des "Verbotes der Staatsnähe" zu ersetzenlOI • Der Bayerische Verfassungsgerichtshof deutet den Grundsatz der Staatsfreiheit im Sinne des Verbotes staatlicher Dominanzeinwirkungen auf den Rundfunk. Das Gericht bezieht diesen Grundsatz deutlich auf das verfassungsrechtliche Erfordernis eines die gesamte Vielfalt der bestehenden Meinungen widerspiegelnden öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dementsprechend verlangt das Gericht die Unabhängigkeit der Anstalten vom Staat und einzelnen gesellschaftlichen Kräften. In Einklang mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts im ersten Fernseh-Urteil werden staatliche Beherrschungsverbote der verfassungsrechtlich unzulässigen Auslieferung des Rundfunks an einzelne gesellschaftliche Kräfte gleichgeordnet. Das Gebot der Staatsfreiheit wurzelt nach Ansicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes im rundfunkspezifischen Vielfaltspostulat. In dieser vielfaltsbezogenen Ausrichtung besitzt der Grundsatz der Staatsfreiheit gegenüber der Vielfaltsmaxime keinen eigenständigen spezifischen Wert. In diesem Sinne ist dieses Prinzip lediglich eine besondere Ausformung der verfassungsrechtlich notwendigen Pluralität im Rundfunk. Der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes kommt insoweit weitreichende Bedeutung zu, als der Hof das Verbot staatlicher Dominanz des Rundfunks einer weiteren Konkretisierung zuführt. Die Beteiligung staatlicher Vertreter erwähnt das Gericht zwar im Zusammenhang mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks. Gleichwohl werden die einzelnen staatlichen Mitglieder der Kontrollgremien nicht schlechterdings "dem" Staat zugerechnet. Unter dem Gesichtspunkt unzulässiger staatlicher Dominanz komme es vielmehr darauf an, ob bestimmte, der Staatsgewalt im weitesten Sinne zuzurechnende Mitglieder eines Entscheidungsgremiums des öffentlich-rechtlichen Rundfunks rechtlich oder faktisch so eng miteinander verflochten oder voneinander abhängig sind, daß sie als geschlossene Gruppe "des" Staates einen beherrschenden Einfluß ausüben könnten. Die Schwelle zur unzulässigen staatlichen Beherrschung sei erst überschritten, wenn "der" Staat quasi als monolithischer Block so einheitlich und geschlossen auftreten könnte, daß die anderen Gruppen ihm gegenüber unangemessen benachteiligt wären l02 • Bei Anwendung dieser Grundsätze gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, daß etwa der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, die

101 102

vgl. BayVerfGH, BayVBI. 1989, 303, 305 m.w.N. auf das Schrifttum. Vgl. BayVerfGH. BayVBI. 1989, 303, 306.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Vertreter der Gemeinden und Gemeindeverbände, der Universitäten und Hochschulen, der Handwerkskammern sowie der Industrie- und Handelskammern keine homogene Gruppe bildeten und damit in ihrer Gesamtheit auch nicht "dem" Staat zugerechnet werden könnten lO3 • Ebensowenig könne man die Repräsentanten der Länder und des Bundes addieren. Angesichts der Eigenständigkeit der Länder im föderalistisch verfaßten Bundesstaat sei der Einfluß "der" Staatsgewalt insoweit "föderalistisch gebrochen"I04. Diese Ausführungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes sind in sich stimmig und zwingend. Sieht man wie das Gericht den Grundsatz der Staatsfreiheit im Vielfaltsgebot des Rundfunks begründet, so ist der Tatbestand verbotener staatlicher Einflußnahme erst bei einer die Vielfalt beeinträchtigenden Störung erfüllt. Parameter für eine pluralitätsgefährdende Einwirkung ist die Auslieferung des Rundfunks an "den" Staat bzw. an dessen Funktionsträger. Dennoch zerfällt "der" Staat selbst wiederum in mehrere Funktionsbereiche mit oftmals kaum übereinstimmenden oder gar einander widersprechenden Interessenlagen. Folgerichtig ist unter Vielfaltsgesichtspunkten "auf staatlicher Seite" eine differenzierende Betrachtung angezeigt. Nur wenn die einzelnen Vertreter des Staates eine homogene und in sich geschlossene Gruppe bilden, lassen sie sich als eine einheitliche Größe "dem" Staat zurechnen. Ein Übergewicht einer solchen homogenen Gruppe in den Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wäre mit dem rundfunkspezifischen Vielfaltsgebot unvereinbar. Besteht hingegen eine durch wechselseitige Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der staatlichen Organe gekennzeichnete heteronome staatliche Interessenlage, läßt sich eine Gefahr für die meinungsbezogene Pluralität nicht ausfindig machen, wenigstens solange eine angemessene Beteiligung der nicht-staatlichen, gesellschaftlichen Kräfte im Rundfunk gewährleistet ist. Die vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof entwickelten Verfassungsdirektiven für die Organisation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten erweisen sich als eine notwendige Konsequenz einer am rundfunkspezifischen Vielfaltsgebot orientierten Interpretation des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks. Ob diese, die gesamte Entscheidung tragende dogmatische Abstützung des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks zu überzeugen vermag, wird später noch eingehend zu erörtern sein.

103

Vgl. BayVerfGH, BayVBI. 1989, 303, 306.

104 Vgl. BayVerfGH, BayVBI. 1989, 303, 306 hinsichtlich der Tenninologie einer "födera-

listischen Brechung der Staatsgewalt· unter Berufung auf Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 42.

Erstes Kapitel: Die Rechtsprechung zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks 49

5. Zusammenfassung

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sieht auch die übrige Judikatur den Grundsatz der Staatsfreiheit unmittelbar in der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit verankert. Das Gebot der Staatsfreiheit wird im Lichte des verfassungsrechtlichen Erfordernisses eines die Gesamtheit aller Meinungen widerspiegelnden Rundfunks gedeutet, welches verlangt, daß das Massenmedium Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert wird. Staatsfreiheit des Rundfunks stützt man dogmatisch im rundfunkspezifischen Vielfaltspostulat ab und bildet demnach eine spezielle Ausprägung der verfassungsrechtlich gebotenen Pluralität im Rundfunk. Eine "angemessene" Beteiligung der Vertreter des Staates an den binnenpluralistisch zusammengesetzten Entscheidungsträgern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der Landesmedienanstalten wird ausdrücklich gebilligt. Diese Rechtsprechung entspricht den vom Bundesverfassungsgericht im ersten Fernseh-Urteil und in der Niedersachsen-Entscheidung dargelegten Verfassungsdirektiven für die Organisation des Rundfunks. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof nimmt im Hinblick auf die Frage eines die "Dominanzschwelle" überschreitenden staatlichen Einflusses auf den Rundfunk einen nach Aufgaben und Interessenlagen der einzelnen staatlichen Vertreter differenzierenden Standpunkt ein. Als Kriterium für die Bestimmung eines unzulässigen staatlichen Einflusses in den Selbstverwaltungsträgern der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nennt das Gericht die Interessenparallelität der jeweiligen Staatsvertreter. Solange die Repräsentanten des Staates nach ihren Funktionen gleiche Ziele verfolgten und infolgedesssen einheitlich und geschlossen auftreten könnten, seien sie als ein homogenes Gebilde "dem" Staat zuzurechnen. Demgegenüber bildeten heteronom zusammengesetzte, durch unterschiedliche Interessenlagen gekennzeichnete staatliche Gruppen keinen tauglichen Bezugsrnaßstab für die Feststellung eines unzulässigen, beherrschenden staatlichen Einflusses auf den öffentlich-rechtlichen Integrationsrundfunk, weil insofern keine Gefahr für eine staatliche Steuerung des Rundfunks bestehe.

4 Gersdorf

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Zweites Kapitel:

Die Literatur zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks Dem in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit hergeleiteten Gebot der Staatsfreiheit wird im Schrifttum als einem fundamentalen Strukturprinzip verfassungsrechtlicher Rang beigemessen. Dieses Prinzip wird meistens im Zusammenhang mit einzelnen rundfunkspezifischen Teilkomplexen erörtert, wie etwa der Staatsaufsicht über den Rundfunk, seiner Finanzierung oder den verfassungsrechtlichen Grenzen des staatlichen Einflusses innerhalb der Organisation öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten. Im folgenden soll auf die Besonderheiten der speziellen Sachgebiete nicht näher eingegangen werden. An dieser Stelle werden die in der Lehre zum Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks bezogenen Positionen auf hohem Abstraktionsniveau dargestellt. I. Ursprung

In Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird das Gebot der Staatsfreiheit unmittelbar aus der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Rundfunkfreiheit abgeleitet'°5. Diese im Ergebnis übereinstimmende Deduktion der Staatsfreiheit darf aber nicht den Blick dafür verstellen, daß die im Schrifttum vertretenen Meinungen auf unterschiedlichen Ableitungssträngen für dieses rundfunkrechtliche Strukturprinzip beruhen. Meistens wird zur Begründung auf die Faktor- und Mittlerfunktion des Rundfunks im Prozeß freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung verwiesen. Diese Aufgabe könne der Rundfunk wirksam nur erfüllen, wenn nicht der Staat oder einzelne gesellschaftliche Kräfte diesen Vermittlungsprozeß zu steuern und zu kontrollieren versuchten. Daher dürfe der Rundfunk weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe ausgeliefert werden. Die parallele Erwähnung des Staates und einzelner gesellschaftlicher Kommunikatoren zeigt die vielfaltsbezogene Ausrichtung dieses Ansatzes. Die Grundlage des Prinzips der Staatsfreiheit wird im verfassungsrechtlichen

lOS

Vgl. nur Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 41 f.; Eber/e, Rundfunkübertragung, S. 95; Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 193 ff.; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 11 ff.; ders., Gutachten zum 56. DIT, Rdnr. 17; Klein, Rundfunkfreiheil, S. 51 ff.; Linck, NJW 1984, 2433, 2436; Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Rechnungsprüfung, S. 34 Cf.; Scharf, FS für Faller, S. 477, 481 ff.; Stock, Medienfreiheit, S. 335, 365.

Zweites Kapitel: Die Literatur zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks

51

Gebot eines die gesamte Vielfalt der bestehenden Meinungen zum Ausdruck bringenden Rundfunks gesehen, welches die einseitige inhaltliche Besetzung des Rundfunks durch den Staat oder durch einzelne gesellschaftliche Kräfte verbiete 106• Nur vereinzelt und teilweise lediglich als zusätzliche Argumentationsstütze erwähnt man das dem Demokratiegebot des Grundgesetzes entspringende Prinzip der Volkssouveränität. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung107 wird das Verfassungsgebot eines grundsätzlich von staatlichen Einflüssen freizuhaltenden Prozesses freier Meinungs- und Willensbildung des Volkes betont. Dem Staat sei es deshalb von Verfassungs wegen grundsätzlich verwehrt, auf die im Rundfunk artikulierten und durch dieses Massenmedium vermittelten Inhalte Einfluß zu gewinnen 108• Als weitere Basis für die Staatsfreiheit des Rundfunks wird von einer in der Lehre vertretenen Auffassung das verfassungsrechtliche Gewaltenteilungsgebot genanne 09 • Diese von Kewenig entwickelte und formulierte und von Jarass aufgegriffene Meinung geht davon aus, daß die dem Gewaltenteilungsprinzip innewohnende idealtypische Vorstellung, die Verteilung staatlicher Macht auf mehrere staatliche Funktionsbereiche und Funktionsträger werde zu einer gegenseitigen Hemmung und Kontrolle der verschiedenen Gewalten führen und auf diese Weise eine gewisse Gewähr für eine freiheitssichernde Mäßigung staatlichen Handeins bieten, nicht von der verfassungsrechtlichen Wirklichkeit gedeckt sei. Die Verfassungswirklichkeit sei durch ein starkes Zusammenwirken von Regierung und der sie tragenden Kräfte im

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Deutlich Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 30 f.; Stender, "Staats ferne" und "Gruppenferne", S. 32 f., vgl. weiter S. 144 und S. 126; Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 41 C.; siehe auch Bethge, Reorganisation, S. 19; Bömer, Organisation, Programm und Finanzierung, S. 16 f.; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. I, 2, Rdnrn. 556 ff.; Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, S. 16; Lerche, Landesbericht, S. 15, 75; Lücke, DVBI. 1977, 977, 978 m.w.N.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 300; Schmitt Glaeser, AöR Bd. 112 [1987], 215, 242 ff.; Steimer, RundfunkCinanzierung, S. 8 f. Vgl. BVerfGE 20, 56, 99; 69, 315, 346. Vgl. Wujka, RundCunkfreiheit, S. 95 f.; Eberle, Rundfunkübertragung, S. 95; Starck, Rundfunkfreiheit, S. 17; Leibholz, FS für Scheuner, S. 363, 368 ff.; das Demokratiegebot ergänzend heranziehend Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 16 C., allerdings ohne zu erörtern, ob das von ihm postulierte Verständnis des Grundsatzes der Staatsfreiheit im Sinne eines "Dominanzverbotes' nicht weniger weit greift; siehe auch Frank, Medienmacht und Politik, S. 179, IBO C.; Mallmann, Rechtsaufsicht über das ZDF, S. 65; Wilkens, Aufsicht über den Rundfunk, S. 95 ff. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 62 ff.; zustimmend Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 17; Lerche, Landesbericht, S. 77, Fn. 229.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Parlament gekennzeichnet110. Diese Verschränkung beider Funktionsbereiche stehe einer wirksamen gegenseitigen Überwachung der beiden Gewalten entgegen. Die Problematik der Erfüllung des Kontrollauftrages durch das Parlament liege darin, daß die politisch wie verfassungsrechtlich relevante Trennungslinie heute in der Regel nicht mehr zwischen Parlament und Regierung, sondern zwischen Regierung und Mehrheitsfraktion einerseits und parlamentarischer Opposition andererseits verlaufe lll . Damit falle der parlamentarischen Opposition und nicht mehr dem Parlament als Ganzem die unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung bedeutsame Aufgabe der Regierungskontrolle in erheblichem Umfange ZU112. Die Opposition könne diese Aufgabe nur erfüllen, wenn sie mit Hilfe der Massenkommunikationsmittel die Öffentlichkeit erreiche, um auf diese Weise zu versuchen, daß ihre Kritik von der öffentlichen Meinung aufgenommen wirdll3 • Sie bilde in gewissem Maße den "Vertreter der Öffentlichkeit im Parlament,,114. Die Massenmedien Rundfunk und Presse müßten daher frei von Einflüssen der Regierung und der sie stützenden Parlamentsmehrheit bleiben, damit gewährleistet sei, daß sie ihre Funktion im System des "checks and balances" effektiv wahrnehmen 115• 11. Inhalt

Der Inhalt des Gebotes der Staatsfreiheit wird in der Literatur einheitlich bestimmt. Der Kern dieses Grundsatzes wird unstreitig im Programmbereich des Rundfunks angesiedelt. Das Prinzip der Staatsfreiheit soll immer dann Platz greifen, wenn es um die Erstellung und Verbreitung von Sendeinhalten, d.h. um die meinungsbildende Funktion des Rundfunks geht. Demgemäß ist Staatsfreiheit des Rundfunks streng programmbezogen1l6 und damit

110 III 112

113 114

115 116

vgI. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 62 f. VgI. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 63; siehe auch Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 17. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 63. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 64; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 17. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 4l. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 65; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 17. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 198 ff., passim; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 31; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 41 f.; Schmitt G/aeser, AöR Bd. 112 [1987], 215, 242 ff.; Eber/e, Rundfunkübertragung, S. 95; Baclwt/ Rudo/f, Verbot des Werbefernsehens, S. 26; Herrmann, Fernsehen und Hörfunk, S.48; Ossenbühl, Rechtsprobleme der Freien Mitarbeit, S. 109 ff.; Leiblw/z, in: FS für Scheuner, S. 363, 366, passim; Leisner, Werbefernsehen, S. 84 f.; Lenz, JZ 1963, 338, 340; Lerche, Landesbericht, S. 15, 31; Linck, NJW 1984, 2433, 2436; Stem/Bethge, Finanzierung der Rundfunkanstalten, S. 18; Wi/kens, Aufsicht über den Rundfunk, S. 92 f.

Zweites Kapitel: Die Literatur zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks

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"programm akzessorischer Natur"ll7. Nach der Literatur steht der gesamte Prozeß der Medientätigkeit von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG 118• III. Reichweite

Die bereits geschilderten Unsicherheiten der Judikatur des Bundesverfassungsgerichts bei der Bestimmung der normativen Reichweite des Gebotes der Staatsfreiheit lassen sich ebenfalls in Teilen der Lehre wiederfinden. Nach einigen Autoren verbietet dieser Verfassungssatz sowohl die Beherrschung des Rundfunks durch den Staat als auch staatliche Einflußnahme auf einzelne Rundfunkprogramme 119 • Allerdings bleibt die Frage unbeantwortet, ob der Grundsatz der Staatfreiheit qualitative Abstufungen erfährt, mit anderen Worten, ob das postulierte Beherrschungsverbot des Rundfunks für den Staat gegenüber dem Verbot staatlicher Einflußnahme auf Sendeinhalte ein weniger weitreichendes aliud darstellt oder aber - trotz der verbalen Unterschiede beider Einflußgrößen - substantiell gleichrangig ist. Andere Stimmen im Schrifttum äußern sich dagegen deutlich und unmißverständlich zur Reichweite des Prinzips der Staatsfreiheit. Danach begründet das Gebot der Staatsfreiheit lediglich ein "Verbot staatlicher Dominanz von Programminhalten". Aus diesem Grunde sei es staatlichen Stellen verwehrt, das Programmbestimmungsrecht der Rundfunkveranstalter zu usurpieren. Von einem Verbot jedweder Einwirkung des Staates auf den Rundfunk ist hingegen nicht die Rede l20 • Teilweise wird diese Aussage im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit einer Beteiligung von Staatsvertretern an den Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten noch weiter konkretisiert. Bei

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So Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 43. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 31, unter Berufung auf BVerfGE 10, 118, 121; ausführlich ders., Freiheit der Massenmedien, S. 219 ff. Vgl. Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Rechnungsprüfung, S. 35 und 37; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, der auf S. 42 den Grundsatz der Staatsfreiheit im Sinne eines "Auslieferungs- und Beherrschungsverbotes" deutet, auf S. 43 dem Staat aber "im Programmbereich keinerlei Überwachungsfunktionen" zubilligen möchte; siehe ferner Bethge, ZUM 1989, 209, 210. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 31, passim; ders., Freiheit der Massenmedien, S. 219 ff.; siehe auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnrn. 556 ff.; Lerche, Landesbericht, S. 15, 75 und 77; Ricker, Privatrundfunk-Gesetze, S. 33; Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 42; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S.I44.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

der Bestimmung eines unzulässigen beherrschenden Einflusses soll es darauf ankommen, ob die einzelnen Vertreter des Staates aufgrund gleichgelagerter Interessen eine homogene Gruppe bildeten; nur in diesem Falle könnten sie als einheitliche Einflußgröße "dem" Staat zugerechnet werden l21 • Demgemäß sei das "staatliche" Einflußpotential auf Mehrländeranstalten des öffentlichrechtlichen Rundfunks angesichts einer diversiftzierenden Aufspaltung der Länderinteressen regelmässig "föderalistisch gebrochen"I22. Schließlich gehen einige in der Literatur von einem weiten Verständnis des Gebotes der Staatsfreiheit aus. Unter Rekurs auf das Prinzip der Volkssouveränität wird grundsätzlich jeder Eingriff in den freien Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes und somit auch jede staatliche Einflußnahme auf Rundfunkveranstalter für unzulässig erachtet 123 • IV. Adressatenkreis In den vorstehenden Ausführungen war davon die Rede, daß der "Staat" auf die Programminhalte des Rundfunks keinen Einfluß gewinnen darf. Wenden wir uns nun der Frage zu, was das Schrifttum im einzelnen unter "Staat" versteht, d.h., welche staatlichen Einrichtungen, Organisationen und Organe in den Anwendungsbereich des rundfunkrechtlichen Verfassungsprinzips mit einbezogen werden. Daß sich das Gebot der Staatsfreiheit zunächst einmal auf die Regierung samt der sie tragenden Parlamentsmehrheit und der von ihr abhängigen, hierarchisch unterstellten Verwaltung bezieht, steht unstreitig fese 24 •

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Vgl. Degenhart, in: Banner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 557; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 42 f.; Lerche, Landesbericht, S. 15, 77 f.; Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 43 ff. Vgl. Bachaf/Kisker, Zweites Deutsches Fernsehen, S. 64; Kewenig, Rundfunkfreiheit, S 51; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 42 f. und 50; Lerche, Landesbericht, S. 15, 77 f.; Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 43 ff, der allerdings auf S. 46 einräumt, daß der "Divisionseffekt" gegen Null sinken dürfte, wenn in den beteiligten Ländern dieselbe Partei bzw. dieselbe Parteienkoalition die Regierung stelle. Vgl. im Zusammenhang mit der Frage nach der Zulässigkeit einer staatlichen Rechtsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Leibholz, in: FS für Scheuner, S. 363, 373; in bezug auf eine staatliche Präsenz in den Kontrollgremien der Rundfunkanstalten Wu[ka, Rundfunkfreiheit, S. 95. Vgl. Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautomomie, S. 42; Bethge, Reorganisation, S. 20; ders., ZUM 1989, 209, 210; ders., NJW 1990, 2451, 2452; Ihlefeld, ZUM 1987, 604, 611; Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 66; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 40; Lerche, Landesbericht, S. 15, 77; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 146; Starck, Rundfunkfreiheit, S. 15.

Zweites Kapitel: Die Literatur zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks

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Ob das gleiche auch für die parlamentarische Opposition gilt, wird allerdings bereits uneinheitlich beantwortet. Häufig werden Einwirkungen von Regierung und Parlament auf den Rundfunk zusammengefaßt, ohne daß sich daraus ableiten ließe, ob damit auch die parlamentarische Opposition erfaßt sein soW 25• Soweit man sich dieses Problems annimmt, wird überwiegend die parlamentarische Opposition dem Staat zugerechnd 26• Demgegenüber will Jarass die parlamentarische Opposition aus dem Anwendungsbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks ausgeklammert wissen, da die Opposition an der Ausübung staatlicher Macht nur wenig beteiligt und zudem von der Regierung weitgehend unabhängig sei J27 • In Zusammenhang mit dem Gebot der Staatsfreiheit wird häufig auch der Einfluß politischer Parteien auf den Rundfunk erörtert. Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß dieses Prinzip parteipolitische Ingerenzen auf den Rundfunk umschließe. Da der demokratisch verfaßte Staat ein "Parteienstaat" sei, müßten die Einwirkungen von Staat und Parteien zusammengefaßt werden. Eine Differenzierung gehe an der Wirklichkeit des demokratischen Lebens vorbei l28. Diametral dazu gibt es im Schrifttum aber auch Stimmen, die unter Berufung auf die besondere verfassungsrechtliche AufgabensteIlung der politischen Parteien diese nicht in den Adressatenkreis des Grundsatzes der Staatsfreiheit miteinbeziehen. Da die Parteien nach Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes berufen seien, wäre es nicht gerechtfertigt, sie "kurzerhand"l29 dem Staat zuzurechnen 130.

vgl. Linck, NJW 1974, 2433, 2436; Starck, Rundfunkfreiheit, S. 17; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 98; siehe auch Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautomomie, S. 42; Bethge, ZUM 1989, 209, 210 in bezug auf den Gesetzgeber. 126 Vgl. Hendriks, MP 1984, 433, 436; Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 66; Lerche, Landesbericht, S. 15, 77, Fn. 227; Ihlefeld, ZUM 1987, 604, 611. 127 Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 41; für diese Deutung spricht die von Jarass verwendete Formulierung, die Opposition bilde "in gewissem Maße den Vertreter der Öffentlichkeit im Parlament", "an der Ausübung der staatlichen Gewalt ist sie (seil.. die Opposition) nur wenig beteiligt"; siehe auch Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 43 f., der gegen eine Veranstaltung privater Rundfunkprogramme durch Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften unter dem Blickwinkel der Staatsfreiheit des Rundfunks keine Einwände erhebt, weil "Parlamentarier nicht Inhaber der Staatsmacht oder Repräsentanten des StaatswilIens sind"; unklar Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 44 f. 125

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Vgl. Lerche, Landesbericht, S. 15, 75 ff.; SChmidt, Rundfunkvielfalt, S. 84; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 146; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 130; siehe auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 556, der zwar zunächst im Hinblick auf das Gebot der Staatsfreiheit ganz generell von dem "Verbot der Parteiendominanz" spricht, damit aber (wohl) nur den Einfluß der "jeweiligen Mehrheitspartei" meint. So Bethge, Rundfunkfreiheit und privater Rundfunk, S. 36 f. Vgl. Bethge, Rundfunkfreiheit, und privater Rundfunk, S. 36 f.; Eberle/Gersdor[, JuS 1991, 489, 493; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 54 ff.; Starck, Rundfunkfreiheit, S. 34 ff., 37 f.; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 215 f.

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Erster Teil: Die Staatsfreiheit des Rundfunks in Rechtsprechung und Literatur

Demgegenüber besteht in der Lehre weitgehende Übereinstimmung darüber, daß diejenigen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen, die von Verfassungs wegen gegenüber "dem Staat" mit eigenen Rechten ausgestattet und diesem gegenüber unabhängig sind oder deren Unabhängigkeit von Regierungseinflüssen gesichert ist, nicht in den Anwendungsbereich des Gebotes der Staatsfreiheit fallen. Hierzu sollen etwa die Gerichte (Art. 92 GG), die Universitäten und Hochschulen (Art. 5 Abs. 3 GG) und die Religionsgemeinschaften (Art. 4 und Art. 140 i.V.m. Art. 136 ff. WRV) zählen l3l • Ob dazu auch die kommunalen Gebietskörperschaften gehören, ist schon wieder zweifelhaft 132• Die Rechnungsprüfung der Rundfunkanstalten durch die Rechnungshöfe wird häufig funktionsbezogen beurteilt. Soweit die Rechnungshöfe "auf Geheiß" der Rundfunkanstalten im Rahmen interner Rechnungsprüfung tätig würden, bestünden unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit keine Bedenken. Hingegen setze das Gebot der Staatsfreiheit der externen Finanzkontrolle verfassungsrechtliche Schranken 133 • Demgegenüber hält Jarass unter Berufung auf die weitreichende sachliche und personelle Unabhängigkeit der Rechnungshöfe den Grundsatz der Staatsfreiheit in keinem Falle für einschlägigl34. Die Industrie- und Handelskammern sowie die Handwerkskammern und sonstige Berufskammern werden von vielen Stimmen in der Literatur trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform nicht zum Staat gezählt, da diese Einrichtungen keine spezifischen Staatsinteressen wahrnehmen, sondern eher als ständische Interessenvertretungen ihrer Mitglieder fungieren würden 135 •

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Vgl. larass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 41; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 216 ff.; siehe auch Bethge, Reorganisation S. 20.; Wu}ka, Rundfunkfreiheit, S. 91 ff.; vgl. auch Lerche, Landesbericht, S. 15, 78, der zwischen weisungsgebundener und weisungsfreier Administrativbürokratie zu unterscheiden sucht; speziell für die Religionsgemeinschaften Link/Pahlke, Kirchen und privater Rundfunk, S. 23; Rudolf, FS für Bachof, S. 97, 109. Unter Hinweis auf Art. 28 Abs. 2 GG bejahend larass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 41; siehe auch lost, Beteiligung der Gemeinden, passim, der - soweit ersichtlich - das Gebot der Staatsfreiheit im Hinblick auf die Veranstaltung kommunalen Rundfunks nicht erörtert; aA. die übelWiegende Meinung im Schrifttum, vgl. Bethge, ZUM 1989, S. 209; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 45 ff.; Rudolf, FS für Bachof, S. 97, 105; Schmidt, Rundfunkvielfalt, S. 79 f.; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 147 f.; Tettinger, JZ 1984, 400,408; differenzierend Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 219 ff. Vgl. Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 198 ff.; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 67 ff.; Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Rechnungsprüfung, S. 44 ff. Vgl. larass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 41 und 57 f. Vgl. Bethge, Reorganisation, S. 20 f. unter Hinweis auf BVerfGE 38, 281, 301; ebenso larass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 41; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 148; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 11, § 84 I, Rdnr. 7, S. 6; aA. Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 218 f.

Zweites Kapitel: Die Literatur zum Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks

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V. Zusammenfassung Das Schrifttum versteht übereinstimmend den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks als einen Verfassungsrechtssatz, der seine Grundlage in der grundrechtlich gewährleisteten Rundfunkfreiheit findet. Eine genauere Analyse der Literatur zeigt allerdings, daß die einzelnen Stimmen oftmals von unterschiedlichen Begründungsansätzen ausgehen. Überwiegend wird der Grundsatz der Staatsfreiheit im Pluralitätsgebot des Rundfunks verankert. Nur vereinzelt und lediglich als zusätzliche Argumentationsstütze wird auf das dem Demokratiegebot entspringende Prinzip der Volkssouveränität verwiesen. Andere wiederum leiten das Gebot der Staatsfreiheit zumindest auch aus dem Gewaltenprinzip des Grundgesetzes her. In der Literatur ist man sich darüber einig, daß der Kern dieses grundrechtlich abgesicherten Prinzips in der Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter liege. Streit besteht allerdings über die Reichweite des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks. Teilweise sieht man in diesem Prinzip lediglich das Verbot einer staatlichen Dominanz des Rundfunks und seiner programmbezogenen Tätigkeit begründet. Andere wiederum erklären bereits jede staatliche "Einmischung" in die Programminhalte unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks für unzulässig. Der Adressatenkreis des Grundsatzes der Staatsfreiheit wird nicht immer einheitlich bestimmt. Unstreitig steht lediglich fest, daß Regierung und die sie tragende Parlamentsmehrheit wie auch die der Regierung hierarchisch unterstellte Verwaltung von diesem Verfassungsprinzip erfaßt sind. Umgekehrt sollen beispielsweise Gerichte, Religionsgemeinschaften oder Universitäten und Hochschulen nicht in den Anwendungsbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks fallen. Unterschiedlich wird dagegen diese Frage im Hinblick auf Gemeinden, Opposition, politische Parteien oder die Rechnungshöfe beantwortet.

Zweiter Teil: Grundlegung Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks I. Das demokratische Prinzip der Volkssouveränität Nach Art. 20 Abs. 1 GG ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer Staat. Diese Aussage wird durch den folgenden Absatz näher konkretisiert. Mit dem Verfassungssatz "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" bekennt sich das Grundgesetz bei der Bestimmung der Staatsform zum Prinzip der Volkssouveränität l . Das Prinzip der Volkssouveränität besagt, daß das Volk nicht nur Träger der staatlichen Herrschaftsgewalt ist, sondern diese auch aktuell innehat und tatsächlich ausübe. Einrichtung und Ausübung der Staatsgewalt müssen so organisiert werden, daß sie vom Willen des Volkes hergeleitet und auf ihn zurückgeführt werden kann3 • Der Staat unterliegt dem Anspruch, für das Volk und in seinem Interesse zu handeln4 • Das Grundgesetz folgt dem Prinzip der repräsentativen Demokratie. Plebiszitäre Elemente treten nur vereinzelt zum Vorschein (Art. 29, 118 GG)s. Volkssouveränitiät erfordert keine direkte Herrschaft durch das Volk; sie muß nur durch dieses gerechtfertigt sein6 • Im Rahmen der repräsentativen Demokratie ist sicherzustellen, daß das Volk Träger und Inhaber der Staats-

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Vgl. Böckenförde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 2, S. 888; Herzog, in: MDHS, Art. 20 11, Rdnr. 33. Vgl. Böckenförde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 8, S. 892; Stein, Staatsrecht, § 10 11, S. 72. Vgl. Böckenförde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 1, S. 888; vgl. zur Volkssouveränität als Legitimitätsprinzip, Graf Kielmansegg, Volkssouveränität, S. 230 ff. Die urspüngliche Formulierung des Art. 1 Abs. 1 GG im Chiemsee-Entwurf, JöR n.F. 1 (1951), 48 legt dafür Zeugnis ab: "Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen". Vgl. Hesse, VVDStRL 17 (1959), 11, 19 f.; Kriele, VVDStRL 29 (1971),46,60. Weitergehend z.T. die Landesverfassungen, z.B. Bayerische Verfassung Art. 71 Cf., Hessische Verfassung Art. 116 ff.; vgl. auch Stein, Staatsrecht, § 10 11, S. 73 f. Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 I 4, S. 593.

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gewalt ist. Daher bedürfen die Staatsorgane der demokratischen Legitimation. Demokratische Legitimation wiederum verlangt eine Rückkoppelung staatlichen Handelns an das Volk7• Denn wenn sich die staatlichen Organe bei der Ausübung der Macht nicht vom Willen des Volkes leiten lassen müssen, ist nicht das Volk, sondern in Wirklichkeit der Staat der Herrscher. Erst Rückkoppelung gewährleistet, daß Quelle sämtlicher staatlicher Macht auch tatsächlich das Volk ist8 • Die Ausgestaltung der demokratischen Rückkoppelungsprozesse ist außerordentlich vielschichtig. Wahlen bilden den herausragendsten "Legitimationsstrang"9. Aus den Wahlen schöpfen die personellen Träger der obersten politischen Organe ihre demokratische Legitimation. Damit ihr Verhalten dem Volk verantwortlich bleibt, müssen sie sich in regelmäßig wiederkehrenden Wahlen der Entscheidung des Volkes stellen, ihr Verhalten gegenüber diesem rechtfertigen10 • Deshalb werden die Abgeordneten der gesetzgebenden Körperschaften auf Zeit gewählt 11 • 1. Rückkoppelung durch öffentliche Meinung

In einer freiheitlichen Demokratie ist die öffentliche Meinung zentraler Faktor einer Rückkoppelung der staatlichen Funktionsträger mit dem Volk. a) Definitionsprobleme Obwohl der Begriff der öffentliche Meinung zum festen Bestandteil des allgemeinen Sprachschatzes gehört, fehlt es bis zum heutigen Tage an einer überzeugenden allgemeingültigen Definition. Sicher erscheint nur, daß vor dem Hintergrund des grundgesetzlichen Demokratiegebotes alle elitären Deutungsversuche von vornherein auszuscheiden haben, die zum Begriff der öffentlichen Meinung nur die Meinungen der verantwortungsbewußt, rational und am Gemeinwohl orientiert Denkenden zählen 12 • Die überwiegende Meinung im Schrifttum neigt dazu, den Begriff der öffentlichen Meinung als

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Vgl. Stein, Staatsrecht, § 12 I, S. 88 ff.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 11 5, S. 617. Vgl. Stein, Staatsrecht, § 12 I, S. 88; Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 I 4, S. 593 f. Vg1. Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 I 4, S. 594. Vgl. BVerfGE 44, 125, 139. Siehe Art. 39 Abs. 1 GG; BVerfGE 44, 125, 139; vgl. ferner Stein, Staatsrecht, § 12 11, S.91. Vgl. Hennis, Meinungsforschung, passim; ähnlich Krüger, Allgemeine Staatslehre, S. 439 f. m.w.N.; zu Recht ablehnend Kloepfer, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnr. 4, S. 173.

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ein in juristischen Kategorien wohl kaum faßbares Phänomen zu begreifen, das sich allenfalls beschreiben, nicht aber defmieren lasse l3 • Auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigt sich lediglich mit den Entstehungsbedingungen der öffentlichen Meinung, ohne selbst eine Begriffsbestimmung zu liefern l4 • Stattdessen stellt das Gericht auf die Funktion der öffentlichen Meinung ab, wenn es in ständiger Rechtsprechung die wesentliche Bedeutung der Gewährleistung der freien Meinungbildung für die freiheitliche demokratische Grundordnung betones. Im folgenden soll zunächst nach den ideengeschichtlichen Wurzeln dieses "Ideals" gefragt werden l6; sodann sind die Funktionen der öffentlichen Meinung im Gefüge staatlicher und nicht-staatlicher Meinungs- und Willensbildungssysteme näher zu beleuchten 17 • Im Anschluß daran können die Bedingungen herausgearbeitet werden, damit die öffentliche Meinung ihre

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vgl. Krüger, Allgemeine Staatslehre, S.437: "schwer greifbarer Gegenstand"; ähnlich Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 11 5, S. 617; KJoep[er, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnrn. 1 ff., S. 172 f.; vgl. die Versuche einer Begriffsbestimmung der öffentlichen Meinung bei Hemnann, Rundfunk und Fernsehen, S. 218 Cf. m.w.N.; KJoep[er, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnr. 3 ff., S. 171, 173 ff. m.w.N.; Mangold, Evangelisches Staatslexikon, Bd. 2, S. 2266; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 62 ff. m.w.N.; Rinken, Das Öffentliche als verfassungsrechtliches Problem, S. 87-104, 177-182 m.w.N.; keine juristische Definition, aber eine treffende Beschreibung der öffentlic~en Meinung liefert Onken, Historisch-politische Aufsätze und Reden, S. 203, 236: "Offentliche Meinung ist ein Komplex von gleichartigen Äußerungen größerer oder geringerer Schichten eines Volkes über Gegenstände des öffentlichen Lebens, bald spontan hervorbrechend, bald künstlich gemacht; in den verschiedenartigsten Organen sich ausdrückend, in Vereinen, Versammlungen, vor allem in der Presse und Publizistik, oder auch nur in dem unausgesprochenen Empfinden eines jeden, des gemeinen Mannes auf der Straße oder eines kleinen Kreises von Gebildeten; hier eine wirkliche Macht, auf die auch die Staatsmänner blicken, dort ein Faktor ohne politische Bedeutung; und immer anders zu werten in jedem Volke; bald einheitlich, wie eine gewaltige Flutwelle gegen die Regierenden und Sachverständigen sich erhebend, bald in sich zerteilt und die widerstrebendsten Tendenzen bergend; einmal das einfache und das natürliche Gefühl des Menschen zum Ausdruck bringend, das andere Mal ein lärmender und unsinniger Ausbruch wilder Instinkte; immer geleitet und doch immer führend; von den Kennenden und Wissenden über die Achsel angesehen und doch wieder den Willen der Menschen bezwingend, ansteckend wie eine Epedimie, launisch und treulos und herrschsüchtig wie Menschen selber, und dann doch wieder nichts als ein Wort, mit dem sich die Machthaber betrügen". Siehe vor allem das Volksbefragungsurteil BVerfGE 8, 104, 113: Zur öffentlichen Meinung gehören "die vielfältigen, sich möglicherweise widersprechenden, ergänzenden, gegenseitig beeinflussenden Wertungen, Auffassungen und Äußerungen des Einzelnen, der Gruppen, der politischen Parteien, Verbände und sonstigen gesellschaftlichen Gebilde"; vgl. weiter auch BVerfGE 9, 162, 165; 12, 113, 125; 12, 205, 260; 20, 56, 98 f.; 35, 203, 222; 42, 133, 139; 54, 129, 137 und 139. Vgl. nur BVerfGE 7, 198, 208; 10, 118, 121; 12, 113, 125; 12, 205, 259 Cf.; 20, 56, 97; 20, 162, 174 f.; 27, 71, 81; 35, 202, 221; 42, 163, 169; 59, 231, 265 f.; 69, 315, 344 f.; 76, 196, 208; TI, 65, 74. Dazu unter b).

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Dazu unter c).

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essentiellen Funktionen für die freiheitliche demokratische Ordnung wahrnehmen kann l8 • Anschließend sind Stellung und Aufgaben des Massenmediums Rundfunk im Komplex gesellschaftlicher und staatlicher Entscheidungszusammenhänge zu untersuchen l9 • Erst dann läßt sich eine Antwort auf die Ausgangsfrage finden, ob der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks seine Grundlage im demokratischen Prinzip der Volkssouveränität hat2O • b) Ideengeschichtliche Ursprünge des Ideals der freien Bildung der öffentlichen Meinung Das Ideal der freien Bildung der öffentlichen Meinung beruht zum einen auf der Erkenntnis, daß kein Mensch im alleinigen Besitze der absoluten Wahrheit ist. Die Achtung der Menschenwürde und das der individualistischen Deutung der Glaubens- und Gewissensfreiheit korrespondierende staatliche Gebot zur Toleranz und Neutralität im religiösen und weltanschaulichen Bereich legen ein deutliches Zeugnis für die Absage an jedwede totalitäre Absolutheitsansprüche ab 21 • Zum anderen gründet sich die herausragende Stellung der freien Bildung der öffentlichen Meinung im Vertrauen in die Macht der menschlichen Vernunft. Die einzelnen Argumente und deren Wirkkraft klären sich häufig erst in Rede und Gegenrede22 • Sie müssen sich der öffentlichen Auseinandersetzung stellen, Tatsachen und Gegenpositionen standhalten. Dieses Verfahren hilft Irrtümer und Fehler aufzudecken. Der liberalen Idee 23 entsprechend soll sich aus dem "Konzert der ungezählten Stimmen,,24 im öffentlichen geistigen "Meinungskampf'25 die Auffassung mit der größten Überzeugungskraft herausfiltern und sich die Möglichkeit zum Erkennen des "wahren

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Dazu unter d). Dazu unter e). Dazu unter 2. Vgl. BVerfGE 12, 1,4; 19,206,216; 24, 236, 246; 27, 195,201; 41, 29, 52; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5, Rdnr. 159 f., S. 62 f.; Kloepfer, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35 Rdnr. 13, S. 178; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 11 1, S. 255 f. Vgl. BVerfGE 20, 162, 175. Zu Recht auf den Zusammenhang zwischen liberaler Wirtschaftstheorie und der Idee des politischen Liberalismusses hinweisend Kloepfer, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnr. 14, S. 178 f. Vgl. Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, 11, Rdnr. 4. Vgl. BVerfGE 7, 198, 208; 12, 113, 125; 24, 278, 286; 25, 256, 264; 42, 163, 170; 43, 130, 137; 44, 197, 207; 54, 129, 138; 54, 208, 221; 61, 1, 11 f.; 66, 116. 150 f.; 68, 226. 232; 73, 206,258.

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Geschehens" und zur Einsicht in die "beste Entscheidung" verbessern26• Die Ergebnisse dieses Wettstreites von Informationen und Wertungen sollen die Gewähr für eine größtmögliche Rationalität bieten27• c) Funktionen der öffentlichen Meinung (1) Integration Der Prozeß freier Meinungsbildung hat für den freiheitlich verfaßten Staat friedensstiftende Bedeutung. Demokratie bedingt den Grundkonsens der der staatlichen Gewalt unterworfenen Bürger mit der Staatsordnung. Demokratie verlangt daher die grundsätzliche Akzeptanz des Staates durch die öffentliche Meinung28: "Die Demokratie des Grundgesetzes bedarf - unbeschadet sachlicher Differenzen in Einzelfragen - eines weitgehenden Einverständnisses der Bürger mit der vom Grundgesetz geschaffenen Staatsordnung. Dieser Grundkonsens wird von dem Bewußtsein der Bürger getragen, daß der vom Grundgesetz verfaßte Staat im Gegensatz zu totalitär verfaßten Staaten einen weiten Freiheitsraum zur Entfaltung im privaten wie öffentlichen Bereich offenhält und gewährleistet"29. Diese konsensbedürftige freiheitliche demokratische Grundordnung ist kein statisches, monolithisches Gebilde, sondern ist verbesserungsfähig und verbesserungsbedürftig und bedarf infolgedessen der fortlaufenden Anpassung an die sich wandelnden Tatbestände und Fragen des sozialen und politischen Lebens3O • Bereitschaft und Verpflichtung des Bürgers zum Rechtsgehorsam und damit zur teilweisen Entäußerung seiner persönlichen Freiheit werden von ihm nur dann getragen werden, wenn er mit gleichem Recht an der politischen Meinungs- und Willensbildung mitwirken kann. Das Recht des einzel26

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vgl. Hoffmann-Rjem, Hdb. des Verfassungsrechts, Teil 1, S. 389, 397. Vgl. BVerfGE 5, 85, 135; 12, 113, 125; 69, 315, 345 f.; vgl. auch KJoepfer, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnr. 14, S. 178 f.; kritisch Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 11 2 und III 2, S. 257 f. und 261, im Ergebnis aber (wohl) zustimmend. Vgl. KJoepfer, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnr. 15, S. 179 f.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 III 1, S. 260. Vgl. BVerfGE 44, 125, 147; vgl. auch BVerfGE 63, 230, ~2 f.; siehe ferner zur integrationsfördernden und stabilisierenden Funktion der Versammlungsfreiheit für das demokratisch-repräsentative System BVerfGE 69, 315, 347. Vgl. BVerfGE 5, 85, 197; Kloepfer, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnr. 15, S. 180, sieht in diesen Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zu Recht die Integrationslehre Rudolf Smends zum Vorschein kommen, nach welcher der Staat ständig einem durch Erneuerung und Weiterentwicklung gekennzeichneten Prozeß der politischen Umwandlung unterzogen ist, vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 18 ff., insbesondere S. 18 und 20; zu dieser Konzeption vgl. den umfassenden Überblick bei Badura, FS für Scheuner, S. 19 ff.; ders., in: Staat Bd. 16 [1977], 305 ff., passim.

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nen auf gleiche politische Teilhabe3! wie das Mehrheitsprinzip32 sind daher unabdingbare Voraussetzungen für die Bildung eines Grundkonsenses der Bürger mit ihrem Staat und mit dem verfassungsrechtlichen Strukturprinzip der Gewährleistung freier Meinungsbildung untrennbar verbunden. (2) Kontrolle und Legitimation

In einer freiheitlichen Demokratie mündet der freie Prozeß der Meinungsund Willensbildung des Volkes in den für die Willensbildung im Staat entscheidenden Akt der Parlamentswahe3• Volkssouveränität manifestiert sich aber nicht nur im Wahlakt. In einer freiheitlichen Demokratie bildet die öffentliche Meinung einen wesentlichen Faktor einer Rückkoppelung der staatlichen Organe mit dem Volk34 • Ihr kommt die Aufgabe einer "Vorformung des politischen Willens" des Volkes ZU35. Die öffentliche Meinung beeinflußt die Entscheidungen der zu politischem Handeln berufenen Staatsorgane36• "Die" öffentliche Meinung ist oftmals Gradmesser für die politische Entscheidungsfindung37• Die Regierenden blicken nicht nur in Wahlkampfzeiten auf die öffentliche Meinung. Wollen sie im politischen Alltag von dieser abweichen, so geraten sie regelmäßig unter Legitimierungsdruck. Durch diese Form der Mitwirkung des Volkes werden die Staatsorgane angeregt, informiert, kontrolliert und im großen und ganzen in Einklang mit den Meinungen des Volkes gehalten38 • Die öffentliche Meinung stellt sich insoweit als ein Element unmittelbarer Demokratie dar39 • Sie bewirkt eine

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Dazu im einzelnen noch später. Das Mehrheitsprinzip ist eine verfahrensmäßige Ausprägung der Maxime egalitärer Gleichheit aller Bürger bei der politischen Meinungs- und Willensbildung, vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5, Rdnrn. 140 ff., S. 55 f. Von diesem grundrechtlichen und demokratischen Fundament des Mehrheitsprinzips geht implizit auch BVerfGE 44, 125, 141 ff. aus; vgl. hierzu Häberle, JZ 1977, 361, 363. Siehe allgemein zum Mehrheitsprinzip Heun, Mehrheitsprinzip in der Demokratie, passim; Stark, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 29, Rdnr. 33, S. 19 f. m.w.N. Vgl. BVerfGE 20, 56, 98. Vgl. Kratzmann, ~!'SCheinungsformen der Volkssouveränität, S. 71 ff.; Landshut, Volkssouveränität und Offentliche Meinung, S. 301 ff.; Leibholz, FS für Scheuner, S. 363, 364: "zentrale Rolle". Siehe BVerfGE 8, 104, 112; vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5, Rdnrn. 149 ff., S. 58 f.; Kloepfer, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnrn. 23 ff., S. 183 ff. So BVerfGE 20, 56, 99; vgl. auch BVerfGE 20, 162, 175; siehe ferner Schmitt Glaeser, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 31, Rdnr. 30, S. 63; Stein, Staatsrecht, § 12 I, S. 88. So deutlich in der Spiegel-Entscheidung BVerfGE 20, 162, 175. Vgl. Kriele, VVDStRL 29 [1971), S. 46, 65; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5, Rdnr. 150, S. 59; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, § 28 III 2, S. 260 ff. Vgl. Kloepfer, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 35, Rdnrn. 26 ff., S. 184 ff.; Schmitt Glaeser, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 31, Rdnr. 27, S. 62 f.; Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 11 5,

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ständige, lebendige Wechselwirkung zwischen Volk und Volksvertretung40 , dient der Öffnung verkrusteter Strukturen und der Abwehr von Erstarrungstendenzen41 und hilft auf diese Weise zu gewährleisten, daß auch tatsächlich alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht42 • d) Rückkoppelungsbedingungen An dieser Stelle müssen wir die Voraussetzungen des Rückkoppelungsvorganges bestimmen, unter denen die öffentliche Meinung ihrer soeben beschriebenen Aufgabe als Integrations-, Kontroll- und Legitimationsfaktor gerecht werden kann. Aus diesem Grunde muß das prinzipielle Verhältnis von V olks- und Staatswillensbildung geklärt werden. Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung von einer Trennung der gesellschaftlichen und staatlichen Willensbildung aus, betont aber zugleich deren Wechselbezüglichkeit43 • Diese Ansicht entspricht der durch das Grundgesetz vorgezeichneten Lebenswirklichkeit; sie ist dadurch gekennzeichnet, daß nicht nur die öffentliche Meinung die Entscheidungen

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S. 618 m.w.N.; Zippelius, Allgemeine Staatslehre, S. 260 f. Das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit von einem "permanenten Prozeß", vgl. BVerfGE 20, 56, 98; siehe auch BVerfGE 14, 121, 132; 20, 162, 175; vgl. ferner Stein, Staatsrecht, § 12 11, S. 91; Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 18, unter Hinweis auf Renan: Der Staat lebt "von einem Plebiszit, das sich jeden Tag wiederholt". Dieser Gesichtspunkt findet Erwähnung im Brockdorf-Beschluß BVerfGE 69, 315, 347 m.w.N.: Die stabilisierende Funktion der Versammlungsfreiheit für das System der repräsentativen Demokratie "fungiere als notwendige Bedingung eines politischen Frühwarnsystems, das Störpotentiale anzeige, Integrationsdefizite sichtbar und damit auch Kurskorrekturen der offiziellen Politik möglich mache"; vgl. auch BVerfGE 65, 1, 43; siehe ferner Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 89. Vgl. Amdt, Begriff der öffentlichen Meinung, S. 19: "daß nicht durch ein Beherrschen Meinungen gemacht werden, sondern - umgekehrt - daß vom Meinen her Einfluß auf das Herrschen genommen werden soll." Vgl. BVerfGE 8, 104, 112; 20,56,99; 44, 125, 139 f. Diese vom Bundesverfassungsgericht postulierte dualistische Unterscheidung zwischen gesellschaftlichem und staatlichem Bereich ist zu Unrecht auf vereinzelte Kritik gestoßen (vgl. Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 58 f.); denn das Grundgesetz geht von dieser Unterscheidung aus, weil Art. 21 Abs. 1 GG von der politischen Mitwirkung des Volkes spricht, während Art. 20 Abs. 2 GG von der Bildung des StaatswilIens handelt, vgI. BVerfGE 8, 104, 113; vor allem aber trägt diese strikte Trennung dem Umstand Rechnung, daß auch in einer freiheitlichen Demokratie zwischen Staat und Gesellschaft Interessengegensätze auftreten können; jeder Versuch, eine Identität von Staat und Gesellschaft, von Regierenden und Regierten zu begründen, vernachlässigt dieses Konfliktpotential und leistet der Gefahr von staatlichen Erstarrungs- und Verselbständigungstendenzen Vorschub; vgl. Böcken!örde, Verfassungstheoretische Unterscheidung von Staat und Gesellschaft, passim; Isensee, Der Staat, Bd. 20 [1981], 161, 166 ff.; Klein, Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten, S. 135, 270 f.; SChmidt, AöR, Bd. 101 [1976], S. 24 ff.; siehe ferner Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5, Rdnr. 131, S. 51 f.

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der staatlichen Funktionsträger prägt, sondern umgekehrt auch die Entscheidungen des Staates, Äußerungen und Maßnahmen der staatlichen Organe den öffentlichen Meinungsbildungsprozeß zu beeinflussen vermögen44 • Daher bedarf es rechtlicher Kategorien, nach denen die beiden Willensbildungssysteme einander zuzuordnen sind. Unter dem Blickwinkel des Prinzips der Volkssouveränität sind staatliche Ingerenzen auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß stets rechtfertigungsbedürftig. Ebenso wie der Staat nicht um seiner selbst willen besteht, sondern seine Existenz aus dem freien Willensakt des Volkes ableitet, gebietet das Prinzip der Volkssouveränität, daß sich die Staatswiliensbildung nach Maßgabe der Willensbildung des Volkes vollzieht, die zu politischem Handeln berufenen staatlichen Organe im praktischen Handeln den Willen des Volkes umsetzen45 • Nur dann kann davon die Rede sein, daß alle Staatsgewalt auch tatsächlich vom Volke ausgeht. Die von Verfassungs wegen vorgegebene Stufenfolge demokratischer Rechtserzeugung läßt sich folgendermaßen beschreiben: Auf die Bildung der öffentlichen Meinung folgt die öffentliche Willensbildung. Diese äußert sich insbesondere in der Bestellung der staatlichen Vertreter durch demokratische Wahlen. Auf der staatlichen Wirkungsebene müssen sich die Meinungen der einzelnen staatlichen Repräsentanten im Rahmen einer freien (parlamentarischen) Diskussion behaupten. Am Ende dieses Prozesses steht die freie staatliche Willensbildung, auf die die Rechtsetzung durch die dazu berufenen staatlichen Funktionsträger folgt 46• Organerzeugung und staatliches Tätigwerden muß das Ergebnis der freien Meinungs- und Willensbildung des Volkes sein. Diese Stufenfolge würde umgekehrt, wenn man dem Staat die Befugnis einräumte, als handelndes Subjekt bei der gesellschaftlichen Meinungs- und Willensfindung mitzuwirken. Allein die staatliche Gewaltausübung bedarf einer demokratischen Legitimation, nicht aber die Herrschaft des Volkes der Legitimation durch den Staat. Das Demokratieprinzip erfordert ausschließlich eine staatliche Rückkoppelung an die Meinungs- und Willensbildung des Volkes. Dementsprechend verlangt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, daß sich die Meinungs- und Willensbildung "von unten nach oben", vom Volk zu den Staatsorganen und nicht umgekehrt von den Staatsorganen zum Volk vollzieht47 • 44 45

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Vgl. BVerfGE 8, 104, 113; 44, 125, 140; siehe ferner Schmitt Glaeser, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 31, Rdnr. 30, S. 64; Stern, Staatsrecht, Bd. 11, § 18 11 5, S. 616 f. Vgl. Schmitt Glaeser, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, S. 63. Vgl. Lenz, JZ 1963, 338,342, der allerdings dem Staat und (wohl) auch dessen Funktionsträgern keine "Meinung" zubilligen möchte, diese Aussage jedoch ersichtlich darauf bezieht, daß die Erzeugung staatlicher Rechtsakte Ergebnis eines sich "von unten nach oben" vollziehenden öffentlichen Entscheidungsprozesses sein müsse. Vgl. BVerfGE 20, 56, 99; 44, 125, 140. 5 Gersdorf

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Beeinträchtigungen der gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildung durch staatliche Funktionsträger widersprechen dieser auf dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes beruhenden Stufenfolge bei der staatlichen Rechtserzeugung. Sie sind allerdings nicht schlechterdings verfassungswidrig; einen Ausnahmetatbestand bildet die Öffentlichkeitsarbeit staatlicher Stellen, insbesondere der Regierung wie der gesetzgebenden Körperschaften. Das Prinzip der Volkssouveränität verlangt die Publizität staatlicher Entscheidungsprozesse48 • Nur wer informiert ist, kann sich eine Meinung bilden und seine politischen Rechte wahrnehmen. Individuelle und öffentliche Meinungsbildung setzt Einsicht des einzelnen in öffentliche Zustände voraus49 • Für den demokratischen Prozeß sind Informationen schlechthin konstitutiv. Der im demokratischen Gemeinwesen notwendige Grundkonsens zwischen Staat und Bürgern wie die erforderliche Kontrolle der Regierungspolitik bedingen die Transparenz staatlicher Herrschaftsausübung. Sie lassen sich durch eine "im Dunkeln", jenseits der Öffentlichkeit ausgeübte Staatsgewalt nicht verwirklichen. Daher muß es ein wichtiges Ziel der Regierungstätigkeit sein, die Politik der Regierung sowie Maßnahmen, Entscheidungen und Lösungsvorschläge für Konfliktlagen öffentlich darzulegen und zu erläutern. Dieses hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt ausgeführ~. Diese Form der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit betrifft zwei Bedeutungsschichten des Demokratiegebotes: Staatliche Öffentlichkeitsarbeit beeinträchtigt einerseits zwar den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes, der im Interesse des demokratischen Systems grundsätzlich frei von staatlichen Einflüssen zu halten ist. Andererseits vermittelt sie Transparenz in die Tätigkeit der zu politischem Handeln berufenen Staatsorgane. Die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung liegt daher im Interesse der demokratisch-politischen Mitwirkungsrechte der AktivbürgerS! und des gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses insgesamf2; sie ist in dieser 48 49

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Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5, Rdnr. 152, S. 60; Schmitt Glaeser, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 31, Rdnr. 31; S. 64; Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 11 5, S. 618 f. Vgl. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 5, Rdnr. 152, S. 60. Vgl. BVerfGE 44, 125, 147 f.; 63,230,243; vgl. bereits BVerfGE 20, 56, 100. Siehe ferner BVerwG, NJW 1989, 2272, 2273 und SaarlVerfGH, NJW 1980, 2181, 2182; ebenso für die Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinden OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 149, 150; bestätigt durch BVerwG, NVwZ-RR 1989, 262, 263. Dazu sogleich. Denkbar ist auch, daß die Regierung in Wahrnehmung ihrer Schutzpflichten in bezug auf andere Grundrechte Öffentlichkeitsarbeit betreibt, vgl. zur Warnung der Bundesregierung vor "Jugendreligionen" und "Jugendsekten" BVerwG, NJW 1989, 2272, 2274 ff.; BVerfG (1. Kammer des Ersten Senates), NJW 1989, 3269, 3270 f. Siehe ferner Klein, Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten, S. 281 Cf., der zu Recht darauf hinweist, daß auch Veröffentlichungen von Gesetzen, Rechtsverordnungen und Satzungen in amtlichen Verkündungsbläuern von Verfassungs wegen auf keine Bedenken stoßen, weil alle staatlichen Rechtssetzungsakte im Interesse der Rechtssicherheit den Norrnunter-

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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funktionalen Zuordnung von Verfassungs wegen legitimiert, solange ihre verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten werden53 • Das Beispiel der staatlichen Öffentlichkeitsarbeit läßt deutlich werden, daß staatliche Beeinflussung des gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses unter dem Blickwinkel des grundgesetzlichen Demokratiegebotes niemals auf die Absicherung staatlicher Machtausübung abzielen darf; sie hat von Verfassungs wegen dem Volk als dem eigentlichen Träger sämtlicher Staatsgewalt zu dienen. Während die staatliche Willensbildung aus der gesellschaftlichen Willensbildung hervorgehen und von dieser getragen sein muß, sind rückläufige Kommunikationsströme, durch welche staatliche Stellen Einfluß auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß gewinnen, vor der Verfassung stets legitimierungsbedürftig. Der Staat ist im Rahmen der gesellschaftlichen Kommunikation kein den gesellschaftlichen Gruppen und Kräften gleichzustellendes Subjekt54 • Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß sich nach dem Prinzip der Volkssouveränität die Meinungs- und Willensbildung vom Volk zu den staatlichen Funktionsträgern zu vollziehen hat. Den Staatsorganen ist es daher grundsätzlich verwehrt, sich in bezug auf den gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß zu betätigen55 • Damit sind zugleich die verfassungsrechtlichen Bedingungen einer staatlichen Rückkoppelung an das Volk genannt. Eine Rückkoppelung über die öffentliche Meinung kann nur dann funktionieren, wenn nicht der Staat als Adressat dieses Rückkoppelungsvorganges in den Prozeß der Meinungs- und Willensbildung des Volkes eingreift. Dieser Prozeß muß grundsätzlich staatsfrei bleiben56• Damit ist allerdings noch keine Antwort auf die hier in Rede stehende Frage nach der dogmatischen Herleitung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des

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worfenen bekannt gemacht werden müssen. Vgl. dazu BVerfGE 44, 125, 147 f.; 63, 230, 243; BVerwG, NJW 1989, 2272, 2273 f.; SaarlVerfGH, NJW 1980, 2181, 2182 f.; OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 149, 150; bestätigt durch BVerwG, NVwZ-RR 1989, 262, 263. Siehe ferner Klein, Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten, S. 283 ff. Daher erscheint es im Hinblick auf die faktisch vorliegende wechselseitige Verschränkung von gesellschaftlichem und staatlichem Willensbildungssystem irreführend, von der "Rückkoppelung beider Systeme" (so Stern, Staatsrecht, Bd. 11, § 18 11 5, S. 617; ähnlich Schmitt Glaeser, Hdb. des Staatsrechts, § 31, Rdnr. 30, S. 64 f.: Keine "Einbahnkommunikation") zu sprechen; durch die Formulierung wird verschüttet, daß unter demokratischen Gesichtspunkten lediglich der Staat der Legitimation durch das Volk bedarf und daß jedwede Art staatlicher Einflußnahme auf das gesellschaftliche Willensbildungssystem für sich genommen bereits reChtfertigungsbedürftig ist. Vgl. BVerfGE 20, 56, 99; 69, 315, 346. Vgl. BVerfGE 20, 56, 99; 69, 315, 346; vgl. neuerdings zur staatlichen Pressesubventionierung durch verbilligten Postzeitungsdienst BVerfGE SO, 124, 134.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Rundfunks gefunden. Dazu bedarf es eines Eingehens auf Funktion und Stellung des Rundfunks in dem soeben skizzierten Rückkoppelungssystem. e) Rundfunk im Gefüge gesellschaftlicher und staatlicher Meinungs- und Willensbildungssysteme (1) Problemstellung Die obigen Ausführungen haben gezeigt, daß die Staatswillensbildung aus der Meinungs- und Willensbildung des Volkes hervorgehen muß und diese Stufenfolge verfassungsrechtlich verbindlich vorgezeichnet ist. Doch welche Bedeutung kommt nun dem Rundfunk im Bereiche beider Wirkungskomplexe zu? Erfüllte der Rundfunk eine spezifisch staatliche Aufgabe, könnten staatliche Ingerenzen auf dieses Massenmedium per se nicht mit dem Gebot eines sich "von unten nach oben" vollziehenden Entscheidungsprozesses in Konflikt geraten. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt die Veranstaltung von Rundfunksendungen als eine öffentliche Aufgabe gekennzeichnef7. (2) Staatliche und öffentliche Aufgaben Insbesonders im älteren Schrifftum werden staatliche und öffentliche Aufgaben im wesentlichen gleichgesetzfB. Diese Gleichsetzung der Begriffe muß jedoch heute als überwunden gelten59 • Danach ist zwischen öffentlichen und staatlichen Aufgaben zu unterscheiden. Der Begriff der öffentlichen Aufgabe erscheint zwar wenig konturiert; im Schrifttum ist seine terminologische Zweideutigkeit und Unschärfe wiederholt herausgestellt worden60 • Gleichwohl läßt sich eine Begriffsbestimmung vornehmen. Maßgebliches

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Vgl. BVerfGE 12, 205, 243; siehe weiter BVerfGE 31, 314, 329: "öffentlich-rechtliche Aufgabe". Vgl. Müller, Selbstverwaltung, S. 125; siehe auch Hemnann, RuF 1971, 267, 277 f.; Zeidler, Bd. AöR 86 [1961), 361, 397 f. Vgl. Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 91 ff.; Bethge, Reorganisation, S. 21; Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 50; Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 85; Leibholz, FS für Geiger, S. 9, 11; Peters, FS für Nipperdey, S. 877, 889; Mallmann, Rechtsaufsicht über das ZDF, S. 86; Seholz, in: MDHS, Art. 5 III, Rdnr. 133; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, § 84, Rdnr. 7, S. 6 f. Vgl. statt vieler Bachof/Rudolf, Verbot des Werbefernsehens, S. 10; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern S. 31 f.; Bull, Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 47 ff.; Klein, Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, S. 25; ders., Der Staat, Bd. 10 [1971), 145, 161; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 90; Starck, in: v. Mangoldt/K1ein/ Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rdnr. 70.

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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Merkmal der öffentlichen Aufgabe ist das besondere öffentliche Interesse, das an ihrer Erfüllung besteht61 . Zur Konkretisierung dieses Maßstabes wird man danach zu fragen haben, ob die jeweilige wahrzunehmende Aufgabe dem privaten Raum entwachsen ist und sich zwischen Staat und Gesellschaft (im Sinne von Privatsphäre) einfügt62. Die öffentliche Aufgabe bildet den Oberbegriff zur staatlichen Aufgabe. Diese grenzt sie lediglich in negativer Hinsicht ab63 • Demzufolge sind staatliche Aufgaben diejenigen Aufgaben, die nach positivem Recht von staatlichen Behörden oder von einem vom Staat abhängigen Rechtsträger erledigt werden64 • Grundsätzlich kann der Staat daher jede Aufgaben, deren Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, an sich ziehen und durch Schaffung entsprechender organisatorischer Rahmenbedingungen zu einer staatlichen machen6S • Dem Staat sind dabei allerdings verfassungsrechtliche Grenzen gesetzt. Er darf eine Aufgabe nur dann zu einer staatlichen werden lassen, soweit ihm dies die Verfassung gestattet. Mit anderen Worten: Die Sachaufgabe Rundfunk ließe sich nicht als staatliche Aufgabe qualifizieren, wenn von Verfassungs wegen die Verbreitung von Rundfunkdarbietungen dem sachlichmateriellen Inhalt nach nicht-staatlicher Rechtsnatur ist66• (3) Stellung und Funktion des Massenmediums Rundfunk im Prozeß freier Meinungs- und Willensbildung Das Bestehen einer öffentlichen Meinung bietet als solches noch keine Gewähr dafür, daß sie in staatliche Entscheidungskomplexe mit einfließt. Wer seine Meinung gegenüber staatlichen Organen äußern will, um auf diese Weise auf ihr Handeln Einfluß zu nehmen, ist dazu oftmals nicht in der Lage. Umgekehrt können diejenigen staatlichen Funktionsträger, die sich informieren möchten, nicht mit allen Personen in Kontakt treten, von denen sie sich geeignete Informationen versprechen. Diese "Kommunikationslükke,,67 wird vorrangig durch den Rundfunk geschlossen68• In der repräsentati61 Vgl. Peters, FS für Nipperdey, S. 877, 878; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 118. 62 63 64

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Vgl. OssenbühJ, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 36; ebenso Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltem, S. 33 f. Vgl. Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 91; Peters, FS für Nipperdey, S. 877, 879; OssenbühJ, Verwaltungsvorschriften, S. 429, Fn. 357. VgJ. Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 91; Peters, FS für Nipperdey, S. 877, 879; OssenbühJ, Verwaltungsvorschriften, S. 429, Fn. 357; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 119. VgJ. Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 91; Peters, FS für Nipperdey, S. 877, 895; Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 131. VgJ. in diesem Zusammenhang Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 92 m.w.N. VgJ. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 28.

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Zweiter Teil: Grundlegung

ven Demokratie steht der Rundfunk als ständiges Verbindungs- und Kontroll organ zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung. Er eröffnet den gesellschaftlichen Kräften und Gruppen die Gelegenheit zur kommunikativen Entfaltung(9, faßt die in der Gesellschaft und ihren Gruppen vertretenen Meinungen und Forderungen zusammen, stellt sie zur öffentlichen Erörterung und trägt sie an die politisch handelnden staatlichen Stellen heran. Auf diese Weise können die staatlichen Repräsentationsorgane ihre Entscheidungen auch in tages politischen Einzelfragen am Maßstab der im Volk vertretenen Auffassungen überprüfen und messen70 . Das Massenmedium Rundfunk fungiert aber nicht nur als bloßes "Kommunikationsnetz"71. Der Rundfunk greift durch Auswahl der Sendeinhalte sowie durch Bestimmung der Art, des Umfangs und des Zeitpunktes der Berichterstattung selbst aktiv in den freien Kommunikationsprozeß ein72 • In dem Prozeß freier öffentlicher Meinungsbildung ist der Rundfunk also Medium wie Faktor73 • Er ist neben den Parteien und den Verbänden der wichtigste "Rückkoppelungskanal"74, der das staatliche mit dem nicht-staatlichen Meinungs- und Willensbildungssystem verklammert. (4) Rundfunk als nicht-staatliche, öffentliche Aufgabe Auf der Grundlage dieser Aufgabenbeschreibung des Rundfunks kann die Sachaufgabe Rundfunk nur als nicht-staatliche, öffentliche Aufgabe qualifiziert werden. Eine Kennzeichung der Sachaufgabe Rundfunk als staatliche Aufgabe wäre mit der Funktion des Rundfunks als "Rückkoppelungskanal" nicht in Einklang zu bringen. Wenn sich der Rechtsprechung des Bundesver-

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Wobei es unerheblich ist, ob es sich um öffentlich-rechtlich organisierten oder privaten Rundfunk handelt, vgI. auch Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 98. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 28; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 32. So ausdrücklich das BVerfG in der Spiegel-Entscheidung zum Tätigkeits- und Aufgabenbereich der Presse, BVerfGE 20,162,175. Diese "Verknüpfungs-" und Vermittlungsfunktionen kommen ebenfalls dem Rundfunk zu. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 28. Siehe Lerche, Landesbericht, S. 15, 84 ff.; Herrmann, Rundfunk und Fernsehen, S. 60 ff. m.w.N.; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 28 ff.; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 32; Stock, Medienfreiheit, S. 333 f. Diese Medium- und Faktoreigenschaft des Rundfunks wird in der Rechtsprechung des BVerfG betont: BVerfGE 12, 205, 260; 31, 315, 325 f.; 35, 202, 222; 57, 295, 320; 59, 231, 257; 60, 53, 64; 73, 118, 152; 74, 297, 323 f. Diese treffende Funktionsbezeichnung des Rundfunks findet sich bei Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 11 5, S. 617; Stein, Staatsrecht, § 12 I, S. 89.

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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fassungsgerichts entsprechend7s der gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildungsprozeß in einem grundsätzlich staatsfreien Raum zu vollziehen hat, kann auch die Verbreitung von Rundfunkdarbietungen als Faktor und Medium in diesem Prozeß keine staatliche Aufgabe sein. Daher wäre der Staat unter demokratischen Gesichtspunkten daran gehindert, die Sachaufgabe Rundfunk zu einer staatlichen zu machen. Staatsaufgabe ist zwar die Herstellung und Sicherstellung eines organisatorischen Rahmens zur Gewährleistung von meinungsbezogener Vielfalt im Rundfunk76 • Die sachlich-inhaltliche Tätigkeit des Rundfunks ist aber keine Staatsaufgabe. Rundfunk ist wegen seiner erheblichen Auswirkungen auf das Gemeinwesen eine im gesteigerten öffentlichen Interesse liegende, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde öffentliche Aufgabe. Dieser Befund gehört heute zum staats- und rundfunkrechtlichen Gemeingut77,78. 2. Staatsfreiheit des Rundfunks als Ausdruck des Prinzips der Volkssouveränität Nach der geleisteten Vorarbeit können nunmehr unter Zugrundelegung der AufgabensteIlung des Rundfunks die rechtsdogmatischen Wurzeln des

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Siehe nochmals BVerfGE 20, 56, 99; 69, 315, 346 und 80, 124, 134. Siehe Starck, in: v. Mangoldt/K1ein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 70; dazu im einzelnen noch später. Insoweit deutlich BVerwGE 70, 310, 316: "Der Rundfunk steht als Träger der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mithin in einer Gegenposition zum Staat. Er ist um der Gewährleistung seiner eigenen Freiheit willen aus diesem ausgegliedert und kann nicht als Teil der staatlichen Organisation betrachtet werden". Siehe auch Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 90 ff. m.w.N.; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern, S. 34 ff. m.w.N.; ders., DVBI. 1986, 859, 863; Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 85; Leibholz, FS für Scheuner, S. 362, 369; ders., Rechtsgutachten, S. 30 ff.; Stock, AöR Bd. 110 [1985], 219, 221 f.; Mal/mann, Rechtsaufsicht über das ZDF, S. 86; differenzierend Manens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 122, Fn. 265, demzufolge zwar nicht die inhaltliche Programmgestaltung, jedoch das Senden der Rundfunkdarbietungen als solches in Wahrnehmung einer staatlichen Aufgabe erfolge; dagegen zutreffend Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 93. Die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts im ersten Rundfunkurteil (BVerfGE 12, 205, 243) - "wenn sich der Staat mit dieser Aufgabe (seil., der öffentlichen Aufgabe) beschäftigt, wird sie zu einer staatlichen Aufgabe, deren Erfüllung nach Art. 30 GG Sache der Länder ist" - i~t teilweise auf heftige Kritik gestoßen (vgl. Peters, FS für Nipperdey, S. 877 ff.; Klein, DOV 1965,755 f.; Wufka, Rundfunkfreiheit, S. 114; Rinken, Das Offentliehe als verfassungstheoretisches Problem, S. 102 f.), überwiegend jedoch als mißverständliche und unglückliche Äußerung verstanden worden, die lediglich die Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen Bund und Ländern betreffe, ohne damit den Rundfunk zu einer staatlichen Aufgabe zu machen (vgl. insoweit deutlich das Minderheitsvotum in BVerfGE 31, 314, 337 und 340; vgl. weiter Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern, S. 34 f.; Manens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 119; Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 91; Leibholz, FS für Scheuner, S. 363, 370; Wufka, Rundfunkfreiheit, S. 116 f.).

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Zweiter Teil: Grundlegung

Grundsatzes der Staatsfreiheit offengelegt werden. Der Rundfunk kann seine Funktion als "Rückkoppelungskanal" wirksam nur erfüllen, insbesondere politische und administrative Versäumnisse aufdecken und bewältigen helfen79, wenn nicht der Staat als Adressat dieses Rückkoppelungsprozesses Einfluß auf Inhalt und Umfang der durch den Rundfunk vermittelten Beiträge nimmt. Da sich der Staat in bezug auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes grundsätzlich nicht betätigen darf, dieser Prozeß also staatsfrei bleiben muß, ist es dem Staat versagt, Einfluß auf die publizistische Tätigkeit des Massenmediums Rundfunk zu gewinnenso. Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks findet daher in dem das Demokratiegebot des Grundgesetzes kennzeichnenden Prinzip der Volkssouveränität seine verfassungsrechtliche Grundlage: Die demokratisch erforderliche Rückkoppelung der Staatsorgane an das Volk mittels des Massenmediums Rundfunk kann nur gelingen, wenn dieser Rückkoppelungsprozeß von staatlichen Beeinträchtigungen freigehalten wird. Das Prinzip der Volkssouveränität und der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks sind untrennbar miteinander verknüpft. Demokratiegebot und Staatsfreiheit bilden insoweit eine normative Sinngemeinschaft. Das demokratische Prinzip der Volkssouveränität bildet demnach den Kern des Grundsatzes der Staatsfreiheit. Dieses Ergebnis wird durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Pressesubventionierung bestätigt. Obwohl der Beschluß des Ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 198981 nur die Frage nach den verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliche Subventionierung von Presseerzeugnissen zum Gegenstand hat, kommt dieser Entscheidung wegen ihrer grundlegenden Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Grenzen staatlicher Einflußnahme auf den öffentlichen Meinungs- und Willensprozeß auch im Hinblick auf den hier in Rede stehenden Grundsatz der Staatsferne des Rundfunks weitreichende Bedeutung zu. Presse wie Rundfunk gehören beide zu den unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmitteln und bilden einen wesentlichen Faktor der öffentlichen Meinungsbildung82 • Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur dogmatischen Herleitung der Staatsfreiheit bei der Subventionierung von Presseprodukten lassen sich daher für die Ableitung des Prinzips der Staatsfreiheit fruchtbar machen.

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Vgl. Frank, Medienmacht und Politik, S. 179, 180.

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und seiner Unterorgane auf die Programme der Rundfunkveranstalter. Vgl. BVerfGE 80,124. Vgl. BVerfGE 12, 205, 260 f.

so Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74 in bezug auf mögliche Einwirkungen des Parlaments 82

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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Das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem Beschluß Kriterien auf, die der Staat zu beachten hat, wenn er sich zu verfassungsrechtlich nicht gebotenen83 Förderungsmaßnahmen der Presse entschließt: Jede Einflußnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbes müßten vermieden werden. Staatliche Förderungsmaßnahmen dürften bestimmte Meinungen weder begünstigen noch benachteiligen. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründe im Förderungsbereich für den Staat eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach publizistischen Inhalten verbiete. Andererseits sei es ihm von Verfassungs wegen nicht von vornherein versagt, diese Förderung an meinungsneutralen Gesichtspunkten auszurichten. Dieser Neutralitätspflicht des Staates korrespondiere ein subjektives Abwehrrecht des Trägers der Pressefreiheit gegen die mit staatlichen Förderungsmaßnahmen verbundenen inhaltslenkenden Wirkungen sowie ein Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb84 • Den inneren Grund für dieses strikte staatliche Einmischungsverbot in den publizistischen Wettbewerb sieht das Gericht im Prinzip eines freien und offenen gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungspozesses begründet, welcher im Interesse der personalen Autonomie und des demokratischen Systems staatsfrei zu bleiben habe8S • Dieser Rekurs auf das Demokratieprinzip bildet den eigentlichen Ausgangspunkt für die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts ist der freie gesellschaftliche Kommunikationsprozeß ohne jede Einschränkung "staatsfrei" zu halten. Mit dieser Aussage macht das Gericht - wenn auch nur unausgesprochen - das Prinzip der Volkssouveränität zum verfassungsrechtlichen Maßstab, an dem die Vergabe von staatlichen Pressesubventionen auszurichten ist. Im Ergebnis kann festgehalten werden, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks wie auch die Staatsfreiheit der Presse aus dem demokratischen Prinzip der Volkssouveränität folgt. 11. Die Chancengleichheit bei der politischen Mitwirkung

Volkssouveränität findet ihre personale Ausprägung im Gleichheitsprinzip. Das Prinzip der Volkssouveränität gebietet nicht nur, daß alle Staatsbürger

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Vgi. BVerfGE 80, 124, 133. Vgi. BVerfGE 80, 124, 133 f. Vgi. BVerfGE SO, 124, 134 unter Hinweis auf BVerfGE 20, 162, 174 ff.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Träger sämtlicher Staatsgewalt sind, sondern verlangt darüber hinaus, daß sie auch "zu gleichen Teilen" an dieser beteiligt sind86• Nicht nur einige wenige aus dem Volk sollen die staatliche Herrschaftsgewalt tragen und Quelle für deren Legitimation sein, sondern sämtliche Mitglieder des Volkes gemeinsam und in gleicher Weise87• Diese politische Gleichheit ist auf die Erlangung staatlicher Macht gerichtet. Sie enthält das gleiche Recht aller Bürger, an der politischen Machtgewinnung und Machtausübung mitzuwirken88• Daher erstreckt sie sich auf alle Rechte, die der politischen Machtgewinnung und Machtausübung dienen, also auf sämtliche politische Mitwirkungsrechte89• Politische Gleichheit entfaltet sich mithin in mehreren Bedeutungsschichten: Alle Bürger müssen mit gleichem Recht an der politischen Meinungs- und Willensbildung des Volkes teilnehmen können. Maßstab für das Gleichbehandlungsgebot ist nicht der allgemeine Gleichheitssatz, nach dem die von einem Träger öffentlicher Gewalt vorgenommenen Differenzierungen gerechtfertigt sind, wenn sich nach Art und Umfang Gründe fmden lassen, welche die Ungleichbehandlung zu tragen vermögen90 • Vielmehr ist das demokratische Prinzip durch eine strikte, schematische und formale Gleich-

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88 89 90

Vgl. Herzog, in: MDHS, Art. 20 11, Rdnr. 10; vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 11 5, S. 614 f. Vgl. Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 41, S. 914. Dabei kann im

vorliegenden Zusammmenhang der Streit um die ideengeschichtliche Verwurze\ung des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes (vgl. dazu ausführlich DÜrig, in: MDHS, Art. 3 I, Rdnrn. 95 f. m.w.N.) ausgeblendet bleiben: Nach der sog. Milieutheorie, die auf der Vorstellung beruht, daß alle Menschen bei Geburt nach Fähigkeiten und Anlagen etc. völlig gleich sind, kommt dem Grundsatz der Chancengleicheit bei der politischen Mitwirkung lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Geht man dagegen davon aus, daß die Menschen bei der Geburt hinsichtlich ihrer physischen und geistigen Eigenschaften grundverschieden sind (so die sog. Anlagetheorie), hat das Prinzip der Gleichheit im Zusammenhang mit dem Gebot der Volkssouveränität konstitutive Wirkung; vgl. ferner Herzog, in: MDHS, Art. 20 11, Rdnrn. 11 ff. m.w.N. Vgl. Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 41, S. 914; Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 18 I 4 und § 18 11 5, S. 594 f. bzw. 613. Vgl. Böckenförde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 41, S. 914. So teilweise die Deutung des allgemeinen Gleichheitssatzes in der neue ren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfGE 55, 72, 88 und 91; 57, 107, 115; 58, 369, 373; 60, 123, 134; 62, 256, 274 f.; 63, 152, 166; 63, 255, 261; 64, 229, 239; 64, 243, 247; 65, 104, 113; 66, 66, 75; 67, 231, 236; 67, 348, 365; 68, 287, 301; 70, 230, 239 f.; 71, 146, 154 f.; 71, 364, 383 f.; 72, 84, 89 f.; 72, 141, 150; 73, 301, 321 f.; 74, 9, 24; 74, 129, 149; 74, mm~~~~~~~~m~~~~~m~m~~

87, 98; 79, 106, 122; in anderen Entscheidungen rekurriert das Bundesverfassungsgericht

hingegen noch auf die tradierte Deutung des Gleichheitssatzes als Willkürverbot, vgl. BVerfGE 65, 141, 148; 74, 182, 200; 75, 108, 157; 76,256, 329; 77, 308, 338; 77, 370, 380; 78, 104, 121; 79, 223, 236; 80,48,51. Vgl. zu den neueren Entwicklungen des Verständnisses des Gleichheitssatzes Maaß, NVwZ 1988, 14 ff.; Wendt, NVwZ 1988, 778 ff.

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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heit gekennzeichnet91 • Diese für den demokratischen Entscheidungsfindungsprozeß spezifische Ausprägung des Gleichheitssatzes verlangt zwar keine Einebnung faktisch vorhandener, unterschiedlicher Möglichkeiten der politischen Einflußnahme92 • Jedoch läßt der strenge Gleichheitssatz keinen Freiraum für Wertungen. Es ist staatlichen Stellen versagt, Abstufungen oder Differenzierungen nach Rasse, Vermögen, Würdigkeit, Verdienst, Leistung, Erfahrung oder Bildung, etc. vorzunehmen93 • Anknüpfungspunkt für die demokratische Gleichheit ist allein die Bürgereigenschaft, d.h. die Zugehörigkeit zur politischen Gemeinschaft des Volkes. Demokratische Gleichheit ist damit egalitäre Gleichheit94 • Diese von staatlichen Stellen zu beachtende egalitäre Gleichheit der Bürger bei der politischen Meinungs- und Willensbildung bezieht sich ebenso auf die demokratischen Wahlen95 • Auch Minderheitengruppen müssen strikt die gleiche Möglichkeit besitzen, zur Mehrheit zu werden96 • Das heißt, die gesetzgeberische Ausgestaltung des aktiven und passiven Wahlrechts wie deren praktische Abwicklung müssen den Anforderungen des strengen Gleichheitssatzes genügen. Für die politischen Parteien, die zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes berufen sind, äußert sich die demokratische Gleichheit in ihrem Recht auf ChancengIeichheit97 bei der politischen Willensbildung98 und bei Wahlen99 • Dieses Recht ergibt sich aus der verfassungsrechtlichen Aufga91

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98 99

So die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. BVerfGE 14, 121,

132; 44, 125, 146; speziell im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung BVerfGE 8, 51, 69; 24, 300, 360; 52, 63, 88; 73, 40, 71 ff. So die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung BVerfGE 8, 51, 68; 73, 40, 71; vgl. ferner BVerfGE 78, 350, 358. Vgl. Böckenförde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 43, S. 915. Vgl. BVerfGE 6,84,91; 11,266,272; vgl. auch Böckenförde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 43, S. 915. So die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, Vgl. u.a. BVerfGE 6, 84, 91; 8, 51, 69; 11, 266, 272; 11, 350, 361; 12, 10, 25; 12, 73, 77; 13, 1, 12; 13, 243, 246; 14, 121, 132; 16, 130, 138; 28, 220, 225; 34, 81, 98; 41, 399, 413; 58, 177, 190; 69, 92, 106; 78, 350, 357 f.; 79, 161, 166; 79, 169, 170. Vgl. BVerfGE 44, 125, 145. Vgl. zu den verfassungstheoretischen Ursprüngen dieses Grundsatzes BVerfGE 6, 273, 280; 44, 125, 146; 47, 198, 225; Kunig, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 33, Rdnr. 62, S. 132 f. m.w.N.; v. Münch, in: ders., GG 11, Art. 21, Rdnr. 25 m.w.N. So die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur BVerfGE 2, I, 13; 5, 85, 140; 6, 273, 280; 7, 99, 107; 44, 125, 145; 47, 198, 225; 73, 40, 88 Vgl. BVerfGE 8, 51, 64 f.; 11,266,272; 24,300,341; 34, 160, 163; 44, 125, 146; 69, 92, 106; 78, 350, 358. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts beherrscht der Grundsatz der Chancengleichheit der Parteien nicht nur den Wahlvorgang, sondern gilt ebenso für die Wahlvorbereitung, vgl. BVerfGE 8,51,64; 14, 121, 132 f.; 47, 198, 225; 52, 63,89; für den Bereich der Erstattung von Wahlkampfkosten, vgl. BVerfGE 20, 56, 116;

76

Zweiter Teil: Grundlegung

bensteIlung der Parteien als Verbindungsgliedern zwischen den Bürgern und den Staatsorganen lOO • Es hat seinen Ursprung in dem demokratischen Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes lol • Deshalb bedeutet demokratische Gleichheit nicht schematische, strikte Gleichheit der Parteien im Prozeß politischer Machtgewinnung, sondern eine nach der Bedeutung der Parteien differenzierte Gleichheie0 2• Eingriffe in das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung und auf Chancengleichheit der politischen Parteien stoßen von Verfassungs wegen auf besonders enge Grenzen und bedürfen zu ihrer Rechtfertigung eines besonderen "zwingenden Grundes"I03. Aus diesem im Prinzip der Volkssouveränität fußenden Grundsatz der Chancengleichheit bei der politischen Meinungs- und Willensbildung korrespondiert das Verbot für staatliche Organe, den Wettbewerb zwischen den einzelnen konkurrierenden Bürgern, politischen Organisationen und Parteien zu beeinträchtigen. Ihr verfassungsrechtlich verbürgtes Recht, zu gleichen Teilen an der Meinungs- und Willensbildung des Volkes mitzuwirken und damit Einfluß auf die staatliche Herrschaftsausübung zu nehmen, wird verletzt, wenn der Staat die Wettbewerbslage zwischen den einzelnen politischen Konkurrenten verfälsche 04 • Insbesondere darf er keinem bestimmten Bürger größere Einwirkungsmöglichkeiten auf den Prozeß der politischen Willensbildung eröffnen als anderenlOs.

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lOS

24, 300, 339 f.; 41, 399, 413; 69, 92, 106 f. und für den Wettbewerb der Parteien um die Erlangung von Spenden, vgl. BVerfGE 6, 273, 280; 8, 51, 64 f.; 20, 56, 116; 52, 63, 89; 69, 92, 106 f. Auch sind der mittelbaren Finanzierung der Tätigkeit der politischen Parteien durch die steuerliche Berücksichtigung von Spenden und Beiträgen verfassungsrechtlich Schranken gesetzt, vgl. BVerfGE 8, 51, 62 f.; 24, 300, 357 f.; 52, 63, 84; 69, 92, 106; 73,40, 89; 78, 350, 358. Vgl. BVerfGE 20, 56, 99; 52, 63, 85. Vgl. Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 44, S. 916. Vgl. BVerfGE 13, 204,205; 14, 121, 134; 24, 300, 345; 69, 92, 109; vgl. auch BVerfGE 20, 56, 118; vgl. für kommunale Wählervereinigungen im Verhältnis zu politischen Parteien BVerfGE 78, 350, 358 f.; siehe ferner Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 44, S. 916. Eingehend zum - in § 5 PartG einfachgesetzlich verankerten - Grundsatz der sog. abgestuften Chancengleichheit und mit aA. Kunig, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 33, Rdnrn. 64 ff., S. 134 ff. m.w.N. Da für Bürger und Parteien in gleicher Weise der strenge, nicht aber - wie auch nach hiesiger Meinung - der schematische, formale Gleichheitssatz gilt, wird zu Recht vorgeschlagen, den ·strengen Gleichheitssatz· als übergreifenden Terminus zu verwenden; so v. Amim, JA 1985, 122, 124. Vgl. BVerfGE 6, 84, 92 ff.; 8, 51, 65; 14, 121, 133; 24, 300, 341; 34, 160, 163; 44, 125, 146; 47, 198, 227; 52, 63, 89; 69, 92, 106 f.; 73, 40, 89; 78, 350, 358; vgI. ferner BVerfGE 1, 208, 225; 4, 375, 382; 6, 84, 94; 6, 273, 280. Vgl. BVerfGE 52,63,89; 69, 92,108; 73, 40, 89; 78,350,358; siehe auch BVerfGE 80, 124, 133 f.; OVG Bremen, NJW 1990, 931, 933. Vgl. BVerfGE 69, 92, 108; 78, 350, 358.

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

77

Versucht man dieses Prinzip der Wettbewerbsgleichheit im Prozeß der politischen Meinungs- und Willensbildung auf den hier in Rede stehenden Bereich des Rundfunkwesens zu übertragen, so bestehen zunächst insoweit Bedenken, als die Veranstaltung von Rundfunkprogammen einen erheblichen finanziellen Aufwand erfordert, mit der Folge, daß die Ausübung der Rundfunkfreiheit nicht von vornherein jedermann möglich ist lO6. Selbst wenn dieses Argument einer stärkeren Differenzierung nach einzelnen Formen der Programmdarbietungen bedürfte 107, läßt sich nicht übersehen, daß die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen nur einigen (wenigen) vorbehalten sein wird, während ein jeder Bürger die Möglichkeit besitzt, Parteien beizutreten, solche zu gründen oder in anderer Weise bei der Meinungs- und Willensbildung des Volkes mitzuwirken. Deshalb erscheint es fraglich, aus dem demokratischen Prinzip chancengleicher politischer Mitwirkung das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks abzuleiten. Diese Schlußfolgerung erweist sich jedoch als fehlsam. Der Rundfunk soll ein Forum bieten für sämtliche gesellschaftlich relevante Gruppen und für alle bestehenden Meinungenlos. Dieses rundfunkspezifische Pluralismusgebot bezieht sich (gerade) auf die Mitwirkung der gesellschaftlichen Kräfte und Organisationen bei der politischen Meinungs- und Willensbildung. Staatliche Interventionen, welche sich gegen bestimmte Meinungen im Rundfunk richten, indem sie diese verbieten, unterdrücken oder in sonstiger Weise ihre Verbreitung beeinträchtigen, verstoßen gegen das Recht des betroffenen Meinungsträgers auf Chancengleichheit bei der politischen Mitwirkung. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in der bereits erwähnten Entscheidung zur staatlichen Pressesubventionierung dem Staat bei der Presseförderung die Verpflichtung zur inhaltlichen Neutralität auferlegt'09; damit hat das Gericht das Recht auf chancengleiche Mitwirkung bei der politischen Meinungs- und Willensbildung des Volkes für den Bereich des Pressewesens konkretisiert. Dieses Prinzip bildet mithin einen weiteren dogmatischen Begründungsstrang für den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks.

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Vgl. BVerfGE 12, 205, 261; 31, 314, 326; 57, 295, 322; 73, 118, 123; Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern, S. 87; Lücke, DVBI. 1977, 977, 979. Vgl. etwa Eberle, Rundfunkübertragung, S. 33, der insoweit zwischen Femseh- und Hörfunkbereich zu unterscheiden versucht. Vgl. BVerfGE 57, 295, 321; 73, 118, 152 f.; 74, 297, 324. Vgl. BVerfGE 80,124,134; siehe auch OVG Bremen, NJW 1990, 931, 933.

78

Zweiter Teil: Grundlegung

III. Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) Die Rundfunkfreiheit hat nach nunmehr unbestrittener Auffassung sowohl subjektive wie auch objektive Elemente zum Inhalt l1O • Der Streit betrifft lediglich das wechselseitige Verhältnis dieser beiden Bedeutungsschichten der Rundfunkfreiheit. Während die Rechtsprechung1l1 und ein Teil der Literatur der Rundfunkfreiheit eine dienende Funktion gegenüber dem Prozeß der freien individuellen und öffentlichen Meinungs- und Willensbildung zusprechen1l2, sehen andere in diesem Schutzgut eine von außen an die Rundfunkfreiheit herangetragene und diese einschränkende normative Kategorie l13 • Der Kern des Dissenses liegt im unterschiedlichen grundrechts theoretischen Ausgangsverständnis, was nur selten hinreichend deutlich zum Ausdruck kommt. Man wird daher dieses Problem nur dann zufriedenstellend erhellen können, wenn zuvor die methodologischen Grundlagen der Grundrechtsinterpretation geklärt sind. Das erfordert, die Kriterien zu bestimmen, nach denen der normative Gehalt grundrechtlicher Bestimmungen zu erschließen ist. Diese Arbeit kann im Rahmen dieser Untersuchung nicht bewältigt werden. Gleichwohl wollen wir versuchen, einen "kleinsten gemeinsamen Nenner" der die grundrechtlieh geschützte Rundfunkfreiheit betreffenden unterschiedlichen Deutungsansätze zu finden, welcher zugleich einen dogmatisch taugli-

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113

Nach BVerfGE 57, 295, 320; 74, 297, 323 ist die "Rundfunkfreiheit primär eine der Freiheit der Meinungsbildung in ihren subjektiv- und objektiv-rechtlichen Elementen dienende Freiheit"; ob das Bundesverfassungsgericht mit diesem Satz subjektiv-rechtliche Gehalte der Rundfunkfreiheit anerkannt hat, ist bestritten: Teils bezieht man die "subjektiv-rechtlichen Elemente" auf die Rundfunkfreiheit (so Scholz, JZ 1981, 561, 563; Pestalozza, NJW 1981, 2158, 2160), teils auf die unbenannte Basisgewährleistung des Art. 5 Abs.1 GG, der Freiheit der Meinungsbildung (so Böcken[ördejWieland, AfP 1982, 77, 82); bei diesem Streit wird jedoch, worauf Eberle, Rundfunkübertragung S. 32, Fn. 49 zu Recht hinweist, übersehen, daß das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach über Verfassungsbeschwerden der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entschieden und damit die subjektiv-rechtliche Komponente der Rundfunkfreiheit anerkannt hat, vgl. BVerfGE 31, 314,322; 59, 231, 254 f.; 74, 297, 317 f.; 77,65,72; siehe auch BVerfGE 78, 101, 102 f.; vgl. aus dem Schrifttum statt vieler Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 25 f.; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 15 f.; Seimer, Bestands- und Entwickungsgarantien, S. 42 ff. Vgl. BVerfGE 57, 295, 319 f.; 73, 118, 152; 74, 297, 323. Siehe aus der Fülle der Literatur Badura, Verfassungsrechtliche Bindungen, S. 22 f., 26, 32 f., 29 f., 78, passim; Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 39 ff., 42 ff.; Böcken[ördejWieland, AfP 1982, TI, 81; Hoffmann-Riem, Hdb. des Verfassungsrechts, S. 389, 408 f.; Lange, Kommenielle Ziele, S. 23 f.; Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 138 ff.; SChmidt, Rundfunkgewährleistung, S. 82, passim. Vgl. statt vieler Eberle, Rundfunkübertragung, S. 31 ff., 42 f.; Klein, Rundfunkfreiheit, S. 32 ff.; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 12 ff.; Schmitt Glaeser, Kabelkommunikation und Verfassung, S. 340 ff.; Rudolf, Über die Zulässigkeit privaten Rundfunks, S. 22; Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, 11, Rdnm. 236 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/K1ein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnm, 6 ff., 68.

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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chen Ableitungsstrang für das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks bildet. Wie dargelegt, ist der Rundfunk Faktor und Medium im verfassungsrechtlich geschützten Prozeß der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung114 • Ihm kommt damit, wie sämtlichen in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Grundrechten, schlechterdings konstituierende Bedeutung für die freiheitliche demokratische Grundordnung zu115 • Dieser gesellschaftliche Bezug der Rundfunkfreiheit bestimmt auch die Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. In der objektiv-rechtlichen Ausprägung der Rundfunkfreiheit spiegelt sich das demokratische Prinzip wider, das insoweit den subjektivrechtlichen Kern der Rundfunkfreiheit prägt und ihm besondere Schubkraft verleiht. Dadurch wird die Rundfunkfreiheit zu keinem Pflichtgrundrecht. Der einzelne Medienträger genießt im Interesse des demokratischen Systems besonderen Schutz116 • Solange der objektiv-rechtliche Gehalt der Rundfunkfreiheit der Sicherung und Verstärkung personaler Freiheit dient'l7, lassen sich keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Einwände erheben, diese Bedeutungsschicht für die Auslegung grundrechtlicher Bestimmungen heranzuziehen. Insoweit besteht Übereinstimmung im Schrifttum trotz der divergierenden grundrechtstheoretischen Grundüberzeugungen 118 • Das Demokratieprinzip ist daher mit der Rundfunkfreiheit über deren objektiv-rechtliche Seite verklammert und vermittelt dieser ihre spezifische Funktion, ohne daß dadurch der subjektiv-rechtliche Gehalt der Rundfunkfreiheit bestritten oder auch nur begrenzt würde. Das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks, das seinen eigentlichen Ursprung in den demokratischen Grundsätzen der Volkssouveränität und Gleichheit bei der Meinungs- und Willensbildung hat, wirkt über die Vorschrift des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in den durch die Rundfunkfreiheit grundrechtlich umhegten Bereich. Das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks nimmt an dem grundrechtlichen Schutz der Rundfunkfreiheit teil. IV. Das Gebot der Pluralität im Rundfunk Für die Organisation des Rundfunks gilt das Gebot des Pluralismus zur Förderung von Meinungsvielfalt und zur Verhinderung von einseitiger Mei114 115 116 117 118

Vgl. 2. Teil, 1. Kapitel, I. 1. e) (3). Vgl. BVerfGE 59, 231, 265. Vgl. für den Bereich der Pressesubventionierung BVerfGE 80, 124, 134. So besonders deutlich BVerfGE 7, 198, 205; 50, 290, 337. Die Anhänger einer subjektiv-reChtlichen Sicht der Rundfunkfreiheit wenden sich im wesentlichen dagegen, daß der objektiv-rechtliche den subjektiv-rechtlichen Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verkürzt und auf diese Weise Schranken zum Inhalt des Grundrechts gemacht werden; vgl. etwa Klein, Rundfunkfreiheit, S. 47; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 9.

80

Zweiter Teil: Grundlegung

nungsmacht 119 • Aus diesem rundfunkspezifischen Pluralismusgebot wird in der Rechtsprechung und in Teilen der Literatur die Forderung abgeleitet, daß der Rundfunk weder von einer gesellschaftlichen Gruppe noch von staatlichen Stellen abhängig sein dürfe. Eine Beherrschung des Rundfunks durch den Staat wird dem Fall gleichgestellt, daß einzelne gesellschaftliche Gruppen einen bestimmenden Einfluß auf dieses Massenmedium gewinnen. Ein vom Staat oder von einzelnen gesellschaftlichen Gruppen beherrschter Rundfunk böte keine Gewähr für die erforderliche Vielfalt und Ausgewogenheit in den Rundfunkprogrammen. Diese Gleichstellung läßt das Prinzip der Staatsfreiheit als einen Unterfall des rundfunkspezifischen Vielfaltsgebotes erscheinen. Der Grundsatz der Staatsfreiheit hätte demnach gegenüber dem verfassungsrechtlichen Gebot der Pluralität im Rundfunk keine eigenständige normative Bedeutungl20 • Damit würde jedoch der spezifische Gehalt des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks verkannt. Bei einer vielfaltsbezogenen Auslegung des Prinzips der Staatsfreiheit könnte dieses Verfassungsgebot erst dann zum Tragen kommen, wenn der Staat einen beherrschenden Einfluß auf den Rundfunk erlangt. Die immer wieder vorgetragene Formel, der Rundfunk dürfe weder dem Staat noch einer gesellschaftlichen Gruppe überlassen bleiben, suggeriert, daß staatliche Stellen und gesellschaftliche Gruppen gleichgewichtig schützenswerte Kommunikatoren seien und ihr Einfluß auf den Rundfunk bis diesseits der Beherrschungsgrenze von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei. Diese Annahme ist jedoch fehlsam. Jede gesellschaftliche Kraft kann dem Prinzip der Volkssouveränität entsprechend an der öffentlichen Meinungs- und Willensbildung des Volkes mitwirken. Der einzelne besitzt vollständige Tendenzfreiheit und unterliegt bei seinen Meinungsäußerungen keiner Pflicht zur Neutralität im politischen Wettbewerb. Jede gesellschaftliche Gruppe darf im Wege des politischen Wettstreits für ihre Überzeugungen und Auffassungen werben und gezielt den öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß in ihrem Sinne zu beeinflussen versuchen. Im Interesse eines offenen, dem Pluralitätsideal entsprechenden öffentlichen Kommunikationsprozesses hat die Rechtsordnung Vorsorge zu tragen, daß dieser Prozeß nicht in die Abhängigkeit einzelner gesellschaftlicher Gruppen gerät und von diesen einseitig bestimmt wird. An

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Dabei soll wiederum dahingestellt bleiben, ob dieses rundfunkspezifische Vielfaltsgebot seinen Kern in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG selbst hat oder aber außerhalb der Rundfunkfreiheit liegende Schutzgüter konkretisiert, vgl. dazu bereits die Nachweise im 2. Teil, 1. Kapitel, 111. Vgl. die Nachweise im 1. Teil, 1. Kapitel, passim und 2. Kapitel I.

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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der grundsätzlichen Befugnis zur Mitwirkung an der politischen Willensbildung ändert sich dadurch jedoch nichts. Einen vergleichbaren verfassungsrechtlichen Rechtstitel besitzt der Staat jedoch nicht l21 • Dem Prinzip der Volkssouveränität zufolge muß die staatliche Meinungs- und Willensbildung der gesellschaftlichen folgen, aus dieser hervorgehen. Diese verfassungsrechtlich vorgezeichnete Stufenfolge staatlicher und gesellschaftlicher Meinungs- und Willensbildung wird übersehen, wenn man dem Staat ein Recht zur Mitwirkung am öffentlichen Kommunikationsprozeß zubilligt. Es kommt nicht darauf an, ob dem Staat ein beherrschender oder ein unterhalb der "Dominanzschwelle" liegender Einfluß auf die öffentliche Meinungs- und Willensbildung eröffnet wird. Jede staatliche Einflußnahme auf diesen verfassungsrechtlich geschützten Prozeß, mag diese gewichtig oder auch nur gering sein, tritt notwendigerweise in Kollision mit dem Prinzip der Volkssouveränität. Das Gewicht der Einwirkung bestimmt nur das Maß der Störung eines sich "von unten nach oben", vom Volk zu den Staatsorganen vollziehenden Meinungs- und Willensbildungsprozesses. Gleichwohl ist jeder staatliche Eingriff in diesen Prozeß prinzipiell demokratiewidrig und bedarf zu seiner verfassungsrechtlichen Legitimation eines besonderen Grundes. Dies hat das Bundesverfassungsgericht nament1ich in seiner Rechtsprechung zur Parteienfinanzierung immer wieder hervorgehoben l22 • Dieses Ergebnis wird zusätzlich gestützt durch das grundrechtlich verfestigte Recht auf gleiche politische Teilhabe, welches dem Staat jedwede Verfälschung der Wettbewerbslage zwischen den einzelnen konkurrierenden Kräften verbietet. Der Staat hat sich aus diesem freien Kampf der Meinungen herauszuhalten. Er darf durch seine Maßnahmen einzelne Meinungen und gesellschaftliche Gruppen weder begünstigen noch benachteiligen. Auf das Ausmaß der Wettbewerbsverfälschung kommt es wiederum nicht an. Der Staat hat die verfassungsrechtliche Pflicht zur strikten Neutralität. Das staatliche Neutralitätsgebot wirkt absolut ohne Möglichkeit quantitativer Abstufungen. Diese Überlegungen zeigen die Notwendigkeit einer differenzierenden Bewertung von staatlichen Einflüssen auf den Rundfunk und solchen (einzelner) gesellschaftlicher Gruppen. Die rein vielfaltsbezogene Deutung des Grundsatzes der Staatsfreiheit verschleiert das verfassungsrechtlich völlig unterschiedlich gelagerte Verhältnis von einzelnen privaten Kommunikato-

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Vgl. Lenz, JZ 1963, 338, 324; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 94 f. Vgl. nochmals BVerfGE 20, 56, 99.

6 Gersdorf

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Zweiter Teil: Grundlegung

ren einerseits und des Staates anderseits zum freien, verfassungsrechtlich geschützten Kommunikationsprozeß. Dadurch wird zum einen der besondere Unrechtsgehalt staatlicher Einflußnahme auf einzelne Medieninhalte verkannt, welcher sich in der Verletzung demokratischer Prinzipien äußert; zum anderen werden dem Staat bis diesseits der Beherrschungsgrenze reichende Einflußmöglichkeiten eröffnet, die mit der Funktionszuweisung des Rundfunks als Sache der Allgemeinheit und dem hieraus folgenden staatsfreien Charakter dieses Massenmediums nicht in Einklang stehenl23 • Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit nicht aus dem rundfunkspezifischen Vielfaltsgebot hergeleitet werden kann. V. Das Prinzip der Gewaltenteilung Wie bereits erwähnt, gibt es Stimmen im Schrifttum, die den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks dogmatisch auf das Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes stützen l2A • Diese Auffassung geht davon aus, daß Regierung und die sie tragenden Kräfte im Parlament aufgrund gleichgerichteter Interessenlagen in der Weise miteinander zusammenarbeiteten l25 , daß eine dem Leitbild des Gewaltenteilungsprinzips entsprechende gegenseitige Überwachung der bei den Gewalten realiter nicht stattfinde. Stattdessen falle der Opposition und nicht mehr dem Parlament als Ganzem die unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung bedeutsame Aufgabe der Regierungskontrolle ZU l26 • Die Opposition könne diese Funktion nur wirksam ausüben, wenn sie mit Hilfe der Massenkommunikationsmittel die Öffentlichkeit erreiche und damit versuchen könne, daß ihre Kritik von der öffentlichen Meinung aufgenommen wird 127 • Das Massenmedium Rundfunk müsse daher frei von Einflüssen der Regierung und der sie stützenden Parlaments mehrheit bleiben, damit die parlamentarische Opposition ihre Aufgabe im System der "checks and balances" effektiv wahrnehmen könne l28 • Dieser Ansatz zur dogmatischen Herleitung des Prinzips der Staatsfreiheit vermag einer kritischen Überprüfung nicht standzuhalten. Dabei kann an

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12A 125

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Zur Reichweite des Prinzips der Staatsfreiheit im einzelnen noch später. V g1. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 62 ff.; zustimmend Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 17; Lerche, Landesbericht, S. 15, 77, Fn. 229. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 62 f. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 63. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 64; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 17. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit. S. 65; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 17.

Erstes Kapitel: Ursprung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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dieser Stelle l29 die Frage dahinstehen, ob Regierung und Parlamentsmehrheit in der Verfassungswirklichkeit tatsächlich in einer dem Gewaltenteilungsgebot abträglichen Weise miteinander verquickt sind, so daß mangels wechselseitiger Überprüfung, Hemmung und Mäßigung dieser beiden Gewalten überwiegend der parlamentarischen Opposition die Rolle einer Kontrollinstanz für die Regierung zufälle3O • Jedenfalls ist eine verfassungstheoretische Verankerung des Gebots der Staatsfreiheit des Rundfunks im Gewaltenteilungsprinzip des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG mit dessen oben entwickelten dogmatischen Herleitungszusammenhängen nicht in Einklang zu bringen. Zunächst ist festzuhalten, daß etwa eine Indienststellung des Rundfunks zum Zwecke einer Erweiterung der Kommunikationsmöglichkeiten der parlamentarischen Opposition das Recht des Bürgers auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung des Volkes sowie das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit im politischen Wettbewerb verletzt. Die politische Wettbewerbslage zwischen den einzelnen politischen Kräften und Parteien würde zu Lasten der jeweiligen Mehrheitspartei, der hinter ihr stehenden Gruppen und sonstiger, mit der Opposition rivalisierenden politischen Kräfte verfälscht, wenn der Rundfunk als "Sprachrohr" der parlamentarischen Opposition fungierte, indem er sich die von der parlamentarischen Minderheit erhobene Kritik an der Regierungspolitik einseitig zu eigen macht l3l • Eine solche verstärkte verfassungsrechtliche "Hilfestellung" für die Arbeit der Opposition durch den Rundfunk ist denn auch von Kewenig nicht bezweckt. Ihm geht es darum, daß weder Regierung und Mehrheitsfraktion noch Opposition einen bestimmenden Einfluß auf den Rundfunk nehmen können 132•

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Vgl. dazu noch später. Vgl. dazu Bags, Der Staat, Bd. 13 (1974), 209 ff.; Gehrig, DVBI. 1971, 633 ff. m.w.N. in Fn. 44; Magiera, Parlament und Staatsleitung, passim; Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 62 f.; Schneider, AöR Bd. 99 (1974), 628 ff.; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 164; Carl SChmitt, Verfassungslehre, S. 338, spricht im Hinblick auf die Funktionsweise von Regierung und Parlament von einer "allgemeinen Harmonie der politischen Richtung im Ganzen". Vgl. zum insoweit vergleichbaren Fall der verfassungsmäßigen Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, BVerfGE 44, 125, 144 und 146; SaarlVerfGH, NJW 1980, 2181, 2182; für die kommunale Ebene OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 149, 150 ff.; bestätigt durch BVerwG, NVwZ-RR 1989, 262, 263. Vgl. Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 66. Darüber hinaus rechnet Kewenig die Regierungsmehrheit ebenso wie die Opposition dem staatlichen Bereich zu, da sie in vielen Fällen gleichgelagerte Interessen verfolgten (vgl. dazu die Ausführungen Kewenigs auf S. 41 ff.). Beide zusammen dürften als "Staat" das Massenmedium Rundfunk weder unmittelbar noch mittelbar beherrschen, Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 66.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Gleichwohl scheidet eine Deduktion des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks aus dem Gewaltenteilungsprinzip aus, Dies folgt aus folgenden Erwägungen: Wie bereits gezeigt, bildet das Massenmedium Rundfunk einen "Rückkoppelungskanal" zwischen staatlichem und gesellschaftlichem Meinungs- und Willensbildungssystem, Adressaten dieses Rückkoppelungsprozesses sind in erster Linie die Regierung, die sie tragende Mehrheitsfraktion und die ihr untergeordneten und von ihr abhängigen staatlichen Verwaltungsorgane, kurzum die Stellen, die unmittelbar staatliche Herrschaftsgewalt ausüben, Das gilt ebenso für die Opposition, Es mag zwar sein, daß die parlamentarische Opposition oftmals die im Volk gebildete öffentliche Meinung im Parlament repräsentiert. Sie ist mit ihr aber keinesfalls identisch133 , Die Opposition ist kein "Organ" des Volkes und auch kein Vertreter "der" Öffentlichkeie 34 , Parlamentarische Regierungsmehrheit wie Opposition schöpfen ihre demokratische Legitimation aus dem demokratischen Wahlakt. Sie sind gleichermaßen vom Volk gewählte staatliche Repräsentanten 135 , Die Opposition ist ein Teil der Legislative, Ihre Tätigkeit wurzelt im staatlichen Meinungs- und Willensbildungskomplex und ist damit dem staatlichen Bereich zuzuordnen l36 , Dem Prinzip der Volkssouveränität entsprechend bedarf sie der fortlaufenden demokratischen Legitimation und damit der "Rückkoppelung" an das Volk, Daher ist es der parlamentarischen Opposition ebenso wie der Regierung von Verfassungs wegen versagt, den "Rückkoppelungsvorgang" dadurch zu beeinträchtigen zu versuchen, daß sie auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes einwirkt. Daraus folgt, daß der Rundfunk auch von Einflüssen der parlamentarischen Opposition frei gehalten werden muß137, Sie darf sich zum Zwecke einer wirksamen Überprüfung

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Formierung und Entwicklung der "grünen" Gruppierungen und Parteien in neuerer Zeit legen ein beredtes Zeugnis für diesen Befund ab; vgl. Zeh, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 42, Rdnr. 20, S. 40l. Zur Stellung und Funktion der parlamentarischen Opposition im parlamentarischen Gefüge Zeh, Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 42, Rdnrn. 19 ff., S. 400 f.; Zirker, Die staatsrechtliche Stellung der Opposition, passim. Vgl. BVerfGE 20, 162, 175, wo die Rolle der Presse "als ständiges Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seinen gewählten Vertretern in Parlament und Regierung" betont wird, ohne dabei zwischen der parlamentarischen Mehrheitsfraktion und Opposition zu differenzieren. Lerche, Landesbericht, S. 15, 77, Fn. 227, weist zu Recht darauf hin, daß man in der Verfassungswirklichkeit nicht zwischen den "Repräsentanten" des Staates und den "Vertretern" des Staates unterscheidet; vgl. auch BVerfGE 12, 205, 263, das von "Vertretern des Staates" spricht und damit offenbar parlamentarische Opposition wie parlamentarische Mehrheitsfraktion der staatlichen Sphäre zuordnet. Damit ist nicht lediglich ein staatliches "Dominanzverbot" gemeint. Wie noch näher darzulegen sein wird, begründet das Postulat der Staatsfreiheit des Rundfunks das grundsätzliche Verbot für staatliche Organe, die durch den Rundfunk vermittelte Rückkoppelung zwischen staatlichen Funktionsträgern und Volk zu beeinflussen und statuiert somit ein unterhalb der Schwelle "beherrschender Einwirkungen" liegendes grundsätzliches "Einmischungsverbot".

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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der Regierungsarbeit nicht des Rundfunks "bedienen", wenn das Prinzip der Volkssouveränität keinen Schaden nehmen soU. Die Kontrolle der Regierung durch die parlamentarische Opposition mag seine Grundlage im Gewaltenteilungsprinzip fmden. Der Rundfunk hat aber verfassungsrechtlich nicht die Funktion, die Arbeit der parlamentarischen Opposition zu unterstützen. Das wäre mit seiner gesellschaftlich-politischen, nicht-staatlichen AufgabensteUung unvereinbar. Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks kann damit auch nicht aus dem Gewaltenteilungsgebot des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG hergeleitet werden.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks Nachdem bisher der Ursprung des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks herausgearbeitet worden ist, können wir uns im folgenden der Bestimmung des Schutzbereiches dieses grundrechtlieh gewährleisteten Verfassungssatzes zuwenden. Dabei kann an die im ersten Kapitel gefundenen Ergebnisse angeknüpft werden. I. Geschützte Inhalte/Themen

Im voranstehenden Kapitel wurde die Medium- und Faktorfunktion des Rundfunks im freien Kommunikationsprozeß beschrieben. Als Mediator bildet das Massenmedium Rundfunk eine "Kommunikationsbrücke" zwischen gesellschaftlichem und staatlichem Meinungs- und Willensbildungssystem. Es transportiert die in der Gesellschaft vertretenen und formulierten Meinungen und Forderungen zu den zu politischem Handeln berufenen staatlichen Repräsentationsorganen und gewährleistet damit eine dem Prinzip der Volkssouveränität entsprechende fortlaufende Rückkoppelung staatlichen Handelns an das Volk. Darüber hinaus greift der Rundfunk in seiner Faktoreigenschaft durch Auswahl der Programminhalte oder durch die in Kommentaren und sonstigen Stellungnahmen bezogenen Standpunkte seiner Redakteure und Mitarbeiter selbst in den verfassungsrechtlich geschützten Prozeß freier Meinungsbildung ein!38.

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Vgl. 2. Teil, 1. Kapitel I. 1. e) (3).

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Zweiter Teil: Grundlegung

Ferner wurde festgestellt, daß der Rundfunk seine beschriebene Aufgabe als ständiger "Rückkoppelungskanal" nur dann wirksam ausüben kann, wenn dieser Rückkoppelungsvorgang von staatlichen Einflüssen frei bleibt. Da der Rundfunk durch die Gestaltung und Verbreitung von Rundfunkprogrammen an dem Prozeß freier Meinungsbildung mitwirkt, hat das Gebot der Staatsfreiheit seinen Schutzkern im Programmbereich. Grundlage dieses Schutzes ist die meinungsbildende Funktion des Rundfunks. Das Gebot der Staatsfreiheit ist daher "programm akzessorischer Natur"I39. Aus dieser programmbezogenen Ausrichtung des Grundsatzes der Staatsfreiheit folgt, daß staatliche Einwirkungen auf den Rundfunk nur dann in Kollision mit diesem Prinzip geraten können, wenn sie publizistische Relevanz140 besitzen. Umfang und Qualität der Kontrolltätigkeit des Rundfunks richtet sich entscheidend nach dem Maß seiner Unabhängigkeit. Stehen die Mitarbeiter des Rundfunks unter Aufsicht und Kontrolle des Staates, so sind Rückwirkungen auf die publizistische Arbeit nicht ausgeschlossen. Die Furcht vor Sanktionen und Maßregelungen kann einen der publizistischen Freiheit abträglichen Anpassungsdruck unter den Mitarbeitern des Rundfunks erzeugen. Ihnen müssen daher breite und rechtlich abgesicherte Freiheitsräume zur Verfügung stehenl41 • Diese recht allgemein gehaltene Umschreibung des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks muß an dieser Stelle weiter konkretisiert werden. Im älteren Schrifttum wird der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auf Medieninhalte mit öffentlicher Bedeutung beschränke42 • Andere möchten reine Unterhaltungsmedien aus dem Schutzbereich dieser verfassungsrechtlichen Gewährleistung ausklammern\43. Diesen Stimmen ist mit Recht die Gefolg-

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140 141 142 143

So zutreffend Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 43; vgl. weiter Bachof/Rudolf, Verbot des Werbefernsehens, S. 26; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 41 f.; Eberle, Rundfunkübertragung, S. 95; Hemnann, Fernsehen und Hörfunk, S.48; Leibholz, in: PS für Scheuner, S. 363, 366, passim; Leisner, Werbefernsehen, S. 84 f.; Lenz, JZ 1963, 338, 340; Lerche, Landesbericht, S. 15, 31; Linck, NJW 1984, 2433, 2436; Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 198 ff., passim; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 31; Ossenbühl, Rechtsprobleme der Freien Mitarbeit, S. 109 ff.; Schmitt Glaeser, AöR Bd. 112 (1987], 215, 242 ff.; Stern/Bethge, Finanzierung der Rundfunkanstalten, S. 18; Wilkens, Aufsicht über den Rundfunk, S. 92 f. So die Formulierung bei Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 80 und S. 200 ff.; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 32. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 193 f.; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S.34.

Vgl. v. Mangoldt/Klein, 2. Aufl., Art. 5, VII 1, VI 3.; in bezug auf die Pressefreiheit Schneider, Presse und Meinungsfreiheit nach dem Grundgesetz, S. 6l. Vgl. hinsichtlich der Pressefreiheit Czaika, Pressefreiheit und öffentliche Aufgabe der Presse, S. 87 und 149; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, § 12, Rdnr. 394, S. 153 f.; Huber/Schüle, Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit, S. 62; v. Mangoldt/Klein, 2. Aufl.,

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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schaft versagt geblieben. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im ersten Fernseh-Urteil einen auf einzelne Sendeinhalte reduzierten Schutz der Rundfunkfreiheit abgelehnt l44 und diesen Standpunkt wiederholt bekräftigtl45. Auch der ganz überwiegende Teil der Lehre erstreckt den Schutz auf alle Formen der Darbietungen im Rundfunk, d.h. auf Nachrichten, Informationen, Stellungnahmen, künstlerische und unterhaltende Sendungen und sonstige inhaltliche Beiträge l46. Dem ist zu folgen, da sich Meinungsbildung in einem umfassenden Sinne vollzieht. Die gesamte Breite des Angebotes im Rundfunk unter Einschluß von Unterhaltungssendungen und kulturellen Programmen dient der freien Meinungsbildung l47. Die Mediator- und Faktorfunktion des Rundfunks im Prozeß freier Meinungsbildung erfordert einen auf den gesamten Programmbereich ausgedehnten Schutz der Träger der Rundfunkfreiheit. Gilt demnach der Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht bestimmten Themen und Inhalten, sondern der Programmtätigkeit schlechthin, so könnte die Intensität dieses Schutzes für die einzelnen Sendekategorien doch von unterschiedlichem Gewicht sein. Insbesondere Jarass geht auf diese Fragestellung ein. Er beschreibt die unterschiedliche Bedeutung einzelner Programminhalte für die Vermittlungsfunktion des Massenmediums Rundfunk. Sie spiele bei informierenden und berichtenden Sendungen eine größere Rolle und sei bei Sendungen der Bildung, Beratung sowie bei Kommentaren weniger stark ausgeprägt und bei reiner Unterhaltung am schwächsten. Angesichts dieser Feststellungen fragt Jarass, ob nicht der Grad des Schutzes der Rundfunkfreiheit eine Abstufung erleide l48. Gerade das von Jarass angeführte Beispiel macht die Fragwürdigkeit eines nach jeweiligen Sendekategorien differenzierenden Schutzes der Rundfunkfreiheit augenscheinlich. Die Vermittlungsfunktion des Rundfunks mag bei

Art. 5, VII I, VI 3; BGHZ 24, 201, 208.

144 Vgl. BVerfGE 12, 205, 260. 145 Vgl. BVerfGE 31, 314, 326; 35, 202, 222; 59, 231, 257 f.; 73, 118, 152. 146 Vgl. statt vieler Degenhan, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. I, 2, Rdnr.

147 148

512; Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, 11, Rdnr. 234, Fn. 2; larass, Freiheit der Massenmedien, S. 195 ff.; Lieb, Kabelfernsehen, S. 103 f.; v. Münch, in: ders., GGK I, Art. 5, Rdnr. 32; SCheuner, Rundfunkfreiheit, S. 48; Schmitt Glaeser, AöR Bd. 112 [1987], 215, 223 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/K1ein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnrn. 65 f.; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 43 f.; Stock, Koordinationsrundfunk im Modellversuch, S. 172 ff.; ders., AöR Bd. 110 [1985], 219, 223 f.; Tettinger, JZ 1984,400, 404; Wufka, RundfunkCreihe't, S. 67 f. Vgl. statt vieler Degenhan, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 512; Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, 11, Rdnrn. 199 Cf.; larass, Freiheit der Massenmedien, S. 195 C.; Starck, in: v. Mangoldt/K1ein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnrn. 65 f.; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 43 f. Vgl. larass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 34.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Darbietungen mit informatorischem und berichtendem Charakter einen größeren Stellenwert besitzen als bei Sendungen der Bildung und Beratung. Soweit der Rundfunk jedoch in seiner Faktoreigenschaft angesprochen ist, verliert diese Differenzierung bereits an Überzeugungskraft. Kommentare und Stellungnahmen einzelner Redakteure und Mitarbeiter vermögen den öffentlichen Meinungsbildungsprozeß oftmals erheblich zu beeinflussen. Ebenso eröffnen informierende und berichtende Beiträge die Möglichkeit, durch tendenziöse Auswahl und Gestaltung der Sendeinhalte die öffentliche Meinung gezielt zu steuern. Die Wirkkraft des Rundfunks auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozeß hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab und läßt sich nicht abstrakt, durch die Zuordnung einzelner Programminhalte in verschiedene Sendekategorien bestimmen, zumal insoweit eindeutige Abgrenzungskriterien fehlen, die Übergänge der Programmkategorien Bildung, Beratung, Information und Unterhaltung ohnehin fließend sind. Aus diesem Grunde genießt der Rundfunk auch nicht in seiner Mediatoreigenschaft einen größeren Schutz als in seiner Rolle als Faktor des verfassungsrechtlich geschützten Prozesses freier Meinungsbildung. Beide Aufgaben sind für die öffentliche Meinungsbildung von prinzipiell gleichwertigem Gewicht und daher grundsätzlich gleichrangig schützenswert. Gegen einen abgestuften Schutz der Rundfunkfreiheit vor staatlichen Übergriffen spricht vor allem folgender Gesichtspunkt. Die einzelnen Sendungen werden allesamt von einem Rundfunksender produziert, teilweise sogar von denselben Redakteuren und Mitarbeitern. Aufgrund dieses "redaktionellen Zusammenhanges"149 stünde zu befürchten, daß staatliche Einflüsse bei der Gestaltung einzelner Sendekategorien auch die Produktion anderer Programme beeinträchtigen l50 • Die Gefahr vor Sanktionen könnte sich hemmend auf die gesamte publizistische Arbeit des Senders auswirken. Ein nach einzelnen Sendearten differenzierender Schutz der Rundfunkfreiheit vermittelte dem Träger der Rundfunkfreiheit nicht den erforderlichen Schutz. Dieser Gedanke ist wohl häufig tragende Säule für die These von der "Unteilbarkeit der Rundfunkfreiheit"l5l. Mithin sind staatliche Übergriffe auf die publizistische Tätigkeit gleich zu bewerten, unabhängig davon, welche einzelne Sendekategorie sie primär erfassen152• Aus diesem Grunde ist das Prinzip der Staatsfreiheit als Pro-

149 150

151 152

Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 233 f.; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S.35. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 35. Vgl. etwa Lieb, Kabelfernsehen, S. 169; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 34. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 35.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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grammfreiheit zu verstehen, die sämtliche Sendearten umschließt und diesen unterschiedlichen Programm formen gleichen Schutz gewährt. Die bisherigen Ausführungen könnten zur Schlußfolgerung Anlaß geben, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit zwingend an die Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter gebunden ist. Diese Annahme erweist sich jedoch als fehlsam. Wie im einzelnen noch zu zeigen sein wird, entfaltet das Prinzip der Staatsfreiheit seine Schutzwirkungen auch gegenüber den Landesmedienanstalten als Zulassungs- und Kontrollinstanzen für den privaten Rundfunk, obwohl diese Anstalten grundsätzlich keine Rundfunkveranstalter sind und sich infolgedessen auch nicht auf die Programmfreiheit berufen können; denn andernfalls könnte der Staat die Programmfreiheit der privaten Rundfunkveranstalter dadurch beeinträchtigen, daß er auf die entsprechenden Entscheidungen der Landesmedienanstalten Einfluß nimmt. Der Anwendungsbereich des Gebotes der Staatsfreiheit ist daher insofern weiter als der des Grundsatzes der Programmfreiheit. Im Lichte dieser Erkenntnis erscheint es präziser, den Schutzbereich des Prinzips der Staatsfreiheit nicht nur auf die Programm freiheit im engeren Sinne zu erstrecken, sondern auf den gesamten publizistischen Wirkungskreis (Programmfreiheit im weiteren Sinne) auszudehnen. 11. Staatsfreiheit als Verbot demokratiewidriger Beeinflussung des publizistischen Wirkungskreises 1. Grundsätzliches

Blicken wir noch einmal auf den rechtsdogmatischen Ursprung des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks zurück. Grundlage dieses Verfassungssatzes ist zum einen das Prinzip der Volkssouveränität, zum anderen das Gebot der Chancengleichheit bei der politischen Willensbildung. Staatsfreiheit des Rundfunks bedeutet daher die strikte Beachtung dieser beiden im Demokratiegebot wurzelnden Prinzipien. Mit anderen Worten: Dem Staat sind unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit Einwirkungen auf das Massenmedium Rundfunk versagt, welche dem Gebot eines sich vom Volk zu den Staatsorganen vollziehenden Meinungs- und Willensbildungsprozesses widersprechen und zu Veränderungen im politischen Kräfteverhältnis führen. Da sich die meinungsbildende Funktion des Rundfunks durch die Programmtätigkeit vollzieht, findet der Grundsatz der Staatsfreiheit seine Grundlage im Programmbereich.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Angesichts der Programmakzessorietät'S3 des Grundsatzes der Staatsfreiheit könnten man annehmen, daß dieses Verfassungsprinzip Schutz vor sämtlichen staatlichen Beeinträchtigungen der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Programmfreiheit bietet. Auf diese Frage wird später noch einmal zurückzukommen sein. An dieser Stelle reicht es aus festzustellen, daß das Gebot der Staatsfreiheit entsprechend seiner oben herausgearbeiteten Ableitungszusammenhänge nur dann einsetzbar ist, wenn der Staat in einer den demokratischen Prinzipien der Volkssouveränität und des chancengleichen politischen Wettbewerbs widersprechenden Weise in die Programmtätigkeit des Rundfunks eingreift. Der Grundsatz der Staatsfreiheit ist stets im Lichte seiner demokratischen Bezüge zu betrachten. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit hat notwendig die Verletzung des Demokratieprinzips zur Folge. Immer, aber auch nur dann, wenn der Staat demokratiewidrig die Faktor- und Mediumrolle des Rundfunks beeinflußt, läßt sich das Gebot der Staatsfreiheit aktivieren. Das Gebot der Staatsfreiheit ist daher nicht nur streng programmbezogen, sondern zusätzlich untrennbar mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes verbunden. 2. Reichweite des Schutzes

Wie oben ausführlich gezeigt, ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite des Grundsatzes der Staatsfreiheit durch erhebliche Unsicherheiten gekennzeichnet. Auch in der Literatur besteht keine Übereinstimmumg darüber, unter welchen Voraussetzungen das Prinzip der Staatsfreiheit Platz greift. Dieser Dissens betrifft die Frage, ob der Grundsatz der Staatsfreiheit als staatliches "Einmischungsverbot" oder eher als "Auslieferungs- und Beherrschungsverbot" für den Staat zu deuten ist. Im folgenden soll dieses Problem einer Lösung zugeführt und die Reichweite des Grundsatzes im einzelnen bestimmt werden. a) Staatsfreiheit als Beherrschungs- und Auslieferungsverbot Daß der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks eine staatliche Beherrschung dieses Massenmediums verbietet, ist in Rechtsprechung und Literatur völlig unbestritten l54 • Staatsrundfunk oder ein dem Staat ausgelieferter Rundfunk stünde mit dem Prinzip der Volkssouveränität in eklatantem Widerspruch. Das demokratische Erfordernis eines sich "von unten nach

153 154

Vgl. Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 43. Vgl. 1. Teil, 1. Kapitel, passim und 2. Kapitel, III.

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oben" vollziehenden Meinungs- und Willensbildungsprozesses würde verletzt, wenn der Rundfunk unter staatlicher Verantwortung betrieben würde. Der Rundfunk könnte seine Funktion als gesellschaftliche Kontrollinstanz für den Staat und seine Repräsentanten nicht mehr wahrnehmen. Auch führte ein Staatsrundfunk zur Verfälschung der Wettbewerbslage zwischen den einzelnen gesellschaftlichen Kräften. Die nicht hinter der jeweiligen Regierung stehenden gesellschaftlichen Gruppierungen wären in ihrem Recht auf gleiche Teilhabe an der politischen Willensbildung beeinträchtigt. Dieses würde auch für den Fall einer "angemessenen" Beteiligung der parlamentarischen Opposition am staatlichen Rundfunk gelten, da die Opposition den gesamten Bereich der politischen Öffentlichkeit in seiner außerordentlichen Vielschichtigkeit weder abdeckt noch abdecken kann l5S • Ein durch staatliche Stellen beherrschter Rundfunk ist daher in höchstem Maße demokratiewidrig und damit unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit verfassungsrechtlich unzulässig. b) Staatsfreiheit als Einmischungs- und Beeinträchtigungsverbot Oben wurde bereits dargelegt, daß die Schutzreichweite des Grundsatzes der Staatsfreiheit oftmals auf ein Verbot der staatlichen Dominanz von Programminhalten beschränkt wird l56 • Demgemäß soll die bis diesseits der "Beherrschungsgrenze" reichende staatliche Einflußnahme auf den Rundfunk von Verfassungs wegen zulässig sein. Dieser Standpunkt fußt auf der Überlegung, daß der Rundfunk weder von einer gesellschaftlichen Gruppe noch von staatlichen Stellen abhängig sein dürfe. Die Gleichstellung des Verbotes der staatlichen Beherrschung des Rundfunks mit der einer gesellschaftlich relevanten Gruppe läßt die vielfaltsbezogene Ausrichtung dieser Aussage deutlich werden. Wie bereits gezeigt, sind Staat und gesellschaftliche Gruppen aber keine gleichberechtigten Kommunikatoren im Prozeß der gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildung. Während die Verfassung den einzelnen bei der politischen Mitwirkung ausdrücklich schützt und rechtlich absichert, ist es dem Staat von Verfassungs wegen gerade untersagt, am freien gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß mitzuwirken. Jeder staatliche Eingriff in den freien Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes und damit auch jede staatliche Einwirkung auf einzelne durch den Rundfunk vermittelte Sendeinhalte ist grundsätzlich demokratiewidrig und vor dem Demokratiege-

155 156

Vgl. bereits 2. Teil, 1. Kapitel, V. Vgl. 1. Teil, 2. Kapitel, 111.

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Zweiter Teil: Grundlegung

bot des Grundgesetzes besonders legitimierungsbedürftig. Aus diesem Grunde geht es nicht an, dem Staat einen bis zur Beherrschungsgrenze reichenden Einfluß auf den Rundfunk zu ermöglichen. Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks begründet daher ein "striktes Einmischungsverbot". Eine inhaltliche Bestimmung des Staatsfreiheitsgebotes im Sinne eines "Dominanzverbotes" ist mit den demokratiebezogenen Ableitungszusammenhängen des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht in Einklang zu bringen und damit abzulehnen. Dieses Ergebnis wird durch die bereits erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Pressesubventionierung zusätzlich erhärtet. Danach ist der Staat bei der Förderung im Pressebereich zur strikten meinungsbezogenen Neutralität verpflichtet. Jede Einflußnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs müßten vermieden werden i57 • Das Gericht fragt nicht danach, ob sich durch die Förderung einzelner Presseerzeugnisse ein bestimmender Einfluß des Staates im Printbereich einstellen könne. Ebensowenig kommt es nach Auffassung des höchsten deutschen Gerichtes auf eine staatliche Beherrschung eines konkreten Presseunternehmens oder einzelner publizistischer Inhalte an. Vielmehr ebnet die Bezugnahme auf das Demokratiegebot l58 den dogmatisch tragfähigen Weg: Bei der Förderung von Presseerzeugnissen durch den Staat müßten jedwede und nicht nur "beherrschende" staatliche Einwirkungen auf Presseinhalte im Interesse eines sich staatsfrei vollziehenden Meinungs- und Willensbildungsprozesses des Volkes und der Chancengleichheit konkurrierender politischer Gruppen und Kräfte unterbleiben l59 • Das Bundesverfassungsgericht deutet die grundrechtlich geschützte Pressefreiheit als Freiheit der Presse vor jeder Form staatlicher Einflußnahme auf die publizistische Tätigkeit der Presseunternehmen. Diese Rechtsprechung erweist sich als zwingende Konsequenz einer demokratiebezogenen Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Demokratiegebot des Grundgesetzes liefert die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die staatliche Förderung der Presse. Es verpflichtet den Staat zur Rechtfertigung, wenn er den Meinungsund Willensbildungsprozeß des Volkes beeinträchtigt oder die Wettbewerbslage der konkurrierenden politischen Gruppen und Strömungen verändert. Die vom Bundesverfassungsgericht für den Bereich staatlicher Subventionierung von Presseunternehmen aufgestellten Verfassungsdirektiven decken sich damit in vollem Umfange mit der hiesigen, zur Reichweite des Grund-

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159

Vgl. BVerfGE 80, 124, 133 f. Vgl. BVerfGE 80, 124, 134; vgl. dazu bereits oben 2. Teil, 1. Kapitel, I. 2. und 11. Vgl. BVerfGE 80,124, 134.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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satzes der Staatsfreiheit des Rundfunks bezogenen Position, derzufolge jedwede Form staatlicher Einflußnahme auf die durch den Rundfunk vermittelten Kommunikationsinhalte unzulässig ist. III. Indikatoren für demokratiewidrige Beeinflussungen des publizistischen Wirkungskreises

Im folgenden sind die Voraussetzungen zu benennen, unter denen ein staatlicher Eingriff in die publizistische Tätigkeit des Rundfunks mit den Prinzipien der Volkssouveränität und des chancengleichen politischen Wettbewerbs unvereinbar ist. Nur in diesem Fall ist der Grundsatz der Staatsfreiheit in seinem Schutzgehalt betroffen. 1. Staatliche Beteiligung am Meinungs- und Willens-

bildungsprozeß des Volkes

Der Legitimationsdruck der zu politischem Handeln berufenen staatlichen Organe verringert sich in dem Maße, in dem es ihnen gelingt, ihre Politik mit "der" öffentlichen Meinung in Übereinstimmung zu bringen. Daher ist die Versuchung für staatliche Stellen groß, durch Einwirkung auf das Massenkommunikationsmittel Rundfunk den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes zu beeinflussen, um auf diese Weise Volks- und Staatsmeinung einander anzugleichen. Für die verfassungsrechtliche Bewertung ist es unerheblich, ob dies den entsprechenden staatlichen Organen gelingt. Bereits der Versuch ist schädlich. Unbeachtlich ist es ferner, ob die vom Staat eingesetzten Mittel geeignet sind, den gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß zu beherrschen und damit den Vorgang der staatlichen Rückkoppelung an das Volk aufzuheben. Entscheidend ist, daß jede Form der Betätigung des Staates in bezug auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes unter dem Gesichtspunkt der Volkssouveränität verfassungsrechtlich besonders legitimierungsbedürftig ise 60 •

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AA. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 200 ff., der auf der Grundlage eines hier

abgelehnten engeren Verständnisses der Staatsfreiheit im Sinne eines staatlichen Dominanzverbotes staatliche Einwirkungen auf die publizistische Tätigkeit des Rundfunks verfassungsrechtlich nur dann beanstandet, wenn sie sich zur Lenkung des Massenkommunikationsmittels einsetzen lassen.

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2. Wettbewerbsverzerrung Das duale Rundfunksystem mit seinem Nebeneinander von öffentlichem und privatem Rundfunk ist durch das rundfunkrechtliche Strukturprinzip des publizistischen Wettbewerbs gekennzeichnet. Diesem Prinzip liegt der Gedanke zugrunde, daß sich durch eine hohe Zahl von Programmen auch die Chance eines "Mehr" an inhaltlicher Vielfalt erhöht. Der publizistische Wettbewerb soll sich anregend und belebend auf das inländische Gesamtangebot auswirken und auf diese Weise die Meinungsvielfalt stärken und erweitern. Das Bundesverfassungsgericht hat die publizistische Konkurrenz als "Lebenselement der Meinungsvielfalt" bezeichnd 61 • Fraglich ist, ob sich dieser Gesichtspunkt auch für die Bestimmung unzulässiger staatlicher Einwirkungen auf den Rundfunk fruchtbar machen läßt. Rechtsprechung und Literatur haben im Zusammenhang mit der Zulässigkeit und den Grenzen von Pressesubventionen herausgearbeitet, daß sich der Staat in bezug auf den publizistischen Wettbewerb unter den einzelnen Meinungsträgern strikt neutral zu verhalten hae 62 • Der Staat ist bei der Förderung der Presse zur strikten inhaltlichen Neutralität verpflichtet, welche jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Der Inhalt der Meinungen oder die Tendenz von Presseerzeugnissen darf nicht zum Förderungskriterium gemacht werden; jede Verzerrung des publizistischen Wettbewerbes muß unterbleiben l63 • Allerdings bestehen Bedenken, ob sich diese Verpflichtung des Staates zur Wettbewerbsneutralität auch auf den Bereich der elektronischen Medien übertragen läßt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann die Herausbildung der verfassungsrechtlich gebotenen Meinungsvielfalt im Rundfunk entgegen den Gegebenheiten im Pressewesen nicht den Marktkräften überlassen bleiben, weil dadurch nicht mit hinreichender Sicherheit gewährleistet wäre, daß ein "Meinungsmarkt" entsteht, auf dem die Vielfalt der Meinungsrichtungen unverkürzt zum Ausdruck ge-

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Vgl. BVerfGE 74, 297, 332; siehe auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 632; Schmitt Glaeser, DÖV 1987, 837, 840 f.; Seemann, DÖV 1987, 844, 848; ders., ZUM 1988, 67, 68. Dezidiert BVerfGE 80, 124, 133 ff.; vgl. auch BVerfGE 20, 162, 175; siehe VG Berlin DVBI. 1975, 268, 269 ff.; OVG Berlin, DVBI. 1975, 905, 906 f.; hierzu Hoffmann-Riem, JZ 1976, 405 ff.; Schenke, Der Staat, Bd. 15 [1976], 553 ff., insbesondere 560 ff.; Seewald, JR 1976, 448 ff.; vgl. ferner Detterbeck, ZUM 1990, 371, 374 f.; Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 76 ff., insbesondere 81 f. m.w.N. in Fn. 59 und 60; Klein, Konkurrenz auf dem Markt der geistigen Freiheiten, S. 272 f.; Lerche, Verfassungsrechtliche Fragen zur Pressekonzentration, S. 103. Vgl. BVerfGE 80, 124, 134.

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lange 64 • Während sich die Pressevielfalt im Wege des freien Spiels der Kräfte einstellen solll65, bedarf es im Bereiche des Rundfunkwesens einer positiven Ordnung, welche sicherstellt, daß die gesamte Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk zur Geltung kommt und insbesondere die Bildung von Meinungsmacht verhindert wird. Während es bei der Presse darum geht, den publizistischen Wettbewerb im Interesse der Herausformung und Sicherung von Pressevielfalt nicht zu beschränken, muß Wettbewerb und Vielfalt im Rundfunk erst einmal hergestellt werden. Diese Unterschiede zwischen Presse und Rundfunk könnten eine abweichende Bewertung des staatlichen Einflusses auf den publizistischen Wettbewerb innerhalb beider Mediensysteme rechtfertigen. Diese Ansicht ließe aber außer Betracht, daß die rechtliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung lediglich das zu erreichen sucht, was im Pressewesen der Markt zu leisten imstande ist. Das Bundesverfassungsgericht betont ausdrücklich, daß die Ausgestaltung der Rundfunkfreiheit der gleichen Aufgabe wie sämtliche in Art. 5 Abs. 1 GG genannten Garantien zu dienen habe, nämlich der Gewährleistung freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung l66. Diese Aufgabe erfordert zunächst einmal die Freiheit des Rundfunks von staatlicher Beherrschung oder Einflußnahme l67. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte vielfaltssichernde und -erhaltende positive Ordnung darf dem Staat daher keinesfalls die durch das Massenmedium Rundfunk sicherzustellende Rückkoppelung der staatlichen Organe an das Volk beeinträchtigen oder gar verhindern; vielmehr hat die Ausgestaltung der Rundfunkordnung der Gewährleistung dieses Rückkoppelungsvorganges zu dienen. Man würde daher Sinn und Zweck des rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehaltes verkennen, wenn man hieraus die Befugnis des Staates zur Einwirkung auf den publizistischen Wettbewerb unter mehreren Trägern der Rundfunkfreiheit ableiten würde; das Prinzip der Staatsfreiheit der Presse hat insoweit keine andere Bedeutung als der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks. Daraus ergeben sich spezifische Anforderungen für die Ausgestaltung der Rundfunkordnung durch den Gesetzgeber. Darauf wird an anderer Stelle der Arbeit gesondert einzugehen sein.

164

165 166 167

Und zwar auch bei Fortfall der durch Frequenzknappheit gekennzeichneten Sondersituation, vgl. BVerfGE 57, 295, 322 f.; Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 122 ff. m.w.N.; insoweit kritisch statt vieler Herzog, Art. 5 I, 11, Rdnm. 222 ff.; v. Münch, in: ders., GGK I, Art. 5, Rdnr. 35a. m.w.N. Kritisch zur Leistungsfähigkeit des Marktmodells im Pressewesen Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 122 ff. m.w.N. Vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 74, 297, 323 f.; siehe auch BVerfGE 58, 295, 321. Vgl. BVerfGE 57, 295, 320; 73, 118, 152; 74, 297, 324.

Zweiter Teil: Grundlegung

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Dem läßt sich auch nicht mit dem Argument begegnen, daß Rundfunkveranstalter im Gegensatz zu den Trägern der Pressefreiheit keine uneingeschränkte Tendenzfreiheit genießen l68, welche die Freiheit umfaßt, die Grundrichtung einer Zeitung unbeeinflußt zu bestimmen und zu verwirklichen l69 • Denn trotz vielfaltsbezogener, erhöhter Gemeinwohlbindungen der Rundfunkveranstalter können sich die Art der Darstellung und die Behandlung der entsprechenden Themen wesentlich unterscheiden; selbst mehrere Programme binnenpluralistisch organisierter Veranstalter leisten regelmäßig inhaltlich verschiedene Beiträge zu Information und Meinungsbildung l7O • Daher ist es staatlichen Stellen von Verfassungs wegen untersagt, den publizistischen Wettbewerb unter Rundfunkanbietern zu verzerren, etwa indem sie durch entsprechende Maßnahmen bestimmte Veranstalter wegen des Inhalts ihrer verbreiteten Meinungen oder wegen der Tendenz ihrer Programme begünstigen oder benachteiligen. Solche Verfälschungen der Wettbewerbskonstellation könnten bei den Trägern der Rundfunkfreiheit einen Druck zur Inhalts- oder Tendenzänderung in ihren Programmen auslösen l71 • Dadurch würde der Staat in verfassungswidriger Weise auf den Meinungsund Willensbildungsprozeß des Volkes Einfluß gewinnen. Aus diesem Grunde erweisen sich die Entscheidungsgründe des BadenWürttemberg-Beschlusses als defizitär. Das Bundesverfassungsgericht hätte den Ausschluß der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von der Veranstaltung lokalen und regionalen Rundfunks nach dem Landesmediengesetz Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1985172 unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks verfassungsrechtlich beanstanden müssen. In dem Beschluß hebt das Gericht, wie bereits erwähnt, die Bedeutung der publizistischen Konkurrenz als ein Lebenselement der Meinungsfreiheit hervor 173 ; es betont mehrfach, daß der Gesetzgeber nicht den Weg einer Einschränkung des publizistischen Wettbewerbs gehen dürfe l74 , weil ein Verbot von Beiträgen zur geistigen Auseinandersetzung der Meinungsfreiheit abträglich seil75 • Dieses Verbot staatlicher Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs kennzeichnet aber gerade das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks.

168 169 170 171 172 173 174 175

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE 59, 231, 258; siehe ferner Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 50 f. zum Tendenzschutz der Presse BVerfGE 52, 283, 296. BVerfGE 74, 297, 333. wiederum BVerfGE 80, 124, 135. § 13 Abs. 2 Satz 1, 2 LMedienG Bad-Württ (GBI. 1985), S. 539. BVerfGE 74, 297, 332. BVerfGE 74, 297, 332, 333 ff. BVerfGE 74, 297, 332.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

97

Insoweit ist dieser Fall der Konstellation vergleichbar, in der einige Medienträger in den Genuß einer staatlichen Subvention gelangen, andere hingegen nicht. Im vorliegenden Zusammenhang liegt die Begünstigung einzelner Meinungsträger darin, daß nach dem baden-württembergischen Landesmediengesetz alter Fassung private Rundfunkveranstalter zur Ausstrahlung lokaler und regionaler Rundfunkprogramme befugt waren, während umgekehrt dieses den öffentlich-rechtlichen Anstalten verwehrt wurde. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zur Pressesubventionierung ausgeführt, daß eine unterschiedliche Förderung von Presseerzeugnissen verfassungsrechtlich zulässig sei, soweit die Förderung an meinungsneutrale Kriterien anknüpft 176• Als ein solches meinungsneutrales Kriterium könnte man den aus der jahrzehntelangen Monopolstellung erwachsenen Wettbewerbsvorsprung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gegenüber dem privaten Rundfunk ins Feld führen 177• Die Besonderheit der zu erörternden Fallkonstellation besteht jedoch darin, daß die Regelung ganz bestimmte Meinungsträger, nämlich ausschließlich die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, trifft178• Der Schutz der privaten Rundfunkanbieter vor einer "übermächtigen" Konkurrenz mag das maßgebliche Motiv des baden-württembergischen Landesgesetzgebers gewesen sein. Nur lassen sich die wahren Motive tatsächlich meist nicht sicher feststellen. Die Möglichkeit sachfremder, die Meinungsfreiheit beschränkender Maßnahmen muß aber schon ausreichen, um den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks zur Geltung bringen zu können l79 • Im Ergebnis bleibt jedoch festzuhalten, daß staatliche Maßnahmen, welche zu Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs unter den einzelnen Rundfunkveranstaltern führen, grundsätzlich einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks indizieren.

176

Vgl. BVerfGE SO, 124, 134.

177

Vg!. zu diesem Argument BVerfGE ..14, 297, 335. Siehe kritisch dazu Schmitt Glaeser, DOV 1987, 837, 841 ff.; Seemann, DOV 1987, 844, 848 ff. Zur erhöhten Störanfälligkeit von Einzelfallregelungen für staatliche Infiltrationen auf den Rundfunk sogleich. Vgl. dazu sogleich. Insofern liegen die Dinge anders als in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Pressesubventionierung zugrundeliegenden Fall, in dem der Gesetzgeber bezüglich der Förderung von Presseerzeugnissen generell zwischen publizistischen und außerpublizistischen Presseinhalten differenziert hatte, mit dieser Bestimmung aber keinen bestimmten Meinungsträger treffen konnte, vgl. BVerfGE 80, 124, 134 ff.

178 179

7 Gersdorf

98

Zweiter Teil: Grundlegung

IV. Möglichkeiten staatlicher Einwirkungen Zur Bestimmung des Schutzbereiches des Grundsatzes der Staatsfreiheit gehört auch die Frage, welche Formen staatlicher Einwirkungen auf Rundfunkprogramme von diesem Prinzip erfaßt sind. Wir müssen daher an dieser Stelle den Typus staatlicher Einflußnahme näher beschreiben, bei dem sich das Gebot der Staatsfreiheit aktivieren läßt. Im Anschluß daran soll nach den "EinbruchsteIlen" gesucht werden, die sich für staatliche Ingerenzen auf den Rundfunk als besonders anfällig erweisen. 1. Unmittelbare Einwirkungen Völlig unproblematisch erstreckt sich der Grundsatz der Staatsfreiheit auf alle Fälle, in denen staatliche Stellen auf Gestaltung und Inhalt der publizistischen Arbeit direkten Einfluß nehmen, etwa indem sie die Verbreitung bestimmter Medieninhalte und Meinungsäußerungen verbieten oder bestimmte Inhalte in den Sendungen vorschreibeniBO. Solche unmittelbaren Einwirkungen auf den Rundfunk werden in einem freiheitlich verfaßten Staat mit demokratisch legitimierten staatlichen Funktionsträgern aber die Ausnahme bilden. Derartige staatliche Übergriffe werden der Öffentlichkeit kaum verborgen bleiben. Sie sind unheilbar mit dem Makel der "Zensur" behaftet und erinnern an Praktiken selbsternannter Machthaber totalitärer Staaten und Gesellschaftssysteme, die das Massenmedium Rundfunk zur Propaganda und zur Absicherung eigener Machtpositionen mißbrauchen.

2. Mittelbare Einwirkungen a) Einleitung Wesentliche Bedeutung kommt der Frage zu, ob und in welcher Weise das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks auch vor mittelbaren Einwirkungen Schutz bietd 81 • Damit ist zugleich auch die Thematik angesprochen, die unter dem Stichwort des sogenannten mittelbaren Grundrechtseingriffes erörtert wird. In der Lehre ist dieser Problemkreis noch nicht zufrieden-

IBO

181

Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 201 ff., der insoweit von "manifesten Dominanzeinwirkungen" spricht, dabei allerdings von einern - hier abgelehnten - engeren Verständnis des Grundsatzes der Staatsfreiheit im Sinne eines staatlichen Dominanzverbotes ausgeht. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 201 ff., der derartige staatliche Ingerenzen auf den Rundfunk als "latent-potentielle Medieneinwirkungen" bezeichnet.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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stellend behandelt worden l82 • Dies liegt im wesentlichen daran, daß das Kriterium der Mittelbarkeit bisher wenig konturiert erscheint und es insbesondere an sachgerechten Maßstäben ermangelt, welche die grundrechtsrelevanten von den grundrechtsirrelevanten staatlichen Eingriffen abzugrenzen vermögen l83 • Für den Bereich des Rundfunkwesens hat das Bundesverfassungsgericht im Niedersachsen-Urteil ausgeführt, daß der Grundsatz der Programmfreiheit der Veranstalter nicht nur vor unmittelbaren staatlichen Einflüssen auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme schütze, sondern ebenso vor einer Einflußnahme, welche die Programmfreiheit mittelbar beeinträchtigen könnte l84 • Auf die Frage, welche Eingriffsqualität derartige mittelbare Einwirkungen aufweisen müssen, um den grundrechtlichen Schutz auslösen zu können, gibt das Urteil aber keine verbindlichen Antworten. Darauf gilt es im folgenden einzugehen. b) Abgrenzungskriterien (1) Finalität Ohne weiteres ist von einem grundrechtsrelevanten Verhalten auszugehen, wenn der Zweck einer staatlichen Maßnahme in der Beeinflussung der publizistischen Tätigkeit der Rundfunkanbieter besteht, auch wenn die Beschränkung nicht unmittelbar Gegenstand des hoheitlichen Handeins ist. Die Finalität des staatlichen Zugriffs ist ein sicheres Abgrenzungkriterium grundrechtsrelevanter Eingriffe l85 • Damit ist der Kreis grundrechtsbedeutsamer Folgen staatlichen Handelns aber nicht abschließend beschrieben, zumal es regelmäßig schwerfällt festzustellen, welches Ziel nicht nur dargetan, sondern tatsächlich angestrebt wird l86•

182

183

184 185 186

Vgl. dazu Bleckmann/Eckhof, DVBI. 1988, 373; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen; Haug, Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde bei mittelbarer Verletzung eines Grundrechts; Kirchhof, Verwalten durch "mittelbares" Einwirken. Vgl. dazu Bleckmann/Eckhof, DVBI. 1988, 373, 376 ff., die in den bisher als Beispiele mittelbarer Grundrechtseingriffe diskutierten Fallgruppen weitgehend Fälle unmittelbarer Grundrechtsbeeinträchtigungen sehen. Vgl. BVerfGE 73, 118, 182 f. unter Hinweis auf BVerfGE 59, 231, 260. Vgl. Bleckmann/Eckhof, DVBI. 1988,373,377 m.w.N. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 193 f.; Bleckmann/Eckhoff, DVBI. 1988, 373, 377.

100

Zweiter Teil: Grundlegung

(2) Grundrechtsrelevante Wirkungen In der Lehre besteht Einigkeit darüber, daß es für den Grundrechtsschutz weniger auf die Form, sondern auf die Wirkungen staatlichen Handelns auf die Grundrechte ankomme 87• Dementsprechend wird man bei der Bewertung staatlicher Einwirkungen auf den Rundfunk maßgeblich darauf abzustellen haben, ob die entsprechende Maßnahme des Staates die publizistische Tätigkeit der Rundfunkveranstalter zu beeinträchtigen in der Lage ise ss. Dagegen ist letztlich unbeachtlich, ob diese Effekte von staatlichen Stellen bezweckt oder nicht bezweckt sind, ob sie unmittelbar oder im Zuge einer mehr oder weniger langen Kausalkette eintreten. Stehen für den grundrechtlichen Schutz die Wirkungen der staatlichen Maßnahmen auf die Grundrechte im Vordergrund, so stellt sich die Frage, welche Intensität diese Wirkungen zeitigen müssen, um ihnen im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Staatsfreiheit des Rundfunks grundrechtliche Relevanz zusprechen zu können. (a) Manipulierung der Realisierungsbedingungen der Rundfunkfreiheit Die Verwirklichung der Rundfunkfreiheit hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Die Verbreitung von Rundfunkprogrammen ist insbesondere an die Zurverfügungstellung technischer Übertragungswege gebunden l89 • Auch müssen die sachlichen, personellen und fmanziellen Voraussetzungen des Sendebetriebes erfüllt sein. Die Rundfunkfreiheit reagiert teilweise sehr sensibel auf Veränderungen dieser Rahmenbedingungen. Dies gilt besonders dann, wenn dem Träger der Rundfunkfreiheit die Mittel entzogen werden, auf die er zwingend angewiesen ist, um seine grundrechtlich geschützte Freiheit ausüben zu können l90 • Manipulationen an diesen Umweltbedingungen der Rundfunkfreiheit bewirken notwendigerweise eine Beeinträchtigung der Programmtätigkeit des betroffenen Rundfunkanbieters l91 • 187 ISS

189

190 191

Vgl. dazu Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, S. 32 ff.; Gallwas, Faktische Beeinträchtigungen, S. 25 ff.; BleckmannjEckho[, DVBI. 1988,373,376; Linck, NJW 1984, 2433, 2437. So ebenso BVerfGE 74, 297, 342 in bezug auf den Zusammenhang von Programmfreiheit und Finanzierung der Programmtätigkeit; vgl. ferner BVerfGE 77, 346, 354, wo der grundrechtliche Schutz der Pressefreiheit auch auf Pressegrossisten erstreckt wird, "weil sich die staatliche Regulierung der Tätigkeit zugleich einschränkend auf die Meinungsfreiheit auswirkt". Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74, das die staatliche Zuordnung von technischen Übertragungswegen an den privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkbereich als Fall einer mittelbaren Grundrechtseinwirkung betrachtet. Vgl. nochmals BVerfGE 74, 297, 342. Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 77, 346, 354 f.; siehe weiter BleckmannjEckhoff,

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

101

Damit sind die Gefährdungspotentiale deutlich aufgezeigt, die sich für den Fall ergeben, daß staatliche Stellen über die zur Verwirklichung der Rundfunkfreiheit erforderlichen Rahmenbedingungen entscheiden. Hier bedarf es verläßlicher Sicherungen, um der Gefahr eines staatlichen "Durchgriffs" auf die publizistische Tätigkeit des Rundfunks wirksam begegnen zu können. Die Sicherungssysteme müssen so beschaffen sein, daß schon die Möglichkeit mittelbarer staatlicher Übergriffe ausgeschlossen ist. üb solche die programmbezogene Arbeit beeinträchtigende Effekte im Einzelfall auch wirklich vorliegen, ist meist sehr schwer festzustellen l92 • (b) Belastende und begünstigende Einwirkungen Im Interesse des demokratischen Systems ist unter dem Gesichtspunkt des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks jede staatliche Einflußnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Rundfunkprogramme sowie die Verzerrung des publizistischen Wettbewerbs zwischen mehreren konkurrierenden Anbietern unzulässigl93 • Der Staat darf weder bestimmte Meinungen begünstigen noch benachteiligen. Deswegen kommt es für die Reichweite des Gebotes der Staatsfreiheit nicht darauf an, ob die staatliche Medieneinwirkung belastend oder begünstigend ist. Auch im Förderungsbereich ist der Staat zur strikten inhaltlichen Neutralität verpflichtet, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietee94 • Im übrigen lassen sich zur Feststellung grundrechtsrelevanter Wirkungen staatlicher Maßnahmen auf die Rundfunkfreiheit keine allgemein verbindlichen Grenzen ziehen, deren Überschreiten den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG auszulösen vermag. Die Vielgestaltigkeit der möglichen Eingriffslagen und -wirkungen erfordert eine einzelfallbezogene Betrachtung, bei der alle entscheidungsrelevanten Umstände zu berücksichtigen sind.

192 193 194

DVBI. 1988, 373, 378, die allerdings insoweit von einem unmittelbaren grundrechtsrelevanten Eingriff ausgehen. Vgi. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 201; siehe in diesem Zusammenhang auch BayVGH, BayVBI. 1988, 685, 688; Eberle, Rundfunkübertragung, S. 97. Vgl. 2. Teil, 2. Kapitel, 11. 2. und III. 2. Vgl. zur Problematik der Pressesubventionierung BVerfGE 80, 124, 134; VG Berlin, DVBI. 1975, 268, 269 ff.; OVG Berlin, DVBI. 1975, 905, 906 ff.; siehe ferner Bleckmann/Eckhoff, DVBI. 1988, 373, 377; Dittrich, Pressekonzentration und Grundgesetz, S. 78; Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 203.

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Zweiter Teil: Grundlegung

3. "EinbruchsteIlen" für staatliche Einwirkungen

Wir haben soeben gezeigt, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit Schutz vor unmittelbaren wie mittelbaren Einwirkungen auf den publizistischen Wirkungskreis des Rundfunks bietet. Im folgenden gilt es den Entscheidungstypus zu umschreiben, der sich für staatliche Einwirkungen auf Programminhalte besonders eignet. a) Flexibilität Die Gefahr unzulässiger staatlicher Einwirkungen auf den Rundfunk steigt in dem Maße, in dem es dem Staat ermöglicht wird, bestimmte Meinungen, Tendenzen oder Meinungsträger zu begünstigen oder zu benachteiligen. Typischerweise ist diese Gefahr um so größer, desto weiter der Handlungsspielraum ist, den die staatliche Stelle bei Einwirkung auf Rundfunkveranstalter besitzt 195 • Je flexibler eine staatliche Stelle bei ihrer Entscheidung ist, desto eher können in diese Entscheidung sachfremde, namentlich die Meinungsfreiheit beeinträchtigende Erwägungen Eingang fmden. Der damit angeschnittene Gesichtspunkt der Flexibiltäe96 hat eine materielle und formelle Komponente. In materieller Hinsicht ist maßgeblich, ob die zu treffende Entscheidung im gebundenen oder ungebundenen Ermessen einer staatlichen Instanz steht oder auf der Anwendung und Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe beruht, die programmbezogene Wertungsspielräume eröffnen und wie bestimmt und verbindlich die Einwirkungsvoraussetzungen festgelegt sind, insbesondere ob sie auf einer gesetzlichen Grundlage beruhenl97 • In formeller Hinsicht ist der Entscheidungsspielraum dadurch bestimmt, ob das anzuwendende Verfahren gesetzlich geregelt und damit auf einen bestimmten Entscheidungsweg festgelegt ist. Weiter ist von Bedeutung, ob die staatliche Stelle bei ihrer Entscheidung an die Zustimmung anderer Instanzen gebunden ise98• Das Ausmaß des staatlichen Störpotentials bemißt sich daher nach dem Grad der Flexibilität, welcher der staatlichen Stelle bei der konkreten Entscheidung zukomme99 • Diese Aussagen

195 196 197 198 199

Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 204; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S.32. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 204 f.; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 32 f. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 204 f.; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 32 f. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 204 f.; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 32 f. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 204; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S.33.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

103

beziehen sich in erster Linie auf Einzelfallentscheidungen und haben daher vor allem für die staatliche Exekutive Relevanroo. Welche Auswirkungen der Gesichtspunkt der Flexibilität für die Regelungskompetenzen des Gesetzgebers hat, der losgelöst vom Einzelfall Lebenssachverhalte abstrakt-generell regelt, wird in einem besonderen Abschnitt der Arbeit untersucht werden. b) Regelung eines Einzelfalles Der zuletzt genannte Gedanke leitet über auf ein weiteres Kriterium, das für die Beschreibung des staatlichen Gefährdungspotentials von Gewicht ist. Die Regelung eines Einzelfalles bietet die größten Ansatzmöglichkeiten, um auf die Gestaltung und die Inhalte bestimmter Rundfunksendungen Einfluß zu nehmen. Hier ist die Gefahrenintensität besonders groß, weil die Entscheidung zum Anlaß genommen werden kann, bestimmte Meinungen zu fördern oder zu unterdrücken und damit den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes in bestimmter Weise zu beeinflussen. Die Gefahr solcher gegen bestimmte Meinungen oder Tendenzen gerichteter staatlicher Einwirkungen nimmt verständigerweise in dem Maße ab, indem die staatliche Maßnahme eine Vielzahl von Personen betrifft und mehrere, noch nicht näher abschätzbare Fallkonstellationen regelt. Richtet sich eine staatliche Maßnahme ausschließlich und gezielt gegen einen bestimmten Rundfunkveranstalter, ist die Gefahr von inhaltslenkenden Wirkungen und von Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs 201 typischerweise intensiver als bei Regelungen, die einen größeren Personenkreis berühren. Die personale Allgemeinheit einer staatlichen Maßnahme indiziert ihre Wettbewerbsneutralität202• Auch eignet sich eine abstrakte Festsetzung mehrerer Sachverhaltsgruppen weniger als eine Einzelfallentscheidung, bestimmte Meinungsäußerungen in einem Rundfunksender zum Anlaß für Sanktionen zu nehmen. Einzelfallregelungen sind damit gegenüber abstrakt-generellen Regelungen prinzipiell störanfälliger für unzulässige staatliche Einwirkungen auf den Rundfunk.

200

201 202

Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 33. VgJ. dazu nochmals 2. Teil, 2. Kapitel, IlI. 2. VgJ. in diesem Zusammenhang BVerfGE 74,118,336.

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Zweiter Teil: Grundlegung

v. Adressatenkreis In den bisherigen Ausführungen wurde davon gesprochen, daß die publizistische Arbeit des Rundfunks nicht in den Einflußbereich des Staates gelangen darf. Doch was ist unter dem Begriff Staat zu verstehen? Welche staatlichen Stellen sind im einzelnen vom Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks erfaßt? Dieser Frage soll im folgenden die Aufmerksamkeit gewidmet sein. Bei der Bestimmung des Adressatenkreises des Grundsatzes der Staatsfreiheit wird auf dessen im Demokratiegebot wurzelnde Ableitungszusammenhänge zurückzugreifen sein. 1. Regierung, parlamentarische Regiernngsmehrheit und

parlamentarische Opposition

Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks erfaßt die Regierung samt der parlamentarischen Mehrheitsfraktion(en) sowie die den einzelnen Ressortministern unterstellte, hierarisch organisierte Verwaltung. Diese Stellen sind zur unmittelbaren Ausübung staatlicher Macht berufen und infolgedessen strikt dem Demokratieprinzip und der daraus entspringenden Maxime der Staatsfreiheit des Rundfunks unterworfen. Namentlich Jarass versucht die parlamentarische Opposition insbesondere mit dem Argument aus dem Anwendungsbereich der Staatsfreiheit des Rundfunks auszugliedern, daß die Opposition im Parlament gewissermaßen den "Vertreter der Öffentlichkeit" bilde und nur wenig an der Ausübung staatlicher Gewalt beteiligt sei203 • Dem ist aus den bereits erwähnten Gründen nicht zu folgen 204 • Schließlich kann auch die weitgehende Unabhängigkeit der parlamentarischen Opposition von der jeweiligen Regierung beziehungsweise von der Mehrheitsfraktion zu keinem anderen Ergebnis führen 205• Regierung, Parlamentsmehrheit und parlamentarische Opposition bilden aufgrund der prinzipiell unterschiedlichen Interessenlagen zwar grundsätzlich keine "homogene Gruppe", obwohl sie oftmals auch gleichgelagerte Ziele verfolgen, etwa in Fragen der grundlegenden Einflußmöglichkeiten des Staates auf den Rundfunk206• Darauf kommt es im vorliegenden Zusammenhang aber nicht an. Der Grad der Homogenität staatlicher Interessenlagen bestimmt lediglich Ausmaß und Umfang staatlicher Störpotentiale auf den

vgi. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 41. Vgi. 2. Teil, 1. Kapitel, V. 205 Vgl. dazu Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 40 f. 203

204

206

So zu Recht Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 43, 66.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

105

Rundfunk. Dessen ungeachtet ist jeder staatliche Eingriff in den freien gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß und jede Verfälschung des politischen Wettbewerbs durch den Staat prinzipiell demokratiewidrig. Damit ist jede Form - demokratiewidriger - staatlicher Einflußnahme auf den Rundfunk unbeachtlich ihres Gewichtes per se legitimierungsbedürftig. Mithin fällt auch die parlamentarische Opposition als Teil der Legislative trotz ihrer institutionell bedingten Unabhängigkeit von der Regierung in den Anwendungsbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks207•

2. Gesetzgeber Die vorstehenden Ausführungen geben Antwort auf die Frage, ob man die gesetzgebende Gewalt zu den Adressaten des Gebotes der Staatsfreiheit zählen kann. Der Gesetzgeber ist ein Teil der Staatsgewalt und unterliegt als solcher der öffentlichen Kritik und Kontrolle. Da die demokratisch erforderliche "Rückkoppelung" nur bei freien Medien gelingen kann, ist dem Gesetzgeber jeder Einfluß auf die Programme der Rundfunkveranstalter von Verfassungs wegen untersagt 208• Folglich erstreckt sich der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks auch auf die gesetzgebende Gewalt209• An dieser Stelle deutet sich ein Konflikt an: Auf der einen Seite hat der Gesetzgeber die Aufgabe, durch den Erlaß von organisations-, verfahrensund materiellrechtlichen Bestimmungen dafür Sorge zu tragen, daß die gesellschaftlich bedeutsamen Meinungen und Kräfte im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit zum Ausdruck gelangen können2lo • Auf der anderen Seite setzt der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks den legislatorischen Befugnissen verfassungsrechtliche Schranken. Es sind daher Kriterien zu entwickeln, anhand derer die beiden Verfassungspostulate gegeneinander abzuschichten sind. Auf diese Frage wird später noch einmal gesondert zurückzukommen sein.

207 208

209

210

Vgl. bereits die Nachweise im 1. Teil, 2. Kapitel, 1'/. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74. So ausdrücklich BVerfGE 73,118,182; BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74. Vgl. aus der Literatur Linck, NJW 1974, 2433, 2436; Starck, Rundfunkfreiheit, S. 17; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 98; vgl. auch Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 42 und Bethge, ZUM 1989, 209, 210; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 146 f. Vgl. BVerfGE 57, 295, 320 ff.; 73, 118, 152 f. und 182; 74, 297, 324.

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Zweiter Teil: Grundlegung

3. Politische Parteien Das Bundesverfassungsgericht hat den Parteienausschluß vom privaten Rundfunk nach dem niedersächischen Landesrundfunkgesetz mit der gebotenen Staatsferne des Rundfunks gerechtfertigel1 • Auch im Schrifttum gibt es Stimmen, die den Einfluß politischer Parteien auf den Rundfunk unter dem Blickwinkel der Staatsfreiheit verfassungsrechtlich erörtern2l2• Dieser Rechtsprechung und Literatur begegnen Bedenken. Politische Parteien sind frei gebildete, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Gruppen, die dazu berufen sind, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken und in den Bereich der institutionalisierten Staatlichkeit hineinzuwirken2!3. Durch diese Aufgaben werden sie jedoch nicht zu Staatsorganen214 • Vielmehr fungieren sie als Mittler zwischen dem Volk und dem Staat215 • Parteien sollen gemäß ihrem Verfassungsauftrag (Art. 21 Abs. 1 GG) dazu beitragen, daß sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen vollzieht. Ihr Wirken im Bereiche des gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses steht daher nicht im Widerspruch zu dem Gebot der Volkssouveränität, sondern ist im Gegenteil gerade Ausdruck dieses demokratischen Erfordernisses. Die politischen Parteien genießen ebenfalls uneingeschränkte Tendenzfreiheit. Für sie kann daher auch nicht die dem Staat auferlegte strikte Neutralitätspflicht im Wettbewerb der politischen Kräfte gelten. Die verfassungsrechtliche Stellung der Parteien im Gefüge gesellschaftlicher und staatlicher Meinungs- und Willensbildungskomplexe spricht daher gegen eine Aktivierung des Grundsatzes der Staatsfreiheit im Zusammenhang mit der Einflußnahme politischer Parteien auf den Rundfunk. Dieser Befund könnte angesichts der engen Verflechtungen von Parteien und staatlichen Organen in der Lebenswirklichkeit der parlamentarischen Demokratie zweifelhaft erscheinen216• In einer ausgeprägten Parteiendemokratie wirken staatlicher Einfluß und Einflußnahme jedenfalls der jeweiligen Mehrheitsparteien auf den Rundfunk in aller Regel gleichgerichtet217 • Dies

211 212 213 214 215 216

217

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE 73, 118, 190. bereits oben 1. Teil, 2. Kapitel, IV. BVerfGE 1, 208, 224; 3, 383, 393; 20,56, 101. BVerfGE 20, 56, 101.

Vgl. BVerfGE 20,56, 101; vgl. zur Problematik der verfassungstheoretischen Einordnung der Parteien Kunig, in: Hdb. des Staatsrechts, Bd. 11, § 33, Rdnm. 81 ff., S. 143 ff. Vgl. Starck, FS für Löffler,S. 375,376, der in bezug auf den parteipolitischen Einfluß auf die binnen pluralistischen Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten von einem "Kondominium der mit dem Staat eng verbundenen politischen Parteien und der Rundfunkschaffenden" spricht; siehe auch Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 54 m.w.N. Vgl. Degenhan, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 556.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

107

ist - wenn auch zumeist nur unausgesprochen - der Grund dafür, daß zwischen staatlichem und parteipolitischem Einfluß auf den Rundfunk nicht differenziert wird. Solange man den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks ohnehin nur als ein Verbot staatlicher Dominanz über den Rundfunk versteht, ist eine solche Unterscheidung auch nicht erforderlich, ja sogar überflüssig. Denn nach diesem Verständnis ist das Prinzip der Staatsfreiheit lediglich ein Unterfall des rundfunkspezifischen Vielfaltsgebotes, wonach alle gesellschaftlichen Meinungen und Gruppen im Rundfunk zur Geltung kommen müssen. Demnach ist es für die Beurteilung der Einflußnahme politischer Parteien auf den Rundfunk unbeachtlich, ob Parteien insoweit als gesellschaftliche Organisationen auftreten oder dabei dem Staat zuzuordnen sind. Demgegenüber ist die Frage nach der Bindung der Parteien an das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks auf der Grundlage der hier vertretenen Meinung schwieriger zu beantworten. Nach hiesiger Ansicht drängt der Grundsatz der Staatsfreiheit schon diesseits der Beherrschungsgrenze auf Verwirklichung und zwar in der Weise, daß jede Form der Beeinträchtigung von Programminhalten durch den Staat einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf. Wir müssen also die Frage beantworten, ob eine Einflußnahme politischer Parteien auf den Rundfunk dem Staat zuzurechnen ist. Das Grundgesetz verlangt insoweit nach differenzierender Betrachtung und nach Verzicht auf nivellierende Einheitslösungen. Wir können uns an den Grundsätzen orientieren, die das Bundesverfassungsgericht bei der Frage nach den Grenzen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung aufgestellt hae l8 • Dieser Vergleich drängt sich deswegen auf, weil das Gericht in dieser Entscheidung im wesentlichen das Demokratieprinzip als Prüfungsmaßstab heranziehe l9 , das den zentralen Begründungsstrang des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks bildet. Mithin ist es mit dem Demokratieprinzip grundsätzlich lediglich unvereinbar, wenn Staatsorgane in ihrer amtlichen Funktion 22IJ auf den öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß Einfluß nehmen. Soweit dagegen Staatsvertreter außerhalb ihrer amtlichen Funktionen 221 für ihre Parteien tätig werden, bewegen sie sich im Rahmen des den Parteien durch Art. 21 Abs. 1 GG zugewiesenen gesellschaftlichen (nicht-staatlichen) Aufgabenbereiches. Allerdings besteht die erhöhte Gefahr, daß die Repräsentanten des Staates über den Umweg ihrer

218 219 22IJ 221

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE 44, BVerfGE 44, BVerfGE 44, BVerfGE 44,

125 ff. 125, 138 ff. 125, 141. 125, 141 und 155.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Parteifunktionen letztlich doch Einfluß auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes gewinnen können. Insoweit bedarf es tauglicher und verläßlicher Sicherungssysteme, welche die Unabhängigkeit des Rundfunks vom Staat so weit wie möglich zu gewährleisten vermögen222• Sofern sich die Gefahr einer solchen mittelbaren staatlichen Einflußnahme nicht vollends ausräumen läßt, können diese latenten Gefahrenpotentiale mit der besonderen AufgabensteIlung der politischen Parteien nach dem Grundgesetz gerechtfertigt werden, welches ihnen eine Brückenkopffunktion zwischen gesellschaftlichem und staatlichem Bereich zuschreibt. Jedenfalls erscheint es unzulässig, die Parteien als gesellschaftliche Gebilde mit primär gesellschaftlichen Funktionen apriori dem Staat zuzuordnen. Der dem Demokratieprinzip entspringende Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks läßt sich damit auf politische Parteien nicht ausdehnen223 • 4. Kommunale Gebietskörperschaften

Das Gebot des Grundgesetzes zur Demokratie als Staats- und Regierungsform auf Bundesebene (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG) ist aufgrund der Homogenitätsklausel des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG auch für die verfassungsmäßige Ordnung der Länder maßgeblich, zu denen die Kreise, Gemeinden und Gemeindeverbände gehören. Dementsprechend müssen nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG Kreise und Gemeinden eine aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangene Volksvertretung haben. Die kommunalen Gebietskörperschaften müssen daher ebenso wie Bund und Länder nach dem demokratischen Prinzip organisiert sein224 • Die demokratische Legitimation der kommunalen Vertretungskörperschaften und der gewählten kommunalen Amtsträger geht zwar nicht vom Staatsvolk 222 223

224

Vgl. dazu noch später. So Eberle/Gersdor[, JuS 1991, 489, 493. Im Ergebnis ebenso Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 97 f.; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 54 f.; Bethge, Rundfunkfreiheit und privater Rundfunk, S. 36 f.; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 215 f. Damit ist freilich keineswegs einer uneingeschränkten Einflußnahme der politischen Parteien auf den Rundfunk das Wort geredet, welche sich im Zusammenhang mit der Gremienbesetzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der für den privaten Rundfunk zuständigen Landesmedienanstalten äußert. Die mannigfaltig kritisierte Abhängigkeit dieser Kontrollträger von den politischen Parteien wirft unter Vielfaltsgesichtspunkten verfassungsrechtliche Bedenken auf. Im Rahmen der Arbeit kann dieser Aspekt nicht weiter verfolgt werden. An dieser Stelle muß der Hinweis ausreichen, daß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG den politischen Parteien lediglich das Recht zur "Mitwirkung" bei der politischen Willensbildung des Volkes zuschreibt. Sie haben aber kein Monopol, die Willensbildung des Volkes vorzuformen und zu beeinflussen, vgl. BVerfGE 20, 56, 114; 41, 399, 416 f.; siehe auch Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 97 f. Vgl. in diesem Zusammenhang die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Mitbestimmungsregelungen in der öffentlichen Verwaltung, dazu HessStGH, OVBI. 1986, 936; VerfGH NW, OVBI. 1986, 1196.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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aus. Sie beruht aber auf der freien Willensentscheidung aller Gemeindebzw. Kreisbürger225 • Die kommunalen Repräsentanten bedürfen wie die staatlichen Vertreter auf Bundes- und Landesebene der "Rückkoppelung" durch die öffentliche Meinung. Das Demokratiegebot gibt auch auf der kommunalen Ebene die verfassungsrechtliche Stufenfolge der demokratischen Meinungs- und Willensbildung vor. Der freie öffentliche Kommunikationsprozeß muß von "unten nach oben", vom (kommunalen) Volk zu seinen (kommunalen) Vertretern verlaufen und nicht umgekehrt. Den zu politischem Handeln berufenen kommunalen Funktionsträgern ist es versagt, sich in bezug auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß der Gemeinde- und Kreisbürger zu betätigen. Ebensowenig dürfen sie die Wettbewerbslage der miteinander in Wettstreit stehenden politischen Gruppierungen stören. Sie sind zur strikten Neutralität im Umgang mit einzelnen konkurrierenden Kräften verpflichtet 226• Kommt dem Demokratieprinzip auf kommunaler wie staatlicher Ebene dieselbe Bedeutung zu, so sind auch die Kommunen in den Anwendungsbereich des Gebotes der Staatsfreiheit miteinbezogen227 • Auch die durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleistete Unabhängigkeit und Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden und Kreise 228 vermag zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Die verfassungsrechtlich verbürgte Autonomie der kommunalen Gebietskörperschaften vom Staat führt zwar wie bei der institutionell begründeten Freiheit der parlamentarischen Opposition von Regierung und Mehrheitsfraktion zu einer "Brechung" staatlicher Einflußmöglichkeiten auf den Rundfunk. Die staatlichen Einwirkungs- und Steuerungsräume sind aber um so größer, je stärker die einzelnen staatlichen Instanzen zu einer "homogenen Gruppe" verschmolzen sind und um so geringer, je vielschichtiger, heterogener die jeweilige staatliche Interessenlage ist. Gleichwohl bleibt jede Einflußmöglichkeit einer jeden staatlichen Instanz schon für sich genommen vor dem Hintergrund des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks legitimierungsbedürftig. Die kommunalen Gebietskörperschaften unterfallen daher dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks.

225

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vgl. Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 32, S. 907. Teilweise werden die Gesamtheit aller Gemeinde- oder Kreisbürger als "Teilvölker" innerhalb des Staatsvolkes angesehen, vgl. Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 37., S. 907; siehe ferner Herzog, in: MDHS, Art. 20 11, Rdnr. 56. Vgl. zur Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinden vor Kommunalwahlen OVG Münster, NVwZ-RR 1989, 149; bestätigt durch BVerwG, NVwZ-RR 1989, 262, 263. Vgl. BVerfGE 73, 118, 191, BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 76. Vgl. dazu ausführlich BVerfGE 79, 127, 143 ff.

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Zweiter Teil: Grundlegung

5. Hochschulen

Nach den bisherigen Ausführungen läßt sich eine Unanwendbarkeit des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks auf Hochschulen und Fakultäten nicht mit deren verfassungsrechtlich geschützter Unabhängigkeit vom Staat (Art. 5 Abs. 3 GG) begründen229• Als Träger mittelbarer Staatsverwaltung müssen die Hochschulen ebenfalls dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip genügen. Gleichwohl ergibt sich aus der Grundrechtsträgerschaft der Hochschulen und Fakultäten, daß diese öffentlich-rechtlichen Einrichtungen nicht dem Staat im Sinne der Staatsfreiheit des Rundfunks zuzuordnen sind. Hochschulen230 und Fakultäten231 genießen den Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG. Diese Einrichtungen sind unabhängig und frei von staatlichem, d.h. insbesondere von regierungsadministrativem Einfluß. Dieser Gesichtspunkt reicht als solcher zwar nicht aus, Hochschulen und Fakultäten aus den verfassungsrechtlichen Verpflichtungen des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu entbinden. Entscheidend ist vielmehr, daß sich ihre Tätigkeit in einem grundrechtlich geschützten Lebensbereich vollzieht. Im Rahmen dieses durch Art. 5 Abs. 3 GG umgrenzten Feldes sind sie zur Teilnahme an der Meinungs- und Willensbildung des Volkes berechtigt. Der "Durchblick" auf die hinter der juristischen Person des öffentlichen Rechts stehenden natürlichen Personen232, ihre grundrechtlich treuhänderische Funktion233, legitimiert die Gleichstellung mit privaten Rechtssubjekten. Soweit das Wirken der Hochschulen und Fakultäten dem durch Art. 5 Abs. 3 GG geschützten Aufgabenbereich zugeordnet werden kann, ist ihre Mitwirkung am Prozeß gesellschaftlicher Kommunikation nicht demokratiewidri~. Machen sie diesen Einfluß über

229 230 231 232

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Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 73, 118, 191. Vgl. BVerfGE 15, 256, 262; 21, 362, 373 f.; 31,314,322; 61, 82, 102; vgl. ferner v. Lübtow, Autonomie oder Heteronomie, S. 9; Sehe/z, in: MDHS, Art. 5 111, Rdnr. 124. Vgl. BVerfGE 15, 256, 262; 21, 362,373 f.; 31, 314, 322; 61, 82, 102; BVerwGE 45, 39, 42; siehe auch Sehe/z, in: MDHS, Art. 5 111, Rdnr. 124. Zum Erfordernis eines personalen Substrates für die Grundrechtsberechtigungjuristischer Personen des öffentlichen Rechts BVerfGE 21, 362, 369; 61, 82, 101; dazu kritisch v. Mutius, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 3, Rdnr. 30 ff.; ders., Jura 1983,30,38 ff.; Bethge, AöR Bd. 104 (1979), 54, 86 ff.; Pieroth/Sehlink, Grundrechte, Rdnrn. 191 ff. Vgl. BVerfGE 45, 63, 79; dazu kritisch v. Mutius, in; Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 3, Rdnrn. 32 ff. m.w.N. Demgemäß kommt etwa eine Mitwirkung der Hochschulen und Fakultäten im Bereiche der Programmgestaltung allgemeiner oder spezieller Bildungssendungen in Betracht, nicht aber in bezug auf allgemein-politische Darbietungen, da ihnen nach Art. 5 Abs. 3 GG kein politisches Mandat zusteht, vgl. dazu BVerwGE 59, 231; BVerfGE 67, 26, 38; siehe ferner Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 217.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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das Massenmedium Rundfunk geltend, kann folglich auch nicht der Grundsatz der Staatsfreiheit Platz greifen. Nicht die Unabhängigkeit der Hochschulen und Fakultäten vom Staat als solche, sondern ihre im grundrechtlichen Bereich wurzelnde Aufgabenstellung235 bildet den inneren Grund dafür, diese Einrichtungen nicht in den Anwendungsbereich des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks miteinzubeziehen. Auf dieser Eigenschaft als Grundrechtsträger gründet sich ihre Berechtigung, im Rahmen des grundrechtlich umhegten Freiheitsbereiches wie natürliche Personen und andere Grundrechtsberechtigte auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß Einfluß zu gewinnen236• 6. Kirchen

Die Kirchen sind nach Art. 146 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV Körperschaften des öffentlichen Rechts. Dieser verfassungsrechtlich vermittelte öffentlich-rechtliche Status bedingt allerdings keine Gleichstellung mit anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften217• Die Kirchen sind in keiner Weise dem Staat eingegliedert und noch nicht einmal staatsmittelbare Organisationen oder Verwaltungseinrichtungen. Ihre wesentlichen Aufgaben, Befugnisse, Zuständigkeiten sind originäre und nicht vom Staat abgeleitete 238• Dies folgt aus der verfassungsrechtlichen Verpflichtung des Staates zur religiösen und weltanschaulichen Neutralität 239 • Der Staat darf sich weder mit bestimmten religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen identifizieren

23S 236

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Aus der freilich wiederum die Freiheit vor staatlicher Einflußnahme folgt. Diese Grundrechtsberechtigung der Hochschulen und Fakultäten hebt diese öffentlichrechtlichen Einrichtungen von den kommunalen Gebietskörperschaften ab. Die Gemeinden und Gemeindeverbände besitzen zwar aufgrund ihrer verfassungsverbürgten Selbstvetwaltungsgarantie weitgehende Unabhängigkeit vom Staat. Sie werden dadurch aber nicht zu Bürgerverbänden mit Grundrechtsberechtigung. Die Garantie gemeindlicher Selbstverwaltung dient zwar der allgemeinen politischen Bürgerfreiheit. Sie läßt sich aber nicht dem Schutzbereich bestimmter materieller Grundrechte zuordnen, vgl. BVerfGE 61, 82,103 f.; siehe auch BVerfGE 45,63,79. Nach bayerischem Verfassungsrecht können die Gemeinden hingegen Träger von Grundrechten sein, vgl. BayVerfGHE 37, 101 ff.; BayVerfGH, NVwZ 1987, 213, 214. Eine Grundrechtsträgerschaft der Gemeinden bejahen ebenso v. Mutius, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 3, Rdnr. 134; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnr. 194. Vgl. BVerfGE 18, 385, 387 f.; Link/Pahlke, Kirchen und privater Rundfunk, S. 23. Vgl. BVerfGE 18, 385, 386 f.; 19, 129, 133 f.; 30, 112, 119 f.; 30,415,428; 42, 312, 321 f.; 53, 366, 387; 70, 138, 160 f. Zum Korperationsstatus näher Scheuner, in: HJbStKR I, S. 5, 72 ff.; Friesenhahn, in: HdbStKR I, S. 545 Cf.; v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 95 ff. Vgl. dazu BVerfGE 19, 206, 216; 24, 236, 246; 41, 29, 52; vgl. weiter VGH Mannheim, NVwZ 1989, 279, 280; VGH Mannheim, NVwZ 1989, 878, 879; VG Berlin, NJW 1989, 2559.

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Zweiter Teil: Grundlegung

noch darf er sie verbieten, bekämpfen, ablehnen oder bewerten240 • Zudem können sich die Kirchen bei der Wahrnehmung ihrer Verkündungs- und seelsorgerischen Funktionen auf den grundrechtlichen Schutz des Art. 4 GG berufen24l • Aus diesen Gründen sind die Kirchen im Verhältnis zu anderen gesellschaftlichen Kommunikatoren gleichberechtigte Faktoren im Prozeß der öffentlichen Meinungs- und WiUensbildung. Mithin läßt sich der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks auf Kirchen nicht anwenden.

7. Gerichte und Rechnungshöfe Teilweise wird eine Zuordnung der rechtsprechenden Gewalt zum Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks mit dem Hinweis auf die richterliche Unabhängigkeit verneint 242• Die in Art. 97 Abs. 1 GG statuierte sachliche richterliche Unabhängigkeit dient in erster Linie der Abwehr von Eingriffen der Legislative und Exekutive in die rechtsprechende Gewalt 243 • Sie wird ergänzt durch die in Art. 97 Abs. 2 GG geregelte persönliche Unabhängigkeit der Richter. Diese verfassungsrechtlich gewährleistete weitreichende Unabhängigkeit der Richter ist Ausdruck der in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 GG niedergelegten rechtsstaatlichen Strukturprinzien244 • Sie entspringt aber nicht dem Demokratiegebot. Insbesondere enthält Art. 97 GG kein Grundrecht245 • Daher sind unter demokratischen Gesichtspunkten Eingriffe der rechtsprechenden Gewalt in den Meinungs- und WiUensbildungsprozeß des Volkes zu beanstanden. Sie sind allerdings im Ergebnis unter dem Blickwinkel der Art. 92 und Art. 97 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Ebenso wie die rechtsprechende Gewalt gehören auch die Rechnungshöfe zu den Adressaten des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob die Tätigkeit der Rechungshöfe der

240 241

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Vgl. Herzog, in: MDHS, Art. 4, Rdnr. 20; VGH Mannheim, NVwZ 1989, 279, 280; VGH Mannheim, NVwZ 1989, 878, 879. Vgl. BVerfGE 19, 129, 132; 19,209,215; 42,312,322 f.; 46, 73, 83; 53,366,387 f.; 57, 220, 240 f.; 70, 138, 161; 72, 278, 289; siehe ferner Herzog, in: MDHS, Art. 4, Rdnrn. 39 f.; v. Münch, in: ders., GG I, Art. 4, Rdnr. 8. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 41. Vg1. BVerfGE 12, 67, 71. Vgl. Herzog, in MDHS, Art. 97, Rdnrn. 13, 47. Vgl. BVerfGE 27, 211, 217; siehe ferner Meyer, in: v. Münch, GG III, Art. 97, Rdnr. 21.

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ersten246, zweiten247 oder dritten Gewalt248 zuzuordnen ist oder aber zwischen Legislative und Exekutive249 steht. In jedem Fall zählen die Rechungshöfe zur mittelbaren Staatsgewalt. Daher unterfallen die Rechnungshöfe trotz der richterlichen Unabhängigkeit ihrer Mitglieder2S0 wie die rechtsprechende Gewalt dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks.

8. Berujskammern Problematisch ist, ob die Berufskammern wie Industrie- und Handels-, Handwerks-, Landwirtschafts-, Ärzte-, Architekten-, Anwalts-, Notar- und Steuerberaterkammer dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks unterworfen sind. Bedenken könnten insoweit bestehen, als diese öffentlichrechtlichen Einrichtungen zumindest auch im Interesse ihrer Mitglieder tätig werden251 und damit einen gewissen "Bezug zum Menschen"252 besitzen253 . Andererseits sind die Berufskammern keinem bestimmten, grundrechtlich geschützten Lebensbereich unmittelbar zuzuordnen. Ihre Tätigkeit dient nicht in erster Linie der Wahrnehmung individueller Interessen. Sie sind vielmehr vom Staat für bestimmte Verwaltungsfunktionen geschaffen. Der Staat läßt Aufgaben, die vor allem seinem Sozialauftrag (Art. 20, 28 GG) entsprechen, von den Kammern erfüllen254 • Diese Aufgaben lassen die Berufskammern als Teil der Staatsgewalt und damit als ein Stück "Staat" im Sinne des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks erscheinen255 .

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Vgl. Menzel, DÖV 1968, 593 ff.; dahin tendiert auch Müller, JuS 1985, 497, 500. Vgl. FiclUmüller, AöR Bd. 91 [1966], 297, 309, Fn. 543; Klein, Verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 62; Tiemann, DVBI. 1970, 954, 957; Maunz, in: MDHS, Art. 114, Rdnrn. 12, 15. Vgl. RiclUer, DVBI. 1969, 67 ff. Vgl. Vogel, DVBI. 1970, 193, 195; gegen die Anerkennung einer vierten Gewalt u.a. Klein, Verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, S. 61; Schäfer, DÖV 1971, 542; Herzog, in: MDHS, Art. 20 V, Rdnr. 41. Vgl. für den Bundesrechnungshof Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG. Vgl. Bethge, Reorganisation, S. 20 f.; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 41; Schuster, Meinungsvielfalt, S. 148; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 11, § 84 I, Rdnr. 7, S. 6 f. Vgl. zu diesem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Erfordernis für die Grundrechtsberechtigungjuristischer Personen des öffentlichen Rechts BVerfGE 21,346,370 f. Vgl. Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 219. Vgl. BVerfGE 38, 281, 301. Vgl. in diesem Zusammenhang Stender. "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 219.

8 Gersdorf

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Zweiter Teil: Grundlegung

9. Landesmedienanstalten

Nach den Landesmediengesetzen sind die Landesmedienanstalten rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts 256, die das Recht der Selbstverwaltung besitzen2S7 • Diese organisationsrechtliche Verselbständigung der Landesmedienanstalten soll den Zulassungs- und Aufsichtsgremien über den privaten Rundfunk Freiheitsräume gegenüber Regierungs- und Verwaltungsstellen verschaffen, um damit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks Rechnung zu tragen258 • Die Unabhängigkeit der Landesmedienanstalten manifestiert sich unter anderem in den Bereichen der staatlichen Aufsicht über die Anstalten oder ihrer Finanzierung. Diese Teilkomplexe werden an späterer Stelle der Arbeit ausführlich behandelt werden. Die damit grob skizzierte Freiheit der Landesmedienanstalten von "staatlichem" Einfluß rechtfertigt für sich genommen aber noch nicht, diese Anstalten vom Verbotstatbestand der Staatsfreiheit des Rundfunks freizuzeichnen. Wir haben an den Beispielen der parlamentarischen Opposition und der kommunalen Gebietskörperschaften gesehen, daß die verfassungsverbürgte Unabhängigkeit dieser Institutionen als solche nicht ausreicht, sie aus dem Adressatenkreis des Grundsatzes der Staatsfreiheit auszuklammern. Es ist deutlich geworden, daß für die Zuordnung einzelner staatlicher Organe oder öffentlich-rechtlicher Einrichtungen zum Anwendungsbereich des Prinzips der Staatsfreiheit allein entscheidend ist, ob ihr Einwirken auf den gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß unter demokratischen Gesichtspunkten zu beanstanden ist. Im Lichte dieser Erkenntnis müssen wir uns im folgenden näher dem sachlich-materiellen Funktionsbereich der Landesmedienanstalten zuwenden. Erfüllen die Landesmedienanstalten der Sache nach spezifisch nicht-staatliche, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Aufgaben, so könnte aus diesem Grund der Wirkungskreis der Landesmedienanstalten nicht mit dem demokratischen Gebot staatlicher Enthaltsamkeit und Neutralität im

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Vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 LMG Bad-Württ; Art. 9 Abs. 1 Satz 1 MEG Bay; § 12 Abs. 2 Satz 1 KPPG Berl; § 38 Abs. 1 Satz 1 BremLMG; § 38 Abs. 1 Satz 2 HPRG; § 52 Abs. 1 HmbMedienG; § 27 Abs. 1 Satz 1 LRG Nds; § 51 Abs. 1 Satz 1 LRG NW; § 2 LRG RbPf; § 53 Abs. 1 Satz 1 LRG SaarI; § 40 Abs. 1 Satz 1 LRG Schl-H. So ausdrücklich Art. 9 Abs. 1 Satz 2 MEG Bay; § 38 Abs. 2 Satz 1 BremLMG; § 38 Abs. 2 HPRG; § 52 Abs. 2 HmbMedienG; § 51 Abs. 2 Satz 1 LRG NW; § 53 Abs. 3 LRG Saarl; § 40 Abs. 2 Satz 1 LRG Schl-H. Teilweise räumen die Landesmediengesetze den Landesmedienanstalten das Recht zur eigenständigen und unabhängigen Aufgabenwahrnehmung ein, vgl. § 57 Abs. 1 Satz 2 LMG Bad-Würt; § 12 Abs. 1 KPPG Berl; § 27 Abs. 1 Satz 2 LRG Nds; § 24 Abs. 1 Satz 1 LRG Rb-Pr. Vgl. Bethge, JZ 1985, 308, 311; Gödel, in: BullingerjGödel, § 57 LMG Bad-Württ, Rdnr. 1; Hesse, DOV 1986, 177, 183; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 65.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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Prozeß gesellschaftlicher Kommunikation in Widerspruch geraten und damit auch nicht die Schutzreichweite des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks berühren. Diese Frage steht in engem Zusammenhang mit dem Problem der organisationsrechtlichen Einordnung der Landesmedienanstalten im Staatsaufbau. Die damit aufgeworfenen Fragen gehören zu einem einheitlichen Komplex und sollen deswegen zusammen erörtert werden. a) Einleitung Die organisationsrechtliche Stellung der Landesmedienanstalten ist im Schrifttum und Rechtsprechung bislang noch nicht geklärt. Soweit man sich in der Lehre überhaupt mit diesem Problemfeld befaßt, werden die Landesmedienanstalten meist ohne weitere Begründung dem Bereiche der mittelbaren (Landes-) Staatsverwaltung zugerechnet259 • Das Bundesverfassungsgericht hat diese Frage im Niedersachen-Urteil offengelassen260 • Nach den Mediengesetzen der Länder haben die Landesmedienanstalten in Vertretung der Interessen der Allgemeinheit dafür Sorge zu tragen, daß die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen durch private Anbieter sowie die Weiterverbreitung von Rundfunkdarbietungen den gesetzlichen Vorschriften genügen261 • Zu diesen Zwecken besitzen sie spezifisch hoheitliche Überwachungs- und Eingriffsbefugnisse gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern262 • Sie haben das Recht zum Erlaß von Verwaltungsakten sowie die Befugnis zur Normsetzun~. Fraglich ist, ob diese Aufgaben die Landesmedienanstalten zu einem Stück "Staat" im Sinne des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks werden lassen.

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Vgl. Degenhan, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1,2, Rdnr. 747; ders., AfP 1988, 327, 335; Frank, ZUM 1986, 187, 189; Gödel, in: BullingerjGödel, § 57 LMG Bad-Württ, Rdnr. 8; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 112; Jarass, ZUM 1986, 303, 310: "staatliche Aufsichtsbehörde", diese Formulierung dürfte allerdings lediglich als sprachliche Ungenauigkeit zu bewerten sein, was die Ausführungen auf S. 318 f. zu belegen scheinen. Vgl. zum Landesrundfunkausschuß nach niedersächischem Landesrecht BVerfGE 73,118, 165: "die Versammlung ist also weder ein Organ unmittelbarer Staatsverwaltung noch unterliegt sie staatlichem Einfluß auf die Art der Wahrnehmung ihrer gesetzlichen Aufgaben." Vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 LMG Bad-Württ; Art. 10 MEG Bay; § 12 Abs. 1 KPPG Berl; § 38 Abs. 1 BremLMG; § 38 Abs. 1 HPRG; § 52 Abs. 1 HmbMedienG: § 27 Abs. 1 Satz 1 LRG Nds; § 51 Abs. 1 Satz 1 LRG NW; § 2 LRG Rh-Pf; § 53 Abs. 1 Satz 1 LRG SaarI; § 41 Abs. 1 Satz 1 LRG Schl-H. Vgl. in diesem Zusammenhang Gödel, BullingerjGödel, § 57 LMG Bad-Württ, Rdnr. 6; Jarass, Gutachten zum 56. DIT, Rdnrn. 136 ff.; ders., ZUM 1986, 303, 310 f. Dazu im einzelnen noch später.

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Zweiter Teil: Grundlegung

b) Der Standort der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im Staatsgefüge Es wurde bereits oben festgestellt, daß die Verbreitung von Rundfunksendungen eine spezifisch nicht-staatliche Aufgabe ist. Als Faktor und Medium im Prozeß gesellschaftlicher Kommunikation kann der Rundfunk keine staatlichen Funktionen wahrnehmen. Denn dem Staat ist auf diesem Gebiete jede Betätigung untersagt. Der Staat hat sich aus dem Prozeß der freien Meinungs- und Willensbildung des Volkes herauszuhalten. Dieser muß im Interesse des demokratischen Systems staatsfrei bleiben264 • Darin liegt auch der innere Grund für die heute zum staats- und rundfunkrechtlichen Gemeingut gereifte Erkenntnis, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform nicht dem Bereiche der mittelbaren (Landes-) Staatsverwaltung zugeordnet werden können26S• Die öffentlich-rechtliche Organisationsform bildet lediglich das - staatliche - organisatorische Gefäß für die gesellschaftlich relevanten Kräfte, die ihre Aufgaben unabhängig und frei von jedweder Beeinflussung im Rahmen der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wahrnehmen266• Diese Kommunikationsorgane üben keine staatliche Verwaltungsaufgabe aus, so daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auch kein Teil der staatlichen Organisation sind.

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Vgl. dazu bereits 2. Teil, 1. Kapitel, I. 1. d) e). Offengelassen noch in BVerfGE 73, 118, 165; vgl. jetzt aber den Nichtannahmebeschluß vom 20. Juli 1988 der 1. Kammer des Ersten Senates des BVerfG, NJW 1989, 382=AfP 1988, 235, 236: "Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind trotz ihrer Rechtsform und der Erfüllung einer "öffentlichen Aufgabe" nicht dem staatlichen Bereich ... zuzuordnen."; vgl. auch das Sondervotum BVerfGE 31,314,337,341; ganz deutlich ferner BVerwGE 70, 310, 316: "Der Rundfunk steht als Träger der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mithin in einer Gegenposition zum Staat. Er ist um der Gewährleistung seiner eigenen Freiheit willen aus diesem ausgegliedert und kann nicht als Teil der staatlichen Organisation betrachtet werden". Ebenso die ganz herrschende Lehre, vgl. Berendes, Staatsaufsicht, S. %; ders., DÖV 1975, 413, 414; Bethge, AöR Bd. 104 (1979), 265, 284; ders., DVBI. 1987, 663, 664; Breuer, VVDStRL 44 [1986), 211, 231; Hoffmann-Riem, Festgabe für Unruh, S. 951,954; Ipsen, DÖV 1974,721,724; Lange, VVDStRL 44 [1986), 169, 193; Lerche, Landesbericht, S. 15, 32 ff.; ders., AfP 1984, 197 und 201; Maunz, BayVBI. 1972, 169 ff.; Ossenbühl, Rundfunk zwischen Staat und Gesellschaft, S. 9 f. und besonders S. 17: "absolut herrschende Meinung"; Wi/kens, Aufsicht, S. 107 f.; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 117; widersprüchlich Schatz, Rundfunkeigene Programmpresse, der die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einerseits zum Bereich der mittelbaren Staatsverwaltung zählt (S. 25, 32), andererseits aber die Veranstaltung von Rundfunk nicht als Staatsaufgabe, sondern als "eine "öffentliche Aufgabe" gesellschaftlicher bzw. freiheitlich-grundrechtlicher Qualität" bezeichnet (S. 24). Vgl. Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 97 m.w.N.

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c) Der Standort der Landesmedienanstalten im Staatsgefüge Zu prüfen ist im folgenden, ob die Landesmedienanstalten wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht-staatliche, im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Aufgaben wahrnehmen. Insoweit sind Bedenken angebracht. Denn anders als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten veranstalten die Landesmedienanstalten selbst keine Rundfunkprogramme267 • Sie üben selbst keine Meinungsfreiheit aus, sondern kontrollieren die Programmtätigkeit privater R undfunkanbieter268• Diese verschiedenen AufgabensteIlungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Landesmedienanstalten bilden die Grundlage für die in der Lehre vorzufindende unterschiedliche organisationsrechtliche Kategorisierung beider öffentlich-rechtlicher Gebilde. Während die Veranstaltung von Rundfunksendungen im Kernbereich der grundrechtlieh umhegten Rundfunkfreiheit stattfmde und infolgedessen als nicht-staatliche Aufgabe zu qualifizieren sei, sei die Aufsicht über den privaten Rundfunk eine "unabdingbare Staatsaufgabe,,2(9, so daß die Landesmedienanstalten im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der mittelbaren Staatsverwaltung zugerechnet werden könnten. Teilweise gipfelt diese Auffassung in der Überzeugung, daß eine organisatorische Verselbständigung der Zulassungs- und Aufsichtsinstanzen für den privaten Rundfunk weder geboten noch zulässig sei270 •

Anders allein die Rechtslage in Bayern, wo aufgund des in Art. lIla BV statuierten öffentlich-rechtlichen TrägeIVorbehaltes privater Rundfunk nur in Form einer öffentlich-rechtlichen Dachkonstruktion möglich ist, die Landeszentrale für Neue Medien also selbst Rundfunkveranstalter ist und auch sein muß, vgl. dazu BayVerfGH, AfP 1987, 394, 395 ff.; Degenhart, AfP 1987, 371 ff. 268 Vgl. Breuer, VVDStRL 44 [1985J, 211, 240; Trute/Pfeifer, DÖV 1989, 192, 194; Schmidt, Media Perspektiven 1986, 162, 169; ders., Rundfunkgebühr, S. 70 f. 2(9 So ausdrücklich Breuer, VVDStRL 44 [1985], 211, 240; vgI. auch Hümmerich/Beucher, AfP 1989, 708, 715: "Die Finanzierung der Aufsicht über die privaten Rundfunkveranstalter ist eine Aufgabe der allgemeinen Staatsverwaltung; "Oppermann/Kilian, Finanzierung, S. 97: "allgemeine Aufgabe des Staates"; Schmidt, Media Perspektiven 1986, 162, 169: "im Schwerpunkt eine staatliche Aufsichtsbehörde über den privaten Rundfun~; ders., Rundfunkgebühr, S. 71: "Tätigkeit der staatlichen Verwaltung"; TrutelPfeifer, DOV 1989, 192, 194: "Aufsichtsrechte des Staates"; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 112 f. ordnet die Landesmedienanstalten dem Bereiche der "mittelbaren (Landes-) Staatsverwaltung" (S. 112) zu, weil sie "letztlich stellvertretend eine staatliche Funktionsverantwortung" (S. 113) wahrnehmen würden; wohl ebenso Hoffmann-Riem, AöR Bd. 109 [1984], 304, 360; siehe ferner in bezug auf die Finanzierung der damaligen Kabelpilotprojekte durch die Rundfunkgebühren BayVGH, BayVBI. 1988, 685, 688: "Aufgabe der allgemeinen Staatsverwaltung". vo So Breuer, VVDStRL 44 [1985J, 211, 240 f. 267

118

Zweiter Teil: Grundlegung

Um die Überzeugungskraft dieser Aussagen überprüfen zu können, müssen

wir den materiell-inhaltlichen Gehalt der Aufgaben der Landesmedienanstal-

ten näher beleuchten. Der Funktionsbereich der Landesmedienanstalten erstreckt sich im wesentlichen auf zwei Felder. Zum einen haben sie über den Zugang privater Rundfunkveranstalter zum Massenmedium Rundfunk zu entscheiden271 • Dazu gehört insbesondere auch die Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern um eine Rundfunkerlaubnislizenz bei nicht ausreichend zur Verfügung stehenden Übertragungskapazitäten272• Zum anderen müssen die Landesmedienanstalten nach Erteilung der Erlaubnis die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen überwachen. Bei Gesetzesverstößen steht ihnen ein - zumeist - breit gefächertes rechtliches Instrumentarium zur Verfügungm, das auch die Rücknahme oder den Widerruf der rundfunkrechtlichen Genehmigung vorsieht 274 • (1) Zulassungsfunktionen Für die Beantwortung der Frage, ob es sich bei der Entscheidung über die Zulassung von privaten Rundfunkveranstaltern um originär staatliche Befugnisse handelt, könnte die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wichtige Hinweise geben.

Das Bundesverfassungsgericht verlangt im FRAG-Urteil, daß der Parlamentsgesetzgeber das zur Verwirklichung der Rundfunkfreiheit Wesentliche selbst regeln müsse und nicht dem ungebundenen Ermessen der Exekutive überlassen dürfe. Das Gericht beanstandet die entsprechenden Bestimmungen des saarländischen Landesrundfunkgesetzes, wonach über Zugang und Aufsicht privater Rundfunkveranstalter sowie über Rücknahme einer erteilten Sendelizenz staatliche Behörden zu befinden hatten, ausschließlich wegen ihrer mangelnden Regelungsdichte und verwirft diese unter dem Aspekt des Parlamentsvorbehaltes275• Der Grundsatz der Staatsfreiheit des

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213 274

275

Vgl. § 16 LMG Bad-Württ; § 23 KPPG Derl; § 5 BremLMG; § 4 HPRG; § 3 HmbMedienG; § 3 LRG Nds; § 4 LRG NW; § 4 LRG Rh-Pf; § 39 LRG Saar!; § 6 LRG Schl-H. Vgl. § 18 LMG Bad-Württ; §§ 3640 KPPG Berl; §§ 11, 25 BremLMG; § 8 HPRG; §§ 21, 22, 35 Abs. 2 Hmb MedienG; § 6 LRG Nds; § 7 LRG NW; § 7 LRG Rh-Pf; § 41 LRG Saarl; § 11 LRG Schl-H. Vgl. Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 59, 82. Vgl. §§ 27, 28 LMG Bad-Württ; §§ 29, 30 KPPG Derl; § 12 BremLMG; § 9 HPRG; § 24 HmbMedienG; §§ 8, 9 LRG Nds; § 10 LRG NW; § 9 LRG Rh-Pf; § 42 LRG SaarI; §§ 12 f. LRG Schl-H. Siehe zu den Möglichkeiten der Durchsetzung rundfunkrechtlicher Bestimmungen im einzelnen Jarass, Gutachten zum 56. DIr, Rdnrn. 137 ff.; ders., ZUM 1986, 303, 310 f.; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 219 ff. Vgl. BVerfGE 57, 295, 327 und 328 f.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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Rundfunks fmdet in diesem Zusammenhang keine Erwähnung. Ungeklärt bleibt vor allem die Frage, ob nicht die gebotene Kontrolle privater Rundfunkanbieter stets programmbezogene Wertungen erforderlich macht und infolgedessen nicht von staatlichen Stellen wahrgenommen werden darf. Zu dieser Problemstellung enthält das Niedersachsen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts wesentliche Ausführungen. Das Gericht erachtet es zwar als solches nicht für unzulässig, daß das niedersächsische Landesrundfunkgesetz die Zulassung von privaten Rundfunkveranstaltern einer staatlichen Behörde übertragen hat. Es betont jedoch, daß der staatlichen Exekutive keine Handlungs- und Wertungsspielräume eingeräumt werden dürften, die es ermöglichen, daß sachfremde, insbesondere die Meinungsfreiheit beeinträchtigende Erwägungen Einfluß auf die Entscheidung über die Zulassung privater Rundfunkveranstalter gewinnen könnten276• Daher dürften programmbezogene Entscheidungen grundsätzlich weder in das ungebundene noch in das gebundene Ermessen einer staatlichen Behörde gestellt werden. Auch sei es verfassungsrechtlich unzulässig, staatliche Behörden mit der Anwendung und Auslegung solcher Rechtsvorschriften zu betrauen, die ihnen - etwa durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe - Beurteilungsspielräume eröffneten, welche eine Bewertung des Programmes notwendig machten oder deren Ausfüllung sich zumindest mittelbar auf den Programminhalt auswirken könnte m . Diese Grundsätze hat das Gericht weiter auf die Entscheidung über die Auswahl unter mehreren Antragstellern und die Aufteilung von Sendezeiten erstreckt, da insoweit ebenfalls programmbezogene Wertungsfreiräume eröffnet seien oder zahlreiche, das Programm angebot beeinträchtigende Gestaltungsmöglichkeiten bestünden 278• Zulassungs- und Auswahlentscheidungen ermöglichen sehr weitgehende Einfluß- und Gestaltungsmöglichkeiten gegenüber dem privaten Rundfunk. Im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens muß untersucht werden, ob der einzelne Veranstalter ein ausgewogenes Programm angebot erwarten läßt, ob die bedeutsamen Gruppen und Kräfte bei ihm angemessen zu Wort kommen279 und welcher von mehreren Bewerbern diesen Zielen am ehesten

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 183.

m Vgl. BVerfGE 73,118, 183. 278

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 186 f. und 187 ff. Die meisten Landesmediengesetze der Länder bestimmen, daß im Programm privater Rundfunkveranstalter die Vielfalt der bestehenden Meinungen zum Ausdruck kommen muß, vgl. § 14 Abs. 2 LMG Bad-Württ; § 23 Abs. 1 Satz 1 KPPG Berl; § 14 Abs. 3 BremLMG; § 12 Abs. 1 HPRG; § 6 Abs. 1 HmbMedienG; § 15 LRG Nds; § 12 Abs. 3 LRG NW; § 12 LRG Rh-Pf; § 5 Abs. 1 LRGSaarl; § 15 Abs. 1 LRG Schl-H. Die inhaltliche Ausgewogenheit wird dagegen in den Mediengesetzen meist nicht gesondert erwähnt, sondern häufig mit der Meinungsvielfalt gleichgesetzt, vgI. § 23 Abs. 1 Satz 1 KPPG Berl;

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Zweiter Teil: Grundlegung

gerecht wird2BO • Die den Zulassungs- und Auswahlentscheidungen zugrundeliegenden Begriffe Vielfalt 28! und Ausgewogenheit282 sind unbestimmte Rechtsbegriffe, die der inhaltlichen Konkretisierung durch die Zulassungsgremien bedürftig sind, um in der Praxis vollzogen werden zu können283 • So muß zur rechtlichen Implementation der Vielfalts- und Ausgewogenheitsanforderungen beispielsweise festgelegt werden, welche Meinungen und Geistesströmungen in die entsprechenden Programme einzubeziehen sind und in welchem Umfange sie in den Rundfunkdarbietungen Eingang fmden müssen. Die unbestimmten Rechtsbegriffe Vielfalt und Ausgewogenheit räumen den zuständigen Stellen in erheblichem Maße die Definitionsmacht über die Anforderungen an den privaten Rundfunk ein. Sie eröffnen weite programmbezogene Interpretationsspielräume284 • Können die Rechtsbegriffe Vielfalt und Ausgewogenheit als maßgebliche Kriterien für die Zulassung privaten Rundfunks nur unter erheblichen Schwierigkeiten bestimmt werden, so treten in der Phase der Lizenzierung noch weitere Probleme auf. Es muß auf der Grundlage der Informationen der einzelnen Interessenten für eine Veranstaltererlaubnis eine Prognose darüber getroffen werden, ob hinreichend Gewähr für die Einhaltung der Vielfalts- und Ausgewogenheitsanforderungen besteht und welcher der Kandidaten dieses Ziel mit größerer Sicherheit erwarten läßeBS• Prognoseentscheidungen enthalten stets nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil286• Das Maß der materiellen Flexibilität287 ist daher bei Prognoseentscheidungen besonders groß. Dieser Entscheidungstypus ist in gestdgertem Maße anfällig für unzulässige staatliche Ingerenzen auf den Rundfunk.

§ 14 Abs. 3 und Abs. 4 BremLMG; § 12 Abs. 1 HPRG; § 15 LRG Nds; § 12 LRG RhPf; § 5 Abs. 1 LRG Saarl; § 15 Abs. 1 LRG Schl-H; kritisch dazu Jarass, Gutachten zum

56. DIT, Rdnr. 117; ders., ZUM 1986, 303, 307. Andere Mediengesetze enthalten hingegen detailliertere Vorgaben, vgl. § 14 Abs. 2 und Abs. 3 LMG Bad-Württ; § 6 Abs. 1 HmbMedienG; § 12 Abs. 3 LRG NW. 2BO Vgl. § 18 LMG Bad-Württ; § 61 KPPG Berl; § 11 BremLMG; § 8 HPRG; §§ 21 f. HmbMedienG; § 6 LRG Nds; § 7 LRG NW; § 7 LRG Rh-Pf; § 41 LRG Saarl; § 11 LRG Schl-H. 28! Vgl. zu den unterschiedlichen Bedeutungsschichten des Vielfaltsbegriffes Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 59, 68 f. 282 Vgl. dazu Jarass, Gutachten zum 56. DIr, Rdnr. 29; Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. 1II, S. 59, 69. 283 Vgl. Piene, Meinungsvielfalt, S. 14 ff.; Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 59, 78. 284 Vgl. BullingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 57, Rdnr. 2; Lange, Media Perspektiven 1989, 268, 271; Thaenert, OLM-Jahrbuch 1988, S. 35, 44; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 187 ff. 28S Vgl. Wagner, Landesmedienanstalten, S. 187; Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. 1II, S. 59, 85. 286 Vgl. BVerfGE 50,290,332. 287 Vgl. dazu 2. Teil, 2. Kapitel, IV. 3. a).

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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Die mit der Zulassung und Auswahl privater Rundfunkveranstalter verbundenen erheblichen programmbezogenen Wertungsspielräume machen augenscheinlich, daß diese Entscheidungen nicht in staatliche Hände gelegt werden dürfen. Denn derartige Handlungsspielräume können sich nicht nur bei der konkreten Entscheidung, sondern bereits im Vorfeld als Druckmittel oder gar als "Selbstzensur" auf Interessenten oder Veranstalter auswirken288• Staatliche Organe könnten versuchen, unliebsame Veranstalter vom Zugang zum Massenmedium Rundfunk von vornherein auszuschließen289• Dadurch könnte sich der Staat Einfluß auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß verschaffen, der im Interesse der freiheitlichen demokratischen Grundordnung staatsfrei bleiben muß. Der mögliche Einwand, staatliche Ingerenzen ließen sich auf dem Klagewege wieder beseitigen, vermag nicht zu verfangen. Dieses Argument scheitert bereits aus Praktikabilitätsgründen. Denn staatliche Einflüsse auf die Programminhalte lassen sich nicht immer sicher feststellen. Das gilt zunächst einmal für den Fall, daß sich der einzelne Anbieter selbst einem "Anpassungsdruck" unterwirft, um nicht aus dem engeren Kreis der für eine Sendelizenz in Frage kommenden Bewerber auszuscheiden. Außerdem implizieren die in den Landesmediengesetzen enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe eine Mehrzahl von möglichen Entscheidungsalternativen29O • Daher ist der Nachweis meist schwer zu führen, daß sich die staatliche Stelle bei der konkreten Entscheidung von sachfremden Erwägungen leiten ließ und eine sachlich andere Entscheidung hätte treffen müssen. Endlich könnte eine gerichtliche Kontrolle nur zu einer punktuellen Korrektur führen, staatliche Einflußmöglichkeiten aber nicht verhindern291 • (2) Aufsichtsfunktionen Die vorstehenden Erörterungen bezogen sich lediglich auf die Zulassungsund Auswahlfunktionen der Landesmedienzentralen. Fraglich ist, ob eine vergleichbare Gefährdungslage auch im Bereich der Programmbeobachtungsfunktionen der Landesmedienanstalten besteht292• Die Wahrnehmung

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 183. Vgl. BVerfGE 73, 118, 184. Vgl. Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 85 f.; zum Beulteilungsspielraum der Landesmedienanstalten bei Zulassung und Aufsicht privaten Rundfunks noch später. Vgl. BVerfGE 73, 118, 184. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Niedersachsen-Urteil keinen Anlaß, auf diese Frage einzugehen, da nach nds. Landesrecht der staatsfem organisierte Landesrundfunkausschuß mit der Programmkontrolle betraut ist, vgl. § 28 LRG Nds.

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Zweiter Teil: Grundlegung

dieser Aufgaben könnten sich in einem schlichten Gesetzesvollzug erschöpfen, der im wesentlichen aus einer reinen "juristischen Subsumtionsarbeit,,293 besteht und keine nennenswerten programm bezogenen Handlungsspielräume eröffnet. Damit erhebt sich zunächst einmal die Frage nach den verfassungsrechtlichen Maßstäben, welche die Landesmedienanstalten bei der Aufsicht über die privaten Rundfunkveranstalter zu berücksichtigen haben. Das Bundesverfassungsgericht hat im Niedersachsen-Urteil zu Recht deutlich gemacht, daß die externen Kontrollbefugnisse der Landesmedienanstalten gegenüber den privaten Rundfunkanbietern in Intensität und Effektivität der Überwachung durch die entsprechenden Organe der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten zurückstehen294 • Während die Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Anstalten über Richtlinien295, verschiedene Vorfeldmaßnahmen und personelle Entscheidungsbefugnisse an der Programmgestaltung beteiligt sind296, kommt den Landesmedienzentralen ein positiver Einfluß auf die Gestaltung der Programme nicht zu. Ihre Aufgabe beschränkt sich grundsätzlich auf eine repressive Programmkontrolle, die im "Vorfeld" nicht Platz greift, sondern erst jenseits der Grenze der Rechtsverletzung einsetzen kann297• Denn die Landesmedienanstalten haben im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keine eigenen Programme zu veranstalten und zu verbreiten, sondern lediglich die Programme der privaten Rundfunkanbieter zu überwachen. Ist demnach die Kontrolltätigkeit der Landesmedienanstalten auf eine repressive Rechtsaufsicht begrenzt, so sagt dies noch nichts über das Ausmaß der materiellen Flexibilität aus, welches den Anstalten bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe zukommt. Das Bundesverfassungsgericht hat im Niedersachsen-Urteil die verfassungsrechtlich gebotenen Vielfaltsanforderungen an den privaten Rundfunk auf einen Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt beschränkt298• Dieser verpflichte nicht zur Herstellung arithmetischer Gleichheit von Meinungsrichtungen, sondern umfasse nur die wesentlichen Voraussetzungen von Meinungsvielfalt, die nur gegen konkrete und ernsthafte Gefährdungen zu schützen seien. Zum einen müßten alle Meinungsrich293 294 295

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VgJ. Wagner, Landesmedienanstalten, S. 126. VgJ. BVerfGE 73, 118, 170 f. VgJ. etwa die Programmrichtlinien des ZDF vorn 11. Juli 1%3 in der Fassung vorn 17. März 1989, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, Bd. III, C-IV 3.3. VgJ. dazu im einzelnen Hesse, Rundfunkrecht, S. 117 ff. V gJ. BVerfGE 73, 118, 170 f. Kritisch dazu Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 413 ff.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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tungen unter Einschluß derjenigen von Minderheiten im privaten Rundfunk zum Ausdruck gelangen können; zum anderen gelte es, einen einseitigen, in hohem Maße ungleichgewichtigen Einfluß einzelner Programme oder Veranstalter auf die Bildung der öffentlichen Meinung zu verhindern; insbesondere müsse die Entstehung vorherrschender Meinungsmacht ausgeschlossen werden 299 • Dieser vom Bundesverfassungsgericht beschriebene Vielfaltsmaßstab wirft einige Fragen auf, die auch für die Bestimmung des Handlungsspielraumes von Bedeutung sind, den die zuständigen Stellen bei der Aufsicht über den privaten Rundfunk besitzen. Zunächst einmal ist fraglich, ob sich der Grundstandard, soweit er als Aufsichtsmaßstab in Betracht zu ziehen ist, nur auf die meinungsmäßige Vielfalt bezieht oder auch den Bereich der gegenständlichen Vielfalt betrifft300 • Die Diktion im Niederschsen-Urteil - "Meinungsvielfalt", "Meinungsrichtungen", "Meinungsmacht" - spricht dafür, daß das Gericht ausschließlich auf eine meinungsmäßige Vielfalt abstellt301 • Andererseits scheint das Gericht mit der Aussage, daß an die "Breite des Programmangebotes" privater Anbieter nicht gleich hohe Anforderungen gestellt werden müßten wie an diejenigen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten302, den privaten Rundfunk nicht gänzlich von den Anforderungen an eine gegenständliche Vielfalt in ihren Programmen freigestellt zu haben. An anderer Stelle spricht das Gericht von der "gebotenen Vielfalt privater Programme", von der dort "wichtige Dimensionen gegenständlicher und inhaltlicher Vielfalt" erfaßt sind303 • Diese Aussagen legen die Schlußfolgerung nahe, daß das Gericht im Niedersachsen-Urteil auch im Angebot privater Rundfunkveranstalter ein Mindestmaß an gegenständlicher Vielfalt verlangt304 • Diese Einschätzung ist nunmehr durch das Nordrhein-WestfalenUrteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt worden. Die Ausführungen in diesem Urteil machen augenscheinlich, daß das Gericht dem postulierten Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt nicht nur eine meinungsbezogene, sondern auch eine gegenständliche Dimension beimißt305 •

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 159 f. Vgl. zu den einzelnen Dimensionen der Vielfalt im Rundfunk Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. 111, S. 59, 68 f.; Weiß, Programmstrukturen im dualen Hörfunksystem, S. 4 m.w.N. Vgl. im einzelnen Eberle. Das Vollprogramm als rundfunkrechtliche Kategorie, Typoskript, S. 13; vgl. auch RickerjMüller-Malm, ZUM 1987, 208, 213 f. Vgl. BVerfGE 73, 11, 159. Vgl. BVerfGE 73, 118, 162. So Rossen. Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 414 f. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 72.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Weiter ist problematisch, ob das Bundesverfassungsgericht mit dem Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt zugleich den verfassungsrechtlichen Standard beschrieben hat, über den bei der Kontrolle privater Rundfunkveranstalter nicht hinausgegangen werden darf06. Das Bundesverfassungsgericht gibt auf diese Frage im Niedersachsen-Urteil keine Antwort307• Im BadenWürttemberg-Beschluß attestiert das Gericht dem binnenpluralistischen Integrationsmodell für den privaten Rundfunk auf regionaler und lokaler Ebene Verfassungskonformität, obwohl die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen in bezug auf die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt in den privaten Programmen nicht hinter denjenigen zurückstehen, welche für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gelten308• Damit bringt das Gericht deutlich zum Ausdruck, daß an den privaten Rundfunk über die Sicherung eines Grundstandards gleichgewichtiger Vielfalt auch weitergehende Anforderungen gestellt werden können309 • Im Nordrhein-Westfalen-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht diese Position nochmals bekräftigt und festgestellt, daß der Gesetzgeber den privaten Anbietern von Verfassungs wegen nicht nur einen Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt auferlegen, sondern auch höhere Anforderungen an die Veranstaltung privaten Rundfunks stellen dürfe310 •

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Vgl. wiederum Eberle, Das Vollprogramm als rundfunkrechtliche Kategorie, Typoskript, S. 11 f., der insbesondere unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in dem Grundstandard auch die Obergrenze (Maximalstandard) dessen sieht, was privaten Rundfunkveranstaltern zur Sicherung der Meinungsvielfalt abverlangt werden dürfte. Vgl. etwa die in sich teilweise widersprechenden Ausführungen im Niedersachsen-Urteil (BVerfGE 73, 118, 171), wo das Gericht einerseits betont, daß eine dem öffentlichrechtlichen Integrationsrundfunk entsprechende binnenpluralistische Organisationsstruktur "wie mehrfach entschieden" auch für die privaten Rundfunkveranstalter verfassungsmäßig wäre; andererseits weist es aber darauf hin, daß bei einem solchen binnenpluralistischen Integrationsmodell der maßgebliche Einfluß nicht bei dem Unternehmer, sondern bei den gesellschaftlichen Kräften liegen würde und diese Form der Veranstaltung von Rundfunksendungen "um das Grundelement privatautonomer Gestaltung und Entscheidung und damit um ihre eigentliche Substanz gebracht" wäre. Die Aussage des Gerichts, daß es aber nicht anginge, "privaten Rundfunk nur unter Voraussetzungen zu ermöglichen, die eine Veranstaltung privater Programme in hohem Maße erschweren, wenn nicht ausschließen würden" (BVerfGE 73, 118, 157; vgl. dazu Degenhart, AfP 1988, 327, 328; Schmitt Glaeser, DVBI. 1987, 14, 16; SeImer, Bestands- und Entwicklungsgarantie, S. 28), scheint die Verfassungsmäßigkeit eines binnenpluralistischen Integrationsmodells für den privaten Rundfunk teilweise wieder zu relativieren. Vgl. BVerfGE 74, 297, 328 ff. Zu berücksichtigen ist freilich, daß bis zum Zeitpunkt des Baden-Württemberg-Beschlusses eine eigene Grundversorgung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf regionalem und lokalem Gebiete gefehlt hatte und damit auch keine Legitimationsgrundlage bestand, die Anforderungen für die Vielfalt in den Programmen privater Anbieter zu reduzieren. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 72.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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Wir brauchen den hier aufgeworfenen Problemen nicht näher nachzugehen. Es kommt allein darauf an, ob die rechtliche Implementation eines Grundstandards gleichgewichtiger Vielfalt als maßgeblicher Kontrollmaßstab den Aufsichtsorganen nennenswerte programmbezogene Wertungs- und Handlungsspielräume eröffnet. Dies muß bejaht werden. Zwar reduzieren die Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht für die Inhaltsbestimmung des Grundstandards heranzieht, in erheblichem Umfange den Handlungsspielraum bei der Kontrolle über die privaten Rundfunkanbieter. Sie liefern den für die Aufsicht privaten Rundfunks zuständigen Stellen wesentliche Orientierungshilfen für die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen die Vielfaltsanforderungen vorliegen und Sanktionen erforderlich sind. Zu berücksichtigen ist ferner, daß sich die Aufsicht stets auf konkrete, bereits gesendete Programme bezieht, während bei den Zulassungsund Auswahlentscheidungen nur von einem prognostizierten Programm ausgegangen werden kann311 • Der Freiraum für inhaltlich gestaltende, wertende Erwägungen ist damit deutlich geringer als bei der Entscheidung über Zulassung und Auswahl privater Rundfunkveranstalter. Gleichwohl ist auch der vom Bundesverfassungsgericht verlangte Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt keinesfalls "self-executing,'312. Es bedarf noch weiterer Feststellungen darüber, ob ein Verstoß gegen den Grundstandard vorliegt. Diese Entscheidungen machen programmbezogene Wertungen unumgänglich. Wenn das Bundesverfassungsgericht verlangt, daß für alle Meinungsrichtungen die Möglichkeit bestehen muß, auch im privaten Rundfunk zur Geltung zu gelangen, so muß geklärt werden, ob diese Möglichkeit vorliegt oder nicht vorliegt. Gerade die inhaltliche Vielfalt läßt sich aber nur unter erheblichen Schwierigkeiten operationalisieren313 • Als sachgerechten Anknüpfungspunkt könnte man den bewußten Ausschluß meinungsmäßiger Vielfalt in Betracht ziehen, d.h. die gezielte Unterdrückung von Meinungen314 • Die Feststellung einer solchen Finalität machte aber wiederum programmbezogene Wertungen notwendig. Dasselbe gilt auch für die Einschätzung, ob durch den Einfluß einzelner Veranstalter oder Programme die bestehende gleichgewichtige Vielfalt in hohem Maße gestört wird, insbeson-

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Darauf verweist auch das BVerfGE 73,118,184; vgl. wiederum Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. 111, S. 59, 85 f. Vgl. Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 413. In Berlin wurde von Teilen der Öffentlichkeit der Verlust an politischer Vielfalt beim dort zugelassenen Privatsender "Radio Hundert, 6" beklagt; der zustänJige Kabelrat empfand es als "sehr schwer, inhaltliche Vielfaltskriterien anzuwenden", wiedergegeben bei Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 115, 188; vgl. zu den Möglichkeiten, den Begriff der Vielfalt auszufüllen, Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. 111, S. 59, 68 ff. So etwa Eberle, Das Vollprogramm als rundfunkrechtliche Kategorie, Typoskript, S. 13; siehe auch Wagner, Landesmedienanstalten, S. 127.

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dere ob die Gefahr einer vorherrschenden Meinungsmacht bestehf l5, zumal derartige Entscheidungen oftmals prognostische Elemente tragen und tragen müssen. Wie die Praxis zeigt, stehen die für die Zulassung zuständigen Stellen in der vorgelagerten Phase der Lizenzierung vor erheblichen Schwierigkeiten, eine positive Prognose darüber abzugeben, daß der einzelne zuzulassende Veranstalter künftig hinreichend Gewähr für die Einhaltung der Vielfaltsanforderungen bietef l6 • Daher ist es naheliegend, die Veranstalterpflichten durch Auflagen oder Bedingungen in den Lizenzbescheiden näher zu konkretisieren317 • Aufgabe der Kontrolle muß es dann aber sein, die Veranstalter auf die Einhaltung dieser Festsetzungen hin zu überprüfen. Dies eröffnet wiederum erhebliche programmbezogene Handlungsmöglichkeiten. Vor allem aber fällt ins Gewicht, daß sich die Veranstalterpflichten nicht nur auf der Grundlage des gesetzlich vorgesehenen Sanktionsinstrumentariums durchsetzen lassen; auch unterhalb der Schwelle formeller Sanktionen kann durch eine Vielzahl informeller Instrumente wie "Interpretationshilfen", "Warnungen" und "Hinweise" durch die Aufsichtsinstanz versucht werden, auf Veranstalter einzuwirken und sie zu Änderungen in ihrer Programmgestaltung zu bewegen. Die Verwendung unterschiedlicher Kontrollformen mittels formeller und informeller Instrumente ist Bestandteil eines abgestuften Kontrollverfahrens, weIches den Erfordernissen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bei der Aufsicht über den privaten Rundfunk zu wahren hilff l8 • Alle diese Überlegungen haben deutlich werden lassen, daß auch bei der Kontrolle über die privaten Anbieter nennenswerte programmbezogene BeurteilungsspieIräume bestehen. Darüber hinaus eröffnet die nähere Ausgestaltung des Kontrollverfahrens die Möglichkeit, die programmliche Arbeit privater Veranstalter zu beeinflussen. Die Kontrolle über den privaten 315 316

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In der Praxis wird die Gefahr einer Dominanz von Meinungsrichtungen als weniger virulent eingestuft, vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 115, 187 f. Vgl. wiederum Ziethen, Rundfunkaufsicht Bd. 111, S. 59, 85 f. Deswegen greift man in der Praxis oftmals auf "handfestere" Kriterien zurück; an die Stelle der Suche nach Kriterien für inhaltliche Vielfalt und Ausgewogenheit ist weitgehend die Frage nach der zahlenmäßigen Zusammensetzung von Anbietergemeinschaften getreten, vgl. dazu HoffmannRiem/Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 215, 264 ff.; Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 59, 86 ff.; Lange, Media Perspektiven, 268, 271; Hege, DLM-Jahrbuch 1988, S. 27, 31. In Berlin und Hamburg wurden beispielsweise die von den Veranstaltern im Genehmigungsverfahren gemachten Angaben und Versprechungen in den Erlaubnisbescheid mitaufgenommen, vgI. Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 115, 186 f. und 187; Hoffmann-Riem/Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 215, 259; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 207 ff. Vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 115, 185 f.; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 220 ff., insbesondere S. 223; Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 59, 82 ff.

Zweites Kapitel: Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks

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Rundfunk erschöpft sich nicht in einem schlichten Gesetzesvollzug, der keinen Freiraum mehr für eigene programmbezogene Wertungen beläßt. Der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Aufsichtsrnaßstab, wonach im Programmangebot privater Rundfunkveranstalter ein Grundstandard gleichgewichtiger Vielfalt nicht unterschritten werden darf, erweist sich keinesfalls als eine konditionierte Gesetzesprogrammierung; die Bezugskriterien dieses Maßstabes sind im wesentlichen unbestimmt und bedürfen noch der weiteren Operationalisierung, um für die Praxis vollzugstauglich zu sein. Daraus folgt, daß unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks die notwendigen Aufsichtsfunktionen über den privaten Rundfunk nicht in die Hände staatlicher Organe gelegt werden dürfen. Die mit der Kontrolle eröffneten Möglichkeiten, auf die Gestaltung von Programminhalten Einfluß zu gewinnen, könnten staatliche Stellen zum Anlaß nehmen, unliebsame Veranstalter "nachträglich zu disziplinieren"319. Ferner könnte der einzelne Anbieter aus Furcht vor Sanktionen sich selbst einem "Anpassungsdruck" aussetzen. Die Entscheidung über Zulassung wie Kontrolle privater Anbieter ist der staatlichen Verfügungsrnacht daher a piori entrückt, soweit sie programmbezogene Wertungen erfordert. Der hier bezogene Rechtsstandpunkt steht in voller Übereinstimmung mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Subventionierung im Bereich des Pressewesens. In diesem Beschluß führt das Gericht aus, daß dem Staat die Förderung von Druckerzeugnissen nur nach meinungsneutralen Kriterien gestattet sei. Jede Einflußnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseprodukte sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs müßten dagegen vermieden werden320 • Diese dem Staat im Förderungsbereich auferlegte Neutralitätspflicht bildet das Gegenstück zum Verbot staatlicher programmbezogener Zuständigkeiten im Rundfunkbereich. Hinter dieser Rechtsprechung steht jeweils das Demokratiegebot des Grundgesetzes als ein verfassungsrechtliches Strukturprinzip321. (3) Landesmedienanstalten als genuin staatsfreie Gebilde Die soeben erarbeiteten Ergebnisse geben die Antwort auf die eingangs gestellte Frage nach dem materiell-inhaltlichen Gehalt der Aufgaben der Landesmedienanstalten. Die Landesmedienanstalten sind nach den Medien-

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 184. Vgl. BVerfGE 80, 124, 134. So ganz deutlich BVerfGE SO, 124, 134.

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Zweiter Teil: Grundlegung

gesetzen der Länder bei Zulassung, Auswahl und Kontrolle privater Rundfunkveranstalter mit der Anwendung einer Reihe von unbestimmten Vorschriften betraut, deren Ausfüllung wertende, programmbezogene Erwägungen und Prognosen erforderlich macht. Die rechtliche Implementation dieser Vorschriften kann keine staatliche Aufgabe begründen322• Denn diese unbestimmten Rechtsbegriffe bilden "Einbruchstellen" für staatliche Infiltrationen auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes. Da der Gesetzgeber aufgrund der Vielgestaltigkeit der Sach- und Lebensverhältnisse im Bereiche des Rundfunks auf die Verwendung solcher unbestimmter Rechtsbegriffe wohl kaum verzichten kann323, können diese den Zugang und die Kontrolle privater Rundfunkveranstalter betreffenden Fragen keiner staatlichen Provenienz sein. Aus diesem Grunde darf sich der Staat mit diesen Angelegenheiten nicht befassen. Sie stehen nicht zu seiner Disposition, sondern wurzeln im gesellschaftlich-politischen Bereich324 • Eine Ausnahme bilden lediglich die Aufgaben der Landesmedienanstalten, deren Wahrnehmung ohne programmbezogene Wertungen möglich ist. Insoweit lassen sich Restzuständigkeiten des Staates auf der Ebene der Zulassung und Überwachung privater Rundfunkanbieter begründen325• Schwerpunktmäßig beschäftigen sich die Landesmedienanstalten jedoch mit der Kontrolle privater Rundfunkprogramme. Ihre Hauptaufgabe besteht in der Sicherung und Erhaltung der Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk. Im Kernbereich erfüllen die Landesmedienanstalten also nicht-staatliche Aufgaben. Ihre externen Überwachungsfunktionen entsprechen insoweit denen der internen Kontrollinstanzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten326•

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Vgl. Bethge, ARD-Stellungnahme zum LRG Nds, S. 188 f. Vgl. Bu/lingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 57, Rdnr. 2; siehe ferner Piette, Meinungsvielfalt, S. 14 f. Eine davon zu trennende Frage ist, ob der Staat nach Wegfall der sog. frequenztechnisch bedingten Sondersituation generell auf programmbezogene Kontrollsysteme verzichten und die Herausbildung und Gewährleistung der meinungsbezogenen Vielfalt dem Wettbewerb überlassen werden kann; hierzu BVerfGE 57, 295, 322 ff.; dazu kritisch Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, 11, Rdnrn. 221 ff.; v. Münch, in: ders., GGK I, Art. 5, Rdnr. 35a m.w.N. So in bezug auf das Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen einer Rundfunkkonzession, BVerfGE 73, 118, 185 f. Entsprechendes dürfte wohl ebenso für die Kontrolle über die Einhaltung von Werbevorschriften gelten, vgl. Starck, in: v. MangOldt/K1ein/Starck, Art. 5 Abs. 1,2, Rdnr. 92; vgl. auch die Einschätzung des Direktors der ULR (Schl-H): "Auch bei der gesellschaftlich so umstrittenen Sendeform Teleshopping und der Frage, ob diese zulässig ist oder nicht, handelt es sich letzIich um eine reine Rechtsfrage .. .", wiedergegeben bei Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 417, 422, der sich dazu auf S. 423 kritisch äußert. Auf diesen sachlich-funktionalen Zusammenhang von externer und interner Rundfunkkontrolle weist auch das Bundesverfa~.ungsgericht im Niedersachsen-Urteil hin, vgl. BVerfGE 73, 118, 165. Siehe auch Hesse, DOV 1986, 177, 183.

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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Daß die Landesmedienzentralen im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst keine Rundfunkprogramme gestalten und verbreiten, ist in diesem Zusammenhang von keinem ausschlaggebenden Gewicht. Maßgeblich ist allein der gesellschaftlichen Bezug ihres Aufgabenbereiches. Ihre Organisationsform als Anstalt des öffentlichen Rechts macht sie ebensowenig wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu einem Teil der Staatsverwaltung. Sie zählen nicht zum Bereich der mittelbaren (Landes-) Staatsverwaltung3Z1• Die Anstaltsform hat gegenüber der im gesellschaftlichen Bereich wurzelnden Sachaufgabe nur eine untergeordnete, dienende Funktion. Ihre Unabhängigkeit von staatlichen Stellen ist unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks verfassungsrechtlich geboten328 • Die Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen der Landesmedienzentralen sind grundsätzlich spezifisch nicht-staatliche, im gesellschaftlichen Bereich basierende öffentliche Aufgaben. Daher kann die Wahrnehmung dieser Befugnisse der Anstalten auch nicht mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks in Konflikt geraten329 • Die Landesmedienanstalten gehören nicht zum Adressatenkreis des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks.

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des (parlamentarischen) Gesetzgebers im Bereiche des Rundfunkwesens I. Einleitung und Problemstellung

Die Anerkennung des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks als ein verfassungsrechtliches Strukturprinzip könnte zur Schlußfolgerung Anlaß geben, daß die grundrechtlieh geschützte Rundfunkfreiheit staatliche Enthalt~ samkeit auf dem Gebiete des Rundfunks erfordert. Dies entspricht jedoch nicht der vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung vertretenen Rundfunkverfassungskonzeption. Das Gericht hat sein Verständnis der Rundfunkfreiheit insbesondere im FRAG-Urteil näher dargelegt. Die Rundfunkfreiheit sei primär eine der Freiheit der Meinungsbildung dienende Freiheit. Dieser Aufgabe lasse sich mit einer lediglich negatorischen Ordnung nicht gerecht werden. Vielmehr verlange die Rundfunkfreiheit eine

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Ebenso Hesse, Rundfunkrecht, S. 167. Das wird verkannt von Breuer, VVDStRL 44 [1985), 211, 240 f.; insoweit zutreffend Wagner, Landesmedienanstalten, S. 112, Pn. 86. Im Ergebnis ebenso BVerfGE 73, 118, 165. Vgl. ferner Bethge, ARD-Stellungnahme zum LRG Nds, S. 188 f.; BuliingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 57, Rdnr. 4.

9 Gersdorf

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Zweiter Teil: Grundlegung

positive Ordnung, welche sicherstelle, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck finde und auf diese Weise umfassende Information geboten werde33O • Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht sowohl im NiedersachsenUrteil331 als auch im Baden-Württemberg-Beschluß332 ausdrücklich bestätigt. Auf der Grundlage eines funktionalen Grundrechtsverständnisses sieht die Judikatur in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einen rundfunkrechtlichen Ausgestaltungsvorbehalt begründet, der den Gesetzgeber zur Schaffung einer vielfaltssichernden und -erhaltenden positiven Ordnung verpflichte. Weiter hat das Bundesverfassungsgericht im FRAG-Urteil ausgeführt, daß dieser Vorbehalt des Gesetzes ein (Landes-) Parlamentsvorbehalt sei. Das Parlament müsse das zur Verwirklichung der Rundfunkfreiheit Wesentliche selbst bestimmen und dürfe diese Fragen nicht der Exekutive übertragen333 • Hier scheint ein Konflikt zu Tage zu treten: Einerseits ist der Staat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dazu verpflichtet, die Rundfunkordnung auszugestalten, andererseits ist es ihm aber verboten, auf die Veranstaltung des Rundfunks Einfluß zu nehmen334 • Bei der erforderlichen Grenzziehung scheinen unüberwindbare Schwierigkeiten zu entstehen335• Das Bundesverfassungsgericht hatte bisher noch keinen konkreten Anlaß, die Reichweite des rundfunkrechtlichen Ausgestaltungsvorbehaltes gegenüber dem Anwendungsbereich des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks näher abzugrenzen. Im Niedersachen-Urteil heißt es lediglich, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit gesetzgeberischen Maßnahmen zur Herstellung oder Erhaltung der Rundfunkfreiheit nicht entgegenstünde, es dem Gesetzgeber aber andererseits versagt sei, Einfluß auf den Rundfunk zu nehmen, der mit der Aufgabe einer solchen Sicherung unvereinbar und auch nicht durch die Schranken des Grundrechts gedeckt sei336• Als maßgebliches Abgrenzungskriterium nennt das Gericht den Grundsatz der Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter, welcher nicht nur Schutz vor unmittelbaren Einflüssen auf Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme biete,

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295, 320 f. 118, 152 f. 297, 323 f. 295, 32l. Vgl. zu dem vermeintlichen Spannungsverhältnis von rundfunkrechtlichem Ausgestaltungsvorbehalt und dem Gebot der Staatsfreiheit Eberle, Rundfunkübertragung, S. %; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 313 ff.; Scharf, in: PS für Faller, S. 481 f. Das konzediert auch Scharf, in: PS für Faller, S. 481 f.; siehe auch Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 313: "Unschärferelation". Vgl. BVerfGE 73, 118, 182. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE 57, BVerfGE 73, BVerfGE 74, BVerfGE 57,

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

131

sondern ebenso vor einer Einflußnahme, welche die Programmfreiheit mittelbar beeinträchtigen könne337 • Für die konkrete Rechtsanwendung ist damit allerdings noch nicht viel gewonnen. Dies gilt insbesondere auf der Grundlage des vom Bundesverfassungsgericht vertretenen funktionalen Verständnisses der Rundfunkfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht betont im Niedersachsen-Urteil selbst, daß die das Grundrecht der Rundfunkfreiheit ausgestaltenden Regelungen nur insoweit zulässig seien, als sie dem dienenden Charakter der Rundfunkfreiheit gerecht würden, d.h. insbesondere zur Vielfaltssicherung im Rundfunk beitrügen. Da Ausgestaltungsregelungen keine Grundrechtseingriffe seien, bedürften sie keiner weiteren verfassungsrechtlichen Rechtfertigung338• Damit scheidet aber auch die Programm freiheit als verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab für die zum Zwecke der Ausgestaltung der Rundfunkordnung erlassenen Bestimmungen aus. Im folgenden soll nun geprüft werden, wie weit die Regelungsbefugnis des parlamentarischen Gesetzgebers reicht, mit anderen Worten, welche Sachbereiche und Einzelfragen seiner Disposition unterliegen oder aber aus Gründen der Staatsfreiheit des Rundfunks vom Gesetzgeber nicht geregelt werden dürfen. Dabei kann wiederum der im grundrechtstheoretischen Dissens wurzelnde Problembereich ausgeklammert bleiben, ob die Legitimation des Gesetzgebers zur vielfaltssichernden und -erhaltenden Ausgestaltung der Rundfunkordnung unmittelbar aus der Rundfunkfreiheit folgt oder aber in Art. 5 Abs. 2 GG seine Stütze fmdef39 • Denn auch wenn man die vorn Bundesverfassungsgericht als Ausgestaltungsregelungen titulierten Bestimmungen im Lichte einer individualrechtlichen Deutung der Rundfunkfreiheit als Grundrechtseinschränkungen bewerten würde, müßten gleichwohl Abgrenzungskriterien entwickelt werden, welche das legislatorische Betätigungsfeld auf dem Gebiete des Rundfunks gegenüber dem Anwendungsbereich des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks abzuschichten vermögen. Bei der erforderlichen Abgrenzung könnte der Parlamentsvorbehalt für die Ausgestaltung der Rundfunkordnung340 wesentliche Hinweise liefern. Die ratio des Parlamentsvorbehalts könnte dafür sprechen, den Kompetenzbereich des (parlamentarischen) Gesetzgebers gewissermaßen negativ zu bestimmen. Die Prüfung könnte ergeben, daß der (Parlaments-) Ausgestal-

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Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

BVerfGE 73, 118, 182 f. BVerfGE 73, 118, 166. dazu bereits die Nachweise im 2. Teil, 1. Kapitel, III. BVerfGE 57, 295, 321.

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Zweiter Teil: Grundlegung

tungsvorbehalt negativ gegenüber dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks abzugrenzen ist und zwar in dem Sinne, daß eine Befugnis des Gesetzgebers zur Regelung rundfunkspezifischer Sachverhalte und Fragen insoweit nicht besteht, als das Gebot der Staatsfreiheit berührt ist und nach Verwirklichung drängt. 11. Grundsätzliches Nach tradierter Lehre bedürfen Eingriffe in Freiheit und Eigentum einer gesetzlichen Grundlage341 • Diese klassische Formel vom Vorbehalt des Gesetzes, wie er in der Zeit des Konstitutionalismusses und der Weimarer Republik verstanden wurde, diente der Aufgabe, individuelle Freiheitsräume gegen staatliche Übergriffe abzusichern342• Von dieser Lehre hat sich das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich losgesagt und die Reichweite des Vorbehaltes des Gesetzes über den Bereich der Eingriffsverwaltung hinaus auf alle wesentlichen Sachkomplexe und Fragen erstreckt. Nach der sogenannten Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts verpflichten das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip den Parlamentsgesetzgeber, die wesentlichen343, d.h. insbesondere die für die Verwirklichung der Grundrechte bedeutsamen Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen344 • Diese Wesentlichkeitsrechtsprechung, die auch in der Literatur breite Zustimmung gefunden hat34S, erweitert zum einen den Anwendungsbereich des Rechtsinstitutes vom Vorbehalt des Gesetzes; zum anderen begründet sie einen Parlamentsvorbehalt, der dazu dient, den Auf-

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Vgl. BVerfGE 8, 155,166 f. Siehe weiter v. Amim, DYBI. 1987, 1241, 1242; Eberle, DÖV 1984,485; Starck, Der Gesetzesbegriff des Grundgesetzes, S. 83 ff.; Vogel, VVDStRL 24 [1966], 125, 150. Vgl. ausführlich Staupe, Parlamentsvorbehalt, S. 42 ff.; siehe ferner Kloepfer, JZ 1984, 685, 686 f. Zum Wesentlichkeitskriterium Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 104 ff.; kritisch zur dogmatischen Leistungsfähigkeit des Wesentlichkeitsmerkmals als 8estimmungsfaktor des Parlamentsvorbehaltes Eberle, DÖV 1984,485 Cf. Vgl. BVerfGE 33, 125, 158 ff.; 33, 303, 346 f.; 34, 165, 192 f.; 40, 237, 248 f.; 41, 251, 259 ff.; 45, 393, 399 f.; 45,400, 417 ff.; 47,46, 79 f.; 48, 210, 221 f.; 49, 89, 126 f.; 51, 268, 290 f.; 54, 173, 192 f.; 56, 1, 12 f.; 57, 295, 320 f.; 58, 257,268 f.; 64, 208, 214 f.; 76, 171, 184 f.; 77, 170, 230 f.; 77, 381, 403; 79, 174, 195 f.; BVerfG, NJW 1991, 1471, 1472; siehe auch BVerwGE 47, 194, 197 ff.; 47, 201, 203 ff.; 56, 125, 157 ff.; 57, 130, 137 ff.; 57, 360, 363 f.; 60, 162, 181 f.; 64, 308, 310 ff.; BayVerfGH, NJW 1980, 1838; NJW 1982, 1089; BayVGH, BayYBI. 1982, 562; VerfGH NW, DYBI. 1983, 223; VGH Kassel, NJW 1990, 337,337 f. Vgl. aus dem fast unübersehbaren Schrifttum Kisker, NJW 1977, 1313, 1317 ff.; Krebs, DVBI. 1977,632 ff.; ders., Jura 1979,304 ff.; Schenke, Staat 15 [1976],553 ff.; Schnapp, in: v. Münch, GGK I, Art. 20, Rdnr. 20.

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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gabenbereich des parlamentarischen Gesetzgebers von den Funktionen der Exekutive abzugrenzen. Darum geht es im vorliegenden Zusammenhang jedoch nicht. Hier soll geklärt werden, ob sich aus dem Wesen des Parlamentsvorbehaltes ergibt, daß der Staat die Rundfunkordnung nur insoweit ausgestalten darf, als das Gebot der Staatsfreiheit staatliche Regelungen auf diesem Gebiete verträgt. Der Parlamentsvorbehalt soll vorliegend also nicht als Stütze für ein Delegationsverbot herangezogen werden, sondern ein striktes staatliches Regelungsverbot begründen. Insoweit muß in rechtsdogmatischer Hinsicht Neuland betreten werden. Für den hier zu erörternden Problembereich ist die Fragestellung eigentlich unbedeutsam, ob und inwieweit Rechtsetzungsbefugnisse auf die Exekutive delegiert werden können. Gleichwohl könnten die den Parlamentsvorbehalt tragenden Gründe die Maßstäbe liefern, nach denen die legislativen Zuständigkeiten auf dem Gebiete des Rundfunkwesens gegenüber dem Grundsatz der Staatsfreiheit abzugrenzen sind. Daher müssen zunächst die Ursprünge des Parlamentsvorbehaltes herausgearbeitet werden. Hierbei ist insbesondere zu untersuchen, ob der Parlamentsvorbehalt rechtsdogmatisch aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip hergeleitet werden kann. Sollte dies verneint werden, müßten wir nach weiteren Begründungsansätzen suchen. IH. Verfassungstheoretische Begründungsansätze für den Parlamentsvorbehalt 1. Rechtsstaatsprinzip

a) Verhältnis von Rechtsstaatsprinzip und Grundrechten Das Ziel des Rechtsstaatsprinzips besteht darin, den Bürgern einen möglichst umfassenden Freiheitsbereich zu ermöglichen, zu dessen Schutz die Gewährleistung von persönlichen Grundrechten gehört346• Das Rechtsstaatsprinzip soll staatliches Handeln im grundrechtlichen Bereich prinzipiell begrenzen und an Begründungen binden, um auf diese Weise die Freiheit des einzelnen sicherzustellen. Daher ist das Rechtsstaatsprinzip untrennbar mit dem Vorbehalt des Gesetzes verbunden. Die abstrakt-generelle Festlegung staatlichen Handelns führt zu einer Bindung der Exekutive und ermög-

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Vgl. statt aller Herzog, in: MDHS, Art. 20 VII, Rdnr. 23.

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Zweiter Teil: Grundlegung

licht damit der Verwaltung, in einer dem Gleichheitssatz wahrenden Art und Weise zu entscheiden. Zudem macht die rechtssatzmäßige Vorformulierung staatlichen Tätigwerdens dieses für den Bürger vorhersehbar und berechenbar und trägt damit zur Rechtssicherheit und Verläßlichkeit bei. Das Gesetz bietet ferner die Bewertungsmaßstäbe für eine wirksame Kontrolle durch die Gerichte347• Das Vorbehaltsprinzip dient damit dem zentralen Anliegen des Rechtsstaatsgebotes, persönliche und politische Freiheiten der Bürger zu gewährleisten und zu sichern348 • Diese Ausführungen machen das Verhältnis von Rechtsstaatsprinzip und grundrechtlich geschützter Freiheit deutlich. Sind die Grundrechte eine spezifische Ausformung des Rechtsstaatsprinzips und bestehen die rechtsstaatlichen Prinzipien darin, grundrechtliche Freiheitsräume gegen staatliche Übergriffe abzusichern, so zeigt dies, daß das Rechtsstaatsprinzip im grundrechtlich relevanten Bereich auf den Schutz der Grundrechte ausgerichtet ist. Das Rechtsstaatsprinzip ist insoweit lediglich Mittel zum Zweck, es dient allein dem Schutz grundrechtlicher Freiheitspositionen. Dementsprechend ist das "rechtsstaatliche Gebot" der Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit und Meßbarkeit staatlichen Handelns - wenigstens im grundrechtlich relevanten Bereich - in den Grundrechten selbst angelegt. Das Rechtsstaatsprinzip hat insoweit gegenüber den Grundrechten keine eigenständige normative Bedeutung. Es bedarf damit zur Sicherung grundrechtlieh geschützter Freiheiten keines Rekurses auf das allgemeine Rechtsstaatsprinzip349. Folgt man diesem Ansatz, kann der Parlamentsvorbehalt schon deswegen nicht auf das Rechtsstaatsprinzip gestützt werden. Der Ursprung dieses Prinzips könnte allenfalls in den Grundrechten selbst liegen. Darauf wird später noch einmal zurückzukommen sein. b) Weitere Einwände gegen eine Herleitung des Parlamentsvorbehaltes aus dem Rechtsstaatsprinzip Doch selbst wenn man der vorgenannten Meinung nicht zustimmen sollte, könnte der Parlamentsvorbehalt nur dann aus dem Rechtsstaatsprinzip folgen, wenn lediglich formelle, vom Parlament beschlossene Gesetze den beschriebenen verfassungsrechtlichen, - wir unterstellen einmal - rechts-

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Vgl. dazu Herzog, in: MDHS, Art. 20 VII, Rdnr. 26; Rengeling, NJW 1978, 2217, 2218; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 176. Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 20 I 3, S. 774; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 176 f. Vgl. in diesem Zusammenhang Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 321 ff. und passim.

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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staatlichen Erfordernissen Rechnung tragen würden. Dies ist jedoch nicht der Fall. Rechtsverordnungen und Satzungen vermögen in gleicher Weise wie förmliche Gesetze die Allgemeinheit der Regelung, die Gleichheit der Rechtsanwendung, die Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit für den Bürger und die Kontrollmöglichkeit des Verwaltungshandelns durch die Gerichte zu gewährleisten3S0 • Aus Sicht des Bürgers ist es unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten unerheblich, in welcher Form das staatliche Handeln in Rechtssätzen programmiert wird351 • Zu bedenken ist allerdings, daß das Bundesverfassungsgericht bei Verordnungsermächtigungen verlangt, daß schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Eine Vorhersehbarkeit aufgrund der zu erlassenen Rechtsverordnung wird nicht als ausreichend erachtet352• Diese Rechtsprechung könnte für ein Primat des Parlamentsgesetzes gegenüber der untergesetzlichen Rechtsverordnung sprechen. Es ist durchaus fraglich, ob das Rechtsstaatsprinzip wirklich fordert, daß sich die Vorhersehbarkeit bereits aus dem zum Erlaß von Rechtsverordnungen ermächtigenden Gesetz ergibt. Zwar geht das Interesse der Bürger dahin, daß plötzliche Änderungen im Verwaltungshandeln möglichst unterbleiben, damit sich der einzelne darauf einstellen kann, wozu er durch die Rechtsordnung berechtigt und verpflichtet wird. Untergesetzliche Normen, zu deren Erlaß es keines - teilweise schwerfälligen und zeitaufwendigen parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens bedarf, erscheinen gegenüber solchen Veränderungen stör anfälliger, auch wenn man berücksichtigt, daß förmliche Gesetze keine dauerhafte Regelung garantieren353 • Zu bedenken ist jedoch, daß rückwirkende Gesetze nur innerhalb bestimmter, das Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit wahrender Grenzen zulässig sind und sonstige Änderungen mit Hilfe von Übergangsvorschriften für die Betroffenen zumutbar gehalten werden müssen354, so daß der einzelne vor Änderungen der Rechtsordnung hinreichend geschützt erscheint. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten reicht es aus, wenn die Pflichten und Rechte des Bürgers wie die Handlungsbefugnisse der Verwaltung in der Rechtsverordnung hinreichend bestimmt sind355• Damit ist den schutzwürdigen Belangen des Vgl. Eberle, DÖV 1984, 485, 488; Herzog, in: MDHS, Art. 20 VI, Rdnr. 59; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 179 m.w.N. 351 So zutreffend Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 179. 352 Vgl. BVerfGE 1, 14, 60; 7, 282, 301; 23, 62, 72 f.; 34, 52, 60; 41, 251, 265 f.; 58, 257, 277; 78, 249, 272. 353 Vgl. Eberle, DÖV 1984, 485, 488. 354 Vgl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 179. m Vgl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 179 f., der allerdings 350

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Zweiter Teil: Grundlegung

Bürgers ausreichend Rechnung getragen. Das von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgestellte Gebot hinreichender Kalkulierbarkeit von Delegationsgesetzen hat seinen Kern nicht in rechtsstaatlichen Gründen, sondern fußt in einer funktionsgerechten Kompetenzverteilung im Verhältnis von erster und zweiter Gewalt356• Damit läßt sich aus dieser Rechtsprechung auch kein rechtsstaatlich bedingter Vorrang des förmlichen Gesetzes gegenüber untergesetzlichen Rechtssätzen herleiten. Schließlich bestehen durchgreifende Bedenken gegen den Versuch, den Parlamentsvorbehalt aus dem rechtsstaatlichen Gewaltenteilungsprinzip abzuleiten. Zwar scheint das Bundesverfassungsgericht in der FacharztEntscheidung diesen Weg zu beschreiten, wenn es ausführt, daß das Gebot des Rechtsstaates eine klare Kompetenzordnung und Funktionentrennung der Gewalten erfordere3S7• Das förmliche Gesetz scheint dieser Funktionentrennung in besonderem Maße zu genügen358• Eine scharfe Trennung zwischen Gesetzgebung und Gesetzesvollzug dient der Ausbalancierung staatlicher Machtpotentiale und trägt damit zur Mäßigung staatlichen Handelns bei. Dieses Gebot staatlicher Mäßigung ist aber kein Selbstzweck, sondern fmdet wiederum seinen inneren Grund in dem Gebot möglichst umfassender und wirksamer individueller Freiheitssicherung3S9 • Konsequenterweise müßte man dann das staatliche Mäßigungsgebot - jedenfalls im Bereich grundrechtlich geschützter Freiheiten - unmittelbar den Grundrechten entnehmen und das rechtsstaatliche Gewaltenteilungsprinzip erneut lediglich als Mittel zum Zweck qualifizieren, ohne eigenständig~, vom normativen Gehalt der Grundrechte zu sondernde Aussagekraft. Doch abgesehen davon erscheint eine dogmatische Herleitung des Parlamentsvorbehaltes aus dem Gewaltenteilungsprinzip des Grundgesetzes wenig überzeugend. Denn es ist schon zweifelhaft, ob eine deutliche Trennung zwischen Gesetzgebung und Gesetzesvollzug in erheblichem Umfang zum Abbau staatlicher Machtkonzentrationen beitragen könnte. Zweifel sind deswegen angebracht, weil in der Praxis der Großteil der Gesetzesvorlagen von der Regierung stamm~. Dies liegt daran, daß der Regierung eine Ministerialbürokratie zur Seite steht, die über beträchtliche sachliche, per-

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zwischen "offenen und verdeckten Ermächtigungen" differenziert. Ebenso Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 180. Vgl. BVerfGE 33, 125, 158; vgl. dazu Eberle, DÖV 1984, 485, 488. Vgl. Eberle, DÖV 1984, 485, 488. Darauf scheint auch die soeben genannte Fachant-Entscheidung hinzudeuten, vgl. BVerfGE 33, 125, 158: "so daß Machtmißbrauch verhütet und die Freiheit des Einzelnen gewahrt wird". Vgl. Eberle, DÖV 1984, 485, 488.

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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sonelle und fmanzielle Ressourcen verfügf61. Vor allem aber gestattet das Grundgesetz durch Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG ausdrücklich den Erlaß von Rechtssätzen durch Verwaltungsstellen362• Rechtsetzung in Form von Rechtsverordnungen kann sogar unter dem Gesichtspunkt eines "dynamischen Grundrechtsschutzes" angezeigt sein363, so daß die Übertragung entsprechender Rechtsetzungsbefugnisse auf die Exekutive unter Umständen gerade im Interesse eines wirksamen Schutzes personaler Freiheiten liegt. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß die Rechtsverordnung in gleichem Maße "rechtsstaatlichen" Anforderungen genügt. Daher läßt sich der Parlamentsvorbehalt nicht mit dem Rechtsstaatsprinzip begründen. 2.

Demokratieprinzip

Aus dem Demokratiegebot des Grundgesetzes und der Landesverfassungen könnte man den Parlamentsvorbehalt herleiten. Nach dem Demokratiegebot bedarf alle Staatsgewalt der demokratischen Legitimation. Jedwede Ausübung der Staatsgewalt muß auf dem Willen des Volkes beruhen. Daher muß auch jede staatliche Ordnung eines Lebensbereiches durch Rechtssätze auf die Willensentscheidung der vom Volke gewählten Gesetzgebungsorgane zurückzuführen sein364 • Der Vorrang des parlamentarischen Gesetzgebers zur Regelung "wesentlicher Fragen" könnte sich daraus ergeben, daß die Wahl des Bundestages und der Landesparlamente direkt durch das Volk erfolgt und den Parlamenten ein erhöhtes Maß an demokratischer Legitimation verleiht365 • Darüber hinaus könnten die Besonderheiten des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens eine gesteigerte demokratische Legitimation des förmlichen Gesetzes begründen366•

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Vgl. Bryde, in: v. Münch, GGK III, Art. 76, Rdnr. 9, der diese Entwicklung angesichts der zunehmenden Zahl und Technizität der Gesetze als kaum reversibel einstuft. Vgl. Eberle, DÖV 1984, 485, 488, der die verfassungsrechtliche Zielsetzung, Machtmißbrauch zu verhindern, bereits dann als erfüllt betrachtet, wenn die rechtsetzende von der rechtsanwendenden Stelle getrennt ist. Dies erscheint zumindest für den Fall zweifelhaft, in dem rechtsetzende und rechtsanwendende Instanzen ein und demselben Verwaltungsträger angehören und damit die hierarchi~ch vorgesetzten und zugleich rechtsetzenden Organe die Möglichkeit besitzen, für einen ihren Vorstellungen entsprechenden Normenvollzug zu sorgen. Darauf wird sogleich eingegangen werden. Vgl. BVerfGE 33, 125, 158; 64, 208, 214 f.; BVerwGE 47, 194, 197. Vgl. dazu unter a). Vgl. dazu unter b).

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Zweiter Teil: Grundlegung

a) Formale demokratische Legitimation Wir haben bereits oben gesehen, daß sich die demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten des Volkes nicht allein im Wahlakt erschöpfen dürfen. Denn daraus erwächst noch nicht die demokratische Legitimation eines jeden staatlichen Einzelaktes, welche aus Gründen der Volkssouveränität erforderlich ist, damit das Volk nicht nur Träger aller Staatsgewalt ist, sondern diese auch tatsächlich ausübt. Das Prinzip der Volkssouveränität gebietet eine fortlaufende Rückkoppelung staatlicher Stellen an das Volk. Dies erfordert eine wie auch immer geartete ständige Beteiligung des Volkes an der staatlichen Aufgabenwahrnehmun~7. Das Maß demokratischer Legitimation staatlicher Herrschaftsausübung richtet sich entscheidend danach, in welcher Art und Weise und in welchem Umfange das Volk die Möglichkeit besitzt, staatliche Entscheidungsprozesse zu beeinflussen und mitzugestalten368• Vor diesem Hintergrund ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen, wonach in einem demokratischen Staatswesen, in welchem das Volk die Staatsgewalt am unmittelbarsten durch das von ihm gewählte Parlament ausübe, auch das Parlament dazu berufen sei, über die wesentlichen Fragen des Zusammenlebens der Menschen zu entscheiden369 • Die besondere demokratische Legitimation förmlicher Gesetze geht darauf zurück, daß die Parlamentarier, welche diese beschließen, unmittelbar vom Volk gewählt sind370 . Unbestritten ist nun aber, daß auch die Exekutive demokratisch legitimiert ist. Ihr kommt ebenso wie der ersten und dritten Gewalt institutionelle wie funktionale demokratische Legitimation zu, weil der Verfassungsgeber sie als verfassungsunmittelbare Institution und Funktion geschaffen hae71 . Aber auch die personelle Legitimation der Exekutive ist heute allgemein anerkanne72• Sie unterscheidet sich im Kreationsverfahren allerdings vom Parla-

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Vgi. Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 99; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 164. Vgi. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 164. Vgl. BVerfGE 33, 125, 159; 40, 237, 249 f.; 76, 171, 184 f.; siehe ferner BVerfGE 70, 35,58. Vgi. Eberle, DÖV 1984, 485, 488; siehe auch v. Amim, DVBI. 1987, 1241, 1242. Vgi. BVerfGE 49, 89, 125 f.; 68, 1, 88 und 109. Vgl. aus dem Schrifttum v. Amim, DVBI. 1987, 1241, 1243; Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 24, S. 902; Eberle, DÖV 1984, 485, 488; Hili, NVwZ 1989, 401, 407; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 199; Schwan, Zuständigkeitsregelungen und Vorbehalt des Gesetzes, S. 53; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 168. Vgi. BVerfGE 49, 89, 125; 68, 1, 88 und 109. Vgi. aus dem Schrifttum Böcken!örde, Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 79; Böcken!örde/Grawert, AöR Bd. 95 [1970], 1 ff., 15 f.; Hili, NVwZ 1989, 401, 407; Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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ment darin, daß die Abgeordneten des Parlamentes unmittelbar vom Volk gewählt werden, während die Regierung und die Regierungschefs vom Parlament und damit nur mittelbar vom Volk gewählt werden373 • Zwar besteht eine ununterbrochene Legitimationskette zwischen Volk über Parlament zur Regierung. In dieser Legitimationskette stehen die Abgeordneten dem Volk aber "näher" als die Regierungsmitglieder374, so daß sich die Frage stellt, ob nicht das Parlament eine größere demokratische Legitimation besitzt als die Regierung37s . Es ist bereits fraglich, ob das unterschiedliche Kreationsverfahren von Parlament und Regierung tatsächtlich zu einem höheren Maß an demokratischer Legitimation zugunsten des Parlaments führt. Zweifel sind insoweit angebracht, als sich in der Verfassungswirklichkeit Wahlen eher als Wahlen der Regierung und des Regierungschefs denn als Wahlen des Parlamentes darstellen. Im Vordergrund der Entscheidung aller Wahlbürger steht, wer die Regierungsverantwortung übernehmen und wer die "Oppositionsbänke" drücken soll376. Hinzu kommt, daß das Parlament nur idealiter als eine einheitliche Funktionsgröße besteht, welche ein Gegengewicht zur Exekutive, d.h. zur Regierung samt Verwaltung bildet. Die Wirklichkeit zeichnet sich dadurch aus, daß die Regierung und die sie tragende parlamentarische Mehrheit aufgrund gleichgelagerter Interessen zum Zwecke des Machterhaltes zusammenwirken. Die Aufgabe des Parlamentes als Kontrollinstanz der Exekutive nimmt zumeist allein die parlamentarische Opposition wahr. Daher verdient die in der Literatur vertretene Auffassung Zustimmung, wonach sich die klassische Gewaltenteilung zu einer neuen Frontenbildung verschoben hat, bei der sich die Regierung und die sie tragende Parlamentsmehrheit auf der einen Seite und die parlamentarische Opposition auf der anderen Seite gegenüberstehen377 • Dann entbehrt aber auch die Annahme jedweder Grundlage, daß das Parlament als solches gegenüber der Regierung einen demokratischen Legitimationsvorsprung besitzt. Ein solches durch den Wahlakt vermitteltes Legitimationsplus des Parlamentes erweist sich als

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Grundgesetz, S. 198 f.; Schwan, Zuständigkeitsregelungen und Vorbehalt des Gesetzes, S. 52; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 168. Vgl. Eberle, DÖV 1984, 485, 488; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S.I65. Vgl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 165. Vgl. Ossenbühl, Verwaltungsvorschriften und Grundgesetz, S. 201; Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 103 f., 160 m.w.N. Dazu ausführlich Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 168 ff.; vgl. auch Eberle, DÖV 1984, 485, 488. Vgl. die Nachweise in 2. Teil, 1. Kapitel, V.

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Zweiter Teil: Grundlegung

eine Fiktion378• Regierung und Parlament kommt insofern eine gleich starke demokratische Legitimation zum. b) Das Verfahren parlamentarischer Rechtserzeugung Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, daß das Parlament zur Regelung der wesentlichen Fragen verpflichtet sei, weil das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren die beste Gewähr dafür biete, daß alle entscheidungserheblichen Tatsachen und Umstände Berücksichtigung finden und die teilweise einander widerstreitenden Interessen zu einem möglichst gerechten Ausgleich gebracht werden380 • Dadurch erfülle der Staat seine Aufgabe, keinen Gruppeninteressen, sondern dem Gemeinwohl zu dienen381 • Um die Überzeugungskraft dieser Aussage überprüfen zu können, wollen wir im folgenden zunächst einmal den Unterschieden der parlamentarischen Rechtserzeugung und der Rechtsetzung durch den Verordnungsgeber nachgehen382• Sodann ist zu klären, welche Bedeutung die Besonderheiten des parlamentarischen Verfahrens für das Verständnis des Parlamentsvorbehaltes haben. Dabei werden wir die Frage nach der dogmatischen Herleitung dieses Prinzips beantworten383 • (1) Spezifika parlamentarischer Rechtserzeugung (a) Mitwirkung mehrerer Beteiligter Das parlamentarische Verfahren ist durch die Mitwirkung mehrerer Beteiligter gekennzeichnet. In diesem Zusammenhang ist insbesondere die Opposition zu nennen384 • Darüber hinaus sind nach den Verfassungen in Bund und Ländern in erheblichem Umfange weitere Verfassungsorgane am Gesetzgebungsverfahren zu beteiligen385• Die verfassungsrechtlichen Vorschriften

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So ebenso Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 170. So auch Eberle, DÖV 1984, 485, 488; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 168 ff. Vgl. BVerfGE 33, 125, 159; 40, 237, 249; 41, 251, 260; 76, 171, 184 f. Vgl. BVerfGE 33, 125, 159. Dazu unter (1). Dazu unter (2). Vgl. v. Amim, DVBI. 1987, 1241, 1243. Vgl. dazu Degenhart, DÖV 1981, 477, 479; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delega-

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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über die Ausfertigung von Gesetzen sehen die Mitwirkung eines oder mehrerer anderer oberster Staatsorgane vor386• Die Ausfertigung bedingt unstreitig ein formelles, nach überwiegender Ansicht sogar auch ein materielles Prüfungsrecht und eine entsprechende Prüfungspflicht in bezug auf die Verfassungskonformität des Gesetzes387 • Die zusätzlich eingeschalteten staatlichen Instanzen bewirken einen präventiven Kontrolleffekt388• (b) Mehrere Lesungen im Gesetzgebungsverfahren Das parlamentarische Gesetzgebungsverfahren ist durch das Grundgesetz und die einzelnen Landesverfassungen detailliert geregelt. Die Gesetzesinitiativrechte, der Gang des Verfahrens sowie die Mitwirkung anderer Verfassungsorgane sind gesetzlich festgelege89 • Einige Landesverfassungen bestimmen, daß Gesetzesvorlagen in zweimaligen Lesungen zu beraten sind und unter gewissen Voraussetzungen sogar noch eine dritte Lesung zu erfolgen hae90 • In den übrigen Ländern und auf Bundesebene verlangen die parlamentarischen Geschäftsordnungen ebenfalls mehrere Gesetzesberatungen391 • Vergleichbare Vorschriften für das Verfahren exekutiver Rechtsetzung bestehen nicht. Dieses sich auf mehrere Lesungen erstreckende Gesetzgebungsverfahren bewirkt einen tiefgestaffelten Willensbildungsprozeß392 • Die parlamentarische Opposition erhält im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die Möglichkeit, ihre Forderungen und Vorstellungen geltend zu machen. Zugleich können die betroffenen Interessengruppen im Wege parlamentarischer Anhörungen ihre Belange vortragen. Schließlich kann die gesamte Öffentlichkeit insbesondere über die Massenmedien die Parlamentarier zu erreichen versuchen und damit Einfluß auf das Gesetzgebungsverfahren gewinnen. Das parlamentarische Verfahren verbessert die Chancen für einen möglichst schonenden und sachgerechten Ausgleich widerstreitender Interessen.

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tionsbefugnis, S. 220, Pn. 97. Nach dem Grundgesetz der Bundespräsident, Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG; vgl. zur differenzierten Rechtslage auf Länderebene Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 220 und Pn. 99. Vgl. Bryde, in: v. Münch, GGK III, Art. 82, Rdnrn. 2 ff.; Maunz, in: MDHS, Art. 82, Rdnr.2. Vgl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 221. Vgl. Art. 76 ff. GG und die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen. So die die Verfassungslage in Berlin, vgl. Art. 45 Abs. 2 und Abs. 4 BerlV und in Hamburg, vgl. Art. 49, 50 HV. Vgl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 220 m.w.N. Vgl. v. Amim, DVBI. 1987, 1241, 1243.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Bereits oben wurde festgestellf93, daß die herausragende Stellung der öffentlichen Meinung im Vertrauen in die Macht der menschlichen Vernunft begründet liegt. Die einzelnen Argumente und deren Wirkkraft klären sich häufig erst in Rede und Gegenrede. Sie müssen sich der geistigen Auseinandersetzung stellen, Tatsachen und Gegenpositionen standhalten. Dieses Verfahren hilft Irrtümer und Fehler aufzudecken. Im "Kampf der Meinungen" soll sich die Auffassung mit der größten Überzeugungskraft herausftltern und sich die Möglichkeit zum Erkennen des "wahren Geschehens" und zur Einsicht in die "beste Entscheidung" verbessern. Diese Grundsätze müssen ebenso für die staatliche Wirkungsebene Geltung beanspruchen. Dennoch könnten die aufgezeigten Vorteile des parlamentarischen Rechtsetzungsverfahrens gegenüber der Normerzeugung durch die Exekutive nur eingeschränkte Überzeugungskraft besitzen. Zu berücksichtigen ist nämlich, daß der Regierung und den Ministerien eine hochdifferenzierte, -qualifizierte und -spezialisierte Verwaltungsorganisation zur Verfügung stehe94 • Die parlamentarischen Hilfsdienste und die persönlichen Mitarbeiter der Abgeordneten können diese Überlegenheit der Exekutive nicht ausgleichen395 • Letztlich kann diesem Argument aber kein ausschlaggebendes Gewicht zukommen. Denn im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren wird der Sachverstand der Ministerien häufig durch die Mitarbeit der Ministerialbeamten in den Ausschüssen einbezogen und genutze96• (c) Publizität Nach dem Grundgesetz und den Landesverfassungen muß das Gesetzgebungsverfahren öffentlich verlaufen397• Für die Rechtsetzung durch die Exekutive gibt es keine derartigen Publizitätsvorschriften. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt das höhere Maß an Öffentlichkeit bei der Entscheidungsfmdung im parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren hervorgehoben398• Durch die Publizität des parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens gelangen die zu erörternden entscheidungsrelevanten Sachkomplexe an die Öffentlichkeit. Das 1"-inzip der Öffentlichkeit bei der parlamentarischen Entscheidungsfindung oildet gewissermaßen das Scharnier, welches das

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Vgl. 2. Teil, 1. Kapitel, I. b). Vgl. dazu Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 219. Vgl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 219. Siehe Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 219 m.w.N. Vgl. Art. 42 GG und die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen; siehe dazu Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 225, Fn. 122. Vgl. BVerfGE 33, 125, 159; 40, 237, 249; 41, 251, 260; 68, 1, 109.

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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staatliche mit dem gesellschaftlichen Willensbildungssystem zu verbinden hilft. Diese Form der Verkoppelung ermöglicht es, daß nicht nur die parlamentarische Opposition, sondern sämtliche gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen ihre spezifischen Interessen wirksam zur Geltung bringen können. Die freie Bildung der individuellen und öffentlichen Meinung setzt die Einsicht in die öffentlichen Zustände voraus399 • Diese Öffentlichkeitsfunktion ist eine wesentliche Eigenschaft der parlamentarischen Rechtserzeugung400 • (2) Bedeutung dieser Spezifika für das verfassungsdogmatische Verständnis des Parlamentsvorbehaltes (a) Parlamentsvorbehalt und erhöhte "Richtigkeitsgewähr" parlamentarischer Entscheidungen Wir haben soeben die Unterschiede herausgearbeitet, die das Verfahren der parlamentarischen Rechtsgewinnung vom exekutiven Normsetzungsverfahren abhebt. Die Besonderheiten des parlamentarischen Verfahrens liegen in der Mitwirkung mehrerer Beteiligter, im intensiven und umfassenden Willensbildungsprozeß und der Publizität des Verfahrens, welche dazu beiträgt, daß die gesamte Öffentlichkeit in die Erörterung der entscheidungsrelevanten Fragen miteinbezogen wird. Diese Spezifika des parlamentarischen Verfahrens könnten sich für das dogmatische Verständnis des Parlamentsvorbehaltes fruchtbar machen lassen. Insofern gibt der Nachrüstungsbeschluß des Bundesverfassungsgerichts wesentliche Hinweise. Dort hat das Gericht ausgeführt, daß die Gewaltenteilung und die Zuordnung verschiedener Funktionen an unterschiedliche staatliche Organe darauf abziele, daß staatliche Entscheidungen "möglichst richtig" getroffen werden, d.h. von den Organen getroffen werden, die nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise dazu über die besten Voraussetzungen verfügen401 • Dieser Entscheidung kommt für die verfassungsdogmatische Herleitung des Parlamentsvorbehaltes zentrale Bedeutung zu.

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Vgl. zur Bedeutung der Pub. tät staatlicher Entscheidungsfindung für die freiheitliche demokratische Grundordnung bereits den 2. Teil, 1. Kapitel, I. 1. d). Vgl. Eberle, DÖV 1984, 485, 489; Kisker, NJW 1977, 1313, 1315; Kloepfer, JZ 1984, 685, 687; relativierend Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 225 f. Vgl. BVerfGE 68, 1,86.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Soll der Parlamentsvorbehalt keinen Selbstzweck erfüllen und nicht bedeutungslos sein, so kann er nur den Sinn haben, daß die im parlamentarischen Verfahren getroffenen Entscheidungen ein höheres Maß an "Richtigkeit" vermitteln als die Entscheidungen exekutiver Organe402 • Damit erhebt sich die Frage, nach welchen Maßstäben sich die "Richtigkeit" der Entscheidungen bemißt. Dem soll an dieser Stelle nachgegangen werden. (b) Maßstab für die Richtigkeit: Insbesondere die Grundrechte Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung zum Parlamentsvorbehalt wiederholt herausgestellt, daß es zu den wesentlichen Fragen, zu deren Regelung der parlamentarische Gesetzgeber berufen und verpflichtet sei, die grundrechtlich relevanten Sachbereiche zählt, insbesondere diejenigen, die für die Verwirklichung von Grundrechten wesentlich sind403 • Mit dieser Formel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte" macht das Bundesverfassungsgericht deutlich, daß Geltung und Reichweite des Parlamentsvorbehaltes nach der normativen Wirkkraft der Grundrechte zu bestimmen ist. Dieser Ansatz macht den grundrechtsakzessorischen Charakter des Parlamentsvorbehaltes augenscheinlich404 • Es muß dann aber verwundern, daß das Bundesverfassungsgericht den Parlamentsvorbehalt nicht unmittelbar aus den Grundrechten herleitet, sondern statt dessen auf das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip rekurriert. Es erscheint in sich widersprüchlich, einerseits die Grundrechtsrelevanz als Bestimmungsfaktor für den Parlamentsvorbehalt zu nennen, andererseits aber den Parlamentsvorbehalt mit dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip zu begründen. In diesem Zusammenhang ist das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip wie der Parlamentsvorbehalt lediglich Mittel zum Zweck. Es dient allein und ausschließlich dem Ziel, die Geltungskraft der Grundrechte zu fördern und zu erweitern. Im grundrechtsrelevanten Bereich findet der Parlamentsvorbehalt demnach seine verfassungsdogmatische Wurzel in den Grundrechten selbseos.

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Vgl. v. Amim,1 DVBI. 1987, 1241, 1243; Magiera, Parlament und Staatsleitung, S. 90; Ossenbühl, DOV 1980, 545, 548 f.; Hili, NVwZ, 1989, 401, 407.

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Vgl. BVerfGE 34, 165, 192 f.; 40, 237, 249; 41, 251, 260; 45, 400, 418; 47,46, 79; 48, 210, 221; 49, 89, 126 ff.; 56, 1, 13; 57, 295, 321; 58, 257,272 ff.; 62, 169, 182 f.; 79, 174, 195 f.; vgl. auch BVerwGE 47, 194, 201 ff.; 56, 155, 157; 64, 308, 312 f.; BayVerfGH, BayVBI. 1980,368,370; VGH Kassel, NJW 1990, 336,337 ff. Kritisch zur dogmatischen Leistungsfähigkeit des Merkmales der Wesentlichkeit als Bestimmungsfaktor für den Parlamentsvorbehalt Eberle, DÖV 1984, 485, 488. Vgl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 114; siehe ferner Hilf, NVwZ 1989, 401, 407. Vgl. ausführlich Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 201 ff.; siehe auch Hilf, NVwZ 1989, 401, 407: "aus grundrechtlicher Sicht möglichst richtig"; implizit auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 100. Lediglich in staatsorganisatorischen Fragen, bei

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Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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Maßstab für die "Richtigkeitsgewähr't406 sind mithin die Grundrechte407 • Da den Grundrechten Ausstrahlungswirkung auf die gesamte Rechtsordnung zukommt408, ist der Gedanke der bestmöglichen Grundrechtsverwirklichung auch für das Verfahren der Rechtserzeugung von essentieller Bedeutung. Im Bereich der Rechtsetzung ist daher dasjenige Verfahren zu wählen, welches möglichst effektiven Schutz und Verwirklichung der Grundrechte verspricht409 • (c) Verwirklichung der Grundrechte durch das Gesetzgebungsverfahren Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß das parlamentarische Verfahren aufgrund seiner spezifischen Strukturen grundsätzlich die beste Gewähr für einen sachgerechten Ausgleich konfligierender Interessen bietet. Daher ist grundsätzlich das Parlament dazu berufen, die grundrechtlich wesentlichen Fragen selbst zu regeln. Die nähere Bestimmmung der Reichweite des Parlamentsvorbehaltes ist stets am Gebot optimaler Grundrechtsverwirklichung auszurichten. Dieses Ziel bildet den Maßstab für die Wahl des "richtigen" Entscheidungsorganes und Entscheidungsverfahrens. Dieser Gedanke fmdet sich im Kalkar-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts wieder. In dieser Entscheidung betont das Gericht, daß es im Sinne eines "dynamischen Grundrechtsschutzes" im Atomrecht liegen kann, auf zu detaillierte gesetzliche Vorgaben in diesem Regelungsbereich zu verzichten und stattdessen die Entscheidung über die notwendigen Sicherheitsstandards der Exekutive zu überantworten, um dadurch auf die sich rasch wechselnden Verhältnisse flexibel reagieren zu können41o • Diese Entscheidung verdeutlicht, daß nicht alle grundrechtlich wesentlichen Fragen vom Parlament selbst

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denen ein unmittelbarer wie mittelbarer Bezug zu den Grundrechten nicht feststellbar ist, ließe sich der Parlamentsvorbehalt aus anderen verfassungsrechtJichen Grundwerten, insbesondere dem Demokratieprinzip, ableiten. So die Formulierung in BVerfGE 68, I, 109. AA. offenbar v. Amim, DVBI. 1987, 1241, 1244 und Fn. 36, demzufolge zum Maßstab der "RiChtigkeit" etwa auch die Teilhabe des Volkes an den Entscheidungen und der Integrationsfaktor gehören. Dabei wird jedoch übersehen, daß diese Grundwerte dem Gebot optimaler Grundrechtsverwirklichung lediglich dienend zugeordnet sind und als Mittel zum Zweck nur insoweit auf Realisierung drängen können, als dies im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes liegt. Vgl. dazu ausführlich Jarass, AöR Bd. 110 [1985], 363 ff. m.w.N.; siehe ferner Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 210 m.w.N. Dieser Gesichtspunkt kommt deutlich im Kalkar-Beschluß des BVerfGE 49, 89, 137 zum Ausdruck; siehe ferner Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 210 und 213.

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Vgl. BVerfGE 49, 89, 137.

10 Gersdorf

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entschieden werden müssen, ja im Interesse eines dynamischen Grundrechtsschutzes nicht einmal entschieden werden dürfen411 • c) Zusammenfassung und Ergebnis Die Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß der Parlamentsvorbehalt weder aus dem Rechtsstaats- noch aus dem Demokratieprinzip abgeleitet werden kann. Vielmehr findet der Parlamentsvorbehalt im grundrechtlichen Wirkungskreis seine Grundlage in den Grundrechten selbst. Rechtsstaats- und Demokratieprinzip sind dem Ziel optimaler Grundrechtsverwirklichung funktional zugeordnet. Die Wahl des "richtigen" Entscheidungsorganes und -verfahrens hat sich an den Bedürfnissen eines wirksamen Grundrechtsschutzes zu orientieren. Staatliche Entscheidungen müssen von den Organen getroffen werden, die nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen für möglichst grundrechtsadäquate Entscheidungen verfügen. Das parlamentarische Verfahren ist aufgrund seiner besonderen Strukturen grundsätzlich am ehesten geeignet, für einen sachgerechten Ausgleich einander widerstreitender Interessen Sorge zu tragen und damit die grundrechtlieh möglichst "richtigen" Entscheidungen herbeizuführen. Diese Überlegungen zeigen, daß die Grundrechte selbst die Antwort auf die Frage geben, welche Organ-, Verfahrens- und Regelungsstruktur im Einzelfall zu wählen ist, um einen wirksamen Grundrechtsschutz sicherzustellen. Grundrechte entfalten daher neben Verfahrensgarantien412 auch Organund Handlungsformgarantien, kurzum Kompetenzgarantien413 •

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Vgl. v. Amim, DVBI. 1987, 1241, 1245; Eberle, DÖV 1984,485, 492; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 212. Siehe ferner im Zusammenhang mit der rechtlichen Problematik der Straßenkunst BVerwG, NJW 1990, 2011, 2012: "Die Formen der Straßenkunst und vor allem die örtlichen und zeitlichen Bedingungen ihrer Ausübung sind dermaßen vielgestaltig, daß eine eindeutige Bestimmung konfliktarmer straßenkünstlerischer Betätigungen auf der Ebene des förmlichen Gesetzes nicht möglich erscheint"; vgl. dazu Steinberg/Hartung, JuS 1990, 795, 798. Daher verfehlt der teilweise im Schrifttum erhobene Vorwurf, daß es im Umweltrecht offensichtlich eine "umgekehrte Wesentlichkeitstheorie" (Wahl, VBIBW 1988, 387, 391 unter Hinweis auf Salzwedel) gebe, weil in diesem Bereich die grundrechtlich relevante Festsetzung der entsprechenden Grenzwerte durch die Exekutive erfolge, den Kern des Parlamentsvorbehaltes; in diesem Sinne auch Hili, NVwZ 1989, 401, 407. Vgl. dazu ausführlich Bethge, NJW 1982, 1 ff.; Dolde, NVwZ 1982, 65 ff.; Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 203 ff. Vgl. Staupe, Parlamentsvorbehalt und Delegationsbefugnis, S. 213 m.w.N. in Fn. 61.

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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IV. Teleologische Reduktion des rundfunkspezitischen Parlamentsvorbehaltes Wir haben uns bislang ganz allgemein mit der Aufgabenverteilung zwischen Legislative und Exekutive im Bereiche der Normsetzung beschäftigt. Die hierbei herausgearbeiteten Grundsätze soUen im folgenden dabei helfen, die Reichweite staatlicher Regelungsbefugnis auf dem Felde des Rundfunkwesens näher zu konturieren. Nach dem soeben gefundenen Ergebnis muß die Kompetenzzuweisung einzelner Regelungsgegenstände an staatliche Stellen den Erfordernissen eines effektiven Grundrechtsschutzes genügen. In der Gewährleistung und Optimierung des grundrechtlichen Schutzes liegt der spezifische Sinn des Parlamentsvorbehaltes. Dieser Gedanke läßt sich fruchtbar machen für die Bestimmung der Reichweite des rundfunkspezifischen Parlamentsvorbehaltes414 • Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks folgt im Wege einer demokratiebezogenen Auslegung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG unmittelbar aus der Rundfunkfreiheit und genießt infolgedessen grundrechtlichen Schutz. Dies hat aber zur Folge, daß es grundsätzlich keine Spannungslage zwischen dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks und dem rundfunkspezifischen Parlamentsvorbehalt geben kann. Denn brächte man den Parlamentsvorbehalt im Anwendungsbereich des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks zur Geltung, würde man die grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit mißachten. Das aber wäre mit dem Gebot optimaler Grundrechtssicherung unvereinbar, worin gerade der Kern des Parlamentsvorbehaltes liegt415 • Mit anderen Worten: Soweit der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks auf Verwirklichung drängt, kann der rundfunkspezifische Parlamentsvorbehalt nicht Platz greifen. Das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks begrenzt grundsätzlich die Reichweite staatlicher Regelungskompetenz im Sinne eines strikten Regelungsverbotes. Wir können diese Aussage an dieser Stelle präzisieren. Die Rundfunkfreiheit hat nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine dienende Funktion gegenüber dem Prozeß individueller und öffentlicher Meinungsbildung. Dieser verfassungsrechtlich geschützte freie Kommunikationsprozeß muß im Interesse des demokratischen Systems frei von staatlichen Einflüssen bleiben. Daher verlangt die Rundfunkfreiheit die Freiheit des

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Vgl. zum Parlamentsvorbehalt bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung BVerfGE 57, 295,321. Siehe in diesem Zusammenhang Eberle, Rundfunkübertragung, S. 100.

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Zweiter Teil: Grundlegung

Rundfunks von staatlicher Beherrschung und Einflußnahme416 • Staatliche Regelungen, welche zum Zwecke der Gewährleistung der dienenden Funktion des Rundfunks erlassen werden, dürfen an dem gebotenen staatsfreien Charakter des gesellschaftlichen Meinungsbildungsprozesses nichts ändern417 • Verfolgt der Staat solche rundfunkspezifischen Ziele, die insbesondere auf die Herausbildung der gebotenen Vielfalt im Rundfunk gerichtet sind, kann er sich daher nur insoweit auf einen verfassungsrechtlichen Kompetenztitel berufen, als die entsprechenden Regelungen mit dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks in Einklang stehen. Daß die notwendigen Entscheidungen stets von grundrechtlicher Bedeutung sind, weil sie einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Grundrechten der Rundfunkschaffenden und der Informationsfreiheit der Rezipienten herbeizuführen haben418 , ist unerheblich. Denn die Betätigung dieser Freiheitsgrundrechte vollzieht sich in dem verfassungsrechtlich geschützten Prozeß freier Meinungsbildung, der staatliche Einflußnahme nicht verträgt. Obwohl die entsprechenden Entscheidungen für die Verwirklichung von Grundrechten wesentlich sind und damit an sich einer parlamentarischen Regelung bedürften, greift der Parlamentsvorbehalt nur außerhalb des Anwendungsbereiches der Staatsfreiheit ein. Die Reichweite des rundfunkspezifischen Parlamentsvorbehaltes ist im Lichte seiner grundrechtsdienenden Funktion zu bestimmen und damit entsprechend zu verkürzen, so daß man insofern von einer teleologischen Reduktion sprechen kann419 • Allerdings kann die Ausübung der Rundfunkfreiheit auch zu Lasten von Grundrechten gehen420 , die in keinem Zusammenhang mit der Stellung des Rundfunks im freien Kommunikationsprozeß stehen und damit nicht das Verhältnis von Rundfunkfreiheit und den kommunikativen Bedürfnissen der Rezipienten betreffen. Sofern es nicht um die Sicherung und Gewährleistung der meinungsbildenden Funktion des Rundfunks, sondern allein um den Schutz dieser konfliktbeteiligten Rechtsgüter geht, bestehen staatliche Rege-

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Vgl. BVerfGE 57, 295, 320; 73, 118, 152; 74, 297, 324. In diesem Sinne auch BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74. Vgl. BVerfGE 57, 295, 321; dazu kritisch Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 268 ff., die zu Recht darauf hinweist, daß die vom Bundesverfassungsgericht konstatierte Kollisionslage zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit der Rundfunkveranstalter und der Informationsfreiheit der Rezipienten auf der Grundlage einer funktionalen Grundrechtsinterpretation kaum zu begründen ist; denn wenn die Ausübung der Meinungsäußerungsfreiheit der Rundfunkschaffenden den Informationsbedürfnissen zu dienen hat und nur insoweit grundrechtlichen Schutz genießt, ist eine Kollision der genannten Grundrechte nicht möglich. Vgl. zur teleologischen Reduktion als Mittel der RechtsauslegungLarenz, Methodenlehre, S. 265 ff.; Pawlowsky, Juristische Methodenlehre, Rdnr. 198, S. 104. Beispielsweise berührt Wirtschaftswerbung im Rundfunk die ökonomischen Grundlagen der Presse und damit die grundrechtlich verbürgte Pressefreiheit, vgl. dazu noch später.

Drittes Kapitel: Reichweite der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers

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lungszuständigkeiten auch für den Fall, daß die entsprechenden Regelungen infolge ihrer Gestaltung einen (faktischen) Einfluß auf die Programmproduktion des Rundfunks haben. Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks beschränkt daher lediglich die Reichweite des rundfunkspezifischen Parlamentsvorbehaltes, der auf die Gewährleistung der meinungsbildenden Funktion des Rundfunks gerichtet ist, da der Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes keine staatliche Einflußnahme verträgt; dagegen schließt das Gebot der Staatsfreiheit nicht solche Vorschriften des (Parlaments-) Gesetzgebers aus, die keine rundfunkspezifischen Regelungsziele verfolgen, sondern zum Schutze von "externen" Rechtsgütern erlassen sind, denen der Rundfunk nicht zu dienen hat und die damit auch kein Regelungsgegenstand der vielfaltssichernden und -erhaltenden positiven Ordnung sein können. Die Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung kein genereller "Regelungsvorbehalt zugunsten des Parlamentes" besteht. Insbesondere können staatliche Ingerenzen bei der Gestaltung von Rundfunkprogrammen nicht mit dem Hinweis auf die besondere demokratische Legitimation des Parlamentes gerechtfertigt werden421 • Dieser Ansatz ist mit der grundrechtsdienenden Funktion des Parlamentsvorbehaltes unvereinbar. Das demokratisch legitimierte parlamentarische Verfahren erfüllt keinen Selbstzweck, sondern ist dem grundrechtlichen Schutz der Rundfunkfreiheit funktional zugeordnet. Soweit bei der Regelung einzelner rundfunkspezifischer Lebenssachverhalte programmbezogene Wertungsspielräume eröffnet sind, ist das Parlament aus Gründen der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht geeignet, grundrechtsadäquate, den normativen Gehalt des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wahrende Entscheidungen zu treffen. Dieses Ergebnis wird zusätzlich durch folgende Erwägung untermauert. Stellte man allein auf die gesteigerte demokratische Legitimation des Parlamentes ab, so könnte man auch daran denken, den Rundfunk unmittelbar vom Parlament oder von einem Parlamentsausschuß kontrollieren zu lassen und damit der uneingeschränkten staatlichen (parlamentarischen) Weisungsmacht zu unterwerfen422 • Ein solcher staatlich kontrollierter Rundfunk wäre evident verfassungswidrig, weil der Rundfunk seiner Kontrollfunktion gegenüber den im Parlament vertretenen staatlichen Funktionsträgern und sonsti-

421

422

So aber das OVG Lüneburg, DÖV 1979, 170, 172 in bezug die Wahl der pluralistisch zusammengesetzen Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch das Parlament: "Der verbleibende staatliche Einfluß ...erscheint - auch unter Berücksichtigung der demokratischen Legitimation dieses Organs - als verfassungsrechtlich unbedenklich"; vgl. in diesem Zusammenhang Starck, Rundfunkfreiheit, S. 16 ff.; siehe im übrigen die noch folgenden Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Besetzung der Landesmedienanstalten. Vgl. Starck, Rundfunkfreiheit, S. 16.

Zweiter Teil: Grundlegung

150

gen Staatsvertretern beraubt würde. Der Adressat der demokratisch bedingten notwendigen Rückkoppelung an das Volk würde sich selbst kontrollieren. Der zu Kontrollierende würde zu seinem eigenen Kontrolleur. Der Rückkoppelungsvorgang via Rundfunk würde aufgehoben423 • Dem kann man auch nicht mit dem Argument begegnen, daß das Parlament als ein unmittelbar vom Volk gewähltes staatliches Organ ohnehin "das" Volk repräsentiere. Zum einen müssen nicht alle gesellschaftlichen Grupen im Parlament vertreten sein. Zum anderen bedarf das Parlament als solches unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Volkssouveränität der fortlaufenden Überprüfung durch das Volk424 • Die Meinungs- und Willensbildung auf staatlicher Ebene muß sich keinesfalls mit dem Volkswillen decken425 • Ein letzter Einwand könnte dahin gehen, daß eine rechtssatzförmige Regelung aus Gründen der Vorhersehbarkeit, Berechenbarkeit und Meßbarkeit des Verwaltungshandelns im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes liege. Dazu haben wir bereits oben ausgeführt, daß diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht nur durch ein förmliches Gesetz, sondern ebenso durch einen untergesetzlichen Rechtssatz (Verordnung, Satzung) entsprochen werden kann426 • Der grundrechtliehe Schutz bedingt insofern lediglich eine Handlungsformgarantie im Sinne eines Rechtssatzvorbehaltes. Eine staatliche Regelungszuständigkeit läßt sich hieraus jedoch nicht ableiten. Es ist durchaus denkbar, daß nicht-staatliche Verwaltungsträger wie öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und Landesmedienanstalten die erforderlichen Bestimmungen erlassen. Darauf wird noch einmal gesondert zurückzukommen sein.

423 424

425 426

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 98. dazu bereits 2. Teil,!. Kapitel, V. Starck, Rundfunkfreiheit, S. 16. 2. Teil, 3. Kapitel, 111. 1. b).

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung Wir haben uns in dem voranstehenden Teil mit Ursprung und Inhalt des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks beschäftigt. Nunmehr gilt es, dieses Verfassungsprinzip näher zu konkretisieren. Im folgenden soll unter Zugrundelegung der bisher erarbeiteten Ergebnisse geprüft werden, welche normativen Wirkungen dieses Prinzip im Hinblick auf ganz bestimmte rundfunkrechtlich relevante Fragen entfaltet. Wir werden auf einzelne Sachund Lebensbereiche eingehen, die unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks bedeutsam erscheinen. Dabei werden nicht sämtliche Fälle erschöpfend behandelt werden, in denen typische Gefährdungslagen für staatliche Einwirkungen auf den Rundfunk bestehen. Wir wollen unser Augenmerk hauptsächlich auf die Problemkomplexe richten, die für das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk unter dem Blickwinkel des Gebotes der Staatsfreiheit relevant sind. Es ist daher insbesondere der Frage nachzugehen, welche Verfassungsdirektiven sich aus dem Prinzip der Staatsfreiheit für die Ordnung und Gestaltung des dualen Rundfunksystems ergeben.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten I. Die Landesmedienanstalten als Träger der Rundfunkfreiheit

Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks findet seinen spezifischen Bedeutungssinn im Demokratieprinzip des Grundgesetzes. Zugleich nimmt er am grundrechtlichen Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG teil. Im Rahmen dieser Arbeit wurde wiederholt davon ausgegangen, daß sich auch die Landesmedienanstalten auf diesen Schutz berufen können. Damit wurde unterstellt, daß die Landesmedienanstalten Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit sind. Gegenüber einer Zuerkennung einer Grundrechtsträgerschaft der Landesmedienanstalten bestehen jedoch Bedenken. Zum einen

152

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

veranstalten die Landesmedienanstalten selbst keine eigenen Rundfunkprogramme, sondern nehmen die notwendigen Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen gegenüber dem privaten Rundfunk wahr. Die besondere Bedeutung der Rundfunkfreiheit beruht aber gerade auf der für die freiheitliche demokratische Grundordnung lebenswichtigen Verbreitung publizistischer Inhalte. Zum anderen sind die Landesmedienanstalten rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts! und damit juristische Personen des öffentlichen Rechts. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen, da Grundrechte nach ihrem Wesen Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat sind und dem Staat infolgedessen nicht zugute kommen können2• Im Schrifttum stößt die grundsätzliche Ablehnung der Grundrechtsberechtigung juristischer Personen des öffentlichen Rechts durch das Bundesverfassungsgericht teilweise auf Ablehnung3 • Stattdessen sollen die Grundrechte die Staatsgewalt zwar nicht im staatsintern-kompetentiellen, aber im gesamten Bereich ihrer Außenrechtsbeziehungen, d.h. gegenüber rechtlich selbständigen Rechtssubjekten binden4 • Wir wollen auf diesen Streit nicht näher eingehen. Die folgenden Darlegungen könnten ergeben, daß auch nach den strengen Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für eine Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts aufgestellt hat, der grundrechtliche Schutz des Gebotes der Staatsfreiheit den Landesmedienanstalten zuteil wird. 1. Kriterien des Bundesverfassungsgerichts zur Grundrechtsträgerschaft

juristischer Personen des öffentlichen Rechts

Die Frage nach der Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts bemißt sich danach, ob die Grundrechte ihrem Wesen nach auf öffentlich-rechtliche Einrichtungen anwendbar sind (Art. 19 Abs. 3 GG). Die Grundrechte wollen ihrem Wesen nach die Freiheitssphäre des einzelnen

2 3

Vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 LMG Bad-Württ; Art. 9 Abs. 1 Satz 1 MEG Bay; § 12 Abs. 2 Satz 1 KPPG Derl; § 38 Abs. 1 Satz 1 BremLMG; § 38 Abs. 1 Satz 2 HPRG; § 52 Abs. 1 HmbMedienG; § 27 Abs. 1 Satz 1 LRG Nds; § 51 Abs. 1 Satz 1 LRG NW; § 2 LRG RhPf; § 53 Abs. 1 Satz 1 LRG Saarl; § 40 Abs. 1 LRG Schl-H. Vgl. dazu sogleich. Vgl. v. Mutius, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 3, Rdnr. 31 ff.; ders., Jura 1983, 30, 38 ff.; Bethge, AöR Bd. 104 [1979],54,86 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rdnrn. 191 ff. Vgl. v. Mutius, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 3, Rdnr. 115; vgl. auch Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rdnr. 193.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstaiten

153

Menschen gegen Eingriffe der staatlichen Gewalt schützen5 • Daraus folgert das Bundesverfassungsgericht, daß sich juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht auf den Schutz materieller Grundrechte berufen können. Denn die Erfüllung öffentlicher Aufgaben durch juristische Personen des öffentlichen Rechts vollziehe sich regelmäßig nicht in der Wahrnehmung unabgeleiteter, urspünglicher persönlicher Freiheiten, sondern aufgrund von Kompetenzen, die vom positiven Recht inhaltlich vorgegeben und begrenzt seien. Die Regelung dieser Beziehungen und die Entscheidung daraus resultierender Konflikte sei nicht Gegenstand der Grundrechte, weil der unmittelbare Bezug zum Menschen fehle6 • Hinzu komme, daß der Staat nicht zugleich grundrechtsberechtigt und grundrechtsverpflichtet sein könne7• Ausnahmsweise hat das Bundesverfassungsgericht juristischen Personen des öffentlichen Rechts Grundrechtsfähigkeit zugesprochen, soweit deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen ist und insbesondere der "Durchgriff' auf die hinter ihnen stehenden Menschen dies als sinnvoll und erforderlich erscheinen läßt8 • Dafür ist nach der Judikatur maßgeblich, daß die juristischen Personen des öffentlichen Rechts aufgrund der ihnen von der Rechtsordnung übertragenen Aufgaben unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich zugeordnet sind9 • Bei diesen Ausnahmen handelt es sich durchweg um juristische Personen des öffentlichen Rechts, die als eigenständige, vom Staat unabhängige oder doch wenigstens distanzierte Einrichtungen bestehen1o • Unter Zugrundelegung dieser von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entwickelten Kriterien ist zu untersuchen, ob die Landesmedienanstalten insoweit den grundrechtlichen Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG genießen, als sie in Wahrnehmung ihrer gesetzlich umschriebenen Aufgaben Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern ausüben.

5 6 7

8 9

10

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. Vgl. 102. Vgl.

BVerfGE 50, BVerfGE 21, BVerfGE 15, BVerfGE 21, BVerfGE 15,

290, 362, 256, 362, 256,

337; 68, 193, 205. 368 ff.; 68, 193, 205 f.; 75, 192, 196. 262; 21, 362, 369 f. 370 f.; 61, 82, 101; 68, 193, 206; 75, 192, 196. 262; 31, 314, 322; 59, 231, 254; 68, 193, 207; 75, 192, 196; 78, 101,

BVerfGE 45, 63, 79; 61, 82, 103; 68, 193, 207; 75, 192, 196 f.

154

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

a) Staatsunabhängigkeit der Landesmedienanstalten Die Landesmedienanstalten sind als selbständige rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts ll aus der unmittelbaren Staatsorganisation ausgegliedert. Sie besitzen das Recht der Selbstverwaltungl2 • Die Staatsunabhängigkeit der Landesmedienanstalten äußert sich weiter in der Reichweite der staatlichen Aufsicht über die Anstalten, die auf die Form der Rechtsaufsicht beschränkt und darüber hinaus in Programmangelegenheiten entweder überhaupt nicht zulässig ist oder, was die Aufsichtsmittel betrifft, aber zumindest erheblichen Einschränkungen unterliegt. Darauf wird später gesondert einzugehen sein. Die Landesmedienanstalten sind damit eigenständige, vom Staat weitgehend unabhängige Einrichtungen. b) Tätigwerden in grundrechtstypischer Funktion Die soeben beschriebene Staatsunabhängigkeit der Landesmedienanstalten, insbesondere das ihnen verliehene Recht der Selbstverwaltung, reicht für sich genommen nicht aus, sie am grundrechtlichen Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG teilhaben zu lassen13 • Entscheidende Voraussetzung für die Grundrechtsfähigkeit der Landesmedienanstalten ist, daß sie aufgrund der ihnen von der Rechtsordnung übertragenen Aufgaben unmittelbar einem durch bestimmte Grundrechte geschützten Lebensbereich - hier dem Prinzip der Staatsfreiheit als Teilbereich der Rundfunkfreiheit - zugeordnet sind. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts maßgeblich, daß sich ihre Tätigkeit nicht im Vollzug gesetzlich zugewiesener Aufgaben erschöpft, sondern sich als Ausübung grundrechtlicher Freiheiten darstelle 4 •

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vgI. § 57 Abs. 1 Satz 1 LMG Bad-Württ; Art. 9 Abs. 1 Satz 1 MEG Bay; § 12 Abs. 2 Satz 1 KPPG Berl; § 38 Abs. 1 Satz 1 BremLMG; § 38 Abs. 1 Satz 2 HPRG; § 52 Abs. 1 HmbMedienG; § 27 Abs. 1 Satz 1 LRG Nds; § 51 Abs. 1 Satz 1 LRG NW; § 2 LRG RhPf; § 53 Abs. 1 Satz 1 LRG SaarI; § 40 Abs. 1 Satz 1 LRG Schl-H. So ausdrücklich Art. 9 Abs. 1 Satz 2 MEG Bay; § 38 Abs. 2 Satz 1 BremLMG; § 38 Abs. 2 HPRG; § 52 Abs. 2 HmbMedienG; § 51 Abs. 2 Satz 1 LRG NW; § 53 Abs. 3 LRG SaarI; § 40 Abs. 2 Satz 1 LRG Schl-H. Teilweise räumen die Landesmediengesetze den Landesmedienanstalten das Recht zur eigenständigen und unabhängigen Aufgabenwahrnehmung ein, vgI. § 57 Abs. 1 Satz 2 LMG Bad-Württ; § 12 Abs. 1 KPPG Berl; § 27 Abs. 1 Satz 2 LRG Nds; § 24 Abs. 1 Satz 1 LRG Rh-Pf. VgI. in diesem Zusammenhang BVerfGE 21, 362, 370; 39, 302, 314; 61,82, 103; 68, 193, 207. VgI. BVerfGE 68, 193, 207 f.; 75, 192, 197. Siehe ferner Eberle, Rechtsgutachten zum ·Vorbehaltsgesetz·, Typoskript, S. 6.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

155

Nach den Mediengesetzen der Länder sind die Landesmedienanstalten mit der Aufgabe betraut, in Vertretung der Interessen der Allgemeinheit dafür Sorge zu tragen, daß die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen durch private Anbieter sowie die Weiterverbreitung von Rundfunkdarbietungen den gesetzlichen Vorschriften entsprechen1s• Der Aufgabenbereich der Landesmedienanstalten ist außerordentlich vielschichtig. Zu dem Kernbereich des Tätigkeitsfeldes dieser öffentlich-rechtlichen Einrichtungen gehören die Zulassungs- und Überwachungsfunktionen, welche ihnen gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern obliegen. In ihrem materiellen Gehalt lassen sich diese Befugnisse in zwei Kategorien einteilen. Zur ersten Kategorie gehören alle diejenigen Entscheidungen der Landesmedienanstalten, die durch programmbezogene Wertungen gekennzeichnet sind. Zur zweiten Kategorie lassen sich die Befugnisse rechnen, die durch programmlich "neutrale" Entscheidungselemente geprägt sind. (1) Nicht-programmbezogene Entscheidungsbefugnisse Diese zur zweiten Kategorie zu zählenden Kompetenzen der Landesmedienanstalten können nicht dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Lebensbereich zugeordnet werden. Denn der Grundsatz der Staatsfreiheit schützt in seinem Kernbereich die Programmfreiheit der Veranstalter vor staatlicher Einflußnahme; infolgedessen könnten die Landesmedienanstalten allenfalls insoweit Inhaber des Grundrechts der Rundfunkfreiheit sein, als sich die ihnen übertragenen Funktionen auf die Programmgestaltung der Rundfunkanbieter beziehen. Dementsprechend hat das Bundesverfassungsgericht im Niedersachsen-Urteil ausgesprochen, daß staatliche Stellen im Rahmen des Zulassungsverfahrens das Vorliegen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Interessenten für eine Rundfunkveranstalterlizenz überprüfen könnten, weil insofern keine programmbezogenen Wertungsspielräume eröffnet seienl6 • Die Wahrnehmung der nicht programmbezogenen, programmlich "neutralen" Entscheidungsbefugnisse durch die Landesmedienanstalten trägt daher eher die Züge eines schlichten Gesetzesvollzuges als die einer grundrechtlichen Freiheitsbetätigungl7•

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Vgl. § 57 Abs. 1 Satz 1 LMG Bad-Württ; Art. 10 MEG Bay; § 12 Abs. 1 KPPG Berl; § 38 Abs. 1 BremLMG; § 38 Abs. 1 HPRG; § 52 Abs. 1 HmbMedienG; § 27 Abs. 1 Satz 1 LRG Nds; § 51 Abs. 1 Satz 1 LRG NW; § 2 LRG Rh-Pf; § 53 Abs. 1 Satz 1 LRG SaarI; § 40 Abs. 1 Satz 1 LRG Schl-H. Vgl. BVerfGE 73, 118, 185 f. Vgl. Eberle, Rechtsgutachten zum "Vorbehaltsgesetz", Typoskript, S. 8 f.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

(2) Programmbezogene Entscheidungsbefugnisse Demnach könnten sich nur diejenigen Aufgaben der Landesmedienanstalten als Ausdruck einer grundrechtstypischen Freiheitsausübung darstellen, deren Erfüllung von programmbezogenen Wertungen abhängen. Dem gilt es im folgenden nachzugehen. (a) Vielfaltssichernde und -fördernde Effekte des Tätigwerdens der Landesmedienanstalten Für eine grundrechtstypische Funktion der Landesmedienanstalten könnte sprechen, daß diese Einrichtungen durch ihre Tätigkeit die notwendigen Voraussetzungen für die Veranstaltung privaten Rundfunks schaffen. Sie vergeben die rundfunkrechtlichen Sendelizenzen an private Rechtsträger und kontrollieren diese auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hin. Die Anstalten haben dafür Sorge zu tragen, daß im privaten Rundfunk alle Meinungsrichtungen zum Ausdruck kommen und insbesondere zu verhindern, daß sich im privaten Rundfunk eine vorherrschende Meinungsmacht bildee 8 • Aufgrund der pluralistischen19 oder kollegial-sachverständigen Zusammensetzun~ ihrer Entscheidungsgremien bieten die Anstalten Gewähr, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im (privaten) Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit zur Geltung gelangt und auf diese Weise umfassende Information geboten wird21 • Sie helfen zu sichern, daß individuelle und öffentliche Meinungsbildung durch den Rundfunk staUfmdet und daß die Rundfunkfreiheit ihrer - von der Rechtsprechung postulierten insoweit dienenden Funktion nachkommen kann. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wird man in dem Vollzug der auf Erhalt und Sicherung der Pluralität im privaten Rundfunk angelegten Aufgaben der Landesmedienanstalten eine grundrechtstypische Betätigung sehen müssen 22 •

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 159 f. In den meisten Bundesländern ist die Organisation der Aufsichtsanstalt für den privaten Rundfunk cum grano salis dem pluralistischen Modell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten herkömmlicher Art nachgebildet, vg!. Art. 12 MEG Bay; § 39 BremLMG; § 39 HPRG; § 55 HmbMedienG; § 30 LRG Nds; § 55 LRG NW; § 26 LRG Rh-Pf; § 54 LRG SaarI; § 42 LRG Schl-H. In Baden-Württemberg und in Berlin liegen die Aufsichts- und Beschlußzuständigkeiten bei einem fünfköpfigen Gremium, das als Vorstand bzw. Kabelrat bezeichnet wird und deren Mitglieder mit Zweidrittelmehrheit vom Landtag bzw. Abgeordnetenhaus gewählt werden, vgI. §§ 58, 59, 60 LMG Bad-Württ; §§ 12, 15 KPPG Ber!. Zu diesem Erfordernis an die Zulassung privaten Rundfunks BVerfGE 57, 295, 320; 73, 118, 152. So Eberle, Rechtsgutachten zum "Vorbehaltsgesetz", Typoskript, S. 5 ff.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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Dieses Ergebnis ist nur auf der Basis des vom Bundesverfassungsgericht vertretenen funktionalen Verständnisses der Rundfunkfreiheit konstruktiv zu begründen, demzufolge private Rundfunkveranstalter gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG einer Zulassung und ständigen Kontrolle bedürfen, um am Massenmedium Rundfunk teilnehmen zu können23 • Demgegenüber beschränken nach individualrechtlicher Sicht des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG die Zulassungsund Kontrollbefugnisse der Landesmedienanstalten das Grundrecht der Rundfunkfreiheit privater Rundfunkveranstalter. Die verfassungsrechtliche Legitimationsgrundlage für ihre die Vielfalt im Rundfunk sichernde und erhaltende Tätigkeit könnte demnach auch nicht in der Rundfunkfreiheit selbst begründet sein24 • Dem steht nicht entgegen, daß den Grundrechten auch nach Maßgabe einer individualrechtlichen Grundrechtsinterpretation objektivrechtliche Funktionen zukommen. Eine solche Ausweitung der normativen Schutzreichweite der Grundrechte kann sogar im Interesse eines wirksamen Schutzes individueller Freiheiten geboten sein25• Dies setzt aber voraus, daß die objektivrechtliche Dimension der Grundrechte nicht gegen die subjektive grundrechtliche Komponente ausgespielt wird und diese verkürzt, sondern der Förderung und Erweiterung individueller Freiheitsräume dient. Im Lichte einer individualrechtlichen Interpretation der Rundfunkfreiheit stellt sich die Wahrnehmung der vielfaltssichernden und -erhaltenden Funktionen der Landesmedienanstalten nicht als Freiheitsbetätigung in dem durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Lebensbereich dar. Dementsprechend haben die Zulassungs- und Kontrollbefugnisse der Landesmedienanstalten einen die Rundfunkfreiheit beschneidenden Charakter. Gleichwohl könnte ein grundrechtlicher Schutz der Landesmedienanstalten sowohl nach funktionalem als auch nach individualrechtlichem Verständnis der Rundfunkfreiheit erforderlich und geboten sein. Darauf ist sogleich einzugehen.

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Vgl. BVerfGE 57, 295, 326; 73, 118, 153 f. Vgl. bereits 2. Teil, 1. Kapitel, III. Vgl. bereits 2. Teil, 1. Kapitel, III.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

(b) Staatsfreiheit der Landesmedienanstalten als Schutzschirm gegen staatliche Eingriffe in die Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, daß materielle Grundrechte insbesondere dann auf juristische Personen des öffentlichen Rechts anwendbar sind, wenn der "Durchgriff' auf die hinter ihnen stehenden Menschen dies als sinnvoll und erforderlich erscheinen läßt26• Demgemäß wird eine Grundrechtsfähigkeit derjenigen öffentlich-rechtlichen Einrichtungen bejaht, die aufgrund der ihnen zugewiesenen Aufgaben (auch) der Verwirklichung individueller Grundrechte der Bürger dienenZ7 • Wir haben soeben gesehen, daß nach individualrechtlicher Deutung der Rundfunkfreiheit die Zulassungs- und Aufsichtsbefugnisse der Landesmedienanstalten als solche nicht im Interesse der privaten Rundfunkveranstalter liegen. Dies betrifft jedoch nur das "Ob" solcher Maßnahmen. Der Gesetzgeber ist aber in jedem Fall verfassungsrechtlich dazu berechtigt und sogar verpflichtet, zum Schutze demokratischer Prinzipien und individueller Freiheiten dafür Sorge zu tragen, daß im Rundfunk möglichst alle Meinungen zum Ausdruck kommen und insbesondere die Bildung von Meinungsmacht verhindert wird. Zu diesen Zwecken darf er auch den Zutritt Privater zum Massenmedium Rundfunk an eine Erlaubnispflicht knüpfen und private Rundfunkveranstalter einer fortlaufenden Kontrolle unterwerfen. Solche Regelungen haben zwar nach individualrechtlicher Sicht der Rundfunkfreiheit grundrechtsbeschränkende Wirkungen, sind aber als zulässige Schrankenziehung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Entpricht zwar nicht das "Ob" der Zulassungs- und Aufsichtsbefugnisse den Belangen der privaten Rundfunkanbieter, so könnte es doch in ihrem Interesse liegen, daß diese Aufgaben gerade von einem staatsfrei organisierten Gremium ausgeübt werden. Oben wurden die Zulassungs- und Aufsichtsbefugnisse der Landesmedienanstalten, soweit ihre Ausübung programmbezogene Wertungen erforderlich macht, als spezifisch nicht -staatliche, im gesellschaftlichen Bereich wurzelnde Befugnisse bezeichnet. Denn staatliche Stellen dürfen mit der Wahrnehmung solcher Kompetenzen nicht betraut werden, weil sie "EinbruchsteIlen" für staatliche Einflüsse auf die Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter und damit zugleich auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des

26 Z7

Vgl. BVerfGE 21, 362, 370 f.; 61, 82, 101; 68, 193, 206; 75, 192, 196. Vgl. BVerfGE 45, 63, 79; 61, 82, 103; 75, 192, 197.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

159

Volkes bilden, der im Interesse des demokratischen Systems staatsfrei zu halten ises. Dies läßt deutlich werden, daß sich die von den Landesmedienanstalten zu treffenden programmbezogenen Entscheidungen nicht lediglich als konditional programmierter Gesetzesvollzug darstellen. Denn andernfalls könnten diese Aufgaben auch von staatlichen Stellen wahrgenommen werden. Die Vielzahl der in den Landesmediengesetzen verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe eröffnet erhebliche Wertungsspielräume und implizieren mehrere Entscheidungsalternativen. Die Landesmedienanstalten bilden damit einen Schutzschirm, der die Programmgestaltung der privaten Rundfunkveranstalter vor staatlichen Einflüssen schützt. Es bedarf ihrer, um das Prinzip der Staatsfreiheit gegenüber den privaten Rundfunkanbietern überhaupt verwirklichen zu können. Damit dienen diese Anstalten aufgrund der ihnen zugewiesenen Aufgaben (auch) der Verwirklichung individueller Freiheiten. Die Wahrnehmung programmbezogener Aufgaben durch die Landesmedienzentralen ist Ausdruck grundrechtlich verbürgter Freiheitsbetätigung. Daß die Landesmedienanstalten im Interesse eines wirksamen Schutzes der Programmfreiheit der privaten Rundfunkveranstalter und der Gewährleistung demokratischer Strukturprinzipien am grundrechtlichen Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG teilhaben müssen, zeigt sich endlich daran, daß der Staat andernfalls Entscheidungen der Landesmedienanstalten beeinflussen könnte, die er selbst nicht treffen darf. Dadurch könnten sachfremde, insbesondere die Meinungsvielfalt beeinträchtigende Erwägungen Einfluß auf programmbezogene Zulassungs- und Kontrollentscheidungen der Landesmedienanstalten gewinnen. Über diesen Umweg könnte der Staat den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß inhaltlich beeinträchtigen, aus dem er sich aus Verfassungsgründen herauszuhalten hat29 •

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Vgl. 2. Teil, 2. Kapitel, V. 9. c) (3). Darin liegt auch der sachliche Grund, daß das Bundesverfassungsgericht den erforderlichen Hilfstätigkeiten der Presse und des Rundfunks den grundrechtlichen Schutz angedeihen läßt; denn staatliche Reglementierungen dieser Tätigkeiten wirken sich einschränkend auf die Meinungsverbreitung aus, vgl. BVerfGE 77, 346, 354 und BVerfGE 78, 101, 103.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

c) Ergebnis Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß die Landesmedienanstalten in bezug auf die von ihnen zu treffenden programmbezogenen Entscheidungen die Voraussetzungen erfüllen, die das Bundesverfassungsgericht für die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen des öffentlichen Rechts aufgestellt hat. Die Landesmedienanstalten sind vom Staat unabhängige Einrichtungen. Es bedarf ihrer, um die Programmfreiheit privater Rundfunkveranstalter gegenüber staatlichen Übergriffen wirksam abschirmen zu können und damit das Prinzip der Staatsfreiheit zu realisieren. Die Wahrnehmung programmbezogener Entscheidungsbefugnisse durch die Landesmedienanstalten stellt sich als Ausdruck grundrechtlicher Freiheitsbetätigung dar. In diesem Sinne sind die Landesmedienanstalten Grundrechtsträger und genießen insoweit den grundrechtlichen Schutz der Rundfunkfreiheit3O • 11. Bedingungen mr die Gewährleistung der Staatsfreiheit der Landesmedienanstalten 1.

Organisationsfonn

Die Landesmedienanstalten sind nach den landesrechtlichen Bestimmungen, wie bereits erwähnt, als Anstalten des öffentlichen Rechts eingerichtet. Diese organisatorische Ausgliederung aus dem staatlichen Verwaltungsaufbau ist keinesfalls zwingende Voraussetzung, um den Zulassungs- und Aufsichtsinstanzen für die privaten Rundfunkveranstalter die notwendige Unabhängigkeit von staatlichen Stellen zu vermitteln3 !. Es kommt nicht auf die "Staatsmittelbarkeit", sondern auf die Staatsunabhängigkeit an32• Daher wäre theoretisch denkbar, eine Stelle der "unmittelbaren Staatsverwaltung" mit der Kontrolle über die privaten Rundfunkanbieter zu betrauen, solange ihre Staatsunabhängigkeit und Weisungsfreiheit rechtlich hinreichend abgesichert

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3!

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Im Ergebnis ebenso Hesse, Rundfunkrecht, S. 167; ders., DÖV 1986, 177, 184; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, VeJWaltungsrecht 11, § 98 11, Rdnrn. 18 f., S. 305 f.; aA. SChmidt, Media Perspektiven 1986, 162, 169; ders., Rundfunkgebühr, S. 71; siehe auch BVerfG, EuGRZ 1991, 94, 77, wonach die Bildung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der Landesmedienanstalten nicht den Sinn hat, "diesen die Programmgestaltung zu übertragen oder sie gar zum Träger des Grundrechts der Rundfunkfreiheit zu machen". So aber die oftmals vom Schrifttum bezogene Position, vgl. Hesse, Rundfunkrecht, S. 167; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 68; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 96 m.w.N. in Fn.8. Vgl. Bettermann, DVBI. 1963,41,43; Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, 11, Rdnr. 213a.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

161

wäre33 • Eine solche Rechtsfigur wäre zwar ein "staatsrechtliches Novum"34, aber dennoch zulässig35 • Gleichwohl erscheint eine organisatorische Ausgliederung der Zulassungsund Kontrollträger für den privaten Rundfunk aus der unmittelbaren Staatsverwaltung sinnvoll. Allerdings reicht die rechtliche Verselbständigung für sich genommen nicht aus, um die Staatsfreiheit der Landesmedienanstalten auch tätsächlich sicherzustellen. Denn weder aus der Rechtsform der rechtsfähigen Anstalt des öffentlichen Rechts noch aus ihrem Selbstverwaltungsrecht lassen sich Indikatoren für die tatsächliche Unabhängigkeit der Anstalten herleiten36• Die Rechtsfigur der öffentlich-rechtlichen Anstalt ist grundsätzlich dadurch gekennzeichnet, daß der Anstaltsherr dauernd maßgeblichen Einfluß auf die Anstalt nimmf7• Auch die Verleihung des Selbstverwaltungsrechts indiziert nicht die Unabhängigkeit der Landesmedienanstalten, weil sie nur "im Rahmen des Gesetzes" erfolgt und der Begriff der Selbstverwaltung ohnehin wenig klare Konturen aufweist38• Es bedarf verläßlicher Sicherungssysteme, welche die vom Grundsatz der Staatsfreiheit her gebotene tatsächliche Unabhängigkeit der Landesmedienanstalten von staatlichen Stellen zu verwirklichen helfen. Bei der Suche nach solchen Sicherungen werden wir uns insbesondere den Teilbereichen zuwenden, die typischerweise staatliche Einwirkungsmöglichkeiten auf die Zulassungs- und Aufsichtsorgane des privaten Rundfunks eröffnen. Wir können uns dabei an den Grundsätzen orientieren, die als Bedingungen für die gebotene Staatsunabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entwickelt worden sind. Zwar sind die Landesmedienanstalten im Gegensatz zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keine Rundfunkveranstalter, gleichwohl aber Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Deshalb bieten die im Zusammenhang mit der rechtlichen Stellung der öffentlieh-rechtlichen Rundfunkanstalten erörterten Gesichtspunkte auch für die

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Vgl. Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, 11, Rdnr. 213a. Vgl. in bezug auf die Frage nach den zulässigen Organisationsformen für den öffentlichrechtlichen Rundfunk Lenz, JZ 1963, 338, 350. Vgl. Herzog, in: MDHS, Art. 5 I, 11, Rdnr. 213a, insbesondere Fn. 3. Vgl. Bullinger, AfP, 1982, 69, 76; Hesse, DÖV 1986, 177, 184; Hoffmann-Riem, Festgabe für Unruh, S. 951, 953; Lerche, Landesbericht, S. 15,99; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 97 f. Vgl. statt vieler Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 11, § 98 I 1 h, Rdnr. 6, S. 300 f. m.w.N.; siehe auch Hesse, DÖV 1986, 177, 184; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 97 f. Vgl. Hoffmann-Riem, Festgabe für Unruh, S. 951, 953; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 97 f. 11 Gersdorf

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Beurteilung staatlicher Einwirkungen auf die Landesmedienanstalten wesentliche Hinweise39 •

2. Besetzung der Kontrollgremien der Landesmedienanstalten Die Landesmedienanstalten können ihrem Anspruch als staatsfern organisierte Gebilde nur dann gerecht werden, wenn der Staat auf die personelle Besetzung der Anstalten keinen maßgebenden Einfluß gewinnt. Die verfassungsrechtlich gebotene Staatsunabhängigkeit der Anstalten wäre nicht gewährleistet, falls es staatlichen Stellen gelingen könnte, die ihnen "genehmen" Kandidaten in die Kontrollträger für den privaten Rundfunk zu berufen, um auf diese Weise die anstaltsinterne Willensbildung zu beeinflussen. Dies läßt die Frage nach der personellen Zusammensetzung der Landesmedienzentralen ins Blickfeld des Interesses treten. Wir müssen uns dieses Themas aber noch aus einem weiteren Grund annehmen: Im Rahmen dieser Arbeit wurde gezeigt, daß die Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen der Landesmedienanstalten keine staatlichen, sondern im gesellschaftlichen Bereich wurzelnde Aufgaben sind. Vor diesem Hintergrund soll geklärt werden, ob die Aufsichtsgremien der Landesmedienanstalten mit Vertretern der gesellschaftlichen Gruppen und Kräfte besetzt werden müssen. Zunächst soll die interne Struktur der Landesmedienanstalten anhand der entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften dargelegt werden40 • Sodann sind die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die Organisation der Anstalten zu entwickeln41. Unter Zugrundelegung der erarbeiteten Ergebnisse können schließlich die Landesmediengesetze auf ihre Verfassungskonformität hin untersucht werden42 • a) Organe und Aufgabenverteilung Die Landesmedienanstalten verfügen in der Regel über zwei Organe, einem Hauptorgan und einem Exekutivorgan; nur in Baden-Württemberg, Bayern und nunmehr auch in Sch1eswig-Holstein sind es drei, ohne daß dadurch die Zuständigkeitsverteilung wesentlich verändert wird. Das Hauptorgan heißt

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Vgl. Starck, Dazu unter Dazu unter Dazu unter

in: v. Mangoldt/K1ein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 92. a) und b). c). d).

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

163

teilweise "Versammlung't43, in Bremen und im Saarland "Landesrundfunkausschuß44", in Baden-Württemberg und Hamburg "Vorstand,,45, in Bayern "Medienrat'046, in Berlin "Kabelrat't47, in Nordrhein-Westfalen "Rundfunkkommission,048 und in Schleswig-Holstein "Anstaltsversammlung't49. Auch die Bezeichnung des Exekutivorgans varüert nach den Landesmediengesetzen ("Geschäftsführer"so, "Direktor"51, "Präsident'052 oder "Vorstand"53). Die Hauptorgane setzen sich aus einer großen Anzahl von unterschiedlichen gesellschaftlich relevanten Kräften und Organisationen sowie staatlichen Einrichtungen zusammen oder werden von kleinen Gremien aus Sachverständigen getragen54 • Die Exekutivorgane sind meistens monokratisch55, manchmal aber auch kollegial besetzr56. Die Zuständigkeitsverteilung von Haupt- und Exekutivorgan ist in den Landesmediengesetzen ausführlich geregelt. Nach den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen trifft das Hauptorgan sämtliche Grundsatzentscheidungen. Dazu gehören insbesondere die Sicherung und Überprüfung der Meinungsvielfalt im Gesamtprogramm, Vergabe sowie Widerruf und Rücknahme von Sendelizenzen57•

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Vgl. § 39 HPRG; § 27 LRG Nds; § 28 LRG Rh-Pf. Vgl. § 39 BremLMG; § 54 LRG Saarl. Vgl. § 58 LMG Bad-Württ; § 53 HmbMedienG. Vgl. Art 12 MEG Bay. Vgl. § 12 KPPG Berl. Vgl. § 55 LRG NW. Vgl. § 42 LRG Schl-H. Vgl. § 63 LMG Bad-Württ. VgJ. § 17 Abs. 4 KPPG Berl; § 42 BremLMG; § 60 HmbMedienG; § 43 HPRG; § 60 LRG NW; § 30 LRG Rh-Pf. Vgl. Art. 14 MEG Bay. Vgl. § 37 LRG Nds; § 56 LRG Saarl; § 51 LRG Schl-H. Vgl. dazu noch unten. Vgl. § 63 LMG Bad-Württ; Art. 14 MEG Bay; § 17 Abs. 4 KPPG Berl; § 42 BremLMG; § 30 LRG Rh-Pf; § 51 LRG Schl-H. Vgl. § 37 LRG Nds; § 61 LRG NW; § 56 LRG SaarI. In Hamburg besteht die Besonderheit, daß das Exekutivorgan trotz § 60 HmbMedienG ("den Direktor") aus einem Direktor und seinem Stellvertreter besteht. Die entsprechenden Bestimmungen der Hauptsatzung der HAM (vgl. §§ 14 Abs. 3, 15 Abs. 3, 17 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2) sind mit § 60 HmbMedienG unvereinbar. Vgl. § 59 LMG Bad-Württ; Art. 11 MEG Bay; §§ 27 ff. KPPG Berl; § 41 HPRG; § 53 HmbMedienG; § 32 LRG Nds; § 57 Abs. 1 LRG NW; § 28 LRG Rh-Pf; § 54 LRG SaarI; § 43 LRG Schl-H; das BremLMG enthält dagegen keine klare Aufgabenbeschreibung des "Landesrundfunkausschusses" als dem Hauptorgan der Landesanstalt, vgl. nur § 41 Abs. 5 Satz 2 BremLMG.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Auch anstaltsintern nimmt das Hauptorgan alle maßgeblichen Aufgaben wahr. Es hat zumeist das Exekutivorgan zu wählen und abzuberufen, es trifft die wesentlichen Personalentscheidungen und hat den jährlichen Haushaltsplan und den Jahresabschluß zu verabschieden58• Sofern die Landesmedienanstalten zur Normsetzung ermächtigt sind, stehen diese Befugnisse ebenfalls dem Hauptorgan zu.59. Das Exekutivorgan führt die laufenden Geschäfte der Anstalt, bereitet die Entscheidungen des Hauptorgans vor, führt diese aus und vertritt die Landesmedienanstalt sowohl gerichtlich als auch außergerichtlich60 • Zudem nimmt das Exekutivorgan die Befugnisse des Arbeitgebers beziehungsweise des Dienstherrn gegenüber den Bediensteten wahr61 • Einige Landesmediengesetze räumen ihm ferner die Eilzuständigkeit für unaufschiebbare Maßnahmen ein, wenn eine entsprechende Beschlußfassung des Hauptorgans nicht mehr rechtzeitig eingeholt werden kann62 • Auch wenn die zentralen Entscheidungen der Landesmedienanstalten vom Hauptorgan zu treffen sind, hat die Tätigkeit des Exekutivorgans in der Praxis erheblichen Stellenwert. Im Rahmen der alltäglichen Arbeit tritt das Exekutivorgan wiederholt mit den privaten Anbietern in Kontakt. Die Vielzahl von informellen Gesprächen läßt sich dazu nutzen, ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen Aufsichtsinstanz und den privaten Rundfunksendern zu entwickeln, was die Bereitschaft auf seiten der Anbieter steigern hilft, offen und verständnisvoll über die inhaltliche Gestaltung von Programmen zu sprechen. Auf diese Weise lassen sich möglicherweise Konflikte schon im "Vorfeld" ausräumen, wodurch sich die rein repressive Programmkontrolle reduzieren oder gar weitgehend vermeiden läßt, deren Effektivität aufgrund der Vielzahl der zu überwachenden Programme und der nur begrenzt ver-

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Vgl. §§ 59, 63 LMG Bad-Württ; Art. 11 Abs. 2 Nr. 3, Art. 14 Abs. 2 MEG Bay; § 41 Abs. 1 Nr. 2, 11 und Abs. 2 Nr.4 HPRG; § 53 Abs. 2 Nr. 8-10 HmbMedienG; § 32 Abs. 1 Nr. 13, 14, § 32 Abs. 2, § 37 Abs. 1 Satz 1 LRG Nds; §§ 57 Abs. I, 61 LRG NW; § 28 Nr. 2, 16 LRG Rh-Pf; § 54 Abs. 1 Nr. 8 LRG Saarl; § 43 Nr. 6, 7 LRG Schl-H . Vgl. § 59 i.V.m. § 5 LMG Bad-Württ; Art. 11 Abs. 2 Nr. 4, 5 MEG Bay; § 41 Abs. 1 Nr. 3, 4 HPRG; § 53 Abs. 2 Nr. 3 HmbMedienG; § 42 LRG Nds; § 57 Abs. 2 Satz 2 LRG NW; § 24 Abs. 1 Satz 2 LRG Rh-Pf; § 54 Abs. 1 Nr. 7, 9 LRG Saarl; § 43 Nr. 8 LRG Schl-H. Vgl. § 63 Abs. 2 LMG Bad-Württ; Art. 14 Abs. 1 MEG Bay; § 17 Abs. 4 2. Halbsatz KPPG Ber!; § 42 BremLMG; § 41 Abs. 2 HPRG; § 53 Abs. 3 und Abs. 4 HmbMedienG; § 37 Abs. 2 und Abs. 4 LRG Nds; § 60 Abs. 1 LRG NW; § 24 Abs. 2 und Abs. 3 LRG Rh-Pf; § 56 Abs. 5, Abs. 6 LRG Saar!; § 51 Abs. 2 LRG Schl-H. Vgl. § 64 Abs. 2 LMG Bad-Württ; Art. 14 Abs. 3 Nr. 4 MEG Bay; § 46 HPRG; § 60 Abs. 4 Nr. 9 HmbMedienG; § 40 LRG Nds; § 60 Abs. 1 Nr. 9 und § 60 Abs. 2 LRG NW; § 56 Abs. 5 und Abs. 6 LRG Saarl; § 51 Abs. 3 LRG Schl-H. Vgl. Art. 14 Abs. 3 Nr. 3 MEG Bay; § 37 Abs. 3 LRG Nds. iV.m. § 12 der Hauptsatzung des Nds. Landesrundfunkausschusses.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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fügbaren sachlichen unnd personellen Ressourcen ohnehin auf faktische Grenzen stößt63 .Die gewichtige Rolle des Exekutivorgans ergibt sich schließlich daraus, daß es die "eigentlichen" Kontrollfunktionen wahrnimmt. Es untersucht die aufgezeichneten Programme auf Gesetzesverstöße oder beauftragt mit diesen Funktionen die - zumeist - ihm unterstellten besonderen Kontrollbeauftragten. Die entsprechenden Ergebnisse leitet das Exekutivorgan an das Hauptorgan weiter. Es versteht sich von selbst, daß die vom Exekutivorgan geleistete Vorarbeit ganz wesentlich die spätere Beschlußfassung des Hauptorgans zu beeinflussen, wenn nicht sogar zu präjudizieren vermag. Trotz dieser faktisch bestehenden erheblichen Bedeutung des Exekutivorgans, steht in allen wesentlichen Fragen das Letztentscheidungsrecht allein dem Hauptorgan zu. Nur dieses ist dazu berufen, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen und gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern verbindlich zu machen. Daher wollen wir uns im folgenden näher dem Kreationsverfahren des Hauptorgans zuwenden und seine Zusammensetzung beleuchten. b) Besetzung des Hauptorgans Die Besetzungsmodalitäten der Hauptorgane bei den einzelnen Landesmedienanstalten folgen zwei unterschiedlichen Grundmustern. Nur das Hamburgische Mediengesetz weicht von diesen Regelungssystemen ab, indem es versucht, die beiden Organisationstypen miteinander zu verknüpfen. (1) Pluralistische Zusammensetzung des Hauptorgans Die meisten Landesmediengesetze sehen als Hauptorgane der Landesmedienanstalten ein pluralistisches Gremium vor, das cum grano salis dem pluralistischen Integrationsmodell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nachgebildet ist64 ; in den Gremien befmden sich Vertreter65 der gesell-

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Vgl. dazu Lange, Media Perspektiven 1989,268,272; Thaenert, DLM-Jahrbuch 1988, S. 35, 41; Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 59, 80 f. Vgi. Hesse, DÖV 1986, In, 186; !arass, Gutachten zum 56. DIT, Rdnr. 148; ders., ZUM 1986, 303, 317; Rüggeberg, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 119; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 117. Wobei es sich in strengem Sinne nicht um Vertreter handelt, da sie dem Gemeinwohl verpflichtet sind, vgl. Art. 11 Abs. 2 Satz 1 MEG Bay; § 39 Abs. 1 Satz 1 HPRG; § 52 Abs. 1 HmbMedienG; § 34 Abs. 1 Satz 2 LRG Nds; § 52 Abs. 1 Satz 1 LRG NW; § 53 Abs. 2 Satz 1 LRG Saarl; § 42 Abs. 9 Satz 2 LRG Schl-H. Darauf weisen zu Recht hin

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

schaftlich relevanten Gruppen, der Parteien, der Kammern, des Parlaments und der Regierung66; die vorschlags- oder entsendeberechtigten Gruppen und Organisationen entsprechen im wesentlichen denjenigen der Rundfunkräte67 der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten68 • Die gesellschaftlichen Kräfte und Einrichtungen entsenden ihre Mitglieder meist selbst in das Hauptorgan der Landesmedienanstalten(9. Lediglich für den Fall, daß keine Einigung zwischen mehreren Organisationen und Verbänden zustande kommt, denen nur gemeinsam ein Entsendungsrecht zusteht, entscheidet nach einigen Landesmediengesetzen das jeweilige Parlament über die Auswahl70• Die Repräsentanz der gesellschaftlichen Kräfte im Hauptorgan ist anteilsmäßig besonders stark7!. Teilweise räumen die landesrechtlichen Bestimmungen den politischen Parteien ein Entsendungsrecht ein72• Der Einfluß der Berufskammern ist von keinem erheblichen Gewicht73, zumal sie sich teilweise mit anderen Organisationen auf nur einen Vertreter verständigen müssen74 • Im übrigen kommt staatlichen Stellen75 bei der Besetzung des Hauptorgans der Landesmedienanstalten in unterschiedlichem Maße Bedeutung ZU76; hierbei ist zu berücksichtigen, daß nach hiesigem

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Hellstem/Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 3, 15. Vgl. Art. 12 MEG Bay; § 39 BremLMG; § 39 HPRG; § 30 LRG Nds; § 55 LRG NW; § 26 LRG Rh-Pf; § 54 LRG Saarl; § 42 LRG Schl-H. Beim ZDF des Fernsehrates, vgl. § 14 ZDF-StV. Vgl. Art. 12 MEG Bay und Art. 6 RuFuG Bay, die in bezug auf die Zusammensetzung der Gremien im Wortlaut übereinstimmmen; ähnlich § 30 LRG Nds und § 17 Abs. 1 NDR-StV. Vgl. Art. 12 Abs. 1 MEG Bay; § 39 Abs. 1 BremLMG; § 38 Abs. 1 HPRG; § 30 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 LRG Nds; § 55 Abs. 2 bis Abs. 5 LRG NW; § 26 Abs. 2 LRG Rh-Pf; § 54 Abs. 2 LRG Saarl; § 42 Abs. 6 Schl-H; anders § 39 Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 2 BremLMG; § 30 Abs. 1 Nr. 16 LRG Nds. Vgl. § 26 Abs. 3 LRG Rh-Pf; § 42 Abs. 7 LRG Schl-H. Vgl. die nähere Aufschlüsselung nach Anteilsquoten bei Hellstem/Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 3, 17. Vgl. § 39 Abs. 2 BremLMG; § 30 Abs. 1 Nr. 1, 2 LRG Nds; § 42 Abs. 5 LRG Schl-H. Vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 5 MEG Bay; § 39 Abs. 2 Nr. 1 BremLMG; § 39 Abs. 1 Nr. 15 HPRG; § 26 Abs. 1 Nr. 9 LRG Rh-Pf; § 54 Abs. 1 Nr. 17, 18 LRG SaarI; § 42 Abs. 2 Nr. 9, 10 LRG Schl-H. Vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 BremLMG; § 42 Abs. 2 Nr. 9, 10 LRG Schl-H. Vgl. ausführlich zum Adressatenkreis des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks 2. Teil, 2. Kapitel, V. Bayern: 1 Vertreter der Bayerischen Staatsregierung, Vertreter des Bayerischen Landtages in der Weise, daß jede im Landtag vertretene Partei für je angefangene zwanzig Abgeordnete 1 Mitglied entsendet, wobei die Anzahl von 13 jedoch nicht überschritten werden darf, 3 Vertreter des Bayerischen Senates (vgl. Art. 12 Abs. 1 Nr. 1-3, 11 MEG Bay); Bremen: je 1 Vertreter des Senates für die Stadtgemeinde Bremen und des Magistrates für die Stadtgemeinde Bremerhaven (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 1 g) und h) BremLMG); Hessen: 1 Vertreter der Landesregierung und jeweils 1 Mitglied jeder Fraktion (§ 39 Abs. 1 Nr. 1, 22 HPRG); Niedersa(hsen: 5 Mitglieder durch im Landtag

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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Verständnis Vertreter der politischen Parteien, soweit sie in dieser Funktion und nicht in ihrer Funktion als Repräsentanten staatlicher Organe in das Hauptorgan der Landeszentralen gewählt werden, nicht zur staatlichen Sphäre zu rechnen sind77• In Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein sollen die Mitglieder Kenntnisse auf dem Gebiete des Rundfunkwesens haben78• Fast alle Landesmediengesetze enthalten Inkompatibilitätsvorschriften, um Interessenkonflikte der Mitglieder des Hauptorgans zu vermeiden und damit ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten. Allerdings ist die Reichweite der Unvereinbarkeitsbestimmungen im Blickwinkel der gebotenen Staatsfreiheit unterschiedlich: Am weitesten gehen die Regelungen der Landesmediengesetze Bremens und Schleswig-Holsteins, wonach die Mitglieder des Hauptorgans nicht zugleich dem Parlament oder der Regierung des Bundes oder des entsprechenden Landes angehören dürfen79 • In Bayern, Nordrhein-Westfalen, RheinlandPfalz und im Saarland ist nur den Mitgliedern der Regierung eine Mitgliedschaft im Hauptorgan der Landesmedienanstalt versagtso. Einen Mittelweg zwischen diesen beiden Regelungsstrukturen beschreitet das Landesrundfunkgesetz Niedersachsens; danach dürfen die Mitglieder der Versammlung zwar nicht Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung sein und grundsätzlich auch nicht dem Landtag angehören. Letzteres gilt allerdings nicht für die von den politischen Parteien entsandten VertreterS!.

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vertretene Parteien( vgl. § 30 Abs. 1 Nr. 1 LRG Nds), was für sich genommen nach der hier vertretenen Meinung nicht ausreicht, um sie dem staatlichen Bereich zuzuordnen; allerdings ist den Vertretern der politischen Parteien in der Versammlung die Mitgliedschaft im Landtag ausdrücklich gestattet, so daß sie insoweit auch "dem" Staat zuzurechnen sind (vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 2 LRG Nds); Nordrhein-Westfalen: 11 Mitglieder werden vom Landtag gewählt, wovon bis zu 6 dem Europäischen Parlament, dem Bundestag, dem Landtag oder einer kommunalen Vertretungskörperschaft angehören dürfen (§ 52 Abs. 2 LRG NW); Rheinland-Pfalz: 4 Mitglieder des Landtages und 1 Vertreter der Landesregierung (§ 26 Abs. 1 Nr. 1, 2 LRG Rh-Pf); Saarland: 1 Mitglied der Landesregierung und jeweils 1 Mitglied der Fraktion (§ 54 Abs. 2 Nr. 1, 2 LRG Saarl). Siehe oben unter 2. Teil, 2. Kapitel, V 3, aber auch noch sogleich. Vgl. § 55 Abs. 12 LRG NW; § 42 Abs. 9 LRG Schl-H. Vgl. § 39 Abs. 6 BremLMG, wobei sich die Inkompatibilitätsvorschrift sogar auf die Mitgliedschaft in "einer" Landesregierung erstreckt und damit noch weiter reicht; § 44 Abs. 4 LRG Schl-H. Vgl. Art. 12 Abs. 3 Satz 2 MEG Bay, der Vertreter der Bayerischen Staatsregierung im Medienrat ist davon freilich nicht betroffen; § 53 Abs. 1 Nr. 1, 2 LRG NW, siehe auch § 55 Abs. 2 Satz 2 LRG NW, wonach von den 11 vom Landtag zu wählenden Vertreter nur insgesamt 6 dem Bundestag, dem Landtag oder einer kommunalen Vertretungskörperschaft angehören dürfen; § 27 Abs. 1 Nr. 1 LRG Rh-Pf, mit Ausnahme des Vertreters der Landesregierung in der Versammlung; § 54 Abs. 3 Nr. 1 LRG SaarI, unter Ausschluß des Vertreters der Landesregierung im Landesrundfunkausschuß. Vgl. § 31 Abs. 1 Nr. 1 und 2 LRG Nds.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Hessen schließlich verzichtet vollständig auf eine Inkompatibilitätsvorschrift für Parlaments- und Regierungsangehörige 82• Neben diesen Unvereinbarkeitsregelungen enthalten die Landesmediengesetze Bestimmungen, welche die Weisungsfreiheit der Mitglieder des Hauptorgans festlegen, um ihre Unabhängigkeit gegenüber staatlichen Stellen und gegenüber den Entsendeorganisationen zu sichern83 • Allerdings können in Hessen und Rheinland-Pfalz die Mitglieder durch die Stellen, die sie entsandt oder vorgeschlagen haben, vor Ablauf der Amtsdauer abberufen werden, was einer neutralen und unparteiischen Aufgabenerledigung abträglich ist84 • Das Landesrundfunkgesetz Schleswig-Holstein eröffnet ebenfalls diese Möglichkeit, macht aber das Abberufungsrecht von dem Vorliegen eines "wichtigen Grundes" abhängig8S • Das Hauptorgan tritt in regelmäßigen Abständen zusammen, im übrigen wenn Bedarfbesteht86• Die Sitzungen sind meist nichtöffentlich87• Die gesamte anfallende Arbeit läßt sich aber angesichts der Komplexität der zu erörternden und zu regelnden Sachverhalte in den teilweise sehr großen Gremien nicht bewerkstelligen. Aus diesem Grunde haben die Hauptorgane spezielle Fachausschüsse gebildet88 und zwar regelmäßig einen Programm-, einen Haushalts-, einen Finanz- und einen Rechtsausschuß. Im Saarland hat sich darüber hinaus noch ein Beschwerdeausschuß konstituiert89 • Die Ausschüsse tagen zumeist mehrmals zwischen den Mitgliederversammlungen der Hauptorgane. Sie arbeiten im wesentlichen den Hauptorganen zu, damit diese über die sodann aufbereiteten Sachverhalte befmden und die erforderlichen Maßnahmen treffen können. Die Tätigkeit von Hauptorganen und Ausschüssen stellt sich als sinnvolle Kombination dar, wobei sich deutlich die Tendenz

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Vgl. § 39 Abs. 2 HPRG, wonach in die Versammlung lediglich deIjenige nicht entsandt werden darf, der Anbieter eines privaten Rundfunkprogrammes oder Betreiber einer Kabelanlage ist, zu ihnen in einem Dienst- und Arbeitsverhältnis steht, von ihnen in sonstiger Weise abhängig oder an ihnen wesentlich beteiligt ist. Vgl. Art. 12 Abs. 3 1, 2. Halbsatz MEG Bay; § 41 HPRG; § 34 Abs. 1 Satz 3 LRG Nds; § 55 Abs. 12 Satz 2 LRG NW; § 26 Abs. 6 Satz 2 LRG Rh-Pf; § 55 Abs. 1 Satz 2 LRG SaarI; § 42 Abs. 9 Satz 2 LRG Schl-H. In Bremen fehlt eine derartige Regelung. Vgl. § 39 Abs. 6 Satz 3 HPRG; § 26 Abs. 6 LRG Rh-Pf. In Hessen wurde dies "bewußt in Kauf genommen", Drs. 12/2478, S. 45, vgl. ferner Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 309, 319. Vgl. § 42 Abs. 10 LRG Schl-H. So ausdrücklich geregelt in § 41 Abs. 1 BremLMG; § 59 Abs. 1 Satz 1 LRG NW. Vgl. § 41 Abs. 2 Satz 1 BremLMG; § 59 Abs. 2 LRG NW; § 45 Abs. 1 Satz 1, 2 LRG Schl-H. Vgl. Art. 11 Abs. 3 MEG Bay; § 42 HPRG; § 36 LRG Nds; § 58 LRG NW; § 55 Abs. 1 Satz 2 LRG SaarI; § 45 Abs. 1 Satz 2, 3 LRG Schl-H. Vgl. HellstemlReese, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 3, 19 f.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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abzeichnet, daß die wichtigen Entscheidungen auf die Ausschüsse verlagert und faktisch auch dort die wesentlichen Fragen "entschieden" werden9O • (2) Sachverständige kollegiale Zusammensetzung des Hauptorgans In Berlin und in Baden-Württemberg ist das Hauptorgan nicht nach dem pluralistischen Modell konzipiert. Stattdessen werden der Kabelrat in Berlin und der Vorstand in Baden-Württemberg mit Zweidrittelmehrheit durch das Parlament gewählt91 • Dieses Modell ist den Regelungen über das Verfahren zur Wahl der Rechtsprechungsorgane entlehnt, insbesondere den Vorschriften über die Wahl des Bundesverfassungsgerichts92 • Allerdings besteht insoweit ein wesentlicher Unterschied, als in Berlin der Kabelrat in nicht-öffentlichen Sitzungen tagt93 • Die Sitzungen des Hauptorgans finden mindestens viermal im Jahr statt94, was nach den Erfahrungen der letzten Jahre bei weitem nicht ausreicht95• Die landesrechtlichen Bestimmungen enthalten im Interesse der Unabhängigkeit der Mitglieder der Gremien weitreichende Inkompatibilitätsvorschriften96; darüber hinaus ist die vollständige Weisungsfreiheit der Mitglieder

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vgl. Hellst/!l1l/Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 3, 20 unter Hinweis auf die Praxis. Vgl. § 60 LMG Bad-Württ; § 15 KPPG Berl; vgl. Hesse, DÖV 1986, 177, 186, der insoweit vom "Ratsmodell" spricht; Jarass, Gutachten zum 56. DIT, Rdnr. 148: "Kollegialmodell"; ders., ZUM 1986,303,317: "Kollegial- oder Ratsmodell"; Rüggeberg, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 119: "Ratsmodell". Als Vorbild für die Regelung über die Wahl und Abberufung der Mitglieder des Vorstandes in Baden-Württemberg diente die Vorschrift des § 7 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht in der Fassung vom 3. Februar 1971 (BGBI. I, S. 105), so ausdrücklich die Amtliche Begründung zu § 60 LMG Bad-Württ, abgedruckt bei Bullinger/Gödel, LMedienG Bad-Württ, § 60; siehe ferner § 58 Abs. 2 LMG Bad-Württ, der in bezug auf die Entschädigung und Reisekostenvergütung der Mitglieder des Vorstandes für die Arbeit in diesem Gremium auf die Regelung für die baden-württembergischen Verfassungsrichter verweist. In Berlin endet die Mitgliedschaft im Kabelrat unter den gleichen Voraussetzungen, unter denen ein Richterverhältnis nach § 24 DRiG endet, vgl. § 15 Abs. 5 KPPG Berl. Vgl. § 17 Abs. 3 Satz 2 KPPG Berl; in Baden-Würrtemberg ist diese Frage hingegen durch das LMG Bad-Württ nicht speziell geregelt, vgl. § 62 LMG Bad-Württ. Vgl. § 62 Abs. 1 Satz 1 LMG Bad-Württ; § 17 Abt. 1 Satz 1 KPPG Berl. In Baden-Württemberg trat der Vorstand 1986 19 mal zusammen, 198724 und 1988 15 mal, vgl. Hellst/!l1l, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 3, 15; in Berlin tagte der Kabelrat 1984 2, 1985 22, 1986 15, 1987 13 und 1988 10 mal, vgl. Hellst/!l1l, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 115, 136.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

gesetzlich festgeschrieben97• In Baden-Württemberg ist ihre Wiederwahl zudem ausgeschlossen98• In Baden-Württemberg besteht neben dem Vorstand noch ein sogenannter Medienbeirat, der über eine pluralistische Zusammensetzung verfügt99. Die achtundzwanzig Mitglieder dieses Gremiums setzen sich ganz überwiegend aus den gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammen. Lediglich der Vertreter der kommunalen Landesverbände bildet eine Ausnahme loo • Die gesellschaftlichen Organisationen entsenden ihre Mitglieder selbse Ol • Das baden-württembergische Landesmediengesetz räumt dem Medienbeirat unterschiedlich weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten ein, je nachdem, ob ihm gegenüber dem Vorstand ein (echtes) Mitbestimmungsrecht zusteht oder lediglich seine (schlichte) Mitwirkung an Entscheidungsprozessen vorgesehen ist. Der Zustimmung des pluralistisch zusammengesetzten Gremiums bedürfen einige enumerativ aufgelistete wesentliche, d.h. die Meinungsvielfalt berührende Entscheidungen des Vorstandes; dazu zählt insbesondere die Beurteilung, ob bei der Zulassung von Veranstaltern herangeführter Programme oder von binnenpluralistisch zu organisierenden Anbietern regionaler oder lokaler Programme den Anforderungen der Meinungsvielfalt entsprochen ist; weiter bedarf die Entscheidung des Vorstandes über die Aufteilung der Sendezeiten und über die Auswahl unter mehreren Bewerbern der Zustimmung des Medienbeirates l02 • Demgegenüber ist im Bereich der Programm kontrolle lediglich die Mitwirkung des Medienbeirates vorgesehen; diesem obliegt es, den Vorstand zu unterrichten und Maßnahmen vorzuschlagen, wenn er nach Prüfung der Sachlage zu der Auffassung gelangt, daß ein verbreitetes privates Rundfunkprogramm mit den Vorschriften des baden-württembergischen Landesmediengesetzes nicht in Einklang steht, insbesondere wenn es den zur Sicherung der Meinungsvielfalt erlassenen Bestimmungen nicht genügt 103 • Der Medienbeirat könnte in einem solchen Falle gegenüber dem Vorstand allerdings nicht durchsetzen, daß dieser etwa eine Beanstandung ausspricht oder die Zulassung der Veranstal-

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vgl. § 58 Abs. 3 LMG Bad-Württ; § 14 Abs. 2 KPPG Berl. Vgl. § 60 Abs. 1 Satz 4 LMG Bad-Wütt. Vgl. § 65 LMG Bad-Württ. Vgl. § 65 Abs. 1 Nr. 9 LMG Bad-Württ. Nach der Amtlichen Begründung zu § 65 LMG Bad-Württ sollte dadurch sichergestellt werden, "daß die Bildung des Medienrates ohne staatliche Einflußnahme erfolgt", abgedruckt bei BullingerjGöde/, LMedienG Bad-Württ, § 65. Vgl. § 66 LMG Bad-Württ. Vgl. § 66 Abs. 2 Satz 2 LMG Bad-Württ.

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tererlaubnis widerrufe 04 • Der Medienbeirat besitzt daher im Vergleich zu den pluralistisch besetzten Kontrollgremien anderer Bundesländer eine deutlich schwächere RechtsstellunglOS . In Berlin gibt es neben dem Kabelrat noch einen Koordinierungs- 106 und einen Programmausschuß 107, welche das Hauptorgan entlasten und beraten sowie insbesondere seiner Entscheidungsvorbereitung dienen sollen. Der Koordinierungsausschuß ist ein Instrument der Selbstkoordination privater Anbieter lO8 ; er soll den organisatorischen Rahmen bilden, damit sich die Anbieter über die Aufteilung verfügbarer Senderechte einigen, um auf diese Weise zu einem sachgerechten Ausgleich einander widerstreitender Interessen zu gelangen. Dieses Verfahren hilft dabei, die Akzeptanz der später vom Kabelrat zu treffenden Entscheidung zu verbessern lO9 . Der Koordinierungsausschuß besteht aus neun Mitgliedern, die vom Kabelrat für die Dauer eines Jahres berufen werden110• Acht der Mitglieder werden von den Anbietern vorgeschlagen, ein Mitglied vom Kabelrat. Der Programm ausschuß besteht ebenfalls aus neun Mitgliedern, von denen acht für die Dauer eines Jahres gewählt werden1l1 • Drei Mitglieder werden aufgrund von Vorschlägen der Anbieter berufen, drei aufgrund von Vorschlägen der Projektkommission ll2, je eines aufgrund des Vorschlages des Senators für Jugend und Familie und des Kultursenators, ein Mitglied wird vom Kabelrat ernannt. Der Programmausschuß hat die Beschwerden von Bürgern gegen Angebotsinhalte zu bearbeiten und den Kabelrat bei hinreichenden Anhaltspunkten für eine Rechtsverletzung zu unterrichten l13 • Die

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Vgl. Bullinger/GÖdel, LMedienG Bad-Württ, § 57, Rdnr. 6. Angesichts dieses Kompetenzdefizits äußerten einige Mitglieder des Medienrates die Auffassung, daß der Beirat "von vornherein nicht als Organ ausgestaltet, sondern als Alibi vorgesehen" sei, vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 3, 15; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 85: "der Einfluß des Medienrates ist im Ergebnis nur punktuell"; siehe ferner Hesse, DÖV 1986, 177, 186. Vgl. § 40 KPPG Berl. V gl. § 48 KPPG Berl. Vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 115, 139; Wagner, Landesmedienanstalten, S.122. Allerdings konnte in der Vergangenheit eine Einigung unter den verschiedenen Interessenten für eine Rundfunkerlaubnis meistens nicht erzielt werden, so daß letztlich doch der Kabelrat selbst die Entscheidung über die Vertreter fällen mußte, vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 115, 139. Vgl. § 40 Abs. 4 Satz 1 KPPG Berl. Vgl. § 48 Abs. 1 Satz 2 KPPG Berl. Vgl. zur Einrichtung und Funktion der Projektkommission § 3 KPPG Berl und Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 115, 145 ff. V g1. § 48 Abs. 2 KPPG Berl.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Beteiligung der Anbieter trägt dazu bei, daß alle entscheidungsrelevanten Tatsachen offengelegt und mögliche Beurteilungsgegensätze verdeutlicht werden; dieses Verfahren dient der freiwilligen Selbstkontrolle der Rundfunkveranstalter und der Vermeidung repressiver Maßnahmen des Kabelrates. Die Einrichtung des Programmausschusses konkretisiert damit den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in verfahrensrechtlicher Hinsicht 114 • (3) Das Hamburgische Mischmodell Eine Mischung der beiden bisher dargestellten Modelle für die Besetzung des Hauptorgans fmdet sich in Hamburg. Der hamburgische Gesetzgeber verfolgte das Ziel, die Mitgliederzahl des Vorstandes der Hamburgischen Anstalt für neue Medien im Interesse der Arbeitsfähigkeit des Hauptorgans zu begrenzen und zugleich die wichtigsten gesellschaftlich bedeutsamen Bereiche zu berücksichtigen 115• Der Vorstand besteht aus elf Mitgliedern116• Vorschlagsberechtigt sind insgesamt achtzehn zumeist gesellschaftliche Organisationen, die zu sechs Blöcken zusammengefaßt sind. Aus jedem Block kann eine große Anzahl von Vorschlägen kommen, mindestens müssen für einen gültigen Vorschlag aber vier Personen benannt werden 117• Aus dem vorgeschlagenen Kreis wählt die Bürgerschaft nach Fraktionsstärke mit einfacher Mehrheit die elf Mitglieder des Vorstandes, wobei jede Fraktion aus den Vorschlägen jedes Blockes grundSätzlich nur eine Person auswählen darf, aber im übrigen bei der Auswahl innerhalb jeder Gruppe frei ist 118 • Steht einer Fraktion allerdings nach ihrem Stärkeverhältnis die Wahl von mehr als sechs Mitgliedern zu, so kann sie noch weitere vorgeschlagene Personen in den Vorstand wählen ll9 • Um die Unabhängigkeit der Mitglieder des Vorstandes zu sichern, enthält das hamburgische Mediengesetz weitreichende Unvereinbarkeitsvorschrif-

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Vgl. in diesem Zusammenhang Eber/e, Vollprogramm als rundfunkrechtliehe Kategorie, Typoskript, S. 31, der es im Hinblick auf die inhaltlichen Anforderungen an die Veranstaltung eines Vollprogrammes angesichts der normativen Unschärfe der ein Vollprogramm kennzeichnenden Begriffe Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung für erforderlich hält, daß Aufsichtsanstalt und private Rundfunkanbieter bei der notwendigen Konkretisierung des Vielfaltsmaßstabes zusammenwirken. So ausdrücklich die Amtliche Begründung zu § 55 HmbMedienG, BüDrs. 11/3769, S. 36. Vgl. § 55 Abs. 1 HmbMedienG. Vgl. § 55 Abs. 2 HmbMedienG. Vgl. § 55 Abs. 4 Satz 2 HmbMedienG. Vgl. § 55 Abs. 4 Satz 3 HmbMedienG.

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ten l2O ; nur eine einmalige Wiederwahl der Mitglieder des Vorstandes ist zulässigl21 ; ferner sind sie keinerlei Weisungen unterworfen122 • Die Sitzungen des Vorstandes finden mindestens alle drei Monate statt; zu weiteren Sitzungen wird "nach Bedarf' einberufenl1J • Die Mitglieder des Vorstandes tagen nicht-öffentlich l24 • Obwohl der Vorstand der Hamburgischen Anstalt für neue Medien nur elf Mitglieder umfaßt und damit im Vergleich zu anderen Bundesländern numerisch verhältnismäßig klein ist, hat er aus seinen Reihen zwei Ausschüsse gebildet. Dazu gehören der Satzungsund Finanzausschuß sowie der Programm- und Zulassungsausschuß I25, die dem Vorstand zuarbeiten, insbesondere die vom Hauptorgan zu fällenden Entscheidungen gründlich vorbereiten sollenl26 • c) Verfassungsrechtliche Vorgaben für die Besetzung des Hauptorgans Nachdem wir uns bislang einen Überblick über die internen Strukturen der Landesmedienanstalten verschafft haben, gilt es im folgenden die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für den inneren Aufbau der Anstalten zu entwikkein. (1) Verfassungsrechtliche Notwendigkeit für eine pluralistische Zusammensetzung der Landesmedienanstalten Die unterschiedlichen landesrechtlichen Organisationsmodelle für die Zusammensetzung der Hauptorgane der Landesmedienanstalten lassen die Frage bedeutsam werden, ob eine Repräsentanz der gesellschaftlich relevanten Gruppen in diesen Organen der Zulassungs- und Aufsichtsgremien für den privaten Rundfunk wie beim binnenpluralistischen Integrationsrundfunk der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfassungsrechtlich geboten ist oder ob der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung

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Vgl. § 56 HmbMedienG. Vgl. § 55 Abs. 3 Satz 1, 2. Halbsatz HmbMedienG. Vgl. § 57 Abs. 2 Satz 2 HmbMedienG. Vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 HmbMedienG LV.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Hauptsatzung der HAM. Vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz HmbMedienG. Vgl. Ho!fmann-Riem/Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 215, 219. Vgl. § 58 Abs. 1 Satz 1 HmbMedienG iV.m. § 4 Abs. 3 der Hauptsatzung der HAM.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

zustehende prinzipiell weite Gestaltungsspielraum 127 Regelungssysteme wie in Baden-Württemberg und Berlin gestattet. Das Bundesverfassungsgericht konnte im Niedersachsen-Urteil diesen Problembereich ausgeklammert lassen, da sich der niedersächsische Landesrundfunkausschuß aus den gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammensetze 28• Im Nordrhein-WestfalenUrteil hat das Gericht in bezug auf die Aufsichtsgremien der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten wie der Landesmedienanstalten ausgeführt, daß die vielfaltssichernde und -erhaltenen Funktion dieser Gremien eine sachgerechte, der bestehenden Vielzahl prinzipiell Rechnung tragende Bestimmung und Gewichtung der maßgeblichen gesellschaftlichen Kräfte "verlangt"I29. Es erscheint allerdings fraglich, ob das Bundesverfassungsgericht damit die gruppen plurale Organisationsstruktur der Landesmedienzentralen zur verfassungsrechtlich verbindlichen Richtschnur für die Ausgestaltung des privaten Rundfunkbereichs erklärt hat. Dagegen spricht vor allem, daß die Prüfung jedwede Differenzierung zwischen den Kontrollgremien der öffent1ich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Landesmedienanstalten vermissen läßt, obwohl das Gericht noch im Niedersachsen-Urteil auf die geringere Intensität und Effektivität einer externen Kontrolle privaten Rundfunks durch die dazu berufenen Organe gegenüber der Kontrolle durch die entsprechenden Gremien der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten hingewiesen hae 3O • Auch ist zu berücksichtigen, daß Gegenstand des Verfahrens zum WDR-G und LRG NW nur die Frage war, ob die konkrete gruppenplurale Zusammensetzung der beiden Aufsichtsgremien verfassungsrechtlich zulässig ist, nicht aber, ob eine solche gruppenplurale Zusammensetzung auch verfassungsrechtlich geboten ist. Daher wird man die hier in Rede stehende Formulierung des Bundesverfassungsgerichts dahin zu interpretieren haben, daß der Gesetzgeber zu einer sachgerechten Auswahl der gesellschaftlichen Gruppen und Kräfte von Verfassungs wegen verpflichtet ist, wenn er sich für ein gruppenplurales Organisationsmodell der Landesmedienanstalten entscheidet, ohne damit zugleich auch die Frage nach der verfassungsrechtlichen Notwendigkeit eines solches Modells geklärt zu haben. Im Schrifttum werden zu diesem Problemkreis unterschiedliche Positionen bezogen. Teilweise wird eine gruppenpluralen Zusammensetzung der Kontrollgremien der Landesmedienanstalten als verfassungsrechtlich unabdingbar

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vgl. BVerfGE 57,295,321; 73, 118, 153; 74, 297, 324; BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 66 und

77. Aus der Literatur vgl. statt vieler Badura, Rundfunkgesetzgebung, S. 65 f.; HoffmannRiem, Hdb. des Verfassungsrechts, Bd. 1, S. 389, 346 f.; Lerche, Rundfunkmonopol, S. 74 f., 77 ff.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 313. Vgl. § 30 LRG Nds.

Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 77. Vgl. BVerfGE 73, 118, 170 f.

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erachtet!3!. Andere wiederum bestreiten die Erforderlichkeit einer binnenpluralistischen Organisationsstruktur für die Zulassungs- und Aufsichtsinstanzen des privaten Rundfunks und halten ebenfalls ein unabhängiges, durch das Parlament bestelltes Sachverständigengremium verfassungsrechtlich für zulässig!32. Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung der aufgeworfenen Frage sind zwei mögliche Argumentationsebenen voneinander zu unterscheiden: Zum einen könnte die Repräsentanz der gesellschaftlichen Gruppen in den Kontrollgremien der Landesmedienanstalten zur Förderung der Meinungsvielfalt und zur Verhinderung von einseitiger Meinungsmacht in den Rundfunkprogrammen privater Rundfunkanbieter verfassungsrechtlich erforderlich sein133 ; zum anderen erscheint zweifelhaft, ob die gebotene Staatsfreiheit bei der Aufsicht über den privaten Rundfunk gewahrt ist, wenn sämtliche Mitglieder des Hauptorgans durch staatliche Stellen gewählt werden; aus diesen Gründen könnte ein gruppenplurales Gremium notwendig sein, in das die gesellschaftlich relevanten Gruppen und Organisationen in freier Entscheidung und ohne staatliche Filterungsmöglichkeiten ihre Kandidaten entsenden!34. (a) Zulassung und Aufsicht privaten Rundfunks als gesellschaftliche Aufgabe Die Ausgestaltung der Rundfunkordnung hat dem Ziel zu dienen, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichster Breite und Vollständigkeit Ausdruck findet. Der Gesetzgeber hat durch den Erlaß materieller, organisatorischer und verfahrensrechtlicher Regelungen Vorsorge zu treffen, daß der Rundfunk nicht in die Abhängigkeit einzelner gesellschaftlicher Gruppen gerät. Das binnenpluralistische Modell der öffentlieh-rechtlichen Rundfunkanstalten beruht auf der Überlegung, daß sich

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vgl. Bethge, FuR 1984, S. 75, 81; ders., JZ 1985, 308, 311; Groß, NJW 1984, 409, 414; Lerche, NJW 1982,1676,1680; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 85 f.; Ricker/Schardt, ZRP 1983, 124, 127; SChmidt, Rundfunkvielfalt, S. 90 ff.; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenferne", S. 166 ff.; Stock, Medienfreiheit, S. 529 f.; siehe auch die von Bethge/Kübler verfaßte Stellungnahme der Landesregierung Nordrhein-Westfalens vom 30. September 1988 zur Normenkontrollklage gegen das Landesrundfunkgesetz NW (AZ: 1 BvF 1/88), Typoskript, S. 58 f. Vgl. Benda, Berliner Kabelpilotprojekt, S. 19; Gödel, in: Bullinger/Gödel, LMedienG BadWürtt, § 58, Rdnr. 3; Starck, JZ 1983, 405, 413; ders., in: v. Mangoldt/K1ein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 92; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 124 ff.; siehe ferner Bullinger, AfP 1983, 319, 325. Dazu unter (a). Dazu unter (b).

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

durch die Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Kräfte und Organisationen 135 an den internen Kontrollgremien der Rundfunkanstalten die gebotene Vielfalt und Ausgewogenheit in den Rundfunkprogrammen einstelle und vor allem die Bildung einseitiger Meinungsmacht im Rundfunk verhindert werde. Ob diesen Organisationsprinzipien folgend eine binnenpluralistische Besetzung der Landesmedienanstalten im Hinblick auf die Sicherung der Vielfaltsanforderungen der Verfassung im Privatfunk geboten ist, entscheidet sich maßgeblich nach den von den Anstalten wahrzunehmenden Aufgaben l36 • Es ist zu untersuchen, ob und inwieweit die Funktionen der Hauptorgane der Anstalten mit denen der Kontrollträger der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergleichbar sind oder ob nicht insoweit derart gewichtige funktionsbezogene Differenzen bestehen, daß eine unterschiedliche Zusammensetzung externer und interner Kontrollorgane gerechtfertigt sein könnte. Man könnte aus dem Wesen der Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen der Anstalten als gesellschaftliche Aufgaben das Erfordernis einer gruppenpluralen Zusammensetzung der Landesmedienzentralen ableiten. Zulassung wie Auswahl der privaten Rundfunkveranstalter eröffnen Einfluß- und Gestaltungsmöglichkeiten, weil diese Entscheidungstypen programmbezogene Wertungen erforderlich machen und darüber hinaus durch Elemente mit prognostischem Inhalt geprägt sind137• Aber auch die Aufsicht über private Rundfunkveranstalter erschöpft sich nicht lediglich in einer schlichten juristischen Subsumtionsarbeit, die sich im einzelnen gesetzlich programmieren ließe l38 • Obwohl die Programmkontrolldichte auf die Einhaltung eines Grundstandards gleichgewichtiger Vielfalt reduziert ist, bedarf die rechtliche

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Freilich bestehen kaum allgemeinverbindliche Kriterien für die Einschätzung der Gewichtigkeit und Bedeutsamkeit der einzelnen gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen (vgl. Evers, Der Staat, Bd. 3 [1964], 41, 55; lpsen, Mitbestimmung im Rundfunk, S. 46; Schmitt Glaeser, Der Staat, Bd. 13 [1974], 573, 580), so daß dem Gesetzgeber insoweit ein nur begrenzt justitiabier Einschätzungsspielraum zugestanden wird, der auf eine Evidenzkontrolle durch die Gerichte reduziert ist (BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 77: Gestaltungsspielraum bis zur Willkürgrenze; Badura, Rundfunkgesetzgebung, S. 41; Lerche, Landesbericht, S. 15, 72 ff.; ders., AfP 1984, 183, 198; kritisch zum Modell des Integrationsrundfunks Degenhan, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 547: "immanente Schwäche"). Auf den sachlichen Zusammenhang von wahrzunehmender Aufgabe und personeller Zusammensetzung der Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hat das BVerfGE 69, 53, 65 verwiesen. Entsprechendes gilt für die externe Kontrolle privater Anbieter durch die Landesmedienzentralen. Siehe 2. Teil, 2. Kapitel, V. 9. c) (1). Vgl. bereits den 2. Teil, 2. Kapitel, V 9 c) (2). Das wird nicht hinreichend vom Direktor der ULR (Sch-H) gewürdigt: "Zunächst einmal hat man die juristische Bedeutung dieser Arbeit völlig unterschätzt... Es ist eben nicht die programmlich, inhaltlich gestaltende, wertende, geschmackfragenorientierte Arbeit, sondern es ist eine am Gesetz sich ausrichtende rechtliche Subsumtionsarbeit zu leisten, und viel Verwaitungsarbeit", wiedergegeben bei Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 417, 422.

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Implementation dieses Vielfaltsmaßstabes wertender Erwägungen, weil die Bezugskriterien dieses Aufsichtsrnaßstabes an in hohem Maße unbestimmte und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe anknüpfen l39 • Wir haben aus der Eigenart dieser Funktionen gefolgert, daß Zulassung wie Aufsicht privaten Rundfunks angesichts der damit eröffneten programmbezogenen Entscheidungsspielräume spezifisch nicht-staatliche, im gesellschaftlich-politischen Wirkungskreis liegende Aufgaben sindl40 ; staatliche Stellen dürfen im Interesse eines sich staatsfrei vollziehenden gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses nicht mit der Ausübung dieser Befugnisse betraut werden. Die Zulassungs- und Aufsichtsaufgaben der Landesmedienanstalten sind in ihrem Kernbereich Sache der Allgemeinheie41 • Darin liegt auch der grundlegende Unterschied zu den Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt, die in Wahrnehmung der dem Staat obliegenden Justizgewährungspflicht, welche aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG, dem Richtervorbehalt des Art. 92 GG und dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dem einzelnen zum Recht zu verhelfen hae 42 • Die richterliche Unabhängigkeit ist untrennbarer Bestandteil der rechtsstaatlichen Verpflichtung zur staatlichen Justizgewähr l43 ; dies ändert aber nichts an dem staatlichen Charakter der Funktionen der dritten Gewalt. Daher kann die Wahl zu den staatlichen Rechtsprechungsorganen auch kein IVorbild" l44 sein für die Besetzung der Landesmedienanstalten, deren Aufgabenbereich wie der der

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Zutreffend daher Hoffmann·Riem, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 209, 220: "Die Rechtsaufsicht kann sich nicht auf die Subsumtion von aufsichtsfähigen Sachverhalten unter Rechtsnormen beschränken - dann wäre eine richterähnliche Konstruktion angezeigt gewesen -, sondern findet Raum für Gestaltung vor." Es ist daher richtig, wenn Hoffmann-Riem (a.a.O.) darauf hinweist, daß die Rundfunkaufsicht nicht "ausschließlich an hand des Konzepts rechtlicher bzw. rechtsgebundener Steuerung" beurteilt werden kann; vgl. auch Hellstem/Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 3, 21, die in der Arbeit der Landesmedienanstalten eine "Tendenz zur Justifizierung" erkennen wol1en; diese Formulierung ist aber insoweit mißvel'litändlich, als es nicht angehen kann, rechtliche Bindungen bei der Aufsicht über den privaten Rundfunk abzustreifen; es geht al1ein um das Eingeständnis, daß sich die Lösung schwieriger, die Vielfaltssicherung betreffende Einschätzungsfragen nicht ·unmittelbar aus dem Gesetz· ergibt, sondern wertende Beurteilungen des Rechtsanwendel'li verlangt. Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 85 f. leitet aus diesen vorhandenen programmbezogenen Gestaltungsmöglichkeiten die Notwendigkeit einer gruppenpluralen Gremienstruktur der Kontrol1organe ab; dagegen Gödel, in: Bul1ingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 57, Rdnr.6. Siehe bereits 2. Teil, 2. Kapitel, V 9 c) (3). Vgl. BVerfGE 36, 264, 275; 53, 115, 127; 54, 277, 291; BVerfG, NJW 1989, 1985; SchmidtAßmann, in: MDHS, Art. 19 IV, Rdnr. 16; Papier, Hdb. des Staatsrechts, Bd. VI, § 153, Rdnrn. 7 f., S. 1224 f.; ders., NJW 1990, 1, 9. Vgl. Henog, in: MDHS, Art. 92 IV, Rdnr. 74; Papier, NJW 1990, 1,9. So die Amtliche Begründung zu § 60 LMG Bad-Württ, abgedruckt bei Bullinger/GÖdel, LMedienG Bad-Württ, § 60.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten im gesellschaftlichen Bereich verankert ist. Die den Landesmedienanstalten übertragenen gesellschaftlichen Aufgaben sind insoweit mit denen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergleichbar, als die Anstalten mit der Veranstaltung und Verbreitung von Rundfunkprogrammen ebenfalls Funktionen gesellschaftlicher Provenienz ausüben. Diese gemeinsame "Schnittstelle", welche die Funktionen externer und interner Kontrollträger miteinander verbindet, könnte eine dem binnenpluralistischen Integrationsmodell der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entsprechende gruppen plurale Organisationsform für die externen Kontrollgremien des privaten Rundfunks erforderlich machen. Dennoch darf bei Beurteilung dieser Frage die unterschiedliche Aufgabenstellung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Landesmedienanstalten nicht unberücksichtigt bleiben l45 • Wie bereits oben gezeigt, läßt sich die Kontrolltätigkeit der Landesmedienanstalten mit denen der Rundfunkräte beziehungsweise des Fernsehrates öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten nach Intensität und Effektivität nicht vergleichen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten produzieren selbst Rundfunkprogramme. Die binnenpluralistisch zusammengesetzten Gremien der Anstalten sind zwar nicht unmittelbar an der Programmgestaltung beteiligt. Gleichwohl können sie über Personalentscheidungen, Richtlinien und weitere Vorfeldmaßnahmen die Rahmenbedingungen für die Veranstaltung von Rundfunksendungen setzen und damit an der Gestaltung von Rundfunkdarbietungen mittelbar teilnehmen. Sie verfügen daher über weitgehende programmbezogene Gestaltungsmöglichkeiten, die sich nicht nur auf eine nachträgliche Kontrolle bereits gesendeter Beiträge beschränken, sondern auch schon vor der Ausstrahlung der Programme aktuell werden. Diese Aufgaben bedingen eine Beteiligung der gesellschaftlichen Gruppen an den internen Kontollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, um auf diese Weise die gebotene Meinungsvielfalt und Ausgewogenheit in den Rundfunkprogrammen zu gewährleisten146.

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Vgl. Gödel, in: BullingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 57, Rdnr. 6, betont in bezug auf den Medienrat nach bad.-württ. Landesrecht, daß dieses Organ kein "externer Rundfunkrat" ist; Hesse, DÖV 1986, 177, 186; Rüggeberg, Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 120; siehe auch Jarass, Gutachten zum 56. DIT, Rdnr. 148; ders., ZUM 1986. 303, 317: "völlig anderer Natur". Auf die grundsätzlichen Mängel pluralistischer Organisationsmodelle kann hier nicht eingegangen werden, vgl. dazu HOffmann-Riem, Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, s. 44 ff. m.w.N.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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Demgegenüber verfügen die Landesmedienanstalten über vergleichsweise nur begrenzte Kompetenzen gegenüber den privaten Rundfunkanbietern. Die Anstalten haben nicht die Aufgabe, bei der inhaltlichen Gestaltung der Rundfunkprogramme privater Veranstalter mitzuwirken. Sie sollen die privaten Rundfunksender lediglich auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen hin überwachen und können erst dann einschreiten und Sanktionen verhängen, wenn Sendungen gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen. Im Gegensatz zu den internen Kontrollgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kommt ihnen kein positiver Einfluß auf die Programmgestaltung zu147. Zudem gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für den Bereich der Programmkontrolle nur ein eingeschränkter Kontrollmaßstab, der lediglich auf die Wahrung eines Grundstandards gleichgewichtiger Vielfalt in den Rundfunkangeboten privater Anbieter abziele 48 • Zu diesem zu sichernden Grundstandard gehört insbesondere, daß alle gesellschaftlichen Kräfte die Möglichkeit besitzen, in den Programmen des privaten Rundfunks zu Wort zu kommen und daß die Bildung einer vorherrschenden Meinungsmacht verhindert wird l49 • Angesichts dieses reduzierten Kontrollmaßstabes bestehen keine durchgreifenden Bedenken, die notwendigen Kontrollaufgaben in die Hand eines kleinen, aus unabhängigen Persönlichkeiten bestehenden Sachverständigengremiums zu legenl50 • Daß dadurch erhebliche, die Grenze des verfassungsrechtlich Erträglichen überschreitende Einbußen bei der Vielfaltskontrolle zu befürchten sind, läßt sich wohl kaum behaupten. Die Ausgrenzung bestimmter Meinungsrichtungen in privaten Rundfunkprogrammen, die den privaten Veranstaltern obgleich reduzierter Vielfaltsanforderungen verwehrt ist, würde in der Regel wohl nicht verborgen bleiben, weil die betroffenen Gruppen in derartigen Fällen etwa durch Programmbeschwerden auf vorhandene Vielfaltsdefizite hinweisen dürften; zwar vermögen solche externen Anstöße schon aufgrund ihrer Zufallsbedingtheit eine eigene Kontrolle der Programme durch die Aufsichtsinstan-

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 170; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 126 f. Allerdings ist zu beachten, daß nachträgliche Sanktionen auf Gesetzesverstöße regelmäßig auch Folgewirkungen auf die künftige Programmgestaltung eines Anbieters haben werden, so daß repressive Kontrollmaßnahmen insoweit auch präventive Effekte zeitigen können. Vgl. hierzu bereits den 2. Teil, 2. Kapitel, V. 9. c) (2). Vgl. BVerfGE 73, 118, 159 f. Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/KIein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 92, der davon ausgeht, daß "Pluralismus nicht nur durch verbandliche Entsenderechte, sondern auch durch ein relativ kleines Gremium unabhängiger Persönlichkeiten dargestellt werden" könne; so auch Gödel, in: Bullinger/Gödel, LMedienG Bad-Württ, § 58, Rdnr. 3; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 125 ff., insbesondere S. 127.

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zen nicht zu ersetzeni51 ; dennoch können Hinweise und Beschwerden aus dem Kreis der Öffentlichkeit die Kontrolltätigkeit der Landesmedienanstalten unterstützen und sinnvoll ergänzen 152• Im Bereich der Programmkontrolle erscheint eine positive Beteiligung und Berücksichtigung der gesellschaftlichen Gruppen zur Sicherung der gebotenen Vielfalt im privaten Rundfunk keinesfalls als verfassungsrechtlich unumgänglich. Ob dies gleichermaßen für die Zulassungsfunktionen der Landesmedienanstalten gilt, ist dagegen zweifelhaft. Im Vergleich zur repressiven Programmkontrolle eröffnen Zulassung und Auswahl privater Rundfunkanbieter ungleich weitere Handlungs- und Wertungsspielräume, welche von den Anstalten für programmgestaltende Entscheidungen genutzt werden können l53 • Mit Hilfe der Programmstruktur können Anforderungen insbesondere an die gegenständliche Vielfalt l54 näher konkretisiert und festgelegt und damit zum Inhalt der Zulassung gemacht werden. Diese erheblichen programmbezogenen Steuerungsmöglichkeiten könnten im Interesse der Förderung von Meinungsvielfalt im privaten Rundfunk eine gruppenplurale Gremienstruktur der Landesmedienanstalten erforderlich machen!55. Diese Schlußfolgerung ließe aber für die (tatsächliche) Bedeutung der Zulassungsentscheidung für die Vielfaltssicherung in den privaten Rundfunkprogrammen wenig Augenmaß erkennen. Die Landesmedienanstalten müssen ihre Vergabeentscheidung im wesentlichen auf der Grundlage der Angaben der Interessenten für eine Rundfunkerlaubnislizenz treffen. Diese Informationen besitzen aber zumeist wenig Aussagekraft, da sie häufig lediglich den Wortlaut der entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen wiedergeben i56 • Auch können zu starke Bindungen an die im Zulassungsverfahren gemachten "Zusicherungen" dem Veranstalter die für ein attraktives Programm unerläßliche Flexibilität nehmen l57 • Die Anbieter müssen meist selbst noch Erfahrungen über die Akzeptanz des beabsichtigten Programmes 151

So zutreffend Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 59, 80.

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Darauf wird zu Recht hingewiesen durch BVerfGE 73, 118, 169; vgl. auch HoffmannRiem, HmbStVwR, S. 470,526; Thaenen, DLM-Jahrbuch 1988, S. 35, 41; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 127. Das BVerfGE 73, 118, 170 f. sieht in dem Einfluß der Landesmedienanstalten auf die Zulassung privater Veranstalter zu Recht eine Ausnahme von ihrer prinzipiell auf eine repressive Programmkontrolle reduzierten Funktion, die Einwirkungsmöglichkeiten "im Vorfeld" nicht zuläßt. Vgl. zu den einzelnen Dimensionen der Vielfalt Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 59, 68 ff. Vgl. Bethge, FuR 1984, 75, 81; ders., JZ 1985, 308, 311; ders., ARD-Stellungnahme zum LRG Nds, S. 189; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenferne", S. 166. Vgl. Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 59, 85. So zu Recht Hoffmann-Riem, HmbStVwR, S. 470, 491.

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sammeln und können sich infolgedessen bei der Zulassung noch nicht auf bestimmte Inhalte festlegen i58 • Man wird daher den Zulassungsentscheidungen keine allzu große Bedeutung für die Förderung und Wahrung von Vielfalt und Ausgewogenheit in den Programmen privater Rundfunkveranstalter beimessen können l59 • Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß die Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen der Landesmedienanstalten als gesellschaftliche Aufgaben zwar eine gruppenplurale Zusammensetzung der Hauptorgane der Anstalten nahelegen. Gleichwohl erscheint eine Gruppenrepräsentanz in den Kontrollgremien nicht als der einzige verfassungsrechtlich gangbare Weg; die kollegialen Organisationsmodelle in Baden-Württemberg und in BerIin sind unter dem Aspekt der gebotenen Sicherung von MeinungsvielfaIt in den privaten Rundfunkprogrammen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, so daß der Gesetzgeber insoweit den ihm zustehenden prinzipiell weiten GestaItungsspielraum nicht überschritten hae 60 • (b) Gremienbesetzung und Staatsunabhängigkeit In der Literatur wird die Auffassung vertreten, daß eine gruppenplurale Gremienstruktur nicht nur im Interesse einer gesellschaftlichen Steuerung der Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen der Landesmedienanstalten, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks geboten seil61 • Dieses Argument ist angesichts der Erfahrungen mit der Bestellung der binnenpluralistisch strukturierten Kontrollgremien der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten mit Skepsis zu betrachten; die Gruppenrepräsentanz bietet für sich genommen noch keine hinreichende Gewähr für die notwendige Staatsunabhängigkeie 62 • Im folgenden ist der Frage nachzugehen, ob ein gruppenplurales Gremium im Hinblick auf seine Zusammensetzung und in bezug auf den Besetzungsmodus für staatliche Implikationen weniger anfällig ist als ein durch Zwei-

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Vgl. Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. 111, S. 59, 86.

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Vgl. Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. 111, S. 59, 86 mit zahlreichen Hinweisen auf die Praxis; siehe auch Thaenert, OLM-Jahrbuch, S. 35, 4l.

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Im Ergebnis ebenso Benda, Berliner Kabelpilotprojekt, S. 19; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 127 und 129. Vgl. Bethge, FuR 1984, 75, 81; ders., JZ 1985, 308, 311; ders., ARD-Stellungnahme zum LRG Nds, S. 189; Frank, OÖV 1985, 97, 101; SChmidt, Rundfunkvielfalt, S. 92; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 164; Stock, Medienfreiheit, S. 477 f. Vgl. dazu Hoffmann-Riem, Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, S. 46 ff.; Lerche, Landesbericht, S. 15, 75 ff.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

drittelmehrheit des jeweiligen Parlamentes gewähltes kleines Kontrollorgan. Wir werden bei diesem Vergleich insbesondere nach den systemimmanenten strukturellen Unterschieden beider Modelle fragen, so daß als Bezugsmaßstäbe nicht allein nur die landesrechtlichen Regelungen in Betracht kommen; vielmehr wird die Darstellung zeigen, daß einzelne Regelungsstrukturen bei der Besetzung der gruppenpluralen Gremien mit dem Gebot der Staatsfreiheit unvereinbar sind, ohne daß dadurch dieses System als solches berührt wird. Die Erörterungen werden deutlich machen, daß sich staatliche Ingerenzen auf die Willensbildung der Kontrollträger der Landesmedienanstalten niemals mit Sicherheit ausschließen lassen. Angesichts dieses Dilemmas kann es nur darum gehen, dem Staat den "Zugriff' auf die Landesmedienanstalten so schwer wie möglich zu machen l63 • Der Gesetzgeber darf daher nicht das Verfahrensmodell wählen, welches dem Staat ein - strukturell bedingtes - erhöhtes Einflußpotential verschafft. (aa) Pluralistische Gremienstruktur < 1> Repräsentanz staatlicher Vertreter

Das Bundesverfassungsgericht hat im Niedersachsen- und Nordrhein-Westfalen-urteil gegen die Beteiligung einer geringen Anzahl von staatlichen Vertretern in den Organen der Landesmedienanstalten verfassungsrechtlich keine Bedenken angemeldet. Die Ausführungen lassen allerdings deutlich werden, daß der Staat keinen bestimmenden Einfluß innerhalb der Organisation des neutralisierten Kontrollträgers gewinnen dare 64 • Das Gericht bezieht sich ausdrücklich auf das erste Fernseh-Urteil, in dem eine angemessene Repräsentanz von staatlichen Vertretern in den Organen der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten gebilligt wird l65 • Auch die ganz überwiegende Auffassung in der Literatur geht davon aus, daß sich aus der Verfassung kein absolutes Verbot staatlicher Einflußnahme auf die Besetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ableiten ließe l66 •

in bezug auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Wieland, Freiheit des Rundfunks, S. 248. Vgl. BVerfGE 73, 118, 165; BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 76. Vgl. BVerfGE 12, 205, 263; vgl. auch BayVerfGH, BayVBI. 1989, 303, 304 ff. Vgl. nur Bethge, Reorganisation, S. 51 f.; ders., ARD-Stellungnahme zum LRG Nds, S. 187; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 557; Lerche, Landesbericht, S. 15, 75 ff.; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 48: Starck, in: v. Mangoldt/KIein/Starck, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 79; siehe auch Lenz, JZ 1963, 338, 347, wobei allerdings seine Ausführungen auf S. 342 f. dazu im Widerspruch stehen, worauf Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 95 in Fn. 537 zu Recht hinweist.

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Entsprechendes wird für die Zusammensetzung der Zulassungs- und Aufsichtsgremien für den privaten Rundfunk vertreten l67 • Diese Ansicht beruht auf der Annahme, daß der Staat bis diesseits der Beherrschungsgrenze Einfluß auf den Rundfunk nehmen könne. Wir haben bereits oben gesehen, daß staatlichen Stellen die Mitwirkung am gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß mangels Kompetenztitels grundsätzlich untersagt ist, unabhängig davon, ob dieser Einfluß beherrschend oder nicht beherrschend ist l68 • Soweit der Staat den Meinungs- und Willensbildungsprozeß beeinträchtigt, gerät er unter Rechtfertigungszwang. Daher kann es auch nicht angehen, staatlichen Organen einen bis zur Dominanzschwelle reichenden Einfluß auf die interne Willensbildung der Landesmedienanstalten zu gestatten, deren Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen Rückwirkungen auf den gesellschaftlichen Kommunikationsprozeß haben, aus dem sich der Staat gerade herauszuhalten hae 69 • Derartige staatliche Einwirkungsmöglichkeiten widersprechen der Bedeutung der öffentlichen Meinung als Integrations-, Legitimations- und Kontrollfaktor staatlicher Herrschaftsausübung. Der Prozeß öffentlicher Meinungs- und Willensbildung des Volkes hat sich staatsfrei zu vollziehen, weil er nicht der Absicherung staatlicher Macht dient. Ist der Grundsatz der Staats freiheit nicht lediglich auf ein Verbot dominierender staatlicher Einwirkungen gegenüber den Landesmedienanstalten reduziert, sondern erstreckt er sich auf jeden staatlichen Störfaktor, so läßt sich eine staatliche Repräsentanz in den Hauptorganen der Anstalten auch nicht mit dem Hinweis auf möglicherweise bestehende unterschiedliche Interessenlagen bei einzelnen Vertretern des Staates rechtfertigen l70 • Zwar 167 168

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Vgl. Bethge, ARD-Stellungnahme zum LRG Nds, S. 190; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 167; wohl ebenso Wagner, Landesmedienanstalten, S. 113 f. Zutreffend daher in bezug auf die Beteiligung von Regierungsmitgliedern an den Organen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Starck, Rundfunkfreiheit, S. 27 und 42; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 95: "Dabei ist es nicht ausschlaggebend, darauf abzustellen, daß die Regierungsrepräsentanten in der Minderheit bleiben, entscheidend ist allein, ob die Regierung als Staatsorgan sich auf eine verfassungsrechtliche Grundlage berufen kann"; vgl. im übrigen bereits 2. Teil, 1. Kapitel, IV. und 2. Kapitel 11. 2. b). Zu Recht sieht Hesse, JZ 1991, 357, 358 einen "gewissen Kontrast" in den Ausführungen des Nordrhein-Westfalen-Urteils, wenn das Bundesverfassungsgericht in bezug auf die angeriffene Vorschrift über die staatliche Frequenzverwaltung bereits die "Gefahr staatlicher Einflußnahme" auf den Programminhalt für die Feststellung der Nichtigkeit der betreffenden Norm genügen läßt (BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74), während es die Beteiligung kommunaler und damit staatlicher Vertreter am lokalen Rundfunk solange zuläßt, bis dadurch kein "bestimmender Einfluß" ausgehen könne (BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 76). Vgl. dazu die bereits oben erwähnte Entscheidung des BayVerfGH, BayVBI. 1989, 303, 306, in der dieser den Anteil von drei Vertretern der Länder und einem Vertreter des Bundes in dem neunköpfigen Fernsehrat des ZDF als mit der Bayerischen Verfassung

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

sind die staatlichen Einwirkungs- und Steuerungsräume um so größer, je stärker die einzelnen staatlichen Instanzen zu einer "homogenen Gruppe" verschmolzen sind und um so geringer, je vielschichtiger, heterogener die staatlichen Interessenstrukturen sind. Damit sind allerdings lediglich Ausmaß und Intensität der staatlichen Störpotentiale auf den Rundfunk beschrieben. Dessen ungeachtet ist jedoch die Beteiligung eines jeden staatlichen Vertreters an den Kontrollgremien der Landesmedienzentralen für sich genommen bereits legitimierungsbedürftig. Im übrigen sind leistungsfähige und verläßliche Bestimmungskriterien für das Vorhandensein einer "homogenen Gruppe" nicht ersichtlich. Beispielsweise wird man Regierung und parlamentarische Opposition wohl kaum einer "homogenen Gruppe" zurechnen können; gleichwohl können ihre Interessen und Standpunkte in bestimmten Teilbereichen auch übereinstimmen171 • Ein solcher die staatliche Repräsentanz in den Zulassungs- und Aufsichtsgremien für den privaten Rundfunk legitimierender Grund ist weit und breit nicht ersichtlich. Zwar haben staatliche Organe im Rahmen zulässiger Öffentlichkeitsarbeit den Bürger über die staatlichen Angelegenheiten zu unterrichten. Diese Form staatlicher Beeinflussung gesellschaftlicher Kommunikationsräume zielt jedoch nicht auf die Abstützung staatlicher Herrschaftsausübung, sondern findet ihren inneren, sie rechtfertigenden Grund im Informationsbegehren der Bürger, die zur Wahrnehmung ihrer aktivbürgerlichen und politischen Rechte dieser Informationen bedürfen. Kommt der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung damit eine dienende Funktion gegenüber dem Prozeß gesellschaftlicher Kommunikation zu, kann dem Staat aus dieser Mittlerfunktion auch kein Kompetenztitel für eine Beteiligung an der Willensbildung der Landesmedienanstalten zuwachsen. Es bedarf keiner "gleichwertigen", stimmberechtigten staatlichen Repräsentanz, um mögliche Informationslücken auf seiten der gesellschaftlichen Gruppen in den Organen der Landesmedienanstalten ausfüllen zu können. Es ist völlig ausreichend, wenn die jeweilige Regierung berechtigt ist, einen Vertreter zu den Sitzungen des Hauptorganes der Landesmedienanstalten zu entsenden und diesem das Recht zusteht, sich zu allen entscheidungsrelevanten Fragen zu äußern172 • Eine darüber hinausgehende, mit Stimmrecht ausgestattete und damit organbeeinflussende Vertretung der Regierung in den Kontrollträgern der Landes-

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vereinbar erklärt, weil der Einfluß "der" Staatsgewalt "föderalistisch gebrochen" sei; siehe auch Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. I, 2, Rdnr. 557; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 42 f.; Stettner, Rundfunkstruktur im Wandel, S. 43 ff. Vgl. dazu Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 43 und 66. Vgl. § 40 Abs. 4 HPRG; § 58 Abs. 3 HmbMedienG; § 35 Abs. 2 LRG Nds; § 59 Abs. 2 Satz 4 LRG NW; § 45 Abs. 3 LRG Sch-H.

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medienzentralen ist nicht erforderlich und somit verfassungsrechtlich unzulässig. Dagegen läßt sich auch nicht mit Erfolg einwenden, daß das Pluralismusgebot zur Förderung von Meinungsvielfalt im Rundfunk als einem zentralen rundfunkrechtlichen Organisationsprinzip für die Darstellung von Themen und Sachverhalten gerade auch aus dem staatlichen Bereich gilt. Es wäre verfehlt, dieses Ausgewogenheitsgebot des Rundfunks durch eine Beteiligung von Staatsvertretern in den Kontrollgremien der Landesmedienanstalten organisatorisch abzustützen. Denn das rundfunkspezifische Pluralitätsgebot zielt allein auf ein gleichgewichtiges Zuwortekommen der gesellschaftlichen Gruppen und Kräfte im Rundfunk 173 ; es begründet aber keinen Legitimationsgrund für eine Mitwirkung staatlicher Stellen im Rahmen des gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozesses. Für die Ausgewogenheit in den Programmen privater wie öffentlich-rechtlicher Rundfunkanbieter haben - auch soweit es um Sachverhalte und ThemensteIlungen aus dem staatlichen Bereich geht - ausschließlich die gesellschaftlich relevanten Gruppen und Kräfte Sorge zu tragen 174 • Käme es zu nachhaltigen Vielfaltsstörungen im Bereich staatsbezogener Sendetätigkeit privaten Rundfunks, ohne daß die zuständige Landesmedienanstalt die zur Wiederherstellung gleichgewichtiger Vielfalt erforderlichen Maßnahmen treffen würde, so müßte gegebenenfalls die Struktur der gesellschaftlichen Gruppenrepräsentanz in der entsprechenden Landesmedienanstalt verändert werden. Keinesfalls ist es aber gerechtfertigt, staatlichen Organen zur Verhinderung derartiger Störungen Einflußrechte auf die organschaftliche Willensbildung der Anstalten einzuräumen. Denn dieses stünde mit der im gesellschaftlichen

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Vgl. nur BVerfGE 57, 295, 320. Gänzlich unverständlich daher BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 76, wonach die "sachliche Rechtfertigung" der Minderheitsbeteiligung der Gemeinden am privaten Lokalrundfunk darin liegen soll, "daß sie ein Gegengewicht gegen die Gefahr eines vorwiegend kommerziellen Interesses an der Rundfunkveranstaltung schafft und dazu beitragen kann, die lokalen Belange im Rundfunk angemessen zur Geltung zu bringen." Das Bundesverfassungsgericht begründet nicht, warum es gerade Aufgabe staatlicher Vertreter sein soll, der Gefahr einer Kommerzialisierung privaten Lokalrundfunks zu begegnen, und warum sich dieses gebotene "Gegengewicht" nicht aus dem gesellschaftlichen Spektrum rekrutieren kann. Ebensowenig vermag die Notwendigkeit einer Berücksichtigung lokaler Belange im privaten Lokalrundfunk eine Beteiligung kommunaler Vertreter an privaten Veranstaltern zu rechtfertigen. Denn dies ist entsprechend der Sachaufgabe Rundfunk als einer im gesellschaftlichen Bereich wurzelnden Angelegenhei! ausschließlich Sache der lokalspezifischen gesellschaftlichen Kräfte und Gruppen. Die Gemeinden kommen dagegen nicht als Sachwalter lokaler Interessen in Betracht. Denn sie unterliegen als Teil der Staatsgewalt selbst der öffentlichen Kritik und Kontrolle, die - wie im Urteil andernorts ausdrücklich festgestellt wird (BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74) - durch den Rundfunk nur dann wirksam wahrgenommen werden kann, wenn der Staat keinen Einfluß auf die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen nehmen kann.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Bereich wurzelnden Aufgabenstellung der Landesmedienzentralen nicht in Einklang. Gegen dieses Ergebnis spricht auch nicht, daß die Landesmedienanstalten neben den im gesellschaftlichen Bereich liegenden Aufgaben oftmals auch Zuständigkeiten besitzen, die ebenso von einer staatlichen Verwaltungsbehörde wahrgenommen werden könnten175• Zunächst einmal spielen diese Angelegenheiten bei der praktischen Arbeit der Anstalten eine zumeist nur untergeordnete Rolle. Vor allem aber kann sich eine stimmberechtigte Mitgliedschaft in den Hauptorganen vernünftigerweise nur auf den gesamten Arbeitsbereich der Anstalten beziehen, der aber in seinem Schwergewicht gesellschaftlicher Provenienz ist. Nach hiesiger Ansicht ist eine Beteiligung einer auch nur geringen Anzahl von Vertretern des Staates an den pluralistischen Gremien der Landesmedienanstalten bereits verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Zu den Vertretern des Staates gehören alle Regierungsmitglieder und Mitglieder einer gesetzgebenden Körperschaft; auch die Gemeinden sind trotz des ihnen zustehenden Selbstverwaltungsrechts ein Stück "Staat,,176. Demgegenüber erscheint eine zahlenmäßig geringfügige Beteiligung von Vertretern der Berufskammern an den Organen der Landesmedienanstalten verfassungsrechtlich zulässig. Zwar sind die Berufskammern als Teil der mittelbaren Staatsverwaltung dem staatlichen Bereich zuzurechnen. Dennoch ist ihr Aufgabenfeld nicht nur auf die Wahrnehmung von Staatsinteressen ausgerichtet. Vielmehr verfolgen die Kammern zumindest auch unmittelbar spezifische Sonderinteressen ihrer Mitglieder177 • Dieser überschießende, auf eine gesellschaftliche Interessenvertretung zielende Teil ihres Funktionsbereiches läßt eine angemessene Präsenz der Vertreter der Berufskammern in den Organen der Landesmedienanstalten gerechtfertigt erscheinen. < 2 > Repräsentanz von Vertretern politischer Parteien

Die politischen Parteien zählen als frei gebildete, im gesellschaftlich politischen Bereich wurzelnde Gruppen nicht zur staatlichen Sphäre. Gleichwohl wirken in einer ausgeprägten parteienstaatlichen Demokratie, welche die Verfassungswirklichkeit kennzeichnet, staatlicher Einfluß und Einflußnahme jedenfalls der jeweiligen Mehrheitsparteien auf den Rundfunk in aller Regel 175 176 177

Vgl. BVerfGE 73, 118, 185 f. Vgl. BVerfGE 73, 118, 191; BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 76; vgl. bereits 2. Teil, 2. Kapitel, V.4. Vgl. dazu bereits 2. Teil, 2. Kapitel, V. 8.

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zusammen; dies mag das Bundesverfassungsgericht im Niedersachsen-Urteil dazu bewogen haben, den Ausschluß politischer Parteien vom privaten Rundfunk unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit zu rechtfertigen 178 • Auch die wohl überwiegende Meinung hält angesichts der engen Verflechtung von Staat und politischen Parteien eine Differenzierung zwischen staatlicher und parteipolitischer Einflußnahme auf den Rundfunk nicht für angebrache 79 • Dennoch ist eine solche Unterscheidung unbedingt erforderlich, weil staatliche Einflußnahme auf den Rundfunk verfassungsrechtlich völlig anders zu bewerten ist als diejenige gesellschaftlicher Kreise, deren Artikulationsmöglichkeiten im Rundfunk gerade sicherzustellen sind l80 • Allerdings bedarf es wirksamer und verläßlicher Sicherungen, um zu verhindern, daß sich der Einfluß der Parteien auf die Besetzung der Zulassungs- und Aufsichtsgremien für den privaten Rundfunk realiter als verdeckte staatliche Einflußnahme herausstellt. Dazu sind zunächst einmal umfassende Inkompatibilitätsregelungen erforderlich, welche den Mitgliedern staatlicher Organe die gleichzeitige Zugehörigkeit in den Hauptorganen der Landesmedienanstalten untersagen l81 • Darüber hinaus ist ihre Unabhängigkeit von staatlichen Organen im Rahmen der praktischen Arbeit durch vollständige Weisungsfreiheit zu gewährleisten. Entscheidend dürfte jedoch sein, daß die parteiinternen Gremien selbst über die erforderliche Auswahl entscheiden und "ihre" Vertreter in die Organe der Landesmedienanstalten entsenden. Dieses Entscheidungsrecht kann nicht von den in den jeweiligen Landesparlamenten gebildeten Fraktionen ausgeübt werden; denn die Fraktionen sind Teile der gesetzgebenden Körperschaft und mit den Parteien nicht identisch l82 • Unter Beachtung dieser Grundsätze läßt sich die Beteiligung der Vertreter politischer Parteien an den Entscheidungsgremien der Landesmedienanstalten unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit verfassungsrechtlich nicht beanstanden. Zwar werden Regierung und Opposition stets bestrebt sein, die ihnen "genehmen" Kandidaten vom "Parteivolk" in die Gremien der Anstalten wählen zu lassen; dieses Restpotential staatlicher Einflußnahmemöglichkeiten läßt sich indes nicht ausschließen und findet seine Rechtferti178 179 180

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 190. Vgl. die Nachweise im 1. Teil, 2. Kapitel, IV. und 2. Teil, 2. Kapitel, V. 3. Vgl. bereits den 2. Teil, 1. Kapitel, IV. und 2. Kapitel, V. 3. So auch Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 170. Das Bundesverfassungsgericht stellt im Zusammenhang mit den verfassungsrechtlichen Grenzen zulässiger Offentlichkeitsarbeit der Regierung ebenfalls darauf ab, ob die Staatsorgane in ihrer amtlichen Funktion auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes Einfluß nehmen oder ob Staatsvertreter außerhalb ihrer amtlichen Funktionen für ihre Parteien tätig werden, vgl. BVerfGE 44, 125, 141 und 155.

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gung in der verfassungsrechtlich vorgezeichneten besonderen Stellung der politischen Parteien als Mittler zwischen Volk und Staatsorganenl83 • Bestellung der Vertreter gesellschaftlicher Gruppen durch Bestätigung des Parlamentes? Sofern die Hauptorgane der Landesmedienanstalten gruppenpluralistisch zusammengesetzt sind, erhebt sich die Frage, ob die Repräsentanten der gesellschaftlich relevanten Gruppen von ihren Organisationen selbst in die Gremien entsandt werden können oder ob die Bestätigung oder Auswahl dieser Kandidaten in die Hände des Parlamentes gelegt werden darf oder sogar gelegt werden muß. < a > (Demokratische) Legitimation der Vertreter gesellschaftlicher Gruppen

Gegen ein verbindliches Entscheidungsrecht der gesellschaftlichen Gruppen und Institutionen könnte man deren fehlende demokratische Legitimation anführen, was angesichts der weitreichenden Befugnisse der Landesmedienanstalten gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern bedenklich erscheinen könnte l84 • Nach allgemeiner Auffassung ist die demokratische Legitimation nur gewährleistet, wenn eine vom Volk oder von seiner gewählten Vertretung ausgehende Legitimationskette aller mit Staatsgewalt betrauten Amtswalter vorhanden ise&5. Die demokratische Legitimation ist individuell für jeden

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Unter Vielfaltsaspekten erscheint dagegen eine Begrenzung des Einflusses der politischen Parteien auf die Landesmedienanstalten verfassungsrechtlich erforderlich, vgl. dazu bereits 2. Teil, 2. Kapitel, V. 3., Fn. 223. In der Literatur wird teilweise die besondere demokratische Legitimation des mit Zweidrittelmehrheit parlamentarisch bestellten Vorstandes in Baden-Württemberg und Kabelrates in Berlin betont, vgl. Degenhart, AfP 1988, 327, 331; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 126 f., der sogar in Frage stellt, "ob die Kontrolltätigkeit der Landesmedienanstalten ... zulässigerweise auf Gruppenvertreter übertragen werden darf"; Zwischenbereichl des Kabelrats, S. 181 f.; siehe auch Gödel, in: BullingerjGödel, LMedienG Bad-Wütt, § 60, Rdnr. 1. Vgl. zur parlamentarischen (Aus-) Wahl von Mitgliedern der Rundfunkräte öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Hofftnann-Riem, Rundfunkfreiheit durch Rundfunkorganisation, S. 55 f.: ·positiver Wert demokratisch-parlamentarischer Legitimation" (S. 56); Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 58; Ihlefeld, ZUM 1987, 604, 610; vgl. ferner Püttner, DVBI. 1986, 1198, 1199. Vgl. BVerfGE 38, 258, 271; 44, 125, 139; 47, 253, 271 f.: HessStGH, DVBI. 1986, 936, 937; VerfGH NW, DVBI. 1986, 1196; Böcken[örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 16, S. 896 f.; Kriele, VVDStRL Bd. 29 (1971), 46, 63.

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Amtswalter erforderlich l86 • Soweit die Berufung durch Wahlen erfolgt, müssen diese die demokratische Legitimation dadurch sichern, daß entweder das Volk oder seine Vertretung oder anderweitig demokratisch legitimierte Organe wählen l87 • Diese Form der demokratischen Legitimation ist nach dem Grundgesetz und nach den Landesverfassungen geboten, wenn Staatsgewalt ausgeübt wird. Damit ist der gesamte Bereich öffentlicher Verwaltung des Staates gemeint. Es soll keine vom Volk nicht legitimierte und kontrollierte Bereiche verwaltender Tätigkeit des Staates geben l88 • Das Prinzip der individuellen Berufung gilt mithin uneingeschränkt für sämtliche Formen unmittelbarer wie mittelbarer Staatsverwaltung. Für die Landesmedienanstalten als geborene Träger gesellschaftlicher Selbstverwaltung kann das Erfordernis demokratischer Legitimation dagegen nicht gelten. Sie üben im Kernbereich ihres Aufgabenfeldes staatsfremde Tätigkeiten aus, da die Wahrnehmung der Zulassungs- wie Aufsichtsfunktionen gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern keine staatlichen Angelegenheiten sind. Die Landesmedienzentralen sind kein Teil der Staatsorganisation und gehören weder zur unmittelbaren noch zur mittelbaren Staatsverwaltung. Vielmehr stehen sie wie die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in einer Gegenposition zum Staat und müssen so organisiert sein, daß der Staat keinen Einfluß auf die interne Willensbildung der Anstalten nehmen kann. Wenn die Frage nach der Legitimation der Zulassungs- und Aufsichtsinstanzen für den privaten Rundfunk aufgeworfen wird, muß mithin als Begründungsansatz das Demokratieprinzip von vornherein ausscheiden. Das Prinzip demokratischer Legitimation bezieht sich ausschließlich auf die Ausübung staatlicher Gewalt und ist der staatlichen Gewalt als Legitimationsund Verantwortungsstrang vorbehalten l89 • Dies wird weiter deutlich, wenn

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Vgl. BVerfGE 38, 258, 271; 47, 253, 272 und 275; 52, 95, 130; HessStGH, DVBI. 1986, 936 ff.; VerfGH NW, DVBI. 1986, 1196; so auch die herrschende Lehre, vgl. statt vieler Herzog, in: MDHS, Art. 20 11, Rdnr. 53; Ossenbühl, Grenzen der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst, S. 39; Püttner, DVBI. 1984, 165, 166; Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnrn. 16 ff., S. 896 ff. Vgl. VerfGH NW, DVBI. 1986, 1196. Vgl. BVerfGE 9, 268 ff.; 47, 253, 273 f.; VerfGH NW, DVBI. 1986, 1196, 1197; Herzog, in: MDHS, Art. 20 11, Rdnrn. 52 f.; Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 124; Püttner, Öffentliche Unternehmen, S. 135. Vgl. Bethge für die Frage nach der "demokratischen Legitimation" der Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, DVBI. 1987, 663, 664 f.; vgl. auch Degenhan, AfP 1988, 327, 331, der im Hinblick auf die Wahl des Vorstandes der LfK (NW) durch das Parlament zwar die dadurch vermittelte demokratische Legitimation dieses Organs begrüßt, gleichwohl dagegen zutreffend Bedenken anmeldet, weil "gerade diese demokratische Legitimation ... eine maßgebliche Annäherung an den staatlichen Bereich" bewirkt; siehe schließlich Starck, Rundfunkfreiheit, S. 17: "Wollte man allein auf die demokratische

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man sich vor Augen hält, daß das Demokratieprinzip neben der individuellpersonellen Legitimation eines jeden (staatlichen) Amtswalters zusätzlich verlangt, daß auch die Ausübung der Staatsgewalt ihrem Inhalt nach auf den Volkswillen rückführbar ise9O • Diese sachlich-inhaltliche demokratische Legitimation erfordert die Verantwortlichkeit der Regierung und der zuständigen Ressortminister gegenüber dem Volke, welche sich wiederum nur verwirklichen läßt, wenn Regierung und Minister grundsätzlich der gesamten Staatstätigkeit eine bestimmte Richtung geben und für die Einhaltung dieser Linie durch die ihr unterstellten Instanzen sorgen können l91 • Derartige Befugnisse dürfen staatlichen Stellen gegenüber den Landesmedienanstalten aber gerade nicht zustehen, weil der Staat auf die Entscheidung über Zulassung und Aufsicht privater Rundfunkveranstalter keinen Einfluß gewinnen darf, soweit diese die Programmgestaltung betriffe n . Die Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen in den Landesmedienanstalten bedürfen daher keiner demokratischen Legitimation im Sinne des Art. 20 GG I93 • Dem pluralistischen Prinzip entsprechend verdanken sie ihre Legitimation den gesellschaftlichen Gruppen, für die sie treuhänderisch die Sache der Allgemeinheit vertreten l94 • Parlamentarische (Aus-) Wahl der Vertreter gesellschaftlicher Gruppen versus Gebot der Staatsfreiheit Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts umschließt die Rundfunkfreiheit das Recht des einzelnen Rundfunkveranstalters, frei von fremdem,

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Legitimation abstellen, müßten möglichst alle Mitglieder der Rundfunkräte (scil., der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, Anm. v. Verf.) Parlamentsabgeordnete sein", was aber, wie Starck betont, in eklatanter Weise gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks verstieße. Vgl. statt aller Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnr. 21, S. 900. Vgl. BVerfGE 9, 268, 281; HessStGH, DVBI. 1986, 936, 938; Böcken!örde, Hdb. des Staatsrechts, Bd. I, § 22, Rdnrn. 22 f., S. 900. Vgl. in diesem Zusammenhang Starck, Rundfunkfreiheit, S. 17, der zutreffend darauf hinweist, daß es dem Prinzip der demokratischen Legitimation entspräche, den Rundfunk vom Parlament oder einem Parlamentsausschuß kontrollieren zu lassen, diesen Gedanken aber zu Recht mit der Begründung verwirft, daß ein vom Parlament beherrschter Rundfunk seine Kontrollfunktion gegenüber diesem staatlichen Organ verlöre. Unzutreffend daher OVG Lüneburg, DÖV 1979, 170, 172, das im Hinblick auf die Wahl der Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch das Parlament zwar einen "verbleibenden staatlichen Einfluß" konzediert, diesen aber unter Berücksichtigung "der demokratischen Legitimation des Organs" für unschädlich erachtet. So zutreffend Bethge, DVBI. 1987, 663,665 für die Rundfunkräte und Programmfunkti0nen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten; siehe ferner Lerche, Landesbericht, S. 15, 70: "pluralistische Legitimation".

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insbesondere von staatlichem Einfluß, über Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der Rundfunkmitarbeiter zu bestimmen. Das Gericht hat diese Ansicht auf die grundrechtlich gewährleistete Programm freiheit gestützt; denn wenn Auswahl, Inhalt und Gestaltung der Programme gegen fremde Einflüsse geschützt seien, dann müsse dies auch für die Auswahl, Einstellung und Beschäftigung des Personals gelten, von dem jene Gestaltung abhänge l95 • Diese Rechtsprechung ist deutlich auf die Gestaltung von Rundfunkprogrammen bezogen, so daß zweifelhaft erscheint, ob sich aus ihr positive Erkenntnisse für die Beurteilung einer staatlichen (Aus-) Wahlkompetenz für die Besetzung der Hauptorgane der Landesmedienanstalten gewinnen lassen. Die Programmfreiheit bildet den eigentlichen Kernbereich der grundrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit und gewährt daher einen umfassenden Schutz vor unmittelbaren wie mittelbaren Einwirkungen auf die Gestaltung von Sendeinhaltenl96 • Gleichwohl genießen auch die Landesmedienanstalten den Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Wahrnehmung der programmbezogenen Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen gegenüber den privaten Rundfunkanbietern vollzieht sich in dem grundrechtlich umhegten Freiheitsbereich der Rundfunkfreiheit. Dieser grundrechtlich verbürgte Freiheitsbereich schützt die Landesmedienanstalten vor staatlicher Einflußnahme. Wenn aber staatliche Stellen auf die Kontrolle über die Programmgestaltung der privaten Rundfunkveranstalter keinen Einfluß gewinnen dürfen, dann darf der Staat auch nicht über die Zusammensetzung des Organs der Landesmedienanstalten entscheiden, welches für die Kontrolle verantwortlich ist 197 • Die gebotene Staatsfreiheit der Landesmedienanstalten verträgt ein solches staatliches Bestimmungsrecht niche 98• Denn andernfalls bestünde die gesteigerte Gefahr, daß nur die der Regierung "genehmen" Kandidaten in das

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Vgl. BVerfGE 59, 231, 260; ebenso BVerfGE 64, 256, 260 f. Vgl. BVerfGE 59, 231, 260; 73, 118, 183. So ausdrücklich Löffler, Presserecht, § 25, Rdnr. 140. Vgl. in bezug auf das parlamentarische Auswahlverfahren für die Mitglieder der Kontrollgremien öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 51, der zu Recht ein parlamentarisches Entscheidungsrecht über die Besetzung der Kontrollgremien grundsätzlich ablehnt; Lerche, Landesbericht, S. 15, 79, erachtet ein bei den gesellschaftlichen Gruppen liegendes Entsendungsrecht für "erstrebenswert"; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 98: "nicht unbedenklich"; a.A. Lenz, JZ 1963, 338, 347; Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 58, der in Fn. 77 zwar einräumt, "daß die Gefahr einer parteipolitischen Einfärbung der Kandidaten bei Einschaltung des Parlaments steigt", diese staatlichen Einflußnahmemöglichkeiten dennoch angesichts der durch das parlamentarische Auswahlverfahren vermittelten demokratischen Legitimation für vorzugswürdig erachtet; diese Ansicht vermag bereits im Ansatz nicht zu überzeugen, weil die Rundfunkräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten keiner demokratischen legitimation bedürfen; im übrigen ist der Hinweis in Fn. 77 auf Starck, Rundfunkfreiheit, S. 17 irreführend, da dieser auf S. 17 f. gerade überzeugend darlegt, daß die Herstellung bestmöglicher demokratischer Legitimation kein Maßstab für die Rundfunkorganisation sein könne, da ein - bestmÖgliche demokratische Legitimation vermittelnder - Parlamentsrundfunk seiner Kontrollfunktion auch gegenüber dem Parlament beraubt würde.

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Hauptorgan einer Landesmedienanstalt gewählt werden und sich damit die Willensbildung im Kontrollgremium am Regierungswillen ausrichtet. Die organisatorische Verselbständigung der Anstalten und ihre weitgehende Absicherung gegen externe staatliche Einflüsse würden vollends ihren Sinn verlieren. Ebensowenig wie eine Repräsentanz staatlicher Vertreter in den Landesmedienzentralen zulässig ist, kann staatlichen Stellen das Entscheidungsrecht über die Besetzung der Anstalten zustehen l99 • Dem kann man auch nicht mit dem Argument begegnen, daß sich die Wahl durch das entsprechende Landesparlament auf ein Auswahlverfahren beschränkt, d.h., daß das Parlament die jeweiligen Vertreter der gesellschaftlich relevanten Gruppen aufgrund von Vorschlägen wählt, die von diesen Gruppen erarbeitet und vorgelegt worden sind. Zwar stellt dieser Wahlmodus sicher, daß die vom Parlament gewählten Kandidaten ihre gesellschaftliche Gruppe oder Organisation vertreten und von ihrem Vertrauen getragen sind 200 • Dennoch darf die Auswahl unter mehreren Kandidaten nicht in das freie Belieben der Abgeordneten gestellt werden, weil die Entscheidung über die Zusammensetzung des Hauptorgans der Landesmedienanstalt sonst unter parteipolitisch motivierten Kautelen erfolgen könnte. Solche auf sachwidrigen Erwägungen beruhenden Filterungen sind verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar2!ll. Auch könnte eine gesetzliche Festlegung der Auswahlkriterien dieses Gefahrenpotential nicht ausräumen, da dieser Entscheidungstypus von wertenden Elementen geprägt ist; der Gesetzesbefehl läßt sich damit nicht in der Weise programmieren, daß die entsprechenden Entscheidungen unmittelbar "aus dem Gesetz,,202 folgen. (bb) Sachverständige kollegiale Gremienstruktur Soweit die Wahl des Hauptorgans der Landesmedienanstalten wie in Baden-Württemberg und Berlin durch Zweidrittelmehrheit der Landesparlamente erfolgt, bestimmt allein der Staat über die Zusammensetzung der Aufsichts- und Kontrollgremien für den privaten Rundfunk203 • Zwar ist die

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Auf die Parallelität beider Fallgruppen velWeisen im Zusammenhang mit der Rechtsstellung der Rundfunkräte öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 51 und Lerche, Landesbericht, S. 15, 77. Vgl. wiederum OVG Lüneburg, DÖV 1979, 170, 172. In bezug auf das parlamentarische Auswahlverfahren der Mitglieder der Rundfunkräte öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten konzediert das OVG Lüneburg, DÖV 1979,170, 172 ebenfalls einen "verbleibenden staatlichen Einfluß"; dazu zu Recht kritisch Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 51, Fn. 55: "zu großzügig". Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 204. Vgl. Degenhal1, AfP 1988, 327, 321; Hesse, Rundfunkrecht, S. 170 f.; ders., DÖV 1986,177,

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jeweilige Regierungsfraktion bei der Wahl aufgrund des Erfordernisses einer Zweidrittelmehrheit auf "die" parlamentarische Opposition angewiesen und muß sich mit dieser über die Besetzung verständigen, so daß die Gefahr eines "Durchwählens" gebannt ist204 • Dennoch wird dieses Wahlverfahren regelmäßig dazu führen, daß die Zusammensetzung der Kontrollgremien im wesentlichen dem jeweiligen Fraktionsproporz entspricht2DS und damit den Regierungsfraktionen eine maßgeschneiderte Mehrheit sichert 206• Hinzu kommt, daß im Falle einer großen Koalition von Mehrheits- und Minderheitsfraktion das Erfordernis einer Zweidrittelmehrheit seine Sicherungsfunktion einbüßt, Regierungsabhängigkeiten zu vermeiden. Entscheidend ist jedoch, daß Regierung und Opposition gleichermaßen an den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks gebunden sind207 • Das Prinzip der Staatsfreiheit begründet auch nicht nur lediglich ein Verbot staatlicher Dominanz des Rundfunks, sondern wendet sich gegen jede Form von staatlicher Beeinflussung der massenmedialen Vermittlungsfunktion des Rundfunks und damit auch gegen jede Art von staatlicher Einflußnahme auf seine Kontrolle 2D8 • Daher ist es unzulässig, die im Parlament vertretenen Fraktionen über die Zusammensetzung der Landesmedienanstalten bestimmen zu lassen209 • Dem läßt sich auch nicht mit dem Hinweis begegnen, daß sich in den Bundesländern mit gruppenpluraler Gremienzusammensetzung über die Bildung von "Freundeskreisen" ähnliche dem jeweiligen Fraktionsproporz entsprechende Mehrheitsverhältnisse in den Hauptorganen der Landesmedienzentralen einstellen21o • Informelle Absprachen sind nicht verbindlich; sie ändern nichts dar an, daß de jure die gesellschaftlichen Gruppen ihre Kandidaten auswählen und in die Gremien der Anstalten entsenden2l1 • Das Letztentscheidungsrecht über die Zusammensetzung steht daher den gesellschaftlich

186 und Starck, JZ 1983, 405, 413, die zu Recht Zweifel anmelden, ob bei diesem Verfahren die gebotene Staatsfreiheit der Landesmedienanstalten gewahrt ist. 204 Aufgrund des Erfordernisses einer Zweidrittelmehrheit hegt Gödel, in: Bullinger/Gödel, LMedienG Bad-Württ, § 60, Rdnr. 1 keine Bedenken im Hinblick auf BVerfGE 59,231, 260, wonach die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ohne jedwede fremde, insbesondere staatliche Einflußnahme über Auswahl, Einstellung und Beschäftigung der für die Gestaltung von Rundfunkprogrammen verantwortlichen Personen zu entscheiden haben. 2D5 Vgl. zur Zusammensetzung des Vorstandes in Baden-Württemberg Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 3, 11 f.; zum Kabelrat in Berlin Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 115, 133; Frank, DÖV 1985, 97, 101; Piette, Meinungsvielfalt, S. 148 f. 206 So zutreffend Piette, Meinungsvielfalt, S. 148. 2D7 Vgl. 2. Teil, 2. Kapitel, V. 1. 2D8 Vgl. 2. Teil, 2. Kapitel, 11. 2. b). 209 AA. Wagner, Landesmedienanstalten, S. 129 f. 210 Vgl. etwa zur politischen Konstellation in der LfR (NW) Reese, Rundfunkaufsicht. Bd. I, S. 347, 356 f. 211 Was nach hiesiger Auffassung verfassungsrechtlich geboten ist. 13 Gersdorf

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relevanten Gruppen und Organisationen zu. Staatliche Stellen verfügen über kein rechtlich absichertes Instrumentarium, mittels dessen sie die Durchsetzung ihrer personellen Vorstellungen erzwingen könnten. Das ist aber grundsätzlich anders, wenn ausschließlich die Fraktionen in den Parlamenten über die Besetzung der Landesmedienanstalten zu entscheiden haben212 • Mehrheitsfraktion und parlamentarische Opposition gehören gleichsam zum staatlichen Bereich; ihnen ist es nicht gestattet, die Willensbildung des Hauptorgans der Landesmedienanstalten zu beeinflussen, das seine Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen in Unabhängigkeit von Regierung und Opposition zu erfüllen hat. Ein Regelungsmodell, das eine derartige staatliche Bestimmungsmacht über die personelle Zusammensetzung der Anstalten vorsieht, verstößt gegen die verfassungsrechtlich gebotene Staatsunabhängigkeit der Kontrolle über den Rundfunk213 • Über die Verfassungswidrigkeit dieses Regelungssystemes kann auch nicht hinweghelfen, daß die Mitglieder des Sachverständigengremiums in BadenWürttemberg und in Berlin durch Inkompatibilitätsvorschriften und durch gesetzlich festgelegte Weisungsunabhängigkeit gegen externe Steuerungsversuche abgeschirmt sind. Diese Sicherungssysteme vermögen lediglich der Gefahr staatlicher Einflußnahme auf die laufende Arbeit der Landesmedienanstalten zu begegnen. Sie wenden sich aber nicht gegen das staatliche Beeinflussungspotential beim Kreationsakt der Hauptorgane der Anstalten214 • (c) Ergebnis Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß eine Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Gruppen an den Hauptorganen der Landesmedienanstalten zwar nicht erforderlich ist, um Vielfalt und Ausgewogenheit in den Programmen privater Rundfunkveranstalter zu gewährleisten und um insbesondere die Bildung vorherrschender Meinungsmacht in den privaten Rundfunkprogrammen zu verhindern. Jedoch sind die staatlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Willensbildung der Kontrollträger für den privaten Rundfunk nach den Ratsmodellen in Baden-Württemberg und Berlin strukturell bedingt weitaus größer als bei einem pluralistisch zusammengesetzten Gremium, dessen

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Dies übersieht Wagner, Landesmedienanstalten, S. 130. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß etwa dem Vorstand der LfK (Bad-Württ) allgemein Sachkompetenz und Unabhängigkeit bescheinigt wird (vgl. Hellstem, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 3, 12), da dadurch die strukturell bedingten Defizite einer Wahl des Hauptorgans durch den Landtag nicht ausgeglichen werden können. Dies übersieht Wagner, Landesmedienanstalten, S. 130.

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Mitglieder ausschließlich und ohne "Zwischenschaltung" parlamentarischer Entscheidungsbefugnisse von ihren jeweiligen gesellschaftlichen Organisationen und Gruppen in das Kontrollorgan gewählt und entsendet werden. Eine pluralistische Repräsentanz in den Landesmedienanstalten erscheint unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Staatsfreiheit bei der Aufsicht über private Rundfunkprogramme verfassungsrechtlich erforderlich, wobei jedoch die hier herausgearbeiteten Grundsätze über die Zusammensetzung und das Besetzungsverfahren der gruppenpluralen Hauptorgane der Anstalten zu beachten sind. (2) Exkurs: Geringere ArbeitsefflZienz zahlenmäßig großer gruppenpluraler Gremien Gegen eine gruppenplurale Zusammensetzung der Landesmedienzentralen wird häufig eingewandt, daß die Leistungsfähigkeit der Gremien aufgrund der zahlenmäßigen Größe begrenzt sei, was sich schädlich auf Umfang und Dichte der Kontrolltätigkeit gegenüber dem privaten Rundfunk auswirken könne. Die Landesmedienanstalten hätten eine Vielzahl von Programmen zu kontrollieren und müßten in der Lage sein, auf begangene Gesetzesverstöße rasch zu reagieren21S• Dieser umfangreiche Aufgabenkatalog sei von einem großen und dadurch zugleich schwerfälligen Gremium kaum zu bewältigen216 • Dieses Argument kann nicht gegen eine gruppenplurale Organisationsstruktur der Landesmedienanstalten angeführt werden. Denn bei der Organisation der Anstalten stehen nicht Effektivität und Effizienz ihrer Aufgabenbewältigung, sondern die "Richtigkeit" der zu fällenden Entscheidungen im Vordergrund. Ein großes, aus den Vertretern der gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen bestehendes Gremium erweist sich als besonders leistungsfähig, die in hohem Maße unbestimmten Rechtsbegriffe in den Landesmediengesetzen sachgerecht auszulegen und anzuwenden und den Kontrollmaßnahmen gegenüber den privaten Rundfunkveranstaltern eine spezifische Richtigkeitsgewähr zu vermitteln. Die herausragende Bedeutung des freien Prozesses öffentlicher Meinungsbildung beruht auf der Annahme, daß sich

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Vgl. dazu Lange, Media Perspektiven 1989, 268, 272; Thaenen, OLM-Jahrbuch, S. 35,41; Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. 111, S. 59, 80 f. Vgl. Gödel, in: Bullinger/Gödel, LMedienG Bad-Württ, § 58, Rdnr. 3; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 131; Hege, OLM-Jahrbuch 1988, Rdnrn. 27, 34 und die Auffassung des Direktors der LAR (SaarI): "Ein kleines Gremium dagegen ist in seiner Entscheidungsfindung in der Regel schneller und damit oft auch effIZienter und effektiver", wiedergegeben bei Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 399, 406; siehe schließlich Hesse, Rundfunkrecht, S. 170, der ebenfalls die erhöhte Effektivität des Sachverständigengremiums gegenüber dem gruppenpluralen Entscheidungsorgan hervorhebt.

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aus dem "Konzert der ungezählten Stimmen" im Wege eines geistigen "Meinungskampfes" die Auffassung mit der größten Überzeugungskraft durchsetzen werde217 • Dieser Überzeugung liegt auch der Parlamentsvorbehalt zugrunde, wonach der Parlamentsgesetzgeber die für das gemeinschaftliche Zusammenleben wesentlichen Fragen grundsätzlich selbst zu regeln hat; denn durch die Beteiligung einer Vielzahl von Personen mit unterschiedlichen Interessen und Meinungen an der parlamentarischen Entscheidungsfmdung verbessern sich regelmäßig die Chancen für einen möglichst sachgerechten Ausgleich einander widerstreitender Interessen218• Es nehme Wunder an, ausgerechnet für den Bereich der organschaftlichen Willensbildung der Landesmedienanstalten von dieser Maxime abzuweichen, obgleich gerade die Kontrolle über die privaten Rundfunkveranstalter von so wesentlicher Bedeutung für das freiheitliche demokratische Gemeinwesen ist 219 • In der Praxis versucht man den sich aus der Eigenart großer Gremien ergebenen Problemen dadurch zu begegnen, daß ein Großteil der anfallenden und zu bewältigenden Arbeit in die Ausschüsse überwiesen wird. Eine solche Aufgabenverlagerung spricht aber nicht gegen eine gruppenplurale Zusammensetzung der Landesmedienanstalten22O • Dieses Phänomen kennzeichnet vielmehr die praktische Arbeit großer Entscheidungsgremien. Der Deutsche Bundestag verfügt ebenfalls über mehrere Ausschüsse, welche oftmals die wesentlichen Vorarbeiten leisten und über deren Ergebnisse später im Plenum beraten und abgestimmt wird. Der Vorteil zahlenmäßig großer und pluralistisch zusammengesetzter Gremien liegt gerade darin, daß genügend Personal mit unterschiedlichen Ansichten und Überzeugungen zur Verfügung steht, so daß sich in diesen Gremien ein vielfältiges und ausgewogenes Meinungsspektrum herausbilden kaoo221 • Im übrigen läßt sich durch eine sinnvolle Abstimmung der Tätigkeitsbereiche von Hauptorgan und Exekutivorgan der Anstalten eine Entlastung des gruppenpluralistisch zusammengesetzten Gremiums erreichen, wobei allerdings zu beachten ist, daß die wesentlichen Entscheidungen von diesem Organ zu treffen sind. Im Ergebnis ist festzuhalten, daß sich die größere Handlungsfähigkeit eines kleineren Gremiums nicht als Argument gegen eine aufwendige gruppenpluralistische Besetzung des Hauptorgans der Landesmedienanstalten ins Feld führen läßt.

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Siehe dazu bereits 2. Teil, 1. Kapitel, I. 1. b). Vgl. bereits 2. Teil, 3. Kapitel, III. 2. b) (1) (a). Vgl. zur pluralistisch zusammengesetzten Anstaltsversammlung der ULR (Sch-H) Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 417: "Demokratie versus Effektivität". A.A. Wagner, Landesmedienanstalten, S. 131 f. So ebenfalls Hellstern/Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. III, S. 3, 19.

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d) Bewertung der landesrechtlichen Regelungen Das in Baden-Würuemberg und Berlin gewählte Ratsmodell, nach dem die Mitglieder des Vorstandes beziehungsweise des Kabelrates vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden, verstößt nach hiesiger Ansicht gegen das Gebot der Staatsfreiheit bei der Kontrolle privater Rundfunkveranstalter. Daran ändert auch nichts, daß in Baden-Württemberg der Vorstand bei einigen wesentlichen, die Meinungsvielfalt betreffenden Entscheidungen auf die Zustimmung des pluralistisch besetzten Medienrates angewiesen ist; denn nach den entsprechenden Bestimmungen übt der Medienrat im Bereiche der Kontrolle über private Rundfunkprogramme lediglich beratende Funktionen aus, ohne daß er seine Vorstellungen gegenüber dem Vorstand rechtlich verbindlich machen und durchsetzen könnte. Ebensowenig ist das Besetzungsverfahren für den Vorstand der Hamburgischen Anstalt für neue Medien verfassungsgemäß. Da die Mitglieder des Vorstandes nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen mit einfacher Mehrheit von der Hamburgischen Bürgerschaft gewählt werden, wird in der Regel die Mehrheit im Hauptorgan der (einfachen) Parlamentsmehrheit entsprechen und damit zu einer besonders "regierungsnahen" Zusammensetzung des Kontrollträgers für den privaten Rundfunk führen 222 • Daß die Fraktionen dabei an die Vorschläge der vorschlagsberechtigten gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen gebunden sind, ist von keinem erheblichen Gewicht, weil die Fraktionen bei der Auswahl unter mehreren Kandidaten im wesentlichen nach freiem Ermessen entscheiden können 223 • Eingeschränkt ist dieser Handlungsspielraum nur insoweit, als innerhalb der einzelnen, zu sechs Blöcken zusammengefaßten Gruppen jede Fraktion grundsätzlich nur eine vorgeschlagene Person in den Vorstand wählen darf. Eine wichtige Ausnahme besteht aber dann, wenn einer Fraktion nach ihrem Stärkeverhältnis in der Bürgerschaft die Wahl von mehr als sechs Mitgliedern zusteht; in einem solchen Falle kann sie noch weitere vorgeschlagene Personen aus einem Block wählen. Dieses Verfahren läßt befürchten, daß nur parteipolitisch "genehme" Kandidaten nominiert werden, weil jede vorschlagsberechtigte Organisation bemüht sein wird, möglichst viele Vertreter in den Vorstand zu entsenden224 • Mit diesem Wahlmodus prämiert der Gesetzgeber faktisch sachwidrige, unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit zu mißbilligende Kandidatenvorschläge der gesellschaftlichen Organisationen. Das Verfahren sichert den Fraktionen eine verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare BestimVgl. Wagner, Landesmedienanstalten, S. 122; zur konkreten Besetzung des ersten Vorstandes der HAM Hoffmann-Riem/Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 215, 221. 223 Ebenso Wagner, Landesmedienanstalten, S. 123 f. 224 Darauf weist Hoffmann-Riem, HmbStVwR, S. 470, 523 zu Recht hin. 222

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mungsmacht über die Zusammensetzung des Vorstandes der Hamburgischen Anstalt für neue Medien und damit über die Kontrolle privater Rundfunkprogramme in Hambur~. Dagegen sind die landesrechtlichen Regelungen, die eine gruppenpluralistische Zusammensetzung des Hauptorgans der jeweiligen Landesmedienanstalt vorsehen, in ihren Grundlinien verfassungsgemäß. Die gesellschaftlich relevanten Gruppen wählen ihre Vertreter meist selbst aus und entsenden sie in die Kontrollgremien der Anstalten226; soweit allerdings für einige gesellschaft1iche Gruppen und Organisationen das Entscheidungsrecht beim entsprechenden Landesparlament liegt 227, verstößt dies gegen das Gebot der Staatsfreiheit. Das gleiche gilt für die Regelungen in Rheinland-pfalz und in Schleswig-Holstein, die den Landtag mit der Auswahlentscheidung betrauen, falls eine Verständigung unter mehreren Organisationen und Verbänden nicht gelingt, denen nur gemeinsam ein Entsendungsrecht zusteht 228• Die Beteiligung der Vertreter politischer Parteien an den Hauptorganen der Landesmedienanstalten ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden229 • Allerdings ist der Gesetzgeber von Verfassungs wegen dazu verpflichtet, im Wege einer "Nachbesserung" sicherzustellen, daß die Auswahl unter den Kandidaten nicht von den entsprechenden Fraktionen der Landesparlamente, sondern von den parteiinternen Gremien getroffen wird. Ebensowenig stößt die Repräsentanz einer geringen Anzahl von Vertretern der Berufskammern in den Landesmedienanstalten auf durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken1JO • Demgegenüber ist es sonstigen staatlichen

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Ebenso Schuster, Meinungsvielfalt, S. 172; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 123; kritisch auch Hesse, DÖV 1986, 177, 187; Hoffmann-Riem, HmbStVwR, S. 470, 523 f.; Jarass, Gutachten zum 56. DIT, Rdnr. 152; das erhöhte Gefahrenpotential für staatliche Einflußnahme auf die Willensbildung des Vorstandes unterstreicht eindrucksvoll die Äußerung eines Vorstandsmitgliedes der HAM, wiedergegeben bei Hoffmann-Riem/Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 215, 222: "Bis zur ersten Lizenz gab es eine erhebliche Seelenmassage durch die Fraktionen. Dies gilt vor allem für die Personalwahlen". Vgl. Art. 12 Abs. 1 MEG Bay; § 39 Abs. 1 BremLMG; § 38 Abs. 1 HPRG; § 30 Abs. 2 iV.m. § 30 Abs. 1 LRG Nds; § 55 Abs. 2-Abs. 5 LRG NW; § 26 Abs. 2 LRG Rh-Pf; § 54 Abs. 2 LRG SaarI; § 42 Abs. 6 Schl-H. Vgl. § 39 Abs. 3 i.V.m. § 39 Abs. 2 BremLMG; § 30 Abs. 1 Nr. 16 LRG Nds. Vgl. § 26 Abs. 3 LRG Rh-Pf; § 42 Abs. 7 LRG Schl-H. Vgl. § 39 Abs. 2 BremLMG; § 30 Abs. 1 Nr. 1,2 LRG Nds; § 42 Abs. 5 LRG Schl-H. Vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 5 MEG Bay; § 39 Abs. 2 Nr. 1 BremLMG; § 39 Abs. 1 Nr. 15 HPRG; § 26 Abs. 1 Nr. 9 LRG Rh-Pf; § 54 Abs. 1 Nr. 17, 18 LRG SaarI; § 42 Abs. 2 Nr. 9, 10 LRG Schl-H. Wie bei den Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen ist es jedoch dem Parlament nicht gestattet, das Entsenderecht auszuüben (vgl. § 39 Abs. 3 LV.m. § 39 Abs. 2 Nr. 1 BremLMG) und zwar auch für den Fall, daß sich die Kammern, die nur gemeinsam entsendeberechtigt sind, nicht einigen können (vgl. § 42

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Stellen von Verfassungs wegen versagt, auf die Willensbildung in den Kontrollgemien für den privaten Rundfunk gestaltend Einfluß zu nehmen. Die Beteiligung auch nur von einigen wenigen Regierungsvertretern, Vertretern der Fraktionen oder der kommunalen Gebietskörperschaften an den Hauptorganen der Anstalten231 ist verfassungsrechtlich unzulässig.

3. Staatliche Rechtsaufsicht über die Landesmedienanstalten Nach sämtlichen Landesmediengesetzen unterliegen die Landesmedienanstalten einer Rechtsaufsicht des Staates. Einfluß auf die Tätigkeit einer Landesmedienanstalt läßt sich über die Aufsicht gewinnen, die in aller Regel von der Regierung ausgeübt wird. Daher bilden Aufsichtsmaßstab wie Aufsichtsmittel wesentliche Indikatoren für den Grad der Unabhängigkeit der Zulassungs- und Aufsichtsinstanzen für den privaten Rundfunk. Wir wollen deshalb zunächst einmal der Frage nach der grundsätzlichen Zulässigkeit einer staatlichen Aufsicht über Landesmedienzentralen nachgehen. Sollte diese Frage bejaht werden, wird zu untersuchen sein, ob und inwieweit sich aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks verfassungsrechtliche Direktiven für die Bestimmung des Aufsichtsmaßstabes wie der Mittel der Staatsaufsicht herleiten lassen. a) Grundsätzliche Zulässigkeit einer staatlichen Aufsicht Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gehört zu den Leitsätzen, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung verbindlich zu machen habe, auch die Festlegung einer begrenzten Staatsaufsicht über den Rundfunk232 • Demgegenüber ist das Gericht im ersten Fernsehurteil noch davon ausgegangen, daß der Gesetzgeber die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entweder von staatlichem Einfluß freistellen könne oder aber höchstens einer beschränkten Rechtsaufsicht unterwerfen dürfe 233 • Damit ist die Frage aufgeworfen, ob der Gesetzgeber verfassungsrechtlich zu einer Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten verpflichtet ist. Dieser Problemkreis soll hier ausgeklammert werden, weil er nur noch von theoretischer Natur ist, nachdem in allen Mediengesetzen der Länder eine staatliche

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Abs. 7 i.V.m. § 42 Abs. 2 Nr. 9, 10 LRG &hl-H). Vgl. Art. 12 Abs. 1 Nr. 1-3, Abs. 2 MEG Bay; § 39 Abs. 1 Nr. 1 g) und h) BremLMG; § 39 Abs. 1 Nr. 1, 22 HPRG; § 30 Abs. 1 Nr. 1 LRG Nds; § 52 Abs. 2 LRG NW; § 26 Abs. 1 Nr. 1, 2 LRG Rh-Pf; § 54 Abs. 2 Nr. 1, 2 LRG Saar!. Vg!. BVerfGE 57, 295, 326; 73, 118, 153. Vgl. BVerfGE 12, 205, 261.

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Aufsicht über die Anstalten geregelt ist234 • Damit ist allerdings noch nicht die Zulässigkeit einer solchen Aufsicht über die Landesmedienanstalten geklärt. (1) Der öffentlich-rechtliche Charakter der Landesmedienanstalten als Anknüpfungskriterium? Insbesondere im früheren Schrifttum wurde die Auffassung vertreten, daß der Staat mit der Schaffung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zugleich auch gegenüber der Allgemeinheit die Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit ihrer Tätigkeit übernehme. Alle selbständigen Verwaltungsträger müßten zumindest als Korrelat zu ihrem Selbstverwaltungsrecht einer Staatsaufsicht in Form der Rechtsaufsicht unterliegen235• Diese Ansicht geht davon aus, daß die Aufgaben, die ein selbständiger Verwaltungsträger ausübt, in Wirklichkeit delegierte Staatsaufgaben seien. Der Staat dürfe sich aber nicht seiner Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns dadurch entledigen, daß er staatliche Aufgaben auf einen eigenständigen Verwaltungsträger delegiert und seine Aufsichtsbefugnisse preisgibt236• Diese Meinung bezieht sich deutlich auf den Bereich der staatlichen Verwaltung und beruht auf der bereits widerlegten Annahme, daß der öffentlich-rechtlichen Organisationsform einer Einrichtung zugleich der staatliche Charakter ihres Tätigkeitsbereiches korrespondiere. Wir haben gezeigt, daß die Landesmedienanstalten im Kernbereich spezifisch nicht-staatliche Aufgaben wahrnehmen und trotz ihrer öffentlich-rechtlichen Organisationsform nicht der mittelbaren Staatsverwaltung zugerechnet werden können. Der Staat schafft nur das organisatorische Gefäß für die gesellschaftlichen Kräfte, die mit der Kontrolle über die privaten Rundfunkanbieter eine im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Tätigkeit wahrnehmenZ37 • Der Anstaltsform kommt gegenüber dieser Sachaufgabe lediglich dienende

Vgl. § 71 LMG Bad-Württ; Art. 18 MEG Bay; § 48 KPPG Berl; § 45 BremLMG; § 49 HPRG; § 62 HmbMedienG; § 49 LRG Nds; § 66 LRG NW; § 33 LRG Rh-Pf; § 59 LRG SaarI; § 57 LRG Schl-H. Z35 Vgl. dazu die zahlreichen Nachweise bei Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 120 f. 236 Siehe wiederum Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 120 f. m.w.N.; vgl. auch die Amtliche Begründung zu § 71 LMG Bad-Württ, abgedruckt bei BullingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 71: "Nach Absatz 1 unterliegt die Landesanstalt wie alle anderen rechtlich selbständigen Anstalten des Landes der staatlichen Aufsicht. Das Bestehen einer staatlichen Aufsicht ist Voraussetzung dafür, daß die Regierung insoweit die parlamentarische Verantwortung tragen kann." 237 Vgl. bereits ausführlich 2. Teil, 2. Kapitel, V. 9. c) (3). 234

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Funktion ZUZ38. Daher läßt sich aus dem Charakter der Landesmedienanstalten als öffentlich-rechtliche Anstalten nicht auf die Zulässigkeit emer staatlichen Aufsicht über die Landesmedienanstalten schließen239 • (2) Verantwortlichkeit des Staates für die durch Gesetz geschaffenen Landesmedienanstalten Die Landesmedienanstalten werden vom Gesetzgeber für ganz bestimmte Sachaufgaben auf dem Gebiete des Rundfunkwesens geschaffen. Er hat dafür Sorge zu tragen, daß die Anstalten diese Funktionen tatsächlich wahrnehmen und nicht überschreiten. Diese Aufsichtsbefugnisse sind zwar unter dem Aspekt der Staatsfreiheit des Rundfunks, wie noch im einzelnen darzustellen sein wird, eingeschränkt, aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Dies zeigt sich schon daran, daß staatliche Stellen mit der Wahrnehmung solcher Aufgaben gegenüber privaten Rundfunkanbietern betraut werden dürfen, die keinen Bezug zur Programmgestaltung haben. Dann kann in diesem Bereich aber auch eine Aufsicht nicht auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen. Eine generelle Zulässigkeit einer staatlichen Aufsicht gegenüber den Landesmedienanstalten ist daher zu bejahen2A o. Sie endet allerdings dort, wo der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks auf Verwirklichung drängt 2A1 • Das Prinzip der Staatsfreiheit begrenzt die exekutiven Befugnisse ebenso wie die legislatorischen Zuständigkeiten des Staates2A2•

Iadder, Zehner Fernsehstreit, S. 305; Leibholz, FS für Scheuner, S. 363, 372 in bezug auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Vgl. zu der insoweit vergleichbaren Rechtsstellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 84 ff., 120 ff.; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 588; Mallmann, Rechtsaufsicht über das ZDF, S. 69; Wilkens, Aufsicht über den Rundfunk, S. 107 ff.; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 108 ff. Vgl. Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 198 f. m.w.N.; siehe auch Rüggeberg, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 120; vgI. zu der insoweit vergleichbaren RechtssteIlung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 100 ff.; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 588; aA. Leibholz, FS für Scheuner, S. 363, 372 ff. Vgl. Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 589; Berendts, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 100 ff.; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 53 ff.; Lerche, Landesbericht, S. 15, 98 ff.; Maunz, BayVBI. 1977, 526 ff.; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 107 ff. Siehe dazu 2. Teil, 3. Kapitel, IV.

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b) Aufsichtsmaßstab Sämtliche Landesmediengesetze sehen lediglich eine beschränkte Rechtsaufsicht über die Landesmedienanstalten vor und schließen eine Fach- oder Zweckmäßigkeitskontrolle aus243 . Damit entsprechen die Gesetze den Grundregeln, die für die Grenzen einer staatlichen Aufsicht über die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten entwickelt wurden244 • Auch das Bundesverfassungsgericht geht nur von der Zulässigkeit einer beschränkten Rechtsaufsicht aus245. Damit ist die Gefahr staatlicher Einflußnahme auf die Tätigkeit der Landesmedienanstalten aber noch nicht gebannt. Denn angesichts der in den Landesmediengesetzen verwendeten Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe, die regelmäßig durch wertendende Elemente geprägt sind und mehrere Entscheidungsmöglichkeiten zulassen, könnte die grundsätzlich zulässige Rechtsaufsicht schnell in eine unzulässige Fachaufsicht "umschlagen,,246. Wo die Grenzen zwischen unzulässiger Fachaufsicht und zulässiger Rechtsaufsicht allerdings liegen, ist nicht leicht zu bestimmen. Insoweit kann auf die zur Begrenzung der Rechtsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten herausgearbeiteten Kriterien zurückgegriffen werden247. Teilweise wird eine direkte Aufsicht im Programmbereich generell für unzulässig erachtet248. Diese Ansicht hilft zumeist schwierige Abgrenzungsprobleme zu vermeiden und sorgt für klare Verhältnisse 249 . Die überwiegende Meinung vertritt den Standpunkt, daß eine in den Programm bereich hineinwirkende Aufsicht zulässig ist, soweit die Maßstäbe dazu hinreichend deutlich umrissen sind. Die entsprechenden Bestimmungen müßten konkrete Rechtspflichten begründen und so bestimmt oder zumindest bestimmbar sein, daß der staatlichen Rechtsaufsicht kein Raum für Erwägungen der Zweckmäßigkeit oder der wertenden politischen Opportunität blieben25O • 243 Vgl. § 71 LMG Bad-Württ; Art. 18 MEG Bay; § 45 BremLMG; § 49 HPRG; § 62 Abs. 1 244

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HmbMedienG; § 49 Abs. 1 LRG Nds; § 66 LRG NW; § 33 LRG Rh-Pf; § 59 Abs. 1 Satz 1 LRG Saarl; § 57 LRG Schl-H.; dagegen § 48 KPPG Berl: "Staatsaufsicht". Vgl. Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 100 ff.; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. I, 2, Rdnr. 589; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 53 ff.; Lerche, Landesbericht, S. 15, 98 ff. Vgl. ferner § 36 NDR-StV; § 18 RB-G; § 34 SDR-G; § 19 SWF-StV; § 53 WDR-G; §§ 21, 22 DW/DLF-G. Vgl. BVerfGE 12, 205, 261; 57, 295, 326; 73, 118, 153. Vgl. Hesse, DÖV 1986, In, 187; Wagner, Landesmedieanstalten, S. 99. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Einf. zu Art. 12, Rdnr. 12; Wagner, Landesmedienanstalten, S.99. Vgl. Leibholz, FS für Scheuner, S. 363, 372 ff.; Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 117. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 54. So Mal/mann, Rechtsaufsicht über das ZDF, S. 99; vgl. auch Berendes, Staatsaufsicht über

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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Die zuletzt genannte Auffassung verdient Zustimmung und liefert damit auch die Maßstäbe, die bei der staatlichen Rechtsaufsicht über die Landesmedienanstalten zu beachten sind. Die Rundfunkfreiheit ist in ihrem Kernbereich Programmfreiheit. Die Zuerkennung eines grundrechtlichen Schutzes der Landesmedienanstalten beruht auf der besonderen Schutzbedürftigkeit der (privaten) Rundfunkveranstalter, deren Programmfreiheit vor staatlichen Einwirkungen abzuschirmen ist. Demgemäß unterliegen nur solche Aufsichtsmaßnahmen des Staates erhöhten verfassungsrechtlichen Anforderungen, welche die programmbezogene Tätigkeit der Landesmedienanstalten zum Gegenstand haben und sich auf die Programmgestaltung der Rundfunksender auswirken können. Außerhalb dieses sensiblen Bereiches besteht hingegen ein weitaus größerer Spielraum für die staatliche Rechtsaufsichtsbehörde. Sind die Landesmedienanstalten mit der Wahrnehmung von Aufgaben betraut, die ebenso von einer staatlichen Behörde erfüllt werden könnten251 , ist gegen eine uneingeschränkte Rechtsaufsicht von Verfassungs wegen grundsätzlich an nichts zu erinnern. Daher kommt es für die Bestimmung des zulässigen Aufsichtsmaßstabes entscheidend darauf an, ob sich die staatliche Aufsicht auf Programmangelegenheiten oder sonstige Angelegenheiten der Anstalten bezieht. Der Einwand, daß eine bereichsspezifische Abgrenzung in der Praxis auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen dürfte 252, ist zwar nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Trotz dieser einzuräumenden Abgrenzungsprobleme kann aber für die Festlegung der Grenzen zulässiger Rechtsaufsicht über die Landesmedienanstalten auf eine Differenzierung zwischen deren programmbezogenem und programmlich neutralem Aufgabenbereich nicht verzichtet werden. Der Grundsatz der Staatsfreiheit verlangt nach einer solchen Unterscheidung, weil er programmakzessorischer Natur ist und nur insoweit auf Verwirklichung drängt, als es um die Programmproduktion, -verbreitung und deren Kontrolle geht. Fraglich ist, ob im programmbezogenen Tätigkeitsfeld der Landesmedienanstalten jedwede Form einer staatlichen Aufsicht ausgeschlossen ist. Diese Frage bemißt sich nach dem Handlungsspielraum, den die staatliche Aufsichtsbehörde bei der entsprechenden Entscheidung besitzt. Der Gesichtspunkt der Flexibilität bildet den maßgeblichen Gradmesser für die Bestimmung des staatlichen Störpotentials. Dieser Gedanke der Flexibilität trägt eine formelle wie materielle Komponente253•

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den Rundfunk, S. 157 ff.; Kewenig, Rundfunkfreiheit, S. 129 ff.; Lerche, Landesbericht, S. 15, 99 f.; Jarass, Freiheit der Massenmedien. S. 276 f.; ders., Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 55 ff. Vgl. BVerfGE 73, 118, 185 f. Vgl. Rüggeberg, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 120. Vgl. bereits 2. Teil, 2. Kapitel, IV. 3. a).

204

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

In formeller Hinsicht könnte für die Festlegung der Aufsichtsmaßstäbe das Prinzip der Subsidiarität Gewicht haben. Der zur Begrenzung der Rechtsaufsicht über die Rundfunkanstalten entwickelte Grundsatz besagt, daß die staatliche Rechtsaufsicht gegenüber der anstaltsinternen Kontrolle nachrangig ist und erst dann eingreifen kann, wenn die Kontrollorgane innerhalb der Selbstverwaltungsorganisation die ihnen zugewiesenen Aufgaben nicht wahrnehmen oder zwar wahrnehmen, dabei jedoch gegen die Rechtsordnung verstoßen254 • Zwar läßt sich dieses Prinzip auch auf die Rechtsstellung der Landesmedienanstalten übertragen255 • Denn die Anstalten sind aufgrund der pluralistischen oder sachverständigen Zusammensetzung ihrer Hauptorgane am ehesten geeignet, für die gebotene Vielfalt in den Programmen der privaten Rundfunkveranstalter Sorge zu tragen und die entsprechenden, die Pluralität im privaten Rundfunk betreffenden Regelungen der Landesmediengesetze möglichst "richtig" zu operationalisieren256• Dennoch kann dem den formellen Handlungsspielraum der Rechtsaufsichtsbehörde begrenzende Prinzip der Subsidiarität keine entscheidende Bedeutung beikommen, weil es die inhaltlichen Voraussetzungen offen läßt, unten denen staatliche Rechtsaufsichtsorgane - wenn auch nur subsidiär - Aufsichtsmaßnahmen gegen Landesmedienanstalten einleiten können257 • In materieller Hinsicht ist das Maß der Flexibilität besonders groß. Die Landesmediengesetze sind aufgrund der vielen unbestimmten Rechtsbegriffe wenig präzise und können dies angesichts der Vielgestaltigkeit der Sach- und Lebensverhältnisse im Bereiche des Rundfunkwesens auch nicht sein. Eine Aufsicht in Programmangelegenheiten der Landesmedienanstalten ist daher besonders problematisch. Die Beurteilung, ob ein Rundfunkprogramm inhaltlich hinreichend vielfältig und ausgewogen ist, richtet sich zumeist nicht nach objektivierbaren Kriterien. Die Gefahr des "Umschlagens" der Rechtsin eine Fachaufsicht ist daher virulent. In diesem sensiblen Problemfeld muß eine Einschätzungsprärogative der Landesmedienanstalten anerkannt werden258 • Diese erstreckt sich auf alle diejenigen Programmanforderungen, die sich als Ausprägung des Gebotes gleichgewichtiger Vielfalt darstellen259 • Dieser Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Ent-

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vgl. VG Mainz, JZ 1979, 303, 304; Hesse, DÖV 1986, 177, 187; Ossenbühl, Rundfunkfrei-

heit und Rechnungsprufung, S. 5I. So auch Hesse, DÖV 1986, 177, 187. So ebenso OVG Lüneburg, DVBI. 1986,1112,1114; VGH Bad-Württ, VBIBW 1989, 211, 213=NJW 1990, 340, 341; vgl. auch BVerfGE 73,118,184: "wenn nicht sogar der Erlaubnisbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird". Vgl. in diesem Zusammenhang auch Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 56. Ebenso Wagner, Landesmedienanstalten, S. 100. Vgl. im Hinblick auf die Rechtsstellung der Rundfunkanstalten Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. I, 2, Rdnr. 589 m.w.N.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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scheidung des zuständigen Organs der Anstalt offensichtlich willkürlich ist und auf evident unsachlichen Erwägungen beruht 2lJO • In einem solchen Fall ist die Fehlerhaftigkeit der Entscheidung für einen jeden mit den Gesamtumständen vertrauten, verständigen und objektiven Betrachter ohne weiteres ersichtlich, so daß auch der staatlichen Aufsichtsbehörde kein Spielraum mehr für unsachliche, insbesondere die Meinungsvielfalt beeinträchtigende Überlegungen bleibt. Der materielle Handlungsspielraum ist bei einer Evidenzkontrolle derart verdichtet, daß sich die staatliche Rechtsaufsicht nicht für eine unzulässige Fachaufsicht "mißbrauchen" läßt. Nach alledem kann festgestellt werden, daß in Programmangelegenheiten der Landesmedienanstalten die staatliche Rechtsaufsicht über die Anstalten auf eine Evidenzkontrolle beschränkt ist. Dagegen ist eine Rechtsaufsicht außerhalb dieses besonders sensiblen Bereiches ohne jede Einschränkung zulässig, soweit keine Rückwirkungen auf die programmbezogene Tätigkeit der Anstalten zu erwarten sind. c) Aufsichtsmittel Neben dem Aufsichtsmaßstab vermitteln auch die dem aufsichtsführenden staatlichen Organ zur Verfügung stehenden Aufsichtsmittel ein Bild über das Verhältnis von Staat und Landesmedienanstalten. Die landesrechtlichen Vorschriften sind in diesem Punkt uneinheitlich. Die Landesmediengesetze von Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein enthalten keine speziellen Regelungen über die zulässigen Aufsichtsmittel, sondern verweisen ganz generell auf die Vorschriften über die Kommunalaufsicht in den Gemeindeordnungen. In Baden-Württemberg beschränken sich die zulässigen Aufsichtsmaßnahmen auf ein Informations-, Beanstandungs- und Anordnungsrecht261 • Weiterreichende Aufsichtsmittel nach der Gemeindeordnung wie etwa Ersatzvornahme262 und Bestellung eines Beauftragten263 stehen hingegen nicht zur Verfügung264 • Schleswig-Holstein schließt Weisungen in Programmangelegenheiten und damit insoweit auch sämtliche weiterführende Zwangs-

Vgl. in bezug auf die Rechtsstellung der Rundfunkanstalten Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 589; vgl. auch Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 56. 261 Vgl. § 71 LMG Bad-Württ iV.m. §§ 121 Abs. 1 und 122 GO Bad-Württ. 262 Vgl. § 123 GO Bad-Württ. 263 Vgl. § 124 GO Bad-Württ. 264 Vgl. § 71 Satz 2 LMG Bad-Württ, der lediglich auf die §§ 121 Abs. 1 und 122 GO BadWürtt vetweist. 2lJO

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

mittel ausdrücklich aus 265• In Berlin gelten hinsichtlich der Aufsichtsmaßnahmen die allgemeinen Mittel der Bezirksaufsicht266• Die Gesetze von Bremen und von Rheinland-pfalz sehen keine Regelungen zu den Aufsichtsmitteln vor267 • Die Landesmediengesetze, die rundfunkspezifische Aufsichtsvorschriften enthalten, weichen inhaltlich voneinander ab. In Hamburg und NordrheinWestfalen sind als zulässige Aufsichtsmittellediglich ein Informationsrecht sowie ein Hinweis- und Anweisungsrecht genannt268, wobei in Hamburg Weisungen in Programmangelegenheiten ausdrücklich ausgeschlossen sind26). Die Gesetze der Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen und Saarland sehen neben diesen Rechten der Rechtsaufsichtsbehörde270 die Möglichkeit einer Ersatzvornahme vorZ71 • In den Ländern Bayern, Niedersachsen und Saarland sind jedoch Anordnungen und Ersatzvornahme in Programm angelegenheiten unzulässigZ72 • Das Hessische Privatrundfunkgesetz nennt hingegen keine derartigen Einschränkungen273• Weitergehende Aufsichtsmittel wie der Selbsteintritt oder die kommissarische Verwaltung sind in den Landesmediengesetzen hingegen nicht vorgesehen und damit unzulässig274 • Im wesentlichen sind die landesrechtlichen Vorschriften den Aufsichtsbefugnissen angepaßt, die dem Staat gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zustehen. Nach den Landesrundfunkgesetzen sind, sofern

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vgl. § 57 Satz 2 LRG Schl-H. In Berlin wird über den Begriff "Staatsaufgaben" in § 12 Abs. 1 Satz 3 KPPG Berl auf § 28 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes verwiesen, so daß über dessen Absatz 4 die Bezirksaufsichtsmittel (§§ 10-13 AZG) zur Anwendung kommen können. Vgl. § 45 BremLMG; § 33 LRG Rh-Pf. Vgl. § 62 HmbMedienG; § 66 LRG NW. Vgl. § 62 Abs. 3 Satz 3 HmbMedienG. Vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz 1 MEG Bay; § 49 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 HPRG; § 49 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1, 2 LRG Nds; § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 LRG Saarl. Vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz 2 MEG Bay; § 49 Abs. 3 Satz 3 HPRG; § 49 Abs. 3 Satz 3 LRG Nds; § 59 Abs. 3 LRG Saarl; § 57 LRG Schl-H i.V.m. § 125 GO Schl-H. Vgl. Art. 18 Abs. 2 Satz 3 MEG Bay; § 49 Abs. 3 Satz 4 LRG Nds; § 59 Abs. 4 LRG Saarl. Vgl. § 49 HPRG. Eine Ausnahme bildet lediglich Berlin, wo aufgrund von § 12 Abs. 2 Satz 3 KPPG Berl i.V.m. § 28 Abs. 5 AZG der Aufsichtsbehörde theoretisch ermöglicht ist, Beauftragte zu bestellen, die einzelne oder sämtliche Aufgaben der Anstalt wahrnehmen. Ob diese weitreichenden Befugnisse der staatlichen Aufsichtsbehörde allerdings bezweckt waren, muß bezweifelt werden. Wagner, Landesmedienanstalten, S. 101 hält eine einschränkende Auslegung dieser Bestimmungen für (verfassungsrechtlich) geboten.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

207

sie überhaupt entsprechende Regelungen enthalten, nur der Hinweis und die Anweisung vorgesehen. Demgegenüber ist in den Gesetzen der Einsatz von einschneidenderen Aufsichtsmitteln wie etwa der Ersatzvornahme nicht geregelt175 • Die Landesmediengesetze sind in bezug auf die Regelung der zulässigen Aufsichtsmittel verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklich. Allerdings bestehen insoweit Bedenken, als einige landesrechtliche Bestimmungen der staatlichen Aufsichtsbehärde auch in Programm angelegenheiten der Landesmedienanstalten den Einsatz von Aufsichtsmitteln gestatten. Nach Maßgabe der oben herausgearbeiteten Grundsätze sind die entsprechenden Vorschriften verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß Aufsichtsmaßnahmen in Programmangelegenheiten nur bei evidenter Rechtsverletzung durch die jeweilige Landesmedienanstalt in Betracht kommen. Sofern in einigen Ländern Anordnungen und Ersatzvornahmen in Programmfragen gänzlich ausgeschlossen sind, gehen die Landesmediengesetze über die verfassungsrechtlichen Minimalanforderungen hinaus176• Allerdings dürfte in der Praxis der Fall wohl nur selten vorkommen, daß die Landesmedienanstalten bei der Kontrolle der privaten Rundfunkprogramme offensichtlich gegen Rechtsvorschriften verstoßen. In Berlin, Bremen und Rheinland-Pfalz ist die Rechtslage zu den Aufsichtsmitteln angesichts der insoweit fehlenden Regelungen unklar277 • Hier gelten die soeben entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die staatliche Rechtsaufsicht über die Landesmedienanstalten entsprechend.

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Vgl. § 22 Abs. 2 und Abs. 3 NDR-StV; § 24 Abs. 1 und Abs. 2 WDR-G; § 34 Abs. 1 und Abs. 2 SR-G; § 22 Abs. 2 und Abs. 3 DW/DLF-G; vgl. zu den staatlichen Aufsichtsmitteln Berendes, Staatsaufsicht über den Rundfunk, S. 176 ff.; Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 55; Maunz, BayVBI. 1977, 526, 531; Rüggeberg, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 116 f. Vgl. Rüggeberg, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 120, der allerdings unzutreffend davon ausgeht, daß die verfassungsrechtlichen Beschränkungen, die für die staatliche Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entwickelt wurden, nicht im "gleichen" Umfange für die Staatsaufsicht über die Landesmedienanstalten gelten. AA. Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 199, die in Programmangelegenheiten der Landesmedienanstalten den Einsatz des Aufsichtsmittels der Ersatzvornahme schlechterdings für unzulässig erachtet; ebenso Wagner, Landesmedienanstalten, S. 102. Vgl. auch Hesse, DÖV 1986, 177, 187; Jarass, Gutachten zum 56. DIr, Rdnr. 154; ders., ZUM 1986, 303, 319; siehe ferner Wagner, Landesmedienanstalten, S. 102.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

4. Finanzierung der Landesmedienanstalten Entscheidender Faktor für die Unabhängigkeit der Landesmedienanstalten ist die Art und Weise ihrer Finanzierung. Die Finanzierungsbedingungen der Anstalten müssen eine unabhängige Aufgabenerfüllung gewährleisten. Die Landesmedienanstalten dürfen bei ihrer Finanzierung in kein spezifisches Abhängigkeitsverhältnis zum Staat geraten, welches diesem ermöglichen könnte, auf die programmbezogenen Entscheidungen der Zulassungs- und Kontrollträger für den privaten Rundfunk Einfluß zu gewinnen. Wir wollen im folgenden die Finanzierungsgrundlagen der Landesmedienanstalten im einzelnen darlegen. Darüber hinaus ist der Frage nachzugehen, welche dieser Finanzierungsformen am ehesten erwarten läßt, daß die Landesmedienanstalten ihre Aufgaben frei von jedweder fremder, insbesondere frei von staatlicher Einflußnahme wahrnehmen können. a) Gebühren für Amtshandlungen, Auslagenersatz, Anbieterabgaben sowie Kabelabgaben bzw. Teilnehmerentgelte Nach sämtlichen Landesmediengesetzen können von den privaten Rundfunkanbietern Gebühren für Amtshandlungen, Verwaltungsaufwand sowie Ersatz für Auslagen verlangt werden278 • In den Ländern Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Sch1eswig-Holstein werden die zugelassenen Rundfunkveranstalter durch Erhebung einer Anbieterabgabe zur Finanzierung der jeweiligen Landesmedienanstalt herangezogen279 • In Bayern und Hamburg kann von den Haushalten mit Kabelanschluß neben der normalen Anschlußgebühr zusätzlich eine Abgabe in Form eines Beitrages zur Finanzierung der Landesmedienanstalt erhoben werden280 • Diese Finanzierungsform hat den Vorteil, daß sie von staatlichen Geldern unabhängig ist und damit den Landesmedienanstalten die erforderliche Staatsunabhängigkeit vermittelt. Andererseits bewirkt die Finanzierung der

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Vgl. § 70 Abs. 1 und Abs. 3 LMG Bad-Württ; Art. 21 MEG Bay; § 18 KPPG Berl; § 44 Abs. 1 BremLMG; § 47 Abs. 1 HPRG; § 29 Abs. 1 HmbMedienG; § 27 Abs. 4 LRG Nds; § 65 Abs. 3 LRG NW; § 31 Abs. 1 LRG Rh-Pf; § 60 Abs. 1 LRG SaarI; § 53 Abs. 2 LRG Schl-H. Vgl. § 18 Abs. 4 KPPG Berl; § 29 Abs. 2 HmbMedienG; § 51 LRG Nds; § 53 Abs. 3 LRG Schl-H. Im Saarland wird gem. § 45 LRG Saarl eine sogenannte Konzessionsabgabe von den privaten Rundfunkveranstaltern erhoben; diese Konzessionsabgabe ist mit der Anbieterabgabe in anderen Bundesländern nicht vergleichbar, weil das Aufkommen nicht der Finanzierung der Landesanstalt für das Rundfunkwesen dient, sondern an das Saarland abgeführt und von diesem für kulturelle Zwecke veIWendet wird; vgl. auch Wöste, Media Perspektiven 1990, 281, 304, Fn. 5. Vgl. Art. 28 MEG Bay; § 46 Abs. 2 HmbMedienG.

Erstes Kapitel: Oie Landesmedienanstalten

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Anstalten über die von den privaten Rundfunkveranstaltern zu leistenden Abgaben eine gewisse Abhängigkeit von dem Wohlergehen der privaten Anbieter281 ; dies ist besonders für die Bundesländer mit nur wenigen Rundfunkveranstaltern von Bedeutun~. In diesem Zusammenhang wurde der Vorwurf erhoben, daß die faktische Durchsetzungskraft der Landesmedienanstalten gegenüber wirtschaftlich mächtigen Anbietern leiden könne, da ein Lizenzentzug aufgrund der Abgabenpflicht die Finanzkraft der Anstalten selbst schwäche283• Diese Kritik erweist sich als unberechtigt, da die Gebühren und sonstigen Abgaben nur einen geringen Stellenwert im Gesamthaushalt der Landesmedienanstalten einnehmen284 • Die Finanzierung der Landesmedienanstalten über die privaten Veranstalter hat sich in der Anlaufphase des privaten Rundfunks als nicht ausreichend und unbefriedigend erwiesen. Dies liegt zum einen daran, daß es in den meisten Ländern noch wenig private Rundfunkanbieter gibt, zum anderen an ihrer mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit2&5. Auf dieser Erkenntnis beruht auch die Regelung des Art. 6 RfStV, wonach die Finanzierung der Landesmedienanstalten mit ihrer Beteiligung an der einheitlichen Rundfunkgebühr auf eine sichere und tragfähige Grundlage gestellt wird286• b) Finanzierung durch Beteiligung an der allgemeinen Rundfunkgebühr Nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 RfStV können die Länder einen Anteil der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühr in Höhe von zwei Prozent unter anderem für die Finanzierung der Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen der für die privaten Veranstalter nach Landesrecht zuständigen Stelle verwenden. Sämt-

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Vgl. Groß, OÖV 1984, 140, 143; Hesse, OÖV 1986, In, 187; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 106. Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 6, Rdnr. 9, wo zutreffend darauf hingewiesen wird, daß eine allzu starke Belastung der privaten Rundfunkveranstalter mit Gebühren und sonstigen Abgaben gerade in der Startphase des privaten Rundfunks der Förderung und Sicherung von Meinungsvielfalt eher abträglich sein dürfte; vgl. auch die Amtliche Begründung zu § 70 LMG Bad-Württ, abgedruckt in: Bullinger/Gödel, LMedienG BadWürtt, § 70. Vgl. Groß, OÖV 1984, 140, 143; ders., OVBl. 1985,353,357; Hesse, OÖV 1986, In, 187. So betrug im Zeitraum von 1985 bis 1990 der Anteil der Einnahmen aus den Gebühren für Amtshandlungen/Auslagenersatz an den Gesamteinnahmen aller Landesmedienanstalten 1 Prozent, der aus der Anbieterabgabe 1,7 Prozent; vgl. die nähere Aufschlüsselung der Einnahmequellen der Landesmedienanstalten nach ihrer Konstituierung bei Wöste, Media Perspektiven 1990, 281, 287 (fabelle 2), 289 f. (fabelle 3); siehe auch Thaenen, OLM-Jahrbuch 1988, S. 35, 46; vgl. ferner Hesse, OÖV 1986, 177, 187. Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 6, Rdnr. 9. Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 6, Rdnr. 9; Wöste, Media Perspektiven 1990, 281; skeptisch dagegen Hesse, Rundfunkrecht, S. 172; siehe dazu im einzelnen sogleich.

14 Gersdorf

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

liche Länder haben von dieser Ermächtigung Gebrauch gemache87 • Damit steht den Landesmedienanstalten ein fmanzieUes Gesamtvolumen von jährlich über einhundert Millionen Deutsche Mark zur Verfügun~, das nach einem dem prozentualen Anteil der Länder am gesamten Gebührenaufkommen entsprechenden Schlüssel auf die einzelnen Länder verteilt wird289 • Die Landesmedienanstalten fmanzieren sich zu nunmehr über 90 Prozent aus dem Aufkommen am Rundfunkgebührenanteil29O • (1) Grundsätzliche Zulässigkeit Diese Finanzierungsform der Zulassungs- und Aufsichtsinstanzen für den privaten Rundfunk hat ihren historischen Ursprung im sogenannten "Kabeloder Aufsichtsgroschen", einem Zuschlag zur allgemeinen Rundfunkgebühr, mit dessen Erträgen bestimmte Kabelpilotprojekte fmanziert werden soUten. Die Rechtmäßigkeit des Kabelgroschens war heftig umstritten291 • Dieser

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Baden-Württemberg: Art. 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 16.11.1987, GBI. Nr. 18, S. 511; Bayern: Art. 10 Nr. 9 des Medienerprobungs- und Medienentwicklungsgesetzes i.d.F. der Bekanntmachung vom 8.12.1987, GVBI. 1987, S. 431; Berlin: § 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 1./3.4.1987, GVBI. Nr. 67, S. 2613; Bremen: § 44 Abs. 1 Bremisches Landesmediengesetz vom 14.2.1989, GBI. Nr. 6/1989, S. 77; Hamburg: Art. 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 12.11.1987, GVBI. Nr. 44, S. 195; Hessen: § 47 Abs. 2-Abs. 4 des Gesetzes über den privaten Rundfunk in Hessen vom 30.11.1988, GVBI. 1988, S. 385; Niedersachsen: Art. 2 Abs. l-Abs. 3 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 28.10.1987, GVBI. Nr. 36/1987, S. 183; Nordrhein-Westfalen: § 65 Abs. 2, § 52 Abs. 2 Satz 1, 2 des Rundfunkgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen i.d.F. der Bekanntmachung vom 11.1.1988, GVBI. Nr. 2, S. 6; Rheinland-Pfalz: § 18 Abs. 1 Satz 2, § 3Oa, § 31 Abs. 1 Satz 2 des Landesrundfunkgesetzes vom 24.6.1986 i.d.F. des Änderungsgesetzes vom 5.7.1988, GVBI. Nr. 16, S. 123; Saarland: Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes Nr. 1221 über die Zustimmung zum Rundfunkstaatsvertrag vom 16.9.1987, Amtsblatt Nr. 47, S. 1153; Schleswig-Hoistein: Art. 2 des Gesetzes zu dem ~taatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) und zur Anderung des Landesrundfunkgesetzes vom 5.6.1987, GVBI., Nr. 15, S. 233. Vgl. Wöste, Media Perspektiven 1990, 281, 287 (Tabelle 2) und 289 f. (Tabelle 3). Vgl. den Verteilungsschlüssel und den sich daraus im einzelnen ergebenen Beträgen: Funk-Korrespondenz Nr. 20 vom 15. Mai 1987, S. 8. Vgl. Wöste, Media Perspektiven 1990, 281, 287 (Tabelle 2) und 289 f. (Tabelle 3). Zur Frage nach der Rechtmäßigkeit des sog. Kabelgroschen VG Stuttgart, ZUM 1987, 470; VG München, ZUM 1987, 472; BayVGH, BayVBI. 1988, 685, 688, der in der VelWendung eines Teils der Rundfunkgebühr für die Kabelpilotprojekte einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit aller Bürger vor den öffentlichen Lasten sieht; dagegen zutreffend HartsteinjmngjKreile, RfStV, Art. 6, Rdnr. 22; siehe ferner zum Streit Betz, Media Perspektiven 1984,441, 445; Grupp, FuR 1984, 283 ff.; Ott, FuR 1984, 231 ff.; Schmidt, Media Perspektiven 1986, 162 ff.; ders., Rundfunkgebühr, S. 75 ff.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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Streit kreist nunmehr um die Frage, ob die Finanzierung besonderer Aufgaben nach Art. 6 RfStV zulässig ise'n. Gegen eine Beteiligung der Landesmedienanstalten am Gebührenaufkommen wird eingewandt, daß dieser Finanzierungsweg auf eine "Umwegfinanzierung" für den privaten Rundfunk hinauslaufe, was mit dem Rechtscharakter der Rundfunkgebühr als öffentliche Abgabe unvereinbar sei293 • Dieser Einwand erweist sich schon deswegen als unhaltbar, weil nicht einsichtig ist, weswegen die Wahrnehmung der Zulassungs- und Kontrollfunktionen der Landesmedienanstalten im spezifischen Eigeninteresse der privaten Anbieter liegen könnte294 • Gewichtiger erscheint das Argument zu sein, daß die Aufsicht über die privaten Rundfunkanbieter als "Aufgabe des Staates" entweder vom Staat selbst oder von den "Veranlassern" zu finanzieren sei und nicht dem gebührenzahlenden Rezipienten aufgebürdet werden könne 295 • Doch dieser Ansicht ist ebenfalls kein Erfolg beschieden, weil die Beaufsichtigung privater Rundfunkprogramme keine staatliche Aufgabe, sondern gerade von staatlicher Einflußnahme freizuhalten ist. Daher könnte eine direkte Finanzierung der Landesmedienanstalten aus dem Staatshaushalt allenfalls als ultima-ratio möglicher Finanzierungsformen in Betracht kommen296• Auch wenn die externe Überwachung privaten Rundfunks durch die Landesmedienanstalten gegenüber der Kontrolle durch die entsprechenden Organe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weniger effektiv ist, sind die Tätigkeiten externer und interner Kontrollträger insoweit vergleichbar, als sie gleichsam auf die Wahrung von Vielfalt und Ausgewogenheit in den Rundfunkprogrammen abzielen. Es ist unerheblich, ob veranstalterintern oder -extern organisierte Instanzen dafür Sorge tragen, daß diese verfassungsrechtlichen Zielsetzungen erreicht werden, selbst wenn die Kontrollrnaßstäbe ganz unterschiedlich sind297• Die Aufsicht über die privaten wie öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme erfolgt daher gleichermaßen im Interesse der Rundfunkteilnehmer, so daß es gerechtfertigt ist, diese zur Finanzierung der Landesmedienanstalten heranzuziehen298 • Ungeachtet des 292

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Vgl. Badura, ZUM 1988, 155, 159 ff.; Oppermann/Kilian, Finanzierung, S. 97 f.; Schmidt, Rundfunkgebühr, S. 69 ff., insbesondere S. 72 ff. Vgl. Oppermann/Kilian, Finanzierung, S. 98. Etwas anderes könnte allenfalls im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Nr. 3 RfStV gelten. Vgl. Hümmerich/Beucher, AfP 1989, 708, 715; Oppermann/Kilian, Finanzierung, S. 97; Schmidt, Rundfunkgebühr, S. 71 ff.; siehe ferner Badura, ZUM 1988, 155, 159 ff. Vgl. Hanstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 6, Rdnr. 22. Siehe auch in bezug auf die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten statt vieler Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und die Finanzierung des DLF, S. 17; Steimer, Rundfunkfinanzierung, S. 15; Stern/ Bethge, Funktionsgerechte Finanzierung, S. 48; Thieme, AöR Bd. 88 [1%3], 38, 74. Siehe Hanstein/Kreile/Ring, RfStV, Art. 6, Rdnr. 22; vgI. auch Eberle, Rechtsgutachten zum "Vorbehaltsgesetz", Typoskript, S. 6. So auch Galt, ZUM 1991, 167, 170; im Ergebnis ebenso Hanstein/Ring/Kreile, RfStV,

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Streites um die Rechtsnatur der Rundfunkgebühr299 bestehen daher grundsätzlich keine Bedenken, die Zulassungs- und Aufsichtsaufgaben der Landesmedienanstalten aus dem Aufkommen der allgemeinen Rundfunkgebühr zu finanzieren. (2) Das Gebot der Staatsfreiheit (a) Grundsätzliches Im Schifttum wird die Auffassung vertreten, daß die Beteiligung der Landesmedienanstalten an der allgemeinen Rundfunkgebühr die Gefahr staatlicher Einflußnahme mindere und daher anderen Finanzierungsformen, insbesondere einer direkten Bezuschussung aus den Landeshaushalten vorzuziehen sei3°O.

Es ist fraglich, ob das gegenwärtig praktizierte Verfahren der Gebührenfestsetzung durch die Landesparlamente mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks vereinbar ist. Darauf wird später noch einmal gesondert einzugehen sein. Auch ist grundsätzlich nicht einzusehen, warum der Grad der Abhängigkeit der Landesmedienanstalten von staatlichen Stellen danach differieren soll, ob ihre verfügbaren fmanziellen Mittel direkt aus dem Landeshaushalt stammen oder durch den gebührenfestsetzenden Landesgesetzgeber bestimmt werden. In beiden Fällen besteht gleichermaßen ein spezifisches Abhängigkeitsverhältnis zum Staat30l • Diese Überlegungen können allerdings im vorliegenden Zusammenhang nicht fruchten. Die Finanzierung der Landesmedienanstalten ist untrennbar mit derjenigen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verbunden. Aufgrund der Zweiprozentquote führt eine Erhöhung der Rundfunkgebühren nur zu einer geringfügigen Steigerung des Finanzaufkommens der Landes-

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Art. 6, Rdnr. 22; wohl auch Wagner, Landesmedienanstalten, S. 107 f. Dazu im einzelnen noch später. Vgl. Betz, Media Perspektiven 1984, 441, 442; Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 6, Rdnr. 22; siehe ferner Hesse, DÖV 1986, 177, 187 und Fn. 67; vgl. ferner die Einschätzung des Direktors der ULR (Schl-H) zur Finanzierung seiner Anstalt durch die Beteiligung am Gebührenaufkommen: "Das ist aus meiner Sicht sehr richtig und sehr notwendig, weil es uns von einem Landeszuschuß unabhängig macht. Egal, welche Regierung hierher kommt, sie hat uns nicht am Gängelband", wiedergegeben bei Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 417, 429. Auch das BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 70 sieht insoweit offenbar gleichwertige Gefährdungspotentiale, wenn es ausführt, daß "die Finanzierung durch Gebühren oder Haushaltsmittel Möglichkeiten der politiSChen Einflußnahme auf die Programmgestaltung eröffnet" (Hervorhebung v. Verf.).

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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medienzentralen. Die Festsetzung der Gebührenhöhe ermöglicht dem Staat nicht, die Landesmedienanstalten politisch zu disziplinieren und zu steuern. Der durch Art. 6 RfStV vorgegebene materielle Handlungsspielraum läßt dafür keinen Raum 302• Die zweiprozentige Beteiligung der Landesmedienanstalten am Gebührenaufkommen trägt daher in besonderer Weise zur Staatsunabhängigkeit der Anstalten bei. Dieser Finanzierungsweg entspricht dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks. (b) Unzulässiger staatlicher Einfluß durch Aufteilung der staatsvertraglichen Mittelzuweisung? Neben den Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen der Landesmedienanstalten müssen aus dem Aufkommen am Gebührenanteil auch die offenen Kanäle sowie die Förderung der technischen Infrastruktur zur terrestrischen Versorgung des Landes fmanziert werden (Art. 6 Abs. 1 Nr. 1-3 RfStV). Insoweit ist es erforderlich, die einem Land zufallenden Gesamtbeträge auf die einzelnen Aufgabenfelder zu verteilen. Diese notwendige Aufteilung der staatsvertraglichen Mittelzuweisung könnte zu neuen Abhängigkeiten der Landesmedienanstalten von staatlichem Wohlverhalten führen. Aus diesem Grunde ist zu untersuchen, ob das in den einzelnen Ländern geregelte Verteilungsverfahren die verfassungsrechtlich gebotene Staatsunabhängigkeit der Landesmedienanstalten wahrt. Insgesamt folgen die landesrechtlichen Bestimmungen zwei Regelungsmustern: Zur ersten Kategorie gehören die Länder Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Dort können die zuständigen Landesmedienanstalten in eigener Regie über die Verteilung der staatsvertraglichen Mittel auf die einzelnen Aufgabenbereiche im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Nr. 1-3 RfStV entscheiden303 • Diese Regelung

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Ebenso Wagner, Landesmedienanstalten, S. 108. Bayern: Art. 10 Nr. 9 des Medienerprobungs- und Medienentwicklungsgesetzes i.d.P. der Bekanntmachung vom 8.12.1987, GVBI. 1987, S. 431 und Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 MEG Bay; Berlin: § 2 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 1./3.4.1987, GVBI. Nr. 67, S. 2613; Bremen: § 44 Abs. 1 Satz 1 Bremisches Landesmediengesetz vom 14.2.1989, GBI. Nr. 6/1989, S. 77; Hamburg: Art. 2 Abs. 2 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 12.11.1987, GVBI. Nr. 44, S. 195; NordrheinWestfalen: § 52 Abs. 2 Satz 1, 2 des Rundfunkgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalei.d.P. der Bekanntmachung vom 11.1.1988, GVBI. Nr. 2, S. 6; Rheinland-Pfalz: § 31 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbsatz des Landesrundfunkgesetzes vom 24.6.1986 i.d.P. des Änderungsgesetzes vom 5.7.1988, GVBI. Nr. 16, S. 123; Saarland: Art. 4 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 1221

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

dient der Autonomie der Anstalten gegenüber dem Staat und ist im Lichte der Staatsfreiheit des Rundfunks positiv zu bewerten304 • Die Regelungssysteme der Länder Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein bilden die zweite Gruppe. In diesen Ländern ist die Verwendung des Gebührenanteils über die Vorschriften des Rundfunkstaatsvertrages hinaus spezifiziert. In Baden-Württemberg ist in Form einer "Kann"-Vorschrift bestimmt, daß die Landesanstalt für Kommunikation von dem zusätzlichen Anteil an der Rundfunkgebühr bis zu dreizig Prozent für ihre Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen und zumindest siebzig Prozent für die Förderung der technischen Infrastruktur bezüglich der terrestrischen Versorgung des Landes verwendet305 • In Schleswig-Holstein ist der Handlungsspielraum der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen aufgrund einer SoUbestimmung mit Genehmigungsvorbehalt der Rechtsaufsichtsbehörde noch weitreichender eingeschränkf06. Danach soll die Landesanstalt für das Rundfunkwesen fünfundzwanzig Prozent vom Anteil an der einheitlichen Rundfunkgebühr zur Deckung ihres Finanzbedarfes für die Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen verwenden307• Die Mittelzuweisung kann durch Gesetz jährlich neu bestimmt werden308• Nach dem Hessischen Privatrundfunkgesetz erhält die Landesanstalt für privaten Rundfunk bis zum 31. Dezember 1991 die Hälfte des zusätzlichen Anteils an der Rundfunkgebühr; dieser Anteil ist zu mindestens fünfundsiebzig Prozent für die technische Infrastruktur zur terrestrischen Versorgung mit privaten Rundfunkprogrammen zu verwenden; bis 1992 kann die Landesregierung der Anstalt weitere zwanzig Prozent für die Infrastrukturförderung oder für offene Kanäle zuweisen309 • Ab dem 1. Januar 1992 stehen der Anstalt nur noch 20 Prozent des Rundfunkgebührenanteils zu. Weitere Mittel können ihr durch die Landesregierung zugewiesen werden, soweit dies

über die Zustimmung zum Rundfunkstaatsvertrag vom 16.9.1987, Amtsblatt Nr. 47,

S. 1153. 304 305

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Ebenso Wagner, Landesmedienanstalten, S. 110. Vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 16.11.1987, GBI. Nr. 18, S. 511. VgI. § 58 LRG Sch-H. Vgl. § 58 Abs. 1 Nr. 1 LRG Sch-H. Vgl. § 58 Abs. 2 LRG Sch-H. Vgl. § 47 Abs. 2 HPRG. Begründet wird dieser halbierte Gebührenanteil mit einem Vergleich der Budgets von Medienanstalten anderer Länder mit ähnlichem Privatrundfunkkonzept, vgI. die Amtliche Begründung zu § 47, LT-Drs. 12/2478, S. 52; siehe ferner Wöste, Media Perspektiven, 1990, 281, 283.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

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zur Finanzierung ihrer Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen und zur Förderung offener Kanäle erforderlich ise10• In Niedersachsen sind für die Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen des zuständigen Landesrundfunkausschusses lediglich bis zu zehn Prozent des Rundfunkgebührenanteils vorgesehen. Die restlichen neunzig Prozent entfallen auf das Aufgabengebiet nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 3 RfStV, wobei das zuständige Landesministerium die Einzelheiten über die Verwendung der Mittel durch Rechtsverordnung regeln kann311 • Dieses Finanzierungsmodell stößt insoweit auf verfassungsrechtliche Bedenken, als die betroffenen Landesmedienanstalten aufgrund der Eingrenzung der fmanziellen Mittel durch den Gesetzgeber in eine mehr oder weniger starke Abhängigkeit zu der jeweiligen Landesstaatlichkeit geraten. Damit drohen die positiven Effekte der Gebührenfmanzierung für die Staatsunabhängigkeit der Landesmedienanstalten wieder verlorenzugehen312• Erweisen sich die für die Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen vorgesehenen Kontingente als nicht hinreichend, könnten die fehlenden fmanziellen Ressourcen zu einem "Anpassungsdruck" bei den Anstalten führen; die Anstalten könnten etwa im Rahmen eines konkreten Zulassungsverfahrens im Interesse ihrer Existenzsicherung geneigt sein, bei einer zu treffenden Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern dem vermeintlich "regierungsnäheren" Interessenten gegenüber demjenigen den Vorzug zu geben, der eine (eher) distanziertere Haltung gegenüber Regierungsstellen erwarten läßt313 • 310 311 312 313

Vgl. § 47 Abs. 3 HPRG. Vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 1 bis 4 des Gesetzes zu dem Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens (Rundfunkstaatsvertrag) vom 28.10.1987, GVBI. Nr. 36/1987, S. 183. Zutreffend Wagner, Landesmedienanstalten, S. 109 f. Daß diese Befürchtung nicht nur theoretischer Natur ist, zeigt das Beispiel der Vergabe der ersten Fernsehlizenz an SAT 1 in Niedersachen: Nach Lizenzausschreibung hatte die nds. Staatskanzlei aus standortpolitischen Gründen dem Landesrundfunkausschuß empfohlen, die erste, wirtschaftlich weitaus interessanteste Frequenz SAT 1 zu erteilen, während RlL plus sich mit der zweiten Frequenz begnügen sollte. Obwohl sich der Programmausschuß des nds. Landesrundfunkausschusses (LRA) dieser Empfehlung nicht anschloß, entschied sich der LRA für SAT 1. Diese Entscheidung über die Vergabe der Fernsehlizenz fiel in eine Zeit heftiger Spannungen zwischen dem LRA und der Staatskanzlei. Grund dafür war u.a. der seinerzeitige Entwurf der Landesregierung zum Rundfunkstaatsvertrag, der vorsah, daß lediglich 6 Prozent der von Niedersachsen aus dem Aufsichtsgroschen vereinnahmten 9,5 Mill. DM dem LRA zur Verfügung gestellt werden sollten, weswegen die Mitglieder des AusseImsses befürchteten, in Zukunft finanziell "an die kurze Leine genommen" zu werden. So äußerte der LRA-Vorsitzende im September 1987 seine Bestürzung darüber, daß die Landesregierung keine Gelegenheit auslasse, "den Landesrundfunkausschuß in seiner Autonomie zu beschneiden". Angesichts dieser Umstände kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Entscheidung der LRA zugunsten von SAT 1 auch unter dem Eindruck starker politischer Einflußnahme zustande gekommen ist. Vgl. im einzelnen zum Vergabeverfahren der ersten Fernsehfrequenz in Niedersachsen und seinen politischen Implikationen Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 323, 337 f.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Eine Beschneidung der Finanzausstattung der Landesmedienanstalt mit dem Ziel einer politischen Disziplinierung wäre unzulässilf14. Soweit die Mittel für die Finanzierung der Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen knapp gehalten sind und die Landesmedienanstalten in bezug auf weitere Finanzzuweisungen von staatlichen Stellen abhängig sind, lassen sich solche staatlichen Infiltrationen auf die interne Willensbildung der Anstalten nicht ausschließen3JS• Für die verfassungsrechtliche Beurteilung der hier in Rede stehenden landesrechtlichen Regelungen kommt mithin der Frage Bedeutung zu, ob die den Landesmedienanstalten zugeordneten Kontingente für eine wirksame Kontrolle der privaten Rundfunkveranstalter ausreichen. Die nunmehr abgeschlossene erste Untersuchung zu den Einnahmen und Ausgaben der Landesmedienzentralen läßt den Schluß zu, daß sich die gesetzlichen Vorschriften über die Verwendung des Rundfunkgebührenanteils auf die personelle und sachliche Ausstattung der Anstalten auswirkt. Die Landesmedienanstalten der Länder ohne Mittelbegrenzungen beschäftigen regelmäßig deutlich mehr Mitarbeiter als diejenigen Anstalten, deren Dispositionsfreiräume durch entsprechende politische Vorgaben eingeengt sind316. Bei den Sachaufwendungen der Landesmedienanstalten zeichnet sich ein ähnliches Bild ab3l7 • üb die betroffenen Landesmedienanstalten durch die landesrechtlichen Vorschriften zur Verwendung der Rundfunkgebühr lediglich zur erhöhten Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit angehalten werden oder ob diese Bestimmungen einer effektiven Kontrolle der privaten Rundfunkanbieter entgegenstehen, läßt sich allerdings nicht sicher beantworten318• Angesichts dieses Unsicherheitsfaktors gewinnt die Fragestellung erhebliches Gewicht, ob der Staat oder die Landesmedienanstalten darüber zu befinden haben, welche Mittel zur Finanzierung der Zulassungs- und Auf-

m.w.N.; siehe in diesem Zusammenhang auch Lange, Media Perspektiven 1989, 268, 271.

314 Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 6, Rdnr. 9. 315 Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 6, Rdnr. 9; 316

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Wöste, Media Perspektiven 1990, 281, 294 und 296. Obwohl in Baden-Württemberg, Bayern und Nordrhein-Westfalen ein vergleichbares Privatrundfunkkonzept verfolgt wird, beschäftigt nach den Plandaten für das Jahr 1990 die BLM (Bay) 47 und die UR (NW) 40 Mitarbeiter, während die LfK (Bad-Württ) auf lediglich 18,25 Stellen kommt; vgl. Wöste, Media Perspektiven 1990, 281, 295 (Tabelle 5 m.w.N. auf die Personalaufwendungen der einzelnen Landesmedienanstalten). Der Anteil der Sachaufwendungen an den Gesamtausgaben liegt nach den Plandaten für das Jahr 1990 bei der BLM (Bay) bei 31,9 Prozent, bei der LfK (Bad-Württ) hingegen bei nur 12 Prozent (für NW liegen keine verläßlichen Daten vor); vgl. Wöste, Media Perspektiven 1990, 281, 291 ff. (Tabelle 4 m.w.N. auf Sachaufwendungen der einzelnen Landesmedienanstalten ). Vgl. Wöste, Media Perspektiven 1990, 281, 294 und 296.

Erstes Kapitel: Die Landesmedienanstalten

217

sichtsfunktionen der Anstalten erforderlich erscheinen. Als wesentliche Orientierungshilfe können dabei die Maßstäbe dienen, die für die Feststellung des Finanzbedarfes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entwikkelt wurden. Auch bei den Rundfunkanstalten gilt der Bereich der Finanzierung als wichtiger Indikator für die tatsächliche Unabhängigkeit von staatlichen Einflüssen319 • Dementsprechend ist es in erster Linie Sache der zuständigen Organe der Landesmedienanstalten darüber zu befmden, welche organisatorischen, personellen und sachlichen Maßnahmen im Rahmen der Aufsichtstätigkeit zu treffen sind. Der Staat darf den Anstalten beispielsweise nicht vorschreiben, wieviel Personal für die Beobachtung privater Rundfunkprogramme bereitzustellen ist. Dies ist eine ureigene Angelegenheit der Kontrollträger . Staatliche Stellen sind prinzipiell an die organisatorischen, personellen und sachlichen Zielvorgaben der Landesmedienanstalten gebunden; sie können ausschließlich auf der Grundlage dieser Vorgaben unter Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten die Finanzierungsvorstellungen der Anstalten überprüfen. Dem Staat kommt dabei kein nennenswerter, die programmbezogene Tätigkeit der Landesmedienanstalten betreffender Handlungsspielraum zu, da er sich nur mit Fragen befaßt, die sich allein auf wirtschaftliche Aspekte der Tätigkeit der Anstalten beziehen. Die Kosten für einzelne bestimmte Vorhaben lassen sich zumeist eindeutig bestimmen wie etwa der Aufwand für Personal und für Sachgüter. Weiter können als sachgerechter Vergleichsmaßstab die Haushalte der Landesmedienanstalten anderer Bundesländer herangezogen werden. Solange und soweit bei der Entscheidung über weitere Mittelzuweisungen an die Landesmedienanstalten lediglich wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle spielen, ist der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht betroffen320• Das in den Bundesländern Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen und Niedersachsen gesetzlich geregelte Verteilungsverfahren ist im Lichte dieser Grundsätze verfassungskonform auszulegen. Reichen die für die Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen vorgesehenen Mittel nicht aus, so könnten nach Maßgabe dieser Kriterien die Landesmedienanstalten in Baden-Württemberg und in Schleswig-Holstein von der Quotenaufteilung durch den Gesetzgeber abweichen, ohne dadurch ermessensfehlerhaft zu handeln. In Schleswig-Holstein müßte die Rechtsaufsichtsbehörde der entsprechenden Anhebung des Anteils nach Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 RfStV zustimmen. In Hessen und Niedersachsen könnten die jeweiligen Landesmedienan-

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Dazu im einzelnen später. Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 73, 118, 185 f.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

stalten von der Regierung beziehungsweise vom Gesetzgeber die für eine wirksame Wahrnehmung der Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen erforderlichen Mittel verlangen.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten zur Nutzung von Rundfunkübertragungen Wer Rundfunksendungen veranstalten möchte, ist von der Zurverfügungstellung technischer Übertragungskapazitäten abhängig. Die sendetechnische Verbreitung ist die Grundvoraussetzung für die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen. Diese untrennbare Verknüpfung von materieller Rundfunkfreiheit und deren technischer Realisierung läßt die Frage bedeutsam werden, welche Organisationsstrukturen dem Verfahren zur Aufteilung von Rundfunkübertragungskapazitäten zugrunde liegen und nach welchen inhaltlichen Kriterien die Aufteilung vorgenommen wird. Vor dem Hintergrund der gebotenen Staatsfreiheit des Rundfunks ist insbesondere zu klären, welche Gestaltungskompetenzen staatlichen Organen im Rahmen dieses Verteilungsverfahrens zukommen und wie diese verfassungsrechtlich zu bewerten sind. Es ist zu untersuchen, ob staatlichen Stellen Handlungsspielräume eröffnet sind, die ihnen ermöglichen könnten, in unzulässiger Weise auf die Programmgestaltung einzelner Rundfunkanbieter Einfluß zu gewinnen. Zunächst sollen die verfassungsrechtlichen Grundsätze herausgearbeitet werden, an denen das Verfahren zur Aufteilung von technischen Übertragungswegen auszurichten ise21 • Erst dann ist es möglich, die landesrechtlichen Strukturen über die Vergabe von Übertragungskapazitäten einer verfassungsrechtlichen Bewertung zu unterziehen322 • I. Verfassungsrechtliche Vorgaben

1. Einleitung Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist das Parlament dazu verpflichtet, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen. Als Wesentlichkeitsmaßstab nennt das Gericht die Grundrechtsrelevanz der entsprechenden Maßnahme. Desto mehr eine Regelung für die Verwirklichung der Grundrechte bedeutsam sei, um so eher müsse sie in Form eines Parlamentsgesetzes erfolgen323 • Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem

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Dazu unter I. Dazu unter II. Vgl. dazu ausführlich 2. Teil, 3. Kapitel.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

dritten Rundfunkurteil ausgeführt, daß die Entscheidung darüber, wem eine der knappen Möglichkeiten zur Programmübertragung zugute kommen soll, nicht dem Zufall oder dem freien Spiel der Kräfte überlassen werden dürfe 324 . Diese Aussage bezog sich zwar nur auf den Zugang privater Veranstalter zum Massenmedium Rundfu~25. Da das Gericht das Verbot einer willkürlichen Frequenzvergabe auf den allgemeinen Gleichheitssatz gestützt hae 26 und dieses Verbot darüber hinaus bereits in der Rundfunkfreiheit selbst angelegt sein dürfte327, erscheint es aber naheliegend, daß auch die Aufteilung von Übertragungskapazitäten zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk einer parlamentarischen Leitentscheidung bedarf28 • Hierbei muß allerdings zwischen zwei Regelungsbereichen unterschieden werden. Zum einen stellt sich die Frage, ob der Gesetzgeber dazu verpflichtet ist, das Verteilungsverfahren durch den Erlaß von materiell-, verfahrensund organisationsrechtlichen Regelungen näher festzulegen3~, zum anderen, ob der Gesetzgeber selbst die Entscheidung über die Zuordnung von Übertragungskapazitäten treffen darf oder gar treffen muß330 . Bereits oben wurde ausführlich dargelegt, daß der Parlamentsvorbehalt im grundrechtlich relevanten Bereich seine rechtsdogmatische Begründung in den Grundrechten selbst fmdet. Die Grundrechte geben die Antwort auf die Frage, welche Organ-, Verfahrens- und Regelungsstruktur im Einzelfall zu wählen ist, um möglichst grundrechtsadäquate Entscheidungen herbeizuführen33 !. Vor diesem Hintergrund erscheint wenigstens eine Aufteilung von terrestrischen Übertragungswegen durch ein förmliches Gesetz wenig sinnvoll. Auf dem Gebiet der Fernmeldetechnik muß stets mit Veränderungen und Weiterentwicklungen gerechnet werden. Das parlamentarische Rechtsetzungsver-

324 Vgl. BVerfGE 57, 295, 327. 325 Vgl. BVerfGE 57,295,326 f.

Vgl. BVerfGE 57, 295, 297. So zutreffend Scherer, Frequenzverwaltung zwischen Bund und Ländern, S. 52. 328 So Eberle, Rundfunkübertragung, S. 86 ff.; Hoffmann-Riem, HmbStVwR, S. 470, 481 f.; Scherer, Frequenzverwaltung zwischen Bund und Ländern, S. 51 ff.; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 178 f. 3~ Vgl. wiederum Eberle, Rundfunkübertragung, S. 86 ff.; Hoffmann-Riem, HmbStVwR, S. 470,481 f.; Scherer, Frequenzverwaltung zwischen Bund und Ländern, S. 51 ff.; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 178 f. 330 Vgl. Ricker, NJW 1988, 453, 454 f.; hinsichtlich der Aufteilung von Übertragungskapazitäten auf (Rundfunk-) Satelliten Kreile, Kompetenz, S. 278 ff.; RingjHartstein/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnrn. 40 ff. 33! Vgl. bereits 2. Teil, 3. Kapitel, III. 2. c). 326

3Z7

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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fahren erscheint viel zu schwerfällig, um Entscheidungen an die sich laufend ändernden Verhältnisse anpassen zu können. Klammert man einmal den Bereich der Rundfunksatellitentechnik aus, in dem der Entscheidungsspielraum durch die verbindlichen Festlegungen auf der World Administration Radio Conference (WARC) 1977 in Genf erheblich eingeengt ist332, bietet das parlamentarische Verfahren unter dem Gesichtspunkt eines "dynamischen Grundrechtsschutzes,,333 prinzipiell wenig Gewähr für möglichst grundrechtsadäquate Entscheidungen bei der Zuordnung von Übertragungswegen für Rundfunkzwecke 334 . Damit ist allerdings noch nicht die Frage beantwortet, ob nicht der Staat durch Rechtsverordnungen die erforderliche Aufteilung vornehmen könnte. Wie haben oben gezeigt, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht nur der parlamentarischen Rechtsetzungskompetenz Schranken setzt, sondern die staatliche Regelungsbefugnis generell begrenzt. Der Staat kann auf dem Gebiete des Rundfunkwesens nur dann regelnd tätig werden, soweit dies mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks vereinbar ist. Daher ist zu untersuchen, ob eine Verteilung von Übertragungskapazitäten durch staatliche Stellen Implikationen des Staates auf den Rundfunk befürchten läßt, die mit dem Prinzip der Staatsfreiheit nicht in Einklang stehen.

2. Das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks Die Praxis der vergangenen Jahrzehnte bei der Vergabe von Übertragungswegen war dadurch gekennzeichnet, daß die Deutsche Bundespost die verfügbaren terrestrischen Frequenzen im Regelfall den Landesrundfunkanstalten zur Verfügung stellte. Eine gesonderte Entscheidung der nach Rundfunkrecht zuständigen Stelle darüber, welche Frequenzen die Anstalten zur Erfüllung ihres Versorgungsauftrages nutzen durften, erging weitgehend überhaupt niche35 . Soweit die Landesrundfunkanstalten bei den Staatsbeziehungsweise Senatskanzleien einen Antrag auf Nutzung bestimmter Frequenzen stellten, wurde diesem in Form der sogenannten medienrechtlichen Unbedenklichkeitserklärung stets entsprochen, ohne daß für diese

332 Vgl. dazu noch später. 333 Vgl. BVerfGE 47, 89, 137. 334 Vgl. die Amtliche Begründung zu § 5 LMG Bad-Württ, abgedruckt bei BUllinger/GÖdel,

LMedienG Bad-Württ, § 5; siehe auch dies., LMedienG Bad-Württ, § 5, Rdnr. 4; Eberle, Rundfunkübertragung, S. 94 f.; Hesse, JZ 1991, 357, 360; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 230. 335 Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 83.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Entscheidung eine spezielle gesetzliche Grundlage vorla!f36. Diese rundfunkrechtliche Vergabepraxis war das Ergebnis eines umfangreichen fernmelderechtlichen Planungsverfahrens auf nationaler wie internationaler Ebene, das die Deutsche Bundespost als Träger des Kompetenzbereiches in enger Abstimmung mit den öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten und den Bundesländern durchführte337 • Eine Notwendigkeit, verfügbare neue Frequenzen unter mehreren Interessenten aufzuteilen, bestand grundsätzlich nicht, da andere als die Landesrundfunkanstalten für die Frequenzvergabe meistens nicht in Betracht kamen. Lediglich weitere Landesrundfunkanstalten oder Bundesrundfunkanstalten (Deutschlandfunk, Deutsche Welle) konnten Bedarf an zusätzlichen Übertragungswegen anmelden. Dennoch blieb der rundfunkrechtliche Entscheidungsbedarf in bezug auf eine Aufteilung von Übertragungskapazitäten angesichts der geringen Zahl der an der Nutzung von Frequenzen interessierten Programmanbieter verhältnismäßig klein338• Diese Sachlage hat sich nach Einführung des privaten Rundfunks in der Bundesrepublik Deutschland grundlegend geändert. Zusätzliche verfügbare terrestrische Frequenzen und sonstige technische Übertragungswege können nicht mehr ohne weiteres an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten vergeben werden. Vielmehr bedarf es einer gesonderten Entscheidung, wie das Spektrum der für die Nutzung von Rundfunkübertragungen zur Verfügung stehenden Kapazitäten zwischen den einzelnen Interessenten aufgeteilt wird; dabei ist den spezifischen Interessen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und der privaten Veranstalter gleichermaßen Rechnung zu tragen339 • Damit ist zugleich die Gefahr beschrieben, die sich aus der nunmehr gebotenen rundfunkrechtlichen Aufteilungsentscheidung für die Staatsfreiheit des Rundfunks ergibt. Die Aufteilung betrifft unmittelbar das Konkurrenzverhältnis zwischen den einzelnen Rundfunkanbietern. Daher erscheint es bedenklich, staatliche Stellen mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben zu betrauen. Denn dem Staat ist es untersagt, bestimmte Meinungen oder Tendenzen zu begünstigen oder zu benachteiligen, d.h., das publizistische

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Vgl. BullingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 5, Rdnr. 2. Zum Verfahren der Frequenzverwaltung am Beispiel der Aufteilung des Frequenzbereiches 100-108 MHz Scherer, Frequenzverwaltung zwischen Bund und Ländern, S. 21 ff.; vgl. ferner Eberle, Rundfunkübertragung, S. 2 ff.; Löwer, Fernmeldekompetenz und FunkweIlenzuteilung, S. 27 ff. Vgl. die Amtliche Begründung zu § 5 LMG Bad-Württ, abgedruckt bei BullingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 5; siehe auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 13. Vgl. die Amtliche Begründung zu § 5 LMG Bad-Württ, abgedruckt bei BullingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 5; siehe auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 13 f.; Scherer, Frequenzverwaltung zwischen Bund und Ländern, S. 51 ff.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Wettbewerbsverhältnis zwischen mehreren Meinungsträgern zu stören und damit den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes zu beeinflussen. Zu prüfen ist, ob diese nunmehr erforderliche rundfunkrechtliche Aufteilungsentscheidung, soweit sie durch staatliche Organe ausgeführt wird, dem Staat ein mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit unvereinbares Einflußpotential auf den Rundfunk eröffnet. Bei Beantwortung dieser Frage ist auf die Ergebnisse zurückzugreifen, die bei der Bestimmung des Schutzbereiches des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks herausgearbeitet wurden. a) Unzulässigkeit einer Vergabe durch staatliche Stellen (1) Grundsätzliches Oben wurde ausführlich dargelegt, daß staatliche Stellen unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht mit der Wahrnehmung solcher Aufgaben betraut werden dürfen, die durch programmbezogene Entscheidungselemente geprägt sind34O• Diese Aussage soll an dieser Stelle für den Sachbereich der Zuordnung von Übertragungswegen an einzelne Rundfunkanbieter konkretisiert werden. Stehen nicht genügend Übertragungskapazitäten zum Zwecke der Verbreitung von Rundfunkdarbietungen zur Verfügung, um den angemeldeten Bedarf sämtlicher Interessenten decken zu können, muß notwendigerweise eine Auswahl unter diesen Bewerbern getroffen werden. Hiebei ist darüber zu entscheiden, welchem konkreten Rundfunkveranstalter mit welchem konkreten Programm der Vorzug gegenüber anderen Interessenten einzuräumen ist. Am Ende dieses Verfahrens steht die Zuordnung von Übertragungswegen an einen bestimmten Anbieter341 • Soweit privaten Rundfunkveranstaltern Übertragungskapazitäten zur programmlichen Nutzung zur Verfügung gestellt werden, wird diese Zuordnung sogar gesondert mit in den Zulassungsbescheid aufgenommen342• Auswahl- und Vergabeentscheidung fallen mithin zusammen und betreffen einen einheitlichen Sachkomplex.

340 341

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Vgi. 2. Teil, 2. Kapitel, V. 9. c) (1) und (2). Vgi. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74, das zutreffend davon ausgeht, daß sich die Entscheidung übc:.r die Zuordnung von Übertragungskapazitäten bei der fortbestehenden Knappheit der Ubertragungswege als Auswahlentscheidung zwischen konkreten Bewerbern sowie deren Programmangebot darstellt. Vgi. § 17 Abs. 1 Nr. 1 LMG Bad-Württ; § 9 Abs. 2 BremLMG; § 6 Nr. 3, 4 HPRG; § 7 LRG Nds; § 8 Abs. 2 LRG NW; § 8 Nr. 3 LRG Rh-Pf; § 9 Abs. 1 LRG Schl-H.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Das Bundesverfassungsgericht hat im Niedersachsen-Urteil für den Bereich des privaten Rundfunks betont, daß staatlichen Behörden keine Auswahlbefugnisse zugestanden werden dürfen, soweit diese Entscheidungen programmbezogene Wertungen voraussetzen. Nach Ansicht des Gerichts verstieß § 3 Abs. 3 Satz 4 LRG Nds. a.F. 343 "eindeutig" gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks, wonach der Auswahlvorschlag der staatlichen Erlaubnisbehörde galt, soweit der staatsfrei organisierte niedersächsische Landesrundfunkausschuß binnen fünf Monaten keine Auswahlentscheidung getroffen hat344 • Eine solche staatliche "Auffangkompetenz"345 kann bei den Bewerbern einen Anpassungsdruck erzeugen und insoweit ihre Programmgestaltung beeinflussen346• Damit würde dem Staat die Möglichkeit eröffnet, auf den gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß Einfluß zu gewinnen, der im Interesse des demokratischen Systems staatsfrei bleiben muß. Ebensowenig dürfen staatliche Stellen verfügbare Übertragungswege anteilig vergeben und einzelnen Bewerbern das Recht zur zeitpartagierten Nutzung gestatten347. Die Entscheidung über die nähere Gestaltung eines "Frequenzsplittings" könnten staatliche Organe zum Anlaß nehmen, die ihnen "genehmen" Veranstalter mit zeitlich attraktiven Sendeplätzen zu versorgen, welche hohe Reichweiten erwarten lassen, die eher "lästigen" Anbieter hingegen auf ungünstigere Tageszeiten zu verweisen348 • Die Vergabeentscheidung und die sich auf bestimmte Anbieter erstreckende Auswahlentscheidung erweist sich damit als in höchstem Maße konfliktträchtig. Dieses gesteigerte Gefabrenpotential ist diesem Entscheidungstypus strukturimmanent. Rundfunkrechtliche Vergabe- undAuswahlentscheidungen sollen gewährleisten, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk zum Ausdruck gelangen kann. Dementsprechend ist nach den meisten Landesmediengesetzen das Vielfaltskriterium der wesentliche Auswahlmaßstab349 . Dieser unbestimmte Rechtsbegriffbedarf der Operationalisierung; die rechtliche Implementation dieses Vielfaltsmaßstabes eröffnet erhebliche

343 Gesetz vom 23. Mai 1984 (GVBI. S. 147). 344

345 346 347 348 349

Vgl. BVerfGE 73, 118, 186 f. Vgl. BVerfGE 73, 118, 187. Vgl. BVerfGE 73, 118, 183; Eberle, Rundfunkübertragung, S. 96. Vgl. BVerfGE 73, 118, 188 f. Vgl. dazu BVerfGE 73, 118, 189. Vgl. § 18 LMG Bad-Württ; § 61 KPPG Berl; § 11 BremLMG; § 8 HPRG; §§ 21 f. HmbMedienG; § 6 LRG Nds; § 7 LRG NW; § 7 LRG Rh-Pf; § 41 LRG Saarl; § 11 LRG Schl-H. In Bayern wird lediglich die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung verlangt, § 26 Abs. 1 Nr. 5 MEG Bay.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Wertungs- und Gestaltungsmöglichkeiten. Der Gesetzgeber wird angesichts der Vielgestaltigkeit der Sach- und Lebensverhältnisse im Bereiche des Rundfunkwesens auf die Verwendung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes nicht gänzlich verzichten können. Andere gesetzliche Auswahlkriterien - wie etwa die Förderung des publizistischen Wettbewerbs3S0 oder die Teilhabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an technischen und programmlichen Entwicklungen351 - sind dem rundfunkspezifischen Vielfaltsgebot als Organisationsmaxime bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung funktional zugeordnet. Sie lassen sich ebensowenig wie das Vielfaltskriterium als Auswahlmaßstab in Form einer konditionierten Gesetzesprogrammierung fassen, so daß die konkrete Zuordnungsentscheidung gewissermaßen "aus dem Gesetz"3S2 folgt, ohne daß die Möglichkeit programmbezogener Wertungen besteheS3 • Die Entscheidung über die Auswahl unter mehreren Rundfunkveranstaltern eröffnet daher - wie die Zulassung und Aufsicht privaten Rundfunks durch die Landesmedienanstalten - beträchtliche programmbezogene Einflußmöglichkeiten. Diese Gestaltungsmöglichkeiten bestehen unabhängig davon, ob die Zuordnung von Übertragungskapazitäten von einer staatlichen Exekutivbehörde oder durch den Gesetzgeber erfolgt. Was den Handlungsspielraum in seiner formellen Dimension anbelangt, sind dem Gesetzgeber zwar durch das Gesetzgebungsverfahren deutliche Grenzen gesetzt. In materieller Hinsicht ist er dagegen weitgehend ungebunden und damit sehr flexibel 354 • Es entspricht daher nicht lediglich Zweckmäßigkeitsüberlegungen, sondern einer im Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks wurzelnden verfassungsrechtlichen Notwendigkeit, daß sämtliche Landesmediengesetze den staatsfrei organisierten Landesmedienanstalten die Aufgabe übertragen, knappe Übertragungskapazitäten unter mehreren privaten Bewerbern aufzuteilen und damit zugleich über die Zuordnung von Übertragungswegen an bestimmte Rundfunkanbieter zu entscheiden355 •

3SO 351 352 353

354

355

Vgl. § 2a HPRG. vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 LRG Schl-H. Vgl. Jarass, Freiheit der Massenmedien, S. 204. Diese strukturell bedingte Anfälligkeit dieses Entscheidungstypusses übersieht das BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74 insoweit, als es eine Zuständigkeit der nordrhein-westfälischen Landesregierung bei der konkreten Zuordnung von Übertragungskapazitäten dann für verfassungsrechtlich zulässig erachtet, wenn der Gesetzgeber dafür die allgemeinen Kriterien festlegt; insoweit zu Recht kritisch Hesse, JZ 1991, 357, 360; Stock, Media Perspektiven 1991, 133, 139 f.; dagegen zu unkritisch Ory, AfP 1991,402, 405. Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 33. Vgl. § 18 LMG Bad-Württ; § 61 KPPG Ber!; § 11 BremLMG; § 8 HPRG; §§ 21 f. HmbMedienG; § 6 i.V.m. § 3 Abs. 4 LRG Nds; § 7 LRG NW; § 7 LRG Rh-Pf; § 41

15 Gersdorf

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Bis hierhin kann mithin festgehalten werden, daß staatliche Stellen mit der Vergabe von Übertragungskapazitäten an konkrete Rundfunkveranstalter nicht betraut werden dürfen; diese Entscheidung macht programmbezogene Wertungen erforderlich, welche staatliche Organe unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht vornehmen dürfen. (2) Staatliche Entscheidungskompetenz in bezug auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Zu untersuchen ist, ob diese soeben erarbeiteten Grundsätze auch für die Vergabe von Übertragungskapazitäten an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gelten. Bei der folgenden Prüfung wird zwischen der Gewährleistung bereits bestehender Senderechte und der Vergabe neuer Senderechte unterschieden. (a) Gewährleistung bestehender Senderechte Die meisten Landesrundfunkgesetze gewähren den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen Bestandsschutz hinsichtlich der von ihnen vor der Einführung privaten Rundfunks benutzten Senderechte3S6• Dieser Bestandsschutz begünstigt in besonderer Weise die öffentlich-rechtlichen Anstalten und verkürzt damit zugleich das für die programmliche Nutzung privater Veranstalter verfügbare Frequenzspektrum. Die staatliche Zurverfügungstellung bestimmter Senderechte erfolgt auch nicht nach meinungsneutralen Kriterien, da sie die Versorgung der Bevölkerung mit den Programmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sichern hilft. Eine solche einseitige staatliche Begünstigung eines konkreten Trägers der Rundfunkfreiheit ist vor dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks besonders legitimierungsbedürftig, da sie zu einer Störung des publizistischen Wettbewerbes führfS7• Dieser Rechtfertigungsgrund muß sich zwingend aus der Verfassung ergeben, um dem Gesetzgeber von vornherein Handlungsspielräume zu verschließen, die der Freiheit des Rundfunks vor staatlicher Einflußnahme abträglich sind. Der dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung grundsätzlich zustehende weite Gestaltungsspielraum kommt insoweit nicht zum Tragen, da das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks auf Verwirkli-

3S6 3S7

LRG Saarl; § 11 LRG Schl-H. Vgl. im einzelnen noch später. Zum Aspekt der Wettbewerbsverzerrung als Indikator für einen Verstoß gegen das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks 2. Teil, 2. Kapitel, III. 2.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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chung drängt, welches auch den Gesetzgeber bindet. Daher kommt der Frage entscheidende Bedeutung zu, ob die Zuordnung bestimmter Senderechte an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestehendes Verfassungsrecht konkretisiert. Sollte dies bejaht werden, wäre gegen die Zuerkennung eines sendetechnischen Bestandsschutzes für die Altfrequenzen durch den Gesetzgeber unter dem Blickwinkel der gebotenen Staatsfreiheit an nichts zu erinnern. Denn wenn die Rechtsordnung die Nutzung bestimmter Übertragungskapazitäten durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohnehin verbindlich vorschreiben sollte, wäre nicht einzusehen, warum der Staat dieses rechtlich begründete Gebot nicht selbst festlegen dürfte. Eine derartige Festsetzung hätte dann ohnehin nur deklaratorische Bedeutung. Ein Handlungsspielraum käme dem Gesetzgeber insoweit nicht zu. (aa) Sendetechnischer Bestandsschutz aus der Grundversorgungsaufgabe? Zunächst könnte man daran denken, einen Bestandsschutz der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten hinsichtlich ihrer bestehenden Senderechte direkt aus der Rundfunkfreiheit herzuleiten. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts obliegt in einer durch das Nebeneinander von öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk gekennzeichneten dualen Rundfunkordnung den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die unerläßliche Grundversorgung der Bevölkerung mit einem vielfältigen Angebot an Rundfunkprogrammen358• Denn die Anstalten böten insbesondere aufgrund ihrer Gebührenfinanzierung die Gewähr, daß der klassische Auftrag des Rundfunks erfüllt werde, der nicht nur Unterhaltung und Information, sondern auch eine kulturelle Verantwortung umfasse359 • Die Wahrnehmung dieser Aufgaben mache es notwendig, die technischen, organisatorischen, personellen und finanziellen Vorbedingungen ihrer Erfüllung sicherzustellen360 • Das Bundesverfassungsgericht hat zur gebotenen Grundversorgung auch die Übertragungstechnik gezählt, bei der ein Empfang derjenigen Pro-

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Wenigstens "nach Lage der Dinge" und "in erster Linie", vgl. BVerfGE 73, 118, 158; 74, 297, 324 f.; siehe zu dieser situationsbedingten Einschränkung weiter BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 66: "noch immer", Kritisch zu dieser Einschränkung Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 390 und 393, die davon ausgeht, daß der werbefinanzierte private Rundfunk "fast schon naturgesetzlich" nicht zur gebotenen Vielfaltssicherung in der Lage sei und deswegen für die Wahrnehmung der Grundversorgungsaufgabe nicht in Frage kommen könne, ohne diese Einschätzung aber hinreichend abzusichern. Vgl. BVerfGE 73, 118, 158. Vgl. BVerfGE 73, 118, 158; 74, 297, 324 f.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

gramme für alle sichergestellt ist, die im Zeitpunkt des Niedersachsen-Urteils vom 4. November 1986 ausgestrahlt wurden361 • Diese Rechtsprechung des Gerichts zur "Grundversorgung" ist teilweise auf Zustimmung, teilweise auf heftige Kritik gestoßen362• Dieser Streit kann und braucht im Rahmen dieser Arbeit nicht ausgetragen zu werden. Denn mit der Zuerkennung der Grundversorgungsaufgabe durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist jedenfalls keine Zuordnung bestimmter Übertragungswege an die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten verbunden. Auch unter Zugrundelegung dieses Ansatzes ist allein maßgebend, daß die technische Verwirklichung der Empfangbarkeit der im Zeitpunkt des vierten Rundfunkurteils ausgestrahlten öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme gewährleistet ist363 • Dazu ist jedoch ein absoluter Bestandsschutz für die Altfrequenzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht erforderlich. Selbst wenn man den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Grundversorgungsaufgabe zuschreibt, ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weswegen die von den Anstalten nicht oder wenigstens nicht vollständig in Anspruch genommenen Übertragungskapazitäten brachliegen sollten. Vielmehr ist die Frequenzplanung am Gebot optimaler Auslastung des verfügbaren Frequenzspektrums auszurichten364 • Das knappe Gut Rundfunkfrequenzen muß so aufgeteilt werden, daß möglichst viele Meinungen über den Rundfunk verbreitet werden können. Ein Brachliegen von verfügbaren Sendekapazitäten verhindert implizit die Verbreitung von Meinungen und vermag ebensowenig wie ein Verbot von Beiträgen die Meinungsfreiheit zu sichern, geschweige denn zu fördern365 • Deswegen sind private Rundfunkveranstalter nach sämtlichen Landesmediengesetzen zur Benutzung der ihnen zugeordneten Frequenzen verpflichtet; eine Nichtbeachtung dieser Obliegenheit kann zu einem Entzug der Sendelizenz führen366•

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Vgl. BVerfGE 73, 118, 158; 74, 297, 326. Zur "Grundversorgung" aus dem Schrifttum etwa Berg, AfP 1987, S. 457; Broß, VerwArch Bd. 78 [1987], 475, 486 ; Degenhart, ZUM 1988, 47, 48 f.; Eberle, Rundfunkübertragung, S. 48 ff.; GoerlichjRadeck, JZ 1989, 53, 55 ff.; Grawert, AfP 1986, 2n, 278 f.; Grimm, RuF 1987,25,29; Kuli, AfP 1987,462; Libertus, ZUM 1990, 124 ff.; Niepalla, Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, passim; Ricker, ZUM 1989, S. 331 ff.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 384 ff.; Schmitt Glaeser, DVBI. 1987, 14, 18; Seemann, ZRP 1987, 37, 39; SchneiderjRadek, Verfassungsprobleme der Rundfunkfinanzierung aus Werbeeinnahmen, S. 25 ff.; Seimer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 78 ff. So deutlich BVerfGE 74, 297, 326. Vgl. dazu Eberle, Rundfunkübertragung, S. 67. Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 74,297,332; siehe auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 55. Vgl. § 28 Abs. 2 Nr. 2 LMG Bad-Württ; § 30 Abs. 1 Nr. 3 KPPG Ber!; § 12 Abs. 5 Nr. 2

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten teilweise über überschüssige Frequenzen verfügen, steht zu befürchten367• Diese Befürchtung nährt sich aus dem Umstand, daß die Zuteilung der Altfrequenzen aus der Zeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopols stammt. Während seinerzeit ein etwaiges Brachliegen von Frequenzen mangels alternativer Nutzungsmöglichkeiten unschädlich gewesen ist, könnten solche Übertragungskapazitäten nach Einführung privaten Rundfunks nunmehr zur Rundfunkrest versorgung eines privaten Anbieters verwendet werden oder möglicherweise sogar der Errichtung eines lokalen Senders dienen. Die Parameter, an denen die Rundfunkversorgungskonzeption zu orientieren ist, haben sich grundlegend geändert und sind den Besonderheiten der dualen Rundfunkordnung anzupassen368• Es bestehen konkrete Anzeichen dafür, daß der gesamte Bestand der Altfrequenzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht optimal ausgelastet ist369 • Die Forderung, das verfügbare Frequenzspektrum unter Einschluß der Altfrequenzen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten so aufzuteilen, daß die programmliche Nutzung dieser Kapazitäten so effektiv wie möglich gestaltet werden kann, wird auch durch den Baden-Württemberg-Beschluß des Bundesverfassungsgerichts erhärtet. Danach haben die öffentlich-rechtlichen Anstalten die Pflicht, ihre Regional- und Lokalprogramme im Wege einer zeitweisen Auseinanderschaltung der für die landesweiten Programme verfügbaren Sender auszustrahlen, um dadurch eine Inanspruchnahme einer besonderen Frequenz zu vermeiden370• An anderer Stelle betont das Gericht, daß eine gesetzliche Vorschrift, wonach die von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht genutzten Videotextkapazitäten (Leerzeilen) an private Rundfunkveranstalter zu vergeben sind, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ise71 • Auch wenn sich diese Aussagen deutlich auf den Bereich außerhalb der Grundversorgung beziehen, liegt ihnen gleichwohl der zutreffende Gedanke zugrunde, daß eine "Vergeudung" von Rundfunkübertragungswegen im Interesse eines möglichst vielfältigen Rundfunkangebotes nicht hingenommen werden kann.

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BremLMG; § 9 Abs. 4 HPRG; § 24 Abs. 2 Nr. 2 HmbMedienG; § 9 Abs. 1 Nr. 5 LRG Nds; § 10 Abs. 5 b) LRG NW; § 9 Satz 2 LRG Rh-Pf; § 42 Abs. 2 Nr. 3 LRG SaarI; § 13 Abs. 2 Nr. 3 LRG Schl-H. Vgl. auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 55. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 54 ff. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 54 f. Vgl. dazu das Beispiel der Erweiterung der NDR-Hörfunkprogramme um ein weiteres, viertes Hörfunkprogramm bei Eberle, Rundfunkübertragung, S. 54 f.; siehe dazu auch Funk-Korrespondenz Nr. 17-18 vom 28. April 1989, S. 13. Vgl. BVerfGE 74, 297, 34I. Vgl. BVerfGE 74, 297, 352 f.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Diese Überlegungen haben augenscheinlich werden lassen, daß die öffentlieh-rechtlichen Rundfunkanstalten aufgrund der ihnen obliegenden Aufgabe zur Grundversorgung nur einen Bestandsschutz in bezug auf die von den Anstalten bis zum 4. November 1986 verbreiteten Programme besitzen. Ein sendetechnischer Bestandsschutz im Sinne einer Sicherung bestehender Senderechte der Anstalten ist aus diesem Grundversorgungsauftrag hingegen nicht herzuleiten. Vielmehr gebietet die Rundfunkfreiheit gerade eine umfassende, auch die Altfrequenzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umschließende Frequenzplanung372• (bb) Sendetechnischer Bestandsschutz aus grundrechtlich verfestigtem Funktionsgewährleistungsanspruch? Weiter ließe sich überlegen, einen Bestandsschutz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten hinsichtlich ihrer bestehenden Senderechte mit der Verantwortung des Staates für den Rundfunk zu begründen. Der Staat hat in Wahrnehmung dieser Verantwortung die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geschaffen, damit diese die Versorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen sicherstellen, was dem Staat aus Gründen der Staatsfreiheit des Rundfunks selbst nicht gestattet ist. Aus dieser Ausgangsüberlegung wird teilweise gefolgert, daß der Staat den Rundfunkanstalten ein die funktionsgerechte Aufgabenerfüllung sicherndes Handlungsinstrumentarium zur Verfügung stellen müsse, da anderenfalls die sachliche Unabhängigkeit und die ungestörte Programmfunktion nicht gewahrt seien373 • Diese sogenannte Funktionsgewährleistungspflicht des Staates, der ein grundrechtlich garantierter Funktionsgewährleistungsanspruch der einzelnen konkreten Rundfunkanstalt korrespondieren soU374, wurde zunächst für die Rundfunkfinanzierun~75 entwickelt und wird nunmehr auch auf den programmlichen und technischen Bereich der Anstalten ausgedehne76 und könnte damit einen Bestandsschutz für die Senderechte der Rundfunkanstalten begründen. Dagegen bestehen jedoch durchgreifende Bedenken. Die Lehre von der staatlichen Funktionsgewährleistung findet ihren dogmatischen Ursprung in

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So zutreffend Eberle, Rundfunkübertragung, S. 54 ff., insbesondere S. 56. Vgl. Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 28 m.w.N.; ders., DÖV 1988, 97, 98 f.; Kempen, DÖV 1988, 547, 552; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 395 ff. Vgl. Bethge, DÖV 1988, 97, 98; Fuhr, ZDF-StV, § 1 11 6a, S. 58 f.; Kempen, DÖV 1988, 547,552. Vgl. dazu ausführlich noch später. Vg1. Bethge, Der verfassungsrechtliche Standort des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, S. 30 m.w.N. in Fn. 68.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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der objektiv-rechtlichen Ausprägung der Rundfunkfreiheit377• Während sich diese objektiv-rechtliche Dimension in ihrer Ausstrahlungskraft zu Zeiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopoles nur auf die Rundfunkanstalten bezog und damit gegebenenfalls auch grundrechtlich abgesicherte Besitzstände vermitteln konnte, hat sich diese Lage mit der Einführung privaten Rundfunks grundlegend gewandelt378 • Entscheidend ist nunmehr ausschließlich, daß das Rundfunksystem in seiner Gesamtheit dem verfassungsrecht lich Gebotenen entspriche79 • Die Rundfunkordnung ist in der Weise zu gestalten, daß möglichst viele Meinungen im Rundfunk zur Geltung gelangen können. Mit diesem Leitzielläßt sich aber, wie gezeigt, ein Bestandsschutz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die Altfrequenzen gerade nicht vereinbaren. Es würde den materieUen Sinn der staatlichen Funktionsverantwortung für den Rundfunk völlig verfehlen, wenn man aus dieser verfassungsrechtlichen Auftragskomponente des Staates einen Anspruch der Rundfunkanstalten auf Sicherung bereits gewährter Senderechte herleiten woUte380 • Eine Einbeziehung dieser Frequenzen in die Gesamtfrequenzplanung ist im Interesse einer bestmöglichen Auslastung des verfügbaren Frequenzspektrums sogar verfassungsrechtlich angezeigt. ( cc) Organisationsrechtlich begründete Funktionsgewährleistung? Namentlich Eberle hat die Frage aufgeworfen, ob der Staat aufgrund seiner Organisationsgewalt den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die bisher von diesen genutzten Sendefrequenzen zuordnen müsse, ohne dazu aUerdings grundrechtlich verpflichtet zu sein381 • Die Argumentation könnte dahin gehen, daß der Staat mit der Schaffung dieser Anstalten zugleich die Verpflichtung übernommen habe, für eine ordnungsgemäße AufgabenerfüUung dieser öffentlich-rechtlichen Einrichtungen Sorge zu tragen, da er sich andernfaUs des Vorwurfes eines venire contra factum proprium aussetze. Diese Begründung kann jedoch bereits im Ansatz nicht überzeugen. Denn die organisationsrechtlichen Rahmenbedingungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllen keinen Selbstzweck und stehen auch nicht selbständig

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vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S.59. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 59. Vgl. BVerfGE 73, 118, 157 f.; 74, 297, 325 f. Ähnlich auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 59 f.; vgl. ferner Seimer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. n. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 60 ff. Allerdings beziehen sich sämtliche in Fn. 110 aufgezählten Stimmen des Schrifttums auf eine grundrechtliche, von der Rundfunkfreiheit erfaBte Funktionsgewährleistungspflicht des Staates.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

neben dem grundrechtlich umhegten Freiheitsbereich, sondern haben diesem gerade zu dienen382• Deswegen wäre es von vornherein verfehlt, staatliche Organisationsgewalt und Rundfunkfreiheit gegeneinander auszuspielen. Mit anderen Worten: Die Organisationsgewalt des Staates kann nicht etwas verbürgen, was die Rundfunkfreiheit nicht enthält. Da sich eine Bestandsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks hinsichtlich der Altfrequenzen grundrechtlich nicht abstützen läßt, kann ein solcher Bestandsschutz mithin auch organisationsrechtlich nicht hergeleitet werden383 • (dd) Ergebnis Im Ergebnis kann festgestellt werden, daß eine bestandskräftige, unverrückbare Zuordnung der sämtlichen Altfrequenzen an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht direkt aus der Verfassung folgt. Ein derartiger sendetechnischer Bestandsschutz verletzt daher das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks. (b) Vergabe neuer Senderechte Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten können in Zukunft aus zwei Gründen Bedarf an neuen Senderechten anmelden: Zum einen kann es um Frequenzen gehen, welche die Rundfunkanstalten zur Rundfunkrestversorgung benötigen, damit ihre bereits veranstalteten Programme im jeweiligen gesamten Sendegebiet zu empfangen sind. Zum anderen können die Anstalten neue Übertragungskapazitäten beanspruchen, um zusätzliche Programme veranstalten und verbreiten zu können. (aa) Rundfunkrestversorgung Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfügen über ein dicht gestricktes Sendernetz, das eine fast vollständige Empfangbarkeit der terrestrisch ausgestrahlten Altprogramme gewährleistefB". Versorgungslücken sind nur vereinzelt vorhanden. Um solche teilweise noch bestehenden Versorgungslücken zu schließen, bestimmen einige landesrechtliche Regelungen, daß neue verfügbare Übertragungskapazitäten vorrangig an den öffentlich-

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Vgl. nur BVerfGE 57, 295, 320; 73, 118, 153; 74, 297, 324. Im Ergebnis ebenso Eberle, Rundfunkübertragung, S. 61 f. Vgl. zur Versorgungssituation der Landesrundfunkanstalten Bauer/Detjen/Müller-Römer/ Posewang, Die Neuen Medien, 2.1.3.

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rechtlichen Rundfunk zur Rundfunkrestversorgung zu vergeben sind385 • Damit werden bestimmte Programme gegenüber den Angeboten privater Veranstalter begünstigt, so daß der Schutzbereich des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks berührt ist. Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts könnte diese auf programmbezogene Kriterien beruhende Wettbewerbsbeeinträchtigung unmittelbar durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, da die vor dem 4. November 1986 terrestrisch ausgestrahlten Rundfunkprogramme zur unerläßlichen Grundversorgung der Rundfunkanstalten zählen, deren Verwirklichung auch in technischer Hinsicht sicherzustellen ise86• Zu bedenken ist aber, daß die Aufgabe der Grundversorgung dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur "nach Lage der Dinge" und "in erster Linie" zugewiesen ist387• Die Rechtsprechung schließt es also nicht aus, daß auch der Privatfunk einmal in den Grundversorgungsbereich hineinwachsen kann388 • Daß der private Rundfunk bei entsprechenden materiell- und organisationsrechtlichen Vorkehrungen des Gesetzgebers trotz seiner Abhängigkeit von den Werbeeinnahmen das Maß an Vielfalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erreichen vermag, hat das Gericht im Baden-WürttembergBeschluß ausdrücklich bekräftige89 • Daher ergibt sich aus der Verfassung

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Vgl. dazu noch später. Vgl. BVerfGE 73, 118, 157 f.; 74, 297, 324 ff. Vgl. BVerfGE 73, 118, 158; diese situationsbedingte Einschränkung kommt auch im Nordrhein-Westfalen-Urteil (BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 66), in welchem von dem "noch immer" bestehenden Defizit im privaten Rundfunk die Rede ist. Vgl. SeImer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 81. Vgl. BVerfGE 74, 297, 328 ff. Die von einern Teil des Schrifttums vertretene These, der private Rundfunk leide aufgrund seiner Werbefinanzierung an einer "strukturellen Gebrechlichkeit", steht mit dieser Rechtsprechung nicht in Einklang, wobei allerdings zu konzedieren ist, daß sich das Bundesverfassungsgericht im Nordrhein-Westfalen-Urteil (BVerfG, EuGRZ 1991,49,70) insoweit widerspricht, als es - in bezug auf die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten - einern primär werbefinanzierten Rundfunk die Fähigkeit zur Wahrnehmung der Grundversorgungsaufgabe abspricht; vgl. zur "strukturellen Gebrechlichkeit" kommerziellen privaten Rundfunks Grimm, VVDStRL 42 [1984], S. 46, 78 f.; Hoffrnann-Riem, AöR Bd. 109 [1984], 304, 330 ff. m.w.N.; Niepalla, Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, S. 55 ff.; Rossen, Freie Meinungsbildung durch den Rundfunk, S. 391 und 394; Schmidt, Rundfunkgewährleistung, S. 85 ff., der sogar soweit geht, den kommerziellen Rundfunk aus dem Garantiebereich der grundrechtlich geschützten Rundfunkfreiheit hc:rauszunehmen; demgegenüber lehnen andere solche Funktionsdefizite des werbefinanzierten privaten Rundfunks ab, vgl. statt vieler Bullinger, JZ 1987, 257, 261 f.; Degenhart, ZUM 1988, 47, 50 f.; Schmitt Glaeser, DÖV 1986, 819. An dieser Stelle soll einmal darauf hingewiesen werden, daß die das politische und gesellschaftliche Leben tiefgreifend erfassenden Skandale und Affären in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ("Flick", "Neue Heimat", "Fall Barschei") weitgehend nicht durch das gemeinnützige öffentlich-rechtliche Rundfunksystem, sondern

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

keine Verpflichtung, den Rundfunkanstalten die für die Rundfunkrestversorgung erforderlichen Übertragungswege von vornherein zur Verfügung zu stellen. Vielmehr bedarf es jeweils einer gesonderten Entscheidung darüber, ob das öffentlich-rechtliche Grundversorgungsprogramm, für das Übertragungskapazitäten beansprucht werden, nicht - inzwischen - in vergleichbarer Form durch private Anbieter veranstaltet werden kann. Dieser Entscheidungsbedarf läßt es als unzulässig erscheinen, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk die zur Rundfunkrestversorgung nötigen Frequenzen durch Gesetz apriori zuzuordnen. Dem könnte man allerdings entgegenhalten, daß im Falle eines solchen "Hineinwachsens" privater Rundfunkveranstalter in die Grundversorgungsaufgabe das Parlament die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben ändern könnte, mit der Folge, daß die bis dato von den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Rundfunkrestversorgung beanspruchten Kapazitäten auch privaten Veranstaltern zur programmlichen Nutzung zur Verfügung gestellt werden könnten. Dieser Einwand übersieht, daß die Entscheidung über eine mögliche vielfaltsbezogene Äquivalenz von öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkprogrammen von der inhaltlichen Bewertung dieser Programme abhängig ist und damit aus Gründen der Staatsfreiheit des Rundfunks gerade nicht von staatlichen Stellen und somit auch nicht vom Gesetzgeber getroffen werden darf. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß sich aus der Verfassung keine zwingende Verpflichtung ergibt, den Rundfunkanstalten zusätzliche Übertragungskapazitäten im Bedarfsfalle zum Zwecke der Rundfunkrestversorgung zur Verfügung zu stellen. Da insoweit Handlungsspielräume bestehen, darf der Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit entsprechende, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten begünstigende Vorschriften nicht erlassen. (bb) Programmexpansion Die bisherigen Ausführungen betrafen lediglich diejenigen Übertragungskapazitäten, welche die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für die

durch die "kommerzielle" Presse aufgedeckt worden sind. Gewinnstreben erweist sich offenbar als mindestens ebenso effektive Triebfeder für politikbezogene Kritik und für die Verbreitung von Ideen wie missionarischer Eifer; vgl. auch Bullinger, JZ 1987, 257, 262; Frank, Medienmacht und Politik, S. 179, 182 f. und Fn. 12 unter Bezug auf die im Vergleich zum NDR weitaus kritischere und (regierungs-) unabhängigere Berichterstattung zur nds. ·Spielbankaffäre" im Jahre 1988 des nach nds. Landesrecht zugelassenen privaten Hörfunksenders ffn.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Ausstrahlung ihrer bisher veranstalteten Programme benötigen. Wir haben gesehen, daß der Staat zu diesen Zwecken weder den Rundfunkanstalten einzelne bestimmte Übertragungswege zuordnen noch gesetzlich bestimmen darf, daß künftig freiwerdende Frequenzen vorrangig an diese Anstalten zu vergeben sind oder sogar automatisch an diese fallen, ohne daß es dazu noch einer weiteren Entscheidung bedarf. Solche an programmbezogenen Kriterien orientierte Auswahlregelungen sind dem Staat unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks ebensowenig gestattet wie staatliche Stellen die Auswahlentscheidung zwischen mehreren privaten Interessenten für einzelne Senderechte treffen dürfen. Zu untersuchen ist nunmehr, ob diese Grundsätze auch für die Vergabe von Übertragungsmöglichkeiten gelten, welche die öffentlich-rechtlichen Anstalten für die Veranstaltung neuer Programme verlangen. Die Erweiterung des Programmangebotes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kann sich in zwei Richtungen vollziehen: Zum einen kann es sich um eine Ausdehnung der Sendetätigkeit innerhalb des durch Landesrecht bestimmten Sendegebietes handeln (innere Expansion); zum anderen können die Rundfunkanstalten zusätzliche Programme veranstalten, die zumindest auch außerhalb des entsprechenden Sendegebietes verbreitet werden (äußere Expansion)39O. < 1 > Programmautonomie oder staatliche Programmermächtigung?

Die damit aufgeworfene Fragestellung mag auf den ersten Blick verwundern; denn auch die Zuordnung von neuen Übertragungswegen an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bedarf programmbezogener Wertungen, so daß insoweit keine Besonderheit besteht, die eine abweichende Betrachtung zu den bisher erörterten Fällen der Gewährung von Senderechten an die Rundfunkanstalten rechtfertigen könnte. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, daß Einrichtung und Organisation der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten unter Gesetzesvorbehalt stehen391 • Verdanken die Rundfunkanstalten ihre Existenz einem positiven Konstitutionsakt des Staates392, mittels dessen sie erst in den Genuß des grundrechtlichen Schutzes gelangen, so könnte daraus die Berechtigung des Staates ent-

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vgl. zu den Begriffen der inneren und äußeren Expansion Bullinger, JZ 1987, 928, 928; HartsteinjmngjKreile, RfStV, Art. 4, Rdnr. 31; Rudolph, VBIBW 1986, 281, 284. Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/K1ein/Starck, GG, Art. 5 Abs. 1,2, Rdnr. 93; Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 48 f. Vgl. SeImer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 76.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

springen, auch über die Anzahl der Programme zu entscheiden und deren Inhalte generell festzulegen. Dürfte der Staat die Ausweitung des Programmangebotes des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im einzelnen regeln, so könnte man ihm auch nicht das Recht streitig machen, über die Zuordnung der für die entsprechende Programmausdehnung erforderlichen Übertragungswege zu befmden. Andererseits verlangt der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihrer Sendetätigkeit von staatlichen Einflüssen freigehalten werden müssen. Die Anstalten haben ohne staatliche Einflußnahme in freier Autonomie über Inhalt und Gestaltung ihrer Programme zu entscheiden. Fraglich ist nun aber, ob diese grundrechtlich garantierte Programmautonomie der Anstalten zugleich die Befugnis umschließt, ihr Programmangebot zu erweitern und zusätzliche Programme auszustrahlen. Mithin muß geklärt werden, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über die Veranstaltung neuer Programme in freier Autonomie beschließen dürfen oder ob sie dazu einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung bedürfen. < a > Konfliktfelder in der Vergangenheit

Zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Bundesländern besteht von jeher Streit über Umfang und Inhalt der Autonomiebefugnisse der Anstalten. Dieser Streit führt auf den Konflikt um die Zulässigkeit des ARD-Gemeinschaftsprogrammes "Deutsches Fernsehen" in den 50iger und 60iger Jahren zurück. Die Landesrundfunkanstalten gehen davon aus, daß die betreffenden Rundfunkgesetze beziehungsweise Staatsverträge ohne weiteres die Ermächtigung zu einer bundesweiten Kooperation nach Art des Ersten Fernsehprogrammes böten393 • Demgemäß haben die Sendeanstalten bereits am 27. März 1953 wider der gegenteiligen Auffassung der Länder einen Fernsehvertrag über das Gemeinschaftsprogramm "Deutsches Fernsehen,,394 geschlossen. Erst später, am 17. April 1959, wurde ein Länderabkommen über die Koordinierung des Ersten Deutschen Fernsehprogrammes geschlossen395 • Die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkan-

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Vgl. VG Karlsruhe, ZUM 1986, 209, 211; VGH Bad-Württ, VBIBW 1986, 259, 261; siehe ferner Rudolph, VBIBW 1986, 281, 284. Abgedruckt bei Ring, Medienrecht, Bd. I1I, C-V 3.1. Vgl. § 1 des Abkommens: "Die Länder werden ermächtigt und verpflichtet, gemeinsam ein Fernsehprogramm zu gestalten", abgedruckt bei Ring, Medienrecht, Bd. I1I, C-IV 6.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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stalten vertreten seit Jahrzehnten die Rechtsauffassung, daß die in diesem Länderabkommen angesprochene Ermächtigung nur deklaratorischen Charakter besitze. Der materielle Gehalt dieses Abkommens liege ausschließlich in der Verpflichtung aller Landesrundfunkanstalten zur Gestaltung eines gemeinsamen Fernsehprogrammes. Dagegen gehen die Länder davon aus, daß der zwischen den Landesrundfunkanstalten geschlossene Fernsehvertrag zur gemeinsamen Ausstrahlung des Ersten Deutschen Fernsehprogrammes nicht von den Autonomiebefugnissen der Anstalten gedeckt sei. Dementsprechend messen die Bundesländer dem Länderabkommen vom 17. April 1959 konstitutive Bedeutung bei396• Dieser grundsätzliche Streit um die Reichweite der Programmhoheit der Rundfunkanstalten wurde wiederum aktuell anläßlich der Ausstrahlung des ARD-Satellitenprogrammes Eins Plus. Die ARD plante bereits seit 1983, ein deutschsprachiges Satellitenprogramm mit europäischem Akzent namens Eins Plus auszustrahlen397 • Nachdem eine entsprechende Verwaltungsvereinbarung unter den einzelnen Landesrundfunkanstalten am 3. Dezember 1985 getroffen wurde398, erfolgte der Sendebeginn von Eins Plus am 29. März 1986. Gegen die Ausstrahlung des Satellitenprogrammes gingen die Länder Baden-Württemberg und Bayern rechtsaufsichtlich vor. Zur Begründung der Aufsichtsmaßnahmen wurde unter anderem vorgetragen, daß eine Ausstrahlung des ARD-Satellitenprogrammes nur auf der Grundlage spezieller gesetzlicher Regelungen zulässig sei, diese aber im Zeitpunkt des Startbeginns von Eins Plus nicht vorlagen399, so daß die Anstalten die gesetzlich umschriebenen Funktionsgrenzen überschritten hätten. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten waren hingegen der Ansicht, daß die Entscheidung über die Veranstaltung des Satellitenprogrammes Eins Plus ausschließlich in ihre Programmautonomie falle und die gesetzlichen Bestimmungen hierfür ausreichten4°O. Die gegen die Verfügungen der Rechtsaufsichtsbehörden angerufenen Gerichte entschieden im Rahmen einstweiliger Rechtsschutzverfahren für die Zulässigkeit der Verbreitung des Satellitenprogrammes Eins Plus; zur Begründung wurde unter anderem darauf verwiesen, daß das ZDF-Satellitenprogramm 3Sat ebenfalls ohne gesonderte Rechtsgrundlage durchgeführt werde, ohne daß die Aufsichtsorgane der Länder dagegen

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vgl. VG Karlsruhe, ZUM 1986, 209, 211; Rudolph, VBIBW 1986, 281, 284. Siehe zum Konzept der ARD: Media Perspektiven 1984, 152 ff. Abgedruckt bei Ring, Medienrecht, Bd. III, C-V 3.16. Vgl. § 1 des Koordinierungsabkommens vom 17. April 1959 (abgedruckt bei Ring, Medienrecht, Bd. III, C IV 6): "ein Femsehprogramm"; vgl. auch HansteinjRing/Kreile, RfStV, Art. 2, Rdnr. 10. Vgl. zum Rechtsstreit VG München, ZUM 1986, 206 ff.; BayVGH, BayVBI. 1986, 339 f.; VG Karlsruhe, ZUM 1986, 209 ff.; VGH Bad-Württ, VBIBW 1986, 259 ff.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

eingeschritten seien40l • Hauptsacheentscheidungen der Gerichte sind nicht ergangen, weil sich die Rechtsstreitigkeiten mit Inkrafttreten des Rundfunkstaatsvertrages erledigt haben402 • < b > Organisationsvorbehalt Die Befugnis des Gesetzgebers, Umfang und Inhalt des Programmangebotes einer Rundfunkanstalt zu bestimmen, könnte aus organisationsrechtlichen Gründen folgen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind vom Gesetzgeber geschaffene juristische Personen des öffentlichen Rechts. Der Gesetzesvorbehalt bezieht sich auf die Errichtung sämtlicher juristischer Personen des öffentlichen Rechts, unabhängig davon, ob sie staatliche oder nicht-staatliche Aufgaben erledigen403 • Er erfaßt neben der Entstehung der juristischen Person und der Verleihung der Rechtsfähigkeit auch eine Zuweisung bestimmter Aufgaben. Dabei genießen juristische Personen keine allumfassende Freiheit. Dies hebt sie positivrechtlich von einzelnen Privatpersonen ab, deren Freiheitsentfaltung sich nach privatautonomen Handlungsmustern vollzieht und damit prinzipiell unbeschränkt ist404 • Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind lediglich teilrechtsfähig. Sie sind ausschließlich in dem Umfang rechtsfähig, wie sie funktionsrechtlich vom Gesetzgeber mit eigenen Kompetenzen ausgestattet sind. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können damit nur dann bestimmte Aufgaben wahrnehmen, wenn sie dazu aufgrund entsprechender gesetzlicher Grundlagen ermächtigt sind. Sie sind sektorale Aufgabenträger. Selbst wenn ihnen das Recht zur Selbstverwaltung übertragen ist, können sie sich keine eigenständigen Kompetenzen anmaßen oder entsprechende Kompetenzen begründen405 • Das Selbstverwaltungsrecht berechtigt den Selbstverwaltungsträger nur zur eigenverantwortlichen Konkretisierung und Ausgestaltung des vom Gesetzgeber umschriebenen Funktionsbereiches406 • Juristische Personen des öffentlichen Rechts besitzen keine "Kompetenz-Kompetenz'.407.

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Vgl. VG München, ZUM 1986, 206,208; VG Karlsruhe, ZUM 1986,209, 211 f.; VGH Bad-Württ, VBIBW 1986, 259, 262 f. Vgl. Art. 2 RfStV. Siehe Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 2, Rdnr. 10. Vgl. Berg, NJW 1985, 2296, 2298; Böeken!örde, Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 95 ff.; Köttgen, VVDStRL 16, [1958], 154, 161 ff.; Breuer, VVDStRL 44 [1986], 211, 235; Krebs, NVwZ 1985, 614. Vgl. LRegBW/Lerehe, Äußerung im SDR-Verfahren, S. 164, Fn. 10. Vg!. Emmerieh/Steiner, S. 44; Seholz, Rundfunkeigene Programmpresse, S. 26; Seeger, DOV 1972, 253, 259. Vgl. Emmerieh/Steiner, Möglichkeiten und Grenzen, S. 43; Seholz, Rundfunkeigene Programmpresse, S. 26; Seeger, DÖV 1972, 253, 258. Vgl. Emmerieh/Steiner, Möglichkeiten und Grenzen, S. 43; Kübler, Rundfunkauftrag und

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Diese Grundsätze gelten prinzipiell auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts408 • Gleichwohl wäre es voreilig, aus dem Organisationsvorbehalt für die öffentlieh-rechtlichen Rundfunkanstalten die Kompetenz des Staates abzuleiten, Programm umfang und Programminhalte der Anstalten zu bestimmen. Die Rundfunkanstalten sind zwar trotz ihrer nicht-staatlichen Funktionen wie die Verwaltungsträger der mittelbaren Staatsverwaltung an die Rechtsordnung gebunden409 • Umgekehrt verpflichtet die Rechtsordnung aber auch den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkorganisation. Dazu zählt insbesondere das Gebot der Staatsunabhängigkeit der Rundfunkanstalten. Während rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts im allgemeinen ohne weiteres einer staatlichen Steuerung durch Weisungen der Fachaufsicht unterliegen können41o , ist eine staatliche Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur als "begrenzte Rechtsaufsicht" zulässig411 • Während der Gesetzgeber den üblichen Anstalten des öffentlichen Rechts von Verfassungs wegen nur in dem Maße Autonomiebefugnisse einräumen kann, wie sich dies mit den demokratischen Prinzipien der Regierungsverantwortung und der parlamentarischen Kontrolle vereinbaren läßt412, ist die Zuerkennung der Programmautonomie der Rundfunkanstalten413 verfassungsrechtlich gefordert. Der innere Grund für diese unterschiedlichen Maßstäbe liegt darin, daß sich die Freiheitsbetätigung der Rundfunkanstalten in einem grundrechtlich gewährleisteten Bereich vollzieht, der vor allem im Interesse des demokratischen Systems von staatlichen Einflüssen freizuhalten ist.

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Programminformation, S. 25; Scholz, Rundfunkeigene Programmpresse, S. 26; Seeger, DÖV 1972, 253, 259. Vgl. Emmerich/Steiner, Möglichkeiten und Grenzen, S. 45 ff.; Scholz, Rundfunkeigene Program~presse, S. 21 ff.; Kübler, Rundfunkauftrag und Progamminformation, S. 21 ff.; Seeger, DOV 1972, 253, 259. Allgemein Lange, VVDStRL 44 [1986], 169, 199; speziell zur Gesetzesbindung der Rundfunkanstalten Kübler, Rundfunkauftrag und Programminformation, S. 25; Scholz, Rundfunkeigene Progammpresse, S. 24. Vgl. Lange, VVDStRL 44 [1986], 169, 199 mit weiteren Hinweisen in Fn. 82 im Hinblick auf die Frage nach einer Beschränkung der staatlichen Aufsicht über rechtsfähige Verwaltungseinheiten auf eine bloße Rechtmäßigkeitskontrolle. Vgl. die Nachweise in dem Teil der Arbeit, der sich mit Zulässigkeit und Grenzen staatlicher Aufsicht über die Landesmedienanstalten beschäftigt: 3. Teil, 1. Kapitel, 11. 3. b) c). Vgl. Breuer, VVDStRL 44 [1986], 215, 237 ff.; allgemein zur verfassungsrechtlichen Problematik eines ministerialfreien und parlamentskontrollfreien Raumes BVerfGE 9, 268, 281 ff.; Klein, Verfassungsrechtliche Problematik des ministerialfreien Raumes, passim; Müller, JuS 1985, 497 ff. VgI. Art. 1 Abs. 1 Satz 2 BR-G; § 1 Abs. 1 Satz 2 HR-G; § 1 Abs. 2 NDR-StV; § 1 Abs. 1 Satz 2 RB-G; § 10 Abs. 1 Satz 2 LRG SaarI; § 3 Abs. 2 Satz 1 SDR-G; § 1 Abs. 1 Satz 2 SWF-G; § 1 Abs. 1 Satz 2 WDR-G; § 1 Abs. 2 ZDF-StV; §§ 1 Abs. 2 und 5 Abs. 2 DW/DLF-G.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks ist damit als Verfassungsdirektive bei der gesetzlichen Umschreibung des Aufgabenbereiches der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu beachten. Die Normierung des Wirkungsbereiches der Rundfunkanstalten muß sich auf einer "ausreichenden Abstraktionshöhe" bewegen und darf nicht durch ZU detaillierte inhaltliche Programmfestlegungen zur eigentlichen Programmgestaltung werden414 • Solche Regelungen wären verfassungswidrig. Mit anderen Worten: Der staatliche Organisationsvorbehalt stößt dort auf verfassungsrechtliche Grenzen, wo die Besonderheiten eines freiheitlichen Rundfunks im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gefährdet würden415 • Inhalt und Grenzen des Organisationsvorbehaltes bestimmen sich mithin aus der Verfassung. Die hier in Rede stehende Frage, ob der Gesetzgeber berechtigt ist, sowohl die Anzahl der Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als auch deren programm inhaltliche Ausrichtungen gesetzlich festzulegen, läßt sich mithin nicht nach allgemeinen organisationsrechtlichen Grundsätzen beantworten; diese Fragestellung betrifft spezifisch verfassungsrechtliche Aspekte der Organisation der Rundfunkanstalten und muß damit verfassungsrechtlich gelöst werden. < c> Selbstverwaltungsgarantie und Programm autonomie

Teilweise wird die Auffassung vertreten, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur insoweit den Schutz der Rundfunkfreiheit genießen würden, als es um die inhaltliche Programmdarbietung und Programmgestaltung gehe. Demgegenüber falle die Entscheidung über die Zahl der Programme nicht in den grundrechtlich umhegten Freiheitsbereich. Die Rundfunkanstalten seien Schöpfungen und Einrichtungen des Staates. Daher könnten die Anstalten kraft grundrechtlicher Freiheiten weder ihre Kompetenzen selbst wählen, noch seien sie dazu befugt, die Aufgaben nach eigenem Belieben selbst zu erweitern, zu verringern oder einzustellen. Die öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten könnten nur über das verfügen, was ihnen bei ihrer Konstituierung durch staatlichen Hoheitsakt zugewiesen worden sei. Mithin beziehe sich der grundrechtliehe Schutz nur auf das "Wie", nicht aber auf das "Ob", den Umfang und das Ausmaß ihrer Aufgaben416 •

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Vgl. Lerche, Landesbericht, S. 15, 26; LRegBW/Lerche, Äußerung im SDR-Verfahren, S. 164 f. V g1. Schotz, Rundfunkeigene Programmpresse, S. 24. Vgl. Dry, AfP 1989, 616, 620: Rupp, Rechtsgutachten, S. 12; Scheuner, Rundfunkfreiheit, S. 36; siehe ferner Niepalla, Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, der den Grundrechtsschutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nur auf den Bereich der Grundversorgung im Sinne der zur Zeit des 4. Rundfunkurteils vom 4.11.1986 verbreiteten Programme erstreckt. Diese Grenzziehung bei der Bestimmung der Reichwei-

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In diesem Sinne äußerte sich auch die baden-WÜTttembergische Landesregierung in dem Verfahren über die Verfassungsmäßigkeit des Regional- und Lokalrundfunkverbotes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach dem baden-württembergischen Landesrundfunkgesetz. Sie vertrat den Rechtsstandpunkt, daß der Ausschluß der Landesrundfunkanstalten von der Veranstaltung regionaler und lokaler Rundfunkprogramme schon deswegen nicht die grundrechtlieh garantierte Programmfreiheit der Anstalten berühren könne, weil diese nur im Rahmen des gesetzlichen Aufgabenbestandes geschützt sei417 • Auch die Bundesregierung versuchte die verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der angegriffenen Vorschriften mit dem Argument zu begegnen, daß sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kein Anspruch der Landesrundfunkanstalten auf Ausweitung ihrer Programme, auf Teilhabe an zusätzlichen Übertragungsmöglichkeiten oder auf Veranstaltung neuer Kommunikationsdienste ableiten lasse418 • Diese Auffassungen beruhten offensichtlich auf der Vorstellung, daß der Grundrechtsschutz der Landesrundfunkanstalten strikt an die durch den Gesetzgeber vermittelten Rechtspositionen geknüpft sei, mit der Folge, daß über die Ausdehnung des Programmangebotes der Anstalten allein der Gesetzgeber befinden könne, ohne dabei an subjektive Rechte der Anstalten gebunden zu sein. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Argumentation nicht gelten lassen. Es hat den grundrechtlichen Schutz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten über die bereits veranstalteten Programme hinaus auch auf sämtliche künftige Formen von Rundfunkdarbietungen und noch nicht verbreitete Programmangebote erstreckt. Auch außerhalb der Grundversorgung habe der Gesetzgeber die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen zu gleichen Bedingungen zuzulassen419 •

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te des grundrechtlichen Schutzes erscheint willkürlich und steht darüber hinaus mit den Ausführungen des BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 67 nicht in Einklang, wonach der grundrechtlieh gewährleistete Grundversorgungsauftrag "gegenständlich und zeitlich offen und dynamisch" angelegt ist. Vgl. BVerfGE 74, 297, 311; siehe im einzelnen LRegBW/Lerche, Äußerung im SDRVerfahren, S. 164 f. Vgl. BVerfGE 74, 297, 312 f.; BReg/BMin des Innern, Äußerung im SDR/SWF-Verfahren, S. 216 und 240. Vgl. BVerfGE 74, 297, 331 ff. und 344 ff.; allerdings erscheint die Argumentation des Gerichtes insoweit widersprüchlich, als es einerseits davon ausgeht, daß es unter dem Blickwinkel der gebotenen Chancengleichheit öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten und privater Anbieter "genüge", wenn ein öffentlich-rechtliches Lokal- und Regionalprogramm mehreren entsprechenden privaten Programmen gegenüberstehe (S. 340 f.), andererseits aber an anderer Stelle ausführt, bei Spartenprogrammen "kann" der öffentlich-rechtliche Rundfunk "- ebenso wie bei Regional- und Lokalprogrammen -" nur ein einziges Programm je Sparte und je Sendegebiet verbreiten (S. 346); aus diesen Aussagen wird man freilich nicht ableiten können, daß das Gericht sich dahingehend festgelegt hat, daß neben den Programmen der Grundversorgung jeweils nur ein öffentlich-rechtliches Programm einer Programmart bzw. -kategorie zugelassen werden dürfe; so aber Bullinger,

16 Gersdorf

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Diese Rechtsprechung verdient wenigstens insoweit Zustimmung, als der Garantiegehalt der Rundfunkfreiheit und damit die grundgesetzliche Autonomie der Anstalten dynamisch bestimmt werden muß und nicht nur auf einzelne bereits ausgestrahlte Inhalte verkürzt werden darf'20. Dies folgt aus dem Wesen der Sachaufgabe Rundfunk. Die Veranstaltung von Rundfunksendungen ist eine spezifisch nichtstaatliche Aufgabe. Der Staat schafft mit der Errichtung der Anstalten des öffentlichen Rechts lediglich das organisatorische Gefäß für die gesellschaftlichen Gruppen, um auf diese Weise dafür Sorge zu tragen, daß die gesamte Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk zum Ausdruck gelangt. Ist die Verbreitung von Rundfunksendungen eine im gesellschaftlich-politischen Bereich wurzelnde Aufgabe, so müssen die gesellschaftlichen Kräfte grundsätzlich nicht nur über die Art und Weise der Gestaltung von Programmen, sondern auch über die Anzahl der Programme entscheiden können. Es würde der Aufgabe des Rundfunks als Sache der Allgemeinheit nicht gerecht, wenn man den Rundfunkanstalten in bezug auf die Entscheidung über die Anzahl der Programme keinen grundrechtlichen Schutz angedeihen ließe, obwohl damit der Rahmen umgrenzt wird, innerhalb dessen sich die Rundfunkanstalten im staatsfreien Raum entfalten. Weiter ist anzuführen, daß die Entscheidung über die Anzahl der Programme Rückwirkungen auf die Inhaltsgestaltung bereits gesendeter Programme zeitigen kann421 • Soweit staatliche Stellen den Umfang des Programmangebotes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten festlegen könnten, wäre diese der begründeten Gefahr ausgesetzt, nur bei "Wohlverhalten" in dem gewünschten Ausmaß mit neuen Senderechten versorgt zu werden, was zu einem Anpassungsdruck auf seiten der Anstalten führen und damit ihre publizistische Tätigkeit sachwidrig beeinträchtigen könnte. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß die Rundfunkfreiheit ihre Maßstabsund Kontrollfunktion gegenüber dem Gesetzgeber verlöre, wenn sich die Rundfunkanstalten lediglich nach Maßgabe vermittelter einfachgesetzlicher Rechtssätze auf den grundrechtlichen Schutz des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen könnten422 • Der Gesetzgeber genießt zwar bei der Ausgestaltung der

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JZ 1987, 929, Fn. 22; siehe auch Hanstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 2, Rdnr. 19 und Art. 4, Rdnr.31. Vgl. Fuhr, ZDF-StV, § 1 I 2 6b, S. 60; Rudolph, VBIBW 1986, 281, 284; wohl ebenso Degenhan, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 677; siehe weiter für den Bereich der sogenannten Grundversorgung BVerfG, EuGRZ 1~1, 49, 67; vgl. ferner allgemein zum Funktionsbereich der Rundfunkanstalten Ipsen, DOV 1974, 721 ff.; Kübler, Rundfunkauftrag und Programminformation, S. 21 ff.; Maunz, DVBI. 1974, 1 ff. Dies konzediert ebenfalls Rupp, RechtsgutaChten, S. 12. Vgl. zur Zulassung privater Rundfunkanbieter Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstal-

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Rundfunkordnung einen weiten Beurteilungsspielraum. Gleichwohl müssen seine Maßnahmen zur Sicherung eines vielfältigen und ausgewogenen Rundfunkangebotes beitragen, um auf diese Weise freie und umfassende Meinungsbildung zu gewährleisten423 • Es bedarf einer Kontrolle darüber, ob die bei der Ausgestaltung der Rundfunkordnung zu beachtenden rundfunkspezifischen Maßstäbe eingehalten sind. Andernfalls könnte der Staat nach freiem Belieben und willkürlich über die Programm anzahl der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten bestimmen, ohne daß dies rechtlich beanstandet und gerichtlich kontrolliert werden könnte424 • Die Rundfunkfreiheit würde ihre wichtige Korrekturfunktion gegenüber dem Gesetzgeber einbüßen425 • Diese Überlegungen haben deutlich werden lassen, daß der grundrechtliche Schutz der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht nur auf bereits veranstaltete Programme reduziert ist, sondern auch neue Angebote erfaßt. Zum grundrechtlich garantierten Autonomiebereich der Rundfunkanstalten gehört damit ebenfalls die Entscheidung über die Veranstaltung zusätzlicher Programme426 • Die Reichweite dieses grundrechtlich gewährleisteten Autonomiebereiches wird an anderer Stelle zu konkretisieren sein. Wir können aber bereits hier fest halten, daß die Verbreitung zusätzlicher gebietsbezogener Programme innerhalb des Sendegebietes der Rundfunkanstalt vom grundrechtlich umhegten Bereich der Rundfunkfreiheit erfaßt ist; das gleiche gilt für eine äußere Expansion der Rundfunkanstalten, sofern die gebietsbezogene Ausrichtung der Sendungen der Landesrundfunkanstalten gewahrt ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das entsprechende (Satelliten-) Programm zumindest auch den Sendebereich der Rundfunkanstalt miteinbezieht.

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tern, S.72, der auf S. 68 unter Hinweis auf Herbert Krüger mit Recht darauf hinweist, daß nach dem Grundgesetz Grundrechte nicht nach Maßgabe des Gesetzes, sondern Gesetze nach Maßgabe der Grundrechte gelten; vgl. auch Seholz, JZ 1981, 561, 566. Vgl. BVerfGE 57, 295, 321; 73, 118, 152 f.; 74, 297, 324. VgJ.zur Parallelproblematik, ob die Rundfunkfreiheit eine individuelle Veranstalterfreiheit enthält Jarass, Gutachten zum 56 DIr, Rdnr. 37, der zutreffend betont, daß erst einklagbare Individualrechte Grundrechte in der Praxis zu wirklicher Realität erstarken lassen; vgJ. auch Faller, OB 1983, 1029, 1033. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 28 f., 39. So im Ergebnis auch VG München, ZUM 1986,206, 207; BayVGH, BayVBJ. 1986, 339 f.; VG Karlsruhe, ZUM 1986, 209 ff.; VGH Bad-Württ, VBIBW 1986, 259 ff. Siehe auch das Schreiben des Präsidenten des Senates der Freien und Hansestadt Bremen vom 4. März 1986 an den Intendanten von Radio Bremen, in dem dieser mitteilt, daß seitens der Rechtsaufsicht gegenüber der Beteiligung von RB an Eins Plus keine rechtlichen Bedenken bestünden. Es sei Angelegenheit dieses Senders, innerhalb seiner ihm vom Gesetzgeber verliehenen Autonomie frei darüber zu bestimmen, welche Programme er veranstalte; vgJ. dazu VGH Bad-Württ, VBIBW 1986, 259, 261; Rudolph, VBIBW 1986, 281, 284.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

< d > Anstaltliches und staatliches Kondominium: Gesetzesvorbehalt für zusätzliche öffentlich-rechtliche Programme

Gleichwohl könnten die soeben beschriebenen Autonomiebefugnisse der Rundfunkanstalten durch staatliche Regelungszuständigkeiten überlagert sein. Es könnten besondere Gründe vorliegen, die dem Staat bei der Erweiterung der bisherigen Programme der Anstalten um zusätzliche Angebote ein entscheidendes Mitspracherecht einräumen, welches sich in einem Vorbehalt einer gesetzlichen Regelung niederschlagen könnte. Beide Verantwortungsbereiche könnten zu einem anstaltlichen und staatlichen Kondominium verschmolzen sein427 • Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wonach dem Landesparlamentsgesetzgeber vorbehalten ist, das zur Gewährleistung der Rundfunkfreiheit Wesentliche selbst zu bestimmen428, wird im Schrifttum - insbesondere im Zusammenhang mit der Ausstrahlung von Satellitenprogrammen - oftmals die Auffassung vertreten, daß die Entscheidung über die Anzahl der Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks aufgrund ihrer grundrechtsrelevanten Auswirkungen vom Parlamentsgesetzgeber getroffen werden müsse und nicht allein den Anstalten überlassen bleiben dürfe429 • Die Ausstrahlung eines jeden Programmes beeinflusse den individuellen und öffentlichen Meinungsbildungsprozeß, dem die Rundfunkfreiheit zu dienen habe. Deswegen müsse der Gesetzgeber die inhaltlichen Zielsetzun-

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Vgl. in bezug auf die Ausstrahlung eines Satellitendirektprogrammes Fuhr, ZDF-StV, § 1 111 1b, bb, bbb, S. 67; Rupp, Rechtsgutachten, S. 13, allerdings insoweit wenig überzeugend, als er auf S. 12 betont, daß die Entscheidung über das "Ob" neuer öffentlich-rechtlicher Programme nicht zum Autonomiebereich der Rundfunkanstalten gehöre, womit dann jedoch die Grundlage für ein anstaltliches und staatliches Kondominium hinsichtlich der Veranstaltung zusätzlicher Programmangebote der Anstalten entfallen würde. Ebensowenig kann der Verweis auf das Kondominium zwischen gemeindlicher Selbstverwaltung und Staatsverwaltung überzeugen, da die gemeindliche Selbstverwaltungsgarantie aufgrund des Prinzips der Universalität des gemeindlichen Wirkungskreises (vgl. dazu BVerfGE 79, 127, 146 ff.; Stober, in: Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht 11, § 86 VII, Rdnm. 45 ff., S. 54 ff.) gerade nicht auf einen gesetzlich festgelegten Aufgabenbereich beschränkt ist; Rupp geht aber auf S. 12 von einer solchen Gesetzesakzessorietät der Autonomiebefugnisse der Rundfunkanstalten aus. Vgl. BVerfGE 57, 295, 321; 73, 118, 153 f. Vgl. Bullinger, Koordination, S. 23, 57 f., 63 Cf., passim; ders., JZ 1987, 928 ff.; ders. noch offenlassend in AfP 1985, 1, 3: "wird sorgfältig zu prüfen sein"; Degenhart, in: Bonner Kommentar, Art. 5 Abs. 1, 2, Rdnr. 6n; Fuhr, ZDF-StV, § 1 III b, bb, bbb, S. 67 f.; FUhr/Krone, FuR 1984, 630, 631; Kübler, Rundfunkauftrag und Programminformation, S. 21 ff.; Kuch, BayVBI. 1986, 340, 342; Jarass, Gutachten zum 56. DJT, Rdnr. 83; LTBW/ Ricker, Äußerung im SDR-Verfahren, S. 269 ff., insbesondere S. 272 f.; Rupp, Rechtsgutachten, S. 13 f.; vgl. auch Lerche, Landesbericht, S. 15, 26; Ricker, NJW 1988, 453, 454 f.; Schmitt Glaeser, BayVBI. 1985,97, 103 f.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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gen für die Veranstaltung zusätzlicher Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bestimmen43O . Namentlich Bullinger hält es für unumgänglich, daß der Gesetzgeber sowohl den territorialen als auch sachlichen Funktionsbereich einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt gesetzlich näher umschreibt. An der grundsätzlichen Beschränkung einer Rundfunkanstalt auf ein bestimmtes Sendegebiet und die grundsätzliche Gebietsbezogenheit ihrer Sendungen müsse festgehalten werden, da andernfalls jede Rundfunkanstalt in unbegrenztem Maße nach außen expandieren könne; wenn darüber hinaus die Befugnis des Gesetzgebers entfiele, den sachlichen Funktionsbereich jeder einzelnen Sendeanstalt festzulegen, bestünde nicht mehr die Möglichkeit, das ZDF auf Fernsehen und die Satellitenprogramme von ZDF und ARD auf einen bestimmten kulturellen Schwerpunkt zu beschränken. Die einzelnen Rundfunkanstalten würden aus ihren gebietsmäßigen und sachlichen Bindungen in einen unbegrenzten Wettbewerbs mit privaten und öffentlich-rechtlichen Rundfunkveranstaltern entlassen. Bullinger befürchtet, daß sich im Zuge dieses territorial und funktional ungebundenen Wettbewerbs eine Tendenz zu massenattraktiven Programmen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk einstellen könne. Dadurch geriete die spezifische Aufgabe der Rundfunkanstalten in Gefahr, unter Berücksichtigung von Minderheitsmeinungen und Minderheitsinteressen gebietsbezogen die gesamte Breite des kulturellen und politischen Spektrums darzustellen431 . Weiter wird zur Begründung eines Gesetzesvorbehaltes für neue öffentlichrechtliche Programmangebote vorgetragen, daß jedwede Programmausweitung der Rundfunkanstalten schädliche Folgen auf die Entwicklungschancen des privaten Rundfunks habe. Nach Einführung des privaten Rundfunks müsse der Staat in Wahrnehmung seiner Funktionsverantwortung für den Rundfunk432 die entstandene Konkurrenzlage normativ im Sinne einer gerechten Wettbewerbsordnung regeln433 . Das Fehlen einer solchen gesetzlichen Regelung würde das Wettbewerbssystem zu Lasten des privaten Rundfunks verschieben434 . Eine uneingeschränkte Programm expansion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks würde zur "Marktverstopfung" und zu einem "vorsorglichen Verdrängungswettbewerb"435 führen436, was die Veranstaltung 430

431 432 433 434 435 436

Vgl. Fuhr, ZDF-StV, § 1 III b, bb, bbb, S. 67 f.; Rupp, Rechtsgutachten, S. 13 f.; Kuch, BayVBI. 1986, 340, 342; siehe auch Bul/inger, AfP 1985, 1, 3. Vgl. Bul/inger, JZ 1987, 928, 928 f.; siehe ferner ders., AfP 1985, 1, 3. Vgl. Klein, Rundfunkfreiheit, S. 62. Vgl. Schmitt Glaeser, BayVBI. 1985, 97, 104; Kuch, BayVBI. 1986, 339, 342. Vgl. Kuch, BayVBl. 1986, 339, 342. Vgl. dazu Fromme in Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 225 vom 6. Oktober 1984, S. 10: "Fürchtet man die neue Konkurrenz, hält man es jedenfalls für sicherer, ihr von vornherein die Lebensluft knapp zu halten, indem man selbst möglichst viel davon wegatmet. " Vgl. dazu Schmitt Glaeser. DVBl. 1987, 14, 20; Ricker, NJW 1988, 453, 456; Seimer, Be-

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

privaten Rundfunks in hohem Maße erschweren, wenn nicht gar ausschließen würde und damit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zuwiderlaufe437• Daher sei es Aufgabe des Gesetzgebers, für einen sachgerechten Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen von öffentlichrechtlichem und privatem Rundfunk zu sorgen. Dies erfordere mindestens die Entscheidung über die Anzahl der Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und damit auch die Aufteilung der technischen Übertragungswege unter den konkurrierenden Systemen438 • Diese dargelegten Auffassungen sind deutlich von der Erwägung getragen, daß es einer Instanz bedarf, welche die Funktionen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten umreißt, sie gegenüber den privaten Rundfunkanbietern abgrenzt und schließlich für den notwendigen Interessenausgleich zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk Sorge trägt. Es läßt sich nicht bestreiten, daß zusätzliche Angebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten grundrechtsrelevante Bedeutung haben. Jedes einzelne Programm trägt zur Vielfalt im Rundfunk bei und prägt das Gesamtbild einer Rundfunkordnung. Dabei bestimmen sich die Folgewirkungen für den durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützten Prozeß der Meinungs- und Willensbildung maßgebend nach den Reichweiten des Senders, was insbesondere für die Abstrahlung von Rundfunkprogrammen über direktstrahlende Rundfunksatelliten Gewicht hat439 • Hinzu kommt, daß die Zuordnung von Übertragungsmöglichkeiten zugunsten der Rundfunkanstalten die übrigen (privaten) Bewerber von der Benutzung dieser Kapazität ausschließt und damit ihre grundrechtlieh garantierte Rundfunkfreiheit unmittelbar berührt44O • Dennoch ist fraglich, ob sich hieraus ein Gesetzesvorbehalt für die Veranstaltung neuer öffentlich-rechtlicher Programme ableiten läßt. Dabei kann an dieser Stelle die Frage dahingestellt bleiben, ob nicht die landesrechtlichen Bestimmungen ohnehin eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Veranstaltung von zusätzlichen (Satelliten-) Programmen der Anstalten bieten441 • Jedenfalls ist zu berücksichtigen, daß die beschriebenen grundrechtsrelevanten Folgewirkungen einer Programm expansion des öffentlich-

437 438 439

440

441

stands- und Entwicklungsgarantien, S. 58 f.; siehe ferner Bullinger, JZ 1987, 928, 929 f. Vgl. BVerfGE 73, 118, 157. Vgl. IUIch, BayVBI. 1986,339, 342. Vgl. in diesem Zusammenhang Kreite, Kompetenz und kooperativer Föderalismus, S. 243 ff.; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 403 ff. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 89. Siehe die Beispiele einer rundfunkrechtlichen Konkurrentenklage OVG Lüneburg DVBI. 1986, 1112 ff.; VGH Bad-Württ, VBIBW 1989, 211 ff.=NJW 1990, 340 ff. Vgl. dazu wiederum VG München, ZUM 1986, 206 ff.; BayVGH, BayVBI. 1986, 339 f.; VG Karlsruhe, ZUM 1986, 209 ff.; VGH Bad-Württ, VBIBW 1986, 259 ff.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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rechtlichen Rundfunks entsprechend für den privaten Rundfunk gelten. Die Zulassung privater Anbieter hat Einfluß auf das Erscheinungsbild der Rundfunkordnung. Ebenso schließt die Vergabeentscheidung zugunsten eines privaten Veranstalters die anderen Interessenten von der Benutzung dieser Übertragungswege aus. Wir haben oben gesehen442, daß staatliche SteUen mit der Wahrnehmung der Zulassungs- wie Auswahlentscheidungen nicht betraut werden dürfen, weil dadurch inhaltliche Wertungsspielräume eröffnet sind, die es ermöglichen könnten, daß sachfremde, insbesondere die Meinungsvielfalt beeinträchtigende Erwägungen Einfluß auf die programmliche Gestaltung von Rundfunkprogrammen gewinnen. Dieses staatliche Einflußpotential besteht aber gleichermaßen, wenn der Staat über die Anzahl der Rundfunkprogramme der öffentlich-rechtlichen Anstalten befmden könnte. Auch hier bestünde - ebenso wie bei der Entscheidung über die Zulassung von privaten Rundfunkveranstaltern - die gesteigerte Gefahr, daß der Staat die Entscheidung über die Ausdehnung des Programmangebotes der Rundfunkanstalten zum Anlaß nimmt, die Anstalten "willfährig" ZU machen. Wenn staatliche Exekutive wie Parlament aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht mit den Zulassungs- und Aufsichtsfunktionen gegenüber dem privaten Rundfunk betraut werden dürfen, dann muß Gleiches für die "Zulassung" neuer Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gelten. Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine abweichende rechtliche Beurteilung dieser beiden Regelungsbereiche rechtfertigen könnte. Damit ist allerdings insbesondere noch nicht der Einwand ausgeräumt, daß ein unbegrenzter Expansionskurs der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten die Entwicklungschancen privater Anbieter deutlich schmälern oder gar vereiteln könnte und diesem Streben aus Gründen der Chancengleichheit Einhalt geboten werden müsse. Diesen Bedenken wird man grundsätzlich zustimmen müssen, da die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten außerhalb der Grundversorgung nur zu den prinzipiell gleichen Bedingungen zuzulassen sind wie private Rundfunkveranstalter und insoweit keine VorrechtsteUung genießen443 • Für die Vergabe neuer Übertragungswege bedarf es eines die Chancengleichheit wahrenden Verfahrens, das sowohl Rundfunkanstalten als auch private Anbieter einbezieht444 • Um dies zu erreichen, sind materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen erforderlich. Es ist jedoch nicht Sache des Staates und damit auch nicht des Gesetzgebers, die erforderliche Auswahlentscheidung zwischen den einzelnen Bewerbern vorzunehmen, unabhängig davon, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder

442 443 444

Vgl. den 2. Teil, 2. Kapitel, V 9 c) (1) und den 3. Teil, 2. Kapitel, I 2 a) (1). Vgl. nochmals BVerfGE 74, 297, 331 ff. und 344 ff. So in bezug auf das Verfahren zur Zulassung privater Rundfunkveranstalter BVerfGE 57, 295,327.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

private Rundfunkveranstalter handelt. Auch unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Organisationsfreiheit des Gesetzgebers ist es dem Gesetzgeber nicht freigestellt, die Konzeption zu wählen, die sich zu Lasten elementarer Anforderungen der Rundfunkfreiheit auswirken kann445. Wie im einzelnen noch darzulegen sein wird, ist es dem Gesetzgeber auch möglich, bei der Vergabe und Aufteilung neuer Übertragungswege für alternative Regelungsstrukturen zu sorgen, die sowohl einen sachgerechten Interessenausgleich zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunkveranstaltern gewährleisten als auch den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks wahren. Die bisherigen Ausführungen haben die Parallele zwischen der Entscheidung über die Ausbreitung des Programmangebotes des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Entscheidung über die Zulassung privater Anbieter deutlich werden lassen. Unberücksichtigt geblieben ist jedoch, daß sich die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender über die staatlich festgesetzten Rundfunkgebühren finanzieren. Diese Besonderheit der Gebührenfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks könnte einen Gesetzesvorbehalt für zusätzliche Programme der Anstalten begründen. Es ist zutreffend, daß zwischen Innovationen im Programmbereich und der Rundfunkgebührenfestsetzung ein enger Zusammenhang besteht. Mit dem Rundfunkstaatsvertrag haben sich die Länder darauf geeinigt, daß sämtliche mit der Veranstaltung weiterer Programme anfallende Kosten bei der Ermittlung des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten zu berücksichtigen sind (Art. 4 Abs. 2 Nr. 1 und 2 RfStV). Deswegen wird in der Lehre die Auffassung vertreten, daß die Entscheidung über die Zulassung neuer Programme von ARD und ZDF auch bei den Landesgesetzgebern liegen müsse, da andernfalls die Rundfunkanstalten über eine Verbreitung zusätzlicher Programme eine Gebührenerhöhung herbeiführen könnten. Eine solche Befugnis der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, im Wege der "Selbstbedienung"446 eine Erhöhung des Gebührenaufkommens zu erreichen, könne mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen der gebührenzahlenden Rundfunkteilnehmer nicht als sachgerecht gelten447. Zudem wird darauf verwiesen, daß der in § 23 ZDF-StV geregelte Quotierungsschlüssel für die Aufteilung des Gesamtgebührenaufkommens auf ARD

445 Vgl. BVerfGE 73, 118, 187. 446 So Ricker, NJW 1988, 453, 455. 447 Vgl. dazu Ricker, NJW 1988,453,455 f.;

ders., ZUM 1989, 331,337; Hartstein/Ring/Kreite, RfStV, Art. 2, Rdnr. 17; Kuch, BayVBI. 1986, 340, 342; siehe auch Bullinger, AfP 1985, 1,3; ders., JZ 1987, 928, 930 f.; Niepalla, Grundversorgung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, S. 147.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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und ZDF seine Berechtigung verliere, wenn eines der beiden Systeme etwa ein zusätzliches bundesweites Fernsehprogramm veranstalten würde. In einem solchen Falle wäre eine Änderung der staatsvertraglichen Regelungen erforderlich448. Diese Argumentation steht schon vom Ansatz her auf schwachen Beinen. Denn sie beruht auf der Annahme, daß dem Gesetzgeber die Befugnis zusteht, die Rundfunkgebühren festzusetzen. Eine solche Kompetenz des Staates besteht aber nicht, wie noch an anderer Stelle zu zeigen sein wird449 • Vor allem aber gibt es alternative Steuerungsmöglichkeiten, um der Gefahr einer uferlosen Programmausweitung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und einer damit einhergehenden unzumutbaren fmanziellen Belastung der gebührenzahlenden Rundfunkteilnehmer wirksam begegnen zu können. Darauf wird später einzugehen sein. Daher läßt sich auch gebührenrechtlich kein staatlicher Kompetenztitel für die Festsetzung des Programmumfanges der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten herleiten. Diese fehlende staatliche Zuständigkeit für Programmerweiterungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird im Ergebnis auch durch die Verfassungsrechtsprechung gedeckt. Das Bundesverfassungsgericht hat den Ausschluß des Süddeutschen Rundfunks von der Veranstaltung regionaler und lokaler Rundfunkprogramme sowie den Gesetzesvorbehalt für die Verbreitung von Ton- und Bewegtbildern auf Abruf durch die Landesrundfunkanstalten nach dem baden-württembergischen Landesmediengesetz für verfassungswidrig erklärt45O • Das Gericht hat diese Rechtsüberzeugung allerdings allein auf das in Art. 5 Abs. 1 GG gewährleistete Grundprinzip freier Meinungsbildung gestützt, welches verlange, daß der Gesetzgeber auch jenseits der Grundversorgung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die freie Veranstaltung von Rundfunkprogrammen grundsätzlich zu gleichen Bedingungen zulasse451 • Dabei hat es das Bundesverfassungsgericht jedoch versäumt, den rundfunkspezifischen Ausgestaltungsvorbehalt gegenüber dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks abzugrenzen. Dies muß verwundern, da das Gericht im Niedersachsen-Urteil noch ausdrücklich betont hatte, daß das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks neben der (staatlichen) Exekutive auch dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Rund448 449

450 451

Vgl. Hartstein/RingjKreile, RfStV, Art. 2, Rdnr. 19. Vgl. das obiter dictum des BayVGH im Eilverfahren um die Zulässigkeit der Ausstrahlung des ARD-Satellitenprogrammes Eins Plus, BayVBI. 1986, 339, 340: "Im übrigen wäre in diesem Zusammenhang zu eIWägen, ob das Grundrecht der Rundfunkfreiheit nicht notwendigerweise die Gebührenhoheit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einschließt mit der Folge, daß sie ihre Gebühren selbst festsetzen müßten." Vgl. BVerfGE 74, 297, 331 ff. und 353 ff. Vgl. BVerfGE 74,297,332 und 354.

250

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

funkordnung Schranken auferlege452 • Wenn das Gericht im Baden-Württemberg-Beschluß ausführt, daß ein Verbot von Beiträgen zur geistigen Auseinandersetzung der Meinungsfreiheit abträglich sei453 und daß der Gesetzgeber nicht den Weg einer Einschränkung des publizistischen Wettbewerbes gehen dürfe4S4, so greift es damit ein Kriterium auf, das gerade den Schutzgehalt des Grundsatzes der Staatsfreiheit kennzeichnet: Aus der Sicht der betroffenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und unter dem Blickwinkel der Rundfunkfreiheit ist es gänzlich unerheblich, ob den Anstalten die Ausstrahlung von regionalen und lokalen Rundfunksendungen durch Gesetz oder durch Maßnahmen der Exekutive untersagt wird. Der Staatseinfluß auf die Rundfunkfreiheit ist in beiden Fällen identisch. Die Ausführungen im Baden-Württemberg-Beschluß lassen weiter jedwede Auseinandersetzung mit der im Niedersachsen-Urteil geäußerten Ansicht vermissen, daß staatlichen Stellen bei der Zulassung privater Anbieter keine programmbezogenen Wertungsspielräume eröffnet werden dürften455 • Unter Zugrundelegung dieser - zutreffenden - Prämisse hätte das Gericht dann aber konsequenterweise feststellen müssen, daß es dem Staat auch untersagt ist, über die "Zulassung" zusätzlicher Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu entscheiden, da diese Entscheidung ebenfalls durch programmbezogene Wertungselemente geprägt ist. < 2 > Ergebnis

Im Ergebnis ist festzuhalten, daß ein Gesetzesvorbehalt für zusätzliche Programme der Rundfunkanstalten unter dem Blickwinkel der gebotenen Staatsunabhängigkeit der Anstalten unzulässig ist. Vielmehr ist es zunächst Sache der Anstalten, im Rahmen ihrer Autonomie frei darüber zu bestimmen, welche Programme veranstaltet werden sollen456 • Der Staat hat über die Zulassung neuer öffentlich-rechtlicher Programme ebensowenig zu entscheiden wie über solche privater Anbieter. Dies hat zur Folge, daß die Rundfunkanstalten für die Verbreitung neuer gebietsbezogener Programme innerhalb des Sendegebietes keiner staatlichen Ermächtigung bedürfen. Ebensowenig darf eine äußere Expansion der Rundfunkanstalten von der Erlaubnis staatlicher Stellen abhängig gemacht werden. Dabei muß allerdings

452 4S3 454

455 456

VgJ. BVerfGE Vgl. BVerfGE Vgl. BVerfGE VgJ. BVerfGE So auch Groß,

73, 118, 182 f. 74, 297, 332. 74, 297, 332 und 333 ff. 73, 118, 182 ff. NJW 1984, 409, 412; Rudolph, VBIBW 1986, 281, 284.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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die gebietsbezogene Ausrichtung der Sendungen der Landesrundfunkanstalten gewahrt sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das entsprechende (Satelliten-) Programm zumindest auch den Sendebereich der Rundfunkanstalt miteinbezieht. Der Parlamentsvorbehalt kommt in diesem Sachbereich nicht zur Anwendung, weil der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks auch den Gesetzgeber bindet und eine staatliche Regelungskompetenz für eine "Zulassung" zusätzlicher öffentlich-rechtlicher Programme keine grundrechtsadäquaten Entscheidungen erwarten ließe. Der rundfunkspezifische Parlamentsvorbehalt fordert im Lichte seiner grundrechtlichen Ableitungszusammenhänge daher keine staatliche Regelung für die Ausdehnung des Programmumfanges des öffentlich-rechtlichen Runkfunks, sondern verbietet im Gegenteil sogar derartige Regelungen. Jede andere Auffassung ist mit der grundrechtsdienenden Funktion des Parlamentsvorbehaltes nicht in Einklang zu bringen457 • b) Vergabe von Übertragungskapazitäten auf Fernmeldesatelliten Die bisherigen Ausführungen haben deutlich werden lassen, daß staatliche Stellen über Aufteilung und Zuordnung von Übertragungskapazitäten unter programmbezogenen Gesichtspunkten nicht entscheiden dürfen. Diese Aussage bezieht sich zunächst einmal auf die Verbreitung von Rundfunkdarbietungen über terrestrische Frequenzen, Breitbandkabelanlagen und (direktstrahlende) Rundfunksatelliten. Da die über diese Übertragungswege verbreiteten Programme für den direkten Empfang bestimmt sind, bildet die Entscheidung über Aufteilung und Vergabe dieser Kapazitäten eine "offene Flanke" für staatliche Infiltrationen in die Gestaltung von Rundfunkprogrammen. Fraglich könnte sein, ob ein vergleichbares Gefährdungspotential besteht, soweit es um die Zuordnung von Kanalkapazitäten auf Fernmeldesatelliten geht. Denn die über Fernmeldesatelliten abgestrahlten Programme sind nicht zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmt. Wenigstens die traditionellen Fernmeldesatelliten dienen als Verteilsysteme ausschließlich der Signalzuführung von einem Orte zu einem anderen oder zu mehreren Empfangsstellen. Die von der Deutschen Bundespost seit Mitte der 80iger Jahre genutzten Fernmeldesatelliten-Transponder (ECS-F 1, Intelsat V F 1) werden zum Zwecke der Programmzuführung von dem entsprechenden Rundfunkanbieter zu den Empfangsanlagen der Breitbandnetze eingesetzt. Der eigentliche "Sendevorgang" findet erst mit der Einspeisung in die Breitbandkabelan-

457

VgI. dazu bereits ausführlich 2. Teil, 3. Kapitel, IV.

252

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

lagen statt. Man könnte daher überlegen, ob nicht die Aufteilung von Fernmeldesatellitenkanälen ohne weiteres von staatlichen Stellen wahrgenommen werden könne, da der rundfunkrechtlich entscheidende Vorgang im Gegensatz zum Rundfunkempfang über terrestrische Sender, Kabelnetze und spezielle Rundfunksatelliten erst in der Einspeisung des jeweiligen auf den Satelliten befmdlichen Programmes in die Kabelanlage eines Bundeslandes liegt458. Eine solche mögliche Differenzierung erweist sich schon aus technischen Gründen als von vornherein unhaltbar. Die über das neuartige mediumpower Satellitensystem verbreiteten Programme sind zwar nicht für den Direktempfang durch jedermann bestimmt, gleichwohl in der Bundesrepublik Deutschland allerorts faktisch unmittelbar zu empfangen. Die Abstrahlungsleistung dieser neuartigen Satellitengeneration liegt deutlich höher als diejenige der ursprünglichen Fernmeldesatelliten459 . Die über medium-powerSatelliten abgestrahlten Programme lassen sich mit Antennenanlagen von etwa 80 cm Durchmesser direkt empfangen460 • Das gleiche gilt seit der Verfügung der Deutschen Bundespost aus dem Jahre 1987 in bezug auf die über die herkömmlichen low-power Fernmeldesatelliten (ECS und Intelsat) verbreiteten Programme461 • Aus diesem Grunde wird die tradierte Unterscheidung zwischen dem Fernmelde- und Rundfunksatellitensystem aus der Sicht der Rezipienten und Rundfunkveranstalter zunehmend fragwürdiger462. Ungeachtet dieser grundsätzlich auch bei Fernmeldesatelliten vorhandenen Möglichkeit eines Direktempfanges, bestehen durchgreifende Bedenken, staatliche Organe mit der Entscheidung über die konkrete Kanalbelegung auf diesem Satellitensystem zu betrauen. Der Erfolg eines Programmes bestimmt sich maßgeblich nach der Anzahl der Rezipienten, die das jeweilige Programm empfangen können. Der Aufwand für die Produktion und Gestaltung eines Rundfunkprogrammes ist unabhängig davon, wieviele Zuhörer beziehungsweise Zuschauer dieses Programm verfolgen. Daher geht das Interesse eines jeden Rundfunkanbieters dahin, möglichst große technische Reichweiten zu erzielen. Bei einem werbefinanzierten Programm ist dieses Interesse zusätzlich ökonomisch bedingt, da die tatsächlich festgestellten Reichweiten Bezugsmaßstab für die Festsetzung der Werbepreise sind463. Soweit der Staat

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Vgl. in diesem ZusammenhangKreile, Kompetenz, S. 272; Müller-Römer, Media Perspektiven 1989, 410, 416. Vgl. Hartstein/RingfKreile, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnr. 32. Vgl. Müller-Römer, Media Perspektiven 1989, 410 ff. Siehe dazu im einzelnen noch später. Dazu noch später. Zutreffend spricht Schrape, Wächst der Werbe kuchen weiter?, S. 9, 14, von einer ·Verrna-

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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über die Aufteilung von Satellitenkanälen entscheidet und diese Kapazitäten bestimmten Anbietern zuordnet, entscheidet er damit zugleich auch über die Entwicklungs- und Erfolgschancen von Rundfunkanbietern. Solche Befugnisse würden dem Staat eine dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks abträgliche Bestimmungsmacht über Rundfunkveranstalter vermitteln. Daraus folgt auch, daß es den für das Fernmelderecht zuständigen Stellen (Deutsche Bundespost/Telekom) nicht nur aus kompetentiellen Gründen, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks versagt ist, die konkrete Belegung der einzelnen Fernmeldesatellitenkapazitäten in eigener Regie festzulegen464 • Um sachwidrige staatliche Einflüsse auf den Rundfunk zu vermeiden, sind die verfügbaren Kanäle nach Maßgabe der Entscheidung der nach Rundfunkrecht zuständigen Stellen46S aufzuteilen und mit einzelnen Rundfunkveranstaltern zu belegen. Insofern unterstreicht der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks die lediglich "dienende Funktion" der Fernmeldekompetenz gegenüber der Rundfunkkompetenz und verleiht dieser damit eine weitere Bedeutungsdimension466 • Im Ergebnis ist festzustellen, daß staatliche Organe aus Gründen der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht mit der Entscheidung über die Verteilung von Kanalkapazitäten auf Fernmeldesatelliten betraut werden dürfen. 3. Alternative Regelungsmodelle für das Vergabeverfahren von technischen Übertragungskapazitäten

Nach den bisherigen Darlegungen darf das rundfunkrechtliche Verteilungsverfahren von Übertragungsmöglichkeiten nicht in den Einflußbereich des Staates geraten. Im folgenden sind alternative Regelungsmodelle zu entwickeln, die eine solche staatliche Einflußnahme ausschließen und darüber hinaus sachgerechte und grundrechtsadäquate Entscheidungen erwarten lassen.

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schung" der drei Teilmärkte Zuschauermarkt, Programmmarkt, Werbemarkt. Vgl. in diesem Zusammenhang Müller-Römer, Media Perspektiven 1989,410,416. Dazu sogleich. Vgl. zu den weiteren Begründungsansätzen der "dienenden Funktion" des Fernmeldewesens gegenüber dem Rundfunkwesen Eber/e. Rundfunkübertragung, S. 22 f.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

a) Aufteilung zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Landesmedienanstalten Zunächst ließe sich daran denken, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Landesmedienanstalten in eigener Verantwortung die verfügbaren Übertragungswege aufteilen zu lassen. Die Aufteilung könnte durch entsprechende öffentlich-rechtliche Verwaltungsvereinbarungen467 zwischen Rundfunk- und Landesmedienanstalten erfolgen. Bei diesem Modell verfügen die Träger der Rundfunkfreiheit selbst über die für die Verbreitung von Rundfunkprogrammen bestimmten Kapazitäten. Das Verteilungsverfahren vollzieht sich im Rahmen der gesellschaftlichen Selbstverwaltung. Dem Staat sind grundsätzlich keine Einflußnahmemöglichkeiten eröffnet. Dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks ist demnach insoweit Rechnung getragen. Gegen die Konstruktion könnte allerdings der Grundsatz der Chancengleichheit sprechen, der nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Aufteilung von neuen Übertragungswegen außer halb der Grundversorgung zu beachten ist468 • Für eine gleichheitswidrige Behandlung privater Anbieter könnte man ins Feld führen, daß bei einer Aufteilung der verfügbaren Übertragungskapazitäten durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und die Landesmedienanstalten die Rundfunkanstalten unmittelbar, die privaten Veranstalter aber nur mittelbar, über "ihre" jeweilige Landesmedienzentrale am Entscheidungsprozeß beteiligt sind. Man könnte bezweifeln, ob die zuständigen Landesmedienanstalten im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ein ähnlich stark ausgeprägtes Interesse an der Gewinnung neuer Übertragungskapazitäten haben; die Landesmedienanstalten könnten im Konfliktfalle mangels spezifischen Eigeninteresses geneigt sein, dem Begehren der Rundfunkanstalten nachzugeben und auf zusätzliche Übertragungsmöglichkeiten zu verzichten. Diese Befürchtung ist aber durch die Praxis widerlegt. Die Landesmedienanstalten sehen sich selbst keinesfalls lediglich als Überwachungs- und Kontrollinstanzen für den privaten Rundfunk. Die Erfahrungen zeigen, daß zwischen den Landesmedienanstalten und den privaten Anbietern ein vielfältiges Beziehungsgeflecht entstanden ist, das sich insbesondere in einer Viel-

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Vetwaltungsvereinbarungen sind nach tradierter Terminologie Abkommen, die nur von der Exekutive geschlossen werden; Staatsverträge sind solche, die vom betreffenden Landesparlament ratifiziert.. werden müssen; vgl. Kisker, Kooperation im Bundesstaat, S. 217, 218; aA. Kölble, DOV 1960, 650, 661, der auch teilweise Staatsverträge zu den Vetwaltungsabkommen zählt, wobei er allerdings differenziert zwischen den öffentlichrechtlichen Verträgen, die der Zustimmung durch die Legislative bedürfen (womit er die Staatsverträge meint) und den nicht zustimmungsbedürftigen Abkommen. Vgl. BVerfGE 74, 297, 331 ff.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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zahl intensiver, informeller Kontakte äußert. Die Landesmedienanstalten sind bereits aus medienökonomischen und standortpolitischen Aspekten daran interessiert, möglichst leistungsstarke Übertragungskapazitäten zu gewinnen, um sie privaten Rundfunkveranstaltern zur programmlichen Nutzung zur Verfügung stellen zu können4(f). Hinzu kommt, daß nach den landesrechtlichen Bestimmungen in aller Regel die Landesmedienanstalten mit der Förderung der technischen Infrastruktur für eine landesweite terrestrische Versorgung betraut sind und ihnen zu diesen Zwecken ein entsprechender Anteil an der allgemeinen Rundfunkgebühr zusteht470 • Diese Bestimmungen machen deutlich, daß die Landesmedienanstalten ein spezifisches Interesse daran haben dürften, "ihren" privaten Rundfunk bestmöglich mit technischen Übertragungsmöglichkeiten zu versorgen. Eine Aufteilung verfügbarer Kapazitäten im Wege eines kooperationsrechtlichen Vertrages zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Landesmedienanstalten verletzt nicht das Recht der privaten Anbieter auf Gleichbehandlung bei der Vergabe von Übertragungswegen. Dennoch bestehen gegen ein Verteilungsverfahren auf der Grundlage eines kooperationsrechtlichen Abkommens durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken. Problematisch ist insbesondere der Fall, daß zwischen Rundfunkund Landesmedienanstalten keine Einigung über die Aufteilung bestimmter Übertragungswege erzielt werden kann. Auch wenn der Gesetzgeber durch materielle abstrakt-generelle Regelungen den Entscheidungsspielraum der beiden Rechtsträger einengt, sind solche Konfliktfälle durchaus naheliegend. Ein staatliches Evokationsrecht dergestalt, daß im Konfliktfalle der Gesetzgeber oder die Regierung die Zuordnung vornimmt, wäre aus Gründen der Staatsfreiheit des Rundfunks unzulässig471 • Auch der mögliche Verweis auf eine gerichtliche Klärung könnte eine sachgerechte Lösung des Konfliktes wohl kaum erwarten lassen. Denn wie die ersten rundfunkrechtlichen Konkurrentenklagen zeigen, räumt die Rechtsprechung bei den Zulassungs- und Aufsichtsentscheidungen der Landesmedienanstalten den zuständigen Entscheidungsgremien einen weiten Beurtei-

4(f)

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Ausführlich zu den medienökonomischen Auswirkungen der Veranstaltung privaten Rundfunks in Hamburg Wilke, Schriftenreihe der HAM, passim; vgl. weiter HoffmannRiem/Ziethen, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 215, 252 ff.; Lange, Media Perspektiven 1989, 268, 273; siehe ferner Hoffmann-Riem, Das Finanzierungsdilemma lokalen Rundfunks, Typoskript, S. 3 ff. Vgl. Art. 6 Abs. 1 Nr. 3 RfStV; siehe dazu ausführlich bereits oben 3. Teil, 1. Kapitel 4. b) (2) (b). Vgl. BVerfGE 73, 118, 186 f.: Keine staatliche "Auffangkompetenz" für die zu treffende Auswahlentscheidung bei einer Vielzahl von privaten Bewerbern um eine Rundfunkerlaubnislizenz.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

lungsspielraum ein, der nur der begrenzten Justitiabilität unterliegt472. Diese Rechtsprechung beruht auf der Überlegung, daß Zulassungs- und Auswahlentscheidungen auf der Auslegung einer Reihe von unbestimmten Rechtsbegriffen beruhen und die Landesmedienanstalten aufgrund ihrer kollegialrepräsentativen oder sachverständigen Besetzung473 am ehesten geeignet sind, diese in hohem Maße ausfüllungsbedürftigen unbestimmten Rechtsbegriffe möglichst sachgerecht auszulegen474 • Entsprechende Schwierigkeiten dürften aber auch entstehen, wenn die Rechtsprechung im Streitfalle darüber entscheiden müßte, ob vorhandene Übertragungskapazitäten den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten oder den Landesmedienanstalten zuzuordnen sind. Denn die Aufteilung von knappen Kanälen muß dem Leitziel dienen, ein möglichst vielfältiges Angebot an Rundfunkprogrammen herzustellen. Dieser Vielfaltsmaßstab läßt sich aber nur schwerlich in rechtlichen Kategorien erfassen. Seine Operationalisierung setzt eine Vielzahl von programmbezogenen Wertungen voraus, die zumeist von planerischen und prognostischen Elementen geprägt sind und sich infolgedessen in eine gesamtplanerische Konzeption einfügen lassen müssen. Diese umfassenden Planungsaufgaben sollten von den gesellschaftlich relevanten Gruppen vorgenommen werden. Die Beteiligung der unterschiedlichen Interessengruppen an diesem Entscheidungsverfahren ermöglicht, daß eine möglichst große Vielzahl von Meinungen berücksichtigt wird und erhöht damit die Chance für eine sachgerechte Konfliktlösung. Das gerichtliche Verfahren vermag diese umfassenden Planungsaufgaben nicht zu bewältigen. Eine gerichtliche Entscheidung über die Zuordnung verfügbarer Übertragungskapazitäten an die Rundfunk- oder Landesmedienanstalten trüge unvermeidlich das Verdikt der Willkür in sich. Weiter steht zu befürchten, daß sich die Verhandlungen zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und den Landesmedienanstalten über die Aufteilung von Übertragungskapazitäten als äußerst zeitraubend erweisen. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn die Zuordnung leistungsstarker Übertragungswege in Rede steht und keine Grundlage für einen Kompromiß vorhanden ist, weil nur eine der beiden Seiten bedient werden kann. Es erscheint naheliegend, daß sich in einem solchen Falle die Einigungsversuche zeitlich hinziehen würden. Hinzu kommt, daß im Falle

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vgl. OVG Lüneburg, DVBI. 1986, 1112, 1114; VGH Bad-Württ, VBIBW 1989, 211, 213=NJW 1990, 340, 341; OVG Koblenz, NVwZ 1990, 1087, 1088; vgl. auch BVerfGE 73, 118, 184: 'Wenn nicht sogar der Erlaubnisbehörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt wird'. Siehe dazu ausführlich den 3. Teil, 1. Kapitel, 11. 2. b) (1), (2) und (3). VGH Bad-Württ, VBIBW 1989, 211, 213=NJW 1990, 340, 341. Siehe auch Bullinger/Gödei, LMedienG BadWürtt, § 18, Rdnr. 7 und § 65, Rdnr. 2; Hesse, JZ 1991, 357, 360 Fn. 34; Ricker, Privatrundfunkgesetze, S. 85 f.; Wagner, Landesmedienanstalten, S. 168 ff.; kritisch Rüggeberg, in: Beiträge zum Medienprozeßrecht, S. 109, 128 ff.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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eines Scheiterns der Verhandlungen die Streitigkeit wohl weiter vor Gericht ausgetragen werden dürfte und dieses gerichtliche Verfahren zusätzliche Zeiträume beanspruchen würde. Alle diese Überlegungen zeigen, daß mit einer monate- oder sogar jahrelangen "Blockade" der für Rundfunkzwecke verfügbaren Übertragungskapazitäten gerechnet werden müßte, wenn man die Entscheidung über die Aufteilung von Rundfunkkanälen den Rundfunkund Landesmedienanstalten überließe. Ein Brachliegen von Übertragungsmöglichkeiten verhindert aber die Verbreitung von Rundfunksendungen, was die Meinungsfreiheit nicht zu sichern, geschweige denn zu fördern vermag475 • Gegen eine kooperative Aufteilung von verfügbaren Übertragungsmöglichkeiten zwischen Rundfunk- und Landesmedienanstalten dürfte aber maßgeblich folgender Gesichtspunkt sprechen: Der Entscheidung über die Vergabe von Übertragungskapazitäten müssen sachgerechte Aufteilungskriterien zugrunde liegen. Als sachgerechter Entscheidungsmaßstab kommt insbesondere das Gebot der Meinungsvielfalt in Betracht476 • Danach ist entscheidend, welchen Beitrag jeder Bewerber mit seinem Programm zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung zu leisten imstande ist477• Daher ist es verfassungsrechtlich bedenklich, wenn ein und derselbe Rundfunkanbieter in einem Sendegebiet mehrere gleichartige Programme veranstaltet. Denn es kann regelmäßig nicht erwartet werden, daß vom Zweitprogramm ein zusätzlicher wesentlicher Beitrag zur inhaltlichen Vielfalt ausgeht. Vielmehr ist zu befürchten, daß diese Privilegierung zu einer einseitigen Beeinflussung der freien Meinungsbildung führt, was der Bildung von gleichgewichtiger Vielfalt abträglich ist478 • Darin liegt auch der Grund, weshalb nach fast allen Landesmediengesetzen ein zugelassener (privater) Veranstalter in einem Verbreitungsgebiet im Fernsehen und Hörfunk jeweils nur ein Vollprogramm und ein Spartenprogramm verbreiten darf'79. Umgekehrt kann die Vergabe eines zweiten Senderechts an einen bestimmten Anbieter aus Vielfaltsgesichtspunkten gerade geboten sein, wenn er sich als einziger Bewerber mit seinem Programm an bestimmte Zielgruppen - etwa Minderheiten - wenden möchte und dieser Bereich im Gesamtangebot noch nicht hinreichend berücksichtigt erscheint. Diese Beispiele lassen deutlich werden, daß die Vielzahl der einzelnen Programme kleine Teile eines Mosa-

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Vgi. in diesem Zusammenhang BVerfGE 74, 297, 332; siehe auch Eberle, Rechtsgutachten zum "Vorbehaltsgesetz", Typoskript, S. 11 f. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 66 f. und 74 ff. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 74. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 75; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 276 ff. Vgl. § 19 Abs. 1 LMG Bad-Württ; § 8 Abs. 1 BremLMG; § 15 Abs. 1 HPRG; § 19 Abs. 1 HmbMedienG; § 5 Abs. 2 LRG Nds; § 6 Abs. 3 LRG NW; § 5 Abs. 3 LRG Rh-Pf; § 40 Abs. 3 LRG Saarl; § 8 Abs. 2 LRG Schl-H.

17 Gersdorf

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

iks bilden müssen, welches in seiner Gesamtschau die Vielfalt der bestehenden Meinungen widerspiegelt und ein ausgewogenes Programmangebot verkörpert. Um dieses Ziel erreichen zu können, muß eine planerische Gesamtkonzeption entworfen werden, in der die einzelnen Bedarfsträger enthalten sein müssen, die durch Rundfunkprogramme versorgt werden sollen. Sodann muß man ermitteln, welche Bedarfe durch bestehende Programme bereits abgedeckt und auf welchen Feldern noch "Bedarfslücken" vorhanden sind. Anhand dieser planerischen Festlegungen ist die Vergabe von technischen Übertragungskapazitäten vorzunehmen. Dementsprechend verlangt die Präambel des Rundfunkstaatsvertrages, daß mit der Vermehrung des elektronischen Medienangebotes Informations- und kulturelle Vielfalt verstärkt werden. Eine "Vorwegaufteilung", durch welche das verfügbare Kanalspektrum zunächst unter den Rundfunk- und Landesmedienanstalten verteilt wird, birgt die spezifische Gefahr, daß Übertragungswege numerisch "gerecht" unter beiden Vertragspartnern aufgeteilt werden, ohne daß dabei eine planerische Gesamtkonzeption entworfen wird und die Aufteilungsentscheidung nach Maßgabe dieses Plankonzeptes erfolgt. So könnte es etwa sein, daß dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Frequenzen zugeordnet werden, welche die Rundfunkanstalten zur Ausstrahlung eines zusätzlichen "massenattraktiven Programmes" benutzen, obwohl bereits genügend vergleichbare Programme angeboten werden48O • Andererseits könnte im Interesse der Herausbildung von Vielfalt im Rundfunk angezeigt sein, verfügbare Kanäle ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zur Verfügung zu stellen, etwa zum Zwecke der Ausstrahlung von besonders kostenintensiven kulturellen Programmen und von Programmen, die gezielt Minderheiten ansprechen; in der Versorgung dieser entsprechenden Bedarfsträger kommt die spezifische Leistungsfähigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Ausdruck, welcher aufgrund der Gebühreneinnahmen weniger als die werbefinanzierten privaten Rundfunkanbieter vor der wirtschaftlichen Notwendigkeit steht, möglichst hohe Einschaltquoten zu erzielen481 • Eine "Vorabaufteilung" zwischen den Rundfunk- und Landesmedienanstalten kann dem Prinzip der Vielfaltssicherung und Vielfaltsförderung im Rundfunk, an dem sich die Entscheidung über die Vergabe von Übertragungswegen stets zu orientieren hat, nicht gerecht werden. Ein solches Verteilungsverfahren leidet in bezug auf

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Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 75, der eine solche ElWeiterung des Programmangebotes der Rundfunkanstalten zu Recht für "verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar" hält. Vgl. dazu BVerfGE 73, 118, 155 f.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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die gebotene Herausformung einer gleichgewichtigen Vielfalt im Rundfunk unter strukturellen DefIziten. Nimmt man alle diese Gesichtspunkte zusammen, so läßt sich feststellen, daß der Gesetzgeber trotz des prinzipiell bestehenden weiten Gestaltungsspielraumes bei Ausgestaltung der Rundfunkordnung diese Konzeption nicht verfolgen darf. Eine Aufteilung der technischen Übertragungswege auf der Grundlage eines kooperativen Vertrages zwischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und Landesmedienanstalten ist verfassungsrechtlich unzulässig. b) Zuständigkeit der Landesmedienanstalten Die vorstehenden Überlegungen haben die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für das Verfahren zur Aufteilung von Übertragungswegen deutlich werden lassen: Zum einen bedarf es einer übergreifenden Koordination und Planung durch eine zentrale Instanz, die sämtliche Übertragungskapazitäten umschließt. Die Aufteilung der Kanäle zwischen den einzelnen Interessenten muß dieses Plankonzept, welches die Meinungsvielfalt im Rundfunk sicherzustellen hat, umsetzen und konkretisieren. Zum anderen dürfen die Aufteilungsentscheidungen, soweit sie mit der Vergabe von Senderechten an einen bestimmten Rundfunkanverstalter verbunden sind, nicht durch staatliche Stellen getroffen werden, sondern müssen einer staats unabhängigen Stelle anvertraut sein482 • Die staatliche Kompetenz für die Vergabe von Senderechten an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten stammt aus der Zeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunkmonopoles. Das bestehende duale System aus öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk erfordert neue Regelungsstrukturen, weil der Staat die nunmehr notwendige Entscheidung über die Verteilung von Übertragungskapazitäten auf den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk zum Anlaß nehmen könnte, die Rundfunkanstalten inhaltlich zu disziplinieren. Solche staatlichen Zuständigkeiten bilden "EinbruchsteIlen" für sachwidrige, die Meinungsfreiheit beeinträchtigende Einflüsse des Staates auf den Rundfunk. Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks gebietet daher, daß die Landesmedienanstalten, die sich in ihrer idealtypischen Form als staatsfreie Gebilde darstellen483 , die verfügbaren Übertragungskapazitäten nicht nur unter den privaten Bewerbern aufteilen, sondern ebenso die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in ihre EntscheidungsfIndung mit einbeziehen. Die Rundfunkanstalten wie private Anbie-

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Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 100 f. Vgl. zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Organisation der Landesmedienanstalten den 3. Teil, 1. Kapitel, 11.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

ter haben ihren entsprechenden Bedarf bei der jeweils zuständigen Landesmedienzentrale anzumelden. Diese hat sodann unter Zugrundelegung der abstrakt -generellen gesetzlichen Vergabebestimmungen484 die erforderliche Auswahlentscheidung zu treffen4&5. Gegen eine Aufteilungszuständigkeit der Landesmedienanstalten könnte man allerdings einwenden, daß diese aufgrund ihrer weitreichenden Zulassungs- und Aufsichtsbefugnisse gegenüber privaten Rundfunkveranstaltern keine neutrale Entscheidung über die Aufteilung der Übertragungsmöglichkeiten erwarten ließen486 • Da die Landesmedienanstalten für die Vergabe von Senderechten an private Anbieter zuständig seien, könnten sie bestrebt sein, das für den privaten Rundfunk zur Verfügung stehende Kontingent an Übertragungskapazitäten so groß wie möglich zu halten, um sich schwierige Einigungsverhandlungen zu ersparen und eine noch problematischere Auswahlentscheidung zu vermeiden. Dieses mögliche Argument vermag jedoch bereits schon deswegen nicht zu überzeugen, weil nach dem hier in Rede stehenden Verteilungsmodell das Spektrum der verfügbaren Übertragungskanäle gerade nicht auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einerseits und den privaten Veranstaltern in ihrer Gesamtheit andererseits aufgespalten wird. Da eine solche "Vorwegaufteilung" nicht vorgenommen wird, gibt es auch kein allein und ausschließlich für den privaten Rundfunk reserviertes Kontingent an Übertragungswegen, so daß die Befürchtung einer einseitigen Begünstigung privater Veranstalter insoweit jedweder Grundlage entbehrt. Ebensowenig ist dem möglichen Einwand Erfolg beschieden, daß eine unabhängige und neutrale Aufteilung der Kapazitäten durch die Landesmedienanstalten zweifelhaft erscheine, weil diese aufgrund ihrer vielfältigen Beziehungen zu den privaten Veranstaltern deren Interesse eher vor Augen haben könnten als die Belange der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten487 • Denn mit der Zuständigkeitserweiterung der Landesmedienzentralen 484 4&5

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Dazu noch später. Auch das BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74 elWägt eine Zuständigkeit der Landesmedienanstalten bei der Zuordnung von Übertragungskapazitäten an die verschiedenen öffentlichrechtlichen und privaten Rundfunkveranstalter. Vgl. zu diesem möglichen Einwand Eberle, Rundfunkübertragung, S. 101. Vgl. Hesse, JZ 1991, 357, 360; Stock, Media Perspektiven 1991, 133, 139 und Fn. 44; siehe zum diesem Argument wiederum auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 101; vgl. in diesem Zusammenhang den Beschluß der Anstaltsversammlung der ULR (Schl-H) gegen die im Frühjahr 1988 von den Regierungschefs der Länder Niedersachsen, SchleswigHolstein und Hamburg beschlossene Ausweitung der für den NDR täglich erlaubten Werbezeit von 32 auf 42 Minuten: "Die Anstaltsversammlung ist tief besorgt über die beabsichtigte Ausdehnung der Werbezeiten zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, weil dadurch private Veranstalter, die allein auf Werbeeinnahmen angewiesen sind, erheblich beeinträchtigt werden ... Die Anstaltsversammlung bittet die Landesregierung dringend, von einer derartigen Benachteiligung privater Rundfunkveranstalter abzuse-

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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auf die Rundfunkanstalten würden zugleich auch Rechtsbeziehungen zu diesen entstehen, die zu einer Vielzahl von formellen und informellen Kontakten führen dürften, so daß eine Benachteiligung der Anstalten im Verhältnis zu den privaten Rundfunkanbietern nicht befürchtet werden kann488 • (1) Problemfall: Aufteilungsentscheidung bei Mehrländeranstalten Probleme bei einer Aufteilung verfügbarer Übertragungswege durch die Landesmedienanstalten könnten dann entstehen, wenn die Entscheidung eine Mehrländeranstalt wie zum Beispiel den Norddeutschen Rundfunk oder das Zweite Deutsche Fernsehen betrifft. Hier könnten länderübergreifende Sachverhalte zu beachten sein, zu deren Beurteilung die landesbezogene Zuständigkeit der jeweiligen Medienanstalten unter Umständen nicht ausreicht489 • Zu berücksichtigen ist jedoch, daß die länderübergreifenden Organisationsstrukturen einer Mehrländeranstalt unabhängig sind von den Übertragungskapazitäten, die sie innerhalb eines Versorgungsgebietes in Anspruch nimmt490 • Soweit diese Übertragungskapazitäten technisch auf die Versorgung innerhalb nur eines Bundeslandes abzielen, kann über sie auch von der jeweils zuständigen Landesmedienanstalt in alleiniger Kompetenz verfügt werden. Problematisch könnte allenfalls die Vergabe von Kapazitäten sein, die aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit über die Versorgung eines Landes hinausgehen. Da in einem solchen Falle wegen der länderübergreifenden Zielsetzung des entsprechenden Programmes der Mehrländeranstalt die rundfunkrechtliche Hoheit des betroffenen benachbarten Landes berührt ist, bedarf es insoweit einer Abstimmung mit der dortigen Landesmedienanstalt491 • Die zuständigen Landesmedienanstalten könnten zu diesen Zwecken kooperationsrechtliche Verträge abschließen, um auf diese Weise die länderübergreifende Versorgung mit den Programmen der Mehrländeranstalt

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hen"; wiedergegeben bei Reese, Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 417, 427. Vgl. ferner die Äußerung des Direktors der HAM (HH) im Jahr 1990, der sich deutlich gegen Bestrebungen nach einer Ausweitung der NDR-Werbezeit ausspricht: "Ein solcher Schritt würde die wirtschaftlichen und damit programmlichen Möglichkeiten des Privatfunks in Hamburg zusätzlich belasten", Hamburger Abendblatt Nr. 139 vom 18. Juni 1990, S. 5. So auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 101; vgl. ferner Wagner, Landesmedienanstalten, S. 179 und Fn. 95, der ebenfalls insoweit für eine Zuständigkeit der Landesmedienanstalten plädiert, dafür allerdings zur Voraussetzung macht, daß die Landesmedienzentralen ihre gegenwärtig recht deutliche Parteinahme für den privaten Rundfunk aufgeben. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 102. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 102. Für die Kompetenzbestimmung kommt es auf die einer Sendung inhärente Finalität an, vgl. dazu ausführlich unter völker-, europa- und verfassungsrechtlichen Aspekten Reinen, Grenzüberschreitender Rundfunk, S. 27 ff., 173 ff. und 250 f.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

sicherzustellen492 • Allerdings könnten dabei Probleme entstehen, wenn sich Landesmedienanstalten bei den gebotenen länderübergreifendenAbstimmungen primär von landesspezifischen Interessen an der Entwicklung der Rundfunkordnung leiten lassen. In einem derartigen Falle könnte durch die Verweigerungshaltung einer oder einzelner Landesmedienzentralen eine Entscheidungsblockade entstehen, die sich zu Lasten der schutzwürdigen Interessen der betroffenen Mehrländeranstalt auswirken könnte. Wir brauchen an dieser Stelle nicht der Frage nachzugehen, ob die einzelnen Landesmedienanstalten unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Grundrechtsschutzes493 verfassungsrechtlich verpflichtet wären, die erforderlichen einvernehmlichen Regelungen herbeizuführen494 • Jedenfalls steht nicht zu befürchten, daß bei einer Zuordnung von Übertragungskapazitäten an öffentlich-rechliehe Mehrländeranstalten durch die Landesmedienanstalten größere Konfliktpotentiale entstünden als bei einem staatlichen Verteilungsverfahren. Denn nach dem hier vorgeschlagenen Modell sollen die Landesmedienzentralen mit substituierender Wirkung die bisher von staatlichen Stellen ausgeübten Kompetenzen gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten übernehmen. Die Landesmedienanstalten treten insoweit an die Stelle staatlicher Organe; ihre Exekutiv- und Hauptorgane übernehmen die Zuständigkeiten, die von den Staats- oder Senatskanzleien und Länderparlamenten wahrgenommen wurden. Mußten sich bei der Zuordnung von Übertragungswegen an Mehrländeranstalten bislang die zuständigen staatlichen Stellen der einzelnen Bundesländer einigen, so liegt nach hiesigem Vorschlag diese Verantwortlichkeit bei den gesellschaftlichen Kräften der zuständigen Landesmedienanstalten. Es besteht kein Grund zur Annahme, daß der notwendige Grundkonsens eher im staatlichen Bereich als auf der Ebene der Landesmedienanstalten erzielt werden könnte. Zwar ist die wechselseitige politische Zusammenarbeit der einzelnen Bundesländer außerordentlich vielschichtig; ihr Zusammenwirken beschränkt sich nicht nur auf das Feld der Rundfunkpolitik. Aus dieser facettenreichen und umfassenden Kooperation und Koordination folgt die Notwendigkeit zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf breiter Ebene, um eine im allseitigen Interesse liegende fruchtbare Zusammenarbeit zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund ließe sich argumentieren, daß die Aufgabe der Zuordnung von Übertragungsmöglichkeiten an Mehrländeranstalten bei 492

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Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 102, der in diesem Zusammenhang zu Recht auf die Möglichkeit einer gegenseitigen Abstimmung der einzelnen Landesmedienanstalten nach Art. 12 Abs. 2 RfStV hinweist. Auf diesen Aspekt stellt das BVerfG im numerus c1ausus-Urteil ab, vgl. BVerfGE 33, 303, 357 f.

Vgl. Bethge, DÖV 1990, 629, 632 ff., wonach die Länder bei der Festsetzung der Rundfunkgebühren zur Kooperation und Koordination verfassungsrechtlich verpfliChtet sind.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

263

staatlichen Stellen besser aufgehoben sei als bei den Landesmedienanstalten, deren Tätigkeitsfeld auf den Rundfunkbereich reduziert ist und die infolgedessen nicht in vergleichbarer Weise auf ein durch gesteigerte gegenseitige Rücksichtnahme gekennzeichnetes Verhältnis untereinander angewiesen sind. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, daß sich umgekehrt diese umfangreiche politikbezogene Kooperation der Bundesländer auch als besonders konfliktträchtig erweisen kann. Zum einen läßt sich nicht ausschließen, daß in die rundfunkbezogenen Einigungsbemühungen Konflikte getragen werden, die ihrer inneren Grund in nicht ausgeräumten Differenzen auf anderen Politikfeldern haben. Zum anderen ist die Gefahr besonders groß, daß bestehende Konflikte in der rundfunkbezogenen Auseinandersetzung zu Lasten sachgerechter Ergebnisse im Wege des "politischen Kuhhandels" bereinigt werden. Entscheidend aber dürfte sein, daß staatliche Stellen ein spezifisches Eigeninteresse daran haben, auf die politikbezogene Rundfunktätigkeit von öffentlich-rechtlichen Mehrländeranstalten Einfluß zu gewinnen, weil der Staat selbst einen zentralen Gegenstand dieser Rundfunkarbeit darstellt. Da eine vergleichbare Gefährdungslage auf seiten der Landesmedienanstalten nicht besteht, wird man die Wahrscheinlichkeit, daß sich eine Zuständigkeit dieser Ländereinrichtungen bei der Zuordnung von Übertragungskapazitäten zu Ungunsten einer unabhängigen publizistischen Rundfunktätigkeit der betroffenen öffentlich-rechtlichen Mehrländeranstalt auswirken wird, als deutlich geringer einstufen müssen als bei einer entsprechenden Kompetenz staatlicher Organe. (2) Problemfall: Aufteilung von Satellitenkanälen Auf erhebliche Schwierigkeiten könnte jedoch die Entscheidung über die Vergabe von Satellitenkanälen stoßen. Während das Versorgungsgebiet der öffentlich-rechtlichen wie der zugelassenen privaten Anbieter, von gewissen over-spill-Effekten einmal abgesehen, im wesentlichen auf ein bestimmtes Landesgebiet zugeschnitten ist, läßt sich der Ausstrahlungskegel eines direktstrahlenden Rundfunksatelliten nicht auf bestimmte Staats- und schon überhaupt nicht auf bestimmte Ländergrenzen reduzieren. Der Versorgungsbereich des bundesdeutschen Satellitensystemes TV -SAT erfaßt das gesamte Bundesgebiet495 • Ebenso können die über Fernmeldesatelliten abgestrahlten Programme insbesondere aufgrund der rasanten technischen Fortschritte bei Satellitenempfangstechnik mit Parabolspiegelantennen entsprechenden Durchmessers direkt empfangen werden. Diese Besonderheiten lassen die Notwendigkeit einer Aufteilung der auf den Satelliten verfügbaren Kanäle 495

Vgl. zur Empfangssituation die Schaubilder bei Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnr. 30; siehe auch Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 393 m.w.N.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

durch eine länderübergreifende Kooperation deutlich werden496• Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Niedersachsen-Urteil in bezug auf die in allen Ländern direkt empfangbaren Rundfunkprogramme ausgeführt, daß die Satellitenkanalvergabe "nur allen Ländern gemeinsam zukommen kann,0497. In diesem Zusammenhang wird in der Literatur angeregt, daß die Länder durch Staatsvertrag eine gemeinsame Satellitenanstalt gründen, deren Aufgabe es sein solle, die verfügbaren Kanäle der Fernmeldesatelliten und direktstrahlenden Rundfunksatelliten zu verteilen, Sendelizenzen zu vergeben sowie die privaten Anbieter zu kontrollieren498• Soweit diese gemeinsame Satellitenanstalt entsprechend den oben entwickelten Kriterien staatsfrei organisiert und durch gesetzliche Vorkehrungen gegen externe Einflußnahme des Staates geschützt wäre, könnte man gegen diesen Vorschlag von Verfassungs wegen keine Einwände erheben. Freilich ist dieser Weg verfassungsrechtlich keinesfalls geboten. Denkbar wäre ebenso, daß die Landesmedienanstalten selbst die verfügbaren Kanalkapazitäten aufteilen und bestimmten Anbietern unter Einschluß der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zuordnen. Die entsprechenden Übertragungswege auf Satellitensystemen wären demnach nach Maßgabe der von sämtlichen Landesmedienanstalten erstellten Kanalbelegungspläne an einzelne Rundfunkveranstalter zu vergeben. Insofern kommen mehrere Verfahrensmodelle in Betracht, wie die noch später zu erörternden Länderteilstaatenverträge über die Verteilung von Rundfunksatellitenkanälen zeigen. Im Ergebnis läßt sich feststellen, daß eine Zuständigkeit der Landesmedienanstalten für die Vergabe von Übertragungsmöglichkeiten auf Rundfunk- oder Fernmeldesatelliten auf keinerlei Bedenken stößt.

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AA. Bueckling, ZUM 1985, S. 144, 147 ff., der in bezug auf die Satellitenkanäle auf Rundfunksatelliten eine Bundesgesetzgebungskompetenz kraft Natur der Sache mit dem Argument bejaht, daß die Bundesländer aufgrund der technischen Überregionalität des Versorgungsgebietes des direktstrahlenden Rundfunksatelliten nicht dazu in der Lage seien, die für die Ordnung dieses Sachbereiches erforderlichen gesetzlichen Vorkehrungen zu treffen. Dieses Argument ist spätestens mit der durch Art. 1 und Art. 2 RfStV getroffenen Vereinbarung der Länder widerlegt und hat im Schrifttum zu Recht keine Gefolgschaft gefunden, vgI. nur Reinen, Grenzüberschreitender Rundfunk, S. 268 ff.; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 393 ff. Vgl. BVerfGE 73, 118, 196 f. unter Hinweis auf Bullinger, AfP 1985, 1,5. Vgl. weiter statt vieler Bul/inger, VBIBW 1989, 161, 165; HartsteinjRing/Kreife, RfStV, Art. 1, Rdnr. 29; Kreife, Kompetenz und kooperativer Föderalismus, S. 234 ff., passim; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 393 ff. Vgl. Bul/inger, AfP 1985, 1, 8 f.; Kreife, Kompetenz und kooperativer Föderalismus, S. 289 ff.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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(3) Problemfall: Bundesrundfunkanstalten

Die bisherigen Ausführungen bezogen sich lediglich auf die Vergabe von Übertragungskapazitäten an die Landesrundfunkanstalten und die privaten Rundfunkanbieter, die ihre Programme aufgrund der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung499 nach den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen veranstalten. Durchgreifende kompetentielle Bedenken gegen eine Zuständigkeit der Landesmedienstalten können insoweit nicht entstehen, da diese Stellen landesrechtliche Einrichtungen sind. Schwieriger ist jedoch die Situation, wenn die nach Bundesrecht errichteten und betriebenen Rundfunkanstalten, die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk, Bedarf an neuen Übertragungskapazitäten anmelden. Bei der nachfolgenden Erörterung wollen wir den Deutschlandfunk nicht behandeln, da diese Bundesrundfunkanstalt nach der Vereinigung beider deutscher Staaten neu zu organisieren sein wird, die Diskussion hierüber aber noch nicht abgeschlossen ist. Die Deutsche Welle hat gemäß § 1 DW /DLF-G5OO die Aufgabe, Sendungen zu veranstalten, die den Rundfunkteilnehmern im Ausland ein umfassendes Bild des politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Lebens in Deutschland vermitteln und ihnen die deutsche Auffassung zu wichtigen Fragen darstellen und erläutern. Das Bundesverfassungsgericht hat im ersten Rundfunkurteil die Frage offengelassen, ob die Bundeszuständigkeiten für auswärtige Angelegenheiten und für gesamtdeutsche Fragen dem Bund selbst die Errichtung von Rundfunkanstalten gestattet, deren Sendungen ausschließlich oder doch ganz überwiegend für das Ausland oder die Deutschen bestimmt sind, die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland in deutschen Gebieten lebensol. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Wahlspot-Urteil für den Bereich des Deutschlandfunkes eine Bundeszuständigkeit bejahtS02 • Nach dem ganz überwiegenden Schrifttum besitzt der Bund gemäß Art. 71 i.V.m. Art. 73 Nr. 1 GG eine Errichtungs- und Regelungskompetenz für den reinen Auslandsrundfunk, der gezielt Auslandsprogramme veranstaltet und verbreite~3. Dem ist zuzustimmen, da es sich bei den in das Ausland zielenden

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SOl S02 50)

Vgl. BVerfGE 12, 205, 249. Vgl. nunmehr Art. 1 des Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 30. April 1991 (BGBI. I, S. 823), in Kraft getreten am 1. Juni 1990 (Art. 5 ). Vgl. BVerfGE 12, 205, 241 f. und 250. Vgl. BVerwGE 75, 79, 81 f. Vgl. Lerche, Kompetenz für den DLF, S. 12 ff.; Thieme, AöR Bd. 88, [1963), 38, 49; Krause-Ablaß, JZ 1962, 158; Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 4 f.; Hemnann, Fernsehen und Hörfunk, S. 271 f.; Kreile, Kompetenz und kooperativer Föderalismus, S. 179 ff., insbesondere S. 181; Reinen, Grenzüberschreitender Rundfunk,

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Rundfunksendungen um die "ursprüngliche Sprache gesamtdeutscher Repräsentanz nach außen"SQ4 handelt und damit unmittelbar der vorbereitenden Pflege der auswärtigen Beziehungen dient. Sieht man in dem Auslandsfunk einen eigenständigen Sachbereich, so kann die Veranstaltung der für das Ausland bestimmten Rundfunkdarbietungen von den sonstigen landesstaatlichen Rundfunksendern materiell, organisatorisch und inhaltlich getrennt werden, so daß eine "Kompetenzfusion" nicht zu befürchten is~. Damit zählt der gesetzlich festgelegte Aufgabenbereich der Deutschen Welle zum Kompetenzbereich des Art. 71 i.V.m. Art. 73 Nr. 1 GG. Die Vergabe von Übertragungskapazitäten an die Deutsche Welle kann nur nach Bundesrecht erfolgen, so daß die Landesmedienanstalten als Einrichtungen der Länder aus kompetenzrechtlichen Gründen mit dieser Aufgabe nicht betraut werden dürfenS06• Bei der Suche nach einer Verfahrensalternative ließe sich überlegen, die verfügbaren Übertragungskapazitäten zwischen Deutscher Welle und Landesmedienanstalten aufteilen zu lassen. Dieses Aufteilungsmodell wurde allerdings für grundsätzlich unzulässig erachtet. Fraglich ist jedoch, ob die gegen dieses Verteilungsverfahren vorgetragenen Argumente auch im hiesigen Zusammenhang Platz greifen.

S. 243 f.; wohl ebenso Ihlefeld, ZUM 1987, 604, 606; siehe auch HansteinjRing/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 57; aA. mit Blick auf die Systematik von Art. 73 und Art. 32 Abs. 3 GG lediglich Mal/mann, JZ 1963, 350, 352; dagegen zu Recht Reinen, Grenzüberschreitender Rundfunk, S. 243 f. SQ4 Vgl. Lerche, Kompetenzbereich des DLF, S. 14 f. sos Vgl. Hemnann, Fernsehen und Hörfunk, S. 272; Kreite, Kompetenz und kooperativer Föderalismus, S. 179 f. S06 Die in Art. 1 Abs. 4 Satz 4 RfStV geregelte Zuordnung eines Satellitenkanales an den Deutschlandfunk wird demgegenüber teilweise unter Berufung auf das seinerzeitig geltende Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes, welches Bund und Länder gleichermaßen gebunden hat, kompetentiell für zulässig erachtet, vgl. HansteinjRing/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 57; siehe in diesem Zusammenhang auch Kreite, Kompetenz und kooperativer Föderalismus, S. 179. In diesem Sinne haben sich auch die Gremienvorsitzenden der Landesmedienanstalten auf ihrer zweiten Direktorenkonferenz am 23./24. Juni 1989 in Freiburg/Breisgau geäußert. Dort haben die Vertreter der Aufsichtsanstalten für den privaten Rundfunk im Hinblick auf die Forderung des Deutschlandfunks nach verbesserten UKW-Übertragungskapazitäten die Auffassung vertreten, daß die Fernmeldehoheit des Bundes ihre Grenze an der Rundfunkkompetenz der Länder finde: "Der Bund ist hiernach auch bei Verteilungsentscheidungen an den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens gebunden." Nach dem Rechtsstandpunkt der Landesmedienzentralen hat der Bund "keine Kompetenz zur Vergabe von Frequenzen an Bundesrundfunkanstalten", vgl. epd Nr. 52 vom 5. Juni 1989, S. 15. M.E. ließ sich Art. 1 Abs. 4 Satz 4 RfStV mit dem vormalig geltenden verfassungsrechtlichen Wiedervereinigungsgebot nicht rechtfertigen, weil Bund und Länder nicht gleichermaßen die Gesetzgebungskompetenz für den Deutschlandfunk besitzen können; dem stünde das verfassungsrechtliche Verbot einer Doppelzuständigkeit bei der Gesetzgebung entgegen; vgl. dazu Maunz, in: MDHS, Art. 74, Rdnr. 9 m.w.N.; kritisch zu Art. 1 Abs.4 Satz 4 RfStV auch Ricker, NJW 1988, 453, 455.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

267

Die Sendungen der Deutschen Welle sind nach § 1 DW /DLF-G für das Ausland bestimmt; Auslandsrundfunk und inländische Rundfunkversorgung verfolgen jeweils unterschiedliche Zielsetzungen, so daß es keiner auf ein bestimmtes Versorgungsgebiet bezogenen, die Vielfalt im Rundfunkangebot erhaltenden und fördernden Planung durch eine neutrale Instanz bedarf. Vor allem aber ist zu bedenken, daß das Programm der Deutschen Welle nicht auf die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland und somit auch nicht auf die inländische öffentliche Meinung abzielt. Entfällt die öffentliche Meinung als Bezugspunkt, so kann die Veranstaltung von Auslandsrundfunk nicht mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes und damit auch nicht mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks kollidieren507• Aus diesem Grunde könnte man daran denken, die technische Versorgung der Bundesrundfunkanstalten unmittelbar staatlichen Stellen zu überantworten508• Eine so weitgehende staatliche Entscheidungsbefugnis ist jedoch abzulehnen, weil die Programme der Bundesrundfunkanstalten aufgrund der spill-over-Effekte auch im Inland empfangen werden können und damit faktisch die öffentliche Meinung beeinträchtigen können5()9. Dieses faktische Störpotential wird vor allem im Bereiche des Satellitenrundfunks virulent51O • Gleichwohl erscheint es angesichts der Aufgabenbestimmung der Deutschen Welle und der - wenigstens im Bereiche des terrestrisch verbreiteten Rundfunks - nur mittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten des Auslandsrundfunks auf den inländischen gesellschaftlichen Meinungs- und Willensbildungsprozeß nicht als unzulässig, staatlichen Organen des Bundes die Letztentscheidungskompetenz über die Zuordnung von Übertragungswegen einzuräumen, falls sich Deutsche Welle und Landesmedienanstalten bei der notwendigen Aufteilung nicht einigen sollten. Auch sind alternative Aufteilungsmodelle nicht ersichtlich, die den staatlichen Einfluß auf den Rundfunk weitergehender begrenzen könnten. 4. Reichweite des nmdfunkspezifischen Parlamentsvorbehaltes

Diese Arbeit unternimmt keinesfalls den Versuch, aus dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks eine möglichst weitreichende gesetzgeberische Enthaltsamkeit auf dem Gebiete des Rundfunkwesens abzuleiten. Die mate507

508

5()9

510

So zutreffend Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 105. Vgl. Wujka, Rundfunkfreiheit. S. 105, der sogar eine als unmittelbaren Staatsrundfunk betriebene Deutsche Welle für zulässig hält. Dies erkennt ebenfalls Wujka, Rundfunkfreiheit, S. 105, Fn. 605, der diese over-spillEffekte der Deutschen Welle für unbeachtlich hält, dabei allerdings verkennt, daß der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks auch vor mittelbaren Beeinträchtigungen Schutz bietet, vgl. 2. Teil, 2. Kapitel, IV. 2. Vgl. Kreite, Kompetenz und kooperativer Föderalismus, S. 179 ff.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

rielle Berechtigung und sogar Verpflichtung des parlamentarischen Gesetzgebers, die Grundlinien der Rundfunkordnung festzulegen, um auf diese Weise sicherzustellen, daß die gesamte Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk zu Wort gelangen kann und insbesondere die Bildung von Meinungsmacht verhindert wird, wird hier nicht bestritten. Bei der näheren Bestimmung dieses rundfunkrechtlichen Parlamentsvorbehaltes dürfen allerdings die grundrechtlichen Bezüge und Ableitungszusammenhänge dieses Prinzips nicht verschüttet werden. Das Primat des parlamentarischen Gesetzgebers, alle grundrechtlieh wesentlichen Fragen selbst zu regeln, findet seine Berechtigung in den Grundrechten. Der rundfunkrechtliche Parlamentsvorbehalt hat daher eine grundrechtsdienende Funktion. Parlamentsvorbehalt und Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks dürfen mithin nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern bedingen einander und begründen eine normative Sinngemeinschaft. Im Lichte dieser Erkenntnis lassen sich die Kriterien gewinnen, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Verfahrens für die Vergabe und Aufteilung von technischen Übertragungswegen zu beachten hat. a) Befugnis des Gesetzgebers zur Schaffung eines rundfunkrechtlichen Ordnungsrahmens Die Gefahr unzulässiger staatlicher Einwirkungen auf den Rundfunk ist immer dann besonders groß, wenn es dem Staat ermöglicht wird, bestimmte Meinungen und Tendenzen einzelner Träger der Rundfunkfreiheit zu begünstigen oder zu benachteiligen, um auf diese Weise auf den Meinungsund Willensbildungsprozeß des Volkes Einfluß zu gewinnen. Typischerweise ist dieses Gefahrenpotential um so größer, je weiter der Handlungsspielraum ist, den die staatliche Stelle bei der entsprechenden Entscheidung besitzt; ferner sind Einzelfallentscheidungen besonders anfällig für unzulässige staatliche Ingerenzen in die Programm produktion von Rundfunksenderns11 • Wie bereits erwähnt, ist der Handlungsspielraum des Parlamentsgesetzgebers in formeller Hinsicht durch das Gesetzgebungsverfahren eingeengt. In materieller Hinsicht ist er hingegen weitgehend ungebunden und damit sehr flexibel512 • Gleichwohl ist das Rechtsetzungsverfahren aufgrund des abstraktgenerellen Charakters der Rechtsnormen grundsätzlich kein geeignetes Instrument, bestimmte Meinungsäußerungen und Tendenzen einzelner

511

512

Vgl. dazu den 2. Teil, 2. Kapitel, IV., 3. a) b). Vgl. Jarass, Freiheit des Rundfunks vom Staat, S. 33.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

269

Rundfunkanbieter ZU begünstigen oder zu sanktionieren und infolgedessen bei ihnen einen der Meinungsfreiheit widersprechenden Anpassungsdruck zu erzeugen: Die personelle Allgemeinheit der Regelung indiziert ihre Wettbewerbsneutralitäfl3; die abstrakte Festlegung mehrerer Sachverhaltsgruppen läßt für den Gesetzgeber im Verhältnis zur Regelung eines Einzelfalles deutlich weniger Freiraum, um einzelne Rundfunkanbieter wegen bestimmter Inhalte in ihren Sendungen inhaltlich zu disziplinieren514 • Aus diesem Grunde bestehen unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks grundsätzlich keine Bedenken gegen eine Ausgestaltung der Rundfunkordnung durch den Gesetzgeber. Der Gesetzgeber hat durch abstrakt-generelle materiell-, verfahrens- und organisationsrechtliche Bestimmungen dafür Sorge zu tragen, daß die Vielfalt der bestehenden Meinungen im Rundfunk in möglichst großer Breite und Vollständigkeit zur Geltung kommt, um auf diese Weise umfassende Meinungsbildung durch den Rundfunk zu gewährleistenSIS• Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, sicherzustellen, daß die Vergabe von Übertragungskapazitäten nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen bleibfl6 • Dazu gehört insbesondere die Festlegung der materiellen Kriterien, nach denen die Auswahlentscheidung über die Vergabe von Übertragungswegen zu erfolgen hatSl7• Zu diesen Zwecken kann der Gesetzgeber auch Nutzungsformen für bestimmte Übertragungskapazitäten verbindlich festschreiben, um damit zu erreichen, daß diese für Programme mit bestimmten thematischen Schwerpunkten genutzt werden. Unbedenklich sind schließlich regelmäßig solche Bestimmungen, die lediglich das Versorgungskonzept betreffen. Hierzu zählt die Entscheidung darüber, ob und wieviele landesweite, regionale und lokale Rundfunkprogramme zugelassen und verbreitet werden sollen518• Allen diesen Regelungen ist gemeinsam, daß sie nicht an bestimmte Rundfunkveranstalter adressiert sind. Derartige die Rundfunkordnung ausgestaltende Vorschriften sind aufgrund ihres abstrakt -generellen Charakters grundsätzlich nicht geeignet, die publizistische Wettbewerbslage zugunsten oder zu Lasten eines bestimmten Trägers der Rundfunkfreiheit zu verschieben. Wettbewerbsneutrale Regelungen, die sich gleichsam an sämtliche Träger der Rundfunkfreiheit richten oder keinen bestimmten Grundrechtsträger betref-

513 514 515 516

Sl7 518

Vgl. dazu den 2. Teil, 2. Kapitel, IV., 3. b); siehe ferner BVerfGE 74,297,336. Vgl. wiederum den 2. Teil, 2. Kapitel, IV., 3. b). Vgl. BVerfGE 73, 118, 166; 74, 297, 331 ff. und 334 ff.; siehe auch BVerfGE 57, 295, 321. Vgl. BVerfGE 57, 295, 327; SeImer, Bestands- und Entwicklungsgarantien, S. 62. So zu Recht BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74; vgl. auch Hesse, JZ 1991, 357, 360; Ory, AfP 1991, 402, 405; Stock, Media Perspektiven 1991, 133, 140. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 92 f. und 97.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

fen, entsprechen in vollem Umfange den spezifischen Anforderungen des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks. Der personale und sachliche Allgemeinbezug dieser Rechtssätze führt regelmäßig nicht zu einer Verzerrung des publizistischen Wettbewerbes unter den einzelnen Rundfunkveranstaltern. Solange und soweit der Gesetzgeber einen rundfunkrechtlichen Ordnungsrahmen schafft, um den kommunikativen Entfaltungsinteressen aller Rezipienten zu entsprechen und um der Gefahr der Bildung vorherrschender Meinungsmacht im Rundfunk entgegenzutreten519, ist dagegen unter dem Blickwinkel der Staatsfreiheit des Rundfunks grundsätzlich an nichts ZU erinnern52O • Insoweit hat der Gesetzgeber weitgehende Gestaltungsfreiheit. Die Verfassung schreibt dem Gesetzgeber keine bestimmte Organisation des Rundfunks vor. Dieser prinzipiell bestehende weite Gestaltungsspielraum endet allerdings dort, wo der Gesetzgeber einen mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks unvereinbaren Einfluß auf den Rundfunk erlangf21. Auf erhebliche verfassungsrechtliche Probleme stoßen solche Regelungen, deren Adressatenkreis nicht eine unbestimmte Vielzahl von Meinungsträgern erfaßt, sondern Wirkungen nur gegenüber einem bestimmten Kommunikator oder zumindest einem bestimmbaren Kreis Betroffener entfaltet. Derartige Regelungen führen, soweit sie publizistische Relevanz besitzen und zu einer einseitigen Belastung oder auch Begünstigung eines einzelnen Medienträgers führen, regelmäßig zu einer Störung der publizistischen Wettbewerbslage. Sie 519 S20

521

Vgl. dazu BVerfGE 73, 118, 160. Unzutreffend daher Libertus, DÖV 1990, 635,637 und Rombach, Rundfunk im Umbruch, S. 51, 54, die beide davon ausgegehen, daß das staatliche Organisationsrecht per se eine (zulässige) "Durchbrechung" des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks darstellt. Unter Zugrundelegung eines individualrechtlichen Verständnisses der Rundfunkfreiheit besteht daher keine Übereinstimmung zwischen dem Grundsatz der Programmfreiheit der Rundfunkveranstalter und dem Gebot der Staatsfreiheit: Die zur Gewährleistung der gebotenen Meinungsvielfalt im Rundfunk erlassenen Vorschriften "beschränken" nach individualrechtlicher Sicht zwar die Programmfreiheit der Rundfunkanbieter; dagegen sind diese vielfaltssichernden und -erhaltenden Regelungen, sofern sie sämtliche Veranstalter gleichermaßen binden, unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks unbeachtlich; insoweit geht der Geltungsbereich der Programmfreiheit über den des Prinzips der Staatsfreiheit hinaus. Da sich andererseits auch die Landesmedienanstalten auf das grundrechtlich geschützte Prinzip der Staatsfreiheit berufen können (vgl. dazu den 3. Teil, 1. Kapitel, 1.), obgleich sie selbst keine Rundfunkveranstalter und damit keine Träger der Programmfreiheit sind, stellen sich die Anwendungsbereiche dieser beiden rundfunkspezifischen Strukturprinzipien wie zwei, sich teilweise überschneidende Kreise dar. Daß diese Abgrenzung nicht lediglich ein dogmatisches Glasperlenspiel, sondern von praktischer Bedeutung ist, zeigt sich bei staatlicher Einflußnahme auf reine Auslandsfunksender: Solche Sender genießen zwar die grundrechtlich geschützte Programmfreiheit, gleichwohl sind staatliche Einwirkungen auf die Programmgestaltung prinzipiell anders zu bewerten als bei inländischen Rundfunkveranstaltern, denen im Interesse des demokratischen Systems der besondere Schutz des Gebotes der Staatsfreiheit zugute kommt; diese Zusammenhänge werden von Wagner, ZRP 1990, 154, 159, Fn. 56 zu wenig berücksichtigt.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

271

können weiter zum Anlaß genommen werden, bestimmte Meinungsäußerungen nachträglich zu disziplinieren und bestimmte Meinungsträger - für die Zukunft - "willfährig" zu machen. Dadurch kann ein Anpassungsdruck erzeugt werden, der sich negativ auf die publizistische Arbeit auswirkt522 • Aus diesem Grunde darf der Gesetzgeber prinzipiell keine Bestimmungen erlassen, die sich auf die inhaltliche Gestaltung von Rundfunkprogrammen beziehen und bei denen die erforderliche personale Allgemeinheit fehlf 23 • Somit ist es dem Gesetzgeber versagt, bestimmten Rundfunkveranstaltern Übertragungskapazitäten zuzuordnen524 • Dabei es es unerheblich, ob es sich um öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten oder private Anbieter handelt. Die Vergabeentscheidung erfordert programmbezogene Wertungen und eröffnet mithin inhaltliche Beurteilungsspielräume, die einen Einfluß auf den Meinungs- und Willensbildungsprozeß des Volkes ermöglichen. Die Entscheidung über die Einzelvergabe durch staatliche Stellen verschafft dem Staat eine mit dem Gebot der Staatsfreiheit unvereinbare Bestimmungsmacht über den Rundfunk. Diese Entscheidungsvorgänge sind von staatlichen Einflüssen freizuhalten und dürfen nicht in die Abhängigkeit von staatlichen Organen fallen. Ebensowenig ist es dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen gestattet, in den Kompetenzbereich der zuständigen Landesmedienanstalt dadurch einzugreifen, daß er in einem bereits eingeleitetes Genehmigungsverfahren die rechtlichen Vorgaben für die Zulassung privaten Rundfunks, etwa durch Erweiterung der Vielfaltsanforderungen an den privaten Rundfunk, verändert und parallel dazu zu erreichen sucht, daß die entsprechende Sendelizenz ausschließlich auf der Grundlage dieser vom Gesetzgeber angestrebten novellierten Fassung des Landesmediengesetzes vergeben wird525 • Die Beson-

522

513 524 525

Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 73, 118, 183 f. Dazu sogleich. So zutreffend auch Hesse, JZ 1991, 357, 360. Die Regierung des Bundeslandes Schleswig-Holstein hatte im Herbst 1989 beabsichtigt, der ULR (Schl-H) durch ein 'Vorbehaltsgesetz' (vgl. Schleswig-Holsteinischer Landtag, 12. Wahlperiode, Drs. Nr. 12 vom 26. September 1989 und Funk-Korrespondenz Nr. 39 vom 29. September 1989, S. 7) zu untersagen, die Lizenz für das zweite landesweite private Rundfunkprogramm in Schleswig-Holstein auf der Grundlage des Landesrundfunkgesetzes aus dem Jahre 1984 zu vergeben. Dieser Konflikt zwischen der Kieler Landesregierung und der ULR beruhte darauf, daß die ULR, welche die technischen Übertragungskapazitäten für die zweite landesweite Hörfunkkette bereits im Mai 1989 ausgeschrieben hatte, das bereits eingeleitete und kurz vor dem Abschluß stehende Zulassungsverfahren zu Ende führen und die Sendelizenz nach Maßgabe des bisherigen Landesrundfunkgesetzes vergeben wollte. Demgegenüber sollte nach den Vorstellungen der Kieler Landesregierung die Zulassung eines zweiten, landesweit sendenden Rundfunkanbieters nur auf der Grundlage der von ihr angestrebten Novellierung des Landesrundfunkgesetzes erfolgen.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

derheit dieser Fallkonstellation besteht darin, daß sich der Kreis der Interessenten für eine Rundfunkerlaubnislizenz bereits auf ganz bestimmte potentielle Rundfunkveranstalter verdichtet hat. Dem Gesetzgeber sind infolgedessen die Adressaten seiner Regelung bekannt. Soweit ein solcher "Durchblick" auf einzelne konkrete Meinungsträger möglich ist, könnte der Gesetzgeber durch entsprechende Veränderungen der rechtlichen Vorgaben für die Zulassung privaten Rundfunks den Zugang bestimmter Meinungsträger zum Massenmedium Rundfunk verhindern oder erschweren; es ist nicht auszuschließen, daß sich die entsprechende gesetzgeberische Maßnahme im Vorfeld der tatsächlichen Entscheidung über die Lizenzvergabe durch die dafür zuständige Stelle als Druckmittel oder sogar als "Selbstzensur" bei den potentiellen Anbietern wirkt526 • Dadurch könnten sachfremde, insbesondere die Meinungsvielfalt beeinträchtigende Erwägungen Einfluß auf die Entscheidung über den Zugang privater Rundfunkveranstalter gewinnen527 • Immer dann, wenn ein solcher "Durchblick" auf einen zumindest bestimmbaren Kreis Betroffener möglich erscheint, sind derartige programmbezogene Regelungen unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks unzulässig528 • Darüber hinaus darf der Gesetzgeber nicht solche Regelungen erlassen, die bestimmte Rundfunkveranstalter in ihrer publizistischen Tätigkeit einseitig begünstigen oder benachteiligen und damit den publizistischen Wettbewerb unter den einzelnen Trägern der Rundfunkfreiheit verfälschen. Eine solche Maßnahme bringt den jeweiligen Träger der Rundfunkfreiheit in ein spezifisches Abhängigkeitsverhältnis zum Staat, mittels dessen sachwidrige, die Meinungsfreiheit beeinträchtigende Erwägungen auf die inhaltliche Gestaltung der Programme Eingang finden könnten. Dieser Grundsatz ist insbesondere für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von Bedeutung. Dem wird sogleich nachzugehen sein. Demnach hat der parlamentarische Gesetzgeber für das Verfahren zur Verteilung von technischen Übertragungswegen durch Erlaß eines umfangreichen abstrakt-generellen Regelungsgeflechtes gewissermaßen einen Ordnungsrahmen zu schaffen, zu dessen Ausfüllung er allerdings unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht berechtigt ist. Vielmehr ist die Entscheidung über die Zuordnung von Übertragungskapazitäten an die öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten wie privaten Rundfunkveranstalter den staatsfern organisierten Landesmedienanstalten zu überlas-

526

527

S28

VgJ. in diesem Zusammenhang BVerfGE 73, 118, 183. VgJ. dazu BVerfGE 73, 118, 183. VgJ. Eberle, ·Vorbehaltsgesetz", Typoskript, S. 12.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

273

sen. Diesen fällt die Aufgabe zu, innerhalb des durch den Gesetzgeber abgesteckten Rahmens für die gebotene Vielfalt in den einzelnen Rundfunkangeboten Sorge zu tragen. Soweit es um die Versorgung der Bundesrundfunkanstalten geht, können die verfügbaren Kapazitäten im Wege eines kooperativen Verwaltungsabkommens zwischen den Selbstverwaltungsträgern aufgeteilt werden. Ferner sollte zum Zwecke der Vorhersehbarkeit, Meßbarkeit und Berechenbarkeit der planerischen Tätigkeit der Landesmedienanstalten die Nutzung der Übertragungskapazitäten für Rundfunk in einem Nutzungsplan festgehalten werden. Dieses Publizitätserfordernis dient sowohl den öffent1ich-rechtlichen Rundfunkanstalten als auch den privaten Anbietern. Auch untergesetzliche Rechtsquellen (Rechtsverordnung, Satzung) verbürgen die erforderliche Publizitäe29 • Der Gesetzgeber müßte die Landesmedienzentralen speziell dazu ermächtigen, die Nutzung der Übertragungswege durch den Erlaß von Rechtsverordnungen oder Satzungen für öffentlich-rechtliche und private Anbieter verbindlich zu machen. b) Konkretisierung des territorialen und sachlichen Funktionsbereiches der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die Landesmedienanstalten Wir haben die in der Literatur vorherrschende Meinung bereits dargestellt, derzufolge es Sache des parlamentarischen Gesetzgebers ist, sowohl die Anzahl der Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als auch deren inhaltliche Zielsetzungen festzulegen. Diese Auffassung wird von dem Gedanken getragen, daß es wirksamer Sicherungen bedürfe, welche eine "marktverstopfende Expansion" der Rundfunkanstalten zu Lasten privater Rundfunkveranstalter verhindern; ferner müsse gewährleistet sein, daß die Rundfunkanstalten ihre herkömmlichen gebietsmäßigen und sachlichen Funktionen beibehalten und nicht in einen uneingeschränkten Wettbewerb mit privaten Rundfunkanbietern um massenattraktive Programme treten53O • Namentlich Bullinger folgert hieraus, daß für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weder das klassische Territorialprinzip noch das klassische Prinzip der gesetzlichen Funktionsbindung aufgegeben werden dürfe, bevor wirksame gesetzliche Ersatzsicherungen geschaffen sind. Diese Ersatzsicherungen, so führt Bullinger weiter aus, müßten sicherstellen, daß der klassische Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewahrt bleibe und die gesamte Breite

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Vgl. BullingerjGödel, LMedienG Bad-Württ, § 5, Rdnr. 5. Vgl. dazu den 3. Teil, 2. Kapitel, 1., 2. a) (2) (b) (bb) .

IR Gersdorf

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

an meinungsbezogener und gegenständlicher Vielfalt in den Programmen der Rundfunkanstalten zum Ausdruck gelangeS31 • So sehr man diesen rundfunkspezifischen Zielsetzungen beipflichten muß, können gleichwohl der Staat und damit auch der Gesetzgeber selbst nicht die erforderlichen Steuerungsaufgaben gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wahrnehmen. Dem Gesetzgeber ist es prinzipiell untersagt, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Aufteilung von Übertragungskapazitäten zu begünstigen, zu benachteiligen oder in sonstiger Weise die Programmautonomie der Anstalten zu beeinträchtigen. Er darf den Anstalten auf der einen Seite keine bestimmten Übertragungskapazitäten apriori sichern, auf der anderen Seite sie aber auch nicht an der Teilnahme an neuartigen Übertragungstechniken hindern und ihre Entwicklungschancen einengen. Entsprechende Vorschriften sind stets im Lichte des Prinzips der Staatsfreiheit des Rundfunks zu bewerten und bedürfen zu ihrer Rechtfertigung eines besonderen legitimierenden Grundes. Dieser Rechtfertigungsgrund muß sich zwingend aus der Verfassung ergeben, um dem Gesetzgeber von vornherein materielle Handlungsspielräume zu verschließen, die der Freiheit des Rundfunks vor staatlicher Einflußnahme abträglich sind. Die hier vorgeschlagene Konzeption bietet die von Bullinger geforderten Ersatzsicherungen für staatliche Reglementierungen des Tätigkeitsbereiches der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: Die Landesmedienanstalten sind unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks verfassungsrechtlich dazu berufen, an Stelle des Gesetzgebers die nötigen Steuerungsfunktionen gegenüber den Rundfunkanstalten zu übernehmen. Sie haben für einen sachgerechten Ausgleich zwischen den Belangen der Rundfunkanstalten und der privaten Anbieter zu sorgen, ebenso wie es ihre Aufgabe ist, den erforderlichen Interessenausgleich unter den privaten Anbietern herbeizuführen. Ihnen obliegt es, den sachlichen und territorialen Funktionsbereich der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten festzulegen. Damit wäre zum einen sichergestellt, daß die Rundfunkanstalten frei von staatlichen Einflüssen ihre im gesellschaftlichen Bereich wurzelnden Aufgaben erfüllen könnten. Die erforderliche Steuerung der Rundfunkanstalten würde sich im gesellschaftlichen Bereich vollziehen und damit der spezifischen Funktion des Rundfunks als gesellschaftliche Aufgabe entsprechen. Zum anderen bieten die Landesmedienanstalten aufgrund ihrer nach Landesrecht zumeist vorgesehenen binnenpluralen Organisationsstruktur besondere Gewähr dafür, daß der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch in einer durch Wettbewerb mit den privaten Anbietern gekennzeichneten dualen Rundfunkordnung seine essen-

531

Vgl. Bullinger, JZ 1987, 928, 929.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

275

tiellen Funktionen für die demokratische Ordnung und für das kulturelle Leben in der Bundesrepublik Deutschland erfüllf32• Wir wollen diesen Gedanken an dieser Stelle präzisieren. Es stellt sich die Frage, nach welchen Kriterien die Zuständigkeiten des Gesetzgebers gegenüber denen der Landesmedienanstalten abzugrenzen sind. Der Gesetzgeber kann die einzelnen Landesrundfunkanstalten ohne weiteres auf eine länderspezifische Ausrichtung ihrer Programmdarbietungen festlegen. Dieses Territorialitätsprinzip ist Kehrseite der gebietsgerechten Beteiligung der gesellschaftlich relevanten Kräfte an den Aufsichtsgremien einer Rundfunkanstalt. Die spezifische Leistungsfähigkeit des entsprechenden gruppenpluralen Entscheidungsgremiums einer Sendeanstalt kann nur dann zur vollen Entfaltung gelangen, wenn sich die gebietsbezogene gruppenplurale Zusammensetzung auch auf die einzelnen Sendeinhalte niederschlägt. Das Territorialitätsprinzip ist damit eine spezifische Ausprägung der vielfaltssichernden und -erhaltenden Funktion des öffentlich-rechtlichen Integrationsrundfunks533 • Mithin wäre es systeminkonsistent und verfassungswidrig, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten aus ihren tradierten gebietsmäBen Bindungen zu entlassens34 • Über diese - aus der Verfassung folgenden und insoweit keinen Handlungsspielraum eröffnenden - territorialen Funktionsbindungen hinaus darf der Gesetzgeber keine weiteren Regelungen erlassen, welche die Rundfunkanstalten in ihrer Programmgestaltung beeinträchtigen. Aus diesem Grunde ist es grundsätzlich unzulässig, wenn der Gesetzgeber den Aufgabenbereich einer Anstalt auf eine bestimmte Programmart, eine bestimmte Programmzahl, einen bestimmten Programmumfang beschränkf3S ; solche Regelungen würden dazu führen, daß die einzelnen Rundfunkanstalten bei programmbezogenen und sendetechnischen Innovationen vom "Wohlwollen" der staatlichen Legislative abhängig sind. Die dadurch entstehenden Abhängigkeiten der Anstalten vom Staat sind mit der gebotenen Staatsfreiheit des Rundfunks nicht in Einklang zu bringen. Der Gesetzesvorbehalt für die Organisation des

532 533

S34

S3S

Vgl. BVerfGE 73, 118, 157 f. Vgl. BVerfGE 73, 118, 158; ferner Bullinger, Koordination, S. 22; ders., JZ 1987, 928 f. Mithin bliebe es dem Landesgesetzgeber auch unbenommen, etwa für eine bestimmte Großstadt oder Region eine eigene Rundfunkanstalt mit ausschließlich gebietsbezogener Versorgungsaufgabe und gebietsgerechter Beteiligung der gesellschaftlichen Kräfte und Organisationen zu schaffen; vgl. Bullinger, Koordination, S. 23, allerdings mit dem unzutreffenden Zusatz, daß der Gesetzgeber in diesem Falle berechtigt wäre, die Zuständigkeit der entsprechenden Landesrundfunkanstalt mit landesweitem Versorgungsauftrag zu begrenzen oder auszuschließen. Dies wäre nach der hiesigen Konzeption Aufgabe der zuständigen Landesmedienanstalt. Vgl. die allgemein gehaltenen Formulierungen in Art. 2 BayRuFuG; § 2 HR-G; § 1 NDRStV; § 2 RB-G; § 1 SDR-G; § 3 Abs. 3 SWF-G; § 3 WDR-G; § 11 LRG Saarl.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist im Lichte dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben zu bestimmen und zu konkretisieren; das einfache Gesetz gilt nach Maßgabe der Rundfunkfreiheit, nicht aber die Rundfunkfreiheit nach Maßgabe des einfachen GesetzesS36• Ebensowenig darf der Gesetzgeber die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf bestimmte Zielgruppenprogramme oder Spartenprogramme festlegen oder in sonstiger Weise den inhaltlichen Charakter einzelner Programme festschreiben. Derartige Festsetzungen der Sendeinhalte berühren die Programm autonomie der Rundfunkanstalten und dürfen von staatlichen Stellen nicht getroffen werden537• Was dem Staat gegenüber einzelnen privaten Anbietern versagt ist, kann ihm auch gegenüber einer Rundfunkanstalt nicht gestattet werden. Der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks verlangt daher im Grunde genommen, daß der Gesetzgeber auf spezielle inhaltliche Vorgaben für die Programmveranstaltung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gänzlich verzichtet. Dies hätte zur Folge, daß der Gesetzgeber an die Breite des Programmangebotes und die Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk selbst keine höheren Anforderungen stellen dürfte als im privaten Rundfunk. Demnach wäre es Sache der Landesmedienanstalten, die Vielfaltsanforderungen für die Rundfunkanstalten im einzelnen zu bestimmen. Dem steht jedoch entgegen, daß die erhöhten Vielfaltsanforderungen für die Programme des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Ausdruck der binnenpluralen Organisationsstrukturen der Anstalten sind. Vor allem aber ist zu berücksichtigen, daß der Staat auf die Programmgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinen nennenswerten Einfluß gewinnt, solange sich die entsprechenden rechtlichen Vorgaben für die Inhalte der öffentlich-rechtlichen Programme auf einem ausreichend hohen Abstraktionsniveau befinden538 und die Konkretisierung dieser Rahmenbedingungen den Rundfunkanstalten und Landesmedienanstalten überlassen bleibt. Mithin erscheint es verfassungsrechtlich geboten, die Landesmedienanstalten letztverbindlich darüber entscheiden zu lassen, ob und mit welchen inhaltlichen Zielsetzungen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (zu536

537 538

Vgl. in diesem Zusammenhang Bethge, Zulassung von Rundfunkveranstaltern, S. 68 mit Hinweis auf Herben Krüger. Vgl. Wagner, ZRP 1990, 154, 159. Diesem Erfordernis tragen die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen Rechnung, vgl. Art. 4 BayRuFuG; §§ 2, 3 HR-G; §§ 5 ff. NDR-StV; § 2 RB-G; § 3 SFBSatzung; § 2 SDR-G; §§ 3 Abs. 3 und Abs. 5 SWF-G; §§ 3 ff. WDR-G; §§ 2 f. ZDFStV; § 11 Abs. 6 LRG SaarI; siehe ferner Wagner, ZRP 1990, 154, 159.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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sätzliche) Programme veranstaltenS39 • Dabei ist zu beachten, daß die regionale Ausrichtung in den Programmen der Rundfunkanstalten erhalten bleibt. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das entsprechende (Satelliten-) Programm zumindest auch den Sendebereich der einzelnen Rundfunkanstalt miteinbeziehfW. Diese Entscheidung kann nicht allein den Rundfunkanstalten anheimgestellt werden: Die Aufteilung von knappen Übertragungswegen unter mehreren Bewerbern erfordert ein die Chancengleichheit wahrendes Verfahren, welches nur von einer "neutralen Stelle" durchgeführt werden kann. Ebenso erscheint eine gesonderte Zulassung für neue Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch die zuständigen Landesmedienanstalten unumgänglich, wenn wie im Bereiche des Satellitenrundfunks in absehbarer Zeit genügend Übertragungswege zur Verfügung stehen werden541 • Die Beteiligung der maßgeblichen gesellschaftlichen Gruppen innerhalb der einzelnen Rundfunkanstalt dürfte kaum eine verläßliche Sicherung gegen einen unbegrenzten Expansionskurs der Anstalten sein, der einen uneingeschränkten Wettbewerb mit den privaten Rundfunkanbietern und eine dadurch bedingte Nivellierung des öffentlich-rechtlichen Programmangebotes befürchten ließe542• Die Gewährleistung der Rundfunkfreiheit kann nicht durch Satzungen oder durch Vertrag der Veranstalter geregelt werden543 • Daß die Programmaktivitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einer (gesellschaftlichen) Steuerung bedürfen, zeigt sich weiter bei den über Fernmeldesatellit bundesweit angebotenen, vornehmlich für die Einspeisung in Kabelanlagen bestimmten Dritten Fernsehprogrammen wie Bayern 3

S39

540 541 542 543

Obwohl § 1 Abs. 1 ZDF-StV von der Verbreitung eines zweiten Fernsehprogrammes spricht, könnte das ZDF daher nach Zulassung durch die zuständige Landesmedienanstalt unter Berufung auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Hörfunkprogramme ausstrahlen, soweit der Zuständigkeitsbereich der Landesmedienanstalten durch Gesetz entsprechend erweitert wird; die Vorschrift des § 1 Abs. 1 ZDF-StV wäre mithin verfassungskonform als nicht abschließende Regelung zu verstehen, welche Hörfunkprogramme des ZDF nicht ausschließt; aA. Jarass, Gutachten zum 56. DIT, Rdnr. 83; siehe weiter Bullinger, JZ 1987, 928, 929. Vgl. zur Frage, ob das ZDF trotz des Wortlautes des § 1 Abs. 1 ZDF-StV ("zur Verbreitung des Zweiten Fernsehprogrammes") weitere (Satelliten-) Fernsehprogramme veranstalten darf, Rupp, Rechtsgutachten, S. 13 ff., der dies zu Recht unter historischen und funktionalen Gesichtspunkten bejaht; siehe ferner Fuhr, ZDF-StV, § 1 III 1 b bb bbb, S. 67 ff.; wohl ebenso Jarass, Gutachten zum 56. DIT, Rdnr. 85. Vgl. Rudolph, VBIBW 1986, 281, 284; wohl strenger Bullinger, JZ 1987, 928, 928 f. Vgl. dazu Haiefeld, Media Perspektiven 1990, 305, 306. Vgl. Bullinger, AfP 1985, I, 3; ders., ZUM 1985, 121, 126; ders., JZ 1987, 928, 929. Vgl. im Zusammenhang mit der Reichweite des rundfunkrechtlichen Parlamentsvorbehaltes BVerfGE 57,295,321; siehe ferner LTBW/Ricker, Äußerung im SDR-Verfahren, S.273.

278

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

und West 3. Den Ausführungen Bullingers zufolge werden die dritten Fernsehprogramme zunehmend zu Vollprogrammen mit Sendungen von überregionalem Charakter ausgebaut und treten damit immer mehr in Konkurrenz zu den von ARD und ZDF verbreiteten ProgrammenS44 • Es wäre Aufgabe der zuständigen Landesmedienanstalten, dafür Sorge zu tragen, daß der landesspezifische Charakter der entsprechenden Dritten Fernsehprogramme trotz der bundesweiten Verbreitung aufrechterhalten bleibf"5. Sollte sich dieses Ziel nicht erreichen lassen, wäre seitens der zuständigen Landesmedienanstalten zu prüfen, ob die bundesweite Verbreitung der Dritten Fernsehprogramme nicht gänzlich zu unterbinden ist. Wir brauchen diese Thematik hier nicht näher zu vertiefen546 • Es geht im Rahmen dieser Arbeit lediglich um den Nachweis, daß es in einer auf publizistischen Wettbewerb angelegten dualen Rundfunkordnung einer Steuerung und Kontrolle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bedarf; die Wahrnehmung dieser Aufgaben setzt eine inhaltliche Bewertung der öffentlich-rechtlichen Programme voraus; deswegen können Staat und Gesetzgeber unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks mit den erforderlichen Kontrollund Steuerungsfunktionen nicht betraut werden. Diese Funktionen sind den staatsfrei organisierten Landesmedienanstalten zuzuweisen, um dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks zur Verwirklichung zu verhelfen. 11. Landesrechtliche Regelungen: Bestandsaufnahme und verfassungsrechtliche Bewertung Unter Zugrundlegung der entwickelten verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Vergabe technischer Übertragungswege für den Rundfunk können nunmehr die einzelnen entsprechenden landesrechtlichen Regelungen einer verfassungsrechtlichen Überprüfung unterzogen werden. Zunächst sollen die Vergabestrukturen anhand der einzelnen Arten von Übertragungskapazitäten dargelegt werden. Dabei wird zwischen dem Verfahren zur Vergabe von terrestrischen Frequenzen, Kabelkanälen und Satellitenkanälen zu unterscheiden sein. In diesem Teil ist jeweils auch zu untersuchen, nach welchen materiellrechtlichen Gesichtspunkten sich die Vergabeentscheidung bestimmt. In diesem Zusammenhang können die für die rundfunkrechtliche Einzelvergabe maßgeblichen Vorschriften der Landesmediengesetze, welche die materiell-rechtlichen Entscheidungskriterien bei der Auswahl zwischen

S44 545 546

Vgl. Bullinger, Koordination, S. 8 f. Vgl. die Protokollnotiz der Regierungschefs der Länder zu Art. 4 Abs. 1 RfStV, abgedruckt bei HartsteinjRing/Kreile, RfStV, Art. 4. Vgl. Bullinger, Koordination, S. 63 ff.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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mehreren privaten Interessenten um eine Rundfunkerlaubnislizenz regeln547, von vornherein außer Betracht bleiben. Zum einen sind diese an das Vielfaltsgebot anknüpfenden Vorschriften der Landesmediengesetze wegen ihres abstrakt -genereUen Charakters weder dazu bestimmt noch geeignet, ganz bestimmte Meinungen zu begünstigen oder zu benachteiligen oder die publizistische Wettbewerbslage zwischen bestimmten Meinungsträgern zu beeinträchtigen. Diese Verteilungsbestimmungen sind daher vor dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks unbedenklich; zum anderen sind nach aUen Landesmediengesetzen mit der Auslegung und Anwendung dieser Vorschriften die staatsfrei organisierten Landesmedienanstalten betraut. Demgegenüber sind die landesrechtlichen Regelungen, welche die Rechtsstellung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zum Gegenstand haben, von besonderem Gewicht. Sie bergen aufgrund ihres auf einen Adressaten bezogenen Regelungsgehaltes die spezifische Gefahr in sich, durch Begünstigung oder Benachteiligung dieses konkreten Rundfunkveranstalters den publizistischen Wettbewerb mit den privaten Anbietern zu stören. Diese das Konkurrenzverhältnis zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunksystem betreffenden Bestimmungen erscheinen vor dem Gebot der Staatsfreiheit besonders problematisch. 1.

Das Verfahren zur Vergabe te"estrischer Frequenzen

Das Verfahren zur Aufteilung terrestrischer Frequenzen folgt in den einzelnen Bundesländern ganz unterschiedlichen Ablaufmustern548• Dieses Vergabeverfahren weist nicht nur konkret-individuelle Entscheidungselemente auf, sondern besitzt auch einen planerischen Charakter. Im folgenden sollen die verschiedenen Planungsstrukturen typisiert und bestimmten PlanungsmodeUen zugeordnet werden. a) Frequenzplanung unter Einbeziehung der für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk vorgesehenen Frequenzen Zunächst geht es um die Form der Frequenzplanung, bei der sowohl die für den öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunk bestimmten Frequenzen

547

S48

VgJ. § 18 LMG Bad-Württ; § 61 KPPG Berl; § 11 BremLMG; § 8 HPRG; §§ 21 f. HmbMedienG; § 6 LRG Nds; § 7 LRG NW; § 7 LRG Rh-Pf; § 41 LRG SaarI; § 11 LRG Schl-H. VgJ. dazu im einzelnen Eberle, Rundfunkübertragung, S. 102 ff.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

in die Verfügungsrnasse der Planungsentscheidungen miteinbezogen sind. Dabei weichen die einzelnen landesgesetzlichen Planungsmodelle vor allem in bezug auf Organzuständigkeiten (Landtag, Landesregierung, Staats- oder Senatskanzlei oder Landesmedienanstalt), ihre Handlungsform (Verordnung, Satzung, Beschluß oder keine festgelegte Handlungsform ) und ihr Verfahren voneinander ab. (1) Formelle Frequenzplanung durch den Landtag Eine formelle, gesetzlich festgelegte Frequenzplanung durch den Landtag ist in Schleswig-Holstein vorgesehen. Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 LRG Schl-H entscheidet der schleswig-holsteinische Landtag auf Vorschlag der Landesregierung durch Beschluß darüber, ob Übertragungskapazitäten, d.h. Frequenzen und Kanäle549, entweder der Landesanstalt für das Rundfunkwesen für die programmliche Nutzung durch private Rundfunkveranstalter beziehungsweise für die Durchführung des Offenen Kanals oder einer öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalt zugeordnet werden. Von dieser Frequenzplanung ausgenommen sind die bei Inkrafttreten des Gesetzes vom Norddeutschen Rundfunk, vom ZDF und von privaten Rundfunkveranstaltern bereits genutzten Übertragungswege sowie künftige Zuordnungen aufgund von Verpflichtungen aus Staatsverträgen, an denen das Land Schleswig-Holstein beteiligt ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 LRG Schl-H). In verfahrensrechtlicher Hinsicht sieht das Gesetz eine Beteiligung der Deutschen Bundespost, der betroffenen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wie der zugelassenen privaten Rundfunkveranstalter vor (§ 4 Abs. 3 LRG Schl-H). Darüber hinaus werden materiell-rechtliche Kriterien genannt, an denen sich die Entscheidung über die Aufteilung von Übertragungswegen zu orientieren hat. Die Zuordnung hat insbesondere zu gewährleisten, daß die technische Vollversorgung mit Rundfunk durch mindestens zwei landesweite private Vollprogramme in Hörfunk und Fernsehen als auch die technische Vollversorgung des Norddeutscher Rundfunks und des ZDFs für die bestehenden Programme gesichert ist und diese öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten an der weiteren sendetechnischen und programmlichen Entwicklung teilnehmen können (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 1-3 LRG Schl-H).

549

Vgl. § 3 Abs. 9 Nr. 1 LRG Schl-H.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Gegen diese Regelung könnten insoweit Bedenken bestehen, als die Entscheidung über die Zuordnung von Übertragungskapazitäten an den Norddeutscher Rundfunk und an das ZDF von einer staatlichen Stelle, nämlich dem schleswig-holsteinischen Landtag getroffen wird. Bei der verfassungsrechtlichen Bewertung dieser Bestimmung muß allerdings unterschieden werden: Soweit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Übertragungswege zur "technischen Vollversorgung" (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 LRG Schl-H) zuzuordnen sind, knüpft die Regelung ausschließlich an technische Gesichtspunkte an und erfordert damit keine programmbezogenen Wertungen staatlicher Stellen. Diese Vorschrift ist auch "wettbewerbsneutral", da die technische Vollversorgung mit Rundfunk der privaten Anbieter ebenfalls gesichert sein muß (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 LRG Schl-H). Zu beanstanden ist aber die Bestimmung des § 4 Abs. 2 Nr. 3 LRG Schl-H, wonach bei der Aufteilung der Übertragungskapazitäten zu berücksichtigen ist, daß in sendetechnischer und programmlicher Hinsicht der Norddeutsche Rundfunk und das ZDF an der weiteren Entwicklung teilnehmen können. Dadurch besitzt der Staat erhebliche Gestaltungsspielräume, die programmbezogene Wertungen erforderlich machen. Diese staatliche Bestimmungsmacht über Entwicklung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verstößt eindeutig gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks550 • Weiter ist der Bestandsschutz, den die Sendeanstalten für ihre Altfrequenzen genießen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 LRG Schl-H), aufgrund seiner wettbewerbsverzerrenden Wirkungen mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit nicht in Einklang zu bringen55 !. Der sendetechnische Bestandsschutz der bereits zugelassenen privaten Anbieter ist dagegen nicht zu mißbilligen, da zum einen die entsprechende Zulassung zeitlich befristet ist552 und zum anderen im Gegensatz zu den öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten von einer technischen Überversorgung privater Anbieter nicht ausgegangen werden kann. Ferner verstößt § 4 Abs. 1 Satz 1 LRG Schl-H auch insoweit gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks, als danach der Landtag berechtigt ist, der Unabhängigen Landesanstalt für das Rundfunkwesen Übertragungskapazitäten für die programmliche Nutzung durch private Rundfunkveranstalter zuzuordnen. Zwar betrifft diese Entscheidung noch keine bestimmten privaten Rundfunkveranstalter . Das Zulassungs- und Auswahl-

550

55! 552

Vgl. dazu Funk-Korrespondenz Nr. 24 vom 15. Juni 1989, S. 4, 5: "Die Landesregierung will also den staatlichen Einfluß, konkret den Einfluß des Parlaments, auf die strukturelle Gestaltung der elektronischen Medien im Lande Schleswig-Holstein sichern. Sie hält das insbesondere mit Blick auf die zu erwartende Anzahl von Satellitenkanälen für wichtig." Vgl. dazu ausführlich den 3. Teil, 2. Kapitel, I. 2. a) (2) (a). Vgl. § 9 Abs. 3 Satz 1 LRG Schl-H.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

verfahrenSS3 hat ausschließlich die staatsfern organisierte Landesanstalt durchzuführen, so daß insofern das Gebot der Staatsfreiheit gewahrt ist. Dennoch stehen nach erfolgter Zuordnung bestimmter Übertragungsmöglichkeiten an die Landesanstalt diese dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur programm lichen Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Die Begünstigung der privaten Rundfunkanbieter als Gruppe auf der einen Seite benachteiligt auf der anderen Seite zugleich konkrete Veranstalter, nämlich den Norddeutschen Rundfunk wie das ZDF. Daher ist auch die Zuordnung von Übertragungswegen an die Landesanstalt durch den Landtag verfassungswidrig, da diese Entscheidung konkrete Rundfunkveranstalter betrifft und dadurch ein dem Gebot der Staatsfreiheit abträgliches Abhängigkeitsverhältnis bestimmter Anbieter zum Staat begründet. (2) Formelle Frequenzplanung durch die Landesregierung beziehungsweise den Ministerpräsidenten (a) Hessen Im Bundesland Hessen schreiben die landesgesetzlichen Regelungen ebenfalls eine formelle Frequenzplanung vor, die allerdings von der Landesregierung durchgeführt wird. Nach § 2a Abs. 1 Satz 1 HPRG entscheidet die Landesregierung über die Zuordnung von freien, von der Bundespost zur Verfügung gestellten Frequenzen an die Landesanstalt für privaten Rundfunk, den Hessischen Rundfunk und das ZDF. Die Form dieser Entscheidung wie die Verfahrensmodalitäten sind landesgesetzlich nicht geregelt. In die frequenzplanerische Verfügungsmasse fallen allerdings nicht die bei Inkrafttreten des Gesetzes bereits durch den Hessischen Rundfunk und das Zweite Deutsche Fernsehen genutzten Übertragungskapazitäten (§ 2a Abs. 2 HPRG). Bei der Entscheidung über die Zuordnung von Übertragungswegen hat die Landesregierung dafür Sorge zu tragen, daß die Grundversorgung durch den Hessische Rundfunk und das ZDF sichergestellt ist und zugleich im Interesse des publizistischen Wettbewerbes neben die Programme der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten Programme privater Rundfunkanbieter treten (§ 2a Abs. 1 Satz 2 HPRG).

SS3

vgl. §§ 6 ff. und 11 LRG Schl-H.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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(b) Niedersachsen Zu dem Aufgabenbereich der niedersächsischen Staatskanzlei gehört unter anderem die Vorsorge für die sendetechnische Ausstattung des Norddeutschen Rundfunks, damit diese Dreiländeranstalt ihrem gesetzlich festgelegten Sendeauftrag nachkommen kann5S4 • Zugleich ist der niedersächsische Ministerpräsident als oberste Landesbehörde zuständig für die Vergabe rundfunkrechtlicher Lizenzen an private Rundfunkveranstalter (§ 3 Abs. 1 LRG Nds). Als Erlaubnisbehörde hat der Ministerpräsident die Kompetenz, die zur Nutzung durch private Anbieter bestimmten Übertragungskapazitäten auszuschreiben (§ 3 Abs. 2 LRG Nds). Der niedersächsischen Staatskanzlei fällt daher die Aufgabe zu, den öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunk ausreichend mit Übertragungswegen zu versorgen. Zu diesen Zwecken muß sie ein Versorgungskonzept erarbeiten und im Zuge dieser Frequenzplanung darüber entscheiden, welche verfügbaren Sendekapazitäten dem öffentlichrechtlichen beziehungsweise dem privaten Rundfunk zur Nutzung zuzuordnen sind. Nähere materielle Aufteilungskriterien nennt das niedersächsische Landesrundfunkgesetz nicht. Der NDR-Staatsvertrag bestimmt lediglich, daß der Norddeutsche Rundfunk in sendetechnischer und programmlicher Hinsicht die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten hat wie die anderen in der ARD zusammengeschlossenen RundfunkanstaltenS55 • Im Bereich 100 bis 108 MHz können dieser Anstalt aufgrund einer gesonderten Vereinbarung der Regierungen der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Frequenzen zur Verfügung gestellt werden, allerdings nur, soweit dies zur Schließung von Versorgungslücken erforderlich isf56• (c) Nordrhein-Westfalen Das Landesrundfunkgesetz Nordrhein-Westfalens sieht ebenso eine formelle Frequenzplanung durch die Landesregierung vor. Gemäß § 3 Abs. 1 LRG NW regelt die Landesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Hauptausschusses des Landtages die Zuordnung der Übertragungskapazitäten, d.h. die Aufteilung der Frequenzen und Kanäle5S7 zur pro-

5S4 555 556

5S7

Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 106 f. Vgl. § 38 Nr. 2 NDR-StV. Vgl. § 1 des Staatsvertrages über die Nutzung von UKW-Frequenzen im Bereich 100 bis 108 MHz durch den NDR vom 9./16./23. Dezember 1987, abgedruckt bei Ring, Medienrecht, Bd. 111, C-IV 1.3.3. Vgl. § 2 Abs. 7 Nr. 5 LRG NW.

284

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

grammlichen Nutzung durch private Veranstalter einerseits beziehungsweise durch den Westdeutschen Rundfunk andererseits558• Von dieser Frequenzplanung ausgenommen sind bestimmte Frequenzen, die dem Westdeutschen Rundfunk schon kraft Gesetzes zugeordnet sind559• Eine Beteiligung der öffentlich-rechtlichen wie privaten Rundfunkveranstalter am Zustandekommen dieser Verordnung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben. Die bei Erlaß der Rechtsverordnung zu berücksichtigenden materiellen Aufteilungskriterien bestimmen, daß die Zuordnung zu gewährleisten hat, daß in den Kreisen und kreisfreien Städten jeweils mindestens ein lokales Fernseh- und Hörfunkprogramm und landesweit mindestens je ein Fernsehund Hörfunkprogramm veranstaltet werden (§ 3 Abs. 2 LRG NW). (d) Bewertung Gegen die hessische wie auch niedersächsische Regelung bestehen unter dem Aspekt der Staatsfreiheit des Rundfunks durchgreifende Bedenken, da die Entscheidung über die Zuordnung von Übertragungswegen an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten bei der Landesregierung beziehungsweise beim Ministerpräsidenten liegt. Diese staatlichen Stellen verfügen bei ihren Entscheidungen über erhebliche Gestaltungsmöglichkeiten, was mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht in Einklang steht. Die Vergabekriterien des Landesrundfunkgesetzes Nordrhein-Westfalens sind zwar im Vergleich zu der hessischen und niedersächsischen Regelung wesentlich bestimmter. Wenn jedoch die im Rundfunkgesetz genannten Minimalziele ("mindestens ein") erreicht sind, fehlen weitere Aufteilungsmaßstäbe56J • Danach hat die Landesregierung einen völlig ungebundenen Handlungsspielraum bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, so daß die Regelung ebenfalls gegen das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks verstößt561 •

558

559

56J 561

Vgl. bislang 1. FrequenzVO NW v. 7.7.1987, GVBI. S. 254; 2. FrequenzVO NW v. 17.11.1987, GVBI. S. 400; 3. FrequenzVO NW v. 26.4.1988, GVBI. S. 182. Dabei handelt es sich um die Frequenzen, die der WDR bei Inkrafttreten des LRG NW genutzt hat, um die in der Anlage zum LRG NW aufgeführten Frequenzen sowie um Restfrequenzen, die nicht in die FrequenzVO NW aufgenommen werden, vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 LRG NW i.V.m. § 3 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1-3 WDR-G. Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 82. Vgl. BVerfG, EuGRZ 1991, 49, 74; siehe auch Degenhart, DVBI. 1991, 510, 518, der das Festhalten des nordrhein-westfälischen Landesgesetzgebers an dieser Regelung trotz der Aussagen des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 73, 118, 182 ff., 186 f. zu Recht als ·schwer verständlich" bezeichnet.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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(3) Frequenzplanung durch die Landesmedienanstalt In den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Saarland sehen die rundfunkrechtlichen Vorschriften eine Frequenzplanung durch die Landesmedienanstalt vor. (a) Baden-Württemberg In Baden-Württemberg stellt die Landesanstalt für Kommunikation durch Rechtsverordnung einen Nutzungsplan für drahtlose Frequenzen und Kabelnetze auf (§ 5 LMG Bad-Württ). Die Landesrundfunkanstalten teilen hierzu der Landesanstalt ihre Nutzungsinteressen mit und legen die Gründe dar, warum die beabsichtigte Nutzung nicht im Rahmen ihrer bisherigen Übertragungskapazität verwirklicht werden kann. Der Nutzungsplan soll mit der Deutschen Bundespost abgestimmt werden. Den Landesrundfunkanstalten und den Verbänden privater Rundfunkveranstalter ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die im Nutzungsplan getroffene Zuordnung bestimmter Übertragungskapazitäten unter Berücksichtigung von Senderstandort und Sendeleistungen an den Südwestfunk bzw. an den Süddeutschen Rundfunk bildet bereits eine ausreichende Grundlage für die Vergabeentscheidung der Deutschen Bundespost. Die übrigen Frequenzen werden in diesem Plan als Frequenzbündel für die Nutzung durch private Rundfunkveranstalter ausgewiesen und erst auf einer zweiten Stufe infolge einer gesonderten Zulassung durch die Landesanstalt an einzelne private Veranstalter vergeben562 • Nach dem Landesrundfunkgesetz ist die Aufteilung von Übertragungskapazitäten zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk so vorzunehmen, daß die Landesrundfunkanstalten ihre gesetzlichen Aufgaben erfüllen können und konkurrierende private Rundfunkveranstalter zugelassen werden können (§ 7 Abs.l Nr. 1 LMG Bad-Württ). Dabei ist die bestehende Nutzung der Altfrequenzen durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 LMG Bad-Württ).

562

Vgl. BullingerjGödel, LMedienG Bad- Württ, § 7, Rdnr. 1

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

(b) Berlin In Berlin werden die Frequenzen, der Zeitpunkt, zu dem sie für eine "Zuteilung"563 zur Verfügung stehen sowie die verfügbaren Sendezeiten und Nutzungsformen durch den Kabelrat der Anstalt für Kommunikation nach Anhörung der Deutschen Bundespost in Form eines Beschlusses festgestellt (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 KPPG Berl). Dieser Beschluß ist zu veröffentlichen (§ 60 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 Satz 2 KPPG Berl). Am Auswahlverfahren zur Vergabe dieser Frequenzen nehmen private Anbieter, welche die formellen gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen564 erfüllen, sowie Rundfunkanstalten nach einer schriftlichen Anzeige an den Kabelrat teil (§ 60 Abs. 3 Satz 3 KPPG Berl). In materiellrechtlicher Hinsicht bestimmt das Kabelpilotprojektgesetz mehrere Auswahlgrundsätze, wobei bei der Vergabeentscheidung u.a. zu berücksichtigen ist, in welcher Weise die einzelnen Bewerber zur Vielfalt in den Berliner Medien beitragen (vgl. § 61 Abs.3 KPPG Berl). (c) Saarland Das saarländische Landesrundfunkgesetz regelt die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen des öffentlich-rechtlichen wie des privaten Rundfunks. Mit der Entscheidung über die Vergabe technischer Übertragungswege und damit auch der terrestrischen Rundfunkfrequenzen an den Saarländischen Rundfunk und an private Veranstalter ist die Landesanstalt für das Rundfunkwesen betraut (vgl. §§ 67 Abs. 2, 41 LRG Saarl)565. Form und Verfahren dieser Entscheidung sind im Landesrundfunkgesetz nicht geregelt. Von dieser Form der Frequenzplanung sind die Frequenzen ausgenommen, die der Saarländische Rundfunk bei Inkrafttreten des Gesetzes genutzt hat (§ 67 Abs. 2 Satz 1 LRG Saarl).

563 Hierunter ist die rundfunkrechtliche Vergabeentscheidung zu verstehen, vgl. Eberle,

564

565

Rundfunkübertragung, S. 105. "Zuweisung" ist ein fernmelderechtlicher terminus technicus und bedeutet die Entscheidung über die Zuordnung bestimmter Frequenzbereiche an bestimmte Telekommunikationsdienste, vgl. Scherer, Frequenzverwaltung zwischen Bund und Ländern, S. 11 ff.; Eberle, Rundfunkübertragung, S. 1 f. Vgl. § 24 KPPG Berl. Nicht geregelt ist hingegen die Zuordnung von Übertragungskapazitäten an sonstige öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten, insbesondere an das ZDF. Die Verweisung auf den ZDF-Staatsvertrag (vgl. § 37 LRG SaarI) vermag diese Gesetzeslücke nicht zu schließen, da dort die Zuordnung von Übertragungswegen nicht geregelt ist.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

2B7

Stehen nicht genügend Kapazitäten zur Verfügung, genießen diejenigen Veranstalter oder Veranstaltergemeinschaften den Vorrang, die aufgrund ihrer kapitalmäßigen Zusammensetzung, ihrer Organsisationsstruktur und ihres Programmschemas am ehesten die gebotene Vielfalt in ihren Programmen erwarten lassenSll6• (d) Bewertung Diese Regelungsstrukturen entsprechen insoweit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks, als nach ihnen die zuständigen Landesmedienanstalten über die Zuordnung von Übertragungswegen auch an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk entscheiden. Von dieser Entscheidungszuständigkeit sind aus kompetentiellen Gründen die Bundesrundfunkanstalten nicht erfaßt567• Der Bestandsschutz für die Senderechte des Saarländischen Rundfunks ist allerdings mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht vereinbar. Die Pflicht zur Berücksichtigung der am 31. Dezember 1984 bestehenden Senderechte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nach dem baden-württembergischen Landesmediengesetz gewährt hingegen keinen absoluten Bestandsschut?, so daß etwaige überschüssige Frequenzen den Anstalten zweifelsfrei entzogen werden könnten. Auch könnte im Falle eines Hineinwachsens des privaten Rundfunks in die Grundversorgungaufgabe der Frequenzbestand neu verteilt werden58). (4) Frequenzplanung durch kooperative Vereinbarung zwischen Landesmedienanstalt und Landesrundfunkanstalten In Bayern entscheidet die Landeszentrale für Neue Medien über die "Zuweisung,,570 der ihr von der Deutschen Bundespost zur Verfügung gestellten sendetechnischen Einrichtungen und Frequenzen (Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 MEG Bay). Um eine kostspielige Neuerrichtung von Sendemasten und anderen sendetechnischen Einrichtungen zu verhindern und eine möglichst effiziente Frequenzplanung zu ermöglichen, sollen die Sendeanlagen des Bayerischen Rundfunks beim Aufbau einer weiteren landesweiten Senderkette mitbenutzt

Sll6 567 568

58) 570

Vgl. § 41 Abs. 2 LRG Saarl. So für das LMG Bad-Württ Bullinger/Gödel, LMedienG Bad-Württ, § 7, Rdnr. 7. So auch Bullinger/Göde/, Bad-Württ LMedienG, § 5, Rdnr. 8. Vgl. auch Bu//inger/Göde/, a.a.O. Gemeint ist auch hier die rundfunkrechtliche Frequenzvergabe, vgl. dazu bereits die Ausführungen in Fn. 563.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

werden571 • Aus diesem Grunde kann die Landeszentrale für Neue Medien mit dem Bayerischen Rundfunk über die Zurverfügungstellung der von dieser Anstalt genutzten sendetechnischen Einrichtungen und Frequenzen Vereinbarungen treffen572• Nach dem Bayerischen Rundfunkgesetz stehen dem Bayerischen Rundfunk die am 1. Dezember eingeräumten Senderechte weiterhin zur Verfügung (Art. 15 Satz 1 BayRuFuG). Er erhält zum Zwecke der Füllung von Versorgungslücken sowie zur Nutzung der Satellitentechnik nach Abstimmung mit der Landeszentrale zusätzliche Senderechte (Art. 15 Satz 2 BayRuFuG). Kommt bei der gebotenen Abstimmung zwischen der mit der Frequenzplanung betrauten Landeszentrale für neue Medien und dem Bayerischen Rundfunk keine Einigung zustande, entscheidet über die Zuordnung neuer Übertragungswege die Staatsregierung (Art. 15 Abs. 1 Satz 3 BayRuFuG). Weiter können sich gemäß Art. 27 MEG der Bayerische Rundfunk und das Zweite Deutsche Fernsehen durch Vereinbarung mit den überörtlichen Kabelgesellschaften mit je einem landesweit angelegten Fernsehprogramm beteiligen. Weitere Rundfunkprogramme dieser Anstalten können eingebracht werden, wenn dadurch andere Anbieter nicht verdrängt oder in diesen Programmen Minderheiten besonders berücksichtigt werden, deren Informationsmöglichkeiten aufgrund von Behinderungen oder sprachlicher Umstände eingeschränkt sind. Die Vereinbarung bedarf der Genehmigung der Landeszentrale. Die bayerische Regelung, die als ultima ratio eine Entscheidungszuständigkeit der Staatsregierung für die Vergabe der Senderechte vorsieht, ist mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks unvereinbarn. Das gleiche gilt für die Vorschrift des Art. 15 Satz 2 MEG Bay. Diese Bestimmung schließt den Bayerischen Rundfunk von der Vergabe zusätzlicher Frequenzen aus, sieht man einmal von den Kapazitäten für die Restversorgung ab. Nach der Amtlichen Begründung zu Art. 37 MEG Bay soll es dem Bayerischen Rundfunk allerdings unbenommen bleiben, "mit der Landeszentrale Vereinbarungen über einen aufgrund frequenztechnischer Gesichtspunkte sinnvollen

571 572

S73

So ausdrücklich die Amtliche Begründung zu Art. 10 MEG Bay. Vgl. Art. 10 Abs. 1 Nr. 5 Bay MEG. Die Befugnis der BLM, mit dem BR über die Zurverfügungstellung von sendetechnischen Einrichtungen und Frequenzen Vereinbarungen zu treffen, bezieht sich also nicht, wie Eberle, Rundfunkübertragung, S. 105 meint, auf die Zuordnung neuer Frequenzen an den BR, sondern allein auf die Mitbenutzung der dem BR zur Verfügung stehenden sendetechnischen Mittel und Frequenzen. So auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 106; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 355; vgl. ferner BVerfGE 73, 118, 186 f.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Tausch von Frequenzen zu treffen." Dies ermöglicht aber wohl kaum eine Neustrukturierung des Sendernetzes, um etwa Regional- oder Lokalprogramme zu veranstalten. Die Vorschrift verbietet dem Bayerischen Rundfunk faktisch die Verbreitung regionaler und lokaler Sendungen574 • Darüber kann auch die Amtliche Begründung zu Art. 37 MEG Bay nicht hinwegtäuschen, wonach das Gesetz eine eventuelle Regionalisierung von Rundfunkprogrammen des Bayerischen Rundfunks nicht verhindern wolle, "soweit dafür die gleichen Frequenzen wie bisher verwendet werden." Mit diesen Regelungen maßt sich der Gesetzgeber Entscheidungskompetenzen an, die ihm unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht zustehen. Dagegen ist Art. 27 MEG Bay verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da diese Regelung dem Verbot der Doppelveranstaltung nach Art. 25 Abs. 5 MEG Bay entspricht und damit für eine Gleichbehandlung der Anbieter Sorge getragen wird. Im übrigen ist zu berücksichtigen, daß eine Beteiligung des Bayerischen Rundfunks und des Zweiten Deutschen Fernsehens an überörtlichen Kabelgesellschaften der Zustimmmung der Landeszentrale bedarf und somit in die Entscheidungskompetenz eines staatsfrei organisierten Gremiums fällt. (5) Informelle Frequenzplanung durch die Staatsbzw. Senatskanzlei In Rheinland-Pfalz ist landesgesetzlich keine Frequenzplanung vorgesehen. Dies gilt gleichermaßen für das Land Hamburg im Frequenzbereich unterhalb 100 MHz. Die Landesmedienzentralen sind nach den landesgesetzlichen Bestimmungen beider Länder nicht dazu befugt, den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Frequenzen zuzuordnen oder zu entziehenS7S • Sie können den privaten Rundfunkveranstaltern nur solche Übertragungskapazitäten zur Verfügung stellen, die zuvor dem privaten Rundfunkbereich zugeordnet worden sind576 • Die Einleitung eines rundfunkrechtlichen Genehmigungsverfahrens setzt eine vorausgehende Aufteilung der Übertragungswege zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk voraus. Welche Stelle diese "Vorwegzuordnung" vornimmt, ist gesetzlich nicht festgelegf71. Vgl. in diesem Zusammenhang BVerfGE 74, 297, 331 ff. So ausdrücklich § 3 LRG Rh-Pf; vgl. auch die Amtliche Begründung zum HmbMedienG, Drs. 11/3769, S. 17: "Für die Veranstaltung von Rundfunkprogrammen durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gilt dieses Gesetz nicht. Die Staatsverträge über den Norddeutschen Rundfunk (NDR) und über das Zweite Deutsche Fernsehen, die auch hamburgische Rundfunkanstalten sind, können und sollen durch dieses Gesetz nicht geändert werden." 576 Vgl. § 16 Abs. 2 HmbMedienG; § 4 Abs. 2 LRG Rh-Pf. m Vgl. die Amtliche Begründung zu § 4 LRG Rh-Pf (LT-Drs. 10/1861): "Über Über-

574

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19 Gersdorf

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Tatsächlich trifft diese nach rheinland-pfälzischem und hamburgischem Landesrecht erforderliche "Vorwegentscheidung" die Staats- beziehungsweise Senatskanzlei in enger Abstimmung mit der Deutschen Bundespost. Da dieser Entscheidung über die Aufteilung der Übertragungskapazitäten ein bestimmtes Versorgungskonzept zugrundeliegen muß, läßt sich insoweit von einer einheitlichen, den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk erfassenden - wenn auch informellen - Frequenzplanung sprechenS78• Diesem gesetzgeberischen Vakuum entsprechend enthalten die Landesmediengesetze der Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg auch keine Regelung darüber, an welchen materiellrechtlichen Kriterien die "Vorwegentscheidung" auszurichten ist. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß in RheinlandPfalz der erste im Lande zugelassene Veranstalter eines Fernsehvollprogrammes auf einem Fernmeldesatelliten auf Antrag eine Erlaubnis zur Nutzung neuer drahtloser Fernsehfrequenzen erhält (§ 38 Abs. 1 Satz 1 LRG RhPt). Ebenso besitzt der erste in Rheinland-pfalz zugelassene Veranstalter eines über Rundfunksatellit verbreiteten Vollprogrammes einen Anspruch darauf, daß er an der Nutzung terrestrischer Fernsehfrequenzen beteiligt wird (§ 38 Abs. 4 Satz 1 LRG Rh-Pt). Diesen landesgesetzlichen Bestimmungen kommt für die "Vorwegentscheidung" im Bereiche terrestrischer Fernsehfrequenzen eine maßgebliche präjudizielle Wirkung zu, weil sie gewisse Übertragungskapazitäten der Frequenzmasse entziehen, die es im Zuge einer Frequenzplanung aufzuteilen gilt. Gegen diese Regelungsstrukturen bestehen die gleichen rechtlichen Bedenken wie die gegen die Frequenzplanung durch den Landtag in SchleswigHolstein oder durch die Regierung in Nordrhein-Westfalen; sie sind mit dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks unvereinbarS79 • Ebenso sind § 38 Abs. 1 Satz 1 und § 38 Abs. 4 Satz 1 LRG Rh-Pf verfassungswidrig, da diese gesetzlichen Bestimmungen das für eine programmliche Nutzung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verfügbare Frequenzspektrum von vornherein verkürzen. Dem Staat ist es unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks versagt, diese Aufteilungsentscheidungen selbst zu treffen.

tragungswege kann selbstverständlich nur verfügt werden, wenn der Anstalt solche zugeordnet sind. Die Zuordnung ist nicht Gegenstand des Gesetzes." Vgl. auch Hoffmann-Riem, HmbStVwR, S. 470, 482; ders., Rundfunkaufsicht, Bd. I, S. 215, 225. S78 So auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 106 f. S19 Vgl. auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 107.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

291

b) Isolierte Frequenzplanung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Teilweise erfolgt die Frequenzplanung für den öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk nicht einheitlich, sondern ist auf das öffentlich-rechtliche System beschränkt. Soweit bestimmte Frequenzen ausschließlich zur Nutzung durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorgesehen sind, läßt sich von einer isolierten Frequenzplanung für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprechenSBO • Hierbei ist zwischen der Gewährleistung bereits genutzter Übertragungswege und der Zurverfügungstellung neuer Frequenzen zu unterscheiden. (1) Gewährleistung bereits genutzter Übertragungskapazitäten Fast alle Bundesländer räumen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einen Bestandsschutz in bezug auf die Altfrequenzen ein581 • Die davon erfaßten Frequenzen sind für eine mögliche weitere Verwendung, insbesondere zugunsten privater Rundfunkanbieter, apriori "blockiert". Ein solcher Bestandsschutz läßt sich nach der hier vertretenen Auffassung mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht vereinbarenS82 • (2) Vergabe neuer Übertragungskapazitäten Darüber hinaus bestimmen einige Landesgesetze, daß auch neue Übertragungskapazitäten von vornherein dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zuzuordnen sind, so daß diese Frequenzen durch Private nicht mehr genutzt werden können. In Bremen werden weitere Übertragungskapazitäten durch erdgebundene Fernsehsender "vorrangig" an Radio Bremen und das Zweite Deutsche Fernsehen vergeben, damit die terrestrische Verbreitung der Satellitenprogramme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gewährleistet ist (§ 3 Abs. 3 BremLMG). Nach den landesrechtlichen Bestimmungen Nordrhein-Westfalens erhält der Westdeutsche Rundfunk ganz bestimmte, in der Anlage zum Landesrundfunkgesetz aufgeführte neue Frequenzen (vgl. § 68 Abs. 1 Nr. 1 LRG NW). Diese Begünstigung konkreter Träger der

SBO

581

S82

Vgl. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 107. Vgl. Art. 15 Abs. 1 BayRuFuG; § 3 Abs. 1 BremLMG; § 38 Satz 2 Nr. 1 NDR-StV; § 2a HPRG; § 3 Abs. 2 WDR-G; § 67 Abs. 2 Satz 1 LRG SaarI; § 4 Abs. 1 Satz 2 Schl-H; vgl. § 5 Abs. 2 Satz 2 LMG Bad-Württ; dazu BullingerjGödel, § 5 LMedienG Bad-Württ, Rdnr. 8: "kein absoluter Bestandsschutz". Vgl. auch Eberle, Rundfunkübertragung, S. 108, 109, 110.

292

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Rundfunkfreiheit verletzt den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks583 • Dies gilt auch für die nordrhein-westfälische Regelung, wonach der Westdeutsche Rundfunk die entsprechenden Frequenzen zur Rundfunkrestversorgung (vgl. § 3 Abs. 2 WDR-G) nutzt. Der dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk "nach Lage der Dinge" obliegende Grundversorgungsauftrag rechtfertigt es nicht, dem Westdeutschen Rundfunk die zur Rundfunkrestversorgung erforderlichen Frequenzen durch Gesetz apriori zuzuordnen. Vielmehr bedarf es bei zu vergebenden neuen Übertragungswegen einer gesonderten Entscheidung darüber, ob gegebenenfalls ein privater Anbieter zur Wahrnehmung der Grundversorgungsaufgabe imstande ist. Die Prüfung über das Vorliegen dieser Voraussetzungen darf der Staat selbst nicht vornehmen, weil sie zwingend programmbezogene Erwägungen erfordert584 • Der Staatsvertrag über die Nutzung von UKW-Frequenzen im Bereich 100 bis 108 MHz durch den Norddeutschen Rundfunk ermächtigt die Regierung der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, dieser Senderanstalt UKW-Frequenzen im Bereiche 100 bis 108 MHz zur Schließung von Versorgungslücken durch Vereinbarung zur Verfügung zu stellen. Das Vorhandensein solcher Versorgungslücken im Versorgungsbereich des Norddeutschen Rundfunks läßt sich technisch ohne weiteres feststellen. Soweit man die staatsvertragliche Regelung im Sinne einer Ist-Bestimmung liest, bleiben den Regierungen bei ihrer Entscheidung über die Zuordnung von Frequenzen an den Norddeutschen Rundfunk zum Zwecke der Schließung von Versorgungslücken keine Handlungsspielräume, die für sachfremde, auf das Programm des Norddeutschen Rundfunks bezogene Wertungen Anlaß geben könnten. Insoweit ist der Staatsvertrag unter dem Aspekt der gebotenen Staatsfreiheit des Rundfunks unbedenklich. Gegen diesen Staatsvertrag richten sich allerdings die gleichen Bedenken wie gegen die nordrhein-westfälische Regelung, wonach der Westdeutsche Rundfunk die zum Zwecke der Rundfunkrestversorgung erforderlichen Kapazitäten erhält; insofern ist der Staatsvertrag mit dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks nicht in Einklang zu bringen.

583

584

Nach Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 2, Rdnr. 19 (kritisch auch Ricker, ZUM 1989, 331, 336) verstößt die "Vorrangregelung" des § 3 Abs. 3 BremLMG gegen den letzten Satz der Präambel des RfStV, der zusätzliche terrestrische Frequenzen den privaten Rundfunkveranstaltern sichern solle. Diese rechtlichen Bedenken können im Ergebnis jedoch nicht durchgreifen, da nach hiesiger, noch darzulegender Ansicht die Präambel des RfStV verfassungskonform dahingehend auszulegen ist, daß bei der Vergabe zusätzlicher Frequenzen private Rundfunkanbieter gegenüber den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht begünstigt werden. Vgl. bereits den 3. Teil, 2. Kapitel, I. 2. a) (b) (aa).

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

293

Das gleiche gilt in bezug auf die dem Staatsvertrag zugrundeliegende Vorschrift des § 38 NDR-StV, wonach dem Norddeutschen Rundfunk die Inanspruchnahme neuer UKW-Frequenzen im Bereich von 100 bis 108 MHz grundsätzlich untersagt ist, soweit Abweichendes nicht durch einen Staatsvertrag der drei Länder vereinbart wird. Diese Vorschrift legt die Entscheidung über eine etwaige Ausdehnung des terrestrisch verbreiteten Fernseh- und Hörfunkangebotes des Norddeutschen Rundfunks in staatliche Hände, was mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks unvereinbar ise&5. An der Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung kann auch der Hinweis in der Amtlichen Begründung zu § 38 NDR-StV nichts ändern, derzufolge sich die Beschränkung des Norddeutschen Rundfunks daraus ergebe, "daß er neue UKW-Frequenzen im Bereich 100 bis 108 MHz ... nur dann in Anspruch nehmen kann, wenn dies durch Staatsvertrag der drei Länder zugelassen wird"586. Denn es geht nicht um die Notwendigkeit einer länderübergreifenden Regelung, sondern ausschließlich darum, daß die Zuordnung von Übertragungskapazitäten an den Norddeutschen Rundfunk der staatlichen Verfügungsmacht apriori entrückt ist. c) Isolierte Frequenzplanung für den privaten Rundfunk In den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein ist die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Vergabe einer konkreten Frequenz geteilt. Die Vergabe neuer Frequenzen an den Norddeutschen Rundfunk fällt in die Kompetenz der Landesregierungen beider Bundesländer. Dagegen ist für die Einzelfrequenzvergabe an private Rundfunkanbieter die jeweilige Landesmedienanstalt zuständit87 • Die Landesrundfunkgesetze der Länder Bremen, Hessen und Rheinland-Pfalz sehen, was die Einzelvergabeentscheidung betrifft, ebenso eine isolierte Frequenzplanung für den privaten Rundfunk vor588 • Ihrem gesetzlich festgelegten Auftrag entsprechend haben diese Landesmedienanstalten die private Rundfunkordnung frequenztechnisch zu ordnen und zu gestalten589 • Diese Zuständigkeiten der Landesmedienanstalten für die Entscheidung über die Einzelvergabe von Übertragungswegen entspricht dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks59O • 5&5

Im Ergebnis ebenso Eberle, Rundfunkübertragung, S. 107.

586 Vgl. Schl-H LT-Drs 9/677, S. 27. 587

588 589 590

Vg1. Vgl. Vgl. Vgl.

§ 16 Abs. 2 HmbMedienG; § 6 Abs. 2 LRG Sch-H.

§ 5 Abs. 2 BremLMG; § 4 Abs. 2 HPRG; § 4 Abs. 2 LRG Rh-Pf. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 109. Eberle, Rundfunkübertragung, S. 110.

294

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Von einer isolierten Frequenzplanung für den privaten Rundfunk kann man ferner sprechen, wenn dem privaten Rundfunk bestimmte Übertragungswege unmittelbar durch Gesetz zugeordnet werden. Wie bereits erwähnt, sollen in Rheinland-pfalz die über Fernmelde- beziehungsweise über Rundfunksatellit verbreiteten privaten Fernsehprogramme zugleich auch terrestrisch ausgestrahlt werden (vgl. § 38 Abs. 1, Abs. 4 LRG Rh-Pt). Gem. § 3 Abs. 5 BremLMG sind Übertragungskapazitäten durch erdgebundene Hörfunksender "vorrangig" für die programmliche Nutzung durch private Rundfunkveranstalter zu verwenden. Diese Bestimmungen stellen gewissermaßen die Kehrseite der in einigen Ländern zugunsten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten getroffenen Sonderregelungen dar. Sie haben zur Folge, daß bestimmte verfügbare Frequenzen für die Nutzung durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht mehr zur Disposition stehen. Diese einseitige Benachteiligung bestimmter Rundfunkveranstalter verstößt ebenfalls gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunksse)J. d) Rundfunkstaatsvertrag Der Rundfunkstaatsvertrag vom 1./3. April 1987 enthält Regelungen über die Aufteilung zusätzlicher terrestrischer Übertragungskapazitäten. Nach dem letzten Satz der Präambelsen des Rundfunksstaatsvertrages sollen die privaten Veranstalter ihre über Rundfunksatelliten abgestrahlten Fernsehprogramme unter Berücksichtigung lokaler und regionaler Beiträge nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts auch über verfügbare terrestrische Fernsehfrequenzen verbreiten können, die bundesweit möglichst gleichgewichtig aufgeteilt werden sollen. Fraglich ist, ob mit dieser Regelung die terrestrische Verbreitung der Satellitenprogramme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ausgeschlossen worden ist. Dies wird von einer Stimme in der Literatur bejaht593 • Zur Begründung verweist man auf die Systematik der Präambel und Art. 2 RfStV. Art. 2 RfStV594 "genehmige" lediglich die Ausstrahlung eines zusätzlichen Satellitenprogrammes von ARD und ZDF. Art. 2 RfStV enthalte aber ebenso wie die Präambel des Rundfunkstaatsver-

Eine verfassungskonforme Auslegung des § 3 Abs. 5 BremLMG im Sinne der Wettbewerbsneutralität erscheint angesichts des eindeutigen Wortlautes der Bestimmung ("vorrangig") nicht möglich. sen Zur Rechtsqualität der Präambel HartsteinjRing/Kreile, RfStV, Präambel, Rdnm. 19 f. 593 Vgl. HartsteinjRing/Kreile, RfStV, Präambel, Rdnm. 10 f. und Art. 2, Rdnr. 19. 594 Auf die Bedeutung des Art. 2 RfStV im Bereich des Satellitenrundfunks wird später noch gesondert einzuzugehen sein.

591

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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trages keine Regelung, welche die terrestrische Abstrahlung der Satellitenprogramme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gestatte. Die Präambel des Rundfunkstaatsvertrages wolle die zusätzlichen terrestrischen Frequenzen den privaten Veranstaltern sichern. Aus diesem Zusammenspiel beider Vorschriften ergebe sich, daß weitere verfügbare terrestrische Frequenzen durch private Fernsehanbieter genutzt werden sollten und nicht von ARD und ZDF für ihre Satellitenprogramme595 • Diese Auffassung ist schon deswegen abzulehnen, weil sie davon ausgeht, daß die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für eine Ausweitung ihres Programmangebotes einer "Ermächtigung" durch den Gesetzgeber bedürfen; diese Ansicht ist mit dem Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks unvereinba?M. Eine ausschließliche Zuordnung zusätzlicher Frequenzen an den privaten Rundfunk würde die terrestrische Verbreitung der Satellitenprogramme der öffentlich-rechtlichen Anstalten von vornherein unterbinden und damit bestimmte Programme bestimmter Rundfunkveranstalter betreffen. Zur Rechtfertigung dieser Wettbewerbsbeeinträchtigung zu Lasten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten könnte man zwar anführen, daß die privaten Anbieter auf größere technische Reichweiten angewiesen sind, um im publizistischen Wettbewerb mit den Rundfunkanstalten bestehen zu können597 • Dieses Anliegen wird hier nicht bestritten. Gleichwohl ist es dem Staat nur dann erlaubt, den publizistischen Wettbewerb zugunsten oder zu Lasten eines bestimmten Rundfunkveranstalters zu verändern, wenn dabei sein Handlungsspielraum auf Null reduziert ist, die entsprechende Maßnahme also unmittelbar aus der Verfassung folgt. Davon kann aber im Hinblick auf den letzten Satz der Präambel nicht die Rede sein. Die Verfassung läßt trotz der berechtigten Interessen privater Rundfunkveranstalter an ausreichend technischen Reichweiten genügend materiellen Freiraum bei der Verteilung terrestrischer Frequenzen zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk. Die erforderliche Aufteilungsentscheidung darf daher im Interesse der Freiheit des publizistischen Wettbewerbes vor staatlicher Einflußnahme nicht von staatlichen Stellen und damit auch nicht von der Legislative getroffen werden. Daher ist die Präambel des Rundfunkstaatsvertrages im Lichte des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß die verfügbaren terrestrischen Fernsehfrequenzen nicht nur

595

596 597

Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 2, Rdnr. 19. Vgl. dazu bereits den 3. Teil, 2. Kapitell. 2. a) (2) (b) (bb). Vgl. nur Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Präambel, Rdnr. 10.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

unter den privaten, sondern unter Einschluß der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten "bundesweit möglichst gleichgewichtig aufgeteilt" werden.

2. Das Verfahren zur Vergabe von Kabe/kanälen Angesichts der nur begrenzt verfügbaren terrestrischen Übertragungswege kommt den Kabelanlagen für die Verbreitung von Rundfunkprogrammen maßgebliche Bedeutung zu. Obwohl Breitbandkabelnetze eine Vielzahl von Kanälen enthalten, sind dennoch Kapazitätsengpässe denkbar, so daß sich insoweit die Frage stellt, welche Stelle die notwendige Aufteilungsentscheidung vornimmt und nach welchen materiellen Kriterien die Entscheidung zu treffen ist. Während das Verfahren zur Vergabe von erdgebundenen Sendemöglichkeiten in den einzelnen Bundesländern ganz unterschiedlichen Regelungsmustern folgt, stimmen die landesrechtlichen Regelungsstrukturen bei der Aufteilung von Kabelkapazitäten im wesentlichen überein. Hierbei müssen zwei Ebenen unterschieden werden. Der Gesetzgeber bestimmt selbst bereits die Rangfolge für die Einspeisung in Kabelanlagen. Die Reihenfolge der in den Kabelanlagen verbreiteten Rundfunkprogramme ergibt sich insoweit unmittelbar aus dem Gesetz. Lediglich dann, wenn über die im Gesetz festgelegte Rangfolge hinaus noch Zweifelsfragen entstehen, d.h. es für die Aufteilung von Kabelkanälen in Kabelanlagen noch einer weiteren Entscheidung bedarf, sind nach den landesrechtlichen Bestimmungen die Landesmedienanstalten mit der Wahrnehmung dieser notwendigen Auswahlentscheidung betraut598 • Diese zweite Entscheidungsebene kann keine staatlichen Implikationen auf den Rundfunk bewirken, da die Landesmedienzentralen als staatsfrei organisierte Gremien nicht an das Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks gebunden sind. Aus diesem Grunde könnte allenfalls die durch den Gesetzgeber festgesetzte Rangfolge der Einspeisung der Rundfunkprogramme in die Kabelanlagen im Lichte des Gebotes der Staatsfreiheit des Rundfunks auf verfassungsrechtliche Bedenken stoßen. Auch wenn die landesgesetzlichen Verteilungskriterien im einzelnen unterschiedlich geregelt sind, lassen sie sich in bestimmte Rechtskategorien einteilen. Nur die Vorschriften in Baden-Württem-

598

Vgl. § 5 LMG Bad-Württ; Art. 36 MEG Bay; §§ 40 Abs. 2, 59 Abs. 1 Satz 2 KPPG Berl; § 34 Abs. 3 BremLMG; § 32 Abs. 2 HPRG; § 44 Abs. 3 HmbMedienG; § 46 Abs. 3 Satz 3 LRG Nds; § 41 Abs. 3, Abs. 4 LRG NW; § 23 Abs. 3 LRG Rh-Pf; § 51 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 LRG SaarI; § 38 Abs. 2 LRG Schl-H.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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und Bayern600 weichen von den Regelungssystemen der übrigen Bundesländer erheblich ab. Im wesentlichen lassen sich drei beziehungsweise vier Ranggruppen voneinander unterscheiden60l •

ber~

Die erste Gruppe bilden zumeist die für das jeweilige Land gesetzlich bestimmten Programme, d.h. die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten602• Ihnen gleichgestellt sind teilweise die im betreffenden Land durch die Landesmedienanstalt zugelassenen privaten Rundfunkvollprogramme603 • In Berlin und Nordrhein-Westfalen besitzen die ortsüblichen, d.h. mit durchschnittlichem Antennenaufwand empfangbaren Programme diesen Rang604 • In die zweite Ranggruppe fallen nach mehreren Landesmediengesetzen alle ortsüblichen Vollprogramme60S, soweit sie nicht schon zur ersten Gruppe zählen. Zur dritten Gruppe gehören in Bremen, Hessen und im Saarland die mit besonderem Antennenaufwand im Bereiche der Kabelanlagen empfangbaren ortsmöglichen Programme606• In anderen Bundesländern zählen zu dieser Gruppe die über Richtfunk, Kabel oder Fernmeldesatellit herangeführten Programme607• In Bremen, Hessen und im Saarland sind diese Programme erst an vierter Stelle in die Kabelnetze einzuspeisen608• Diese Regelungen könnten mit Blick auf den Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks allenfalls insoweit bedenklich sein, als sie den für das jeweilige Land gesetzlich bestimmten Programmen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Vorrang bei der Einspeisung in die Breitbandkabelanlagen einräumen. Zu berücksichtigen ist jedoch, daß die in dem einzelnen

m Vg!. §§ 7 Abs. 2, 10 LMG Bad-Württ. 600 601

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60S

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Vgl. Art. 36 Satz 3 MEG Bay. Vg!. Jarass, Gutachten zum 56. DIr, Rdnm. 175 C.; ders., ZUM 1986, 303, 313 C. Vg!. § 34 Abs. 1 Nr. 1 BremLMG; § 32 Abs. 1 Nr. 1 HPRG; § 44 Abs. 1 Nr. 1 HmbMedienG; § 46 Abs. 3 Satz 3 LRG Nds; § 23 Abs. 1 Nr. 1 LRG Rh-pr; § 51 Abs. 1 Nr. 1 LRG SaarI; § 38 Abs. 1 Nr. 1 LRG Schl-H. Vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 1 HmbMedienG; § 32 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, 2 HPRG; § 46 Abs. 3 Satz 3 LRG Nds; § 23 Abs. 1 Nr. 1 LRG Rh-PC; § 51 Abs. 1 Nr. 1 LRG SaarI; § 38 Abs. 1 Nr. 1 LRG Schl-H. Vgl. § 36 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 KPPG Berl; § 41 Nr. 1 LRG NW. Vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 2 BremLMG; § 44 Abs. 1 Nr. 2 HmbMedienG; § 32 Abs. 1 Nr. 2 HPRG; § 46 Abs. 1 Satz 1 LRG Nds; § 41 Abs. 1 Nr. 2 LR NW; § 23 Abs. 1 Nr. 3 LRG Rh-PC; § 51 Abs. 1 Nr. 2 LRG Saarl; § 38 Abs. 3 Nr. 2 LRG Schl-H. Vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 3 BremLMG; § 32 Abs. 1 Nr. 3 HPRG; § 51 Abs. 1 Nr. 3 LRG Saar!. Vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 3 HmbMedienG; § 41 Nr. 3 LRG NW; § 38 Abs. 1 Nr. 3 LRG Schl-H. Vgl. § 34 Abs. 1 Nr. 4 BremLMG; § 32 Abs. 1 Nr. 4 HPRG; § 51 Abs. 1 Nr. 4 LRG Saar!.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Land zugelassenen privaten Programme zumeist den gleichen Rang besitzen oder zumindest an zweiter Stelle eingespeist werden, so daß ihre Weiterverbreitung in jedem Falle gesichert ist. Sofern die ortsüblichen, ortsmöglich empfangbaren oder herangeführten Programme nur nachrangig Berücksichtigung fmden, betreffen diese Regelungen zum einen noch keine bestimmten Rundfunkveranstalter und knüpfen zum anderen an physikalische und technische und damit an programmneutrale Kriterien an. Im Ergebnis ist daher festzustellen, daß die landesrechtlichen Einspeisungsbestimmungen unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks keine Probleme aufwerfen.

3. Das Verfahren zur Vergabe von Satellitenkanälen Neben den terrestrischen Sendern und den Breitbandkabelnetzen bilden die Satellitenkanäle eine weitere Übertragungsform, die für die Vermittlung von Rundfunksendungen nutzbar gemacht werden kann. Dieser zusätzliche Übertragungsweg steht in keinem substituierenden Verhältnis zum terrestrischen und kabelgebundenen Rundfunk. Vielmehr sollen sich die drei Übertragungstechniken ergänzen, um auf diese Weise eine möglichst flächendekkende und umfassende, d.h. angebotsreiche Versorgung der Bevölkerung mit Rundfunkprogrammen zu ermöglichen. Zu untersuchen ist, welche Stellen für die Zuordnung von Satellitenkapazitäten an einzelne Rundfunkanbieter zuständig sind, wobei zwischen Rundfunk- und Fernmeldesatellitensystemen unterschieden wird. a) Rundfunksatelliten Auf der Funkverwaltungskonferenz (World Administration Radio Conference - WARC -) der Internationalen Fernmeldeunion (International Telekommunications Union - ITU -) 1977 in Genf wurden die technischen Rahmenbedingungen für die Nutzung des Frequenzspektrums von 11, 7 bis 12, 5 GHz für direkt empfangbare Rundfunkdienste über sogenannte Rundfunksatelliten verbindlich geregelt. Die europäischen Staaten Frankreich, Niederlande, Belgien, Luxemburg, Schweiz, Österreich, Italien und Bundesrepublik Deutschland erhielten jeweils nur fünf Kanäle, weil die Kapazitäten und die Zahl der Standorte der Rundfunksatelliten begrenzt sind und das verfügbare Frequenzspektrum auf die einzelnen Staaten möglichst gerecht aufgeteilt werden sollte609 • 609

vgI. Hanstein/Ring/Kreile, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnr. 20; Stender, "Staatsferne"

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Die Aufteilung dieser der Bundesrepublik Deutschland für Rundfunkzwecke zur Verfügung stehenden fünf Satellitenkanäle ist durch Art. 1 RfStV geregelt. Danach erhalten die privaten Rundfunkanbieter drei Kanäle und die in der ARD zusammengeschlossenen Landesrundfunkanstalten und das ZDF je einen Kanal auf dem deutschen Rundfunksatelliten TV_SArlO • (1) Fernsehkanäle für private Rundfunkveranstalter Die den privaten Anbietern überlassenen Kanäle können von ihnen aufgrund von Staatsverträgen zwischen den Ländern nach den in Art. 1 Abs. 2 RfStV festgelegten Länderquoten genutzt werden (Art. 1 Abs. 1 RfStV). Die entsprechende Kanalvergabe erfolgt auf der Grundlage des sog. "Nordschienen-", "Südschienen-" und "Westschienenstaatsvertrages". (a) "Nordschienenstaatsvertrag" Der zwischen den Ländern Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein abgeschlossene "Nordschienenstaatsvertrag" (NordStV) vom 20. März 1986 regelt die gemeinsame Nutzung eines Rundfunksatellitenkanals durch diese Länder61l • Nach Art. 6 NordStV wird die Erlaubnis auf schriftlichen Antrag formell durch den niedersächsischen Landesrundfunkausschuß erteilt, allerdings nach Maßgabe der Entscheidung eines besonderen Länderausschusses (Art. 7 NordStV). Dieser Länderausschuß besteht aus mindestens sechsundzwanzig Mitgliedern und setzt sich aus den Vertretern der gesellschaftlich relevanten Gruppen zusammen (Art. 8 NordStV). Die Amtszeit dieses Länderausschusses ist mit der bestandkräftigen Erlaubniserteilung an RTL plus beendet (Art. 10 NordStVt12•

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und "Gruppenferne", S. 20 f. m.w.N. Der deutsche Rundfunksatellit lV-SAT 1 wurde in der Nacht vom 17. auf den 18. November 1987 gestartet. Doch konnte eines der beiden für die Energieversorgung erforderlichen Sonnenpaddel nicht ausgefahren werden, so daß der Satellit nicht funktionsfähig ist (vgl. Hartstein/RingjKreile, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnr. 27; Müller-Römer, Frankfurter Rundschau Nr. 40 vom 17. Februar 1988, S. 12). Das Satellitensystem lVSAT 2 wurde in der Nacht vom 8. auf den 9. August 1989 erfolgreich in die Erdumlaufbahn geschossen (vgl. Funk-Korrespondenz Nr. 33 vom 18. August 1989, S. 11) und hat seinen Betrieb anläßlich der Internationalen Funkausstellung vom 25. August bis 3. September 1989 in Berlin aufgenommen. Vgl. die Zustimmungsgesetze der vertragschließenden Länder. Berlin: Gesetz vom 05.06.1986 (GVBI. S. 817); Hamburg: Gesetz vom 27.06.1986 (GVBI. S. 168); Niedersach· sen: Gesetz vom 08.05.1986 (GVBI. S. 125); Schleswig.Holstein: Gesetz vom 27.05.1986 (GVBI. S. 103). Der entsprechende Beschluß des Länderausschusses zur Veranstaltung eines FernsehvolIprogrammes über das Rundfunksatellitensystem lV-SAT ist abgedruckt bei Hart-

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(b) "Südschienenstaatsvertrag" Demgegenüber sieht der zwischen den Ländern Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz vereinbarte sogenannte "Südschienenstaatsvertrag" (SüdStV) vom 12. Mai 1986613 vor, daß sämtliche drei vertragschließenden Länder unter Anwendung ihrer jeweiligen Landesmediengesetze die Vergabeentscheidung übereinstimmend treffen (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 SüdStV). Eine aus je drei Vertretern der Landesmedienanstalten bestehende gemeinsame Kommission hat lediglich Vorschläge für die Nutzungs- und Vergabeentscheidung zu unterbreiten (Art. 3 Abs. 1 bis 3 SüdStV). Die Lizenz zur Nutzung eines Kanals auf dem Rundfunksatelliten ist dem RundfunkveranstaIter Sat 1 erteilt worden614 . (c) "Westschienenstaatsvertrag" Als letzte Bundesländer haben sich Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland am 29. Junij20. Juli 1989 in einem Staatsvertrag über die Vergabe und Nutzung eines Rundfunksatellitenkanals geeinigt. Durch diesen sogenannten "Westschienenstaatsvertrag" (WestStV)615 kann nunmehr auch die bislang noch offene "Westschiene" mit einem neuen privaten Rundfunkanbieter belegt werden616. Dieser Staatsvertrag schreibt vor, daß die Sendelizenz nur einer Veranstaltergemeinschaft erteilt werden darf (Art. 3 Abs. 1 Satz 1 WestStV). Ein besonderer Länderausschuß, der sich aus den Direktoren der vier Landesmedienanstalten Bremens, Hessens, Nordrhein-Westfalens und des Saarlandes zusammensetzt (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 WestStV), macht einen Vorschlag für die Kanalzuordnung an eine bestimmte Veranstaltergemeinschaft. Diese Empfehlung bedarf der Zustimmung der Hauptorgane der vier LändermedienanstaIten. Erst nach erfolgter Zustimmung sämtlicher Landesmedienanstalten vergibt der Länderausschuß die Sendeerlaubnis (Art. 4 Abs. 3 WestSaStV).

613

614 615 616

steinjRingjKreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 31; vgl. auch Hoffmann-Riem, HmbStVwR, S. 470, 487 f. Vgl. die Zustimmungsgesetze der vertragschließenden Länder: Baden-Württemberg: Gesetz vom 01.08.1986 (GB\. S. 279); Bayern: Gesetz vom 08.08.1986 (GVB\. S. 226); Rheinland-Pfalz: Gesetz vom 24.06.1986 (GVB\. S. 170). Der entsprechende Beschluß der Gemeinsamen Kommision ist abgedruckt bei HansteinjRingjKreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 31. Vgl. die Zustimmungsgesetze der vertragschließenden Länder: Bremen: Gesetz vom 28.11.1989 (GesB\. S. 387); Hessen: Gesetz vom 28.11.1989 (GVB\. S. 397); NordrheinWestfalen: Gesetz vom 14.14.1989 (GVB\. S. 685); Saarland: Gesetz vom 29.11.1989 (Amtsblatt S. 1702). Vgl. Funk-Korrespondenz Nr. 24 vom 15. Juni 1989, S. 9 f.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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(d) Bewertung Die Regelung des Art. 1 Abs. 1 RfStV enthält als solche noch keine Kanalzuordnung an bestimmte private Rundfunkveranstalter. Nach den einzelnen Teilstaatsverträgen der Länder fallen Zulassungs- und Auswahlverfahren in den Verantwortungsbereich der von den Landesmedienzentralen getragenen besonderen länderübergreifenden Gremien, so daß dem Prinzip der Staatsfreiheit des Rundfunks bei der Einzelvergabe von Rundfunksatellitenkanälen an private Anbieter entsprochen ist617• Dennoch bestehen gegen die staatliche Aufteilung der Rundfunksatellitenkapazitäten die gleichen verfassungsrechtlichen Bedenken wie bei der Verteilung terrestrischer Frequenzen durch staatliche Stellen. Denn nach Zuordnung von Satellitenkanälen an den privaten Rundfunk können die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD und ZDF) auf diese Übertragungsmöglichkeiten keinen Zugriff mehr nehmen. Die Zuordnung von Übertragungswegen an den privaten Rundfunk ist somit verfassungswidrig, da diese Entscheidung konkrete Rundfunkveranstalter betrifft und dadurch ein dem Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks abträgliches Abhängigkeitsverhältnis zum Staat begründet. Dem läßt sich auch nicht mit dem Argument begegnen, daß die beiden öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter nach dem Rundfunkstaatsvertrag ebenfalls Kapazitäten für die Verbreitung von Satellitenprogrammen erhalten618 • Denn es ist gerade nicht Sache des Staates, verfügbare Sendemöglichkeiten zwischen den einzelnen Bewerbern anteilsmäßig aufzuteilen, soweit ihm dabei verschiedene Gestaltungswege eröffnet sind.

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Zu berücksichtigen ist allerdings, daß die nach Maßgabe des "Nord-" und "Südschienenstaatsvertrages" über die Veranstaltung von Fernsehen durchgeführten Erlaubnisverfahren schon vor Abschluß des Rundfunkstaatsvertrages vom 1./3. April 1987 im wesentlichen abgeschlossen waren und daß in diesem Zeitpunkt die Entscheidung über Lizenzvergabe zugunsten der Fernsehsender RU plus beziehungsweise Sat 1 bereits feststand (vgl. dazu den Beschluß vom 1. April 1987 des auf der Grundlage des NordStV gebildeten Länderausschusses und den Beschluß vom 10. November 1986 der nach Maßgabe des SüdStV errichteten Gemeinsamen Kommission; beide Beschlüsse sind abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 31). Da jedoch bei Abschluß des RfStV die Zulassungs- und Aufsichtsverfahren im wesentlichen zum Abschluß gebracht worden waren, kann ein staatlicher Einfluß auf das Genehmigungsverfahren ausgeschlossen werden. Dazu sogleich.

302

Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

(2) Fernsehkanäle für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Die ARD erhält - für ihr Satellitenprogramm Eins plus - gemäß Art. 1 Abs. 4 RfStV den vierten auf Rundfunksatelliten zur Verfügung stehenden Fernsehkanal. Gern. Art. 2 Abs. 11. Halbsatz RfStV muß das ARD-Satellitenprogramm einen "kulturellen Schwerpunkt"619 haben. Für das Satellitenprogramm 3Sat des ZDF ist der fünfte Kanal vorgesehen (Art. 1 Abs. 5 RfStV), wobei das ZDF-Satellitenprogramm ebenso wie das ARD-Satellitenprogramm einen "kulturellen Schwerpunkt" aufweisen muß (Art. 2 Abs. 2 1. Halbsatz RfStV). Dieser fünfte Kanal sollte sich allerdings erst auf dem seinerzeit von der Deutschen Bundespost geplanten zweiten Rundfunksatelliten TV-SAT 2 befmden. Aus diesem Grunde sollte das ZDF den dritten - für die privaten Anbieter vorgesehenen - Kanal des mit vier Kanälen konzepierten Rundfunksatellitensystems TV-SAT 1 solange nutzen können, bis dieser Kanal nach Abschluß des dritten Teilstaatsvertrages einem privaten Rundfunkveranstalter zur Verfügung gestellt werden kann (Art. 1 Abs. 3 RfStV). Diese Plankonzeption ist mittlerweile hinfällig geworden, da sich die Deutsche Bundespost nach dem Scheitern des TV-SAT 1 entschieden hatte, neben dem TV-SAT 2 keinen weiteren Rundfunksatelliten (TVSAT 3) zu ordern620• Zu berücksichtigen ist allerdings, daß es der ARD wie dem ZDF durch den Rundfunkstaatsvertrag ermöglicht wird621 , ihre über Rundfunksatelliten abgestrahlten Programme auch über andere Satelliten, insbesondere über Fernmeldesatelliten zu verbreiten622. Der ARD steht der ihr durch den Rundfunkstaatsvertrag zugeordnete vierte Fernsehkanal nicht uneingeschränkt zur Verfügung. Art. 1 Abs. 4 Satz 3 RfStV bestimmt, daß dieser Kanal in der Zeit von 1.00 bis 18.00 Uhr für den digitalen Hörfunk bereitzustellen ist, solange nicht über einen Kanal ganztägig digitaler Hörfunk verbreitet wird. Das Nutzungsrecht der ARD für den vierten Satellitenkanal ist mit dieser Nutzungsentscheidung zugunsten des digitalen Hörfunks "belastet,,621.

619 Zu dem unbestimmten Rechtsbegriff "kultureller Schwerpunkt" Hartstein/Ring/Kreile, 620

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RfStV, Art. 2, Rdnr. 4. Vgl. Müller-Römer, Media Perspektiven 1989,410,414. Vgl. Art. 1 Abs. 3 Satz 2 und Art. 1 Abs. 4 Satz 2 RfStV sowie Art. 1 Abs. 5 Satz 2, der auf Art. 1 Abs. 3 Satz 2 RfStV verweist; siehe auch Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnr.34. Vgl. dazu sogleich. Vgl. im einzelnen Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnrn. 36 ff.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Die Veranstaltung weiterer bundesweit verbreiteter gemeinsamer Fernsehprogramme der ARD und des ZDF stehen unter dem Vorbehalt einer staatsvertraglichen Vereinbarung aller Länder (Art. 2 Abs. 5 RfStV). Nach Art. 1 Abs. 4 Satz 4 RfStV wird dem Deutschlandfunk ein Hörfunkkanal in Monoqualität zugeordnet. Ein weiterer Hörfunkkanal in Monoqualität wird schließlich Berlin zur Verfügung gestellt. Hintergrund dieser Zuordnung ist das Begehren des RIAS Berlin, sein Rundfunkprogramm über den deutschen Rundfunksatelliten zu verbreiten62A • Die staatsvertragliche Zuordnung von Satellitenkanälen auf dem deutschen TV-SAT-System an ARD, ZDF und Deutschlandfunk62S ist unter dem Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks unzulässig626 • Soweit der Rundfunkstaatsvertrag vorsieht, daß die Satellitenprogramme von ARD und ZDF einen kulturellen Schwerpunkt haben müssen, kommt den entsprechenden Regelungen lediglich deklaratorische Bedeutung zu. Sie dienen lediglich der KlarsteIlung der grundgesetzlichen Programmautonomie der Anstalten6Z7, in die der Staat nicht eingreifen darf28. Ebenso verstößt der Staatsvertragsvorbehalt für weitere bundesweite Fernsehprogramme von ARD und ZDF gegen das Gebot der Staatsfreiheit des Rundfunks ~. Wie bereits oben ausgeführt63O, vermag insbesondere der verfassungsrechtlich gebotene Schutz konkurrierender privater Rundfunkveranstalter vor einer unbegrenzten Vermehrung öffentlich-rechtlicher Program-

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62S 626

6Z7

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vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 54. Zu berüCksichtigen ist nunmehr allerdings, daß die AKK (Berl) ein Hörfunkprogramm in digitaler Qualität an den Sender Freies Berlin und an RIAS Berlin vergeben hat, die diesen Kanal gemeinsam für die Ausstrahlung eines Kultur- und Informationsprogrammes verwenden müssen; vgl. Funk-Korrespondenz Nr. 49 vom 8. Dezember 1989, S. 12. Die Kanalzuordnung an den Deutschlandfunk erscheint bereits aus kompetenz-rechtlichen Gründen zweifelhaft, vgl. dazu bereits den 3. Teil, 2. Kapitel, I. 3. b) (3) Fn. 506. AA Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnrn. 32 ff. und Stender, "Staatsferne" und "Gruppenferne", S. 351 ff., ohne dabei den Gesichtspunkt der Staatsfreiheit des Rundfunks anzusprechen; Ricker, NJW 1988, 453, 454 f. unter Berufung auf die Wesentlichkeitstheorie in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, womit nach hiesiger Meinung die ratio des rundfunkspezifischen Parlamentsvorbehaltes von vornherein verfehlt wird. Vgl. in diesem Zusammenhang Rudolph, VBIBW 1986,281,284. Wagner, ZRP 1990, 154, 159 hält dagegen derartige inhaltliche Programmvorgaben für zulässig, betont aber zugleich, daß damit die "Grenzen zulässiger Programminhaltsbestimmung erreicht" sein dürften. Diese Auffassung räumt dem Staat bei der Gestaltung einzelner Rundfunkprogramme ein Mitentscheidungsrecht ein, welches ihm nach der Verfassung nicht zusteht; vgl. dazu 3. Teil, 2. Kapitel, I. 4. b). Vgl. BVerfGE 74, 297, 331 ff., wo allerdings der Grundsatz der Staatsfreiheit des Rundfunks unberechtigterweise nicht zum Tragen kommt. Vgl. den 3. Teil, 2. Kapitel, I. 2. a) (2) (b) (bb) < 1 > < d > .

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

me diese Regelung nicht zu rechtfertigen. Bei der Aufteilung von technischen Übertragungskapazitäten zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk ist neben dem Prinzip der Gleichbehandlung auch das Gebot der Staatsfreiheit zu wahren631 • Diesem Erfordernis wird der staatsvertragliche Vorbehalt für zusätzliche Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht gerecht. (3) Entscheidung über eine anderweitige Nutzung von Rundfunksatellitenkanälen Mit den soeben beschriebenen Zuordnungen von Rundfunksatellitenkanälen durch den Rundfunkstaatsvertrag hat der Gesetzgeber das verfügbare Frequenzspektrum auf einzelne Rundfunkveranstalter und auf bestimmte Nutzungsarten verteilt. Darüber hinaus räumt der Rundfunkstaatsvertrag der staatlichen Exekutive Entscheidungsbefugnisse ein. Art. 1 Abs. 6 RfStV ermächtigt die Ministerpräsidenten, über eine anderweitige Nutzung von Rundfunksatellitenkanälen zu entscheiden, wenn diese Kanäle nicht nach Maßgabe der im Rundfunkstaatsvertrag festgelegten Nutzungsentscheidungen von privaten Fernsehveranstaltern und öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten genutzt oder benötigt werden. Im Lichte des Grundsatzes der Staatsfreiheit des Rundfunks ist diese Bestimmung dahin auszulegen, daß die Ministerpräsidenten allenfalls dazu ermächtigt sind, die Nutzungsart eines freiwerdenden Satellitenkanals neu festzusetzen 632• Eine Kanalzuordnung an öffentlich-rechtliche oder private Rundfunkveranstalter wäre unzulässig633 •

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Dies wird im einschlägigen Schrifttum durchweg übersehen, vgl. etwa Hartstein//ang/Kreile, RfStV, Art. 2, Rdnr. 19; /acker, NJW 1988, 453, 455 f.; ders., ZUM 1989, 331, 337; Stender, "Staatsferne" und "Gruppenfeme", S. 351 ff., die auf S. 357 ff. eine Ausdehnung des Programmangebotes des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schlechterdings für unzulässig erachtet. Diese Auffassung dürfte nach dem Baden-Württemberg-Beschluß des BVerfGE 74, 297, 331 ff. wohl kaum noch aufrechtzuerhalten sein. Wobei sich insoweit die Frage stellen könnte, ob eine solche Nutzungsänderungsentscheidung als "wesentlich" im Sinne der Wesentlichkeitstheorie der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu qualifizieren wäre, mit der Folge, daß es dazu eines parlamentarischen Gesetzes bedürfte; vgl. im einzelnen Hartstein//ang/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnm. 40 ff. Vgl. Hartstein//ang/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 43 und 47, wo allerdings das Gebot der Staatsfreiheit keine Erwähnung findet.

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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b) Fernmeldesatelliten Im Gegensatz zu den Rundfunksatelliten sind die über Fernmeldesatelliten abgestrahlten Sendesignale nicht zum Direktempfang durch die Allgemeinheit bestimmt. Sie dienen der Signalzuführung von einem Ort zu einem anderen oder zu mehreren Empfangsanlagen, weswegen die Fernmeldesatelliten auch als Verteilsatelliten bezeichnet werden634 • Sie unterfallen den Regeln über den festen Funkdienst, so daß die auf der Funkverwaltungskonferenz (WARe) 1977 getroffene internationale Begrenzung der belegbaren Kanäle für Fernmeldesatelliten nicht gilt63S• (1) ECS-F 1 und Intelsat V-F 12 Die Deutsche Bundespost benutzt schon seit Anfang der 80er Jahre Fernmeldesatelliten-Transponder zur Programm zuführung von Rundfunksendungen zu den KopfsteIlen der Breitbandkabelanlagen. Die Deutsche Bundespost hat auf dem mit der Trägerrakete Ariane am 16. Juli 1983 in die Erdumlaufbahn gebrachten Fernmeldesatellitensystem European Communication Satellit (ECS-F 1) zwei Rundfunkkanäle von der European Communication Satellit Organization (EUTELSAT) gemietet. Dazu zählen der im Empfangsbereich West des Satelliten liegende Kanal (West-Beam) und der im Empfangsbereich Ost liegende Kanal (Ost-Beam)636. Die Regierungschefs der Länder haben mit Beschluß vom 23. Februar 1984 ihr Einverständnis mit der Vergabe des Ost-Beams an das ZDF erklärt637 • Auf diesem Kanal des ECS-F 1 wird aufgrund einer Vereinbarung zwischen dem ZDF, dem Österreichischen Fernsehen (ORF) und der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) vom 13. Juli 1984 das deutschsprachige, werbungsfreie 3 SAT Satellitenprogramm seit dem 1. Dezember 1984 ausgestrahlt638 • Ebenso einigten sich die Regierungschefs am 23. Februar 1984 nach langem Streit darauf, den West-Beam des ECS-Satelliten der rheinland-pfälzischen Anstalt für Kabelkommunikation zur Ausschreibung zur Verfügung zu stellen639 •

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Vgl. HartsteinjRingjKreile, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnr. 2. Vgl statt vieler Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 27. Vgl. HartsteinjRingjKreile, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnm. 5 ff.; Stender. "Staatsferne" und "Gruppenfeme", S. 22 f. Abgedruckt bei HartsteinjRingjKreile, RfStV, Anhang, C-O.6.1. Vgl. Fuhr, ZDF-StV, § 1 III 1 b, bb, bbb, S. 68 f.; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenferne", S. 22 f.; vgI. auch HartsteinjRingjKreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 7. Die Lizenz wurde an SATl vergeben; vgl. HartsteinjRingjKreile, RfStV, Einführung zu

20 Gersdorf

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Daneben hat die Deutsche Bundespost seit Anfang 1985 drei Kanäle für je zwei Fernsehprogramme auf dem Satellitensystem Intelsat V-F 12 angemietet, einem Fernmeldesatelliten der International Telekommunication Satellit Consortium (Intelsat)64O. In dem sogenannten "Bremerhavener Komprorniß" vom 18. Oktober 1984641 haben sich die Regierungschefs der Länder über die Zuordnung der einzelnen Kanäle geeinigt642. Die ARD strahlt auf dem Intelsat-Kanal seit dem 29. März 1986 ihr deutschsprachiges, werbungsfreies Satellitenprogramm Eins plus aus643 . Die Deutsche Bundespost hat durch Verfügung 569/1985 zunächst den Direktempfang der über ECS und Intelsat abgestrahlten Programme gegen Zahlung einer monatlichen Gebühr für solche Gegenden fernmelderechtlich gestattet, in denen Kabelanlagen der Deutschen Bundespost nicht zur Verfügung standen. Mit Verfügung 519/1987 hat die Deutsche Bundespost auf diese Restriktionen ganz verzichtet und den generellen Individualempfang fernmelderechtlich ermöglicht und zudem die monatlichen Gebühren erheblich reduziert644 • Für einen Direktempfang der ECS- und Intelsatprogramme sind Parabolspiegelantennen von etwa 1,2-1,8 Metern erforderlich, für Empfangsanlagen von Kabelkopfstationen Antennenanlagen mit einem Durchmesser von drei bis fünf Metern645. (2) DFS Kopernikus Das Deutsche Fernmeldesatellitensystem (DFS) Kopernikus ist ein nationales Fernmeldesatellitensystem. Kopernikus soll mit einer Übertragungskapazität von elf Kanälen ausgestattet werden, davon sieben Kanäle für Fernsehübertragungen und zwei Kanäle für die Übertragung von zweiunddreißig Stereo-Tonkanälen. Das DFS-Satellitensystem besteht insgesamt aus drei Satelliten, einem Betriebs- und einem Reservesatelliten und einem Satelliten, der als Reserve zunächst am Boden bleibt646.

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Art. 1, Rdnr. 8; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 24. Vgl. Müller-Römer, Media Perspektiven 1985, 539, 547. Abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Anhang, C-O.6.2. Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnr. 10; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 22 f. Vgl. dazu Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 26 m.w.N. Vgl. Hartstein/Ring/Krei/e, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnm. 7 und 12. Vgl. Hartstein/Ring/Krei/e, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnm. 5 und 10 m.w.N. Vgl. Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Einführung zu Art. 1, Rdnr. 13; Stender, "Staatsfeme" und "Gruppenfeme", S. 26 f. Das Kopemikus-System (DFS 1) ist in der Nacht vom 5. zum 6. Juni 1989 um 0.36 Uhr mit der Trägerrakete Ariane 4 erfolgreich gestartet worden (vgl. dazu epd Nr. 44 vom 7. Juni 1989, S. 16 f.; Funk-Korrespondenz Nr. 23 vom

Zweites Kapitel: Zuständigkeiten bei der Vergabe von Übertragungskapazitäten

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Der DFS Kopernikus ist zwar ein Fernmeldesatellit, gleichwohl ist dieses Satellitensystem für den Direktempfang durch die Allgemeinheit technisch geeignet. Die über Kopernikus abgestrahlten Fernsehprogramme lassen sich mit einer Empfangsantenne von 80-130 cm Durchmesser direkt empfangen, für den Einzelempfang digitalen Hörfunks benötigt man eine Antenne mit einem Durchmesser von 60-90 cm647 • Fernmelde- und Rundfunksatellitensysteme sind daher in bezug auf ihre generelle Tauglichkeit für den Satellitendirektempfang im wesentlichen äquivalent648, wenn auch einzuräumen ist, daß die über Rundfunksatelliten verbreiteten Programme mit kleineren Parabolspiegelantennen empfangen werden können649 • Mit Blick auf diese Entwicklung haben die Regierungschefs bereits bei Abschluß des Rundfunkstaatsvertrages im April 1987 in Art. 1 Abs. 7 RfStV beschlossen, für die künftige Zuordnung von Kanälen für Rundfunkzwecke auch bezüglich anderer Satelliten als Rundfunksatelliten Verfahrensgrundsätze zu vereinbaren. Von dieser Ermächtigung haben die Regierungschefs der Länder auf ihrer Konferenz vom 26. bis 28. Oktober 1988 in Berlin Gebrauch gemacht6S0 • Nach dieser Vereinbarung gehen die Länder davon aus, daß - unbeschadet erforderlicher rundfunkrechtlicher Zulassungen - der Bedarf deutscher Veranstalter an Satellitenkanälen für Rundfunkzwecke von der Deutschen Bundespost durch die Errichtung deutscher Satellitensysteme oder durch Anmietung europäischer oder internationaler Satellitenkanäle gedeckt wird65l • Die Länder gehen ferner davon aus, daß die Deutsche Bundespost die Länder regelmäßig sowie auf Antrag eines Landes über die hierfür in Betracht kommenden Möglichkeiten unterrichtet. Besteht danach in einem Land oder mehreren Ländern die Absicht, einen (Fernmelde-) Satellitenkanal für Rundfunkzwecke zu nutzen, wird diese Absicht den anderen Ländern mitgeteilt. Bei der Entscheidung über die Zuordnung ist

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9. Juni 1989, S. 10) und sendet regulär seit dem 7./8. August 1989 (vgl. Funk-Korrespondenz Nr. 31 vom 4. August 1989, S. 3 f.). Vgl. Müller-Römer, Media Perspektiven 1989, 410, 413; siehe auch epd Nr. 65 vom 19. August 1989, S. 9. Vgl. Müller-Römer, Media Perspektiven 1989,410,416. Dies verdeutlicht sich auch daran, daß Kopemikus 1 eine "back up-Funktion" für den bundesdeutschen Rundfunksatelliten lV-Sat 2 übernehmen soll (vgl. Funk-Korrespondenz Nr. 31 vom 4. August 1989, S. 3). Nach Müller-Römer)st das high-power-Satellitensystem lV-SAT sogar "überholt" und hat nur noch für die Ubertragung hochautlösenden Fernsehens (HDTV) Bedeutung (epd Nr. 65 vom 19August 1989, S. 9 f.); siehe dazu auch Kammann, epd Nr. 66 vom 23. August 1989, S. 3 ff. Zur Empfangsmöglichkeit des deutschen Rundfunksatelliten lV SAT 2 sowie des deutschen Fernmeldesatelliten Kopernikus Müller-Römer, Media Perspektiven 1989, 410, 413. Abgedruckt bei Hartstein/mng/Kreile, RfStV, Art. 1, Rdnr. 49. Vgl. dazu Müller-Römer, Frankfurter Rundschau Nr. 40 vom 17. Feb. 1988, S. 12.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

der Bedarf aller Rundfunkveranstalter, d.h. der privaten und öffentlichrechtlichen Rundfunkveranstalter, zu berücksichtigen. Erfolgt binnen eines Monats kein Widerspruch, kann der Kanal entsprechend der Bedarfsanmeldung in Anspruch genommen werden. Nach vorheriger Abstimmung mit den Bundesländern hat die Deutsche Bundespost durch Entscheidung vom 19. Juli 1989 einen Kanalbelegungsplan für den deutschen Fernmeldesatelliten Kopernikus 1 aufgestellt. Die in dieser Plankonzeption enthaltene Aufteilung der Kanalkapazitäten soll bis zur Inbetriebnahme des Kopernikus 2 gelten652 • Die Rundfunkreferenten der Länder haben auf ihrer Sitzung in Berlin am 31. August und 1. September 1989 einen Vorschlag für die endgültige Belegung der Kanäle auf dem Kopernikus-System erarbeitet653 • Die Aufteilung von Kanalkapazitäten auf Fernmeldesatelliten durch Vereinbarung der Ministerpräsidenten ist wie die staatsvertragliche Verteilung der Rundfunksatellitenkanäle verfassungsrechtlich unzulässig, weil sie dem Staat eine mit dem Prinzip der Staatsfreiheit unvereinbare Bestimmungsmacht des Staates über einzelne Rundfunkveranstalter verleiht. Die verfügbaren Übertragungswege sind nach Maßgabe der Entscheidung der Landesmedienanstalten mit einzelnen Rundfunkveranstaltern zu belegen654 •

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Vgl. zum Inhalt dieses Kanalbelegungsplanes Müller-Römer, Media Perspektiven, 410, 414 f.; siehe auch Funk-Korrespondenz Nr. 37 vom 15. September 1989, S. 9. Nach einem Denkmodell Müller-Römers sollen die Hauptprogramme von ARD und ZDF nicht - wie bisher geplant - über den Kopernikus-Satelliten, sondern über den Rundfunksatelliten TV-Sat 2 verbreitet werden und stattdessen die Kulturprogramme Eins plus und 3SAT vom TV-SAT 2 auf das Satellitensystem Kopernikus wandern; dieses Denkmodell zielt im wesentlichen auf die Empfangsmöglichkeit der Hauptprogramme von ARD und ZDF dort in Europa, wo die auf deutschen Boden stehenden terrestrischen Sender zwar nicht hinreichen, aber Deutsch verstanden wird beziehungsweise wo Deutsche Urlaub machen; vgl. dazu Funk-Korrespondenz Nr. 46 vom 17. November 1989, S. 13. Vgl. zur Plankonzeption im einzelnen Funk-Korrespondenz Nr. 42-43 vom 20. Oktober 1989, S. 6. Vgl. dazu bereits den 3. Teil, 2. Kapitel, I. 3. b) (2).

Drittes Kapitel: Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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Drittes Kapitel: Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten in der Bundesrepublik Deutschland beruht auf vier Einnahmefeldern: Den Rundfunkgebühren, den Einkünften aus der Wirtschaftswerbung, den Einnahmen aus verschiedenen Quellen, die zum Teil keinen unmittelbaren Bezug zur Rundfunktätigkeit haben, und schließlich dem Finanzausgleich zugunsten der demographisch bedingt fmanzschwächeren Rundfunkanstalten Radio Bremen, Sender Freies Berlin und Saarländischer Rundfunk. Demgegenüber folgt die Finanzierung der Bundesrundfnnkanstalten anderen Regelungsmustern: Der Deutschlandfunk erhält etwa zwei Drittel seines Etats aus Mitteln des Bundeshaushaltes655 • Seit dem 1. Januar 1990 haben die Landesrundfunkanstalten den Betrag von 58 Millionen DM von der ihnen zustehenden Grundgebühr an den Deutschlandfunk abzuführen6S6 • Die Deutsche Welle wird ausschließlich aus dem Bundeshaushalt fmanziert 6S7 • Die bedeutenste Finanzierungsquelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten ist die Rundfunkgebühr, was durch Art. 3 Abs. 1 RfStV explizit vorgeschrieben ist. Die ARD-Anstalten decken ihren Finanzbedarf zu etwa zwei Dritteln über die Gebühreneinnahmen. Beim ZDF, dem gemäß Art. 8 Abs. 1 Rundfunkgebühren-StV von 1974 i.V.m. § 23 ZDF-StV dreißig Prozent des Fernsehgebührenanteils zustehen, beträgt der Anteil nur ca. fünfundfünfzig Prozent. Dementsprechend ist die Bedeutung der Einnahmen aus der Wirtschaftswerbung beim ZDF (knapp vierzig Prozent) deutlich gewichtiger als bei der ARD (knapp über zwanzig Prozent). Die Entwicklung der anteilsmäßigen Einnahmerelationen in den letzten zehn Jahren zeigt beim ZDF ein relativ konstantes Bild, während bei den ARD-Anstalten der Gebührenanteil an der Gesamtfinanzierung stetig abgenommen hat; diese Einnahmeverluste wurden durch steigende Werbeeinnahmen und vor allem durch erhebliche Zuwächse bei den sonstigen Einnahmen ausgeglichen658 • Da es zur Veranstaltung von Rundfunkprogrammen ausreichender fmanzieller Mittel bedarf, gewinnt die Frage nach den Finanzierungsmodalitäten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Bedeutung. Im folgenden gilt es zu untersuchen, ob staatlichen Stellen bei der Sicherung der finanziellen 65S 6S6 6S7

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Im Bundeshaushalt 1989 waren dies unter Kapitel 0602, Titel 68508 insgesamt 109,8 Mill. DM. Art. 2 Rundfunkfinanzierungs-StV. Die Deutsche Welle erhielt im Jahre 1989 299,6 Mill. DM, vgl. Bundeshaushalt 1989, Kapitel 0602, Titel 68508. Vgl. Schneck, Media Perspektiven 1989,606, 608 (fabelle 1).

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Grundlagen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Gestaltungsbefugnisse zustehen, die sich mit dem Prinzip der Staatsfreiheit nicht in Einklang bringen lassen. I. Finanzierung durch Rundfunkgebühren l.Rechtsnatur der Rundfunkgebühr

In der Literatur gehen die Meinungen über die Rechtsnatur der Rundfunkgebühr auseinander. Die Auffassungen reichen von einer Anstaltsbenutzungsgebühr659, einer Anstaltsbenutzungsgebühr mit Beitragselementen660, einer Anstaltsbenutzungsgebühr in der Form einer Konzessionsabgabe66 t, einer IVerleihungsgebühr"662, einer einmaligen Genehmigungsgebühr663 bis hin zu einem Beitrag664 , einer Zwecksteuer665 oder einer parafiskalischen Sonderabgabe666• Der Streit beruht auf dem Umstand, daß bereits das Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerätes die Rundfunkgebührenpflicht begründet667, ohne daß es darauf ankommt, daß der einzelne abgabenpflichtige Rezipient auch tatsächlich die Programme der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten empfängt. Wir brauchen auf diese unterschiedlichen Ansichten zur Rechtsnatur der Rundfunkgebühr nicht näher einzugehen668 • Entscheidend ist allein 659

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Vgl. BayVGH, BayVBI. 1967, 244, 245; Maunz, BayVBI. 1957, 4, 9; Hemnann, AöR Bd. 90 [1965], 286, 324 ff; Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie des DLF, S. 20; Zeidler, Probleme der Rundfunkgebühr, passim; vgI. ferner Schneck, Media Perspektiven 1989, 606, 612. Vgl. Badura, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 18 ff.; lpsen, Rundfunkgebühr, S. 60; Knemeyer, DVBI. 1968, 922; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 502; Steimer, Rundfunkfinanzierung, S. 34 ff. Vgl. Peters, Zuständigkeit des Bundes im Rundfunkwesen, S. 45 ff.; Klinge, Organisation des Rundfunks als Rechtsproblem, S. 114 f.; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht 1,6. Auflage 1965, S. 226. Vgl. Kirchhof, ZIP 1984, 1423, 1427, allerdings in kritischer Betrachtung. Vgl. Moser, DÖV 1954,389,391. Teilweise (vgl. Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, S. 41, Fn. 33; Peters, Zuständigkeit des Bundes im Rundfunkwesen, S. 45; Schneck, Media Perspektiven 1989, 606, 611, Fn. 18) werden die Ausführungen Mosers, JZ 1951, 70, 73, dahingehend interpretiert, er habe die Rundfunkgebühr als Zwecksteuer qualiftziert; dies ist jedoch ersichtlich unzutreffend, was Moser in DÖV 1954, 389, 391 zu 11 klarstellt und worauf zu Recht hinweist Schmidt, Rundfunkgebühr, S. 38 f. Vgl. WOlff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Auflage 1974, S. 308; Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, S. 42; Heydt, AöR Bd. 100 [1975], 584, 595; Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 34 ff.; Schmidt, Rundfunkgebühr, S. 57 ff. Vgl. Hümmerich/Beucher,AfP 1989, 708, 714 f. Vgl. Schmidt, Media Perspektiven 1986, 162, 167 f.; siehe auch ders., Rundfunkgebühr, S. 59 f.; Badura, ZUM 1988, 155, 163: "Die Rundfunkgebühr kommt ihrer Eigenart nach den paraftskalischen Sonderabgaben zumindest nahe". Vgl. nunmehr Art. 3 Abs. 1 Satz 4 RfStV. Verwiesen sei auf die besonders instruktiven Ausführungen von SChmidt, Rundfunkge-

Drittes Kapitel: Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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das unstreitige Grundmerkmal, daß es sich bei der Rundfunkgebühr um eine öffentlich-rechtliche Abgabe handelt. Wie sogleich zu zeigen sein wird, liegt die Problematik der Gebührenfmanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten darin, daß de lege lata die Landesregierungen und Landesparlamente über die Festsetzung der Gebührenhöhe zu entscheiden haben. Auf diese Thematik wollen wir unsere Aufmerksamkeit konzentrieren. 2. Das Verfahren zur Festsetzung der Höhe der Rundfunkgebühr

Die jeweilige Höhe der Rundfunkgebühr wird in einem Staatsvertrag, den alle Länderparlamente in Landesrecht transformieren, durch die Unterschrift der Regierungschefs der elf Länder festgelegt. Zu diesen Zwecken erstellt die von den Regierungschefs durch Beschluß vom 20. Februar 1975 eingesetzte Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfes der RundfUnkanstalten (KEF) jeweils einen Bericht, auf dessen Grundlage über die konkrete Festsetzung entschieden wird. Die KEF hat nach diesem Beschluß die Aufgabe, den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten fortlaufend zu ermitteln und den Regierungschefs alle zwei Jahre einen Prüfungsbericht zu erstatten, in dem sie die Finanzsituation der Anstalten darlegt und eine Einschätzung zu der Frage abgibt, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe sie eine Anhebung der Rundfunkgebühren für erforderlich erachtet6(9. Gegenstand dieser Prüfung sind insbesondere die Entwicklung der Personalkosten beziehungsweise die Entwicklung des Tarifgefüges und der Personalkosten sowie die Auslastung, Effektivität und Wirtschaftlichkeit des gesamten Produktionsbereiches670 • Die KEF bestand ursprünglich aus zwölf Mitgliedern, davon vier Vertreter aus den Staatskanzleien von Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, vier Vertreter der Rechnungshöfe der Länder Bayern, Berlin, Hamburg und RheinlandPfalz sowie vier wirtschaftserfahrene unabhängige Sachverständige671 ; den Vorsitz führte der Chef der Staatskanzlei des Bundeslandes Rheinland-Pfalz, der als dreizehntes Mitglied der Kommission allerdings kein Stimmrecht

bühr, s. 38 ff. und Steimer, Rundfunkfinanzierung, S. 19 ff. Vgl. OppermannjKilian, Finanzierung, S. 44; HartsteinjRing/Kreile, RfStV, Art. 4, Rdnrn. 8 und 9; Schneck, Media Perspektiven 1989, 606, 609. 670 Vgl. zur Kontrolle der WirtSChaftsführung der Rundfunkanstalten Lehmann, Media Perspektiven 1983, 764; siehe weiter Fuhr, ZDF-StV, § 24 f, S. 394; HartsteinjRing/Kreile, RfStV, Art. 4, Rdnr. 11; Schneck, Media Perspektiven 1989, 606, 609 f.; allgemein zur (Finanz-) Planung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks SiebenjOssadnikjWachter, Planung für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, insbesondere S. 76 ff. und 96 ff. 671 Vgl. OppermannjKilian, Finanzierung, S. 44; HartsteinjRing/Kreile, RfStV, Art. 4, Rdnrn. 7 ff.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

besaß. Beschlüsse der KEF bedurften der Mehrheit von zwei Dritteln ihrer stimmberechtigten Mitglieder672. Dieses Verfahren zur Ermittlung des Finanzbedarfes ist nunmehr durch Art. 4 RfStV festgeschrieben: Danach wird der Finanzbedarf der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten regelmäßig entsprechend den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geprüft und mindestens alle zwei Jahre festgestellt (Art. 4 Abs. 1 RfStV). Bei der Ermittlung des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten sind bestimmte Kriterien zugrunde zu legen (Art. 4 Abs. 1 RfStV)673. Durch dieses Verfahren soll bei der Feststellung des Finanzbedarfes der Anstalten ein hoher Grad der Objektivierbarkeit erreicht werden (Art. 4 Abs. 3 RfStV). Im Anschluß an die Feststellung des entsprechenden Bedarfes wird jeweils über eine Anpassung der Rundfunkgebühr entschieden (Art. 4 Abs. 4 RfStV). Aufgrund einer Protokollnotiz zu Art. 4 Abs. 3 RfSty674 wurde durch Beschluß der Regierungschefs der Länder vom 19. Mai 1988675 das Verfahren zur Ermittlung des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten durch die KEF neu geregelt, wobei gegenüber dem Einsetzungsbeschluß vom 20. Februar 1975 einige Ergänzungen und Veränderungen vorgenommen wurden: Die Zahl der Sachverständigen wurde von vier auf sechs erhöht; je ein Vertreter kommt aus dem Bereich der Betriebswirtschaft und dem Bereich der Medienwirtschaft. Die Gruppe der Sachverständigen setzt sich nunmehr zusammen aus zwei Wirtschaftsprüfern, zwei Vertretern der Betriebswirtschaft, einem Vertreter aus der Wissenschaft mit der Befähigung zum Richteramt und einem Vertreter aus der Medienwirtschaft. Den Vorsitz der Kommission führt weiterhin der Chef der Staatskanzlei von Rheinland-Pfalz; sein Vertreter ist das von der Staatskanzlei Nordrhein-Westfalen entsandte Kommissionsmitglied. Zugleich wurde die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Mitglieder der Kommission ausdrücklich festgeschrieben. Die Kommission faßt ihre Beschlüsse mit einer Mehrheit von mindestens neun Stimmen ihrer stimmberechtigten Mitglieder. Die Kommission ist nicht mehr wie bislang darauf beschränkt, bei ihrem Vorschlag für eine etwaige Gebührenanpassung einen beitragsmäßig konkret

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Vgl. Oppermann/Kilian, Finanzierung, S. 44; Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 4, Rdnr. 8. Vgl. dazu im einzelnen sogleich. Abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 4. Abgedruckt bei Hartstein/Ring/Kreile, RfStV, Art. 4, Rdnr. 13.

Drittes Kapitel: Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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bezifferten Betrag anzugeben; bei unterschiedlichen Entwicklungsmöglichkeiten kann sie auch eine Spanne nennen, innerhalb derer eine etwaige Gebührenerhöhung erfolgen soll. Eine unmittelbare und ständige Beteiligung der Vertreter der Rundfunkanstalten an den Sitzungen der KEF ist nicht vorgesehen. Die Anstalten sind nur "nach Bedarf' zu den Beratungen heranzuziehen. Die wesentlichen Zwischenergebnisse der Kommission werden ARD und ZDF mitgeteilt. Vor der abschließenden Beschlußfassung der KEF ist den Intendanten der Rundfunkanstalten Gelegenheit zur Stellungnahme und Erörterung zu geben. a) Einwände gegen das bislang praktizierte Verfahren zur Festsetzung der Rundfunkgebühr Dieses Gebührenfestsetzungsverfahren, das die Entscheidung über die wesentliche Finanzierungsquelle der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in die Hände der Regierungschefs und Parlamente der einzelnen Länder legt, brachte der Festlegung der Rundfunkgebühr den Vorwurf eines "politischen Preises" ein676• Infolge der staatlichen Abhängigkeiten bestehe die Gefahr, daß die Rundfunkgebühr nicht an dem tatsächlichen Finanzbedarf der Rundfunkanstalten bemessen, sondern aus sachfremden politischen Motiven so gering wie möglich gehalten werde677• Die Einrichtung der KEF diene zwar der Versachlichung bei der Ermittlung des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten; dennoch biete sie aufgrund des Übergewichts der Vertreter des Staates in der Kommission keine Gewähr für eine staatsdistanzierte, von politischen Rücksichtnahmen freie Bedarfsermittlung678• In einem

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Vgl. nur Bausch, Der Staat als Mäzen des Rundfunks, S. 26, 27; Bühringer, Media Perspektiven 1985, 1, 2; ders., Planung, Aufsicht und Kontrolle von Rundfunkunternehmen, S. 49, 66 f.; Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, S. 43; Hasper, ZUM 1989, 176 f.; Ko/lek, Rundfunkfinanzierung, S. 103 f.; Lange, Kommerzielle Ziele, S. 65; Prodoehl, Media Perspektiven 1990,378,382 f.; Rombach, Rundfunk im Umbruch, S. 51, 52; Schmidt, Rundfunkgebühr, S. 65; Steimer, Rundfunkfinanzierung, S. 37; Stock, Landesmedienrecht im Wandel, S. 84 m.w.N. in Fn. 245; vgl. auch Lerche, Landesbericht, S. 15, 92. Vgl. Bausch, Der Staat als Mäzen des Rundfunks, S. 24 ff.; Bühringer, Media Perspektiven 1985, 1, 2 ff.; Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, S. 43 m.w.N.; Steimer, Rundfunkfinanzierung, S. 37; auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, EuGRZ 1991,49, 70) eröffnet die Gebührenfinanzierung "Möglichkeiten der politischen Einflußnahme auf die Programmgestaltung" der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Vgl. Grupp, Grundfragen des Rundfunkgebührenrechts, S.44 m.w.N.; Ko/lek, Rundfunkfinanzierung, S. 152 f. m.w.N.; Oppermann/Ki/ian, Finanzierung, S. 44: KEF als "Antipode" der Rundfunkanstalten; Schneider/Radeck, Verfassungsprobleme der Rundfunkfinanzierung aus Werbeeinnahmen, S. 44 ff., insbesondere S. 47; Sieben, Media Perspektiven 1982, 73 ff.; siehe auch Bühringer, Planung, Aufsicht und Kontrolle von Rundfunkunternehmen, S. 49, 66.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

Positionspapier der ARD vom 7. Oktober 1974 zur Finanzierung des Rundfunks 679 vertreten die Anstalten die Auffassung, daß auch die Finanzierung des Rundfunks "unter Beteiligung aller relevanten gesellschaftlichen Kräfte" "frei und unabhängig vom Staat erfolgen" müsse und infolgedessen eine Selbstfestsetzung der Höhe der Rundfunkgebühr durch die staatsunabhängigen Gremien der Rundfunkanstalten geboten sei. Einen vorläufigen Höhepunkt in dem Streit um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des derzeitig praktizierten Verfahrens zur Festsetzung der Höhe der Rundfunkgebühren bildet der Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juli 19886110 • Der Hof hat gemäß Art. 100 GG das Ausgangsverfahren ausgesetzt, in dem die Kläger Rückzahlung des sogenannten Kabelgroschens begehren, und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag mit der Verfassung in Einklang steht681 • Er greift die von ihm bereits im Verfahren um die Zulässigkeit der Ausstrahlung des ARD-Satellitenprogrammes Eins plus aufgeworfene, aber seinerzeit nicht abschließend beantwortete Frage wieder auf, ob das Grundrecht der Rundfunkfreiheit die Gebührenhoheit der öffentlichrechtlichen Rundfunkanstalten einschließt, mit der Folge, daß sie ihre Gebühren selbst festsetzen könnten682 • Das Gericht rekurriert in seiner Begründung auf den abwehrenden Gehalt der Rundfunkfreiheit, welcher verlange, daß die Gestaltung und Verbreitung von Rundfunkprogrammen frei von staatlicher Einflußnahme bleibe. Die Selbstverwaltungsgarantie der Rundfunkanstalten als Träger der Rundfunkfreiheit sei eine vom Grundgesetz unmittelbar gewollte Autonomie, die keine staatliche gestaltende Mitverantwortung zulasse683 • Aus diesen Autonomiebefugnissen leitet der Hof das Recht der Rundfunkanstalten auf Gebührenhoheit ab, weil mit der Festsetzung des Gebührenaufkommens zugleich der Rahmen abgesteckt werde, innerhalb dessen sich die Rundfunkanstalten im staatsfreien Raum entfalten könnten684 • Die staatliche Festlegung der Rundfunkgebührenhöhe verletze diese Autonomie. Unter Heranziehung mehrerer Fälle aus der praktischen Politik versucht das Gericht zu belegen, daß die Entscheidung über die Gebührenfestsetzung oftmals zum Anlaß genommen worden sei, auf Gestaltung des Programmangebotes der Rundfunkanstalten und Entwicklung des öffentlich-rechtlichen Systems Einfluß zu gewinnen. Die staatliche Entscheidungskompetenz begründe Abhängigkeiten, die den Anstalten objektiv und

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Auszugsweise abgedruckt bei HartsteinjRing/Kreile, RfStV, Art. 4, Rdnr. 6. VgI. BayVGH, BayVBI. 1988,685. VgI. bereits den 1. Teil, 1. Kapitel, 11. 3. VgI. BayVGH, BayVBI. 1986,339,340. VgI. BayVGH, BayVBI. 1989,685,686. VgI. BayVGH, BayVBI. 1989, 685, 686.

Drittes Kapitel: Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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subjektiv Grund zu der Befürchtung geben würden, nur bei "Wohlverhalten" weiterhin versorgt zu werden6&5. Selbst wenn die staatliche Gebührenentscheidung früher autonomieverträglich gewesen sein sollte, träfe dies unter den Gegebenheiten einer dualen Rundfunkordnung nicht mehr zu, da die Gebührenfestsetzung "eindeutig in den Sog der medienpolitischen Diskussion geraten" sei686• Eine solche staatliche Bestimmungsmacht sei der Rundfunkfreiheit abträglich. "Deshalb" gehöre die Gebührenhoheit unabdingbar zum grundrechtlich geschützten Bereich der Rundfunkfreiheit 687• b) Rechtliche Würdigung des gegenwärtig praktizierten Verfahrens zur Festsetzung der Rundfunkgebühr (Art. 4 RfStV) Im folgenden gilt es die soeben geschilderten Bedenken gegen das derzeit praktizierte Verfahren zur Gebührenfestsetzung auf ihre Tragfähigkeit hin zu untersuchen. Die Rundfunkfreiheit ist in ihrem Kernbereich Programmfreiheit, die dem Staat jedwede Einflußnahme auf die inhaltliche Gestaltung der Programme durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verbietet. Mit der Festlegung der Gebührenhöhe wird über die fmanzielle Ausstattung der Rundfunkanstalten entschieden; ein Einfluß auf die Gestaltung von Programmen oder einzelner Sendungen ist mit dieser Entscheidung nicht zwingend verbunden. Dennoch sind mittelbare Einwirkungseffekte nicht auszuschließen: Die Veranstaltung von Rundfunksendungen durch die Rundfunkanstalten ist nur dann aufrechtzuerhalten, wenn den Anstalten die dafür erforderlichen fmanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Veränderungen dieser Umweltbedingungen können sich auf die Programmgestaltung der Rundfunkanstalten auswirken688• Das Bundesverfassungsgericht hat im Baden-Württemberg-Beschluß diese Querverbindungen von Programmfreiheit und deren wirtschaftlicher Absicherung deutlich hervorgehoben: Der Staat dürfe das Verfassungsrecht, welches einem direkten Verbot von Programmen entgegenstehe, nicht dadurch umgehen, daß er dasselbe Ergebnis durch Entzug oder Beschränkung der Finanzierungsmöglichkeiten zu erreichen versuche689 • Die Frage der Verfassungskonformität der staatlichen Gebührenfestsetzung bemißt sich also danach, ob die rechtliche Implementation der Kriterien, die bei der Bedarfsermittlung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkan6&5 vgl. BayVGH, BayVBI. 1989, 685, 687. 686

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Vgl. BayVGH, BayVBI. 1989, 685, 687 unter Hinweis auf Rombach, Rundfunk im Umbruch, S. 62. Vgl. BayVGH, BayVBI. 1989, 685, 688. Vgl. bereits den 2. Teil, 2. Kapitel, IV. 2. b) (2) (a). Vgl. BVerfGE 74,297,342.

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Dritter Teil: Staatsfreiheit des Rundfunks in der dualen Rundfunkordnung

stalten und bei einer möglichen Gebührenanpassung zu berücksichtigen sind, mittelbare staatliche Einwirkungen auf die Programmautonomie der Anstalten befürchten läßt. Da nunmehr Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 RfStV explizit die Maßstäbe nennt, an denen sich Prüfung und Ermittlung des Finanzbedarfes der Rundfunkanstalten zu orientieren haben, ist zu untersuchen, ob Auslegung und Anwendung dieser Kriterien programm bezogene Gestaltungsspielräume eröffnen. In einem weiteren Schritt ist die Tätigkeit und Bedeutung der KEF in die Gesamtbeurteilung des gegenwärtigen Gebührenfestsetzungsverfahrens miteinzubeziehen. (1) Auslegung im Lichte der gebotenen Staatsunabhängigkeit der Rundfunkanstalten Nach Art. 4 Abs. 1 RfStV gewinnt die Beachtung der Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Haushalts- und Wirtschaftsführung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wesentliche Bedeutung für die Bestimmung des Finanzbedarfes der Anstalten. Die Einhaltung dieser allgemeinen Prinzipien des Haushaltsrechts ist auch für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als Träger gesellschaftlicher Selbstverwaltung eine Selbstverständlichkeit, weil öffentliche Mittel nur insoweit verwendet werden dürfen, als dies zur Wahrnehmung der dem Verwaltungsträger zugewiesenen Aufgaben erforderlich ist(OO. In der rundfunkrechtlichen Literatur versteht man unter dem Gebot der Sparsamkeit, daß die einzusetzenden Mittel auf das zur Erfüllung des Auftrages unerläßliche Maß zu beschränken sind. Nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit ist bei allen Maßnahmen der Anstalten die günstigste Relation zwischen dem von ihnen anvisierten Ziel und den zu verwendenden Mitteln anzustreben. Die Rundfunkanstalten haben sich daher bei ihrer Finanzplanung an dem Ziel zu orientieren, ein bestimmtes Ergebnis mit möglichst geringen Mitteln zu erreichen oder mit einem bestimmten Einsatz von Mitteln das bestmögliche Ergebnis zu erzielen~·I1.

Diese Begriffsdefinitionen lassen deutlich werden, daß die Rechtsbegriffe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in hohem Maße der inhaltlichen

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VgI. Fuhr, ZDF-StV, § 24 11, S. 394; Hartstein/RingjKreile, RfStV, Art. 4, Rdnr. 19; siehe auch Ossenbühl, Rundfunkfreiheit und Finanzautonomie, S. 40. VgI. Fuhr, ZDF-StV, § 24 11, S. 394; Hartstein/RingjKreile, RfStV, Art. 4, Rdnr. 19. Im finanzverfassungsrechtlichen Schrifttum wird dagegen oftmals die Verpflichtung zur Sparsamkeit in der HaushaIts- und Wirtschaftsführung als Unterfall des Wirtschaftlichkeitsgebotes betrachtet, vgI. Fischer-Menshausen, in: v. Münch, GGK III, Art. 114, Rdnrn. 18 f.; Maunz, in: MDHS, Art. 114, Rdnr. 50; ausführlich und instruktiv Selmer, Die Verwaltung, Bd. 23 [1990], 1, 5 ff.

Drittes Kapitel: Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

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Ausfüllung und Konkretisierung bedürfen, welche sich oftmals nur im Wege einer einzelfallbezogenen Bewertung erschließen lassen(92. Damit ist zugleich die Gefahr aufgezeigt, daß in die externe Überprüfung des Finanzgebarens der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten durch staatliche Stellen Zweckmäßigkeitsüberlegungen Eingang fmden können und daß auf diese Weise die Programm- und Selbstverwaltungsgarantie der Anstalten verletzt wird. Angesichts dieser Gefabrenkonstellation wird unter Zugrundelegung der für die staatliche Rechtsaufsicht über die Rundfunkanstalten entwickelten Maßstäbe teilweise eine staatliche Finanzkontrolle im Programmbereich für "gänzlich unzulässig" erachte(93. Andere räumen den Rundfunkanstalten bei der Bestimmung der Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitskriterien einen weitreichenden Beurteilungsspielraum ein, der nur in Fällen "eklatanter Verletzungen" des Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebotes als Rechtsverletzungen gewertet und gerügt werden könne(94. Darüber hinaus betrachtet man die externe staatliche Finanzkontrolle gegenüber der anstaltsinternen Rechnungsprüfung als subsidiär, wonach staatliche Stellen zur Überwachung des Finanzgebarens erst dann befugt seien, wenn die internen Kontrollinstanzen der Anstalten versagt hätten(95. Unter Beachtung dieser Maßstäbe könnte man die Prüfung der Wirtschaft1ichkeit und Sparsamkeit im Zusammenhang mit der Feststellung des Finanzbedarfes ohne weiteres in staatliche Hände geben, ohne daß dadurch den staatlichen Stellen nennenswerte programmbezogene Gestaltungs- und Einflußnahmemöglichkeiten erwüchsen. Nur liefe bei einer solchen Auslegung des Art. 4 Abs. 1 RfStV die Überprüfung des Finanzbedarfes der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten weitestgehend ins Leere, weil eine wirksame Prüfung der Einhaltung von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Haushaltsführung nicht mehr möglich wäre